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Adopt a little creature

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Huhu ^^
Liebe ScarsLikeVelvet vielen Dank für den FF-Namen ;) Komplett anzeigen

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Chapter 1

Müde trat Kaoru durch seine Wohnungstür und hing den Schlüssel wie immer an sein Schlüsselbrett. Der Tag war lang gewesen, aber sie hatten im Studio auch viel geschafft, denn es stand ein neues Album an und dem wollten sie ja schließlich mit allem gerecht werden.

Leise strich er sich die Schuhe von seinen Füßen und stellte sie auf die kleine Schuhbank, die gleich neben der Tür stand. Seine Jacke war auch schnell an den Haken gehangen, danach streckte sich der, nicht mehr ganz so junge, Mann und schlüpfte in seine Hausschuhe. Zwar war er eigentlich kein großer Fan von den Dingern, aber das Laminat hatte die doofe Eigenschaft ihn immer mit kalten Füßen zu versorgen, sobald er mal etwas länger darauf herum schlich.

Somit betrat er sein Wohnzimmer und Kaoru runzelte die Stirn, als er die kleine Stehlampe hell erleuchtet vorfand. Kurz zuckte sein Blick durch den Raum, bis er auf die junge Gestalt auf dem Sofa traf.

„Hey, du bist ja noch gar nicht im Bett.“, begrüßte er die blutjunge Frau und schenkte ihr ein Lächeln.

„Nein, ich hab auf dich gewartet.“, oh, das klang irgendwie ziemlich ernst. Hoffentlich keine Probleme in der Schule, das konnte er jetzt nicht auch noch gebrauchen, da seine Zeit so schon knapp bemessen war. Zum Glück war heute Freitag und sie hatte morgen frei, ansonsten hätte er sie ohne ein weiteres Wort in ihr Bett zitiert.

„Was ist los?“, fragte er also und schlappte weiter in die Küche, wo er sich aus dem Kühlschrank eine kühle Flasche Wasser holte. Schnell griff er sich noch eine Zitrone und schnitt sie in einige Scheiben. Mit zwei Gläsern, jeweils mit zwei Scheiben Zitrone bestückt, ging er zurück ins Wohnzimmer und stellte sie auf den kleinen Couchtisch ab. Wasser war auch schnell eingefüllt und dann reichte er Yoko, so der Name der jungen Frau, ein Glas, während das zweite von seinen tätowierten Händen gehalten wurde. Zwar hätte er auch noch Lust auf eine Zigarette, aber irgendwas hielt ihn heute davon ab, Kaoru wusste allerdings selbst nicht so genau, was eigentlich.

„Du hast doch mal gesagt, ich kann immer zu dir kommen, wenn ich was über meine Adoption wissen möchte, nicht?“, darum ging es also.

„Ja, das habe ich.“

„Würdest du mir also davon erzählen? Wie ich bei dir gelandet bin, wieso meine Mutter nicht mehr hier ist und wer eigentlich mein… leiblicher Vater ist.“, Kaoru sah genau, dass es ihr unangenehm war, von ihm zu verlangen etwas über ihren richtigen Vater zu erfahren, aber er konnte es ihr nicht verübeln. Welche junge Frau, im zarten Alter von achtzehn Jahren, wollte nicht über ihre Herkunft Bescheid wissen?

„Was willst du denn genau wissen?“, fragte er nach, wobei er sich schon denken konnte, dass es eine lange Nacht werden würde.

„Alles, wenn möglich von Anfang an.“, das hatte er sich schon gedacht.

„Okay, dann würde ich sagen, da kuschelst dich in eine Decke, ich gehe mir schnell was Bequemes anziehen und dann… erzähle ich dir den Anfang deiner Lebensgeschichte.“, schmunzelte er dann doch und stand wieder auf, nachdem Yoko zustimmend genickt hatte.

 

Bevor Kaoru allerdings in seinem Schlafzimmer verschwand, machte er noch einen Abstecher ins Bad, wo er sich erst mal eine Ladung kaltes Wasser ins Gesicht schmiss. Er hatte schon immer gewusst, dass dieser Tag einmal kommen würde, aber er hatte wirklich nicht damit gerechnet, dass es einmal so plötzlich wäre. Eher hatte Kaoru damit gerechnet, dass erst irgendwas passieren musste. Der erste Freund, wo sie dessen Familie vorgestellt wurde, oder aber eine Freundin machte eine dumme Bemerkung. Vielleicht war es ja auch so und sie versuchte es nur zu verbergen, aber eigentlich war es auch egal, denn sie hatte ein Recht darauf es zu erfahren.

Schnell trocknete er sich sein Gesicht ab und blickte mit müden Augen in den Spiegel. „Dann mal los.“, murmelte er sich selbst zu und ging ohne Umwege ins Schlafzimmer, wo er sich ein labbriges Shirt aus dem Schrank angelte und auch noch eine schwarze Jogginghose den Weg an seinen Körper fand. Der Weg ins Wohnzimmer war dann schnell wieder zurück gelegt, wo Yoko schon mit wachen, fragenden Augen unter der Decke saß und geduldig wartet.

„Da bin ich wieder.“, versuchte Kaoru ein wenig locker an die Sache heran zu gehen, aber so richtig ging das nicht, da er einfach nicht wusste, wie sie am Ende reagieren würde.

Doch dann holte er einmal Luft und begann zu erzählen.

 

»Müde verlasse ich das Studio und laufe mit langen Schritten die dunklen Straßen entlang. Es ist Sommer, trotzdem weht ein frischer Wind und meine dünne Jacke lässt mehr durch, als das sie wärmt. Aber ich will mich nicht beschweren. Ich hatte einen wunderbaren Tag hinter mir und es müsste jetzt schon sonst etwas passieren, dass meine Gute Laune einen Abflug macht.

