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Urwaldromanze

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So meine Lieben. Und hier kommt das nächste Kapitel, leider ein bisschen zu spät. Ich hoffe ihr verzeiht mir das. Dafür kann Vaughn endlich seine 'Halluzination' wiedertreffen. Viel Spaß und bitte schreibt mir nen Kommi. Komplett anzeigen

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Langweilig.

Damit lässt sich dieser Tag zusammenfassen.

Je länger ich diesen Sonntag mit meiner süßen, hilflosen, kleinen Frau am Tisch sitzen und mir von ihrem Vater die Vor- und Nachteile verschiedener Erze anhören muss, desto mehr bereue ich es, je auf diese Insel gekommen zu sein. Das Problem ist, dass ich es nicht mal schaffen werde mich später für ein paar Stunden loszueisen um mit Hizumi ein Bier zu trinken. Denn meine liebe Frau will unbedingt, dass wir mal wieder einen schönen, romantischen Abend zu zweit verbringen. Also keine Besserung in Sicht

Ich unterdrücke ein Stöhnen und überrede meine Lider noch ein bisschen offen zu bleiben. Eigentlich sollte ich bei der Menge an Kaffee gar nicht mehr schlafen können.

Eigentlich – ein schönes Wort…

Effektiver als jedes Schaf schafft es dieser Vampir von einem Schwiegervater mich einzuschläfern, so lange bis ich ernsthaft mit der Stirn den Tisch begrüße

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Auf einmal ist es still.

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Scheiße!

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Ich schaue auf und direkt in zwei entsetzte Gesichter. Wobei, dass von Sabrina ist eher traurig bis verzweifelt. Richtig angepisst ist hingegen Regis. Das gibt das, was ich einen Ehestreit nenne: Regis, der mich vor seiner Tochter, die nun Mal auch meine Frau ist, in Grund und Boden schreit. Sabrina würde ja nie irgendwas sagen - Leider. Das überlässt sie allein ihrem Vater, der gerade bedrohlich Luft holt. Schon nach den ersten zwei Sätzen stelle ich auf Durchzug. Ist eh immer das gleiche.

Niemals hätte er seine Tochter an einen dahergelaufenen Cowboy wie mich geben dürfen, ich wäre ja sowieso nur immer hinter dem Geld her gewesen und außerdem sei ich ihrer unwürdig, etc. etc… Die Tirade dauert mal wieder ewig.

Das schlimmste ist, dass ich langsam selbst glaube, dass er Recht hat. Ich hätte sie niemals heiraten sollen.

Allein wenn ich an den Tag zurückdenke.
 

Alle haben sie uns seltsam angesehen, als könnten sie unsere Entscheidung nicht nachvollziehen. Hizumi hat mir als erstes gratuliert. Seine Stimme klang irgendwie belegt und er sah beinahe gequält aus. Ich habe nie nachgefragt.

Hizumi ist der einzige hier auf der Insel, der mich von Anfang an interessiert hat. Vielleicht hätte ich mich mehr um ihn kümmern sollen. Aber das ist nicht meine Art – und wenn er von selbst nicht redet ist das seine Entscheidung. Seit einer Woche ist er jetzt mit dieser Furie von Hexenprinzessin verheiratet. Ich frage mich echt was einen Mann zu so einem Schritt treibt. Aber ich bin wohl nicht besser. Gefangen in einer todlangweiligen Ehe mit einem nichtssagendem Mäuschen, dass es nicht schafft eine eigene Meinung zu haben und einem Horror von Schwiegervater. Wie sehr wünschte ich mir manchmal nur ein einziges Widerwort von ihr. Ein Zeichen, dass ihr nicht alles egal ist. Aber da sind immer nur Traurigkeit und der stumme, vorwurfsvolle Blick.

Nur langsam realisiere ich die plötzliche Stille um mich herum. Da hat wohl jemand mitbekommen, dass ich gar nicht zuhöre.

Leises Schluchzen.

Ich hebe den Blick. Sabrina weint…

Langsam macht sich Bestürzung in mir breit. Das wollte ich nicht. Ich stehe auf um sie in den Arm zu nehmen, aber – ihr Vater lässt mich nicht an sie heran. Stattdessen packt er mich am Kragen und reißt mich hoch. „DU!“

Tja… Ich habe es wohl ein kleines bisschen übertrieben… Ihm hat es gerade ernsthaft die Sprache verschlagen. Wenn ich ehrlich bin sieht er aus wie ein Fisch auf dem Trockenen. Wie er da mit offenem Mund rumjappst. Ich muss Denny mal fragen, ob es neon-rote Fische gibt.

Ich treibe schon wieder in Gedanken.

In letzter Zeit passiert mir das ziemlich oft. Warum weiß ich auch nicht. Vielleicht die permanente Langeweile. Vielleicht Frust, Unzufriedenheit. Das größte Problem ist, dass ich nichts ändern kann. Ich will Sabrina nicht zum Weinen bringen. Nicht schon wieder. Ich… - das bin ich ihr schuldig. Sie ist doch so – schutzlos ohne mich. Naja – und ohne Regis. Sie braucht mich. Ich… muss für sie da sein.

Plötzlich stehe ich draußen und die Tür MEINES Hauses knallt vor meiner Nase zu. Ich habe nicht mal bemerkt, dass Regis mich vor die Tür gesetzt hat. Na toll…

Von drinnen höre ich seine Stimme, wie er auf die völlig aufgelöste Sabrina einredet. Immerhin versucht er sie zu trösten, auch wenn er immer wieder einstreut, dass er es ja immer gewusst hat. Sie sei einfach zu gut für mich und er habe es ja von Anfang an gesagt… Naja, solange es nur hilft damit sie aufhört so zu weinen.

Allerdings habe ich wirklich keine Lust mehr, hier in der Kälte zu stehen und mir das anzuhören. Es ist wirklich immer das gleiche…

Und was mach ich jetzt?

Es schneit.

Der Wind treibt eisige Flocken in mein Gesicht und ich habe nicht mal eine Jacke an. Wirklich… erfrischend, die Angelegenheit. Langsam stapfe ich in Richtung Ranch. Vielleicht bekomm ich ja doch noch ein Bier…

Als ich ankomme, werde ich direkt in die nächste – berauschende – Atmosphäre gezogen. Man kann Geschirr fliegen und eine schrille Stimme kreischen hören. Nur Sekunden später knallt die Tür auf und eine blonde Furie steht wutschnaubend in der Tür – auch genannt Hexenprinzessin.

„Duuuuuh….“ Lila Augen bohren sich tief in meine und eine ekelhafte Gänsehaut kriecht meinen Nacken hoch. Ich hab grad echt das Gefühl meinem Tod ins Gesicht zu blicken. Sie geht ein paar Schritte auf mich zu. Hinter ihr taucht Hizumi auf, totenbleich und starrt mich mit schreckgeweiteten Augen an. „Vaughn…“ Seine Stimme dringt nur ganz leise zu mir, denn neben mir bricht jetzt wortwörtlich ein Orkan los.

„WAGE ES NIE WIEDER AUCH NUR IN DIE NÄHE MEINES MANNES ZU KOMMEN, GESCHWEIGE DENN IHN JE WIEDER ANZUMACHEN“

Öhm – Hä? Ich…. Was? BITTE?

„HAST DU MICH VERSTANDEN DU – DU – DU – HURE! PERVERSER, EKELHAFTER STRICHER!“

„Schatz… Bitte… Ich“… Es ist nicht gerade so als würden Hizumis Worte irgendeinen Effekt haben. Nun, zumindest keinen positiven.

Ein Blitz schlägt direkt neben mir auf den dem Boden ein und mir stehen die Haare zu Berge. Ich verstehe ehrlich gesagt gar nichts mehr, was man mir höchstwahrscheinlich auch ansieht.

Ein Taifun tobt über die Insel, die Hexe zieht entweder Blitze an, oder schleudert sie aus ihren Händen und Hizumi… Der starrt völlig entsetzt seine ‚Frau‘, mich und – naja – seine Farm an. „Hexenprinzessin – Bitte… Er – er weiß doch gar nichts…“, fleht er heiser. „ich hab nie was gesagt…?“

Öhm – was? Was weiß ich nicht? Und – war das jetzt eine Frage oder eine Feststellung? Er hört sich verdammt verängstigt an soweit man das in dem Lärm noch versteht.

Irgendwie verdammt verständlich…

Sie wirbelt herum. Es donnert, aber nichts kann das Geräusch der Ohrfeige übertönen, die in Hizumis Gesicht landet. Er taumelt und seine linke Gesichtshälfte färbt sich dunkelrot. Heftig peitscht der Wind Schnee und Hagel über die Farm. Immer wieder donnert und knallt es. Die Stimme der Hexenprinzessin trägt die gesamte Kälte des Wintersturms mit sich. „Ich erwarte dich auf Knien um Verzeihung bettelnd.“ Man kann sie perfekt verstehen, obwohl sie förmlich flüstert.

Gruselig.

Jetzt gerade tut mir Hizumi beinahe leid.

Wobei – selber schuld…

Wer heiratet auch freiwillig die Hexenprinzessin? – UND legt sich dann mit ihr an? Viel dämlicher geht es nicht mehr.

Mit einem verächtlichen Blick lässt sie uns stehen. Allerdings nicht ohne einen gekonnt dramatischen Abgang. Hey, selbst ich finde es beeindruckend wenn zum Abschied ein Blitz in den Viehstall einschlägt und alle Tiere voller Panik das Weite suchen. Immerhin haben alle überlebt – glaub ich. Soweit ich das überhaupt erkennen kann. Die Sicht ist miserabel.

Pure Verzweiflung liegt in Hizumis Blick als er mich ansieht.

Flehend.

Ich seufze.

DAS konnte er schon immer gut….

„Ich helfe dir sie einzufangen. Schafe mit in den Hühnerstall, Kühe ins Tierhaus und morgen mit Gannon reden.“ Heute würde das nichts mehr werden. Bei dem Sturm können wir froh sein, wenn uns hier draußen nichts passiert während wir die Tiere suchen.

8 Tiere….

Hizumi holt seinen Hund um die Schafe zusammenzutreiben. Ich selbst schnappe mir ein Seil und das Pferd.
 

Stunden später….

Ich kann mich kaum noch auf dem Pferd halten. Die Mistkühe haben sich über die ganze Insel verstreut – völlig verängstigt. Die Dunkelheit und der weiße Schnee ist alles was noch zu sehen ist. Aber eine Pause ist nicht drinnen. Eine Kuh fehlt noch und sie würde diese Kälte hier draußen nicht überleben. Der Hengst schnaubt unter mir, erschöpft schüttelt er die Mähne aus und trabt weiter. Er hat auch keine Lust mehr. Sein Atem hinterlässt weiße Wolken in der kalten Luft. Es knirscht unter den Hufen.

Haa-tchi!

Ouh…. Klasse

Langsam wird es wirklich kalt.

Zitternd ziehe ich den Hut tiefer ins Gesicht. Inzwischen bin ich im Dschungel angekommen. Faszinierend dass es selbst hier schneit, dabei ist es sonst auch im Winter ziemlich warm hier. Das muss daran liegen, dass der Sturm magischen Ursprungs ist. Die Spuren der dämlichen Kuh führen immer tiefer in den Busch. Heißt es nicht Tiere haben Instinkte? Warum rennt sie dann hier hin? Ich mein – klar! Ist mit Sicherheit die ungefährlichste Gegend auf der gesamten Insel! – Oder so. Überall liegen umgestürzte Bäume und in den Wipfeln knirscht es immer noch übel.

Plötzlich schlägt mir ein metallener Geruch entgegen.

…Blut?

Das hat ja gerade noch gefehlt

Hin?

Oder lieber weg…

Wer bin ich wenn ich jetzt kneife?

Ich treibe das Pferd wieder an. Mit jedem Schritt wird das Tier nervöser und unruhiger. Es schnobert und scheut. Das ganze hier gefällt ihm gar nicht. Ich kann ihm da nur zustimmen. Mir nämlich auch nicht.

Plötzlich zerreißt wildes Knurren die Stille.

Wölfe – angelockt vom Blutgeruch.

Das verdammte Pferd steigt mit einem Mal, es hat Panik.

Ich werde abgeworfen.

Ein scharfer Schmerz durchzuckt meine Schläfe.

Meine Sicht…

Verschwommen…

Die Wölfe… Sie… kommen auf mich zu! ...

Ich… Komm nicht hoch…

Es wird schwarz.
 

Langsam lichtet sich das Dunkel um mich. Ich spüre ein dumpfes Pochen in meinem Schädel, aber beinahe noch schlimmer ist mein Bein. Ich kann nichts erkennen. Alles ist ein verschwommenes Farbenmeer. Die Geräusche sind dafür überlaut und verzerrt.

Ich höre Stimmen. Zwei, glaube ich. Sie klingeln schrill in meinen Ohren. Dazu andere Geräusche. Blubbern… Schaben… Manchmal Knacken und Rauschen. Ich stöhne leise auf.

Plötzlich fühle ich etwas an der Stirn. Finger? Dann wird es kühl. Was für eine Wohltat.-.. Nachdrücklich, aber auch vorsichtig, wird mir irgendetwas Bitteres eingeflößt. Igitt! Aber immerhin kann ich jetzt das einzig Vernünftige tun und wieder einschlafen.

Als ich das nächste Mal wieder aufwache ist es dunkel. Eine Feuerstelle glimmt leicht vor sich hin, verbreitet Wärme in dem großen Raum. Ich muss mich sehr anstrengen um auch nur irgendwas zu erkennen. Immerhin weiß ich jetzt woher diese sägemühlartigen Geräusche kommen. Da auf einem Haufen Felle liegt ein Mann der fröhlich vor sich hin schnarcht. Dass der überhaupt noch Platz zwischen den ganzen Fellen hat…

Moment mal… Hat der Kerl eine Pfeife im Mund? … Während er schläft??? Oookay…. Seltsame Menschen mit seltsamen Angewohnheiten… Allerdings sollte ich sowas von dieser Insel inzwischen wirklich kennen. Normal gibt es hier einfach nicht.

Auch der Aufenthaltsort der Kuh ist jetzt klar. Zumindest stückweise. Ihr Fell auf jeden Fall hängt frisch aufgespannt auf einen Rahmen gespannt in einer Ecke des Zimmers.

Bleiben eigentlich nur noch zwei essentielle Fragen:

Wo zur Hölle bin ich gelandet? Und…

WO IST DIE TOILETTE???

Langsam krieche ich aus dem Felllager und versuche aufzustehen. Beschämenderweise brauch ich dazu fast zwei Minuten und 5 Anläufe. Schließlich aber taste ich mich mühsam an der Wand entlang Richtung Tür. Derjenigen, die passierbar scheint. Vor der anderen steht eine riesengroße Statue die ich in meinem Zustand höchstens umarme, aber niemals vom Platz kriege. Unwahrscheinlich also, dass sich irgendwas wirklich Wichtiges dahinter verbirgt. – Hoffentlich.

Ich klammer mich an der Tür fest und stolpere einen Schritt nach vorne als sie sich öffnet.

Äh…

„Mann mit schwarzem Hut sollte nachts nicht rausgehn. Wölfe suchen Beute“ Direkt vor mir, keine zwei Zentimeter von meinem Gesicht entfernt steht ein junger Mann. Er hat eine seltsame, dunkle Hautfarbe und orange Streifen im Gesicht. Gelb-braune Katzenaugen schauen mich eindringlich an. Verdammt, ich spüre wie ich rot werde. „Äh – ich…“ Schnell taumle ich einen Schritt zurück, vergesse dabei aber einen Moment meine derzeitige Situation, was mich recht unschön auf dem Hintern landen lässt.

Klasse…

Der Tigerjunge vor mir – erst jetzt sehe ich, dass er fast komplett in das gestreifte Fell der Raubkatze gekleidet ist, legt leicht den Kopf schief. „Mann mit schwarzem Hut ungeschickt…“, stellt er fest und kommt zu mir. Was hat er jetzt vor?

O-okay… starkes Bürschchen

Hebt der mich einfach so hoch.

„L-lass mich runter!“ Seit wann stottre ich eigentlich? „Du Bett sein. Nicht rumlaufen.“ Na klasse, ich fühle mich grad wie ein kleines Kind das ins Bett gesteckt wird. Und genau wie es will ich jammern, dass ich nicht ins Bett will. Ich muss aufs Klo! Und hier drin gibt es offensichtlich keins. Also muss ich raus. Logisch, oder?

„Ey - wirklich. Lass mich runter. Es ist… dringend.“ Toll. Ich werde schon wieder rot. Das ist mir seid meiner Hochzeit nicht mehr passiert. Immerhin bleibt er stehen. Wieder legt er mit diesem nachdenklichen Gesichtsausdruck den Kopf schief.

„Warum?“

Ähh… ja

„Ich … muss auf Toilette?“

„Toilette?“

Oh schön… Scheinbar werde ich nicht verstanden. Hey, es ist nicht so als hätte ich mit meiner Sprache ein Wörterbuch verschluckt oder so…

Wenn ich noch röter werde platze ich…

„Aufs Klo. Wasser lassen. Pinkeln“

„Hmm…“

Der Tigerjunge dreht sich um und trägt mich zur Tür. Selber laufen darf ich wohl nicht… Nicht dass ich es ohne Stürze hinkriegen würde… Aber dennoch. Mein armer Stolz! Mit Füßen getreten. Hinter ein paar Sträuchern setzt er mich endlich ab – und geht in die Hocke, den Blick weiter auf mich gerichtet.

Nee, oder?

Will der mir jetzt ernsthaft beim Pinkeln zugucken? Bitte nicht. Ergeben seufze ich auf, drehe mich von ihm weg. Ich beeile mich, damit ich nicht unterwegs vor Scham sterbe. Mein Selbstwertgefühl wird sich von diesem Tiefschlag nie wieder komplett erholen… Kaum bin ich fertig, fühle ich auch schon wieder die starken Arme um mich. Oooh nein! Nicht schon wieder! „Ich kann selber laufen.“ Schnell versuche ich mich zu befreien, aber wieder macht mir mein Körper einen Strich durch die Rechnung und zeigt gründlich das Gegenteil meiner Aussage. Nur dass ich dieses Mal nicht am Boden lande. Der Kleine hat wohl gute Reflexe. Zumindest stehe ich jetzt grad dicht an ihn gepresst und kann jeden Muskeln dieses wunderbar warmen Körpers spüren.

So langsam verwirre ich mich selbst…

Und vielleicht sollte ich endlich aufhören ihn Kleiner oder Junge zu nennen. So nah ist er nämlich mindestens genauso groß wie ich und vom Körperbau auch kein Kind mehr. Irgendwie fühlt sich mein Mund auf einmal so trocken an…

„Du ganz rot. Fieber. Musst Bett“, beschließt er gerade und die Information kommt herzlich langsam in meinem Hirn an. Dieses Mal tue ich nichts als ich hochgehoben werde.

Fieber? Vielleicht bin ich deshalb grad so komisch…

Im Bett angekommen vergrabe ich mich sofort in den Fellen. Es ist lausekalt und ich fühle mich elend. Aber da ist auf einmal wieder die warme Hand an meiner Schulter. Fragend gucke ich hoch – und werde angelächelt.

Süß…

Ich hab definitiv Fieber UND Halluzinationen. „Ich Shea. Du?“ Kommt es da von dem süßen Tigerjungen meines seltsam verdrehten Hirns.

„Vaughn…“ Oh, ich bin heiser. Langsam wundert mich echt nichts mehr.

„Vaughn schlafen. Bald wieder gesund“

Damit werde ich zugedeckt und meine Halluzination verschwindet in sein eigenes Bett.

Aber warum ein Junge?

Warum nicht Sabrina?

Männer sind NICHT süß!
 

Unruhige Träume, süße Kerle, Schmerzen, eine singende Kuh, und Regis, der dazu an der Stange tanzt. Da kann man doch nur noch senkrecht im Bett sitzend aufwachen. Uh, mir ist schlecht… Als dann auch noch direkt vor mir eine Hakennase mit Pfeife und stechenden Augen erscheint, bleibt mir die Luft weg. Ziemlich dämlich, wie ich da nach hinten aufgestützt im Bett liege und nach Sauerstoff jappse…

Ich werde ja immer noch angeguckt. Jetzt mit einem Grinsen, das man nicht guten Gewissens Kindern zeigen dürfte. Hilfe?

„… … …Morgen…“

Äh ja…

„Morgen?“, antworte ich perplex.

„…Du… …krank… …liegen…“

Warum haben hier eigentlich alle Sprachstörungen? „Ich muss nach Hause.“

Sabrina würde sich zu Tode sorgen. Außerdem waren wir im Streit auseinander gegangen. Sie würde sich sonst was denken. Ich will nicht dass sie noch mehr weint. Außerdem schadet die Umgebung hier meinem Hirn. Unauffällig versuche ich mich umzuschauen. HA – wie ich es erwartet habe. Von meiner Halluzination ist weit und breit nichts zu sehen.

Ob der Kerl nochmal woanders hinstarrt?

„…Verletzt… …nicht… …laufen…“

„Ich muss aber! Ich muss nach Hause“ Ich bleibe garantiert nicht hier. Wer weiß was der Kerl mir gestern gegeben hat? Jetzt schaut er mich so sauertöpfisch an, als hätte ich grad auf seiner Ehre rumgetrampelt. Okay – habe ich wahrscheinlich auch. Aber doch nur in Gedanken… Und ich bezweifle sehr dass er die lesen kann. Naja, ich hoffe es. Wenn das so weitergeht glaube ich nämlich bald an alles.

