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Corpse Battle

Ein Shikamaru Nara-Krimi (zum Miträtseln)
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ein kurzes Vorwort: Mir ist aufgefallen, dass ich in den bisherigen Kapiteln die Namen der Dörfer verwechselt habe. Die Ninjas aus dem Reich der Blitze kommen natürlich aus Kumogakure, nicht aus Iwagakure. Komplett anzeigen

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Exam/Extermination

Regel 9: Der dümmliche Freund des Detektivs, der Watson, darf dem Leser keine seiner Gedanken verschweigen. Seine Intelligenz muss ein wenig, nur ein wenig, unterhalb jener des durchschnittlichen Lesers liegen.

- Ronald A. Knox, aus den 10 Geboten für Detektivgeschichten

 

Mendokusai. Hoffentlich erfährt Temari nie davon.

- Shikamaru Nara

 

Es war der sechste Kampf und Shikamaru wusste mittlerweile genau, welche Art von Kämpfen er bei Chunin-Prüfungen bevorzugte. Nämlich solche, die schnell vorbei waren. Dieser gehörte eindeutig nicht dazu.

Er unterdrückte ein Gähnen, wohlwissend, dass Temari, obwohl auch sie sich auf den Kampf unten konzentrierte, es doch irgendwie sehen und ihn hinterher damit aufziehen würde. Sein Nacken begann allmählich auch zu schmerzen. Ganz toll.

Die Arena, in der die Finalkämpfe der diesjährigen Chunin-Prüfung stattfanden, sah so ähnlich aus wie die der Vorentscheidung in Konoha: Eine von Säulen getragene, hohe Halle, mit einer Galerie auf halber Höhe, von wo aus die Prüfer die Kämpfe verfolgten und die anderen Genin ihre Teamkollegen anfeuerten. Mittlerweile gab es nur noch wenige Zuschauer, was eigentlich etwas ungebührlich für den zweiten Halbfinalkampf war. Shikamaru wünschte, er könnte sich ebenfalls verdrücken. Zum Glück hatte er morgen um diese Zeit alles hinter sich. An die Papierarbeit, die er noch für Tsunade erledigen musste, dachte er lieber gar nicht erst.

Eben hatte dieser ungestüme, dunkelhäutige Junge aus dem Reich der Blitze seinen letzten Kunai verschleudert und ging mit bloßen Fäusten auf seinen Gegner los – was vielleicht nicht die schlaueste Entscheidung war. Der andere, der auf den knackigen Namen Rokken hörte und dessen ganzes Äußeres so unscheinbar wirkte, dass Shikamaru vergaß, wie er aussah, wenn er ihn auch nur kurz aus den Augen ließ, war ein Ausnahmetalent – obwohl das in diesem Jahr nicht wirklich was Besonderes war. Es gab dieses Mal etliche vielversprechende Kandidaten; dieser Junge jedoch beherrschte mit seinen gerade mal vierzehn Jahren bereits meisterhaft das Erdelement. Kurz vor seinem Körper fuhr eine Wand aus Stein aus dem Boden und fing die Faust des Blitz-Genin ab, dann raste der Felsblock mit ihm davon, um ihn an der Arenamauer zu zerquetschen.

Der Blitz-Genin packte die Kante, schwang sich auf den Steinblock und nahm eine Haltung ein, als würde er auf einem wütenden Büffel balancieren. Rokken riss seine geballte Faust zur Seite – und der Felsen änderte urplötzlich die Richtung. Mit einem überraschten Schrei wurde der Blitz-Genin von seinem Gefährt geworfen und landete wenig elegant im Staub der Arena. Ein unschönes Poltern ertönte dabei. Seine Teamkollegin in den Zuschauerrängen stieß einen wütenden Schrei aus. Shikamaru seufzte.

„Was denn? Ist es dir hier zu laut?“, fragte Temari spitzbübisch, die ihn gehört hatte. „Oder überlegst du, was du an seiner Stelle getan hättest?“

„Letzteres“, antwortete Shikamaru. „War doch klar, dass Rokken diesen Zug machen würde. Hat dieser Blitz-Junge noch nie was vom Trägheitsprinzip gehört?“

„Das ist das Prinzip, nach dem du seit Jahren lebst, oder?“, grinste sie.

Mendokusai. Warum nur hab ich das kommen sehen?“

Rokken riss nun beide Fäuste in die Höhe, und der Bewegung folgten zwei weitere Felsblöcke, die sich erhoben und auf seinen Gegner zufuhren. Man konnte nicht erkennen, ob dieser es schaffte auszuweichen, als sie mit zermalmender Wucht gegeneinander krachten und eine Staubwolke aufstieg.

Temari stieß einen Pfiff aus. „Man nennt ihn wohl nicht umsonst Rokken den Felsenschieber.“

Shikamaru hatte genügend Kämpfe gesehen, um zu wissen, dass es das noch nicht gewesen war. Tatsächlich schoss urplötzlich etwas silbern Glänzendes aus der dicken braunen Wolke und flog in einem weiten Bogen wie eine Sternschnuppe auf Rokken zu. Dieser schien instinktiv die Gefahr zu erkennen, die davon ausging, denn er floh mit weiten Sprüngen vor dem Glitzerding, das ihn hartnäckig verfolgte. Schließlich wurde es ihm zu dumm, er fand breitbeinig Stand und zückte seinen eigenen, letzten Kunai, um das Ding abzuwehren. Shikamaru strengte seine Augen an und konnte gerade so erkennen, dass die silberne Blase sich wie eine Schlange um das Wurfmesser schlang. Rokken stieß einen Fluch aus, ließ das Messer fallen und setzte wieder mit weiten Sprüngen zurück. Schließlich schaffte er es, eine Steinwand vor sich hochzuziehen, und das silbrige Etwas zerplatzte daran wie ein Wasserballon.

Und im selben Moment stieß direkt hinter ihm sein Gegner wie ein Falke zu Boden. Shikamaru hatte vorhin aus den Augenwinkeln gesehen, wie er per Chakrakontrolle eine der Säulen hinaufgelaufen war. Rokken war zu beschäftigt gewesen, um es zu bemerken. Der Felsenschieber tauschte einige Schläge und Tritte mit dem Blitz-Genin, als aus dessen Gürtelschlaufe eine weitere silberne Blase aufstieg und pfeilschnell in Rokkens Mund drang, als dieser Luft schnappen wollte.

Irgendwo in den Zuschauerrängen keuchte jemand auf. Rokken würgte und brach in die Knie, sein Gegner ging auf Abstand. Die blonde Blitz-Kunoichi auf der anderen Seite der Galerie, die schon den ganzen Kampf über nervtötend gelärmt hatte, stieß einen wilden Jubelruf aus. Ein leises Säuseln, wie Wind in trockenem Laub, und zwei erwachsene Kunoichi waren in der Arena gelandet: eine Prüferin und Rokkens Lehrerin Iwamoto-sensei – eine braunhaarige, schlanke Frau, die größer war als Shikamaru, inklusive seinem Zopf. „Hol es wieder heraus!“, befahl sie dem Blitz-Jungen scharf. Rokken würgte und keuchte. Shikamaru sah auf das Informationsblatt, in dem sämtliches Wissenswertes über die Teilnehmer vermerkt war. Es sah so aus, als wäre die Sache ziemlich ernst.

Der Blitz-Ninja murmelte etwas Beschwichtigendes, und auf sein Fingerzeichen hin blubberte das silberne Etwas wieder aus Rokkens Kehle, der daraufhin gewaltsam zu husten begann. Seine Lehrerin nickte grimmig, und die Prüferin untersuchte ihn sofort mit einem medizinischen Jutsu.

Das silbrige Zeug in der Hand des braunhaarigen Jungen löste sich in Rauch oder Dampf auf. Er verbeugte sich förmlich und ging auf die Treppe zu, die auf die Galerie führte. Er hatte einen guten Kampf geliefert. Shikamaru betrachtete nachdenklich das Bild des Genins auf dem Informationsblatt. Sein Name und eine Beifügung standen darunter. Igawa der Quecksilberninja.

Temari räusperte sich und rief laut: „Die zweite Halbfinalrunde ist hiermit beendet. Der Sieger ist Igawa aus Kumogakure!“

Igawas Teamkollegin, die lästige Kunoichi mit der kessen, blonden Frisur, die sich schon den ganzen Tag über Mühe gab, Shikamaru einen Tinnitus zu bescheren, freute sich definitiv mehr als der Genin selbst. Als er beschwingten Schritts die Treppe erklommen hatte, fiel sie ihm jubelnd und lachend um den Hals.

„Fiese Sache, das mit dem Quecksilber“, stellte Shikamaru an Temari gewandt fest. „Ich hoffe, dieser Rokken kommt klar.“

„Das wird schon.“ Sie sahen zu, wie die Prüferin und Iwamoto-sensei Rokken durch eine der Türen unten brachten. „Konoe ist eine Iryonin. Sie wird ihn behandeln, falls notwendig.“

Sie machten sich auf den Weg zu dem glücklichen Gewinner. Die meisten anderen scharten sich bereits um ihn. „Diese Chunin-Prüfungen sind echt rabiat. Ein Glück, dass wir das hinter uns haben“, meinte Shikamaru.

„Erinnere mich bloß nicht daran.“

„Warum? Weil ich dich besiegt habe?“

„Das auch. Aber … auch das andere.“ Temaris Stimme war leiser geworden.

Unbewusst wanderte Shikamarus Blick zu Gaara, der dem Kampf schweigend beigewohnt hatte. Er seufzte. „Naja, es ist echt viel passiert seitdem.“

„Du sagst es. Du bist noch fauler geworden.“ Offenbar hatte sie zu ihrem üblichen Selbst zurückgefunden.

„Und du noch lästiger.“

Die Genin standen in einem kleinen Grüppchen zusammen. „Dann bist du also morgen mein Gegner, aye? Igawa der Quecksilberninja. Freu mich schon.“ Ein Junge mit hellbrauner Struwwelfrisur patschte Igawa heftig auf die Schulter und grinste lässig.

Überhaupt war alles an ihm lässig. Seine Frisur, seine offene Weste mit dem pelzgesäumten Kragen – und das in der Wüste! –, sein ruhiger Blick, sein beständiges Kaugummikauen, als könnte er es nicht ausstehen, mal nichts im Mund zu haben, und sogar der Lederriemen, den er locker um die Brust geschlungen hatte. Sein Ninjaabzeichen prangte darauf, matt und zerkratzt. Shikamaru erinnerte sich noch gut an seinen Kampf. Er hatte mit Bravour das erste Halbfinale gewonnen und war damit der erste fixe Finalist geworden. Sasaro aus dem Reich des Wasserfalls. Das obligatorische Genie, von denen immer eines pro Chunin-Prüfung in höchsten Tönen gelobt wurde. Bei seiner eigenen war diese Rolle an Neji gefallen, hier war es Sasaro.

„Iga-chan wird dich in der Luft zerreißen, verlass dich drauf!“, antwortete statt Igawa seine Teamkollegin. Ihre Augen blitzten. Shikamaru mochte es gar nicht, wenn ihre Augen blitzten. So hatten sie auch während der zweiten Prüfung geblitzt; Shikamaru hatte es deutlich in den Videoaufnahmen gesehen. Vielleicht waren ihre blitzenden Augen auch ein Zugeständnis an ihre Herkunft, denn ansonsten deutete eigentlich nichts darauf hin, dass die vierzehnjährige Takki aus dem Reich der Blitze stammte. Ihre Haut war relativ hell, ihr Haar auffallend blond. Drescher-Takki nannten sie die anderen, und diesen Namen trug sie auch zu Recht.

„Wow, Iga-chan? Der wird ja immer furchterregender. Übrigens, Takki, bist du sicher, dass ihr aus‘m selben Dorf kommt? So wie du die ganze Zeit rumgeschrien hast, könnest du auch ein Schall-Ninja sein“, spottete Sasaro.

Meine Rede, dachte Shikamaru.

„Ich freu mich schon drauf, dich schreien zu hören, wenn du morgen im Finale zerfetzt wirst“, gab sie böse zurück. Ihre Augen blitzten immer noch. Kleine, elektrische Stöße schienen von ihren Pupillen in Sasaros und retour zu wandern.

„Okay, ist, ist gut jetzt. Hebt, hebt euch eure Energie für morgen auf.“ Igawas und Drescher-Takkis Sensei legte ihnen beiden eine Hand auf die Schulter und bugsierte sie mit sanfter Gewalt nach hinten, wo eine Tür von der Arena fortführte.

Takki drehte sich jedoch noch einmal um und rief Sasaro zu: „Ich bastel mir aus meinem Kissen und meiner Decke eine Puppe, nenne sie Sasaro und vermöbel sie dann ordentlich vor dem Schlafengehen!“

„Wenn’s dich glücklich macht“, erwiderte Sasaro nur, schob sich einen neuen Streifen Kaugummi in den Mund und gesellte sich zu seiner eigenen Teamkollegin, die schweigend etwas abseits stand. Die beiden waren ohne Sensei hier, weil ihre dritte Kameradin bei der Prüfung in der Wüste schwer verletzt ausgeschieden und ihre Lehrerin bei ihr geblieben war – oder etwas in der Art.

„So jung wie die müsste man nochmal sein“, seufzte Shikamaru, als er und Temari ebenfalls die Arena verließen. Die Prüfer würden sich noch kurz in einem nahegelegenen Büro besprechen, ehe es Abendessen gab.

„Sie sind alle um die fünfzehn, also gar nicht so viel jünger als wir“, gab Temari zu bedenken. „Eigentlich sind die meisten sogar älter als du bei unserer Prüfung damals.“

Shikamaru wollte etwas darauf erwidern, ihr sagen, dass diese Prüfung nicht wirklich zählte und er eigentlich auch gar nicht damit gerechnet hatte, als Einziger seines Jahrgangs zum Chunin ernannt zu werden, aber es war ihm dann doch zu mühsam.

Die letzte Runde der diesjährigen Auswahlprüfung fand an einem nicht gerade beschaulichen Ort statt. Es war ein dreistöckiger, runder Turm, der mitten in der Wüste viele Meter aus dem Sand ragte. Eigentlich war es kaum mehr als ein unförmiger, dottergelber Klotz, der von Dutzenden Gängen durchlöchert war und Shikamaru wie ein riesiger Termitenhügel vorkam.

Es war ein Wunder, dass es hier Strom gab; lieblose Lampen prangten alle paar Meter an der Decke des Ganges und tauchten alles in blasses, kaltes Licht. Bei einigen sah man sogar die bunten Kabel, die über den Fels krochen und in kleinen Löchern verschwanden. Entsprechend trist war der Gang, den sie entlanggingen: Gelber Boden, gelbe Wände, gelbe Decke, kein Schmuck und natürlich keine Pflanzen oder auch nur irgendetwas, das den Aufenthalt hier behaglicher machte. Laut Temari war der Turm die meiste Zeit über unbewohnt, und niemand hielt sich hier für mehr als ein paar Tage auf. Der perfekt desolate Austragungsort für die Chunin-Prüfungen, die schon seit längerem als extrem anfällig für Komplotte und Putschversuche und alle möglichen finsteren Überraschungen galten.

Shikamaru war nicht überrascht gewesen, als man ihm gesagt hatte, dass er wieder einmal Prüfer sein sollte. Immerhin hatte er dieses Mal selbst keine Aufgaben erfinden müssen, sondern durfte sich mit einer Rolle als Beobachter begnügen. Ein weiterer erfreulicher Umstand – zumindest für ihn – war, dass es dieses Mal relativ wenige Teilnehmer in die Endrunde geschafft hatten. Gut die Hälfte der Genin war durch die schriftliche Prüfung gerasselt, die in Sunagakure abgehalten worden war. Die zweite Prüfung war auf das übliche Schriftrollen-Abknöpfen hinausgelaufen. Das Pendant zum Wald des Todes war hierzulande eine riesige, von Ruinen durchzogene Wüste, in der echter Überlebensgeist gefragt war. Diese Prüfung war frühzeitig abgebrochen worden, da ein fürchterlicher Sandsturm aufgezogen war, der selbst die Überwachung unmöglich gemacht hatte. Die Genin hatten somit einen halben Tag weniger Zeit gehabt als ursprünglich geplant, zwei verschiedene Schriftrollen zu ergattern. Wer den Turm in der Wüste ohne sie erreicht hatte, war durchgefallen. Die Suna-nin waren da verdammt hart.

So hatte die dritte Prüfung mit zehn Teilnehmern begonnen. Eine Kunoichi war, wie erwähnt, schwer verletzt ins Dorf zurückgebracht worden, eine weitere hatte schon die Wüste so verängstigt, dass sie nicht weitermachen wollte, und ein Junge war ebenfalls zu verletzt gewesen. Die acht verbleibenden hatten sich perfekt in eine Turnierstruktur einteilen lassen.

Und nun war der ganze Ärger bald vorbei. Den Finalisten wurde bis morgen Zeit gegeben, um ihre Kräfte zu regenerieren, und dann würde die diesjährige Chunin-Auswahl enden. Hoffentlich flaute bis dahin auch der Sturm wieder ab. Nach Beginn der Semifinal-Kämpfe war er wieder über die Wüste hereingebrochen, als hätte er seit der zweiten Prüfung nur mal kurz nach Luft schnappen müssen, um mit ungeminderter Härte weiterzuwüten.

Auf dem Weg zum Büro der Prüfer kam ihnen aus einem Seitengang Konoe entgegen, die medizinische Kunoichi, die Rokken behandelt hatte. „Wie geht es ihm?“, fragte Temari. Rokken der Felsenschieber war immerhin ein Genin aus ihrem Heimatdorf.

„Gut, den Umständen entsprechend. Das Quecksilber scheint keinen bleibenden Schaden angerichtet zu haben“, sagte Konoe mit klingender Stimme. Immer, wenn sie sprach, hörte es sich an, als würde sie singen. Sie trug die in Sunagakure übliche Jonin-Tracht. Ihr auffälligstes Merkmal waren ihre feuerroten Haare, die sie sich zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Shikamaru fragte sich, ob sie wohl gefärbt waren.

„Freut mich zu hören. Für einen kurzen Moment dachte ich, dieser Igawa wollte ihn damit umbringen.“

„Ich glaube nicht, dass er das getan hätte“, erwiderte Konoe. „Er wollte einfach sicherstellen, dass die Runde an ihn geht. Iwamoto-san meint trotzdem, sie wolle mit seinem Sensei mal ein ernstes Wörtchen reden.“

„Würde ich wohl auch, wenn man meinen Schüler vergiftet“, meinte Shikamaru. „Andererseits, was hat sie erwartet? Das sind die Chunin-Prüfungen.“

Sie hatten das Büro erreicht, eine einfache, dünne Holztür, auf die mit verblichener Farbe Prüfer geschrieben stand. Konoe öffnete und ein runder, mit einer massiven Tafel und dazu passenden Stühlen ausstaffierter Raum nahm sie auf.

Sie waren nicht die Ersten. Auf einem der Stühle lungerte bereits ein junger Mann herum, die Füße auf dem Tisch, und spielte gelangweilt mit einem Kunai. Shikamaru erkannte ihn als einen der Prüfer, aber er war erst am heutigen Tag zu ihrem Kollegium gestoßen und Shikamaru hatte seinen Namen noch nicht mitbekommen. Der Mann hatte helles, modisch geschnittenes Haar und trug braune, ärmellose Kleidung. Das Zeichen von Sunagakure war in seine Gürtelschnalle graviert. Als die drei eintraten, hellte sich seine Miene auf.

„Wen haben wir denn da? Dein Anblick versüßt einem den Tag, Konoe-chan, weißt du das?“

„Ja, ich weiß. Etwas Ähnliches hast du heute schon mal zu mir gesagt“, erwiderte die rothaarige Kunoichi mit einem leichten Lächeln.

Der Mann bedachte Temari mit einem flüchtigen Blick, sagte aber kein Wort. Sie gab sich ebenso Mühe, ihn zu ignorieren, und setzte sich. Dann nickte er Shikamaru zu. „Der Prüfer aus Konoha, richtig? Wir hatten noch nicht das Vergnügen. Du kannst mich Manjo nennen. Ohne -san. Manjo reicht.“ Temari zischte etwas, so leise, dass selbst Shikamaru es nicht verstand.

„Shikamaru“, erwiderte er und verbeugte sich kurz. Etwas an Manjos Lächeln störte ihn. Irgendwie wirkte es … hämisch. Als würde der andere auf ihn herabsehen.

„Fehlt also nur noch der Kazekage“, stellte Manjo schließlich fest, als auch die übrigen Platz genommen hatten. „Komisch. Hätte eher erwartet, dass eines der Mädels sich mal wieder verspätet. Wo er wohl so lange bleibt?“

„Gaara wird dir schon noch seine Aufwartung machen“, sagte Temari kühl, die Augen geschlossen, als versuchte sie ihn nach Kräften auszublenden.

Manjo stützte den Kopf auf seine Hand und den Ellbogen auf den Tisch und musterte sie nachdenklich. „Du wirkst angespannt, Temari-chan“, sagte er dann und fügte grinsend hinzu: „Soll ich dir den Nacken massieren?“

Shikamaru hob überrascht die Augenbrauen. Er konnte sich nicht erinnern, je irgendjemanden so mit Temari reden gehört zu haben. Er fragte sich, welche gemeinsame Geschichte die beiden verband.

Mit einem lauten Knall stellte Temari ihren übergroßen Fächer neben sich ab. „Du lernst nie dazu, oder?“, fragte sie gefährlich leise.

Nun hob Manjo abwehrend die Hände und lachte verlegen. „Nicht doch, das war doch nur ein kleiner Scherz. Aber siehst du, du bist …“

„Im Gegensatz zu dir mache ich keine Scherze“, unterbrach sie ihn und die drückend heiße Wüstenluft in dem Raum schien um etliche Grad kühler zu werden. Temari sah Manjo immer noch nicht an, aber er wurde von Gaara daran gehindert zu antworten, der eben das Büro betrat und die Tür hinter sich schloss.

„Wir sind vollzählig“, stellte der Kazekage fest und setzte sich. Er trug seine blauweiße, formelle Robe. „Fangen wir also gleich an.“

Damit begann der ermüdendste Teil vor dem Abendessen. Die fünf Prüfer gaben je ihre Meinungen zum Besten, welcher der Genin sich besonders gut gehalten hatte, welcher trotz seines Ausscheidens vielleicht doch als Chunin infrage kam, und wie sie die Kämpfe insgesamt fanden. Nach Shikamarus Ansichten fragten sie besonders häufig, wohl weil er der einzige ausländische Prüfer war. Ursprünglich hätte noch jemand aus dem Reich der Blitze kommen und Genma hätte Shikamaru begleiten sollen. Der Blitz-Jonin war allerdings erkrankt und Genma von Tsunade auf eine Spezialmission geschickt worden, und so hatte sich Shikamaru umringt von Suna-nins wiedergefunden.

„Ich finde, diese … wie heißt sie noch … Drescher-Takki, die könnte das Zeug zum Chunin haben. Für ein Mädchen hat sie einiges drauf“, sagte Manjo und blätterte halbherzig durch seine Dokumente.

„Sie ist schon in der ersten Runde ausgeschieden“, erinnerte ihn Konoe.

„Weil sie gegen Igawa antreten musste. War eben Pech, dass sich das Dorf der Blitze untereinander bekämpft hat. Igawa ist mit seinem Quecksilber auf Fernkampf spezialisiert, und das auf eine sehr fiese Art. Stellt euch vor, Drescher-Takki hätte gegen den Felsenschieber gekämpft. Sie hätte seine Verteidigung zerdeppert wie nichts.“

Drescher-Takki … Rokken der Felsenschieber … Offenbar war es bei den Youngstern gerade üblich, sich hübsch klingende Spitznamen zu geben, dachte Shikamaru.

„Du hast es gerade selbst gesagt“, murmelte Temari übellaunig. „Takki kommt aus dem Reich der Blitze. Wir haben nicht zu entscheiden, ob sie in den Rang eines Chunin erhoben wird. Konzentrier dich gefälligst auf die Ninjas aus unserem Dorf.“

Manjo seufzte theatralisch. „Schön, schön. Aber wir dürfen doch Empfehlungsschreiben an die jeweiligen Kage schicken. Ich bin dafür, wir empfehlen Takki. Was meinst du dazu?“

Shikamaru brauchte eine Weile, bis er erkannte, dass er gemeint war. Er ließ sich mit der Antwort Zeit. „Takki, ja? Ich bin dagegen, sie zum Chunin zu machen.“

Drescher-Takki aus dem Reich der Blitze war in der zweiten Prüfung ziemlich auffällig gewesen. Wann immer sie und ihr Team gegen andere Teams gekämpft hatten, war sie zu einem blonden Wirbelwind geworden und hatte alles kurz und klein gehauen, was ihr im Weg gestanden war. Als der Sandsturm eingesetzt hatte, waren Takkis blitzende Augen das Letzte gewesen, was die Kameras aufgenommen hatten. Nachdem die Finalisten den Turm erreicht hatten, hatten die Prüfer erfahren, dass sie noch während des Sturms einem Gegner so gut wie sämtliche Knochen im Leib gebrochen hatte. Sie war eine Berserkerin, und sie war unberechenbar.

„Ich bin auch dagegen“, sagte Gaara. „Stärke will kontrolliert sein.“

„Also schön“, seufzte Manjo.

„Ich finde, Rokken war ziemlich gut“, sagte Konoe. „Er ist noch keine fünfzehn und beherrscht das Erdelement. Er hat es weit gebracht, ohne dass er ein Kekkei Genkai besäße wie Igawa.“

Temari und Shikamaru nickten, Manjo schien nicht interessiert. Sie redeten noch eine Weile und kamen schließlich zu genau jenem Schluss, den Shikamaru erwartet hatte: nämlich dass sie sich morgen den Endkampf ansehen würden, ehe sie ihr Urteil fällten.

Shikamarus Magen knurrte bereits vernehmlich, als sie ihre Sachen zusammenpackten und aufstanden. Manjo flüsterte Konoe etwas ins Ohr, wobei er ihr rotes Haar sanft zur Seite strich, obwohl es gar nicht im Weg war. Die Kunoichi kicherte leise und ein rosa Schimmer erschien auf ihren Wangen. Shikamaru bemerkte, dass Temari den beiden abfällig hinterhersah, als sie das Büro verließen. „Kann es sei, dass du was dagegen hast, dass sie miteinander turteln?“, hörte er sich fragen.

„Überhaupt nicht“, behauptete sie. „Ich hab nur was gegen ihn.“

„Wieso?“

„Hast du nicht bemerkt, wie er …“ Temari seufzte. „Du kennst ihn nicht, sagen wir’s so. Er heißt zwar Manjo, aber Macho würde besser passen. Wie er da mit Konoe getuschelt hat, so tuschelt er mit jeder. Er schmeißt sich ausnahmslos an alles ran, was weiblich und nicht bei drei auf den Bäumen ist. Dabei behandelt er Frauen trotzdem völlig von oben herab, ein bisschen so wie du früher. Außerdem hält er sich für unwiderstehlich und ist arrogant wie kein Zweiter. Hab ich was vergessen?“

Shikamaru hob eine Augenbraue. „Mit jeder? Soll das heißen, er hat’s bei dir auch versucht?“ Er stellte sich vor, wie Manjo Temari etwas ins Ohr hauchte und sie kichernd errötete. Das Bild wollte nicht in seinen Kopf.

„Versucht, ja. Seitdem würdigt er mich kaum eines Blickes, nur ab und zu lässt er dämliche Bemerkungen fallen. Ich glaube, er hat ein Problem mit starken Frauen.“

Nun stellte Shikamaru sich vor, wie Temari auf Manjos Aufreißersprüche mit einem Schlag ihres Fächers reagierte. Die Szene gefiel ihm schon besser.

„Klingt für mich trotzdem mehr nach einem Casanova als einem Macho …“, begann er, begegnete aber einem Blick, der Gestein in blubbernde Lavapfützen hätte verwandeln können. „Aber du kennst ihn natürlich besser als ich“, fügte er eilig hinzu.

 

Das Abendessen wurde in der Kantine aufgetragen. Gegenwärtig befanden sich nur dreizehn Personen im Wüstenturm, und die Tische waren zu zwei Tafeln zusammengerückt worden. An einer saßen die Prüflinge und ihre Senseis. Vielleicht war das eine Geste, die die Freundschaft zwischen den Dörfern symbolisieren sollte, deren Genin dieser Tage vor allem eins waren: Rivalen. Um die andere Tafel herum saßen die Prüfer. Gaara blieb dem Essen fern, und Rokken fehlte ebenfalls. Als Temari Konoe darauf ansprach, sagte sie, dass er noch das Bett im Arztzimmer hütete.

Es wurden nicht gerade Köstlichkeiten aufgetischt. Shikamaru hatte keine Ahnung, wer gekocht hatte. Vielleicht gar niemand. Der Brei sah aus, als wäre er einfach in der Sonne erhitzt worden – oder als hätte man heißen Sand beigemengt, was die Farbe erklären würde. Dann gab es noch Hühnerkeulen und Reis und zum Trinken brackiges Wasser und dünne Limonade.

Bei nur vier Prüfern entkam natürlich niemand Macho-Manjos Charme. Er saß auffallend dicht neben Konoe und flirtete unentwegt mit ihr. Wann immer sein Blick Shikamarus traf, meinte dieser wieder ein verächtliches Schmunzeln auf seinen Lippen zu sehen. Nach allem, was Temari über Macho-Manjo erzählt hatte, dachte er in diesen Momenten sicher daran, um wie viel besser als Shikamaru er doch aussah. Temari hüllte sich in Schweigen, und Shikamaru, dem es ebenfalls zu mühsam war, nach einem Gesprächsthema zu suchen, verfolgte viel lieber, was auf dem Nachbartisch vor sich ging.

Am lautesten war natürlich mal wieder die blonde Takki. Ihre Stäbchen bohrten sich jedes Mal mit einer Wucht in ihr Essen, die ihrem Spitznamen alle Ehre machte. Neben ihr wirkte Igawa der Quecksilberninja fast schüchtern. Ruhig und besonnen aß er seinen Reis und hob nur dann und wann seinen dunklen Blick, um sich an den Gesprächen zu beteiligen. Umgekehrt war Drescher-Takki auch nur dann still, wenn ihr dunkelhäutiger Teamkamerad sprach. Nicht einmal ihrem Sensei brachte sie so viel Respekt entgegen.

Andererseits sah jener auch nicht aus wie eine Respektperson. Nigishima-sensei nannten ihn die beiden, aber unter den Suna-nin war er als Nigishima der Weiße Blitz bekannt. Angeblich hatte er sein persönliches Tausch-Jutsu entwickelt, das ihm nicht nur den Tausch von sich selbst mit einem unbeweglichen Objekt, sondern zweier beliebiger Objekte erlaubte – oder so ähnlich. Sein Beiname kam irgendwie von dieser Fähigkeit. Ansonsten wirkte er wie ein ziemlicher Versager: ungeschickt, einfältig und etwas dümmlich. Er war ein wenig wie Gai, nur nicht so laut und nicht so schlagkräftig. Und er stotterte zuweilen.

Den Blitz-Genin gegenüber saß Rokkens Lehrerin. Während Shikamaru abermals vergessen hatte, wie der Felsenschieber aussah, blieb sie einem viel eher im Gedächtnis: Iwamoto-san war eine eher stille, ernste Frau, und sie war die größte Person in diesem Zimmer. Ihre kerzengerade Haltung ließ das auch beim Essen sichtbar werden. Die meiste Zeit über wirkte sie reserviert, aber wenn ihr Blick zufällig den Igawas oder Nigishima-senseis streifte, wurde er eisig kalt.

Sasaro, das Genie, von dem alle redeten, war genauso lässig drauf wie immer. Shikamaru hätte zu gern gesehen, ob er Kaugummi kauend zum Essen erschienen war. Er unterhielt sich locker mit seiner Teamkameradin, die die meiste Zeit nur nickte, und schien sich plötzlich wieder glänzend mit Drescher-Takki zu verstehen. Eben riss er einen Witz über die Puppe, die sie basteln wollte, und Takki lachte lauthals.

Sasaros Teamkollegin rührte ihr Essen kaum an. Auch ihre Erscheinung war auffällig. Kyoko aus dem Reich des Wasserfalls war ziemlich klein geraten. Sie hatte orangerotes Haar und versuchte stets, so viel von ihrem Gesicht wie möglich in ihrem Kragen oder mit ihren Händen zu verstecken. Sie wäre mit ihren dreizehn Jahren die jüngste Teilnehmerin des Finalkampfes, wenn sie angetreten wäre. Sie war mit einer leichten Verletzung im Turm angekommen und hatte dann kleinlaut verkündet, dass sie lieber aus der Prüfung aussteigen wollte. Dennoch war sie hier geblieben, um Sasaro anzufeuern.

Und dann gab es da noch einen Teilnehmer, der sein Essen schweigend in sich hinein mampfte. Der Genin namens Anji war sechzehn und im ersten Halbfinale gegen Sasaro ausgeschieden. Er hatte rotbraunes Haar, trug legere Kleidung und war ziemlich muskulös, hatte aber eher mittelmäßige Fähigkeiten. Dennoch wirkte er auf Shikamaru besonnen und könnte vielleicht mal einen guten Strategen abgeben. Zu Beginn der Prüfung hatte es noch einen zweiten Ninja mit Namen Anji gegeben, und um sie auseinanderzuhalten, hatten die Prüfer ihm, seiner Herkunft wegen, den Spitznamen Reis-Anji gegeben. Umso interessanter fand es Shikamaru, dass Reis-Anji aus dem Reich der Reisfelder nur den Brei aß und den Reis links liegen ließ.

„Eigentlich sind wir zu wenige“, sagte plötzlich Konoe besorgt und riss Shikamaru aus seinen Gedanken.

„Was meinst du?“, fragte Manjo. „Reiche ich etwa nicht?“ Er strich ihr sachte über den Arm, doch sie schüttelte ihn ab.

„Ihr wisst doch sicher, was während der letzten Chunin-Prüfung geschah. Kazekage-sama wäre beinahe einem Attentat zum Opfer gefallen. Und die Prüfung davor, in Konoha …“ Sie verstummte und sah nur Shikamaru an. Er nickte wissend.

„Wir können da leider nichts machen. Mit Gaara sind wir fünf Prüfer, die schon im Turm waren, ehe der Sandsturm begonnen hat“, sagte Temari und spießte ein Stück Fleisch auf. „Für eine ordentliche Prüfung reicht das. Gaara wollte die letzte Runde nicht ausfallen lassen.“

„Ich schätze, er muss auch beweisen, dass das Land der Winde immer noch sicher ist, gerade nach den letzten Vorfällen“, überlegte Shikamaru. „Wenn er die Prüfung wegen dem Sturm abbricht oder verschiebt, werden die Leute glauben, er hätte Angst vor einem neuerlichen Attentat. Und ein ängstlicher Kazekage ist sicher nicht gerade beliebt.“

„Trotzdem behagt es mir nicht“, murmelte Konoe.

„Keine Sorge“, munterte Temari sie auf. „Die Zeiten sind jetzt viel friedlicher und Gaara wurde längst von allen als Kazekage akzeptiert.“

„Und außerdem sind Iwamoto-chan und der kleine Rokken-kun welche von uns. Selbst wenn die Ninjas aus den anderen Dörfern ein krummes Ding planen, sind wir in der Überzahl“, sagte Macho-Manjo unpassenderweise. „Also keine Angst.“

„Ich sage ja nicht, dass ich Angst habe“, entgegnete Konoe entschieden. Ihr Blick glitt auf den zweiten Tisch, wo sich Sasaro und Takki gerade um ein Stück Fleisch stritten. „Nur eine ungute Vorahnung.“

 

Shikamaru erinnerte sich an ihre Worte, als er spät nachts gezwungenermaßen noch einmal durch die Gänge im Wüstenturm trottete. Konoe wäre sicher froh zu wissen, dass jemand Patrouille ging – obwohl das gar nicht seine Absicht war.

Seufzend blieb er vor einem der Fensterlöcher stehen. Draußen heulte immer noch der Wind, der Sand rasselte und bildete Häufchen auf dem Fenstersims. In der Nacht war nichts zu erkennen außer Schwärze.

Schritte und ein glimmendes Leuchten kamen näher. „Das ist aber selten, dich während der Schlafenszeiten wach zu sehen“, stellte eine Stimme fest, die er nur zu gut kannte. Wie schaffte sie es nur immer, ihm überall hin zu folgen?

„Ich kann nicht einschlafen. Dieser lästige Sand trommelt ständig gegen die Mauer, und durch das Fenster rieselt er auch.“ Dabei war sein Fenster im Vergleich zu dem hier winzig. Es war die mieseste Unterkunft, die ihm seit langem jemand zugemutet hatte. „Und es zieht.“

Temari lachte leise. Sie war wie üblich ganz in Schwarz gekleidet; nur ihr Kopf und ihre Haare waren in der Düsternis zu sehen. Sie trug eine schmierige Öllampe, die auf ein kleines Flämmchen herunter gedreht war.

„Und was tust du noch hier?“, fragte er, nachdem sie beide eine Weile geschwiegen hatten.