Auf dem halben Weg höre ich ein komisches, raschelndes Geräusch und mir läuft es eiskalt den Rücken herunter. Hoffentlich hingen hier nicht gerade ein paar zwielichtige Gestalten herum, das muss jetzt nun wirklich nicht sein. Da aber außer einem Rascheln nichts großartiges passiert, juckt es mich nicht weiter und ich setze mich wieder in Bewegung, da ich stehen geblieben war, wobei ein Fluchtinstinkt eigentlich angebrachter wäre. Kaum ein paar Schritte gegangen, höre ich wieder ein Geräusch, diesmal aber als würde etwas umfallen. Dumpf, wie gegen einen harten Gegenstand, scheint es gefallen zu sein. Zwar habe ich im Moment mehr Schiss, als Vaterlandsliebe, aber meine Neugier ist trotzdem noch einen Müh größer und ich bleibe wieder stehen, drehe mich erneut um und kann diesmal eine zierliche Gestalt erkennen, die an einem Glascontainer lehnt.

 

Die war gerade definitiv noch nicht da. Unwillkürlich laufe ich ein paar Schritte drauf zu und erkenne mit jedem Meter mehr, dass es sich um eine Frau handeln musste.

„Ist alles Okay mit Ihnen?“, frage ich also und bekomme erst mal gar keine Antwort. „Geht es Ihnen gut?“, nächster Versuch, diesmal ist ein leises Jammern die Antwort und mir kriecht sofort eine Gänsehaut über den Körper, aber keine Angenehme, wäre ich eine Katze, hätte ich jetzt sicherlich einen dicken Katzenbuckel.

Aber sie scheint Probleme zu haben, weswegen ich diesmal direkt auf sie zugehe und mich vor ihr hin hocke. Sofort fällt mir der runde Bauch auf. Das kann doch nicht wahr sein. Diese Frau ist äußerst Schwanger und rennt mitten durch die Nacht.

„Können Sie aufstehen?“, man kann es ja noch einmal versuchen, vielleicht bekomme ich jetzt eine Antwort, die mich auch mal annähernd zufrieden stellen würde. Die junge Frau sieht auf und erst jetzt erkenne ich, dass sie ziemlich zerschunden aussieht. Dem zu Folge würde ich mal sagen, dass sie nicht gerade freiwillig an dem schmuddeligen Container lehnt. Ihre Lippe ist aufgeplatzt, das linke Augen ein wenig geschwollen und das kleine Rinnsal Blut an ihrer rechten Schläfe macht den Anblick auch nicht unbedingt besser. Diesmal versucht sie aber aufzustehen, doch sehr weit kommt sie nicht. Zum einen scheint ihr dicker Bauch sie abzuhalten, zum anderen sicherlich ihre abhanden gekommen Kräfte.

„Warten Sie, ich helfe Ihnen.“, bin ich also hilfsbereit und helfe ihr hoch. Sofort muss ich sie stützen, da sie kaum noch auf ihren eigenen Beinen stehen kann.

So, nun habe ich sie oben, aber was mache ich jetzt mit der jungen Dame? Das Krankenhaus ist nicht in der Nähe, zumindest nicht soweit, dass ich die Strecke mit ihr zurücklegen kann. Eine Telefonzelle gibt es hier auch nicht, zudem ich eh gerade kein Kleingeld einstecken habe.

 

Wieder weht ein Lüftchen und nicht nur mich durchfährt ein Zittern. Schnell ziehe ich mir meine Jacke aus und lege sie ihr um die Schultern. Scheiß egal ob ich friere, aber sie ist schwanger und das dünne Stöffchen, was sie trägt, würde sie noch weniger warm halten, als mich mein T-Shirt.

Kurzerhand beschließe ich sozial zu sein und steuere mit ihr meine Wohnung an.

„Ich nehme Sie jetzt mit zu mir nach Hause. Dort können sie ein heißes Bad nehmen und dann schauen wir mal, ob wir ihre Verletzungen etwas versorgen können.“, kläre ich sie auch gleich über meinen Plan auf.

 

Der Heimweg kommt mir ewig vor, aber sehr schnell kommen wir auch wirklich nicht voran. Trotzdem hetze ich die junge Frau nicht, auch wenn ich langsam das Gefühl habe, dass meine Finger vor Kälte gleich abfallen. Zum Glück war es heute eine trockene Nacht, ansonsten wäre ich schon längst erfroren … und sie sicherlich auch.

Irgendwann haben wir es dann doch geschafft und das erste Mal war ich froh, dass ich direkt im Erdgeschoss wohne, denn sie noch ein paar Stockwerke weiter nach oben zu wuchten, das wäre sicherlich böse geendet. Schnell suche ich mir meine Schüssel aus der Hosentasche und sperre im nächsten Moment die Haustür und kurz danach meine Wohnungstür auf.

„So, hier ist das Bad. Setzen Sie sich bitte kurz auf die Toilette, ich lasse in der Zeit etwas Wasser in die Badewanne.“ Und ohne zu murren, tut sie es auch.

Das Wasser ist schnell eingelassen und ich drehe mich wieder um, wo sie noch genauso auf dem geschlossenen Deckel sitzt, wie ich sie da zurück gelassen habe.

„Brauchen Sie noch Hilfe beim Ausziehen, oder schaffen sie es erst mal alleine?“, Gott, ist mir das unangenehm, aber fragen muss ich wenigstens, nicht dass ich dann noch eine an den Kopf geknallt bekomme, von wegen ich sei nicht hilfsbereit.

„I… ich krieg das alleine hin.“, oh es kann sprechen, aber es erleichtert mich, denn das ist das Zeichen, dass ich mich verdrücken kann.

„Gut, wenn was ist, rufen Sie, ich bin in der Küche und bereite schnell eine warme Suppe zu.“, erkläre ich noch und bin schnell, nachdem ich noch ein flauschiges Handtuch heraus gelegt habe, verschwunden.

 

In meiner Küche angekommen, hole ich mir erst mal ein kühles Wasser aus dem Kühlschrank und die halbe aufgeschnittene Zitrone ebenfalls, die ich am Morgen schon angerissen hatte. Die Zitrone ist schnell in ein Glas katapultiert und das kühle Nass sprudelt im nächsten Moment drüber. So richtig lasse ich die Zitrone nicht wirken, kann einfach nicht anders und leere vorher schon das Glas komplett. Schnell ist es aber wieder bis zum Rand gefüllt und diesmal stelle ich es zur Seite, wo die Zitrone auch endlich ihren Job machen kann.