„…dummer… …dummer… …Mann…“

Okay? Aber immerhin lässt er mich aufstehen. Mühsam wanke ich davon, mich noch kurz bedankend. Ich schulde ihm nichts. Schließlich hab ich nicht um Hilfe gebeten. Und die Kuh hatte er gratis obendrein bekommen.

Armer Hizumi…

Naja, da ist echt nichts mehr zu machen. Und ich hab mein Bestes gegeben. Mehr kann er echt nicht verlangen. Es reicht dass ich mich fast habe umbringen lassen… Hoffentlich weiß er das mindestens zu Schätzen.

Als ich den Wald verlasse, höre ich ein Rascheln hinter mir, aber als ich mich umdrehe sind außer ein paar bebenden Blättern nichts zu sehen.

….

Auf nach Hause jetzt.

Sabrina wartet…

Auch wenn keine rechte Freude in mir aufkommen will.

Eine Woche ist jetzt seit der Verletzung vergangen. Sabrina hat darüber lamentiert wie unvorsichtig ich doch wäre, wie gefährlich die Tiere mit denen ich umginge und hat mich ein gefühltes Jahr ans Bett gekettet. Gleichzeitig musste ich mir anhören, wie traurig sie doch war, welche Sorgen sie sich gemacht hat, dass ich nicht einfach hätte weglaufen dürfen und so weiter. Manchmal frage ich mich, ob es je eine Zeit gab, in der sie fröhlich war… Allerdings bin ich mir sehr sicher, dass, wenn es sie gab, es lange her sein muss. Mit mir ist sie es auf jeden Fall nicht. Ein sehr deprimierender Gedanke. Aber ich bin wohl einfach nicht der richtige um ein ehrliches Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern.

Außerdem bin ich NICHT weggelaufen…

Mein Blick gleitet über die Reling hinaus auf das endlose Meer. Es ist ein Anblick, der mich jedes Mal beruhigt, aber auch sehr melancholisch stimmt. Es ist als würde das Meer die Gedanken nehmen und weit über den Horizont hinaustragen, in die Freiheit. Leichte Wellen schlagen gegen den Bug. Nach 3 Tagen habe ich wieder angefangen zu arbeiten. Nach 5 habe ich die nächste Schiffsreise geplant, um wieder zu handeln. Eigentlich hätte ich länger zuhause bleiben müssen. Aber ich habe es dort nicht mehr ausgehalten. Sabrinas Traurigkeit, ihre stummen Vorwürfe…. Naja – Regis hat auch seinen Teil dazu beigetragen. Außerdem habe ich mich immer wieder dabei erwischt, wie meine Augen zum Urwald und meine Gedanken zu dieser – Halluzination schweiften. Warum lässt mich das nicht los?

Es war nur eine Fantasie, nicht real. Ich war schwer verletzt. Außerdem… Ich hab ihn nur einmal gesehen! Und das ist nicht unbedingt eine positive Erinnerung. Er hat mich behandelt wie ein kleines, unreifes Kind! Mir keinen Funken Stolz gelassen! Toll, jetzt denke ich schon wieder an ihn. Nein – nicht IHN. Halluzination! Fantasie! KEIN MENSCH!

Wütend kneife ich die Augen zusammen und starre auf das sich nähernde Land, als wäre es persönlich an allem Schuld. Ich muss mich auf irgendwas konzentrieren, die Gedanken zusammenhalten. Aber das ist schwer… Die Insel ist ja echt schön und alles, aber langsam entwickelt sie sich für mich zu meinem ganz persönlichen Albtraum.

Apropos Traum… Gerade gleiten wir geradezu majestätisch an dem kleinen Dschungel der Insel vorbei. Melancholisch und seltsam berührt gleichermaßen starre ich in das dunkle Grün, ohne wirklich etwas wahrzunehmen. Ich kann nicht erklären was mich da gepackt hat. Aber es hat mich fest im Griff und will mich um nichts in der Welt wieder loslassen.

Eine unbestimmte Sehnsucht erfüllt jeden Winkel in mir.

Wenn…

Wenn ich nicht verheiratet wäre, dann…

Was dann?!

Nichts, verdammt nochmal. Es würde NICHTS ändern! Mit einem gleichermaßen energischen wie wütenden Kopfschütteln versuche ich wieder klar zu werden. Es hilft nicht viel. Dafür macht es mich auf etwas anderes aufmerksam…

Dort drüben, wo der Wald etwas von dem Ufer zurückweicht, kann ich ernsthaft sehen, wie meine Halluzination fröhlich einen Kopfsprung ins kühle, salzige Nass macht. Naja, vielleicht auch weniger fröhlich, denn am Rand bremst ein riesiger Jaguar scharf ab und läuft knurrend am Ufer auf und ab. In meiner übereifrigen Fantasie stößt er ein geradezu missmutiges Geräusch aus.

Ich glaube mich tritt ein Pferd.

Nur mühsam kann ich mich davon abhalten, nach meinen Augen zu greifen um nachzuprüfen, ob sie mir schon rausgefallen sind. Ich bin echt reif fürs Sanatorium. Oder einen laaaangen Urlaub. Am besten beides. Aber ohne Sabrina. Ich brauche dringend eine Auszeit.

Während das Schiff langsam weitergleitet schaffe ich es nicht meinen Blick von der fröhlich lachenden Halluzination zu wenden. Leider verschwindet das süße Bild langsam hinter den dichten Bäumen.

….

SÜß?!

Was habe ich da gerade gedacht?

Ich gebe meinem Bedürfnis nach und lasse den Kopf schwer auf das Geländer krachen.

Ich gebe es auf. Irrenhaus, ich komme. Das ist doch echt nicht mehr normal.

Die restliche Fahrt rühre ich mich nicht mehr. Es dauert fast eine Stunde, bis das Schiff endlich sicher vor Anker liegt. Langsam tragen mich meine Füße den Landungssteg herunter. Eigentlich müsste ich bleiben, bis die Tiere ausgeladen sind, aber…

Meine Konzentration ist gerade irgendwo in den Minusbereich abgerutscht. Ich will nur noch meine Ruhe. Müde schleppe ich mich zu Mirabelle. Bei ihr übernachte ich immer, wenn ich von den Schiffen komme. Allerdings scheint sie Heute irgendwas an meinem Anblick zu stören. Zumindest verfinstert sich ihr Gesicht zusehends, als ich auf sie zukomme. Habe ich ihr etwas getan? Etwas Wichtiges vergessen? Bevor ich mich an etwas Konkretes erinnern kann, eilt sie auch schon auf mich zu. „Junge, was machst du nur? Wie siehst du aus?“ Ahm – was? Was ist denn los? Wahrscheinlich würde sie mir jetzt die Wangen tätscheln, wenn sie nicht wüsste, wie sehr ich Körperkontakt verabscheue. Stattdessen wuselt sie um mich herum und versucht mich so weit es geht zu umsorgen…

Manchmal… Manchmal habe ich das Gefühl sie wäre gern die Mutter, die ich nie hatte. „Julia, kümmere dich um die neuen Tiere, ich stecke unseren sturen Cowboy ins Bett.“ Damit schiebt sie mich ins Nebenzimmer. Ihr wäre es wohl lieber gewesen, wenn ich ihre Tochter geheiratet hätte, aber… Nein. Sie ist nicht mein Fall. Eher wie eine kleine Schwester, wenn überhaupt. Und – Im Gegensatz zu Sabrina braucht sie mich auch nicht.

…Sabrina…

Schnell schiebe ich den Gedanken an sie weg.

Ich glaube ich habe Mirabelle sehr überrascht, schließlich wehre ich mich gar nicht. Eine Seltenheit. Nur Minuten später liege ich in einem warmen, bequemen Bett und kann endlich ausruhen. Schlafen…
 

Es ist noch dunkel, als ich wieder aufwache. Aber ich kann leise Stimmen im Nebenzimmer hören. „….Vier Tage! Ich will endlich zu ihm!“ Sabrina? Sie klingt aufgebracht… Wovon spricht sie? Und… Was macht sie hier? Sie weiß doch, dass ich hier schlafe, wenn ich von den Docks komme. Schließlich hasst sie es, wenn ich erst so spät nachts erst auftauche, kein Wort von mir gebe und ‚Nach Vieh‘ stinke, wie ihr Vater es so schön betont hat. Also tauche ich erst auf wenn ich wieder halbwegs ansprechbar und ‚Salonfähig‘ bin. „…Ruhe… Völlig überlastet…. Die Beinwunde…“ Das ist Mirabelle. Das Geflüster macht mich langsam wahnsinnig. Ich will doch nur schlafen!

Fuh… Ich rapple mich hoch. Hölle, bin ich müde. Mein gesamter Körper fühlt sich an wie Blei und mein Kopf pocht unangenehm vom Schlafmangel. Ganz zu schweigen von meinem Bein. Selbst stehen fällt schwer. Warum müssen die mich auch jetzt schon wecken? Es ist doch kein Geheimnis dass ich nach den langen Schifffahrten immer sehr müde bin. Aber Höflich sein muss man wohl zu allen außer zu mir… Zumindest kommt es mir grade so vor. Ich reibe mir kurz durch das Gesicht, bevor ich schlecht gelaunt in Richtung der Stimmen gehe. Naja, vielleicht sollte man es eher als Schwanken bezeichnen – oder Humpeln. Egal. Hauptsache ich komme an meinem Ziel an.

„Was soll der Lärm?“, knurre ich wirklich angefressen. Totenstille schlägt mir entgegen. Sowohl Sabrina, wie auch Mirabelle und Julia starren mich an wie einen Geist. Sabrina stößt einen Schrei aus, springt auf und rennt auf mich zu. „Oh – Vaughn!“ Ihre Stimme schrillt in meinem Kopf wie 1000 Alarmsirenen. Reflexartig hebe ich die Hände und stoße sie weg. Zu viel! Zu nah! Mühsam schwankend halte ich mich am Türrahmen fest. Alles dreht sich.

„W-was…? Warum? Vaughn?“ Sabrina sitzt auf dem Boden und sieht mich fassungslos an. Tränen schimmern in ihren großen Augen. „Liebst du mich denn nicht mehr?“ Irgendwie kann ich nicht schalten was sie da sagt. Es hört sich so wirr an. Nur scheint sie mein Schweigen anders zu interpretieren. Aufschluchzend rappelt sie sich hoch und rennt davon, verfolgt von meinem verwirrten Blick. Dass ich versuche einen Schritt auf sie zuzugehen merkt sie schon gar nicht mehr. Ich wollte sie nicht stoßen… Aber….

Ich verstehe gar nichts mehr.

Wirr stolpere ich auf Julia und Mirabelle zu, in die endlich sowas wie Leben kommt. Mirabelle scheucht Julia in die Küche, frischen Tee kochen und kommt zu mir, mich schnell auf einen Stuhl drückend. Ich wehre mich nicht mal. Schon wieder nicht. Aber sitzen tut gut und ich lasse vor Erschöpfung und Schwindel den Kopf auf den Tisch sinken. Warum haben sie mich nicht schlafen lassen? Mitten in der Nacht?

„Was war das grade?“ Ich realisiere nicht mal ob ich eine Antwort bekomme. Zu sehr bin ich mit mir selbst beschäftigt. Erst als ich den dampfenden Tee vor die Nase gestellt bekomme, wache ich aus meiner Lethargie auf. Müde umschließen meine Finger die angenehm warme Tasse. Mirabelle wirbelt derweil durch das ganze Haus, sortiert da, räumt dort. Holt Kleidung, Wärmflaschen, Medikamente, Wasser. Als sie gerade das Bett neu bezieht seufze ich auf.

„Mirabelle…“

Ich habe in der ganzen Zeit noch keine zwei Schlucke Tee getrunken. Sie hat mich wohl nicht gehört. Auf jeden Fall unterbricht sie ihre emsige Aktivität nicht. So hektisch kenn ich sie gar nicht…

„Mirabelle!“

Endlich hebt sie den Kopf. „Ach… Vaughn…“ Sie tritt zu mir und legt die Hand auf meine Schulter. „Es ist gut. Ich kümmre mich um dich. Ruh dich aus.“ Ich kann nicht anders als dem Angebot nachzugeben. Zu erschöpft. Zu fertig um was anderes zu tun. Zu verwirrt um wirklich zu reagieren, zu verstehen was überhaupt mit ihr oder allen anderen los ist. Schnell bin ich wieder im Bett und eingeschlafen. Irgendwie gibt die Versicherung mir die nötige Sicherheit um einfach auszuruhen. Etwas, was ich dringend brauche.
 

Es ist schwer, die Zeit durchzustehen. Schwer, im Bett liegen zu bleiben und noch schwerer aufzustehen und was zu tun. Aber endlich bin ich wieder halbwegs ich selbst. Sowas wie rumlaufen oder auch nur klar denken war die letzte Zeit nicht drin. Ich hab einfach absolut nichts mitbekommen. Dafür ist jetzt alles doppelt bis dreimal so klar. Das Sonnenlicht, die frische Luft – einfach alles. Irgendwie wirr, das gerade von mir zu hören, oder?

Ich sitze in Mirabelles Küche und trinke Tee, während ich darauf warte, dass sie den Laden für heute schließt. Sie hat einiges mit mir zu besprechen, meinte sie vorhin, als sie kurz an mir vorbeigehuscht ist. Sie ist wirklich ständig auf Achse... Ich frag mich was sie wohl will. Ehrlich gesagt fällt es mir schwer ruhig sitzen zu bleiben, auch wenn ich mich laut Doc noch schonen muss.

Nach einer halben Stunde hat sie endlich alles fertig und setzt sich zu mir. „Hach – Vaughn… Bin ich froh dass du wieder auf bist, mein Junge. Versprich mir, das nie wieder zu machen!“ Tja… Wenn ich wüsste, was überhaupt los war, könnte ich es mindestens versuchen. Aber so? Keine Chance. Mit leicht hochgezogener Augenbraue sehe ich sie an. „Glaubst du das war Absicht?“ Schnell schüttelt sie den Kopf. „Nein, natürlich nicht! Ich – ich hab mir Sorgen gemacht. Warum… Warum hast du denn nie gesagt, wie schlecht es dir geht?“

Jetzt schaue ich mehr verwirrt aus der Wäsche. „Mir – ist es doch nicht schlecht gegangen? Ich…“

„NICHT SCHLECHT? Natürlich ging es dir schlecht. Ich… Du…“ Sie schluchzt auf. Mirabelle fängt echt an zu weinen. Das – hab ich noch nie gesehen! Was mach ich denn jetzt? Ehrlich? Heulende Frauen überfordern mich. Ganz besonders wenn sie Mirabelle heißen. „Mirabelle – beruhig dich bitte!“ Ich glaube ich höre mich leicht hysterisch an. Ein verweintes Lächeln antwortet mir. Aber immerhin versucht sie wirklich sich zu beruhigen. Wobei Tee und Taschentücher mit Sicherheit sehr viel mehr dazu beitragen, als meine mehr oder minder geschätzte Anwesenheit. Nichts desto trotz, die Tränen versiegen und Mirabelle schaut mich wieder an. „Ach Junge…“ Äh – was bitte? - „Natürlich ging es dir schlecht… Aber scheinbar hast du das nicht mal selbst richtig bemerkt. Du warst völlig überarbeitet und… Du hast die Verletzungen nicht richtig ausheilen lassen. Du wärst mir fast weggestorben. Du hattest Fieber und hast halluziniert. Der Arzt ist fast verzweifelt.“ Sie seufzt auf. Ich selbst fühle mich als wäre mir gerade sämtliche Gesichtsfarbe abhanden gekommen. Weggestorben…? Ich muss ihr echt Angst gemacht haben. Was zur Hölle war mit mir los?

„Mirabelle… ich…“

Sie wedelt heftig mit der Hand, bringt mich so zum Schweigen. „Ich bin einfach nur froh, dass du wieder ansprechbar bist. Aber glaub nur nicht dass ich dich in der nächsten Zeit aus dem Haus, geschweige denn von der Insel lasse! Der Doc sagt, dass du noch viel Ruhe brauchst und du aufpassen musst, sonst wird es noch Folgeschäden gibt.“ Sie scheint ein bisschen was zu verschweigen. Oder aber ich bilde mir mal wieder einen Haufen Mist ein. Ein leises Seufzen meinerseits ist die Antwort. „Mirabelle. Du kannst mich nicht festhalten. Erstens bin ich erwachsen und zweitens – Sabrina wartet auf mich.“

Ihre Augen werden auf einmal ganz traurig und sie schaut mich ernst an. Warum nur glaube ich, dass mich noch ein paar Hiobsbotschaften erwarten? Was auch immer sie mir sagen will, es wird mir nicht gefallen. „Erwachsen ist man, wenn man für sich selbst Verantwortung übernehmen kann – und es auch tut… Und alles was wir dazu wissen müssen hast du in der letzten Zeit mehr als gründlich bewiesen, oder?“ Sie lächelt kläglich über ihren misslungenen Scherz. „Ich will dir nichts Böses, Vaughn. Nur, bitte lass zu, dass ich mich um dich kümmere, bis der Arzt sagt, dass du wieder auf dem Damm bist. – Was Sabrina angeht…“

Mit einem schweren seufzen schiebt sie mir einen Stapel Papiere zu.

Papiere? Briefe? Warum? Vorsichtig beginne ich sie durchzusehen. Ein ‚Brief‘ oder eher eine Schimpftirade von meinem Schwiegervater… Ich lege sie zur Seite nachdem ich die ersten zwei bis drei Zeilen überflogen habe. Das ist es wirklich nicht wert. Dann ein schmales, hellrosanes Kuvert. Siehst sehr nach Sabrina aus. Sachte ziehe ich den Brief aus dem Umschlag und werde sofort von einer Wolke Lavendelduft eingehüllt. Wann gewöhnt sie es sich ab Ätherische Öle auf das Briefpapier zu schmieren? Das nervt… Mit einem leisen Aufseufzen beginne ich zu lesen. Tränen scheinen die schwarze Tinte teilweise verschmiert zu haben, machen die sonst so akkurate, schön geschwungene Schrift schwer leserlich und lassen mich meine Stirn runzeln.
 

Mein Lieber Vaughn….

Ein letztes Mal will ich dich so nennen. Vaughn – du hast mich zutiefst enttäuscht und verletzt. Ich weiß wie sehr du deine Freiheit liebst und habe so nie etwas gesagt wenn du mich vollkommen allein hier zurückließest. Dein Argument war immer, doch Geld verdienen zu müssen. Wir beide wissen dass das eine Ausrede war. So leicht dahingesagt und jedes Mal aufs Neue Schmerzen wie tausend Nadelstiche bei mir hinterlassend. Du hättest hier bleiben können. Mein Vater hat wirklich genug Geld. Oder du hättest in unserem Familienunternehmen arbeiten können, wenn dir so viel daran gelegen wäre.

Aber das war ja Zuviel verlangt. Ich habe dir alles gegeben, was du dir je nur hättest Wünschen können, alles, was ich hatte, aber du hast immer nur genommen. Nie hast du mir vertraut. Weder als du verletzt wurdest, noch jetzt.

Statt mich zu fragen, bettelst du bei Mirabelle um Hilfe und tust wer weiß was mit ihrer Tochter. Dieser – dieser Julia.

Glaubst du ich merke nicht wie oft du bei ihnen bist, dort übernachtest. Wie ANDERS du dort bist? Niemals würdest du auf MICH hören, sollte ich es wagen dir etwas vorzuschlagen. Nie lachst du mit mir, oder unterhältst dich so- ungezwungen mit mir. Meine Sorgen, meine Nöte – sie sind dir völlig egal.

Ich liebe dich weit mehr als meine geschundene Seele ertragen kann. Aber das alles muss UND wird jetzt ein Ende haben. Wir werden uns nicht wiedersehen. So sehr ich darunter leide, dass mein Vater recht behalten hat, jetzt ist mir von klar dass ich von Anfang an auf ihn hätte hören sollen. Dass es die Wahrheit war, was er über dich sagte.

Ich habe eine letzte, eine einzige Bitte an dich.

Unterschreib einfach die Dokumente. Tue einmal das richtige und mache mir nicht noch mehr Ärger und Schmerz als ohnehin schon. Lass ihn einmal unrecht über dich und deine Art haben.

Lebewohl, Sabrina
 

Stumm sitze ich über diesem Brief. Was war das jetzt? Eine Farce? Ein schlechter Scherz? Wann kommt das Kommando zum Lachen?

Das….

Das kann doch nicht ihr Ernst sein!

Meine Finger zittern als ich nach den amtlich aussehenden Dokumenten greife.

…Kein Scherz…

Es sind die Scheidungspapiere.

Immer bleicher werdend lese ich sie mir durch. Sie lässt mir eine bestimmte Summe unseres gemeinsamen Vermögens, das Haus und meine Sachen. Alles andere nimmt sie mit.

Die örtliche Miene wird wohl von einem ‚vertrauenswürdigen Mitarbeiter‘ übernommen. Kann mir egal sein. Ich soll mich nur gefälligst von ihm fern halten. Und so weiter… Ohne wirklich etwas zu fühlen oder zu denken nehme ich einen Stift und setze stumm meine Unterschrift darunter. Dazu gibt es einfach nichts mehr zu sagen…

Sie hat mich im Stich gelassen.

Vielleicht hat sie mit einigen Dingen Recht – ich kann es gerade nicht mal sagen. Ein großer Teil sind haltlose Anschuldigungen. Ich habe sie niemals betrogen. Hätte es auch nie. Aber…

Dennoch hat sie mich im Stich gelassen. Jetzt, wo ich sie das erste Mal derart nötig hätte, wo ich vollkommen hilflos bin geht sie.

