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Cold to the touch

Hamburg in den Schatten
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hier nun das erste richtige Kapitel und das erste Auftauchen Roberts - oder einfacher gesagt: Des nützlichsten Kontakts. Denn Pakhets Autos wissen die Existenz Roberts definitiv zu danken :P Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ein weiteres Kapitel - und dieses Mal eins, wo wir ein bisschen mehr über Joannes Hintergrund, bzw. ihren Job erfahren ;)
Es ist sehr ärgerlich, dass es keine Detailkarte für Hamburgs Hafen gibt, möchte ich einmal anmerken :P Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Kommen wir zu dem wahrscheinlich brutalsten Kapitel der Geschichte. Also mit das Kapitel, für das die Triggerwarnung am meisten angebracht ist ;) Just saying! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich habe letzte Woche im Umzugsstress vergessen, ein neues Kapitel hochzuladen @.@ Sorry. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Das letzte Kapitel - abgesehen von einem Epilog der noch kommt :D
Das Ende mag eventuell unerwartet sein! ;) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, das ist dann auch das letzte Kapitel :)
Ich werde auch bald anfangen die Geschichten-Fassung des eigentlichen Spiels hochzuladen - allerdings werden die auf Englisch geschrieben sein ;)
Ich hoffe diese Geschichte hat gefallen ^-^ Komplett anzeigen

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Kalibrierung

„Bewegen Sie bitte Ihre Finger.“

Joanne blinzelte und konzentrierte sich auf ihre Finger. Für einen Moment geschah nichts, doch schließlich zuckten die Fingerspitzen ihrer rechten Hand.

„Sehr gut, sehr gut“, sagte Dr. Thurston. „Jetzt die andere Hand.“

Eigentlich hatte sie gewusst, dass die Cyberware nicht sofort reagieren würde. Doch es fühlte sich einfach seltsam an, diesen Arm zu sehen, der beinahe genau wie ihr ehemaliger Arm aussah, jedoch ein ganz anderes Gefühl mit sich brachte. Es war kein Gefühl der Taubheit, wie es ihr zuvor beschrieben wurde, sondern eher das Gefühl, dass etwas fehlte.

Auch die Finger der linken Hand bewegten sich.

„Sehr gut“, sagte der Arzt erneut, während seine Augen über Daten auf seinem Deck wanderten. Seine Finger fuhren über die Oberfläche des Geräts, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Joanne oder viel mehr ihren Armen zu. „Probieren Sie als nächstes, eine Hand zu einer Faust zu ballen.“

Sie nickte matt und tat wie ihr geheißen. Wieder dauerte es vielleicht ein, zwei Sekunden, bis ihre Hand reagierte und die Hand sich zu einer Faust zusammenzog.

Dabei nahm sie wahr, wie die Finger die kühle Synthetikhaut der Handfläche berührten. Die Informationen wurden von Sensoren an ihr Gehirn weitergeleitet und doch kam es ihr vor, als wäre „fühlen“ das falsche Wort dafür.

Dr. Thurston befühlte die Hand, überprüfte offenbar, wie angespannt die künstliche Muskulatur war. „Sehr gut, sehr gut“, murmelte er wieder und wandte sich dann der anderen Hand zu. „Noch einmal mit links, bitte.“

Auch mit links dauerte etwas, bis ihre Hand reagierte.

Joanne kam nicht umher sich zu fragen, ob es einfacher wäre, würde sie sich nicht fühlen, als hätte ein Troll sie niedergetrampelt.

„Gut, gut...“ Irgendwie wirkte der Arzt geistesabwesend, ehe er wieder einige Einstellungen mithilfe des Decks, das über das WiFi mit den Cyberarmen verbunden war, veränderte. „Noch einmal bitte.“

Schweigend tat sie, worum der Arzt sie bat.

Tatsächlich reagierten die Hände dieses Mal schneller, wenngleich – so stellte sie fest – nicht mit derselben Leichtigkeit, wie noch vor ein paar Wochen mit ihren Händen aus Fleisch und Blut.

„Ja, das ist gut“, bestätigte der Arzt, machte sich nun mit seinem Deck einige Notizen und sah sie dann wieder an.

Er war noch jung, kaum älter als 30, doch war dies nicht ungewöhnlich, wenn man an die Förderungen dachte, die Konzerne vielversprechenden Talenten zukommen ließen – und dazu all die Möglichkeiten, die Bioware mit sich brachte.

„Versuchen Sie jetzt Ihre Hand etwas zu drehen“, wies er sie nun an.

Erneut tat sie, wie ihr geheißen, während der Arzt weiter Einstellungen mit seinem Deck veränderte. Dabei stellte sie fest, dass die Bewegung noch etwas leichter wurde.

„Gut“, sagte der Arzt wieder. „Versuchen Sie jetzt, den Arm anzuwinkeln.“

Joanne hob den Unterarm an, stützte sich dabei aber weiterhin mit dem Ellenbogen auf die breiten Armlehnen des medizinischen Stuhls. Dennoch konnte sie nicht umher, erneut die Veränderung im Gewicht zu spüren, gegenüber ihren normalen Armen. Man sagte, dass Cyberware mittlerweile soweit fortgeschritten war, dass es leicht viel, das Gewicht an das natürliche Gewicht einer Gliedmaße anzupassen, doch es stimmte nicht ganz. Das Gewicht fühlte sich anders an. Schwerer. Vielleicht nicht viel, aber dennoch war es bemerkbar, selbst wenn sie das Gewicht des Arms noch größtenteils aufstützen konnte.

„Die Cyberware wird sich am Anfang noch etwas ungewohnt anfühlen“, meinte Dr. Thurston, als hätte er erraten, was sie dachte. „Aber Sie werden sich daran gewöhnen.“ Während er sprach, sah er ihr kurz ins Gesicht, auch wenn sie bemerkte, dass er ihrem direkten Blick auswich, wandte sich jedoch schnell wieder ihren Armen zu.

So ging es weiter. Noch einmal die Finger bewegen. Noch einmal den Arm anwinkeln. Die Faust ballen. Die Hand öffnen. Immer wieder veränderte der Arzt die Einstellungen und allein dies machte es einfacher, die Arme zu bewegen.

Der Raum war größtenteils weiß und wirkte, ganz wie zu erwarten, klinisch sauber. Einiges an Medizinischen Equipment war hier untergebracht, angefangen bei einem EKG, über Infusionsequipment, hin zu einem Micro-Hirnströme-Messgerät. An einem Bildschirm an der Wand, waren noch immer die Röntgenbilder zu sehen, die zeigten, wie die Cyberhalterung mit ihrer Schulter verwachsen war.

„Sehr gut“, murmelte der Arzt schließlich und machte sich ein paar letzte Notizen. „Die Anbindung an das Nervensystem scheint keine Probleme zu bereiten. Alles ist nach Plan verlaufen.“

Joanne nickte nur.

„Haben Sie im Moment noch Schmerzen?“, erkundigte sich Dr. Thurston.

„Nein“, erwiderte sie nüchtern, wusste sie doch zu genau, dass man ihr wahrscheinlich genau so viele Morphine in den Körper gepumpt, wie es medizinisch überhaupt möglich war.

„Gut“, erwiderte der Cyberarzt. „Wie abgesprochen werden wir Sie die nächsten zehn Tage noch unter Beobachtung lassen. Es kann sein, dass sie zwischendurch Phantomschmerzen spüren werden, was nach einem Eingriff dieser Natur vollkommen normal ist. Sollten Sie eine höhere Dosierung des Schmerzmittels wollen, sprechen Sie es einfach an. Es kann auch sein, dass Sie in den nächsten Tagen noch plötzliche Übelkeit verspüren. Das ist ein Nebeneffekt der Regenerationslösung und nicht weiter bedenklich.“

Sie nickte. „In Ordnung“, meinte sie dann leise, als sie merkte, dass er offenbar eine vokale Antwort von ihr erwartete.

„Dann wären wir für heute erst einmal fertig“, sagte Dr. Thurston, nun offenbar bemüht etwas informeller zu sein. „Ich freue mich, dass Sie den Eingriff gut überstanden haben.“

Joanne nickte nur. Oberflächliche Nettigkeiten waren doch nie mehr als das.

„Ich werde eine Schwester rufen, die Sie in Ihr Zimmer zurückbringt.“ Der Cyberarzt machte noch eine Eingabe.

„Das ist nicht nötig“, erwiderte Joanne, gröber als nötig. „Ich kann selbst laufen.“ Sie machte Anstalten sich zu erheben, auch wenn der Arzt reflexhaft reagierte und sie versuchte in den Behandlungsstuhl zurück zu drücken.

„Bitte, bleiben Sie sitzen. Ihr Kreislauf hat sich noch nicht von dem Eingriff erholt.“

Joanne wusste, dass es unnötig war, sich dagegen zu wehren, sie wusste auch, dass es besser wäre, zu tun was man ihr sagte, doch sie kämpfte dennoch dagegen an und schaffte es schließlich, sich aufzurichten. Bevor sie aber nur die Füße auf den Boden setzen konnte, begann ihr bereits der Kopf zu schwirren, als ihr Kreislauf nachgab.

„Lehnen Sie sich wieder zurück“, wies Dr. Thurston sie an und da sie merkte, dass sie ansonsten jeden Moment gänzlich das Bewusstsein verlieren würde, ließ sie sich gegen die Rückenlehne zurücksinken.

Die Stimme des Arztes klang auf einmal, wie durch Watte gedämpft. „Sie müssen vorsichtig sein. Sie sind noch nicht geheilt.“ Während er sprach fühlte er ihren Puls am Hals. „Es wird ein paar Tage dauern, bis sie wieder auf den Beinen sind.“

Doch erneut erwiderte Joanne nichts. Sie hatte jetzt schon das Gefühl, dass dies die längsten zehn Tage ihres Lebens werden würden.

Kontrolle

Es war nicht so leicht, wie all die Werbung für Cyberware es einen glauben lassen wollte. Lag es nur an ihr?

Ein Schlag, der zu plötzlich stoppte. Der nächste Schlag, langsamer, durchgezogen, aber nicht mit voller Kraft. Der Schlag danach war zu kräftig und ließ den Sandsack beinahe gegen die Wand schlagen.

Als man Joanne entlassen hatte, hatte man ihr noch gesagt, dass sie sich für zwei weitere Wochen zurückhalten sollte, doch es war ihr in der Konzernklinik schon schwer gefallen, sich zurück zu halten. Sie wollte wieder etwas tun, sie wollte so schnell wie möglich wieder raus, arbeiten, und vor allem wollte sie sich nicht schwach und krank fühlen.

Noch ein Schlag, der wieder nicht den beabsichtigten Schwung hatte.

Insgesamt war alles noch viel schwerer, als es mit biologischen Armen gewesen war. Die cybernetischen Hände fühlten sich roh und ungeschickt an, die Arme als ganze waren noch um so vieles langsamer, als es früher der Fall gewesen war.

Doch waren sie auch viel stärker. Denn auch wenn es ihr schwer fiel, die richtige Kalibrierung zu finden, um gezielt und mit genau der richtigen Kraft zuzuschlagen. Letzten Endes war das menschliche Gehirn nicht automatisch darauf programmiert, eine Prothese – und sei sie auch noch so fortgeschritten – zu bedienen.

Der nächste Schlag hatte nicht den richtigen Winkel und streifte beinahe am Sandsack vorbei.

Es war frustrierend für sie. Immerhin bildete Joanne sich durchaus etwas auf ihr kämpferisches Können ein, selbst wenn es seit ihrer Jugend immer weniger geschätzt wurde. Doch immerhin war sie bisher immer schnell und präzise gewesen – etwas, dass sie mit diesen Armen einfach nicht zu erreichen schaffte.

Natürlich wusste sie, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis sich Gehirn und Nerven daran gewöhnt hätten, dass diese Arme sich nun einmal anders bewegten, als es bei den Armen aus Fleisch und Blut der Fall war, doch im Augenblick war es einfach nur frustrierend.

Sie konzentrierte sich, um mehr Kraft in den nächsten Schlag zu setzen, doch war es dieses Mal zu viel Momentum und der Sandsack schwang erneut in Richtung der Wand und dann wieder zurück. Anstatt den Sack festzuhalten, versuchte sie den richtigen Moment abzupassen, nur um dieses Mal komplett zu verfehlen.

Sie seufzte, von sich selbst geärgert, und hätte eigentlich weitergemacht, hätte in dem Moment nicht ein melodisches Ringen verkündet, dass sie einen Besucher hatte.

Eigentlich musste Joanne nicht einmal an die Tür gehen und auf den kleinen Monitor schauen, der ihr den Besucher zeigte, um zu wissen, dass es Robert war. Immerhin war Robert der einzige, der sie einen halben Tag, nachdem sie aus der Klinik entlassen war, besuchen würde.

„Komm rein“, grummelte sie in die Gegensprechanlage und öffnete die Tür, holte sich dann ein Handtuch aus dem Badezimmer, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen.

Dabei kam sie noch immer nicht umher zusammen zu zucken, als einer der Finger ihre Haut berührte, denn diese Finger waren kalt und das auf eine gänzlich andere Art und Weise, als es die Hände manchmal im Winter waren. Es war eine unnatürliche Kühle, die von den Händen ausging, selbst wenn sie oberflächlich betrachtet noch immer aussahen, wie die früheren Fleischarme. Die Haut hatte dieselbe Farbe und Struktur, ja, bei den synthetischen Armen hatte man sich sogar die Mühe gemacht, kleine Details wie Muttermale auf der Haut zu imitieren.

Als sie zurück in den Flur der eher kleinen Wohnung kam, hörte sie den Aufzug draußen gerade ankommen.

„Heyda“, erklang die übertrieben fröhliche Stimme Roberts bereits, als sich die Tür des Aufzugs öffnete. „Habe dir etwas mitgebracht!“

Joanne sah schon, was er meinte, hatte er doch immerhin einen großen, flachen Karton in den Händen. „Juhu, Soy-Pizza.“ Ihre Stimme triefte förmlich vor Sarkasmus und sie hob eine Augenbraue.

„Ich kann sie auch alleine essen, wenn es Madame nicht passt“, erwiderte Robert trocken.

Dann grinsten sie beide.

„Na, wie geht es dir?“, fragte Robert und legte einen Arm um sie, während er mit der freien linken Hand die Pizza weiter balancierte.

„Relativ gut, schätze ich“, erwiderte sie, auch wenn ein leises Seufzen in ihrer Stimme mitschwang.

Robert kam offenbar nicht umher, seinen Blick auf ihre Schultern zu fixieren, welche nicht einmal auffällig ausgesehen hätten, wäre die echte Haut nicht dort, wo die Silikonhaut endete, gerötet gewesen, was dank ihres Tanktops nur zu gut sichtbar war.

„Nun“, meinte er schließlich, „du stehst, also scheint es dir nicht zu schlecht zu gehen.“ Dann sah er sie zweifelnd an. „Hoffe ich zumindest.“

„Ich habe mich schon einmal besser gefühlt, aber auch schon maßgeblich schlechter. Also was will man tun?“, antwortete sie und hätte wohl mit den Schultern gezuckt, was sie nun aber unterließ, da es sich aktuell zu seltsam anfühlte. „Komm erst einmal rein“, fügte sie dann hinzu, da sie noch immer halb im Türrahmen standen.

Robert nickte und folgte ihr, so dass sie die Tür hinter ihm schließen konnte.

„Und?“, meinte er, während er seine dünne Jacke auszog. „Wann darfst du wieder in den Dienst zurück?“

„Zwei Wochen“, grummelte sie.

„Oh.“ Mehr wusste er dazu nicht zusagen. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, wie schlecht sie darin war, einfach zuhause herumzusitzen. „Na ja, was hältst du von einem Videoabend? Mit Soy-Pizza.“

„Von mir aus“, meinte sie seufzend. „Aber lass mich erst duschen.“

„Hast du noch nicht...“, begann er und sah sie prüfend an.

„Nein“, erwiderte sie nur, auch wenn es nicht ganz stimmte. „Warte kurz, ja?“

Robert zuckte mit den Schultern. „Natürlich. Ich flätze mich auf dein Sofa und wenn du irgendwelche Hilfe brauchst, sag Bescheid.“

„Natürlich“, sagte sie und verdrehte nur die Augen, ehe sie ins Badezimmer zurückging und die Tür hinter sich verschloss.

Sie brauchte nie besonders lang zum Duschen. Da ihr blondes Haar kurz und stachelig war, ging das waschen schnell, und da das Duschen nicht mehr als ein Mittel zum Zweck war, verplemperte sie auch ansonsten keine unnütze Zeit unter dem gerade einmal lauwarmen Wasserstrahl.

Dennoch brauchte sie länger als gewöhnlich, da auch hier die ungewohnten Cyberarme im Weg waren und sie sich jedes Mal, wenn die kühlen Finger ihre Haut berührten, zusammenreißen musste, um nicht zusammen zu zucken.

Als sie letzten Endes in das recht kleine und ziemlich leere Wohnzimmer zurück kehrte, trug sie wieder ein Tanktop, wenngleich ein sauberes, und eine dunkle Jogginghose. So ließ sie sich neben Robert fallen, der den Fernseher angestellt hatte und die Wiederholung irgendeiner alten „Fire-Team Cherokee“ Folge sah.

„Na, hast du mir noch etwas übrig gelassen?“, fragte Joanne mit Blick auf den Pizzakarton.

„Ich habe natürlich auf dich gewartet“, antwortete Robert mit gespielter Empörung. Er nahm die Fernbedienung und wählte die Trideo-Mediathek aus. „Und? Worauf hast du Lust?“

Joanne nahm den Karton vom Boden auf, wo Robert sie mangels eines Wohnzimmertisches abgestellt hatte, auf und öffnete sie. Sie bevorzugte echten Käse, gegenüber den chemischen Imitaten auf Sojabasis, wusste aber, dass Robert sich dergleichen nicht leisten konnte, weshalb sie sich nicht beschwerte. „Mir egal“, meinte sie und nahm sich eins der Stücke.

„Was hältst du von irgendeinem veralteten Streifen?“, fragte Robert.

Joanne hatte geahnt, dass diese Frage kam. Robert hatte eine seltsame Faszination für Filme, die zwischen 2000 und 2020 erschienen waren. Natürlich war dies noch immer besser als jene Filme aus dem letzten Jahrtausend, die selbst mit modernster Nachbearbeitung noch immer seltsam aussahen, doch wirkten auch diese Filme auf einem Trideo-Fernseher seltsam statisch – nicht, dass sie besonders viel auf die moderne Trideotechnik gab.

Wieder verkniff sie es sich mit den Schultern zu zucken. „Keine Einwände“, sagte sie stattdessen nur.

So saßen sie wenig später da und sahen einen uralten Superheldenfilm von 2018, während die große Pizza, die Robert mitgebracht hatte, langsam kleiner und kleiner wurde. Es war, wenn man es so bedachte, erstaunlich, dass zur damaligen Zeit überhaupt Filme rausbekommen waren, hatte doch in vielen Teilen der Welt Chaos geherrscht.

Joanne war dieser Abendgestaltung recht dankbar, da es sie auf andere Gedanken brachte. Die ganzen letzten Tage, die sie im Krankenhaus hatte herumsitzen können, ohne sich sinnvoll beschäftigen zu können, hatte sie zunehmend negativ werdende Gedanken in ihrem Kopf hin und hergerollt. Immerhin waren zwischendurch doch immer wieder dumpfe Schmerzen durch den morphin-ausgelösten Nebel gedrungen und es hatte wenig Möglichkeiten gegeben, sich abzulenken, da das Trideo-Programm des Krankenhauses stark eingeschränkt und voller Product Placement gewesen war.

Natürlich, es gab manche, die konnten Zeit totschlagen, indem sie ein Buch in der AR oder gar physisch lasen, was sie zwischenzeitlich auch gemacht hatte, doch am Ende lief es auf eine Sache hinaus: Sie musste sich einfach etwas bewegen. Sie war niemand, der Tagelang einfach nur herumsitzen oder gar herumliegen konnte.

Entsprechend tat es gut, sich mit Robert über den uralten Film lustig zu machen und zu scherzen. Es lenkte sie auch von dem Gedanken ab, dass sie erst in zwei Wochen zurück zur Arbeit konnte.

Zumindest hatte sie noch solange Zeit, um diese ungelenken Arme irgendwie unter ihre Kontrolle zu bringen.

Als schließlich die Credits des Films über den eigentlich für 3D ausgelegten Bildschirm liefen, merkte sie, dass Roberts Blick erneut auf ihr ruhte oder viel mehr ihren Armen. Sie wusste nicht, ob sie es ignorieren sollte oder nicht, doch mit der Zeit wurde es ihr unangenehm.

„Gibt es irgendetwas interessantes zu sehen?“, fragte sie schließlich rau.

Roberts Blick wurde verlegen und er sah rasch wieder zum Bildschirm. „Sorry.“ Er zögerte für eine Weile, während die Namenszüge sich nun seit mindestens fünf Minuten nach oben schoben. Da er nicht besonders gut darin war, irgendetwas zu verbergen, war es ihm anzusehen, dass ihm etwas auf der Zunge lag.

Joanne verschränkte die Arme etwas umständlich vor der Brust. „Was ist los?“

Doch natürlich reichte eine direkte Frage nicht, um ihn sofort zum Reden zu bringen. Er wollte offenbar die gesamte Länge der Credits ausreizen.

„Es ist nichts“, meinte er schließlich und wirkte dabei beschämt.

„Ja, sicher“, entgegnete sie sarkastisch. Eigentlich ahnte sie sehr wohl, welche Frage ihm schon den gesamten Abend auf der Zunge lag.

Mit leisem Seufzen sah er zu ihr herüber. „Ich frage mich nur... Wie fühlt es sich an?“

Wieder kämpfte sie gegen ein Schulterzucken an. „Ungewohnt.“

Da endeten die Filmcredits mit einer Nach-Credit-Szene, die kurz Roberts Aufmerksamkeit beanspruchte, doch als der Fernseher wieder in die Mediathek zurücksprang, sah er zu ihr herüber. Ein deutliches Zweifeln lag in seinem Blick. „Nur ungewohnt? Tut es nicht weh?“

Joanne lachte trocken. „Es gibt Schmerzmittel. Genau für so etwas. Aber es ist ohnehin schon gut verheilt. Ich mein, hey, in zwei Wochen kann ich wieder arbeiten.“

„In zwei Wochen schon?“

„Dann war ich mehr als vier Wochen ausgeschaltet. Das soll doch wohl reichen, oder?“, erwiderte sie missmutig.

„Na ja, ich meine ja nur... Es ist... Eine Menge, oder?“, erwiderte Robert unsicher.

Sie zog eine Augenbraue hoch. „'Ne Menge was?“

„Na ja“, begann er erneut, „eine große Änderung halt. Ich meine, die ganzen Arme... Ich... Ich finde immer noch nicht, dass es nicht sein muss.“

Nun konnte Joanne sich ein genervtes Seufzen nicht verkneifen. Robert hatte auch vorher versucht, ihr das Vorhaben auszureden. Doch das war nie in Frage gekommen. „Man muss sich eben anpassen, Rob. Man muss mithalten können und mit Fleischarmen habe ich keine Chance, wenn ich mal mehr sein will, als die Nachtwache, die nur Befehlen gehorcht.“

„Du hättest dir auch einfach einen anderen Job suchen können.“ Roberts Stimme klang nicht wirklich überzeugt, aber offenbar wollte er es auch nicht einfach fallen lassen.

Dieses Mal zuckte sie mit den Schultern und spürte das unangenehme Ziehen, ließ sich aber nichts anmerken. „Jetzt ist es ohnehin zu spät. Also spar' dir die Worte.“

Robert sah sie mit deutlich unzufriedener Miene an, sagte jedoch tatsächlich nichts mehr und wandte sich für eine Weile erneut dem Fernsehgerät zu, wobei er nur durch die Matrixgebundene Mediathek zappte, ohne sich irgendetwas anzusehen.

„Schmollst du?“, fragte Joanne nach zwei oder drei Minuten des Schweigens.

Robert seufzte und sah sie dann wieder an. „Nein... Ich verstehe es nur nicht.“

„Du musstest dich auch nie allein durchschlagen“, erwiderte sie kühl.

„Ja, vielleicht...“ Betreten sah er nun auf seine Knie. „Tut mir leid.“

„Schon gut“, seufzte sie und sah nun ebenfalls zum Fernseher. Dann streckte sie die Hand aus, um ihm die Fernbedienung abzunehmen, da sie das nervöse Zappen leid war. Er überließ sie ihr, sah sie aber erneut an.

„Deine Finger sind so kalt“, murmelte er.

„Ich weiß“, antwortete sie und wünschte sich, sie hätten dieses Gespräch gar nicht erst angefangen.

Starr

Die Schatten zwischen den Häusern wurden dunkler, während die Sonne irgendwo jenseits der Wolken unterging.

Die Lichter der Stadt rauschten an Joanne vorbei, während sie auf ihrem Motorrad Richtung Hafen raste.

Es war ihr erster Arbeitstag seit der Operation – oder wohl eher die erste Arbeitsnacht, da sie erfahren hatte, dass sie einmal mehr zum Nachtdienst eingeteilt worden war. Eigentlich war sie nicht überrascht, nur minderte es ihre Freude daran, endlich wieder aus dem Haus zu sein.

