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Hinterm Regen scheint immer die Sonne

Aomine/Kise
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Der erste Teil ist für den Weihnachtskalender der 120 Minuten Community entstanden, deswegen eine Weihnachts-Fic. Es ist eine Art 5+1 Fic, wem das was sagt. Wem nicht - lasst euch überraschen =) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Der zweite Teil hat eine ganz andere Struktur als der erste, also nicht wundern. Komplett anzeigen

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Von der Traufe in den Regen

Kise ließ die Glastür des Studios hinter sich zuschwingen und atmete erleichtert aus, als ihm die kalte Dezemberluft entgegenwehte und er sich seinen Schal etwas enger zog, bevor er seinen Heimweg antrat. Kise zog einen Schmollmund, als er am Nachthimmel nicht einen einzigen Stern erkennen konnte. Selbst wenn er sich anstrengte, konnte er lediglich die dunklen Wolken sehen, die ihm die Sicht versperrten. Er atmete mit dem Mund aus und sah zu, wie sein Atem in der Luft gefror - es heiterte ihn ein kleines Bisschen auf, als er daran dachte, dass es vielleicht ja doch noch schneien würde. Der Wetterbericht hatte es vorhergesagt, aber den ganzen Tag war es noch zu warm für Schnee gewesen. Vielleicht hatte er ja Glück und es würde in der Nacht schneien.
 

Es war bereits nach neun Uhr und die Straßen waren hell erleuchtet von den Straßenlaternen und den Weihnachtslichtern in den Schaufenstern und Kise stellte sich vor, wie es noch viel weihnachtlicher wirken würde, wenn überall weißer Schnee läge. Er stellte sich vor, wie schön es wäre, wenn er einfach so mit Aomine durch die schneebedeckten Straßen wandern könnte, wenn sie auf einem der öffentlichen Basketballplätze eine Schneeballschlacht haben könnten, weil es fürs Basketballspielen zu kalt war... aber Aomine würde Kise vermutlich erdrosseln, wenn der ihm solch einen Vorschlag unterbreiten würde.
 

Kise schüttelte sich diese Gedanken halb belustigt und halb bitter aus dem Kopf, weil Aomine einfach nicht interessiert war. Andererseits hatte Kise manchmal das Gefühl, dass er doch nicht ganz so größenwahnsinnig war damit, zu denken, dass Aomine vielleicht nicht so abgeneigt war. Denn manchmal, wenn sie es mal wieder schafften, sich alle zu treffen, schlang Aomine einen Arm um Kise und hängte sich an ihn während er mit jemand anderes aus der Gruppe redete, als wäre das etwas ganz Normales. Manchmal saßen sie ohne etwas zu sagen zusammen auf einer Bank, während Momoi in einem Geschäft etwas suchte, ihre Schultern berührten sich ganz leicht und es fühlte sich an, als stünden sie sich näher als sie es tatsächlich taten.
 

Kise seufzte. Es brachte ja doch nichts, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Er stoppte in der Nähe einer Bäckerei, die natürlich schon längst geschlossen hatte, deren Weihnachtskettenlichter jedoch über Nacht brennen gelassen wurden, und fischte sein Handy aus der Jackentasche. Vielleicht würde er ja weniger über Aomine nachdenken, wenn sie sich mal wieder trafen, also tippte er schnell eine Nachricht ins Display.
 

An: Aominecchi

Hi, Aominecchi o(^o^)o hab grad ein Shooting hinter mir (´~`)

Lust auf Schuh-Shopping?


 

Er wartete fünf Minuten vor der kleinen Bäckerei, aufs Display seines Handys starrend, bis ihm klar wurde, dass er sich wie ein liebeskranker Vollidiot benahm. Schnell schaltete er sein Handy auf Standby und ging eiligen Schrittes weiter. Doch auch zehn Minuten später, als er auf die Straßenbahn wartete, war immer noch keine Nachricht angekommen. Aomine war wohl wieder zu faul, oder hatte keine Zeit. Kise ignorierte, wie sein Herz etwas schwerer wurde und stieg in die Bahn. Ignorierte die ganzen weiteren zehn Minuten lang die Abwesenheit einer Antwort. Ignorierte für den Rest des Weges nach Hause seine komplette Gefühlswelt.
 