Weil ich… krank bin…

Weil Mirabelle mir ohne Fragen zu stellen einfach geholfen hat…

Ich fühle mich verraten.

So hat ihr Vater letztendlich also doch gewonnen…

Vollkommen neben mir stehend stehe ich auf und gehe ins Bett. Ohne irgendwas auszuziehen, wegzuräumen oder auch nur mitzubekommen ziehe ich die Decke bis zum Kopf hoch und versinke in der drückenden Schwärze in meinem Kopf.

Ich merke nicht, dass Mirabelle mir folgt und mich mehrfach anspricht. Ich will nur noch schlafen. Alles andere ist mir egal. Es ist, als wäre ich komplett in graue Watte gepackt, die nichts durchdringt.

Erneut verrinnt mir die Zeit zwischen den Händen, ohne klare Struktur und mit nur wenigen, lichten Augenblicken.

So langsam weiß ich warum Zeit relativ ist…

Man kann sie nicht messen, wenn man sie nicht mitbekommt. Schnell, langsam, wie Nebelschwaden… Irgendetwas stimmt mit mir sehr gehörig nicht mehr… Irgendetwas – ist kaputt gegangen in dem ganzen Irrsinn.

Jetzt stehe ich in meinem Haus. Kann ich das noch als Zuhause bezeichnen? Eigentlich nicht… Leere Räume starren mir entgegen. Nichts ist geblieben. Keine Bilder, keine Möbel, keine Stoffe. Nichts. Meine Schritte hallen laut in der traurigen, kargen Umgebung wieder. In einem der Zimmer, unser ehemaliges Schlafzimmer, stehen vier Kisten. Vier Kisten mit Kleidung, Büchern und anderen Dingen. Die Summe eines Lebens. – MEINES Lebens. Von Sabrina ist nicht ein Hauch zurückgeblieben.

Ehrlich?

Das ist bitter…

Leise höre ich Julias Schritte hinter mir. „Hey…“ Sie lächelt mich unsicher an, als ich mich zu ihr umdrehe. Ihre Augen aber sind voller Sorge und Mitleid. Es nimmt sie wohl auch alles sehr mit. Bei mir ist die Realität nach wie vor nicht so recht angekommen. „Wir kriegen das wieder hin. Mit Gannons und Chens Hilfe wird das hier schnell wieder ein gemütliches Heim. Und dieses mal eins, dass auch zu dir passt.“ Ich nicke – mehr um sie zu beruhigen denn weil ich wirklich daran glaube. „Lass uns zurückgehen.“ Langsam und tief in Gedanken verlasse ich die leere Hülle, die mal mein Zuhause war.

Ja – bin der Meinung gewesen, dass sich dringend etwas ändern musste. Grundlegend. Aber so…? Tja – jetzt werde ich damit leben müssen.

Vielleicht… ist es besser so.

Vielleicht ist es die Veränderung, die ich so dringend gebraucht habe. Auch wenn sich alles anfühlt, als würde es in Einzelteile zersplittern. Und hey, seit meinem Zusammenbruch hat sich zumindest meine Halluzination aus meinen ständigen Gedanken verabschiedet. Ich nicke Julia kurz zu und verschwinde dann, um mir bei Luke ein Bier zu holen. Ich denke das Diner ist dafür genau richtig.

Ein depressiver, geschiedener Ehemann der am Tresen hängt und sich mit Bier zulaufen lässt. Wie unendlich klischeehaft… Ich muss lachen. Bitter, sarkastisch, aber immerhin.

Naja, zu Hizumi kann ich schlecht. Seine Ehehexe hat mehr als deutlich gemacht, was sie von mir hält. – Warum auch immer… DIE Situation habe ich bis jetzt noch nicht wirklich verstanden und Hizumi und ich hatten keine Zeit sie zu klären. Mal ganz davon abgesehen dass ich nicht glaube dass Hizumi irgendwas erklären will. Und die Hexenprinzessin… Sie WIRD mir nichts erklären. Und Irgendwie vermute ich, dass sie die Trennung von mir und Sabrina nicht gutheißen wird. Aus ihren eigenen, ganz persönlichen Gründen.

Schwer tragen mich meine Schritte in das große Lokal und ich lasse mich an den Tresen sinken. Irgendwie habe ich das Gefühl das das Gewicht auf meinen Schultern Tonnen wiegt. Und meinen Bewegungen sieht man das auch an. Es ist noch sehr früh und still hier. Und doch… Mit einem schiefen Lächeln muss ich den Kopf schütteln. „Was machst du denn um die Uhrzeit schon hier?“ Wenn man an den Teufel denkt… Ein sehr, sehr müde wirkender Hizumi sitzt auf dem Hocker neben mir und lässt träge die Restflüssigkeit in seinem Bierglas kreisen. Ich könnte schwören, dass es nicht das erste ist. – Sein Blick spricht Bände, so vernebelt wie er ist. „Könnt ich dich genauso fragen… Wo warsu überhaupt?“ Oh – Dicke Luft. Und ein lallender Hizumi. Beides zumeist ein Grund vorsichtig zu sein, auch wenn ich mal wieder keine Ahnung hab was ich gemacht habe… Naja, das wird langsam ja zur Gewohnheit. „Ich bezweifle dass deine Hexenprinzessin mich nochmal auch nur in die Nähe der Farm geduldet hätte. Außerdem – hatte ich einiges um die Ohren.“

Ein trockenes Lachen antwortet mir. „So kann man‘s sicher auch nennen. Mirabelle war die letzte Zeit völlig ja versweiflt. Sie meint‘ sie wär‘ nich‘ sicher ob du’s schaffst.“ … „Mirabelle redet einfach Zuviel.“ Echt. Auf dieser Insel sind Geheimnisse und Privatsphäre Fremdwörter. Es muss doch wirklich nicht jeder hier wissen dass es mir schlecht ging, oder? „Weißt du… mich hat`s echt interessiert. Schließlich sind wir Freunde… Wär schön gewesen von DIR was zu hören. Da fällt mir ein – stimmt das mit Sabrina?“ Inzwischen ist mir immerhin das Bier serviert worden. Mit beiden Händen umschließe ich den Krug, drücke so fest, dass man die Fingerknöchel weiß hervorstechen sehen kann. Immerhin weiß ich jetzt was so an ihm rumfrisst… Aber er sollte mich doch echt langsam kennen.

„Ja“, ist meine forsche Antwort. Ich will nicht über Sabrina reden. Wirklich nicht „Bis du deswegen jetzt schon hier?“ Ich nicke… „So ungefähr… Ich komme von meinem zu-… Von meinem Haus“ Inzwischen knirsche ich mit den Zähnen. Das Thema ist echt nicht das, mit dem man momentan meine gute Laune garantieren kann. „Oh… Und – was hassu jeds vor?“ Ich kann nicht mehr. Merkt er nicht dass er mich alle macht? Ich stehe auf, lasse das unberührte Bier stehen. „Ich weiß es nicht. Du entschuldigst mich?“ Mit schnellen, mühsam beherrschten Schritten verlasse ich den Gastraum. Hizumis „Vaughn! Warte!“ ignorierend. Ich hab echt genug. Ich kann das alles gerade nicht.

Draußen schweift mein Blick unstet herum. Der Urwald lockt mit seinem Versprechen von Ruhe und Einsamkeit. Seit dem Intermezzo mit den Wölfen war ich nicht mehr dort. Ein schiefes Grinsen huscht über mein Gesicht. Irgendwie ist mir meine Halluzination gerade sympathischer als alles andere auf dieser Insel, auch wenn es sie nicht gibt. Aber sie gehört zu diesem wunderschönen, verlockend-menschenleeren Urwald. Und dort wird mich zumindest keiner suchen. Keiner, der mich nervt, mit mir über die Zukunft reden will oder sonst was.

Alles was mir Ruhe verspricht ist mir gerade mehr als sympathisch. Schnell flüchte ich über die Brücke in das unwegsame Gelände, bevor mir Hizumi noch hinterherkommt. Ich merke wie ich endlich ruhiger werde, umgeben von dem satten Grün, Tierlauten und Wasser. Nach so langer Zeit endlich weicht die Anspannung aus Nacken und Schultern. Ein kleines Lächeln wagt es, sich dreist auf meine Lippen zu stehlen. Es fühlt sich ungewohnt an.

Immer tiefer verstricke ich mich in dem endlosen Grün, dass so heilsam für meine Seele zu sein scheint. Ohne einem bestimmten Weg zu folgen laufe ich einfach immer weiter, Wildtierpfaden und kleinen Wiesenstücken entlang. Ein paar Farne zur Seite streichend trete ich auf eine Lichtung und… mir bleibt fast der Atem stehen. So schön…. Und vor allem – fühle ich mich hier mehr zuhause als ich es bei Sabrina je getan habe. Wasser umspült ein paar Steine. Es hat am Rande der Lichtung einen kleinen Teich gebildet. Das Wasser sieht frisch aus und den Spuren nach ist es eine Wildtränke. Ein ziemlich breiter Ablauf entlässt das Wasser in einen kleinen Bach, der wohl zum Fluss führt. Gespeist wird das Ganze von einem schönen, wohl ungefähr 4 Meter hohen Wasserfall. Ein etwa ein Meter breiter, grüner Uferstreifen erstreckt sich zwischen mir und dem kristallklaren Nass.

Ich glaube ich hab gerade meinen neuen Lieblingsplatz gefunden. Und einen Ort, wo ich endlich mal einfach nur für mich alleine sei kann. Niemand der nervt und keine Hiobsbotschaften. Auf dieser Insel eine echte Rarität. Da nehme ich gerne die Wölfe oder sonstiges Getier in Kauf. Zumindest solange ich nicht komplett aufgefressen werde.

Langsam wird es warm. Verglichen mit der restlichen Insel geradezu heiß. Die Sonne hängt inzwischen fast im Zenit. Ich schäle mich aus meinen staubigen Klamotten und wate ins Wasser. Es ist nicht tief. Unter dem Wasserfall geht es mir knapp bis zu den Hüften und ist überraschend eisig. Aber es ist mehr als angenehm, all den Staub, Schweiß und schlechte Gedanken von dem schimmernden Wasser wegspülen zu lassen. Einfach alles vergessen… Die Kälte ist geradezu perfekt dazu, den Kopf endlich wieder frei zu bekommen…

Der Dschungel ist schon eine Faszination für sich.

Die Augen geschlossen lasse ich zu, dass alles um mich herum unwichtig wird. Gesund ist das mitten im Urwald sicher nicht. Aber nötig. Ich weiß nicht wie lange ich brauche, um das platschen zu hören. Wahrscheinlich nicht lange, denn auch wenn er sich leise bewegt kommt er direkt auf mich zu. Meine süße Halluzination… Irgendwie stört es mich nicht, dass er da ist. Bei ihm als einziges. Denn – er gehört hier dazu.

Sein Speer steckt tief in der Erde des Ufers. Sein Blick gleitet musternd über meinen gesamten Körper und hinterlässt ein Prickeln. Lässt mich rot werden. Erst knapp vor mir bleibt der Tigerjunge stehen, seine Fingerspitzen berühren leicht meine Rippen. „Vaughn zu dünn. Nicht genug Essen?“ Ah – ja stimmt. Durch die langen Phasen der Krankheit habe ich sehr abgenommen. Aber warum fällt ihm das auf? Mir selbst kommt das so unendlich unwichtig vor, bedenkt man alles, was passiert ist. Er greift nach meinem Kinn, dreht meinen Körper wie eine Puppe in die richtigen Blickwinkel. Unangenehm. „Vaughn keine Verletzungen mehr. Das gut ist.“ Er lächelt.

Seine Finger lösen sachte Schauer aus.

Sein Lächeln lässt ein Kribbeln in mir hochsteigen.

Verdammt – er ist meine Halluzination, oder? Also kann ich mit ihm tun und lassen was ich will!

Er gehört mir!

Rau, beinahe brutal dränge ich meine Lippen gegen seine, umschlinge seinen Nacken und vergrabe die eine Hand in seinen Haaren. Ein herrlicher, wilder Geschmack breitet sich auf meinen Lippen aus. Verboten süß! Oder so süß weil verboten? Aus zu schmalen schlitzen geschlossenen Augen kann ich seine sehn. Weit aufgerissen, gefüllt mit einer Mischung aus Überraschung, Verwirrung und – Neugier? Verzweifelt bettelnd dränge ich meine Zunge gegen die überraschend weichen Lippen, stöhne fast auf, als er dem Druck nachgibt und ich noch mehr von seiner ureigenen Wildheit schmecken kann.

Was mach ich hier eigentlich?

Hallo? Das ist ein Kerl – der den Kuss noch nicht mal erwidert!

Beinahe enttäuscht lasse ich von ihm ab. Warum enttäuscht? Verdammt – ich bin nicht schwul! Aber warum will ich meine Halluzination dann so verzweifelt haben, dass sich sämtliches Denken verabschiedet? Ich verstehe mich selbst nicht mehr. Wie eine verwirrte Katze legt er den Kopf schief. Seine Zunge leckt über die viel zu sinnlichen Lippen. Meine Augen hängen förmlich daran. So wie ich mich benehme hab ich sicher wieder Fieber…

„Schmeckt gut…“ Die Raubtieraugen fixieren mich so gierig, dass mir ein heißer Schauer über den Rücken jagt. Mit einem Sprung ist er bei mir, unter dem Wasser, drängt mich harsch gegen die Wand. Jetzt ist er es, der mein Gesicht in seinen Händen fängt und mich hart küsst. Offensichtlich folgt er pur seinem Instinkt und dem was er bei mir gespürt hat. Und er bringt mich damit um den Verstand. Ich kann nicht mehr anders als mich hilflos in seine Schultern zu krallen und den Kuss genauso heftig zu erwidern, wie er mir gegeben wird. Er nimmt mir jedes noch so kleine bisschen meiner geliebten Selbstkontrolle.

Meine Lippen reißen unter seiner Heftigkeit auf und flüssige Hitze schießt mir durch den Körper, lässt mich gnadenlos reagieren. Raues stöhnen entringt sich meiner Kehle, als Shea das Blut von meinen Lippen leckt, und wie ein genießendes Raubtier aufknurrt.

Mehr…. Bitte….

Unwillig knurre ich auf, als seine Lippen sich langsam von meinen lösen. Ich will ihn zurückziehen. „Shea heiß…“, murmelt er leise und tritt einen unsicheren Schritt zurück. Sofort schwanke ich. Wann hat er meine Knie derart in Butter verwandelt? Fast bin ich froh, dass ich aufgefangen werde. Er ist mein einziger Halt gerade. Es wäre deprimierend, wenn ich denken könnte. Wenn ich es nicht fast schon genießen würde. In diesem Moment bin ich dankbar dass mein Hirn nicht funktioniert. Ich will einfach nur weiter an ihn gelehnt bleiben. So schön warm….

„Vaughn schwach. Zu wenig gegessen.“

„Mir geht’s gut.“ Endlos gut. So soll es bleiben. Inklusive Nebel um meinen Geist, um die ewig gleichen Gedanken endlich nicht mehr hören zu müssen.

„Warum sagt Vaughn falsche Sachen?“

Hä? Warum?

Irgendwie – bin ich zu perplex um was zu sagen. Und protestiere dementsprechend kaum, als er mich hochhebt und zum Ufer trägt. „Ich kann selber laufen.“ Stures Kopfschütteln antwortet mir. Toll. Da kann ich genauso gut gegen eine Wand reden. Die hört mir wahrscheinlich besser zu. „Vaughn schwach. Vaughn hier warten. Shea jagen.“ Ah – okay? Ziemlich perplex sitze ich nackt auf dem Waldboden und starre ihm hinterher.

Shea….

Er verwirrt mich wirklich zutiefst. Ich wusste nicht, dass mein Unterbewusstsein so – heftig und vielschichtig ist.

Oder ist er doch real?

Eine Illusion die mich küsst, dass mir hören und sehen vergeht? Die nach Dingen fragt, die ich selbst längst vergessen oder als unwichtig abgestempelt habe? Die jetzt auch noch für mich jagt? Mir befiehlt hier auf ihn zu warten?

Ein realer Mensch der nur auftaucht wenn ich allein und völlig fertig bin? Den niemand sonst mitbekommt und der sich um mich kümmert wie es wohl sonst niemand könnte?

Vor allem wie es sonst niemand dürfte. Ich – brauch niemanden! Ich hab nie jemanden gebraucht. Auch ihn nicht. Oder? Aber warum…? Wenn ich ihn nicht brauche ist er keine Halluzination? Oder doch? Brauch ich ihn vielleicht ohne es zu wissen oder zu wollen? So wirr…

Realität… Halluzination…

Was soll ich glauben?

Shea….

Es dauert etwas, bis ich mich dazu aufraffen kann, mich zu bewegen. Mein Hemd muss als Handtuch herhalten. Aber das macht nichts. Nur in Hose bekleidet lasse ich mich wieder aufs Gras fallen und warte.

Woher weiß ich überhaupt ob er widerkommt? So als Halluzination… Oder doch keine? ARGS! Seit wann hör ich überhaupt auf Befehle? Müde lasse ich mich rücklings ins Gras fallen und starre das grüne Blätterdach an. Vereinzelt kann ich einige Flecken Blau im sonst so satten Grün erkennen. Erneut lasse ich mich von der wunderbaren Ruhe dieses Ortes einfangen. Besser als jede Kirche – zumindest wenn man mich fragt. Ich lasse mich treiben. Meine Gedanken lösen sich von der Realität. Ich folge ihnen selbst wie ein neugieriger Welpe, bis…

Ja, bis ein Rascheln im Unterholz mich aufschreckt. Ich bin so schnell auf den Füßen, dass mein Kreislauf lautstark protestiert und ich stark schwanke. Was wenn…?

„Vaughn ruhig bleiben. Nur Shea. Keine Wölfe“ Erleichterung durchflutet mich und ich lasse mich schwer auf das Gras zurückfallen. Meine Nerven sind Momentan echt nicht die besten… Shea tritt aus dem Dickicht. Ein Wunder, dass er überhaupt Geräusche gemacht hat. Seine Bewegungen sind weich, geschmeidig und voller Kraft. Wie bei einer Raubkatze. Der Körper ist leicht geduckt, wie zum Sprung bereit und man kann die Muskeln unter der warmen, braunen Haut spielen sehen.

So schön….

Mein Mund wird trocken. Und ich könnte mich gerade mal wieder Ohrfeigen. Ob für die Gedanken oder dafür, dass ich ihn so anstarre weiß ich noch nicht. Wahrscheinlich beides. Der Tigerjunge scheint auch ein bisschen Irritiert. Auf jeden Fall schaut er verwirrt. „Warum schaut Vaughn so? Shea – falsch?“ Oh Gott, klingt das Unsicher. Und diese Augen… Das ist ja grausam! Jetzt gerade wirkt Shea so – jung und verletzlich, dass ich ihn einfach nur beschützen will. „NEIN!“ Ahm… Ja… Gut gemacht, Vaughn. Jetzt ist Shea geschockt und ich selber suche nach Worten. Aber diese Unsicherheit soll verschwinden. Egal wie! „Nein, du bist nicht falsch… Ich… ich find dich…. schön“ Röte schießt mir ins Gesicht. D-das – das hab ich jetzt grad nicht wirklich gesagt, oder? Das – das war eine Einbildung! Bitte! Das MUSSTE Einbildung sein. Nie! Niemals in meinem Leben würde ich einen MANN als schön bezeichnen! Das war doch so… falsch! Was tickt in meinem Hirn nur nicht mehr richtig?

Aber dem süßen, etwas verlegenen Lächeln nach, das gerade dabei ist Sheas Gesicht zu erobern war das nicht nur real, sondern auch noch genau richtig, egal was ich dabei denke. Er lässt sich neben mir auf den Boden fallen und dreht sanft mein Gesicht in seine Richtung. Weiche, drängende Lippen auf meinen holen mich aus meiner Schockstarre. So schön…. Schon wieder verliere ich mich an ihn.

„Shea mag das….“, schnurrt er leise. Verdammt. Ich habe eine Gänsehaut. Das Schnurren schießt wie ein Blitz durch meinen Körper. Schade, dass diese Lippen viel zu schnell von mir ablassen. Aber der weiche Blick der mir geschenkt wird, während Shea eine meiner verirrten Strähnen hinters Ohr streicht, ist auch nicht schlecht.

… Ich bin gerade nicht ernsthaft dabei mich zu verlieben, oder?

Ach du scheiße…

Und Sabrina? Ich… ich liebe doch sie! Und ich – bin nicht schwul!

Aber…. Das Gefühl hier bei Shea ist etwas – Einzigartiges… Was ich so noch nicht kenne.

Wenn das Liebe ist… hab ich Sabrina dann je geliebt?

Scheint als wären ihre Vorwürfe doch gerechtfertigt…

Während ich in Gedanken versunken war, war Shea offensichtlich fleißig. Einen Meter vor mir schichtet sich Holz, daneben steckt ein Ast schräg im Boden. 4 große, ausgenommene Fische sind darauf aufgespießt. Gerade versucht der dunkelhäutige mit zwei Steinen Feuer anzuzünden.

Manchmal ist mir der Kerl zu schnell. Könnte aber auch an meiner neuen Gewohnheit liegen, mich ständig in meinen eigenen Gedanken zu verlaufen.

Ich wühle eine gefühlte Ewigkeit in meiner Tasche bis ich endlich das Feuerzeug gefunden hab und Shea die kleine, flackernde Flamme hinhalte.

Er strahlt.