Letzten Endes war es nicht so, als hätte sie etwas dagegen Nachts zu arbeiten. Doch wusste sie auch, dass es einen Grund dafür gab, dass sie an ihrem ersten Tag direkt wieder diese Schicht erwischt hatte – und dieser Grund war nicht positiv zu sehen. Denn auch wenn es des Nachts bei weitem wahrscheinlicher war, dass der ein oder andere Shadowrunner oder irgendeine Gang auf die Idee kam, in die Hafenlager einbrechen zu wollen oder irgendein Schiff, das beladen wurde, zu überfallen, war der Grund nicht, dass man ihr am ehesten zutraute, damit umzugehen. Im Gegenteil: Der eigentliche Grund, warum sie ständig in der Nachtschicht endete, hörte auf den Namen Dante und war kaum mehr als 120 Zentimeter groß.

Oh, sie wusste jetzt schon, dass sie sich nun, da sie theoretisch stark genug war, seinen Kopf an der Wand wie ein rohes Ei zu zerschlagen, würde sich zurückhalten müssen, nicht eben das zu tun.

Verfluchter Zwerg! Verfluchter, chauvinistischer Zwergenarsch!

Sie vertrieb den Gedanken aus ihrem Kopf und versuchte sich ganz auf die Fahrt zu konzentrieren, die Lichter, die an ihr vorbeirauschte, die Autos, die sie überholte, der Fahrtwind, der ihr entgegenschlug.... Sie wäre gerne, während sie noch krankgeschrieben gewesen war, noch etwas rausgefahren, doch durch die recht eng gezogenen Grenzen und die Wildnis jenseits der Stadt und nicht zuletzt der Tatsache, dass sie – auch wenn sie nur ungern zugab – etwas Ruhe gebraucht hatte, war sie nicht dazu gekommen.

Wenn sie so darüber nachdachte, könnte sie einen richtigen Urlaub gebrauchen, doch würde sie dazu im nächsten Jahr wohl kaum kommen.

Schließlich, als die Dämmerung schon weit voran geschritten war, erreichte sie das Hafengelände von Wuxing International Shipping.

Dem chinesischen Megakon gehörte mittlerweile ein nicht unerheblicher Zeil des Hafengeländes, das in diesem Bereichen mit gut drei Meter hohem Zaun umgeben war, in den jedoch an mehreren Stellen Öffnungen für Tore, die sich zur Seite rollend öffneten eingelassen.

Eines dieser Tore öffnete sich von allein, als es ihre SIN erkannte, so dass sie auf den Parkplatz des Gebäudes, dass gleichzeitig als Security- und Logistikzentrale diente fahren konnte.

Das Gebäude war einer jener Komplexe, die wie aus dem Boden gestampft aussahen: Neun Stockwerke nichts aussagende Betonstruktur. Doch dann wiederum sah ein Großteil der Gebäude in dieser Gegend so aus.

Anders als andere Gegenden der Stadt war der Güterhafen recht nicht zugekleistert mit Leuchtreklamen, und Joanne war dankbar dafür, da sie all die leuchtende Reklame als anstrengend empfand.

Nachdem Joanne schließlich das Motorrad abgestellt und gesichert hatte, nahm sie ihre Ausrüstung und machte sich auf den Weg zum Hintereingang des Gebäudes.

Auch hier öffnete sich die Tür automatisch, als es die SIN erkannte, und sie kam in einen von Neonröhren erleuchteten Flur. Ohne groß darüber nachzudenken, ging sie zum Aufenthaltsraum der Security, der ohnehin im Erdgeschoss gelegen war und schon als sie sich nährte, hörte sie eine Stimme, die dafür sorgte, dass sich ihr Inneres unangenehm zusammenzog.

„Wer kommt denn noch mit?“, grummelte die tiefe Stimme Dantes.

„Ich kann erst kommen, wenn Snyder mich abgelöst hat“, erwiderte die Stimme Daniels, eines Elfen.

„Auf Metalgirl will ich eh noch warten“, meinte Dante hämisch.

Eine dritte Stimme mischte sich ein. „Ich würde sie nicht zu sehr reizen, Dan“, warf Frederik ein.

„Tss, was will sie denn tun?“, entgegnete der Zwerg. „Kündigen? Wäre mir nur recht.“

„Dir irgendwann eine Kugel in den Kopf jagen“, meinte Frederik.

Daraufhin lachte Dante nur. „Dazu fehlen ihr die Eier.“ Noch einmal lachte er. „Natürlich.“

Joanne war an der Tür stehen geblieben. Ein Teil von ihr spielte mit dem Gedanken, die Tür aufzuschlagen und Dante die Cyberpistole an den Kopf zu halten, doch wusste sie gut genug, dass dies ein Grund für eine Kündigung wäre, weshalb sie sich beherrschte.

Sie begnügte sich damit, die Tür sehr energetisch aufzuschlagen. „Abend“, grummelte sie und sah in die Gesichter, der fünf Männer, die Kaffeetrinkend um den Tisch herum saßen und sie ansahen. Neben Dante, Daniel und Frederik, waren auch Jonas und Günter da – auch wenn sie wusste, dass nur Frederik und Jonas bleiben würden, da beide mit ihr zur Nachtschicht eingetragen waren.

Dantes kurzer brauner Bart verschob sich etwas, als er anfing zu grinsen, während zumindest für den Moment die drei anderen Männer erschrocken aussahen.

„Na, Jojo, ist es nicht schön dich wieder dabei zu haben“, meinte Dante, mit einem derart zynischen Unterton, das es für niemanden möglich war, ihn zu überhören.

„Ja, ich bin auch ganz begeistert deine Fratze wiederzusehen“, erwiderte sie nicht minder zynisch.

Auch wenn Dante der Leiter der Sicherheit war, fehlte ihm die Macht, sie rauszuwerfen – sonst hätte er es schon längst getan – weshalb sie sich zumindest patzige Antworten dieser Art erlauben konnte.

„Na, ist unsere kleine Metallady nicht niedlich“, höhnte der Zwerg nur, während sie an ihm vorbei zu ihrem Schließfach, das am Rand des Raumes lag, ging. „Nun, Danny, sieht ganz so aus, als wäre deine Schicht zu Ende“, fügte Dante hinzu, als sie ihn ignorierte.

„Jo, wurde langsam auch Zeit“, erwiderte der Elf, ebenfalls nicht ohne Häme.

„Ich bin zehn Minuten zu früh, du Depp“, zischte Joanne durch ihre Zähne hindurch.

„Sag ich ja“, meinte Daniel, „hättest zwanzig Minuten früher kommen können.“

Dante lachte und klopfte dem Elfen auf den Rücken (auf Taillienhöhe, da er nicht höher reichen konnte). Dann sprang er vom Stuhl. „Kommt Jungs“, rief er und schnappte sich seinen eigenen Motorradhelm.

Auch Daniel und Günter standen auf und folgten ihm zur Tür, wo sich der Zwerg jedoch noch einmal umdrehte.

„Und ihr drei macht euch eine schöne Nacht“, meinte er scherzend. „Und nehmt unsere Lady nicht zu sehr dran, sie ist doch noch angeschlagen.“

„Ich zeig dir gleich angeschlagen“, grummelte Joanne – wenngleich nicht laut genug, dass er sie hören konnte.

„Ist was, Jojo?“, fragte Dante.

„Hau einfach ab“, erwiderte sie, nun laut genug, dass er sie hörte.

Dante und Daniel lachten und kurz darauf hörte sie, wie sich die Tür hinter ihnen Schloss.

Dann spürte sie, wie ihr jemand auf die Schulter klopfte. „Mach dir nichts aus denen, Jo“, meinte Frederik bemüht freundlich.

„Halt's Maul, Fred!“, fuhr sie ihn an. „Ich komm damit schon klar!“

Abwehrend hob er die Hände. „Ist ja schon gut.“

„Und mein Name ist nicht Jo“, fügte sie wütend hinzu, während sie ihre Uniform aus dem Schließfach zog, ehe sie dieses etwas zu heftig zuschlug. „Ich gehe mich umziehen.“ Dabei wartete sie nicht auf eine Antwort und verließ ebenfalls den Raum, da sie sich anders als ihre Kollegen nicht im Aufenthaltsraum umziehen konnte – zumindest nicht, ohne sich alberne Sprüche anhören zu dürfen.

Eigentlich, so dachte sie, während sie sich energisch die Sicherheitsweste, die zur Marineblauen Uniform gehörte, überzog, hatte Robert Recht. Sie hatte keinen Grund, sich das ganze gefallen zu lassen, doch hatte sie auch keine Lust, Kleinbei zu geben. Immerhin hätte Dante dann gewonnen und das wollte sie ihm nicht zugestehen.

Letzten Endes waren es nur Dante, Daniel und vielleicht drei, vier andere, die sich den beiden gerne anschlossen. Andere, wie Fred, waren eigentlich in Ordnung – davon abgesehen, dass sie oft genug meinten, ihr zur Hilfe eilen zu müssen, als wäre sie eine hilflose Prinzessin im Turm des bösen Drachen.

Nein, sie konnte sich selbst wehren. Sie kam auch ohne Hilfe klar. Eigentlich wollte sie nur genau so behandelt werden, wie ihre Kollegen.
 

Zwei Stunden später saß sie gelangweilt und mit einer großen Tasse Kaffee – Soykaffee natürlich, da es hier nichts anderes gab – vor den Überwachungsbildschirmen im Kontrollraum, der direkt neben dem Aufenthaltsraum gelegen war. Fred und Jonas waren raus gegangen, um mit den übrigen Sicherheitskräften zu patrouillieren.

Fred hatte recht bald aufgegeben mit ihr reden zu wollen, nachdem sie ihn mehrfach abgeblockt hatte. Deswegen war sie hier nun allein – was ihr nur mehr als Recht war, selbst wenn sie es bevorzugt hätte, allein durch den Hafen zu gehen. Immerhin hatte sie in den letzten Wochen mehr als genug in Räumen gehockt.

Aber zumindest hatte sie so ihren Kaffee und wenn man sie fragte, machte ein heißer Kaffee viele Situationen erträglich.

Halb gelangweilt ließ sie ihren Blick über die Bildschirme wandern. Nirgendwo gab es etwas zu sehen, das in irgendeiner Form ungewöhnlich gewesen wäre. Auf einigen Bildschirmen sah sie, wie mit einem Kran Container auf ein Schiff verladen wurden. Auf einem Bildschirm sah sie zwei ihrer Kollegen durch das Bild laufen. Auf einem anderen Bildschirm konnte sie eine kleine Gruppe Hafenarbeiter beobachten, die gerade eine Rauchpause einzulegen schienen.

Sie konnte sich ein genervtes Seufzen nicht verkneifen. Zwar war sie nicht besonders erpicht darauf, mit einem ihrer Kollegen auf Patrouille zu gehen, aber nach einer Stunde wurden die Bildschirme ziemlich langweilig, nach beinahe drei Stunden war es schwer gegen die Langeweile anzukämpfen.

Nun, in wenigen Minuten sollte irgendwer wohl zu einer Pause reinkommen und sie würde wohl einen der beiden ablösen können.

Sie nahm einen weiteren Schluck Kaffee und ließ die Augen noch einmal über die Bildschirme wandern, doch auch jetzt war nichts zu sehen. Gut, kurz meinte sie, eine Bewegung auf einem der seitlichen Bildschirme wahrzunehmen, aber als sie ihre Aufmerksamkeit diesem Zuwandte, sah sie nichts. Vielleicht war es ein wilder Hund oder eine Katze gewesen, die irgendwie in den Hafen gekommen war – oder vielleicht eine Monsterratte, die aus dem Hafenbecken geklettert war.

Dafür sah sie nach einigen Minuten schließlich zwei Gestalten ihrer Kollegen sich dem Gebäude näheren und schließlich durch den Hintereingang hereinkommen.

Also leerte sie die Tasse Kaffee und stellte sich in die Tür zum Aufenthaltsraum, kurz bevor Thomas und Jens in den Raum kamen.

„Hey, Jo“, kam es einstimmig von beiden, während sie sich deutlich müde an den Tisch fallen ließen.

„Hey“, erwiderte sie nüchtern. „Kann mich einer von euch an den Monitoren ablösen?“

„Und was machst du dann?“, fragte Jens.

Joanne zog eine Grimasse. „Na was wohl? Ich gehe auf Patrouille.“

Zwei zweifelnde Blicke. Dann: „Bist du dir sicher?“

Sie ließ ein wütendes Schnauben hören. „Ich bin mir sicher, dass ich einschlafe, wenn ich hier noch länger rumhocke.“

Thomas zuckte mit den Schultern, sah sie aber noch immer zweifelnd an. „Wie du meinst. Ich kann hier bleiben, wenn du lieb bist, uns einen frischen Kaffee aufsetzt.“

„Ich bin sicher nicht lieb“, grummelte Joanne, „aber ich will mal nicht so sein. Wenn du dafür hierbleibst...“ Sie ging zur Kaffeemaschine und stellte sie wieder an.

Nachdem die beiden Männer – beide waren Menschen, auch wenn Joanne hätte schwören können, dass Thomas mit seinem bulligen Körperbau irgendwo zumindest einen Ork in der Ahnenlinie gehabt hatte – mit Kaffee versorgt waren, redeten sie noch, während sie ihre Tassen leerte. Joanne beteiligte sich jedoch nicht an dem Gespräch, sondern stand missmutig an der Tür zum Monitorraum, um weiterhin ein Auge auf die Bildschirme zu haben. Vielleicht auch nur, weil sie halb hoffte, dass irgendetwas passierte.

„Kommst du?“, fragte Jens schließlich und stand auf.

„Endlich“, murmelte sie, nahm ihre Waffe vom Tisch vor den Monitoren und steckte sie ins Holster.

„Geduld ist eine Tugend“, erwiderte Jens altklug.

Joanne machte einen verächtlichen Ton.

Zumindest war Jens eigentlich in Ordnung. Er war beinahe schon 40 und hatte ein ruhiges Gemüt, selbst wenn dieses sie auch in die Weißglut treiben konnte.

„Wie fühlen sich die neuen Arme an?“, fragte er auf dem Flur, während sie die Tür nach draußen öffnete.

Sie antwortete nicht, sondern zuckte nur mit den Schultern. „Okay.“

„‚Okay‘, hmm?“, erwiderte Jens und zog eine Augenbraue hoch.

Was sollte sie sonst sagen? Sie würde sicher nicht erörtern, inwieweit die Feineinstellungen teilweise noch Probleme bereiteten, und auch darüber, dass die kalten Berührungen der eigenen Finger sie manchmal noch zusammenzucken ließen, würde sie sicher nicht sprechen. „Ja, ‚okay‘“, wiederholte sie daher nur.

Nun war es Jens, der mit den Schultern zuckte und daraufhin schwieg, was ihr nur Recht war. Ihr war nicht nach Reden zu mute. Nun, sie sprach nun einmal generell nicht gerne mit Leuten, mit denen sie außerhalb der Arbeit nichts zu tun hatte – zumindest nicht mehr als nötig.

So gingen sie schweigend nebeneinander her, einen der üblichen Kontrollwege entlang, der am Zaun entlang und um eine der Container-Flächen herumführte.

Es war eine extrem ruhige Nacht. Tatsächlich war es so ruhig, dass man vergessen konnte, dass es oftmals nicht so war. Zwar wurde ein größeres Frachtschiff beladen, weshalb einzelne Arbeiter sich dort tummelten und einer der Frachtkräne durch die Stille dröhnte, doch gab es keine Anzeichen ungewöhnlicher Aktivitäten. Keine Spur von jemanden, der nicht hier sein sollte, keine Spur von Crittern – eine einfache, langweilige Nacht.

Die einzigen Menschen, denen sie neben den Hafenarbeitern begegneten, waren Kollegen, die ebenfalls Patrouille gingen.

Nun, zumindest war es für gut eine halbe Stunde so, bis sie das Ende des Containerparks erreicht hatten. Es war hier, dass sie ein Licht zwischen den Containerreihen sahen – ganz offenbar von einer Taschenlampe.

„Hallo?“, rief Joanne in die Dunkelheit, während Jens seine eigene Taschenlampe hervorholte und in Richtung des Lichts schien.

Es war ein Mann, der mit einem Notizbrett und einem der Lagerscanner, wie sie Wuxin im Hafen nutzen ließ, zwischen den Containern stand und sich offenbar Notizen machte, während er eine in seine Brille integrierte Lampe verwendete, um für Licht zu sorgen.

Der Mann trug einen Anzug, was ihn hier im Hafen fehl am Platz erscheinen ließ – daran änderte auch die Tatsache nichts, dass der Anzug leicht gepanzert war, wie es mittlerweile nicht unüblich war. Er schien ein einfacher Mensch zu sein und sah alles in allem sehr durchschnittlich aus. Nicht besonders groß, aber auch nicht ungewöhnlich klein, dünn, aber nicht dürr, und mit kurzem braunen Haar.

„Wer sind Sie?“, fragte Joanne, bevor Jens etwas sagen konnte. „Weisen Sie sich aus!“

Der Mann sah auf, auch wenn es dank der Lampe schwer war, seine Augen zu erkennen. „Guten Abend“, rief er zurück, während Joanne auf ihn zukam. „Entschuldigen Sie bitte.“ Mit einer Handbewegung machte er die Lampe aus.

„Wer sind Sie?“, wiederholte Joanne.

„Oh, Entschuldigung“, meinte der Mann nun mit freundlicher Stimme und griff in seine Tasche.

Joanne zog ihre Waffe, doch der Mann holte nur eine elektrische ID von Wuxin hervor. „Michael Förster, Logistikabteilung.“

Misstrauisch zögerte Joanne, während der Lichtkegel ihr verriet, dass auch Jens zu ihnen hinüber kam.

„Was er sagt stimmt“, meinte Jens nun. Er hatte sein Arbeits-Comlink herausgeholt, um die ID zu überprüfen.

Beinahe hätte sie geseufzt. Sie hatte eigentlich gehofft, dass zumindest irgendetwas interessantes geschehen wäre. „Was macht ein Logistiker um die Zeit hier?“

„Überstunden“, erwiderte der Mann mit einem Lächeln, dass beinahe ein Grinsen gewesen wäre. „Die Container gehen raus und die Ausfuhrbescheide müssen noch einmal durch die Freigabe. Zoll macht Probleme, wissen Sie?“

„Seltsame Uhrzeit für so etwas“, knurrte Joanne, ihre Waffe noch immer in der Hand.

„Beruhige dich, Jo“, meinte Jens und legte eine Hand auf die ihre, um diese sanft nach unten zu drücken.

Hätte sie gewollt, hätte sie dagegen gehalten, doch sie ließ es zu und senkte die Waffe.

„Seine Überstunden sind angemeldet. Er hat Berechtigung hier zu sein.“ Jens sah sie an.

Wieder zuckte sie nur mit den Schultern. „Von mir aus.“

„Entschuldigen Sie noch einmal, sollte ich Sie erschrocken haben“, meinte der Mann freundlich – doch sein Gebaren kam Joanne falsch vor, aufgesetzt.

„Kein Problem“, erwiderte Jens und nickte ihm zu. „Ich hoffe Sie können bald nach Hause.“

„Oh, das hoffe ich auch“, entgegnete der Mann süffisant.

Joanne sah ihn nur misstrauisch an, bis Jens ihr eine Hand auf die Schulter legte.

„Komm“, meinte er und wenn auch widerwillig, setzte sie sich in Bewegung, um zu ihrem Rundweg zurück zu gehen.

Dennoch sah sie sich noch einmal zu dem Mann um, der zum nächsten Container gegangen war, offenbar um die Daten von diesem einzuscannen und zu notieren. Etwas sagte ihr, dass seine Anwesenheit hier nicht den Grund hatte, den er vorgab.

Nachtschicht

Und so verging eine weitere Woche auf dieselbe eintönige Art. Durchgehend hatte Joanne die Nachtschicht, doch sie beschwerte sich nicht. Sie machte das beste draus, stand spät auf, trainierte oder ging zum Schießstand, ehe sie zur Arbeit fuhr. An zwei der Tagen, schaffte Robert es, sie zum Training zu begleiten, doch es störte sie auch nicht, alleine zu trainieren.

Zumindest hatte sie nun langsam ein halbwegs gutes Gefühl für die neuen Arme entwickelt und packte nicht mehr aus Versehen zu fest zu. Das einzige, das ihr noch ernsthafte Probleme bereitete, war das kleine Extra, das in beiden Armen verbaut war: Beide Arme waren mit Cyberpistolen ausgestattet, die eine Art Notfallplan darstellen sollten. Während es tatsächlich leichter gewesen war, mit den Cyberarmen zu schießen, so lange sie Pistolen benutzte – vor allem wenn sie bedachte, dass ihr einige Nahkampfmanöver noch immer Probleme bereiteten – so tat sie sich doch schwer, mit den eingebauten Pistolen, die ein gänzlich anderes Gefühl hatten, als eine richtige Waffe. Das Zielen mit diesen eingebauten Waffen fühlte sich ungewohnt an, doch noch ungewohnter war es, dass die Waffe mit einem Gedankenbefehl, anstelle eines Auslösers abgefeuert wurde.

Nun, aber letzten Endes waren diese Waffen nur ein Notfallplan und letzten Endes kam es trotz allem nicht allzu häufig vor, dass jemand den Hafen direkt Angriff.

Es war ihr sechster Arbeitstag, seit sie wieder einsatzbereit war, oder viel eher ihre sechste Arbeitsnacht. Wieder einmal saß sie an den Monitoren, doch war sie an diesem Abend recht entspannt.

Schließlich hatte sie sich an diesem Tag nicht mit Dante herumschlagen müssen und war bereits zwei Stunden auf Patrouille gewesen, so dass die letzte halbe Stunde, die sie vor den Monitoren verbracht hatte, eher ein willkommene Erholung gewesen war, als eine lästige Pflicht.

Außerdem hatte sie eine Thermoskanne mit Kaffee – echtem Kaffee – dabei, der ohnehin alles viel erträglicher erscheinen ließ. Zumal die Tatsache, dass sie allein im Überwachungsraum saß, den Vorteil hatte, dass niemand auf die Idee kam, um eine Tasse zu betteln.

Ja, sie war tatsächlich ziemlich entspannt, während sie an ihrem Kaffee nippte und ab und an die Augen über die Monitorwand wandern ließ.

Nun, trotz aller Ereignislosigkeit, die diese Arbeit die meiste Zeit beherrschte, musste sie doch zugeben, dass langsam, aber sicher es wieder Zeit wäre, dass etwas passierte. Die Regel schien zu sein, dass alle zwei oder drei Wochen irgendetwas passierte. Ein Shadowrun. Ein Angriff von verirrten Ghulen oder irgendwelchen anderen Crittern auf Nahrungssuche. Ein mehr oder weniger offener Angriff irgendeines Cons. Oder auch nur der Einbruch von ein paar Verzweifelten, die Waffen oder sogar nur Kleidung oder Essen stehlen wollten.

Joanne hatte die Berichte der Wochen, in denen sie abwesend gewesen war, gesehen. Der letzte Incident war ein kleineres Problem mit einzelnen Ghulen im Westen des Hafens gewesen – vor drei Wochen.

Ja, es war aktuell eindeutig zu ruhig.

Natürlich mochte es auf gewisse Art und Weise makaber sein, dass sie sich einen Kampf beinahe herbeiwünschte, doch wollte sie sich beweisen, wollte austesten, wie weit sie mit den cybernetischen Armen gehen konnte. Und wenn sie ehrlich mit sich war, sorgte sie sich beinahe, dass der nächste Angriff zu einer Zeit passieren würde, in der sie nicht hier war. Eine weitere verpasste Chance...

Doch vielleicht war es besser, wenn nichts geschah. Immerhin endete beinahe jeder Angriff, der über einen versuchten Einbruch hinausging, mit mindestens ein paar Verletzten auf der Seite der Security.

Wenn ein gut ausgerüstetes Runnerteam einen Angriff auf den Hafen durchführte, war der Rückzug sogar eine der vorgeschriebenen Taktiken – letzten Endes waren wichtige Lieferungen, die im Hafen gelagert waren, auf zusätzliche Art gesichert.

Nun, zumindest in dieser Nacht schien das einzige, was unerwünscht war, der Regen zu sein, der in einem seichten Nieseln vom Himmel fiel und ihr einen weiteren Grund gab, zumindest ein wenig froh zu sein, im Moment nur Monitore zu beobachten.

Joanne nahm einen weiteren Schluck Kaffee und beobachtete für einen Moment den Kran, der aktuell einen Frachter, der in vier Stunden ablegen sollten, belud. Sie erlaubte es sich für einen Moment ganz zu entspannen und schloss kurz – nur für drei, vier Sekunden – die Augen, die vom langen Starren auf die Bildschirme etwas brannten.

Doch gerade, als sie die Augen wieder öffnete, passierte etwas, womit sie nicht gerechnet hatte: Genau in dem Moment, als ihr Blick zu den Bildschirmen rechts wanderten, fiel das Bildsignal von einem der Geräte aus.

„Was...“, murmelte sie und sah zum Bildschirm. „Verfluchte Technik.“

Wahrscheinlich war eine der Kameras wieder einmal nicht so Wasserdicht, wie man es von einer verfluchten Hightech-Kamera im Jahr 2066 erwarten sollte – speziell einer solchen Kamera, die in einem Hafen eingesetzt wurde.

Grummelnd nahm sie das Arbeitscomlink. Einer ihrer Kollegen sollte zumindest in der Nähe der Kamera sein.

„Kontrollraum an alle Patrouillen, ist jemand in der Nähe von Kamera C402?“, knurrte sie in das Gerät.

Es rauschte. Keine Antwort.

Joanne wiederholte die Durchsage: „Kontrollraum an alle Patrouillen, ist jemand in der Nähe von Kamera C402?“

Doch wieder kam keine Antwort. Stattdessen kam das Bild auf dem Bildschirm zurück.

