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Smallville-Expanded - 05

Bloodbrothers
von

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Prolog

Lois Lane blickte auf die Uhr des TORCH-Büros und hätte fast verzweifelt gelacht. Ausgerechnet sie, die ihre Schulzeit bereits längst hinter sich gebracht hatte, saß an einem Freitagabend, noch dazu in diesem verschlafenen Nest namens Smallville, um 20:37 Uhr in der High-School und studierte Chemie-Formeln, anstatt sich mit Kommilitonen auf dem Campus der Universität von Metropolis einen hinter die Binde zu gießen. Und all das nur, weil sie das letzte halbe Schuljahr quasi geschmissen hatte, denn ihre Anwesenheit in ihrer ehemaligen Schule war mehr als nur selten gewesen zu dieser Zeit. Und nun hatte sie diese Torheit, mit Nachdruck, eingeholt und sie musste das letzte Schuljahr wiederholen, zumindest das letzte Halbjahr, wenn sie durchhielt und einen Zusatzschein für ihre Mitarbeit bei der TORCH nachweisen konnte. Was nach Chloes letzten merkwürdigen Entscheidungen alles andere als gesichert war. Unter anderem beschäftigte sie sich nun deshalb mit diesen komplizierten chemischen Formeln, wobei Lois den Eindruck gewann, sie habe in der letzten Stunde mehr über Chemie gelernt, als in all den Jahren zuvor.

Als der Text vor den Augen des hübschen Mädchens bereits zu verschwimmen begann, fuhr sie sich über die Augen und lehnte sich für einen Moment im Stuhl zurück. Clark hatte sie nachmittags eindringlich darum gebeten, sich dieser Sache anzunehmen und etwas nachzuforschen, was vor sich ging. Dabei war er ihr zeitweise seltsam anders vorgekommen, als gewöhnlich, beinahe so, als wäre er ein ganz Anderer. Vielleicht lag das an seinem Umgang mit Christian von Falkenhayn, dem Deutschen, der vor wenigen Monaten nach Smallville gezogen war. Etwas amüsiert dachte sie daran, dass Christian neben Lex Luthor der zweite Milliardärssohn war, den es nach Smallville verschlagen hatte, und der offensichtlich lieber hier lebte, als in einer so aufregenden Stadt, wie Metropolis. Irgendetwas musste dieses Nest Smallville haben, wenn sie nur hätte erkennen können was.

Unwillkürlich begannen ihre Gedanken um den hochgewachsenen Deutschen zu kreisen, der in seiner Statur Clark Kent sehr ähnlich war. Das war dann aber auch schon alles, in dem sich beide Jungs ähnelten. Wo Clark eher zurückgezogen und in sich gekehrt war, da war Christian offen und eher extrovertiert. Grundsätzlich war Christian ihr sympathisch, doch seine Art sorgte dafür, dass sie stets das Verlangen verspürte, sich lieber mit ihm zu kabbeln, statt sich normal mit ihm zu unterhalten. Vielleicht weil sie sich beide in manchen Anlagen zu ähnlich waren, wie zum Beispiel in ihrer ironischen Art.

Bei Clark hingegen verspürte sie etwas ganz anderes. Clark war einerseits sehr verschlossen, ganz im Gegensatz zu ihr. Doch gleichzeitig sorgte gerade dieses Verhalten für ein Anfachen ihrer weiblichen Neugier, was hinter dieser Fassade stecken mochte. Anfangs hatte sie Clark für ein durchschnittliches Landei gehalten, doch diese Sichtweise hatte sich in der letzten Zeit gewandelt. Zumal ihre Cousine stets behauptete, in Clark würde weitaus mehr stecken, als er nach Außen hin zeigte. Und auf Chloes Instinkte war im Allgemeinen schon immer Verlass gewesen, auch wenn sich Lois insgeheim fragte, ob ihre Cousine in dieser Angelegenheit vielleicht ausnahmsweise falsch lag, denn dass Chloe für Clark schwärmte, das war kein Geheimnis zwischen ihnen beiden.

Zu ihrem Erstaunen spürte Lois an diesem Punkt ihrer Überlegung ein leises Magengrummeln, und sie fluchte leise. Sich wieder auf den Text im Internet konzentrierend beugte sie sich vor und ihr Mund öffnete sich leicht, als sie endlich eine Stelle im Text fand, die eine mögliche Erklärung für das seltsame Verhalten einiger Schüler der Smallville-High sein konnte. Ihre grün-braunen Augen begannen zu glitzern und das Mädchen erwachte zu betriebsamer Hektik. Sie verglich die entsprechende Passage nochmal mit dem, was sie über eine Arbeit von Mandy Walsh gelesen hatte. Dann zückte sie ihr Handy, wählte die Nummer von Clark Kent und informierte ihn in knapper Form, dass sie etwas entdeckt hatte, und er umgehend zur Schule kommen sollte.

Nachdem Lois ihr Handy abgeschaltet hatte druckte sie den Text aus. Im nächsten Moment sprang sie vom Stuhl auf, griff sich einen leeren Aktenordner und schritt hinüber zum Drucker um die Ausdrucke dort unterzubringen. Den Ordner auf den Schreibtisch legend, schritt sie, ihre Tasche umhängend, zum Ausgang des Büros. So wie sie Clark kannte, würde er nicht lange auf sich warten lassen, und sie wollte ihn an der Tür abfangen.

 
 

* * *

 

Ein wenig nachdenklich stand Clark Kent in der Scheune.

Der Abend war reichlich seltsam verlaufen, selbst für seine Verhältnisse. Nachdem er vom Football-Training nach Hause gefahren war, hatte er seine Blessuren und Blutergüsse, unbeobachtet von seinen Eltern, versorgt. Bei dem letzten Körperwechsel, zwischen ihm und Christian hatte dieser seinem Körper, ahnungslos, ein Getränk zugeführt, welches mit grünem Kryptonit versetzt gewesen war.

Ausgelöst worden, das hatten er und Christian mittlerweile herausgefunden, war das Ganze durch einen Splitter jenes schwarzen Kryptonits, das seine Mutter in der Kawatchenhöhle benutzt hatte, um den Teil seines Wesens der Kal-El war von ihm, Clark, abzutrennen. Christian hatte den Splitter, bei einem abendlichen Besuch dieser Höhlen, gefunden und ihn ahnungslos eingesteckt. Er hatte ihm diesen Splitter zeigen wollen und unmittelbar nach dem Genuss des kryptonitverseuchten Getränks, sowohl den Splitter in seiner Hosentasche, als auch ihn berührt. Dabei waren ihre Seelen zum ersten Mal zwischen ihren Körpern gewechselt. Seit dieser Zeit kam es willkürlich zu solchen Wechseln, manchmal zu den unpassendsten Zeiten und Gelegenheiten. Besonders Christian konnte davon ein Lied singen, denn bei einem ihrer Wechsel war er dabei gewesen, mit seiner Freundin, Alicia Sterling, zu schlafen. Dazu war es dann auch tatsächlich gekommen, wobei Alicia nicht geahnt hatte, dass sich eigentlich er, Clark Kent, zu diesem Zeitpunkt in Christians Körper aufgehalten hatte. Er verstand nur zu gut, dass seine Freundschaft mit Christian danach für eine Weile etwas unterkühlt verlaufen war, denn Eifersucht konnte sehr intensive, irrationale Gefühle entfachen.

Nachdem Clark sich, an diesem Nachmittag, also recht ungewohnter Weise zunächst mit starken Schmerzen auseinandergesetzt hatte, war Coach Teague bei ihm in der Scheune aufgetaucht und war, aus ihm unerfindlichen Gründen, auf ihn losgegangen. Teague hatte etwas von einer Freundin gesagt, die er angeblich angemacht haben sollte – dabei wusste er nicht einmal, dass der Assistenz-Coach der Smallville-Crows überhaupt eine Freundin hatte. Geschweige denn, wer sie war.

Im letzten Moment war Lex in der Scheune aufgetaucht und dazwischen gegangen, bevor Teague seinem, durch das in ihm befindliche, grüne Kryptonit, geschwächten Körper, ernsthaften Schaden hatte zufügen können.

Er war zwar momentan nicht sehr gut auf Lex zu sprechen, doch in diesem Moment war er ihm, im Nachhinein, dankbar, dass er gekommen war, um sich bei ihm dafür zu entschuldigen, dass er ihn hintergangen, und beschatten lassen, hatte.

Im Moment stand Clark etwas unschlüssig da und fragte sich, was er nun tun sollte, als ihn der Klingelton von seinem Handy ablenkte. Automatisch griff er in die Hosentasche, stellte fest dass der Anruf von Lois Lane kam, und meldete sich.

Mit aufgeregter Stimme erklärte Chloes Cousine ihm, dass sie eine aufschlussreiche Entdeckung gemacht habe und ihn, so schnell wie möglich, in der Schule erwarte.

Clark beschloss den Pickup zu nehmen um zur Schule zu fahren, obwohl es in ihm brannte seine Superkräfte zu benutzen. Damit wäre er in Rekordzeit da gewesen, doch er hatte beschlossen, dass es unverfänglicher war wenn er sich momentan so unauffällig wie nur möglich verhielt. Zumal es jederzeit passieren konnte, dass er und Christian wieder einmal die Körper tauschten. Unterwegs beschloss er, zunächst Jason Teague aufzusuchen um ihn für sein aggressives Verhalten zur Rede zu stellen, bevor er zu Lois Lane in das Büro der TORCH gehen würde.

Gegen 21:00 Uhr erreichte er die Schule, sprang aus dem Pickup, und eilte durch den Haupteingang der Smallville-Highschool. Dabei lief er fast direkt in die Arme von Lois, die, im Figur betonenden, rosa Trägerhemd und enger Bluejeans ziemlich sexy aussah, wie er insgeheim fand. Allerdings war sie von ihrer Art her etwas abschreckend, wenn man sie nicht näher kannte. Christian hatte vor einigen Tagen auf den Umstand angespielt, dass es für ihn ziemlich aufregend sein müsse mit einem Mädchen wie Lois unter einem Dach zu wohnen. Er selbst hatte diesen Umstand zwar schnell heruntergespielt, doch das seltsames Gefühl, der Freund könne eventuell gar nicht so falsch gelegen haben, war seither geblieben.

„Hat dir schon mal Jemand gesagt, dass du, für einen der in einer Footballmannschaft spielt, eine ziemlich lahme Ente bist, Smallville?“

Clark blickte, etwas genervt über diesen Empfang, in die funkelnden Augen des Mädchens, und in diesem Moment relativierten sich seine Gefühle in Bezug auf sie wieder.

Lois Lane wartete keine Antwort des Jungen ab. Sie zog ihn mit sich, in Richtung des TORCH-Büros.

Während sie gemeinsam durch die leeren Gänge der Schule schritten, sagte Clark schließlich: „Ich suche Coach Teague. Er ist auf mich losgegangen.“

„Tja, nach deiner heutigen Leistung, beim Football, ist das kein Wunder“, konterte das Mädchen an seiner Seite trocken und schlug ihm gönnerhaft auf den Rücken. Etwas befremdet über Clarks plötzlich ungewohnt gereizten Blick blieb sie vor der TORCH stehen und blickte ihn eindringlich an. „Das war ein Witz!“

Ohne auf Lois Lanes Bemerkung weiter einzugehen, blickte er sie ernst an und erklärte ihr: „Die Cheerleader tun irgend etwas in den Getränkebehälter. Deswegen sind Chloe und die Anderen so ausgeflippt.“

Das Mädchen verschränkte die nackten Arme vor der Brust und erwiderte den Blick des Jungen mit einem überlegenen Grinsen. „Willst du wissen was es ist?“

Für einen Moment wirkte Clark etwas verwundert und gleichzeitig ungläubig, bevor er fragte: „Du hast wirklich angefangen zu recherchieren?“

Lois blickte Clark von unten herauf triumphierend an. Dann nahm sie Clark unvermittelt an die Hand und zog den überrumpelten Jungen mit sich ins Büro der TORCH. „Meine Cousine hat neuerdings nur noch Luft in der Birne. Also, ja. Plötzlich interessiert mich die Macht der Presse.“ Ohne die plötzliche kurzzeitige Abwesenheit des Jungen zu bemerken, ließ sie Clark los, nahm den Ordner vom Schreibtisch und öffnete ihn, die Ausdrucke so haltend, dass Clark, neben ihr, einen Blick darauf werfen konnte. Dabei meinte sie zu Clark, ohne zu ahnen, dass sie in diesem Moment wieder einmal mit Christian von Falkenhayn redete: „Und das habe ich herausgefunden.“

Christian, eben noch am Pool der Schule sitzend, eng an seine Freundin Alicia geschmiegt, starrte für einen Moment auf das, was Lois ihm – eigentlich Clark – gerade unter die Nase hielt, wobei er versuchte zu erfassen was hier gerade vor sich ging, und sagte schließlich feststellend, um unauffällig Zeit zu gewinnen: „Mandy und Rhonda haben ein Chemiereferat geschrieben.“

Lois nickte bedeutungsvoll, womit Christian, in Clarks Körper, nicht sonderlich viel anzufangen wusste. Deshalb hob er die Augenbrauen und erkundigte sich: „Und...?“

Lois Lane rollte in ihrer unnachahmlichen Art mit den Augen und äffte ihn nach: „Und...?“ Ihn verständnislos ansehend erklärte sie eindringlich: „Das ist der Beweis! Laut ihrem Lehrer erforschen sie ein Hormon, namens Phenethylamin.“

Christian wünschte sich einmal mehr, er hätte auch nur die Hälfte der Ahnung von Chemie, die seine Freundin hatte. Er nahm Lois den Ordner aus der Hand um den Text, den sie ausgedruckt hatte, geschwind zu überfliegen. Nachdem er einigermaßen erfasst hatte was der Text besagte blickte er etwas erstaunt zu Lois und konstatierte: „Das Liebesmolekül.“

Erleichtert, dass Clark anscheinend endlich begriffen hatte worum es ging, erwiderte Lois: „Ganz genau!“

„Dann ist das ´ne Liebesdroge?“

„Ja, aber sie hat nicht gewirkt.“

Christian-Clark begriff in diesem Moment den vollen Zusammenhang und mit jäher Erkenntnis im Blick, schränkte er ein: „Nicht ohne Meteoritengestein.“

An diesem Punkt der Unterhaltung war die Reihe an Lois etwas verwundert dreinzuschauen über die plötzlichen Zusammenhänge, die der Schwarzhaarige herstellte. Mit großen Augen erkundigte sie sich bei ihm: „Und weiter?“

„Wir müssen ein Gegenmittel finden!“

„Die Wirkung hört sowieso irgendwann auf“, widersprach Lois, wobei sie Clark überzeugt in die Augen sah. „Sonst würden sie die Spieler nicht permanent voll dröhnen.“

Christian reagierte, ohne es zu wissen, in diesem Moment fast wie Clarks Ebenbild, indem er überzeugt meinte: „Darauf können wir nicht warten. Einer von denen könnte aus Eifersucht einen Mord begehen.“

Lois beeindruckte der fast hypnotisch wirkende Blick, bei Christian-Clarks Aussage. Überlegend wandte sie sich schließlich ab und meinte nachdenklich: „Moment mal. Du hast auch an dem Zeug genippt.“

Jetzt wurde es brenzlig.

Erneut hob Lois, mit nachdenklichem Tonfall, an: „Ich hab´s gesehen. Warum bist du kein willenloser Liebessklave?“

Beide fuhren in demselben Augenblick herum und blickten einander an. Aus ehrlicher Überzeugung heraus antwortete Christian-Clark schließlich: „Das weiß ich nicht.“ Dann entdeckte er den lauernd-berechnenden Ausdruck auf Lois Lanes Gesicht und er fügte, mit etwas ungutem Gefühl in der Magengrube, an: „Worauf willst du hinaus?“

Wieder lächelte Lois überlegen und erklärte: „Mandy trägt das Referat in ihrer gefakten Prada-Tasche. Vermutlich wird da auch was über das Gegenmittel drinstehen.“ Ihr Grinsen vertiefte sich, während sie langsam näher kam. „Und vermutlich bist du infiziert.“ Lois bemerkte, dass der Junge nicht erkannt hatte worauf sie hinaus wollte und so gab sie ihm einen noch deutlicheren Hinweis, während sie nun sehr dicht vor ihm stand und sichtlich amüsiert sagte. „Die Mädchen veranstalten heute Abend eine Poolparty. Wie siehst du in einer Badehose aus?“

Christian-Clark schüttelte unwillkürlich den Kopf während Lois gleichzeitig bestimmend nickte, und der Junge begann, innerlich herzhaft zu fluchen.

 
 

* * *

 

Eine gute dreiviertel Stunde später schritt Christian-Clark neben Lois zum Pool der Schul-Schwimmhalle. Schon von weitem hörten sie beide die laute Rockmusik, welche aus den großen Boxen dröhnte, die in der Schwimmhalle aufgestellt worden waren. Christian-Clarks Augen hielten, beim Eintreten, unwillkürlich nach sich selbst Ausschau, und nach Alicia. Er entdeckte sich schließlich, mit Alicia und Samantha redend, am Beckenrand, ganz in der Nähe des Ein-Meter-Sprungbretts.

Zum ersten Mal seit längerer Zeit, war Christian dankbar dafür, dass Neil nun in Kansas-City weilte, und Alicia und er, so zu sagen, einen Anstands-Wau-Wau bei sich hatten. Im selben Moment stellte er fest, dass Alicia, in ihrem himmelblauen Bikini zum Anbeißen aussah, aber auch Samantha machte in ihrem pinken Bikini eine tadellose Figur. Die nassen Haare der beiden verrieten ihm, dass sie eben noch im Wasser gewesen sein mussten, während sich Clark, in seinem Körper, offensichtlich zurückgehalten hatte. Dieser Umstand beruhigte ihn etwas, obwohl es ihn irgendwie wurmte, seine Hand auf Alicias Schulter zu sehen, wobei er sich darüber im klaren war, dass alles Andere aufgefallen wäre. Und genau genommen war es ja auch nicht die Hand von Clark sondern eben seine Eigene, was die Situation zu einem vollkommenen Nerventöter machte.

Er wurde abgelenkt, als Lois ihn anstieß und etwas konsterniert in die Runde blickte.

Im Wasser paddelten mehrere Mädchen in aufblasbaren Gummisesseln – andere spielten vergnügt mit einem großen Wasserball - während die meisten der Jungs den Mädchen jeden Wunsch von den Augen ablasen. Dieser seltsame Rollentausch hatte für Lois, die an Realitäten gewohnt war, etwas befremdliches und Christian-Clark spürte förmlich ihre Unbehaglichkeit. Wenig verwunderlich, denn auch Christian-Clark fand es mehr als seltsam, dass einige der Jungs Baströckchen trugen und für die Mädchen, mit wiegenden Hüften, einen sehr merkwürdigen Tanz aufführten. Als Lois endlich Mandy entdeckte, und vor allen Dingen deren Handtasche, stieß sie ihren Begleiter erneut an – diesmal mit Absicht.

Amanda Walsh nahm vor ihren Augen einem der Jungs, recht gelangweilt dreinschauend, einen Longdrink vom Tablett, nippte daran, und verlagerte ihr Gewicht auf das andere Bein. Wie die anderen Mädchen trug sie einen knappen Bikini. Zusätzlich hatte sie sich ein dünnes Tuch um die Hüften gewickelt, einem Minirock gleich. Sie überprüfte mit ihrer Linken kurz den Sitz der Blüte, die sie sich in das blonde Haar gesteckt hatte, bevor sie die Hand in der Hüfte abstützte und wieder, mit eher mäßigem Interesse, dem bunten Treiben im Pool zusah. Bisher war weit und breit kein passender Begleiter für sie in Sicht, was sie zusätzlich nervte - war diese Party doch grundsätzlich ihre Idee gewesen.

Lois Lane blickte im selben Moment ihren Begleiter auffordernd von der Seite an, schmunzelte unmerklich über sein ungewohntes Outfit, bestehend aus blauer Bermuda-Shorts, weißem T-Shirt, Badelatschen und einem roten Badetuch, das er sich über die linke Schulter gelegt hatte, und meinte schließlich Stichpunktartig: „Okay, Clark: Gefakte Prada-Tasche – Referat – Showtime!“

Mit einem schnellen Seitenblick auf Alicia begann Christian-Clark zögernd zu widersprechen. Er konnte doch nicht vor Alicias Augen... Fast gleichzeitig wurde ihm bewusst, wie blöd der Gedanke war, denn er selbst hockte, zumindest körperlich, genau da wo er hin gehörte, nämlich an Alicias Seite. Trotzdem begann er: „Ich glaube nicht, dass ich... Nein, Lois...“

Ohne auf den Widerspruch des Jungen zu achten schob Lois ihn mit Bestimmung nach Vorne. Wie sich Jungs, die so aussahen wie Clark, derart zieren konnten ein Mädchen zu umgarnen, das würde sie wohl nie verstehen.

Der Junge stolperte mit einem resignierenden „Okay“, vorwärts. Dann sammelte er sich und straffte seine Gestalt. Es ging immerhin um ein höheres Ziel und wenn man ihn dabei beobachtete, wie er mit Mandy flirtete, dann war es schließlich Clark und nicht er selbst den man dabei sehen würde – also was sollte schon passieren? Sich trotz allem nochmal nach Lois umblickend bemerkte er deren nun etwas gereizten Gesichtsausdruck, und ihre eindeutigen Handzeichen, an ihn gerichtet, endlich zur Tat zu schreiten. Nun – flirten konnte er, und das vielleicht besser als Clark selbst. Bei diesem Gedanken fast amüsiert umrundete er die etwa einen Kopf kleinere Mandy Walsh. Sich vor dem hübschen Mädchen aufbauend, sprach er sie lächelnd an: „Hi, Mandy.“

Das Gesicht der Blondine leuchtete förmlich auf, als sie erkannte, wer sie eben so nett angesprochen hatte. Der Abend schien sich für sie doch noch zum Positiven zu entwickeln, auch wenn sie sehr genau wusste, dass Clark sie höchstwahrscheinlich nur deswegen beachtete, weil er mit dem Liebesmolekül infiziert war. Doch das war Mandy in diesem Moment herzlich egal, Hauptsache er konnte gut küssen, und das ließ sich ja feststellen. Zuckersüß lächelnd stellte sie ihr Glas zur Seite und hauchte ihm entgegen: „Hallo, Clark. Willkommen auf unserer Party.“ Dabei streckte sie ihren Oberkörper etwas vor, so dass er auch wirklich die richtige Perspektive auf ihre weiblichen Vorzüge bekam.

Unbewusst schweifte Christian-Clarks Blick über Mandys Schulter, zu Lois, und Mandy, die seinem Blick folgen wollte, machte Anstalten sich umzudrehen.

Christian, in Clarks Körper, handelte blitzschnell, nahm Mandy kurzerhand bei den Schultern, und zog sie zu sich heran. Im nächsten Moment legten sich seine Lippen auf die des Mädchens und er küsste sie innig, was ihr durchaus zu gefallen schien denn schnell erwiderte sie seinen leidenschaftlichen Kuss. Sich nun endgültig auf die Rolle besinnend, die er, in Absprache mit Lois, zu spielen hatte um an das Referat zu kommen, löste er sich wieder von dem Mädchen und strahlte es begeistert an, wobei er strahlend lächelnd sagte: „Ich bin dir verfallen.“

Noch völlig unter dem Eindruck dieses Kusses stehend, himmelte Mandy den Schwarzhaarigen an, bevor sie sich mit der Zunge über die Lippen leckte und sinnend ihren Kopf zur Seite legte. Mit der linken Clarks T-Shirt bis unter seine Brust anhebend und beeindruckt auf sein Six-Pack blickend erwiderte sie schließlich gönnerhaft: „Damit kann ich leben.“ Damit packte sie Christian-Clark fest an der Hand, warf sich die Prada-Tasche, mit ihrem Referat darin, über die Schulter und schleppte ihn, im wahrsten Sinne des Wortes, in Richtung des Fitnessraums ab.