Wie schön… „Du kannst es behalten.“ Sanft lächle ich ihn an. „Ah – Danke!“ So süß. Er strahlt übers ganze Gesicht. Schnell zeige ich ihm wie es funktioniert und das kleine Sonnenscheinchen zündet flink das Feuer an und spielt absolut fasziniert mit dem Feuerzeug herum, während der Fisch vor sich hinbruzelt. Ich kann nicht anders als ihn verträumt zu beobachten. Wie man sich über so eine Kleinigkeit nur so sehr freuen kann… Er ist faszinierend.

„Shea hat das schon Mal beobachtet – das hier“, berichtet Shea plötzlich komplett aus dem Kontext gerissen und reißt mich damit aus meiner Träumerei. Gut, dass er mir auch gleich die Möglichkeit dazu nimmt, mich vor Scham im Teich zu ertränken. ‚Das hier‘ entpuppt sich nämlich als erneuter, zärtlicher Kuss. „Das blonde Mädchen mit der blauen Kleidung hat das mit einem orangehaarigen Jungen gemacht.“ Julia…. Ein Detail, auf das ich hätte verzichten können. Sie war also wirklich mit diesem Bubi zusammen. Warum nur? Der Kerl war doch… „Die beiden haben sich sehr gern.“ Wie kann man nur so unbedarft – ohne jede falsche Scheu vor sich hinreden? „Hat – hat Vaughn Shea etwa auch gern?“ Ich verschluckte mich und ringe heftig hustend nach Luft.

Hilfe? Durch 1-2 heftige Schläge zwischen die Schulterblätter werde ich erlöst – zumindest von der Atemnot. Hölle und Himmel! W – was soll ich denn jetzt sagen? „Also. Shea mag Vaughn.“ O- offensichtlich ist eine Antwort von mir grad gar nicht erforderlich. Das ist gut… Sehr gut. Ich fühle mich nämlich ziemlich überfordert. Und Feuerrot. Kommt alles vom Verschlucken! Hoff ich… Shea derweil starrt mit seinem offenen, direkten Blick ins Feuer, als könne er kein Wässerchen trüben. Und das nachdem er mir sowas – einfach ins Gesicht sagt. Ich… weiß nicht mal mehr was ich denken soll. Mein Hirn auf jeden Fall hat gerade endgültig die Flucht ergriffen.

„War Vaughn eigentlich nicht da, die letzte Zeit? Shea hat ihn nirgendwo gesehen. Shea hat sogar auf dem komischen Fest gesucht. Aber Shea durfte Kuh nicht jagen. Dabei sah Kuh so lecker aus!“ Ich muss mir echt ein Lachen verkneifen. „Die Kühe sind nicht zum Essen da. Sie geben Milch.“, versuche ich zu erklären. „Oh… Aber Kuh schmeckt wirklich lecker!“ Erneut wird der Fisch gedreht. „Glaube ich dir sofort.“ Schließlich erinnere ich mich nur zu gut an die gegerbte Kuhhaut in der Hütte…

„War Vaughn weg?“ Ach ja – da war ja noch eine Frage… „Erst unterwegs, dann sehr lange krank“, antworte ich widerwillig. Ich mag es wirklich nicht Schwäche zugeben zu müssen. Aber ich will auch nicht lügen. „Also Vaughn doch krank. Vaughn besser aufpassen! Mehr essen. Mehr schlafen. Nicht verletzen“ Da hat sich aber jemand in Rage geredet. „Shea…“ Er holt ja schon wieder Luft. „Vaughn muss-„ „Shea!... Ich hab das alles doch nicht absichtlich gemacht. Es war – einfach ein bisschen viel in letzter Zeit.“ So wirklich zufrieden scheint er mit der Aussage nicht zu sein. Aber was soll ich tun?

„Wada hatte Recht. Vaughn nicht hätte gehen dürfen!“ Äh – wer? Und wieso gehen? Wann? Meine letzte Schifffahrt? Muss wohl… „Vielleicht, Shea. Aber es ist nun Mal passiert und ich bemühe mich, dass es nie wieder passiert, ok?“ Zwei große Augen schauen mich auf einmal an, viel zu nah an meinem Gesicht. „Verspricht Vaughn Shea das?“ Ich seufze. Bleibt mir da eine Wahl? „Ja, ich verspreche es.“ Unter Protest aber. Ich gebe ungern solche Versprechen. Aber immerhin scheint es ihn endlich zu beruhigen. Er nimmt ein großes Blatt und zieht damit vorsichtig einen der heißen Fische ab. Das drückt er mir dann auch prompt in die Hand, so dass ich aufpassen muss, mich nicht zu verbrennen. „Da. Vaughn muss essen.“, beschließt er sehr nachdrücklich. Okay, wenn er meint.

Aus den Augenwinkeln nehme ich wahr, wie er sich selbst etwas nimmt und herzhaft in das zarte Fleisch beißt. Hmm…. Etwas zögerlicher folge ich seinem Beispiel. Es schmeckt überraschend gut. Anderthalb Fische fallen mir zum Opfer. Ich hatte ja wirklich Hunger…

Sollte ich mir Sorgen machen, dass ich das nicht selbst gemerkt habe?

Shea zieht die übrig gebliebenen Fische ab, um sie vorsichtig einzuwickeln und in eine lederne Umhängetasche zu stecken. „Die sind für Wada.“ Ich lächle nur. So süß. Und je länger das alles andauert, desto weniger macht es mir aus so über einen Mann zu denken. Und desto sicherer bin ich mir auch das Shea real ist. So jemand könnte ich mir doch niemals ausdenken. Oder? Ich hoffe es nicht. Es – es würde wehtun, so seltsam es ist. Vielleicht kann ich ja Mirabelle fragen? Wenn er wirklich beim Kuhfest war, würde sie ihn gesehen haben. Er ist ja nicht gerade eine unauffällige Erscheinung.

Auf der anderen Seite…

Wenn es doch nur eine Illusion ist, wie würde sie reagieren? Sie würde mich doch gleich in die nächste Klapse schleppen. Wobei ich da dann wohl auch hingehöre. Wer weiß? Irgendwann greift man nach jedem Strohhalm. Vielleicht würde es mir ja helfen?

Ich muss echt verzweifelt sein.

Langsam steh ich auf und strecke mich. Ich muss zurück, oder Mirabelle stellt noch eine Suchmannschaft zusammen. „Vaughn geht?“ Etwas müde nicke ich Shea zu. „Ja. Ich brauche Schlaf, sonst wird ein gewisser Shea wieder wütend. Außerdem dreht Mirabelle sonst ab vor Sorge. Sie weiß ja nicht wo ich bin.“ Das nennt man dann wohl einen schwierigen Patienten haben... Mir wird ein sehr nachdenklicher Blick geschenkt. „Mirabelle – Vaughns Partner?“ Dieses Mal hat er echt nach Worten suchen müssen. Und er sieht wieder so unsicher aus. Ich kann nicht anders als ihn weich in den Arm zu ziehen. „Nein. Mirabelle ist Julias Mutter. Das ist die Blonde mit der blauen Kleidung. Und – sie sieht sich wohl irgendwo auch als meine Mutter und versucht sich um mich zu kümmern. Sie ist nicht mein Partner.“ Ich kann spüren, wie der warme Körper in meinen Armen sich entspannt und anschmiegt.

Partner…

Bisher weigere ich mich noch darüber nachzudenken.

Mal sehen für wie lange noch…

Langsam löse ich mich und wir gehen Seite an Seite Richtung Brücke. Warum fühlt sich das nur so richtig an? Als ich das Holz betrete spüre ich seine Hand an der Schulter. Er steht noch auf der Erde, hat die Brücke nicht betreten. „Vaughn kommt wieder?“, werde ich gefragt. Der Blick der mich trifft zersäbelt mich ungefragt in meine Einzelteile. Aua…

„Ich werde es jedenfalls versuchen, falls Mirabelle mich lässt. Aber ich weiß gar nicht wie ich dich finden kann.“ Er lächelt leicht. „Shea findet Vaughn, wenn Vaughn hier. Und sonst – sucht Shea Vaughn einfach im Dorf.“ Oh, da war jemand sehr sicher. So verdammt – selbstsicher, direkt und überzeugt. Es ist geradezu zu spüren, wie stark er ist und es jagt mir einen Schauder über den Rücken. Ich bin reichlich wirr im Kopf. „Na, dann kann ich sicher sein, dich bald wieder zu sehen, Shea…“ und das Wissen löst ein warmes Gefühl in meiner Brust aus. Ich lächle ihn sanft an. Seit wann bin ich so weich? Warum? Na – egal.

„Bis bald.“

„Bis bald, Vaughn“

Ich weiß dass er mir nachsieht, als ich langsam die Brücke überquere und ins Dorf zurückkehre. Ich weiß dass ich ihn wiedersehen werde. Bald schon.

Ich brauche mich nicht umzudrehen.

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 4 (ohne adult)

Mirabelle versucht mir ganz schön die Leviten zu lesen, dafür dass ich so lange fort war. Nur dass ich zu müde bin um die Standpauke richtig mitzubekommen. Ich habe wohl wirklich übertrieben. Todmüde falle ich ins Bett und schlafe ein, Mirabelle einfach stehen lassend. Ich glaube, so schnell wird sie mich nicht mehr aus den Augen lassen.

Leider bestätigt sich mein Glaube sehr schnell. Das ist das erste Mal, das ich miterlebe dass Julia die gesamte Verantwortung für den Laden übernimmt. Mirabelle begleitet mich auf Schritt und Tritt. Zu Chen für die neuen Möbel. Zu Gannon, für ein paar Veränderungen im Haus. Viel wird es eh nicht. Ich bin nicht Krösus und das, was mir Sabrina von unsrem gemeinsamen Vermögen gelassen hat ist lachhaft. Wobei ich sehr genau weiß, dass ich das meinem Exschwiegervater zu verdanken hab. Sie allein wäre nie auf diese Idee gekommen.

Sie allein hätte mich niemals verlassen.

Werden die Gedanken um sie jemals weniger? Dabei war gestern doch diese – Begegnung mit Shea. Irgendwie ist es fast, als wären der Dschungel und das hier zwei komplett verschiedene Welten. Welten, die einfach nichts miteinander zu tun haben. Alles, was gestern passiert ist wirkt so unwirklich und fern, wie ein Traum von einem anderen Leben. Dafür sind der Schmerz und die Bitterkeit wieder voll da und es fühlt sich nicht so an, als würden sie je wieder nachlassen.

Ruhig, die trüben Gedanken so gut es geht verdrängend gehe ich mit Gannon durch das Haus. MEIN Haus – und bespreche mit ihm die geplanten Veränderungen. Viele Zwischenwände sollen weichen. Ich brauche keine gefühlten 100 engen Zimmer. Lieber große, offene Flächen wo ich atmen kann. Ein großes Schlafzimmer, ein Wohnzimmer mit Küche. Das war’s. Naja, und das Bad natürlich. Die Tapete und den Putz will ich runter haben. Irgendwo darunter verbirgt sich nämlich ein richtig schönes, altes Balkenholzhaus. Es war nach Regis Meinung zu rustikal, einfach und einer Frau wie Sabrina nicht angemessen.

Wieder Sabrina… Was hab ich nicht alles für sie getan. Wie sehr mich verborgen um ihr gerecht zu werden. Und gleichzeitig hab ich wohl nie das richtige getan. Was ich aber alles erst jetzt sehen kann.

Nie wieder!

Das hat doch echt nichts mehr mit Liebe zu tun. So – verdreht. Soweit hätte es einfach niemals kommen dürfen.

Die Umbaumaßnahmen verschlingen auf jeden Fall den Großteil meines Geldes. Zwei Tage werden sie dauern. Dann bekomm ich von Chen die Küchengeräte sowie einen Kühlschrank geliefert. Und ein Regal. Darauf beläuft es sich erstmal. Für mehr ist einfach kein Geld da. Tja… Ob es Mirabelle passt oder nicht, ich MUSS arbeiten.

Sabrinas Verrat schmerzt, genau wie die Frage nach der Eigenschuld, aber ich will mich nicht unterkriegen lassen. Ich hab es immer geschafft auf meinen eigenen Füßen zu stehen und für mich zu sorgen. Ich werde es auch jetzt schaffen. Ich kann spüren, wie mein Gesicht kalt und verschlossen wird. Stolz, Bitterkeit und ein unbändiger Wille verbindet sich zu neuem Durchhaltevermögen. Ungesunde Mischung vielleicht, aber es hilft mir. Ich werde jetzt sicher nicht einfach aufgeben!

Nicht wegen sowas.

Nicht wegen IHR!

Mit an Verbissenheit grenzendem Eifer mache ich mich daran, die nächste Überfahrt zu planen. Der missbilligende Blick von Mirabelle wird dabei vollständig ignoriert. Die Zeit fließt irgendwie an mir vorbei. Versinkt in Arbeit und Aktivität. Es ist wie ein Blinzeln, als ich schließlich im umgebauten Haus stehe und die wenigen Nahrungsmittel einräume. Die Kisten stehen jetzt im Schlafzimmer. Alles was ich ausräumen konnte ist verteilt. Im Wohnzimmer liegt ein weiches Fell vor dem Kamin. Ein paar Sachen und Vorräte stehen im Regal. Sonst ist alles kahl. Ich muss dringend mehr Möbel besorgen. Naja, sobald Geld da ist.

Festes Klopfen an der Türe schreckt mich aus meinen Überlegungen auf. Wer? Wie? Warum? Ich habe Mirabelle gesagt, dass ich heute hier bleiben werde. Morgen früh hab ich versprochen zu ihr zum Frühstück zu kommen. Aber so weit ist es ja noch nicht. Und einen Grund zum 10ten Mal nach mir zu sehen hat sie auch nicht. Nicht dass sie einen bräuchte… Morgen fahre ich ab. Nur ein Tag dieses Mal, das war mein Kompromiss an sie. Sie ist nicht einverstanden, aber sie kann nichts dagegen tun. Ich habe schon zu viel Hilfe angenommen. Mit einem resignierten Seufzen bewege ich mich zur Tür, wo es bereits erneut laut geklopft hat. „Jaja!“ Himmel, was hat sie denn? Außerdem weiß die doch dass die verdammte Tür offen ist. Ich reiße die Tür auf. „Was ist denn…. – Shea!“

Vor mir steht ein Teil der anderen Welt. Herausgebrochen, verloren und irgendwie fehl am Platz steht er vor mir und strahlt mich dennoch an. „Shea hat gesagt, er kommt Vaughn suchen.“ Ich weiß dass ich ihn anstarre. Er wirkt so unwirklich in dieser Umgebung. Beinahe unschuldig in all seiner Wildheit. Er – gehört nicht hier her. Und dennoch ist er hier.

Meinetwegen.

Nur meinetwegen...

„Komm rein“

Ich merke wie ich zu lächeln beginne. Wie nur schafft es Shea all die Schmerzen und Sorgen einfach wegzuwischen? Warum – warum konnte er nicht immer da sein, um mich vor dem Schmerz zu schützen? Was für ein kindischer Gedanke… Dennoch schaffe ich es nicht ihn aus den Augen zu lassen, als er in mein Haus tritt. Als würde er wie eine Illusion wieder verschwinden.

Illusion… Halluzination…

Ist er es?

Ist er es nicht?

Ihn scheint die surreale Situation nicht im Geringsten zu stören. Im Gegenteil. Wie eine neugierige, kleine Katze nimmt er alles ganz genau in Augenschein, tigert interessiert durch die Räume.

Niedlich…

Langsam höre ich sogar auf über diese Gedanken den Kopf zu schütteln.

„Vaughns Haus… Vaughn – glücklich hier?“ Die Frage klingt skeptisch. Ich seufze. „Ich… ich weiß nicht…“ Manchmal fällt es mir echt schwer die direkten Fragen einfach zu beantworten. „Es ist noch alles sehr leer. Ich hoffe… dass ich mich wohl fühlen kann, wenn es fertig ist.“ Das hoffe ich wirklich. Mein Blick streift träge durch die nahezu leeren Räume. „Haus neu? Wo schläft Vaughn?“ „Nein, es ist nicht neu. Nur…“ Okay. Wie soll ich das erklären? Mit einem leisen aufseufzen lasse ich mich auf das Fell vor dem Kamin fallen. Shea folgt mir. „Naja… Ich… ich habe mich vor kurzem von meiner Frau…. Von meiner Partnerin getrennt. Sie ist – gegangen und – und hat so gut wie alles mitgenommen. Ich – hab nicht so viel Geld übrig um alles sofort zu ersetzen“ Ein bitterer Zug liegt um meinen Mund und schwingt wahrscheinlich auch in meiner Stimme. Die Wahrheit tut ganz schön weh und ausgesprochen ist sie nicht schöner. Es ist schwer darüber zu reden. Und von Shea mit katzengleich schräg gelegtem Kopf neugierig angesehen zu werden macht es mir nicht einfacher. Zu gern wüsste ich, was er denkt.

„Ich will auch nicht alles ersetzen. Es würde nur…. Erinnern. Ich … will mir etwas – etwas neues schaffen. Wo ich mich wohl fühle und… Das alles vergessen kann. Es – es ist nicht grad prickelnd gelaufen mit ihr. Am Schluss war es nur noch eine Katastrophe.“ Ich weiß nicht mal warum ich so viel rede. Oder seid wann ich mich dabei ständig verhasple. Aber - er hört einfach nur zu. Weißt mich nicht ab, unterbricht mich nicht. Naja – fast nicht. „Prickelnd?“, höre ich ihn verwirrt nachfragen. „Ahm… ein anderes Wort für – gut“, erkläre ich kurz. Er nickt und – ist einfach – da. Er ist einfach da und hört zu.

Es tut gut.

Als würde brennender Eiter endlich aus der Wunde abfließen. „Ich denke es ist gut, dass es vorbei ist… Auch wenn viel Bitterkeit bleibt. Ich werde hart arbeiten und mir alles erneut aufbauen müssen. Aber es kann endlich besser werden – denke ich.“ Ich hab nicht gemerkt dass Shea mir näher gekommen ist, aber auf einmal spüre ich warme, starke Arme um mich, die mich fest an den Tigerjungen ziehen. Ich kann seinen wilden, herben Geruch riechen. „Sie Vaughn weh getan. Sie keine gute Partnerin. Shea mag sie nicht.“, kommt es im Brustton der Überzeugung von ihm. Ich kann nicht anders als minimal zu lächeln. So direkt und klar. Ich wünschte, ich könnte es auch so einfach sehen. „Vielleicht… War ich auch einfach der Falsche für sie. Für sie und für die… hohen Erwartungen ihres Vaters“

Ich lehne mich an ihn und schließe die Augen. Genieße den Halt und die Nähe. „Wada sagt, Familie ist wichtig. Und Wada sagt, Leute, die Shea mag sind Familie. Und Partner sind Familie. Familie darf man nicht wehtun. Wada sehr weise.“ Ich lächle etwas schief. Da bleibt eigentlich nur noch eine Frage übrig. „Wer ist Wada?“ Kurz sieht mich Shea irritiert an. „Erinnert Vaughn sich nicht? Wada Vaughns Verletzungen von Wölfen versorgt. Wada hat…. hat Shea großgezogen. Wada ist Familie!“ Oh, der war das also.

Shea wirkt beinahe aufgeregt. Fester schmiege ich mich gegen ihn und umschlinge ihn jetzt selbst mit den Armen. „Shhh…. Ich weiß wer er ist. Ich konnte nur den Namen nicht zuordnen. Er bedeutet dir sehr viel, oder?“ Ich kann mehr spüren als sehen, wie er nickt. „Wada – alles ist was Shea noch hat.“ Ich kann die Traurigkeit in seiner Stimme kaum ertragen. Wieso reagier ich nur so heftig auf ihn? Das ist doch echt nicht mehr normal.

„Shea….“ UND ich kann nicht glauben, was ich hier gerade im Begriff bin zu tun. Mir kann man grad echt sämtliche geistigen Kompetenzen absprechen. „Er ist nicht alles. Du hast mich.“ Sacht lege ich meine Lippen auf seine, blende alles andere aus. Es ist nicht wichtig. Nur er ist wichtig. Ich bin offensichtlich und vollkommen verrückt. Aber…. So ist das, wenn man verliebt ist, oder?

Denn genau das Gefühl ist es, das mich grad so vollkommen überrollt und mich diese ganze verdammte Scheiße die passiert ist vergessen lässt.

Es ist irre, ich weiß.

Aber… ich will es nicht anders. Das hier zeigt mir so sehr was ich in der Ehe mit Sabrina vermisst habe, was mir gefehlt und uns auseinander getrieben hat. Der Funke zwischen ihr und mir war schon lange erloschen und ein bisschen frage ich mich, ob er jemals da war. Oder eher, ob er so stark war wie jetzt mit Shea. Ich glaube es nicht. Langsam lösen sich Sheas Lippen von mir. „Vaughn mag Shea?“ Oh, diese Hoffnung im Blick. So heftig – und ängstlich gleichermaßen. „Ich mag dich sogar sehr, Shea.“

Auf einmal lieg ich auf dem Rücken und ein aufgelöster Shea über mir. Er weint. Und gleichzeitig klammert er sich so fest an mich und küsst mich, dass mir nichts bleibt als ihn fest an mich zu ziehen und den Kuss zu erwidern. Ein heftiger, leidenschaftlicher Zungenkampf entbrennt. Aber ich kann nicht siegen. Stürmisch lasse ich mich von seiner Zunge erobern und mir den Mund ausplündern. Seine Leidenschaft überwältigt mich. Heiser stöhne ich in den Kuss. Das kurze Klopfen und Öffnen der Tür nicht mal bemerkend.