Misstrauisch sah sie das noch immer leicht flimmernde Bild an. Sie hatte das deutliche Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte. „Kontrollraum an alle Patrouillen, kann mich irgendjemand hören?“, fragte sie, während sie auf den anderen Bildschirmen Ausschau nach ihren Kollegen hielt.

Noch immer war Rauschen die einzige Antwort die sie bekam und die einzigen Kollegen, die sie sehen konnte, hielten sich im westlichen Teil des Hafengeländes auf. Im östlichen Teil, wo auch die soeben ausgefallene Kamera stand, war niemand zu sehen – nicht einmal Hafenarbeiter.

Ihr war klar, was dies hieß. Sie sprang auf und lief nach einem letzten Blick auf die Bildschirme in den Aufenthaltsraum, wo sie eine der schweren Pistolen aus den Waffenschrank nahm und in ihr Holster steckte, zusammen mit einem Ersatzmagazin.

Im zweiten Holster steckte bereits ein Defiance Ex Shocker.

Während sie nach draußen in den Regen eilte, fluchte sie leise. Es war einmal wieder so typisch. Wäre sie in irgendeiner Form abergläubisch gewesen, hätte sie wohl überlegt, ob sie mit ihren Gedanken vorher so etwas heraufbeschworen hatte, doch war ihr selbst in einer magisch erwachten Welt dieser Gedanke albern. Nein, es war schlicht und ergreifend, wie sie es ohnehin gewusst hatte: Es war einfach schon zu lange nichts mehr passiert.

Als sie Richtung Osten lief, wo einer der Containerparks war, hörte sie Schüsse. Es war also, wie sie es sich gedacht hatte: Shadowrunner.

Der Ausfall der Kamera musste mit einem fehlgeschlagenen Hackingversuch zusammen hängen.

Als sie sich den Schüssen näherte wurde sie vorsichtiger und duckte sich in jeden Schatten, um möglichst nicht gesehen zu werden. Bevor sie irgendetwas tat, wollte sie die Situation abschätzen können. Zwar boten die hier aufgestapelten Container halbwegs Deckung, doch war sie am Ende gezwungen, im freien Feld vorwärts zu laufen, wenn sie keine großen Umwege machen wollte – und für solche hatte sie keine Zeit.

Bald kam ein großes Fahrzeug in ihr Blickfeld, das offenbar rückwärts in den Zaun hineingefahren und ihn so niedergerissen hatte. Es war ein mittelgroßer Laster und Joanne wäre jede Wette eingegangen, dass der Wagen gepanzert war.

Dank der Dunkelheit, die zwar von einigen großen Laternen erhellt wurde, dennoch an einigen Stellen undurchdringlich schien, war es schwer genaues zu erkennen.

Die Schüsse kamen aus zwei Richtungen. Zum einem konnte sie zwei Gestalten sehen, die auf geöffneten Ladeplattform des Lastwagens standen und ihr Feuer zwischen zwei Container konzentrierten. Zum anderen kam aus dieser Richtung auch Gegenfeuer, doch wenn sie bedachte, dass es auf beiden Seiten keine Treffer zu geben schien, ging sie davon aus, dass die Kollegen, die offenbar für das Gegenfeuer sorgten, soweit in Deckung gegangen waren, dass sie selbst kaum zielen konnten.

Doch da regte sich eine weitere Gestalt und kam aus dem Lastwagen heraus.

„Oh, drek“, zischte Joanne. „Die haben einen verfluchten Troll?“

Denn die riesige Gestalt, die nun nach vorne rannte, konnte nur ein Troll sein. Und Trolle waren eins: Verflucht zäh.

„Fuck“, grummelte sie und beschleunigte ihren Schritt.

Als sie etwa auf 80 Meter heran gekommen war, ging sie halb hinter einem Container in Deckung und zielte auf den ersten der beiden gegnerischen Schützen. Der Troll war bereits zwischen zwei Containern verschwunden.

Zum Glück hatte man sie noch nicht bemerkt.

Sie schoss. Sie hatte auf die Hand des Schützen gezielt, da dieser einen Helm trug. Doch ihr Plan ging auf: Er ließ die Waffe fallen.

Wieder legte sie an. Der Runner sah in ihre Richtung, brauchte aber, um sie zu sehen. Sie zielte auf das Visier seines Helms und wieder drückte sie ab. Ein Mal. Zwei Mal. Drei Mal. Kurz hintereinander.

Die ersten beiden Kugeln beschädigten das Visier, die dritte schien es zu durchdringen. Der Runner fiel zu Boden – auch wenn sie nicht sagen konnte, ob er tot oder ohnmächtig war oder durch den Aufschlag nur das Gleichgewicht verloren hatte.

Joanne blinzelte. Durch den Regen tropfte immer wieder Wasser in ihre Augen.

Sie hätte auch einen Helm nutzen können, doch taugten die Helme, die ihnen zur Verfügung standen, selten viel und waren die eingeschränkte Sicht nicht wert.

Nun legte sie es auf den anderen Schützen an, der sie jedoch entdeckt hatte. Schnell musste sie sich ganz hinter den Container zurückziehen, als er eine Salve – offenbar aus einem Maschinengewehr – auf sie abfeuerte.

„Drek“, zischte sie wieder und lauschte, ob sich Schritte näherten.

Im selben Augenblick hörte sie weitere Schüsse, doch prallten diese nicht an dem Container ab, hinter dem sie sich versteckte. Stattdessen wurden diese von einem tiefen Knurren gefolgt und dann einem lauten Scheppern.

Es mussten die Wachleute sein, die es nun wohl mit dem Troll zu tun bekommen hatten. Offenbar hatten sie ihre Waffen in den Automatikmodus gewechselt.

Joanne holte tief Luft und wagte sich wieder ein Stück aus ihrer Deckung heraus. Sie setzte an und zielte, schoss und traf den zweiten Schützen an der Schulter, was ihn für einen Moment aus dem Gleichgewicht brachte. Sie wollte einen weiteren Schuss auf ihn abgeben, doch in diesem Moment traf sie ein Schlag, der sie zusammenfahren ließ.

Ihr Schädel begann zu schmerzen und mehr durch Instinkt getrieben, als durch irgendetwas anderes, sprang sie in ihre Deckung zurück.

Wieder musste sie sich zwingen ruhig zu bleiben, doch langsam sickerte durch ihr Bewusstsein, was der Grund für ihren nun schmerzenden Kopf war.

„Die haben einen verfickten Magier“, grummelte sie leise.

Die Schüsse waren mittlerweile verklungen. Hatte der Troll ihre Kollegen – wer von ihnen es auch immer war – ausgeschaltet?

Sie schloss die Augen für einen Moment, in der Hoffnung, es würde ihre Kopfschmerzen etwas abklingen lassen. Wo waren die anderen? Die Schüsse sollten im halben Hafen zu hören gewesen sein.

Nun, das war jetzt egal. Sie musste konzentriert bleiben. Erste Regel der Straße, die man auch ihnen eingebläut hatte: Töte den Magier zuerst.

Vorsichtig sah sie aus der Deckung heraus und versuchte im Schatten des Wagens die Gestalt des Magiers zu erkennen. Sie wusste praktisch nichts über Magie, doch zumindest hatte man ihr während der Ausbildung mehr als einmal erklärt, dass Magier nur Angreifen konnten, wenn sie ihr Ziel sehen konnten. Also musste der Magier ein freies Sichtfeld auf sie haben.

Doch als sie auf die Laderampe des Lastwagens sah, standen dort schon wieder zwei Schützen, obwohl sie noch immer klar den auf den Boden liegenden Runner, auf den sie als erstes geschossen hatte, erkennen konnte.

„Drek“, flüsterte sie – auch, weil sie nichts sehen konnte, dass nach einem Magier aussah. Was blieb ihr für eine Wahl?

Sie feuerte wieder auf einen der beiden Schützen. Dieses Mal mehrfach hintereinander, bemüht dieselbe Stelle mehrfach zu treffen. Allerdings behielt sie dabei dabei den Rand der Rundumpanzerung der Ladefläche im Auge.

Doch die Schützen hatten sie wieder gesehen und legten nun wieder an sie an.

Gerade als sie wieder in Deckung gehen wollte, sah sie eine Bewegung am Rand des Wagens und schwenkte um. Das musste der Magier sein und so wie es aussah trug er keinen Helm. Ein Fehler!

Wieder zielte sie und schoss. Dieses Mal sah sie, dass sie getroffen hatte, sah das Loch, das ihre Kugel im blonden Kopf des Magiers hinterlassen hatte, ehe er zusammensackte.

Doch dafür war sie zu lange aus der Deckung heraus gewesen. Beide Schützen feuerten im Salvenmodus auf sie und auch wenn sie – kaum, dass sie den Schuss auf den Magier abgegeben hatte – wieder in Deckung sprang, so traf sie eine der Kugeln in die Schulter, ein anderer streifte ihr Bein.

Wieder fluchte Joanne, spürte aber zumindest an der Schulter nur einen dumpfen Schmerz. Die Kugel war ein Stück in den Cyberarm eingedrungen, schien aber keine wichtige Technik beschädigt zu haben. Dafür war die Kugel, die ihr Bein gestreift hatte, problemlos durch den Sicherheitsstoff der Hose gedrungen, so dass sie nur froh war, dass er sie bloß gestreift hatte.

Die Wunde brannte, aber damit kam sie klar.

Während sie noch einmal verschnaufte, fragte sie sich, was die Runner hier wollten. Der Laster sah ganz danach aus, als hätten sie vor, einen oder mehrere Container zu stehlen. So dreist waren selbst Runner selten.

Jemand, der vernünftig gewesen wäre, hätte sich nun vielleicht zurückgezogen, hätte auf Verstärkung gewartet. Aber sie war weniger vernünftig als stolz. Deswegen zählte sie innerlich bis zehn, ehe sie ihre Waffe ebenfalls auf Salvenmodus umstellte, sich aus ihrer Deckung rauswagte und schoss.

Mehrere Kugeln prasselten auf die Panzerjacke des Schützen, auf den sie schon zuvor angelegt hatte und brachten ihn zum Fall.

Erneut ging sie in Deckung, während weitere Kugeln auf den Container trafen und unter Funken in alle Richtungen abprallten.

Wieder wollte sie schießen, wollte auf den zweiten Schützen anlegen, als sie schwere Schritte zu ihrer anderen Seite hörte.

Noch bevor sie sich umwandte, wusste sie, was da auf sie zukam.

Nun vollkommen instinktiv legte sie auf den Troll an, der mit immer schneller werdendem Schritt auf sie zukam. Sie feuerte, dieses Mal ohne vorher groß zu zielen – was bei einem mehr als zweieinhalb Meter großem Riesen kaum nötig war – doch nach nur einer halben Salve klickte die Pistole nur noch.

„Das ist doch ein verfluchter Witz!“, rief sie aus, wechselte die Waffe in die linke Hand und griff hastig nach dem Ersatzmagazin. Sie konnte dem Troll auf der eher geringen Breite des Gangs zwischen den Containern hier kaum ausweichen.

Das leere Magazin fiel zu Boden, doch bevor sie den Ersatz hineinschieben konnte, hatte der Troll sie schon erreicht. Mit lautem Angriffsgeschrei, hieb er auf sie ein.

Da es das einzige war, das ihr einfiel, ließ sie sich zu Boden fallen, um den Schlag zu entgehen.

Als der Troll das sah, verzog sich sein zerfurchtes Gesicht zu einem höhnischen Grinsen, das seine Hauer gut zeigte, und er hob den rechten Fuß.

Ihr erster Instinkt war es, sich zur Seite zu rollen, aber während sie dies tat, fiel ihr noch etwas anderes ein. Sie ließ ihre Waffe fallen.

Nicht vollkommen unerwartet, trat der Troll ein weiteres Mal zu und dieses Mal packte sie sein Fuß. Der Troll war stark, doch konnten ihre Cyberarme durchaus mithalten.

Anstatt zu versuchen, sich ihrem Griff zu entwinden, versuchte der Troll, seinen Fuß doch noch auf sie nieder zu pressen, doch soweit kam es nicht. Sie brauchte nicht Zielen. Sie hatte den Fuß des Trolls zwischen den Händen, und auch wenn er Springerstiefel trug, so waren diese keine ausreichende Panzerung.

Sie feuerte die Cyberpistolen ab und der Troll schrie auf. Er stolperte zurück, schaffte es aber, das Gleichgewicht zu halten.

„Hure!“, knurrte er. „Ich reiß dir den Schädel ab!“ Sein Arm schnellte nach unten, bekam sie jedoch nicht zu fassen.

Stattdessen rollte sie sich so, dass sie wieder auf die Knie kam und in Reichweite seines linken Beines war.

Sie holte aus und schlug mit all der Kraft, die ihr rechter Arm hergab, gegen die Kniescheibe.

Ein unschönes Knacken ertönte und dieses Mal ging der Troll unter Stöhnen zu Boden. Gerade noch so konnte sie sich zur Seite katapultieren, um zu verhindern, dass der schwere Körper auf sie fiel.

Sie sammelte wieder ihre Pistole auf – froh, dass der Troll nicht auf sie gefallen war, und dann auch ihr Magazin. Mit einem Klacken rastete es ein und sie hob die Pistole, um auf den Troll anzulegen, der keinen Helm trug.

Doch Joanne zögerte. Sie hasste es Metamenschen zu erschießen, die bereits am Boden lagen.

Nur den Bruchteil einer Sekunde später, sollte sie dieses Zögern jedoch bereuen. Mit einem Ruck wurden ihr die Füße unter dem Körper weggezogen und sie landete hart auf dem Rücken. Ihr blieb die Luft weg und im nächsten Moment spürte sie, wie sich die Pranke des Trolls um ihren ohnehin schon schmerzenden Schädel legte.

„Hure!“, keuchte der Troll erneut und ihr wurde klar, dass er vorhatte, was er vorher gesagt hatte.

Joanne hatte nicht vor, sich den Schädel abreißen zu lassen. Da sich die Hand des Trolls vor ihre Augen gelegt hatte, konnte sie nichts sehen, doch sie konnte erahnen, wo der Kopf ihres Gegners in etwa sein musste.

Blind, aber blitzschnell hob sie die Pistole und feuerte.

Schüsse erklangen, da die Waffe noch immer im Salvenmodus war und keinen Augenblick später, spürte sie etwas warmes auf sich tropfen. Sie hatte getroffen.

Doch dies war nur bedingt eine gute Neuigkeit, da im nächsten Moment der tote Körper des Trolls auf ihr zusammensackte und ihr erneut die Luft raubte.

„Verfluchte Scheiße“, rief sie aus und riss sich die nun schlaffe Hand des Trolls vom Kopf. Sie schnappte nach Luft und biss dann die Zähne zusammen, ehe sie sich um einen festen Griff um die Schulter des Trolls bemühte und ihn schließlich zur Seite drehte.

Bevor sie sich aber vollkommen aufrichten konnte, hörte sie Schüsse.

Beinahe verlor sie wieder das Gleichgewicht, als mehrere Kugeln auf ihre Weste prallten, doch sie schaffte es stehen zu bleiben und drehte sich um.

Der letzte Schütze war offenbar hergerannt und hatte nun wieder auf sie angelegt und wo sie nun stand – direkt zwischen zwei Reihen Containern, mit dem Schützen am Eingang des Gangs, hatte sie kaum eine Möglichkeit, in Deckung zu gehen.

„Ernsthaft?“, knurrte sie dem Schützen zu, der ihr nicht antwortete.

Wieder setzte der andere Schütze zum Feuern an, doch dieses Mal feuerte auch sie eine Salve ab, um ihn am Schießen zu hindern. Die Salve traf ihn komplett am Torso und auch der Schütze musste mit seinem Gleichgewicht kämpfen.

Diesen Moment nutzte Joanne aus, um auf ihn zuzurennen.

Der Schütze hatte mittlerweile sein Gleichgewicht wieder gefunden, doch gerade, als sich seine Hand am Abzug wieder anspannte, hatte sie ihn erreicht und riss die Waffe in die Höhe, so dass die Schüsse gen Himmel flogen. Mit ihrer nächsten Bewegung entriss sie ihm die Waffe gänzlich und schleuderte sie weg. Dann versetzte sie ihm einen harten Schlag gegen die Brust, die er selbst durch seine Panzerjacke hindurch spüren sollte.

Der Schütze keuchte auf, ehe sie ihn mit aller Kraft zu Boden warf, wo er reglos liegen blieb.

Sie zog den Helm von seinem Kopf, um sicher zu gehen, dass er ohnmächtig war, und sah, dass es sich um einen Elfen handelte, der jedoch tatsächlich ohnmächtig zu sein schien.

Also richtete sie sich auf und rannte los. Doch sie hörte bereits, wie ein Motor startete.

Der Lastwagen fuhr los und sie sah davon ab, auf die sich nun schließende Rampe zu zielen. Sie wusste, dass es keinen Sinn hatte. Letzten Endes hatten sie offenbar ohnehin noch nichts gestohlen.

„Verfluchte Scheiße“, flüsterte sie, als sie sich nun ihrer Schmerzen, die sie in den wenigen vergangenen Minuten ausgeblendet hatte, bewusst wurde.

Atemlos ließ sie sich – den Rücken an einen der Container gelehnt – zu Boden sinken. Sie saß nun in dem Gang, aus dem sie zuvor die Schüsse der anderen Wachleute gehört hatte.

Genau. Die anderen...

Irgendwie schaffte sie es, sich wieder aufzurappeln und sah sich um.

Sie sah eine glänzende Pfütze weiter den Gang hinab auf dem Boden auf dem Boden schimmern, die nicht nach Regen aussah und ging vorsichtig drauf zu. Die Pfütze – viel eher eine Lache – floss aus einer jener Verbindungsstücke, die die Gänge schräg verbanden. Sie ahnte bereits, was sie finden würde, doch sah sie dennoch nach.

Als sie jedoch zwei kopflose Leichen am Boden liegen sah, war sie nicht überrascht.

Schnell wandte sie den Blick ab. Sie hatte keinen schwachen Magen, doch der Anblick der ausgefransten Hälse war auch für sie zu viel.

Sich am nächsten Container abstützend, machte sie noch ein paar Schritte von dem Seitengang weg, ehe sie es sich wieder erlaubte, zu Boden zu sinken. Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand des Containers.

Den Kopf in den Nacken gelegt, schloss sie die Augen. Das Blut pulsierte in ihren Ohren und ihr Schädel schmerzte nun langsam unerträglich, auch wenn der kühle Regen auf ihrem Gesicht zumindest leichte Linderung verschaffte.

Sie merkte ein Brennen im Nacken und fuhr sich mit der linken Hand dorthin. Offenbar ein weiterer Streifschuss. Doch auch wenn es mit der Cyberhand schwer zu ertasten war, spürte sie einen weiteren Rinnsal Blut und zuckte zusammen, als sie eine weitere Wunde ihrem Hinterkopf berührte.

„Drek...“, stöhnte sie und verzog das Gesicht, während sie Rufe und schnelle Schritte näher kommen hörte.

Nachspiel

„Das ist doch ein verfluchter Witz!“, brüllte Joanne in Rage und hielt sich nur gerade so davon ab, einen der Werkzeugkoffer auf den Boden zu werfen.

Robert sagte nichts und ließ auch keine Regung erkennen. Dies mochte daran liegen, dass sein gesamter Oberkörper unter einem Wagen lag.

„Ernsthaft! Das verfluchte Zwergenarsch gibt mir die Schuld für die Dinge, die gestohlen wurden?“, zeterte sie weiter. „Verflucht noch mal! Wäre ich nicht da gewesen, hätten die 'nen ganzen Container mitgenommen!“ In Wut trat sie gegen einen der Rolltische, der sich quietschend in Bewegung setzte.

Robert seufzte hörbar und rollte schließlich unter dem Auto hervor. „Wenn du anfängst, meine Werkstatt abzureißen, muss ich dich bitten zu gehen.“

„Echt? Das ist alles was du dazu zu sagen hast?“, schrie sie, wohl wissend, dass einige seiner Kollegen teilweise belustigt zu ihr herübersahen.

Noch einmal seufzte er und stand auf, um auf sie zuzugehen. „Was soll ich dazu sagen, hmm?“, erwiderte er. „Was, das ich nicht schon mehrfach gesagt habe? Kündige den Scheißjob und mach was anderes.“

Joanne nahm einige tiefe Atemzüge – auch wenn diese noch immer wehtaten, dank der zwei angebrochenen Rippen, die sie dem Troll zu verdanken hatte. „Nein“, sagte sie dann, bemüht ihrer Stimme einen ruhigen Klang zu geben. „Wenn ich den Job kündige, hat das Zwergenarsch gewonnen.“

„Dann hör bitte auf, hier Randale zu schieben“, erwiderte Robert.

Die Arme vor der Brust verschränkt, ließ sie sich auf den Boden fallen. Sie wusste, dass ihr Verhalten albern und kindisch war, doch hatte sie einfach das Bedürfnis Dampf abzulassen.

Der Run auf das Gelände von International Shipping war gerade einmal zwei Tage her und am heutigen Nachmittag hatte sie sich allen ernstes von Dante anhören dürfen, dass ihr Handeln voreilig und undurchdacht gewesen war. Der verfluchte chauvinistische Zwerg hatte es irgendwie gleichzeitig geschafft, sie für die paar Gegenstände, die offenbar tatsächlich gestohlen worden waren, zu beschuldigen, wie auch dafür, dass sie überhaupt eingegriffen hatte, bei einer eindeutig zu gut organisierten Gruppe.

Beinahe hatte sie darauf gewartet, dass er sie beschuldigte, weil sie überlebt hatte, während Jens und Daniels, sowie zwei andere bei dem Angriff umgekommen waren.

Dann hatte er sie nach Hause geschickt, mit den Worten: „So lange du angeschlagen bist, kann ich dich eh nicht gebrauchen... Nicht das es einen großen Unterschied machen würde.“

Und seither kochte sie innerlich vor Wut.

„Es ist einfach nicht fair...“, grummelte sie. „Ich hab' mich praktisch allein mit der Truppe rumschlagen dürfen, während meine ach so tollen männlichen Kollegen 'ne halbe Ewigkeit gebraucht haben, um mal anzutanzen und darf mich auch noch beschuldigen lassen!“

Wieder seufzte Robert. „Du weißt, dass er dich beschuldigt, weil er dich loswerden will. Wenn du ihm nicht die Oberhand lassen willst, musst du ihn halt ignorieren.“ Er nahm sich einen Schraubstock vom Werkzeugstand und verschwand damit wieder unter das Auto.

„Ich weiß“, stöhnte Joanne. „Aber das Arschloch macht es so verdammt schwer!“ Sie ballte die Hand zur Faust und hatte gerade nur zu gut Lust, ein Loch in eine Wand zu schlagen. „Ich würde ihm an liebsten den Hals umdrehen! Verfluchtes, arrogantes Arschloch...“

„Davon würde ich dir abraten“, kam Roberts Antwort gedämpft unter dem Wagen hervor. „Könnte unangenehme Folgen nach sich ziehen und so.“ Er fluchte leise und kam unter dem Auto wieder hervor. „Kannst du mir die Ratsche rüberreichen?“

Mir vernehmlichen Knurren griff Joanne nach dem Werkzeug und reichte es Robert.

„Danke“, meinte er. „Weißt du, was du brauchst?“ Er fuhr mit dem Rollbrett, auf dem er lag, wieder unter das Auto. „Du brauchst mal einen Abend zum Ausspannen.“

Darauf antwortete Joanne nicht, sondern verschränkte nur wieder die Arme, auch wenn er es nicht sehen konnte.

„Es ist Freitag. Ich habe morgen frei. Wie wär's, wenn wir heute Abend Stadtkrieg schauen gehen?“, schlug er vor.

„Hmm, wie wäre es, wenn du mich selbst in die Arena schickst?“, grummelte sie. „Hätte gut Lust, jemanden zu vermöbeln.“

„Ich dachte davon hättest du erst einmal genug“, erwiderte Robert.

Sie seufzte gedehnt. „Nun gut“, meinte sie und holte ihr Comlink hervor. „Wo willst du hingehen?“

Für einen Moment antwortete er nicht – offenbar, da er sich gerade konzentrierte. „Möglichst wohin, wo es nicht so voll ist.“

„Hmpf.“ Joanne ging die Liste einiger Sportbars in der Stadt durch. Die meisten von Ihnen übertrugen die Trideo-Sendungen zu den neuen Stadtkrieg-Runden live. „Willst nur nicht, dass ich eine Prügelei anfange, eh?“

„Das ist tatsächlich eine Befürchtung“, kam es unter dem Wagen hervor.

„Hmpf“, machte Joanne nur erneut. „Welches Spiel willst du sehen? Im Tridome zeigen sie das Spiel Hamburg Rams gegen die Cyberzombies Düsseldorf. Und auf Ebene zwei Kreuzberg Assassins gegen Asphaltcowboys München.“

„Tridome ist definitiv zu groß, Jo.“

Sie seufzte langgezogen. „Im Dystopia zeigen sie das Spiel der Rams auch.“ Sie ging weiter durch die Liste der Sportbars und deren Abendprogramm. „Im 2020 Braunschweig Beasts gegen Frankfurt Massaker. Ich glaube, das ist auch das letzte Spiel von heute. Im Unity Assassins gegen Cowboys. Im Feral Instinct auch das Rams Spiel.“

Schließlich kam Robert wieder unter dem Auto hervor. „Wird das Rams-Spiel nicht auch noch irgendwo anders gezeigt?“

Joanne verdrehte die Augen. „Ja, natürlich. Sie zeigen es auch in welchen von den kleinen Spelunken. Bierkrug, Blood Bowl, Gegenwind...“ Sie schaute auf die kleineren Lokale.