Kurz bevor er sein Haus erreichte, tropfte ein Regentropfen auf seine Wange und als er es bis zur Tür geschafft hatte, hatte es angefangen, zu nieseln. Er konnte seine Enttäuschung nicht mehr unterdrücken, knallte die Tür hinter sich zu als er das leere Haus betrat und schmollte für den Rest des Abends in der Ecke auf seinem Bett. Als er schlafen ging, hatte sein Handy immer noch keinen Laut einer Nachricht von sich gegeben.
 

***
 

Nachdem Aomine sich drei Tage später gemeldet und Kises Herz tatsächlich einen verräterischen Hüpfer gemacht hatte, als er Aomines Namen auf dem Display gelesen hatte, stand Kise wie vereinbart vor dem Sports Lab Geschäft in Shinjuku, wieder mit wolkenverhangenem Himmel und einem Grau in Grau, das die Welt unscharf und wie in einem Traum erscheinen ließ. Die Straßen waren immer noch komplett schneelos.
 

Er war zwar eine ganze Viertelstunde zu früh dran, aber das konnte er darauf schieben, dass er für seine Shootings immer früh genug erscheinen musste und es so zur Macht der Gewohnheit geworden war. Es lag absolut nicht an seinen Nerven.
 

Etwa zwanzig Minuten später tippte ihm jemand auf die Schulter und er drehte sich um und wollte schon Aomine überschwänglich begrüßen, wie er es immer tat, doch er hielt mitten in seinem breiten Grinsen inne, als er Momoi vor sich sah und nicht Aomine.
 

"Momocchi!", sagte er überrascht und angesprochene kicherte leicht.
 

"Hi, Kise-kun", grüßte sie, sah ihn im nächsten Moment jedoch entschuldigend an. "Sorry, Aomine ist ein Vollidiot und kann heute doch nicht kommen."
 

Für einen ganz kurzen Moment schaffte Kise es nicht ganz, seine Fassung zu wahren und er sah, wie Momoi das bemerkte, bevor er schnell wieder ein breites Grinsen aufsetzen konnte.
 

"Kein Problem, Momocchi, das ist doch typisch Aominecchi!" Er lachte und selbst in seinen eigenen Ohren hörte es sich falsch an. Doch Momoi presste nur kurz ihre Lippen zusammen, wie um zu verhindern, ihn mitleidig anzusehen. Kise war ihr dankbar dafür, denn das hätte er nicht ertragen. Anscheinend sollte Kise wohl doch wieder enttäuscht werden. Er hegte allerdings immer noch Hoffnung auf Schnee... doch als Momoi sich über die Stirn wischte und von Regentropfen redete, seufzte Kise. Sogar das Wetter war entschlossen, ihn zu enttäuschen.
 

Er wollte trotzdem mit Momoi einen schönen Tag verbringen, sie waren schließlich auch befreundet. Aber die metaphorische dunkle Wolke, die über ihm schwebte, machte es schwierig, Begeisterung zu empfinden. Am Ende des Tages fühlte er sich nicht nur enttäuscht, sondern auch wie ein schrecklicher Freund.
 

Als er wieder zu Hause war, saß er allein im Wohnzimmer auf dem Sessel und beobachtete die Regentropfen, die gegen die Fensterscheibe prasselten. Er fühlte sich so allein.
 

***
 

Kise war überrascht, als Aomine sich nur einen Tag später mit einer Nachricht meldete, die lediglich lautete "Komm zu Maji Burger". Die schlechte Laune, die er seit dem Vortag hatte, war wie weggeblasen, als er aufgeregt die Kekse, die er selbst gebacken hatte (es waren Basketbälle und Sportschuhe), in eine durchsichtige Tüte packte und mit einer Schleife verschloss - es sah aus wie aus dem Laden und Kise war sogar stolz darauf, dass sie so gut gelungen waren. Und er würde sie sogar Aomine geben können. Es war zwar riskant, aber er hatte zumindest eine Notlüge parat - er konnte immer behaupten, er hätte sie gekauft und das Logo hätte sich gelöst.
 