Nun ist es an mir passende Zutaten für eine frische Suppe zusammen zu suchen und ich stelle mal wieder fest, mir fehlt wieder die Hälfte. Nichts neues, so geht das schon mein ganzes Leben lang. Kochen ist nun mal nicht meine Stärke und wird es wohlmöglich auch nie sein. Auch egal. Zu meinem Glück habe ich noch ein Glas Gemüsefond im Kühlschrank stehen, den ich letztens erst zubereitet habe und der wird auch gleich zum Einsatz gebracht. Ein paar Karotten müssten auch noch irgendwo herum liegen, genauso wie etwas Lauch. Zwar nicht unbedingt das Beste, aber um sich so richtig von innen zu erwärmen reicht es allemal. Das Schnippeln, Putzen und Waschen ist schnell erledigt und das Gemüse findet den Weg in den Topf, wo ich es erst kurz anschwitze, bevor ich den Fond dazu gebe. Das muss jetzt nur noch etwas köcheln, dann ist es eigentlich schon fertig. Also suche ich schon mal zwei Schüsseln aus dem Schrank und hole noch zwei Löffel.

 

Das schien das Sprichwort für die junge Frau gewesen zu sein, denn sie kommt genau da, mit dem Handtuch um ihren Körper, aus meinem Bad und lugt vorsichtig in die Küche. Da fällt mir auch erst auf, dass ich ihr vielleicht auch ein paar Klamotten hätte raus legen sollen.

„Warten Sie kurz, ich hole ihnen ein paar Sachen von mir, das habe ich ganz vergessen.“, kann mir ja auch keiner Vorwerfen, denn Frauenbesuch habe ich relativ selten und schon gar keine, die ich an einem Glascontainer auflese. Über diesen Gedanken schüttele ich im nächsten Moment meinen Kopf und suche ein weites Shirt aus meinem Schrank, sowie eine enge Boxershort und eine Jogginghose. Ist zwar kein Zeug vom Designer, aber es soll ihr auch bloß den Körper erwärmen. Zum Schönheitswettbewerb hatte sie da definitiv die falsche Abbiegung genommen. Auch egal.

Mit den Sachen gehe ich wieder in die Küche, wo sie noch genauso dasteht und drücke ihr die Sachen in die Hand.

„Ziehe Sie das an, ich richte in der Zeit den Tisch her.“, weiße ich sie also mal wieder an und setze gleich noch einen Kessel mit Wasser auf. Ein Tee täte ihr bestimmt auch gut. Während ich die Schüsseln fülle, wird das Pfeifen des Kessels auch immer lauter und kurz darauf kann ich den Tee damit schon aufgießen. Die dampfende Kanne stelle ich auf den Tisch, zu den dampfenden Suppenschüsseln und zwei Tassen haben dann auch noch Platz. Der Tee ist gerade durchgezogen, da erweckt ein Schatten in meinem Augenwinkel meine Aufmerksamkeit und ich sehe die junge Frau wieder in meiner Küche stehen. Das Shirt spannt sichtlich über ihren Bauch und die Hose war ihr ein bisschen zu lang, aber dennoch besser als nichts. Bevor ich sie aber an den Tisch dirigiere, hole ich ihr noch ein Paar Hausschuhe, denn kalte Füße sind immer der Anfang allen Übels.

Erst dann halte ich ihr auffordernd den Stuhl hin, auf den sie sich auch gleich nieder lässt.

„Danke.“, verlässt es doch tatsächlich leise ihre Lippen, aber ich habe es genau gehört.

„Keine Ursache.“, winke ich aber gleich ab und setze mich ihr Gegenüber. „Greifen sie zu, bevor die Suppe kalt wird.“, bedeute ich ihr dann auch gleich, damit sie anfangen kann zu essen. Ich tu es ihr gleich und bin über die Wärme froh, die sich mit jedem weiteren Löffel mehr in mir ausbreitet. Dadurch wird mir auch langsam wieder warm. Ihr scheint es auch gut zu tun, denn sie ist mit dem Essen gut dabei, was vielleicht auch daran liegen könnte, dass sie ja zwei versorgen muss.

 

„Möchten Sie noch etwas von der Suppe?“, kann ich nicht anders zu fragen, als sie fertig ist, aber noch keineswegs satt aussieht. Schüchtern nickt sie und hält mir im nächsten Moment mir einem „Ja bitte.“ Ihre leere Schüssel hin. Dem gebe ich also nach und fülle sie erneut und stelle sie ihr vor die Nase.

Langsam werde ich aber auch neugierig. „Darf ich Ihren Namen erfahren?“, frage ich also vorsichtig. Schließlich bin ich schon gerne im Bilde, wen ich hier überhaupt verköstige, auch wenn ich mir bei ihr nicht wirklich Sorgen darüber mache, dass sie es schamlos ausnutzt. Aber dennoch ist Vorsicht besser, als Nachsicht.

„…Nora.“, nicht mehr verlässt ihre Lippen und ich brauche wirklich einen Moment, bis ich schnalle, das es ihr Name ist, den sie mir sozusagen auf den Tisch geknallt hat.

„Ich bin Kaoru.“, denke ich aber an meine gute Erziehung zurück und schenke ihr ein aufrichtiges Lächeln, was sie sogar leicht zittrig erwidert. Weiter frage ich aber erst mal nicht, sie soll lieber in Ruhe aufessen. Löchern kann ich sie dann immer noch, ihre Wunden müssen schließlich auch noch ein bisschen versorgt werden.

 

Das Essen dauert dann auch nicht mehr lange und ich stelle die leeren Schalen einfach in meine Spüle, das würde ich dann morgen erledigen, oder übermorgen… oder wann auch immer ich Zeit dafür habe.