Shea bemerkt es aber. Laut knurrend wendet er sich mit wütendem Blick der Tür zu – in der eine geschockte Mirabelle steht. Langsam breitet sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. „Es ist schön, dass du nicht allein bist, Vaughn. Das beruhigt meine Sorgen etwas.“ Sie stellt den Korb ab, den sie bei sich trägt. Ich bin sichern, dass ich inzwischen mehr als dunkelrot im Gesicht bin. „Bis morgen, Vaughn. Shea – schön dass du da bist.“ Damit lässt sie uns allein, mir noch ein wissendes Lächeln zuwerfend.

Sheas Knurren war über die Zeit zwar leiser geworden, verstummte aber erst als die Tür sich schloss. Sofort war die geballte Aufmerksamkeit der hellbraunen Augen wieder auf mir. Gerade erinnert mich Shea sehr an ein Raubtier, dass sein Rudel schützt. Oder eher seinen Partner – und seinen Besitzanspruch auf ihm klar stellt. Das seltsamste aber ist, dass es mir überhaupt nichts ausmacht. Schnell haben seine Lippen meine wieder erobert. Rau, fordernd und voller Leidenschaft.

Und dennoch irgendwo zärtlich.

Ich wünschte ich könnte ewig hier bleiben.

Er knabbert an meinen Lippen, macht mich mit seinem Gewicht auf mir förmlich irre. Seine Hände ziehen ungeduldig an meiner Kleidung. Sie scheint ihn sehr zu stören.

- Mich auch.

Mit einem schnellen Ruck sitze ich aufrecht und zerre mir das Hemd ungeduldig über den Kopf. Laut keuche ich auf als seine Hände auf meiner Brust landen, mich wieder runterdrücken und die Finger jeden Muskel erkunden. Längst ist mir meine Hose eng geworden.

Plötzlich aber stockt er.

„Vaughn….“

Verwirrt blicke ich zu ihm hoch. Ich keuche und klare Gedanken sind gerade echt schwer. Ich strecke die Hand nach ihm aus. Aber statt ihn einfach wieder zu mir runter zu zerren wie es zuerst mein Plan war, streiche ich ihm zärtlich durch das Gesicht. „Was ist los, Shea?“ Er schluckt „Vaughn… Vaughn geht nicht einfach von Shea weg, oder? Vaughn bleibt bei Shea?“

Oh…

Etwas traurig senke ich den Blick. „Ich würde so gerne, Shea. Ich würde so gerne bleiben, aber…“ „Warum tust du es dann nicht?“ Ein verzweifelter Aufschrei. Die Augen glänzen vor Schmerz und Tränen. Alles in mir zieht sich zusammen. „Weil es nicht geht, Shea. Ich muss Geld verdienen, damit ich hier leben kann. Aber ich verspreche dir, ich werde immer zu dir zurückkommen. Ich lass dich nicht allein zurück.“ Ich spüre wie Shea sich fest in meine Arme schmiegt. Er ist unglaublich Impulsiv. “Vaughn… Verspricht es?“, versichert er sich nochmal. Ich nicke. Ich werde ihn nicht verlassen. Dazu hat er sich, trotz der kurzen Zeit, zu sehr in mein Herz geschlichen.

Hört sich echt kitschig an, nicht wahr? Zärtlich streiche ich die einzelnen Tränen weg, die sich schon wieder über seine Wangen gestohlen haben. Er soll nicht weinen. Nicht wegen mir. So etwas konnte ich doch noch nie gut ertragen. Es ist das erste Mal, dass ich einen derart gefühlsbetonten Mann treffe. Aber seltsamerweise wirkt es nicht lächerlich an ihm. Sondern einfach – absolut offen und ehrlich. Er zeigt einfach direkt und ungefiltert was er fühlt.

„Wann muss Vaughn weg?“ Ich wünschte ich könnte Schmerz und Angst einfach auslöschen… „Morgen. Aber ich bin übermorgen Abend wieder da.“ Er schluckt. „So bald schon…“

„Es tut mir leid.“ So sehr ich es wünsche. Ich kann es nicht ändern.

Heftig schüttelt er den Kopf. „Vaughn sich nicht entschuldigen. Es nicht Vaughns Schuld.“ Oh, Shea… Ich hab mich inzwischen aufgesetzt und ihn sanft in den Arm genommen. Auch er klammert sich an mich. „Darf – darf Shea heute Nacht hier bleiben? Bei Vaughn?“ Ich kann nicht glauben, dass er das fragt. Muss er da denn wirklich noch Fragen? „Ich – fände es gut wenn du – bei mir bleibst.“