Sie zuckte die Achseln. „Gaara hat mich gebeten, noch eine Runde zu drehen.“

„Also macht er sich doch auch Sorgen.“

„Sagen wir, er geht auf Nummer sicher. Du kannst mich begleiten, wenn du willst.“

Shikamaru sah in das Nichts hinaus, durch das Sandkörner wirbelten. „Warum eigentlich nicht?“

Während sie zu zweit die Gänge entlangmarschierten, fragte er: „Wie lange dauern solche Stürme eigentlich bei euch?“

„Unterschiedlich. Wir hoffen, dass er bis morgen vorüberzieht. Solange er anhält, wird Gaara niemandem erlauben, den Turm zu verlassen.“

„Hm.“ Shikamaru grübelte. „Irgendwie verstehe ich jetzt Konoes Vorahnung. Wir sind quasi von der Außenwelt abgeschnitten und sollen einen multinationalen Kampf abhalten, und das mit einigen sehr eifrigen Teilnehmern.“

„Ihr macht euch beide zu viele Gedanken. Das ist eine friedliche Prüfung.“

„Trotzdem. Irgendwie erinnert mich das Ganze an damals, als …“

Er wurde unterbrochen, als direkt vor ihnen Schritte laut wurden. Dann taumelte eine Gestalt um die Ecke und prallte zurück, als sie die beiden sah.

„Ihr seid’s. Habt ihr mich erschreckt“, nuschelte Macho-Manjo. Seine Frisur war irgendwie schief, und seine Augen glänzten glasig im Licht.

„Bist du betrunken?“, fragte Temari scharf.

„Nicht doch.“ Er wedelte grinsend mit einer Sake-Flasche vor ihrer Nase herum. „Angeheitert. Betrunken kann ich gar nicht werden. Den hab ich hier reingeschmuggelt. Dachte, Konoe-chan würde er schmecken.“

„Und? Schmeckt er ihr?“ Temari verschränkte herausfordernd die Arme.

„Woher soll ich‘n das wissen?“ Manjo warf pathetisch die Arme in die Luft. „Sie hat ihn ja nicht probiert. Hat mich einfach rausgeschmissen!“

„Vielleicht hätte dir jemand sagen sollen, dass Konoe Alkohol verabscheut“, sagte Temari ohne Mitleid. „Oder vielleicht auch nicht. Und du solltest den Rest in der Flasche lassen und jetzt schlafen gehen.“

„Und wenn ich keine Lust habe, heute allein zu schlafen?“, grinste er.

„Dann bleibst du eben wach.“

Manjo ließ ein abfälliges Zischen hören. „Wenn Konoe-chan ihn nicht will und du auch nicht … Es gibt ja noch andere hübsche Mädels hier. Die nicht so zickig sind.“ Damit torkelte er an ihnen vorbei. Shikamaru war es ein Rätsel, wie er sich in der Dunkelheit nicht den Hals brach.

„Ich hoffe mal, damit meinte er Iwamoto-san“, murmelte Temari düster, als sie weitergingen. „Am Ende macht dieser Idiot sogar noch den Genin-Mädchen schöne Augen. Ich sollte sie dringend mal vor ihm warnen.“

„Jetzt übertreibst du aber“, sagte Shikamaru und machte ein nachdenkliches Gesicht. „Ich finde ihn betrunken sogar sympathischer als nüchtern.“

Temari sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an, als hätte er den Verstand verloren, dann lachte sie leise. „Komm weiter. Bringen wir die Runde zuende.“

Doch in den Gängen des Wüstenturms war nachts offenbar einiges los. Sie stiegen von der dritten in die zweite Etage hinunter. Hier hatten die Genin und ihre Senseis ihre Quartiere. Prompt wurden die beiden von Lärm begrüßt. „Bleib sofort stehen!“, schrie eine Stimme, die Shikamarus Ohren klingeln ließ.

Ein Schatten huschte an ihnen vorbei, schnell und lautlos, wie ein Ninja sein sollte.

„Du sollst stehen bleiben!“

Ihre Stimme und ihre trampelnden Schritte verrieten Drescher-Takki. Temari drückte Shikamaru die Öllampe in die Hand, griff blitzschnell zu und packte das Mädchen an der Schulter, als es an ihnen vorbeistürmen wollte. Verdutzt blickten helle Augen unter zerzaustem blondem Haar Temari und Shikamaru an, als hätte Takki weder die beiden noch ihre Lampe bemerkt.

„Ist irgendwas passiert?“, fragte Temari ernst.

„Ähm …“ Takki schluckte verdattert. „Nein, nichts.“

„Viel Lärm für nichts“, stellte Shikamaru fest.

„Ist irgendwas?“ Der Schatten kam nun auch zurück. „Temari-san. Shikamaru-san.“ Shikamaru erkannte Sasaro, das Genie. In der Hand hielt er ein Kissen, auf das jemand ein unförmiges Gesicht gemalt hatte. Hatte Takki ihre Drohung wahrgemacht und sich einen eigenen Sasaro gebastelt?

„Das fragen wir euch. Ist etwas passiert, oder warum lauft ihr mitten in der Nacht durch die Gänge?“ Temari hielt Takki immer noch streng an der Schulter gepackt.

„Hey, bleiben Sie cool“, wiegelte Sasaro in seiner typisch-lässigen Art ab. „Nichts passiert, ehrlich. Wir albern nur rum.“

Temari entspannte sich ein wenig, und Shikamaru auch. Es kam vor, dass sich Genin noch vor der letzten Prüfung gegenseitig aus dem Rennen werfen wollten. Aber die Sache mit dem Kissen … das konnte unmöglich etwas Ernstes sein. „Das geht doch sicher auch leiser, oder?“, fragte Temari nun freundlicher. „Es gibt nämlich Leute hier im Turm, für die Schlaf etwas Heiliges ist.“

Shikamaru kratzte sich am Kopf. „Mendokusai.

Drescher-Takki verzog das Gesicht. „Jaja. Alles klar, Großmütterchen.“ Sie riss sich los und stolzierte den Gang zurück.

„Takki, warte!“ Sasaro lief ihr hinterher.

Temari starrte ihr verdutzt nach, die Hand erhoben, als hielte sie immer noch Takkis Arm umklammert. „Hat sie mich eben Großmütterchen genannt?“, fragte sie verdattert.

„Du hast’s gehört.“

Sie schnaubte und strich sich die Falten auf ihrer Kleidung glatt. „Die Jugend von heute hat kein Benehmen mehr.“

„Wie war das, sie sind gar nicht um so viel jünger als wir?“

Dafür bekam er einen Knuff mit dem Ellbogen.

Sie setzten ihre Nachtpatrouille fort, umrundeten den oberen Teil der Arena, stiegen dann in das erste Stockwerk und gingen um den unteren Teil herum, bis sie vor dem steinernen Eingangstor standen. Von dort führte draußen eine Steintreppe zum Erdboden hinab. Hier fauchte der Wind besonders stark durch die großen, glaslosen Fenster. Wie Schneewehen ruhten Sanddünen in der Eingangshalle. „Kalt ist es hier“, meinte Shikamaru und fröstelte. „Die Temperaturen in der Wüste sind schrecklich. Tagsüber schwitzt man, nachts kann man vor Kälte kaum schlafen.“ Er warf einen Blick auf das kleine, in Eisen gefasste Thermometer im Fensterrahmen neben dem Eingangstor. Offenbar wollten die Suna-nin jederzeit wissen, wie heiß es draußen war, ehe sie den Turm verließen. Eine schlaue Idee. Allerdings war es ein ziemlich altmodisches Ding. „Das zeigt nicht mal an, wie kalt es wirklich ist. Könnt ihr euch hier keine Digitalanzeige leisten?“

„Es stammt noch aus der Zeit, bevor wir hier Strom hatten. Der Turm wird selten genug benutzt, niemand hat es je ausgetauscht. Willst du dich jetzt darüber beschweren, dass du nicht erfährst, wie kalt es ist, oder willst du lieber wieder unter deine Decke?“

„Decke klingt gut“, seufzte er. „Da fällt mir ein, wo genau kommt der Strom überhaupt her?“

„Es gibt ein paar Solarzellen, aber für den Fall, dass ein Sandsturm die Sonne verdeckt – wie heute –, haben wir dort drüben noch einen Generator.“ Temari deutete auf die Tür zu einer kleinen Kammer ganz in der Nähe. „Er wird mit in Schriftrollen gespeichertem Chakra gespeist. Eine ziemlich praktische Erfindung.“

Sie überprüfte noch, ob das Tor ordentlich verriegelt war, aber wer bei diesem Wetter durch die Wüste wollte, kam ohnehin nicht weit. Als sie zufrieden war, machten sie sich auf den Rückweg. Im dritten Stock verabschiedeten sie sich vor Shikamarus Kammer. „Dann gute Nacht“, sagte sie. „Mach deinem Ruf alle Ehre und schlaf gut.“

„Gerne. Gute Nacht.“ Er gähnte und betrat sein Zimmer, das wenig mehr als eine steinerne Zelle war. Die Sandkörner prasselten immer noch wie wild gegen die steinernen Wände. In der Arena, die sich im Zentrum des Turms befand, musste es viel ruhiger sein … Diese Wüste war einfach ein Albtraum.

 

Als er erwachte, war es kaum merklich heller, und der Sandsturm knirschte immer noch über die Mauern des Wüstenturms. Allerdings war es bereits deutlich wärmer. Shikamaru seufzte, schlug seine Decke fort und zog sich an. Wenn seine Vermutung, dass es bereits Morgen war, stimmte, war es ohnehin bald zu heiß zum Schlafen.

Im Gang angekommen, streckte er sich erst mal und gähnte ausgiebig. Weil er nicht wusste, wie spät es war, machte er sich auf den Weg zur Kantine. Er stieg in den zweiten Stock hinunter und folgte den gewundenen Gängen, als er einen der Prüflinge an einem Fenster stehen sah, vor dem ein Ameisenkrieg aus Sandkörnern tobte. Shikamaru erkannte Reis-Anji, den Jungen, der im ersten Halbfinalkampf ausgeschieden war. Sein rotbraunes Haar war noch zerzauster als üblich. Er war ein Stück größer als Shikamaru.

„Morgen“, gähnte Shikamaru.

Reis-Anji nickte ihm kurz zu. „Morgen.“

„Schon so früh auf den Beinen? Der Finalkampf ist doch erst um zehn.“ Zumindest vermutete er, dass es nicht später als sieben Uhr sein konnte.

„Ich stehe immer um diese Zeit auf. Und ich weiß nicht, ob ich mir den Kampf überhaupt ansehe.“

Shikamaru zuckte mit den Schultern. „Ohne jetzt neunmalklug wirken zu wollen, der Endkampf einer Chunin-Prüfung kann lehrreich sein.“

„Was kümmert mich das? Ich bin ausgeschieden. Wäre der Sturm nicht, wäre ich schon auf dem Heimweg.“

Nach der ersten Runde hatten etliche Genin mit ihren Senseis den Turm verlassen. Darum waren gegenwärtig auch so wenige Personen anwesend. Anji war sowieso als Einziger aus seinem Team erschienen. Nachdem Drescher-Takki seinen Kameraden in der Wüste übel zugerichtet hatte, waren sein anderer Freund und sein Lehrer bei ihm geblieben und versorgten ihn nun in Sunagakure.

Mendokusai, was ist nur los mit den diesjährigen Kandidaten?“, murmelte Shikamaru halblaut. „Ihr habt alle die falsche Einstellung. Man muss nicht gewinnen, um Chunin zu werden. Es ist nicht mal gesagt, dass der Sieger zum Chunin ernannt wird. Meiner Ansicht nach hast du sogar noch am ehesten die Chance dazu. Als Chunin muss man ein Team führen; bloße Kraft reicht da nicht aus.“

Anji sah ihn verwundert an, dann verzog er die Lippen. „Sie wollen mich nur aufmuntern.“

„Klar. Aber mit der Wahrheit. Kommst du mit in die Kantine?“

Nun wurde aus Anjis Lippen ein schmales Lächeln. Er löste sich von dem öden Anblick des Sturms und begleitete Shikamaru. „Wie war es denn bei Ihnen?“

„Was?“

„Naja, man sagt sich, Sie hätten es als Einziger bei Ihrer Prüfung zum Chunin geschafft. Und das mit dreizehn Jahren.“

„Im Land der Reisfelder erzählt man sich Geschichten über mich?“, fragte Shikamaru verwundert.

„Das nicht.“ Reis-Anji grinste schief. „Aber ich hab die Prüfer belauscht. Also?“

„Das ist eine komplizierte Geschichte“, seufzte Shikamaru.

Sie bogen um eine Ecke und was er sonst noch hatte sagen wollen, blieb ihm im Hals stecken.

„Verflucht“, stieß Anji aus, der wie zur Salzsäule erstarrt war. Shikamaru traf der Anblick wie ein Faustschlag ins Gesicht. Eiskalt rieselte es ihm den Rücken hinunter. Gesprächsfetzen, in denen es um dunkle Vorahnungen ging, rauschten durch seinen Kopf wie ein gischtsprühender Strudel. Das kann doch wohl nicht wahr sein … Er schluckte sein Erschrecken hinunter und lief mit weit ausgreifenden Schritten auf die Tür zu, die sich in keiner Weise von den zahlreichen anderen Türen in diesem Gang unterschied. Nur eines war anders. Ein dunkler Fleck prangte auf dem Holz.

Und direkt vor der Tür lag eine reglose Gestalt in einer Blutlache.

„Hi-Hilfe!“, schrie Anji heiser. „Ist jemand hier? Wir brauchen einen Iryonin, sofort!“

Shikamaru war sich nicht sicher, ob das noch etwas nutzte. Er ging vor der Person in die Hocke. Ein Loch klaffte in ihrer Brust, dort, wo das Herz sein sollte. Tote Augen starrten Shikamaru an. Das letzte Mal, als er sie gesehen hatte, waren sie von Alkohol vernebelt gewesen.

Niemand hätte eine solche Verletzung überlebt. Es gab keinen Zweifel. Macho-Manjo war tot.

Vivisection/Video

Mit nur einem Genin an seiner Seite wurde Shikamaru schließlich klar, dass es an ihm lag, die Initiative zu ergreifen. Er wünschte sich ins Bett zurück, als er zu Reis-Anji sagte: „Lauf in den dritten Stock. Hol Temari und Konoe-san. Die Kammern auf der rechten Seite.“

Anji sah ihn mit ernstem Blick an, blies sich eine Strähne rotbraunen Haars aus dem Gesicht und stürmte los.

„Was ist denn los?“, erklang eine gedämpfte Stimme. Aus irgendeinem Grund ließ sie Shikamaru zusammenzucken. Sie kam direkt aus dem Zimmer, vor dessen Tür Macho-Manjos Leiche lag. Ein Geräusch kam vom Türknauf, dann versuchte jemand zu öffnen, aber der Tote blockierte die Tür. Die getrockneten Blutflecken auf dem Holz wirkten plötzlich wie ein mächtiges Siegel auf Shikamaru …

„Warten Sie!“, rief er. „Bleiben Sie drin.“

„Wer hat da eben geschrien?“ Die Stimme klang trotz allem ruhig.

„Iwamoto-san? Sind Sie das?“

Kurzes Schweigen. „Ja. Was zum Teufel ist geschehen?“

Also war das das Zimmer des Senseis von Rokken dem Felsenschieber. Gut zu wissen. Shikamaru erinnerte sich, dass hier im zweiten Stock die Prüflinge und ihre Lehrer ihre Kammern hatten.

Weiter vorne in dem Gang wurden Türen geöffnet, Schritte und Stimmen kamen näher. Anjis Schrei hatte Wellen geschlagen. Shikamaru wünschte sich, er wäre still geblieben.

Die Ninjas aus dem Wasserfall-Reich waren als Erstes hier. Der übercoole Sasaro blieb in einigen Schritten Entfernung stehen und vergaß sogar, auf dem zu kauen, was auch immer er gerade im Mund hatte. Kyoko, seine stille Teamkameradin, stockte noch weiter hinten im Schritt und ihre Augen weiteten sich.

„Oh.“ Das war alles, was das ansonsten gar nicht so wortkarge Genie Sasaro von sich gab. „Ist er …“

„Geht bitte wieder in euer Zimmer zurück“, sagte Shikamaru schließlich betont ruhig. Alles in Ordnung, hätte er fast hinzugefügt. Mendokusai, gar nichts ist in Ordnung!

Endlich kamen auch von der anderen Seite huschende Schritte, ein roter Blitz leuchtete auf, der sich als Konoes Haarschopf entpuppte. Die Prüferin war noch im Schlafmantel und trug ihr Haar offen, was ungewöhnlich aussah. Shikamaru hatte sich eigentlich an den Anblick ihrer Jonin-Weste und ihres Zopfes gewöhnt.

Ohne ein Wort ging sie neben Manjo in die Knie. „Wo ist Anji?“, fragte Shikamaru.

„Er sucht nach Temari-san. Sie war nicht in ihrem Zimmer, also ist er in die Kantine gelaufen.“ Konoe untersuchte fachkundig die Leiche. Neben ihr hatte sich das Blut mit dem Sake aus Manjos Flasche vermischt, die auch auf dem Boden lag.

Ein unangenehmes Ziehen tauchte in Shikamarus Magen auf – so unangenehm es noch werden konnte, wenn man bereits vor dem Frühstück einem Toten begegnet. Temari, die nicht auf ihrem Zimmer war … Wer sagte denn, dass Macho-Manjo das einzige Opfer war …?

„Nichts mehr zu machen“, riss ihn Konoe kopfschüttelnd aus seinen Grübeleien.

„Dachte ich mir“, murmelte er und bemerkte, dass die Wasserfall-Genin nicht nur immer noch auf dem Flur herumstanden, sondern dass sie Gesellschaft bekommen hatten.

„Woah.“ Drescher-Takkis blonde Mähne war vom Schlaf zerzaust. Ihre Augen glitzerten schon wieder. „Was habt ihr gemacht?“

Wir haben gar nichts gemacht“, sah sich Shikamaru verpflichtet sie aufzuklären. „Geh wieder in dein Zimmer. Bitte.“

Hinter Takki humpelte ihr Sensei einbeinig durch den Gang, weil er eben ungeschickt versuchte, sich den zweiten Schuh anzuziehen. Er stürzte beinahe, als er die Leiche sah. „Aber, aber was …“

„Nigishima-sensei, bitte nehmen Sie Ihre Schülerin und gehen Sie“, drängte Konoe. „Wir haben hier alles im Griff. Das hier betrifft nur Sunagakure.“

Nigishima zögerte, dann verhärtete sich seine Miene. „Das sehe ich aber anders“, sagte er. „Ich, ich bin hergekommen mit der Sorge im Hinterkopf, dass meine Schüler bei ihren Prüfungen getötet werden könnten. So was kommt ja leider vor. Aber, aber dass außerhalb der Prüfungen ein Prüfer … ich meine, er, er ist doch tot, oder?“

„Kann mir endlich jemand verraten, was hier los ist?“, ertönte wieder Iwamotos Stimme hinter der Tür. Sie klang genervt.

Konoe nickte Shikamaru zu. „Geht in Ordnung. Hilf mir.“

Unglücklich packte er Macho-Manjos Füße und half ihr, ihn von der Tür fortzuwälzen. Tote waren erstaunlich schwer. Als sie damit fertig waren und Iwamoto-sensei ebenfalls einen harten Blick auf die Leiche geworfen hatte, rauschten endlich auch Temari, Gaara und Anji mit betroffenen Gesichtern heran.

„Was kannst du über ihn sagen?“, fragte Gaara sofort Konoe.

Diese zuckte mit den Schultern. „Normalerweise untersuche ich Lebende. Aber die Leichenstarre ist noch nicht komplett eingetreten. Die Temperatur in Betracht gezogen, denke ich, dass er seit ein paar Stunden tot ist.“ Shikamaru erinnerte sich, dass Konoe noch gestern mit Manjo geflirtet hatte. Falls sie sein Tod traf, ließ sie es sich nicht anmerken. Sie war eine mustergültige Kunoichi.

„Das, das ist ja entsetzlich!“, rief der tollpatschige Nigishima-sensei. „Dann läuft hier doch ein Mörder herum!“ Als ob das nicht längst klar gewesen wäre …

Gaara ging nun selbst neben Manjo in die Hocke und betrachtete ihn mit ernstem Gesicht. „Wir besprechen uns in meinem Büro“, sagte er leise.

„Sie haben den Kazekage gehört“, sagte Iwamoto kühl zu Nigishima-sensei und den Genin. „Bringen Sie die Genin in ihre Zimmer. Das Reich des Windes wird sich um diese Sache annehmen.“

„Sonst geht es Ihnen gut, ja?“, gab der sogenannte Weiße Blitz zurück. „Wir, wir haben ein Recht darauf zu erfahren, was hier vor sich geht!“

Iwamoto-sensei sah ihn aus schmalen Augen an. Shikamaru fiel auf, dass sie vollständig angezogen war, obwohl man sie aus dem Schlaf gerissen haben musste. Andererseits hatte sie ja auch einige Zeit gehabt, sich umzuziehen.

„Nein, das geht in Ordnung“, sagte Konoe plötzlich. „Er sollte auch dabei sein.“ Dabei warf sie Gaara einen schwer zu deutenden Blick zu, der daraufhin nickte.

Konoe holte eine Trage aus irgendeiner staubigen Abstellkammer. Shikamaru schickte sich an ihr zu helfen, die Leiche abzutransportieren, aber Iwamoto-sensei nahm ihm die Trage fast gewaltsam aus der Hand. Etwas verwirrt trottete er hinter ihnen her, fing aber einen Blick von Temari auf, die schweigend den Kopf schüttelte. Die Hand mit einem Tuch bedeckt, trug sie die Sake-Flasche mit. Der dunkelhäutige Nigishima schärfte Takki ein, in ihr Zimmer zurückzugehen und brav zu sein. Igawa der Quecksilberninja fehlte, wie Shikamaru erst jetzt bemerkte. Die anderen Genin verscheuchte der Blitz-Sensei mit Gesten, als wären sie lästige Krähen.

Die Prüfer und Lehrer brachten den Toten in einen Raum neben jenem Büro, in dem Shikamaru und die anderen erst gestern über ihre Prüflinge geredet hatten. Nun versammelten sie sich, um ein viel ernsteres Thema zu besprechen. Als sie an dem Rundtisch Platz nahmen, war die Luft so dick, dass man sie mit dem Messer hätte schneiden können.

„Also?“, eröffnete Gaara tonlos das Gespräch.

„Ich möchte ihn später noch einmal untersuchen“, sagte Konoe in ihrem typischen Singsang und strich sich ihr Haar glatt, „aber nach dem, was ich erkennen konnte, ist er durch ein Ninjutsu getötet worden. Ich konnte kein spezielles Element ausmachen; es war reines, wenn auch konzentriertes Chakra. So etwas Ähnliches wie ein Chakra-Skalpell, wie es Iryonin verwenden.“

„Also beherrscht der Täter medizinische Jutsus?“ Selbst im Sitzen sah Iwamoto-sensei fürchterlich groß aus. Ihr kurzes, dunkles Haar verstärkte den Effekt noch.

„Nicht unbedingt. So eine Art … nennen wir es Chakraspeer. Das könnte so ziemlich jeder erlernen. Allerdings bräuchte man viel Chakra dazu, und eine unglaublich gute Chakrakontrolle. Der Täter hat Manjos Herz mit einem einzigen Versuch getroffen und es regelrecht pulverisiert. Es ist eine Jonin-Level-Technik, oder mindestens eine hohe Chunin-Technik.“

Shikamaru tauschte einen bezeichnenden Blick mit Temari und wusste, dass sie dasselbe dachte wie er. „Ich schätze mal, die Suna-nin haben festgestellt, dass der Turm leer war, ehe die dritte Prüfung losgegangen ist?“, fragte er.

„Wir haben die üblichen Vorsichtsmaßnahmen für eine multinationale Veranstaltung getroffen“, bestätigte Gaara.

Dann bedeutete das nichts weniger, als dass der Mörder hier in diesem Raum war. Alle übrigen Ninjas in dem Turm waren lediglich Genin. Die Luft schien noch einmal dicker zu werden.

„Machen wir uns nichts vor. Wir wissen doch längst, wer es war“, sagte Iwamoto-sensei, die Shikamaru von Minute zu Minute mehr wie eine strenge Lehrerin vorkam, die ihre unwissenden Schüler am liebsten mit der Gerte schlagen würde. Der arme Rokken.

Dann traf ihn ihr anklagender Blick, und sie wurde ihm noch unsympathischer. Denselben Blick schoss sie auch in Nigishimas Richtung ab.

„Hä?“, machte der Blitz-Jonin. „Ich? Oder, oder was soll das jetzt heißen?“

„Es ist doch sehr zweckdienlich, dass bei den Chunin-Prüfungen so viele Ninjas aus verschiedenen Ländern zusammenkommen. Da kann man schon mal alte Feindschaften aufwärmen, oder den Gegner ausspionieren … oder ihm schaden, indem man seine Shinobi ausschaltet.“ Iwamoto sprach ohne jede Emotion. Shikamaru hätte sie nicht für so kalt gehalten.

Mendokusai“, seufzte er. „Jetzt werde ich also verdächtigt?“ Er machte sich nicht wirklich darüber Sorgen. Die Anschuldigung war haltlos, und er hatte – hoffentlich – bei Gaara und Temari einen Stein im Brett.

Nigishima der Weiße Blitz wurde jedoch tatsächlich weiß im Gesicht. „Ich, der Mörder von diesem … wie hieß er überhaupt? Das, das ist doch lächerlich!“

„Kazekage-sama, was sagen Sie dazu?“, fragte Iwamoto, ohne Nigishima aus den Augen zu lassen.

Gaara sagte vorerst gar nichts, also übernahm Shikamaru das. „Wir hätten von allen am wenigstens Grund, Manjo zu ermorden. Was war er denn überhaupt, ein Chunin? Jonin?“

„Jonin“, steuerte Konoe bei. „Aber erst seit ein paar Wochen.“

„Also ein Emporkömmling noch dazu. Hören Sie, Iwamoto-san. Nigishima-san und ich haben ihn erst gestern kennen gelernt. Er ist keine so wichtige Persönlichkeit, von der man vorhersagen könnte, dass sie auf jeden Fall bei den Chunin-Prüfungen dabei wäre. Und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir ihn wirklich kennen? Abgesehen davon ist Konoha mit Suna verbündet, wie hier alle wissen. Und das Reich der Blitze … Der letzte Krieg ist lange her. Ich bezweifle, dass Manjo alt genug war, um von einem Shinobi aus Kumogakure für damals gehasst zu werden.“

„Genau, genau!“, rief Nigishima eifrig und deutete aufgeregt mit dem Finger auf Iwamoto-sensei. Die strenge Lehrerin zuckte mit keiner Wimper, noch verzog sie eine Miene. „Außerdem, außerdem sind Sie ja wohl die Hauptverdächtige! Vor wessen Tür lag denn die Leiche?“

„Nein, das ist auch falsch“, seufzte Shikamaru und handelte sich einen verwirrten Blick von dem Blitz-Ninja ein, der ihn wohl schon als uneingeschränkten Verbündeten gewähnt hatte. „Erinnert euch bitte alle, wo genau Manjo lag. Iwamoto-sans Tür war vollkommen von ihm blockiert. Sie hätte ihn unmöglich töten, dann die Leiche vor ihre Tür legen und hinterher in ihr Zimmer gehen können. Und wenn sie ein Tauschjutsu benutzt hätte, wäre irgendetwas in dem Gang zurückgeblieben – ein Holzstück oder was auch immer.“

Nigishima ließ sich auf seinem Stuhl zurückfallen und verschränkte die Arme. „Sie, sie hätte ihn durchs Schlüsselloch mit ihrem Chakra töten können, oder?“, grummelte er.

„Kaum“, sagte Konoe. „Erstens ist das Schlüsselloch für ein Jutsu dieser Größenordnung zu klein. Zweitens hätte es das Opfer regelrecht weggefegt.“

„Es war eher umgekehrt“, sagte Shikamaru. „Aus welcher Richtung kam der Angriff vermutlich, Konoe-san?“

„Ich bin nicht hundertprozentig sicher, aber ich würde sagen, von vorne.“

„Dann hat er seinem Mörder noch in die Augen gesehen!“, rief Nigishima, als wäre das von großer Bedeutung.

„Auf dem Holz der Tür waren Blutflecken“, führte Shikamaru seine Überlegungen weiter aus. „Wahrscheinlich hat Manjo seinen Mörder gesehen, ja. Er hat der Tür gerade den Rücken zugewandt, als der Mörder ihn mit dem Jutsu angriff. Das muss ihn – laut Konoe-sans Aussage von gerade eben – gegen die Tür geschleudert haben. Wenn der Täter ihm das Chakra in die Brust gerammt hat, wie man jemandem ein Schwert hineinrammt, macht es Sinn, dass er dann direkt an der Tür hinuntergerutscht ist und sie damit blockiert hat, und so kommt auch das Blut auf die Tür.“

„Und schon ist der Tathergang geklärt“, sagte Temari mit einem leichten Grinsen. „Wer ihn nicht kennt, darf ich vorstellen? Die Denkmaschine aus Konoha.“

„Temari und ich sind Manjo gestern Nacht im Korridor begegnet. Er kam gerade von Konoe-san – ist das richtig?“, fragte Shikamaru die Kunoichi.

„Ich … ja“, murmelte sie etwas peinlich berührt. „Als ich in der Nacht in mein Zimmer gegangen bin, war er schon dort und hat auf mich gewartet. Wir haben geredet … und er wollte Sake mit mir trinken. Ich habe abgelehnt, also hat er allein … Als er zu betrunken wurde, habe ich ihn aus meiner Kammer geworfen.“

Shikamaru nickte. „Das passt mit dem zusammen, was er selbst erzählt hat. Anschließend hat er zu uns gesagt, es gäbe noch andere schöne Frauen, die mit ihm trinken würden – oder so ähnlich.“

Alle sahen nun Iwamoto an, die wieder keine Regung auf ihrem strengen Gesicht erscheinen ließ. „Ja, er hat bei mir geklopft“, sagte sie. „Und meinen Namen gerufen. Ich mag es nicht, wenn man mich aus dem Schlaf klopft, also habe ich ihn ignoriert. Irgendwann hat er aufgehört.“

„Dann ist der Mord passiert, kurz nachdem er an uns vorbei und zu Iwamoto-sans Zimmertür gegangen ist“, murmelte Temari.

„Und das letzte Klopfen, das Sie gehört haben, war wohl etwas lauter“, sagte Shikamaru. „Das war nämlich sein Körper, der gegen die Tür geprallt ist.“ Iwamoto zuckte nur mit den Schultern.

„Wo waren die anderen zu der fraglichen Zeit?“, wollte Temari wissen. „Shikamaru und ich waren entweder im Erdgeschoss unterwegs oder schon wieder auf unseren Zimmern.“

„Ich bin schlafen gegangen, nachdem Manjo-san weg war“, berichtete Konoe.

Die Blicke aller richteten sich auf Nigishima aus dem Blitz-Reich. „Was?“, empörte er sich. „Verdächtigen Sie mich schon wieder?“

„Nein“, seufzte Shikamaru. „Wir wollen nur Ihr Alibi wissen.“

Nigishima zog hörbar die Nase hoch. „Ich, ich habe mit Igawa-kun ein Brettspiel gespielt, in meinem Zimmer, bis nach drei Uhr. Das machen wir oft, um seinen Verstand zu schärfen.“

„Shougi?“, erkundigte sich Shikamaru interessiert.

„Nein, ein eigens von mir kreiertes Strategiespiel.“

„Ach so. Und Ihrer anderen Schülerin war indessen langweilig, nehme ich an?“

„Takki?“ Nigishima blinzelte ihn an. „Wieso?“

„Ach, nichts“, winkte Shikamaru ab.

Nun war nur noch Gaara übrig. „Ich habe in meinem Büro bis spät in die Nacht hinein die Berichte der letzten Tage gelesen“, sagte er, und keiner hakte nach.

„Igawa-kun ist ein fragwürdiger Zeuge für ein Alibi. Und niemand sagt, dass der Mord vor drei Uhr stattgefunden hat“, stellte Iwamoto-sensei fest.

Der Weiße Blitz funkelte sie böse an. „Darf ich nun zu meinen Schülern zurück?“, fragte er bissig. „Ich, ich mache mir Sorgen um sie. Immerhin läuft hier ja ein Mörder frei herum.“

„Es ist nicht nötig, sich zu sorgen“, sagte Temari. „Jeder, der als Mörder infrage kommt, befindet sich in diesem Raum.“

„Was?“ Nigishima starrte sie entgeistert an. Konnte es sein, dass er es bisher als Einziger nicht verstanden hatte? Seine Lippen bewegten sich, als ob er stumm etwas durchrechnete. „Du, du liebe Güte … Sie haben recht!“ Er stand ruckartig auf, schien etwas sagen zu wollen, und fragte dann: „Was geschieht denn nun eigentlich mit dem Finale?“

„Das wird verschoben“, sagte Gaara, „bis wir den Mörder gefunden haben. Ich will keinen weiteren Mord riskieren, während wir alle abgelenkt sind.“

„Ich werde die Leiche noch einmal untersuchen. Und seine Sake-Flasche“, erklärte Konoe.

„Eines steht jedenfalls fest“, sagte Temari düster. „Solange dieser Sandsturm wütet, kommt hier niemand weg. In die Wüste hinauszugehen, wäre momentan Selbstmord. Der Täter kann unmöglich fliehen.“

„Vielleicht will er das gar nicht“, sagte Konoe plötzlich. „Kazekage, dürfte ich vorschlagen, dass …“

„Nein“, unterbrach sie Gaara schroff. „Das gehört hier nicht her, Konoe-san.“

„Aber Gaara …“, sagte nun auch Temari, doch er schüttelte nur den Kopf.

„Hä? Was? Was haben Sie?“ Nigishima sah verwirrt von einem zum anderen. Shikamaru hatte eine vage Idee, worum es ging.

„Ich finde, es ist ein Fehler, die Genin von vornherein als Täter auszuschließen“, sagte Iwamoto-sensei plötzlich. Auch wenn sie besserwisserisch klang, schien doch etwas hinter ihrer Aussage zu stecken, etwas Lauerndes. „Vergessen wir nicht Manjos Ruf.“

„Seinen Ruf? Den eines Machos?“, fragte Shikamaru verwirrt und handelte sich einen finsteren Blick von Temari ein, als hätte er eben ein Geheimnis ausgeplaudert.

Iwamoto schüttelte den Kopf. „Er war nicht gerade ein Unschuldslamm. Ich wüsste da jemanden mit einem Motiv. Im Grunde muss der Gedanke schon jedem Suna-nin hier gekommen sein.“

„Das ist über ein Jahr her“, sagte Konoe.

„Das ist keine lange Zeit.“

„Aber er hatte keine Wahl! Es war nicht seine Schuld!“

Iwamoto bedachte sie mit einem Blick, der die Wüste in eine Tundra verwandeln könnte. „Er hatte die Wahl. Und es war Absicht und er hat es mit vollem Bewusstsein getan. Egal, wie sehr er dich bezirzt hat, vergiss nicht die Fakten.“

Konoe presste die Lippen aufeinander und schwieg. Rote Flecken waren ihren Hals hochgekrochen.

„Kann mich mal jemand aufklären?“, fragte Shikamaru und massierte sich die Nasenwurzel.

„Manjo hatte ein kleines Vorstrafenregister“, sagte Temari säuerlich. „Er ist … Naja, sagen wir, er wäre eigentlich schon früher zum Jonin ernannt worden, wenn diese eine Sache nicht gewesen wäre. Ein Skandal … könnte man sagen. Oder eher, eine Bluttat.“

Sie schwieg, und Gaara fuhr fort, kühl und sachlich: „Manjo hatte als Chunin eine Mission in einem anderen Land. Seine Teamkameraden waren verletzt, und er musste sie in Sicherheit bringen. Dabei hat er ein kleines Dorf, bewohnt von Nicht-Ninjas, terrorisiert. Er hat drei Männer getötet und vier weitere verletzt. Die übrigen hat er gezwungen, seine Kameraden zu behandeln und sie mit Nahrung und Wasser zu versorgen. Zwei Tage lang hat er die Dörfler bedroht und dabei keine Minute geschlafen – laut eigener Aussage. Für die Rückreise ins Reich der Winde hat er noch eine Geisel mitgenommen, die er erst an der Grenze hat laufen lassen. Als wir später nachgeforscht haben, haben wir erfahren, dass seine Kameraden nicht so schwer verletzt gewesen wären, dass sie nicht schon früher und aus eigener Kraft hätten heimkehren können.“

„Manjo war schon immer ein schlechter Verlierer“, sagte Temari. „Als seine Kameraden von fremden Ninjas verletzt wurden, ging ihm das gegen sein Ego. Er hat das Dorf schikaniert, einfach weil er zornig war und Dampf ablassen wollte.“

„Verstehe“, murmelte Shikamaru. „Er hat also in einem fremden Land randaliert – und in welchem?“

„Im Reich der Reisfelder“, sagte Iwamoto. „Ich denke, nun verstehst du.“

Shikamaru dachte an Reis-Anji und verstand.