Unfreiwillig willig hinter Mandy her trottend, warf er Lois Lane einen verzweifelten Blick zu, als sie beide an ihr vorbei hasteten und raunte fast bettelnd: „Lois...“

Lois Lane gab dem Jungen ein Zeichen, dass er weitermachen solle, und deutete gleichzeitig an, dass sie folgen würde um doch noch an die Tasche zu kommen. Christian-Clark und sie hatten eigentlich gehofft, Mandy würde sie nicht mitnehmen, doch sie hatte es getan, was die Angelegenheit zusätzlich verkomplizierte.

Kaum dass sie den Korridor verlassen, und Mandy den Jungen mit sich in den Kraftraum gezerrt hatte, fiel sie, wie eine ausgehungerte Wildkatze, über ihn her und küsste Clark, zumindest dachte sie das, fordernd auf den Mund, wobei ihre Zunge mit der seinen einen wilden Tanz veranstaltete. Taumelnd drängte sie den kräftigen Jungen in den hinteren Teil des Raumes und drückte ihn rücklings gegen eins der Geräte, während sie sich eng an seinen Körper schmiegte. Seine Hände auf ihrem nackten Rücken spürend, bäumte sie sich leicht auf, ließ atemlos von ihm ab und hauchte begeistert: „Du bist so stark.“

Für einen Moment hätte Christian-Clark, wegen der heißen Situation, beinahe vergessen seine Rolle weiterzuspielen, denn aus den Augenwinkeln sah er Lois, lautlos zu ihnen in den Raum huschend und sich hinter einem der Geräte versteckend. Dann blickte er tief in Mandys Augen und erwiderte atemlos: „Und du bist wunderschön.“

Erregt, bis in die Haarspitzen drängte sich Mandy leise lachend noch enger gegen den Jungen und küsste ihn erneut mit verlangender Wildheit. Dabei nahm Mandy entschlossen sein Badetuch von der Schulter und warf es achtlos nach Hinten. Sie wäre wohl sehr erstaunt gewesen, hätte sie gesehen, dass es genau in Lois Lanes Gesicht landete, die lautlos die Szene, die sich ihr bot, flüsternd mit dem Wort: Widerlich kommentierte.

Doch Mandy war ganz in ihrem Element. Sich widerstrebend von dem Schwarzhaarigen lösend, zerrte sie ihn zur Hantelbank hinüber, drückte ihn mit sanfter Gewalt auf die Sitzfläche und nahm selbst rittlings auf dem Schoß des Jungen Platz. „Also, erzähl mal: Wenn du so auf mich stehst – was willst du für mich machen?“

Diese überraschende Frage brachte Christian-Clark etwas aus dem Konzept, und er antwortete prompt so, wie er als Christian geantwortet hätte. „Dich zum Essen einladen.“ Etwas enttäuscht von der Antwort fielen Mandys Küsse nun etwas weniger leidenschaftlich aus, und der Junge entdeckte Lois Lanes etwas konsterniertes Kopfschütteln, als er für einen Moment über die Schulter des Mädchens auf seinem Schoß blickte. Sich schnell darauf besinnend, wie ein Farmerjunge zu reagieren, und nicht, wie ein Milliardärssohn, korrigierte er sich schnell und hauchte in Mandys Ohr: „Kochen – ich werde für dich kochen.“

Lois Lane atmete erleichtert auf, während Mandy ein begehrliche Seufzen von sich gab, in die Augen des Jungen blickte, und gurrend erklärte: „Das macht mich an.“

Mit neu entfachter Leidenschaft begann sie wieder, Christian-Clark zu küssen, wobei sich jetzt ihr Unterleib in kreisenden Bewegungen auf seinem bewegte.

Fast gegen seinen Willen begann er darauf zu reagieren, was wiederum Mandys Wildheit zusätzlich anstachelte, als sie es bemerkte. So achtete sie auch nicht darauf, wie Clark ihre Tasche von ihrer Schulter streifte und auf den Boden warf, wobei er Lois ein Zeichen mit der Rechten gab, sie sich endlich zu schnappen.

Von den ruckartigen Bewegungen seiner rechten Hand etwas irritiert löste sich Mandy von dem Jungen und meinte fragend: „Du wirkst irgendwie abgelenkt.“

„Ich bin nur nervös“, beeilte sich Christian-Clark zu versichern, was in diesem Fall nicht einmal gelogen war.

„Wieso?“

Eine gute Frage.

„Ich habe das, was wir wohl gleich machen werden, noch nie gemacht“, erwiderte der Junge schließlich stockend.

Das war nun wiederum aalglatt gelogen – und irgendwie auch wieder nicht.

Der Gedanke, bei Clark die Erste zu sein törnte Mandy noch weiter an und sie beschloss, ihn nach allen Regeln der Kunst zu verführen, und zwar auf dem Schreibtisch an der Wand. Er sollte sein erstes Mal, und damit sie, ein Leben lang in Erinnerung behalten.

Lois, die bereits auf halbem Weg zu Mandys Tasche gewesen war, fluchte lautlos, als diese plötzlich aufstand. Sie schaffte es gerade noch ungesehen unter den Schreibtisch zu kommen, bevor sich Mandy umwandte, ihre Tasche aufnahm, und Clark mit sich hinüber zerrte. Sie legte sich rücklings auf die breite Holzplatte und zog den Jungen zu sich herunter, wobei ihr Clark die Tasche erneut abnahm und zu Boden warf.

Unglücklicherweise hatte Lois Lane etwas unter dem Schreibtisch hervorgelugt, so dass die Tasche genau auf ihrer Nase landete, wobei ihr ein Laut der Überraschung entfuhr.

Mandy, die glaubte der Ton käme von Clark, fragte: „Was ist?“

„Ohooo...“, gurrte Christian-Clark in Mandys Ohr, was die Blondine gleich wieder auf Touren brachte. Sie mochte es, wenn Jungs etwas lauter waren, beim Sex.

Selbst erregt aufstöhnend klammerte sie sich fest an den Jungen und spreizte dabei langsam ihre schlanken Schenkel, zwischen denen der Junge nun zu liegen kam. Verlangend schoben sich dabei ihre Hände unter sein T-Shirt und schoben es zielstrebig über seine Kopf und seine Arme, bis sie es ihm endlich ganz ausgezogen hatte.

Lois Lane, die direkt unter ihnen beiden lag und angewidert mit anhörte was sich dort über ihr abspielte, versuchte fieberhaft das Referat in Mandys Tasche zu finden. Als einen Moment später Clarks T-Shirt in ihrem Gesicht landete, dachte sie wütend: Baby, jetzt nochmal so´n Ding und ich werfe euch beide von der Schreibtischplatte! Die beiden stöhnenden Teenager über sich nicht länger ertragend, zerrte sie das T-Shirt von ihrem Gesicht, nahm kurz entschlossen die Tasche, und zog sich dann, in tiefster Gangart, zurück. Sie würde das Referat draußen weiter suchen.

Christian-Clark, der von Lois Lanes klammheimlichem Abgang nichts gemerkt hatte, spielte im Kraftraum derweilen das Spielchen weiter. Zuerst hatte es ihm nicht behagt hier mit Mandy allein zu sein, aber nachdem er sich immer wieder gesagt hatte, dass ja er selbst momentan am Pool, bei seiner Freundin weilte, fand er sogar ein wenig Gefallen an dieser hoch erotischen Situation. Außerdem hatte Alicia, vor nicht allzu langer Zeit, mit Clark, in seinem Körper, geschlafen – dies war also lediglich ein gewisser Ausgleich. Er spürte ein Kribbeln in der Lendengegend, als Mandy ihn auf dem Schreibtisch auf den Rücken drehte, sich rittlings auf ihn setzte und hinter ihrem Rücken an der Schleife nestelte, die das Bikini-Oberteil zusammenhielt. Im nächsten Moment zog sie das Oberteil über den Kopf aus und Christian-Clark bewunderte ihre makellos geformten Brüste. Gleich darauf drängte sich das Mädchen eng an ihn und sie küssten sich lang und ausdauernd, bevor sich Mandy wieder erhob und ihrerseits nun nach den Schnüren tastete, mit der die Bermudas des Jungen um seine Hüften gehalten wurden. Nachdem sie die Verschnürung gelöst hatte, zog sie neckisch an den beiden Strippen und fragte heiser: „Also? Wie weit wollen wir gehen?“

Im nächsten Moment blickte Christian über Alicias und Samanthas Schultern auf den Pool der Schwimmhalle, seine Freundin im linken Arm haltend. Verblüfft sah er sich um und bekam gerade noch die Schlusspointe des Witzes mit, den Samantha gerade zum Besten gegeben hatte. Einen Moment später tat er dasselbe, was die beiden Mädchen gerade taten. Er begann schallend zu lachen...

Ein Streit und eine Fahrt nach Metropolis

Gleich am nächsten Tag musste Christian schmerzlich feststellen, dass er nicht gerade sehr viel zu lachen hatte. Am Abend zuvor war alles noch prima gewesen, und hätte ihn sein etwas schlechtes Gewissen, Clark gegenüber, an diesem herrlichen Samstagmorgen nicht auf die Kent-Farm geführt, so wäre es vermutlich auch noch eine Weile prima geblieben.

So aber hatte er sich gleich nach dem Frühstück auf den Weg gemacht, nachdem er kurz per Handy bei Clark angeklingelt hatte, um sich davon zu überzeugen, dass er auch wirklich da war.

Als er dort eintraf, erkannte er schon von weitem Lois Lane auf der Veranda, die sich heftig mit Clark unterhielt. Unterdrückt seufzend marschierte er auf die beiden zu – einerseits konnte er sich gut vorstellen was Clark zu der Aktion sagen würde, die er und Lois gestern Abend initiiert hatten, andererseits konnte Lois echt nervig sein, wenn sie in dieser, für sie schon fast typischen, etwas gereizten Stimmung war. Als er die Treppe erreichte machte er auf sich aufmerksam indem er freundlich grüßend sagte: „Guten Morgen, ihr zwei!“

Beide drehten sich in demselben Moment in seine Richtung, und es war Lois, die ihn anfuhr: „Ich hoffe, dass du dein kleines Schmuckstück bereits herzhaft in ihren hübschen, kleinen Hintern getreten hast! Wenn nicht, dann solltest du das dringend nachholen, wenn du mich fragst!“

Christian blickte, etwas konsterniert über diesen Empfang, von Lois zu Clark, der mit ernster Miene meinte: „Lois und ich hatten gestern Abend ein ernsthaftes Gespräch mit Mandy Walsh, und nachdem wir sie damit konfrontiert haben, was wir herausfanden, hatte sie hat keinen Hehl daraus gemacht, dass Alicia mit an der Sache mit diesem verseuchten Getränk beteiligt war, dass aus den Jungs willenlose Trottel gemacht hat. Sie sagte, dass Alicia den Auftrag gehabt hatte das Getränk zunächst an dir auszuprobieren, bevor sie es dann im großen Stil mit diesem Liebesmolekül versetzt haben.“

„Tja“, machte Lois süffisant. „Wie fühlt man sich denn so als Versuchskaninchen?“

Christian spürte, wie sich die Epidermisdurchblutung seiner Gesichtshaut deutlich steigerte und unbewusst ballte er seine Hände zu Fäusten.

„Ganz toll, Lois“, kommentierte Clark, der ahnte, dass Christian bis zu diesem Zeitpunkt nicht daran hatte glauben können, dass seine Freundin wirklich an dieser Sache beteiligt gewesen war. Dann meinte er zu beiden: „Lasst uns reingehen und reden.“

Lois, die erst jetzt erkannte, wie weit sie mit ihrer letzten Bemerkung über das Ziel hinaus geschossen war, warf Christian und Clark entschuldigende Blicke zu. Dann folgte sie den Jungs ins Haus.

„Meine Eltern sind heute Morgen auf dem Markt, in Granville“, erklärte Clark, während Lois und Christian am Küchentisch Platz nahmen, bevor der Freund eine entsprechende Frage stellen konnte. Er selbst schritt zum Kühlschrank und holte eine Karaffe mit Orangensaft heraus, die er, zusammen mit ein paar Gläsern, auf den Tisch stellte bevor er sich zu ihnen beiden setzte.

Während Christian sich, sichtlich sauer, bediente und etwas von dem Orangensaft in ein Glas schüttete, erklärte Lois verlegen in seine Richtung: „Hör zu, ich wusste ja nicht, dass dir das so nahe geht. Ich dachte, du würdest ahnen wie die Dinge liegen. Ich selbst bin nur so sauer wegen dieser Angelegenheit, weil auch Chloe von diesem Meteoritengesöff probiert hat, und sie mich gestern, im Keller der Schule, fast erschlagen hätte. Weil sie dachte...“ Im letzten Moment realisierte das Mädchen, dass Clark ja auch mit am Tisch saß, und sie unterbrach sich abrupt.

Christian hob bereits fragend die Augenbrauen, als Lois ihn mit weit aufgerissenen Augen beinahe hypnotisierend anstarrte. Er verstand, und verkniff sich die Frage, wie sie den Satz hatte beenden wollen. Statt dessen wandte er sich an Clark und fragte hoffend: „Kann es nicht sein, dass Mandy gelogen hat?“

„Christian, wer hat dir das Getränk gegeben?“

Der Blonde sank etwas in sich zusammen. „Schon gut – ich habe es kapiert, Clark.“

Lois, die darauf brannte Christian zu erzählen wie sie und Clark dahinter gekommen waren, wippelte aufgeregt auf ihrem Stuhl hin und her und platzte schließlich heraus: „Willst du gar nicht wissen wie Clark und ich die Sache haben auffliegen lassen?“

„Ich kann´s mir gut vorstellen“, erwiderte Christian gedankenlos. Erst dann wurde ihm klar was er gesagt hatte und schnell meinte er: „Na, nun erzähl doch schon!“

Etwas verwirrt blickte sie von Christian zu Clark und wieder zurück zu Christian. „Wie schräg seid ihr zwei heute morgen schon wieder drauf? Liegt das an dem Spiel heute Nachmittag? Kommt schon, das ist nur ein Spiel.“

Christian blickte gereizt zu ihr. „Die gesamte Mannschaft ist etwas nervös, weil es Clarks erster richtiger Einsatz, als Quarterback, ist. Aber jetzt erzähl endlich, was los war.“

Lois schüttelte die Gedanken an das Verhalten der beiden Jungs ab und berichtete Christian davon was sich am Vorabend, während der Poolparty, ereignet hatte. Seltsamerweise erweckte Christian den Eindruck, nur mit mäßigem Interesse zuzuhören, während Clark anscheinend äußerst interessiert lauschte obwohl der selbst dabei gewesen war. Jungs waren schon ziemlich komisch.

Erst als Lois Lane zum Ende der Geschichte kam begann Christians Interesse sichtlich zu erwachen, und er konnte seine Belustigung nicht ganz im Zaum halten, als sie erwähnte, wie Chloe und sie anschließend in das wilde Gerangel zwischen Clark und der barbusigen Mandy, die drauf und dran gewesen war ihre Hand unter den Bund von Clarks Shorts wandern zu lassen, hineinplatzten.

„Ich finde, Chloe und du hättet euch wirklich etwas Zeit lassen können“, lachte Christian und blickte augenzwinkernd zu Clark. „Also wirklich, dass du so ein Draufgänger bist, das hätte ich nun wirklich nicht vermutet. Du und Mandy, Brust an Brust, wild auf dem Schreibtisch herum machend und...“

„Ja, lass uns das ganz schnell vergessen, okay“, unterbrach ihn der Schwarzhaarige leicht gereizt, da er nur zu gut wusste, wer ihm diese Szene eingebrockt hatte. Danach blickte er zu Lois und hob auffordernd seine Augenbrauen, bis auch sie grinsend zustimmte und meinte: „Ich weiß nicht was du hast. Als Single kann dir doch niemand etwas vorhalten.“

Clarks Gesicht sprach Bände und Lois hob beschwichtigend ihre Hände: „Schon klar, ich weiß Bescheid. Lana...“

„Komm schon, Lois“, sprang Christian in die Bresche. „Der Gag ist ausgereizt.“

„Das wäre er erst gewesen, wenn ich auch noch Carrie erwähnt hätte, aber du hast es vermasselt, Kraut“, beschwerte sich das Mädchen gereizt bei dem Deutschen. Dann wechselte sie unvermittelt das Thema und fragte: „Was wirst du nun machen? Wegen Alicia, meine ich. Bei dieser Getränkeaktion mitzumischen ist schon starker Tobak.“

„Das ist es“, gab Christian düster zu. „Andererseits hat jeder hier am Tisch bestimmt schon etwas angestellt, auf das er nicht sonderlich stolz ist, denke ich. Ich werde mit ihr reden und sie mit den Tatsachen konfrontieren. Danach werden wir weitersehen.“

„Für einen Moment zeigte Lois eine ungewohnt weiche Seite, indem sie ihr langes, braunes Haar zurücwarf, ihre Hand kurz auf seinen Unterarm legte und ruhig meinte: „Dann sei nicht zu grob zu ihr.“

Beinahe etwas verwundert blickte Christian in ihre Augen und spürte dabei, dass sie seinen Arm bereits wieder los ließ. Es gab also auch noch eine andere Lois – eine die nicht so grob, bestimmend und zynisch war, wie sie nach Außen hin zumeist vorgab. Sie hatte sehr genau gespürt, wie es momentan um ihn stand, etwas das er Lois, wegen ihrer bislang zur Schau gestellten Art, kaum zugetraut hätte. Den Dingen in Gedanken vorauseilend erwiderte er schließlich: „Ich werde versuchen es mir zu Herzen nehmen.“

Lois und Clark beobachteten Christian dabei, wie er sich vom Tisch erhob.

Der Blonde erklärte: „Ihr entschuldigt mich nun bitte, ich habe ein ziemlich unangenehmes Gespräch vor mir, und es vor mir her zu schieben macht´s nur schlimmer.“

Die beiden Angesprochenen blickten Christian nach, als er das Haus verließ, und es war Clark, der schließlich das Schweigen durchbrach und schlicht sagte: „Danke.“

 
 

* * *

 

Alicia hatte vor wenigen Augenblicken erst das gemeinsame Frühstück mit ihren Eltern beendet, als ihr Handy den typischen SMS-Ton von sich gab.

„Da schreibt bereits schon wieder Jemand elektronische Liebesbriefe, am frühen Morgen“, spöttelte Jerome Sterling und zwinkerte seiner Tochter zu, die schnell kontrollierte, dass die SMS wirklich von Christian war. Ungewohnt knapp hatte er geschrieben, dass er sich mit ihr treffen müsse, und dass er unterwegs sei.

Alicia, die ein ungute Vorahnung verspürte, seit sie vor etwa einer Stunde mit Mary Caruk telefoniert hatte, grinste ihren Vater grimmig an und steckte ihr Handy schnell wieder ein. Eilig erhob sie sich vom Tisch und begab sich ins Bad. Irgendwie froh, dass Chris noch nicht da war, als sie es zehn Minuten später wieder verließ, verabschiedete sie sich schnell von ihren Eltern und verließ eilig das Haus. Sie wurde, nach dem Gespräch mit Mary, das merkwürdige Gefühl nicht mehr los, dass Christian über die Aktion der Cheerleader Bescheid wusste und sie wollte vermeiden, dass Christian, im Beisein ihrer Eltern, mit ihr darüber sprach. Schlimm genug, falls es sich wirklich so verhielt.

Sie hatte kaum das Haus verlassen, als sie Christian bereits von weitem, auf seinem Motorrad, erkannte. Schnell schritt sie zum Zaun der Farm um ihn dort zu erwarten.

Nachdem Christian dicht neben der Zaunpforte angehalten hatte, stellte er das Motorrad auf dem Feldweg auf den Seitenständer, stieg rasch von der Maschine und nahm seinen Helm ab. Bereits als er auf Alicia zu kam wusste das Mädchen, dass ihre düstere Vorahnung berechtigt gewesen war. Mary hatte sie darüber informiert, dass Clark Kent alles herausgefunden hatte, und da Christian mit ihm befreundet war lag auf der Hand, dass er es nun ebenfalls wusste.

Die Miene des Jungen sprach eine eindeutige Sprache, als Alicia zu ihm auf den Feldweg trat und sich ihm zögerlich näherte.

Christian blieb einen Schritt vor Alicia stehen und die Tatsache, dass sie ihm kaum in die Augen sehen konnte, sagte dem Jungen alles. Clark hatte Recht gehabt. Auf ihre gewohnte Umarmung verzichtend deutete er den Feldweg entlang und meinte bestimmt: „Du weißt also, warum ich hier bin, und worüber wir nun reden werden. Lass uns ein Stück gehen, dabei redet es sich leichter.“

Das Mädchen schluckte und nickte stumm.

Für eine Weile schritten sie neben einander den Feldweg entlang, und es war Christian, der schließlich das unangenehme Schweigen zwischen ihnen brach. „Alicia, was haben sich die Cheerleader und du dabei gedacht, die Jungs des Teams, und nicht zuletzt mich selbst, mit einem Getränk zu dopen, dass uns mental beeinflusst und darüber hinaus möglicherweise gesundheitliche Schäden verursacht?“

„Mandy und Rhonda haben vorher sichergestellt, dass das Getränk keinerlei gesundheitliche...“

„Darum geht es doch gar nicht, Alicia!“, fuhr Christian seiner Freundin aufgebracht in die Parade. „Hier geht es darum, dass ihr anderen Menschen ihren freien Willen genommen habt! Und was die gesundheitlichen Folgen betrifft dies: Dan Cormay hätte fast den Assistenzcoach erschossen, da er seine, vollkommen unbegründete, Eifersucht nicht mehr unter Kontrolle gehabt hat, und er sitzt nun in Belle Reve ein. Später ist Jason Teague auf Clark losgegangen, obwohl der ihn gerettet hatte. Und schließlich – zu deiner Information – wäre gestern Abend beinahe Lois Lane von ihrer Cousine erschlagen worden, nur weil diese ebenfalls unter dem Einfluss des Getränks stand! Wie nennst du das? Wäre auch nur eine dieser Aktionen schief gegangen, was wäre wohl dann gewesen, in Bezug auf keine gesundheitliche Folgen?“

Erschrocken, bei den letzten Worten ihres Freundes, blickte Alicia ihn inständig an und erwiderte schwach: „Das haben wir alle nicht gewollt, Chris.“

Christians blaue Augen bekamen ein eigenartiges Funkeln, als er erwiderte: „Aber ihr müsst doch damit gerechnet haben, dass ein Getränk, dass ihr mit einer schwach radioaktiven Substanz vermischt vollkommen unberechenbare Folgen zeitigen kann. Ihr könnt doch nicht so naiv gewesen sein, euch zu sagen, alles unter Kontrolle zu haben, bei so einer Aktion. Und wie lange hättet ihr das durchgezogen, wenn´s nicht aufgeflogen wäre? Hattet ihr vor, uns auf unbestimmte Zeit mit diesem Zeug vollzudröhnen?“

Das Mädchen schluckte und fand keine Antwort darauf. Jedes seiner Worte hatte gesessen und sie hätte sich in diesem Moment am liebsten selbst geohrfeigt, weil sie bei dieser Wahnsinnsaktion mitgemacht hatte. Schließlich blieb sie stehen, blickte, mit Tränen in den Augen, zu dem Jungen auf und fragte leise: „Was wird nun aus uns, Chris?“

Der Junge wurde etwas von dieser Frage überrascht, denn er hatte bisher keine Zeit gehabt darüber nachzudenken. Traurig in die Augen seiner Freundin blickend entgegnete er leise: „Ich weiß es nicht, Alicia. In meinem Kopf dreht sich momentan alles. Ich brauche jetzt erst einmal eine Pause, um das alles richtig einzuordnen und zu verdauen. Danach werden wir darüber reden, okay?“

Alicia war nicht in der Lage etwas darauf zu erwidern. Sie fühlte sich so elend, wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Christian hatte sie, vor wenigen Monaten erst, vor einem Verbrechen gerettet, wobei er selbst verletzt worden war, und was hatte sie getan? Tränen rannen über ihre Wangen, als sich Christian, mit maßlos enttäuschter Miene, von ihr abwandte, und langsam den Weg zurück schritt, den sie beide eben erst gekommen waren.