„Welcher Bierkrug?“

„Süden von Wandsbeck“, erwiderte sie.

Robert zuckte mit den Schultern. „Klingt gut.“

Auch Joanne zuckte mit den Schultern, ehe sie aufsprang. „Gut. Wann treffen wir uns?“

„Hab mir irgendwie gedacht, dass du nicht wartest“, meinte Robert und richtete sich auch auf. „Ich höre so gegen sechs auf. Soll ich dich dann abholen?“

„Lass mal“, erwiderte sie. „Ich nehm die Suzuki.“

„Korrigier' mich, wenn ich falsch liege, aber hast du nicht Fahrverbot?“

„Und wie glaubst du, dass ich hergekommen bin?“, meinte sie. „Und ich habe keinen Unfall gebaut, oder? Außerdem habe ich noch vor an den Schießstand zu gehen.“

Für einen Moment sah es ganz so aus, als wolle Robert widersprechen, doch besann er sich offenbar eines besseren. „Tu was du nicht lassen kannst“, seufzte er. „Aber pass auf, dass das mit dem Unfall so bleibt, ja?“

„Klar“, meinte sie und umarmte ihn vorsichtig, da seine Arbeitskleidung Ölverschmiert war. „Bis später.“
 

Auch als sie drei Stunden später mit dem Motorrad Richtung Wandsbeck fuhr, war da noch immer diese Wut, die tief in ihrem Innern vor sich hin köchelte. Tatsächlich musste sie zugeben, dass Roberts Befürchtung, sie könnte eine Prügelei anfangen, nicht gänzlich unberechtigt war. Vielleicht hätte sie ihm vorschlagen sollen, in eine jener nicht ganz legalen Bars zu gehen, wo sich Besucher selbst in einer Arena prügeln konnten. Doch sie wusste, dass er sich nie darauf eingelassen hatte.

Und eigentlich wusste sie auch, dass es ihr selbst nicht viel geholfen hätte. Bei ihrem aktuellen Glück würde es wohl eher damit enden, dass sie gänzlich im Krankenhaus landete – immerhin waren ihre Wunden trotz Regenlösung noch weit davon entfernt verheilt zu sein.

Neben ihrer Wut auf Dante war da aber auch noch etwas anderes, etwas, das sie nicht klar zuordnen konnte. Es war ein Gefühl, als hätte sie etwas wichtiges vergessen oder übersehen. Sie war sicher, dass sie es sich nicht einbildete, doch konnte sie auch nicht genau sagen, was es war.

Deswegen verdrängte sie den Gedanken daran und auch ihre Wut weiter, während sie die Straße in Wandsbeck erreicht hatte, in der die kleine Sportsbar lag.

Zum Bierkrug – wohl einer der einfallslosesten Namen, den man je einer Bar gegeben hatte – entsprach dem klassischsten Bild einer Sportbar. Die Kneipe war Ebenerdig und hatte einen sehr, sehr kleinen Biergarten im Hinterhof. Der eigentliche Schanksaal war mittelgroß und bereits jetzt gefüllt mit allerlei Metamenschen, die sich an den Tischen und der Theke drängten, die Augen die meiste Zeit auf den Trideo-Bildschirm gerichtet, der beinahe die gesamte Hinterwand des Raums bedeckte.

Joanne fand Robert in einer Ecke des Lokals, bereits mit einem Krug Bier vor sich.

„Da bist du ja endlich“, begrüßte er sie. „Du hast keine Ahnung, wie schwer es war, den Platz für dich frei zu halten.“

Er saß an einem sehr kleinen Tisch – so klein, dass kaum mehr als zwei oder drei Getränke darauf gepasst hätten und hatte ihr offenbar einen Stuhl freigehalten.

Sie schenkte ihm ein recht humorloses Grinsen. „Oh, glaub mir, ich kriege einen Platz schon geräumt.“

„Genau das wollte ich vermeiden“, erwiderte er trocken, lächelte sie dann aber an.

„Und ich sehe, dein armer Autopilot muss nüchtern bleiben, hmm?“, meinte sie mit Blick auf sein Bier.

Wieder einmal zuckte er nur mit den Schultern. „Tja, deswegen fahre ich mit dem Auto.“

Sie erwiderte nichts, sondern legte nur ihren Helm auf dem freigehaltenen Stuhl ablegte und sich dann zur Bar durchdrängelte, um sich selbst etwas zu bestellen. An der Theke herrschte noch dichteres Gedrängel, als im Rest der Bar, und allerlei Leute schrien ihre Bestellungen durcheinander.

Während sie darauf wartete, dass ihr jemand das bestellte Bier brachte, sah sie zum Trideo-Bildschirm.

„Und für all unsere Zuschauer, die gespannt auf das Spiel warten“, sagte der orkische Moderator in die Kamera, „hier noch einmal eine Übersicht über das heutige Spielfeld.“

Es wurden Bilder einer Drohnenkamera eingeblendet, die über dem Gebiet schwebte, wo der heutige Stadtkrieg stattfinden würde. Von den Bildern zu urteilen, war es nicht weit von Wildost entfernt. Es war offenbar Ghetto-Gebiet, an dessem nördlichen Ende noch einige teilweise halb überwachsene Container vom ehemaligen Hafen standen.

„Wie Sie sehen können, meine Damen und Herren, ist es heute ein Heimspiel für die Rams und das ganz in der Nähe von Wildost! Aber machen Sie sich keine Sorgen: Das Gebiet wurde vorher gründlich von Geistern und Paracrittern gereinigt! Immerhin wollen wir ja, dass die Gewalt zwischen den Spielern stattfindet, nicht?“ Der Ork, dem sein ordentlicher Anzug so gar nicht stehen wollte, lachte kurz selbst auf, ehe er dazu überging, anhand einem digitalen Modell Einzelheiten des Gebiets zu erklären.

Endlich mit ihrem Bier in der Hand – Soy-Bier, da ihr echter Kaffee wichtiger war, als echtes Bier – drängte sie sich zu ihrem Platz zurück.

„Und du willst nach Hause laufen?“, fragte Robert.

„Ach bitte, das ist nur ein Bier“, erwiderte sie.

Robert zog eine Augenbraue hoch. „Weißt du, ich beginne mir Sorgen zu machen.“

„Sorgen?“, fragte sie und nahm einen Schluck des Biers.

„Du wirkst...“ Er drückte sich, ein konkretes Wort zu nennen. „Unausgeglichen.“

Joanne sah ihn an. „Unausgeglichen?“, echote sie.

„Hmm, das ist es nicht ganz“, gab er zu. „Es ist viel mehr so... Du macht Dinge, die du früher nicht gemacht hättest.“

„Aha“, kommentierte sie nur und nahm einen weiteren Schluck, während sie auf den riesigen Bildschirm sah.

„Jo...“, murmelte er. „Du warst früher nicht so.“

„So ist es nun einmal“, erwiderte sie trocken. „Menschen ändern sich.“ Dabei wandte sie den Blick nicht vom Bildschirm ab, auf dem gerade die heutigen Spieler vorgestellt wurden.

Robert antwortete nicht sofort. „Aber das heißt nicht, dass so eine Änderung zwingend etwas gutes ist, oder?“

Joanne schwieg.

„Du bist in letzter Zeit viel aggressiver, aber auch unüberlegter...“, fuhr Robert so leise fort, dass seine Stimme beinahe gänzlich vom Gegröle der sie umgebenden Fans verschluckt wurde. „Ich kann mich daran erinnern, wie du dich früher darüber echauffiert hast, wenn sich Leute freiwillig Cyberglieder holen und jetzt läuft so selbst mit künstlichen rum.“

Sie warf ihm einen Seitenblick zu, sagte aber noch immer nichts. Sie wusste, dass er recht hatte.

„Und jetzt scheinst du nur darauf zu hoffen, dass irgendjemand eine Prügelei anfängt. Willst du wirklich deine Wut an jemand anderen auslassen?“, fragte er.

„Und wenn schon“, murmelte sie, den Blick auf die schäumende Oberfläche des Biers gerichtet. „Was ist daran so schlimm?“

Ungläubig sah er sie an. „Was daran schlimm sein soll? Jo, das hier bist nicht du. Du bist nicht brutal und rücksichtslos. Vielleicht ein bisschen roh, aber nicht... So.“

„Wie dann?“, fragte sie und sah ihn schließlich doch wieder an.

„Anders“, antwortete Robert nur. „Die Jo, die ich kenne, hat ihr Leben nicht unnötig riskiert.“

„Es war nicht unnötig“, erwiderte Joanne, wusste aber, dass das was er sagte, stimmte.

Robert schüttelte den Kopf. „Es ist wegen diesem Zwerg, nicht? Himmel, Jo, ich sage es dir noch einmal: Kündige den Job. Wenn du für irgendein kleines Unternehmen Security machst, geht es dir besser und du bist gut genug dafür. Wenn das mit diesem Arsch so weitergeht, bringst du dich noch um, nur um dich zu beweisen.“

„Darum geht es doch gar nicht“, murmelte sie und nahm noch einen Schluck. „Ich dachte, wir wären hier, um das Spiel zu schauen, nicht für eine Therapiesitzung.“

„Aber, Jo...“, begann Robert, doch sie warf ihm einen bösen Blick zu.

Dann seufzte sie und schüttelte den Kopf. „Bitte, nicht jetzt, Rob. Ich bin hier, um mich zu entspannen und ich will keinen Streit mit dir anfangen.“

Er sah sie für eine ganze Weile an, doch dann nickte er schließlich seufzend. „In Ordnung.“

Joanne sah ihn noch für eine Weile an, ehe sie ihrem Blick wieder dem Bildschirm zuwandte, wo das Spiel kurz davor war, zu beginnen.

Sie wusste, dass Robert mit allem, was er sagte Recht hatte. Doch noch immer verhinderte ihr Stolz, zu tun, was er sagte, den Job einfach aufzugeben. Alle anderen weiblichen Kollegen hatten es auch getan, seit Dante die Sicherheitsabteilung leitete. Dennoch... Es widerstrebte ihr – und sei es nur, weil sie stolzer war, als vernünftig.

„Und das Spiel beginnt und die Cyberzombies gehen direkt zu ihrem ersten Angriff über!“, verkündete nun der zweite Moderator, ein Elf mit blau gefärbten Haaren.

„Uhoh“, kommentierte der Ork, als der Brecher, der gerade den Ball trug, vom Hamburger Stürmer angefahren wurde. „Das hat sicher weh getan.“

„Darauf kannst du wetten, Chap“, erwiderte der Elf, während sich der Brecher, ein arg vercyberter Troll, wieder auf die Beine kämpfte. „Aber so ein Troll ist nicht so leicht K.O. zu kriegen.“

„Definitiv. Doch jetzt ist erst einmal Hamburg mit seinem ersten Angriff dran!“

Wie immer brauchte das Spiel ein wenig, um in Schwung zu kommen, während die Mannschaften, die das Spielfeld erst erkunden mussten, sich immer weiter vorwagten.

„Mit den Trollen ist echt nicht zu Spaßen“, hieß es ein wenig später wieder. Dieses Mal war es der Brecher der Hamburger, der von den Jägern des düsseldorfer Teams unter Beschuss genommen worden war, sich aber ganz offenbar weigerte umzufallen.

Der Kampf hatte sich in das ehemalige Hafengebiet verlagert, wo sich die Torzone der Rams befand, die aktuell aber vom gegnerischen Stürmer streng bewacht wurde.

Immer wieder ließ der Ork sein Motorrad aufheulen, während die Jäger weiterhin versuchten, den Brecher zu Fall zu bringen.

Eine Kugel schaffte es schließlich, den Troll zwischen Helm und Panzerjacke zu treffen und er kippte um.

Das Spiel wurde unterbrochen und die Fans in der Kneipe johlten, grölten und buhten.

Joanne nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Bierglas, leerte es damit beinahe gänzlich. Ein Troll, der zwischen Containern unter Beschuss genommen wurde, erinnerte sie nur zu gut an ihren eigenen Kampf, den sie vor zwei Tagen gehabt hatte.

Die Cyberzombies gingen wieder zum Gegenangriff über, ausgehend von der gegnerischen Torzone. Auch sie wurden unter Beschuss genommen. Da schoss der Stürmer der Zombies über die Container hinweg, um zwei der hamburger Jäger auszuschalten, von denen nur einer schnell genug reagierte.

Ein gelungener Überraschungsangriff.

„Nun, wenn das so weiter geht, stehen die Rams bald nur noch mit dem halben Team da“, meinte der elfische Moderator süffisant.

Und auf einmal fiel Joanne ein, was es war, das ihr die ganze Zeit im Hinterkopf herumgeschwiert war: Vorgestern war nicht das erste Mal gewesen, dass sie in der letzten Woche jemand in jenem Teil des Hafens überrascht hatte. Da war dieser Logistiker gewesen...

Sie sprang auf. „Rob, ich muss gehen.“

Verwirrt wandte er den Blick vom Bildschirm ab. „Was, aber...“

„Keine Zeit“, erwiderte sie nur und nahm ihren Helm. Dann stürmte sie ohne ein weiteres Wort zu verlieren aus der Bar. Denn wenn sich ihr Verdacht bestätigte...

Verdacht

War es nur ein Zufall? Etwas sagte Joanne, dass dies nicht der Fall war.

Sie arbeitete seit fünf Jahren im Hafen und nie hatte sie einen der Logistiker nachts allein im Hafen gesehen. Und dann, ziemlich genau eine Woche später, kommen ein paar Runner und überfallen den Hafen an genau derselben Stelle?

Noch einmal betrachtete sie die Videoaufzeichnung, die Michael Förster – wie er sich ihnen vorgestellt hatte – in der Nacht vor über einer Woche zeigten. Es war nicht nur auffällig, dass er alleine unterwegs war. Nein, obwohl er sich sehr ruhig und routiniert verhielt und eine entspannte Körperhaltung zeigte, fiel auf, dass er sich sehr geschickt von den Kameras fernhielt. Nachdem er den Sichtbereich der Kamera am Gebäudeausgang verlassen hatte, erschien er nur noch drei Mal kurz am Rand von Kamerabildern – kaum mehr als ein Schatten.

Joanne erinnerte sich, dass sie in jener Nacht gemeint hatte, etwas zu sehen und war sich nun sicher, dass es er gewesen war.

Und die Container, deren Daten er angeblich abgefertigt hatte, waren im selben Bereich des Hafens gewesen, auf den der Shadowrun stattgefunden hatte.

„Du bist noch immer hier?“, lies eine Stimme sie aufschrecken.

Sie sah zu Markus, einem Elfen mit kurzgeschorenem dunklen Haar, der in der Tür saß und sie ansah.

„Solltest du nicht langsam gehen?“

Joanne zögerte. „Ja, sollte ich“, meinte sie dann.

„Was ist es überhaupt, dass du so dringend nachschauen musst?“, fragte er.

Wieder zögerte sie, schüttelte dann aber den Kopf. „Nichts“, erwiderte sie.

„Und für 'nichts' habe ich Ärger mit Dante riskiert?“ Der Elf verschränkte die Arme.

„Tut mir leid“, erwiderte sie, auch wenn es sie einige Überwindung kostete. „Ich habe nur eine Sache einfach nicht aus meinem Kopf bekommen.“

Markus hob eine Augenbraue. „Was für eine Sache?“

„Ich habe nur gemeint, etwas gesehen zu haben... Aber es ist nichts gewesen“, erwiderte sie und zwang sich ihre Stimme freundlich klingen zu lassen. „Danke, dass du mich an die Aufzeichnungen gelassen hast.“

Noch immer sah er sie leicht misstrauisch an. „Schon in Ordnung“, sagte er dann sehr langsam und vorsichtig.

Joanne nahm ihren Motorradhelm und ging zur Tür des Kontrollraums, in deren Rahmen er gerade lehnte. „Gute Nacht“, meinte sie und ging an ihm vorbei.

„Gute Nacht, Jo“, grummelte er, nicht ganz überzeugt.

Bedacht darauf, nicht zu schnell zu gehen, machte sie sich auf den Weg zu ihrem Motorrad und setzte erst dort ihren Helm auf, der noch immer unangenehm gegen die geklebte Wunde an ihrem Hinterkopf drückte.

Die Frage, so musste sie zugeben, war, was sie nun tun sollte. Sie hatte keine handfesten Beweise, dass dieser Michael Förster irgendetwas mit den Shadowrunnern zu tun hatte. Immerhin hatte er ganz offenbar die Berechtigung gehabt, dort zu sein, wo er gewesen war. Entsprechend konnte sie es ihm kaum vorhalten.

Neonreklamen und Hologramme rauschten an ihr vorbei, während sie ihr Motorrad wieder Richtung Lauenburg lenkte. Es war die Nacht von einem Freitag auf einen Samstag, und entsprechend waren die Straßen bevölkerter, als in anderen Nächten, was sie zwang, sich zumindest halb auf den Verkehr zu konzentrieren.

Ihr blieben zwei weitere Fragen: Hatte der Typ auch irgendetwas mit Shadowruns in der Vergangenheit zu tun gehabt? Und waren die Container, die er markiert hatte, vor zwei Tagen – entgegen seiner Worte – noch da gewesen?

Doch war das Problem, dass Joanne keinen Zugriff auf entsprechende Daten hatte. Sie konnte nicht einsehen, wann welcher Container wohin verschifft wurde. Immerhin war sie nur eine Sicherheitsbeauftragte und wohin Container kamen, wenn sie auf regulärem Weg den Hafen verließen, hatte sie genau so wenig zu interessieren, wie ihr Inhalt.

Eventuell könnte sie es schaffen, an ältere Videoaufzeichnungen zu kommen, aber selbst dafür müsste sie einen Antrag ausfüllen und Dante war derjenige, der solche Anträge genehmigen musste.

Einer Sache war Joanne sich sicher: Sie würde Dante nicht von ihrem Verdacht erzählen. Bestenfalls würde er ihr glauben und sich am Ende selbst mit Lorbeeren schmücken, aber sie hielt es für wahrscheinlicher, dass er es nur als „weibliche Paranoia“ sehen und es eventuell sogar als einen Grund nutzen würde, sie zu feuern.

Nein, sie musste der Sache selbst auf den Grund gehen. Sie kannte auch eine Möglichkeit – es war nur so, dass ihr diese Aussicht nicht gefiel.
 

Fünf weitere Tage vergingen, ehe sie endlich wieder zur Arbeit zugelassen wurde. Noch immer waren ein paar der Streifschüsse noch nicht ganz verheilt, doch spürte sie keine Schmerzen mehr und wurde auch ansonsten nicht mehr von den Wunden eingeschränkt.

Dieses Mal war sie froh, dass sie erneut für die Nachtschicht eingeteilt war, da abseits der Security der Betrieb im Hafen eingeschränkt war. Vor allem arbeiteten nur wenige Lohnsklaven bei Nacht in den Bürogebäuden, was ihr Vorhaben einfacher machen sollte.

Sie verbrachte die ersten drei Stunden auf Patrouille mit Markus, der ebenfalls wieder Nachtschicht hatte.

„Was war es denn jetzt, was du letztens nachgeschaut hast?“, fragte er, kaum dass sie zwanzig Minuten gelaufen waren.

„Habe ich doch schon gesagt“, erwiderte sie gereizt, ehe sie sich darauf besann, dass sie mit niemanden streiten wollte. „Nichts“, fügte sie daher ruhiger hinzu.

„Du weißt, dass das nicht sonderlich überzeugend klingt, oder?“, murmelte der Elf.

Joanne zuckte nur mit den Schultern.

Sie würde ihre Vermutung auch niemand anderem Erzählen, nicht bevor sie handfeste Beweise hatte und auch dann... Sie war sich nicht sicher, wem sie es dann sagen sollte.

Offenbar verstand Markus, dass er dazu keine weitere Antwort bekommen würde, doch sah er sie immer wieder misstrauisch von der Seite an.

„Stimmt es eigentlich?“, begann Markus nach einigen Minuten erneut ein Gespräch.

„Hmm?“ Joanne warf ihm einen Seitenblick gehört.

„Ich habe Gerüchte gehört, dass du dich ganz allein mit den Runnern letzte Woche angelegt hast“, meinte er beton ruhig.

Erneut zuckte sie mit den Schultern. „Vielleicht.“ Auch darüber wollte sie nicht reden.

Der Elf schien es jedoch als ein „Ja“ zu deuten. „Wie hast du das geschafft?“, fragte er.

Ein weiteres Schulterzucken. „Ich habe Glück gehabt.“ Sie sah ihn an. „Ich will nicht darüber reden.“

Wieder verfielen sie in Schweigen, schwiegen für über eine halbe Stunde, während sie den Zaun entlang schritten.

Als Markus das nächste mal zu reden begann, konzentrierte er sich auf nebensächliche Themen. Klatschthemen, wenn man so wollte. Und während Joanne an diesen Dingen nicht wirklich Interesse hatte, antwortete sie, bemühte sich freundlich zu sein, weil sie nicht noch mehr Feinde brauchte.

Dennoch war sie froh, als sie nach drei Stunden allein im Monitorraum saß und ihre Ruhe hatte.

Sie wartete zehn Minuten, ehe sie eine ID-Karte aus dem Schreibtisch im Aufenthaltsraum nahm. Die ID war für Notfälle gedacht, in denen sie in die Bereiche des Gebäudes mussten, in denen sie eigentlich nicht zugelassen waren. Mit ihr kamen sie in die Büroräume und ein paar andere Räumlichkeiten – auch in das Archiv.

Und genau dahin wollte sie.

Das Archiv beinhaltete – natürlich in digitaler Form – alte Daten, zumindest jene Daten, die nicht als höchst vertraulich galten oder aus einem anderen Grund streng geheim waren. Doch dankbarer Weise gehörten gespeicherte Sicherheitsaufzeichnungen nicht zu diesen und das war zumindest ein Anfang.

Joanne war sich dessen bewusst, dass die automatische Sicherheit feststellen würde, dass sie es war, die die Tür geöffnet hatte, weshalb sie sich erst Zugang zu dem normalen Bürobereich verschaffte – nur damit es am Ende glaubhafter klang, wenn sie sagte, sie hätte etwas gehört.

Gerne hätte sie gewusst, welche der Bürozellen Michael Förster gehörte, auch wenn sie sich sicher war, dass er nichts, was ihn belasten könnte, dort zurückgelassen hätte.

Joanne ließ sich Zeit, ging sämtliche Büros der ersten Etage ab, ehe sie zum Archiv ging.

Die Tür öffnete sich und ließ sie in den Raum, in dem de facto nichts, als einem Server stand, an dem ein befestigtes Deck angeschlossen war. Sie ging an das Deck und weckte es aus dem Standby auf, nur um im nächsten Moment zu fluchen.

„Drek...“

Als jemand, der die Technik von International Shipping kaum gebrauchte – vom Comlink einmal abgesehen – hatte sie nicht daran gedacht, dass diese Dinge alle über die Accounts gesichert waren. Sie versuchte sich einzuloggen, doch natürlich hatte ihr Account keine Freigabe.

„Fuck...“, zischte sie, als ihr ein „Authorization needed“ entgegenblinkte.

Also war auch dies eine Sackgasse.

Sie stellte das Deck wieder in Standby und wusste, dass sie sich eine Ausrede dafür einfallen musste, warum sie überhaupt versucht hatte sich anzumelden.
 

Und so verging die Zeit. Tage. Wochen. Joanne vergeudete die Zeit jedoch nicht.

Sie hatte Glück, dass ihrem versuch sich einzuloggen keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt wurde, nachdem sie im Wochenbericht vermerkte, dass sie in der Nacht Geräusche aus der ersten Etage gehört hatte.

Vielleicht hatte sie aber auch nur Glück, dass Dante nicht viel mehr auf entsprechende Technik gab, als sie.

Letzten Endes änderte es aber nichts an der Tatsache dass sich niemand um ihren nicht erfolgreichen Besuch des Archivs kümmerte. Allerdings war sie derweil noch immer weit davon entfernt, irgendwelche Beweise zu finden, die ihren Verdacht bestätigten.

Doch zumindest eine Sache hatte sie in Erfahrung bringen können, da dies zumindest Teilweise in den Protokollen der Security aufgezeichnet worden war und es sich ohnehin rumsprach: Die Shadowrunner, die das International Shpping Gelände in der Vergangenheit überfallen hatten, waren oftmals gezielt vorgegangen. Ja, es hatte auch Runs gegeben, bei denen rein zufällig Container aufgebrochen worden waren, aber oftmals hatten sie scheinbar genau gewusst, was sie wollten.

Dies war an sich vielleicht nicht so überraschend, waren Runner meistens doch von der Firmensicherheit gefürchtet, weil sie meist besser organisiert waren, als andere Verbrecher, dennoch war ein gewisses Muster darin zu erkennen, dass die Runner es scheinbar immer auf Waren abgesehen hatten, die entweder ohnehin für mehrere Tage oder sogar Wochen im Hafen lagerten oder Waren, bei denen es aus irgendwelchen Gründen zu Verzögerungen gekommen war.

Und Joanne ging jede Wette ein, dass sie wusste, was der Grund für die Verzögerungen war.

Was gestohlen wurde, variierte allerdings. Natürlich war militärische, technische und medizinische Ausrüstung – jedenfalls solche, die überhaupt mit Schiffen transportiert wurde – am häufigsten. Allen voran Waffen. Aber auch Kleidung, Stoffe, Leder und vergleichbare Stoffe waren gestohlen werden. Und während Leder bei heutigen Echtlederpreisen verständlich war, kam ihr ein Shadowrun auf Container mit normaler Kleidung seltsam vor.