„Setzen Sie sich schon mal aufs Sofa, im Wohnzimmer, ich geh nur schnell den Verbandskasten holen, damit ich mir Ihre Wanden ansehen und verarzten kann.“, sprudelt es auch gleich wieder aus mir heraus und sie sieht mich für einen Moment ein bisschen erschrocken kann. Nur weiß ich nicht, ob es wegen meinen vielen Wörtern ist, oder aber, weil ich mich um ihre Verletzungen kümmern möchte. Aber das ist mir ehrlich gesagt auch egal.

Sie trollt sich zum Glück dann auch und ich wusel schnell ins Bad, wo mir ihre dreckigen Sachen auffallen, die sie fein säuberlich auf die geschlossene Toilette gelegt hat. Kurzerhand schmeiße ich sie in die Waschmachine, wo eh schon passende Dreckwäsche drin ist und stelle sie an. Meine Nachbarn werden sich bedanken, da es mitten in der Nacht ist, aber was geht mich fremdes Elend an?

Der Sanikasten ist dann auch schnell in meinen Händen und ich bin mit flinken Schritten wieder im Wohnzimmer, wo Nora unschlüssig auf der äußersten Kante sitzt. Sie scheint sich nicht ganz wohl zu fühlen, aber würde ich mich sicherlich auch nicht, wenn ich in ihrer Haut stecken würde und mich nen fremder Typ aufgelesen hätte.

„So, da gucke ich es mir mal an.“, meine ich betont locker und beuge mich zu ihr herunter. Vorsichtig nehme ich ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger, drehe es sanft, erkenne aber keine weiteren Verletzungen, als die, die ich vorher schon entdeckt habe. Durch das Bad waren die Wunden auch relativ sauber.

Vorsichtig verpasse ich ihr ein Pflaster an ihrer rechter Schläfe. Ihr dickes Auge hatte sich nicht weiter verändert, zwar war die Schwellung nicht zurück gegangen, aber dicker war sie zum Glück auch nicht. Noras Lippe bekam von mir noch sanft eine Wundsalbe verpasst, dann war das Szenario eigentlich schon wieder vorbei.

Trotzdem machte es mir sorgen, dass ich sie überhaupt so vorgefunden habe. Den Verbandskasten lasse ich einfach dann auf dem Tisch stehen und ich setze mich zu ihr aufs Sofa, sehe sie an.

„Möchten Sie mir erzählen, was passiert ist?“, frage ich vorsichtig nach und schaue sie an. Sofort senkt sie ihren Blick und Noras Schulterlange Haare fallen ihr ins Gesicht.

Das heißt dann wohl Nein.

 

„Ich… hatte eine Auseinandersetzung mit meinem Freund.“ Huh? Scheinbar will sie doch etwas los werden. Aber Auseinandersetzung? Entschuldigung, aber das ist schon keine Auseinandersetzung mehr, das ist Gewalt. Und was gibt’s es schlimmeres als Gewalt? Gewalt an Frauen und selbst das wird noch übertroffen von Gewalt an schwangeren Frauen. Bevor ich aber weiter auf böse Gedanken kommen kann, redet sie dann auch schon weiter.

„Ihm hat die Farbe des Kinderzimmers nicht gepasst. Es gab einen mörderischen Zoff. Dabei ist ihm dann wohl die Hand ausgerutscht.“, murmelt sie leise, aber so richtig kaufe ich ihr das nicht ab.

„Tut mir leid, wenn ich jetzt vielleicht unverständlich rüber komme, aber nach 'wohl die Hand ausgerutscht' sieht es wirklich nicht aus.“, sofort zuckt sie zusammen und ich bereue schon wieder meinen etwas harschen Ton, aber das kann ich nicht zulassen, dass sie dieses Arschloch auch noch verteidigt. „Tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken.“, nuschel ich also und hoffe dass sie die auch annimmt.

„Nein… nein… Sie haben ja recht. Ich… weiß auch nicht, warum ich ihn immer in Schutz nehme. Man sieht ja, was jedes Mal dabei raus kommt.“

„Moment, jedes Mal?“, ich hab mich doch jetzt verhört, oder? Aber nein, sie nickt und wird noch ein bisschen kleiner, wenn das überhaupt noch geht. Solche Menschen sind doch einfach nur krank, die immer alles mit Gewalt lösen wollen. Mein Blick fällt wieder auf ihren Bauch und mich überkommt ein mulmiges Gefühl. Nora konnte ich versorgen, aber wie sieht das mit dem Baby aus?

Und wie als hätte ich es geahnt, zuckt sie zusammen und sie hält sich den Bauch.

„Ist alles in Ordnung? Soll ich einen Arzt rufen?“, frage ich schon fast panisch und ich weiß gleich gar nicht, wohin ich zuerst rennen soll, wenn sie wirklich einen Arzt braucht.

„Ja, alles gut … sie ist gerade wach und tritt … das ist manchmal ganz schön schmerzhaft.“, oh wow… stimmt, die Babys schwimmen ja nicht nur schwerelos in der Fruchtblase herum, bisschen bewegen wollen sie sich ja schließlich auch, egal ob das den Müttern nun gefällt, oder nicht.

„Okay…“, bin ich dann doch etwas beruhigt, aber noch nicht so ganz „Aber Sie sollten das wirklich kontrollieren lassen.“, lieber einmal umsonst dahin gerannt, ehe es am Ende zu spät ist.

„Mal schauen…“, bitte?

„Nix mal schauen. Wenn Sie möchten komme ich morgen auch gerne mit.“

„Was, morgen schon?“, irritiert blinzel ich sie an.

„Was haben Sie denn gedacht? Nächste Woche bestimmt nicht. Es geht hier um ihr ungeborenes Kind, das hat oberste Priorität.“

Ihren Blick daraufhin kann ich ehrlich nicht deuten. Irgendwie scheint sie es nicht glauben zu können und doch scheint sie gerührt davon zu sein.

 

„Wieso tun Sie das? Sie kennen mich doch gar nicht?“, gute Frage, nächste Frage. Ich hatte ehrlich keine Ahnung, aber sie da einfach liegen lassen wäre auch unter aller sau gewesen.