„Was? Aber, aber das ist doch unmöglich“, sagte Nigishima. „Dieser Anji-kun ist nur ein Genin. Und er ist aus der Prüfung längst ausgeschieden.“

„Nur aus dem Turnier“, erinnerte ihn Shikamaru. „Nicht aus der Prüfung.“

„Es wäre nicht das erste Mal, dass sich fremde Ninjas, die eigentlich schon einen viel höheren Rang innehaben, als Genin bei einer Chunin-Prüfung einschleichen“, sagte Iwamoto-sensei ungerührt. „Man denke nur an die Prüfung damals in Konoha.“

„Moment! Das ist doch alles weit hergeholt!“, sagte Nigishima-sensei. „Selbst, selbst wenn einer der Genin ihn umgebracht haben sollte – er war doch betrunken, oder, oder hab ich das falsch verstanden? Einen betrunkenen Jonin kann man schneller töten als einen, einen nüchternen!“

„Sie vergessen, dass es eine Jonin-Technik war, durch die er gestorben ist“, sagte Konoe. „Betrunken oder nicht, ein gewöhnlicher Genin hätte dieses Jutsu nicht ausführen können.“

„Es gibt dieses Jahr wirklich viele Ausnahmetalente“, stellte Temari fest und blätterte die Dokumente durch, die sie dabei hatte. Offenbar hatte sie sie die ganze Zeit mit sich herumgeschleppt, seit sie in die Kantine gegangen war. „Takki aus dem Reich der Blitze, genannt Drescher-Takki. Bereits ausgeschieden, aber ihre Taijutsu-Künste können sich mit den damaligen von Rock Lee, Gaaras Gegner beim Chunin-Examen in Konoha, messen. Und sie beherrscht zusätzlich Ninjutsu. Igawa der Quecksilber-Ninja, der uns gestern ein Glanzstück geliefert hat und danach nicht mal richtig außer Atem war. Sasaro, der gemeinhin als Genie gilt. Anji aus dem Reich der Reisfelder ist immerhin älter als die anderen Teilnehmer, genau genommen könnte er auch ein getarnter Chunin sein. Und Rokken der Felsenschieber, der mit vierzehn schon meisterhaft ein Element beherrscht.“

Iwamoto-senseis Augen waren schmal wie Schlitze geworden, als sie ihren Schüler erwähnte. Einmal mehr hatte ihr Gesicht etwas von einer verkniffenen Akademie-Lehrerin. „Ist es plötzlich etwas Schlechtes, wenn unsere Shinobi Talent haben? Außerdem kenne ich Rokken, seit er zum Genin wurde. Er kann keine Jonin-Techniken anwenden.“

„Wir müssen in diesem Fall wohl oder übel auch die Senseis verdächtigen“, meinte Konoe unbehaglich und zuckte zusammen, als Iwamoto-sensei kräftig auf den Tisch schlug. Aber irgendwie sah dieses Zucken pflichtschuldig aus.

„Jetzt mach aber mal einen Punkt! Ich und Rokken, als feige Mörder? Kazekage, wir haben mit unserem Team viele Missionen zum Wohl von Sunagakure erledigt!“

„Das, das heißt aber nicht, dass ihr diesen Manjo gemocht haben müsst“, warf Nigishima-sensei ein, und er zuckte richtig zusammen, als ihr funkensprühender Blick ihn traf.

„Uns zu streiten führt zu nichts“, sagte Gaara. „Im schlimmsten Fall kann man auch annehmen, dass ein Genin sich selbst Jonin-Techniken beigebracht hat, ohne dass sein Sensei davon wusste.“

Niemand glaubte das, das war deutlich in ihren Gesichtern zu lesen. Aber es widersprach auch niemand, als der Kazekage versuchte, die Wogen zu glätten.

„Kazekage-sama, ich muss darauf bestehen, dass Sie sich vorsehen“, sagte Iwamoto-sensei plötzlich.

„Ich habe gesagt, dass das nicht hierher gehört“, erwiderte er kühl.

„Doch. Ich bin der Meinung, dass es alle hier am Tisch hören sollten.“ Iwamoto war unverfroren genug, ihrem Kazekage zu widersprechen. Mumm hatte die Frau. „Chunin-Prüfungen sind, wie ich unserem verehrten Sensei aus dem Blitz-Reich gegenüber schon festgestellt habe, vor allem eins: Anlässe, zu denen sich allerlei wichtige Leute aus verschiedenen Ländern treffen. Das schreit geradezu nach Komplotten und allen möglichen Untaten. Die Prüfung in Konoha wurde zu einem erbitterten Machtkampf, bei dem der Sandaime Hokage sein Leben verlor.“ Gaaras und Sunagakures Beteiligung an jenem Kampf überging sie diskret. „Die letzte Prüfung im Reich des Windes wurde ebenfalls zum Anlass für eine revolutionäre Untergrundbewegung, einen Putschversuch zu wagen. Wir können nicht ausschließen, dass es auch dieses Mal jemand auf das Leben des Kazekage abgesehen hat.“

„Gaara ist heute von allen im Wind-Reich akzeptiert!“, wiederholte Temari energisch das, was sie gestern beim Abendessen gesagt hatte.

„Vielleicht. Ich bin weiterhin der Meinung, die Bedrohung kommt von außerhalb.“ Wieder funkelte Iwamoto-sensei Shikamaru und Nigishima streng an.

„Mir reicht’s“, knurrte der Blitz-Jonin und stand auf. „Ich muss mir das nicht länger anhören. Kann ich gehen? Ich will bei meinen Genin sein, wenn, wenn nicht mehr mit Sicherheit gesagt werden kann, dass der Mörder in diesem Raum ist.“

„Gehen Sie ruhig.“ Gaara nickte ihm zu und Nigishima marschierte trotzig aus dem Raum. Dann ruhte der stoische Blick des Kazekage plötzlich auf Shikamaru, in dessen Magen sich ein flaues Gefühl ausbreitete, wie jedesmal, wenn er etwas durch und durch Ärgerliches auf sich zukommen sah. „Shikamaru. In diesem Turm befindet sich ein Mörder, der einen meiner Shinobi auf dem Gewissen hat. Wir werden mit der Prüfung erst fortfahren, wenn die Sache geklärt ist. Du bist einer der hellsten Köpfe hier, und du hast oft genug bewiesen, dass Sunagakure dir vertrauen kann.“

„Und deswegen soll ich den Mord aufklären?“, seufzte er. „Mendokusai.

„Kazekage-sama, ich muss widersprechen“, sagte Iwamoto-sensei. „Er ist kein Ninja aus unserem Dorf. Er ist nicht vertrauens…“

„Darum wird Temari ihn unterstützen, um sicherzustellen, dass die Interessen unseres Dorfes gewahrt bleiben“, unterbrach Gaara sie und blickte in die Runde. „Das hat schon einmal gut funktioniert. Ist jeder damit einverstanden?“

Die Frage war lächerlich. Außer Iwamoto-sensei war nur mehr Konoe im Raum, die natürlich nichts dagegen hatte, und Shikamaru hatte das Gefühl, dass die Frage gar nicht an ihn selbst gerichtet war.

Temari stieß ihm mit einem höhnischen Grinsen den Ellbogen in die Rippen. „Du fandest die Prüfungen doch ohnehin langweilig.“

„Hab ich nie gesagt.“

„Keine Sorge. Die Denkmaschine und ich finden den Kerl, der das getan hat“, sagte sie, und ein neuer Seufzer entrang sich Shikamarus Kehle.

 

Es war trotz allem unangenehm zu wissen, dass er mit einem Mörder und Hochstapler gemeinsam aß. Beim Frühstück in der Kantine waren alle zwölf lebenden Personen, die sich zurzeit im Wüstenturm aufhielten, zugegen. Die eine Hälfte der Genin schnatterte aufgeregt, während die andere schwieg. Reis-Anji saß wieder etwas abseits der Gruppe, Drescher-Takki und Sasaro diskutierten angeregt über den Mord, und Igawa der Quecksilberninja streute hin und wieder eine Bemerkung ein. Die schweigsame Kyoko beteiligte sich mit keinem Wort daran, und auch Rokken der Felsenschieber war ziemlich still.

Shikamaru ertappte sich dabei, bei den Genin nach Verhaltensänderungen Ausschau zu halten, die darauf schließen ließen, dass sie etwas Ungeheuerliches wie einen Mord begangen hatten. Aber sie wirkten wie gestern auf ihn. Logisch, schalt er sich. Wenn einer von ihnen tatsächlich einen viel höheren Ninja-Rang innehatte, würde er sich durch so etwas kaum verraten.

In Gaaras Namen bat Temari nach dem Essen um Aufmerksamkeit und legte allen Anwesenden die Lage dar, sodass die Spekulationen ein Ende hatten. Sie sagte zwar nicht viel mehr, als dass Macho-Manjo durch ein Jutsu ermordet worden war und sich jeder von ihnen zu Shikamarus und ihrer Verfügung halten solle, aber die Stimmung war hinterher tatsächlich gedrückt.

Konoe verließ die Kantine als Erstes, um die Leiche noch einmal unter die Lupe zu nehmen. Shikamaru und Temari würden alles Wissenswerte über die Genin zusammentragen, um ausschließen zu können, dass einer von ihnen der Mörder war. Dazu gehörten Kampfdokumentationen und Aufzeichnungen der zweiten Prüfung. Im Büro sammelten sie alle Papiere ein, die sie zu brauchen glaubten, und sahen dann noch eine Tür weiter bei Konoe vorbei. „Etwas Neues?“, fragte Temari.

Die Iryonin schüttelte den Kopf. „Wir haben die Leiche einfach zu spät gefunden. Sonst hätte ich vielleicht einen Chakraabgleich machen können, aber so … Fingerabdrücke habe ich auch keine Besonderen auf seiner Kleidung gefunden.“

„Nicht mal deine eigenen?“, fragte Temari und in ihren Augen glitzerte es plötzlich verschlagen.

Die rothaarige Kunoichi kniff nur die Lippen zusammen und erwiderte nichts darauf. „Die Sake-Flasche ist allerdings interessant.“ Sie wies auf einen Tisch, auf dem inmitten eines Waldes aus medizinischen Gerätschaften die tönerne Flasche stand. „Darauf sind Manjos Fingerabdrücke, meine – ich hab sie abgewehrt, als er mir die Flasche in die Hand drücken wollte –, und die von jemand anderem.“

„Vom Mörder?“, fragte Shikamaru.

„Keine Ahnung. Wir sollten die Fingerabdrücke von allen anderen damit vergleichen.“

„Aber wieso sollte Manjos Mörder seine Fingerabdrücke auf der Flasche hinterlassen?“

„Ich habe eine leise Ahnung, wem sie gehören könnten“, meinte Temari. „Ist diese Person aus dem Schneider, wenn ich feststelle, dass sie viel zu kindisch ist, um ein Jonin zu sein?“

Shikamaru hob die Augenbrauen. „Wen meinst du?“

„Konoe-san, bitte sag uns, wenn du auf etwas Neues stößt“, bat Temari nur und schloss nach Konoes Gruß die Tür.

Eigentlich wollten sie in den Schulungsraum im dritten Stock gehen, wo es einen Fernseher für das Abspielen der Überwachungsvideos gab, aber Temari machte sich mit forschen Schritten auf den Weg zu den Quartieren der Genin. Shikamaru folgte ihr. An der Tür zum Zimmer der Blitz-Genin klopfte sie, wartete keine Antwort ab, sondern marschierte geradewegs hinein.

Drescher-Takki und Quecksilber-Igawa hatten Besuch. Takki saß mit Sasaro auf dem Boden und spielte ein Brettspiel; offenbar das, von dem Nigishima erzählt hatte. Igawa lag auf seinem Bett und las ein Buch. Alle drei blickten überrascht auf. „Hey“, beschwerte sich Sasaro. „Was ist mit Privatsphäre und so?“

„Da hab ich euch gleich alle drei, sehr schön“, sagte Temari. „Wer von euch hat mit der Sake-Flasche rumgespielt?“

„Was für eine Sake-Flasche?“, fragte Takki.

„Stell dich nicht dümmer, als du bist. Du weißt genau, wovon ich rede.“ Temaris schien den Youngstern gegenüber wenig Geduld aufbringen zu können. Ihre Stimme klang so bedrohlich, dass selbst Shikamaru eine Gänsehaut bekam.

„Hey, schon gut, es war meine Idee“, sagte Sasaro plötzlich und hob abwehrend die Hände.

„Also hast du sie angefasst? Wir finden es sowieso raus.“

„Nö. Aber ich hab die Wette vorgeschlagen.“

„Was für eine Wette?“, fragte Temari scharf.

Takki seufzte genervt. „Er hat gemeint, ich würde mich nicht trauen, die Flasche zu klauen. Zufrieden?“

„Nein, wir sind nicht zufrieden. Wann hast du sie geklaut? Und von wo?“

„Na, aus diesem Untersuchungsraum! Wo die olle Prüferin mit den roten Haaren jetzt an der Leiche rumschnippelt!“

„Und Konoe-san hat dich nicht gesehen?“

„Ich bin eine Kunoichi aus Kumogakure“, erklärte Takki breit grinsend.

„Stehlen Kunoichis aus Kumogakure leere Flaschen, oder was?“

Das Grinsen des Mädchens erlosch. „Ich hab sie geholt, als ihr alle im Büro daneben wart. Dann hab ich sie hierher gebracht. Wir haben sie angesehen, und, tja … Dann hab ich sie wieder zurückgestellt, kurz bevor ihr mit eurer Besprechung fertig wart.“

„Ist ja schließlich nur ‘ne Flasche“, meinte Sasaro, und Shikamaru war nicht sicher, was genau er damit zu argumentieren hoffte.

„Und die Leiche, hast du die auch angefasst?“, fragte Temari mit eisigem Blick.

Drescher-Takki verzog das Gesicht. „Nie im Leben. Die ist schon so lange tot, das ist eklig.“ Sasaro lachte leise.

Temaris Lippen waren nur ein dünner Strich. Sie stieß eine Verwünschung aus, die nicht einmal Shikamaru richtig hören konnte. „In Zukunft lasst ihr die Finger von solchen Sachen.“ Sie machte auf dem Absatz kehrt. Auf dem Weg hinaus streifte ihr Blick Igawa, der das Gespräch interessiert verfolgt hatte. „Und du bist mir für deine Kameradin verantwortlich!“

Shikamaru sah noch, wie Takki Temari die Zunge rausstreckte, wohlgemerkt, als diese ihr den Rücken zuwandte. Er seufzte leise, folgte der Suna-Kunoichi aus dem Zimmer und wäre fast gegen die Tür gelaufen, als sie diese wütend zuschlug.

„Und ich dachte schon, du verdächtigst Iwamoto-sensei“, meinte Shikamaru, als er Temari am Flur einzuholen versuchte.

„Wieso?“

„Weil es doch etwas gegeben hat, mit dem sie sich nach dem Mord per Jutsu hätte tauschen können. Die Flasche lag bei Manjo.“

Temari blieb stehen. „Meinst du etwa …?“

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Iwamoto-sensei hätte Manjo die Flasche abnehmen, sie in ihrem Zimmer drapieren, ihn vor ihrer Tür ermorden und dann die Plätze mit der Flasche tauschen müssen. Wenn sie schon so nahe an ihn rangekommen ist, hätte sie ihn nicht mit einer derart wuchtigen Technik töten müssen, die die Jonin im Turm unter Verdacht bringt. Und außerdem …“

„Außerdem ist sie zu patriotisch für so etwas?“, vermutete Temari.

„Du sagst es.“ Shikamaru seufzte. „Ich hab selten jemanden erlebt, dem die Ninjas aus dem eigenen Dorf so heilig sind.“

 

Auf dem Bildschirm im Schulungsraum im dritten Stock spielten sie die Überwachungsbänder ab. Es gab keine Kameras im Turm, dafür waren etliche in der Wüste installiert. Die Genin hatten in der zweiten Prüfung viel zu kämpfen gehabt. Wenn sie etwas über ungewöhnliche – oder ungewöhnlich starke – Fähigkeiten herausfinden wollten, dann mithilfe dieser Videos.

Gemeinsam mit Temari sah Shikamaru sich jedes einzelne Band im Schnelldurchlauf an, gerade so, dass sie noch erkennen konnten, was vor sich ging. Andernfalls würden sie hier ewig sitzen; die Prüfung hatte fast drei Tage gedauert. Irgendein Prüfer hatte die Bänder beschriftet und die Szenen, in denen nichts passierte, bereits herausgeschnitten. Dennoch war es ein ordentlicher Haufen Videomaterial.

Zu Rokken fanden sie als Erstes etwas. Der Felsenschieber und sein Team hatten sich wie erwartet durch die Wüste gekämpft. So gewöhnlich Rokken aussah, so gewöhnlich waren sie an ihre zweite Schriftrolle gekommen – indem sie einem Team aus Konoha eine Falle gestellt und sie im Kampf besiegt hatten. Wohlgemerkt auf felsigem Boden, was Rokken sehr zugutegekommen war. Die drei Genin waren letztlich alle in den Turm gekommen, allerdings waren die anderen zwei schon im ersten Durchgang gegen Sasaro und Reis-Anji ausgeschieden und zurück nach Sunagakure gegangen, ehe der Sturm wieder eingesetzt hatte. Wenn er sich das Band so anschaute, wunderte es Shikamaru nicht mehr, dass Sasaro und Anji geradezu irrwitzig leichtes Spiel mit ihnen gehabt hatten. Der Einzige aus dem Team, der tatsächlich etwas draufhatte, war Rokken.

Das Team aus dem Reich des Wasserfalls verhielt sich auch nicht besonders aufschlussreich. Sasaro hatte seinem Ruf als Genie alle Ehre gemacht und äußerst bravourös eine Schriftrolle erbeutet. Danach schien das Team dazu übergegangen zu sein, andere Teams zu eliminieren, um in der letzten Prüfung leichteres Spiel zu haben. Shikamaru erinnerte sich, wie sie insgesamt sechs Schriftrollen beim Turmeingang vorgelegt hatten und Sasaro lässig gefragt hatte, ob das wohl reiche.

Von der schweigsamen Kyoko sah man auch, dass sie eine gute Kunoichi war, und die dritte in ihrem Bunde war auch nicht übel. Kurz bevor der Sandsturm einsetzte, wurde die Aufnahme interessant: Da standen sich nämlich plötzlich Sasaros und Igawas Team auf einer dünenverzierten Ebene gegenüber. Vielleicht würden sie nun gar nicht beide im Finale sein, wenn sie diesen Kampf vernünftig hätten austragen können. Wie sich Shikamaru erinnert hatte, glühten Drescher-Takkis Augen vor Kampfeseifer, und sie, Igawa und ihr Kamerad warfen sich den Wasserfall-Genin entgegen. Man sah noch undeutlich, wie Igawa sein Quecksilber einsetzte – damals hatte er noch deutlich mehr davon als bei seinem Halbfinalkampf –, dann war der Sandsturm so schlimm geworden, dass die Kameras ausgefallen waren.

Was danach geschehen war, darüber konnten sie nur Vermutungen anstellen und sich auf die Aussagen der Beteiligten verlassen. Die Genin waren auseinandergegangen, ohne den Kampf zu beenden, aber Sasaros und Kyokos Kameradin war offenbar schwer verletzt und von ihrem Sensei direkt in der Wüste abgeholt worden. Sasaro und Kyoko waren somit zu zweit und ohne ihre Lehrerin im Turm erschienen. Igawas und Takkis Kamerad war ebenfalls verwundet worden. Im Turm angekommen, hatte er gemeint, die dritte Prüfung nicht antreten zu können. Nigishima-sensei hatte ihn persönlich nach Sunagakure zurückbegleitet.

„Er war wirklich schnell dabei, oder?“, fragte Temari, als sie den Vorfall in Gedanken durchgingen.

„Er wird der Weiße Blitz genannt. Natürlich ist er schnell.“

„Aber er wird kaum durch diesen Sturm kommen, oder?“

„Befürchtest du, dass er abhauen will?“, fragte Shikamaru belustigt. „Er hat seinen Schüler durch die Wüste gebracht, als der Sturm wieder abgeflaut ist, und war zurück, ehe er erneut begonnen hat.“

Damit hatte Nigishima-sensei die dritte Prüfung erst erreicht, als der zweite Durchgang begonnen hatte. Von Drescher-Takkis und Igawas Kampf hatte er nur den Schluss mitbekommen, und das schien ihn mehr gekränkt zu haben als die beiden. „Er kümmert sich rührend um seine Genin“, stellte Shikamaru fest. „Wenn ich an Iwamoto-sensei denke … Die Frau drillt Rokken sicher in jeder freien Minute.“

„Was dich natürlich an den Rand der Verzweiflung treiben würde“, stichelte Temari.

Er zog es vor, nicht zu antworten, und legte das nächste Band ein. Diesmal fanden sie etwas zu Reis-Anji. Er und sein Team schlugen sich ebenfalls wacker durch etliche Bedrohungen, unter anderem Riesenskorpione. Sie brauchten recht lange, um eine zweite Schriftrolle zu ergattern, nur um festzustellen, dass es die falsche war. Dann brach auch auf diesen Bändern der Sturm los, und irgendwann war Anji vor dem Turm aufgetaucht, allein, mit zwei verschiedenen Schriftrollen. Was in der Zwischenzeit passiert war, versank unter tonnenweise Sand, aber laut ihm waren sie inmitten des Sturms auf die Blitz-Genin gestoßen, und selbst diese Naturgewalt hatte Drescher-Takki nicht daran gehindert, einem von Anjis Teamkollegen so gut wie jeden Knochen im Leib zu zertrümmern. Irgendwie hatten sie ihnen jedoch ihre Rollen gelassen.

Anjis Freunde hatten in einer Felshöhle Unterschlupf gesucht; er war, als der Älteste, zum Turm gelaufen. Dort hatte er seinen Sensei verständigt, der nach dem Sturm losgezogen war, um die anderen beiden zu suchen und den Verletzten zu versorgen. Seitdem waren sie nicht mehr aufgetaucht, also waren sie wohl ebenfalls nach Sunagakure zurückgegangen. Anji hatte die dritte Prüfung alleine bestreiten müssen.

Als sie noch weitere Videos zuende geschaut hatten, lehnte sich Shikamaru zurück, verschränkte die Arme im Nacken und seufzte ausgiebig. „Dieser Sturm nervt.“

„Offenbar hat sich dort noch so einiges abgespielt, während die Kameras tot waren“, stimmte ihm Temari zu.

„Das ist unser Problem.“ Er lehnte sich wieder nach vorn und betrachtete finster den Bildschirm. „Keine Ahnung, warum, aber ich habe das Gefühl, dass da draußen irgendwas passiert ist, was wir wissen sollten, um diesen Mordfall zu lösen.“

 

Es war kurz vor Mittag, als sie den Fernseher endgültig abschalteten. Shikamaru sehnte sich nach etwas, um seine Müdigkeit damit abzutöten. Der Turm hatte Vorräte für einige Tage, aber der Tee, den sie in Sunagakure brauten, hatte in etwa die Farbe von Sand und schmeckte auch so. „Ich kann nicht richtig denken, wenn ich müde bin“, beschwerte er sich, als er und Temari zur Kantine im ersten Stock gingen.

„Du bist ständig müde“, gab sie humorlos zurück.

In der zweiten Etage des Rundturms schlug ihnen – wieder einmal – Radau entgegen. Temari seufzte. „Können die nicht ein Mal ruhig sein?“

„Du musst sie verstehen. Ein Mord ist direkt vor ihrer Nase geschehen, außerhalb der Prüfungen, wo sie eigentlich auch mal abschalten müssten. Und sie sind noch unerfahrene Shinobi. Bis auf Rokken sind sie auch alle nicht von hier. Ich glaube, ich wäre da auch etwas überdreht.“

„Wie verständnisvoll du doch bist“, meinte sie spöttisch. „Dass du selbst mal überdreht sein könntest, ist mir neu.“

„War ja auch nur hypothetisch gemeint.“

„Klar.“

Wieder zerriss ein spitzer Schrei die paar Sekunden Ruhe, die eben herrschten, dicht gefolgt von einem erbosten, weiblichen: „Ich bring dich um!

Shikamaru und Temari warfen einander einen raschen Blick zu. Dann liefen sie gleichzeitig los.

Intervention/Interrogation

Sie mussten nur um die nächste Biegung laufen, um den Grund für den Radau zu erkennen. Im Flur standen Reis-Anji und Drescher-Takki. Der ältere Junge wich langsam zurück, eine ärgerliche Falte auf der Stirn, und hatte die Hände erhoben. Drescher-Takki wirkte außer sich. Ihr Gesicht war gerötet vor Zorn, und sie hatte die Fäuste geballt. Unter ihrem blonden Scheitel blitzten ihre Augen – mal wieder.

„Kannst du mir mal verraten, warum du so austickst?“, brachte Anji hervor, als sie ihm Zentimeter für Zentimeter langsam nachsetzte.

„Du hast hier gar nichts mehr zu melden!“, schrie sie ihn an. Ihre Schultern bebten. „Was fällt dir ein, über Iga-chan herzuziehen!“

„Wa–?“, keuchte Anji. „Ich ziehe über niemanden her! Du hast gesagt, dass er kein Quecksilber mehr übrig hat!“

„Das wird ihn trotzdem nicht daran hindern, mit Sasa-chan den Boden aufzuwischen! Du hast ja keine Ahnung, was er so alles draufhat! Er braucht sein Quecksilber gar nicht! Wir Shinobi aus Kumogakure sind viel besser als ihr Reisfresser!“

„Vor allem seid ihr viel arroganter“, stellte Anji säuerlich fest.

„Halt die Klappe!“, brüllte sie. „Wenn du noch ein Wort von dir gibst …“

„Was ist denn hier los?“, fragte Temari scharf. Shikamaru war froh, dass sie redete. Er war nicht der Typ, um bei solchen Sachen einzuschreiten, aber er hielt immerhin sein Schatten-Jutsu einsatzbereit.

„Nichts“, sagte Anji gedehnt, nachdem die beiden sich eine atemlose Sekunde lang angefunkelt hatten.

„Sah für mich aber anders aus. Auseinander“, befahl Temari und trat zwischen sie.

„Der Kerl soll einfach aufhören, Mist über andere Dörfer zu erzählen!“, sagte Takki lodernd.

„Dann darf sie aufhören, mir sämtliche Worte im Mund rumzudrehen. Ich hab überhaupt nichts gesagt“, erwiderte Anji, wesentlich ruhiger.

„Ihr hört beide auf“, sagte Temari bestimmt. „Wir gehen jetzt alle gemeinsam in die Kantine, ja? Es ist Mittag.“

„Und mit leerem Magen wird man schnell verstimmt“, ergänzte Shikamaru.

„Ich setz mich auf keinen Fall an einen Tisch mit dem“, fauchte Takki.

„Dann isst du eben woanders“, sagte Temari schnippisch, die langsam die Geduld zu verlieren drohte.

„Gute Idee. Mir macht es auch nichts aus, ihre Visage mal für längere Zeit nicht sehen zu müssen“, meinte Reis-Anji. Shikamaru hätte ihn eigentlich für vernünftiger gehalten. Takki kochte schon wieder.

„Da! Ihr habt’s gehört! Er tut es schon wieder! Was hängst du überhaupt noch hier rum? Du hast verloren! Ver-lo-ren! Warum gehst du nicht in die Wüste raus und stirbst? Deine Freunde warten sicher schon auf dich!“

Nun veränderte sich etwas in Anjis Blick. „Du kleine …“, knurrte er.

„Schluss jetzt! Ihr benehmt euch wie kleine Kinder!“ Temari hatte mittlerweile die Arme ausgestreckt, um sie auf Distanz zu halten. Takki funkelte zu Anji hoch, der fast einen Kopf größer war als sie, und er wiederum starrte nicht minder finster zurück.

„Shinobi sollten sich besser beherrschen können“, sagte Shikamaru.

„Wie schön. Das bedeutet doch nur, dass sie kein Shinobi ist“, sagte Anji kalt. „Ich frage mich sowieso, wer sie zu dieser Prüfung zugelassen hat. Offenbar gibt es keine vernünftigen Teilnehmer, die Kumogakure sonst schicken könnte. Traurig.“

Takki starrte ihn an, als hätte er ihr einen Schlag versetzt. Dass er ihre Heimat erwähnte, schien etwas in ihr zum Explodieren zu bringen. „Du verdammter Scheißkerl! Wenn du noch einmal, noch ein einziges Mal mein Heimatdorf beleidigst, prügel ich dich windelweich!“

„Das ist jetzt …“, begann Temari, doch Anji schob sie plötzlich energisch aus dem Weg, als wäre sie ein störendes Möbelstück.

„Du meinst, so wie Gotenmaru? Hat dir das Spaß gemacht, ja? Er war schon am Boden, als du noch auf ihn eingeschlagen hast! Verdammt, du bist krank!“ Auf Anjis Gesicht schienen sich Gewitterwolken zu tummeln, und auch seine Stimme grollte wie ferner Donner.

„Vielleicht haltet ihr Reisfresser einfach nichts aus?“, ätzte Takki und blies sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht.

„Jetzt reicht‘s!“ Er war mit einem einzigen Schritt bei ihr und riss sie am Kragen in die Höhe. „Jemand sollte dir kleinen Missgeburt mal das Maul stopfen!“

„Lass mich los, du Spinner!“ Takki schlug um sich, aber Anji sah ihre Faust kommen, duckte sich und stieß sie gleichzeitig von sich. Mit einem überraschten „Uff“ prallte sie gegen die Wand und rang um ihr Gleichgewicht. Anji fegte ihr mit einem raschen Tritt das Bein weg und sie ging mit einem ziemlich uneleganten Spagat zu Boden.

„Genug jetzt!“, rief nun auch Shikamaru.

„Was, was ist denn hier los?“ Mit weit ausholenden Schritten kam Nigishima-sensei den Gang entlang gehastet. Shikamaru wollte schon aufatmen, aber Drescher-Takki achtete gar nicht auf ihren Lehrer.

„Das hast du nicht umsonst getan“, zischte sie, und als sie sich in die Höhe stemmte, blitzte plötzlich ein Kunai in ihrer Hand.

„Shikamaru!“, rief Temari.

„Sofort.“ Er formte das Fingerzeichen für sein Jutsu. Sein Schatten wurde zu einer schwarzen Schlange und verband sich mit ihrem, gerade als sie sich auf Anji stürzen wollte. Takki fror mitten in der Bewegung ein, verdutzt – und dann machte es plötzlich Poff, und aus dem Kunai in ihrer Hand wurde … ein zusammengefaltetes Spielbrett aus Pappe.

„Takki! Hast du den Verstand verloren?“, rief Nigishima und blieb neben seiner Schülerin stehen.

Shikamaru, der die Gefahr verraucht wähnte, löste sein Jutsu auf – gerade noch rechtzeitig, denn Nigishima verpasste Takki eine schallende Ohrfeige. Wäre Shikamaru ein wenig langsamer gewesen, hätte er sie auch abbekommen.

„Bist du von allen guten Geistern verlassen? Das ist nicht die Arena!“, rief Nigishima. Irgendwie klang er verzweifelt … fast weinerlich. Er wirkte nicht zornig, sondern eher traurig. „Wenn du dich mit anderen Leuten schlagen wolltest, hättest du deinen Kampf gewinnen müssen! Wir stecken hier in einem Sandsturm fest, verstehst du? Du kannst hier gegen niemanden kämpfen! Wir müssen alle zusammenhalten, ein Mörder läuft hier frei herum!“ Sein Stottern hatte sich gänzlich gelegt.

„Ich weiß das!“, fauchte Takki ihn an. Ihre Wange färbte sich langsam rot. „Dieser Kerl hat unser Dorf beleidigt! Er hat gemeint, Iga-chan würde den Finalkampf nicht gewinnen!“

„Dann liegt es an Igawa-kun, Anji-kun das Gegenteil zu beweisen“, sagte Nigishima ungewohnt einfühlsam und hielt ihr die Hand hin. „Komm. Gehen wir erst mal was, was essen, ja?“

Sie starrte ihn mit zusammengebissenen Zähnen an, dann trat sie ihrem Sensei kräftig auf den Fuß, sodass er aufjaulte und auf einem Bein herumhopste. Trotzig wandte sie sich zum Gehen, rief dann aber noch über die Schulter hinweg Reis-Anji zu: „Du wirst es schon noch sehen! Iga-chan wird gewinnen, und selbst wenn nicht, wir werden beide Chunin, und du kannst als Genin alt werden!“

„Das mit dem Chunin wird bei dir nichts werden, wenn du dein Temperament nicht in den Griff bekommst“, konnte sich Temari offenbar nicht verkneifen, obwohl Shikamaru betete, dass die Streitereien endlich ein Ende haben mochten.

Takki starrte sie hasserfüllt an. „Ach verdammt, lasst mich doch alle in Frieden!“ Sie stampfte wütend auf und lief dann davon in Richtung ihres Zimmers.

„Du hast dich auch nicht gerade erwachsen gegeben, Anji-kun“, sagte Shikamaru schließlich. „Ich hätte dich für vernünftiger gehalten.“

„Tut mir leid“, murmelte er geknickt. „Es ist nur … Mein Freund, sie hat …“

Shikamaru nickte anteilnehmend und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Gehen wir erst mal in die Kantine. Du darfst mir später alles über ihn erzählen, ja?“ Vielleicht ist er der Mörder, ging ihm durch den Kopf. Er beschloss, dass Reis-Anji bei der Gelegenheit der erste der Genin sein würde, den er wegen dem Mordfall befragte.

 

Drescher-Takki tauchte nicht zum Mittagessen auf. Nigishima-sensei schien darüber so besorgt, dass er den anderen Erwachsenen wiederholt auf die Nerven fiel, indem er fragte, ob der Mörder auch wirklich hier in der Kantine sein müsse. Diese Frage trug nicht unbedingt zur Hebung der allgemeinen Stimmung bei. Sie hatten dieses Mal die Tische zusammengeschoben, um alle auf einem Fleck zu sitzen. Anji saß dennoch wieder so weit abseits wie möglich.

Um Nigishima auf andere Gedanken zu bringen – und weil es ihn auch interessierte –, fragte Shikamaru: „War das Ihr Jutsu? Das mit dem Spielbrett.“

„Was? Welches?“

„Das mit dem Spielbrett“, wiederholte Shikamaru. „Takki hatte statt ihrem Kunai plötzlich ein gefaltetes Pappding in der Hand, auf dem Felder gemalt waren. Außer Ihnen war sonst keiner in der Nähe, der das getan haben könnte. Es war dieses Spiel, von dem Sie heute Morgen erzählt haben, richtig?“

„Du, du bist wirklich ein schlaues Bürschchen“, lachte Nigishima. „Ja, das war es. Darum nennt man mich den, den Weißen Blitz! Weil ich blitzschnell … meine Schülerin entwaffnen kann.“ Er lachte noch lauter.

„Nicht nur das, oder?“, schaltete sich Temari ein. „Man sagt, Sie haben ein Tauschjutsu perfektioniert und können beliebige unbewegliche Objekte tauschen, nicht nur sich selbst mit einem Baumstamm, zum Beispiel.“

„Das wäre toll, aber ganz so einfach ist es nicht“, wehrte er ab und kratzte sich verlegen den Hinterkopf. „Ich, ich muss diese Objekte vorher mit meinem Chakra bestrichen haben. Durch eine Berührung, zum Beispiel. Bei Takkis Ausrüstungsgegenständen mache ich das immer – ich, ich weiß ja, wie schnell sie die Geduld verliert. Das Spiel wird auch mit, mit Chakra gespielt. Und auf die Schnelle ist mir nichts anderes eingefallen.“

„Gab es Probleme?“, fragte Gaara plötzlich, und sowohl Nigishima und Anji als auch Temari und Shikamaru zuckten zusammen. Letztere beratschlagten sich mit Blicken.

„Nichts Wichtiges“, wiegelte Temari ab.

„Eine Person fehlt“, stellte Gaara ruhig fest und legte seine Stäbchen zur Seite.

„Takki hat sich den Magen verdorben“, behauptete Nigishima. „Wahrscheinlich“, fügte er unter Gaaras forschendem Blick hinzu.

„Ich möchte, dass niemand vergisst, dass momentan ein Mörder unter uns ist“, sagte Gaara, nun für alle hörbar, und das Schmatzen und leise Geplauder verstummte augenblicklich. „Was Temari beim Frühstück gesagt hat, gilt auch weiterhin. Jeder soll sich für Befragungen zur Verfügung halten. Weiters bitte ich die Genin, auf ihren Zimmern zu bleiben und sich ruhig zu verhalten.“ Es war keine Bitte, sondern ein Befehl, eindeutig. Gaara schien zumindest zu ahnen, was geschehen war.

„Sagen Sie, stimmt das, was Dre… was Takki-san über Igawa-kun gesagt hat?“, fragte Shikamaru. Er sprach leise, da sämtliche Gespräche nach Gaaras Worten an Lautstärke verloren hatten.

