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Daily Love

von

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Bar Blues

Wir saßen beide in einer dieser Bars, die nie zu schließen schienen.

Jeder der unter der Woche hier war, schleppte etwas mit sich herum.

So viele Geheimnisse und Lebensgeschichten mussten durch permanentes Schlucken unten gehalten werden.

Der Barmann sah uns stänig mit einem Dauergrinsen an.

Allgemein fielen wir stark auf.

Die anderen waren alle eher mürrisch, mit starken Alkoholfahnen und tiefen Augenringen.

Unser Gespräch gab nicht wirklich viel her.

Ein zögerliches Abtasten und entlang Gleiten der Oberfläche.

Wie es auch nicht anders hätte sein können.

Er nannte sich Takashi und es fiel ihm um einiges leichter als mir, das Gespräch nicht abreisen zu lassen.

Wenn er erzählte, blickte er mit seinen Augen in ein verlorenes Irgendwo, das über meiner rechten Schulter zu liegen schien.

Das gab mir Gelegenheit, etwas länger sein Gesicht zu betrachten.

Stahlblaue Pupillen, definierte Brauen, Piercings an einer der Brauen, an der Nase und mittig der Unterlippe.

Seine Haut war porentief rein und schneeweiß, und das am ganzen Körper.

Unwerfend schön einfach.

Die kühne Gleichgültigkeit war wie ein langsam einsetzender Rausch, dessen Wirkung abhängig machte. Das leichte Grinsen seiner Mundwinkel hatte einen Hauch von Süße.

Seine Geschichte hätte mich sehr interessiert, aber es war unangebracht, danach zu fragen.

Meine Versuche, ihn für mich einzunehmen verliefen ins Leere.

Wir beide wussten, dass er jederzeit hätte aufstehen und gehen können.

Aber er blieb sitzen.
 

Der Morgen war kalt und grau.

Mir war, als hinge der Geschmack von Asche in der Luft.

In den Bäckerein brannte Licht hinter verschlossenen Fenstern.

Die Tageszeitung steckte bereits in den Briefkästen.

Orientierungslos blieb ich stehen.

Takashi fasste mir über die Schulter und dirigierte mich zu seinem Wagen.

Kurz vor dem Eingang meines Blockes rüttelte er mich wieder zurück ins Leben.

Ich kauerte auf dem Beifahrersitz.

Kein Kuss zum Abschied, aber seine Stimme hatte die ganze Nacht noch nie so warm geklungen wie bei diesem "Tschau"

Visitation

Das Telefon klingelte.

"Yo"

"Hey! Ich bin's Takashi"

"Hey Takashi, was für eine Überraschung, dass du anrufst."

"Du hattest doch gesagt, ich könnte mich ruhig melden und da dachte ich..."

Ich konnte mich überhaupt nicht daran erinnern, ihm meine Nummer gegeben zu haben.

"...es ist so, ich habe heute frei und ich dachte, wir könnten was machen."

"Was machen klingt gut. Es ist nur heute...."

"Ok. Bin in 5 Muinten da. Parke vor deinem Haus"

Oh, Fuck!!!!

"Takashi...Warte mal."

Klick.

Er hatte aufgelegt.

Was jetzt?

Ich hatte keine Zeit mehr zu nichts.

Es war immer das Gleiche.

Wenn sie dich mögen, dann derart, dass du keine Luft mehr zum Atmen hast.

Ich durchwühlte das Chaos im Kleiderschrank nach einer Hose, als ich glaubte bereits die Haustür ins Schloss fallen zu hören.

Verdammt, irgendeinen Depp gibt es immer, der das Ding nicht richtig zumachte.

Praktisch konnte jeder ins Haus spazieren, wie er lustig war.

Ich riss eine zusammengeknüllte Jeans aus dem Klamottenhaufen.

Im Treppenhaus waren jetzt deutlich Schritte zu hören, die sich Stockwerk um Stockwerk nach oben arbeiteten.

Der Reißverschluss klemmte, ich ließ ihn offen stehen.

Die Schritte kamen immer näher.

Ich warf mir schnell ein Netzpullover über, da klingelte es auch schon.