Als er bei Maji Burger ankam, sah es draußen tatsächlich so aus, als würde es jeden Moment losschneien.
 

Er trat hinein und sein Blick wurde von Aomine wie magisch angezogen. Allerdings war Aomine nicht allein da. Ihm gegenüber saßen Kuroko und Kagami und sie waren anscheinend in eine animierte Diskussion vertieft, während Kuroko an einem Vanille-Shake schlürfte.
 

Kise schluckte die Enttäuschung runter, setzte sein typisches Grinsen auf und trat betont leichtfüßig an den Tisch heran.
 

"Hi!", begrüßte er alle, doch der einzige, der sich ihm zuwandte, war Kuroko. Aomine und Kagami hatten sich anscheinend wieder in den Haaren und beachteten ihn in ihrem Streit gar nicht.
 

Kise spürte, wie die Bitterkeit unter der Oberfläche brodelte, also rächte er sich, indem er die Kekse aus seiner Tasche kramte und sie Kuroko vor die Nase stellte. "Kurokocchi, möchtest du ein paar Kekse? Hab ich von einer Assistentin bei nem Shooting bekommen", log er und grinste Kuroko breit an.
 

Kuroko hob eine Augenbraue und es war offensichtlich, dass er Kises Lüge durchschaute, aber in diesem Moment war es Kise ganz egal.
 

Endlich schienen Aomine und Kagami ihren Streit beiseite gelegt zu haben, denn beide waren plötzlich sehr interessiert an den Keksen. Was allerdings nur den nächsten Streit auslöste.
 

Letztendlich war Kuroko der einzige, mit dem sich Kise unterhalten hatte und als er nach Hause ging, wischte das Wetter ihm wieder eins aus, indem ein Regentropfen ihm direkt ins Auge fiel.
 

***
 

Fast eine Woche später dachte Kise, dass es vielleicht doch langsam aufwärts ging, denn Momoi hatte es geschafft, Aomine mitzubringen zum Geschenke-Shoppen. Es war zwar eindeutig zu warm an diesem Tag für Schnee und zum Glück sah der Himmel nicht nach Regen aus, doch da Aomine dieses Mal dabei war und er von Momoi nicht so eingenommen war wie von Kagami, dachte Kise, dass er dieses Mal drüber hinwegsehen würde.
 

Als Momoi ein Geschäft gefunden hatte, das sie unbedingt besuchen wollte, freute sich Kise bereits darauf, mit Aomine wieder auf der Bank zu sitzen, doch Momoi packte ihn am Arm und zog ihn mit in den Laden, während sie Aomine draußen auf der Bank zurückließ.
 

"Bist du okay?", fragte sie plötzlich und einige geschlagene Momente lang wusste Kise nicht, was er darauf erwidern sollte und schaute vermutlich drein wie ein Fisch. Dann fasste er sich und grinste Momoi breit an.
 

"Klar bin ich okay!"
 

Aber Momoi sah ihn nur streng an. Kise wollte allerdings nicht über seinen eigenen Gemütszustand nachdenken. Er wusste, dass Momoi vermutlich das Makeup unter seinen Augen sah, das er sich hatte auftragen müssen, weil er die letzten Nächte immer so furchtbar geschlafen hatte. Irgendwo in seinem Unterbewusstsein wusste er, warum das so war, aber das wollte er definitiv nicht ans Tageslicht holen. Es lebte sich so viel einfacher, wenn man den ganzen Mist ignorierte und so tat, als sei alles in Ordnung.
 

"Kise-kun... willst du es Aomine nicht sagen?"
 

"Was meinst du?", fragte Kise in einem Tonfall, von dem er wusste, dass Momoi ihn verstehen würde. Er wollte nicht über seine Gefühle zu Aomine reden.
 

Momoi seufzte. "Hast du schon ein Geschenk für ihn?"
 