„Was, was hat sie denn gesagt?“

„Dass Igawa-kun kein Quecksilber mehr hat.“ In den Datenblättern über die Blitz-Ninjas – die voll waren von Informationen, die die Prüfer während der Prüfung sammelten, was wiederum ihren jeweiligen Heimatdörfern zugutekam – war bereits vermerkt, dass sich sein Quecksilber nach der Benützung verflüchtigte.

„Oh, das.“ Nigishima warf einen verstohlenen Blick zu Sasaro hinüber, der mit Kyoko sprach, und senkte die Stimme zu einem Flüstern. „Er hat es tatsächlich aufgebraucht. Igawa kann Quecksilber fast wie ein, ein eigenes Element kontrollieren, wisst ihr? Er ist daher mindestens so genial wie dieser Felsenschieber.“

Irgendwie hatte Shikamaru das Gefühl, als wollten alle Ninjas aus dem Reich der Blitze ständig beweisen, wie würdig ihre Genin doch für den Chunin-Rang waren. Immerhin schien Nigishima willens, freigiebig die Fähigkeiten seiner Schützlinge auszuplaudern.

„Igawa kann es ähnlich steuern wie, hm, ein Wasserninja das, das Wasser, aber irgendwie dürfte dieses Kekkei Genkai eine Macke haben. Vielleicht eine chemische Eigenschaft von dem Zeug, oder es ist einfach nachtragend.“ Nigishima lachte unglücklich. „Jedenfalls löst sich, wenn er aufhört, es zu manipulieren, das Quecksilber in, in Dampf auf. Den ich übrigens nicht einatmen würde, nur so als, als Randbemerkung. Selbst nach dem Ende seines Jutsus ist Igawa noch gefährlich, versteht ihr?“

„Ja, ich verstehe“, murmelte Shikamaru, damit der Weiße Blitz Ruhe gab. „Wir werden es berücksichtigen, wenn wir die Empfehlungen an den Raikage schreiben.“

„Oh, danke.“ Nigishima lächelte gewinnend.

„Und Takki? Was beherrscht sie sonst noch für Jutsus, außer ihrem berüchtigten Taijutsu?“

„Das, das Übliche. Tauschen, Doppelgänger. Sie versucht sich neuerdings in Verwirrungstaktiken, um näher an ihre Gegner heranzukommen.“

„Also Genjutsu?“, fragte Temari.

„I wo!“, winkte er ab und klang plötzlich mächtig stolz. „Alles basierend auf, auf Tausch-Jutsus. Ich glaube, sie eifert mir da ein wenig nach.“

„Wie schon gesagt, glaube ich nicht, dass sie bereits das Zeug zum Chunin hat“, sagte Temari geradeheraus.

Nigishima-sensei lächelte gequält. „Ich weiß, ich weiß. Ich setze meine Hoffnungen auf Igawa.“

Shikamaru sah zu jenem hinüber. Er hatte ein unschuldiges Gesicht, fiel ihm auf. Als könnte er keiner Fliege etwas zuleidetun. Einzig die Narbe auf seiner Wange störte dieses Bild. Er trug heute andere Kleidung als gestern, aber selbst die wirkte schäbig. Vermutlich würde ihn niemand, der ihn nicht kannte, für den Finalisten der Chunin-Prüfung halten. Wären die Befragungen, die sie quasi als Nachtisch durchführen würden, nicht eine lästige Pflicht, wäre er vielleicht schon darauf gespannt gewesen.

 

Wieder einmal versammelten sich die Erwachsenen erst mal im Büro. „Shikamaru und Temari haben die Erlaubnis, alle Anwesenden zu befragen“, legte Gaara fest.

„Zu befragen oder zu verhören?“, fragte Iwamoto-sensei herausfordernd.

„Je nachdem, wie sie das sehen“, antwortete der Kazekage, ließ aber offen, ob er damit die Verdächtigen oder die Ermittelnden meinte.

„Fangen wir gleich mal an – wir werden ja schnell damit fertig sein“, sagte Shikamaru. „Nur fürs Protokoll: Der Mord geschah irgendwann nach Mitternacht. Wo war nochmal jeder von uns zur fraglichen Zeit? Temari und ich waren wohl schon wieder in unseren Zimmern. Gaara war noch wach und hat gearbeitet. Nigishima-sensei hat bis nach drei Uhr mit seinem Schüler ein Spiel gespielt, ja?“

„Genau.“

Shikamaru würde Igawa dazu noch befragen müssen. Ihn interessierte brennend, was das für ein Spiel war, das mit Chakra funktionierte. „Konoe-san hat geschlafen. Iwamoto-sensei war gezwungenermaßen wach, hat aber nur ein Klopfen gehört. Das heißt, im Grunde haben nur zwei von uns ein Alibi: Nigishima-sensei, wenn seine Schüler seine Aussage bestätigen, und Iwamoto-sensei, die unmöglich die Täterin sein kann, weil die Leiche ihre Tür blockiert hat.“

„Ich würde einem Alibi, das ihm seine Schüler geben, nicht trauen“, sagte Iwamoto.

Shikamaru seufzte. Irgendwie waren sie hier alle ständig nur am Streiten. „Wir werden sehen. Als Nächstes wollen wir die Genin befragen. Konoe-san, hast du etwas Neues herausgefunden?“

„Leider nein.“ Die rothaarige Kunoichi schüttelte bedauernd den Kopf. „Ich konnte den Todeszeitpunkt auf etwa ein Uhr bis halb zwei eingrenzen, aber das hilft uns nicht weiter. Manjo hatte Alkohol im Blut, als er getötet wurde. Weder auf der Leiche noch auf der Sake-Flasche gibt es verdächtige Fingerabdrücke.“ Konoe hatte Shikamaru und Temari erzählt, dass sie am Vormittag Takkis Abdrücke genommen hatte. Sie hatte die Flasche tatsächlich angefasst, aber eben nur die Flasche. „Der Mörder hat Manjo einfach durch einen Chakrastoß getötet, ohne ihn zu berühren, und vermutlich sogar ohne Blutspritzer abzubekommen. Das ganze Blut muss an seinem Rücken hinausgedrückt worden sein.“

Gaara nickte. „Der Rest liegt an euch“, sagte er zu Temari und Shikamaru. „Wir werden die Leiche wegschließen. Ich will nicht, dass irgendjemand daran herumhantiert. Möglicherweise können wir, wenn der Sturm vorbei ist, noch eine umfassendere Untersuchung mit mehr medizinischem Material durchführen.“

„Bis der Sturm vorbei ist, könnte die Leiche schon halb verwest sein“, gab Temari ungerührt zu bedenken.

„Wir haben keine andere Möglichkeit. Ich halte auch nichts davon, den Todeszeitpunkt durch ein Konservierungsjutsu zu verschleiern.“

Gesagt, getan. Am Ende des Ganges lag eine leerstehende Kammer, die gerade groß genug war, um Manjos Leiche darin zu drapieren. Sie war ziemlich abgelegen und besaß außerdem eine Tür mit einem recht modernen Schloss. Da Konoe noch im Untersuchungszimmer aufräumte, Temari und Shikamaru beide keine große Lust hatten, die Leiche durch das halbe Stockwerk zu tragen und Gaara dies selbstverständlich auch nicht tat, bot sich Nigishima-sensei an, Iwamoto-sensei zu helfen. Die sah ihn natürlich finster an, sagte aber nichts dagegen. Zu zweit schleppten sie die sterblichen Überreste von Macho-Manjo auf einer Bahre in die Kammer, die Shikamaru jetzt wie ein Grab vorkam. Sie legten ihn dort auf den Boden und bedeckten sein Gesicht mit einem Tuch.

Gaara selbst schloss ab. Konoe stieß schließlich zu ihnen, und er bat sie, den Raum zur Sicherheit zu versiegeln. „Damit niemand auf dumme Gedanken kommt“, sagte er. Shikamaru dachte sofort an eine gewisse, unberechenbare Jung-Kunoichi.

Also klebte Konoe eine Siegel-Banderole an die Tür und versetzte sie mit ihrem Chakra, sodass sie jedem einen elektrischen Schlag verpassen würde, der versuchte, die Tür zu öffnen. Nun konnte nur noch Konoe selbst in den Raum gehen – Gaara schien ihr in der Hinsicht zu vertrauen. Shikamaru kannte sie noch nicht wirklich gut und war etwas skeptisch, aber gerade als ihm dieser Gedanke gekommen war, reichte Gaara ihm den Schlüssel. „Jetzt brauchen wir euch beide, um in den Raum zu kommen. Zwei Ninjas aus zwei verschiedenen Ländern. Wir können also sicher sein, dass niemand Manjo-sans Ruhe stört, bis wir ihn wieder abholen.“

Shikamaru steckte den Schlüssel ein. Die ganze Aktion kam ihm mit einem Mal ziemlich feierlich vor. „Es scheint dir wichtig zu sein, dass er seine Ruhe hat.“

„Neidisch?“, neckte ihn Temari.

„Es ist schlimm genug, dass ein Ninja aus dem Dorf, für das ich verantwortlich bin, ermordet wurde“, sagte Gaara ernst. „Jemand scheint schon mit anderen Beweismitteln Schindluder getrieben zu haben. Ich will nicht, dass dasselbe mit Manjos Leiche geschieht.“

Er hatte es also herausgefunden.

Die Jonin-Gesellschaft löste sich auf und Temari und Shikamaru konnten sich endlich daran machen, die Genin genauer unter die Lupe zu nehmen.

 

Im Wüstenturm gab es Dutzende ungenutzter Räume. Sie wählten ein kleines Büro, das dank einiger Schränke und Regale etwas behaglicher eingerichtet war als der Rest des Turms. „Vielleicht sollten wir die Stühle so hinstellen“, meinte Temari und richtete die rohen Holzmöbel an zwei sich berührenden Kanten des Tisches aus.

„Damit wir den Genin nicht gegenübersitzen?“

„So sieht es weniger wie ein Verhör aus, oder?“

Shikamaru zuckte mit den Schultern. „Na schön.“ Sie machten ihre Dokumente bereit, dann ging Shikamaru los, um Reis-Anji zu holen.

Zum ersten Mal, wie ihm schien, war die zweite Etage nicht in Aufruhr. Anji lehnte im Flur an seiner Zimmertür und schien ihn schon erwartet zu haben. „Werde ich jetzt vernommen?“, fragte er.

„Wir stellen jedem hier im Turm ein paar Fragen. Genau genommen musst du uns nicht mal antworten, aber vermutlich ist es für alle besser, wenn du es tust“, erwiderte Shikamaru. Anji folgte ihm ohne Widerworte in den Gesprächsraum, wie er und Temari das Büro getauft hatten.

„Also. Was wollen Sie wissen?“, fragte Reis-Anji, als sie Platz genommen hatten.

„Verschiedenes. Kanntest du das Opfer, Manjo-san?“

„Kann man eigentlich nicht sagen.“

„Wusstest du“, fragte Temari, etwas schärfer, „dass Manjo mal in deiner Heimat randaliert hat?“

Anji zuckte mit den Schultern. „Jeder im Land der Reisfelder hat wohl davon gehört. Es gab ja einen ziemlichen Skandal. Und Entschädigungszahlungen vom Reich der Winde.“ Er verzog die Lippen. „Was ich, ehrlich gesagt, lächerlich finde.“

Temari schien ob dieser Aussage nicht gerade erbaut, aber Shikamaru sagte: „Kann ich nachvollziehen. Du verstehst, dass du wegen dieser Sache auf der Liste der Verdächtigen nicht gerade ganz unten stehst?“

Reis-Anji schnaubte. „Klar. Klasse Typ, dieser Manjo. Selbst nach seinem Tod schafft er es, den Reisfeld-Ninjas eins auszuwischen. Wenn jetzt die nächste Frage ist, was ich in der Nacht getan habe: Ich habe geschlafen. Ich kenne hier niemanden und will auch niemanden kennen lernen, also hatte ich nichts zu tun. Ich bin früh schlafen gegangen und dann aufgewacht, kurz bevor wir uns am Morgen begegnet sind.“ Er nickte Shikamaru zu. „Zwischendurch hab ich mein Zimmer nicht verlassen.“

„Okay, das nehmen wir mal zu Protokoll“, erwiderte dieser und machte sich Notizen. Kurz überflog er die Daten, die die Prüfer über Anji gesammelt hatten. Er schien eine vernünftige Mischung aus Tai- und Ninjutsu zu beherrschen und war außerdem ein kluger Kopf. Besondere Fähigkeiten wie ein Element oder ein Kekkei Genkai konnten in seinen bisherigen Kämpfen nicht festgestellt werden. Shikamaru ging durch den Kopf, dass ein verkleideter Jonin so etwas wohl auch nicht einsetzen würde. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein unscheinbarer Genin der Täter war, war vielleicht höher, als wenn dieser Genin unglaubliche Tricks beherrschte wie Rokken oder Igawa. Sofern der Mörder in einem ähnlichen Schema dachte wie Shikamaru.

„Wie war das, als der Sandsturm während der zweiten Prüfung begonnen hat?“, fragte er. „Ihr hattet da erst eine Schriftrolle. Im Sturm habt ihr eine zweite gefunden, gegen das Blitz-Team gekämpft, und du bist dann allein zum Turm gekommen?“

„Genau. Wir haben ein zweites Team aus dem Reich der Reisfelder getroffen. Sie hatten beschlossen aufzugeben, wegen des Sturms, und haben uns ihre Rolle gegeben.“ Anji verzog das Gesicht. „Ich schätze, es ist klar, dass ich das nicht an die große Glocke hängen wollte? Aber mittlerweile bin ich aus der Prüfung ausgeschieden, also ist es egal.“

Shikamaru ersparte es sich, wieder einmal einem Genin zu erklären, dass man nicht automatisch disqualifiziert wurde, nur weil man seinen Kampf verloren hatte. „Warum haben die Blitz-Ninjas euch die Rollen nicht abgenommen?“

„Weil sie schon zwei hatten. Takki und ihr anderer Kamerad wollten einfach nochmal kämpfen.“

Obwohl es gestürmt hat?“, fragte Temari verblüfft.

„Ich sag’s ja immer wieder, dass die Kleine nicht alle Tassen im Schrank hat“, brummte Anji. „Sie hat Gotenmaru – meinen Freund – übel zugerichtet. Wir haben es immerhin geschafft, den dritten in ihrem Team zu verletzen. Dann ist der Sturm immer schlimmer geworden, und wir sind alle in eine andere Richtung gelaufen und haben uns aus den Augen verloren. Ich hab sie erst wieder im Turm gesehen.“

„Und deine Kameraden haben sich in einer Felshöhle versteckt, ja?“

„Wir wollten Gotenmaru nicht allein zurücklassen. Ich schätze, unser Sensei hat die beiden zurück nach Suna gebracht … Er war ohnehin der Meinung, dass wir keine Chance bei der dritten Prüfung haben. Ninjas aus dem Reich der Reisfelder bestehen selten gegen die aus den größeren Reichen, sagt er.“

„Sehr ermutigend“, stellte Shikamaru fest. „Zurück zu unserem Mordfall. Hast du sonst irgendwas gehört oder gesehen? Oder weißt du etwas, was wir wissen sollten? Vielleicht von den anderen Genin?“

„Kann mir nicht vorstellen, was. Und viel hab ich mit denen, wie gesagt, nicht zu tun.“

„Mit Drescher-Takki hattest du heute einen ordentlichen Streit“, erinnerte ihn Temari.

„Jaja, ich weiß.“ Nur daran zu denken, schien ihm sauer aufzustoßen. „Wir sind einander zufällig auf den Gängen über den Weg gelaufen. Sie hat einfach zu reden begonnen und vom Finalkampf geschwärmt, hat dann aber gemeint, dass dieser Igawa kein Quecksilber mehr hat. Ich hab nur darauf geantwortet, und aus meinem Mund war das wohl gleich eine Beleidigung.“

Shikamaru nickte und kritzelte sich weiter Notizen. „Okay, du kannst gehen. Falls wir noch was brauchen, fragen wir dich.“

„Gern.“ Anji stand auf und sah aus dem schmalen Fenster. Immer noch tobte der Sturm. „Bei dem Wetter wird einem sowieso schnell langweilig.“

 

Dieselbe Geschichte hörten sie etwas anders, als sie Takki befragten. „Er hat einfach so behauptet, Iga-chan hätte keine Chance im Finale! Dabei haben wir ihm gezeigt, wie gut wir sind!“

„Ist das ein Grund, so auszurasten?“, fragte Temari ruhig.

„Und ob! Ich kenne Typen wie diesen Anji! Selbst nichts drauf haben, aber die Ninjas anderer Dörfer in den Schmutz ziehen!“ Ihre Augen glühten schon wieder. „Der wird’s schon noch sehen! Mindestens Iga-chan wird ein Chunin! Wir haben hart für diese Prüfung trainiert, wir werden unser Dorf sicher nicht enttäuschen!“

„Wird denn von euch erwartet, dass ihr Chunin werdet?“ Dann wäre es das genaue Gegenteil von Anjis Situation.

„Klar! Warum sollten wir hier sonst überhaupt mitmachen? Der Raikage wählt die Besten unter den Genin aus, und die dürfen die Ehre des Dorfes verteidigen!“

Shikamaru hatte das Gefühl, dass diese Obsession mit der Chunin-Ernennung von einem enormen Druck herrührte, der den Genin gemacht wurde. Er kannte den Raikage flüchtig und erinnerte sich, dass er selbst relativ hitzköpfig war. Ob er die Jüngsten des Dorfes wirklich derart unter Druck setzte, war schwer zu beurteilen, aber es reichte, wenn ihre Lehrer an der Akademie, ihre Senseis oder andere wichtige Shinobi aus Kumogakure das taten.

„Ihr habt im Sandsturm ja nicht nur gegen Anji und sein Team gekämpft, sondern auch gegen Sasaro, Kyoko und ihre Kameradin“, sagte Temari. „Wie ist dieser Kampf verlaufen?“

„Hm“, meinte Takki nur schnippisch. „Wir haben sie ordentlich durch die Mangel gedreht. Die sind solche Angeber! Haben mit ihren sechs Schriftrollen geprotzt! Iga-chan und ich haben ihnen die Hölle heiß gemacht, dann sind sie bald darauf abgehauen.“

„Und wie habt ihr ihnen die Hölle heiß gemacht?“, wollte Shikamaru wissen.

„Ihr habt doch sowieso alles überwacht, oder nicht?“

„Nur, was vor dem Sturm geschah“, sagte Temari.

Takki zuckte mit den Schultern. „Selber schuld. Ta-chan – der Dritte in unserem Team – und ich haben diese olle Kunoichi von denen zu zweit angegriffen. Iga-chan hat uns derweil Sasa-chan und diese Kyoko vom Hals gehalten, dann ist Ta-chan ihm helfen gegangen. Ich hab nicht wirklich auf die anderen geachtet, aber diese Kunoichi hatte keine Chance gegen mich.“

Also war Drescher-Takki für das Ausscheiden beider Genin verantwortlich, die nach der Prüfung in der Wüste nicht mehr in der Lage gewesen waren, zur dritten Prüfung anzutreten. So hatte sich Shikamaru das vorgestellt. „Aber ihr habt nicht zuende gekämpft?“

Takki schnaubte. „Leider. Iga-chan hat irgendwann gemeint, wir müssten jetzt einen Unterschlupf suchen. Dann sind wir losgerannt. Ein paar Minuten haben wir uns wo untergestellt, dann war der Sturm nicht mehr so schlimm, und wir sind weiter zum Turm gezogen. Dabei haben wir uns dann noch eben mit dem Reisfresser-Team gekloppt.“

„So viel also dazu“, seufzte Shikamaru. Wieder nichts Brauchbares. „Kanntest du das Mordopfer?“

„Nein, leider.“

„Wieso leider?“

„Weil er verdammt gut aussah!“, grinste das Mädchen.

Temari lehnte sich angespannt zurück. „Sag mal, Takki-san … Manjo hat sich nicht zufällig an dich rangemacht?“

Der verblüffte Ausdruck in ihren Augen war sicher nicht gespielt. „Hä? Sollte er?“

„Er hatte einen gewissen … Ruf“, meinte Shikamaru ausweichend. „Er hat also nicht zufällig nachts bei dir geklopft oder dir Sake angeboten oder auch nur mit dir geredet?“ Shikamaru kam sich fast ein wenig lächerlich vor. Immerhin war Manjo sicher zehn Jahre älter als sie gewesen. Aber er erinnerte sich in dem Moment, dass Manjo sie als Erstes für eine Chunin-Empfehlung vorgeschlagen hatte.

Takki grinste. „Nö, nichts von alledem. Ihr könnt ja Iga-chan fragen. Wir teilen uns ja das Zimmer.“

„Wir wissen, dass Igawa-kun in Nigishima-senseis Zimmer war, als der Mord geschah. Wo warst du?“

„Ich schätze, ich habe da schon geschlafen.“

„Aber beweisen kann das niemand“, sagte Temari.

„Sasa-chan könnte euch erzählen, dass wir uns vor meiner Tür verabschiedet haben, wenn das reicht.“

„Sind Sasaro-kun und du gleich in eure Zimmer gegangen, nachdem wir beide euch am Gang erwischt haben?“

„Sozusagen.“

„Sozusagen heißt nicht Ja.“

„Bei mir heißt es das“, sagte Takki trotzig.

„Na schön. Und du bist dann in deinem Zimmer geblieben, bis die Leiche entdeckt wurde?“

„Ja. Iga-chan ist irgendwann zurückgekommen und auch schlafen gegangen. Ich glaube, er war danach auch nicht mehr draußen. Höchstens auf der Toilette. Ich hab ihn ja nicht ständig überwacht.“

Shikamaru wünschte sich, er hätte gestern Abend auch solche Siegel, wie Konoe sie auf der Tür zum Raum mit der Leiche angebracht hatte, an die Zimmertüren der Genin kleben können. Dann wären einige Alibis heute zweifelsfrei bewiesen gewesen. „Danke“, sagte er und machte sich eine letzte Notiz. „Du kannst uns jetzt Igawa-kun reinschicken.“

 

Igawa wusste weniger zu erzählen als seine Teamkameradin, aber es war im Prinzip dasselbe. Er war nach dem Abendessen in sein Zimmer gegangen und hatte ein Buch gelesen. Gegen zehn Uhr war sein Sensei gekommen und hatte ihm vorgeschlagen, dieses Brettspiel zu spielen, welches sie bis kurz nach drei in dessen Zimmer gefesselt hatte.

„Was ist das überhaupt für ein Spiel“, fragte Shikamaru. „Es funktioniert mit Chakra, oder?“

„Genau“, sagte der dunkelhäutige Junge. „Man leitet sein Chakra in den Karton und bewegt damit die Drehscheiben, die dann anzeigen, wie viele Felder man fahren darf. Es ist wichtig, dass man genau so viel Chakra benutzt, wie man benötigt, um die Figuren richtig zu positionieren.“

„Interessant. Also hilft es einem dabei, den Chakrafluss besser zu kontrollieren?“

„Das …“ Igawa biss sich plötzlich auf die Lippe. „Das auch, ja, unter anderem.“

„Du scheinst darüber nicht glücklich zu sein“, stellte Temari fest.

„Naja …“ Er lachte nervös. „Nigishima-sensei hat erzählt, dass der Mörder gute Chakra-Kontrolle hat … Ich mache mich verdächtig, indem ich dieses Spiel spiele.“

„Das ist nicht gesagt“, beruhigte ihn Shikamaru. „Oder hast du ein Motiv? Kanntest du Manjo-san?“

Igawa schüttelte heftig den Kopf. „Ich habe auch kein einziges Wort mit ihm geredet.“

„Wie sieht es mit deinem Quecksilber aus?“, wechselte Temari das Thema. „Stimmt es, dass du keines mehr hast?“

„Woher … wissen Sie das?“, fragte Igawa, unangenehm überrascht.

„Von Takki-san und Nigishima-san.“

Er biss die Zähne zusammen. Auch diese Entwicklung schien ihm nicht zu passen. „Dann kann ich es wohl nicht leugnen. Aber ich hab den Mord nicht begangen, ich schwör’s!“

„Was hat das damit zu tun?“, fragte Temari stirnrunzelnd.

„Naja, ich habe doch damit ein Motiv“, sagte Igawa.

Shikamaru war verblüfft. „Erklär uns das.“

Igawa sah äußerst unglücklich aus und schwieg.

„Okay, jetzt verstehe ich“, seufzte Shikamaru. „Du bist ein schlauer Kopf, Igawa-kun.“

„Klärt mich mal auf, bitte“, verlangte Temari. „Oder feiert ihr gerade eine stillschweigende Verbrüderung?“

„Igawa-kuns Kekkei Genkai benötigt Quecksilber. Wenn er es benutzt hat, verdampft es. Er hat alles davon beim Kampf gegen Rokken verbraucht. Für den Finalkampf müsste er seinen Vorrat aufstocken, könnte man sagen.“

Igawa nickte. „Uns Quecksilber aus Kumogakure liefern zu lassen, würde auf jeden Fall zu lange dauern, aber vielleicht könnten wir in Sunagakure auch welches auftreiben.“

„Aber wegen dem Sturm sitzen Igawa-kun und Nigishima-sensei hier fest, und somit muss er ohne seine Trumpfkarte gegen Sasaro antreten. Aber wenn plötzlich etwas passiert, das den Finalkampf verzögert, bis der Sturm zum Erliegen kommt …“ Shikamaru sprach nicht weiter, als Temaris Miene sich aufhellte.

„Ah, ich verstehe. Darum wäre es besser gewesen, wenn niemand erfährt, dass sein Quecksilber alle ist.“

„Nur weil Takki-chan und Nigishima-sensei nicht zwei und zwei zusammenzählen können“, brummte Igawa.

„Keine Sorge“, beschwichtigte Shikamaru ihn. „Das reicht noch lange nicht als Grund aus. Trotzdem würde mich interessieren, warum du nicht mehr Quecksilber dabei hattest, als du zur Prüfung angetreten bist.“

„Was soll ich sagen – ich habe eben unterschätzt, wie viel ich brauchen werde.“ Igawa zuckte die Achseln.

„Hast du schon einen Plan, wie du gegen Sasaro-kun gewinnen willst?“, fragte Temari.

„Keinen konkreten. Ich hab mir ein paar Dinge überlegt, aber …“

„Aber?“

„Wenn die Ermittlungen noch länger dauern, wäre mir das eigentlich ganz recht“, sagte er grimmig.

„Also mir dafür nicht“, brummte Shikamaru. „Wie war das in der Wüste? Ihr habt gegen die Teams von Sasaro-kun und Anji-kun gekämpft?“

„Genau. Da hab ich auch das meiste von meinem Quecksilber verbraucht.“

„Gab es sonst irgendetwas … Ungewöhnliches während der Kämpfe? Takki meint, sie habe sich nur auf sich selbst konzentriert.“

Igawa legte die Stirn in Falten. „Mir ist nichts aufgefallen. Es waren harte Kämpfe, dazu noch im Sturm … aber ich wüsste nicht, was da aus dem Rahmen gefallen sein sollte.“

Shikamaru und Temari beratschlagten sich mit Blicken. „Gut, soweit wäre das alles. Danke, Igawa-kun“, sagte sie.

Igawa stand auf und verbeugte sich. „Wenn ich sonst irgendwie helfen kann, sagen Sie Bescheid. Wissen Sie, ich interessiere mich für so etwas.“

„Was meinst du?“, fragte Shikamaru.

„Naja … so etwas. Nicht unbedingt Morde, aber Rätsel. Intellektuelle Herausforderungen. Ich finde, das gehört zum Ninja-Dasein dazu. Ich würde gern … bei den Ermittlungen helfen, wenn das …“

„Tut mir leid“, sagte Temari sofort, „aber der Kazekage hat nur uns beide damit beauftragt.“

„Wenn dir irgendwas Wichtiges auffällt, kannst du es uns natürlich gern sagen“, fühlte sich Shikamaru verpflichtet hinzuzufügen.

Igawa sah enttäuscht aus, verbeugte sich noch einmal und ging.

„Jetzt wollen uns schon die Verdächtigen helfen, den Mörder zu finden“, meinte Temari, als er draußen war. „Und ein Genin noch dazu.“

„Können wir denn beweisen, dass wir unverdächtig sind?“, fragte Shikamaru unschuldig.

„Witzbold. Ich weiß, dass ich es nicht war, und ich weiß, dass du zu faul dazu wärst.“

Es pochte laut an die Tür. „Herein?“, sagte Shikamaru.

Eigentlich wäre Sasaro der Nächste gewesen, doch Nigishima-sensei war es, der mit grimmiger Miene in den Gesprächsraum trat.

„Was können wir für Sie tun?“, fragte Shikamaru erschöpft. „Keine Sorge, noch verdächtigen wir keinen Ihrer Schüler.“

„Das, das freut mich. Aber ich bin wegen etwas, etwas anderem hier.“ Der Blitz-Ninja stand seltsam steif da, als wäre es eine höchst formelle Angelegenheit. „Sie beide sind ja sozusagen die, die Detektive hier.“

„Haben Sie etwas entdeckt, das wir wissen sollten?“

„Ich habe ein, ein Anliegen. Ich vermisse etwas. Etwas aus meiner persönlichen Ausrüstung. Ich dachte, ich komme damit gleich zu, zu Ihnen. Anscheinend gibt es nicht nur einen, einen Mörder, sondern …“, Nigishima zögerte, „auch einen Dieb unter uns.“

Shikamaru und Temari sahen einander überrascht an.

Falsehood/Fallacy

„Was wurde Ihnen denn gestohlen?“, fragte Temari.

„Ein Shuriken“, sagte Nigishima-sensei. „Kein, kein gewöhnlicher. Ein Wurfstern speziell für Blitz-Ninjas. Man kann ihn mit Blitz-Chakra aufladen und ihn somit unter Strom setzen – jedenfalls ist, ist er weg.“

Shikamaru seufzte. „Es tut uns leid, Nigishima-san, aber wir sollen einen Mordfall aufklären. Alles, was nicht direkt damit zu tun hat …“

„Es hat damit, damit zu tun!“, behauptete der Sensei. „Wir haben festgestellt, dass das hier vielleicht eine, eine internationale Angelegenheit ist, oder? Und die Spezialwaffen anderer Länder zu stehlen, das passt, das passt doch zu so einem Täter, nicht?“

Mendokusai. Wir kümmern uns darum, sobald wir den Mörder haben. Das hat momentan Priorität.“ Warum hatte Shikamaru nur das Gefühl, sein Ruf als Denkmaschine würde ihm immer mehr lästige Aufgaben einbringen? Er sehnte sich nach Konoha zurück, nach einer Wiese, auf der er liegen, und nach Wolken am Himmel, die er beobachten konnte.

Nigishima schien nicht erbaut, aber dann meinte er: „Gut. Ich, ich hoffe, dass das nicht mehr zu lange dauern wird.“ Damit ging er.

 

„Sasaro-kun“, begann Temari mit dem nächsten Verhör, als das lässige Genie bei ihnen saß. „Du kanntest nicht zufällig das Opfer?“

Shikamaru hatte sich eine Schale mit dem geschmacklosen Tee gemacht und versuchte sich damit wachzuhalten. Er hätte nie gedacht, dass es so anstrengend war, ein paar Genin zu befragen. Er überließ das Sprechen mehr und mehr Temari und begnügte sich damit, alles, was er hörte, durch die Zahnräder in seinem Gehirn laufen zu lassen.

„Nö. Kein Stück.“ Sasaro kaute mal wieder Kaugummi und schien sich zu langweilen.

„Hast du irgendwas beobachtet, was ihn betrifft? Hat er zum Beispiel mit deiner Teamkameradin gesprochen oder mit Takki? Du scheinst dich ja gut mit ihr zu verstehen.“

„Geht so“, meinte er. „Nö, könnte nichts dergleichen sagen.“

Ähnlich auskunftsfreudig war er auch über die zweite Runde der Prüfung. Nichts, was in dem Sandsturm geschehen war, schien ihn irgendwie beeindruckt zu haben. Sie hätten mit den Blitz-Genin gekämpft und „dann halt wieder aufgehört“.

Temari war anzusehen, dass sie es anstrengend fand, die Lässigkeit in Person zu befragen, und sie beendete die Sache schneller als bei den anderen. „Eine letzte Frage. Als du gestern Nacht mit Takki durch die Gänge des Turm gelaufen bist, was habt ihr anschließend getan?“

„Sie meinen, nachdem Sie uns zusammengepfiffen haben? Wir sind wie brave Lämmer auf unsere Zimmer gegangen.“

„Wirklich?“, fragte Temari lauernd.

„Aye doch.“

„Takki hat uns aber etwas anderes erzählt.“

Shikamaru unterdrückte den Impuls, überrascht aufzusehen. Er fragte sich, was Temari mit dieser Behauptung bezwecken wollte.

„So? Was denn?“, fragte Sasaro.

„Ich würde gern deine Version davon hören. Also, was habt ihr getan, bevor ihr euch getrennt habt?“

Das Genie zuckte mit den Schultern. „Hey, es war ihre Idee. Und ihr Kissen. Ich hab ihr gerade noch ausgeredet, Rokken zu erschrecken. Immerhin war der nach seinem Kampf ja ziemlich hinüber. Da blieb eben nur mehr Anji.“

Interessant, dachte Shikamaru und nahm sich vor, Temari vielleicht im Anschluss ein Wort der Anerkennung für ihre Finte zu spendieren. Wenn er sich sicher sein konnte, dass sie keine nervige Antwort parat hatte. „Und was genau habt ihr mit dem Kissen und Anji gemacht?“

„Wir haben versucht, das Gesicht drauf noch ein bisschen gruseliger zu machen. Dann haben wir’s über seine Tür gehängt. Mit Ninjadraht und ‘nem Kunai. Den Draht haben wir ‘n bisschen angeritzt und dann mit dem Türknauf verbunden. Das Ding sollte ihm in die Hände fallen, sobald er die Tür aufmacht. Es war ja finster, vielleicht hätte er’s vorher nicht bemerkt.“

„Im Fallenstellen habt ihr schon mal Chunin-Niveau“, bemerkte Temari trocken.

„Tja, lustig war’s. Auch wenn’s umsonst war.“ Sasaro zuckte wieder grinsend die Achseln.

„Wieso umsonst?“

„Naja, ich hab mich schon gefreut, als ich ihn am nächsten Tag so richtig laut schreien gehört hab. Dachte, es hätte voll funktioniert. Aber nachdem ihr die Leiche gefunden habt, hab ich bei seiner Tür nachgesehen, und das Kissen hat immer noch oben gehangen.“

Shikamaru horchte auf. „Das Kissen war noch dort? Und der Draht?“

„Ungerissen. Ich hab’s dann selbst ausprobiert. Wie ich die Tür geöffnet hab, ist’s runtergefallen. Keine Ahnung, wie Anji da vorbeigekommen ist.“

Shikamaru tauschte einen bezeichnenden Blick mit Temari. „Ich gehe davon aus, nach dem Streich mit dem Kissen seid ihr schlafen gegangen? Takki in ihr Zimmer und du in deins?“, fragte er.

„Aye. War ja nur’n harmloser Scherz.“

„Du kannst gehen.“

Sie wartete, bis er draußen war. Dann sagte Temari: „Anji hat uns belogen. Von wegen, er war die ganze Nacht in seinem Zimmer. Er hat es nicht einmal betreten.“

„Es könnte auch sein, dass sie ihm nur etwas anhängen wollen. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, warum“, gab Shikamaru zu bedenken.

„Du meinst Sasaro und Takki?“ Er nickte. „Gut“, schnaubte sie. „Dann überprüfen wir das einfach ganz professionell. Ich will ab sofort nichts als die nackte Wahrheit.“

Sie verschoben Kyokos Befragung auf später und suchten Drescher-Takki noch mal auf. Als Shikamaru sie mit Sasaros Aussage konfrontierte, stöhnte sie etwas von „Plappermaul“, gestand dann aber, mit ihm den Streich ausgeheckt zu haben. Ohne Widerworte gab sie ihnen das Kissen. Zehn Minuten später hatte Konoe es untersucht. Es war bei der ganzen Aktion etwas schmutzig geworden, weswegen es ein Leichtes war, Fingerabdrücke darauf zu finden. Schließlich sagte die Heilerin: „Es sind eure Fingerabdrücke darauf, die von Sasaro-kun und die von Takki-san. Die von Anji-kun fehlen auf jeden Fall. Ich habe doppelt nachgeprüft.“

„Danke“, sagte Shikamaru und ließ das Kissen vorerst in Konoes Obhut. „Dann knöpfen wir uns mal den Hauptverdächtigen vor.“

 

Sie fanden ihn in der Eingangshalle des Turms, wo der Boden sanft unter dem dröhnenden Generator vibrierte. Es war mal wieder ziemlich stickig hier, als ob der Sturm die Hitze draußen gar nicht ausreichend aufwühlen könnte. Reis-Anji stand an einem der Fenster und sah in das gelbbraune Wirbeln hinaus. Er hatte etwas zwischen den Lippen, das verdächtig nach einer Zigarette aussah.

„Genin in deinem Alter sollten nicht rauchen“, sagte Temari, und er zuckte zusammen.