„Ich habe wirklich keine Ahnung, aber ich möchte Ihnen helfen. Ich sehe doch, dass sie Hilfe brauchen und wer bitte bin ich, wenn ich Ihnen nicht die Hilfe anbiete, die ich auch wirklich aufbringen kann?“, daraufhin fangen bei Nora die Tränen an zu kullern und mir geht die Muffe. Scheiße, was habe ich denn jetzt schon wieder verbrochen? Ich meine das doch gut und will sie keineswegs bedrängen.

„Es war… noch nie jemand so selbstlos… mir geben über.“, schluchzt sie dann und ich atme erleichtert auf. Scheinbar die Tatsache, dass ihr wirklich mal einer helfen will und die Hormone, die in ihrem Körper verrücktspielen, scheinen sie zu Tränen zu rühren. Dann tu ich dass, was ein Mann tun muss und nehme sie in meine Arme. Zärtlich streiche ich ihr über den bebenden Rücken und lass sie einfach weinen, auch wenn man Shirt in kürzester Zeit klitschnass ist, zumindest an der Stelle, wo ihre Tränen aufgesaugt werden.

 

Mit der Zeit werden ihre  Tränen weniger und auch das leichte Beben wird immer schwächer. Vorsichtig löse ich mich von ihr und sehe, dass Nora eingeschlafen ist. Mit Bedacht lege ich sie dann auf das Sofa und decke sie ordentlich zu, damit sie sich nicht noch erkältet. Kurz blicke ich von der Tür noch einmal zu ihr, bevor ich das Licht ausmache und mich selbst ins Bett verkrümel.

Irgendwas sagt mir, dass sich ab heute mein Leben komplett geändert hat und es niemals mehr so sein wird, wie es einmal war.«

 

Ein Schluck kaltes Wasser, mit einem Spritzer Zitrone rann Kaoru die Kehle hinab. Erst dann sah er wieder zu Yoko, die ihn mit aufgerissenen Augen ansah.

„Meine Mutter wurde Opfer von häuslicher Gewalt?“, diese Frage ließ Kaoru seufzen, aber er nickte.

„Ja, aber das war ab dem Tag vorbei.“, sagte er sofort.

„Du hast auf sie Acht gegeben?“

„Auf euch, aber ja, das habe ich.“, bestätigte er wieder und stellte das Glas zurück auf den Tisch, denn seine Finger waren schon richtig eisig, da er es die ganze Zeit umklammert hielt.

„Aber warum hast du denn nicht gleich einen Krankenwagen gerufen, als du sie gefunden hast?“

„Wie denn? Ich hatte doch kein Kleingeld für die Telefonzelle.“

„Und was ist mit deinem Handy?“, das ließ Kaoru grinsen.

„Süße, das war vor fast neunzehn Jahren. Da gab es noch keine Handys, okay es gab schon welche, aber die waren so groß wie eine Telefonzelle selbst und außerdem schweinig teuer. Das war nicht so wie heute, wo du die Dinger an jeder Ecke hinterher geschmissen bekommst.“, daraufhin senkte Yoko beschämt ihren Blick und Kaoru konnte ganz genau sehen, wie sich die Wangen seiner Adoptivtochter rötlich verfärbten

Chapter 2

„Aber weiter geht’s, oder bist du schon müde?“

„Müde ja, aber ich will trotzdem wissen, wie es weiter geht.“, daraufhin schüttelte Kaoru amüsiert seinen Kopf, begann aber weiter zu erzählen.
 

»Als ich am nächsten Morgen meine Augen aufschlage, klatscht mir die Sonne hemmungslos ins Gesicht und ich versuche dem elendigen Ding zu entkommen, aber zwecklos. Egal wie hoch ich mir die Decke ziehe, die Sonne blendet so sehr, das nicht mal die Decke hilft. Also gebe ich mich geschlagen und krabbel auf allen vieren aus meinem Bett. Kurz strecke ich mich und will schon ins Bad gehen, als mir die nächtlichen Ereignisse wieder einfallen.

Lautlos schleiche ich mich zum Wohnzimmer und luge durch die angelehnte Tür. Ich habe perfekten Blick auf das Sofa und kann dort eine zusammen gerollte Gestalt erkennen, die gleichmäßig und ruhig vor sich hin atmet. Erleichtert, da sie nicht einfach abgehauen ist, mache ich wieder kehrt und hole mir frische Sachen aus meinem Schrank, nur um dann endlich im Bad zu verschwinden, wo ich mir gleich ein Bad einlasse.

Normalerweise nehme ich mir dafür viel Zeit, aber heute kann ich einfach nicht entspannen, weswegen ich nach wenigen Minuten das angenehme Nass wieder verlasse und mit einem Plopp den Stöpsel ziehe, woraufhin das Wasser gleich in einem Strudel abläuft.

So schnell es geht rubbel ich mich trocken und springe in meine Jeans und Sweatshirt. Meine langen, violett schimmernden Haare föhne ich schnell und klipse mir nur meinen Pony aus dem Gesicht, da ich es einfach nicht leiden kann, wenn mir irgendwas ins Gesicht hängt. Zwar kann ich das aus Berufswegen nicht immer verhindern, aber wenigstens Privat will ich darüber die Macht haben und mir nicht noch von meiner eigenen Gardine die Sicht versperren lassen.
 

Gerade als ich aus dem Bad trete, höre ich ein leises Gähnen aus meinem Wohnzimmer und wie automatisch schiebt sich ein Lächeln auf mein Gesicht. Somit betrete ich den kleinen Raum und sehe gerade, wie sich eine verstrubbelte Nora aufrichtet.

„Guten Morgen.“, begrüße ich sie sogleich, woraufhin sie mich etwas erschrocken ansieht. Upps, sie ist wohl noch nicht ganz wach.

„Morgen.“, nuschelt sie auch nur und kämpft sich aus der Decke. Im gleichen Moment fällt mir die Waschmaschine ein, die ich ja in der Nacht schon gestartet hatte. Sofort drehe ich mich und hechte ins Bad, wo die Waschmachine natürlich gleich anzeigt, dass sie schon seit Ewigkeiten fertig ist. Ja ja, schon kapiert, ich hab‘s verpennt, und sie ihre Ruhe. Zum Glück hab ich noch einen Trockner hier drin stehen, wo ich die Sachen auch gleich hinein schmeiße, da Nora sicherlich wieder in ihre Klamotten schlüpfen will, wenn ich sie dann schon zum Arzt schleife, damit ich mir auch wirklich sicher bin, dass beiden nichts fehlt.