Kises Herz sank ihm in die Hose, als er sich an sein Geschenk erinnerte. "Ja... hab ich."
 

Momoi sah ihn abwartend an und er wusste, dass er zumindest damit herauskommen musste, um Momoi zu besänftigen. Nur, dass sein Geschenk sie vermutlich alarmieren würde.
 

"Ich habe in einer Woche ein Shooting mit Mai Horikita, da wollte ich Aomine einladen." Er wusste, dass er sich damit selbst ein Grab schaufelte. Er wusste es, aber es war das einzige, womit er Aomine irgendwie beeindrucken konnte. Er selbst konnte es schließlich nicht.
 

Wie erwartet sah Momoi ihn entgeistert an. "Kise-kun, das ist eine furchtbare Idee, du tust dir damit nur selbst weh!"
 

Aber Kise schüttelte nur den Kopf. "Es ist besser so."
 

Momoi öffnete ihren Mund, ihr Gesichtsausdruck empört, doch dann presste sie ihre Lippen wieder zusammen. Als sie sich wieder beruhigt hatte, wechselte sie schließlich das Thema. "Was wünschst du dir?"
 

Ohne zu zögern erwiderte Kise, "Schnee."
 

Momoi sah ihn einen Moment lang verwirrt an, dann seufzte sie. "Was wünschst du dir wirklich?"
 

Doch Kise antwortete ihr nicht.
 

Als er Aomine von dem Shooting erzählte und ihm als vorzeitiges Weihnachtsgeschenk anbot, mitzukommen, war Aomine wie vorhergesagt begeistert, wie Kise ihn selten erlebt hatte, wenn es nicht um Basketball ging. Kise musste all seine Kraft auftreiben, damit sein Grinsen nicht bröckelte.
 

Als Kise an diesem Abend im Regen nach Hause kam, ließ er im Ganzen Haus die Rolladen runter, um sich wenigstens den Regen nicht ansehen zu müssen. Es war niemand da, der ihn daran hindern konnte.
 

***
 

Es hatte schon am Morgen angefangen zu regnen und es hörte den ganzen Tag über nicht auf. Kise wusste schon als er aufgestanden war, dass der Tag ihm mal wieder in den Hintern treten würde. Er hatte es Leid, ständig enttäuscht zu werden. Aber er würde nur Aomines Begegnung mit Mai-chan überleben müssen. Es würde schon nicht so schwer werden. Aomine und Mai-chan waren zu verschieden, Aomine war überhaupt nicht charmant, also würde Kise sich keine Sorgen machen müssen.
 

Als sie sich vor dem Shooting jedoch begrüßen sollten und Aomine und Mai-chan gleich locker ins Gespräch kamen und Aomine sie sogar angrinste, war sich Kise nicht mehr so sicher, ob er das überstehen würde. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Mai-chan sich so gut mit Aomine verstehen würde. Sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen und sein Herz stach jedes Mal, wenn Mai-chan Aomine anlächelte, jedes Mal, wenn Aomine und Mai-chan zusammen lachten.
 

Am Ende des Shootings konnte Kise es nicht mehr ertragen. Es war zu viel, sich letztendlich doch eingestehen zu müssen, dass Aomine eben doch nur auf Mädchen stand und große Brüste.
 

"Danke für das erfolgreiche Shooting, Mai-chan! Ich muss dringend nach Hause, also viel Spaß noch euch zwei!", presste Kise irgendwie mit einem aufgesetzten Lächeln heraus und floh. Er hörte noch, wie Aomine seinen Namen rief, aber Kise ignorierte ihn, ignorierte alles und ging so schnell er konnte, ohne zu rennen.
 

Er erinnerte sich nicht mehr, wie er nach Hause gekommen war, aber er fand sich mit brennenden Augen und leicht durchnässt im Eingang seines zu Hauses wieder. Er gab den Tränen nicht nach, sondern zog sich routiniert aus, ging langsam ins Wohnzimmer, ohne Licht zu machen, und ließ sich auf das Sofa nieder. Die Stille und Dunkelheit wurden lediglich von den Regentropfen durchbrochen, die beständig gegen die Fensterscheiben prasselten.
 