„Tut mir leid, ich …“ Er verstummte und schnippte den Glimmstängel nach draußen in den Sturm.

„Wir müssen reden“, sagte Shikamaru ernst.

Anji zuckte die Achseln. „Hören Sie, es wird nicht wieder vorkommen. Ich hab mir nur gedacht … wissen Sie, unser Sensei … Ach, was soll’s.“ Er seufzte schwer. „Von mir aus können Sie mich bei meinem Sensei verpetzen. Aber er raucht auch immer, wenn ihm was durch den Kopf geht.“

„Ich fürchte, hier geht es um etwas Schwerwiegenderes als das“, sagte Shikamaru. „Wir wissen, dass du heute Nacht nicht in deinem Zimmer warst.“

Anji erstarrte. „Wie bitte?“, murmelte er dann.

„Du warst heute Nacht irgendwo im Turm unterwegs. Deine Tür war bis zum Morgen versiegelt. Nachweislich“, sagte Shikamaru.

„Leugne erst gar nicht“, fügte Temari hinzu.

„Versiegelt? Aber wie … Scheiße“, seufzte Reis-Anji, stützte die Ellbogen auf das Fensterbrett und raufte sich die Haare. „Vom Regen in die Traufe, was? Ich hätte mich nie für diese Prüfung melden sollen.“

„Bereust du außerdem vielleicht noch was anderes? Einen Mord zum Beispiel?“

„Ich habe Manjo-san nicht umgebracht!“, fuhr er auf.

„Was hast du dann heute Nacht getrieben?“, fragte Shikamaru.

Wieder seufzte er. „Ist es verboten, ein wenig herumzuspazieren? Muss man sich unbedingt in seinem Zimmer einsperren lassen?“

„Es ist verboten, uns anzulügen“, sagte Temari. „Und Genin sollten in fremden Ländern auch versuchen, brav zu sein.“

„Zum Kotzen“, murmelte Anji.

„Was hast du gesagt?“

„Zum Kotzen! Das Land hier! Der Sturm! Ich hab mich kurz in meine Kammer gelegt und festgestellt, dass ich bei dem Säuseln und Rascheln nie einschlafen könnte! Also bin ich ins Arztzimmer neben der Arena gegangen. Hab gehört, es gibt dort Betten, und da war es ruhiger.“

„Und warum hast du dann nichts dergleichen erwähnt, als wir dich gefragt haben?“, wollte Temari wissen.

„Was sollte ich denn sagen? Ich konnte nicht einschlafen, meine Mama ist auch nicht hier und meinen Teddybären hab ich vergessen, also bin ich herumgewandert und hab einfach woanders gepennt?“

„Zum Beispiel“, sagte Shikamaru ruhig.

Reis-Anji stöhnte. „Ihr macht mich fertig.“

„Ich muss dich daran erinnern, dass du der Hauptverdächtige bist. Das Mordopfer hat in deinem Land randaliert. Du hättest von uns allem am ehesten ein Motiv. Und du hast kein Alibi.“

„Das hatte ich doch vorher auch nicht!“ Wenn er wollte, konnte Anji also richtig bockig sein. Er war wohl trotz allem noch weit entfernt vom Erwachsenwerden.

„Die Ermittelnden anzulügen macht dich aber auch nicht gerade weniger verdächtig“, klärte ihn Temari auf.

„Schön, dann verhaften Sie mich“, rief er resigniert aus. „Sie haben’s ja ohnehin auf den armen, einzelgängerischen Ausländer abgesehen. Verhaften Sie mich und machen Sie der Sache ein Ende – aber ich sag’s immer wieder, ich war es nicht!“

„Reg dich schon ab“, murmelte Shikamaru und kratzte sich am Kopf. „Wir wollen hier alle so wenig Stress wie möglich. Du bleibst also dabei, dass du nichts gehört oder gesehen und vor allem nichts getan hast?“

Anji nickte grimmig.

Seufzend wandte sich Shikamaru an Temari. „Lassen wir’s noch einmal gut sein? Er hat nur an einem anderen Ort geschlafen. Es ist ja nicht so, als wäre das jetzt ein unmittelbares Indiz, dass er der Mörder ist.“

Temari verzog wenig überzeugt das Gesicht, gab dann aber nach. Sie schärften Anji ein, sich in Zukunft genau zu überlegen, was er ihnen erzählte, dann ließen sie ihn allein.

Als sie die Treppe ansteuerten, überkam Shikamaru das Gefühl, dass irgendetwas in der Eingangshalle nicht stimmte, aber er kam nicht darauf, was.

 

„Die sind alle so stur und kindisch, dass es kaum zum Aushalten ist“, beschwerte sich Temari, als sie wieder in ihrem Befragungszimmer saßen.

„Warst du früher anders? Als du noch in der Blüte deiner Jugend standest, wie Lee es ausdrücken würde?“, fragte er.

„Das will ich jetzt dezent überhört haben“, sagte sie. „Und ja, ich habe mich nicht bemüht, mich durch Falschaussagen selbst als Mörder abzustempeln.“

„Weil es zu unserer Zeit keinen solchen Mord gab“, brummte Shikamaru. „Nur eine Invasion, fällt mir gerade ein.“

„Erinnere mich bloß nicht daran“, sagte sie trocken. „Statt hier alte Geschichten aufzuwärmen, sollten wir lieber weitermachen.“

Kyoko kam ein paar Minuten zu spät, obwohl sie auf dem Rückweg bei ihrem Zimmer vorbeigeschaut hatten. Allgemein machte sie einen etwas verträumten Eindruck. Das lange, orangerote Haar trug sie heute offen, sodass noch mehr von ihrem Gesicht versteckt war, als der dunkle Rollkragenpulli ohnehin schon erledigte. Sie musste fürchterlich darunter schwitzen.

Kyoko aus dem Reich des Wasserfalls war ein ganz anderes Kaliber als das Genie Sasaro. Sie antwortete auf jede Frage knapp und präzise, was sicher daran lag, dass sie so wenig wie möglich sprechen wollte. Ihr Blick kreiste oftmals durch den Raum, wurde wie eine Motte von der Lampe angezogen, nur zu Temari und Shikamaru sah sie niemals. Ihre Stimme war so leise, dass der Kragen ihres Pullovers die Hälfte ihrer Worte verschluckte. Shikamaru und Temari mussten öfters nachfragen, aber schließlich hatten sie alle Antworten erhalten: Kyoko hatte weder mit Manjo gesprochen noch ihn in jener Nacht gesehen. Sie war zur Tatzeit in ihrem Bett und hatte geschlafen. Sasaro könne das wahrscheinlich nicht bezeugen, weil er immer sehr fest schlafe und dabei so laut schnarche, dass er damit eine Explosion übertönen könne. Und Kyoko konnte ihnen auch nichts Genaueres zu dem Kampf im Sandsturm erzählen. Sie sprach etwas ausführlicher davon als Sasaro, aber es ging in ihrer Erzählung eher darum, wie sie sich selbst gefühlt und was sie gedacht hatte.

Shikamaru war schon felsenfest davon überzeugt, dass in dem Sturm rein gar nichts Ungewöhnliches vorgefallen war und er sich die Mühe sparen könnte, als sie schließlich meinte: „Es hat mich überrascht, dass Igawa-kun so stark war. Selbst Sasaro hatte Mühe, mit ihm fertigzuwerden. Er würde es nie zugeben, aber ich glaube, er wurde ziemlich in die Enge gedrängt. Hätte Igawa-kun nicht beschlossen, den Kampf abzubrechen … Ich weiß nicht, wie er ausgegangen wäre.“

„Würdest du sagen, er ist stärker, als ein Genin sein dürfte?“, fragte Temari.

„Oh ja“, sagte das Mädchen leise. „Aber das muss er ja.“

„Wieso?“, fragte Temari verwirrt.

„Na, weil das hier die Chunin-Prüfung ist. Wenn er nicht stärker wäre als ein Genin, wie könnte er dann antreten und hoffen, sie zu bestehen?“

Shikamaru seufzte. „Ich muss es wohl jedem Einzelnen von euch erklären, was? Hier werden nicht allein die Qualitäten eurer Jutsus bewertet. Es geht um ganz andere Dinge, die …“ Sie wirkte, als würde sie nicht mehr zuhören, also brach er nur seufzend ab. „Danke, Kyoko-san. Falls wir noch etwas wissen wollen, melden wir uns bei dir. Eine Sache noch“, sagte er, als sie schon aufstand. „Mir fällt gerade noch etwas ein: Warum hast du dich eigentlich aus der Prüfung zurückgezogen? Du bist mit ein paar Wunden im Turm angekommen, aber soweit ich weiß, waren die eher oberflächlich und Konoe-san hat dich im Arztzimmer behandelt. Du hättest zur dritten Prüfung ohne Weiteres antreten können, aber du bist freiwillig ausgestiegen.“

Kyoko zupfte unbehaglich am Saum ihres Pullovers. „Das ist, weil … Ich glaube nicht, dass ich gut genug bin. Ich war nur dabei, um … das Team zu füllen.“

„Erklär mir das genauer.“

„Es ist so …“, sagte sie zögerlich. „Ich bin so etwas wie das Nesthäkchen in unserem Team, verstehen Sie? Ich verstehe mich gut mit den anderen und alles, aber … sie kämen auch ganz gut ohne mich zurecht. Ich bin ihnen immerhin keine Bürde mehr, so wie es am Anfang gewesen ist, aber … in der Wüste habe ich es auch nur geschafft, weil Sasaro auf mich aufgepasst hat. Wenn ich einem anderen Shinobi in einem Einzelkampf gegenüberstehe … und wenn der so gut ist wie die Blitz-Ninjas … Das habe ich mich nicht getraut.“

Shikamaru nickte verständnisvoll und entließ sie. „Was hältst du davon?“, fragte er Temari, ehe sie den letzten der Genin, Rokken, hereinbaten.

„Ein plausibler Grund, würde ich sagen. Es kommt öfters vor, dass jemand mehr aus … Gewohnheit oder wegen der Einteilung zu Beginn in einer Gruppe ist und selbst nicht viel auf die Reihe bekommt. Vor allem, wenn es noch alles Genin sind. Oder findest du es merkwürdig?“

„Hm“ brummte er. „An mir nagt da nur eine unschöne Erinnerung. Weißt du noch, bei unserer Prüfung? Da hatte sich Kabuto eingeschlichen, als Genin von Konoha, obwohl er ja alles andere als ein Genin war. Er hat die Prüfung im Wald des Todes mitgemacht und dann auch gemeint, er würde die dritte Prüfung lieber nicht versuchen wollen.“

„Du meinst, Kyoko tut nur, als wäre sie so schwach, und kann in Wahrheit einen Jonin umbringen?“, fragte Temari ungläubig. „Sie ist erst dreizehn!“

„Sie ist angeblich dreizehn. Sie könnte ein Jonin sein, der ein Verwandlungsjutsu angewendet hat.“

„Die ganze Zeit, seit der ersten Prüfung?“, fragte Temari stirnrunzelnd.

„Ein mächtiger Jonin“, ergänzte Shikamaru. „Denkbar wäre es.“

„Hm.“ Temari ließ sich das durch den Kopf gehen. „Dann werfen wir auf dieses Nesthäkchen wohl besser ein Auge.“

 

Rokken war immer noch ein wenig blass, obwohl Konoe gesagt hatte, er würde von seinem kurzzeitigen, unfreiwilligen Quecksilberkonsum keine bleibenden Schäden davontragen. Sie hatte ihn schließlich schnell behandelt – und bei einem Sensei wie Iwamoto wagte es der Körper des Genin wahrscheinlich gar nicht, ernsthaft vergiftet zu werden.

Als er bei der Tür hereingekommen war, hatte sich Shikamaru mal wieder in Erinnerung rufen müssen, dass dies Rokken der Felsenschieber war. Trotz seiner beeindruckenden Fähigkeiten hatte er es immer noch nicht geschafft, sich sein Gesicht zu merken: etwas schmal und, wie erwähnt, blass, mit braunen Haaren und dem Stirnband von Sunagakure dort, wo es hingehörte. Seine Kleidung war erdfarben und ein wenig abgerissen. Und er wirkte irgendwie betrübt.

„Also, Rokken“, übernahm Temari wieder das Ruder, „du kanntest Manjo, oder?“

Rokken nickte. Wenigstens einer. „Er war mein großes Vorbild“, gab der Genin dann niedergeschlagen zu.

„Wieso das?“, fragte Temari eine Spur zu scharf.

„Du fragst dich, was so Vorbildhaftes an ihm gewesen sein soll?“, mutmaßte Shikamaru und erntete dafür einen giftigen Blick.

„Als ich noch auf der Akademie war, ist er mal für einen Lehrer von uns eingesprungen, der krank war“, berichtete Rokken. „Manjo-san war damals noch ein Chunin, aber er war wirklich ein guter Lehrer. Er hat uns einige Kniffe gezeigt, wie wir unser Chakra besser unter Kontrolle bringen können.“

„Kann ich mir gar nicht vorstellen“, brummte Temari. „Sicher ist ihm die Coolness aus allen Löchern getropft.“

„Nach dem Unterricht ist er auf eine Mission gegangen. Er hatte uns davon erzählt. Ich war neugierig, was für Missionen man als Chunin so bekommt. Unser bisheriger Lehrer hat uns immer erzählt, dass wir uns erst mal darauf konzentrieren sollen, Genin zu werden, und dass wir da vor allem den Leuten aus dem Dorf helfen sollen …“

„Und Manjo-san hat dich so fasziniert, dass du ihm gefolgt bist?“, fragte Shikamaru.

Rokken machte sich klein. „Ich weiß, dass es eine Riesendummheit war. Und ich wurde danach auch bestraft. Aber sie sind hierher gegangen, Manjo-san und sein Team. In diese Wüste. Ziemlich am Rand, als ich schon umkehren wollte, hat ein Riesenskorpion sie angegriffen … Sie haben ihn gut bekämpft, aber Manjo-san hat ihn erledigt. Ab da hab ich mir gewünscht, so zu sein wie er.“

„Es spricht nicht gerade für die Fähigkeiten dieses Teams, wenn sie nicht mal merken, dass ein Akademie-Schüler sie verfolgt“, sagte Temari. „Was?“, fragte sie, als Shikamaru sie missmutig ansah.

„Sie haben mich auch bemerkt“, meinte Rokken. „Sie sagten hinterher, sie wollten gerade nach mir rufen, als der Skorpion kam. Naja, Manjo-san hat dann gemeint, es wäre ja keine so große Sache, und ich solle nachhause laufen.“

„Ich dachte, man hätte dich bestraft?“

„Ja, aber …“ Rokken leckte sich über die Lippen. „Das waren meine Eltern. Weil ich so spät heimgekommen bin.“

„Hast du danach auch manchmal mit Manjo geredet?“, fragte Shikamaru.

„Wann immer ich ihn getroffen habe. Ich war ja sozusagen sein Fan. Aber allzu häufig sind wir uns nicht über den Weg gelaufen. Und er schien sich eigentlich nie daran zu erinnern, wer ich bin“, meinte Rokken und klang wieder ein wenig betrübt.

„Kein Wunder“, sagte Temari. „Dafür hattest du wohl das falsche Geschlecht.“

Shikamaru stieß sie nur nicht an, weil es ihm zu anstrengend war und außerdem nichts bringen würde. Außerdem war es wirklich nicht schwierig, Rokken zu vergessen.

„Ich hab mir vorgenommen, ihn zu übertreffen“, sagte der Felsenschieber schließlich. „Irgendwann wären wir Teamkameraden, hätten eine Menge Spaß zusammen, er würde wissen, dass es mich gibt, und ich würde ihm irgendwann sagen, dass er mich inspiriert hat.“ Er lachte leise. „Das war zumindest eine Zeitlang mein Plan. Irgendwann war mir das nicht mehr so wichtig, aber weitertrainiert habe ich trotzdem noch so fleißig. Man kann also sagen, es ist zum Teil Manjo-san zu verdanken, dass ich der Shinobi geworden bin, der ich heute sein darf.“ Endlich mal ein Genin, der stolz auf sich war, obwohl er aus dem Turnier ausgeschieden war.

„Kommen wir zu heute Nacht“, sagte Temari.

Rokken nickte. „Ich war zur Tatzeit in meinem Zimmer. Ich habe im Krankenzimmer geschlafen und das Abendessen verpasst, wie Sie vielleicht bemerkt haben. Um halb zehn hat Konoe-san mich für eine letzte Untersuchung geweckt. Dann hat sie gemeint, sie würde gern abschließen, also bin ich in mein Zimmer gegangen und habe dort weitergeschlafen.“

Rokken war in der Wüste nicht auf die anderen anwesenden Teams gestoßen, also fragten sie ihn stattdessen, was er von ihnen hielt. Er schien Reis-Anji nicht besonders gut leiden zu können, Drescher-Takki ebenfalls nicht. Er bewunderte Igawa, weil der ihn in einem fairen Kampf besiegt hatte, und war auf das Finale gespannt. Die Wasserfall-Ninjas könne er nicht richtig einschätzen, aber Kyoko wirke nett und Sasaro anstrengend.

„Warte mal“, sagte Shikamaru, als Temari ihn hinausschicken wollte.

„Wird das jetzt zur Angewohnheit, dass wir zwischen Tür und Angel noch eine letzte Frage klären?“, fragte sie belustigt.

Shikamaru ignorierte sie. „Du hast gesagt, Konoe-san hätte dich im Arztzimmer geweckt, weil sie absperren wollte. Das Arztzimmer liegt doch neben der Arena, oder?“

Rokken nickte.

„Und sie wollte ganz sicher das Arztzimmer absperren?“

„Ja. Wegen der Medikamente.“

Shikamaru begann zu schwitzen, und das lag ausnahmsweise nicht an der drückenden Hitze. „Und du weißt nicht zufällig, wann sie es wieder aufgeschlossen hat?“ Der Felsenschieber zuckte mit den Schultern. „Wer hat überhaupt alles einen Schlüssel für das Arztzimmer?“, fragte Shikamaru Temari.

„Die Prüfer aus Sunagakure“, sagte sie. „Ich hab auch einen.“

„Danke, du kannst gehen“, sagte Shikamaru zu Rokken, der sich verbeugte und das Zimmer verließ.

„Wenn das Arztzimmer seit gestern, halb zehn, verschlossen ist …“, überlegte Shikamaru.

„Wie kam dann Reis-Anji, der ja darin geschlafen hat, am Morgen hinaus?“, führte Temari den Gedankengang zuende.

„Hätten Rokken und Konoe ihn nicht außerdem gesehen?“

„Nicht unbedingt“, sagte sie. „Es gibt vier Betten dort, mit Vorhängen. Wenn Anji seinen zugezogen hat, ist er ihnen vielleicht nicht aufgefallen. Selbst ein Jonin wie Konoe prüft nicht ständig die Umgebung.“

„Ich würde sagen, wir rupfen unser Hühnchen mit ihm noch ein bisschen weiter“, brummte Shikamaru.

 

„Du hast fünf Sekunden, um uns zusagen, wo du heute Nacht wirklich warst“, sagte Temari unfreundlich.

Reis-Anjis Mund klappte auf. „Ich hab’s Ihnen doch schon gesagt, ich war im Arztzimmer.“

„Das Arztzimmer war aber über Nacht abgeschlossen.“

Nun wurde Anjis Miene zornig. „Hören Sie, wollen Sie mir hier was anhängen? Ist das alles eine Farce, um das Reich der Reisfelder noch weiter zu demütigen? Ich war dort und habe geschlafen! Und als ich am Morgen aufgestanden bin, war die Tür unversperrt!“

„Wie spät war es, als du dort angeblich in ein Bett geklettert bist?“

„Keine Ahnung. Dieser Felsenschieber, Rokken, war noch dort. Zumindest waren bei einem Bett die Vorhänge zugezogen. Ich hab das am anderen Ende des Raums genommen.“

„Und auch den Vorhang zugemacht?“

„Klar. Er sollte mich ja nicht unbedingt sehen, wenn er aufwacht. Am Morgen war er dann fort. Warum verdächtigen Sie nicht ihn?“

„Schon gut. Danke.“ Shikamaru winkte ihn wieder hinaus. Trotzig blieb Anji noch einen Augenblick stehen, dann ging er.

Shikamaru lehnte sich seufzend zurück und betrachtete den Sandsturm durch das Fenster. „Wenn das alles stimmt, hat Anji plötzlich ein perfektes Alibi.“

„Aber wie kommt er aus einem Arztzimmer, das doch eigentlich abgeschlossen ist?“

„Ganz einfach“, sagte Shikamaru bedeutungsvoll. „Durch die Tür.“

„Sehr witzig.“

„Jemand muss sie wieder aufgesperrt haben. Und es kommen nur ein paar Leute dafür infrage.“ Er zählte sie an den Fingern ab. „Die Prüfer aus dem Reich der Winde sind du, Gaara, Konoe-san und Manjo.“

„Ich hab nichts damit zu tun“, sagte sie. „Was sollte ich im Arztzimmer? Ich bin nach dem Aufstehen in die Kantine gegangen. Gaara ist auch dorthin gekommen. Er war es garantiert auch nicht.“

„Konoe-san war im Morgenmantel, als Anji sie geweckt hat“, erinnerte sich Shikamaru. „Sie wird kaum mitten in der Nacht die Vorräte im Arztzimmer prüfen, das sie selbst abgeschlossen hat, und dann wieder ins Bett gehen. Bleibt nur noch einer.“

„Macho-Manjo?“, fragte sie zweifelnd. „Nie im Leben. Er hasst Ärzte. Hat sie gehasst“, verbesserte sie sich.

„Woher hatte er den Sake?“

„Selbst in den Turm geschmuggelt. Wir können ja Konoe fragen. Oder glaubst du, Schnaps darf in Suna in keiner Arztpraxis fehlen?“

„Hätte ja sein können. Also, um halb zehn sperrt Konoe den Raum ab und schickt Rokken in sein Zimmer. Laut ihrer Aussage hat Manjo in ihrem Zimmer auf sie gewartet. Sie haben geredet, er hat getrunken, bis sie ihn rausgeworfen hat. Dann ist er uns in den Gängen über den Weg gelaufen.“ Shikamaru massierte sich die Nasenwurzel. „Denkst du, er hat einen Abstecher ins Arztzimmer gemacht, bevor er zu Iwamoto-senseis Tür gegangen ist?“

„Kaum“, schnaubte sie. „In seinem Zustand hätte er dort gar nicht hingefunden. Nein, im Ernst, glaubst du das wirklich? Er war gerade auf Aufriss. Wenn er nicht direkt zur nächsten Frau im Turm gewatschelt ist, wohin sonst?“

„War ja auch eher eine rhetorische Frage“, seufzte Shikamaru. „Also bleibt nur eine Möglichkeit. Derjenige, der das Arztzimmer wieder aufgesperrt hat, war der Mörder.“

Temari starrte ihn an. „Verdammt, du hast recht“, ächzte sie.

„Der Mörder hat den Schlüssel von Manjo genommen und wollte dann irgendwas im Arztzimmer. Er muss Handschuhe oder etwas Ähnliches getragen haben, als er die Leiche untersucht hat.“ Shikamaru überlegte. „Vielleicht war das der wahre Grund für den Mord. Der Täter wollte etwas von euren Vorräten.“

„Da ist absolut nichts Besonderes in dem Zimmer“, meinte Temari verdattert. „Aber wenn etwas fehlt …“

„Wir sollten das überprüfen“, sagte Shikamaru und sprang auf.

„Das heißt doch aber auch, dass der Mörder den Raum betreten hat, während Anji darin geschlafen hat“, sagte Temari, während sie ihm zur Tür folgte.

Shikamaru öffnete und prallte fast mit dem Weißen Blitz zusammen. „Ich, ich, Entschuldigung“, sagte dieser.

„Nicht jetzt, Nigishima-sensei“, sagte Shikamaru unwillig.

„Wegen meines, meines Shuriken …“

„Wir kommen schon noch dazu, bitte lassen Sie uns einfach unsere Arbeit machen.“

Shikamaru und Temari hängten den Blitz-Sensei auf dem Gang ab und suchten Konoe, die in einem der Büros ein Medizinbuch wälzte. Überrascht hörte sie sich die neue Theorie an und ging dann sofort mit ihnen in das Arztzimmer, dessen Tür tatsächlich nicht versperrt war. Nicht nur das – sie stand sperrangelweit offen. „Dabei bin ich sicher, dass ich abgeschlossen habe“, murmelte Konoe und strich sich eine rötliche Haarsträhne aus dem Gesicht.

Sie betraten den Raum. Nur das Bett, in dem Rokken geschlafen hatte, war zerwühlt; Reis-Anji hatte die Spuren seiner geheimen Nächtigung wohl gut kaschiert. Konoe öffnete Schränke und riss Schubladen heraus, verglich den Inhalt von Ampullenkästchen mit handschriftlichen Tabellen. Schließlich sagte sie: „Die Flaschen mit dem Desinfektionsmittel. Die fehlen. Sonst nichts.“

„Wie viele?“, fragte Temari.

„Alle.“

Alle?

„Es waren acht Stück, eine davon halb leer.“

„Hm.“ Shikamaru kratzte sich am Kinn. „Wozu sollte der Mörder Desinfektionsmittel brauchen?“

„Zum Desinfizieren?“, scherzte Temari. „Von etwa fünftausend Wunden? Ich habe keinen Schimmer. Allmählich glaube ich, unser Mörder ist ein Idiot.“

„Das gibt mir auch zu denken.“

„Wirklich?“ Sie sah ihn verblüfft an. „So ernst habe ich es nämlich nicht gemeint.“

„Denkt dran, der Mörder war geschickt genug, Manjo zu töten, ohne eine Spur zu hinterlassen. Außerdem muss er ein geübter Shinobi sein. Und jetzt stiehlt er Desinfektionsmittel aus dem Arztzimmer und schließt noch nicht mal die Tür wieder ab? Noch dazu hat er alle Flaschen mitgehen lassen. Wenn er, warum auch immer, so etwas stehlen wollte, würde er dann nicht nur eine oder zwei nehmen? Oder das Mittel sogar vorher umfüllen, damit niemandem auffällt, dass etwas fehlt? Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, war die Tür weit offen. Es ist, als wollte der Mörder, dass wir den Diebstahl bemerken. Anders kann ich mir diesen Anfall von Leichtsinn nicht erklären.“ Er wandte sich zu Konoe um. „Womit desinfiziert ihr hier denn eigentlich?“

„Mit einer Lösung, die zum größten Teil aus hochprozentigem Alkohol besteht“, sagte die Iryonin.

„Also von wegen, hier gibt es nichts Hochprozentiges“, murmelte Shikamaru Temari zu.

„Du hast von Sake gesprochen“, erwiderte sie schnippisch.

Shikamarus Verstand arbeitete mal wieder auf Hochtouren, und das, obwohl er selbst noch gar nicht wusste, wohin er mit seinen Überlegungen wollte. „Ich vermute, so eine Flasche Desinfektionsmittel ist leicht entflammbar?“

„Und wie“, sagte Konoe. „Es gab sogar einmal eine Art … Anschlag, bei dem es eine Rolle gespielt hat.“

„Stimmt, ich erinnere mich“, sagte Temari. „Das war zu der Zeit, als Gaara noch nicht vollständig als neuer Kazekage etabliert war. Ein Nicht-Ninja, der nicht mit ihm einverstanden war, hat einen Lappen in so eine Flasche gestopft, ihn angezündet und die Flasche auf Gaara geworfen. Sie ist regelrecht explodiert.“

„Hm. Was ist dann passiert?“

Temari zuckte mit den Schultern. „Gaaras Sand hat ihn natürlich beschützt. Und der Täter wurde verhaftet.“

„Was wurde aus ihm?“

„Nichts. Gaara hat mit ihm geredet und ihn freigelassen. Um Wohlwollen zu signalisieren, wie er sagte.“

Shikamaru kratzte sich am Kinn. „Man könnte das Desinfektionsmittel also als Brandbeschleuniger oder sogar als Waffe einsetzen. Womit wir wieder bei der Attentatstheorie wären.“

„Aber der Mörder ist ein Jonin-Klasse-Ninja“, erinnerte Temari ihn. „Er müsste gar keine Verwendung für Flaschenbomben haben.“

„Das finden wir schon noch heraus. Konoe-san, du solltest das Zimmer hier verschließen. Und wir beide sehen uns nochmal Manjos Leiche an. Gaara muss uns die Erlaubnis geben, den versiegelten Raum zu öffnen.“

„Muss das sein?“, fragte Temari stirnrunzelnd.

„Leider. Es nervt mich zwar tierisch, aber …“ Shikamaru seufzte, ehe er weitersprach. „Nachdem uns Reis-Anji schon mit Halbwahrheiten gequält hat, will ich Gewissheit. Ich will sichergehen, dass Manjo seinen Arztzimmer-Schlüssel nicht mehr hat und wir deshalb davon ausgehen können, dass der Mörder ihn gestohlen hat. Oder hast du nachgesehen, was in seinen Taschen war, Konoe-san?“

Die rothaarige Kunoichi schüttelte den Kopf. „Ich habe mir seine Wunden angesehen und seine Haut und Kleidung untersucht – aber nicht die Taschen. Das hielt ich für unnötig.“

„Naja, war es bis jetzt wohl auch.“ Shikamaru kratzte ich am Kopf, während sie das Arztzimmer verließen. „Nigishima-sensei wird sich freuen. Vielleicht finden wir ja sogar seinen heißgeliebten Shuriken bei Manjo, obwohl ich das nicht glaube.“

 

Gaara erlaubte ihnen widerwillig, das Siegel vom Leichenraum zu lösen. „Es ist nicht unbedingt notwendig, oder?“, meinte er zunächst, aber Shikamaru konnte ihn davon überzeugen, dass er andernfalls nicht wagte, eine Schnur aus all seinen Gedankengängen zu knüpfen, die zur Wahrheit führte.

Als er, Temari und Konoe den Flur betraten, der zu Manjos vorläufig letzter Ruhestätte führte, lehnte Igawa-kun dort an der Wand und winkte ihnen erfreut zu. „Shikamaru-san!“, rief er laut.

„Ich seh dich ja, kein Grund, so laut herumzubrüllen“, murmelte Shikamaru. Ob seine Nerven ein wenig angeschlagen waren? Vermutlich.

Igawa lief auf die drei zu. „Nigishima-sensei hat gesagt, ich soll nochmal mit Ihnen reden, wegen dem Shuriken. Er sagt, dass vielleicht Manjo-san …“

„Schon gut, dein Sensei bekommt, was er will. Wir lösen das Siegel und sehen uns die Leiche nochmal an“, sagte Shikamaru. Er sah sich um, aber der Weiße Blitz war nirgends zu sehen. „Allerdings wollen wir nicht auf ihn warten. Weißt du zufällig auch, wie sein Shuriken aussieht?“

Igawa nickte. „Also darf ich dabei sein, wenn Sie die Leiche nochmal untersuchen?“, fragte er eifrig. Der Junge liebte es wohl wirklich, Detektiv zu spielen.

„Meinetwegen. Aber fass nichts an“, sagte Shikamaru. Ein klein wenig mochte er ihn ja, aber eigentlich waren alle Genin vor allem eins: anstrengend.

Fast feierlich bauten sie sich vor der Tür der Leichenkammer auf. Die Siegel-Banderole klebte noch ordentlich an ihrem Platz. Konoe formte ein Fingerzeichen, berührte das Papier und nickte. „Es ist noch aktiv.“ Mit einer raschen Bewegung riss sie das Siegel herunter. „In Ordnung. Du kannst aufschließen.“

Shikamaru fischte den Schlüssel, den Gaara ihm anvertraut hatte, aus seiner Tasche, drehte ihn im Schloss herum und hörte das schwere Klicken. Dann drehte er den Knauf und zog die Tür auf. Igawa drängte sich neben ihn, um neugierig durch den Spalt zu spähen.

Und dann war es, als würden sie in bodenlose Finsternis stürzen.

Das Einzige, was Shikamaru daran hinderte, erschrocken zusammenzuzucken, war das kalte Metall des Türknaufs, um das er noch die Hand geschlossen hatte. Er stand noch hier, am Ende dieses Korridors vor der Leichenkammer, und er hörte auch die anderen nach Luft schnappen. Erst diesem Gedanken folgte die simple Feststellung, dass es nur das Licht war, das fort war, nicht etwa er selbst. Sämtliche Lampen in dem Gang waren tot.

„Der Strom ist ausgefallen.“ Er hörte Konoe nach etwas kramen, dann ein Knacken. Ein orangefarbener Schimmer durchbrach die Finsternis und malte riesige Schatten. Die Kunoichi hatte einen Leuchtstab geknickt.

„Das gefällt mir aber gar nicht“, murmelte Shikamaru.

„Der Generator ist eben altersschwach“, meinte Temari.

„Mag ja sein, aber gerade jetzt …“ Ein mulmiges Gefühl eroberte Shikamarus Magengegend. Die Tür zum Leichenzimmer war immer nur erst einen Spalt geöffnet, aber sie war offen – er würgte den Gedanken ab. Als könnte Macho-Manjos Geist im Dunkeln durch diesen kleinen Spalt herausschlüpfen und sie verfluchen oder etwas in der Art. Lächerlich. Dennoch sagte er: „Konoe-san, leuchte doch bitte in den Raum. Wir durchsuchen Manjo-san einfach im Halbdunkel. Ich bin dagegen, dass wir jetzt zum Generator laufen.“

„Genau. Irgendjemand wird ihn schon reparieren“, sagte Temari. „Wenn du gestattest, Igawa-kun?“ Sie schob den Genin zur Seite und zog die Tür zur Gänze auf. Der Türrahmen war wie ein schwarzer Rachen, der sie verschluckte. Dann folgte ihr Konoe in den Raum und die Schatten veränderten sich. Plötzlich war es Shikamaru, als würde die Luft zum Atmen hier im Flur knapp. Er beeilte sich, den beiden Frauen zu folgen, und Igawa betrat den Leichenraum als Letztes.

Schon bevor Konoe etwas sagte, nährte sich Shikamarus Unwohlsein von dem hellen Tuch, das auf der Bahre lag. Noch ehe er in dem spärlichen Licht Genaueres erkennen konnte, überkam ihn das Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung war. Das Tuch war auf Macho-Manjos Gesicht gelegen, als sie den Raum verlassen hatten, aber nun lag es irgendwie … tiefer.

„Er ist weg“, murmelte Konoe plötzlich. Ihre Stimme bebte. Immerhin war ihre Hand mit dem Leuchtstab ruhig.

„Das kann doch nicht sein!“, stieß Temari aus. Shikamaru glotzte ebenfalls auf die Bahre und fühlte sich übertölpelt. Sie war leer. Die Bahre, mit der Iwamoto-sensei und Nigishima-sensei die Leiche hergetragen hatten, war leer. Das Tuch lag am Kopfende. Von der Leiche fehlte jede Spur.

„Durchsuchen wir den Raum“, sagte Shikamaru, der sich plötzlich wieder an Geister erinnerte, und zog die Tür hinter sich zu. „Er muss da sein! Der Raum war die ganze Zeit versiegelt!“

„Er ist doch wohl nicht … rausgegangen?“, fragte Igawa kleinlaut. „Als es finster wurde … und die Tür einen Spalt offen war?“

„Durch den Spalt hätte kein Mensch gepasst“, sagte Temari scharf, als müsste sie sich vor allem selbst überzeugen.

„Außerdem war er tot“, fügte Konoe hinzu. „Keiner könnte eine solche Wunde überlebt haben.“

Die Kammer war nicht sonderlich groß. Konoe leuchtete in jede Ecke, aber der Raum war genauso kahl wie vorher, als sie ihn noch nicht als Leichenabstellplatz benutzt hatten. Nur brauner Felsen, ein wenig porös und rissig, fensterlos. Leer.

Shikamaru glaubte zu spüren, wie etwas in seinem Kopf in den Leerlauf ratterte. Als wäre ein Zahnrad aus der Maschinerie seines logischen Denkens herausgesprungen und er verstünde plötzlich nicht mehr die simpelsten Umstände.

Sie hatten Macho-Manjos Leiche eindeutig hier hereingebracht. Sie hatten sich auch nicht etwa in der Tür geirrt. Der Schlüssel hatte gepasst, und alle anderen wussten schließlich auch, dass es dieser Raum gewesen war! Und Manjo war eindeutig tot gewesen. Konoe hatte den Raum versiegelt und das Siegel war noch aktiv gewesen, als sie die Banderole wieder entfernt hatte. Noch dazu war abgeschlossen gewesen. Shikamaru hatte den Schlüssel zu dem Raum gehabt, und er hatte ihn die ganze Zeit bei sich getragen.

Und dennoch war die Leiche aus dem Raum verschwunden. Aus einem Raum mit stabilen Felswänden, aus dem nur eine Tür hinausführte, die nachweislich nicht geöffnet worden war.

Wie war das möglich?

Interference/Intermezzo

„Wir haben eine Leiche“, murmelte Shikamaru gezwungen ruhig. „Oder? Ich hab mir das nicht eingebildet. Heute Nacht ist ein Ninja in diesem Turm gestorben und wir haben ihn hier herein gebracht. Sagt mir, dass ihr euch auch erinnert.“

Temari und Konoe nickten simultan.