Doch letzten Endes war es ohnehin egal, was in der Vergangenheit verschwunden war. Viel mehr interessierte Joanne, was als nächstes das Ziel eines Runs werden sollte. Denn darauf wartete sie. Nicht darauf, dass ein weiterer Run durchgeführt wurde, sondern darauf, dass sie Michael Förster erneut zwischen den Containern herumlungern sah.

Dabei konnte sie nur hoffen, dass er sich wieder Nachts darum kümmerte. Zumindest ging sie dazu über, freiwillig die Nachtschicht zu übernehmen und, wenn es sich anbot, die Monitore zu übernehmen.

So verpasste sie ein kleines Ghul-Gerangel, als sich einmal wieder ein paar der MMVV-Infizierten in den Hafen geschlichen hatten, aber davon abgesehen passierte wieder einmal nicht viel.

Ihre größte Sorge blieb, dass sie ihn verpasste, und je mehr Zeit verging, desto angespannter wurde sie.

Doch sie sollte auch dabei wieder Glück haben. Denn es war an einem Montag, fünf Wochen später, dass sie eine Gestalt aus dem Gebäude kommen sah, die keine Security-Uniform trug. Eine zweite Kamera bestätigte ihr, dass es Förster war.

Sie wartete, um zu sehen, wohin er ging. Wie auch beim letzten Mal war er sehr geschickt darin, sich vom Sichtfeld der Kameras fern zu halten, doch zumindest grob konnte sie erahnen, in welchem Teil des westlichen Hafenbereichs er wollte.

Also steckte sie ihre Pistole ein und machte sich auf den Weg, wobei sie selbst so gut es ging verhinderte, auf zu vielen Kameras zu sehen zu sein. Auch mied sie die üblichen Patrouillenwege, um nicht zufällig auf zwei ihrer Kollegen zu treffen.

Sie schlich durch einen Mittelgang, der die Containerreihen miteinander verband.

Dabei verzichtete sie auf eine Taschenlampe, um nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Doch schließlich sah sie den Schein einer anderen Lampe, die offenbar wieder dieselbe in eine AR-Brille integrierte Lampe war, die er schon das letzte Mal verwendet hatte. Dies gab ihr eine gute Möglichkeit ihn zu lokalisieren.

In der Nähe, so stellte sie fest, waren auch ein paar Hafenarbeiter, die Pause machten, doch lehnten diese sich an die letzten Container der Reihe, nur wenige Meter vom Hafenbecken entfernt und mehr als 30 Meter von ihnen entfernt.

Da Förster sich ihrer aktuellen Position zugewandt hatte, schlich sie um zwei Container herum, um sich ihn von hinten nähren zu können. Sie bemühte sich leise zu sein, doch er war ohnehin zu vertieft auf die Anzeige seines Comlinks, um etwas um sich wahrzunehmen.

Sie packte ihn und zog ihm seine Arme auf den Rücken, ehe sie ihn so gegen einen der Container drückte – bemüht dabei nicht zu laut zu sein.

„Gibt es schon wieder Ausfuhrbescheide, die noch so spät fertig gemacht werden müssen?“, zischte sie.

Sein Gesicht ließ eine leichte Überraschung ablesen, jedoch keine Angst. „Was soll das werden?“, fragte er mit deutlichem Amüsement in der Stimme. „Ein Überfall?“

„Du weißt genau, was das werden soll“, erwiderte sie mit gedämpfter Stimme. „Du bist derjenige, der die Runs auf das Gelände plant.“

„Ich stehe unter Verdacht?“, meinte er mit übertriebener Naivität. „Weswegen denn?“

„Überstunden hier draußen um diese Uhrzeit?“, erwiderte sie.

„Ist das alles, was du mir vorwirfst?“, erwiderte er, nun mit gelangweilter Stimme. „Hast du irgendwelche Beweise?“

Joanne zögerte nur für einen Moment und musste zugeben, dass dieser Teil der Aktion nicht unbedingt durchgeplant war. „Genug“, sagte sie dann.

„Nein, hast du nicht“, entgegnete Förster und grinste. . „Hättest du genug Beweise, würdest du mich nicht hier hinterrücks überfallen, sondern hättest mich gemeldet. Was war dein Plan? Mich zu einem Geständnis zwingen?“

Eigentlich hatte sie damit gerechnet, dass er überraschter war und zumindest so etwas wie Angst zeigte.

„Lässt du mich los oder willst du, dass es am Ende du bist, die gemeldet wird?“, erwiderte er.

Sie zögerte, ließ ihn dann aber los. Sie kam sich etwas albern vor. Denn tatsächlich stellte sie fest, dass es klüger gewesen wäre, hätte sie gewartet, bis der nächste Run stattfand und hätte danach Meldung erstattet. Wobei es selbst in dem Fall fragwürdig gewesen wäre, ob man es als Beweise angesehen hätte...

„Und sollte es dir nicht aufgefallen sein: Ich komme öfter hier heraus, um Dinge zu erledigen.“ Er grinste selbstzufrieden und strich sich sein Hemd glatt. „Meistens am Tag oder frühen Abend. Manchmal auch Nachts. So fällt es nicht auf, wenn es sich einmal um interessante Ware handelt.“

„Soll das ein Geständnis sein?“, knurrte sie.

Förster zuckte mit den Schultern. „Wie man es nimmt.“ Er betrachtete sie für einen Augenblick prüfend, wobei die Lampe an seiner Brille sie blendete. „Weißt du, ich habe mir gedacht, dass du etwas vermutest und wollte eigentlich nur sehen, ob ich richtig liege. Allerdings bin ich doch überrascht. Ich hätte einen durchdachteren Angriff erwartet.“

Sie kniff die Augen zusammen. „Wovon redest du?“

„Oh, dich blendet das Licht, ja?“, meinte er beiläufig und knipste die Lampe aus. „So besser?“

Sie antwortete nicht, sondern sah ihn nur voll unterdrückter Wut an. Sie fühlte sich verarscht und das war ein Gefühl, dass sie so gar nicht leiden konnte.

„Nun, wie dem auch sei. Es ist sozusagen mein Hobby Dinge zu wissen, weißt du?“ Wieder grinste er selbstgefällig. „Daher weiß ich auch, dass du es warst, die sich das letzte Mal mit den Shadowrunnern angelegt hat. Beeindruckend, wenn du mich fragst, wenngleich unpraktisch für mich. Davon einmal abgesehen weiß ich auch, dass dein Name Joanne Snyder ist und du seit fünf Jahren hier arbeitest. Ich weiß auch, dass du trotz guter Arbeit bisher nicht befördert wurdest, was nicht zuletzt an Dante O'Brien liegt, der dich eigentlich lieber gefeuert sehen würde, da er der Meinung ist, dass Sicherheitspersonal kein Beruf ist, der auf eine Frau passt. Ebenso weiß ich, dass die Hälfte deiner männlichen Arbeitskollegen dich für eine Lesbe und zumindest ein weiteres Viertel für einen Transsexuellen hält. Ich weiß auch, dass du versucht hast, Zugriff auf die alten Sicherheitsaufzeichnungen zu bekommen und in letzter Zeit vermehrt nach vergangenen Runs auf dieses Gelände gefragt hast. Kurz gesagt: Ich weiß eine ganze Menge.“

Mit jedem seiner Worte war die Wut in Joanne mehr und mehr hochgekocht, so dass sie sich nicht beherrschen konnte. Sie packte ihn bei der Kehle und drückte ihn gegen den Container, während sie die Waffenmündung öffnete. „Was willst du mir damit sagen?“, knurrte sie. „Dass du ein verfluchter Stalker bist?“

Noch immer schien er sich zu bemühen, sein Lächeln zu halten, doch konnte sie sehen, dass er einen so frontalen Angriff nicht erwartet hatte. „Ich kann dir versichern, dass ich kein Stalker bin“, keuchte er, wobei seine Stimme verzerrt klang. „Ich bin nur jemand, der viel weiß.“

„Und was bringt dir dieses Wissen?“, fragte sie, ohne ihre Hand zu lockern.

„Geld“, antwortete er kurz und versuchte ihre Hand wegzudrücken. „Verflucht noch mal, lass mich los, wenn du mich nicht umbringen willst!“

Sie sah ihn wütend an, lockerte ihren Griff aber nicht. „Und wie sollte es dir Geld bringen, solche Dinge über mich zu wissen?“

Förster schnappte noch immer nach Luft und sein Gesicht nahm langsam eine bedenklich rote Farbe an. „Du verstehst das falsch“, schnaubte er, keuchte wieder.

Joanne sah ein, dass sie ihren Griff zumindest etwas lockern musste, damit er sprechen konnte. Sie ließ ihn jedoch nicht ganz los.

„Es geht nicht um dieses spezifische Wissen“, sagte er. „Ich weiß generell Dinge. Ich weiß, dass dein so verhasster Chef einen Fetisch für blonde Elfendamen hat, dass Mike Daniels der Anti-Ork Bewegung angehörte, dass Sören Amedick seine Frau mit einem Kerl betrügt... Alle möglichen Dinge. Ich weiß auch, woher man in dieser Stadt am besten Waffen bekommt und an wen man sie am besten verkauft, wen man bestechen muss, um bestimmte Dinge zu bekommen und wenn man erpressen kann.“

„Dann willst du mich also erpressen?“, fauchte sie.

„Nein“, keuchte er, als sie fester zupackte. „Eigentlich hatte ich vor, dir einen Job anzubieten.“

Schatten

Warum war sie hergekommen?

Die Musik der Indieband dröhnte aus mehreren Lautsprechern. Es war eine Industrial-Metal-Mischung, die die kleine Truppe, bestehend aus zwei Menschen, zwei Orks und einem Zwerg zum besten gab und der Bass dröhnte in Joannes Kopf.

Sie hätte nicht kommen sollen. Sie sollte wieder gehen. Doch sie blieb.

Das Lokal war der Dockers Club, ein Musikclub mit Bar in der Hafengegend. Ein Club mit einem weit bekannten Ruf. Denn nicht nur Ganger trafen sich hier...

Ihr ganzes Leben lang, hatte Joanne sich von diesem Lokal ferngehalten, obwohl der Ruf des Clubs andere sogar anzog. Denn immerhin war es bekannt dafür, dass sich neben Gangern hier auch Shadowrunner, Assassinen und andere Kriminelle aufhielten.

Offenbar bezahlten Leute HanseSec gut genug, als dass diese Aktivitäten durchgehend ignoriert wurden – zumindest war das der einzige Grund, um den Mangel an Kontrollen in dem eigentlich Stadtbekannten Lokal zu erklären, der Joanne einfiel.

Allerdings trieben sich hier nicht nur Kriminelle um. Denn tatsächlich hatte der Club auch eine Stammwirtschaft mit Hafenarbeitern und ähnlichen einfachen Leuten gefunden, die vielleicht die Musik, vielleicht aber auch wegen dem Hauch des Verbotenen, den der Club ausstrahlte, herkamen. Joanne wiederum reizte weder das eine, noch das andere.

Noch immer war sie sich nicht sicher, ob sie wirklich hier sein wollte. Da war eine Stimme in ihrem Kopf, die ihr sagte, dass sie am besten auf dem Absatz kehrt machen und nie wieder hierher kommen sollte. Doch sie hörte nicht auf die Stimme. Sie ging weiter in das Lokal hinein. Und konnte dabei nicht einmal sagen wieso.

War es Neugierde, die sie hierher geführt hatte? Oder war es doch etwas anderes? Sie konnte es nicht sagen.

Eigentlich sollte sie Förster ausliefern. Sie sollte ihn melden. Wenn nicht Dante – bei dem sie sicher war, dass er ihr nicht glauben würde – dann HanseSec. Sie hatte Aufnahmen von seinem Teilgeständnis auf dem Comlink. Mehr würde sie nicht brauchen, damit sich irgendjemand um dieses Problem kümmern würde. Und sie würde auch dieses Mal mitschneiden, was er sagte, doch konnte sie sich nichts vormachen: Das war nicht der Grund, warum sie gekommen war.

Denn zumindest eine Sache konnte sie sicher sagen: Sie wollte hören, was Förster zu sagen hatte. Sie wollte sein Angebot hören, auch wenn sie eigentlich schon sehr genau wusste, was er von ihr wollte.

Wenn er einer dieser Drahtzieher war – derjenige, der zumindest einen Teil der vergangenen Runs auf den Hafen organisiert hatte – dann würde er ihre Hilfe bei genau so einer Aktion wollen. Er hatte ihre Leistung als beeindruckend bezeichnet und genau das ließ Joanne sich fragen, ob all das – selbst ihr Treffen im Hafen – genau geplant gewesen war.

Doch was für einen Wert hatte sie für ihn? Sie hatte einen Job. Was für einen Grund hatte sie, Shadowrunner zu werden?

Letzten Endes blieb ihr nichts, als abzuwarten, was Förster für sich selbst zu sagen hatte. Und dafür musste sie ihn erst einmal finden.

Immerhin war der Dockers Club recht groß und hatte mehrere Galerien, von denen aus man die Bühne sehen konnte, dabei aber auch eine wenig mehr Ruhe hatte, als im Gedränge unten an im Schankraum.

Förster hatte ihr gesagt, dass er in der obersten Galerie warten würde, doch um dahin zu kommen, musste sie sich durch das Metamenschengedrängel erst einmal zu dem Aufgang durchkämpfen, der offenbar auf die höheren Etagen führte.

Auch was Metamenschen anging tummelte sich einiges in dem Lokal, wenngleich Menschen, Elfen, Zwerge und Orks bei weitem häufiger vertreten waren, als Trolle. Dennoch sah sie selbst einige der hühnenhaften Metamenschen und fragte sich, wie viele von ihnen wohl Shadowrunner waren.

Schließlich schaffte sie es, sich zu dem Aufgang durchzudrängeln und sich eine enge metallene Wendeltreppe hinaufzuschleppen, die aussah, als hätte man sie aus einem Schloss oder vergleichbarem gestohlen, da die detaillierte Verzierung des Geländers so gar nicht in Rest der Inneneinrichtung passen wollte. Mehrfach kamen ihr Leute entgegen oder drängelten sich von hinten an ihr vorbei. Endlich jedoch erreichte sie das dritte Stockwerk und sah sich um.

Die Galerie hing halbkreisförmig über der Bühne und die Luft hier oben war etwas weniger stickig, da nur zwei Meter über dem Rundgang eine Reihe größerer Schrägfenster zumindest einen Spalt geöffnet waren.

Joanne folgte dem Gang, bis sie schließlich Förster sah, der an einem Tisch saß – jedoch nicht allein. Bei ihn saß eine junge Elfe, deren Haare Neonblau gefärbt und hochgegelt waren, was in diesem Etablissement allerdings kaum auffällig war.

Die Tische hier waren schmal und an beiden Seiten standen abgewetzte Sitzbänke, die mit falschem Leder überzogen waren. Das Leder war jedoch voller Löcher und Schnitte, die von Messern, Krallen und vielleicht auch ein paar Kugeln dort hinterlassen worden waren.

„Da bist du ja endlich, Snyder“, meinte Förster mit demselben selbstgefälligen Grinsen, dass ihr schon im Hafen so unglaublich auf die Nerven gegangen war.

„Klappe“, erwiderte sie forsch. „Wer ist das?“

„Das ist Serenity“, antwortete er mit vorgetäuschter Fröhlichkeit. „Eine Kollegin. Sie ist eine Deckerin. Eine verflucht gute noch dazu.“ Er stand auf, um Joanne näher zum Tisch zu ziehen. „Seny, darf ich vorstellen, dass ist Snyder“, meinte er dann und legte Joanne kumpelhaft die Hand auf die Schulter.

„Lass das“, grummelte Joanne und schüttelte die Hand ab.

Die Elfe derweil schwieg und musterte Joanne mit einer hochgezogenen Augenbraue. Ihr Blick wanderte Joannes ganzen Körper hinab, verharrte kurz auf den Händen und dann auf den Waffen, die sie offen trug. „Du bist also unsere Verstärkung, eh?“

„Ich bin gar nichts“, schnaubte Joanne und sah Förster wütend an. „Was soll das hier? Deswegen bin ich nicht hergekommen!“

„Geduld, Geduld, mein Mädchen“, meinte Förster heiter.

„Ich bin nicht dein Mädchen“, bellte sie ihn an.

„Schon gut, man“, seufzte er und hob ergeben die Arme. „Sei nicht so angespannt. Setz' dich erst mal zu uns, trink was. Hier, ich habe schon was für dich bestellt. Geht auf mich. Ist echter Rum. Kein komisches Soy-Zeug.“

Joanne sah auf den Tisch und erkannte, dass das dritte Cocktail-Glas dort nicht etwa Nachschub für ihn war, sondern ganz offenbar für sie bestimmt war. „Ich trinke nicht, klar?“

Nun verdrehte er die Augen. „Den Stock ganz weit im Arsch, eh?“, murmelte er unter dem Atem, aber immer noch deutlich genug, dass sie ihn hörte.

„Ich gehe wieder“, grummelte sie.

„Jetzt wart mal!“, meinte nun die Elfe und stand auf. „Ich weiß, der Typ kann etwas nervig sein, aber willste dir nicht mal anhören, was er zu sagen hat?“

Joanne wandte sich widerwillig zu ihr um. Sie schätzte die Elfe als nicht viel älter als sich ein und in ihren hellen Augen lag etwas waches. Ein Gewitztheit, die Joanne eigentlich sympathisch erschien. Doch die Elfe war eine Runnerin und die meisten Runner, auf die sie bisher getroffen war, hatten nicht besonders lang gelebt.

„Ich denke nicht, dass er hier mehr produziert, als heiße Luft“, knurrte sie. „Und davon gibt es in diesem Drecksloch schon genug.“

„Wieso biste denn dann überhaupt hergekommen?“, murmelte die Elfe dann und verzog das Gesicht.

Joanne seufzte. „Tja, das frage ich mich auch“, hauchte sie, jedoch nicht laut genug, als dass sie jemand hätte verstehen können.

Sie wollte wirklich gehen, als Förster sie am Arm packte.

„Jetzt warte doch mal, Snyder!“, meinte er.

Mit einem Ruck riss sie ihren Arm los und fuhr zu ihm herum. „Du willst dich nicht mit mir anlegen, du kleiner...“ Beinahe schon hatte sie ihre Hand wieder an seiner Gurgel, als er gleich zwei Schritte zurückwich.

„Will ich auch nicht“, meinte er und zum ersten Mal blätterte seine fröhliche Fassade ganz von ihm ab. „Aber... Ist es nicht so, wie Seny sagt? Du wärst nicht gekommen, wenn du nicht doch irgendwie Interesse hättest, oder?“

Joanne schnaubte. „Vielleicht bin ich nur gekommen, um dir deinen Hintern zu versohlen.“

„Wenn es darum ginge, hättest du das anders versucht“, konterte er, wenngleich noch immer mit einem vorsichtigen Unterton. „Ich mein, du kannst mir nicht erzählen, dass du ewig in diesem Job arbeiten willst, oder?“

Darauf erwiderte sie nicht sofort etwas. Sie sah ihn nur an. Wütend, missmutig, doch wusste sie, dass er Recht hatte. Sie würde dies nicht offen zugeben, doch ließ sie sich nach einigen Momenten auf den Platz neben Serenity fallen und verschränkte demonstrativ die Arme. „Ich gebe dir fünf Minuten.“

Sofort war das fröhliche Lächeln wieder da. „Wunderbar“, strahlte er. Auch er setzte sich wieder und schob ihr das Cocktailglas hin, dass ganz offenbar einen Piña Colada zu beinhalten schien.

Joanne jedoch trank nicht, sondern wartete nur, was Förster bald zu bemerken schien.

„Nun gut“, meinte er. „Also folgendes: Serenity hier hat in Erfahrung bringen können, dass in 18 Tagen eine größere Lieferung von Ares aus den UCAS ankommt, welche in Hamburg verladen werden und innerhalb Deutschlands weiter ausgeliefert werden soll. Nun ist es so, dass ich gewisse Personen kenne, die weit mehr Interesse an bestimmten Dingen in dieser Lieferung haben, als die eigentlichen Empfänger, weshalb es eine regelrechte Verschwendung wäre, würden diese Gegenstände in den falschen Händen landen, nicht?“

Erneut konnte Joanne sich ein Schnauben nicht verkneifen, doch Förster ging darauf nicht ein.

„Diese Personen, die ich halt kenne, sind tatsächlich so interessiert an diesen Dingen, dass sie jedem, der sie ihnen beschafft, nicht nur den Gerätepreis erstatten würden, sondern auch noch einen gewissen Aufwandsausgleich drauf zahlen würden, wenn du verstehst, was ich meine, Snyder.“

„Ich bin nicht blöd“, erwiderte sie. „Wie viel?“

„Nun, je nachdem... Aber sagen wir es so: Wenn du uns hilfst, könntest du demnächst 150 000 Nuyen mehr auf deinem Konto verbuchen“, meinte Förster und senkte dabei seine Stimme.

Joanne starrte ihn ungläubig an. 150 000 Nuyen war mehr, als sie normal in einem Jahr verdiente. Es war mehr, als die meisten innerhalb von einem Jahr verdienten. Es war genug, um davon eine ganze Weile angenehm zu leben.

Aber was war der Preis dafür?

Als sie schwieg, hakte Förster nach. „Na, was sagst du?“

Sie besann sich. „Und was soll ich dafür tun?“, fragte sie und zog die Augenbrauen zusammen.

Förster lächelte. „Nun, nicht besonders viel. Es wäre sehr praktisch, wenn du es hinbekommen würdest, dass die Überwachung für eine Weile ausfällt. Dabei kann dir Seny hier natürlich aus der 'Trix helfen, aber es wäre praktisch, jemanden vor Ort zu haben, wenn du verstehst. Und natürlich wäre es entgegenkommend, würdest du irgendwie dafür sorgen, dass der Teil des Hafens, wo unser kleines Unternehmen startet, für eine Weile unbewacht ist.“

Joanne schürzte die Lippen. „Kurzum: Ich soll meinen Job aufgeben.“

„Nun, das sage ich nicht“, erwiderte Förster. „Allerdings will ich nicht garantieren, dass du ihn danach behalten kannst. Doch ganz unter uns gesagt, frage ich mich sowieso, weshalb dir soviel daran liegt, den Job zu behalten, wenn du doch bei weitem bessere Aussichten hättest.“

„Mich interessiert nicht, was du dazu meinst“, entgegnete sie kühl.

Förster zuckte mit den Schultern. „Ich mein ja nur...“ Mit dem Versuch einer Unschuldsmiene, sah er zur Decke. „Es gibt nicht viel, was du zurücklassen würdest. Von allem, was ich gehört habe, sind deine Eltern schon vor zwei Jahren verstorben und der Rest deiner Familie lebt in den UCAS, von allem was ich höre. Hast du mit ihnen überhaupt Kontakt?“

Joanne würdigte dies keiner Antwort, abgesehen von einem sehr düsteren Blick. Es gefiel ihr so ganz und gar nicht, wie viel er über sie wusste. Natürlich war sie sich dessen bewusst, dass jemand, der es in der heutigen Welt darauf anlegte, so ziemlich alles über einen anderen Menschen herausfinden konnte, sofern dieser nur eine SIN hatte. Entsprechend überraschte sie es eigentlich nicht, dass er so viel hatte über sie herausfinden können. Nein, viel mehr störte es sie, dass er es darauf angelegt hatte.

Sie warf Serenity einen Seitenblick zu. War sie es gewesen, die einige dieser empfindlicheren Informationen für ihn herausgefunden hatte? Dabei war sich Joanne nicht einmal sicher, ob sie der Elfe sauer sein könnte, hatte sie am Ende doch nur einen Auftrag erfüllt.

Doch war nicht genau das der Grund, warum sie nichts hatte mit Shadowrunnern zu tun haben wollen? Denn einem Runner war die Privatssphäre einer ihm vollkommen fremden Person ebenso egal, wie Gesetze und Ethik.

Vielleicht hatte sie zulange geschwiegen, denn Förster sah sie nun wieder erwartungsvoll an. „Und, was sagst du, Snyder?“

Sie zog die Augenbrauen zusammen. „Ich sage gar nichts“, erwiderte sie kühl. „Du verlangst viel.“

„Und biete viel“, erinnerte er sie.

„Darum geht es nicht.“

Förster öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch es war die Elfe, die ihm zuvor kam:

„Sprich: Du hast moralische Bedenken.“ In ihrem Ton lag etwas, dass Joanne nicht gänzlich zuordnen konnte. War es Sarkasmus?

Sie wandte sich ihr zu. „Ja“, sagte sie kühl. „Und?“

Ein berechnender Ausdruck trat auf das Gesicht der Elfe, während sie Joanne musterte. „Wieso?“

Joanne antwortete ihr nicht.

Serenity wartete eine Weile, ehe sie fortfuhr. „Wie viele Metamenschen hast du getötet, seit du für Wuxin arbeitest?“

„Das tut nichts zur Sache“, erwiderte Joanne leise. Die Wahrheit war, dass sie sich angewöhnt hatte, darüber nicht nachzudenken. Als sie am Hafen angefangen hatte, hatte sie so oft gezögert und am Ende wochenlang Albträume gehabt. Aber sie war nicht gegangen, denn sie hatte sich diese Schwäche nicht eingestehen wollen.

„Doch, das tut es“, sagte die Elfe kühl und sah Joanne in die Augen.

Serenities Augen waren grau und eiskalt. Auch wenn Joanne es nicht wollte, senkte sie nach ein oder zwei Sekunden den Blick.

„Wer handelt unmoralischer: Die Konzerne, die jeden Menschen, der ihr Gelände betritt – und sei es nur eine Mutter, die nach Essen für ihre Kinder sucht – abknallen lassen oder die Shadowrunner, die schlicht und ergreifend für ihr eigenes Überleben kämpfen?“, meinte Serenity nun mit kühler Stimme.