„Chris, ich wollte nicht, dass so etwas passiert.“

Der Junge hob nur beide Hände, ohne sich noch einmal umzudrehen. Dann stieg er auf sein Motorrad, wendete und fuhr davon, ohne mitzubekommen, wie Alicia ihr Gesicht in den Händen vergrub, und begann, bitterlich zu weinen.

 
 

* * *

 

Eine Stunde später hielt Samantha Collins ihre beste Freundin, bei sich Zuhause, in den Armen und streichelte tröstend über ihr Haar, während sie beruhigend auf sie einredete.

„Hör zu, wenn Chris dich nicht mehr lieben würde, dann hätte er doch bestimmt längst Schluss gemacht. Dass er es nicht getan hat und erst einmal in Ruhe über alles nachdenken will zeigt doch nur, dass ihm etwas an dir liegt. Und du kannst es ihm wohl auch kaum verdenken, wenn ich daran denke, was du, und alle anderen Beteiligten, euch mit ihm, und den anderen Jungs des Teams geleistet habt. Das hätte auch noch ganz anders nach Hinten losgehen können, Alicia.“

Alicia gab nur einige erstickte Laute von sich, und Samantha streichelte der Freundin sacht über den Rücken. Für eine geraume Zeit lang schwiegen sie, bis sich Alicia etwas beruhigte und Samantha leise einen erneuten Anlauf nahm, indem sie fragte: „Was habt ihr euch bloß bei einem solchen Blödsinn gedacht. Ihr hättet doch selbst drauf kommen müssen, was für eine Schnapsidee das ist und dass das niemals gutgehen konnte. Ich muss sagen, dass ich an Christians Stelle vielleicht noch heftiger reagiert hätte, als er.“

Alicia hob den Kopf und eine Mischung aus Verwunderung und Enttäuschung lag in den dunklen Augen der jungen Afroamerikanerin.

Samantha erwiderte den Blick ungerührt und erklärte: „Hey, ich bin deine beste Freundin, und du wirst darum nie weniger als die volle Wahrheit von mir hören, okay?“

Alicia blickte in die undefinierbar blau-grün-grauen Augen ihrer besten Freundin und nickte schließlich dankbar. „Du hast ja Recht, Sam. Wenn ich nur wüsste, wie ich das mit Chris wieder geradebiegen kann. Ich liebe ihn doch, und ich habe so schreckliche Angst, ihn durch diese dämliche Aktion zu verlieren.“

Die Blondine tätschelte sacht Alicias Wangen und meinte aufmunternd: „Ihr zwei werdet einen Weg zurück zu einander finden, da bin ich mir ganz sicher, okay. Denn wenn nicht ihr zwei, wer dann?“

„Vielleicht sollte ich noch vor dem Spiel, heute Nachmittag, mit Chris reden, was denkst du, Sam?“

Die Freundin fuhr sich durch das kurze, honigblonde Haar und erwiderte ernst: „Das halte ich für nicht so gut, Alicia. Christian braucht jetzt wirklich erst einmal Zeit, um das alles zu verarbeiten. Wenn er das Gefühl hat, du drängst ihn nun obendrein, dann macht das die gesamte Angelegenheit bestimmt nicht besser. Gib ihm ein paar Tage, auch wenn es dir schwer fällt. Wenn am Ende alles gut ausgehen sollte, dann wäre das ein sehr geringer Preis, findest du nicht?“

Alicia blickte ihre beste Freundin dankbar an und umarmte sie dann noch fester, als bisher schon, wobei sie sagte: „Ich bin so froh, dass du meine Freundin bist, Sam. Du weißt immer einen Rat.“

„Dafür sind beste Freundinnen doch da“, erwiderte Samantha leise. Sie ahnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass sie selbst bald dringend auf einen solchen Rat angewiesen sein würde. Nach einer Weile erklärte sie leise: „Vielleicht ist der Moment gerade nicht optimal, aber ich wollte dir bereits die gesamte Woche über schon etwas erzählen, nachdem ich zuvor lange überlegt habe, ob ich überhaupt wem davon erzählen sollte, und jetzt kann ich es irgendwie nicht mehr länger bei mir behalten, Alicia. Es ist nämlich so: Als ich Neil letzten Monat in Kansas besucht habe, da ist es zwischen uns passiert.“

Überrascht von dieser Eröffnung blickte Alicia verwundert auf. Sie verdrängte ihren Kummer wegen Christian und fragte leise: „Ihr habt mit einander...?“

„Ja. Wir haben mit einander geschlafen, und es war wundervoll. Wir hatten das eigentlich gar nicht geplant, es hat sich einfach so ergeben.“

Alicia wischte sich über die Augen und ein zaghaftes Lächeln überflog ihr Gesicht. „Und da komme ich gerade mit meinem Liebeskummer an. Mensch, Sam, ich freue mich so sehr für euch beide. Liebst du ihn denn wirklich?“

Das blonde Mädchen nickte mit leuchtenden Augen. „Zuerst hätte ich das niemals vermutet, aber als wir auf deiner Geburtstagsfete mit einander getanzt haben, da hat es mich voll erwischt. Ihn aber auch, würde ich sagen. Ich bin mir ganz sicher, dass er der Richtige für mich ist.“

„Dann sind jetzt für uns beide die Zeiten, in denen man uns Mädchen nennen durfte, wohl endgültig vorbei, schätze ich. Aber es betrübt mich, erst jetzt davon zu erfahren.“

Samantha zwinkerte spitzbübisch und ging auf den Tonfall der Freundin ein, froh, dass sie von ihrem Kummer etwas abgelenkt war, und meinte: „Nur noch junge Frauen. Mit Betonung, auf jung. Und hey: Du hast auch etwas gebraucht, bis du mir von deiner Nacht mit Chris erzählt hast.“

„Aber nicht über einen Monat.“

Eine Weile schwiegen sie und Alicias Miene wurde wieder ernster. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich heute wirklich zum Spiel gehen soll, Sam. Chris und den anderen Jungs in die Augen sehen zu müssen wird bestimmt nicht leicht werden.“

„Hey, gekniffen wird nicht“, widersprach Samantha bestimmt. „Ich glaube auch nicht, dass außer Clark und Chris noch jemand von den Jungs weiß, wer alles an dieser Aktion beteiligt gewesen ist, denn die beiden schaue ich nun nicht unbedingt dafür an, dass sie das herum getratscht haben.“

Alicia überlegte einen Moment lang. Dann nickte sie zustimmend. „Richtig, das wäre wirklich nicht die Art der beiden.“

„Ganz genau. Und indem du mich nicht hängen lässt, und mich dabei unterstützt, Chris und die übrigen Spieler nachher kräftig anzufeuern, kannst du schon mal wieder etwas von dem, was du verbockt hast, gutmachen.“

Alicia seufzte entsagungsvoll. „Na, schön. Ganz, wie du meinst.“

 
 

* * *

 

Während des Spiels, am Nachmittag, versuchte Christian nicht permanent an Alicia zu denken, oder an das, was sie und die anderen Mädchen sich geleistet hatten. Er war noch nie besonders nachtragend gewesen, aber dieser Fall lag schon ein wenig anders. Immerhin hatten die Mädchen sowohl mit der Gesundheit der Jungs als auch mit deren freiem Willen gespielt. Und auch wenn nichts Tragisches passiert war – es hätte schlimm enden können.

Er rechnete Alicia hingegen hoch an, dass sie nicht gekniffen, und das Spiel geschwänzt, hatte. Er vermutete, dass in dieser Hinsicht möglicherweise Samantha ein paar Worte gesagt hatte, denn zweifellos hatte Alicia sich, nach ihrem Gespräch am Morgen, nicht an ihre Eltern sondern an ihre beste Freundin gewandt.

Der Gedanke, dass sich Alicia momentan kaum besser fühlen dürfte als er selbst tat ihm leid, aber im Moment brauchte er einfach Abstand um zu entscheiden was aus ihnen werden sollte. Er liebte sie, aber er wollte ihr auch vollkommen vertrauen können.

Während der gesamten ersten Halbzeit grübelte Christian vor sich hin, bevor er kurz vor der Pause eine Idee hatte. Am Morgen hatte ihm seine Tante erzählt, dass sie am Vorabend mit Onkel Jasons Schwester, Annette, telefoniert habe, und dass sich seine Tante Annette beklagt habe, dass sich Christian noch nicht einmal bei ihr habe blicken lassen, nachdem er nun schon seit einem halben Jahr in Smallville leben würde.

In der nächsten Woche standen einige dringende Reparaturarbeiten an der Klimaanlage der Schule an, weshalb sie für drei Tage geschlossen bleiben würde. Vielleicht war das eine gute Gelegenheit auch räumlich etwas Abstand zu Alicia zu gewinnen und dabei gleichzeitig seiner Tante in Metropolis eine kleine Freude zu machen. Zuerst nahm er sich vor, Annette Falken in der Pause davon zu informieren, doch dann beschloss er, sie zu überraschen, um ihr erstauntes Gesicht zu sehen.

In den beiden letzten Vierteln, nach der Halbzeitpause, kam das Team, begünstigt von der mäßigen Leistung einiger Spieler – unter anderem auch seiner eigenen – arg ins Hintertreffen. Lediglich Clark Kent schien in bester Spiellaune zu sein, und durch einen Sechzig-Yards-Hail-Mary-Pass auf Nate Pratt, der seinen Wahnsinnspass in der Endzone fing, konnten die Crows das Spiel in der Schlusssekunde noch auf ein knappes 34:31 drehen.

Kaum verwunderlich, dass die Laune im Umkleideraum, trotz des Sieges, relativ bescheiden war.

Clark Kent beobachtete Christian dabei, wie er, mit hängenden Schultern, was nur zum Teil seinem mäßigen Spiel und dem berechtigten Anpfiff des Trainers dafür lag, den Umkleideraum verließ, und er hoffte inständig für den Freund, dass er einen Weg fand, um mit Alicia zusammenzubleiben.

Als Christian aus dem Gang hinaus auf das Spielfeld trat, traf er dort auf Lois Lane, die auf Jemanden zu warten schien.

„Hi, Lois. Falls du auf Clark wartest, der braucht noch eine Weile.“

„Auf den warte ich nur, um mich von ihm zu verabschieden. Und dann werde ich mich nach einer Gelegenheit umsehen, um nach Metropolis zu kommen.“

Christian blickte das Mädchen überrascht an. „Du willst schon wieder fort?“

Lois nickte grinsend. „Ja. Clark hat seine Verbindung zu Lex Luthor spielen lassen, und der hat den Dekan der Met-U etwas unter finanziellen Druck gesetzt. Und nun werde ich wieder dort zugelassen.“

„Da soll noch einer behaupten, Milliardärssöhnchen wären für nichts gut“, spottete der Junge augenzwinkernd. Übrigens, ich fahre heute Nachmittag zufällig nach Metropolis, um eine Tante zu besuchen. Da könnte ich dich mitnehmen. Na, ja, genau genommen ist sie wohl eher meine Großcousine, aber das hört sich irgendwie schlimm an.“

„Sonst hast du keine Probleme?“, konterte Lois trocken. Dann erwiderte sie grinsend: „Dein Angebot klingt verlockend – dann muss Chloe die Strecke nicht zweimal fahren.“

Christian nickte. „Dann packe ich Daheim nur schnell meine Sachen zusammen und komme pronto zurück. Deine Siebensachen packen wir dann von Chloes Auto in meins und dann kann es losgehen. Was sagst du?“

„Man merkt, dass du Kraut bist – organisieren könnt ihr bekanntlich“, grinste das Mädchen. „Also gut, dein Plan klingt brauchbar. Und Chloe wird froh sein, dass sie die siebenundsechzig Meilen, von Metropolis zurück nach Smallville, nicht allein im Dunkeln fahren muss.“

Christian grinste schief. „Eben. Also bis nachher.“

Als der Junge über die Straße, zu seinem Pickup eilte, erkannte er ein paar Meter weiter Alicia und Samantha. Er überlegte kurz, bevor er zu ihnen schritt und Alicia ansprach: „Alicia, hast du einen Moment?“

Beide Mädchen wandten sich ihm zu und in Alicias Gesicht stand überdeutlich eine unausgesprochene Frage.

Etwas verlegen erklärte der Junge: „Ich fahre für ein paar Tage zu meiner Tante Annette, nach Metropolis, und ich wollte nur, dass du davon weißt. Er wollte noch mehr sagen, doch er wusste nicht wie. So lächelte er lediglich und meinte: „Wir sehen uns dann nächste Woche, Donnerstag in der Schule.“

Damit ging er und Samantha sagte beruhigend zu Alicia. „Na, bitte, ist doch ein gutes Zeichen, dass er dir davon erzählt, damit du dir keine Sorgen machen musst, wo er ist.“

Alicia blickte Samantha dankbar an. „Ja, vielleicht hast du Recht. Am liebsten würde ich jetzt trotzdem hinter ihm her laufen, und ihm um den Hals fallen.“

„Der Moment wird bestimmt schon nächste Woche kommen. Warte mal ab, wenn er dich erst einmal ein paar Tage vermisst hat. Komm jetzt.“

Samantha hakte sich bei Alicia unter und zog sie mit sich.

 
 

* * *

 

Fast zwanzig Minuten lang verlief die Fahrt nach Metropolis, zwischen Christian und Lois, ziemlich wortkarg. Als es Lois nicht länger aushalten konnte, nur so ruhig dazusitzen und auf die Landschaft zu starren, fragte sie schließlich, etwas gereizt klingend: „Willst du vielleicht darüber reden, Chris?“

„Nein.“

„Tja, dein Pech, denn ich werde hier keinesfalls noch länger, stumm wie ein Fisch, sitzen und gelangweilt aus dem Fenster starren.“

Der Junge hustete unterdrückt und sagte dann entschuldigend: „Tut mir leid, Lois, aber die Angelegenheit mit Alicia geht mir etwas an die Nieren.“

„Du vermisst sie bereits“, stellte Lois nüchtern fest. Sie bemerkte den unwilligen Blick des Jungen und lachte: „Oh, komm, um das zu erkennen muss man nun wirklich kein Hellseher sein, Chris. Du bist nach wie vor in Alicia verknallt, und du weißt es. Also besuche deine Tante, in Metropolis, und wenn du wieder in Smallville bist, dann fahr zu Alicia und sage ihr gefälligst, dass du ihr den Blödsinn verzeihen wirst weil du sie nicht wegen einer einzigen Blödheit, die sie zufällig angestellt hat, abservieren wirst, klar?“

„Aye, Sir“, grummelte Christian. Im nächsten Moment lächelte er schwach. „Ich hab es kapiert, Lois. Aber im Moment ist da etwas, das sich dagegen noch sträubt.“

„Alles andere würde mich auch schwer wundern“, erwiderte das Mädchen an seiner Seite. „Ich sage ja auch nicht, dass es so einfach sein wird, wie es sich eben angehört hat. Aber am Ende liebst du Alicia doch, oder nicht?“

„Schon“, räumte Christian ein. Ich denke aber, dass es verdammt schwer werden wird ihr wieder zu vertrauen.“

Lois Augen wurden zu schmalen Schlitzen, als sie Christian von der Seite musterte. „Dann spring, verdammt noch mal, über deinen Schatten. Ich glaube, Alicia hat gemerkt, was sie da angestellt hat, und ich bin mir sicher, dass sie so etwas nie wieder in ihrem Leben machen wird. Und wer weiß, was du dir noch leisten wirst. Also überwinde dich in diesem Fall, und hoffe darauf, dass sie es auch tun wird falls du selbst mal Blödsinn machst.“

Für eine Weile blieb es still zwischen ihnen. Dann sagte Christian: „Danke, Lois.“

„Keine Ursache, Kraut“, erwiderte das Mädchen, schon wieder obenauf. Dann wurde sie etwas ernster und meinte: „Weißt du, ganz am Anfang, als wir uns kennenlernten, da bist du mir schwer auf die Nerven gegangen, und ich dachte erst, du wärst ein ziemlich abgehobenes Bürschchen.“

„Ach – und jetzt?“

„Jetzt gehst du mir zumindest nicht mehr auf die Nerven.“

Lois weidete sich am Gesichtsausdruck des Jungen und fügte ernsthaft hinzu: „Okay, ich denke mittlerweile nicht mehr, dass du abgehoben bist. Sonst würde sich ein Landei, wie Clark Kent, kaum mit dir abgeben, und Ma Kent würde nicht so gut von dir reden. Vielleicht sind wir beide uns in unserer Art nur zu ähnlich. Man sieht sich höchst ungern selbst in einer anderen Person.“

„Da sagst du was“, stimmte Christian, ohne zu zögern, zu.

„He, was soll das denn heißen?“

Das breite Grinsen des Jungen wirkte recht vielsagend. „Siehst du. Genau so ist das, wenn man so ist, wie Lois Lane.“

„Jetzt werd´ mal nicht gleich größenwahnsinnig“, konterte das Mädchen amüsiert. „Niemand kann so sein, wie Lois Lane, klar?“

Christian erlaubte sich ein Schmunzeln. Dann meinte er nachdenklich: „An deiner Stelle würde ich Clark übrigens nicht so schnell als gewöhnliches Landei abstempeln. Nach meiner Meinung steckt in Clark mehr, als das Auge sieht. Anfangs dachte ich ernsthaft, dass Clark und du...“

„Clark und ich?“ Fassungslos blickte Lois ihren Begleiter von der Seite an. „Hör zu, es gibt kein Clark und Lois – oder Lois und Clark, besser gesagt. Clark ist ein naiver junger, durchschnittlicher...“

„...sehr gut aussehender Junge, der dir besser gefällt, als du zugeben willst“, beendete Christian ihren Satz. „Was deine Reaktion eben nur allzu deutlich unterstreicht.“

„Träum´ weiter, Kraut.“

Christian seufzte schwach. „Ganz wie du willst – ich hätte mich da ohnehin nicht eingemischt, oder irgendein Sterbenswort gesagt. Schade eigentlich...“

Einen Moment lang musterte Lois den Blonden prüfend, bevor sie zugab: „Clark ist ganz okay. Für einen Farmerjungen, meine ich.“

„Passt schon“, schmunzelte Christian belustigt. „Ich behalte das für mich.“

„Wehe, wenn nicht“, drohte Lois im Scherz. Dann fügte sie betont grob hinzu: „Und konzentriere dich gefälligst auf die Straße, damit wir nicht sonst wo landen.“

Besuch bei Tante Annette

Vor der Universität von Metropolis hatte sich Christian von Lois Lane verabschiedet. Herzlicher, als er es zuvor für möglich gehalten hätte. Beide hatten während der restlichen Fahrt über Gott und die Welt geplaudert und als er sich mit einem Händedruck von Lois hatte verabschieden wollen, nachdem er sie am Campus abgesetzt hatte, da hatte sie ihn spontan in die Arme genommen, und sich, fast wie eine ältere Schwester, mit einem gehauchten Kuss auf die Wange, von ihm verabschiedet.

Christian hatte Lois das Versprechen abgenommen, dass sie gelegentlich von sich hören lassen würde, bevor er sich schließlich auf den Weg zur Adresse seiner Tante aufgemacht hatte, wobei er froh war, ein Navigationsgerät im Auto zu haben, denn die Straßen von Metropolis erschienen ihm, wie ein sinnverwirrendes Labyrinth. Erleichtert darüber, endlich die Villa, im höher gelegenen West-End der Stadt erreicht zu haben, parkte er seinen Pickup am Straßenrand um zunächst einen Blick auf das gewaltige Anwesen zu werfen, in dem seine Tante offensichtlich residierte. Insgeheim fragte er sich, ob Leute, wie sein Vater oder auch Annette Falken, sich in solchen weitläufigen Villen wirklich wohlfühlten, oder ob sie lediglich darauf achteten, standesgemäß zu wohnen. Er selbst war zwar in einer solchen Villa aufgewachsen, doch momentan bevorzugte er es, nicht in einem solchen Bau zu wohnen.

Noch während er vor dem schmiedeeisernen Tor stand und durch die Gitterstäbe zum Haus hinüber blickte, hielt gegenüber ein Lieferwagen eines Feinkost-Restaurants. Schnell wurde ersichtlich, dass die Lieferantin genau auf diese Villa zu hielt. Bevor sie zur Gegensprechanlage gehen konnte sprach Christian sie an: „Verzeihen Sie, aber wenn sie eine Lieferung für Miss Annette Falken haben, dann könnte ich Ihnen einen Weg abnehmen. Ich bin ihr Neffe, und gerade auf dem Weg zu ihr.“

Die sympathisch wirkende Lieferantin machte eine ablehnende Geste und erklärte: „Ich darf die Lieferung keiner mir fremden Person anvertrauen. Mit Verlaub, Sir, ich kenne Sie ja nicht. Sie könnten wer weiß wer sein.“

„Stimmt“, überlegte Christian und überließ es der etwa Mitte Zwanzigjährigen zu klingeln, und sich anzumelden. Als das Tor sich elektronisch öffnete, trat er zwanglos mit ein und marschierte, Seite an Seite mit der Lieferantin, auf das weiße Gebäude zu. Vor der breiten, verglasten Doppeltür hielten sie an, und die Lieferantin klingelte erneut an der Haustür. Es dauerte nur einen Moment, bis einer der Türflügel geöffnet wurde, und eine Angestellte des Hauses, von etwa Ende Dreißig, heraustrat. Ihr schwarzes Haar trug sie zu einem Zopf geflochten, was ihrem etwas hager wirkenden Gesicht zusätzlich Strenge gab. Dazu bei trug der prüfende Blick ihrer eisgrauen Augen. Trotz des eleganten, dunkelblauen Hosenanzugs den sie trug, konnte man erahnen, dass sie sehr sportlich war. Etwas befremdet auf Christian blickend, der beschlossen hatte der Lieferantin höflich den Vortritt zu lassen, wandte sie sich an die Lieferantin und nahm die Lieferung in Empfang. Ihr das Geld dafür reichend, plus einem Trinkgeld meinte die Angestellte: „Jetzt schickt Ihre Firma schon zwei Leute für eine Lieferung? Na, lernen Sie den jungen Mann nur ordentlich an.“

Bevor die Lieferantin oder Christian Gelegenheit fanden, den Irrtum aufzuklären, drückte die Angestellte auch dem Jungen eine Fünfdollar-Note in die Hand, nickte ihm zu und schlug ihm dann die Tür vor der Nase zu, als er gerade einen Schritt nach vorne machte.

Während Christian recht verdutzt aus der Wäsche sah, zuckten die Mundwinkel der Lieferantin verdächtig, bevor sie in schallendes Gelächter ausbrach. Nach einem Moment meinte sie prustend: „Damit haben Sie anscheinend nicht gerechnet.“

„Nicht wirklich“, gab der Junge zu und drückte der Lieferantin den Geldschein in die Hand. „Hier, falls Sie wirklich mal einen Neuling anlernen müssen.“

Die Lieferantin bedankte sich und Christian klingelte erneut an der Tür, während sie sich auf den Weg zu ihrem Lieferwagen machte.