„Gut“, seufzte Shikamaru. „Dann ist das hier einfach nur der lästigste Zwischenfall in diesen Ermittlungen. Unsere Leiche ist verschwunden.“

„Aber der Raum war doch abgeschlossen! Und versiegelt!“, rief Temari.

„Genau deswegen ist es ja so lästig. Das hier war ein perfekter, abgeschlossener Raum. Und trotzdem sind Manjo-sans Überreste weg.“

„Und wenn es einfach einen zweiten Schlüssel für diese Kammer gibt?“, fragte Igawa schüchtern.

„Das hab ich mir auch schon gedacht“, sagte Shikamaru. „Immerhin hat auch für das Arztzimmer jeder Prüfer aus Sunagakure einen eigenen Schlüssel. Aber diese Überlegung bringt uns nicht weiter. Die Tür war ja nicht einfach nur abgeschlossen. Sie war mit einem Jutsu versiegelt.“

„Und das Siegel war intakt.“ Konoe sah sich so hektisch in der Kammer um, dass ihr rötlicher Zopf in alle Richtungen flog, als erwartete sie, dass ein Geist immer gerade vor ihren Blicken auswich. „Niemand hat den Raum betreten.“

„Mir fällt da eine Theorie ein, die mir nicht gefällt“, murmelte Shikamaru. Konoe sah ihn verwirrt an, dann schien sie zu verstehen.

„Ich …? Nein, ich hab damit nichts zu tun!“

„Ich hab ja gar nichts gesagt. Ich sagte nur, es wäre eine Theorie. Die mir nicht gefällt.“ Er kratzte sich verlegen im Genick. „Verzeih bitte, ich wollte dich nicht beschuldigen. Ich versuche nur, das hier zu verstehen.“

„Es gibt nur einige wenige Räume im Turm, die verschlossen werden können“, sagte Temari ruhig. „Das Arztzimmer, die Zimmer, in denen die Gäste untergebracht sind, die Büros und ein paar Kammern wie diese hier. Das Arztzimmer und die Büros werden von den Prüfern genutzt, darum gibt es mehrere Schlüssel, aber die Gästezimmer und die Kammern haben je einen eigenen Schlüssel. Genau einen. Soweit ich also weiß, hattest du den einzigen, Shikamaru.“

„Wäre ja auch zu einfach gewesen“, brummte Shikamaru und betrachtete das Tuch, das allein auf der Bahre lag.

„Und … was machen wir jetzt?“, fragte Igawa kleinlaut.

Dieses Mal seufzten Shikamaru und Temari gleichzeitig, wie abgesprochen, und er wusste, dass sie dasselbe dachte. „Wir machen mal wieder eine große Bekanntgabe in der Kantine“, sagte er.

 

Gaara war nicht zufrieden mit dem bisherigen Ermittlungsverlauf. Er sagte es zwar mit keinem Wort, aber es war deutlich zu spüren. Und Shikamaru musste sich eingestehen, dass sie tatsächlich keine nennenswerten Fortschritte gemacht hatten. Wenn, dann nur Rückschritte.

„Die Leiche ist also fort“, fasste der Kazekage zusammen. „Obwohl das unmöglich passieren konnte.“

Temari und Shikamaru nickten unisono. Langsam wurden sie ein perfekt synchrones Team.

Alle zwölf Personen hatten sich mal wieder in der Kantine versammelt. Als sich die Ermittelnden aufgemacht hatten, um alle zusammenzutrommeln, war irgendwann das Licht wieder angegangen. Iwamoto-sensei hatte sich darum gekümmert. Offenbar war irgendein wichtiges Kabel aus dem Generator verschwunden, aber da die Dinger manchmal durchschmorten, gab es reichlich Ersatz. Shikamaru hatte sich vorgenommen, später nachzufragen, was verschwunden in dem Kontext genau bedeutete. Die Tür war zum Zeitpunkt des Stromausfalls nur einen Spaltbreit geöffnet gewesen und Shikamaru hatte den Knauf noch fest in der Hand gehalten. Ein Mensch hätte also nicht hindurch gepasst, egal ob lebend oder tot. Trotzdem war die Sache mehr als merkwürdig.

„Der Mörder muss irgendeinen Nutzen daraus ziehen, dass wir die Leiche nicht mehr finden können. Das bedeutet, wir haben wohl bei der Untersuchung geschlampt. Tut mir leid, Konoe-san“, sagte Shikamaru.

„Wer sagt denn, dass der Mörder hinter dem Verschwinden steckt?“, meinte Iwamoto-sensei überheblich.

„Wer sollte es denn sonst sein?“, fragte Temari gereizt.

„Bin ich dann jetzt doch aus dem Schneider?“ Reis-Anji hob die Hand wie in der Akademie. „Ich weiß, dass ich am verdächtigsten bin. Aber in das Zimmer mit der Leiche konnte ich unmöglich rein.“

„Du täuschst dich“, sagte Shikamaru. „Um das ein für allemal festzulegen: Anji ist nicht der Mörder. Dein ganzes Hin und Her und dein Schlafplatzwechsel haben dir letzten Endes ein wasserdichtes Alibi verschafft.“

Anji blickte verblüfft drein. „Ach, echt?“

„Konoe-san hat die, die Kammer doch versiegelt, oder?“, fragte Nigishima-sensei und wippte auf den Zehenspitzen. „Und, und Shikamaru-san hatte den Schlüssel?“

„Genau. Das Siegel war ungebrochen und der Schlüssel hat meine Tasche nicht verlassen“, versicherte Shikamaru. „Streng genommen dürfte es unmöglich sein, dass die Leiche verschwindet.“

„Es sei denn, ihr arbeitet zusammen“, meinte Sasaro, das Genie. Der Genin kaute wieder mal auf irgendwas herum und sah niemand Bestimmtes an, als spreche er nur aus, was ihm durch den Kopf ging. „Das mit dem Siegel könnte eine Lüge sein. Und mit dem Schlüssel auch.“

„Pass auf, was du sagst“, warnte Temari leise.

Mendokusai“, war Shikamarus Kommentar dazu. „Wenn ich auch ständig verdächtigt werde, verliere ich noch vollständig die Lust aufs Ermitteln. Trotzdem, eine Sache spricht gegen diese Theorie, Sasaro-kun.“

„Aye?“

„Konoe-san ist es gewesen, die Manjo-san untersucht hat. Wenn es irgendetwas an der Leiche gibt, wovon der Mörder will, dass es unentdeckt bleibt, hätte sie gar nicht so weit gehen müssen. Selbst wenn es neben Manjos Wunde Fingerabdrücke von ihr geben würde, sie hätte es einfach nicht erwähnen müssen. Die Leiche wäre in die Kammer gesperrt worden, und niemand sonst hätte nachgesehen, ganz einfach weil uns die nötigen Fachkenntnisse fehlen.“

„Aha“, meinte Sasaro unbeeindruckt. „Und wenn der Kazekage drauf bestanden hätte, dass irgendwann noch mal wer anders die Leiche untersucht?“

Kyoko, seine schüchterne Teamkollegin, stieß ihn gegen die Seite, aber er schien es nicht mal zu bemerken. Auf den Kopf gefallen war er immerhin nicht.

„Dann nehmen wir an, Manjo hätte sich in seinen letzten Momenten Konoe ist die Mörderin in die Haut geritzt. In dem Fall hätte Konoe-san die Leiche gar nicht erst so offen herumliegen lassen, sondern sie gleich verschwinden lassen. Die Leiche zu untersuchen und dann zu verstecken wäre dumm.“

„Und wenn sie erst beim Untersuchen draufgekommen wäre, dass sie ‘nen Fehler gemacht hat?“ Sasaro hob entschuldigend die Hände, als er etliche finstere Blicke auf sich spürte. „Hey, ich will sie nicht beschuldigen, echt nicht. Ist mir nur grad eingefallen.“

„Mir fallen auch viele verschiedene Möglichkeiten ein“, sagte Shikamaru. „Mindestens ein halbes Dutzend. Aber manche sind einfach zu weit hergeholt, um sie ohne weitere Beweise für wahr zu halten.“ Er hatte das Gefühl, es Konoe schuldig zu sein, sie zu verteidigen. Immerhin glaubte er nicht, dass die rothaarige Kunoichi die Schuldige war, und sie hatte ihn und Temari nach Kräften unterstützt. Auch wenn Konoe einen Schlüssel zum Arztzimmer hat und gar nicht den von Manjo benutzen müsste, um die Flaschen von dort zu stehlen, flüsterte eine lästige Stimme in seinem Kopf.

„Es gibt eine viel einfachere Möglichkeit“, sagte plötzlich Igawa-kun und senkte beschämt den Kopf, als ihn alle erwartungsvoll anstarrten. „Ich meine … Die Tür ist ja nicht der einzige Weg, wie man die Leiche aus der versiegelten Kammer schaffen könnte.“

„Natürlich ist es der einzige …“ Temari verstummte. „Oh.“

„Das stimmt“, murmelte Shikamaru. „Verdammt. Der Stromausfall und die Hektik mit der verschwundenen Leiche … Ich hätte eigentlich schon viel früher darauf kommen sollen.“

„Wo, worauf?“, fragte Nigishima.

„Der Einzige, der Macho-Manjos Leiche ohne Probleme aus dem geschlossenen Raum hätte bringen können, ist Rokken“, sagte Temari.

Der Junge, der allgemein nicht sonderlich gesund aussah, verlor plötzlich den Rest seiner Gesichtsfarbe. „Ich … aber ich …“, stammelte er.

Sofort schob sich Iwamoto-sensei zwischen ihn und die Ermittelnden. „Rokken hat damit nichts zu tun. Dafür verbürge ich mich.“

„Verbürgen zählt leider nicht als Beweis, Iwamoto-sensei“, murmelte Temari düster.

„Wir haben Rokkens Fähigkeiten ja gesehen“, sagte Igawa leise und sah seinen Kampfpartner dabei nicht an. „Er kann frei Felsen manipulieren. Hier im Turm besteht fast alles aus Stein.“

„Das leuchtet ein“, überlegte Konoe. „Er müsste nur im Raum darunter stehen und die Decke aufklappen lassen, und schon wäre die Leiche verschwunden. Dann müsste er das Loch schließen und alles sähe aus wie vorher. Aber Rokken als Mörder? Das kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen.“

„Ich mir auch nicht“, murmelte Shikamaru. „Aber niemand sonst kann die Leiche zum Verschwinden gebracht haben, und nur der Mörder kann davon profitieren.“

„Er war es nicht!“, sagte Iwamoto heftig. „Rokkens Jutsu ist nicht so mächtig, das weiß ich selbst am besten.“

„Doch, ist es“, sagte Gaara ruhig. „Wir haben uns bereits alle ein Bild davon machen können.“

„Rokken-kun ist in Sunagakure nicht ganz unbekannt“, überlegte Temari. „Wenn er der Mörder wäre, müsste er innerhalb kürzester Zeit Jonin-Fertigkeiten erlernt haben, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre.“

„Wie, wie ist das?“, rief Nigishima-sensei dazwischen und funkelte bei seinen nächsten Worten Iwamoto an. „Zuerst die anderen Länder beschuldigen, aber wenn der Verdacht auf einen Shinobi aus den eigenen Reihen fällt, dann, dann kann er es plötzlich nicht sein?“

„Nigishima-san hat recht. Möglich wäre es trotzdem“, beharrte Shikamaru. Temari zuckte nur mit den Achseln.

Rokken sah aus, als würde er am liebsten den Boden öffnen, um darin zu versinken. „Ich habe Manjo-san nicht umgebracht“, sagte er piepsig. „Ich würde das doch nie tun, ich …“

„Richtig, du hast ihn ja vergöttert“, sagte Shikamaru. „Er hat dir sehr imponiert, als er ein Chunin war.“ Rokken nickte schüchtern. „Allerdings“, fuhr Shikamaru etwas lauter fort, „ist er dann ein Jonin geworden. Kann es nicht sein, dass dir das gegen den Strich gegangen ist?“

„Was?“ Das Wort verließ lang und gedehnt und fassungslos Rokkens Mund.

„Es war immerhin dein Traum, eines Tages mit deinem großen Vorbild in ein Team gesteckt zu werden“, sinnierte Shikamaru. „Das wäre gar nicht schwer nachzuvollziehen. Dann jedoch, nur wenige Wochen vor deiner eigenen Chunin-Prüfung, wird er zum Jonin ernannt. Und ihr seid immer noch weit davon entfernt, gleichrangig zu sein. Ich weiß nicht, wie das Land der Winde seine Shinobi einteilt, aber da er als frischgebackener Jonin vermutlich kein Chunin-Team leiten wird, wird es für dich eher schwierig, deinem Idol nahe zu sein, oder?“

„Das … Darüber habe ich nicht einmal nachgedacht …“ Rokken starrte nur mehr auf seine Füße, als schmerzten ihn die Blicke, die auf ihm klebten.

„Aus! Schluss!“, sagte Iwamoto-sensei resolut und holte tief Luft. „Rokken ist unschuldig. Und der Beweis, den ihr wollt, ist folgender. Ich gestehe. Rokken hat die Leiche aus dem Raum geschafft, ja. Aber auf meinen Befehl hin. Ich habe Manjo auf dem Gewissen.“

Mit einem Schlag wurde es totenstill in der Kantine. Diese Verkündigung senkte sich wie dicker, zäher Nebel auf die Versammelten.

Shikamaru kratzte sich im Genick und gähnte. „Netter Versuch, Iwamoto-sensei. Ich kann verstehen, dass Sie Ihren Schüler schützen wollen, aber Sie haben dabei vergessen, dass Sie und Anji aus dem Reich der Reisfelder als Einzige solide Alibis haben.“

„Das stimmt. Manjos Leiche hat Ihre Zimmertür blockiert“, fügte Temari hinzu.

Iwamoto-sensei biss sich auf die Lippe und schwieg.

„Hast du noch etwas zu deiner Verteidigung vorzubringen, Rokken-kun?“, fragte Gaara.

Der Felsenschieber rang die zitternden Hände. „Ich … Nein … Ich … Ich hab doch nicht … Niemals …“

„Alter, du bist ja voll krank!“, stieß Drescher-Takki hervor und ließ ihn damit zusammenzucken. Aus unerklärlichen Gründen glühten ihre Augen jedoch bewundernd. „Wie hast du’s gemacht? Wie hast du ihn umgebracht?“

„Die Fragen stellen nur wir beide“, erinnerte sie Temari. „Und wir wollen jetzt wissen, wo du die Leiche hingeschafft hast.“

Rokken murmelte etwas Unverständliches.

„Was hast du gesagt?“, fragte sie ärgerlich.

„Ich weiß nicht, wo sie ist!“ Rokken hatte Tränen in den Augenwinkeln, als er sie anschrie. Sein Gesicht hatte wieder Farbe bekommen, nämlich ein fleckiges Rot. „Ich habe Manjo-san nicht umgebracht, so glaubt mir doch, ich könnte es gar nicht!“

„Kazekage-sama, ich würde vorschlagen, wir stellen Rokken den Felsenschieber unter Beobachtung, bis er gesteht“, sagte Shikamaru. „Einsperren können wir ihn nicht, er könnte aus jedem felsigen Raum fliehen.“

„Mein Sand sollte kein Problem darstellen“, sagte Gaara.

„Nein, bitte! Ich weiß gar nicht, wie … Ich war es nicht!

„Dann also Sand“, erwiderte Shikamaru. „Jemand sollte trotzdem auf ihn aufpassen. Ich will keine Lynchjustiz riskieren, aus welchem Grund auch immer. Erst suchen wir die Leiche, dann überprüfen wir sie erneut, und dann, wenn er sich ein wenig gefangen hat, befragen wir Rokken erneut. Bis dahin sollten wir das Prüfungsfinale noch aufschieben.“

Gaara nickte. „Einverstanden.“

Als sie Rokken aus der Kantine brachten, hielt niemand Iwamoto davon ab, mit verbissener Miene hinter ihrem Schüler herzustapfen. Sie war ein Jonin und damit besonnen genug, nichts Dummes zu tun. Als Gaara in der weitläufigen Kampfarena eine Art Käfig aus stahlhartem Sand baute, verbot er ihr trotzdem, dass sie die Wache übernahm. Stattdessen wurde Konoe dazu abkommandiert, den Käfig mit Rokken darin zu beobachten, was sie wenig begeistert zur Kenntnis nahm. Wie er sich stumm weinend in seinem Gefängnis zusammenkauerte, wirkte der talentierte Felsenschieber plötzlich wieder so jung, wie er eigentlich war.

„Sei achtsam“, sagte Shikamaru noch zu Konoe. „Er besitzt Jonin-Fähigkeiten. Am besten, du gehst nicht zu nahe ran.“

„Ich weiß.“

„Sag mal …“ Er überlegte, wie er seine Frage am besten ausdrücken sollte. „Zwischen Manjo und dir … da war nichts, oder? Es ist nicht so, dass du gern, du weißt schon, mehr Zeit mit ihm verbracht hättest und ihn besser kennen gelernt hättest und solches Zeug?“

„Was wird das denn?“ Temari knuffte ihn mit dem Ellbogen. „Gräbst du gerade Konoe an?“

Die rothaarige Kunoichi hob eine Augenbraue. „Manjo hätte nicht sterben sollen. Aber ich werde mich nicht vor Rachedurst auf seinen Mörder stürzen, sobald wir allein sind, wenn du das meinst.“

Shikamaru seufzte. „Verdammt. Durchschaut. Und ich hab mir solche Mühe gegeben, es ganz unverfänglich als Frage zu tarnen.“

„Als würdest du das Wort Mühe auch nur kennen“, erwiderte Temari fröhlich.

„Klar. Allein es mit dir auszuhalten, bedeutet große Mühe für mich“, sagte Shikamaru und marschierte rasch davon, ehe ihn ein neuer Ellbogenstoß treffen konnte. „Wir melden uns wieder, sobald wir die Leiche gefunden haben.“

Nachdem sie die Tür zur Arena hinter sich geschlossen hatten, fragte Igawa: „Sollen wir beim Suchen helfen?“

„Danke, du hast uns wirklich schon genug geholfen. Es wäre mir lieber, wenn wieder alle in ihre Zimmer gehen und sich ruhig verhalten. So werden wir nicht gestört, können schön systematisch vorgehen und niemand kann versehentlich die Leiche anfassen“, sagte Shikamaru.

„Ich zähle auf euch“, nickte Gaara ihnen zu. Die Versammlung löste sich auf, alle gingen ihrer Wege, die anderen Genin laut schnatternd über die unglaubliche Tat ihres Rivalen.

„Also schön“, seufzte Shikamaru, als er und Temari allein waren. „Du weißt, was wir jetzt zu tun haben.“

„Ich denke schon, aber erleuchte mich zur Sicherheit“, sagte sie.

„Nachdem Rokken weggesperrt ist und diese ganzen Schmierenkomödianten jetzt endlich zufrieden sind und Ruhe geben, suchen wir nach dem wirklichen Mörder.“

„Ich wusste es“, murmelte Temari grimmig.

Cloth/Closed

„Wie hast du eigentlich rausgefunden, dass Rokken nicht der Täter ist?“, fragte Temari, während sie noch einmal gründlich den Leichenraum unter die Lupe nahmen.

„Da gibt’s mehrere Gründe. Es war einfach zu leicht, seine Schuld zu schlussfolgern.“ Shikamaru deutete auf das weiße Tuch, das auf der Bahre lag. „Das da zum Beispiel haben wir Manjo aufs Gesicht gelegt. Wenn Rokken wirklich ein Stockwerk tiefer gestanden wäre und die Felsen geöffnet hätte, damit die Leiche hinunterfällt, warum ist dann das Tuch hier liegen geblieben? Und die Bahre? Wenn, dann hätte er von einem angrenzenden Raum die Wand aufklappen lassen und die Leiche per Hand hinaus zerren müssen. Das wäre wiederum sehr umständlich. Würde er so weit gehen, nur damit Tuch und Bahre hier liegen bleiben können? Unwahrscheinlich. Außerdem gibt mir dieser Stromausfall zu denken. Ist es nicht ein gewaltiger Zufall, dass es gerade in dem Moment finster wird, in dem wir die Tür öffnen wollen?“

„Muss wohl so sein“, meinte Temari. „Ich weiß schon, du glaubst, jemand hätte den Generator sabotiert. Aber der steht im Erdgeschoss im Eingangsbereich, und das hier ist der zweite Stock. Ein Saboteur könnte unmöglich sehen, wann wir hier die Tür aufmachen.“

„Wir befragen Iwamoto-sensei noch dazu“, beharrte Shikamaru. „Aber das ist ja noch gar nicht alles. Denk mal von der anderen Richtung her: Die Leiche aus diesem perfekten abgeschlossenen Raum zu schaffen, macht automatisch Rokken verdächtig.“

„Stimmt. Sogar ein Möchtegerndetektiv wie Igawa hat das sofort herausfinden können“, überlegte Temari.

„Nehmen wir also an, Rokken wäre in Wahrheit ein Jonin und der Mörder. Nur, und wirklich nur, wenn Konoe-san bei der Untersuchung der Leiche etwas übersehen hätte, das unweigerlich auf ihn hindeuten würde, macht es Sinn, dass er die Leiche verschwinden lassen will. Wir sind ganz flugs darauf gekommen, dass nur er den verschlossenen Raum hätte öffnen können. Hätte er das wirklich getan, müsste er um das Risiko gewusst haben.“

„Du meinst also, weil Rokken es als Einziger getan haben könnte, ist er automatisch unschuldig?“ Sie schnaubte. „Eine sehr gewagte Aussage. Niemand außer Rokken hätte die Leiche fortschaffen können, daran ist nun mal nichts zu rütteln.“

„Genau. Und deshalb überlegen wir jetzt, wie es trotzdem hätte geschehen können.“ Ein letztes Mal maß Shikamaru die Kammer mit einem Blick. Sie hatten nichts Verdächtiges gefunden, genauso wenig wie beim ersten Mal. Als sie auf dem Flur unterwegs zu Iwamotos Quartier waren, sagte er: „So etwas wie unseren verschlossenen Raum hier gibt es manchmal in Krimis. Meistens wird zwar das Opfer darin umgebracht, aber das Prinzip ist dasselbe: Es geht um unerklärliche Verbrechen. Kurenai hat mir mal von den Krimis erzählt, die sie gelesen hat, und …“

„Weil du selbst Lesen viel zu anstrengend findest, musst du also auf ihre Erfahrungen zurückgreifen?“, fiel Temari ihm ins Wort.

„Darum geht’s jetzt nicht. Nach dem, was ich von ihr gehört habe, gibt es, rein logisch betrachtet, drei Möglichkeiten, wie man so einen verschlossenen Raum aufbrechen kann. Erstens, es ist gar kein verschlossener Raum, sondern sieht nur so aus. Wenn zum Beispiel irgendwo ein Ersatzschlüssel existiert, mit dem man hineinkann, oder wenn das Schloss nicht richtig sperrt. Die Kammer mit unserer Leiche war ein perfekt abgeschlossener Raum, so viel können wir jedoch sagen. Abgesperrt und dazu versiegelt.“

„Und die anderen zwei Möglichkeiten?“

„Zweitens, das Verbrechen, in unserem Fall das Verschwinden der Leiche, fand statt, bevor der Raum zu einem abgeschlossenen Raum wurde. Das ist ebenso unmöglich, weil wir mit eigenen Augen Manjo in der Kammer liegen gesehen haben, ehe wir sie versiegelt haben. Und drittens, das Verbrechen fand erst statt, nachdem der Raum schon nicht mehr abgeschlossen war.“

„Du meinst, jemand hat die Leiche verschwinden lassen …“

„… als wir bereits die Tür aufgesperrt und das Siegel gelöst hatten und durch den Stromausfall abgelenkt waren, ja.“

„Aber es ist doch trotzdem unmöglich, oder? Die Tür war nur einen Spalt geöffnet. Kein menschlicher Körper hätte da durchgepasst, und schon gar keiner, der noch dazu eine Leiche trägt. Außerdem war es nur ein paar Sekunden lang wirklich dunkel. Konoe hat doch danach gleich ihren Leuchtstab gezückt.“

Shikamaru kratzte sich im Genick. „Um ehrlich zu sein, ist mir der Gedanke gekommen, Manjos Geist könnte sich ganz einfach verflüchtigt haben, sobald die Tür offen war.“

„Blödsinn.“

„Leider. Sonst hätten wir vielleicht schon die Lösung.“

Temari überlegte. Shikamaru fiel auf, dass sie dabei mit dem Zeigefinger gegen ihre Wange piekte. „Aber heißt das nicht, dass keine dieser drei Möglichkeiten zutrifft? Ist es dann nicht wirklich ein perfektes Verbrechen, das bis auf Rokken niemand verüben könnte?“

„Nicht ganz. Die Bücher, die Kurenai gelesen hat, waren für Nicht-Ninjas geschrieben. Uns Ninjas steht noch eine vierte Möglichkeit offen.“

„Jutsus“, murmelte Temari. „Nein, Tauschjutsus.“

Er nickte. „Nigishima-sensei, der Weiße Blitz, drängt sich hier förmlich auf. Er hat ein eigenes Tauschjutsu konzipiert, das es ihm erlaubt, sogar unbewegliche Objekte miteinander zu tauschen. Warum sollte es nicht auch mit einer Leiche funktionieren? Er muss nur sein Chakra darauf aufbringen, hat er gesagt.“

„Ich verstehe. Und Nigishima-san war einer derjenigen, die Manjo in die Kammer getragen haben. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, ihn mit seinem Chakra zu markieren.“

„Richtig. Trotzdem ist diese Theorie voller Lücken. Erstens kann es Zufall gewesen sein, dass er die Leiche getragen hat. Zweitens – warum sollte er uns überhaupt so bereitwillig von seinem Tauschjutsu erzählen, wenn er so eine Farce abziehen will? Und drittens, und das ist das Hauptproblem …“

„Drittens liegt nichts in der Kammer, womit er die Leiche getauscht hätte“, beendete Temari seinen Satz. „Ich bezweifle stark, dass es mit Luft oder irgendetwas Gasförmigem funktioniert. Was ist mit dem Tuch? Könnte er Leiche samt Tuch mit einem anderem Tuch getauscht haben?“

„Allein vom Aussehen her würde ich sagen, dass es dasselbe Tuch ist wie das, das wir auf Manjos Kopf gelegt haben. Wir könnten es Konoe untersuchen lassen; ich bin mir sicher, dass wir darauf Hautschuppen oder Haare von Manjo finden. Nein, auf mich wirkt es so, als wäre die Leiche unter dem Tuch weggezaubert worden. Oder getauscht, ohne etwas dafür zum Tausch zu verwenden.“ Ein Taschenspielertrick also oder ein zweifelhafter Handel, bei dem jemand übers Ohr gehauen wurde. Und Shikamaru hatte das Gefühl, dass dieser Jemand im Moment noch sie beide waren.

Sie waren vor Iwamoto-senseis Zimmer angekommen. Auf ihrer Tür prangte immer noch der Blutfleck und erinnerte an die grausige Tat. Die Kunoichi schien sich daran nicht zu stören; sie war in ihrem Zimmer, als sie vorsichtig klopften. „Was gibt es?“, fragte sie unfreundlich.

„Wir hätten ein paar Fragen zu der Sache mit dem Generator“, sagte Temari. Es war vermutlich besser, wenn eine Kunoichi aus ihrem Land mit Iwamoto redete.

Die Miene von Rokkens Lehrerin war eisig kalt. „Wozu? Ihr habt euren Mörder doch schon. Hört schon auf, jeden Stein dreimal umzudrehen.“ Sie wollte die Tür schließen, doch Temari schob ihren Fuß in den Rahmen.

„Wir ermitteln weiter, weil wir versuchen Rokkens Unschuld zu beweisen.“

„Oder eher seine Schuld, nehme ich an.“

„Ist er schuldig oder nicht?“, schaltete sich nun Shikamaru ein.

Iwamoto sah ihn lange an, als überlegte sie, ob er einer Antwort würdig war. „Ich bin mir sicher, dass er unschuldig ist.“

„Dann werden wir höchstens entlastende Beweise finden. Sagen Sie uns bitte, was Sie wissen.“

Mit einem Schnauben schlug Iwamoto-sensei die Augen nieder. „Na schön.“

 

Sie erlaubte ihnen, sich zuerst Rokkens Zimmer anzusehen. Viel gab es dort nicht: Außer dem Bett und seiner Ninjaausrüstung hatte er keine persönlichen Gegenstände dabei. Alles wirkte unverdächtig.

„Meinst du, wir finden die Leiche irgendwo im Turm?“, fragte Temari.

„Müssen wir theoretisch, immerhin kann wegen des Sturms keiner den Turm verlassen.“

„Du klingst nicht überzeugt.“

„Bin ich auch nicht. Der Täter scheint unerklärliche Rätsel zu lieben. Also nehme ich einfach mal an, dass wir die Leiche nicht finden können, obwohl sie eigentlich irgendwo hier sein müsste.“ Shikamaru wusste gar nicht, ob nicht nur Trotz oder Resignation aus ihm sprachen.

„Alles in Ordnung“, seufzte er schließlich und sie traten wieder in den Flur zu Iwamoto-sensei, die mit verschränkten Armen gewartet hatte.

„Ein Verdächtiger braucht wohl keine Privatsphäre?“, fragte sie kühl.

„Die Kammern hier sind sowieso mehr Gefängniszellen. Ein Bett und rissige Felsen reichen nicht aus, um irgendetwas Privates zu beschützen“, sagte Shikamaru grimmig. „Wussten Sie übrigens, dass Manjo-san Rokken-kuns Vorbild war?“

Sie schürzte die Lippen. „Er hat es ein- oder zweimal erwähnt, ja.“

Als Nächstes brachte sie die beiden zum Generator im Erdgeschoss. Wieder hörte man hier den Lärm des Sturms ohrenbetäubend laut. Vor den Fenstern wirbelten immer noch Sandkörner herum; ohne die Deckenlampen wäre es sicher ziemlich düster gewesen. Iwamoto öffnete die Tür zum Raum mit der klobigen, alten Maschine, die wieder brav vor sich hin surrte. Eine Schriftrolle steckte in einer Öffnung und glühte bläulich; sie speiste den Generator mit Chakra.

Iwamoto öffnete eine metallene Abdeckung, die nicht einmal angeschraubt war. „Dieses Kabel hier hat gefehlt“, sagte sie und deutete auf ein dickes, grünes Ding. „Es verbindet die Stromquelle mit dem Stromkreis im Turm. Der Generator hat weitergearbeitet, aber die Lampen haben keine Elektrizität mehr bekommen.“

„Was heißt das, es hat gefehlt? Es hat nicht jemand durchgeschnitten oder so?“

„Gefehlt heißt gefehlt. Es war nicht mehr da.“

„Kann man es denn einfach so rausziehen?“

„Es hat Stecker an beiden Enden. Seht ihr?“ Iwamoto-sensei zog ruckartig an einem Ende des Kabels und riss damit einen der kleinen, weißen Stecker heraus. Einen halben Herzschlag später wurde es dunkel. Man konnte etwas schaben hören, dann hatte die Kunoichi das Kabel wieder angeschlossen und das Licht ging wieder an. „Das andere Ende funktioniert genauso.“

„Ziemlich einfach, den Strom abzustellen“, bemerkte Shikamaru, als sie wieder in den Eingangsbereich traten.

Iwamoto schloss die Tür hinter sich, aber es schien keinen Schlüssel zu geben. Dann zuckte die große Frau mit den Schultern. „Der Generator wurde in Sunagakure zusammengebaut und musste mit dem vorhandenen Stromnetz hier verbunden werden. Außerdem ist es ganz praktisch, dass man das Kabel so schnell wechseln kann. Es schmort immer mal wieder durch.“

„Kein Wunder, bei der Hitze“, murmelte Shikamaru. In der Generatorkammer war es besonders heiß und stickig gewesen, aber selbst hier im Eingangsbereich des Turms war es nur unwesentlich angenehmer – und das, obwohl der Sandsturm nur wenig Sonnenlicht durchließ. Vielleicht funktionierte er ähnlich wie ein Backofen. Shikamaru warf einen Blick auf das Thermometer neben der Tür. „Das Ding da ist auch kaputt“, stellte er trocken fest. „Sicher ist es sogar für ein gewöhnliches Thermometer zu heiß. Vielleicht solltet ihr wirklich ein digitales benutzen.“

„Weil wir ja eben festgestellt haben, dass elektronische Geräte hier so fehlerfrei funktionieren“, spottete Temari.

Shikamaru wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Ich hoffe nur, wir können den Fall bald lösen und das Turnier beenden. Ich konnte letzte Nacht schon kaum schlafen, und irgendwann schmilzt mir noch mein Nervenkostüm weg.“

„Schlafmangel ist das Einzige, was ihn zur Weißglut bringen kann“, erklärte Temari Iwamoto-sensei, die die Aussage mit einem eisigen Blick quittierte.

 

„Das Kabel hat also gefehlt“, rekapitulierte Shikamaru, als er und Temari wieder allein in der Kantine saßen und sich zwei Schüsseln mit Reisbrei und Hühnerfleisch gefüllt hatten. Das ständige Umherlaufen und Denken machte dann doch hungrig.

„Das heißt, jemand hat es absichtlich rausgerissen, damit der Strom ausfällt“, sagte sie.

„Was aber nicht heißt, dass der Stromausfall uns gegolten hat.“

„Aber es ist sehr wahrscheinlich.“

„Richtig.“

Temari drehte ein Fleischstückchen mit ihren Stäbchen um. „Lass uns überlegen … Iwamoto-san hat ein Alibi. Reis-Anji auch, nachdem er im verschlossenen Arztzimmer geschlafen hat, das der Mörder erst nach Manjos Tod wieder geöffnet hat.“ Sie lächelte gequält. „Falls er nicht auch aus einem geschlossenen Raum verschwunden ist.“

„Anji-kun und Iwamoto-san also“, meinte Shikamaru. „Du hast recht, sie können den Mord nicht begangen haben. Aber warum denken wir eigentlich, dass der Mörder gleichzeitig derjenige war, der die Leiche zum Verschwinden gebracht hat?“

Sie sah ihn verdutzt an. „Ich dachte, das wäre klar? Hast du nicht auch so bei Rokken argumentiert?“

„Ich habe da allerhand argumentiert, damit die anderen endlich Ruhe geben“, sagte er bitter.

„Wer sollte es sonst gewesen sein?“

„Gute Frage. Es war nur eine spontane Idee von mir. Mir ist eingefallen, dass Nigishima-sensei von einem Diebstahl berichtet hat. Dann dachte ich mir, da wir ja mehrere Verbrechen aufzuklären haben, gibt es vielleicht auch mehrere Täter.“

„Das vereinfacht die Sache nicht gerade“, stellte sie unglücklich fest.

Er seufzte. „Du sagst es.“

Eine Weile aßen sie still, aber Shikamaru meinte, die Zahnräder hinter Temaris Stirn genauso schnell rattern zu hören wie seine eigenen.

„Irgendetwas haben wir übersehen“, meinte sie dann. „Irgendetwas Gravierendes.“

Shikamaru drehte ein Fleischstückchen in seinem Reis um und bemerkte, dass er wohl unbewusst angefangen hatte, Temari zu imitieren. „Wir müssen drei Fragen beantworten“, sagte er dann. „Das Wer, das Warum und das Wie. Wer hat die Leiche verschwinden lassen? Das ist der Kernpunkt. Wie und warum hat er das getan? Wenn wir eines dieser Rätsel lösen, können wir vielleicht auch die anderen beiden beantworten. Also erst mal, warum? Warum hat jemand die Leiche verschwinden lassen? Was ist das Motiv?“

„Da fallen mir einige Dinge ein“, meinte Temari. „Vielleicht mag unser Verschwindibus Rokken einfach nicht und wollte es ihm in die Schuhe schieben. Oder es ist, wie wir anfangs dachten, und Konoe hat bei der Untersuchung etwas Wichtiges übersehen, das er verbergen will.“

„Mir fällt sogar noch eine Möglichkeit ein“, sagte Shikamaru. „So kommen wir also nicht weiter. Dann überlegen wir, wie die Leiche zum Verschwinden gebracht wurde. Nachdem wir glauben, dass ein Jutsu mit im Spiel war, können wir den Verdächtigen sicher entlarven, wenn wir draufkommen.“

„Das sagst du so leicht.“

Shikamaru ließ die Geschehnisse seit gestern Abend Revue passieren. Wer konnte es getan haben? Wer hätte etwas davon, wenn die Leiche auf eine so unerklärliche Weise verschwand, dass es schon wieder spektakulär war? Nur der Mörder? Sie hatten eine Menge Befragungen durchgeführt. Hatte einer der Genin eine Bemerkung fallen gelassen, die sie weiterbrachte?

Dabei haben wir ihm gezeigt, wie gut wir sind!

Er würde es nie zugeben, aber ich glaube, er wurde ziemlich in die Enge gedrängt.

Wenn die Ermittlungen noch länger dauern, wäre mir das eigentlich ganz recht.