Joanne verzog das Gesicht. Was sollte das für ein Vergleich sein? „Das macht Shadowrunner nicht zu heiligen“, erwiderte sie, nicht minder kühl. „Jemand, der andere tötet, ohne nach den Grund zu fragen, handelt falsch. Jemand, der Leute entführt, nur weil er dafür bezahlt wird, handelt falsch. Jemand, der Waffen stiehlt, ohne nach dem Grund zu fragen...“

„Und jemand, der einfache hungernde an der Tür abknallt?“, erwiderte die Elfe.

„Das ist nicht der Punkt“, zischte Joanne.

Die Elfe schnaubte leise. „Ich verstehe schon, was dein Punkt ist. Dass Shadowrunner keine Heiligen sind. Wollen wir auch gar nicht sein. Aber wir sind nicht krimineller als die Konzerne oder unsere lieben Gesetzeshüter selbst. Schau dich doch um. Selbst dir sollte klar sein, dass HanseSec genau weiß, was in diesem Laden vor sich geht, aber sie lassen uns sein, weil sie genau so bestechlich sind, wie die so ziemlich jedes Arsch in dieser Stadt. Jeder ist bestechlich – nur der Preis variiert.“

„Danke für diese wunderbare Weisheit“, gab Joanne zurück. „Sonst noch etwas, was ich wissen sollte?“ Ihre Stimme triefte vor Sarkasmus.

Da mischte sich Förster ein. „Bitte, die Damen“, meinte er. „Ihr müsst nicht streiten.“

Joanne sah ihn an und wollte ihn schon anschnauzen, aber sie schaffte es, sich zu beherrschen. Stattdessen stand sie mit einer plötzlichen Bewegung auf. „Stimmt, das müssen wir nicht. Weil ich gehe. Ich habe keinen Grund hier zu sein.“ Sie wandte sich zu gehen.

Auch Förster sprang auf. „Warte, Snyder.“

Sie ignorierte ihn, hörte aber, dass er noch ein paar Schritte ihr hinterher machte, sich aber offenbar eines besseren besann und sie nicht aufhielt. „Das Angebot steht, Snyder“, meinte er jedoch noch. „Du hast drei Tage, um dich zu melden.“

„Ja, klar“, murmelte sie und dachte daran, dass sie das gesamte Gespräch mitgeschnitten hatte. In drei Tagen würde Michael Förster niemanden mehr Aufträge geben können, da er zu diesem Zeitpunkt bereits in Big Willy sitzen würde.

Mit einer grimmigen Genugtuung drängelte sie sich die Treppe hinab und aus dem Laden heraus.

Sie war kein Shadowrunner. Sie würde kein Shadowrunner sein. Vielleicht war ihr Job nicht das ehrenhafteste, doch das war noch lange kein Grund, gänzlich in die Schatten abzutauchen. Nein, das war nicht ihr Stil. Egal was eine Elfe sagte – immerhin stand sie noch auf der Seite des Gesetzes.

Chancen

Doch an diesem Abend meldete Joanne Förster nicht bei HanseSec und auch bei Wuxin erstattete sie keinen Bericht. Sie wusste, dass sie es tun sollte, doch tat sie es dennoch nicht. Stattdessen redete sie sich ein, dass es vernünftiger war, es in Ruhe am nächsten Tag zu tun, doch wäre sie ehrlich mit sich gewesen, hätte sie zugegeben, dass sie es auch am nächsten Tag nicht tun würde.

Sie war jedoch nicht ehrlich mit sich und versuchte sich selbst davon zu überzeugen, das richtige zu tun.

Das Problem dabei war nur, dass sie sich gar nicht mehr so sicher war, was eigentlich das richtige war. Denn auch wenn sie die Worte der Elfe im Club wütend abgeschmettert hatte, so gab es doch diesen Teil von ihr, der davon überzeugt war, dass sie recht hatte.

Egal wie sie es drehte, sie konnte nicht verleugnen, dass sie selbst für das Vorgehen der Konzern nicht viel übrig hatte – unabhängig davon, dass sie zumindest theoretisch gesehen, im Rahmen des Gesetzes handelten. Letzten Endes lief das Gesetz darauf hinaus, dass es für die Megacons keine Gesetze gab.

Alles, was unerlaubt auf das Gelände von International Shipping kam und sich nicht schnell genug ergab, wurde erschossen, sofern es eine Chance gab. Manchmal ließ man einzelne Runner am Leben, in der Hoffnung von ihnen erfahren zu können, wer sie beauftragt hatte, doch letzten Endes starben die meisten. Wer nicht starb endete im Big Willy, egal ob Runner oder einfacher verzweifelter Bürger.

War das gerecht? Sicher nicht. Doch Joanne hatte sich damit abgefunden, dass sie daran nichts ändern konnte. Und irgendwovon musste sie selbst leben.

Trotzdem hatte sie sich einmal etwas anderes unter dem Job vorgestellt, als sie bei Wuxing angefangen hatte.

Letzten Endes blieb nur die Erkenntnis, dass es kein „richtig“ und „falsch“ gab, kein „gut“ und „böse“. Die reale Welt war nicht so einfach, wie die Welt in den meisten Filmen oder Büchern. Die Konzerne waren, wenngleich vom Gesetz legitimiert, nicht die „Guten“, die Shadowrunner nicht die „Bösen“, doch genau so wenig war es umgekehrt. Was blieb war eine einfache Unterscheidung: Es gab jene, die lebten, und jene, die starben.

Und zumindest einer Sache war sich Joanne recht sicher: Shadowrunner starben viel schneller als der Rest der Bevölkerung. Förster oder Serenity hätten dies vielleicht Schulterzuckend als „Berufsrisiko“ abgetan, aber Joanne hatte bestimmt keine Lust sich darauf einzulassen.

Wobei 150 000 Nuyen schon verlockend waren...

Doch am Ende schnaubte sie nur, wütend auf sich selbst, dass sie überhaupt darüber nachdachte.

So oder so: Shadowrunner waren Kriminelle. Shadowrunner endeten entweder tot oder im Gefängnis. Keine der beiden Möglichkeiten erschienen ihr verlockend.

Nein, sie sollte das richtige tun, das gesetzliche. Sie sollte zu HanseSec gehen. Am nächsten Tag, sagte sie sich. Ja, so eilig war es nicht.
 

Doch auch am nächsten Tag ging sie nicht zu HanseSec.

Ihre Laune hatte sich gegenüber dem Vortag nur verschlechtert und da sie bis sie zur Arbeit musste noch einige Stunden totschlagen musste, packte sie, nach einem sehr kargen Frühstück, eine ihrer Waffen ein und fuhr zum Schießstand.

Sie wollte nicht denken. Sie wollte nicht dieselben Gedanken im Kopf hin- und herwälzen, die ihr in der vergangenen Nacht schon den Schlaf geraubt und ihr am Ende auch noch Albträume bereitet hatten. Beim schießen musste sich denken – jedenfalls nicht über solche Dinge. Im Gegenteil: Sie musste sich auf andere Dinge konzentrieren. Die Waffe, das Ziel, ihre eigene Haltung und Atmung.

Doch es half nicht, frustrierte sie nur noch mehr. Denn ganz schaffte sie es nicht, dem Gedankenkarussell zu entkommen, was ihre Zielgenauigkeit verschlechterte.

„Drek“, murmelte sie, während sie versuchte, ihren Kopf zu klären.

Sie legte die Waffe an und versuchte sich nur auf das Ziel zu konzentrieren. Eigentlich sollte es dank der Stabilisierung der Cyberarme besser sein, doch schien es ihr, als würde die Mündung der Waffe doch wieder ein Stück absacken. Lag es an den Armen? Nein, sie wusste, dass es ihre Konzentration lag.

Für einen Moment schloss sie die Augen und holte tief Luft. Für einen Moment hielt sie die Luft an und öffnete die Augen wieder. Sie hob die Hand wieder um nicht ganz einen Zentimeter, atmete aus und schoss.

Doch wieder traf die Kugel nur den Rand des Ziels.

Schließlich ließ Joanne die Pistole ganz sinken. Es hatte keinen Sinn.

Egal wie sehr sie versuchte, sich einzureden, dass die Entscheidung leicht war und sie wusste, was sie tun musste... Sie war sich nicht sicher, ob sie Försters Angebot ablehnen wollte. Denn am Ende: Was hatte sie zu verlieren?

Denn wenn sie ehrlich war, verabscheute sie den Job – jedenfalls so, wie es im Moment war – und sie musste zugeben, dass es eine gewisse Genugtuung bieten würde, Waren in einem so hohen Wert unter Dantes Nase weg zu stehlen. Selbst, wenn sie danach nicht mehr zurück konnte, wenn sie ein neues Leben anfangen musste, was würde sie dadurch verlieren? Vielleicht würde sie in den Schatten die Anerkennung bekommen, die sich einmal von Wuxing erhofft hatte. Wenn sie gut genug war, würde sie überleben, oder?

Doch dann war da noch Robert, ihr einziger guter Freund, den sie nicht verlieren würde. Egal, was er über den Job bei Wuxing sagte, so glaubte sie nicht, dass er einen solchen Pfad gut heißen würde – einmal ganz davon abgesehen, dass sie ihn dadurch in Gefahr bringen konnte.

Gerne hätte sie mit ihm darüber geredet, hätte sie mit irgendjemanden darüber geredet, wusste jedoch, dass es nicht nur ein seltsames Gespräch wäre, sondern die ganze Sache am Ende etwas war, dass sie selbst entscheiden musste.

Außerdem gab es noch eine Sache, die sie zurückhielt. Denn auch wenn sie es sich daran gewöhnt hatte, dass ihr Leben ohnehin keinen Plänen folgte, so war ein Leben in den Schatten etwas, dass sie nie auch nur in Betracht bezogen hatte. Sicher, für das Leben, das ihre Eltern sich für sie gewünscht hatten, war sie nie qualifiziert gewesen. Doch eigentlich hatte sie gedacht, dass sie im Security-Bereich so etwas wie eine Karriere haben könnte. Manchmal wünschte sie sich, dass es in Hamburg Militär gab, doch in den ADL war es schwer an entsprechende Anstellungen zu kommen, seit die stehenden Heere so stark reduziert worden waren.

Mittlerweile hatte sie sich jedoch damit abgefunden, dass sie – so lange sie Dante unterstellt war – wohl auch im Security Bereich keine Karriere haben würde.

Sie wusste, dass sie sich entscheiden musste, wusste, dass sie es sich selbst nicht würde verzeihen können, wenn sie bis zum übernächsten Tag keine Entscheidung getroffen hätte. Natürlich war es am einfachsten zu warten, nichts zu tun, aber am Ende würde sie dies nicht loslassen.

Mit diesem Gedanken im Kopf fand sie sich schließlich wieder vor dem heruntergekommenen Wohnhaus, in dem Robert wohnte. Sofern sie nicht irrte, hatte er frei, und selbst wenn sie sich geschworen hatte, ihn nicht um Rat zu fragen, wollte sie doch mit ihm reden.

Vielleicht würde ihr das helfen, ihre Gedanken zu sortieren.

Sie klingelte. Wartete. Beinahe glaubte sie schon, er war doch arbeiten, doch schließlich ertönte das Buzzen, das die Tür öffnete.

Sie ging zum verschmierten Aufzug und fuhr in den sechsten Stock, wo Robert wohnte.

„Was machst du hier?“, hörte sie seine besorgte Stimme, als sich die Fahrstuhltür öffnete.

Joanne seufzte. „Nichts“, erwiderte sie matt. „Ich wollte nur einmal vorbei schauen.“

Robert stand in der Tür zu seiner Wohnung und betrachtete sie misstrauisch. „Du siehst hundeelend aus.“

Zur Antwort zuckte sie nur mit den Schultern, froh, dass es sich nicht mehr so schlimm anführte, wie noch vor einigen Wochen.

„Magst du einen Kaffee?“, fragte er nach kurzem Zögern.

Sie nickte, folgte ihm dann in seine Wohnung.

Joanne selbst hatte keine besonders große Wohnung, doch ihre Wohnung wirkte regelrecht geräumig, im Vergleich zu Roberts kleinem Apartment, die gesamt etwa so groß, wie ihr Wohnzimmer war.

Sie ließ sich auf einen Stuhl an dem kleinen Küchentisch nieder, stellte die Tasche mit der Waffe und ihrem Equipment vom Schießstand neben dem Stuhl ab. Dann rieb sie sich die Augen, konzentriert darauf nicht zu viel Kraft aufzuwenden.

Schließlich stellte Robert, der nur eine Jogginghose und ein weites Shirt trug, eine Tasse Soy-Kaffe vor ihr ab. „Jetzt sag, was ist los? Wieder der blöde Zwerg.“

Joanne trank einen Schluck Kaffee und schüttelte den Kopf. „Nein. Hab nur schlecht geschlafen“, murmelte sie.

Robert setzte sich mit einer eigenen Tasse ihr gegenüber. Misstrauisch hob er eine Augenbraue. „Und weshalb hast du schlecht geschlafen?“, hakte er nach.

„Manchmal schläft man halt schlecht“, nuschelte Joanne in die noch immer gehobene Tasse hinein.

Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, herzukommen.

Robert schwieg und musterte sie, während sie stumm ihren Kaffee trank.

Immer wieder warf sie ihm Blicke zu, wusste, dass er wirklich besorgt war. Wenn sie auf Försters Angebot einging und etwas schief ging, würde sie untertauchen müssen. Wie besorgt er dann sein würde...

„Du verschweigst mir irgendetwas“, murmelte Robert.

Joanne seufzte leise. „Ja, ich verschweige dir etwas“, erwiderte sie, bemüht ihre Stimme nicht genervt klingen zu lassen. „Aber es hat einen Grund, warum ich es dir verschweige. Und egal wie oft du nachfragst, ich werde es dir nicht erzählen.“

Wieder hob Robert eine Augenbraue. „Wieso bist du dann hergekommen?“

Sie wich seinem Blick aus. „Weil ich auf andere Gedanken kommen will.“

Für einen Moment sah er sie noch einmal prüfend an, dann seufzte er. „Jo, wenn es dich so belastet, dann solltest du drüber reden.“

„Es geht wirklich nicht“, erwiderte sie und schüttelte den Kopf. „Tut mir leid.“

Einige Sekunden lang herrschte Schweigen zwischen ihnen.

„In Ordnung.“ Robert zuckte mit den Schultern. „Aber du weißt, dass du mit mir reden kannst.“

Joanne nickte nur. Sie sah, wie Robert sich auf die Unterlippe biss und für einen Moment zögerte.

„Was wollen wir dann jetzt machen?“

Für den Rest des Nachmittags spielten sie eins von Roberts Spielen auf dem Trideobildschirm und auch wenn Joanne sich normal selten mit Trideospielen beschäftigte, musste sie zugeben, dass es es sie tatsächlich etwas ablenkte.

Viel zu früh jedoch wurde ihr klar, dass sie zur Arbeit musste, da die Nachtschicht bald begann.

Hastig und nicht ohne Reue verabschiedete sie sich von Robert, um zum Hafen zu fahren. An diesem Abend war die Aussicht auf ihre Achtstundenschicht besonders abschreckend, da sie ahnte, dass sie spätestens, wenn sie wieder Monitordienst schieben durfte, in das Gedankenkarussell zurückfallen würde.

Doch dazu sollte es gar nicht kommen.

„Ah, Jojo, du kommst auch noch?“, wurde sie hämisch begrüßt, als sie die Tür zum Aufenthaltsraum öffnete.

Sie konnte sich ein genervtes Stöhnen nicht verkneifen. „Dante, du auch hier?“

Legte der blöde Zwerg ihre Dienste nicht immer so, dass sie nie gleichzeitig Dienst hatten?

„Ja, nervig, oder?“, meinte er und sah sie herausfordernd an. „Frank ist krank und ich habe keinen Ersatz finden können.“

Joanne verzog das Gesicht. „Zu dumm.“ Dann ging sie an Dante vorbei, um zu ihrem Spint zu kommen. Wenn sie sich Zeit mit dem Umziehen ließ – so überlegte sie sich, würde wohl auch jemand anderes da sein, wenn sie zurückkam. Denn sie konnte sich etwa zweihundert Dinge vorstellen, die sie lieber tun würde, als mit Dante allein zu sein.

„Weißt du“, meinte Dante kühl, während sie ihre Waffe im Schließfach verstaute und im Holster gegen eine der hier genutzten austauschte, „es gäbe so viele Dinge, die du machen könntest, anstatt herzukommen, Jojo.“

Sie machte ein verächtliches Geräusch. „Ja, die gäbe es tatsächlich.“ Sie nahm ihre Weste aus dem Spint. „Und mein Name ist nicht Jojo.“

„Das ist mir herzlich egal“, erwiderte er. Ein Grinsen umspielte seine Lippen. „Und die Frage ist doch: Warum bist du überhaupt hier?“

„Weil ich hier arbeite“, grummelte sie und hätte seine Frage am liebsten nicht einmal mit einer Antwort gewürdigt. Mit ihren Sachen unter dem Arm, wollte sie eigentlich an ihm vorbei gingen, doch demonstrativ stellte er sich ihr in den Weg.

Sie schnaubte genervt. „Weißt du, Dante, ich komme auch nicht umher, mich etwas zu fragen: Wenn dich meine Anwesenheit hier so aufregt, wieso erfindest du nicht einen Grund, um mich rauswerfen zu lassen?“

„Weil du es nicht wert bist, dass ich meinen eigenen Job für dich riskiere“, erwiderte er.und ließ sie vorbei.

„Ich wusste gar nicht, dass Zwerge so feige sind“, murmelte Joanne, während sie zur Tür ging.

„Es hat nichts mit Feigheit zu tun“, erwiderte er. „Nur mit Prioritäten. Und glaub mir, Jojo, ich werde dich schon noch los.“

„Das werden wir ja sehen.“ Gerade wollte sie die Hand zum Türknauf ausstrecken, als diese von der anderen Seite geöffnet wurde.

„Entschuldige“, meinte Jens sofort. Dann: „Du bist schon da?“ Offenbar kam auch er gerade erst an, da auch er seine Uniform nicht trug.

Joanne zuckte mit den Schultern. „Tu mir einen Gefallen, nimm den Zwerg mit raus.“

Jens sah zu Dante, der wahrscheinlich immer noch grinste, dann zu ihr. Es schien beinahe, als ob er etwas sagen wollte, doch Joanne schob ihn nur soweit zur Seite und verließ den Raum, um sich umziehen zu können.

Als sie in dem Abstellraum stand, in dem sie sich täglich umzog, holte sie ihr Comlink heraus. Sie war nicht einmal sauer. Nun, vielleicht ein wenig, aber sie war bei weitem schon wütender auf Dante gewesen. Doch seine Worte hatten ihr etwas klar gemacht, dass sie eigentlich die ganze Zeit schon gewusst hatte: Egal wie lange sie durchhielt, hier würde sich nichts ändern. Dante würde sich nicht ändern. Und egal wie tough sie sich gab, wie sehr sie ihm die kalte Schulter zeigte: Irgendwann würde sie es nicht mehr aushalten. Das war es nicht wert.

Sie suchte die Nummer Försters heraus und schrieb ihm eine kurze Nachricht: „Bin dabei.

Abschied

Joanne betrachtete die Runner, die sich – teilweise an die Wand gelehnt, teilweise auf Stühlen und zum Teil auch auf dem Boden sitzend – in dem Kellerraum versammelt hatten, der mit Waffen gefüllt war.

Ein Teil von ihr bereute bereits, dass sie sich auf die Sache eingelassen hatte, doch jetzt gab es kein zurück mehr, sagte sie sich.

Serenity war da, saß auf dem Boden und schien in der AR Daten zu bearbeiten. Doch war sie – natürlich – neben Förster die einzige Person, die Joanne kannte.

Außer ihr waren da noch gleich zwei Trolle, die beide an einer Wand lehnte. Beide waren breitschultrig und riesig, ganz wie man es von Trollen erwartete. Auch waren beide Glatzköpfig, doch während der eine nur ein ziemlich ausgebeultes Shirt trug und seine Augen hinter einer Sonnenbrille verborgen hatte, trug der andere eine Panzerjacke und schaute griesgrämig in die Runde.

Wiederum recht glücklich sah ein hagerer Mensch mit kurzem schwarzen Haar und Bart aus, der auf einem Stuhl an Försters Schreibtisch saß. Er trug ein T-Shirt der neoanarchistischen Bewegung, was ihn irgendwie fehl am Platz wirken ließ.

Fraglos wirkte er jedoch nicht so fehl am Platz wie der menschlicher Teenager, der neben Serenity am Boden saß. Joanne schätzte ihn kaum älter als 14 ein.

Außer diesen fünf und Förster waren dann da noch ein Ork, der ein Schwert auf dem Rücken trug, und eine Zwergin mit Rasterlocken, die an einem Deck rumspielte.

Förster war an einer abgenutzt wirkenden Kaffeemaschine damit beschäftigt, sich einen Soykaf zu machen und schien darauf bedacht, die Unruhe, die zumindest einer der Trolle, der Ork und zweifelsohne auch Joanne verströmten zu ignorieren. Erst als die Maschine röchelnd den Kafee ausspuckte, drehte er sich mit der dampfenden Tasse in der Hand um und grinste in die Runde. „Freut mich, dass ihr alle gekommen seid!“

Joanne schnaubte und der Troll mit der Panzerjacke tat es ihr gleich.

„Ja ja“, beschwichtigte Förster sie, „ich komme schnell genug zur Sache.“ Er nahm einen Schluck Kaffee.

Derweil hatten auch Serenity und die Zwergin ihm ihre Aufmerksamkeit zugewandt.

„Das kurze Briefing kennt ihr ja eh alle“, meinte Förster weiter. „In zwei Tagen kommt eine Lieferung von Ares aus den USCA an, die einige interessante Waffen beinhalten soll und weiter verschickt werden soll. Nun haben sich jedoch ein paar Interessenten bei mir gemeldet...“

„Das wissen wir“, knurrte der Troll. „Komm zur Sache.“

„Ja ja, ich wollte nur noch einmal alle auf denselben Stand bringen“, meinte Förster abwehrend, schien dabei jedoch kaum von dem Troll eingeschüchtert. Langsam fragte Joanne sich, ob Förster einfach jene Stimme im Kopf fehlte, die einen vor gefährlichen Situationen warnte, oder ob er sich absichtlich hatte genmanipulieren lassen, um weniger Angst zu haben.

„Der Punkt ist“, fuhr Förster fort, „dass wir mit dem Run massig Kohle machen können, wenn wir die Ware den richtigen Interessenten zukommen lassen. Mit diesen Interessenten habe ich mich bereits in Verbindung gesetzt und ihr alle wisst, was es zu gewinnen gibt. Die Sache ist: Entweder wir kriegen den Kram und dafür das Geld – oder wir kriegen gar nichts.“

„Was ist mit Vorbereitungskosten?“, fragte der Mensch mit dem Neoanarchistenshirt.

„Ich kann ein wenig vorstrecken“, antwortete Förster. „Aber den Großteil in direkter Ware. Ausrüstung und dergleichen.“

„Das heißt also, keine Garantien“, murmelte Joanne.

„Natürlich nicht“, entgegnete Förster. „Woher auch?“

„Erscheint mir etwas riskant“, murrte der Ork. „Es gehen nur wenige Runs auf den Hafen gut. Von allem, was man hört, sind die letzten paar Teams entweder drauf gegangen oder im Willy gelandet.“

Joanne musste ihm zustimmen – immerhin stand bei ihr mehr auf dem Spiel als Geld und ihr Leben. Doch dann wiederum hatte sie sich entschieden hier zu sein und sie wusste genau, wie die Security des Hafens aufgebaut war.

„Es gibt einige Schwachstellen“, sagte sie. „Der Hafen ist weit weniger gegen Angriffe vom Hafenbecken aus gesichert, da sich Wuxing auf HanseSec verlässt – doch HanseSec ist auch nicht überall und agiert nicht mehr, sobald man einmal auf dem Gelände von Wuxing ist. Außerdem gibt es ein paar tote Winkel in der Kameraüberwachung. Außerdem werden die Kameras zur Zeit der Wachübergabe wenig überwacht. Zu der Zeit sind natürlich mehr Wachen auf dem Gelände, aber die meisten sind im Wachraum.“

„Und du bist?“, fragte der grummelige Troll und hob eine Augenbraue.

„Sie ist angeheuert, um uns unbemerkt reinzubekommen“, erwiderte Förster.

„Aha?“ Der Troll wandte sich wieder ihm zu.

Förster zuckte nur mit den Schultern und lächelte ihn auf eine übertrieben gewinnende Art an. „Ich denke, es ist Zeit für einen Role Call, eh? Seny, magst du anfangen.“

Auch Serenity zuckte mit den Schultern. „Mi hier“ – sie zeigte auf den Jungen, der hinter ihr saß – „und ich sind der Matrixsupport und werden uns darum bemühen, die Übersicht zu behalten. Ach ja, und ich bin Serenity, für die, die mich noch nicht kennen.“

„Ich bin der Astralsupport“, meinte der junge Mensch mit dem Anarchistenshirt nun. „Name ist Tiran.“

Obwohl die Trolle ihm am nächsten standen, schwiegen sie, bis schließlich die Zwergin etwas sagte. „Mich nennt man einfach nur Red. Ich bin der Transport. Kann auch 'nen Boot besorgen, wenn das gebraucht wird.“

Der Ork machte einen genervten Laut. „Falls das irgendjemanden noch nicht klar ist: Ich bin drauf, um jeden K.O. zu hauen, der sich mit uns anlegt. Kayden.“ Er sah zu den Trollen rüber. „Und ich nehme an, ihr seid da, um mir im Notfall zu helfen und den schweren Kram zu tragen?“

„So in etwa“, grummelte der Troll, der bisher geredet hatte. „Toby und Roby.“

Der Teenager bei Serenity – Mi – kicherte, als er die Namen der Trolle hörte, verstummte aber, als beide ihn gereizt ansahen.