Das Programm dudelt also vor sich hin, was mich wieder ins Wohnzimmer treibt.

„Das Bad ist frei, Sie können sich fertig machen. Ihre Sachen sind noch im Trockner, dürften nach dem Frühstück aber auch soweit sein.“, kläre ich sie auch gleich auf. Wie in Trance nickt sie nur und watschelt dann ins Bad. Ihr Watschelgang ist mir gestern gar nicht aufgefallen, aber so verpennt amüsiert mich das Ganze dann gleich noch etwas mehr.

Aber nun ist gut. Kaoru, sei ein liebes Männchen und kümmere dich lieber um das Frühstück.

Das mache ich natürlich auch gleich und als Nora nach einer halben Stunde aus dem Bad kommt, steht schon allerlei Leckeres auf dem Tisch. Ihre Augen scheinen fast aus dem Kopf purzeln zu wollen.

„Setzen Sie sich.“, lasse ich es aber gar nicht erst dazu kommen und halte ihr den Stuhl hin, damit sie Platznehmen kann. Wie gestern setze ich mich ihr gegenüber und schweigend fangen wir an zu essen.

So richtig mag ich jetzt aber keine Stille hier haben, weswegen ich es mal wieder bin, der die Stille durchbricht.

„Nach dem Essen rufe ich uns übrigens ein Taxi, der uns ins Krankenhaus bringt, damit wir sicher gehen können, dass Ihrem Baby nichts passiert ist.“

„Okay.“, wie? Das war ja jetzt einfach. Ich hab wirklich gedacht, sie macht hier gleich eine Szene, da sie es ja nicht bräuchte. Aber okay, soll mir nur recht sein.
 

Nach dem Essen sitzen wir dann wirklich schnell in einem Taxi und das Taxi bringt uns schneller ins Krankenhaus, als es mir lieb ist. Zwar weiß ich, dass mir hier nichts bevor steht, aber Krankenhäuser allgemein sind nichts für mich. Da reicht schon die Atmosphäre aus und ich entwickel einen enormen Fluchtinstinkt. Aber da ich ja nun ein Mann bin, bleibe ich natürlich an Noras Seite und bald schon waren wir im Gynäkologiebereich. Krankenhäuer an sich sind ja schon eine Sache, aber die Gynäkologie verschärft meinen Fluchtinstinkt gleich noch mehr, vor allem da mich alle anstarren, als wir ins Wartezimmer treten. Was mich jetzt wiederum zu der Frage bringt, warum die alle so dumm gucken? Noch nie einen Mann gesehen, der seine schwangere Frau zum Arzt begleitet? So wie die alle gucken, eher nicht. Und dabei lasse ich jetzt mal aus, dass ich ja nicht mal ihr Mann bin.

Da Nora am Empfang ihr Anliegen schon preis gegeben hat, müssen wir zum Glück nicht lange warten, da es sozusagen als Notfall gehandelt wurde.

Ins Behandlungszimmer geht sie aber allein. Erstens geht es mich in dem Sinne ja nichts an und zweitens ist mir das auch ein bisschen zu intim, wer weiß wie und was und wo sie überhaupt untersucht wird. Nein, nein, ich bleibe einfach hier sitzen und warte.
 

Das Warten wurde mit einem Lächeln belohnt, als Nora aus dem Behandlungsraum kommt. Sie wirkt mit einem mal unendlich erleichtert und sieht gleich noch mal ein paar Jahre jünger aus…

„Alles gut?“, frage ich und sie nickt.

„Alles Bestens.“, na immerhin. Das beruhigt mich auch ungemein.
 

„Dann werde ich jetzt mal wieder nach Hause gehen, da ja alles in Ordnung ist.“, das ist doch jetzt nicht wirklich ihr Ernst?

„Das glauben aber auch nur Sie.“, sehe ich mich gezwungen zu sagen. Nora glaubt doch nicht wirklich, dass ich sie wieder zu ihrem Ggwalttätigen Freund lasse? Da ist sie aber ganz schön schief gewickelt.

„Aber wohin soll ich denn sonst gehen?“, gut, soweit habe ich natürlich nicht gedacht, aber auch dafür fällt mir eine ganze einfache Lösung ein und ehe ich überhaupt einmal kurz darüber nach gedacht habe, kommt mir ein „Natürlich bei mir“, über die Lippen.

Ja, ich gebe zu, ich würde genauso mit offenem Mund starren, wie sie es gerade tut, aber mal ganz ehrlich, ich bin doch wirklich tausend mal besser, als der Wichser, der seine dreckigen Pfoten nicht bei sich behalten kann und andere damit auch noch verletzt.

Bevor sie überhaupt mit protestieren anfangen kann, ziehe ich Nora in das Taxi, welches gerade angefahren ist und nenne meine Adresse. Sie scheint wirklich total überrumpelt zu sein, aber das macht es mir wenigstens einfach.
 

In den nächsten Wochen passiert nichts Außergewöhnliches. Immer wenn wir Zeit haben richten wir mein Gästezimmer babyfreundlich ein, sodass Nora auch noch ihr Bett hinein stellen kann. Da ich meistens Tagsüber nicht zu Hause bin, ist sie meistens auf sich allein gestellt. Diese Zeit nutzt sie immer um meinen schludrigen Haushalt in Ordnung zu bringen, sodass ich mich nach der Arbeit immer öfters zurücklehnen konnte, ohne noch einen Finger krumm machen zu müssen. Ein bisschen komme ich mir dadurch wieder vor, als wäre ich zurück zu Mama gezogen. Aber Noras Anwesenheit ist mir lieber, als die meiner Mutter, einfach weil Nora ihre Klappe hält und mir nicht immer Vorschriften machen will.
 