Warum sollten wir hier sonst überhaupt mitmachen?

 „Ich hab’s“, sagte er plötzlich, noch immer in seine Schüssel starrend.

„Damit meinst du nicht zufällig das letzte Fleischstückchen in deinem Brei?“, fragte Temari vorsichtig.

„Nein, unseren Verschwindibus. Warte.“ Er überschlug noch einmal die Möglichkeiten, setzte den schattenhaften Figuren in seinem Kopf, die mit dem Fall zu tun hatten, nacheinander verschiedene Gesichter auf. „Nein. Alles.“

„Alles? Lass dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen!“

„Ich habe das Verschwinden und den Mordfall aufgeklärt.“ Fast hätte er gelacht. „Was für eine Ironie.“

„Dann erleuchte mich schon endlich“, sagte sie aufgeregt.

Shikamaru schwieg sie eine Weile an. Er witterte seine Chance, ihr ihre ständigen Neckereien heimzuzahlen. „Bist du sicher, dass du nicht selbst darauf kommen willst?“

„Ja, bin ich. Jetzt sag schon!“

„Versuch es wenigstens. Es war wohl bei dieser Konstellation unausweichlich, dass die Leiche versteckt werden würde. Aber für uns ist es ungemein praktisch.“

„Hör auf in Rätseln zu sprechen“, knurrte sie. Als er nicht weiterredete, seufzte sie ergeben. „Okay. Warum ist es für uns so praktisch?“

„Weil man, wenn man weiß, wer die Leiche versteckt hat, auch ganz leicht auf den Mörder kommt.“

„Also waren der Mörder und der Verschwindibus wirklich nicht derselbe?“

„Wenn meine Theorie stimmt, nicht. Ich könnte mich zwar immer noch irren, aber ich finde meine Hypothese ganz schlüssig.“

Temari seufzte wieder. „Ich geb’s auf. Du bist ja so unglaublich schlau. Ist es das, was du hören willst? Sag’s mir schon endlich!“

„Alles?“

Sie überlegte kurz. „Nur, wie die Leiche verschwinden konnte“, entschied sie dann. „Fürs Erste.“ Wie er vermutet hatte, war sie zu stolz, um gleich die ganze Lösung anzunehmen.

Shikamaru sagte es ihr.

Hinterher lehnte sich Temari auf dem Stuhl zurück und stieß einen Pfiff aus. „Kein übler Trick“, stellte sie fest. „Eigentlich hätte ich mir denken können, dass das nicht einer allein abziehen könnte.“ Sie zögerte. „Verstehe. Deswegen können sie also nicht Manjos Mörder sein.“

„Genau. Sie haben keinerlei Motiv.“

„Bist du ganz sicher? Wir könnten das Motiv nur noch nicht in Erfahrung gebracht haben.“

„Das gilt aber für alles“, sagte Shikamaru. „Überall in unseren Schlussfolgerungen können sich Irrtümer verstecken, weil wir einfach nicht genug Informationen haben. Zum Beispiel könnte Gaara ein Jutsu besitzen, das darauf spezialisiert ist, Leichen in einem geschlossenen Raum einfach so zum Verschwinden zu bringen. Oder auch du oder ich.“

„Da ist was dran“, murmelte sie.

„Konzentrieren wir uns auf das, was wir wissen, und stellen anhand davon unsere Schlussfolgerungen auf.“

„Aber wie kommen wir dann zu unserem Mörder?“

Shikamaru schob seine halb leere Schale zur Seite. „Angenommen, ich ermorde dich“, begann er.

„Du weißt, wie man mit einer Frau spricht“, stellte sie fest.

„Meinetwegen, dann nehmen wir an, du bringst mich um“, sagte er unwillig. „Dann ist da noch jemand – irgendjemand, nehmen wir einen Unbeteiligten. Chouji.“ Sein bester Freund fiel ihm als Erstes ein. „Chouji deichselt irgendwas, um den Mord Rokken in die Schuhe zu schieben. Schließlich fällt, wenn die Leiche aus einem geschlossenen Felsenraum verschwindet, automatisch der Verdacht auf den Felsenschieber. Warum würde Chouji ihm also einen Mord anhängen wollen, den du begangen hast?“

„Ich würde sagen, weil wir zusammenarbeiten“, sagte sie. „Oder weil wir beide Rokken nicht mögen.“

„Möglich. Vergiss aber nicht, dass es kurzfristig beschlossen wurde, die Leiche fortzusperren. Es war also nicht von Anfang an euer Plan.“

„Hm. Und wenn wir, Chouji und ich, eben unsere Chance gewittert haben, ihm eins auszuwischen? Oder wenn wirklich was an der Leiche übersehen wurde?“

„Wenn Chouji Rokken in unserem Szenario eins auswischen wollte – meinst du, er würde so ein Risiko eingehen? Immerhin, wenn die Ermittler doch noch draufkommen, was wirklich mit meiner Leiche geschehen ist, läuft er Gefahr, in einen Mordfall verwickelt zu werden. Obwohl er, was den Mord angeht, unschuldig ist. Als Ninja hat man doch ganz andere Methoden, jemandem eins auszuwischen – und vergiss nicht, dass Rokken ein vierzehnjähriger Genin ist.“

„Okay“, meinte Temari. „Dann das, was wir die ganze Zeit über schon vermutet haben. Konoe hat irgendetwas an der Leiche übersehen.“

„Das kann ich auch entkräften.“

„Und wie?“

„Indem wir uns jetzt die Leiche holen und sie Konoe erneut zum Untersuchen geben.“

Temari starrte ihn mit großen Augen an.

 

Sie brauchten trotz allem fast eine Stunde, um Manjos Leiche zu bergen. In aller Heimlichkeit wickelten sie ihn in eine Decke und brachten ihn Konoe. Das Transportieren der Leiche war sogar weniger eklig als gedacht, obwohl sie gerade gegessen hatten. Immerhin waren sie Shinobi und an den Tod gewöhnt. Es war nicht angenehm, aber Shikamaru hielt es für angebracht, jeden Zweifel auszuräumen, und den Mörder zu fassen war wichtiger, als sich die Hände sauber zu halten.

Die Iryonin aus Sunagakure staunte nicht schlecht. „Wo habt ihr ihn her?“, rief sie aus.

„Wir haben doch gesagt, wir suchen ihn“, erwiderte Shikamaru kurz angebunden. „Sei so gut und führe noch mal eine gründliche Untersuchung durch.“

„Gern, aber ich glaube nicht, dass irgendetwas anderes als bisher dabei rauskommt“, meinte sie und betrachtete zweifelnd den Körper. „Eher weniger.“

„Tu es trotzdem, bitte. Und sieh auch nach, ob sich seit dem letzten Mal etwas geändert hat – neue Fingerabdrücke oder so.“

Konoe zuckte mit den Schultern. Da sie eigentlich Rokken bewachen sollte, der in seinem Gefängnis im Sand immer noch wie ein begossener – und sehr apathischer – Pudel aussah, transportierten Shikamaru und Temari die Leiche erst in den Untersuchungsraum. Um Manjos sterbliche Überreste nicht nochmal alleine zu lassen, ging dann nur Temari Konoe holen und blieb selbst bei Rokken. Shikamaru gesellte sich zu ihr, während die Iryonin mit der neuerlichen Untersuchung begann. „Lästig, ständig auf Nummer sicher gehen zu müssen“, meinte er. „Sollten wir nicht eigentlich Gaara um Erlaubnis fragen, ehe wir seine Wache austauschen?“

Temari winkte ab. „Er ist immer noch mein Bruder, Kazekage hin oder her. Mein jüngerer Bruder. Ein paar Schritte ohne seine Zustimmung werde ich da ja wohl tun dürfen.“

Über eine Stunde blieb Konoe in der Untersuchungskammer. Mittlerweile war es Abend geworden. „Egal, was Konoe sagt“, erinnerte Shikamaru Temari, „das Argument, dass sie etwas übersehen hat, kann man immer bringen. Wenn aber sonst alles an meiner Theorie schlüssig ist, sollten wir den Mörder damit konfrontieren.“

„Ist ja gut“, murmelte sie.

Konoe kam schließlich erschöpft wieder in die Arena zu Rokkens Gefängnis. Jener hatte während Temaris und Shikamarus gelegentlicher Gespräche immer wieder mit hoffnungsvollem Blick aufgehorcht, sich aber keine Frage zu stellen getraut.

„Bevor ihr fragt“, begann Konoe, „die Leiche ist jetzt wieder allein in der Kammer. Aber wenn ich bis jetzt nichts gefunden habe, finde ich auch künftig nichts mehr. Und es weiß doch gar niemand, dass ihr sie gefunden habt, oder?“

„Demnach hast du also nichts Besonderes an der Leiche entdeckt?“, fragte Shikamaru.

„Nichts“, bestätigte sie seufzend. „Warum auch immer Rokken die Leiche versteckt hat, ich kann nichts finden, das auf ihn hindeutet. Oder auf einen der anderen – oder überhaupt auf etwas Neues.“ Rokken öffnete den Mund, schwieg aber weiterhin aufmerksam.

„Dachte ich mir“, nickte Shikamaru. „Hatte er den Schlüssel zur Arztkammer dabei?“

„Nein. Der fehlt.“

„Das hab ich mir auch gedacht.“

„Wie schön, dass du neuerdings unter die Hellseher gegangen bist“, schnaubte Temari. „Was hat das jetzt zu bedeuten?“

„Es festigt meine Theorie. Stell dir einen schlauen Mörder vor, der Desinfektionsmittel aus dem Arztzimmer stehlen will. Ich jedenfalls würde Manjos Leiche den Schlüssel abnehmen, ins Arztzimmer gehen, die Flaschen mitnehmen, das Arztzimmer wieder zusperren und der Leiche den Schlüssel wieder zustecken. Dann könnte jeder der Dieb sein, beziehungsweise würde man nicht so schnell vermuten, dass überhaupt etwas fehlt, wenn die Tür nicht sperrangelweit offen steht.“

„Also wollte der Mörder, dass man den Diebstahl bemerkt? Den Verdacht hast du ja schon mal geäußert.“

„Genau. Kannst du dir auch denken, warum?“

Konoe hatte dem Wortwechsel schweigend zugehört. „Wieso sagt ihr ständig der Mörder und der Dieb? Ich dachte, Rokken wäre es gewesen?“

„Nur eine wilde Theorie von mir“, winkte Shikamaru ab. „Mach dir keine Gedanken. Danke für deine Mithilfe. Wir lassen von uns hören, wenn es etwas zu verkünden gibt.“ Er marschierte wieder Richtung Kantine, wo es zu der Zeit noch ruhig war, und Temari folgte ihm. Konoe blieb ratlos vor Rokkens Gefängnis stehen und schüttelte den Kopf.

„Denk an Manjo“, sagte Shikamaru, als sie wieder allein waren. „Wir müssen wieder unsere drei Fragen klären. Warum sollte ihn jemand töten wollen?“

„Das hatten wir schon“, murmelte Temari. „Wir haben einige Motive gesammelt. Zum Beispiel Rache. Manjo hat im Land der Reisfelder randaliert.“

„Der Einzige aus diesem Land ist Anji, und der hat ein Alibi“, widersprach Shikamaru. „Das ihm, wohlgemerkt, der Mörder selbst versehentlich verschafft hat.“

„Ich weiß, ich zähle ja nur die Motive auf“, meinte sie gereizt. „Als Nächstes Neid. Er hat sich einiges zu Schulden kommen lassen, ist aber trotzdem kürzlich Jonin geworden.“

„Was die anderen Jonin aus Sunagakure verdächtig macht“, nickte Shikamaru anerkennend. „Was noch?“

„Eifersucht oder Liebe wäre noch ein Motiv. Manjo war ein als Casanova getarnter Macho und hat regelrecht gebrochene Herzen gesammelt.“

„Fällt dir noch was ein? Stell dir wieder vor, du hättest mich umgebracht und Chouji würde es Rokken in die Schuhe schieben. Welchen Grund hättest du gehabt, mich zu töten?“

„Und bei der Sache sollen die Flaschen mit der Desinfektionslösung eine Rolle spielen?“ Temari runzelte die Stirn.

„Der Mörder wollte, dass man den Diebstahl bemerkt“, wiederholte Shikamaru. „Genauso wie er wollte, dass die Leiche im Flur schnell gefunden wird. Denk dran, dass Chouji in unserem kleinen Spiel versucht hat, jemand anderem den Mord in die Schuhe zu schieben. Vielleicht war das ja gar nicht das erste Mal, dass so etwas vorgekommen ist.“

Temari hob staunend die Augenbrauen. „Du meinst …“

„Richtig. Die Leiche ist nicht verschwunden, weil an ihr noch Hinweise auf den Mörder zu finden waren. Sie verschwand einzig um des Verschwindens willen; damit Rokken verdächtigt wird. Es ist doch ebenso möglich, dass Manjo nur getötet wurde, damit es einen Mord aufzuklären gibt. In unserem Vergleich: Du hast mich umgebracht, um Chouji etwas anzuhängen. Und Chouji hat das erkannt und lässt die Leiche verschwinden, damit wiederum Rokken wie der Täter aussieht.“

Temari stieß einen Pfiff aus und lachte dann leise. „Ganz schön fies von mir. Also glaubst du, dass Chouji und ich keine Verbündeten sind? Wegen dem Flaschendiebstahl, oder?“

„Genau.“

„Okay, aber wenn mein Motiv ist, Chouji in die Bredouille zu bringen, wie konnte Chouji dann dahinterkommen, wenn wir … wenn die Ermittelnden das selbst noch nicht vermutet haben?“

„Das ist genau der Punkt“, sagte Shikamaru zufrieden. „Diejenigen, die in diesem Fall verstrickt sind, wissen mehr als wir beide, die Ermittelnden. Wo könnten sie diese zusätzlichen Informationen erlangt haben?“

Temari begriff sofort. „Während der Prüfung in der Wüste, als unsere Kameras ausgefallen waren.“ Sie legte angestrengt die Stirn in Falten. Gleich war sie bei der Lösung angekommen.

Shikamaru beschloss, ihr noch einen kleinen Schubser in die richtige Richtung zu geben. „Denk daran, wo wir hier sind. Und warum wir hier sind. Wir haben schon etliche Aspekte unserer Situation aufgeworfen. Das hier ist ein internationales Treffen, eine perfekte Gelegenheit für ein Attentat oder für das Ausspionieren anderer Nationen, ein Wettbewerb zwischen den Ninjadörfern, ein abgeschiedener Ort, um verhasste oder aufdringliche Kollegen loszuwerden – aber vor allem ist es eins. Die Chunin-Prüfung.“

Und da hellte sich Temaris Miene auf, und ohne nachfragen zu müssen, wusste er, dass sie verstanden hatte. Er stand energischer auf, als er sich selbst und seinen müden Knochen zugetraut hätte. „Komm jetzt. Wir trommeln alle zusammen und sagen ihnen, dass wir das Rätsel gelöst haben.“

Solidarity/Solution

Der endgültige Schiedsspruch sollte in der Arena erfolgen. Abgesehen davon, dass der Ort für die Chunin-Prüfung eine besondere Bedeutung hatte, war Rokken immer noch dort gefangen. Konoe schien ein wenig ihm geplaudert zu haben, denn er wirkte aufgeregt, als nach und nach alle Ninjas, die zurzeit im Turm waren, eintrudelten. Rokken der Felsenschieber hatte seine Furcht und Resignation abgelegt.

„Wir sind alle hier“, stellte Gaara überflüssigerweise fest, als sie sich im Kreis um den Sandkäfig aufstellten. „Was gibt es Neues? Temari sagte, ihr hättet den Mörder gefunden.“

„Der Mörder sitzt doch da drin“, meinte Takki verblüfft.

„Rokken ist nicht der Mörder. So viel sollte sogar dir mittlerweile klar sein“, erwiderte Iwamoto-sensei unwirsch.

„Temari und ich haben das Rätsel gelöst – oder eher, die diversen Rätsel, die Manjos Tod und das Verschwinden seiner Leiche umgeben“, sagte Shikamaru. „Die ganze Geschichte ist extrem lästig, also lass ich sie erzählen.“

„Warum habe ich das nur erwartet?“, schnaubte Temari. „Also, wir haben eine Möglichkeit gefunden, wie jemand anders als Rokken Manjos Leiche aus dem versiegelten Raum hätte schaffen können. Es ist eine sehr knifflige Methode, aber gerade deswegen vermuten wir, dass die Täter diesen Plan ausgearbeitet haben – um Rokken, der es viel offensichtlicher gekonnt hätte, anzuprangern.“

„Wieso sollte das Offensichtliche nicht wahr sein?“, fragte Sasaro, das Genie, und schob sich einen Streifen Kaugummi in den Mund.

„Weil es keinen Zweck hatte, die Leiche zu verstecken“, sagte Temari. „Wir haben sie geborgen und Konoe hat nichts festgestellt, das auf den Mörder hindeutet.“

Einige verblüffte Geräusche wurden laut.

„Wo war die Leiche denn?“, fragte Drescher-Takki und blies sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht.

„Dazu kommen wir gleich.“

„Es, es kann doch sein, dass Konoe-san einfach die, die passende Ausrüstung für eine umfangreiche Untersuchung gefehlt hat“, warf Nigishima-sensei ein.

„Das stimmt, aber das ist nicht der Punkt“, sagte Temari. „Weitere medizinische Ausrüstung hätten wir spätestens nach dem Sturm herschaffen können. Bis dahin hätten wir vielleicht auch so gründlich nach der Leiche gesucht und sie gefunden.“

„Wobei es natürlich auch sein kann, dass der Sturm Spuren zerstört hat“, fühlte sich Shikamaru verpflichtet zu sagen. „Aber wir haben den Gedanken verfolgt und sind auf eine Theorie gestoßen, für die vieles spricht.“

„Der Sturm?“, fragte Sasaro. „Was meinen Sie damit?“

„Später“, winkte Shikamaru ab. „Fahr bitte fort, Temari.“

„Zwei der hier Anwesenden haben zusammengearbeitet, um Manjo verschwinden zu lassen“, sagte Temari. „Es war unmöglich, die Leiche aus dem Raum zu schaffen und dabei die Tür zu benutzen. Es gab auch kein Fenster. Logischerweise waren Jutsus im Spiel. Ich könnte euch alle nun raten lassen, welche, aber das wäre gemein.“ Dabei funkelte sie Shikamaru bezeichnend an.

„Dann rückt mit der Sprache raus“, forderte Iwamoto-sensei. „Kazekage-sama, da eine Theorie für Rokkens Unschuld aufgetaucht ist, bitte ich Sie, meinen Schüler freizulassen.“

„Erst hören wir uns diese Theorie an“, bestimmte Gaara.

„Denken wir an Nigishima-senseis Tauschjutsu“, begann Temari und behielt den zappeligen Blitz-Ninja dabei genau im Auge. „Der Weiße Blitz aus Kumogakure. Er und seine Schüler haben uns davon erzählt. Er hat sein Jutsu selbst entwickelt und kann auch leblose Dinge damit tauschen, vorausgesetzt, er hat sie vorher mit seinem Chakra bestrichen. Wir haben ehrlich gesagt schon von Anfang an vermutet, dass er damit Manjos Leiche markiert hat, als er geholfen hat, sie in die Kammer zu tragen.“

„Aber, aber …“, begann Nigishima, doch Temari redete einfach weiter.

„Auch nachdem der Raum versiegelt wurde, konnte er ganz einfach die Leiche mit einem x-beliebigen Objekt tauschen, das er vorher ebenfalls berührt hatte. Und schon ist Manjos Körper aus der Kammer verschwunden.“

„In dem Fall hätte aber etwas in dem Raum liegen müssen“, wandte Gaara ein. „Nämlich das Objekt, gegen das er die Leiche getauscht hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Luft oder etwas anderes Flüchtiges als Tauschobjekt funktioniert.“

„Richtig. Es lag auch für einige Zeit etwas anderes in der Kammer. Überlegen wir, was es sein könnte … Vielleicht das Thermometer aus der Eingangshalle?“, sagte Temari.

Für einen Moment war es still in der weitläufigen Arena. Shikamaru meinte, die Zahnräder in den Köpfen der Versammelten rattern zu hören. Temari schien den Moment auskosten zu wollen, aber da er selbst die Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte, fuhr er fort: „Igawa-kun der Quecksilberninja war bei uns, als wir das Verschwinden der Leiche entdeckten. Genau genommen war er derjenige, der als Erstes durch den Türspalt geschaut hat, gerade, als das Licht ausging. Es war alles genau geplant. Nigishima-sensei hat uns übrigens erzählt, dass er einen Spezial-Shuriken vermisst, den Manjo gestohlen haben könnte. Konoe-san, hast du so etwas zufällig bei der Leiche entdeckt, als du sie erneut untersucht hast?“

„Was?“ Die rothaarige Kunoichi sah überrascht auf. „Äh, nein. Ich habe alle seine Taschen nach dem Schlüssel durchsucht. Mir ist nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Ich meine, er hatte seinen Beutel mit den Kunai und seinen eigenen Shuriken. Wie sollte dieser Spezial-Shuriken ausgesehen haben?“

Nigishima wollte etwas, sagen, aber Shikamaru unterbrach ihn. „Bemühen Sie sich nicht. Es gibt diesen Shuriken gar nicht. Nigishima-sensei wollte nur, dass wir den versiegelten Raum öffnen. Anders hätten wir das Verschwinden der Leiche nicht bemerkt. Er konnte nicht wissen, dass wir Manjo ohnehin nochmal wegen dem Schlüssel untersuchen wollten.“

„Der Reihe nach“, sagte Temari. „Was ist also alles geschehen? Wir bringen Manjos Leiche in die Kammer. Zu dem Zeitpunkt hat Nigishima-sensei bereits beschlossen, dass sie von dort wieder verschwinden soll. Er trägt sein Chakra auf Manjos Körper auf, als er ihn in die Kammer trägt. Wir legen Manjo noch ein Tuch aufs Gesicht und versiegeln den Raum. Nigishima-sensei geht zu dem Thermometer und berührt es mit seinem Chakra. Dann wirft er es einfach aus einem der Fenster im Eingangsbereich des Turms und führt sein Tauschjutsu aus – dort draußen haben wir Manjo nämlich gefunden, unweit von der Turmmauer, halb vom Sand begraben.“

„Es war echt furchtbar, ihn da raus zu zerren“, murmelte Shikamaru, der immer noch das Prasseln der Sandkörner auf der Haut und das Brennen und Jucken in Nase, Augen und Ohren spürte.

„Wir schätzen, dass Nigishima-sensei sich erst danach mit Igawa-kun abgesprochen hat. Der hat ihm dann nämlich assistiert. Er hat uns gesagt, dass er gerne mitermitteln wolle, und hatte somit eine Ausrede, mit uns zur Leichenkammer zu gehen. Igawa hat sogar im Flur, der zur Kammer führt, auf uns gewartet, damit er den richtigen Zeitpunkt nicht verpasst. Indessen hat sich Nigishima-sensei an dem Generator zu schaffen gemacht. Er hat sein Chakra diesmal auf das Verbindungskabel aufgetragen und uns dann, wieder im zweiten Stockwerk, beobachtet, wie wir die versiegelte Tür zur Leichenkammer aufmachen wollen. Genau im richtigen Zeitpunkt wirkt er sein Tauschjutsu erneut und tauscht das Kabel gegen irgendwas anderes, das er später ohne Mühe aus dem Generatorraum bergen kann. Der Strom fällt also aus, gerade als wir die Tür einen Spalt öffnen. Und hinter der Tür lagen zu diesem Zeitpunkt das Tuch und daneben das Thermometer! Und Igawa war derjenige, der genau vor dem Spalt stand. Es wurde finster, ehe wir nach drinnen sehen konnten, aber er wusste, was er zu tun hatte.“

„Igawa der Quecksilberninja“, murmelte Iwamoto-sensei düster. „Ich verstehe.“

„Das Thermometer beim Eingang ist ein altes Ding“, sagte Shikamaru und bohrte unbewusst mit dem Finger im Ohr. „Mit einer Quecksilbersäule. Eigentlich ist es zum Schreien einfach. Als Temari und ich heute Nachmittag mit Reis-An… ich meine, mit Anji-kun im Eingangsbereich nochmal über seinen heutigen Schlafplatz geredet haben, hat mich irgendetwas an der Halle gestört. Ich habe aber einige Zeit gebraucht, um rauszufinden, was. Das Thermometer war fort. Es lag bereits in der Kammer mit der Leiche.“

„Und als der Strom ausfiel, musste Igawa-kun einfach nur das Quecksilber in dem Ding manipulieren, um es zu sich zu ziehen. Nigishima-sensei selbst hat uns erzählt, dass er das Metall kontrollieren kann wie ein Wasserninja Wasser. Während es noch finster war, hatte er die Hand durch den Türspalt gestreckt und das Thermometer aufgefangen und eingesteckt. Wir anderen machten Licht und fanden die Kammer leer vor“, erklärte Temari den Trick zu Ende. „Und schon sieht es so aus, als wäre die Leiche auf mysteriöse Weise verschwunden. Oder als wäre Rokken der Schuldige.“

Totenstille, als hätte eine Explosion ihre Ohren mit Watte gefüllt. „Das ist nicht wahr! Dafür gibt es keine Beweise!“, rief Igawa aufgeregt.

„Doch, gibt es“, widersprach Shikamaru. „Nachdem wir uns von Iwamoto-sensei den Generator haben zeigen lassen, ist mir aufgefallen, dass das Thermometer nicht mehr funktionierte. Es war wieder an seinem Platz, aber die Quecksilbersäule ist nicht mehr in die Höhe geklettert. Und warum? Weil, wie wir wissen, alles Quecksilber, das Igawa-kun manipuliert, hinterher verpufft. Das Thermometer war wieder da, das Quecksilber darin ist verschwunden. Es passt alles zusammen.“

„Das, das ist doch hirnrissig!“, stammelte Nigishima-sensei. „Angenommen, wir hätten so etwas in der Art geplant! Dann hätte ich doch niemandem von, von meinem Tausch-Jutsu erzählt! Und ich hätte, hätte meinen Schülern verboten, darüber zu, zu sprechen!“ Der Weiße Blitz fuhr sich mit schweißnassen Händen immer wieder durchs Haar. Er fühlte sich eindeutig schon überführt.

„Als Sie uns davon erzählt haben, wussten Sie selbst noch nicht, dass Sie die Leiche verschwinden lassen würden“, sagte Temari. „Den Entschluss fassten Sie erst später.“

Mit einem leisen Rieseln fiel Gaaras Sandkäfig in sich zusammen. Rokken der Felsenschieber sah sich vorsichtig um, als erwartete er immer noch, bestraft zu werden. Dann trat er mit unsicheren Schritten aus dem Sandhaufen. Iwamoto-sensei stand sofort beschützend an seiner Seite.

„Okay“, murmelte Sasaro unbeeindruckt. „Heißt das jetzt, dass dieser Blitz-Heini und Igawa-kun die Mörder sind?“

„Nein“, sagte Shikamaru. „Die beiden haben nur die Leiche verschwinden lassen. Mit dem Mord haben sie nichts zu tun. Zumindest nicht direkt.“

„Ge…, genau!“

„Jetzt bin ich vollständig verwirrt“, gab Konoe zu. „Warum sollten sie die Leiche denn verstecken, wenn sie unschuldig sind?“

„Sie haben Manjo nicht zum Verschwinden gebracht, weil noch irgendwelche Spuren an der Leiche zu finden waren. Er verschwand einfach um des Verschwindens willen“, sagte Shikamaru. „Nigishima-sensei und Igawa-kun wollten Rokken den Mord in die Schuhe schieben. Ganz einfach, weil es sich anbot. Nigishima-sensei muss auf die Idee gekommen sein, als er hörte, dass wir die Leiche wegsperren wollten.“

Ratlose Gesichter.

„Zäumen wir das Pferd von hinten auf“, seufzte Shikamaru. „Nur Nigishima-sensei und Igawa-kun könnten außer Rokken die Leiche fortschaffen. Wie haben sie es getan? Das haben wir geklärt. Warum haben sie es getan? Weil sie Rokken die Tat in die Schuhe schieben wollten. Somit wäre er auch als Mörder verdächtig geworden. Und warum sollten sie so eine riskante Aktion wagen? Weil sie ihn nicht mochten? Das reicht als Motiv kaum aus. Aber ich denke, sie werden es uns bereitwillig sagen, weil wir ihnen garantieren, dass sie nicht wegen Mordes beschuldigt werden.“ Er sah die beiden erwartungsvoll an. „Ist es nicht so?“

Nigishima stieß die Luft aus. „Ja. Ja, ich gestehe. Es war meine Idee, bitte lasst also meinen, meinen Schüler davonkommen.“

Nun war es raus. Der zappelige Sensei wurde schlagartig ruhig. Igawa senkte betreten den Blick. „Und Ihr Motiv?“, fragte Gaara.

„Ich hatte den Verdacht, dass jemand Igawa-kun den, den Mord anhängen will. Deswegen, deswegen haben wir die Schuld quasi … weitergeschoben.“

„Ich kapier kein Wort“, murmelte Drescher-Takki. „Iga-chan, stimmt das? Ihr habt die Leiche mit dem Thermometer und dann … Woah.“ Ihr Teamkollege nickte peinlich berührt.

„Ich verstehe auch nicht, was das bedeuten soll“, sagte Iwamoto-sensei kühl. „Andere Länder, andere Bräuche, oder wie?“

Shikamaru seufzte einmal mehr. „Womit wir es hier zu tun haben, ist eine einzige Schlacht darum, wer wem die Leiche zuschanzen kann. Der Mörder hat gemordet, um den Mord Igawa-kun in die Schuhe zu schieben. Und Igawa-kun und sein Sensei haben die Leiche zum Verschwinden gebracht, damit stattdessen Rokken verdächtigt wird.“

„Manjo wurde getötet, damit wir einen Genin verdächtigen?“, fragte Konoe verwirrt. Noch schien bei niemandem der Groschen ganz gefallen zu sein.

„Es gibt zwar auch andere Motive, aber die sind eher unwahrscheinlich. Rache wegen Manjos Taten im Land der Reisfelder, zum Beispiel. Anji kann jedoch nicht der Täter sein. Er hat zur Todeszeit im Arztzimmer geschlafen, und das war bis nach Manjos Tod verschlossen.“

„Oh“, machte Drescher-Takki, die begriff, warum ihr Scherz mit dem Kissen nicht funktioniert hatte.

„Liebe als zweites Motiv. Beziehungsweise alles, was damit verbunden ist“, ergänzte Temari. „Da Shikamaru auf so etwas nie kommen würde, hab ich mir das überlegt. Manjo war ein berüchtigter Frauenheld. Wir wissen allerdings von keinen Streitigkeiten mit irgendeinem der hier Anwesenden; nur, dass er Iwamoto-sensei nachts belästigt hat. Aber er ist dann vor ihrer Tür gestorben und hat sie mit seinem Körper blockiert. Iwamoto-sensei kann also nicht die Mörderin sein. Konoe-san war es auch nicht. Sie hat die Leiche untersucht und hätte in dem Fall zum Beispiel einfach eine falsche Diagnose stellen müssen. Außerdem deutet nichts darauf hin, dass sie die Täterin war.“

„Könnten nicht trotzdem Igawa-kun und Nigishima-san die Mörder sein?“, fragte Iwamoto. Ihr strenger Blick schien nun ausnahmslos jeden vernichten zu wollen, der zugelassen hatte, dass ihr Schüler eingesperrt worden war. „Sie können sich ihr Alibi für die Tatzeit nur gegenseitig zusichern.“

„Genau“, kaute Sasaro. „Vielleicht hatte dieser Manjo was mit Takki-chan am Laufen.“

„So ungern ich es zugebe, daran habe ich auch schon gedacht“, sagte Temari. „Aber Takki hätte nach eigener Aussage nicht mal was dagegen gehabt. Wenn da etwas gewesen wäre, hätte sie es uns gesagt, denke ich. Damit wir den Mörder ihres Liebsten finden.“

„Krass, ihn mir als meinen Liebsten vorzustellen“, murmelte die Haudraufmaschine aus dem Reich der Blitze belustigt.

„Abgesehen davon haben die Blitzninjas alle kein Tatmotiv“, nahm Shikamaru den Faden wieder auf. „Es ist also zwangsläufig, wie schon festgestellt: Jemand hat Manjo umgebracht, und Igawa-kun hat angenommen, dass man ihm den Mord in die Schuhe schieben will. Warum, was glaubt ihr? Wie kommen er und sein Sensei zu der Annahme, dass sie selbst das wahre Ziel des Mörders sind? Oder eher – warum glauben sie, dass wir irgendwann annehmen könnten, Igawa wäre der Mörder? Denn dass sie das tun, hat Nigishima-sensei uns eben gestanden.“

Immer noch schien keiner von sich aus zu einer Antwort zu kommen. Vielleicht waren sie einfach überfordert.

„Wir haben im Laufe unserer Ermittlungen ein wenig vergessen, wo wir hier sind“, sagte Temari. „Das hier ist auf der einen Seite die Chunin-Prüfung. Wer hierherkommt, will die Kämpfe gewinnen und die Prüfung bestehen. Und auf der anderen Seite ist es kein Geheimnis, das es ein heikles, internationales Treffen ist. Und dass sich bei solchen Gelegenheiten relativ einfach Ninjas als Genin einschleusen lassen, die in Wahrheit schon, sagen wir, Jonin sind. Warum tut man so etwas? Natürlich weil man irgendeine Art von Konspiration plant.“

„Damals in Konohagakure hat sich ein Ninja unter die Genin gemischt, der Orochimarus rechte Hand war“, sagte Shikamaru. „Das ist ebenfalls kein Geheimnis. Nun erinnert euch daran, was hier geschehen ist. Einer der Prüfer stirbt plötzlich durch eine Jonin-Level-Technik. Ganz, wie der Mörder es wollte, stellen wir die Theorie auf, dass einer der Genin in Wahrheit schon ein Jonin sein könnte. Ein junges Ausnahmetalent vielleicht, oder er hat sich einfach ein gutes Verwandlungsjutsu auferlegt. Der Finalkampf steht noch aus. Igawa-kun hat kein Quecksilber mehr, und das weiß dank seiner fröhlich schwatzenden Teamkollegin schon so gut wie jeder. Dennoch fühlt er sich durch einen plötzlichen Mord, ausgeführt von einer Jonin-Hand, bedroht, beziehungsweise sein Sensei ahnt, dass man ihm den Mord anhängen will, und schmiedet einen Plan, das Ganze stattdessen Rokken in die Schuhe zu schieben. Warum wohl?“

„Weil er selbst der Mörder ist?“, fragte Konoe stirnrunzelnd. „Nein, dann würde er ja nicht … Mir schwirrt der Kopf.“

„Mach’s nicht so kompliziert, Shikamaru“, sagte Temari trocken. „Die simple Wahrheit ist: Igawa-kun hat noch mehr drauf, außer seinem Quecksilber-Kekkei-Genkai. Er hat sich sein bestes Jutsu einfach bis ganz zum Schluss aufgehoben, wie es jeder vernünftige Genin in der Chunin-Prüfung tun würde. Nur bekommt die Sache jetzt plötzlich einen anderen Touch, wenn er sich damit als Shinobi von viel höherem Niveau outet.“

„Während der zweiten Prüfung, als die Teams in der Wüste waren, sind unsere Kameras ausgefallen“, sagte Shikamaru. „Dort ist etwas geschehen, von dem wir keine Ahnung haben. Igawa-kun hat nichts davon erzählt, weil er nicht verdächtig wirken wollte. Takki-san hat nichts gesagt, weil sie nicht genau zugesehen hat und Igawas Fähigkeiten schon kennt. Und die anderen, die es sonst noch gesehen haben, schweigen, weil sie ihm damit etwas anhängen wollen.“

„Die was gesehen haben?“, fragte Gaara.

„Igawa-kuns geheimes Jutsu. Wir vermuten, er beherrscht das Feuerelement und kann noch so einiges damit bewirken, selbst ohne Quecksilber.“

Auf diese Eröffnung hin herrschte erneut Schweigen. Fast war es Shikamaru schon gewohnt. Er nutzte die Zeit, um sich zu räuspern. Die Luft hier war unangenehm staubig.