Der Kuss zu dem sich unsere Lippen dieses Mal treffen ist unheimlich sanft und innig. Und zärtlich. Eine Versicherung, dass der andere da ist – und noch mehr als das FÜR einen da ist. Dieses Mal bin ich es, der Shea, zwar deutlich sanfter aber dennoch bestimmt, auf das Fell zurück drückt. Ich werde dafür sorgen, dass er mich nicht so schnell vergessen wird.
 

~~~~~
 

Vollkommen erschöpft breche ich auf ihm zusammen. „Shea…“

Ich glaube ich lalle. Zärtlich streichen mir seine Finger durch die Haare. Vorsichtig rolle ich von ihm herunter und ziehe ihn in meine Arme. Erst jetzt merke ich die klebrige Feuchtigkeit auf meinem Bauch. Handtuch wär eine gute Idee. Schnell wische ich das Zeug ab und angle müde eine Decke aus einer der Kisten. Wegräumen ist morgen.

Schlafen…

Shea fest im Arm, ihn nie wieder von mir lassen und schlafen.

Kapitel 5

Der nächste Morgen kündigt sich etwas schmerzhaft an. Der Boden ist halt – Fell hin oder her, kein passender Schlafplatz. Aber immerhin bleibt die zu erwartende Eiseskälte aus. Wärme, zwei starke Arme und der stetige Herzschlag meines Kopfkissens halten mich in einem beruhigenden, angenehmen Dämmerzustand.

Shea…

Seltsamerweise schockt es mich nicht wirklich, so mit ihm aufzuwachen. Im Gegenteil. Ein wunderbar warmes Gefühl hat sich in meine Brust geschlichen und animiert meine Mundwinkel zu ungewohntem Frühsport.

Ich lächle doch sonst nicht so viel…

Egal.

Ich bin sonst auch nicht so wirr, rede über meine Gefühle und was ich sonst noch alles für seltsame, neue Gewohnheiten an den Tag lege.

Aber was ich sicher weiß, ist dass ich dieses Gefühl für immer festhalten will. Ich will Shea nie wieder loslassen. Mein wildes Stück Dschungel in dieser zermürbenden Realität.

… Ich bin ganz schön irre.

Vorsichtig versuche ich meine Haltung zu verändern, nicht willens jetzt schon aufzustehen. Ein mehr als unwilliges Knurren antwortet uns zwei Arme schlingen sich schraubstockartig fester. Autsch… So ganz kann ich das schmerzerfüllte Keuchen nicht unterdrücken, was Shea dazu bringt sich langsam der Realität zu stellen. „Vaughn schmerzen?“ Müde blinzeln mich die gelb-braunen Augen an. So schön…

Ich gerate ja schon wieder ins Schwärmen. „Etwas. Ich bin den Boden nicht gewohnt.“ Etwas schwerfällig setze ich mich auf und streiche ihm zärtlich durch das Gesicht. „Wie geht’s dir?“ Kurz wird sein Gesicht etwas abwesend – ich glaube er macht Bestandsaufnahme. „Sheas Hintern tut weh. Sehr. Aber…“ Ein weiches Lächeln huscht über sein Gesicht. „Shea fühlt sich – glücklich.“ Ich kann nicht anders als ihm einen Kuss aufzuhauchen. Er ist einfach… unbeschreiblich.

„Willst du Duschen? Ich versuch derweil etwas Essbares zusammen zu suchen.“ Ein bisschen schräg mein Lächeln. Er legt etwas verwirrt den Kopf schief. „Du…schen…? – war Wasser zum Waschen von oben… Wie bei Regen – oder?“ Oh… ahm…. Okay… Ich werde ihm wohl einiges erklären müssen. Ich nicke. „Richtig. Komm, ich zeig sie dir.“ Schnell zeige ich ihm die Dusche, die Regler und erkläre ihm wie er warmes Wasser bekommt – und die Seife. Ich glaube nicht dass es im Dschungel Shampoo gibt. Seinen Bewegungen merkt man an, was für Schmerzen er hat. Es muss dafür doch eine Lösung geben. Ich will nicht, dass er wegen mir solche Schmerzen hat. Auch wenn er keinen Laut von sich gibt.

Schnell werfe ich mich in meine Shorts und beginne die erbärmlichen Inhalte meiner Küche zu durchsuchen. Allerdings – mir fällt Mirabelles Korb ins Auge. Den hab ich vollkommen vergessen. Kurz nachdem ich den Inhalt auf der Arbeitsfläche ausgebreitet habe, kann ich nur noch den Kopf schütteln. Oh Mirabelle… Ein komplettes Abendessen, inklusive Getränke – und für einen mehr als zu viel. Selbst für zwei. Na – so ist immerhin fürs Frühstück gesorgt.

Immer noch etwas müde suche ich meine Kleidung zusammen und warte, bis ein tropfender Shea aus meiner Dusche kommt. Oups…. Mit sichtlich schuldbewusstem Blick gebe ich ihm ein Handtuch, bevor ich selbst unter das erfrischende Nass springe – ein bisschen rot im Gesicht. Das gibt’s doch nicht, dass dieser Anblick mich schon wieder heiß gemacht hat. Bin ich ein hormongesteuerter Teenager? Über meine eigene, offensichtlich nur sporadisch vorhandene Selbstbeherrschung und den ebenfalls abwesenden Verstand philosophierend kühle ich mich gründlich ab. Das Badezimmer kann ich eh nicht mehr unter Wasser setzen – das hat Shea schon für mich erledigt. Halbwegs trocken und mit Kleidung am Körper gehe ich zurück zu Shea, hoffend dass die Kühlung ausreicht, nicht über ihn herzufallen.

Immerhin weiß ich inzwischen sicher, dass er keine Halluzination ist – was mich gleichzeitig beunruhigt und erleichtert. Der Kerl löst wirklich massiv ambivalente Gefühle in mir aus…

Shea lächelt mir kurz zu, als ich mich neben ihn fallen lasse. Er hat das Essen zusammen mit Tellern auf das Fell geräumt. Lächelnd sehe ich zu ihm, wie er versucht seine immer noch tropfnassen Haare nach hinten zu schieben um den Teller vor dem Wasser zu bewahren.

Ich will nicht weg…

Still essen wir – haben wir doch das Abendessen völlig vergessen.

Ich will nicht von ihm weg.

Shea gähnt. Er ist sichtlich noch müde. Irgendwie tut es mir leid ihn geweckt zu haben. Das Kuscheln war so schön.

Ich möchte schreien. Einfach nur schreien. Aber ich bleibe vollkommen stumm.

Als wir fertig sind, räume ich die Sachen zusammen. „Shea… Es tut mir leid, aber – ich muss los.“ Ich seufze leise. Muss ich wirklich. Ich hab schon zu viel Zeit vertrödelt.

Aber ich will nicht.

Er kommt zu mir und nimmt mich einfach in den Arm. „Vaughn… Vergiss Shea nicht.“ Ich schüttle den Kopf. Wie könnte ich? „Nie, Shea. Morgen Abend bin ich wieder hier. Versprochen.“ Sanft streichle ich ihm nochmal durch die Haare, erwidere seinen sehnsüchtigen Kuss. Seine Augen sehen traurig aus…

„Morgen Abend, Shea.“

Damit verlasse ich das Haus und ihn, mache mich auf den Weg zu Mirabelle.

Verdammt, es ist mir noch nie so schwer gefallen.
 

Die Nacht war Grausam. Nicht nur, dass es keine gute Idee war, die Arbeit von zwei Tagen auf einen zu verlegen, nein. Ich vermisse ihn. Ich konnte nicht schlafen. Es ist so lächerlich – er hat erst einmal bei mir übernachtet. Und dennoch frisst die Sehnsucht mich fast auf. Es ist schon fast Elf, der Himmel dunkel. Müde taumle ich den Landungssteg herunter. Hoffentlich ist er noch da, wartet auf mich. Obwohl es schon so spät ist. Die Tiere sind zum Glück schon fertig versorgt. Nur noch nach Hause… Ich kann spüren wie ich lächle bei dem Gedanken. Das erste Mal, seit ich gestern Morgen los bin. Schwere Schritte tragen mich durch das Dorf. Ich freue mich so auf seine Wärme. Seine starken Arme. Die… Ruhe die ich bei ihm finde. Nur bei ihm.

Mann, bin ich kitschig.

„Vaughn!“

Aber irgendwie ist mir selbst das im Moment egal. Hauptsache…

„VAUGHN! WARTE!“

Äh – was? Verwirrt bleibe ich stehen. Julia? „Vaughn! Oh Gott, Vaughn… Gut, dass ich dich so schnell gefunden hab. Du musst helfen!“ Ziemlich perplex aus der Wäsche guckend werde ich von ihr mitgezerrt. Helfen? Wobei? Was? „Was ist denn überhaupt los?“ Sehnsüchtig wandert mein Blick zurück zu meinem Heimweg. Shea…

„Die Kuh… Hizumi… Wehen aber… aber sie stirbt!“ Julia heult. Sie ist offensichtlich nicht mehr in der Lage einen zusammenhängenden Satz zu bilden. Ich bin mir auch sehr sicher dass Hizumi NICHT schwanger ist. Dennoch beschleunige ich meinen Schritt. Wenn sie so drauf ist, ist mit Sicherheit irgendwas passiert.

Schon als wir Hizumis Farm betreten kann ich das schmerzerfüllte, panische Schreien der Kuh hören. Ihre Laute jagen mir einen bösartigen Schauder über den Rücken. Mir wird schlecht. Jetzt renne ich zum Kuhstall. Julia lasse ich einfach stehen. Was auch immer genau los ist, sie sollte es besser nicht sehen. Sie ist jetzt schon völlig am Ende. Mich selbst zur Ruhe zwingend betrete ich das warme, von Zwielicht erfüllte Gebäude. Nur nicht aufregen. Erneut schrillt der erbärmliche Laut in meinen Ohren und erschüttert mich ins Mark. Kein Wesen sollte so schreien müssen. Auf einer weichen Strohmatte liegt eine der Kühe – hochschwanger und in den Wehen. Hizumi daneben. Sowohl den lauten des Tieres zur Folge, wie auch Hizumis Verzweiflung nach dauert das alles schon viel zu lange.

Die Hexenprinzessin, die neben ihrem Mann steht schenkt mir einen fast tödlichen Blick, und stolziert dann an mir vorbei. Nicht ohne mich heftig anzurempeln und mir ein oder zwei Beleidigungen zuzuzischen. Na klasse…

Die freut sich wirklich endlos, mich zu sehen… Naja, ich sollte ihr zugestehen, dass sie mich nicht in einen Frosch verwandelt. Wobei das wohl auch eher der Tatsache zu verdanken ist, dass ich mich um die Kuh kümmern soll.

Immerhin ist alles da, was ich brauchen werde.

Die Geburt zieht sich. Die Kuh ist am Ende ihrer Kräfte. Ich auch, wenn ich ehrlich bin. Hizumi liegt auf einem der Strohballen. Sein Kreislauf hat vor einer halben Stunde schlapp gemacht. Ich stecke mit dem Arm bis zur Schulter in der Kuh und versuche verzweifelt das linke Vorderbein des Kalbes endgültig gerade zu ziehen. Nur noch ein kleines bisschen…. Dann…. ENDLICH! Der Huf schnappt in die richtige Haltung und ich kann der völlig erschöpften Kuh helfen, das Kalb Stückchen für Stückchen ans Licht zu bringen.

Hufe…

Nase….

Und… Mit einem unspektakulären „Flopp“ landet es vor mir im Stroh. Schnell entferne ich den Schleim von den Nüstern damit es Atmen kann. Nabelschnur trennen…

„Komm altes Mädchen, du hast es gleich geschafft.“ Nur noch die Nachgeburt. Ich hoffe ernsthaft dass Hizumi sie nie wieder decken lässt. Sie ist zu schmal. Naja, das Kalb auch sehr groß, aber das Ergebnis haben wir ja gesehen. Mir ist schwindelig vor Erschöpfung. Ich will gar nicht wissen wie die Mutterkuh hier sich fühlt. Aufmunternd tätschle ich ihre Kuppe. Mit einer letzten, großen Anstrengung presst sie den Mutterkuchen hervor, bevor sie sich endlich ihrem Kälbchen zuwenden kann. Mit leisem, sehr erschöpftem Muhen leckt sie ihm über das Fell.

„Du… hast es wirklich geschafft.“ Schwach dringt Hizumis Stimme zu mir. Ich lächle. „Ich hatte… die beiden schon aufgegeben. Danke, Vaughn.“ Er ist näher gekommen, lehnt jetzt an meiner Schulter. „Gern… Ich konnte – sie nicht so leiden lassen.“ Versuche ich abzuwiegeln. Die Nähe bereitet mir Unbehagen. Aber wahrscheinlich ist Hizumi einfach so todmüde, dass er sonst Umfallen würde. Geht mir ja nicht viel anders. Erschöpft reibe ich mir durchs Gesicht, ohne zu realisieren, dass ich Blut und Fruchtwasser dort hinterlasse. Viel Unterschied macht es eh nicht mehr. Ich sehe aus, als hätte ich im Schlachthaus gebadet. Oder hätte intensive Freundschaft mit einem Metzgerbeil geschlossen. Ich brauch eine Dusche und ein Bett. Dringend!

Hizumi drückt sich enger an mich. „Wirklich, ich hab keine Ahnung wie ich dir danken soll…“ Seine Hand legt sich um meine Hüfte. „Äh… Hizumi?“ Was zur Hölle wird das? Ich fühl mich immer unwohler und meine Nackenhaare sträuben sich. „Vaughn… ich… „ Was auch immer es ist, grade will ich es NICHT hören. „Hizumi!“ „Danke – für alles. Du bist einfach unglaublich.“

Er drückt seine Lippen auf meine. Weich, sanft, etwas spröde. Alles schmeckt nach Blut. Und ich? Ich erstarre förmlich. Ich müsste ihn wegstoßen, anschreien. Aber ich kann mich nicht regen. Erst als Hizumis Zunge über meine Lippen streicht kommt Bewegung in mich.

Schock. Unglaube.

Vor allem aber Wut. Die Ohrfeige die ich ihm verpasse sitzt. Er taumelt und ich kann trotz des Blutes sehen, wie die Wange sich rot färbt. „Tu das nie wieder! Du bist Verheiratet!“ Große, entsetzte Augen sehen mich an. „Vaughn… Ich… Ich…“ „Ich will es nicht hören. Lass es! Ich will dich nicht!“ Das mag hart sein, aber ich bin völlig fertig und außerdem nicht für meine Eloquenz bekannt. Halb blind vor Zorn verlasse ich die Ställe, ignoriere das leise Schluchzen hinter mir. Genauso wie der klägliche Ruf meines Namens. Ich habe jetzt echt keine Kraft für so einen Scheiß.

Am Horizont steigt die Sonne, taucht die Straßen mit ihren ersten Strahlen in ein fahles, unwirkliches Licht.

Mir wird eiskalt

Shea!

Ich habe ihn vergessen….
 

Ich hab ihn vergessen! Wie eine gesprungene Schallplatte wiederholt mein Hirn die immer gleichen Worte. Das hätte nicht passieren dürfen. Egal wegen was! Ich hab es versprochen. Ich hab ihn wirklich vergessen.

So schnell ich kann, renne ich zu meinem Haus. Vielleicht ist er noch da? Oh, bitte. Bitte lass ihn noch da sein. Oh Shea… Es tut mir so leid! Heftig stoße ich die Tür zu meinem Haus auf. „SHEA!“ Blitzschnell renne ich durch die einzelnen Räume. Aber alles was mir entgegenspringt ist Grabesstille.

Er ist weg.

Gegangen

Und ich bin Schuld.

Shea…

Es fällt mir unheimlich schwer zu denken. Nicht einfach völlig apathisch zu werden. Aber ich muss zu Shea. Muss mich entschuldigen, ihm erklären.

Vielleicht… Glaubt er mir.

Vielleicht…

Oh bitte. Ich will ihn nicht verlieren. Nicht wo ich ihn gerade erst gefunden habe. Ich reagier übertrieben, das ist sogar mir klar. Aber Angst ist nicht rational.

Und ich war schon zu lange allein.

Ja, Sabrina zählt nicht!

Ich rapple mich hoch und verlasse die Hütte, in der ich das Gefühl habe zu ersticken, ohne ihn. Es ist dort auf einmal so unendlich kalt. Gott, ich benehme mich als wäre ich besessen. Von einem Namen. Einem Menschen.

Shea…

Ich muss ihn finden. In meiner Erschöpfung kann ich nicht mehr klar denken und alles was mein Überlastetes Hirn noch ausspuckt ist das:

Ich muss Shea finden!

Ich taumle wohl mehr, als dass ich laufe. Und die Kälte frisst sich durch meine nassen Kleider. Es ist mir egal. Verbissen schleppe ich mich den Weg zur Brücke.

Nur – wohin jetzt?

Ich hab keine Ahnung wo Sheas – oder wohl eher Wadas Haus steht, geschweige denn wie ich es im dichten Dschungel finden soll. Den Weg hab ich mir damals sicher nicht gemerkt.

Egal.

Aufgeben steht nicht zur Debatte. Stur mache ich mich auf in das Innere des langsam erwachenden, grünen Ungetüms. Schnell habe ich keine Ahnung mehr, wohin. Nur den Weg zum Wasserfall meide ich. Erstens ist es nicht der richtige und zweitens…

Es würde wehtun.

Sehr…

Was ich überhaupt nicht bedacht habe ist allerdings eine andere Sache. Der Blutgeruch lockt Raubtiere an. Es raschelt im Unterholz. Gelbglühende Augen und graue Felle bestätigen mir, dass ich es mit meinen alten Freunden zu tun habe. Wölfe. Ob es die gleichen Biester sind wie damals schon?

Oh Shea…

Schon wieder Shea.

Grad könnte man echt meinen, dass ich anderes im Kopf habe, oder? Langsam weiche ich nach hinten zurück, bemüht den Blickkontakt nicht reißen zu lassen. Ich will zu Shea, nicht bei dem Versuch sterben. Das ist mir zu pathetisch. Mit leisem Knurren folgen sie mir. Mein Blick scheint sie ein bisschen zu verunsichern. Wie schön… Mal etwas, was halbwegs funktioniert. Noch schöner wäre es natürlich wenn sie ganz unspektakulär Reißaus nehmen würden.

Unrealistisch – ich weiß. Aber man wird ja wohl noch träumen dürfen…. Mein Traum ist allerdings abrupt vorbei als mein Rücken auf einer rauen Holzwand auftrifft und die hungrig knurrende Meute mich immer noch fest im Visier hat.

Scheiße!

Moment mal…

Wand?

Im Dschungel?

Das muss…

Mit einem leisen Aufschrei wirble ich herum.

JA! Es ist die Hütte. Da ist die Tür! Ja – ähnlich unrealistisch, aber das ist mir grade echt egal. Allerdings hab ich in meiner Freude meine liebsten Freunde vergessen.

Die Wölfe…

Sie mich nicht.

Leider…

Kapitel 6

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 6 (ohne adult)

Scharfe Zähne bohren sich tief in meine Schulter. Ugh… Das tut weh. Abrupt schlage ich dem Mistvieh mit der Faust auf die Schläfe und versuche die zwei Meter bis zur Tür zu schaffen. Der zweite Biss Richtung Bein geht zum Glück daneben so dass nur ein paar Kratzer zurückbleiben. Reicht auch. Gerade will ich die Tür aufreißen als sie schon aufgeht – und ihre Bestimmung in der Kollision mit meiner Stirn und einem dritten Wolf sieht. Mit einem Schmerzerfüllten Keuchen gehe ich zu Boden.

Meine Freude ist dabei zu verpuffen. Mein unfreiwilliger Türenkontakt hat mich nämlich zur leichten Beute gemacht und mir ein paar saftige Krallenspuren im Rücken verpasst.

Heute ist nicht mein Tag. Echt nicht. Ich merke kaum wie ich in die relative Sicherheit der Hütte gezogen werde. Relativ deshalb weil es mir schwer fällt, ein Haus in dem man mich tätlich angreift, und sei es nur mit einer Tür, als sicher zu bezeichnen…

Zwei Wölfe, die nicht von ihrem Abendessen – oder eher Frühstück? Waren Wölfe nicht normal nachts unterwegs? – lassen wollen, werden ohne großes Federlesen mit einem großen Stock aus der Hütte komplimentiert. Das ist doch mal angenehm…

„…sehr… …dummer… …Mann!“

Die Art zu sprechen hab ich doch schon mal gehört. Die Worte auch – zumindest fast. „Sind sie Wada?“ Ich werde gemustert. Meiner Meinung nach dauert es viel zu lange bis ich die Antwort bekomme.

„…Ja… …Ich…. …Wada….“

Oh toll – mindestens das. „Ich muss zu Shea! Bitte – wo ist er?“ Klasse. Ich höre mich schon wieder wie ein hysterisches Weib an.

„…Shea… …nicht… …hier…“

Verdammt. Wo ist er dann? Schnell springe ich auf, die dumpf pochenden Schmerzen größtenteils ignorierend. Dennoch kann ich nicht verhindern zu schwanken. Ich muss ihn finden. Mein hirnloser Vorstoß zur Tür wird abrupt von einer Hand auf meiner Schulter gestoppt. Der verletzten natürlich. Alles andere würde ja keinen Spaß machen. Vor Schmerz wimmernd sacke ich zu Boden. Uh…

„…wirklich… …dummer… …Mann…“

Wada schüttelt wohl den Kopf. Es ist schwer das durch die Funken und dem Glitzern vor meinen Augen zu sehen.

„…Du… ...bleibst… …hier…“ Wird bestimmt. Das – das geht doch nicht. „Aber Shea…“

„…Shea… …im… …Familienturm…

…Du… …nicht… …dürfen…

…außerdem …du… …verletzt…“

Er schüttelt wieder den Kopf und ich werde ohne großes Federlesen auf ein Bett gepackt und ausgezogen. Scheiße, hat der Kerl eine Kraft. Mit unangenehmen, festen Griffen wäscht er die Wunden aus und verbindet sie. Ich glaube er mag mich nicht.

„…Du… …Shea… …wehgetan!

…Du… …jetzt… …gehen…

…Nicht… …Shea… sehen…“

Ich schlucke hart. Verdacht bestätigt. Und er hat auch noch Recht. „Ich… ich weiß dass ich ihm wehgetan habe. Es – es tut mir so leid. Ich wollte das nicht. Ich will mich entschuldigen!“ Verdammt, das macht mich alle. Oh Shea…

„…Warum… …Shea… …alleingelassen?“

Ich … bekomm eine Chance zu erklären? „Ich bin – wie versprochen – gestern Abend hier angekommen und war auf dem Weg nach Hause. Allerdings wurde ich von Julia abgefangen. Auf der Farm lag eine Kuh in den Wehen und hat es nicht allein geschafft das Kälbchen auf die Welt zu bringen. Erst gegen Morgen haben wir es holen können. Ich bin sofort nach Hause, aber Shea war nicht mehr da. Ich… ich bin sofort los ihn zu suchen.“ Langsam merke ich, wie müde ich wirklich bin. Es fällt mir schwer die Augen aufzuhalten und mir ist schwindelig. „Es tut mir wirklich leid. Ich wollte ihm doch nicht wehtun.“ Ich lasse den Kopf hängen. Meine übereilte Suche war wohl zu nichts gut.

„…Shea… …braucht… …niemanden…

…der… …allein… …lässt…

…Shea… …braucht… …Familie…“

Ich schlucke und nicke langsam. Ich bin falsch für Shea Schlecht für ihn. Wie ich schlecht für Sabrina war. Ich tu ihm nur weh. Was weiß jemand wie ich schon von Familie? Traurig wende ich den Blick ab und will gehen. Ich mach ja doch nur alles falsch. Shea soll nicht wegen mir noch mehr leiden. Aber gerade als ich die Tür öffnen will, werde ich aufgehalten. Starke Arme umschlingen mich. Ein so bekannter Geruch, wild und herb gleichermaßen, hüllt mich ein. „Shea…“ Die Anspannung ist mit einem Schlag fort. Müdigkeit überrollt mich wie eine Welle. Er ist da. Träge wende ich den Kopf zu ihm. Tränenspuren… Er soll nicht weinen… „Shea… Es… es tut mir so leid…“ Ich streiche zärtlich und matt über seine Wange. „Ich wollte nicht…“ Er lächelt. Zarte Lippen auf meinen. Dann Schwärze.

Als ich wieder aufwache fühle ich mich so gut. Starke, warme Arme, die mich festhalten. Ein warmer Körper. Herzschlag. Ich will hier niemals weg. Der Schmerz lässt mich in Ruhe – vorerst. Ich fühle mich so leicht. Geborgen. Sicher. Zärtlich wird mir durch die Haare gestrichen. „Vaughn?“ Als Antwort kuschle ich mich enger an. Mein Shea… „Lass Shea nie wieder allein, Vaughn“ Ich schüttle den Kopf. „Nie wieder.“ Ich kann und will das hier nicht mehr aufgeben. Ich… brauche ihn. So sehr. Ich werde ihn nie wieder loslassen. Nie wieder…

Ich bin wohl nochmal eingeschlafen, denn dieses Mal weckt mich sanftes, gleichmäßiges Streicheln. Hmm… Wenn es nach mir ginge, müsste Shea damit nie wieder aufhören… Ich will nicht aufwachen. Allerdings hat der Schmerz einen Weg zurück zu mir gefunden. Schade eigentlich.

Äußerst unwillig – anders kann man es wirklich nicht mehr bezeichnen – stoße ich einen kehligen Laut aus und öffne die Augen. Aber - der Anblick der fragenden, gelbbraunen Augen ist entschädigt für sehr, sehr viel. Vor allem jetzt, wo die Tränenspuren weg sind und nicht mehr ins Herz stechen. „Shea…“ Sanft streiche ich über seinen Wangenknochen und die Lippen. So schön…

Shea lächelt mich an „Vaughn sollte nach Hause.“ Ich schüttle den Kopf – und bereue es sofort. Mir wird schwindlig und bunte Lichtpunkte tanzen vor meinen Augen. Ein penetrantes Pochen glüht in meinen Schläfen. „Ich geh nicht ohne dich.“ Irre ich mich oder wird sein Lächeln noch ein Stück breiter? „Shea kommt mit Vaughn.“ Jetzt lächle auch ich und drücke ihn eng an mich, die Schmerzen so gut es geht ignorierend. Gut… das ist gut. Ich kann zwar einen unerfreuten Blick in meinem Nacken spüren, aber das ist mir egal. Hauptsache Shea lächelt. Mit Schwiegervätern hatte ich eh noch nie Glück…

Langsam rapple ich mich hoch, Schulter und Rücken so gut es geht entlastend. Vorsichtig taste ich über die Verbände. Immerhin – soweit ich es mitbekomme ist nichts aufgerissen. Meine Augen suchen den mehr als grimmig dreinblickenden Wada. „Danke.“ Beinahe sieht er überrascht aus, knurrt dann aber. „…Shea… …nicht… …nochmal… …wehtun…“, ermahnt er mich grummelig. Beinahe klingt es wie eine Drohung. „Nein, nie wieder. Wenn es irgendwie in meiner Macht steht, dann niemals wieder.“ Nicht freiwillig zumindest. Niemals wird wohl kaum gehen, aber… zumindest niemals mehr so sehr. Sacht lehne ich mich an Shea, der von hinten die Arme um mich schlingt. Es ist ein schönes Gefühl mich anlehnen zu können. Zu wissen dass er da ist. VERTRAUEN zu können. Ich will, dass er das auch bei mir kann. So sehr… Immerhin weiß ich jetzt aber, was mir so in der Ehe mit Sabrina gefehlt hat. Was alles schief gegangen ist. Und was für ein Gefühl es ist Rückhalt von seinem Partner zu bekommen. Mein Shea…

„Wada. Dürfen Shea und Vaughn Felle und Essen haben? Vaughn muss nach Hause. Mirabelle hat Angst“ Irgendwie geht das Gespräch der beiden etwas an mir vorbei… Und ich muss zugeben, dass ich Mirabelle völlig vergessen habe. Passiert mir in letzter Zeit wohl öfters. Nicht gut… Sie wird es mich spüren lassen. Jedenfalls wird Shea zugenickt, worauf ich ein ziemlich großes Bündel Felle in die Hand gedrückt bekomme. Shea selbst nimmt ebenfalls einige Felle, sucht aber noch Essen zusammen. Dann lächelt er Wada zu. „Wada Sheas Familie. Shea Wada bald wieder sehen.“ Jetzt verzieht sich das runzlige Gesicht zu einem Lächeln. „…Ich… …werde… …warten…“

Shea nickt ihm nochmal zu und schiebt mich dann aus der Tür. An seiner Seite ist der Weg zurück überraschend kurz und einfach. Ich muss mich extrem verlaufen haben. Andererseits – wäre er viel länger hätte ich ihn kaum geschafft… Kurz stocke ich, als vor uns das dunkle Holz der Brücke auftaucht. Dann aber überqueren wir sie. Gemeinsam. Das erste mal.

Ohne mein Zutun verzieht sich mein Gesicht zu einem glücklichen Lächeln.

Mir wird ganz warm, als er zurücklächelt.

Bei mir zuhause allerdings erwartet uns das Äquivalent eines Hausdrachen. So hab ich mir immer eine besorgte Mutter vorgestellt. Mirabelle stürzt mit einem Schrei auf mich zu als ich die Tür öffne. „Vaughn! Wo bist du nur gewesen? Ich hab mir solche Sorgen gemacht! Du kannst doch nicht einfach verschwinden! Wenn dir was passiert wäre!“ Ich bin froh, dass sie mir nicht einfach um den Hals fällt. Mir schallt es so schon im Kopf und mir wird wieder schlecht. Na danke. Aber Immerhin daran hat Shea sie effektiv gehindert. Er hat einfach seinen Stapel Felle fallen lassen und den Arm ausgestreckt in dem sie jetzt hängt. „Mirabelle muss vorsichtig sein. Vaughn verletzt“

DAS hätte er ihr jetzt nicht unbedingt auf die Nase binden müssen. Mirabelle schaut mich entsetzt an. Dann windet sie sich erstaunlich geschickt aus Sheas Händen. Schnell nimmt sie mir die Felle aus der Hand und drückt sie Shea in den Arm. „Da, sorg dafür dass er sich irgendwo vernünftig hinlegen kann. Dass der Kerl aber auch immer noch kein richtiges Bett hat. Das muss ich dringend ändern. Vaughn, wenn du glaubst ich lasse dich in den nächsten zwei Monaten von der Insel runter, bist du dümmer als ich von dir denke. Kaum halbwegs gesund überanstrengst du dich total und verschwindest, ohne irgendjemandem Bescheid zu geben wohin und du kommst auch noch verletzt wieder. Ich verspreche dir, wenn du nicht dieses Mal zuhause bleibst bis du komplett gesund bist, lege ich dich übers KNIE wie einen VIERJÄHRIGEN!“ Oups… Ich glaube fast, sie ist sauer.

Ein bisschen…

Minimal…

SHEA! HILF MIR!

Leider hat selbiger beschlossen auf die Furie zu hören und ist im angewiesenen Zimmer verschwunden. Meinem – bis auf ein paar Kisten völlig leeren Schlafzimmer. Mirabelle macht sich derweil einen Spaß daraus, mich aus meiner verdreckten, zerrissenen Kleidung zu schälen. Dass ich kein gesteigertes Bedürfnis habe, in Shorts vor ihr zu stehen ist ihr offensichtlich egal. Mit etwas gerümpfter Nase entfernt sie die provisorischen Lederverbände und jagt mich unter die Dusche. Weiß sie eigentlich wie weh das tut?

Wahrscheinlich schon…

Noch wahrscheinlicher ist, dass es ihr momentan vollkommen egal ist.

Leise vor mich hin fluchend verziehe ich mich unter die Dusche. Ich bin doch eh schon völlig fertig. Warum kann die Frau mich nicht einfach schlafen lassen? Allerdings wird das Fluchen unter dem heißen Wasser schnell zu einem unterdrückten Wimmern. Blut läuft aus den noch nicht ganz verschlossenen Wunden und färbt das Wasser rot. Naja – soweit es nicht schwarz vor Dreck ist. Als ich aus der Dusche komme kann ich kaum noch stehen, geschweige denn gerade laufen. Die Wunden brennen höllisch und mein Kreislauf zeigt mir dezent den Mittelfinger.

„Shea…?“ Ich kann nicht mehr. Ich glaube ich war noch nie so dankbar, dass diese starken Arme sich um mich gelegt haben. Erschöpft lehne ich mich gegen ihn. Mein Körper zittert unkontrolliert. Er wirkt kühl im Vergleich zu meiner überhitzten Haut. Angenehm… Egal wie sehr ich mich bemühe, meine Augen wollen nicht mehr offen bleiben. Ich bewege mich hier keinen Millimeter mehr weg.

Die Entscheidung wird mir eh abgenommen. Shea trägt mich ins Schlafzimmer. Immerhin darf ich mir noch eine Shorts anziehen, oder eher Shea zieht sie mir an, bevor der Hausdrache – äh Mirabelle – wieder über mich herfällt. Jede einzelne Wunde wird erneut extragründlich ausgewaschen. Erneut läuft mir das Blut über den Rücken und ich schreie, als sie den Alkohol über die Wunden kippt.

Klasse…

Womit hab ich das eigentlich verdient?

Die Antwort sitzt neben mir. Dafür, dass ich Shea vergessen habe, habe ich einiges verdient. Dennoch bin ich froh, als Mirabelle die Wunden fertig versorgt und frisch verbunden hat. Ich bin tierisch ausgelaugt. „Du hast die nächsten Tage Bettruhe. Ich werde jeden Tag vorbeikommen und du hast ja auch noch Shea.“ Ich seufze. Sie findet es unter Garantie heraus wenn ich aufstehe. Shea ist einfach zu ehrlich… Aber das mag ich ja so an ihm. Unter anderem. Mir bleibt also nur ein ergebenes Nicken. Sie lächelt Shea nochmal zu, winkt und verschwindet. Endlich…

So müde…

Ich spüre wie sich Shea neben mich setzt. Seine sanften Finger streichen durch mein Gesicht. So schön… Meine Mundwinkel heben sich sacht und ich schmiege mich weich in die Hand. Er soll nicht aufhören. „Ist Vaughn ok?“, höre ich ihn zögerlich fragen. Mirabelle hat ihn wohl ziemlich überfahren. „Ich bin müde und die Wunden brennen. Aber sonst geht es mir gut. Sie ist – anstrengend…. Manchmal“ Er lacht leise. Er sieht schön aus, wenn er lacht.

Vorsichtig rutsche ich etwas näher und lege meinen Kopf auf sein Knie. Mein Schädel pocht und fühlt sich heiß und schwer an. „Ich bin so froh, dass du wieder da bist…“, murmle ich leise. „Es tut mir so leid, dass ich zu spät hier war.“ Wieder streicht er mir über die Stirn. „Vaughn IST wiedergekommen. Dass das wichtigste.“ Er stockt. Selbst seine Bewegungen stocken. „Shea Angst, Vaughn gar nicht mehr zurückkommen. Shea angst – Shea wieder alleingelassen.“ Hu? Träge hebe ich den Kopf. „Wieso wieder?“ Shea sieht traurig und unbehaglich im Dämmerlicht aus. Er kaut sich die Lippen wund. Sanft ziehe ich ihn zu mir runter. „Schon gut.“ Meine Lippen verschließen seine für einen weichen Kuss, verhindern, dass er sie sich aufreißt. „Erzähl es mir irgendwann, wenn du dazu bereit bist, okay? Ich kann warten.“ Er nickt sacht, erleichtert wirkend. Aber ich wäre für eine tiefgreifende Geschichte gerade eh zu fertig. Ich – will ihm vernünftig zuhören können.

Ja, gerade ich. Fast schon lachhaft.

Aber es stimmt. Ich will ihm die Aufmerksamkeit geben, die er verdient. Und das ist nun mal alle, die ich habe.

Vorsichtig, um meinen schmerzenden Körper nicht herauszufordern, rutsche ich etwas zur Seite um ihm Platz im Bett zu machen. Sobald ich den warmen Körper neben mir spüre kuschle ich mich an ihn an. Ehrlich? Ich hätte niemals gedacht, dass es so gut tut, einfach mal schwach sein zu dürfen… So seltsam und fast widernatürlich der Gedanke für mich ist – es hilft. Die Wärme hüllt mich ein und schnell bin ich tief und fest eingeschlafen. Die Wunden fordern ihren Tribut.
 

Von den nächsten paar Tagen bekomme ich kaum etwas mit. Wundfieber hält mich ans Bett gefesselt und ich schlafe eigentlich nur. Dennoch weiß ich, dass er da ist. Dass er es ist, der sich um mich kümmert, nicht Mirabelle. Es ist, als ob ich den Unterschied spüren kann. Und ich bekomme es bestätigt, als ich endlich wieder richtig die Augen öffne.

Er ist da… Für mich…

Es – tut einfach gut – für jemanden wichtig zu sein.

Langsam setze ich mich im Bett auf, nehme dankbar den Becher Tee entgegen. Dann krabble ich komplett aus dem Bett. Klo… Und ich brauch mehr Wasser. Nicht nur innen, sondern endlich mal wieder auf der Haut. Das Duschen vom letzten Mal ist mir allerdings noch unschön in Erinnerung…

„Shea…?“ Ich kann spüren wie ich rot werde.

Na toll…

Shea taucht aus der Küche heraus auf und sieht mich fragend an. Der Fußboden ist grad richtig hübsch… „Vaughn?“, erklingt es leise und besorgt von ihm. Verdammt! Ich will ihm keine Sorgen machen. Ich… Warum ist es nur so schwer nach Hilfe zu Fragen? Das kann doch eigentlich gar nicht sein! „Ich… ich…“ Hallo? Stottern macht es nicht besser! Im Gegenteil!

Gott, wie er guckt. „Shea, ich… ich wollte…“ Er kommt auf mich zu. Wahrscheinlich inzwischen totsicher dass etwas mit mir nicht stimmt. Hat er auch noch recht mit. Ich bin absolut unfähig um Hilfe zu bitten. Wie armselig ist das denn?

„BittehilfmirbeimDuschen.“, nuschle ich schnell und ohne aufzusehen. DAS war jetzt kindisch. Aber immerhin hab ich es überhaupt herausbekommen. Und er lächelt, erleichtert, dass es nichts Schlimmes ist. Zumindest nicht für ihn. Für meinen Stolz war es mal wieder sehr schmerzhaft. „Shea hilft Vaughn. Shea hilft Vaughn gern“ Er tritt auf mich zu und nimmt mich in den Arm.

Vielleicht ist Bitten doch nicht so schlimm…
 

Kurz lehne ich mich an ihn, bevor ich mich unter die Dusche entführen lasse. Es tut unendlich gut das heiße Wasser auf meiner Haut und in meinen Haaren zu spüren. Am meisten bin ich mir allerdings Sheas Nähe bewusst. Das ist so eine Kleinigkeit, die ich nicht bedacht habe…
 

~~~~~
 

Leises, warmes Lachen füllt das leere Schlafzimmer, lässt alles wärmer und freundlicher wirken. Ich glaub fast – ich mag mein Leben.