Ich fuhr mir mit den Fingern durch die Haare und öffnete die Wohnungstür, dabei umnebelte mich ein Schwall süßer, betörender Versprechungen und Takashi stand vor mir.

Er sah umwerfend aus, entspannt und ausgeruht.

Die Haare frisch gewaschen und dezent geschminkt.

Gut gelaunt lächelte er mich an.

"Toll, dass du zu Hause bist."

"Hi, komm rein"

"Freust du dich ein bisschen, mich zu sehen?"

"Klar, komm rein."

"Soll ich Schuhe ausziehen?"

"Vergiss es, Babe. Schau nur wie es hier aussieht"

"Sei nicht albern. Das interessiert mich doch garnicht. Hauptsache du hast einen Kaffee oder so."

Er stolzierte auf seinen hohen Absätzen an mir vorbei.

Mir wurde ganz anders.

Es war diese Spur von Unsicherheit, wenn ein Mann in solchen Schuhen läuft, die Männerherzen höher schlagen lässt.

Ein leichtes Neigen zur Seite, ein knapper unrhythmischer Schritt, um das Gleichgewicht nicht zu gefährden, symbolisierten eine Form von Zerbrechlichkeit und Schutzbedürftigkeit, die tief liegende Instinkte anspricht.

Takashis Nägel waren in schwarz lackiert.

Ich fragte mich, wie man so formvollendete Finger haben konnte.

"Was hast du denn mit deinen Klamotten gemacht? Du siehst wild aus."

"Oh ja. Nimm erstmal Platz"

Hatte er den offenen Hosenstahl bemerkt?

Wir gingen in mein Zimmer und ich konnte sehen, wie er seine Blicke schweifen lässt.

Fürs Erste enthielt er sich jeden Kommentar.

Ich war ihm dankbar dafür.

"Mach's dir bequem. Ich setz' Kaffee auf."

Als ich aus der Küche zurückkam, lagen seine Sachen auf dem Boden und er in meinem Bett.

Mein Gesichtsausdruck war vermutlich nicht der intelligenteste.

Er grinste.

"Hab schon mal vorgewärmt", sagte er.

"Alles klar."

Und ich begann mir die Hose auszuziehen.
 

Vierzig Minuten später saßen wir uns bei der ersten Tasse Kaffee gegenüber, und ich fing an, nach Worten zu suchen.

"Musst du heute nicht Trainieren?", fragte ich.

"Nope, erst Morgen wieder. Kann ich hier eigentlich rauchen?"

"Wenn du mir auch eine gibst."

Er hielt mir die Schachtel hin und wir sogen beide gierig die ersten Züge in uns hinein.

Takashis Gesicht hellte sich mit einmal auf.

"Hey, das hatte ich ganz vergessen. Hab' dir doch was mitgebracht."

? Mitgebracht?

Er nahm seine Handtasche von der Stuhllehne und reichte mir eine eingepackte Schachtel mitsamt Schleife.

"Mach auf!"

Zum Vorschein kam eine große Tasse in Form eines schreienden Totenkopfes.

Der Griff bestand aus zwei Knochen, die durch ein Gelenk miteinander verbunden waren.

Mein Hals wurde für einen Augenblick trocken, dann schluckte ich alle seltsamen Empfindungen entschlossen hinunter.

"Prima. Vielen Dank. Passt wie die Faust aufs Auge."

"Willst du sie nicht ausprobieren?"

"Doch. Klar!"

Ich goss nochmal Kaffee nach, direkt in den Schädel hinein, den ich umklammert hielt.

Takashi schien es zu freuen, dass ich mich freute, was mich zugleich irritierte und rührte.

Ich war menschliche Nähe nicht mehr gewohnt.

Ich hatte zu viel Distanz zwischen die Menschen und mich gelegt, als dass ich diese Situation als Selbstverständlichkeit betrachten konnte.

Im Grunde hatte ich mich selbst zum totalen Misstrauen erzogen.

Takashi erinnerte mich an Eigenschaften, die ich schon so lange beerdigt hatte.

Und genau das faszinierte mich so an ihm.

Er schien wie die Fahrkarte zum Beginn eines schöneren Lebens.



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