Diesmal dauerte es einen Moment, bis dieselbe Angestellte von eben erneut die Tür öffnete und grimmig fragte: „Was gibt es denn noch, junger Mann?“

„Guten Abend, mein Name ist Christian von Falkenhayn. Ich bin der Neffe von Annette Falken. Ich habe meinen Besuch nicht angemeldet.“

Von Drinnen erklang eine etwas gereizte, weibliche Stimme. „Wer ist dieser unverschämte Störenfried, Diane?“

„Ein Junge vom Lieferservice, der behauptet, er wäre Ihr Neffe, Christian von Falkenhayn, Ma´am.“

Schnelle Schritte näherten sich dem Eingang, und im nächsten Moment stand eine elegant gekleidete Frau, von Anfang Fünfzig hinter der Angestellten, die sie Diane genannt hatte. Im Gegensatz zu ihrer Angestellten trug die Frau ihr goldblondes Haar offen, bis über die Schultern. Das elegante, anthrazitfarbene Kostüm, mit der modern geschnittenen, weißen Bluse, die sie darunter trug, kleidete sie sehr vorteilhaft. Es dauerte nur einen Moment, bis sie in Christian den Jungen erkannte, den sie beim letzten Zusammentreffen mit ihren deutschen Verwandten gesehen hatte. Ihn mit ihren dunkelbraunen Augen forschend musternd, fragte sie ihn auf Deutsch: „Wie geht es deiner Familie, Christian?“

Ebenfalls auf Deutsch antwortend erklärte der Junge: „Papa geht es relativ gut, auch wenn ihn der Verlust von Mama sehr getroffen hat. Tante Mary und Onkel Jason sind wohlauf, aber das hat sie dir ja vermutlich beim letzten Telefonat gesagt.“

„Lassen Sie meinen Neffen eintreten, Diane“, schmunzelte Annette Falken, und die überrumpelt wirkende Angestellte trat einige Schritte zur Seite. Annette Falken trat zu ihrem Neffen, der sie, trotz ihrer Pumps, um einen Kopf überragte und nahm ihn vorsichtig in die Arme. „Willkommen in Metropolis. Warum hast du dein Kommen nicht angekündigt?“

„Es sollte eine Überraschung werden“, erwiderte der Junge verschmitzt grinsend.

„Die ist Ihnen gelungen“, warf Diane ein und schloss die Tür hinter Annette Falken und ihrem Neffen, als sie ins Haus schritten. „Was ist mit dem Trinkgeld, das ich Ihnen gab?“

„Das habe ich der netten Lieferantin gegeben – falls sie wirklich mal einen Neuling anlernen muss.“

Die Frau im Hosenanzug machte ein etwas mürrisch das Gesicht.

„Hast du nichts mit?“, erkundigte sich unterdessen Christians Tante bei ihm. „Wie bist du überhaupt her gekommen?“

„Ich habe einige Sachen in meinem Pickup.“

Annette Falken verzog leicht ihr Gesicht. „Du fährst einen Pickup, wie ein gewöhnlicher Farmer? Es wurde wirklich Zeit, dass du herkommst damit du dich etwas standesgemäßer gibst.“

„Genau diese Ansicht war der Grund, warum ich nach Smallville gezogen bin, und nicht hierher, Tante Annette. Mit einem Bentley, einem BMW, einem Mercedes, oder einem Porsche durch die Gegend zu fahren, das ist, zumindest momentan, nicht ganz meins.“

Die Frau im kostbaren Kostüm seufzte schwach. „Liegt das an deinem Umgang, was Mädchen betrifft? Mary erzählte da etwas von einem Farmer-Mädchen in Smallville, mit dem du momentan verkehrst.“

„Dieses – wie du es nennst – Farmer-Mädchen, hat gar nichts damit zu tun, Tante Annette. Und bevor du auch in der Beziehung deine Nase rümpfst: Sie ist nicht nur hübsch, sie ist auch intelligent und sie wird nach der Highschool Chemie studieren. Sie wird, unabhängig davon, mit wem sie zusammen sein wird, ihren ganz eigenen Weg gehen. Und damit auch das geklärt ist: Sie sieht mich bereits schief an, wenn ich sie nur auf einen Kaffee einladen möchte.“

Während Annette Falken den Jungen etwas verwundert musterte, ob dieser leidenschaftlichen Erklärung, hielt ihre Angestellte nicht hinter dem Berg damit, dass sie sich gerade königlich amüsierte.

Sie betraten den Salon und Christians Tante wandte sich ihm zu, wobei sie seinen Oberarm ergriff und eindringlich meinte: „Ich wollte dir nicht zu nahe treten, Christian. Aber du bist mein Neffe, und ich mache mir Gedanken um dich. Auch wenn wir uns nicht sehr gut kennen, mein Junge.“

Sie warf einen schnellen Blick zu Diane, die ihn richtig deutete und sich unauffällig zurückzog. Dann blickte die Frau wieder zu ihrem Neffen auf und sagte: „Komm, ich zeige dir eins der Gästezimmer, und danach kannst du deinen Wagen auf das Gelände fahren und deine Sachen holen. Hast du Hunger, oder Durst.“

„Danke, momentan möchte ich nichts.“ Während Christian seiner Tante, über eine breite Treppe in den ersten Stock folgte, blickte er sich aufmerksam um und fragte schließlich: „Sind keine Sicherheitsleute im Haus?“

Die Frau an seiner Seite lächelte fein.

„Ich habe Diane. Sie ist eine ehemalige Marine und bewaffnet, auch wenn es nicht so aussieht. Tritt ihr also nicht auf die Zehen.“

„Ich werde mich hüten“, versprach der Junge. „Übrigens, hast du gerade den Koch gefeuert, oder warum der Lieferservice?“

„Die Köchin ist überraschend erkrankt. Im Notfall könnte immer noch Diane kochen.“

„Die ist ein Multitalent, wie mir scheint.“

Seine Tante öffnete eine Tür am Ende des Ganges.

„Diane ist meine rechte Hand. Sie hat hier im Haus ihre eigene Zimmerflucht, sie fährt mich, sie ist meine beste Assistentin und sie gibt auf mich Acht und sorgt dafür, dass mir nichts passiert. Und sie ist mir eine gute Freundin geworden. Sie ist Vollwaise, seit ihrem dreizehnten Lebensjahr, und in ihr sehe ich beinahe so etwas wie die Tochter, die ich nie hatte. Aber verrate ihr das bitte nicht.“

„Dieses Gespräch hat nie stattgefunden“, spöttelte Christian und warf einen Blick in das Zimmer. Dabei dachte er bei sich, dass es in etwa so eingerichtet war, wie er es sich zuvor in Gedanken vorgestellt hatte.

Annette Falken, die ahnte, was in Christian vorging, erkundigte sich launig bei ihm: „Stellt sich gerade ein gewisses Deja Vú bei dir ein?“

Christian grinste breit.

„Und wie.“

Seine Tante schmunzelte fein. Dann wechselte sie das Thema und meinte: „Ich hoffe, du bist nicht allzu geschafft von der Fahrt hierher, denn ich würde sehr gerne den Abend mit dir verbringen und diese seltene Gelegenheit dazu nutzen um mich mit dir unterhalten und dich wieder besser kennenzulernen. Das letzte Mal haben wir uns ja gesehen, als du erst Dreizehn warst. Seit damals hast du dich signifikant verändert, scheint mir.“

„Ich bin fit, wie ein Turnschuh“, versicherte der Junge. Dann meinte er: „Okay, dann werde ich mal den Wagen auf den Abstellplatz, neben das Haus, fahren und meine Sachen auf das Zimmer bringen.“

Für einen Moment verschleierte sich der Blick der Frau. Dann war er wieder so klar, wie zuvor und sie sagte leise: „Ich bin froh, dass du hergekommen bist, Christian.

 
 

* * *

 

Als Annette Falken und Christian, in dem weitläufigen Wohnraum, vor dem Kamin, beisammen saßen, fragte die Frau vorsichtig, wie es ihrem Neffen, nach dem tragischen Verlust seiner Mutter ergangen war.

Diane hatte sich bereits vor einer halben Stunde zurückgezogen, wofür ihr Annette Falken sehr dankbar war, weil sie ahnte, dass Christian in ihrer Nähe sehr viel befangener gewesen wäre, als mit ihr, unter vier Augen.

Christians Tante wirkte etwas verblüfft, als Christian davon erzählte, mit wem sein Vater im Moment eine neue Beziehung führte. Behutsam erkundigte sie sich, was Christian davon hielt.

Der Junge nippte von seinem Bitter-Lemon. Seine Tante hatte ihm ein Glas des Weins angeboten, dem sie selbst gelegentlich, so wie an diesem Abend, zusprach. Doch Christian hatte dankend abgelehnt, was sie positiv vermerkt hatte. Nachdenklich erklärte er schließlich: „Als ich herausfand, dass Paps mit Tante Christina zusammen ist, da war ich etwas befremdet darüber, und ich war froh, dass ich Alicia dabei hatte. Sie hat versucht mir aufzuzeigen wie die letzten Monate zuvor für meinen Vater gewesen sein mussten. Ich glaube, dass ich ohne sie viel emotionaler und unverständiger reagiert hätte.“

„Alicia bedeutet dir offensichtlich sehr viel, mein Junge.“

Christian beugte sich auf der Couch etwas vor und blickte seine Tante, über den Glastisch hinweg, ernst an.

„Ja, das stimmt.“ Er verschwieg den momentanen Zwist, um keine Konfusion zu stiften. „Sie steht meinem Herzen sehr nahe, Tante Annette. Gerade jetzt merke ich das deutlich.“

Der Blick der Frau wurde etwas prüfender. „Hast du deshalb beschlossen, in Amerika zu bleiben?“

Christian wich ihrem Blick nicht aus.

„Nein, diese Entscheidung hätte ich auch ohne Alicia getroffen, wenn auch schwereren Herzens. Ich habe es Daheim, in Deutschland, bereits vorher kaum noch ausgehalten, nach Mamas Beerdigung. Doch erst, als ich eine Weile in Smallville war, habe ich das richtig gemerkt. Ich habe bereits einige Male mit Tante Mary und Onkel Jason darüber gesprochen, und ich bin froh, dass mich beide in meiner Entscheidung nicht beeinflusst haben, wohl aber mich bestärkt haben, selbst zu entscheiden. Sie sind beide ganz tolle Menschen.“

„So...“

Annette Falken trank einen Schluck von ihrem Wein und Christian beeilte sich, ihr zu versichern. „Das gilt auch für dich, Tante Annette. Ich gebe ja zu, dass ich zuerst einen Bogen um Metropolis gemacht habe, und nicht hier bei dir wohnen wollte. Einerseits hatte ich dich etwas anders in Erinnerung, als du bist. Andererseits wollte ich nicht von einem Riesenhaus in ein anderes ziehen, das hätte zu viele Erinnerungen wach gehalten. Die Zeit in Smallville hat mir seelisch sehr gut getan. Aber jetzt bedauere ich doch, dass ich nicht bereits eher zu Besuch hergekommen bin. Ich hoffe, du nimmst mir das nicht krumm.“

Die Frau lächelte sanft.

„Nein, das werde ich nicht. Aber sag, was wirst du nach der Highschool machen? Was gedenkst du zu studieren?“

Christian lächelte in Gedanken.

„Paps würde es wohl am liebsten sehen, wenn ich Betriebswirtschaft studieren würde. Aber mittlerweile bin ich zu dem Schluss gelangt, dass das nicht mein Wunsch ist, sondern nur seiner. Ich denke, dass ich Jura studieren werde.“

„Du willst Rechtsverdreher werden?“

„Und wenn es sein muss, auch Linksverdreher“, spöttelte der Junge. „Ganz ehrlich, ich denke es kann nicht schaden, wenn man sich auf diesem Gebiet auskennt, besonders auf dem Gebiet Wirtschaftsrecht, falls man später, irgendwann einmal, eine größere Firma übernimmt. Den Laden selbst soll gefälligst der Geschäftsführer schmeißen.“

Seine Tante begann schallend zu lachen. „Wenn das mal nur so einfach wäre. Ich höre deinen Vater reden, als er noch um einiges jünger war. Der hat früher ganz ähnliche Ansichten vertreten. Wenn du wüsstest, wie ähnlich du ihm in manchen Momenten bist. Nun, es ist deine Entscheidung – und gute, erfolgreiche Anwälte leben ja auch dann ganz ordentlich, wenn sie keinen Trust leiten, wie man hört.“

„Eben“, bekräftigte der Junge. „Apropos Trust: Wie läuft denn deine eigene Firma?“

„Wächst und gedeiht. Aber nur, weil ich die Leitung keinem windigen Geschäftsführer überlasse, sondern mich selbst darum kümmere.“

Ihr Zwinkern sprach eine nur zu deutliche Sprache. Dann fuhr sie fort: „Falken Industries betätigt sich, in den letzten Jahren, verstärkt in der Luft- und Raumfahrt. Wir stellen die entsprechende Elektronik für Avioniken und Steuersysteme her. Das wirft gute Gewinne ab.“

Christian nickte beeindruckt.

„Klingt so, als müsstest du dir keine Sorgen darum machen, das Haus abzuzahlen.“

Seine Tante blickte ihn an, als habe sie in eine Zitrone gebissen, bevor sie süffisant anmerkte: „Das Haus, inklusive Grundstück, gehört längst mir.“ Augenzwinkernd fügte sie dann hinzu: „Ich glaube, du warst schon viel zu lange in Smallville unterwegs.“

Christian beobachtete, wie seine Tante für einen Moment die Augen schloss und sich auf der Ledercouch zurücklehnte. Dann fuhr sie sich über die Augen und war wieder so präsent, wie zuvor.

„Du bist müde?“, fragte Christian.

„Es war ein langer Tag für mich“, erwiderte die Frau. „Wir sollten uns jetzt ebenfalls zurückziehen. Wir frühstücken morgen früh, gegen neun Uhr.“

Sie erhob sich, und Christian tat es ihr nach. Erst jetzt bemerkte er, dass auch seine eigenen Glieder schwer geworden waren. Schnell verabschiedete er sich von seiner Tante und verschwand, die Treppe hinauf.

Zur Überraschung des Jungen erwartete ihn dort Diane, die nun, ganz leger, einen leichten Jogginganzug trug. Einen Blick über die Schulter des Jungen werfend blickte sie ihn schließlich an und meinte flüsternd: „Ihre Tante freut sich über Ihren Besuch, Mister von Falkenhayn. Es tut ihr sehr gut, dass Sie hier sind. Aber vielleicht ist es nicht so gut, wenn Sie sich zu sehr an Miss Falken gewöhnen, Sir.“

„Bitte nennen Sie mich Chris. Und dann erklären Sie mir bitte, wie sie Ihre letzten Worte gemeint haben.“

Die sportliche Frau blickte den Jungen eindringlich an. Sie rang einen Moment lang mit sich, bevor sie erklärte: „Ihre Tante ist unheilbar krank, Chris. Deshalb haben Sie vermutlich auch eine gewisse Veränderung an ihr festgestellt. Eine sehr positive, wie ich betonen möchte. Sie hat nicht mehr sehr lange, sollten Sie wissen – vielleicht noch fünf Monate, bestenfalls sechs.“

Erschrecken lag im Blick des Jungen.

„Aber das ist...“

„Bitte zeigen Sie ihrer Tante nicht, dass Sie es wissen. Ich denke nicht, dass sie es Ihnen erzählen wird, aber ich finde, Sie, als ihr Verwandter, haben das Recht, es zu wissen, damit sie Ihre Tante vorher vielleicht noch das ein oder andere Mal sehen können, bevor es zu spät ist, und Sie sich eventuell Vorwürfe machen müssen. Wissen Sie, seit Sie in Amerika sind hat sie immer wieder von Ihnen gesprochen – davon, dass Sie sie besuchen werden, und nun, da sie hier sind, und ich erlebt habe, wie glücklich Miss Falken darüber war, Sie endlich zu sehen, da möchte ich einfach, dass Sie sie vielleicht noch ein paar mal besuchen kommen, damit Sie ihre Tante etwas besser kennenlernen können, und sich später daran erinnern, wie sie im Leben wirklich gewesen ist.“

Tränen standen in den Augen der Frau und auch Christian spürte einen imaginären Kloß im Hals. Erst nach einem langen Moment war er in der Lage etwas zu erwidern. „Ich bin froh darüber, dass Sie für sie da waren und für sie da sind, Diane.“

Die Frau nickte. „Ihre Tante war gleichfalls auch für mich da und sie steht mir näher, als die meisten Verwandten, die ich noch habe.“

Christian blickte die Frau an, bevor er schließlich leise sagte: „Ich danke Ihnen für ihr Vertrauen, Diane. Gute Nacht.“

„Gute Nacht, Chris.“

Der Junge blickte der schwarzhaarigen Frau sinnend nach, bevor er sich etwas von dem Druck, den er im Magen verspürte lösen konnte und auf sein Zimmer ging. Er zog sich, bis auf die Unterhose aus, schnappte sich seine Hygiene-Artikel und schlüpfte anschließend schnell ins Gästebad, um zu duschen und seine Abendtoilette zu erledigen.

Als er später im breiten Bett des Gästezimmers lag, da wirbelten seine Gedanken durcheinander und das was er alles an diesem ereignisreichen Tag erlebt hatte bildete in seinen Gedanken ein buntes Kaleidoskop von Bildern und Emotionen. Bevor er einschlief hörte er noch die Stimme von Lois, die ihm ins Gewissen redete, in Bezug auf Alicia, und leise murmelte er schläfrig: „Du hast recht, Lois.“

Im nächsten Moment zeugten seine regelmäßigen Atemzüge davon, dass er sich im Reich der Träume befand.

 
 

* * *

 

Christian hatte sich fest vorgenommen, bis zum Mittwoch bei Annette Falken auszuhalten, doch bereits am Montagabend spürte er ein drängendes Verlangen danach, endlich wieder nach Smallville aufzubrechen und mit Alicia zu reden.

Seine Tante hatte ihn, am Vormittag mit in den Hauptsitz ihrer Firma genommen und ihn dort herumgeführt. Zu Mittag hatte sie in ein exquisites Restaurant in Metropolis eingeladen, in dem er sich etwas deplatziert gefühlt hatte, aber seiner Tante zuliebe hatte er versucht, sich davon nichts anmerken zu lassen.

Als sie Abends, wie an den vorangegangenen Abenden im Wohnraum bei einander saßen, da blickte Annette Falken den Jungen, beinahe amüsiert an und sie fragte leise: „Es zieht dich zurück nach Smallville, scheint mir?“

Der Junge nickte verlegen, bevor er zugab: „Ja. Als ich von dort aufbrach, da hatte ich am selben Morgen eine Meinungsverschiedenheit mit...“

„Mit dem Farmer-Mädchen.“

„Mit Alicia“, verbesserte der Junge seufzend. „Ich werde sie bei meinem nächsten Besuch mitbringen, damit du sie kennenlernst und sie nicht länger immer nur das Farmer-Mädchen nennst.“

Zu Christians Überraschung meinte seine Tante zustimmend: „Das ist eine hervorragende Idee von dir. Ich bin nämlich wirklich gespannt darauf, was das für ein Mädchen ist, das dir so den Kopf verdreht hat, dass du es keine drei Tage ohne sie aushältst.“

Etwas überrumpelt erwiderte der Junge zögerlich: „Okay. Sagen wir, in zwei Wochen? Oder ist das zu knapp, um dich darauf einzurichten?“

Das Gesicht seiner Tante leuchtete förmlich auf. Lächelnd versicherte sie: „In zwei Wochen klingt sehr gut, Christian. Ich freue mich bereits jetzt darauf. Frühstücken wir morgen noch mit einander?“

Christian nickte zustimmend. „Sehr gerne, Tante Annette. Wäre auch Blödsinn, die Rückfahrt mit leerem Magen anzutreten, und ohne eine halbe Kanne Kaffee intus. Ich denke, es ist ohnehin besser, erst am Nachmittag zu fahren“

„Dann nehme ich mir den Vormittag frei. Über deinen Kaffeekonsum sollten wir aber mal reden“, schmunzelte die Frau mahnend und zwinkerte Christian dabei zu.

Der zwinkerte zurück und meinte: „Andere Leute rauchen oder trinken Alkohol, in rauen Mengen – ich trinke Kaffee. Das ist das kleinste dieser drei Übel, finde ich.“

„Solange die beiden anderen Dinge nicht noch dazu kommen, soll es mir Recht sein.“

Sie redeten noch, bis weit nach Mitternacht, bevor sie sich schließlich zurückzogen, und Christian dachte mit gespannter Vorfreude an den nächsten Tag, als er schließlich im Bett lag. Er würde Alicia wiedersehen und hoffte, all das klären zu können, was momentan zwischen ihnen stand.

Der Motorrad-Club

Nach dem gemeinsamen Frühstück und dem späten Mittagessen, mit Tante Annette, brachte Christian am Nachmittag seine Sachen zum Pickup, wobei ihn seine Tante begleitete. Sie verabschiedeten sich herzlich von einander, und Christian versprach sich zu den Wochenenden hin gelegentlich auch telefonisch bei ihr zu melden damit sie mit einander reden konnten. Von Diane hatte er sich bereits im Haus verabschiedet und sie hatte ihm dabei dankbar zugelächelt.

Christian hupte zweimal, als er durch das Tor des Anwesens auf die Straße fuhr und atmete dabei, etwas ergriffen von dem herzlichen Abschied, mehrmals tief durch.

Während er zur Stadt hinaus fuhr, schaltete er die Stereoanlage des Wagens ein und fuhr, unter Begleitung von Metallica, gut gelaunt in Richtung Granville, das auf dem direkten Weg in Richtung Smallville lag. Dabei fiel sein Blick zwischenzeitlich auf die Tankanzeige, und er stellte fest, dass er unterwegs würde anhalten müssen um aufzutanken. Er erinnerte sich daran, auf der Hinfahrt zwischen Granville und Metropolis eine Tankstelle, nebst Imbiss, gesehen zu haben, und er beschloss dort seinen Zwischenstopp einzulegen.

Nach einer knappen Stunde Fahrt erkannte Christian von Weitem die Tankstelle und machte sich bereit den Blinker zu setzen und den Wagen zu verzögern. Wenig später erreichte er die Abfahrt und er lenkte den Pickup von der Landstraße herunter.

Nachdem Christian den Pickup aufgetankt und die Rechnung bezahlt hatte, lenkte er den Wagen gemächlich auf den Parkplatz der etwas zurückgesetzt liegenden Raststätte. Gerade als er ausgestiegen war und den Wagen abgeschlossen hatte, erblickte er drei Biker, die den Sanitärbereich, neben dem Imbiss, verließen. Erst beim zweiten Hinsehen erkannte Christian, dass zwei von ihnen, die einen südländischen Eindruck machten, den Dritten, einen schlanken, blonden Mann, zwischen sich genommen hatten und ihm offensichtlich zusetzten. Zu seinem Entsetzen erkannte der Junge, dass einer von den beiden Latinos eine lange Klinge in seiner Rechten hielt und sie gegen den Blonden richtete.

Sich hastig umschauend erkannte Christian, dass er der Einzige war, der hier helfen konnte, und er zögerte nicht länger. Hastig rannte er zu den drei Bikern und schrie laut auf sie ein, um den Bewaffneten zu verwirren und etwas Zeit zu gewinnen. Das Vorhaben gelang denn der Bewaffnete hielt lange genug in seinem Vorhaben inne damit Christian dazwischen gehen konnte. Er versetzte dem Latino mit dem Messer einen Handkantenschlag gegen die Stirn, der ihn zurückwarf, während der den zweiten mit einem Tritt in die Kniekehle zu Fall brachte.

Der Blonde wirkte nur für einen kurzen Moment überrascht. Dann hatte er erkannt, dass Christian ihm helfen wollte und übernahm es, einen der Biker, die ihn unverhofft überfallen hatten, niederzuschlagen, während Christian den zweiten unschädlich machte.

Im Anschluss wollte sich Christian dem Blonden vorstellen, doch der drängte heftig: „Nicht jetzt, Mann. Wir müssen weg von hier, und meine Maschine hat einen Defekt. Kannst du mir helfen, sie auf denen Pickup zu hieven?

Christian stellte alle Fragen zurück bei dem drängenden Tonfall des Blonden, und nickte nur.