Kise saß viel zu lange starr auf dem Sofa, bis er schließlich vor Erschöpfung an Ort und Stelle einschlief.
 

***
 

Es war Heiligabend und Kise war zum Heulen zumute. Aomine hatte sich nicht gemeldet, Momoi hatte ihm fünf besorgte Nachrichten hinterlassen, auf die er alle nicht geantwortet hatte, und es regnete. Kise hatte gedacht, wenn er schon Aomine nicht haben konnte, dann wollte er wenigstens weiße Weihnacht, damit er sich am Abend draußen im Schnee davon ablenken konnte, dass er wieder einmal ganz allein war. Aber natürlich hatte sich das Schicksal wieder einmal gegen ihn verschworen.
 

Er saß ganze zwei Stunden im Wohnzimmer herum und starrte nach draußen, versuchte den Regen rein durch Kraft seines Willens in Schnee zu verwandeln, doch natürlich funktionierte das nicht. Am Ende fühlte er sich so mies und sein Herz so schwer, dass er es nicht mehr aushielt, nur blöd herumzusitzen.
 

"Scheiß' drauf", brummte er schließlich, sprang fast schon von dem Sofa und stapfte resolut zur Tür. Er zog sich an und trat nach draußen in den Regen, ohne Regenschirm. Es war ihm egal und er wollte überall sonst sein, nur nicht in dem leeren Haus.
 

Als er durch die Straßen geisterte, bemerkte er es fast gar nicht, dass er mit jemandem zusammenstieß. Nur, weil Momoi ihn erkannte und seinen Namen rief, erwachte er halb aus seinem Trance-ähnlichen Zustand, in dem er war.
 

"Momocchi!" Sie hatte eine Tüte in der Hand und einen gelben Regenschirm.
 

"Kise-kun, was machst du denn hier? Du bist ja ganz durchnässt!"
 

Kise hatte darauf keine Antwort. Das, was Momoi in seinem Gesicht erkannte, war wohl genug für sie, sich ihn zu packen und mit sich zu zerren. Kise ließ es einfach geschehen. Er hatte keine Kraft mehr an diesem Tag, sich zu wehren.
 

Es stellte sich heraus, dass Momoi ihn mit zu Aomine geschleppt hatte, was Kise viel zu spät auffiel - nämlich erst, als sie schon eingetreten und Aomines Eltern sie begrüßt hatten. Gleich darauf zerrte Momoi ihn mit in Aomines Zimmer, in dem Aomine auf seinem Bett lag und in einem Magazin blätterte. Kise war froh, dass er bereits leicht gefühlstaub war, sodass es ihm keinen großen Stich mehr versetzte, als er meinte, Mai-chan in dem Magazin erkannt zu haben.
 

Kise musste wohl ziemlich durch den Wind aussehen, denn selbst Aomine verzog das Gesicht und ließ vom Magazin ab, um sich aufzusetzen und Kise anzusehen. "Was ist denn mit dir passiert?"
 

Kise konnte nur mit Mühe ein hysterisches Lachen unterdrücken.
 

Momoi brachte Aomine dazu, ihr zu helfen, Kise in trockene Klamotten zu kriegen und Kise fand sich irgendwann auf Aomines Bett sitzend wieder, leicht verwirrt und desorientiert, weil Momoi plötzlich nicht mehr da war.
 

"Oi, lebst du noch da drin?", frage Aomine und Kise blinzelte den letzten Rest Taubheit weg, sah in Aomines blaue Augen und wünschte sich so verzweifelt, dass Aomine seine innere Unruhe und diesen Schmerz einfach vaporisieren würde, dass ihm die Tränen in die Augen schossen.
 

Dann tat Aomine etwas, was Kise in hundert Jahren nicht von ihm erwartet hätte. Aomine legte einen Arm um Kises Schulter, zog ihn näher zu sich und lehnte seine Stirn gegen Kises. Es verschlug Kise den Atem und sein Herz setzte für einen Moment aus.
 

