Zum Inhalt der Seite

Alles rein geschäftlich!

Izayoi und der Höllenhund
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Für lyndis und morgi, die nie aufgegeben haben mir zu sagen, dass ich doch auch mal Gefühle beschreiben soll. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
I've been searching for a man
All across Japan
Just to find, to find my samurai
Someone who is strong
But still a little shy
Yes I need, I need my samurai

SMiLE Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Sprüche Salomos: Und mag er noch so freundlich reden, glaube ihm nicht, denn sieben Gräuel sind in seinem Herzen... Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ihr kennt mich.... Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Heute schon, da ich morgne offline bin. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Als Kompromiss zwischen Weihnachten und Silvester...Das nächste Kapitel kommt am 7.1.2016. Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Izayoi

Wollen Sie dort wirklich hingehen, verehrter Vater?“

Etwas wie Unglauben klang in der ruhigen Stimme des jugendlichen Youkai, als er zu dem neben ihm im Fond der Luxuslimousine Sitzenden blickte.

Nicht nur die weißen Haare zeugten von der Familienähnlichkeit, als der Vater unwillkürlich kurz nach vorne sah. Aber die selbst für Dämonen hördicht gemachte Zwischenscheibe würde verhindern, dass ihr Fahrer sie belauschte: „Was weißt du über diese Familie, Sesshoumaru?“

„Die Fukuwaras sind reich und eine recht alte Familie. Fürst Jiro Fukuwara hasst Youkai.“

„Das ist wahr und ich sitze ihm jeden Monat bei den Ratssitzungen gegenüber. Nun, das ist für ihn schlimmer als für mich. - Jiro Fukuwara ist der fast letzte Nachfahre der Fukuwaras, einer für Menschen ungewöhnlich langen Familiendynastie, die sich auf einen Kaiser im 11. Jahrhundert zurückführen lässt. Sein Sohn Hitoshi kam vor einigen Jahren bei einem Unfall um. Seither ist seine einzige Erbin Izayoi, eben die junge Dame, deren einundzwanzigster Geburtstag, ihre Volljährigkeit, nun so groß gefeiert werden soll. Natürlich steht es nicht in der Einladung, aber Jiro hofft bei diesem ersten großen Auftritt seiner Tochter auch Bewerber zu finden – nur Menschen, würde ich sagen. Dass er zusätzlich Youkai einlädt, hat de facto mit unseren Verbindungen im Geschäft und dem Rat zu tun. Die Fukuwaras besitzen auch Freizeitparks und Hotels, die sich mit unseren übrigens gut arrondieren würden.“

Sesshoumaru, vertraut mit der Art seines Vaters, sah fast zu hastig seitwärts: „Sie meinen doch nicht....“

Der Ältere strich seine zu einem Zopf gebundenen Haare beiseite, ehe er sich in die Polster lehnte: „Nein, du sollst dich nicht um sie bewerben. Das würde ich dir nicht zumuten – und Jiro wäre sicherlich strikt dagegen. Unsere Einladung ist nur sehr höflich, notgedrungen höflich, und hat keinerlei weiteren Hintergedanken. - Ich vermute, soweit mir berichtet wurde, dass Jiro daran denkt, sie mit ihrem Cousin zu verheiraten, einem gewissen Onigumo, damit der Fürstentitel, der ja nur in der männlichen Linie vererbbar ist, in der Familie bleibt. Aber da gibt es ein Problem. Für ihn.“ Man musste Konkurrenten im Auge behalten, das wusste er seit Jahrhunderten.

Sesshoumaru stutzte: „Das ist kaum ein Menschenname.“

„Sehr richtig. Es handelt sich um einen Halbdämon, einen Hanyou. Jiros deutlich älterer, verstorbener, Bruder hatte sich mit einer Youkai eingelassen und einen Sohn.“