Ihr Babybauch hat mit der Zeit auch einen enormen Umfang zugelegt und ich erwische mich immer öfters bei dem Gedanken, dass ich Angst habe, sie könne jeden Moment platzen, dabei war die Fruchtblase das einzige, was wirklich platzen konnte.
 

Heute ist mal wieder Freitag und ich verlasse, eigentlich wie jeden Tag, das Studio, wo wir, also meine Band und ich, versuchen ein Album auf die Beine zu stellen. Es ist nicht wirklich einfach und es verlangt wirklich alles von uns ab, aber es macht Spaß und das empfinde ich als die Hauptsache.

Wie immer gehe ich meinen gewohnten Weg und als ich in meine Straße einbiege, setzt mein Herz einen Moment kurz aus, da genau vor meinem Hauseingang ein Krankenwagen und ein Notarzt stehen. Sofort gebe ich Gas und komme keuchend und mit heftigem Seitenstechen davor zum Stehen. Ich sollte wirklich öfters Sport machen.

Über meinen körperlichen Zustand kann ich mir allerdings keine weiteren Gedanken mehr machen, denn genau da wird Nora auf der Liege aus dem Haus bugsiert.

„Was ist denn los?“, frage ich sofort und eile zu Nora, werde aber unsanft von einem Sanitäter wieder zur Seite gezogen. „Hey, das ist meine Freundin.“, beschwere ich mich auch gleich, obwohl es nicht ganz der Wahrheit entspricht. Zwar ist Nora schon eine Freundin für mich geworden, aber nicht in dem Sinne von Beziehung, sondern einfach wirklich nur auf freundschaftlicher Ebene und ich weiß ganz genau, dass es ihr genauso geht.

„Wenn das so ist, dann steigen Sie ein, das Baby kommt.“, oh… na ob ich da wirklich dabei sein will?

„Kaoru… aaaah… bitte, komm mit“, oh Gott, oh Gott, oh Goooott.

Aber gut ,ich gebe mir einen Ruck und steige mit in den Krankenwagen. Sofort nimmt sie meine Hand, ehe Nora erneut von einer Wehe gebeutelt wird und mir fast die Hand zerquetscht. Hoffentlich lässt sie die noch ganz, schließlich brauche ich die noch. Ohne Hand lässt es sich nämlich ganz beschissen Gitarre spielen.
 

Während der Fahrt, der Fahrer fährt übrigens wie eine gesenkte Sau, zerdrückt sie immer mehr Knochen in meiner Hand und mir schießen teilweiße schon die Tränen in die Augen, da es fast unerträglich ist. Trotzdem, oder gerade deswegen, bin ich ein Mann und lasse mir nichts anmerken, ich hab halt nur immer mal was im Auge…

Dank der mörderischen Fahrweise sind wir schnell im Klinikum und genauso schnell im Kreissaal, da die Geburt von Noras Tochter scheinbar schon ziemlich fortgeschritten ist. Wie ich erfahren habe, hat sie den Notruf bis fast zum Äußersten heraus gezögert.

Wäre ich in ihrer Lage gewesen, da hätte ich schon den Hörer in der Hand gehabt, wenn ich die erste Wehe hinter mich gebracht hätte!
 

Weiter kann ich meinen Gedanken nicht nach hängen, denn da wird meine Hand wieder in Mittleidenschaft gezogen und ich schreie beinahe genauso laut, wie Nora es tut, da die Schmerzen in meiner Hand wirklich kaum noch zum Aushalten sind. Ich habe wirklich Angst, dass ich danach nie wieder Gitarre spielen kann…

Fuck, ich will gar nicht wissen, was für starke Schmerzen sie haben muss, wenn sie meine Hand so sehr quält.

„Es geht in die Endphase. Noch einmal tief Luft holen und mächtig pressen.“ Nora holt, Luft ich auch. Nora presst die Augen zusammen, ich auch. Nora schreit all ihre Schmerzen heraus, ich auch!

„Das Köpfchen ist schon gleich da. Noch einmal pressen… ja feste.“, Aaaaaaah meine Hand, meine Hand, meine Hand!

„Sehr gut. Ganz viele schwarze Haare hat sie. Will der Papa mal gucken?“, ich schwöre, mir weicht jegliche Farbe aus dem Gesicht. Nein ‘Papa‘ will natürlich nicht gucken. Bevor ich aber weiter drauf eingehen kann, schreit Nora noch einmal los, zerquetscht meine Hand nun endgültig und bringt dann ihre Tochter auf die Welt.«
 

„Du warst wirklich bei meiner Geburt dabei? Wie ein richtiger Vater?“, bei Yokos Aussage wurde Kaoru ehrlich rot und er kratzte sich verlegen im Nacken.

„Ja, ich konnte sie ja schlecht alleine lassen. Sie hatte ja niemanden.“

„Und was ist mit meinem leiblichen Vater?“

„Darauf habe ich leider keine Antwort. Nora hat danach nie wieder ein Wort über ihn verloren.“, gab er zu und strich nun Yoko eine Träne von der Wange, die sich ans Tageslicht gekämpft hatte. Das war sicherlich nicht die Antwort gewesen, die sie sich gewünscht hatte, aber das war nun mal die Wahrheit.

Chapter 3

„Willst du den Rest auch noch hören, oder lieber morgen?“

„Nein, erzähle ruhig zu Ende, ich könnte doch jetzt eh nicht schlafen.“, das konnte er verstehen.

„Okay.“, nickte Kaoru und setzte zum letzten Teil von Yokos Geschichte an.
 

»“Yoko nein, bitte nicht.“, oh, das klingt nicht gut. Und meine Vorahnung sollte sich bestätigen. Kaum betrete ich die Küche, heute bin ich mal eher von Arbeit weg, da Nora unbedingt noch etwas besorgen will, sehe ich auch schon das Ausmaß. Statt gemütlich ihren Brei zu schlucken, spuckt Yoko das klebrige Zeug quer über den Tisch und die Hälfte davon noch ihrer Mutter ins Gesicht.