"Hör auf mit dem Scheiß", wisperte Aomine dann. Es hörte sich ganz untypisch sanft für Aomine an. "Du machst mir Angst."
 

"Sorry", erwiderte Kise, überrascht davon, dass seine Stimme nicht brach. "Sorry..."
 

Aomines Hand strich Kise sanft über den Rücken und es war das erste Mal seit Ewigkeiten, dass er sich ernst genommen und wichtig fühlte und dass ausgerechnet Aomine sich so um ihn kümmerte, trieb aus einem ganz anderen Grund wieder Tränen in seine Augen.
 

Kise presste sein Gesicht gegen Aomines Schulter und schlang seine Arme um Aomines Hals, klammerte sich an ihn wie ein kleines Kind und weinte. Aomine ließ es geschehen und es tat so gut, wie Kise es sich niemals gedacht hatte, als wären seine Lungen wie Rohre verkalkt gewesen und Aomine hätte sie wie magisch nur mit einer Umarmung komplett befreit, sodass Kise wieder atmen konnte.
 

Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit, bis Momoi mit drei Tassen mit heißem Kakao auf einem Tablett wieder ins Zimmer kam. Selbst, als Kise aufgehört hatte zu weinen und sich an Aomine zu klammern, ließ er seinen Arm um Kises Schulter geschlungen, drückte ihn sanft gegen sich als würde er ihn beschützen. Kise fühlte sich ganz warm ums Herz, als sie sich über ganz triviale Dinge unterhielten und zusammen lachten. Er fühlte sich den beiden so nah wie noch nie zuvor.
 

Der Regen prasselte zwar immer noch gegen die Fenster... aber in diesem Moment fand Kise, dass er den Schnee nicht brauchte, weil er bekommen hatte, was er nicht einmal selbst gewusst hatte, dass er es wollte.
 

Er fühlte sich nicht mehr allein. Und es gab ihm die Hoffnung und das Selbstvertrauen, das er brauchte, um aus seinem Loch wieder herauszukriechen.

In der Liebe und im Eins-Gegen-Eins ist alles erlaubt

Als Kise vom Foto-Shooting nach Hause kommt, hat er für einen Moment - aus Erschöpfung oder Macht der Gewohnheit, das weiß er nicht so genau - komplett vergessen, dass er nicht allein wohnt. Dass er nach dem Schulabschluss mit Aomine zusammengezogen ist und sie beide zur gleichen Uni gehen. Dass sie schon seit Monaten zusammen wohnen. Und dass Aomines Spezialität, außer dem Basketball, das Schlafen ist. Und weil er das Schlafen so gut kann, ist Aomine normalerweise immer schon früh im Bett und steht spät auf. Und Kises Foto-Shooting hatte wegen Komplikationen mit der Technik tatsächlich Stunden länger gedauert, als er erst angenommen hatte - und nun ist es bestimmt weit nach zehn Uhr.
 

Er schafft es nicht mehr, die Tür aufzuhalten, bevor sie laut ins Schloss fällt. Kise zuckt zusammen und hofft inständig, dass er Aomine nicht geweckt hat. Er verflucht die blöde Technik, wegen der er überhaupt so müde ist, und sicherheitshalber auch noch seine Mutter, deren ständige Abwesenheit ihn überhaupt erst dazu gebracht hatte, solche Gewohnheiten zu entwickeln.
 

“Oi, Kise, wenn du das bist, Pizza ist in der Küche, falls du Hunger hast. Falls du ein Einbrecher bist - wir sind arme Studenten und haben kein Geld, verpiss dich.”
 

Unter normalen Umständen hätte Kise vielleicht ob Aomines dämlichem Humor tatsächlich gelacht, aber Kise stolpert immer noch über Aomines Bemerkung, dass anscheinend Pizza für ihn in der Küche bereitsteht. Ein paar geschlagene Sekunden lang steht Kise wie festgefroren im Eingang und versucht, das Gesagte irgendwie zu verarbeiten. Er ist wohl einige geschlagene Sekunden lang zu still, was Aomine aus seinem Zimmer lockt, mit erhobenen Augenbrauen und einem skeptischen Blick.
 