Und ich weiß, dass ich ihn liebe. Irgendwann werde ich ihm das auch sagen können. Nur noch nicht jetzt.

Kapitel 7

Die Zeit fließt förmlich. Je länger ich auf der Insel bleibe, desto weniger will ich noch fort. Nicht zurück zum Tierhandel auf den Schiffen und noch weniger wegziehen.

Aber ich muss irgendwie Geld verdienen!

Klar, im Moment halten uns Mirabelle und Wada über Wasser. Aber das werden sie nicht ewig tun. Außerdem ist das Haus immer noch ziemlich leer und trostlos. Es kann – und soll - so nicht bleiben. Ich will Shea mehr bieten können als das. Allerdings ist in der letzten Zeit immer mehr ein Plan in mir herangereift. Ich habe früher studiert, musste aber abbrechen. Es hat einfach das Geld gefehlt. Damals wollte ich Tierarzt werden. Die Lehrbücher und Unterlagen habe ich nie weggeschmissen. Ich konnte es nicht, auch wenn ich mir dämlich vorkam. Aber naja… Träume darf jeder haben, nicht?

Auf der Farm gibt es viele Tiere und Geburten. Bisher ruft Hizumi immer einen Tierarzt von der Nachbarinsel wenn es wirklich schlimm wird. Aber das ist zu weit – haben wir ja letztens gemerkt. Auch Mirabelle hat sich jetzt ein Haustier angeschafft und sie muss sich auch um die Tiere in ihrem Laden kümmern. Vielleicht kommen ja noch mehr Haustiere. Vor allem wenn die Besitzer sich sicher sein können dass sie gut versorgt werden können.

Ein Tierarzt wird auf jeden Fall gebraucht. Und ich könnte in einem Fernstudium hier lernen. Nur, wie soll ich das finanzieren? Immer die gleiche unleidige Frage. Ich hab doch keine Rücklagen mehr… Vielleicht wenn ich eine kurze Zeit normal arbeiten würde und alles sparen? Aber das geht nicht. Ich muss Shea doch versorgen können… Wobei – im Moment versorgt eher er mich.

Grübelnd stehe ich in der Küche, in dem Versuch ein brauchbares Abendessen zu kreieren. Shea ist jagen, wofür ich ihm ziemlich dankbar bin. Ich bin froh über jedes einzelne Mal, wo uns nicht geholfen werden muss. Über jedes bisschen, was wir nicht geschenkt bekommen, was nicht meinen armen, gequälten Stolz weiter in den Boden tritt. Ich hab mir auch schon überlegt, ob wir die übrigen Felle nicht verkaufen sollten, aber einen Absatzmarkt fänden wir dafür nur in der Stadt. Vielleicht sollte ich mal mit Taro reden? Er regelt das ganze ja auch für Hizumi….

Nachdenklich rühre ich im Soßentopf, die Gedanken weit, weit entfernt. Ich höre die Tür aufschlagen. Ist Shea schon wieder zurück? Ich bin noch nicht fertig. Weder mit dem Essen noch damit, meine wirren Gedanken zu ordnen – wobei ich ehrlich bezweifle dass ich letzteres jemals hinbekomme. Muss er halt noch etwas warten. Er kennt es, dass ich nicht ansprechbar bin, wenn ich koche. Dazu bin ich dann einfach zu sehr in Gedanken versunken. War schwierig genug Kochen zu lernen. Ich bin schließlich keine Hausfrau. Hmm – da fehlt noch etwas Salz.

Plötzlich knalle ich seitlich gegen den Schrank. Schmerz fährt durch meine Schläfe, die unerfreulich engen Kontakt mit dem Türgriff schließt, bevor ich dann doch den Boden näher begrüßen darf. Wie schön… Völlig überfordert schaue ich in das Gesicht des Kois.

Ich hab nachgelesen. Es gibt rote Fische – Kois. Lachse sind auch rot, aber nicht immer.

Naja, Sinn hin oder her. Offensichtlich hat mein Ex-Schwiegervater mich förmlich gegen den Schrank geworfen. Woher meine Intelligente Beweisführung kommt? Naja – er hält mich gerade am Kragen fest, schüttelt mich durch und schreit mich in voller Lautstärke an. Von den Worten verstehe ich allerdings kein einziges. Dazu dröhnt mein Schädel einfach zu sehr. Wo kommt der Kerl überhaupt her? Was will er von mir?

Jetzt reicht es.

Abrupt hole ich aus und ramme Regis die Faust ins Gesicht. Ich habe mich NICHT von Mirabelle hier einsperren lasse, um von ihm verprügelt zu werden und dann wie ein geschlagener Hund erneut von ihr zusammengeflickt zu werden. Ich lag wirklich lange genug im Bett. Mit einer hämischen Genugtuung höre ich das hässliche Knacken, als seine Nase bricht. Regis stolpert nach hinten, die Hand entsetzt auf die Nase gepresst. Der Arsch hat wohl nicht damit gerechnet dass ich zurückschlage. HAH! Das war sowas von Überfällig.

Mit der Hand über meine blutige Schläfe reibend versuche ich meine Sinne wieder zum Funktionieren zu bekommen. Nur langsam klärt sich die Umgebung und ich kann kurz die entsetzten Blicke von Mirabelle und Sabrina erkennen, bevor Regis in seiner unvergleichlichen Art meine volle Aufmerksamkeit für sich beansprucht.

Irgendwie… sieht Sabrina seltsam aus… Aber sicher bin ich mir nicht. Regis Faust im Magen ist recht ablenkend. Uhh… Ich war wirklich schon mal besser in Form. Aber er tut mir den Gefallen mich erneut am Kragen zu packen. Hat er nicht vom letzten Mal gelernt? Erneut balle ich die Faust und ramme sie meinem Gegenüber in den Solarplexus. Ich mag vielleicht noch etwas angeschlagen sein, aber ich bin ganz sicher nicht hilflos… Und ich kenne die empfindlichen Punkte des menschlichen Körpers besser. Sein Pech.

Er verliert das Gleichgewicht und leider reißt er mich damit mit zu Boden. Uh… mein Bauch. Und mein Kopf. Und mein – alles! Mir ist schwindelig. Ist ja nicht so als sollte ich mich eigentlich noch von den Verletzungen, Krankheiten und dem Stress erholen, der sich in der letzten Zeit so aufgestaut hatte. Stress, an dem Regis und Sabrina natürlich völlig unschuldig sind…

Gott, mir kommt die Galle hoch.

Die Faust die jetzt meinen Wangenknochen streift ist auch alles andere als angenehm. Ich versuche auf die Füße zu kommen, weg von diesem um sich schlagenden Irren. Was ist bei dem eigentlich los? Früher ist er nie einfach auf jemanden losgegangen. Hirntechnischer Totalausfall? Erneut versucht er nach mir zu greifen und zu schlagen. Ich weiche aus, überlege wie ich den Idioten dazu bringen kann, aufzuhören. Das bringt doch nichts. Ich weiß nicht mal, was ihn so derart wütend gemacht hat. Auch wenn ich wahrscheinlich damit zu tun habe. Und damit auch Sabrina. Was zur Hölle wollen die beiden noch von mir?

Erneut weiche ich der Faust aus, als auf einmal ein wutgetränkter Schrei in Richtung der Tür erklingt. Shea? … Scheiße!

Wie eine Raubkatze stürzt er ins Zimmer, taucht unter Mirabelles Arm hindurch und packt sich Regis. Mit voller Wucht kracht er mit dem alten an die Küchenzeile. Geschirr zerschellt, einer der Töpfe fällt auf den Boden und kochendes Wasser ergießt sich mitsamt inzwischen wohl zerkochten Nudeln über den Boden. Shea könnte es nicht weniger interessieren. Er kniet mit vor Wut glühenden Augen über Regis, hält ihn am Kragen gepackt und schlägt immer wieder auf ihn ein. Langsam vermischt sich das Wasser mit Blut und der durchdringende Geruch nach Eisen liegt in der Luft.

Scheiße. Ich muss was tun! Regis wehrt sich kaum noch und Shea ist viel zu blind vor Wut, um noch irgendwas mitzubekommen. Ich höre Sabrinas hohes, panisches Kreischen. Es schrillt mir äußerst unangenehm in den Ohren. Das entspannt die Lage natürlich phänomenal gut.

Hölle!

Inzwischen hat der Auflauf und Lärm noch weitere Leute angezogen. Noch nie war ich so glücklich darüber, dass Gannon die Kraft eines Bären hat. Er hilft mir dabei, Shea von dem selbst jetzt noch arrogant dreinblickenden, blutüberströmten Vollidioten weg zu ziehen. Regis sieht schlimm aus…

Ich bin Mirabelle dankbar dass sie ihm aufhilft und schnell etwas Kaltes zu trinken gibt. Ich selbst hätte mich nicht dazu überwinden können, aber er kann alleine kaum noch stehen. Es dauert ein bisschen bis er es schafft den Blick wieder klar bekommt. Von seiner Arroganz hat es ihm allerdings nicht viel genommen.

Regis wischt sich mit einem indignierten Blick das Blut aus dem Gesicht und mustert Shea, als wäre er nur eine wertlose Made, mehr als nur barbarisch und zusätzlich noch völlig unter seiner Würde. Dabei war der alte Idiot es, der angefangen hat. Er regt mich tierisch auf. Wenn ich nicht gerade Shea fest im Arm hätte um ihn vor Dummheiten abzuhalten, wäre ich selbst mehr als versucht ihm nochmal eine zu verpassen. Denn offensichtlich reichen die Schmerzen die Regis jetzt hat noch nicht aus.

„Was wollt ihr überhaupt hier?“, fauche ich ihn an. „Ruf erstmal deinen tollwütigen Wachhund zur Ordnung“, kommt es mir kalt entgegen. Ich spüre wie Shea in meinen Armen ruckt, ihm erneut an die Gurgel will. Ich kann ihn so gut verstehen… Aber ich darf jetzt nicht nachgeben. Regis legt es doch darauf an, will es gegen ihn ausspielen. Regis ist so – hinterrücks. Ganz anders als Shea. Der versteht das doch nicht. Dazu ist er viel zu ehrlich.

Mein Shea…

„Shea, bitte. Lass dich nicht von dem Idioten provozieren! Das ist der Kerl doch nicht wert.“, versuche ich auf ihn einzureden. Regis bedenkt uns mit einem verächtlichen Blick. Mir kommt schon wieder die Galle hoch. Immer noch windet sich Shea in meinen Armen, aber es wird zum Glück weniger, bis er schließlich keuchend an mich gelehnt liegen bleibt. Hölle ist der Tiger stark! Ohne Gannon hätte ich ihn niemals zurückhalten können.

Immer noch will ich den arroganten Sack uns gegenüber schlagen. Regis guckt inzwischen offen angewidert. Er hat sich eines meiner Küchentücher geschnappt und auf seine blutende Nase gedrückt. Was für ein Arsch. So langsam will ich echt wissen was hier gespielt wird. Regis mustert mich wie ein niederes Insekt. „Was hast du mit dem Hause meiner Tochter angestellt, du unfähiger Idiot?“ Ah – was? SEINER TOCHTER? „Du hast sie doch nicht mehr alle, Regis. Das Haus gehört MIR. Und wenn du nicht endlich auf die glorreiche Idee kommst mir zu erklären was Sache ist, solltet ihr besser zügig verschwinden!“

Ich kann Sheas Irritation förmlich spüren. Er hat sich aufgesetzt. Ruhiger jetzt. „Vaughn? Wer sind diese Leute?“

„Das sind…“

„ICH bin Regis, Inhaber der Minengesellschaft und eines außerdem der Besitzer eines Vermögens! Und dies hier ist meine Tochter Sabrina, das schönste Mädchen, das es gibt und die Ehefrau dieses, dieses mittellosen, geldgierigen Cowboys.“ Er spuckt das letzte Wort förmlich aus Shea verspannt sich in meinen Armen und windet sich hinaus. Er sieht verletzt aus. Regis spinnt doch! „Ex-Frau wolltest du wohl sagen“, antworte ich eisig und leise. Ich rapple mich hoch. Bitte, lauf nicht vor mir weg, Shea. Ich – ich brauch dich doch. Er ist vor mir zurückgewichen. Es tut weh. Gerade will ich meine Hand nach ihm ausstrecken, als mich erneut eine Ohrfeige trifft. Regis! Ich taumle. „Steh gefälligst zu den Dummheiten die du machst!“

Okay, langsam wird es mir echt zu bunt. „REGIS! Ich hab die verdammten Scheidungspapiere unterschrieben! Ich hab mich mit einem minimalen Teil unseres gemeinsamen Vermögens zufrieden gegeben! Und jetzt komm mir nicht damit, dass das eh alles Sabrinas Geld war. Ich habe lange genug gearbeitet und für mich allein gesorgt um zu WISSEN, was ich an Geld nach Hause bringe. Ich habe Sabrina ohne ein einziges, böses Wort gehen lassen, trotz der haltlosen Anschuldigungen in ihrem Brief. WAS ZUR HÖLLE WOLLT IHR NOCH VON MIR? Seid ihr erst zufrieden, wenn ich sicher sein könnt, dass die Trümmer die ihr aus meinem Leben gemacht habt wirklich zu nichts neuem mehr aufzubauen sind? Wollt ihr weiter machen bis ich endgültig unter der Erde liege?“

Ich atme heftig, zittere förmlich vor Wut. Um mich herum ist es still. Solche Ausbrüche ist niemand hier von mir gewohnt. Meine Wut verpufft nur leider viel zu schnell und lässt Schmerzen und grenzenlose Erschöpfung zurück. „Ich dachte ich müsste euch nie wieder sehen. Und jetzt seid ihr hier. Was wollt ihr – naja, außer offensichtlich meine neue Beziehung zu ruinieren?“, frage ich erneut. Deutlich ruhiger jetzt und wohl auch ein bisschen resigniert. Warum können sie mich nicht einfach in Ruhe lassen? Wenn ich Shea wirklich wegen ihnen verlieren sollte, weiß ich nicht mehr was ich noch tun soll.

Sabrinas entsetztes Keuchen würde ich am liebsten Ignorieren. Geht aber dank dem schrillen Gezeter, das folgt, nicht.

„D-du hast… mich wirklich ersetzt? W-wirklich?“ Mit Tränen der Unverständnis in den Augen sieht sie mich und den Tiger an. Er versteht wahrscheinlich nichts von dem Mist hier. Wie gern hätte ich ihn davor bewahrt mit meiner Ex samt ihrem Anhang zusammen zu treffen… Vor allen Dingen mit dem Anhang. Was hat sie eigentlich geglaubt? Das ich ewig einsam und allein bleibe, ihr nachtrauere und ohne sie eingehe? Die Frau hat wirklich wenig Bezug zur Realität. Aber mit einem Vater wie Regis ist das kein großes Wunder.

Irgendwann mal hat sie mir dafür leidgetan…

„Ich… du… Ich habe dich geliebt. Ich… habe dir alles gegeben. Und du… Ersetzt mich einfach. Und dann noch mit… mit einem Mann. Das ist… unnatürlich. Falsch! Das musst du doch wissen.“ Sie schluchzt auf. Ich – bin wie erstarrt. Klar, sie redet Mist, aber… Ich hab völlig verdrängt dass Shea wirklich ein Mann ist. Verdrängt, dass die anderen Dorfbewohner erfahren werden, dass ich wohl doch nicht so Hetero bin, wie ich immer dachte. Dass ich – auf einen Kerl stehe…

„Oh Papa… Was soll ich nur tun? Und von sowas bin ich… Papa! Papa, ich will es nicht! Ich will kein Kind von diesem – diesem… Von so einem! Ich will, dass es weggemacht wird!“

… Ist es wirklich so schlimm? Ist Shea das nicht Wert? Auch wenn, wenn…

Moment mal. WAS hat Sabrina gerade gesagt? Ein… ein Kind? Sie ist – SCHWANGER??? Zum ersten Mal diesen Abend schaue ich sie mir richtig an. Und wirklich. Das heulende Bündel in den Armen ihres Vaters zeigt deutlich rundere Formen als sonst. Ich fange an zu zittern. Schwanger. Sie ist wirklich schwanger. Warum… Warum gerade jetzt? Welcher verfluchte Gott hasst mich hier eigentlich so sehr?

Sachte berühren mich ein paar warme Finger im Gesicht, holen mich zurück in die Realität. Shea schaut mich vollkommen überfordert an. Schmerz und Unverständnis in den Augen. Und dennoch, trotz allem, versucht er für mich da zu sein. Obwohl ich seine Angst fast riechen kann. Wie in Trance strecke ich die Arme nach ihm aus und ziehe ihn sanft zu mir, ihn festhaltend. „Hör nicht auf den Scheiß.“, flüstere ich leise, nur für ihn. „Ich hab dir versprochen dich nicht allein zu lassen.“ Ich kann förmlich sehen wie die Hoffnung in den gelb-braunen Iriden aufflammt. „Vaughn… geht nicht mit ihnen?“ Er ist genauso leise wie ich. Ich lächle „Niemals. Ich bleibe bei dir.“ Auch wenn es schwer ist. Bei seinem Lächeln weiß ich einfach dass es das richtige ist. Inzwischen habe ich meine Umgebung völlig ausgeblendet. Sachte hauche ich Shea einen Kuss auf die Lippen.

„Is‘ ja eklig!“

Danke Julia. Du verstehst es mich im richtigen Moment zu unterstützen. Immerhin hat die Realität mich wieder – ein weiteres Mal. Schade eigentlich. Sowohl auf Regis abfälliges und entrüstetes Schnauben wie auch Sabrinas verzweifeltes Weinen und die leise Schimpftirade, die Mirabelle auf ihre Tochter loslässt hätte ich gerne verzichten können. Ich lächle bitter. Es wird wohl unschön werden. Aber ich bin wirklich nicht bereit von Shea abzulassen. Für ihn tue ich alles.

Nicht die intelligenteste Einstellung aber – er hat mir bewiesen dass er es wert ist. Und dass er mich nicht verbiegt. Dass er… mich liebt. Und das ist alles Wert, oder?

„Anscheinend bin ich euch trotz der Scheidung und Unterschrift nicht so gründlich los, wie ich es gehofft habe. Aber hier können wir das nicht besprechen. Es gibt ja nicht mal Stühle oder einen Tisch. Mirabelle? Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir das alles zu dir verlagern? Und ja ich will das besprechen, nicht mich sinnlos weiter prügeln, Regis!“ Mirabelles Kopfschütteln ist erleichternd. Ich bin momentan nicht halb so selbstsicher, wie ich rüberkomme. Die Situation macht mich echt fertig und ich bezweifle dass mein kleiner Kommentar Regis wirklich in seine Schranken weist. Ich bin Shea mehr als dankbar für die Hand, die meine so aufmunternd drückt.

Ohne weitere Umschweife schiebe ich den Wust an Menschen aus dem Haus. Gannon schenkt mir einen seltsamen Blick, bevor seine Hand auf meiner Schulter landet und mich sang und klanglos einknicken lässt.

Aua!

„Bessere Wahl diesma' – wenn auch… komisch… irgendwie.“ Unser Riese vom Dienst kratzt sich am Hinterkopf und zuckt dann mit den Schultern. „Nja, ich geh ma besser Heim. Nicht, dass meine kleine Prinzessin aufwacht und Angst kriegt.“ Ich nicke ihm dankbar zu, auch wenn es mir schwer fällt nach seinem freundschaftlichem Schulterklopfen noch grade stehen zu bleiben. Er hat echt mehr Kraft als gut ist. Julia ist schon vorausgegangen und Mirabelle führt Regis und Sabrina zu sich.

Ich drehe mich zu Shea um und ziehe ihn nochmal fest in den Arm, auch wenn mein Körper protestiert. „Shea… ich… Hab keine Angst, okay?“ Shea streicht mir über den Wangenknochen. „Vaughn hat versprochen bei Shea zu bleiben. Vaughn hat versprochen, nicht einfach zu gehen, wie die anderen. Shea vertraut Vaughn.“

Kann man vor Süße eigentlich sterben?

Ich kann nicht anders als ihn so fest wie möglich an mich zu drücken. Ich gebe den Kerl nie mehr her. Wie schafft er es nur so – so naiv und vertrauensvoll zu sein? Wie schafft er es, mir alle Zweifel innerhalb von Sekunden zu nehmen? Nochmal suche ich seine Lippen, spüre wie der Kuss drängend erwidert wird. Wie gern hätte ich Zeit für mehr…

Da fällt mir ein – ich muss ihn später auf jeden Fall auf das ‚Wie die anderen‘ ansprechen. Wer hat ihn nur so verletzt? Ich bin ihm mehr als dankbar für sein Vertrauen. Und ich bete, dass ich es irgendwann wert bin.