Mit ihren acht Monaten hatte sie schon allerhand Dummheiten drauf und es fing damit an, den Brei überall hin zu klatschen, nur nicht in ihren Magen. Gut, ich muss zugeben, ich finde es immer wieder amüsant, wie Nora sich damit abmüht, denn bei mir futtert die Kleine komischerweise immer friedlich ihr Essen. Deswegen scheuche ich Nora einfach mal ins Bad, damit sie sich von den Karottenresten befreien kann und ich übernehme den Part der Baggerschaufel, die immer wieder die verschmierte Futterluke von Yoko ansteuert.
 

„Ich bin jetzt mal Weg, bis Später.“, nickend sehe ich Nora nach und rufe ihr noch ein „Sei vorsichtig.“, hinterher, dann ist sie wirklich schon verschwunden.

Die nächsten Stunden vergehen ziemlich zäh und als Yoko dann schon längst im Bett liegt, werde ich doch langsam ungeduldig.

Nora wollte eigentlich nur kurz was besorgen, jetzt ist sie aber schon seit Stunden unterwegs und die Sonne hat sich auch schon längst hinter dem Horizont verkrochen. Irgendwas stimmt hier nicht und es macht mich fuchsig, dass ich nichts ändern kann. Leider kann ich auch nicht einfach so los laufen, da ich ja Yoko nicht alleine lassen kann und mitnehmen geht schon gar nicht. Zwar will ich nichts herauf beschwören, aber es kann ja immer etwas passieren.
 

Weitere Stunden verstreichen und mein Kopf kippt gerade zur Seite, als es heftig an meiner Tür läutet. Sofort springe ich an diese und reiße sie auf, mit der Annahme Nora davor stehen zu sehen, aber ich werde bitter enttäuscht, da zwei Polizisten vor mir empor ragen. Und genau das, lässt mich wissen, dass eben doch etwas passiert ist.

„Guten Abend. Wohnt hier Nora Shazlin?“, sofort nicke ich.

„Ja, sie wohnt hier. Was ist denn los?“, frage ich sofort.

„Dürfen wir eintreten? Wir würden das gerne mit Ihnen nicht im Treppenhaus besprechen wollen.“

„Natürlich, kommen Sie rein.“, sofort trete ich zur Seite und lasse die beiden Herrschaften herein. Schnell lotse ich sie in die Küche und mir ist vor Aufregung schon richtig schlecht. Es können einfach keine guten Nachrichten sein, nicht wenn die Polizei schon höchst persönlich hier auftaucht.

„Was ist denn nun passiert?“, ich will es eigentlich gar nicht wissen.

„Vor wenigen Stunden wurde eine Frauenleiche gefunden. Laut dem Ausweis handelt es sich um Nora Shazlin. Mein Beileid.“
 

Die Welt ist seit dem nicht mehr das, was sie einmal war.

Ich bekomme fast gar nichts auf die Reihe. Man hat mittlerweile herausgefunden, dass Noras Mörder ihr Ex-Freund ist, was die ganze Sache nicht angenehmer macht.

Wäre das nicht schon genug, musste das Jugendamt sich natürlich auch quer stellen und ehe ich überhaupt reagieren konnte, haben die Schweine mir Yoko weg genommen.

Aber ich bin schließlich nicht Kaoru, hätte ich es mir gefallen lassen. Nein, ich habe um Yoko gekämpft und seit drei Tagen ist sie endlich wieder bei mir.

Leider habe ich verpasst, wie sie laufen gelernt hat, oder ihre ersten Worte, aber dafür habe ich sie jetzt bei mir und ich erfreue mich immer wieder aufs Neue, wenn sie mir ihr schönstes Lächeln schenkt. Auf der anderen Seite muss ich jedes Mal versuchen stark zu bleiben, denn sie sieht ihrer Mutter mittlerweile total ähnlich und das zerreißt mir immer wieder das Herz.

Auf Noras Beerdigung habe ich ihr versprochen, dass ich immer auf ihre Tochter aufpassen werde und das werde ich auch tun, einfach weil sie es verdient hat. «
 

Zärtlich nahm Kaoru das schluchzende Bündel in seine Arme und wiegte Yoko hin und her. Sie war total aufgelöst, was er ihr nicht verübeln konnte. Ihm selbst liefen auch die Tränen, die feuchte Spuren auf seinen Wangen hinterließen. Kaoru hatte schon lange nicht mehr geweint, einfach weil er immer stark für seine Ziehtochter sein wollte, aber heute musste er sie einfach laufen lassen. Er vermisste Nora so wahnsinnig, dass es schon weh tat und er würde wirklich alles dafür tun, dass er sie noch einmal wieder sehen konnte.

Der Drecksack, welcher ihr das angetan hatte, war zum Glück schon jämmerlich im Knast verreckt, was ihn mit Genugtuung erfüllte, ihn deswegen aber leider nicht glücklicher machte.

„Kö… können wir zu ihr hingehen? Bitte.“, Kaoru schluchzte laut, als er die verzweifelte Frage von Yoko hörte, aber er nickte. Scheiß drauf, dass es gerade mitten in der Nacht war, dass die Bäume draußen schon all ihre Blätter verloren hatten und das Nieselregen eingesetzt hatte.

Das einzige, was sich jetzt richtig anfühlte, war ein Besuch an Noras Grab.



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  ScarsLikeVelvet
2016-01-19T09:23:55+00:00 19.01.2016 10:23
Ehm ... ich bin jetzt einigermaßen verwirrt ... also entwirr mich mal bitte.
Nora wurde umgebracht, als Yoko acht Monate alt war und Kaoru hat sie erst mit wieviel Jahren wiedergekriegt?
*verwirrt guck*
Antwort von:  myamemo
21.01.2016 13:07
Da war Yoko vllt zwei. Darum gings mir auch net, eher darum dass er sie überhaupt wieder bekommen hat ^^
Von:  ScarsLikeVelvet
2016-01-06T16:18:25+00:00 06.01.2016 17:18
Bitte ... gern geschehen ^^
Ein wirklich interessanter Beginn
Antwort von:  myamemo
06.01.2016 17:24
Danke, hoffe bleibt auch so xD


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