“Oi, was ist los mit dir?”
 

Kise braucht einen weiteren Moment, um zu antworten. “Ich, äh, hab nur nicht erwartet- ich meine, du hast extra für mich ne Pizza besorgt?”
 

Aomine sieht ihn an, als käme Kise von hinter dem Mond. “Natürlich. Du warst doch auf nem Shooting. Oder willst du, dass ich dich verhungern lasse?”
 

“Ich hätte mir was machen können.”
 

Aomines Augenbrauen wandern noch weiter hoch. “Pfft, klar, nach nem anstrengenden Shooting, das, was, etwa vier Stunden länger gedauert hat, als es sollte?”
 

Kise fehlt eine Antwort darauf. Logisch betrachtet hat Aomine vollkommen Recht. Vermutlich ist das total normal und alle machen sowas. Vermutlich macht Kise sich gerade zum Affen damit, dass er es eben nicht als normal erachtet. Er ist verwirrter als vorher.
 

“Ich… bins nicht gewohnt?”, versucht er deshalb, ansatzweise zu erklären, warum er über etwas anscheinend Triviales so dermaßen stolpert, dass es selbst Aomine so stutzig macht.
 

Aomine sieht ihn jedoch nur kurz nachdenklich an. “Deine Mutter?”
 

Kise kann sich nicht helfen, als ein falsches Lächeln sich in seinem Gesicht breit macht - eine Reaktion, die er häufiger hat, wenn seine Mutter erwähnt wird oder er an sie denken muss. Lange Zeit war Kise sich nicht sicher, ob er froh oder besorgt darüber sein sollte, dass Momoi ihm eines Tages entlockt hatte, dass er praktisch immer allein zu Hause war und sich immer so allein fühlte. Mittlerweile hat er sich entschieden, dass er froh darüber ist. Dank Momoi hat auch Aomine es irgendwann herausgefunden und sie hatten ein sehr kurzes aber klärendes Gespräch, das in etwa so verlief, dass Kise beichtete wie seine Mutter kaum zu Hause war und Aomine sie daraufhin als Rabenmutter beschimpfte und Kise anbot, bei ihm zu wohnen, damit “dein Gejammer aufhört und wir nicht mehr über Gefühle reden müssen, wir sind Männer verdammt!”
 

Kise ist froh, dass Aomine ihn direkt versteht, zwischen den Zeilen liest, und auf den richtigen Schluss kommt. Nach all der Zeit flattert sein Herz immer noch, wenn Aomine so überraschend verständnisvoll ist, auch wenn es vermutlich nur eine kleine Sache ist.
 

Trotzdem schafft er es nur, ein “Hm” zu erwidern.
 

“Ich dachte, wir hätten uns damals geeinigt, dass deine Mutter sich nicht als Vorbild eignet”, meint Aomine, immer noch skeptisch dreinblickend, nur verschränkt er nun auch noch die Arme vor der Brust, ein klares Zeichen seiner Ablehnung von Kises Mutter.
 

“Ich weiß, ab-”, setzt Kise an, aber Aomine redet ihm direkt dazwischen.
 

“Also solltest du ab vorgestern damit rechnen, dass sowas passiert.”
 

Aomine klingt so ernst und ehrlich, dass Kises Augen plötzlich und unerwartet anfangen, zu brennen, und ein Kloß sich in seinem Hals festsetzt. Ein wackeliges Lächeln ersetzt das falsche, das er zuvor noch aufgesetzt hatte, und Aomine scheint es sofort zu bemerken.
 

“Hey! Kein Rumgeheule wegen Fastfood heute! Das Essen hat es nicht verdient, beweint zu werden!”
 

Dieses Mal lacht Kise tatsächlich leicht und wischt sich schnell mit dem Arm über die Augen. Er ist sich sicher, dass es bestimmt nur seine Erschöpfung ist, die ihn so emotional macht und dass die Tatsache, dass Aomine so lieb zu ihm ist, die Gefühlsduselei nur deswegen so aus ihm herauszieht. Dennoch kann er das alles nicht einfach so stehen lassen. Er will Aomine sagen, dass er der beste ist - weil es stimmt und weil Kise sich eine Million mal besser fühlt als vor fünf Minuten noch.
 