Für einen Moment herrschte Schweigen im Kellerraum, so dass das Summen der Deckenbeleuchtung deutlich hörbar wurde.

Joanne merkte, dass sich nun die Blicke nach und nach ihr zuwandten. Sie verkniff sich ein Seufzen. „Ich soll dafür sorgen, dass ihr problemlos reinkommt. Im Notfall kann ich mich auch im Kampf nützlich machen.“ Sie zögerte. Förster hatte ihr gesagt, dass es besser wäre, wenn sie einen Decknamen verwendete, doch auch nachdem sie die letzten Tage Namen im Kopf hin- und hergewälzt hatte, war sie noch nicht ganz sicher. Sie hatte letzten Endes einen Namen gewählt, den sie bei einer Doku, die sie vor zwei Tagen im Trideo gesehen hatte, aufgegriffen. „Nennt mit Pakhet.“

Es sah so aus, als wollte der Ork – Kayden – etwas sagen, doch bevor er die Stimme erheben konnte, unterbrach Förster ihn schon:

„Okay. Also, um den Plan zusammen zu fassen: Wir greifen vom Wasser aus an. Um 22 Uhr. Red wird das Boot fahren und auch für ein wenig zusätzlichen Support sorgen. Seny und Mi schalten die Kameras aus und Pakhet wird dafür sorgen, dass die Wachen erst einmal abgelenkt ist. Wenn der Teil klappt, dann kommen wir in das Containerlager, ohne dass irgendjemand uns bemerkt.“

„Und wie will sie das machen?“, fragte Kayden.

Nun seufzte Joanne wirklich. „Ich arbeite in der Security von Wuxing.“ Doch eigentlich fragte sie sich tatsächlich, was sie tun sollte, wenn jemand merkte, dass etwas mit den Kameras nicht stimmte.
 

Wenn Joanne darüber nachdachte, dann war ihr noch immer mulmig dabei. Michael hatte sich mit jemanden in Verbindung gebracht, der sie unter neuem Namen im System eintragen würde. Auch ein Teil ihrer – ohnehin wenigen – Möbel waren bereits zwischengelagert und wenn sie in ihrer nun beinahe komplett leeren Wohnung war, kam sie nicht umher, sich damit konfrontiert zu sehen, dass es wohl kein Zurück mehr gab.

Eigentlich wollte sie auch nicht zurück, doch natürlich gab es eine Stimme in ihrem Kopf, die fragte, ob sie es früher oder später nicht bereuen würde. Immerhin gab sie damit jede Sicherheit für ihr Leben auf. Und dann war da auch noch Robert.

Robert, der ihr nun gegenüber saß und sie misstrauisch ansah. „Womit habe ich das ganze eigentlich verdient?“

Es war nicht das erste Mal an diesem Abend, dass er dies fragte, doch sie konnte ihm die Wahrheit nicht sagen. „Wie gesagt, ich habe einen kleinen Bonus bekommen und wollte dir etwas gutes tun.“

Die Wahrheit war natürlich, dass sie ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber hatte. Immerhin würde sie in zwei Tagen einfach verschwinden und sie konnte nicht riskieren, ihm zu sagen warum. Nicht nur, dass sie mit ihm nicht drüber diskutieren wollte, ob es die richtige Entscheidung war, sie wollte ihn auch nicht in Gefahr bringen. Immerhin wusste sie nicht, ob man nach ihr suchen würde.

Sie konnte nur hoffen, dass sie ihm nach ein paar Wochen, vielleicht eher Monaten eine Nachricht zukommen lassen konnte. Obwohl er ist bester – und eigentlich auch ihr einziger Freund war.

Doch bis sich alles geklärt hatte, war es besser, ihn im Dunkeln zu haben. Und genau deswegen hatte sie ihn heute – am Tag vor dem Run – zum Essen eingeladen. Echte Pizza, kein künstliches Soy-Zeug.

„Irgendwie glaube ich das nicht ganz“, murmelte Rob, während er die Gabel zum Mund führte. Er kaute und sah sie dabei nachdenklich an. Eine Augenbraue hatte er hochgezogen und er musterte sie eindringlich. „Irgendetwas ist los.“

„Ich weiß nicht, wie du drauf kommst“, erwiderte Joanne und wandte sich ihrer eigenen Pizza zu.

Robert kannte sie zu gut. Nun, er kannte sie auch seit beinahe 15 Jahren. Es wahr entsprechend wohl kaum ein Wunder.

„Vor ein paar Tagen warst du noch so angespannt...“ Sie konnte seinen Blick förmlich auf sich spüren. „Und jetzt... Wirkst du vollkommen anders.“

„Das bildest du dir ein“, murmelte sie. Wahrscheinlich gab es keine klischeehaftere Antwort auf seine Aussage.

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das nicht tue“, erwiderte er. „Aber wenn es dir besser geht, soll es mir recht sein.“

Joanne lächelte matt. Nun, zumindest das konnte sie nicht verleugnen: Egal wie nervös sie war, die Aussicht darauf, Dante verflucht noch einmal nie wieder sehen zu müssen, brachte sie dazu entspannter zu sein, als sie es seit Monaten gewesen war.

Selbst wenn Kayden ihr recht klar gemacht hatte, dass es genug Runner geben würde, die ihr genau so auf den Nerv gehen würden. Doch immerhin hatte sie als Runner die Freiheit, diesen aus dem Weg zu gehen, wenn sie einen Auftrag abgeschlossen hatte.

Sie bemerkte, dass Robert sie immer noch musterte und konnte sich ein teils amüsiertes, teils genervtes Schnauben nicht unterdrücken. „Himmel, Rob, kannst du aufhören, mich anzustarren? Langsam wird es gruselig!“

„Sorry“, murmelte Robert und wandte sich ganz seiner Pizza zu.

Doch während er sich bemühte, seinen Blick gesenkt zu halten, kam sie nicht umher, ihn zu beobachten. Sie hasste es wirklich, dass sie ihm nicht sagen konnte, was los war. „Es tut mir leid“, flüsterte sie, bevor sie sich zurückhalten konnte, was ihn natürlich dazu brachte wieder aufzusehen.

Sie zwang sich, seinem Blick nicht aufzuweichen. „Ich meine, dass ich in letzter Zeit so gereizt war. Das dumme Zwergenarsch ist mir echt auf den Keks gegangen.“

Es war ihm deutlich anzusehen, dass ihm die andere Intention hinter ihrer Entschuldigung bewusst war, doch er sagte dazu nichts. „Das macht doch nichts. Ich kann es ja verstehen. Nur warum du bleibst...“ Er trank einen Schluck seiner Cola, ehe er das Glas plötzlich sinken ließ und sie erneut musterte. „Du planst doch keine Dummheit, oder?“

Sie verstand seine Frage, wie er sie meinte: „Du planst nicht, den Zwerg zu töten?“ So wie er die Frage allerdings stellte, war ein „Nein“ nicht unbedingt die ehrliche Antwort. Doch was sollte sie sonst antworten?

„Natürlich nicht“, meinte sie und bemühte sich ihrer Stimme einen beleidigten Unterton zu geben.

Dabei konnte sie nicht einmal auf die gemeinte Frage ehrlich mit „Nein“ antworten. Denn einer Sache war sie sich sicher: Wenn es bei dem Run Probleme gab und sie gegen Dante kämpfen musste, würde sie sich die Chance nicht entgehen lassen, ihn zu töten.

Ein Teil von ihr fragte sich, ob sie wirklich so skrupellos war, doch hier machte sie sich nichts vor: Wenn es um den Zwerg ging, war sie es. Zu lange schon hatte er ihre Nerven überstrapaziert, sie fertig gemacht und sie gierte nach Rache.

Für einen weiteren Moment sah Robert sie an. Dann seufzte er lang. „Nun gut. Jo. Ich weiß, dass du ein guter Mensch bist und...“

„Bitte keine Moralpredigt, Robert!“, grummelte sie.

Er lächelte sie matt an. „Entschuldige.“

Joanne schüttelte den Kopf. „Schon gut. Ich weiß schon, was du sagen willst.“ Und es würde doch nichts ändern.

Beinahe überraschte sie es, dass Robert danach seine Pizza schweigend aß, aber er schien zu befinden, dass er alles gesagt hatte, was er sagen konnte.

Wie lange würde es wohl dauern, bis sie ihn wiedersehen konnte?

Dieser Gedanke ließ sie nicht los, während sie den Rest der eigenen Pizza verspeiste. Doch blieb sie dabei und sagte nichts.

Und so zahlte sie schließlich und verließ zusammen mit Robert das Restaurant.

Sie hatte schon ihre Motorradjacke übergezogen, als Robert stehen blieb. „Hey, Jo?“, meinte er.

Sie sah sich zu ihm um. „Hmm?“

„Danke für die Pizza“, sagte er und lächelte, wenngleich noch immer sehr matt.

„Kein Problem“, seufzte sie und schloss die Jacke.

Er umarmte sie kurz. „Bis die Tage, Jo.“

„Bis die Tage“, meinte sie, erwiderte die Umarmung kurz und sah ihn dann noch einmal kurz in die Augen, ehe sie ihren Helm aufsetzte.

Robert wandte sich ab, um zu seinem Auto, mit dem er hergekommen war, zu gehen. Für einen Moment sah sie ihm hinterher, während sie ein Bein über ihr Motorrad schwang. Doch als sie den Motor startete, konnte sie sich doch nicht länger beherrschen. Irgendetwas musste sie ihm sagen. „Hey, Robert!“, rief sie ihm hinterher. Als er sich umdrehte, senkte sie die Stimme. „Wenn du in den nächsten Wochen nichts mehr von mir hörst... Mach dir keine Sorgen, okay?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr sie los.

Run

Joanne konnte es nicht gänzlich unterdrücken: Sie war nervös. Immerhin war sie sich dessen bewusst, was alles schief gehen konnte – und sie hatte definitiv nicht vor an diesem Abend zu sterben.

Doch eine gut gezielte Kugel würde nicht fragen, was ihre Pläne für den Abend waren.

Sie ging den Gang im Hauptgebäude von International Shipping hinab und atmete noch einmal tief durch. Sie durfte sich ihre Nervosität nicht anmerken lassen!

So öffnete sie die Tür zum Aufenthaltsraum, und sah, dass einige Gesichter sie beinahe erschrocken ansahen. Sie hatte nicht drauf geachtet, was die Stimmen, die sie vorher gehört hatte, genau sagten, doch sie musste nur zu Dante schauen, der noch von der letzten Schicht da war, um zu wissen, dass er wohl wieder einmal über sie gelästert hatte.

Sie hob eine Augenbraue. „Guten Abend“, meinte sie. Aktuell waren tatsächlich acht ihrer Kollegen hier. Unter ihnen Dante, aber auch Frederik.

„Abend“, murmelte ein Teil ihrer Kollegen, während sie wieder zu ihrem Schließfach ging.

Aus den Augenwinkeln beobachtete sie Dante. Auch wenn sie wusste, dass es falsch war, hoffte sie fast, dass er ihnen im Weg sein würde.

Vielleicht bemerkte der Elf neben Dante – ein Neuling namens Thomas, der ihr wie ein Ersatz für Daniels vorkam – ihre Nervosität oder nur ihren Blick. „Ist was, Metalgirl?“ Selbst den blöden Spitznamen hatte er übernehmen wollen.

Sie grummelte und nahm nur ihre Uniform aus dem Spint.

„Sind wir uns heute zu fein, um mit den Kollegen zu reden?“, meinte Dante.

„Wenn sie zu blöd sind, um das Reden es wert zu machen“, erwiderte Joanne und bemühte sich, ihm einen kühlen, aber festen Blick zu schenken.

Dante lachte. „Ich sehe, Jojo hat heute wieder beste Laune.“

Sie zuckte nur mit den Schultern und ging, um sich möglichst rasch umzuziehen und eine Nachricht an Serenity durchzugeben.

„Nicht mal eine freche Erwiderung?“, hörte sie Dante noch, doch erwiderte sie nichts – letzten Endes wäre die einzige Antwort, die ihr in den Sinn gekommen war, auf „Fick dich, Zwergenarsch“ hinaus gelaufen.

Im Nebenraum zog sie sich um, nur daraufhin um eine kurze Nachricht an Serenity über ihr neues Comlink abzusetzen: „Bin da.“ Dann ging sie in den Aufenthaltsraum, nur um überrascht festzustellen, dass Dante noch da war.

Umso besser, dachte sie sich, sollte es aber bald bereuen.

„Ich nehm' die erste Monitorschicht“, meinte sie.

Dante lachte. „Durchaus angemessen, Madame.“

„Klappe“, schnauzte sie und öffnete die Tür zum Monitorraum, so wie sie es mit Serenity abgemacht hatte.

Zu ihrer Überraschung fand sie Stefan hier vor, der offenbar die letzte Schicht übernommen hatte.

„Du kannst gehen“, meinte sie. „Ich übernehme.“

Stefan schien bereits in einen wohligen Halbschlaf versunken zu sein, während er wie hypnotisiert auf einen der Bildschirme starrte, und schreckte nun auf. „Was?“ Er sah sie an und es war seinem Gesicht anzusehen, wie die Bedeutung ihrer Worte nur langsam von seinem Gehirn übersetzt wurde. „Oh, super. Danke.“ Er gähnte herzhaft und stand auf.

„Du siehst aus, als könntest du einen Kaffee gebraucht“, scherzte sie.

Er gähnte noch einmal und zuckte mit den Schultern. „Vielleicht.“

Joanne holte tief Luft, ehe sie sich auf dem Stuhl niederließ und ebenfalls die Monitore beobachtete. Jedoch war das nicht das einzige, was sie in ihrem Sichtfeld sah, da dank der AR-Kontaktlinsen, die sie trug, nun die Antwort Serenitys aufblinkte: „OK. Legen los.“

Noch immer hörte sie aus dem Nachbarraum die Stimmen ihrer Kollegen. Joanne achtete jedoch kaum darauf, was sie sagten, da es ihr an diesem Abend nun wirklich egal war. Sie würde keinen von ihnen wiedersehen.

Doch da hörte sie, wie die Tür geöffnet wurde und sah sich gezwungen, sich umzusehen.

Es war Thomas, der grinste und schon den Mund öffnete, als sie ihn unterbrach.

„Hör zu, Kid, wenn du deine Eier irgendwem demonstrieren willst, dann schlage ich dir vor, dich draußen hinzustellen und zu hoffen, dass jemand auf dich schießt.“ Da der Elf – wie es Elfen so an sich hatten – noch immer ein eher jugendlich wirkendes Gesicht hatte und ohnehin zwei Jahre jünger war, als sie, empfand sie die Anrede als äußerst angemessen.

„Halt's Maul, Bitch“, kam es sofort giftig zurück.

Diese Beleidigung war so simpel, dass sie nicht umher kam, die Augen zu verdrehen. „Ich würde dir raten, vorsichtiger zu sein, mit wem du dich anlegst, Kid“, meinte sie, die Stimme vor sarkastischer Verachtung triefend.

„Jojo, du bedrohst unseren Neuzugang doch nicht etwa“, kam es von Dante aus dem Aufenthaltsraum.

Ihr Tonfall wurde gleich noch sarkastischer. „Bedrohen? Ich doch nicht!“

Eine weitere Nachricht blinkte in ihrem Blickfeld auf: „Sind drin.“

Innerlich fluchte sie. Wenn etwas schief ging, könnte es fatal sein, wenn Dante etwas davon mitbekam – sofern er es nicht als technische Störung abtat.

„Hau ab, Kid“, knurrte sie daher. „Wäre mir nicht bekannt, dass ich hierfür Hilfe brauche.“

„Jetzt sei nicht so unfreundlich zum Newbie“, meinte Dante und erschien nun auch an der Tür.

„Wald. Echo. Und so“, murmelte sie und sah kurz zu den Monitoren.

Als hätten diese darauf gewartet, lief ein kurzes Flackern über drei der Bildschirme.

Scheinbar hatte auch Dante dies bemerkt. „Was war das?“, fragte er, die Stimme auf einmal angespannt.

Joanne wusste, dass sie sich nicht zu auffällig verhalten durfte. Zu gern hätte sie Serenity eine Nachricht zukommen lassen, doch solange Dante und Thomas anwesend waren, hatte sie kaum eine Möglichkeit dazu. „Wahrscheinlich wieder ein Wackelkontakt“, meinte sie und bemühte sich, ihrer Stimme nichts anmerken zu lassen.

„Die Dinger laufen Wifi“, knurrte Dante.

Sie stöhnte genervt auf. „Was weiß ich! Die machen das öfter. Was du natürlich nicht weißt, da du nie Monitordienst schiebst.“

Prüfend sah Dante sie an und für einen Moment schien es, als würde er es ihr glauben, wäre da nur nicht der dämliche Elf gewesen.

„Schon wieder“, meinte er und sah nun ebenfalls misstrauisch auf den Bildschirm.

Dante sah auf die Bildschirme, wo nun weitere Geräte kurz aufflackerten – vermutlich, weil Serenity und Mi eine Zeitschleife setzten. „Da hackt jemand das System...“

Joanne fluchte innerlich. Was musste ihr der verfluchte Zwerg ausgerechnet jetzt auf den Zeiger gehen?

Schon hatte der Zwerg ein Comlink am Ohr. „Wir haben jemanden im System. Schmeißt den raus. Sofort!“, bellte er hinein, als er vermutlich mit der TecSec telefonierte. Offenbar ohne auf eine Antwort zu warten, machte er einen Rundruf. „Es wird wahrscheinlich bald jemand auf das Gelände kommen. Haltet die Augen auf und gebt Alarm!“

Dann drehte er sich zum Aufenthaltsraum um. „Okay, alle raus. Irgendjemand kommt.“ Noch einmal sah er sich zu Joanne um. „Du bleibst hier und schaust auf die Monitore. Denkste, du kriegst das hin, Jojo?“

Joanne antwortete nicht, sondern schnaubte nur wütend, was allerdings Dante nicht zu stören schien. „Gut. Los.“

Und innerhalb weniger Sekunden leerte sich der Aufenthaltsraum.

„Ja, natürlich“, grummelte Joanne und holte das Comlink hervor. „Sie haben euch bemerkt“, schrieb sie an die Gruppe. „Ihr bekommt gleich Gesellschaft.“

„Bleib wo du bist“, kam bald eine Antwort.

„Sicher nicht“, schrieb Joanne zurück.

Sie schloss ihre Weste und rannte los, verharrte jedoch im Gang vor dem Aufenthaltsraum, um sicher zu gehen, dass Dante und die anderen sie nicht sahen. Sie würde sicher nicht hier warten und nichts tun! Immerhin war sie nicht nur da, um für Ablenkung zu sorgen – denn das hatte nun schon einmal nicht geklappt.

Als sie sich sicher war, dass Dante und die anderen ausreichend Vorsprung hatten, lief sie los. Dank der Kontaktlinsen erschien eine Karte des Hafens am Rand ihres Blickfeldes.

Der rote Punkt, der den kleinen Frachter Reds darstellte, näherte sich dem Wuxing-Gelände rasch. Es hatte keinen Sinn die Aktion jetzt abzubrechen. Eine zweite Chance würden sie wohl nicht bekommen.

Also würden sie wohl kämpfen müssen – denn sie machte sich nichts vor: In der Zeit, die es brauchte, um den entsprechenden Container zu verladen, würde irgendwer sie sehen.

Als sie den Pier erreichte, sah sie den sich nähernden Frachter. Ohne ein Wort fing sie das Tau, dass Kayden ihr zuwarf, und vertaute es am Hafenanker.

„Was machst du hier?“, rief Kayden ihr zu.

„Helfen!“, erwiderte sie.

Toby und Roby standen bereits an Deck und sprangen, kaum dass das kleine Schiff nahe genug am Hafenrand war, an Land.

„Wo ist der Kram?“, knurrte einer von ihnen. Beide trugen beinahe das identische Outfit mit schweren Panzerjacken und Sonnenbrillen.

„AR, Jungs“, rief Kayden ihnen zu.

Einer der beiden Trolle knurrte, doch etwas zielstrebiger liefen sie los und verschwanden zwischen den Containern.

Joanne folgte ihnen und sah sich um. „Seid vorsichtig. Es kann sein, dass ihr auf jemanden von der Sec trefft.“

„Solltest du die nicht ablenken?“, grummelte Kayden, der nun ebenfalls folgte. Er trug eine Motorradkluft, inklusive Helm und hielt nun eine Automatikpistole in der Hand.

„Manchmal funktionieren Pläne halt nicht“, erwiderte Joanne nüchtern. „Und jetzt sei ruhig, bevor uns jemand hört.“

Kayden murmelte etwas gehässiges, sagte es aber nicht laut und Joanne hatte kein Interesse daran nachzufragen. Stattdessen sah sie sich aufmerksam um, in der Hoffnung zu sehen, wenn sich jemand anderes näherte.

Die Sonne war bereits untergegangen, doch ein schwaches letztes Licht breitete sich vom Horizont im Westen über den Hafen aus, so dass die Schatten zwischen den Containern nur umso dunkler wirkten.

Joanne sah auf die Karte, wo auch für sie der entsprechende Lagerplatz markiert worden war. Leider war er ein ganzes Stück vom Hafenufer entfernt, was hieß, dass die beiden Trolle, wenn sie den Container einmal trugen, ziemlich offen für Angriffe waren. Wenn sie richtig informiert war, hielten sich aktuell neben ihr zwölf Sicherheitsleute im Hafen auf, da Dante die Reste der letzten Schicht mit herausgeschickt hatte.

Sie erreichten eine Kreuzung der Gassen zwischen den Containern, als einer der beiden Trolle stehen blieb.

„Weiter“, drängte Joanne, als einer der beiden Trolle mitten auf der schmalen Kreuzung stehen blieb.

Doch der Troll starrte die kreuzende Gasse hinab und als sie um die Ecke sah, erkannte Joanne auch wieso.

„S-Stehen bleiben!“, rief eine Stimme, die sehr verunsichert wirkte.

„Oh, der verfluchte Elfenjunge...“, grummelte sie, da sie die Stimme Thomas' erkannte.

„Bleiben Sie sofort stehen!“, hörte sie nun auch eine andere Stimme rufen. „Sie haben keine Berechtigung hier zu sein.“ Das musste einer ihrer älteren Kollegen sein.

„Drek“, murmelte sie, doch Kayden neben ihr schien bei weitem nicht so entgeistert.

Sie konnte ein Grinsen unter dem Motorradhelm erkennen, als er aus dem Schutz der Container heraustrat und seine Waffe zum Zielen hob.

„Hey, wa...“ Weiter kam Joanne nicht. Eigentlich hatte sie „Warte!“ rufen wollen, doch noch bevor sie das Wort beende konnte, feuerte der Ork eine Salve die Gasse hinab.

Sie hörte Schreie.

Jemand war getroffen worden.

Kayden feuerte eine weitere Salve ab und die Schreie verklangen.

Joanne spürte Wut in sich hochkochen. Sie lief zum Ork, riss ihm seine Waffe auseinander. „Denkst du überhaupt nach?“, rief sie.

„Noch Mitleid mit deinen Kollegen?“, fragte Kayden.

Die ehrliche Antwort wäre wohl ein „Ja“ gewesen – sie hatte niemanden, außer vielleicht Dante, tot sehen wollen. Selbst wenn sie den Elfenjungen nicht ausstehen konnte, so war er noch so verflucht jung gewesen. Doch das konnte sie hier und jetzt nicht eingestehen. „Nein. Aber dank dir ist wirklich jeder im Hafen alarmiert.“

Der Ork antwortete mit einem selbstgefälligen Grinsen. „Na umso besser.“

Joanne schnaubte. „Halt dich verflucht noch einmal zurück.“

„Du bist hier nicht der Chef.“ Kayden ging an ihr vorbei und folgte den Trollen, die nun weiter trabten.

Noch immer innerlich kochend lief auch Joanne hinterher. Wieso musste es eigentlich überall solche selbstgefälligen Arschlöcher geben und wieso musste ausgerechnet sie sich immer mit diesen herumschlagen? Konnte es nicht mal jemand anderen treffen?

Doch es hatte keinen Sinn darüber zu fluchen. Immerhin hatte das Leben als Shadowrunner einen Vorteil: Sie würde mit diesem Idioten nach diesem Run nicht mehr zusammenarbeiten müssen.

Da leuchtete eine neue Nachricht in ihrem Sichtfeld auf: „Ihr bekommt Gesellschaft.“ Auf der Karte erschienen weitere Punkte.

„Drek“, flüsterte Joanne.

Sie hörte Schritte auf Blech und sah, als sie aufblickte, Tiran, den Magier, der über die Container auf sie zugelaufen kam.

„Was macht ihr für einen Krach?“, rief er und landete neben ihnen.

„Ruhig jetzt“, meinte Joanne. Die roten Punkte auf der Karte näherten sich ihnen. „Wir brauchen Feuerschutz.“ Doch wirklich gute Deckung gab es hier nicht.

Da hörte sie ein Rufen: „Da sind sie!“ Und im nächsten Moment hörte sie, wie eine weitere Kugelsalve abgefeuerte wurde – und dieses Mal war es nicht Kayden, der feuerte.