Jetzt aber wartet erstmal ein Problem in Form von Regis und der schwangeren Sabrina bei Mirabelle. Sanft umfasse ich Sheas Hand und gehe mit ihm gemeinsam zu ihr. Hier, soweit vom Dschungel entfernt wird er immer etwas unsicher. Ich bin froh, dass mein Haus so nahe an der Brücke zu seiner Welt steht. Hier aber werden wir vom Fluss und vielen hohen Felsen von dem dunklen Grün getrennt. Es stehen mehr Häuser und es gibt weniger freie Fläche. Shea ist nicht gern hier. Ein Grund warum ich alle Einkäufe erledige. Ich will ihn dem nicht unnötig aussetzen. Jetzt – muss es aber sein. Ich werde ihn nicht allein zuhause lasse um mit Regis die Zukunft des Kindes zu besprechen. Und damit auch eindeutig unsere.

Ich öffne die Tür zum Tierladen, hinter dem ich schon die leisen, scharfen Stimmen höre. Sanft führe ich Shea zum Hinterzimmer.

„Bei dem Geruch hier muss einem ja schlecht werden. Das ist ja nicht zum Aushalten!“ Offenbar musste Sabrina sich übergeben. Und – oh Wunder – die äußeren Umstände sind schuld. „Jetzt halt mal die Luft an Regis. Bei Schwangerschaften übergibt man sich halt hin und wieder. Vor allem in Stresssituationen.“ So langsam ist wohl selbst die geduldige Mirabelle angefressen. Julia steht an der Küchenzeile und kocht Tee, während Regis am Tisch sitzt, sich das Gesicht kühlt und dennoch so auf alles herabguckt, als wäre er der König der Welt. Faszinierend dass er das in dem Zustand noch hinbekommt. Mirabelle ihm gegenüber. „Und wer ist schuld an dem Stress – an ihrem ganzen Zustand?“ Gerade kommt auch die mehr als bleich wirkende Sabrina zurück an den Tisch. Sie streicht sich abwesend über den runden Bauch. Sie wirkt erschöpft, als würde sie kaum noch etwas mitbekommen. Warum nur schleppt Regis sie in dem Zustand hier her? Das ist doch fast schon Folter.

Apropos – selbiger hat uns bemerkt. „Warum bringst du diesen – diesen Wilden mit her? Selbst du solltest genug Manieren haben um ein bisschen Rücksicht auf Sabrinas Zustand und ihre dank dir angeschlagene Psyche zu nehmen!“ W-was? Der Kerl schafft es immer wieder mich sprachlos zu machen. So ein Aasgeier. „Ich werde Shea sicher nicht von einer Diskussion ausschließen, die ihn auch betrifft.“ Regis abfälliger Blick spricht Bände. „Ich wüsste nicht was er mit Sabrinas Schwangerschaft zu tun hat. Oder hast du etwa Hilfe gebraucht? Wie widerlich… Sowas meiner armen, kleinen, unschuldigen Tochter anzutun…“ Ich muss mich echt zusammenreißen, um ihm dafür keine zu verpassen. „Da kannte ich Shea noch gar nicht!“, zische ich heftig. Warum rechtfertige ich mich überhaupt? Regis ist das nicht wert. Außerdem hört er mir eh nicht zu. Seine unwirsche Bewegung mit dem Eisbeutel, mit der er mir das Wort abschneidet, macht das mehr als klar.

Sanft drücke ich Shea auf einen Stuhl und setze mich daneben. Fast bin ich gespannt was Regis dieses Mal von mir fordern wird. Denn fordern wird er. Seine Haltung allein sagt schon alles und lässt in mir erneut den Widerwillen hochkochen. „Sabrina wird keinen Bastard großziehen. Das lasse ich nicht zu. Die Scheidung wird als ungültig erklärt und du, Vaughn, kommst mit uns. Außerhalb dieser Insel werde ich dir schon beibringen was vernünftige Manieren sind und du wirst Sabrina auf Händen tragen, wie sie es von Anfang an verdient hätte. Das ist das mindeste, nach dem was du ihr alles angetan hast. Und dafür, dass du ihr das Balg angehängt hast.“ Mir fehlen die Worte. Vollkommen überfahren und sprachlos schaue ich ihn an. Was – was hat der Kerl genommen? Wie Größenwahnsinnig kann man eigentlich sein? Der kann sich doch nicht anmaßen, einfach über mein gesamtes Leben zu entscheiden! Meine Hände zittern vor Empörung.

„Regis, in welchem Jahrhundert lebst du eigentlich?“ Danke Mirabelle. Ich krieg grad echt keine Antwort herausgewürgt. Shea hat unter dem Tisch meine Hand ergriffen und starrt Regis böse, aber auch verängstigt an. Er hat Angst dass der Alte mich ihm wegnimmt. „Shea – Shea gibt Vaughn nicht an Regis. Regis mag Vaughn nicht. Regis verdient Vaughn nicht!“ Noch einer, der Partei für mich ergreift. Danke, Kleiner, auch wenn Regis anderer Leute Meinung eigentlich nie interessiert. Sanft drücke ich seine Hand.

Regis hingegen ist mehr als empört. „Was wagt ihr es eigentlich…“

„GENUG!“ Es reicht. Es reicht wirklich. Ich bin aufgesprungen und habe die Fäuste auf den Tisch geknallt. „Es reicht, Regis. Du gehst von falschen Tatsachen aus. Ich werde weder Shea noch die Insel verlassen. Ich will Sabrina nicht zurück. Die Scheidung bleibt bestehen! Auch dein Geld lockt mich da nicht – hat es noch nie. Ich schulde dir und Sabrina gar nichts!“ Sabrina schluchzt auf und wirft sich erneut in die Arme ihres entsetzten Vaters. Was hat sie erwartet? Dass ich demütig zu ihr zurückgekrochen komme?

Vor Wut bebend setze ich mich wieder. Dieses Mal ist es Shea der dankbar meine Hand drückt, so dass ich ein weiches Lächeln verstecken muss. „Das mit dem Baby ist dumm gelaufen. Dennoch würde ich mich über ein Kind freuen und so leid es mir tut, es ist nicht mehr zu ändern. Das Kind soll nicht unnötig darunter leiden müssen.“ Meine Stimme klingt etwas ruhiger, aber immer noch ziemlich deutlich und kühl. Ich will garantiert keine falschen Schlüsse mehr zulassen.

Mein Kind… wie seltsam.

Regis hingegen braust auf. „Du hast dieses – dieses Balg gezeugt. Du kannst dich nicht einfach aus der Verantwortung ziehen!“ Als hätte ich das vor. Das der Kerl mich aber auch immer unterbrechen muss. Die Augen verdrehend sehe ich ihn genervt an. „Es wäre echt eine angenehme Überraschung, wenn du es einmal aushalten würdest mich bis zum Ende aussprechen zu lassen, weißt du das eigentlich, Regis? Und du meckerst über meine Manieren…“ Meine freie Hand umklammert die Tasse, die Julia in einem unbeobachteten Moment vor mich gestellt hat. Der beruhigende Geruch von Lindenblüte tut gut. Sacht streicht mein Daumen über Sheas Handrücken.

„Ich bin natürlich bereit im Rahmen meiner Finanziellen Möglichkeiten Alimente zu zahlen. Allerdings ist das momentan, dank euch, nicht viel. Ich würde das Kind auch aufnehmen, allerdings nur, wenn Shea damit einverstanden ist. Auf jeden Fall will ich das Kind sehen dürfen!“ Es muss doch nicht immer wie im Mittelalter zugehen. Shea strahlt mich allerdings auf einmal wie eine Leuchtboje an, was mich irritiert. Verwirrt sehe ich zu ihm. „Shea liebt Kinder! Shea will Kind gern da haben. Kind ist Familie!“ Jetzt lächle ich doch. Er ist so süß. Er denkt nicht eine Sekunde daran, dass es nicht sein Kind ist, oder wie viel Arbeit es machen wird. Es gehört zur Familie. Wie kann man nur derart – unverdorben sein?

Sabrinas konstantes Wimmern ist noch lauter geworden. Gebrochen sieht sie mich an, dann verbirgt sie erneut den Kopf an Regis Schulter. Sieht so aus, als wäre gerade ihr letztes bisschen Hoffnung auf minimale Freiheit gestorben. Ihr Vater wird sie für immer unter seiner Fuchtel behalten. Tja… Ich bin schon lang nicht mehr ihr Ritter in strahlender Rüstung. Das muss jetzt jemand anders für sie erledigen. Ich habe darin versagt. Und inzwischen tut es mir nicht einmal mehr leid. „Ich will es nicht… Ich will es nicht… Ich will es nicht…“, kann man das sich immer wiederholende Mantra von ihr hören. Ich glaube sie steht unter Schock.

Erneut verdrehe ich die Augen. „Wenn du es nicht willst, dann gib es zu mir, sobald es geboren ist. Ich kümmere mich darum. Du musst nichts tun.“ Sie hebt den Blick, nickt dann aber unter Tränen. „Okay... Ihr… kümmert euch drum. Ich… muss es nicht haben.“ Ich kann nicht verstehen wie man sein eigenes Kind ablehnen kann, egal von wem es ist. Aber, das muss sie für sich selbst wissen. „Glaub bloß nicht, dass du von mir auch nur einen Cent für das Balg siehst!“ Wütend funkle ich Regis an. „Glaubst du echt, dass sich alles nur um Geld dreht?“ Bah… Ich bin froh, wenn der Kerl wieder von hier fort ist. Er ist so… so… versessen auf Geld und Prestige, dass einem einfach nur schlecht wird. „Ich nehme das Kind auf, sobald es geboren ist und der Arzt es für Reisefähig erklärt hat. Dafür muss ich euch zwei niemals wieder sehen. Ihr mischt euch nicht in die Erziehung ein. Lasst uns einfach in Ruhe. Mehr will ich nicht.“

Sabrina nickt schnell, erleichtert über das Angebot. Das sie Regis so um einen potentiellen Erben bringt, scheint sie nicht zu bedenken und auch wenn er unzufrieden aussieht, lässt er ihr ihren Willen. Auf skurrile Art und Weise liebt er seine Tochter. Sie ist wohl das einzige was er je in sein kaltes Herz gelassen hat.

Auf meine Bitte hin holt Mirabelle Papier und einen Kuli. Schnell schreibe ich die Bedingungen für den ‚Handel‘ auf, auch wenn es mir widerstrebt so darüber zu denken. Bei Regis ist Vorsicht angebracht. Sonst bin ich das Kind los, sobald er einen Vorteil darin sieht. Schnell setze ich meine Unterschrift und schiebe Sabrina den ‚Vertrag‘ zu. Das Ganze nochmal schreiben… Mit Tränennassen Augen liest sie beide Blätter durch, bevor auch sie unterschreibt. Dann Mirabelle und Regis als Zeugen.

Erleichterung…

Grenzenlose Erleichterung und – Vorfreude.

Ein – ein Kind…

Nie hätte ich geglaubt je eines zu haben. Ich hab mir nicht mal Gedanken darüber gemacht. Und jetzt… Werde ich eines großziehen. Mit Shea. Ein schöner Gedanke… Er wird sicher ein wunderbarer Vater. Er ist so liebevoll.

Ich will nicht wissen wie es dem Kind bei Regis und Sabrina ergangen wäre. Das mag fies sein, aber… Die beiden haben mich einfach zu sehr enttäuscht und Regis ist ein veralteter Patriarch, zu verbohrt um ein Kind richtig aufzuziehen. Sabrina ist der beste Beweis. Soll er sie mit irgendeinem wohlhabenden Trottel verheiraten, der aufs Wort auf ihn hört… Mir kann es jetzt egal sein.

Mit einem unfreundlichen Gruß verabschieden sich die beiden. Ich bin froh, als sie endlich aus der Tür raus sind. Erleichterung und Erschöpfung entspannen meine Muskeln und ich lehne den Kopf an Sheas Schulter. Langsam macht sich das unangenehme Pochen wieder in meinen Schläfen bemerkbar. Ich hab echt genug von Verletzungen… Und dabei war es in der letzten Zeit wirklich mal angenehm ruhig.

Ich reagiere gar nicht, als mir Mirabelle ein feuchtes Tuch auf die Wunde drückt. Als sie sich uns aber gegenübersetzt und mich scharf anguckt, komm ich nicht umhin ihren Blick zu erwidern. Sie sieht ernst aus.

Können wir weitere Kriseninterventionen nicht auf morgen verschieben?

Bitte?

Anscheinend nicht. „Vaughn… Ein Kind! Weißt du, was du dir da aufgeladen hast?“ Ehrlich? Nein, ich weiß es nicht. Woher auch? Aber – ist das wirklich wichtig? „Darum geht es doch gar nicht. Es ist mein Kind und ich werde es nicht von mir stoßen, nur weil es von einer Frau ist, für die ich nichts mehr empfinde. Das hat es wirklich nicht verdient. Es kann doch nichts dafür.“ Sie nickt resigniert und seufzt leise. „Du hast ja Recht. Aber – so wie es jetzt ist könnt ihr dem Kind nichts bieten. Ihr habt ja nicht mal einen Tisch und Stühle. Ihr braucht eine sichere, finanzielle Grundlage.“

Ich lasse den Kopf hängen. Sie hat Recht. Wie soll ich das nur schaffen? Vor allem wo ich Shea versprochen habe, nicht mehr in der Weltgeschichte herumzureisen. „Vaughn…“ Ihr ernster Blick durchbohrt mich förmlich. „Du musst endlich Hilfe annehmen.“

Ich… ich soll was? Ich fange an zu lachen. Hysterisch und abgehackt. „D-das ist ein Scherz, Mirabelle. Ein schlechter dazu… Was… was mache ich denn überhaupt noch anderes? Seit Monaten arbeite ich nicht mehr. Meine kompletten Geldreserven sind aufgebraucht. Alles – alles was überhaupt an Essen DA ist, verdanke ich dir oder Shea! Ich bin so kaputt…“ Sofort sind da wieder Sheas Arme, die mich in eine tröstende Umarmung ziehen, mich festhalten. Ich kann nicht mehr. „Shea sorgt gerne für Vaughn.“ Ich muss lächeln. Bitter und traurig, aber immerhin. „Ich weiß, Shea. Aber es reicht nicht. Ich MUSS wieder arbeiten, Versprechen hin oder her. Es tut mir so leid…“ Sheas Blick wird so – traurig und verzweifelt. Es tut weh…

„Shea… Shea versteht.“, bringt er mühsam heraus. Ich verstecke meinen Kopf an seiner Schulter und klammer mich an ihm fest. Er versteht es – und erstickt förmlich daran… Ich will ihn doch auch nicht allein lassen! Aber wo ist die Wahl? Wir brauchen Geld und Shea mag stark und entschlossen sein, aber er kennt die Welt da draußen einfach nicht. Wie soll er ohne eine Ausbildung Geld verdienen, weit weg von dem Dschungel wo er sich sicher fühlt? Und wo? Als was? Das will ich ihm einfach nicht antun. Er gehört in die Freiheit des Urwalds. Um nichts in der Welt werde ich ihm das nehmen.

Nein… ich muss – ich muss gehen… Auch wenn ich damit mein Versprechen breche.

Es ist doch für Shea – und für das Kind.

Scharfer Schmerz blitzt mir durch den Kopf, als dieses Mal Mirabelles Hand näheren Kontakt zu meiner Wange schließt. Das wird langsam zur Gewohnheit. Ich klammere mich an Shea fest um nicht umzukippen und schaue zu ihr hoch. „Wofür… war das jetzt?“ Sie schaut mich wütend an. „Du kannst hier nicht einfach weg, Vaughn! Shea braucht dich. Das Kind wird dich brauchen. Außerdem – wird dir der Arzt den Hals umdrehen. Du hältst das ständige Rumreisen doch selber nicht mehr aus. Und du bist schon wieder verletzt.“ Langsam werde ich echt wütend. „Was soll ich denn bitte machen, Mirabelle. Ich kann nicht einfach hier sitzen und – nichts tun! Wir brauchen Geld. Ich will Shea ein verdammtes Leben bieten können, mehr als jetzt!“ Ich weiß genau dass die Wut nur aus Verzweiflung geboren ist. Aber ich hab keine Ahnung was ich noch tun soll. Ich bin ausgebrannt, aber… Aber ich muss mich doch um meine Familie kümmern!

Jetzt wo ich endlich eine richtige habe.

Feste Arme schlingen sich um mich, ziehen mich zurück und auf Sheas Schoß. Ich merke wie ich vor Erschöpfung zittere und lehne mich an ihn. „Shea wird helfen, Vaughn.“, flüstert er mir sanft ins Ohr. Ich seufze. „Was willst du denn tun? Du kannst nicht einfach da raus, Shea… Du gehörst in den Urwald.“ Ich sehe ihn traurig an. Und auch seine Miene wird jetzt traurig. „Aber… aber Shea will Vaughn helfen… Shea will – Vaughn nicht alleine lassen“ Ouh… Was mach ich denn jetzt?

„Vaughn, hör auf dich anzustellen wie ein idiotischer Ochse!“ Hey – ich bin nicht kastriert. Dass ich ein Idiot bin hab ich ja jetzt schon etwas länger verstanden aber das? Ich meine – die jetzige Katastrophe ist doch der eindeutige Beweis! Ich glaub ich bin schon wieder hysterisch. Oder aber es ist einfach nur die einzige Möglichkeit für mich mit dem ganzen Scheiß umzugehen. „Nimm Hilfe an. Ihr habt viele überflüssige Felle die ihr Verkaufen könnt. Du hast vor ein oder zwei Monaten Hizumis Kuh gerettet und nichts dafür bekommen als ein lauwarmes Dankeschön. Ich – und ich wette auch eine Menge andere hier aus dem Dorf – würden dir doch helfen… Wenn du es nur zulässt.“

Das lauwarme Dankeschön war noch nett formuliert. Seit dem Desaster habe ich nicht mehr ein Wort mit Hizumi gewechselt… Auch etwas, dass ich irgendwann noch klären sollte. „Ich… ich muss aber Geld verdienen, Mirabelle… Ich kann nicht immer nur auf den Taschen anderer Liegen.“ Sie nickt. „Natürlich. Aber nimm mindestens solange Hilfe an, bis du etwas anderes als diese Schiffsreisen gefunden hast. Du – du machst dich doch kaputt!“ Leise seufzend sehe ich sie nachdenklich an. Und da ist sie wieder, diese Idee. Der Tierarzt… Langsam, ganz langsam nicke ich. „Nur, wenn ich euch das Geld zurückzahlen darf.“ Sie pustet sich eine Strähne aus der Stirn. „Darüber reden wir, wenn es soweit ist.“ Ich spüre wie die Arme sich um mich verengen. „Heißt das – heißt das Vaughn bleibt?“ Wunderschöne Augen voller Hoffnung sehen mich an. Und – ich nicke. „Ich bleibe bei dir. Wir – finden eine Möglichkeit. Alle zusammen“

Müde lächle ich die beiden an. Mir ist schwindlig und ich will nur noch ins Bett. „Aber – nicht mehr heute… Mirabelle, komm doch morgen Nachmittag vorbei. Ich hab ein… paar Ideen. Aber jetzt… Ich will – nur noch schlafen.“ Ich spüre wie Shea mir hochhilft und bin ihm einfach nur dankbar dafür. So müde…
 

Es dauert zum Glück nicht lange, bis wir Zuhause sind und wir zwischen die Felle sinken können. Fest klammert sich mein schöner Wilder an mich. Das alles hat wohl enorme Verlustängste in ihm wachgerufen. Mal wieder. Er hat immer solche Angst mich zu verlieren. Dass ich gehe und nicht wiederkomme. Ich muss doch irgendwas gegen diese Angst tun können… Aber für heute wird mir sicher nichts Sinnvolles mehr einfallen. Nur zu schnell werde ich von der Müdigkeit weggetragen, begleitet von dem immer gleichen, beständigen Herzschlag meines Partners. Mein Shea… Wie gern schlaf ich in seinen Armen ein. Wie gerne spüre ich das Gewicht und die Wärme, dass auch noch da ist wenn ich am nächsten Morgen aufwache. Ich – genieße einfach den Augenblick, mehr als ich es früher je gekonnt habe. Zu wissen, dass ich einfach nur die Finger auszustrecken brauche um ihn zu berühren, nur die Augen öffnen um ihn zu betrachten, zu wissen was ich habe.

Zu wissen, dass er da ist. Mein Shea…

Ich hoffe nur es wird ewig so bleiben.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So. Und das war das zweite Kapitel. Ich hoffe es gefällt euch. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Diesesmal mit einem mehr oder weniger schönen Cliffhanger. Ich hoffe ihr hattet Spaß beim Lesen. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das war das letzte Kapitel von der "Urwaldromanze".
Ich hoffe euch hat das Lesen spaß gemacht.
Bitte schreibt mir Kommentare, wie es euch gefallen hat, und auch was ich verbessern könnte.

Ganz besonders aber ob ihr euch eine Fortsetzung von dieser Geschichte wünscht.
Alles Liebe, BloodyMoon Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  Kushiel
2015-10-16T21:04:19+00:00 16.10.2015 23:04
Schööööön *__*
Endlich hzab ich auch das Ende lesen können. Und ich hab Regis ja schon immer nicht leiden können XDDD

Hast du klasse gemacxht Liebes *flausch*
Von:  Kushiel
2015-09-28T21:51:34+00:00 28.09.2015 23:51
Hach mein Shea *__* Du weißt wie sehr ich das Pairing mag und wie hochniedlich icn Shea bei dir finde. Bin schon gespannt auf mehr :3
Antwort von:  Narjana
07.10.2015 21:40
Vielen lieben Dank, Kushiel. Ich tue mein bestes. Schließlich hast du mich erst auf das Pairing gebracht.


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