“Ich liebe dich”, schlüpft stattdessen heraus. Einige Herzschläge lang ist es still und das gute Gefühl verpufft augenblicklich.
 

“Wie lange schon?”, fragt Aomine, während das Grauen in Kise wächst und er zu Boden schaut, um Aomines Reaktion nicht sehen zu müssen.
 

“Seit dem Interhigh damals in der Schule…”, erwidert Kise kleinlaut. Er hört und spürt, wie Aomine an ihn herantritt und schließt die Augen, wartet auf irgendein Zeichen von Ärger oder Abscheu.
 

Aomine klatscht ihm leicht mit der flachen Hand gegen den Hinterkopf und Kise lässt ein empörtes “Au!” heraus, mehr aus Überraschung als Schmerz. Er sieht auf und seine Augen finden wie automatisch Aomines und er ist verwirrt, weder Ärger noch Abscheu noch sonst irgendetwas Negatives darin zu sehen. Stattdessen grinst Aomine ihn an.
 

“Hättest du mir das nicht eher sagen können?”
 

“Huh?”
 

Aomine rollt mit den Augen. “Dann hätten wir schon viel eher daten können, Idiot.”
 

“Sei nicht so gemein, Aominecchi! Ich dachte, du willst-” Kise denkt tatsächlich, dass er sich erklären kann, aber Aomine kommt ihm wieder dazwischen. Dieses mal packt er Kise bei den Schultern und küsst ihn. Ihre Lippen prallen mit etwas zu viel Wucht aufeinander und ihre Nasen sind sich im ersten Moment im Weg, aber dann bewegen sie beide gleichzeitig ihre Gesichter leicht zu den Seiten und plötzlich passt alles zusammen wie Puzzleteile. Aomines Arme wandern zu seiner Taille und ziehen Kise näher zu sich und Kise krallt sich in den Stoff des Hoodies, den Aomine trägt.
 

Bevor der Kuss jedoch irgendwie ausarten kann, ist er auch schon wieder vorbei. Aomine löst sich von ihm, macht jedoch keine Anstalten, ihre Nähe irgendwie zu verringern. Kise kann Aomines Atem auf seinem Gesicht spüren und eine wohlige Wärme breitet sich von seiner Magengegend über seinen gesamten Körper aus. Doch sein Grinsen verschwindet wieder, als er den leicht träumerischen Zustand wieder verlässt.
 

“Das ist geschummelt!”, beschwert Kise sich weinerlich, wie er es immer tut.
 

“In der Liebe und im Eins-gegen-Eins ist alles erlaubt”, entgegnet Aomine mit einem frechen Grinsen und kneift prompt Kises Pobacke, woraufhin dieser einen schrillen Laut von sich gibt, der alles andere als würdevoll klingt. Bevor er sich jedoch an Aomine rächen kann, hat sich dieser schon ganz von Kise gelöst und ist bereits auf dem Weg in die Küche.
 

“Wenn du die Pizza nicht willst, nehm ich sie”, sagt er.
 

“Hey!” Kise hastet ihm hinterher, bevor Aomine noch auf die Idee kommt, die Pizza wirklich wegzufuttern. “Finger weg!”
 

Kise schubst Aomine mit seiner Schulter zur Seite, als dieser vor dem Karton auf dem Tisch steht und die Hände danach ausstreckt. “Das ist meins!”
 

Aomine grinst ihn bloß an, schubst ihn im Vorbeigehen leicht mit der Schulter an, und packt sich den Wasserkocher, um Tee aufzusetzen, während Kise seine Pizza warm macht.
 

Er kann den ganzen restlichen Abend, bis sie - zusammen - ins Bett gehen, nicht mehr aufhören zu grinsen. Nicht, dass er ein Problem damit hätte. Ganz und gar nicht.



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