Während er die Ladeklappe des Pickups öffnete hatte der Unbekannte seine Maschine herangeschoben, und gemeinsam gelang ihnen der Kraftakt, sie auf die Ladefläche zu bugsieren, wobei Christian telekinetisch etwas nachhalf. Noch während sie die Klappe wieder schlossen gaben die beiden Latinos die ersten undefinierbaren Töne von sich, die davon zeugten, dass sie bald wieder zu sich kommen würden.

„Los, fahren wir!“, drängte der blonde Biker, und Christian stieg ein. Sich zur Seite beugend öffnete er die Beifahrertür und ließ den Wagen an, während der Fremde, dessen Maschine auf der Ladefläche seines Pickups lag, zu ihm einstieg und hastig die Tür schloss.

Christian wendete schnell den Wagen und einen Moment später lenkte er ihn bereits auf die Straße und beschleunigte. Noch immer etwas benommen von dem was er eben erlebt hatte, fragte er seinen unverhofften Beifahrer: „Wo willst du eigentlich hin?“

„Die Richtung stimmt, ich war auf dem Weg nach Granville, zu einem Chapter unseres Motorrad-Clubs. Unterwegs gab meine Maschine den Geist auf, und zufällig waren diese beiden Typen, eines rivalisierenden Clubs, vor Ort.“

Christian gab ein Schnauben von sich. „Und da ist es völlig normal, sich dann sofort die Kehle durchschneiden zu wollen? Werden die uns verfolgen?“

Sein Begleiter verdrehte die Augen. „Nicht, wenn du auf die Tube drückst. Aber sag mal, von woher kommst du denn – du weißt ja nichts über Motorrad-Clubs?“

„Aus Smallville. Aufgewachsen bin ich allerdings in Deutschland.“

„Au, Mann!“, stöhnte der blonde Biker. „Das hat mir gerade noch gefehlt – einer aus der Herrenrasse.“

Verdutzt blickte Christian den Fremden von der Seite an und erwiderte säuerlich: „Wenn das dein Dank dafür ist, dass ich dir eben erst den Hintern gerettet habe, dann hast du eine verdammt komische Art an dir.“

Er blickte wieder auf die Straße und bekam nicht mit, dass sein Beifahrer ihn nun eingehender musterte. Der antwortete nach einem Moment: „Du hast Recht, du hast mir den Arsch gerettet. Wie hast du das eigentlich gemacht, es sah ziemlich gekonnt aus, wie du die beiden Vögel niedergestreckt hast.“

Ohne zur Seite zu blicken erwiderte Christian: „Ich beherrsche Muay Thai, sowohl die waffenlose Variante, als auch die mit Klingen. Und nur zu deiner Information: Meine Freundin ist Schwarze, so viel zum Thema Herrenrasse.“

Der Fremde seufzte schwach. „Okay, ich habe es verstanden. Vielleicht sollten wir einen neuen Anlauf nehmen, und uns vorstellen. Ich bin Jackson Teller, aber alle Leute, die mich kennen, nennen mich einfach Jax.“

Kurz zur Seite blickend erwiderte der Junge: „Mein Name ist Christian Falkenhayn, aber hier in Amerika nennen mich alle Leute einfach Chris. Du hast übrigens Glück, dass ich mit dem Pickup unterwegs bin, denn ursprünglich wollte ich mit meinem Bike nach Metropolis fahren.“

Der Junge hielt es nicht für ratsam seinen Adelstitel durch das von im Namen zu verraten, darum ließ er dieses Detail unter den Tisch fallen. Noch wusste er ja nicht, wie sein Begleiter wirklich war.

Erwachendes Interesse spiegelte sich in den blauen Augen seines Beifahrers, als er fragte: „Du fährst also auch Motorrad. In irgend einem Club?“

„Nein, bloß so. Ist auch nur eine schwachbrüstige Nähmaschine, die ich fahre, keine Harley, oder so etwas.“ Er warf einen schnellen Blick auf die Lederkutte seines Begleiters und erkundigte sich neugierig: „Wie nennt sich dein Club?“

Jackson musterte den Jungen erneut, bevor er sagte: „SONS OF ANARCHY. Ich bin der Vize-Präsident des Clubs.“

„Ist das erste Mal, dass ich einen Präsidenten rette“, spöttelte Christian und sein Begleiter begann schallend zu lachen.

Als er sich wieder beruhigte, erwiderte er: „Du hast Humor, Mann. Macht es dir etwas aus, mich bis zum Clubhaus des Chapters zu fahren, zu dem ich unterwegs war? Liegt aber ein ganzes Stück außerhalb von Granville, wäre also ein ziemlicher Umweg.“

Christian überlegte kurz und entschied dann: „Kein Problem, Jax.“

Eine Weile blieb es still zwischen ihnen, bevor Jackson schließlich meinte: „Hey, was hältst du davon, heute im Clubhaus zu übernachten? Ist bestimmt schon dunkel, bevor du von dort wieder wegkommen würdest. Wenn ich dem Präsidenten des Chapters einen entsprechenden Vorschlag mache, geht das klar.“

Diesmal dauerte es etwas länger, bevor Christian antwortete. Einerseits wollte er wieder nach Smallville. Andererseits behagte es ihm nicht sonderlich, eine Strecke, die er nur einmal gefahren war, im Dunkeln zu fahren. Endlich erwiderte er zögerlich: „Wenn´s keine Umstände macht, dann nehme ich an.“

„Das wollte ich hören.“ Jackson nickte zufrieden. Dann meinte er: „Du fährst da ein schickes Teil, mein Lieber. Der Wagen deiner Eltern nehme ich an?“

„Nein, der Pickup gehört mir.“

„Also nicht nur Herrenrasse, sondern auch Kapitalist“, spottete Jackson mit gutmütigem Grinsen.

„Nur ein Bisschen“, wiegelte Christian schnell ab und wechselte das Thema indem er erklärte: „Du musst mir rechtzeitig sagen, wenn wir die Straße verlassen müssen, okay. Das war nämlich mein erster Trip nach Metropolis und ich kenne mich in dieser Gegend genau Null aus, wenn du verstehst, was ich meine.“

Jackson nickte.

„Alles klar.“ Er ließ einige Augenblicke verstreichen, bevor er ernst wurde seine Hand auf Christians Oberarm legte und etwas verlegen wirkend sagte: „Hey, danke Mann. Ohne dich hätte die Geschichte an der Tankstelle ziemlich übel enden können.“

Christian spürte, dass Jackson ihm nicht erzählen würde, was die Typen von ihm gewollt hatten, darum verkniff er sich die Frage. Stattdessen beobachtete er aus den Augenwinkeln, wie der Blonde sein Messer, das er an der rechten Seite seines Gürtels trug, etwas zurecht rückte und meinte forschend: „Ein Kampfmesser der US Marines?“

Etwas verwundert blickte Jackson den Jungen an. „Ja, von meinem Vater. Ein Erbstück. Aber woher weißt du das?“

Da ich beim Muay Thai in der bewaffneten Variante auch mit Klingen umgehe interessiere ich mich seit Jahren dafür. Ich habe schon mal eins gesehen.“

„Verstehe. Und was hat dich von Deutschland nach Smallville verschlagen?“

Christian zögerte einen kurzen Moment, bevor er antwortete: „Der plötzliche Tod meiner Mutter. Danach habe ich es in Deutschland nicht mehr ausgehalten, und ich bin zu meinen Verwandten gezogen.“

Das entsprach weitgehend der Wahrheit.

Jackson nickte verstehend und meinte rau: „Tut mir leid, Mann. Ich habe meinen Vater verloren, als ich fünfzehn war. Ich kann mir also vorstellen, was für eine Scheiße man da mitmacht.“

Eine Weile herrschte wieder Schweigen, bevor Jackson fragte: „Kannst du auch schießen, mein Freund?“

„Nein. Selbst wenn bei uns die Waffengesetze so locker wären, wie hier in Amerika, hätte meine Mom vermutlich ziemlich viel dagegen gehabt. Sie war Krankenschwester, und hat mir eher das Verbinden von Wunden und ziemlich viel über Erste Hilfe beigebracht.“

„Auch nicht schlecht“, grinste Jackson. Er bemerkte die gelegentlichen Seitenblicke seines Fahrers zu seiner Kutte und schließlich erkundigte er sich bei Christian: „Was hast du noch auf dem Herzen?“

Christian fühlte sich ertappt und meinte verlegen: „Ich will dir keine Löcher in den Bauch fragen, aber ich habe überlegt, was dieses SAMCRO auf deiner Kutte bedeutet. Ist das eine Ortschaft?“

Jackson lachte trocken.

„Nein, das ist einfach die Abkürzung für SONS of ANARCHY MOTORCYCLE CLUB REDMOND ORIGINAL. Ich komme aus einem kleinen kalifornischen Nest, namens Charming.“

Christian blickte kurz zur Seite.

„Nie gehört.“

„Hätte mich auch gewundert – im Vergleich mit Charming ist Smallville noch ´ne Riesenstadt. Dafür aber sehr malerisch.“

Seine letzten Worte begleitete Jackson mit einem belustigten Augenzwinkern.

Christian spürte, dass ihm dieser fremde Biker irgendwie sympathisch war, obwohl er ihn so gut wie gar nicht kannte, und die Tatsache dass er mit einem Kampfmesser bewaffnet war nicht sonderlich gefiel. Dennoch erkannte er in Jackson Tellers tief-blauen Augen, dass er im Kern seines Wesens wusste, was Menschlichkeit bedeutete. Vielleicht hatten ihn nur besondere Umstände so werden lassen, wie er war, und der Deutsche hütete sich davor irgendein Urteil darüber zu fällen.

„Vielleicht mache ich dort mal Urlaub“, flachste Christian.

„Ja, klar“, grinste Jax. „Falls du aber wirklich mal dort durchreisen solltest, dann frag einfach nach der Teller-Morrow-Autowerkstadt, auf dem Gelände der Firma liegt gleichzeitig das Clubhaus der SONS. Du kannst gerne auch deine Freundin mitbringen.“

Christians Blick wirkte äußerst vielsagend, und sichtlich amüsiert fügte Jackson seinen vorangegangenen Worten hinzu: „Oder auch nicht.“

 
 

* * *

 

Sie erreichten das Clubhaus tatsächlich erst, als die Dämmerung bereits eingesetzt hatte. Als Christian den Pickup zu einer Stelle auf einem ummauerten Parkplatzgelände gefahren, und den Motor des Wagens abgestellt hatte, legte Jackson seine Hand auf den Unterarm des Deutschen und, auf das Clubhaus deutend, erklärte: „Es gibt da einige Dinge, über die wir reden sollten, bevor wir da reingehen, okay? Es könnte nämlich sein, dass dir einige unserer Gewohnheiten befremdlich vorkommen, oder du vielleicht sogar die Nase darüber rümpfen würdest. Aber tu das nicht, denn es wäre nicht nur unhöflich und respektlos von dir, sondern es würde auch auf mich zurückfallen, weil ich es bin der dich mitbringt.“

Christian nickte, plötzlich sehr aufmerksam, und Jackson fuhr fort.

„Also, die meisten der Brüder mögen es nicht wenn ihnen Jemand zu viele Fragen stellt, also halte dich damit etwas zurück wenn du dich unterhältst. Ansonsten sei ganz du selbst und versuche nicht diese Typen zu beeindrucken denn das wirst du, als Außenstehender, nicht schaffen. Vermutlich wird man dir dort drinnen etwas zu trinken anbieten. Versprich mir, dass du nicht nach einem Glas Milch fragst. Niemand erwartet von dir, dass du dich auf ein wildes Saufgelage einlässt, aber es ist unhöflich, ein kühles Bier abzulehnen, klar? Und es ist ebenso unhöflich, es bei einem zu belassen. Wenn du also, ganz in Ruhe und ohne Hektik, zwei Gläser mit trinkst dann wird das akzeptiert und Niemand wird dir ein drittes Glas aufdrängen, außer du fragst danach. Und diese zwei Bier werden dich nicht umhauen, wenn du sie nicht in einem Zug hinunterstürzt. Ach ja, eins noch: In dem Club treiben sich eine Menge Tussies herum. Sei freundlich, flirte mit ihnen, aber sei nicht aufdringlich, klar soweit?“

„Vollkommen klar. Aber ich sagte dir ja schon, dass ich eine Freundin...“

„Hey, das bindest du den Ladys aber nicht auf die Nase, denn die stehen nicht darauf, wenn ihnen ein Typ von einer Anderen etwas vorschwärmt. Niemand erwartet von dir, dass du dich auf eine wilde Orgie mit einer oder mit mehreren von denen einlässt. Aber deine Freundin ist nicht hier, also sei locker. Ein harmloser Flirt hat noch keinem geschadet.“

Christian blickte Jackson fragend an.

„Sonst noch was, oder war es das jetzt?“

„Das war´s, Mann.“

Jackson grinste amüsiert. „Hey, bleib einfach cool und halte dich an mich, okay? Und jetzt werden wir erst einmal meine Maschine von deinem Wagen holen.“

Sie stiegen aus, luden das Motorrad von der Ladefläche des Pickups und begaben sich dann gemeinsam zum Eingang des Clubhauses.

Schon von Draußen bekam Christian mit, dass es dort drinnen hoch her gehen musste. Laute Rockmusik, wildes Gelächter, durchdrungen von tiefen, rauen Stimmen und etwas helleren, weiblicheren Klängen, drangen an seine Ohren. Vor der Tür lungerten mehrere Prospects herum und blickten zu ihnen herüber. Anscheinend kannten sie Jackson, überlegte Christian, denn sie störten sich nicht an seinem Hiersein, in dessen Begleitung. Sie grüßten Jackson und traten respektvoll zur Seite, als sie die Holztreppe zum Eingang hinauf schritten, wobei sie Christian etwas eingehender musterten, jedoch keine Fragen stellten.

Bevor Jackson einen Flügel der Doppeltür öffnete, raunte er Christian zu: „Überlasse das Reden zunächst mir, klar? Du merkst schon, wenn man sich an deine Person richtet, und dann gib dich ganz ungezwungen.“

Christian nickte stumm, und mit einem schnellen, aufmunternden Blick öffnete Jackson die Tür für sie beide.

Der Trubel, der im Clubhaus herrschte, war mit nichts zu vergleichen, was Christian jemals erlebt hatte. Mehr als ein Dutzend Biker in jeder Altersgruppe waren anwesend, unterhielten sich lautstark, tranken, rauchten, oder hielten eine der anwesenden Frauen in ihren Armen und knutschten heftig mit ihnen herum. Einige von ihnen taten dies scheinbar alles gleichzeitig. Dabei realisierte Christian, dass die meisten der Mädchen ziemlich spärlich bekleidet waren – der Großteil von ihnen bevorzugten Miniröcke, oder Hotpants, zu denen sie dünne, zumeist bauchfreie, Träger-Topps trugen. Die meisten der jüngeren Mädchen verzichteten dabei offensichtlich auf einen BH. Mit Schamgefühlen hatten sie ganz bestimmt nicht zu kämpfen, so viel stand für Christian nach dem ersten Rundblick fest. Was er außerdem bemerkte war, dass die meisten der anwesenden Girls wirklich sehr hübsch aussahen, und der Junge fragte sich insgeheim, womit sie ihr Geld verdienten. An diesem Punkt seiner Überlegungen erinnerte er sich wieder an Jacksons eindringliche Worte von eben, und er schob diese Überlegungen zur Seite.

Wie in einer Bar gab es hier einen richtigen Tresen mit Zapfanlage, hinter dem einige junge Männer – Christian erkannte an ihren Patches auf der Brust, dass es sich dabei um Prospects handelte – damit beschäftigt waren, Bier zu zapfen, oder ganz allgemein dafür zu sorgen, dass der Alkohol ohne nennenswerte Verzögerungen floss.

Im Hintergrund, durch einen kurzen Gang hindurch, erkannte er eine altes Motorrad, das offensichtlich gehegt und gepflegt wurde, denn der Lack und die Chromteile wirkten auf ihn so, als wäre die Maschine erst letzte Woche vom Band gelaufen. Davor stand ein Poolbillard-Tisch, an dem zwei Biker und ihre Mädchen versuchten ungestört eine Partie zu spielen, was in dem Trubel, der um sie herum herrschte, leichter gesagt war, als getan.

An einer der Wände erkannte Christian das Symbol wiederum dass auch Jackson und viele der übrigen Anwesenden, als Patch auf ihrer Kutte trugen – einen Sensenmann, mit einer zur Sense umfunktionierten Kalaschnikow AK-47 in der einen, und einer Kristallkugel mit einem A, für Anarchie, in der anderen Hand.

Jackson zog Christian mit sich zur Bar, wo ein etwas älterer Mann auf ihn aufmerksam wurde und ihm lachend entgegen schritt. Zunächst nur einen kurzen Seitenblick auf Christian werfend, umarmte er Jackson brüderlich und rief mit tragender Stimme, in den weitläufigen Raum hinein: „Hey, alles mal her herhören und hersehen! Wir haben heute Abend MC-Hochadel in unserem Haus – den VP des Gründungs-Chapters.“ Er blickte Christian nun voll an und fragte Jackson. „Wer ist dein Begleiter, Jax?“

„Das ist Chris“, erklärte Jackson schlicht. Er hat mir unterwegs den Arsch gerettet, als ich auf dem Weg hierher unverhofft Stress mit zwei MAYANS bekam. Außerdem war er so freundlich, mich und meine Maschine herzubringen, nachdem die den Geist aufgegeben hat.“ Er wandte sich schnell Christian zu und fügte hinzu: „Chris, das ist Jefferson – der Präsident des Kansas-Chapters.“

„Na dann willkommen bei uns, Chris!“, erklärte der wuchtig gebaute Hüne neben Jackson und schlug ihm so herzhaft auf die Schulter, dass er einen kleinen Schritt nach vorne machten musste, um sich abzufangen. Etwas verblüfft nickte er Jefferson zu wobei er bei sich dachte, dass selbst er sich mit diesem Kraftpaket nicht gerne anlegen würde.

Der Mittvierziger grinste beinahe verschmitzt und meinte dann: „Kommt mit, auf den Schreck könnt ihr zwei ganz bestimmt ein Bier vertragen.“

Christian war in diesem Moment froh, dass Jackson ihm zuvor erklärt hatte, wie er sich zu verhalten hatte, denn er hätte ansonsten ganz bestimmt dankend abgelehnt. So wechselte er lediglich einen kurzen Blick mit Jackson und folgte ihm und dem Präsidenten zum Bartresen hinüber.

Die übrigen Biker, die diese Begrüßung registriert hatten, kümmerten sich nicht weiter um ihn. Jackson hatte ihn mitgebracht, und offensichtlich war er ein Freund, da sich der Präsident ihm gegenüber sonst anders verhalten hätte. Für die Biker war der Fall damit erledigt und nur gelegentlich warf man ihm einen neugierigen Blick zu, während er, von einem der Prospects, ein großes Glas Bier zu geschoben bekam und gleich darauf mit Jackson und Jefferson anstieß.

Das Bier war kühl und es schmeckte gar nicht schlecht, deshalb nahm er einen etwas größeren Schluck, was Jackson mit einem unmerklichen Nicken quittierte. Danach wollte Jefferson ganz ausführlich wissen, wie die Begegnung zwischen ihm und Jackson verlaufen war, und Jefferson nickte Jax zufrieden zu, als er merkte, dass Christian bei der Schilderung nicht auf den Putz haute, sondern sachlich den Verlauf wiedergab.

„Du kommst also aus Deutschland“, meinte Jefferson danach feststellend. „Ich war während meiner Militärzeit dort stationiert, genauer gesagt, in Rammstein.“

„Im NATO-Hauptquartier?“

„Ganz genau. Ich sehe, du kennst dich etwas aus. War eine tolle Zeit dort. Was hat dich denn hierher nach Amerika verschlagen?“

Christian erzählte, weshalb er zu seinen Verwandten, nach Smallville gezogen war, ohne jedoch zu erwähnen, wie seine Mutter gestorben war, und was dahinter steckte.

Der Hüne blickte Christian mitfühlend an und erklärte: „Tut mir leid, Mann, das ist eine üble Sache. Ist vielleicht ganz gut, dass du nun mal etwas anderes siehst.“

Christian, der gar nicht gemerkt hatte, dass er nun schon fast eine Stunde lang hier mit Jefferson und Jackson am Tresen stand, trank den Rest seines Bieres aus und nickte.

„Ja, es hat mir geholfen, damit fertig zu werden.“

Christian stand noch etwas unter dem Eindruck, den Jefferson, und im Verlauf der letzten Stunden, auch Jackson auf ihn gemacht hatte. Er hatte sich zuvor einen Biker immer etwas anders vorgestellt, mit solchen, im Grunde ihres Wesens sehr offenen und geradezu mitfühlenden Menschen hatte er dabei nicht gerechnet.

Jefferson deutete auf das leere Glas. „Noch eins?“

Christian nickte. „Sehr gerne.“

Nachdem sie ein zweites Mal mit einander angestoßen hatten, blickte Jefferson zu zwei Mädchen hinüber, die ohne männliche Begleitung waren, und winkte sie zu sich heran. Dabei erklärte er grinsend: „Ich habe meiner Old-Lady versprochen, mich heute etwas intensiver um sie zu kümmern – und deshalb werden sich jetzt diese beiden Schönheiten etwas um euch beide kümmern.“

Damit entfernte er sich, wobei er den beiden Mädchen einschärfte: „Ihr leistet Jackson und Chris Gesellschaft – und dass mir keine Klagen kommen, habt ihr gehört?“

Beide Mädchen nickte lächelnd und begaben sich hinüber zu den Jungs, wobei sie sich mit Blicken zu verstehen gaben, wer sich um wen kümmert.

Christian beobachtete, wie sich die etwas ältere, Schwarzhaarige, zu Jackson gesellte, und spielerisch mit ihren Fingern über dessen Nacken streichelte, während das jüngere, blonde Mädchen direkt auf ihn zuhielt und sich zu ihm an die Bar gesellte. Er sah noch, wie Jackson ihm amüsiert zuzwinkerte, bevor seine Aufmerksamkeit sich der Blondine zuwandte, die er auf etwas älter schätzte, als er selbst war und die ihn mit ihren großen, braunen Augen leicht fragend ansah. „Hi, ich bin May, und du bist...?“

„Chris“, antwortete der Blonde, etwas verlegen. Er nahm, fast automatisch, einen Schluck von seinem Bier und fragte dann: „May, von...?“

Das Gesicht der Blondine verschloss sich. „Einfach May. Aus, verdammt.“

Christian, der allmählich spürte, wie das Bier seine Wirkung tat, war zu etwas Ironie aufgelegt und er erwiderte freundlich: „Schön dich kennenzulernen, May-Aus-Verdammt.“ Schnell fügte er hinzu, bevor das Mädchen sauer werden konnte: „Hey, ist schon okay – das war nur ein kleiner Scherz, May. War nicht böse gemeint.“

Das Mädchen nahm den Faden auf und fragte nun ihrerseits: „Und der Name Chris kommt von...?“

„Christian. Aber so nennt mich kein Mensch mehr, seit ich von Deutschland nach Amerika gezogen bin.“

May blickte mit einem mal interessiert, und innerlich seufzend erzählte Christian, zum zweiten Mal an diesem Abend die Geschichte, was ihn hergeführt hatte.

Dabei nahm er sich die Zeit, May eingehender zu mustern.

Sie war ziemlich hochgewachsen, selbst ohne die hochhackigen, roten Schuhe erreichte sie sicherlich fast 1,80 Meter. Ihr gelocktes, goldblondes Haar reichte ihr bis in den Nacken. Die schwarzen, halterlosen Nylonstrümpfe unterstrichen die makellosen Proportionen ihrer schlanken Beine, ebenso, wie der knapp sitzende, knallrote Ledermini und das schwarze Bustier, welches wenig dazu angetan war, ihre schwellende Oberweite im Zaum zu halten. Es überraschte Christian etwas festzustellen, dass er sich durchaus in May hätte verlieben können, wäre er nicht bereits aufrichtig in Alicia verliebt gewesen.