Diskrepanz

Für einen Moment zögerte Joanne. Zurück oder auf den Boden? Aber wenn sie hier blieben, waren sie vollkommen im Offenen – selbst auf dem Boden. Also blieb nur eine Möglichkeit.

„Zurück!“, rief sie. „In Deckung.“

Ohne auf die anderen zu warten, sprintete sie um die nächste Ecke in die letzte Quergasse zurück, wo sie ihre Pistole durchlud, jedoch nicht feuerte. Erst, als sie an der Ecke kniete, bemerkte sie ein Brennen an ihrer Schulter und bemerkte, dass sie ein Streifschuss erwischt hatte.

Auch der erste der beiden Trolle ging in Deckung, doch der andere zögerte, als Kayden sich nicht bewegte und begann zurückzufeuern.

„Was machst du da? Idiot!“, rief Tiran, der sich offenbar magisch gegen die Kugeln zu schützen schien, die seltsamer Weise in der Luft vor ihm durch eine unsichtbare Macht abgelenkt zu werden schienen.

Joanne musste ihm zustimmen. „Fuck.“ Leise fluchte sie.

Da zuckte Kayden zusammen und ging zu Boden. Eine Blutlache breitete sich um seinen Körper aus.

„Drek“, keuchte Joanne, während sie sich mit dem Rücken gegen das Containerblech drückte.

Was nun? Sie wurden entdeckt. Sie mussten kämpfen, wenn sie den Auftrag ausführen wollten. Doch sie wusste, wie viele ihrer Kollegen noch im Hafen waren, und wusste daher auch, dass es bald schwer werden würde die Stellung zu halten. Die einzige vernünftige Möglichkeit, war jetzt zu feuern und Thomas und die anderen auszuschalten. Doch sie hatte Hämmungen.

Da hörte sie ein lautes Krachen und fuhr herum. Einer der beiden Trolle – der, der zuvor gezögert hatte – hatte einen der Container von einem anderen herunter gerissen und nun vor sich als improvisierten Schutzwall gesetzt.

„Gut gedacht“, meinte Tiran und stürmte zu dem Troll vor, der nun eine Schrottflinte nahm und aus der Deckung heraus anlegte. Dann erklangt ein lauter Knall, als er die für einen Menschen überdimensionierte Waffe abfeuerte.

Auch Joanne rannte vor, um vorsichtig über die Deckung zu sehen. Sie war froh, dass sie nicht erkennen konnte, wer es war, der da gerade von der Schrottflinte erwischt worden war. Doch von allem was sie sagen konnte, war Dante nicht unter ihren Gegnern.

„Drek“, flüsterte sie noch einmal und zog ihre Pistole. Sie zielte auf den Arm eines der anderen Wachleute und schoss, in der Hoffnung denjenigen so auszuschalten, ohne zu töten.

Sie hörte einen Aufschrei und der Wachmann sprang schnell in Deckung, nur ob sie getroffen hatte, konnte sie nicht sicher sagen.

„Wartet“, meinte Tiran nun und schloss die Augen, offenbar um sich zu konzentrieren. Eine leuchtende Kugel erschien zwischen seinen Händen. Er holte aus und warf die Kugel, woraufhin Blitze zwischen den Wachen hin und her zuckten und diese zu Boden gingen.

Wahrscheinlich, so hoffte Joanne zumindest, KO, aber nicht tot.

„Gut gedacht“, seufzte sie.

„Und jetzt?“, fragte einer der beiden Trolle.

„Rückzug“, hätte Joanne am liebsten gesagt, doch dachte sie daran, wie viel Geld auf dem Spiel stand. Und verdammt noch einmal, sie gab ihr ganzes Leben nicht für nichts und wieder nichts auf. „Weiter“, sagte sie daher und ließ den Troll den Container zur Seite schieben.

Immerhin hatten sie ihr Ziel beinahe erreicht. Das musste zu schaffen sein, redete sie sich ein, während eine weit pessimistischere Stimme in ihrem Kopf sie daran erinnerte, dass sie dann nur noch zum Boot mussten – während die Trolle wahrscheinlich nicht zurückschießen konnten.

Also liefen sie weiter, wobei Joanne nicht umher kam, die weiteren Punkte, die Serenity und Mi auf der AR-Karte markiert hatten, zu verfolgen. Sie würden bald hier sein. Doch auf der anderen Seite konnte dieser Zauber des Elfens vielleicht auch noch mehr Wachen ausschalten.

„Zieht euch zurück“, erschien eine Nachricht von Serenity in der AR.

„Wir schaffen das schon“, schrieb Joanne zurück.

Auf der AR-Karte konnte sie sehen, dass sich die Wachen aufteilten, offenbar um sie aus zwei Richtungen anzugreifen. In welcher der beiden Gruppen war Dante?

„Kriegst du die noch einmal ausgeschaltet?“, fragte sie Tiran, der – so hoffte sie zumindest – dieselbe Karte mit seiner Brille sehen sollte.

Für einen Moment zögerte der Elf. „Denke schon“, meinte er dann und nickte.

„Gut“, erwiderte sie. „Wir werden es gleich brauchen.“

„Wieso hauen wir nicht ab?“, fragte Tiran, als sie die anderen weiter winkte.

„Weil wir das Geld wollen“, grummelte einer der Trolle.

Joanne nickte grimmig. „Eben.“

Also liefen sie weiter, während auch die roten Punkte auf der AR-Karte immer näher kamen – und es gab keine wirkliche Möglichkeit, sich vor ihnen zu verstecken. Selbst wenn sie in einer der anderen Gassen zwischen den Containern wechseln würden – ein wirkliches Versteck war das nicht. Entweder sie schafften es die anderen schnell genug auszuschalten oder sie würden selbst getötet werden. Während ihr keine der beiden Möglichkeiten besonders gefiel, war sie jedoch auch nicht bereit aufzugeben – und sie näherten sich ihrem Ziel.

Sie wandte sich an Tiran. „Du nimmst die nördliche Gruppe, ich die südliche.“ Die anderen Sicherheitskräfte hatten sie beinahe erreicht. „Ihr beide“, meinte sie dann zu den Trollen, „versucht so schnell wie möglich mit der Ware zu verschwinden!“

Warum hatte sie keine Flashbang eingesteckt? Sie Gruppe, die sich nun im Süden am äußeren Rand des Containerparks entlang bewegte, war – sofern die Daten, die Serenity ihnen gegeben hatte – fünf Personen stark. Während sie keine Probleme hatte, gegen fünf Personen hintereinander zu kämpfen, waren so viele Gegner auf einmal ein Risiko. Zumal diese Gegner mit Gegenwehr rechneten.

Innerlich fluchend bog sie in die nächste – die vorletzte – Schräggasse ein, um so der Gruppe entgegen zu kommen und sie vielleicht zumindest etwas zu überraschen.

Aus der Deckung der Container heraus, spähte Joanne die Gasse hinab. Von den anderen Sicherheitsleuten war hier noch nichts zu sehen. Also eine weitere Containerreihe weiter. Als sie hier aus der Sicherheit der Schräggasse heraus die Hauptgasse hinabsah, konnte sie eine Gestalt sehen, die vom Ende der Containerreihe aus dasselbe tat.

Für einen Moment zögerte sie, hob dann aber ihre Pistole, bereit abzuschießen, sobald ihr Kollege sich aus der Deckung herausbewegte. Sicher, sie hätte auch jetzt abschießen können, doch wollte sie zumindest versuchen, niemanden – bis eventuell auf Dante – zu töten.

Offenbar hatte sie zumindest Glück, dass wer auch immer es war sie nicht entdeckt hatte. Er bewegte sich aus der eigenen Deckung heraus, als Joanne zielte und schoss. Sie hatte auf sein Knie angelegt.

Der Schuss schallte durch den Hafen, doch es folgte kein Schrei.

„Drek“, fluchte sie leise und schoss noch einmal, noch bevor der Sicherheitsmann seine eigene Waffe hatte ziehen können. Dieses Mal folgte der Schrei und er ging zu Boden.

Ein Befehl wurde gebrüllt und während jemand den Mann aus der Schusslinie zog, wurde blindes Feuer den Gang hinab eröffnet.

Schnell ging Joanne wieder in Deckung. Noch vier, sagte sie sich, wohl wissend, dass auch der angeschossene noch würde schießen können, sofern er nicht das Bewusstsein verlor.

Wenn sie jedoch Glück hatte, so hatte man sie noch nicht gesehen. Und wenn sie richtig lag würde man, sofern sie nicht zu sehen war und auch nicht zurückfeuerte, das Feuer bald einstellen, um sich nach vorn zu bewegen, um die Angreifer zu suchen. Niemand würde damit rechnen, dass sie allein war.

Tatsächlich stoppte das Feuer, auch wenn sie in geringer Entfernung anderes Feuer hörte. Wahrscheinlich die zweite Truppe gegen den Rest der Runner. Doch dort konnte sie im Moment nicht eingreifen.

Innerlich zählte sie bis drei, ehe sie noch einmal den Gang hinab sah, nur um ihn leer vorzufinden. Sie fluchte, als ihr der Gedanke kam, dass die anderen Sicherheitsleute sich offenbar durch die beiden Parallelgänge bewegten.

Ein Blick auf die AR-Karte sagte ihr, dass sie Recht hatte. Zwei Punkte bewegten sich in der östlichen, zwei sich in der westlichen Gasse auf sie zu.

Schnell und so leise wie möglich lief sie in den Gang, in den sie gerade gefeuert hatte. Wenn sie schnell genug war, konnte sie eventuell einen Hinterhalt legen und sie von hinten überraschen.

Also rannte sie zur nächsten Quergasse, vergewisserte sich, dass die beiden Punkte im Osten sie bereits passiert hatten und ging dann in ihr in Deckung. Für den Bruchteil einer Sekunde verschnaufte sie, ehe sie in den nächsten Gang sah, bereit zu feuern.

Tatsächlich bewegten sich zwei ihrer Kollegen hier hinab, jedoch hatte einer die Augen fest auf die Quergasse gerichtet, aus der sie nun hervorsah.

Er hob die Waffe, doch dann erkannte er sie.

„Joanne?“, fragte er. Es war Stefan. „Was machst du hier?“

Sie fluchte innerlich. Was sollte sie sagen? Sollte sie ihn angreifen oder versuchen ihn anzulügen?

„Ihr glaubt doch nicht, dass ich drinnen rumhocke, während hier draußen etwas los ist, oder?“, meinte sie, ohne ihre Waffe zu senken. Sie verfluchte die Tatsache, dass sie den Defiance Shocker nicht gezogen hatte – doch es wäre zu auffällig die Waffen zu wechseln.

Warum mussten sie auch zu zweit sein? Einen hätte sie im Nahkampf leicht ausschalten können, doch beide auf einmal? Der zweite war einer von den Orks. Eigentlich wollte sie sich auch nicht im Nahkampf mit einem Ork anlegen.

Doch Stefan sah sie ohnehin misstrauisch an. „Woher wusstest du, wo wir sind?“

„Wissen? Ich bin den Schüssen gefolgt“, erwiderte sie – vielleicht ein wenig zu rasch. „War kaum zu überhören. Kannst froh sein, dass ich nicht auf euch geschossen habe. Ich dachte schon, ihr seid welche von den Runnern.“

„Du solltest wieder zurückgehen“, grummelte der Ork, an dessen Namen sie sich gerade partout nicht erinnerte, da er bisher selten mit ihr in einer Schicht gearbeitet hatte. Etwas war in seinen Augen. War es Misstrauen? Zumindest hatte auch er seine Waffe noch nicht gesenkt.

„Ihr seht aus, als könntet ihr Unterstützung gebrauchen“, erwiderte sie und machte einen Schritt auf sie zu. Konnte sie es mit den Cyberarmen schaffen einen Ork mit einem Schlag auszuschalten? Wohl kaum, zumal der Ork auch noch einen Helm trug.

Auf der anderen Seite kannte sie ihn kaum, redete sie sich ein. Kein Grund allzu zimperlich zu sein, oder?

„Stefan“, begann sie leise, während sie einen Schritt auf ihn zu machte.

Fragen sah er sie an.

„Das tut mir jetzt leid“, sagte sie schnell, ehe sie ihn mit einer fließenden Bewegung entwaffnete und in einen Haltegriff nahm.

Tatsächlich ging ihr Plan auf. Sowohl Stefan, als auch der Ork waren für einen Moment zu überrascht, um zu reagieren. Dieses Zögern des Orks nutzte sie, ihm gleich mehrere Schüsse gegen seinen Oberkörper zu feuern, in der Hoffnung, dass die Schüsse ihn von den Beinen rissen.

„Was machst du da, Snyder?“, rief Stefan leicht panisch aus, als der Ork tatsächlich zu Boden ging.

Sie antwortete nicht. Stattdessen verstärkte sie den Griff um seinen Hals, bis sie merkte, dass sein Körper schlaff wurde.

Sie wusste, dass die anderen beiden jetzt herkommen würden und sie konnte nicht mehr tun, als in Deckung gehen und zu hoffen, schnell genug zu sein.

Tatsächlich flogen nur einen Augenblick später Kugeln durch die Luft, als jemand in diesem Gang sie unter Beschuss nahm.

„Fuck!“, rief sie aus und hechtete in die Quergasse, nur um aufzuschreien, als eine Kugel sie am Nacken streifte.

Automatisch fuhr ihre linke Hand zur Verletzung, doch offenbar hatte sie Glück, dass die Wunde nur oberflächlich war, wenngleich ein Rinnsal Blut nun an ihrem Hals hinabrann.

„Na sieh einer an“, meinte eine selbstgefällige Stimme. „Ich habe mit deiner Kündigung gerechnet, auch mit einem unüberlegten Mordanschlag, aber nicht damit.“

„Dante“, knurrte sie und wollte abdrücken, als jemand von hinten ihren Arm hochriss.

Der Schuss ging daneben, doch schaffte sie es, denjenigen, der sie nun von hinten Angriff und versuchte, sie festzuhalten, zu Boden zu werfen. Es war nur ein Mensch und als solcher der Kraft ihrer Cyberarme unterlegen. Dennoch weigerte er sich ihre Arme loszulassen, schaffte es damit sie aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Dann trat Dante ihr die Waffe aus der Hand.

„Sorry“, meinte sie zynisch zu dem auf den Boden liegenden Kerl, holte mit einer Faust aus und versetzte ihm einen harten Schlag gegen die Schläfe. Auch mit Helm reichte es, um ihn auszuschalten.

„Du glaubst nicht wirklich, hier lebend heraus zu kommen, Jojo-Girl?“, fragte Dante und wedelte selbstzufrieden mit ihrer Waffe herum, während er weiterhin in der rechten seine eigene Waffe hielt. „Willst du dich nicht ergeben? Ich schieße wirklich nur sehr ungern auf Frauen.“

Joanne machte ein abfälliges Geräusch, das halb Lachen, halb Knurren war. „Ich werde mich sicher nicht dir ergeben.“ Sie war noch lang nicht entwaffnet. „Ich glaube, du vergisst eine Kleinigkeit.“ Damit hob sie schnell ihren Arm und feuerte die Cyberpistole ab.

„Hure!“, schrie Dante, hielt sich die linke Schulter und ließ dabei seine eigene Waffe fallen.

Sie ging auf ihn zu, den Lauf der Cyberpistole zwischen seine Augen gerichtet.

„Das wirst du nicht tun“, knurrte der Zwerg, doch zum allerersten Mal sah sie so etwas wie Angst in seinen Augen aufblitzen. Auch wenn es ihm – dank der Schmerzen – offensichtlich Überwindung kostete nahm er ihre Waffe mit der rechten Hand und hob sie.

Joanne sah ihn nur hasserfüllt an, doch aus irgendeinem Grund schoss sie nicht. Noch nicht.

„Ich wusste es doch“, meinte Dante nun. „Du bist zu feige.“

Sie konnte nicht sagen, was es war. Seine Worte. Sein Blick. Doch etwas in ihr erinnerte sich an den Hass, den sie für diesen Zwerg empfand und sie löste sich aus ihrer Starre.

Der Himmel verfärbte sich violett über dem Hamburger Hafen, als der laute knall eines Schusses erklang – zumindest klang es danach. Doch eigentlich waren es zwei Schüsse, die gleichzeitig abgefeuert worden waren.

Dante ging zu Boden mit einem klaffenden Loch auf der Stirn, doch auch Joanne sank in die Knie. Automatisch wanderte ihre Hand zu ihrer linken Wange. Etwas feuchtes, beinahe geleeartiges rann diese hinab. Dann setzte der Schmerz ein und das Bild vor ihren Augen verschwamm.

Irgendein Teil ihres Gehirns sagte ihr, dass Dantes Schuss sie ins Auge getroffen hatte. Und wenn der Schuss ihr Auge getroffen hatte, dann hieß es wahrscheinlich auch...

Sie erinnerte sich daran, dass es 10 bis 15 Sekunden dauerte, bis man nach einem Kopfschuss starb.

Das hieß wohl, dass...

Doch weiter konnte Sie diesen Gedanken nicht führen, ehe die Welt um sie herum schwarz wurde und sie gänzlich auf dem Boden zusammenbrach.

Neubeginn

Es war bereits später Abend, als Joanne vor dem Wohnkomplex, in dem Robert lebte, vorfuhr. Mehr als hundert Mal war sie im Kopf durchgegangen, was sie zu ihm sagen wollte, doch sicher war sie sich noch immer nicht. Denn sie wusste, dass er ihr eventuell nicht verzeihen würde.

Seit dem Run auf den Hafen waren sieben Wochen vergangen – auch wenn sie diese sieben Wochen zu großen Teilen im Regenerationstank einer Schattenklinik verbracht hatte. Sie hatte mehr Glück gehabt, als irgendetwas sonst. Glück, dass die Kugel seitlich aus ihrem Kopf wieder ausgetreten war, anstatt ihr Gehirn zu durchbohren. Glück, dass die anderen Runner sie nicht im Stich gelassen hatten.

Ja, tatsächlich hatte sie ihre Vorurteile gegenüber Shadowrunnern überdenken müssen, als sie vor beinahe vier Wochen erfahren hatte, was geschehen war, nachdem sie das Bewusstsein verloren hatte.

Und zumindest hatte die Runbelohnung – denn die beiden Trolle hatten es trotz der widrigen Umstände geschafft, dass MacGuffin zum Schiff zurück zu bringen – gereicht, um ihre Behandlungskosten, Cyberaugen und das Leben für den letzten Monat zu bezahlen, wobei noch ein wenig etwas übrig war.

Sie klingelte und hoffte, dass Robert zuhause war, noch immer unsicher, was sie ihm sagen sollte.

Nach einer kurzen Weile hörte sie Rauschen aus der Gegensprechanlage. „Ja?“, hörte sie die belegte Stimme Roberts.

Sie hatte sich absichtlich so gestellt, dass ihr Gesicht nicht von der Kamera aufgezeichnet werden würde. „Ich habe hier eine Pizza für einen Herrn Robert Schneider“, sagte sie, die Stimme tiefer als normal.

Tatsächlich hatte sie Pizza geholt, doch eigentlich war es nur eine Ausrede, denn sie war sich nicht sicher, ob er ihr an der Gegensprechanlage glauben würde. Immerhin war sie – Joanne Snyder – offiziell tot.

Auch hierbei hatte sie – wenn man es so sagen wollte – Glück gehabt. Glück im Unglück, wie man es so schön sagte. Denn natürlich hätte sie ihre SIN verbrennen müssen, wenn nichts anderes passiert wäre, doch Michael hatte dafür gesorgt, dass Kameraaufzeichnungen davon, wie sie von Dantes Kugel getroffen wurde, korrekt abgespeichert worden waren. Zusammen mit der Lache aus Blut und anderen Beweismitteln, die sie auf dem Asphalt hinterlassen hatte, sowie einem gefälschten Aufnahmebericht, hatte es gereicht, damit Joanne Snyder laut allen Archiven der Stadt und des Staates verstorben war.

Ihre neue SIN gab sie als eine Mary Montgomery aus. Auch dafür war ein Teil der Runbelohnung draufgegangen.

„Ich habe keine Pizza bestellt“, erwiderte Robert.

„Aber meine Daten sagen mir, dass ich die Pizza hierhin bringen soll“, meinte Joanne.

„Es tut mir leid, dass muss sich um einen Fehler handeln.“ Robert klang bei weitem nicht so freundlich, wie sie es erwartet hatte.

„Das kann gut sein. Hören Sie, machen Sie mir bitte auf und unterschreiben mir, dass Sie nicht bestellt haben, ja? Sonst habe ich echt ein Problem.“ Dabei war Joanne klar, dass es nach einer Geschichte eines Einbrechers klingen würde.

Wahrscheinlich dachte auch Robert darüber nach, doch dann seufzte er. „Kommen Sie hoch. Fünfter Stock.“

„Danke“, erwiderte Joanne und wartete darauf, dass der Summer sie einließ.

Im Eingangsbereich des etwas heruntergekommenen Hauses holte sie noch einmal tief Luft und schloss die Augen. Tatsächlich hatte sie beinahe Angst davor, sich Robert zu stellen. Doch sie kam nicht umher: Sie wollte nicht, dass er in dem Glauben lebte, dass sie tot war. Und irgendwie hatte sie das Gefühl, dass er verdient hatte zu wissen, was geschehen war.

Also nahm sie den Aufzug und fuhr, wie so oft schon, in den fünften Stock hoch. Viel zu schnell kam sie dort an, nur um Robert zu sehen, der im Flur stand und auf die vermeintliche Pizzabotin wartete.

Von dem Moment an, als sie aus dem Aufzug trat, starrte er sie an. Sie konnte sehen, wie verschiedene Emotionen über sein Gesicht wanderte. Zuerst Verwirrung, wahrscheinlich weil er ihr Gesicht als bekannt einordnete, es jedoch nicht sofort zuordnete. Kein Wunder, immerhin wirkten die Cyberaugen auch auf sie noch immer fremd, wenn sie in den Spiegel sah, und auch ihre Haare waren nun rot gefärbt.

Dann Erkennen, als er sie umso mehr anstarrte. Dann Unglaube und bald darauf erneute Verwirrung. „Joanne?“, flüsterte er ungläubig.

„Ja“, erwiderte sie und versuchte zu lächeln – merkte aber, wie es ihr misslang. „Und nein.“ Sie sah sich um, unsicher ob es funktionierende Überwachungskameras auf dieser Etage gab. „Lass uns reingehen.“

Robert zögerte sichtlich, schien hin und hergerissen, nickte dann aber. Er ließ sie in sein Apartment.

„Es...“, begann Joanne, als Robert die Tür hinter ihr geschlossen hatte, doch da umarmte er sie – so stürmisch, dass beide Pizzakartons auf dem Boden landeten.

„Ich dachte, du wärst tot“, hauchte er und sie hörte an seiner Stimme, dass er weinte.

Joanne seufzte. „Ich weiß. Es tut mir leid. Aber... Eigentlich bin ich das auch.“

Zuerst erwiderte er darauf nichts, doch schließlich löste er sich von ihr und sah sie – noch immer mit Tränen in den Augen – an. „Was meinst du damit?“

„Joanne Snyder ist tot“, erwiderte sie und bemühte sich ihrer Stimme Festigkeit zu verleihen. Sie konnte sich dennoch ein weiteres Seufzen nicht verkneifen. „Und das wird auch so bleiben.“ Eigentlich wusste sie, warum sie ihm soweit nicht erzählt hatte, was passiert war, doch machte es das nun umso schwerer. „Mein Name ist jetzt Mary Montgomery. Oder Pakhet – wenn du den Namen bevorzugst. Es darf niemand wissen, dass ich noch lebe, verstehst du?“

Robert starrte sie nur an, schüttelte den Kopf und ließ sich auf einen Stuhl fallen. „Mary? Pak... Pakhet? Ich verstehe überhaupt nichts. Wieso sollte niemand wissen, dass du noch lebst?“

„Weil ich dann Probleme bekommen könnte. Mit HanseSec oder Wuxing.“ Joanne seufzte, hob die Pizzaschachteln, die dankbarer Weise nicht aufgegangen waren, vom Boden auf, und ließ sich dann auf einen anderen Stuhl sinken. „Pizza?“

„Was?“ Verständnislos sah er sie an.

„Ich dachte du wärst hungrig“, meinte sie. „Ist nicht einmal Soy-Zeug. Also wäre es schade, wenn sie kalt wird.“

Noch immer war sein Blick verwirrt, was sie noch einmal seufzen ließ.

„Hör zu, Rob, ich werde dir alles – na ja, fast alles – erzählen. Aber... Es ist eine etwas längere Geschichte.“ Sie reichte ihm einen der beiden Kartons über. „Und bis ich damit fertig bin, ist die Pizza kalt oder zumindest matschig.“

Robert zögerte, doch schließlich nahm er den Karton. Auch er seufzte. „Dann schieß' los“, antwortete er, mit noch immer belegter Stimme.

Joanne nickte und fing an zu erzählen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  Caliburn
2016-10-14T10:46:37+00:00 14.10.2016 12:46
Ein glanzvoller Auftakt der sympathischsten Mary Sue die ich kenne. :D
Ich glaube, ich hätte dem Doktor während der Untersuchung schon mehrfach auf die Schuhe gekotzt. xD"

Und ja, ENDLICH schaffe ich es auch Kommentare zu schreiben und das trotz Rollercoaster Tycoon. *hust* Wenn du mich nun entschuldigen würdes, ich muss... noch was erledigen.
Von:  Dacart
2015-07-29T00:09:09+00:00 29.07.2015 02:09
Es müssen immer Pina Colladas sein :D

If you like Pina Colladas and gettin caught in the rain
If you're not into yoga, if you have half a brain....


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