„Wie wir auf Feuer kommen, sagen wir euch gleich“, führte Temari die Erläuterungen fort. „Fest steht eines: Igawa-kun ist ein Ausnahmetalent. Ein Ninja, dessen Fähigkeiten ihn schon fast auf Jonin-Niveau befördern.“

„Um so etwas wird übrigens immer ein viel zu großes Aufhebens gemacht“, fügte Shikamaru hinzu. „Ein gewisser blonder Chaot aus meinem Dorf ist auch schon besser als die meisten Jonin, obwohl er selbst noch ein Genin ist.“

„Gut möglich, aber sobald ein Mord wie der an Manjo passiert, schrillen bei uns allen natürlich die Alarmglocken“, sagte Temari. „Wenn Igawa-kun im Endkampf seine unglaublichen Fähigkeiten auspackt – und wir waren ja schon von seiner Quecksilbermanipulation beeindruckt –, wird er natürlich sofort der Konspiration verdächtigt. Als Jonin, der sich nur als Genin tarnt, um irgendein Attentat zu begehen. Es bleiben ihm nur zwei Möglichkeiten: Entweder, er findet eine kreative Möglichkeit, den Mord wiederum jemand anderem zuzuschanzen, was er letztendlich auch mithilfe seines Senseis getan hat. Oder er setzt seine Fähigkeit im Finale einfach nicht ein. In dem Fall wird er aber vielleicht nicht Chunin, obwohl er es verdient hätte. Wir haben gehört, dass das Reich der Blitze da ziemlich Druck macht. Natürlich könnte er uns auch einfach erzählen, dass er noch ein Ass im Ärmel hat, und schwören, Manjo nicht getötet zu haben. Die Frage wäre nur, ob wir ihm glauben würden. Offenbar hielten unsere Gäste aus dem Reich der Blitze uns für wenig vertrauenswürdig. Und offenbar hat der wahre Mörder gehofft, Igawa würde die zweite Möglichkeit vorziehen: einfach seine beste Fähigkeit nicht einzusetzen und das Finale zu verlieren.“

„Und nun müssen wir nur noch überlegen, wer davon profitieren würde, wenn Igawa-kun im Finalkampf ohne einen Klecks Quecksilber unterliegt. Natürlich sein Gegner. Sasaro, das Genie aus dem Reich des Wasserfalls. Der ebenfalls um jeden Preis Chunin werden will. Den Ehrgeiz der jungen Leute heutzutage werd‘ ich wohl nie verstehen“, murmelte Shikamaru verdrossen, während sich bereits aller Blicke auf Sasaro richteten.

Dessen Kiefer hielt plötzlich in seinen Kaubewegungen inne. „Hä?“, war das Einzige, was er hervorbrachte.

„Sasaro-kun ist ein ausgezeichneter Ninja, aber seine Fähigkeiten liegen im mittleren Chunin-Bereich. Wenn Igawa-kun es nicht wagen würde, seine geheime Trumpfkarte auszuspielen, würde Sasaro ihn ohne Probleme besiegen und das Turnier gewinnen“, fasste Temari noch einmal zusammen.

„Dann haben wir ja unseren Schuldigen“, meinte Iwamoto-sensei finster. „Ich wusste, dass es einer von denen ist. Kazekage-sama, sperren Sie diesen Jungen ein, so wie Sie es mit Rokken getan haben.“

„Sachte, sachte.“ Sasaro hob abwehrend die Hände. „Ich war’s nicht, ich schwör’s.“

Ein neuer Seufzer ließ die anderen wieder zu Shikamaru sehen. Es war lästig, ihre Aufmerksamkeit mit jedem noch so kleinen Laut an sich zu ziehen, aber manchmal unheimlich praktisch. „Er sagt die Wahrheit. Sasaro-kun hat Manjo-san nicht getötet.“

„Aber …“ Iwamoto-sensei war verblüfft.

„Denken Sie logisch darüber nach. Temari hat es doch eben gesagt. Der Täter beherrscht Jonin-Level-Techniken. Das steht außer Frage. Wäre es Sasaro-kun, müsste er gar keinen Mord begehen, um Igawa-kun zu schwächen. Er könnte ihn ganz einfach im Endkampf besiegen – zum Beispiel mit dem Chakraspeer, der Manjo das Leben gekostet hat. Ohne einen Mordfall ist es nicht gefährlich, mit seinen Fähigkeiten anzugeben. Und wir hätten ein ziemliches Spektakel erlebt. Aber was, wenn da noch jemand ist, der Sasaro-kun unbedingt als Sieger in diesem Turnier sehen will?“

Wieder diese schwindelerregenden Blicksprünge der anderen. Sie schienen endlich zu verstehen. Neun Augenpaare starrten die schweigsame Kyoko, Sasaros Teamkollegin, an.

„Bingo“, sagte Shikamaru.

 

Eine Weile war es wieder totenstill in der Arena. Man blickte fassungslos, verwirrt, ernüchtert. Kyoko selbst starrte ebenfalls nur, doch sie wirkte nicht aus dem Konzept gebracht.

„Wenn du etwas zu deiner Verteidigung zu sagen hast oder ich mich schlicht geirrt haben sollte, kannst du mich natürlich gern vom Gegenteil überzeugen, Kyoko-san“, meinte Shikamaru und wich ihrem Blick aus. Die hohe Steindecke zu begutachten war angenehmer, als im Brennpunkt des Interesses einer Mörderin ins Gesicht zu sehen.

„Schon gut“, murmelte das Mädchen. „Ich weiß, wann ich verloren habe.“ Sie führte ihre Finger vor ihr Gesicht – und war plötzlich kein Mädchen mehr. Vor ihnen stand eine erwachsene Frau, die Kyokos Mutter hätte sein können. Sie trug unscheinbare Ninjakleidung; ihr orangerotes Haar fiel ihr nun ungebändigt über die Schultern.

Einige der Versammelten schnappten nach Luft. Sie hatte ein fortgeschrittenes Verwandlungsjutsu benutzt und es für zwei Tage aufrechterhalten, ohne dass jemand etwas mitbekommen hatte. Shikamaru hatte sich so etwas schon gedacht. Von Izumo und Kotetsu, Konohas Torwächtern, wusste er, dass auch sie regelmäßig mit solchen Tricks die Anwärter der Chunin-Prüfungen foppten.

„Du gibst also zu, Manjo-san ermordet zu haben?“, fragte Gaara ruhig.

Kyoko nickte. In diesen Klamotten war nicht länger ihr halbes Gesicht verdeckt. Ihre schmalen Lippen waren zu einer blutleeren Linie zusammengepresst; das einzige Zugeständnis an ihren Frust, enttarnt worden zu sein. „Ich gestehe, dass ich diesen Sand-Ninja getötet habe, um Sasaro-kuns Gegner vom Finale zu disqualifizieren. Ich fürchtete, Sasaro-kun könnte letzten Endes seine eigenen Fähigkeiten überschätzen und gegen Igawa-kun verlieren. Ich bin bereit, die Konsequenzen zu tragen.“

„Das solltest du auch besser“, sagte Iwamoto-sensei kalt.

„Wie dürfen wir Sie denn eigentlich ansprechen? Kyoko-sensei? Oder ganz anders?“, fragte Shikamaru und merkte, dass er viel zu höflich mit ihr umsprang. Aber dass sie äußerlich so ruhig blieb, imponierte ihm. Wenn er jemals in einem solchen Schlamassel steckte wie sie gerade eben, wollte er auch so ruhig und unbeteiligt bleiben – das schonte garantiert die Nerven.

„Mein Name ist wirklich Kyoko. Ich bin nicht Sasaro-kuns Sensei, aber eine gute Freundin von ihr. Es gab, sie eingeschlossen, etliche unter den Ranghöchsten im Reich des Wasserfalls, die für den Plan gestimmt haben, einen Jonin bei den Chunin-Prüfungen einzuschleusen. Sasaro, das größte Talent der letzten Dekade, sollte um jeden Preis Sieger werden und großen Ruhm bei den anderen Nationen einheimsen.“

„Und wegen Ruhm und einem nichtssagenden Empfehlungsschreiben musste Manjo-san sterben“, sagte Konoe anklagend.

„Für ein kleines Reich wie das unsere ist es schwer, sich seinen Platz in der Welt zu erkämpfen und ernstgenommen zu werden. Der Sieger einer Chunin-Auswahlprüfung bleibt länger in aller Munde als ein Ninja, der das Finale verliert und nur als Chunin vorgeschlagen wird. Als Kunoichi kann ich meine Taten durchaus mit meinem Gewissen vereinbaren. Eines möchte ich Sie aber bitten, Kazekage-sama.“ Der ruhige Blick der Täterin fixierte Gaara. „Sasaro wusste von meiner Scharade. Ihm und seinen wirklichen Teamkameraden wurde eingeschärft, nichts zu sagen. Er hatte jedoch keine Ahnung, dass ich auch jemanden für meine Ziele töten würde. Ich bitte Sie, ihn nicht vom Turnier zu disqualifizieren. Er soll eine Chance im Finale haben.“

„Kazekage-sama, das steht doch wohl außer Frage“, sagte Iwamoto sofort. „Er ist Teil dieses Komplotts und sollte bestraft werden. Diesen Wasserfall-Ninjas kann man nicht trauen.“

Ich entscheide, wem vertraut und wer bestraft wird“, sagte Gaara. „Und ich fälle meine Entscheidung, sobald wir die ganze Wahrheit hinter alledem wissen.“

„Ich danke Ihnen.“ Kyoko blickte nun wieder Shikamaru an. „Ich verfasse nur ungern mein eigenes Urteil. Du scheinst die richtigen Schlüsse bereits gezogen zu haben. Sei so gut und erspare mir die weitere Schande.“

Als auch noch die anderen erwartungsvoll schwiegen, seufzte Shikamaru tief. Ihm blieb auch wirklich gar nichts erspart.

„Also schön. Wir wissen jetzt, dass Kyoko-san einen von Sasaro-kuns Teamkollegen ersetzt hat und sie gemeinsam zur Prüfung angetreten sind. Der Grundstein für den Mord wurde quasi schon während der zweiten Prüfung gelegt – oder sagen wir, freigeschaufelt. Da traf nämlich Sasaro-kuns und Kyoko-sans Team auf das Team aus dem Reich der Blitze, und wir wissen, dass sie gekämpft haben.“

Temari war sogar so nett, ihn bei den Ausführungen zu unterstützen. „Unsere Kameras waren durch den Sandsturm lahmgelegt, aber es lässt sich vermuten, was geschehen ist, und Kyoko-san wird es uns sicher bestätigen. Als sie, Sasaro-kun und ihre Teamkollegin gegen Igawa-kun, Takki-san und – wie hieß er noch, irgendwas mit Ta-chan – gekämpft haben, haben sie bemerkt, dass Igawa außer seinem Quecksilber noch ein Ass im Ärmel hat. Er hat ein Jutsu benutzt, das sie alle überrascht hat. Der Kampf wurde dann nicht beendet, weil der Sturm stärker wurde und die Teams schließlich in verschiedene Richtungen gelaufen sind.“

„Es war übrigens ein Feuer-Jutsu, das Igawa-kun eingesetzt hat“, merkte Shikamaru an. „Igawa beherrscht, wie gesagt, das Feuer-Element.“

„Und wie kommt ihr darauf?“, fragte Gaara. Selbst der Genin, um den es ging, sah die beiden verwundert an.

„Dazu komme ich sofort. Jedenfalls lassen Kyoko-san und Sasaro-kun ihre verletzte Teamkameradin zurück, und ihr Sensei kümmert sich um sie – ist das soweit richtig?“

Kyoko nickte.

Temari fuhr fort. „Kyoko-san kommt zu dem Schluss, dass Igawa der Quecksilberninja eine Gefahr für Sasaro-kun darstellt. Aber erst mal kommen die Teams hier im Turm an, und die Finalkämpfe beginnen. Sasaro-kun kommt wie geplant ins Finale, aber dann stellt sich heraus, dass Igawa-kun tatsächlich sein Gegner wird. Nachdem nur mehr das Finale aussteht, fasst Kyoko-san den Entschluss, jemanden zu töten. Igawa-kun selbst kann sie nicht ermorden; der Verdacht würde sofort auf seinen Finalgegner fallen. Also will sie einen Mord auf Jonin-Art begehen. Wenn nun Igawa-kun im Finale eine Technik auspackt, von der wir denken könnten, nur ein Jonin würde sie beherrschen, würden wir ihn vielleicht wegen eines Komplotts gegen den Kazekage verdächtigen – solche Dinge kommen schließlich immer wieder vor.“

„Kyoko-san sucht sich in der Nacht also ein Opfer. Es muss einer der Jonin sein. Manjo-san kommt ihr gerade recht: Er klopft gegen Iwamoto-senseis Tür im Flur und wendet Kyoko-san wahrscheinlich den Rücken zu. Er bemerkt sie zwar und dreht sich zu ihr um, aber es ist zu spät. Sie tötet ihn mit einem Jutsu, das hohe Chakrakontrolle benötigt. Dann verfeinert sie ihren Plan noch: Sie klaut Manjos Schlüssel zum Arztzimmer. Als sie nach der zweiten Prüfung dort behandelt wurde, hat sie gesehen, welche Desinfektionslösungen Sunagakure hier benutzt. Sie schließt nun also die Tür auf und stiehlt alle Flaschen, lässt die Tür dann sogar offen, sodass wir schnell merken, dass das Desinfektionsmittel fehlt. Den schlafenden Anji-kun, der sich ebenfalls dort befindet, bemerkt sie entweder nicht oder sie lässt ihn einfach in Ruhe. “

„Und warum das Ganze?“, fragte Iwamoto stirnrunzelnd. „Was hat das Desinfektionsmittel mit dem Mord zu tun?“

„Der Mord war nur Mittel zum Zweck“, erklärte Temari. „Der Diebstahl genauso. Die Desinfektionslösung kann man als Brandbeschleuniger missbrauchen. Wenn man ein wenig darüber weiß, kommt man zu diesem Schluss: Es war ein weiterer Versuch, den Mord Igawa-kun anzulasten. Nur Manjos Mörder hätte das Mittel stehlen können, und in Igawa-kuns Händen wäre es zur Waffe geworden. Sobald wir bemerkt hätten, dass er ein Feuer-Jutsu beherrscht, könnten wir annehmen, dass er das Desinfektionsmittel ganz gut gebrauchen kann.“

„Ich verstehe. Darum habt ihr auch erkannt, dass ich ein Feuer-Jutsu kann“, murmelte Igawa.

„Das war eigentlich mega-geheim!“, rief Drescher-Takki aus.

„So geheim, dass nicht einmal du es ausgeplaudert hast“, sagte Temari. „Du hast nur Anji-kun gegenüber fallen lassen, dass Igawa-kun mehr drauf hätte, als er sich vorstellen könne.“

„Und Igawa-kun hatte nach seinem Kampf gegen Rokken den Felsenschieber kein Quecksilber mehr“, ergänzte Shikamaru. „Er war praktisch gezwungen, sein Feuer-Jutsu zu benutzen. Vermutlich hätte er es gegen ein Genie wie Sasaro-kun sowieso einsetzen müssen, aber so war es unvermeidlich, sich zu outen. Bei der Besprechung nach dem Fund der Leiche kam dann mehr oder minder heraus, dass ein Genin mit überraschend weit entwickelten Jutsus der Mörder sein könnte, und dass ein solcher automatisch verdächtig wäre. Nigishima-sensei hat erkannt, dass die momentane Beweislage Igawa-kun in Gefahr bringt. Als sich die Gelegenheit ergab, hat er deshalb beschlossen, die Leiche zum Verschwinden zu bringen und somit stattdessen Rokken-kun anzuprangern.“

„Haben Sie eigentlich gewusst, dass jemand Igawa-kun absichtlich eine Falle stellen wollte?“, fragte Temari den Weißen Blitz.

„Ich, ich, naja …“ Nigishima-sensei rieb sich verlegen die Hände. „Vielleicht hatte ich einen kleinen Verdacht, aber nichts Stichhaltiges und, und ich wollte auf Nummer sicher gehen.“

„Sie wollten, dass Rokken-kun wegen Mordes verurteilt wird. Wenn wir einen Mörder gehabt hätten, hätte Igawa-kun sein Jutsu ohne Probleme einsetzen können – das haben Sie zumindest angenommen. Wer, wenn nicht der Mörder, hätte Interesse daran, dass die Leiche verschwindet? Mit dieser Logik hätten wir Rokken-kun verdächtigt, und Igawa-kun, der ja sogar ein kleines, wackeliges Alibi hatte, wäre aus dem Schneider gewesen.“

Die anderen sahen Shikamaru an, als würden sie noch auf etwas warten. „Das war’s“, sagte er. „Den Trick, wie die beiden die Leiche versteckt haben, haben wir schon erklärt. Das Motiv ist jetzt klar, und die Täterin hat schon gestanden. Habe ich irgendetwas falsch interpretiert?“

Kyoko schüttelte den Kopf. „Alles richtig.“

„Ihr wolltet Rokken tatsächlich so etwas Ungeheuerliches wie einen Mord aufbürden?“, fragte Iwamoto-sensei mit schneidender Stimme. Sie schien Nigishima und Igawa ihre Tat übler zu nehmen als den Mord selbst.

„Zum, zum Wohle meines Schülers“, verteidigte Nigishima sich. „Das verstehen Sie sicher, Iwamoto-sensei!“

Sie presste die Lippen aufeinander, sagte jedoch nichts. Shikamaru seufzte. „Da haben wir’s mal wieder. Allzu viel Ehrgeiz bringt nichts. Jeder hier war so versessen darauf, das Finale zu gewinnen, dass die Leiche eines unschuldigen Ninjas wie ein Spielzeug herumjongliert wurde. Dabei kann man sogar Chunin werden, wenn man nur die erste Runde besteht.“

„Shikamaru ist das beste Beispiel dafür, dass man unter Umständen kaum etwas für seine Lorbeeren tun muss“, sagte Temari hämisch grinsend. „Selbst so einer wird Chunin. Nehmt euch alle ein Beispiel daran.“

„Du hast damals gegen mich verloren“, erinnerte sie Shikamaru nüchtern. „Und heute bist du Jonin. Was sagt das jetzt über dich aus?“

Temaris Mund klappte auf, aber ausnahmsweise schien ihr keine Erwiderung einzufallen. Shikamaru glaubte es kaum – er hatte einen Punkt in ihren immerwährenden Sticheleien erzielt! Schließlich grinste sie. „Manchmal übertriffst du dich selbst.“ Ob sie nun seinen Seitenhieb meinte oder den eben gelösten Mordfall, blieb ungeklärt.

 

Danach war natürlich die Hölle los, und Shikamaru war heilfroh, dass seine Rolle vorbei war. Kyoko hatte sich widerstandslos in Gewahrsam nehmen und in einen Sandkäfig stecken lassen. Iwamoto-sensei hatte wiederholt gefordert, dass alle, die ihren armen Rokken verdächtigt hatten, sich bei ihm entschuldigten. Das hatten sie getan. Dann wollte sie noch, dass man beide Finalisten wegen ihrer jeweiligen Scharade disqualifizierte. Das hatten sie nicht getan, weswegen eine laute Debatte losgebrochen war, bei der Shikamaru die vier Suna-nin allein gelassen hatte.

Nigishima-sensei hatte sich bald darauf bei ihm bedankt, dass er seinen Schüler rausgehauen hatte. Shikamaru hatte abgewinkt, weil er schließlich nur die Wahrheit und nichts sonst hatte herausfinden wollen. Igawa hatte sich für seine Taten entschuldigt, und Takki überraschte Shikamaru, indem sie gestand, seine Kombinationsgabe „total cool“ zu finden.

Reis-Anji drückte ihm ebenfalls seine Anerkennung aus. „Ich hoffe, die nächste Chunin-Prüfung verläuft etwas reibungsloser. Sonst hänge ich, glaube ich, das Ninjadasein an den Nagel“, sagte der Junge trocken.

„Weißt du, ein paar meiner Freunde würden dir jetzt raten, wegen so etwas nicht einfach aufzugeben, aber ich kann dir lediglich den Rat geben: Sei nur ein Ninja, wenn dir der ganze Stress nichts ausmacht“, sagte Shikamaru. Anji lachte.

Letzten Endes wurde Kyoko allein für schuldig befunden. Eine Nachricht würde ins Reich des Wasserfalls geschickt und es aufgefordert werden, zu ihrer Tat Stellung zu nehmen. Je nachdem, wie die Antwort ausfiel, würde es ein großes oder ein eher kleines Debakel werden, und Kyoko würde ihrem Heimatdorf ausgeliefert oder nach Suna-Recht verurteilt werden. Nur gut, dass Shikamaru zu der Zeit schon wieder in Konoha sein und den Ausgang der Sache erst im Nachhinein erfahren würde.

Ein wenig später fand man auch die Flaschen mit dem Desinfektionsmittel – oder eher, die Reste davon. Ihr Inhalt war wohl aus einem Fenster in den Wüstensand geleert, die Flaschen zerschlagen und ihre Scherben unbemerkte in den Abfallcontainer in der Kantine geworfen worden.

Das Finale fand am nächsten Morgen statt, als sich der Sandsturm langsam legte. Igawa bekam keinen Nachschub an Quecksilber, aber er gewann trotzdem, wenn auch knapp. Nachdem der talentierte Sasaro ihn ordentlich aus der Reserve gelockt hatte, packte Igawa ein spektakuläres Feuer-Jutsu aus, das sicher Unmengen an Chakra fraß und die halbe Arena in Brand setzte. Schließlich wurde der Quecksilber-Ninja ganz ohne sein Quecksilber zum Sieger gekrönt. Er bekam ein Empfehlungsschreiben vom Kazekage persönlich.

Für Sasaro gab es kein solches Schreiben. Es wurde vermerkt, dass er bis ins Finale gekommen war und gut gekämpft hatte, aber Gaara schrieb, aufgrund der Geschehnisse wäre ihm ein unparteiisches Urteil nicht mehr möglich, und das Reich des Wasserfalls solle selbst entscheiden, ob er einer Chunin-Ernennung würdig war oder nicht. Somit waren Kyokos Anstrengungen, mit einem Sieg und einem hochoffiziellen Empfehlungsschreiben Eindruck bei den großen Ländern zu schinden, für die Katz gewesen. Shikamaru hoffte, dass das diesen Ehrgeizlern eine Lehre war.

Reis-Anji war letztendlich der Zweite, der eine Empfehlung bekam. „Aber … wieso ich?“, fragte er verblüfft.

„Ich hab’s den anderen Prüfern vorgeschlagen“, sagte Shikamaru. „Ich denke, dass du was im Kopf hast, und mir hat mal jemand gesagt, das sei für einen Chunin wichtiger als starke Techniken.“

Anji war perplex, dann schloss sich seine Hand fest um das Schreiben und er verbeugte sich. „Vielen Dank, Shikamaru-san.“

„Keine Ursache. Denk einfach an mich und mach dem nächsten Ermittelnden, der dich befragt, nicht unnötig das Leben schwer.“

 

Adler wurden geschickt, als der Sturm nachgelassen hatte. Das Mittagessen wurde noch in der Kantine abgehalten, dann traf Verstärkung aus Sunagakure ein, die die Bewachung von Kyoko übernahm. Alle, die seit über zwei Tagen im Wüstenturm festsaßen, kamen endlich wieder in den Genuss der stechend heißen Sonne, und sie konnten sich auf den Rückweg machen.

Zurück in Sunagakure würde Shikamaru erst mal ein ausgiebiges Bad nehmen. Ob heiß oder kalt, würde er sich noch überlegen müssen, aber das war nach all dem Stress endlich wieder eine Entscheidung, die nicht ganz so schwerwiegende Reaktionen nach sich zog.

Als sich die hohen Felsen zeigten, die Sunagakure umrahmten, fragte Temari ihn: „Du hast nicht zufällig die Absicht, noch ein paar Tage länger im Dorf zu bleiben?“

„So gern ich das täte, Tsunade hat mich wahrscheinlich schon gestern zurückerwartet“, meinte er. „Berichte und Papierkram, du weißt schon. Lauter Dinge, die ich eigentlich nicht ausstehen kann.“

„Und ich dachte immer, dir wäre Schreibtischarbeit lieber als Missionen?“

„Es ist beides lästig“, brummte er.

„Und Ermittlungsarbeit?“

„Noch lästiger als alles andere zusammen“, sagte er unglücklich.

„Dir kann man es einfach nicht recht machen.“ Sie schlug ihn zwischen die Schulterblätter. „Aber weißt du, was? Ich finde es ganz praktisch so. Wenn du immer mit Feuereifer bei der Sache wärst, hätte ich doch gar nichts zu tun.“

Shikamaru sah sie lange nachdenklich an und hoffte, dass sie beide so bald nichts mehr zu tun hatten, bei dem sein oder ihr Feuereifer gefragt wäre.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Willkommen zu meinem zweiten Shikamaru-Nara-Krimi! Wie schon der letzte wird er relativ kurz sein - auch wenn dieses Kapitel recht lange geworden ist. Einführung und so, ihr wisst ja. Ich hoffe, dass es trotzdem interessant zu lesen war. Im nächsten Kapitel geht dann die Ermittlungsarbeit los.
Dieses Mal gibt es zur besseren Orientierung auch Bilder der einzelnen Charaktere mit kurzen Steckbriefinfos.
Wie immer gilt, wer eine ENS bei Kapitelupdates wünscht, möge sich einfach bei mir melden. Ich wünsche schon mal viel Lesespaß!
UrrSharrador Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Schon wieder so ein langes Kapitel O.o Das nächste wird kürzer, versprochen. Hoffe, es hat euch soweit gefallen :) Ich habe versucht, in dieser FF mehr Dynamik zwischen den einzelnen "Verdächtigen" einzubauen - sollte im nächsten Kapitel auch mehr herauskommen. Bis dann! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich wünsche frohes Rätseln ;) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ein etwas kürzeres Kapitel dieses Mal, aber ich bin gespannt, was eure Gedanken dazu sind :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Wie man sieht, wollte ich noch nicht alles verraten, sondern noch ein paar Hinweise geben ;) Kann jemand den/die Schuldige(n) herausfinden? Ein Kapitel kommt noch. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Puh, das Kapitel war eine schwere Geburt. Ich hoffe, ich konnte alles verständlich aufklären - und man kann sich nun auch vorstellen, warum die FF "Corpse Battle" heißt :)
Damit wäre wieder mal eine FF abgeschlossen. Jz hab ich gar keine Naruto-Fanfic mehr laufen, fällt mir gerade auf ... Iwie hab ich gerade Lust, was zu den Abenteuern der Genin zu schreiben, die ich hierfür erfunden habe^^ Naja, ich bedanke mich bei allen Leserinnen und Lesern. Ich hoffe, der Krimi hat euch gefallen. Sollte jemand von euch meinen anderen Shikamaru-Krimi noch nicht kennen und Interesse haben, hier nochmal der Link zu Closed Barrier Murder.

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Kommentare zu dieser Fanfic (25)
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Von:  Nudelchen
2022-02-06T21:14:27+00:00 06.02.2022 22:14
Hey ^^

Ich bin letztens durch Zufall über deine beiden Shikamaru-Krimis und die Werwolf-Geschichte gestolpert und wollte dir gerne einen Kommentar dazu da lassen. bzw. erstmal zu „Corpse Battle“ , da diese von den drei Geschichten mein persönlicher Liebling war. Ich hatte wirklich sehr großen Spaß die Geschichte zu lesen und die Fallauflösung mitzuverfolgen.

Ich möchte dir zuerstmal ein sehr großes Lob dafür aussprechen, dass du hier einen sehr spannenden und interessanten Kriminalfall konstruiert hast. Alle nötigen Hinweise waren da, alle nötigen Hinweise in einer guten Menge und in einem guten Kontext eingestreut. So, wie es in einer guten Kriminalgeschichte eben sein sollte. Ich lese super gerne solche klassischen Detektivgeschichten (abseits von Fanfictions, also als Romane) und habe mich richtig gefreut, so einen interessanten und gut gemachten Fall in einer FF zu lesen. Und bin natürlich sehr beeindruckt, denn um alles so stimmig hinzukriegen, muss sicher sehr viel Mühe und Aufwand in der Fallplanung stecken.
Das Ganze im Naruto-Universum anzusiedeln macht es sicher noch einmal schwieriger, sich einen schlüssigen und eindeutigen Fall zu überlegen, da durch die Jutsus natürlich viel mehr und vor allem übernatürliche Möglichkeiten ins Spiel kommen, wie ein Mord begangen werden kann. Da alles so zu drehen, dass es letzten Endes nur EINE richtige Lösung geben kann, stelle ich persönlich mir sehr schwierig vor, weshalb ich auch hier wirklich beeindruckt bin, wie gut du das hinbekommen hast. Der Mord und das Verschwinden der Leiche basierten auf den jeweiligen Fähigkeiten der Täter, jedoch wirkte nichts zu convenient, der Täter wurde nicht gleich verraten, und gleichzeitig war am Ende nichts zu unglaubwürdig oder zu konstruiert. Alles klang sehr schlüssig und logisch.
In meinen Augen hast du das perfekt hinbekommen!
Den Trick mit dem Thermometer fand ich übrigens ziemlich genial und kreativ!

Die bereits existierenden Figuren und ihre Art hast du jeweils sehr gut eingefangen, fand ich. Und auch die von dir neu erfundenen Charaktere kamen für mich authentisch rüber. Irgendwie habe ich sie alle beim Lesen doch ziemlich liebgewonnen. Es ist fast schade, dass man sie am Ende der FF jetzt „gehen lassen“ muss. xD

Und schließlich wollte ich auch noch ein Lob zu der Atmosphäre geben, die das Setting – der etwas heruntergekommene, spartanisch und nüchtern eingerichtete Turm mitten in der Wüste von Sunagakure – ausstrahlt. Die Stimmung konntest du sehr eindrücklich rüberbringen und für mich persönlich war das auch eines der Dinge, die die FF für mich besonders schön zu lesen gemacht hat.

Also Respekt sowohl für den Inhalt wie auch für deinen Schreibstil und die Umsetzung dieser Geschichte!
Vielen vielen Dank für diese coole FF! ^_^

Liebe Grüße
Nudelchen ^^

Von:  Stef_Luthien
2017-09-22T22:27:33+00:00 23.09.2017 00:27
Ok, das das Tauschjutsu iwie zum Einsatz gekommen ist habe ich ja schon iwie vermutet, es ging ja nicht wirklich anders, aber das sich da ein Jonin mit einem Tarnjutsu usw für eine beträchtliche Zeit non stop so jung gemacht hat habe ich nicht erwartet. Darauf wäre ich nie gekommen, vorallem weil Kyoko wie EL-CK und Majaaaa bereits gesagt hatten einem wieder total aus dem Gedächtnis verschwunden ist.^^'
Aber zumin wurde due Leiche außerhalb von dem Sand und der Hitze getrocknet. Kann man das schon leicht mumifiziert nennen? XD

Wieder mal ein sehr spannender, gut geschriebener Krimi mit Suchtfaktor. :)

PS: Drescher-Taki!!! XD
Antwort von:  UrrSharrador
01.10.2017 12:49
Danke für deinen Kommentar! Ich seh schon, ich darf meine Täter nicht zu unauffällig machen^^'
Hm ja, Manjo hat sich da draußen vermutlich ein bisschen dahinmumifiziert ^^'
Freut mich, wenn dir der Krimi gefallen hat :)
Takki ist sogar iwie meine Favoritin unter den Genin geworden xD
Von:  EL-CK
2017-09-22T15:16:48+00:00 22.09.2017 17:16
Mir ging es ehrlich gesagt so wie Majaaaa, mir war Kyoko nicht mehr richtig präsent.... Für eine Täterin ist das natürlich praktisch 😉
Die FF war mal wieder genial...
Antwort von:  UrrSharrador
01.10.2017 12:45
Danke für den Kommi :) Für die Täterin schon, aber zum Mitraten wohl eher nicht^^
Von:  Majaaaa
2017-09-22T07:52:45+00:00 22.09.2017 09:52
Kyoko? Oje ich muss gestehen, dass Ich sie schon wieder vergessen hatte😅. Aber alles klingt plausibel 🤔 ich wäre vermutlich nicht in 100 Jahren auf das Ergebnis gekommen😂.
Die Fanfiction hat mir echt super gefallen🤗. Ich würde mich schon über einen nächsten Krimi mit Temari und Shikamaru freuen.
Super Kapitel. Hoffentlich bis zum nächsten mal
Antwort von:  UrrSharrador
01.10.2017 12:44
Danke für deinen Kommi!
Mist, da hab ich Kyoko sich wohl zu unauffällig geben lassen^^'
Freut mich, wenn sie dir gefallen hat :) Ob ich noch einen schreiben werde, weiß ich nicht, hängt von passenden Ideen und meiner Motivation ab^^
Von:  Stef_Luthien
2017-09-18T17:46:15+00:00 18.09.2017 19:46
Un ehrlich zu sein hat mich das hier eher ein wenig verwirrt. Also ich warte auch mal auf das nächste Kapitel. XD


Antwort von:  UrrSharrador
21.09.2017 19:44
Und ich dachte schon, der Krimi hier wird einfacher als der letzte ;) Das letzte Kapitel kommt in Kürze.
Von:  Majaaaa
2017-09-11T13:53:20+00:00 11.09.2017 15:53
Ich glaube es sind die Blitzninjas🤔. Obwohl ich mir nicht wirklich sicher bin. Sie wollen unbedingt Chinin werden und Rokkens mögen sie auch nicht besonders. Allerdings will ich mich jetzt auch nicht zu tief in Überlegungen stürzen, weil nachher kommt bedtimmt was anderes heraus😂.
Super Kapitel. Mach weiter so
Antwort von:  UrrSharrador
21.09.2017 19:45
Danke für deinen Kommi :) Wir werden in Kürze sehen, ob du Recht hast ;)
Von:  EL-CK
2017-09-11T12:43:18+00:00 11.09.2017 14:43
Ich halte mich da raus... Und warte aufs letzte Kapitel
Antwort von:  UrrSharrador
21.09.2017 19:44
Danke auch hier - es kommt in Bälde!
Von:  EL-CK
2017-08-31T08:35:28+00:00 31.08.2017 10:35
>>Temari und Shikamaru nickten unisono. Langsam wurden sie ein perfekt synchrones Team.<< Das ist nicht nur fürs Ermitteln mehr als wichtig 😉
Antwort von:  UrrSharrador
10.09.2017 19:08
du sagst es ;)
Von:  Majaaaa
2017-08-31T06:34:15+00:00 31.08.2017 08:34
Ich dachte wie Temari "Ich wusste es"😂. Es hat einfach nicht zu Shikamaru gepasst, dass er Rokkens Versuche sich herauszureden ignoriert hat.
Umso besser, dass es jetzt erst richtig los geht.
Irgendwie kann ich Konoe nicht richtig einschätzen 🤔. Aber mal sehen, was sich so ergibt.
Super Kapitel. Mach weiter so
Antwort von:  UrrSharrador
10.09.2017 19:09
Danke für deinen Kommi :) Ich merke schon, Konoe kommt wohl allgemein eher zwielichtig rüber :D
Von:  Stef_Luthien
2017-08-20T13:32:57+00:00 20.08.2017 15:32
Ok, es wurde ein Shuriken geklaut? Du würdest dies nicht so erwähnen, wenn es nicht wichtig wäre. Hatte das Shuriken eine spezielle Form oder iwas das erkennen lies, das es ein spezielles Shuriken ist oder sah es von außen so aus wie alle anderen? o.O
Und die Leiche ist weg, einfach so und ganz~ zufällig ging das Licht aus, als sie die Türe geöffnet haben, das kann doch kein Zufall sein. Gut das Konoe einen Leutstab dabei hatte, gehört der eigentlich zur normalen Ausrüstung von ihr dazu? Ok, ja ich finde sie etwas verdächtig.
Das Siegel der Tür kann nur Konoe lösen, richtig? Aber das Schloss könnte man sicher mit einem Dietrich oder ähnlichem ebenfalls öffnen? Was ist wenn die Decke, die die Leiche bedenkt hat für ein Tauschjutsu genutzt wurde und verdammt gut wieder an Ort und stelle gelandet ist? XD Das Siegel hält ja nur die auf, die die Türe öffnen wollen. Hier wäre ja auch das Teleportjutsu eine Möglichkeit die Leiche weg zu schaffen. Och ich bin nicht gut in sowas. Ich lasse dich nur an meinen Gedankenteil haben.
Ah und ich hatte mir auch überlegt, dass jmd den Schlüssel von Macho-Manjo geklaut hat, vllt als er betrunken war oder nachdem er starb oder noch davor, als er vllt mal abgelenkt war. XD aber dann musstest du das ja auch erwähnen. :P Ich hab keine Ahnung wie das mit dem Desinfektionsmittel aussieht, aber vllt ist der verwendete Alk darin ja Sake, aber wer würde Desinfektionsmittel trinken? Naja, vllt kann man den Alk ja iwie extrahieren und deshalb hatte Manjo Sake dabei. Und er hatte Konoe besucht oder und sie selbst hat nichts davon getrunken. Vllt lag es ja iwie daran. Und kann man jmd von innen anzünden? Das würde man von außen bemerken, also bringt das auch nichts. XD

Ok, genug der unlogischen Ideen, das ist mein kreativer Beitrag zum neuen Kapitel. XD ^^'
Antwort von:  UrrSharrador
27.08.2017 20:33
Danke für deinen Kommi!
Zu dem vom letzten Kapitel: Ich kann wirklich nichts zur Anzahl der Personen sagen :D Egal, wie ich es formulieren würde, es würde entweder zu viel verraten oder total in die Irre führen xD
Gute Frage ... da müssten wir Nigishima fragen.
Den Leuchtstab hingegen würde ich schon zur Standardausrüstung zählen - zumindest in dem Turm, in dem nur ein altersschwacher Generator für Licht sorgt. Ja, das Siegel kann nur Konoe öffnen.
Doch, du hast schließlich eine Menge Ideen, und ich lese gern deine Gedanken dazu :)


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