Das Mädchen spürte die leichte Melancholie, die den Jungen erfasst hatte, und mitfühlend legte es ihre Hand auf seinen Unterarm. „Das mit deiner Mutter tut mir leid, Chris. Ich habe meine Mom verloren, als ich dreizehn Jahre alt war. Mein Vater hat danach nur noch gesoffen. Als er schließlich anfing, mich zu schlagen, da bin ich von Zuhause weggelaufen. Eine Zeitlang habe ich danach auf der Straße gelebt, bevor mich einer der SONS aufgelesen hat. Er hat sich um mich gekümmert, ohne dafür etwas von mir zu erwarten, wenn du verstehst, was ich meine. Seitdem treibe ich mich beim Club herum.“

Christian war in diesem Moment froh darum, in einem behüteten Elternhaus aufgewachsen zu sein, und solche Zustände, wie sie May erwähnt hatte, nur vom Hörensagen zu kennen. Für eine Weile wusste er nicht recht, was er darauf sagen sollte, bevor er endlich fragte: „Hast du die Schule geschmissen?“

May schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe die Highschool sogar mit ganz guten Noten abgeschlossen. Bevor das mit meiner Mom passierte, da hatte ich vor, später einmal Jura zu studieren und Staatsanwältin zu werden.“

„Und warum tust du es nicht?“

„Du kannst vielleicht naive Fragen stellen. Woher soll ich denn das Geld nehmen, um das Studium zu bezahlen? Die Jungs hier im Club sind voll in Ordnung, aber mein Studium zu finanzieren, da würde im Traum keiner drauf kommen.“

Christian ließ nicht so schnell locker. Außerdem wurmte es ihn, dass May ihn als naiv bezeichnet hatte. „Was ist denn mit einem Stipendium?“

Das Mädchen seufzte.

„So gut sind meine Noten dann auch wieder nicht gewesen. Außerdem gibt es da immer ein paar Krawattenträger, die ihre eigenen Ansichten haben, wenn sie hören, dass man aus einem zerrütteten Elternhaus kommt.“

Christian war nicht bereit so schnell aufzustecken und deshalb meinte er überzeugend: „Möglicherweise könnte ich da etwas einfädeln, wenn du ernsthaft Interesse hast.“

Etwas ungläubig erwiderte das Mädchen: „Wie willst du das denn anstellen, bist du der Sohn von Rockefeller, oder was?“

Christian war drauf und dran nachzulegen, doch May kam ihm zuvor indem sie schneidend erklärte: „Ich will nicht mehr davon reden, okay?“

Etwas verdrossen nickte der Junge und sagte: „Ganz wie du willst, May.“

„Hey, bestellst du uns ein Bier?“

Christian nahm diesen Themenwechsel zur Kenntnis und überlegte, ob er selbst noch ein Bier trinken sollte, oder nicht. Dann sagte er sich, dass ihn ein weiteres Bier nicht umbringen würde, und er antwortete, mühsam lächelnd: „Na klar.“

 
 

* * *

 

Christian und May sprachen den Rest des Abends über andere Dinge, wobei der Deutsche ganz froh darüber war, dass sie sich weit weniger wie ein Vamp verhielt, als ihre schwarzhaarige Freundin, die recht heftig mit Jackson herummachte. Irgendwann waren die beiden nicht mehr zu entdecken und Christian, der zusammen mit May nicht nur ein weiteres Bier getrunken hatte, sondern derer vier, stellte bei einem Blick zur Uhr verwundert fest, dass es bereits nach Mitternacht war.

Dennoch hatte sich May, im Laufe des Abends, bei Christian eingehakt und sie standen in der letzten Stunde immer dichter bei einander, während sie sich unterhielten – hauptsächlich über ihre Kindheit und Jugendzeit.

Irgendwer hatte bereits vor einer geraumen Weile das Licht etwas gedämpft und an Musik liefen nun weitgehend Rockballaden. Schließlich gab sich May einen Ruck, nahm Christian das Bierglas aus der Hand und zog ihn mit sich von der Bar weg zu einem Bereich, wo sich mehrere Pärchen zur Musik im Takt wiegten.

Anfangs zögerte Christian seine Arme um May zu legen, doch das Mädchen übernahm, verstehend lächelnd, die Initiative und legte sie sich selbst um ihre Hüften, bevor sie ihre eigenen Arme sacht um seinen Nacken legte. Mit einem wissenden Gesichtsausdruck fragte sie leise: „Du hast eine Freundin, nicht wahr?“

Sie wusste, noch bevor Christian antwortete, dass sie mit ihrer Vermutung ins Schwarze getroffen hatte. Er wich ihrem Blick kurz aus und sagte ebenso leise: „Ja, das ist richtig. Aber wie kommst du darauf?“

May lachte belustigt auf, bevor sie erklärte: „Nun, ein Typ, der so gut aussieht, wie du, und nicht ernsthaft mit einem Mädchen, das so gut aussieht wie ich, flirtet, wenn er dazu die Gelegenheit hat, der ist entweder schwul, oder er ist in festen Händen.“

„Definitiv Letzteres“, versicherte Christian grinsend. Er empfand Mays Nähe als sehr angenehm, und gleichzeitig verspürte er dabei eine gewisse Unruhe. In der Nähe einer breiten Ledercouch kamen sie beide ins Straucheln und lachend landeten sie, Arm in Arm, auf den weichen Polstern, wo sie, May auf Christian, liegenblieben und sich ansahen. Im nächsten Moment lagen die warmen weichen Lippen des Mädchens auf seinen und im ersten Moment erwiderte Christian den Kuss des Mädchens, sie sachte an sich drückend. Dann verspannte sich seine Haltung, und May, die diesen Moment bewusst mitbekam. löste sich von ihm.

„Entschuldige, May, aber das...“

May lächelte verlegen und legte einen Finger auf seine Lippen. „Ich weiß. Es tut mir leid, Chris. Ich verstehe das. Es ist einfach...“

„Passiert...“, beendete Christian verlegen den Satz und May spürte, dass der kurze, magische Moment dahin war. Sie erhob sich, resignierend lächelnd, und zog Christian vom Sofa auf. „Gehen wir nach oben, und legen uns hin. Aber keine Angst, ich werde dich nicht verführen, okay.“

Der Junge nickte erleichtert.

Während May ihn an die Hand nahm und zum Treppenhaus führte, sagte sie, über ihre Schulter hinweg zu Christian: „Ich hoffe, dass es okay für dich ist, im selben Bett mit mir zu schlafen, denn momentan ist hier eine Menge los und der Platz etwas begrenzt.“

„Ich denke, das kriegen wir hin“, antwortete der Junge und folgte dem Mädchen, hinauf ins Obergeschoss des Clubhauses, wobei es ihm für einen Moment irgendwie seltsam vorkam, noch immer ihre Hand in seiner zu halten. Alles in seinem Kopf schien sich irgendwie zu drehen.

May ließ Christian im Bad den Vortritt.

Unter der Dusche wurde Christian wieder etwas munterer und er fragte sich, was unten auf der Couch, für einen kurzen Moment lang, passiert war zwischen ihm und dem blonden Mädchen. Ein seltsames Gefühl in seinem Magen verspürend, das nichts mit dem getrunkenen Bier zu tun hatte, verdrängte er die Gedanken daran und eilig stieg er schließlich aus der Duschtasse. Sich mit einem der beiden Badetücher abrubbelnd, schlüpfte er schließlich wieder in seinen Slip, wickelte sich das Badetuch um die Hüften und nahm seine restlichen Klamotten mit aus dem Bad, damit es nun von May benutzt werden konnte.

Christian umrundete das breite Bett, legte seine Klamotten auf einen Sessel, warf das Badetuch hinterher und schlüpfte dann unter die Bettdecke. Es dauerte fast eine Viertelstunde, bis May, fest in das andere Badetuch gewickelt, aus dem Bad kam. Im Türrahmen stehen bleibend, bat sie Christian leise: „Bitte mach das Licht aus.“

Christian beugte sich zur Seite und knipste die Nachttischlampe aus. Dann blickte er, auf dem Rücken liegend, höflich zur Decke hinauf, während May ihr Badetuch ablegte und, ebenfalls nur mit einem Slip bekleidet, schnell zu ihm unter die Decke kroch.

Nachdem May die Decke bis zu ihren nackten Schultern hinauf gezogen hatte, lagen sie für eine Weile stumm neben einander und nur das Geräusch ihres eigenen Atems war zu hören, bevor May leise sagte: „Mayson.“

Christian verstand nicht, und hakte nach: „Was meinst du jetzt?“

Das Mädchen lachte leise. „Das ist mein voller Name: Mayson Drake.“

Christian gab ein grunzendes Geräusch von sich. Dann erwiderte er: „Äußerst angenehm, Mayson Drake.“

„Was ist mit dir? Wie heißt du mit Nachnamen?“

Der Junge zögerte etwas, bevor er antwortete: Falkenhayn. Nun ja, eigentlich Von Falkenhayn, denn genau genommen bin ich adeliger Abstammung, aber verrate es bitte Niemandem, okay?“

„Echt jetzt?“ Eine Spur von Verwunderung schwang in der hellen, gedämpften Stimme des Mädchens mit. „Dann war es dir vorhin ernst damit, als du sagtest, du könntest mir vielleicht helfen?“

„Ja, das war es - und das ist es noch. Denk drüber nach.“

Einige Sekunden lang schwieg das Mädchen, bevor es leise sagte: „Das werde ich.“ Eine weitere Pause entstand, bevor Mayson leise fragte: „Darf ich mich etwas an dich kuscheln, Chris? Ich brauche jetzt etwas Nähe.“

Christian gab ein undeutliches Brummen von sich, das sie als Zustimmung auffasste. Sie legte behutsam ihren linken Arm über seine Brust und schmiegte sich in seinen Arm, wobei sie ihren Kopf an seine Brust bettete. „Das fühlt sich gut an.“

Der Junge atmete etwas tiefer durch.

Fast flüsternd sagte Mayson einige Augenblicke später: „Ich hasse deine Freundin.“

Schläfrig erwiderte der Junge, sie etwas zu sich heran ziehend: „Ich verstehe was du meinst. Gute Nacht, May.“

Mayson gurrte eine leise Antwort und war einige Momente später eingeschlafen, während Christian noch für eine Weile wachlag und sich dabei fragte, was Alicia in diesem Augenblick tun mochte, und ob in ihr vielleicht ein ähnliches Gefühlschaos vorging, wie in ihm, in diesem Augenblick.

Offenbarungen

Etwa zur selben Zeit lag Alicia wach in ihrem Bett und zermarterte sich den Kopf darüber, was Christian momentan gerade machte und warum sie, um alles in der Welt, nur bei dieser verrückten Aktion von Mandy und Rhonda mitgemacht hatte. Hatte sie, nach dieser seltsamen Rosengeschichte, die Chris, Conchita und Marina fast das Leben gekostet hätte, wirklich eine solche Angst, dass ihr Freund sie, auch ohne die Beeinflussung von, durch rotes Meteoritengestein verseuchte, Blütenpollen, versetzen könne? Ein Teil von ihr glaubte nicht daran, ein anderer war hingegen voller Zweifel und Angst gewesen, und dieser Teil hatte sie zu ihrer Mittäterschaft an dieser dummen Aktion getrieben. Vielleicht war ein offenes, klärendes Gespräch, zwischen ihr und Chris seit dem Vorfall mit den blöden Rosenpollen überfällig, und möglicherweise hätte sich dadurch so Manches verhindern lassen, wenn sie dies schon vor Wochen getan hätten. Doch sie hatten beide nach diesem Vorfall nicht weiter darüber gesprochen – jedenfalls nicht so intensiv, wie sie es hätten tun sollen.

„Warum ist man eigentlich immer erst hinterher schlauer?“, zischte Alicia wütend in die Dunkelheit ihres Zimmers.

Sie drehte sich auf die Seite und versuchte alle Gedanken zu verbannen um endlich Schlaf zu finden, denn sie war totmüde. Schon beinahe eingeschlafen schreckte sie hoch, als ihr Handy läutete. Wer konnte das um diese Zeit sein? Etwa Chris?“

Das Mädchen griff tastend zur Seite, bekam ihr Handy endlich zu packen und führte es an ihr Ohr. Die Hörertaste drückend meldete sie sich mit einem gereizten: „Ja?“

Es war die Stimme ihrer besten Freundin, die unterdrückt raunend sagte: „Entschuldige, Alicia, aber ich musste dich einfach anrufen.“

„Was ist denn los?“, fragte Alicia herzhaft gähnend. „Ich war gerade eben eingeschlafen, als das Handy ging.“

Samantha zögerte. „Es ist... Nun ja, weißt du... Hör zu, treffen wir uns doch besser morgen Früh, bei dir, okay?“

„Besser wär´s, Sam. Bis morgen Früh dann.“

Alicia bekam kaum mit, wie sich Samantha schnell verabschiedete und drückte das Handy aus. Es mit einem leisen Seufzen auf den Nachttisch zurück legend schloss sie wieder ihre Augen und war kurze Zeit später endlich eingeschlafen.

 
 

* * *

 

Als Alicia am nächsten Morgen erwachte, erinnerte sie sich sofort wieder an den nächtlichen Anruf der Freundin, und sie fragte sich, was für ein Teufel Samantha geritten hatte, um zu dieser unchristlichen Zeit bei ihr anzurufen.

Das dunkelhäutige Mädchen war froh, dass ihre Mom in dieser Woche Frühdienst hatte. Ihr Vater stand in diesem Fall immer zusammen mit seiner Frau auf und beide frühstückten bereits sehr zeitig. So hatte sie etwas Zeit um ihre Gedanken zu ordnen, während sie am Herd stand und Pfannkuchen zubereitete, auf die sie direkt nach dem Aufstehen Lust bekommen hatte. Außerdem hätte ihre Mom ihr vermutlich sofort an der Nasenspitze angesehen, dass sie momentan Stress mit Christian hatte – für solche Dinge hatte ihre Stiefmutter nämlich einen speziellen inneren Sensor der bei der kleinsten Unregelmäßigkeit sofort anschlug.

Erst als der erste Pfannkuchen köstlich zu duften begann, wurde Alicia bewusst, dass sie in den letzten Tagen kaum etwas gegessen hatte. Der Zwist mit Christian war ihr auf den Magen geschlagen und sie hatte kaum Appetit verspürt. Doch spätestens heute würde Chris aus Metropolis zurückkehren und die Entscheidung, die sie getroffen hatte, nämlich ein langes und sehr ernsthaftes Gespräch mit ihm zu führen, hatte eine befreiende Wirkung. Wieder stärker an ein gutes Ende dieser Misere glaubend, als an den vorangegangenen Tagen, war ihr Appetit anscheinend zurückgekehrt.

Leise vor sich hin summend beschloss sie, gleich auch ein paar Pfannkuchen für Samantha zu machen. Bei Pfannkuchen mit Apfelmus konnte die Freundin nämlich nur selten widerstehen.

Alicia war gerade fertig damit, den Stoß Pfannkuchen, den sie gemacht hatte auf den Tisch zu stellen und die Pfanne zu reinigen, als auch schon die Tür geöffnet wurde und Samantha, zwanglos, wie eh und je, zu ihr herein kam. Sie blickte auf den Stoß Pfannkuchen auf dem Tisch und warf einen Blick zu Alicia, die gerade ein Glas Apfelmus in den Händen hielt und sie nun etwas grimmig ansprach: „Da bist du ja, du verrücktes Huhn. Was für neue Methoden fängst du denn damit an, mitten in der Nacht anzurufen? Aber setz´ dich erst einmal und greif zu, ich habe extra ein paar Pfannkuchen mehr gemacht.“

Seltsam blass meinte Samantha: „Danke, aber ich habe keinen Appetit.“

Etwas verwundert setzte sich Alicia zu ihr an den Tisch, wobei sie das Glas in ihrer Hand öffnete. „Nanu, was ist mit dir denn los. Sonst bist du doch ganz versessen auf Pfannkuchen mit Apfelmus.“

Sie zuckte die Schultern legte sich einen der Pfannkuchen auf ihren Teller und verteilte etwas von dem Mus darauf. Sie blickte verblüfft auf, als Samantha ein würgendes Geräusch von sich gab und schnell von ihrem Stuhl aufstand. Sich die Hand vor den Mund haltend eilte sie zum Bad der Sterlings.

Ungläubig hörte Alicia, durch die geschlossene Tür, wie sich die Freundin offensichtlich übergab. Dabei murmelte sie etwas ratlos: „So schlecht sind meine Pfannkuchen jetzt aber wirklich nicht.“ Laut rief sie hinter Samantha her: „Hey, was ist denn los? Brütest du etwas aus?“

Ein unterdrücktes Röcheln war die Antwort, gefolgt von einem erstickten: „Nein, alles in Ordnung. Ich fühle mich heute Morgen nur nicht so besonders.“

Alicia beschlich ein seltsames Gefühl, ohne sagen zu können warum. Irgendwie benahm sich Samantha sehr merkwürdig. Sie frühstückte weiter und erleichtert blickte sie auf, als Samantha endlich wieder zu ihr in die Küche kam. Allerdings wandelte sich diese Erleichterung sofort in Erschrecken, als sie bemerkte, dass Samantha geradezu leichenblass aussah. Im nächsten Moment durchzuckte sie ein Gedanke, und sie sah Samantha ungläubig an, und fragte drängend: „Hat deine Übelkeit vielleicht mit deinem komischen Anruf von letzter Nacht zu tun, Sam?“

Die Freundin schluckte und ohne es verhindern zu können füllten sich ihre Augen mit Tränen. Hilflos stand sie da und blickte Alicia an, die sich zusammenzureimen begann, was mit ihrer Freundin los war, und nun langsam aufstand und zu ihr schritt.

Als Alicia ihre Freundin in die Arme schloss, war es mit deren Beherrschung geschehen und sie brach in Tränen aus. Erstickt flüsterte sie: „Ich bin schwanger, Alicia.“

Alicia drückte ihre Freundin sacht und streichelte über ihr Haar. Drängend sagte sie dann: „Lass uns zu rauf gehen, zu mir, bevor mein Vater eventuell rein platzt und durchschaut, was sich hier abspielt.“

Samantha nickte nur und ließ sich von ihrer Freundin beinahe mechanisch nach oben führen.

In Alicias Zimmer angekommen setzten sie sich neben einander auf ihr Bett und eine Weile abwartend fragte Alicia schließlich: „Bist du ganz sicher, Samantha?“

Das Mädchen nickte und antwortete unter Tränen: „Bis zum Wochenende hatte ich gehofft, dass meine Regel noch kommen würde. Wäre nicht das erste mal gewesen, dass sie etwas verspätet bei mir kommt. Als ich gestern meine Tage immer noch nicht hatte, da wurde ich etwas unruhig, und ich bin nach Granville gefahren, um mir dort einen Schwangerschaftstest zu besorgen. Hier wäre das doch sofort herumgegangen. Ich habe gewartet, bis ich sicher war, dass meine Eltern im Tiefschlaf liegen, bevor ich in der letzten Nacht den Test bei uns im Bad gemacht habe. Positiv.“

„Mein Gott, wenn ich das nur geahnt hätte, dann...“

„Dann hättest du auch nicht, mal eben, zu mir rüber rennen können. Zumindest nicht, ohne dass es auffällt.“

Alicia nickte fahrig. „Stimmt auch wieder. Was hast du jetzt vor? Weiß es Neil? Habt ihr über eine... ich meine...“

Samanthas Kopf ruckte nach oben und gepresst erwiderte sie: „Neil weiß es nicht, und eine Abtreibung kommt für mich nicht in Frage. Ich bin keine Babykillerin.“

„Aber...“

Samantha schüttelte heftig ihren Kopf. „Da gibt es kein Aber für mich, Alicia. Das würde gegen alles gehen, woran ich glaube. Das macht es ja so schwer. Irgendwann wird es sich nicht mehr verheimlichen lassen und dann wissen alle Bescheid. Hilf mir, Alicia – ich weiß momentan nicht mehr ein, noch aus.“

Alicia blickte in das Tränen überströmte Gesicht ihrer besten Freundin und wusste im Moment selbst nicht, wo ihr der Kopf stand. Nach einer Weile sagte sie aufmunternd: „Was hältst du davon, wenn wir mit Clark reden? Er ist ganz in Ordnung und er könnte ganz in Ruhe mit Neil reden.“

„Nein, das möchte ich nicht. Es war schon eine Überwindung, es dir zu beichten, Alicia. Ein anderer soll es momentan noch nicht erfahren.“

Alicia überlegte fieberhaft, was sie tun sollte, und sie wünschte sich, in diesem Moment sehnlicher als je zuvor, dass Chris hier wäre.

 
 

* * *

 

Christian erwachte am frühen Morgen. Irgendetwas hatte ihn aus dem Schlaf gerissen, ohne dass er zunächst hätte sagen können, was es gewesen war. Draußen hatte die Dämmerung eingesetzt und das erste, schwache Licht das anbrechenden Tages fiel durch die leichten Vorhänge des Fensters herein. Er brauchte einen Moment lang, um zu realisieren wo er war. Und mit wem – denn erst als er die Stimme von Mayson an seinem Ohr hörte wurde ihm wieder bewusst, dass er nicht allein in diesem Bett lag.

Das Mädchen murmelte etwas unverständliches. Im nächsten Moment sagte sie laut: „Nein, ich darf nicht weinen. Ich darf nicht...“ Der Rest ging unter in undeutlichem Gemurmel. Dann hörte Christian zunächst nur noch die regelmäßigen Atemzüge des Mädchens und er begriff, dass sie träumte, und dass es ihre Stimme gewesen sein musste, die ihn geweckt hatte. Er sank beruhigt wieder in das Kissen, als ihn Maysons Stimme erneut die Augen öffnen ließ:

„Nein, ich weine ja gar nicht. Ich weine nicht...“

Das musste ein seltsamer Traum sein – ein Traum, in dem man offenbar nicht weinen, oder so etwas zugeben, durfte.

Als ein gequält wirkendes Aufstöhnen aus Maysons Mund drang, beschloss Christian, das Mädchen aus diesem Albtraum zu befreien. Er zog Mayson sanft zu sich und rüttelte sie vorsichtig, wobei seine freie Rechte sachte durch ihr Haar strich.

Mit einem erschrockenen Laut wollte sie aufschrecken, doch Christian bettete ihren Kopf schnell wieder an seine Schulter und flüsterte beruhigend: „Hab keine Angst, Mayson, das war nur ein Albtraum. Niemand außer uns beiden ist hier, sei ganz beruhigt.“

Beim Klang seiner sonoren sanften Stimme atmete das Mädchen erleichtert auf und schmiegte sich etwas enger an ihn. Seine sanften Berührungen und seine beruhigenden Worte lösten etwas in ihr, das sich zuvor, wie eine Fessel um sie gelegt hatte. Als Christian zusätzlich ganz behutsam über ihr Haar strich, da presste sie die Zähne auf einander, doch der Damm war bereits gebrochen. Im nächsten Moment gab sie zwei rohe erstickte Laute von sich und dann brachen sich all die Emotionen, die sie in den letzten Jahren unterdrückt und tief in sich verborgen hatte, Bahn und sie schluchzte so sehr, dass es sie schüttelte. Zum ersten Mal seit Jahren war da wieder jemand, der sie zu trösten wusste, und bei dem sie nicht gleichzeitig das Gefühl hatte er würde dies aus Berechnung tun. Das war ein so schönes und gleichzeitig bitteres Gefühl, dass es sie vollkommen verwirrte.

Christian atmete innerlich auf, als er merkte, dass sich Mayson nach einer geraumen Weile endlich beruhigte. Er versuchte sich vorzustellen, was in dem Mädchen vorgehen mochte, doch das gelang ihm nicht. Er wusste nicht zu sagen, wie viel Zeit verstrichen war, und er das Mädchen, mit geschlossenen Augen in seinen Armen gehalten und getröstet hatte, als er etwas an seinem Hals zu spüren glaubte – eine sanfte, fast gehauchte, Berührung. Im nächsten Moment war es wieder fort. Erst als er es erneut spürte, diesmal etwas mehr, wurde ihm klar, dass es ein fast nicht spürbarer Kuss von Mayson gewesen war. Schläfrig drehte er seinen Kopf etwas zur Seite und erneut spürte er die samtweichen Lippen des Mädchens auf seinem Hals. Er seufzte wohlig und spürte, wie er auf diese sanften Berührungen zu reagieren begann. Der Atem des Mädchens auf seiner Haut, ihre Brustspitzen die über seinen Oberkörper strichen, als sich ihre Lippen zu seinem Mund bewegten.

Sie küssten sich zärtlich...

Einen Moment später riss der Junge, plötzlich sehr munter, seine Augen auf und zog sich mit sanftem Nachdruck von dem Mädchen zurück und beendete den Kuss.

„Mayson, das geht nicht. Ich kann nicht...“

Ihre Finger, unter der Bettdecke, über seinen Unterleib gleiten lassend, meinte sie anzüglich schmunzelnd: „Das fühlt sich aber ganz anders an.“

„Du weißt, was ich meine, Mayson. Du bist ein wirklich sehr hübsches und begehrenswertes Mädchen, und ich kann dich wirklich gut leiden...“

„Autsch!“ Mayson bog ihren schlanken Körper etwas zurück und blickte enttäuscht in die Augen des Jungen. „Das hat gesessen.“

Christian blickte sie fast entschuldigend an, als er leise entgegnete: „Wäre ich nicht in festen Händen und würde ich meine Freundin nicht wirklich lieben, dann würde ich nicht einen Moment zögern. Und ich wäre in dem Fall sehr traurig, wenn es nur bei einer einzigen Nacht bliebe, ohne dich näher kennenlernen zu können. Ich hoffe, du glaubst mir das.“

„Deine Freundin muss es nicht erfahren.“

Christian blickte in die dunklen Augen des Mädchens und fragte nachsichtig: „Würdest du selbst denn mit einem solchen Typen zusammen sein wollen? Einer, der dich bei jeder Gelegenheit betrügt, nur weil du es vielleicht niemals erfahren wirst?“

Mayson begegnete seinem Blick etwas trotzig, doch dann nickte sie und gab zu: „Nein, einen solchen Typen würde ich bestimmt nicht ausstehen können, Chris. Ich gebe es nicht gerne zu, aber du hast Recht.“

Damit beugte sie sich lächelnd zu ihm hinunter, bis sich ihre Gesichter ganz nahe waren und flüsternd erklärte sie: „Aber einen Kuss wirst du mir jetzt dennoch geben, damit ich wieder einschlafen kann, ohne erneut einen Albtraum zu haben. Einen langen und sehr liebevollen Kuss, hast du gehört?“

„Du bist verdammt hartnäckig, weißt du das?“

Ihre Nasenflügel berührten sich, als sie fast lautlos antwortete: „Ja, das ist mir bekannt, und im Moment ist es mir vollkommen egal. Und jetzt halt gefälligst die Klappe und küss mich.

Ihre Lippen berührten sich und etwas angespannt öffnete der Junge seine Lippen, bevor er sich endlich entspannte und Mayson ebenso hingebungsvoll küsste, wie sie ihn.

Schließlich lag ihr Kopf wieder an seiner Schulter und Mayson raunte leise: „Es ist schon seltsam, Chris. Obwohl nichts zwischen uns läuft ist das eine der schönsten, wenn auch eine der traurigsten, Nächte meines Lebens, und ich werde sie bestimmt niemals vergessen. Schon deswegen nicht, weil mich vorher noch keiner von der Bettkante geschubst hat.“

Seine Fingerspitzen über ihren Rücken gleiten lassend beschwerte sich Christian schmunzelnd bei ihr: „So grob kann man das aber jetzt auch nicht sagen.“

Eine Weile herrschte Stille, bevor Christian, das Thema wechselnd, fragte: „Wirst du anrufen, wenn ich dir meine Handynummer gebe? Ich meine, falls du es dir überlegst, und dich doch dazu entschließen solltest, dieses Leben gegen ein anderes tauschen, und Jura studieren, zu wollen.“

„Ich glaube schon. Ich beginne ganz tief in mir drinnen zu spüren, dass ich einen Neuanfang dringend brauchen könnte. Vielleicht habe ich meinen Traum zu früh aufgegeben und sollte wieder an ihn glauben.“

„Darüber wäre ich sehr glücklich“, erwiderte Christian bewegt.

Mayson streichelte sanft seine Wange. „Der wahre Edelmann ist dem gemeinen Volk immer zugetan, heißt es.“

„Hey, Standesdünkel gehören nicht zu meinem Repertoire. Meine Freundin ist ein Farmer-Mädchen, schon vergessen? Und das ist mir herzlich egal.“

Mayson schmiegte sich an ihn und sagte: „Entschuldige die kleine Spitze. Wirst du deiner Freundin von mir erzählen?“

„Ja“, antwortete Christian ohne zu zögern.

„Wow! Das kam prompt.“

Christian bog seinen Körper etwas zurück und blickte Mayson wieder in die Augen.

„Ich möchte meiner Freundin vertrauen können, und sie soll dasselbe Vertrauen in mich setzen können. Und das geht nicht, wenn man mit Geheimnissen anfängt.“

Mayson nickte und lächelte beinahe spitzbübisch. „Ich, an deiner Stelle, würde trotzdem das ein oder andere Detail unter den Tisch fallen lassen. Ist nur so ein Gedanke.“

Der Junge grinste breit, und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Möglicherweise ist da etwas dran.“

Dann gähnte er herzhaft und meinte: „Und jetzt würde ich gerne noch eine Runde schlafen, damit ich morgen auf der Heimfahrt nicht gegen einen Baum fahre, nur weil ich am Steuer einnicke vor Müdigkeit.“

Mayson seufzte schwach. Kurz bevor sie beide einschliefen, flüsterte sie leise: „Ich werde dich nachher nach deiner Handynummer fragen, und ich werde ganz bestimmt anrufen, Chris. Darauf kannst du dich verlassen.“

Sie sah ihn noch zufrieden lächeln, bevor sie ebenfalls ihre Augen schloss und einige Augenblicke später friedlich einschlief.

Ernsthafte Diskussionen

Es wurde fast Mittag, bevor sich Christian von Jefferson und Jackson verabschiedet hatte, und schließlich zusammen mit Mayson an seinem Pickup stand. Das Mädchen hielt Wort und ließ sich tatsächlich die Handynummer von Christian geben. Danach testete sie, indem sie kurz bei ihm anklingelte, ob sie die Nummer auch richtig gespeichert hatte, wobei sie ihm damit gleichzeitig ihre eigene Nummer schickte.

Der Junge bemerkte, dass sie immer wieder, über die Schulter blickte, zu ihrer schwarzhaarigen Freundin, die vor dem Clubhaus in Jacksons Nähe stand. Gleichzeitig bemerkte er ihre leichte Unruhe, und so fragte er: „Was ist denn los. Du bist ja so hibbelig, dass es einen anstecken kann.“

Etwas verlegen erklärte das blonde Mädchen: „Nun ja, meine Freundin vermutet, dass wir die Nacht etwas anders verbracht haben, und es wäre nett von dir wenn du dich vielleicht standesgemäß von mir verabschieden würdest, wenn du verstehst. Es wäre echt peinlich, wenn sie erfahren würde, dass nichts gelaufen ist.“

Christian blickte sie etwas misstrauisch an. „Wirklich Mayson? Oder nutzt du lediglich die Situation gerade aus?“

Maysons Blick sprach Bände.

Christian erkannte, dass sie ihre Worte ernst gemeint hatte und über ihre Schulter hinweg grinste er gezwungen zu der Schwarzhaarigen hinüber. Dann blickte er Mayson in die Augen und raunte: „Damit das klar ist: Dies wird definitiv unser letzter Kuss sein.“

„Dann gib dir jetzt aber gefälligst nochmal richtig Mühe“, konterte das Mädchen ironisch und legte die Arme um seinen Nacken.

Sie fest in seine Arme schließend, küsste er Mayson intensiv, wobei er nach einer Weile unterbewusst einige anzügliche Bemerkungen und Pfiffe verschiedener Biker vernahm. Als er sich schließlich zögernd von Mayson löste, blickte die Blondine ihn etwas verwirrt an, bevor sie meinte: „Erzähl du mir noch mal was, von wegen Situation ausnutzen.“

Augenzwinkernd drückte er sie nochmal sanft und flüsterte ihr dabei ins Ohr: „Wir hören von einander, Mayson. Bis dahin, alles Gute und pass´ auf dich auf.“

„Das werde ich. Ich werde mich ganz bestimmt melden.“

Christian ließ sie los und stieg in seinen Pickup. Er ließ den Wagen an, wechselte einen letzten Blick mit Mayson und steuerte den Pickup auf die Straße, auf der er am Vortag gekommen war. Dann richteten sich seine Gedanken nach vorne und er lächelte in Gedanken daran, dass er in einer knappen Stunde wieder zuhause sein würde. Es kam ihm momentan so vor, als wäre er nicht nur einige Tage, sondern mehrere Wochen weg gewesen.

Fast während der gesamten Rückfahrt ging ihm Mayson nicht aus dem Sinn. Er fragte sich, was gewesen wäre, wenn er nicht bereits mit Alicia eine Beziehung geführt hätte. Er wusste keine Antwort darauf und eine Verwünschung murmelnd versuchte er sich auf das zu konzentrieren, was vor ihm lag. Dabei spürte er, dass Mayson Wort halten würde und er spürte, dass sie sich heute nicht zum letzten Mal gesehen hatten. Ein Teil von ihm freute sich bei diesem Gedanken, ein anderer hinterfragte, was dadurch vielleicht an neuen Problemen entstehen würde. Schließlich erinnerte er sich wieder an Maysons Vorschlag, einige Details der letzten Nacht vielleicht nicht an die große Glocke zu hängen. Nicht ganz zufrieden mit der Überlegung, dass das Auslassen eines Details keine Lüge im eigentlichen Sinn war, verzog Christian etwas missmutig das Gesicht und sinnierte darüber, ob dieses leichte Unwohlsein der Preis war für solche Detailauslasser. Wenn ja, dann durften sie nicht zu oft vorkommen, das wurde ihm in diesem Moment vollkommen klar. Zumindest dann nicht, wenn man seine Prinzipien nicht irgendwann völlig über Bord werfen wollte. Und etwas derartiges zog er nicht in Betracht. Er sagte sich, dass man sich selbst gegenüber ehrlich bleiben sollte, und so analysierte er nun, was passiert war:

Mayson hatte ihn geküsst, und er hatte auch sie geküsst. Und er hatte dabei etwas gespürt, aber er war sich sicher, dass es nicht Liebe gewesen war. Nicht die Art von Liebe, die er für Alicia verspürte. Immer noch und immer noch unvermindert stark – vielleicht sogar stärker, als zuvor. Nein, es war etwas anderes gewesen – sehr verlockend, doch letztlich hatte er der Verlockung widerstanden. Nun, nicht völlig widerstanden vielleicht, in engster Auslegung, aber doch so weit, um Alicia in die Augen blicken zu können. Vielleicht brauchte es solche Verlockungen, damit man sich über manche Gefühle klarer wurde. Zumindest gewann Christian den Eindruck, dass er sich, nach der letzten Nacht, seiner Gefühle für Alicia sehr viel sicherer war, als noch am Abend zuvor.

Er hatte Mayson gesagt, dass er keine Geheimnisse vor Alicia haben wollte aber zu denken das würde zu einhundert Prozent funktionieren war ein wenig zu naiv gedacht. Denn es gab bereits Geheimnisse zwischen ihm und Alicia. Das Geheimnis in Bezug auf Clark Kents wahre Herkunft und auch das Geheimnis, dass Clark und er in der letzten Zeit des öfteren die Körper getauscht hatten.

Christian hielt Clark für einen der anständigsten Menschen – er lächelte bei diesem Gedanken, denn Clark war im Grunde keiner – den er je kennengelernt hatte, und selbst Clark war ein Wesen mit einer ganzen Menge an Geheimnissen. Mit mehr, als er selbst vermutlich jemals haben würde.

Diese Gedanken beruhigten Christian spürbar, machten sie ihm doch klar, dass man nicht automatisch ein schlechter Mensch war, wenn man, auch seiner Freundin gegenüber, das ein oder andere Geheimnis für sich behielt.

Ohne es bewusst zu merken lächelte er glücklich, bei dem Gedanke an Alicia. Mehr denn je spürte er in diesem Moment, was er für sie fühlte, und was er wollte, sobald er wieder in Smallville war: Sich mit Alicia vertragen und die Dummheit ihrerseits verzeihen.

Denn noch etwas war ihm ganz klar geworden: Lois Lane hatte verdammt nochmal Recht gehabt. Jeder Mensch baute irgendwann einmal Mist, und dann musste man die innere Größe haben verzeihen zu können, auch wenn das vielleicht nicht einfach war. Das hatte sie ihm auf seiner Fahrt nach Metropolis gesagt – verstanden hatte er es erst jetzt.

„Alicia, ich liebe dich“, flüsterte er, und selten hatte er etwas aufrichtiger gemeint.

 
 

* * *

 

Nach einem kleinen Imbiss zu Mittag, als es Samantha, zu Alicias Erleichterung spürbar besser ging, traten beide auf die Veranda des Hauses hinaus. Dabei horchte Samantha auf, und den Feldweg entlang deutend meinte sie: „Na, wenn das nicht passt, wie abgesprochen. Da hinten kommt Christian, wenn ich das richtig erkenne.

Alicia folgte dem Blick der Freundin und einen Moment später wurde ersichtlich, dass es wirklich der schwarze Pickup ihres Freundes war, der sich der Farm näherte. In ihrem Magen schien sich plötzlich ein ganzer Hornissenschwarm breitzumachen und dieses Gefühl verstärkte sich noch, als sie die ernste, entschlossene Miene des Jungen sah, als er ausstieg und er mit raumgreifenden Schritten zum Gatter ging.

Er ist gekommen, um Schluss zu machen, schoss es ihr durch den Sinn, als sie ihm, mit zittrigen Knien, entgegen schritt um ihn am Gatter zu erwarten, während Samantha auf der Veranda stehen blieb.

Als Christian das Gatter erreichte, wollte er etwas sagen, doch Alicia kam ihm zuvor.

„Ich kann mir schon denken, warum du gekommen bist, Chris. Ich verstehe, warum du sauer bist, und dass du mir nicht mehr vertraust.“

„Alicia, ich...“

Er machte einen Schritt auf sie zu, doch das Mädchen schubste ihn weg und erklärte: „Keine letzte Umarmung, Chris, das würde ich nicht ertragen.“

Etwas konsterniert blickte Christian in die dunklen Augen des Mädchens, die sich nun rasch mit Tränen füllten. Schnell stellte er richtig: „Alicia, ich bin gekommen, weil ich dich so sehr liebe, dass es fast weh tut. Was ich vor meiner Abfahrt nach Metropolis sagte, das meinte ich auch so, aber deswegen möchte ich mich nicht von dir trennen. Wir beide werden vermutlich zukünftig noch eine ganze Menge Blödsinn anstellen, sowohl du, als auch ich, und wir können uns nur bemühen, diesen Blödsinn in erträglichen Grenzen zu halten.“

Der Junge schluckte und Alicia blickte ihn etwas ungläubig an. Erst als er sie, beinahe zaghaft, anlächelte begriff sie seine Worte und sie fiel ihm um den Hals.

Für eine Weile hatten sie vergessen, dass Samantha anwesend war, während sie sich fest an einander klammerten und küssten, wobei Alicia hemmungslos schluchzte. Als sie beide ihre Emotionen wieder im Griff hatten, löste sich Alicia widerstrebend von Chris und deutete zur Veranda hinüber. „Lass uns zu Sam gehen.“

Christian bemerkte die seltsame Stimmung der beiden Mädchen, noch bevor er und Alicia die Veranda erreichten und leise fragte er: „Hey, was ist denn los? Samantha wirkt irgendwie merkwürdig.“

Alicia wich dem fragenden Blick des Jungen aus, der von ihr zu Samantha blickte und sie etwas nachdenklich mit einem „Hi, Samantha“, begrüßte.

„Hi, Chris“, erwiderte Samantha abwesend.

Der Junge runzelte die Stirn und riskierte einen Schuss ins Blaue: „Was ist denn mit dir los, gab es Streit mit Neil?“

„Wenn es nur das wäre, dann...“, entfuhr es dem Mädchen, bevor es bemerkte, was es gesagt hatte und ihre Lippen fest auf einander presste.

Christian, der nun aufmerksam geworden war, blickte fragend von Samantha zu Alicia und wieder zu dem blonden Mädchen. „Okay, jetzt bin ich offiziell neugierig geworden. Etwas Schlimmeres also, als ein Streit.“

Die Reaktion von Samantha fiel anders aus, als Christian es erwartet hatte. Ihre Wangen begannen sich zu röten und Tränen füllten ihre Augen. Verzweifelt blickte sie Alicia an und sagte mit schwacher Stimme: „Sag du es ihm, er weiß es ohnehin demnächst, so wie alle Anderen auch.“

Geradezu erschrocken beobachtete Christian, wie Alicia die schluchzende Freundin in ihre Arme nahm und flüsternd fragte er: „Sollte ich vielleicht, ganz diskret...?“

„Nein, setz´ dich auf die Bank“, erwiderte Alicia leise. „Dann werde ich dir erzählen was los ist, und vielleicht weißt ja du einen Rat.“

Mit einem komischen Gefühl in der Magengrube folgte er den beiden Mädchen zu der Holzbank, auf der Veranda und nahm neben Alicia Platz, die zwischen ihm und Samantha saß und sich um die Freundin kümmerte, die sich langsam wieder beruhigte. Nach einer Weile blickte Alicia zu Christian und erzählte ihm, was sie selbst erst vor wenigen Stunden von ihrer besten Freundin erfahren hatte.

Das erste, was Christian sagte, nachdem er seine Überraschung überwunden hatte, war: „Neil muss es erfahren, denn immerhin betrifft es ihn ja auch.“

Samantha schüttelte, in Alicias Armen, heftig den Kopf. „Ich kann nicht. Seit dem Tag, als meine Regel überfällig war, da bin ich Neil ausgewichen. Wir haben am Handy fast nur noch gestritten. Ich... ich weiß nicht, wie er reagieren wird.“

Christian spürte, dass sich Samantha kaum von ihm würde umstimmen lassen, außerdem war er sich sicher, dass ihr Alicia in etwa dasselbe geraten hatte. Dann fiel ihm etwas ein und er fragte vorsichtig: „Samantha, was hältst du davon, wenn ich, am Besten gleich morgen, nach Kansas-City fahre um mit Neil zu reden. Ein Gespräch unter Männern so zu sagen. Ich denke, dass er dann weniger emotional reagieren, und vernünftigen Argumenten gegenüber vielleicht aufgeschlossener sein wird.

Samantha wischte sich über die Augen und fragte Christian hoffnungsvoll: „Glaubst du wirklich?“

„Ganz bestimmt. Manchmal vertraut man in solchen Angelegenheiten eher einem Außenstehenden.“ Augenzwinkernd fügte er hinzu: „Und wenn er Zicken machen sollte, dann werfe ich ihn mir über die Schulter und schleppe ihn persönlich hierher.“

Das Mädchen lächelte unter Tränen und Christian fügte aufmunternd hinzu: „Ich bin mir sicher, dass Neil ein anständiger Kerl ist, der zu dir stehen wird, wenn er erst einmal weiß, was los ist. Und dann wird er ganz bestimmt sehr schnell vergessen, weshalb ihr euch in der letzten Zeit gezofft habt. Aber dafür musst du ihm eine Chance geben es auch zu beweisen, richtig?“

Samantha nickte und aufflackernde Hoffnung lag in ihrem Blick.

Christian sah sie fragend an und erkundigte sich vorsichtig: „Sag, hast du vielleicht einmal überlegt, ob...“

„Eine Abtreibung kommt nicht in Frage.“

Alicia blickte Christian beschwörend an, so dass er alle weiteren Fragen in dieser Richtung unterdrückte. Dann meinte der Junge leise: „Was ich nicht begreife ist, warum ihr zwei nicht verhütet habt. Ihr seid doch beide aufgeklärt, oder nicht?“

„Wir hatten das nicht geplant, Chris. Und dann haben wir beide nicht daran gedacht, als es passiert ist. Außerdem... Es war doch das erste Mal, und...“

Der Junge hustete auffällig, verkniff sich aber einen Kommentar zu diesem Satz, auch ohne dass es dazu des leichten Ellenbogenhiebes seiner Freundin bedurft hätte. So blickte er für einen Moment entsagungsvoll zum azurblauen Himmel hinauf, bevor er auf das Naheliegende zu sprechen kam: „Wann willst du es deinen Eltern beibringen?“

„Am liebsten gar nicht“, murmelte Samantha leise. „Zumindest möchte ich dabei nicht allein vor ihnen stehen.“

Christian nickte in Gedanken. „Kann ich mir lebhaft vorstellen. Warte einfach ein paar Tage ab und verarbeite erst einmal die Tatsache an sich. Vielleicht fällt es dir danach ja etwas leichter darüber zu reden. Zumindest kannst du jederzeit mit Alicia und mir darüber reden, wenn dir danach ist, okay?“

Samantha legte dankbar lächelnd, über Alicia hinweg greifend, ihre Hand auf die des Jungen und drückte sie leicht. „Danke, Chris. Auch dafür, dass du mit Neil sprechen willst.“

Auch Alicia blickte den Jungen dankbar an und küsste ihn schnell auf die Wange.

„Ist doch selbstverständlich“, wehrte Christian etwas verlegen ab. „Dafür sind gute Freunde doch da, wenn man sie braucht.“

Sie unterhielten sich noch eine ganze Weile, bevor sich Samantha schließlich von Alicia und Christian verabschiedete, wobei sie das Angebot von Christian, sie nach Hause zu fahren schmunzelnd ablehnte und leise meinte: „Ich bin schwanger, nicht gehbehindert.“

Alicia und Christian blickten ihr nach und winkten noch einmal, als sie sich zu ihnen umwandte. Als sie schließlich außer Sicht war, wandte sich Alicia dem Jungen zu und streichelte sanft seine Wange. „Ich bin sehr stolz auf dich, Chris. Weil du so nett zu Sam gewesen bist, und dich bei Neil für sie einsetzen willst.“

„Du machst mich etwas verlegen“, wand sich Christian. Vielleicht bist du nicht mehr ganz so stolz auf mich, wenn ich dir erzähle, was ich unterwegs erlebt habe.“

Neugierig blickte Alicia ihrem Freund in die Augen und der begann, ihr von den letzten Tagen zu erzählen. Als er erwähnte, wie er die letzte Nacht verbracht hatte, da trat ein seltsames Funkeln in ihre Augen und Christian versicherte ihr schnell: „Mayson und ich haben tatsächlich nur gemeinsam in einem Bett geschlafen, aber wir haben nicht miteinander geschlafen – und zwar deshalb nicht, weil ich dich aufrichtig liebe, Alicia. Und ich erzähle dir deshalb davon, weil ich keine Geheimnisse vor dir haben möchte. Ich habe Mayson Hilfe angeboten, für den Fall, dass sie sich dazu entschließen sollte, tatsächlich studieren zu wollen, und ich denke, sie wird diese Hilfe annehmen.“

Alicia fragte: „Dann wäre sie an der Met-U und damit nicht allzu weit weg.“

Christian seufzte schwach. „Ich dachte eigentlich daran, demnächst mit Oliver Queen zu telefonieren. Der engagiert sich für sozial benachteiligte Menschen und möglicherweise kann er Mayson ein Stipendium an der Uni in Star-City verschaffen. Von dort aus kann sie nicht mal eben hier in Smallville auftauchen, wie von Metropolis aus. Alles klar?“

Alicia versetzte Christian einen Klaps mit der flachen Hand auf die Brust. „Du bist ein berechnendes Bürschchen, mein Lieber.“

Christian blickte Alicia fragend in die Augen. „Denkst du, es war falsch ihr meine Hilfe anzubieten?“

Alicia schüttelte den Kopf. „Nein, aber wenn du dich nochmal mit ihr in ein Bett legst, dann bekommst du ernsthaft Ärger mit mir, soviel darfst du wissen.“

„Das wird nicht passieren, mein Engel.“

Sie küssten sich lange und sehr leidenschaftlich. Dann blickte Alicia den Jungen verliebt an und sagte sanft: „Wir zwei werden in den nächsten Tagen noch einige sehr lange Gespräche führen, denn ich möchte dir davon erzählen, was in mir vorgeht, und wie ich letztlich auf diese verrückte Idee gekommen bin, bei Mandys und Rhondas Plan mitzumachen. Auch ich möchte keine Geheimnisse vor dir haben, Chris.“

„Abgemacht“, lächelte Christian erleichtert, und froh darüber, dass sie beide ihren ersten Streit erfolgreich beilegen konnten. Plötzlich sehr aufgewühlt sagte er dann, beinahe feierlich: „Du bist die Richtige für mich, Alicia, und wirst es hoffentlich immer sein.“

Im nächsten Moment küssten sie sich erneut, und beide Teenager fühlten sich in diesem Moment vollkommen glücklich und zufrieden.

Bei Neil in Kansas-City

Gleich am nächsten Nachmittag, nach der Schule, stieg Christian in seinen Pickup und machte sich auf den Weg nach Kansas-City. Am Vorabend hatte er Neil Fender angerufen, und ihm sein Kommen angekündigt. Am Handy hatte Neil etwas verwundert geklungen, dass er ihn angerufen hatte, doch Christian hatte alle Fragen Neils damit abgeschmettert, ihm alles zu erklären, sobald er in Kansas-City bei ihm war.

Vom Navigationsgerät seines Pickups geleitet fand er schließlich die Gegend, in der sich Neil eine Bude genommen hatte. Als er endlich vor der Tür der Studentenbude stand, atmete er tief durch und klopfte an die Tür. Das was nun kam, so viel ahnte Christian, würde nicht besonders lustig werden.

Er hatte Neil ein Buch von Terry Pratchett mitgebracht, da er nicht mit leeren Händen zu ihm kommen wollte und wusste, dass Neil auf dessen Geschichten stand. Notfalls würde sich der Wälzer auch ganz gut dazu eignen, ihm einen Schlag auf den Hinterkopf zu verpassen, ganz abhängig davon, wie Neil die Neuigkeit aufnehmen würde.

Die Tür wurde geöffnet und Neil blickte ihn, mit einer Mischung aus Freude und Neugier an.

„Hi Chris, schön dich zu sehen. Komm doch rein, aber achte nicht auf die Unordnung, okay.“

„Mach dir deswegen mal keine Gedanken“, erwiderte Chris unbedacht.

Erst dann wurde ihm bewusst, dass er seine Gedanken laut ausgesprochen hatte, und er räusperte sich. Neil, der nicht auf seine Anspielung reagierte, das in Geschenkpapier eingeschlagene Buch reichend, meinte Christian dann: „Ich hoffe, dieses kleine Präsent gefällt dir.“

Neil entfernte das Papier und sagte dann begeistert: „Hey, cool. Das wollte ich mir seit einiger Zeit schon zulegen.

Christian beobachtete den Jungen dabei, wie er das Buch in sein Regal legte, bevor er sich wieder umwandte und meinte: „Ich habe Kaffee gekocht und Kuchen besorgt – möchtest du welchen?“

„Respekt“, spöttelte Christian gutmütig und war für die kleine Galgenfrist dankbar. Er wollte auch nicht unbedingt mit der Tür ins Haus fallen, und besonders nicht mit dieser Tür...

Schnell räumte Neil ein paar Pizzaschachteln mit darin befindlichen Resten vom Couchtisch des Wohnraum und verschwand kurz in der kleinen Küche der Bude, um wenig später mit einer Platte mit Kuchen und einer Kanne Kaffee wieder aufzutauchen. Nochmal in der Küche verschwindend, um auch Tassen, Milch und Zucker zu besorgen, war er gleich darauf wieder bei Christian und sie saßen sich schließlich am Tisch gegenüber.

Während sie beide zugriffen und sich ein Stück des Kuchens einverleibten, fragte Neil schließlich: „Also, dann schieß´ mal los. Was treibt dich so drängend her?“

Das war´s mit der Galgenfrist, dachte Christian düster und nahm einen Schluck Kaffee, bevor er Neil ernst ansah und vorsichtig begann: „Ich bin wegen Samantha hier. Seit einiger Zeit ist sie ziemlich bedrückt und...“

Wie von der Tarantel gestochen fuhr Neil aus dem Sessel und platzte heraus: „Hey, das liegt ganz bestimmt nicht an mir! Aber sie weicht mir seit zwei Wochen aus und seit einer Woche nimmt sie nicht mal mehr Anrufe von mir an! Ist vielleicht auch besser, den zuletzt haben wir am Handy nur noch gestritten. Ich weiß einfach nicht, was mit dieser verrückten Zicke eigentlich los ist!“

Christian erhob sich ebenfalls und sagte beruhigend: „Genau das ist der Punkt, an dem es hakt, fürchte ich.“

Er hoffte, dass Neil bereits an diesem Punkt verstehen würde, doch missmutig stellte er fest, dass das nicht der Fall war. Er versuchte es mit einem etwas weniger zarten Wink und meinte: „Vielleicht hat es sie ja gekränkt, wie du über das Kinderkriegen denkst. So etwas kann bei Mädchen schwer auf´s Gemüt schlagen.“

„So ein Blödsinn! Das ich nicht vor dem ersten Herzinfarkt Vater werden will, das habe ich bloß im Scherz gesagt. Das kann sie doch unmöglich ernst genommen haben.“

Christian erkannte, dass es bei Neil immer noch nicht klingelte, deshalb fragte er sehr direkt: „Was würdest du denn tatsächlich dazu sagen, wenn du erfahren würdest, dass deine Freundin ein Kind von dir bekommen würde?“

Neil, der immer noch nicht ahnte, worauf Christian hinaus wollte antwortete prompt: „Nun, ich würde mich vielleicht darüber freuen.“

„Na, dann freu dich mal“, entgegnete Christian in komische Verzweiflung. „Und zwar jetzt gleich, denn Samantha ist tatsächlich schwanger von dir. Ihr zwei habt, gleich beim ersten Mal, den goldenen Schuss gelandet. Herzlichen Glückwunsch.“

Ungläubig und erschrocken zugleich kam Neil etwas näher und wusste zunächst nicht, was er sagen oder denken sollte. Er spürte nur, dass er gerade völlig den Boden unter den Füßen verlor und in einen bodenlosen Schlund zu stürzen schien. Dann fragte er mit einem Anflug von Panik, instinktiv nach einem Ausweg suchend: „Ist es denn sicher, dass Samantha von mir schwanger ist?“

Christian funkelte Neil wütend an und einen Augenblick klatschte es scharf, als er Neil eine Ohrfeige gab. Noch während dieser völlig verdattert aus der Wäsche sah, fuhr ihn Christian wütend an: „Die hast du, an Samanthas Stelle, von mir bekommen, weil du deine Freundin eben als Schlampe hingestellt hast. Und machst du das nochmal, dann werde ich ganz sauer, denn eins habe selbst ich mittlerweile über Samantha herausgefunden: Sie ist ganz bestimmt kein Früchtchen.“

Sich die brennende Wange haltend murmelte Neil: „Entschuldige bitte, aber ich bin gerade völlig von der Rolle.“

Christian beschloss, den momentanen Schockzustand etwas für Samantha zu nutzen, indem er zurück gab: „Sei froh, dass dir das bei mir, und nicht bei ihr, herausgerutscht ist. Hör mir zu: Für dich mag das ein Schock gewesen sein, aber sie ist es, die schwanger ist und es ihren Eltern beibringen muss, klar? Und für Samantha war es ganz bestimmt kein geringerer Schock, als für dich eben.“

Beschämt nickte Neil wortlos und stand da, wie ein armer Sünder.

Christian hatte endlich ein Einsehen und legte dem Freund versöhnlich die Hand auf die Schulter.

„Hey, Samantha hat dich doch nur auf Distanz gehalten, weil sie total unsicher war, wie du auf diese Nachricht reagieren würdest. Dabei hätte sie so gerne mit dir gesprochen und sich an dich gelehnt, in ihrem Zustand. Und bevor du noch so eine blöde Frage stellst: Sie zieht eine Abtreibung nicht in Betracht.“

Neil nickte in Gedanken. „Das hatte ich auch nicht angenommen. Das würde gegen das gehen, woran Samantha glaubt.“

„Setz´ dich erst einmal hin“, meinte Christian und führte Neil zu seinem Sessel.

Auch er selbst nahm wieder Platz und übernahm es, ihnen beiden noch Kaffee nachzugießen. Schließlich durchbrach er das Schweigen und meinte: „Es wäre gut, wenn du Samantha, gleich dieses Wochenende, besuchen würdest. Sie vermisst dich bestimmt sehr und sie will ihren Eltern nicht ganz allein beichten müssen, was los ist. Es ist deine Aufgabe an ihrer Seite zu stehen, auch wenn es schwer fällt.“

Neil blickte Christian an und antwortete schließlich: „Du hast Recht. Ich finde es toll, wie du dich für sie einsetzt, wo ihr doch auf Alicias Geburtstagsfeier ziemlich an einander geraten seid.“

Christian grinste schief: „Das ist vielleicht mehr so ein europäisches Ding. Weißt du: Während der Ritterzeit gab es für einen Mann, der einer Frau zur Seite stand, ohne sie zu begehren, einen Begriff. Man nannte ihn, einen Kämpen. Das Wort bezeichnet einen Kämpfer für die Gerechtigkeit; heutzutage würde man wohl Held sagen. Heute habe ich die Rolle des Kämpen für Samantha übernommen, ohne Rücksicht auf das was gewesen ist. So, und nicht anders, sollte Ritterlichkeit funktionieren.“

Neil nickte.

„Verstehe. Als Adeliger fühlst du dich da verpflichtet. Ich meine, die alten Ritter waren doch durchwegs adeliger Abstammung, richtig?“

Christian blickte nachdenklich zum Fenster hinaus und meinte überlegend: „Seltsam, du bist in dieser Woche bereits der Zweite, der das sagt.“

Dann sammelte er sich wieder und meinte zu Neil gewandt: „Auch wenn du nun vielleicht darauf brennst Samantha sofort anzurufen, ich an deiner Stelle würde bis morgen warten, und dann persönlich mit ihr reden. Wenn du nach den Vorlesungen zeitig losfährst, dann bist du am Nachmittag da. Ich wette, dass sie sich riesig darüber freuen wird, dich das Wochenende über zu sehen. Und falls du kneifen solltest, dann...“

„Schon klar. Dann kommst du im Galopp her geritten und schleifst mich persönlich nach Smallville.“

Christian grinste.

„Genau so sieht es aus, mein Freund.“

Noch immer etwas verwirrt, wegen dessen, was er durch Christian erfahren hatte, blickte er den Deutschen an und fragte nachdenklich: „Chris, was soll werden, wenn sich herausstellen sollte, dass ich der Aufgabe als Vater nicht gewachsen bin? Dieser Gedanke macht mir gerade am meisten zu schaffen.“

„Hey, das wird schon werden“, beruhigte Christian ihn. „Du musst das ja nicht allein durchstehen. Und notfalls werden deine Freunde da sein, um dir den Kopf zurecht zu rücken, wenn du verstehst, was ich meine.“

Er amüsierte sich über Neils Gesichtsausdruck und fügte schnell hinzu: „Von meiner älteren Cousine weiß ich, dass Babys anfangs vor allen Dingen eins machen: Schlafen. Vergiss, was du vielleicht in Filmen darüber gesehen hast, am Anfang wirst du für jede Minute dankbar sein, die das Baby mal wach ist. Und das gefürchtete Nachts aus dem Bett springen ist eine Sache der Erziehung. Bei meiner Cousine hat es ganze zehn Tage gedauert, bis ihre Tochter nachts mindestens sechs Stunden durchgeschlafen hat. Ich sage dir was: Was einige Halbwilde im Amazonasgebiet bereits mit Dreizehn auf die Reihe kriegen, das werden du und Samantha auch noch schaffen, und sobald Samanthas Eltern, und auch deine, den ersten Schock hinter sich haben, werden sie sich darum kloppen, auf das Kind aufpassen zu dürfen, sobald es da ist, jede Wette. Ihr werdet am Ende noch froh sein, wenn ihr das Kind auch gelegentlich mal sehen und in den Armen halten dürft.“

Schon etwas erleichterter drein blickend erwiderte Neil: „Das hört sich alles so easy an, wenn du das so erzählst. Aber meinst du wirklich?“

Christian nickte überzeugt.

„Neil, eure Eltern lieben euch nicht weniger, weil ihr ein Kind erwartet, das glaube ich nicht. Sie werden euch dabei unterstützen, eure Ausbildung abzuschließen, und als Familie zu funktionieren, da bin ich mir sicher. Aber natürlich wird es sie zunächst umhauen, wenn ihr mit ihnen redet, das ist doch klar. Und natürlich werden sie euch ins Gebet nehmen – da müsst ihr eben durch. Also rechnet damit, dass für eine Weile der Hut brennt und steht das durch. Aber das wird sich dann auch wieder legen, Neil. Und falls es unerwartet Geldprobleme geben sollte, dann werde ich, natürlich völlig anonym, einen Fond für verarmte Jungeltern einrichten. Alles klar?“

Befreit aufatmend nickte Neil erleichtert und erwiderte: „Du solltest es mal als Mentaltrainer versuchen, falls deine regulären beruflichen Pläne nicht funktionieren sollten.“

Christian lachte, ohne dass Neil den tieferen Sinn dafür kannte. Dann meinte er schmunzelnd: „Vielleicht mach ich das wirklich irgendwann.“

Nachschwingungen

Als Alicia am Samstagabend, gemeinsam mit Christian durch Smallville flanierte, in Richtung auf das TALON, da blickte sie ihren Freund stolz von der Seite an und meinte: „Ich weiß ja nicht, was du Neil bei eurem Gespräch gestern gesagt hast, aber es muss etwas sehr Wirksames gewesen sein, denn er kam vorhin bei Samantha vorbei um ihr zu sagen, dass er sie liebt, für sie da sein wird, und sie diese Zeit nicht alleine durchstehen muss. Danach hat mich Samantha freundlich aber bestimmt hinauskomplimentiert, weil sie und Neil mit ihren Eltern sprechen wollten.“

Christian sah fragend in die Augen seiner Freundin. „Du kennst Samanthas Eltern länger. Wie werden die wohl reagieren, wenn die beiden ihnen beichten, dass sie demnächst Großeltern werden?“

Alicia lächelte.

„Die werden zunächst schockiert sein, aber sie werden nicht ausflippen oder laut werden, wenn du das gemeint hast. Natürlich werden sie den beiden gehörig den Kopf waschen, weil sie so blöd waren, nicht an Verhütung zu denken, aber sie werden sich danach auch wieder beruhigen und für Samantha da sein, wenn die sie braucht.“

Christian atmete erleichtert auf und verwundert stellte Alicia fest: „Das geht dir wirklich nahe, wie mir scheint.“

Der Junge nickte lächelnd und erwiderte: „Du kennst mich bereits sehr gut. Ja, irgendwie hatte ich mir Sorgen gemacht, dass Samanthas Eltern die Nerven verlieren könnten, obwohl ich sie nicht so einschätze. Weißt du: Ich habe Neil zwar beruhigt, dass das nicht passieren wird, aber ich hätte mich ja irren können. Vielleicht ist es auch der Gedanke daran, dass meine Tante nur noch wenige Monate zu leben hat. Ich habe dir ja gestern davon erzählt. Ein Leben wird nächstes Jahr enden, ein anderes dafür beginnen. Das stimmt mich im Moment etwas melancholisch, schätze ich.“

Alicia blieb stehen und zog Christian in ihre Arme, um ihn spontan zu küssen. Als sie ihn wieder ansah streichelte sie zärtlich sein Gesicht und sagte leise: „Deswegen liebe ich dich so sehr. Dir sind die Menschen nicht egal. Du sorgst dich um sie, wenn es ihnen nicht gutgeht, und das macht dich so eminent wertvoll, Chris. Bitte höre niemals damit auf.“

Der Junge zog Alicia sanft zu sich heran und erwiderte: „Niemals, Alicia.“

Erneut küssten sie sich und als sie schließlich ihren Weg zum TALON fortsetzten, da sagte Alicia nachdenklich: „Ich kenne nur eine Person, die dir in dieser Hinsicht sehr ähnlich ist, und das ist Clark Kent. Auch bei ihm habe ich, seit ich ihn kenne, schon öfter diesen Zug beobachten können. Was das betrifft könntet ihr zwei glatt Brüder sein.“

Für einen Moment loderte Eifersucht auf Clark in Christian auf. Gleich im nächsten Augenblick schalt er sich einen Narren, weil es dafür gar keinen Grund gab, denn dass Clark und er, vor wenigen Tagen, die Körper getauscht hatten, als er und Alicia gerade dabei gewesen waren, mit einander zu schlafen, das wusste das Mädchen nicht.

Christian fuhr aus seinen Gedanken auf, als sie das TALON erreichten, wo ihnen fast Chloe Sullivan in die Arme lief, die das Cafe gerade verließ.

Überrascht in Christians Gesicht blickend begann das blonde Mädchen zu lächeln und stieß dabei hervor: „Toll, genau der Typ, den ich brauche. Kann ich dich für einen Moment unter vier Augen sprechen?“ Das blonde Mädchen blickte kurz zu Alicia und versicherte ihr: „Dauert nur ein paar Minuten.“

Christian drückte Alicia einen flüchtigen Kuss auf die Wange und meinte zu ihr: „Such uns schon mal einen Platz auf der Galerie, Honey, ich bin sofort bei dir.“ Danach wandte er sich Chloe zu und sagte: „Kein Problem. Was liegt denn an?“

Während Alicia nickte und das TALON betrat, schritt Chloe mit Christian etwas vom Eingangsbereich weg und antwortete schließlich: „Es geht um Clark. Ich mache mir Sorgen, weil er... Nun ja, irgendwie scheint er in der letzten Zeit ein ganz Anderer zu sein.“

Mit einem unguten Gefühl im Magen blickte Christian in die blau-grünen Augen des Mädchens und erkundigte sich, obwohl er nur allzu gut wusste, was Chloe meinte, forschend bei ihr: „Wie meinst du das?“

Chloe druckste etwas herum, bevor sie sich dazu entschloss auf den Kuss in Clarks Scheune zu sprechen zu kommen, den im Grunde gar nicht Clark, sondern er, in Clarks Körper, erwidert hatte. Nachdem sie geendet hatte, nickte Christian. Er konnte ihr schlecht erzählen, was wirklich passiert war, darum antwortete er: „Clark hat mir davon erzählt.“

Chloes Gesicht drückte leisen Unwillen aus, als sie erwiderte: „Toll, vielleicht sollte ich dir einen Umhang besorgen, und dich Horatio nennen.“

„Der war gut“, meinte Christian ablenkend. „Darf ich mir den Spruch, bei Gelegenheit, mal borgen.“

„Nur unter exakter Quellenangabe“, knurrte das Mädchen finster und kam dann zum eigentlichen Thema zurück. „Was dir Clark aber vermutlich nicht erzählt hat ist, dass er sich alles Andere als gewehrt hat, gegen meinen Kuss. Im Gegenteil, er hat ihn so leidenschaftlich erwidert und mich dabei so sanft berührt, dass ich den Eindruck hatte, es wäre gar nicht Clark gewesen, sondern irgendein anderer Junge.“

Christian, der nicht wusste, was er von Chloes letzter Bemerkung halten sollte trat die flucht nach Vorne an und erklärte ironisch: „Klar, Clark wechselt regelmäßig seinen Körper mit mir, und dann ziehen wir die Jekyll-and-Hyde-Nummer ab. Hat er dir davon etwa gar nichts erzählt?“

„Scherzkeks“, fauchte Chloe frustriert. Gleichzeitig wurde ihr klar, dass ihre vorangegangene Bemerkung auch kaum dazu angetan war, eine ernsthafte Reaktion herauszufordern und so räumte sie etwas missmutig ein: „Du hast ja recht, es klingt verrückt, aber das hier ist Smallville, und da passieren nun mal verrückte Dinge.“

„Aber doch nicht so verrückte Dinge“, widersprach Christian, der spürte, dass er Chloes Vermutung schon halbwegs zerstreut hatte.

Chloe nickte nachdenklich. „Aber in dem Fall bleibt das Rätsel, warum mich Clark so aufregend geküsst und berührt hat. Denn erst am letzten Samstag hat er mir ins Gesicht gesagt, dass er nicht dasselbe für mich empfindet, wie ich immer noch für ihn, und das hat er nun wirklich sehr überzeugend rübergebracht.“

Christian spielte nun den stärksten Trumpf aus, der ihm einfiel und er entgegnete: „Nun ja, ich vermute, dass Clark auch von dem Getränk aus dem Gleichgewicht gebracht worden ist, der auch einige der anderen Jungs des Teams hat ausflippen lassen. Ich schätze, dass ihm das im Nachhinein ziemlich peinlich gewesen ist. Du, nur in Clarks Footballshirt, mit ihm auf der Couch, und seine Hände auf deinen nackten Hüften darunter, das hat ihn bestimmt mächtig aus dem Tritt gebracht, meinst du nicht auch?“

Chloe blickte Christian etwas verwirrt an. Dann schwand der Ausdruck aus ihrem Gesicht und sie sagte leichthin: „Ja, das wird es gewesen sein. Dann will ich dich mal nicht länger von deiner Freundin fernhalten, Chris.“

Der Junge lächelte erleichtert, als sich Chloe abwandte und die Straße entlang schritt. Dann fiel ihm noch etwas ein und er rief ihr nach: „Ach Chloe: Wenn du Lois das nächste Mal siehst, dann grüße sie von mir und sage ihr, dass ich mich bei ihr bedanke. Sie wird dann schon wissen, was ich meine!“

„Mache ich!“, rief Chloe über die Schulter hinweg zurück und schritt dann, mit grüblerischer Miene, schneller aus.

Die Rätsel, die sie umgaben waren nicht weniger geworden, sondern es war noch ein weiteres hinzu gekommen. Denn auch wenn Clark Chris davon erzählt hatte: Woher wusste Christian so verdammt genau, wo sich Clarks Hände in dem Moment befunden hatten?“

Chloe blieb auf dem Bürgersteig stehen und wandte sich zum TALON um. Von Christian war nichts mehr zu sehen, doch die Gedanken des Mädchens kreisten um seine letzten Worte. Dutzende von Vermutungen schossen ihr dabei durch den Sinn, und aus Erfahrung wusste das Mädchen, dass für Gewöhnlich eine dieser Vermutungen meistens den Nagel auf den Kopf traf, in solchen Situationen. Sinnend legte sie den Kopf leicht auf die Seite und dachte dabei: Das letzte Wort in dieser Angelegenheit ist wohl noch nicht gesprochen worden, würde ich sagen.

Dann überflog ein seltsames Lächeln ihre Lippen. Ihr Reporterspürsinn war geweckt worden, und sie würde nun dranbleiben, bis sie herausgefunden hatte, was ihr anscheinend weder Clark, noch Chris, sagen wollte. Doch das würden sie schon noch, spätestens dann, wenn sie beide Jungs am Ende mit den Tatsachen konfrontierte. Sie wandte sich wieder um und schritt, mit einem entschlossenen Zug auf dem hübschen Gesicht, weiter.

 

 
 

TO BE CONTINUED...
 



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