„Darum hat er ihm also seine Tochter auch noch nicht zur Frau gegeben.“

„Ja. Er hofft wohl auf einen Menschen. - Nicht nur du magst keine Menschen, es ist ebenso auch andersherum.“ Seit fast zweihundert Jahren lebten Youkai nun offen und zumeist friedlich mit Menschen zusammen, aber die Unstimmigkeiten und Vorurteile würden wohl kaum je verschwinden. Nun gut. In seinen Unternehmen arbeiteten auch viele Menschen und er wüsste nicht, dass sie sich zu beklagen hatten, aber er kannte die Unsicherheiten nur zu gut. Allerdings galten Hundedämonen, Inuyoukai, wie er und sein Sohn auch als menschenfreundlich, was Letzteren betraf, ein Irrtum. „Du musst nicht mitgehen. Ich werde dich höflich entschuldigen.“

„Vielen Dank, verehrter Vater.“ Sesshoumaru war wirklich erleichtert. Ein Einführungsball mit jeder Menge Menschen und Youkai – ihm schauderte förmlich. Natürlich gehörte das zu einem Leben als reicher und mächtiger Mann, aber wenn es ging, überließ er solche Dinge dann doch lieber seinem Vater. Er würde noch genug davon erleben müssen, wenn er erst einmal dessen Nachfolge als Herr der Hunde und Firmenchef angetreten hatte, und auch in die politische Rolle als Mitglied in dem Rat schlüpfen musste, der das Zusammenleben der zwei Arten regelte.
 

Das Auto wurde kurz langsamer, als der Fahrer es auf eine langgestreckte Auffahrt lenkte, die rechts und links von Bäumen gesäumt wurde. Vorn zeigte sich eine hohe Mauer und ein Metalltor, hinter dem Wachen standen, eindeutig vier Youkai, die jedoch eilig beiseite wichen, als die Flügel auf einen Funkbefehl aufschwangen. Dahinter stand eine große Villa mit einem Obergeschoss, die sehr mittelalterlich wirkte. Der Hausherr schätzte diese Zeit seines Lebens und hatte sich entsprechend eingerichtet. Hinter dem Anwesen stieg ein bewaldeter Hügel auf. Hier endete die Großstadt.

Als der dunkle Wagen stoppte, waren bereits zwei Youkai herangeeilt und rissen die hinteren Türen auf, öffneten für die Passagiere. Die Zwei trugen dunkle Anzüge, die sie jedoch nur in der modernen Geschäftswelt anhatten. Jetzt würden beide sich unverzüglich in die alte, japanische Kleidung umziehen. Allerdings würde selbst dann der Vater die beiden Fellteile auf seinem Rücken besitzen und der Sohn eines, das wie eine Boa um seine Schulter lag – es waren Teile ihres Körpers, in denen einiges ihrer wahren Energie verborgen lag. Die scheinbar menschliche Form vermochte es nicht all ihr Youki aufzunehmen. Schon von daher war es ein Statussymbol unter ihrer Art.

„Benötigen Sie mich, verehrter Vater?“ erkundigte sich Sesshoumaru als sie in das Haus gingen.

„Nein. - Ich bin später in meinem Arbeitszimmer. Die Nachrichten aus Europa müssten eintreffen.“ Mit gewisser Heiterkeit fügte der Inu no Taishou, der Herr der Hunde, hinzu: „Du kannst dein Bad ausdehnen.“

„Danke.“ Durch nichts gab sein Sohn zu erkennen, dass er den leisen Spott wahrgenommen hatte. Er liebte es zu baden, unbelästigt zu sein – und es liefen im Haus unter den Youkai durchaus Gerüchte um er habe früher Dienstboten umgebracht, die ihn störten. Die menschlichen Diener hatten bereits am Nachmittag das Anwesen verlassen. Sie erledigten Arbeiten, auf die sich kein Youkai verstand wie Gärtner oder auch Elektriker.
 

Der Hausherr, jetzt in blau-weißem Oberteil und weißer Hose aus feinster Seide bekleidet, ließ sich in seinem Arbeitszimmer auf der Matte nieder, den Laptop ignorierend. Hm. Ganz so sicher, wie er gegenüber seinem Sohn getan hatte, war er nicht. Jiro Fukuwara war ein Mann der sich von Vorurteilen gegen Youkai gern verleiten ließ, aber er war kein Narr. Natürlich war er praktisch gezwungen zu einem derartig groß aufgezogenen Ball auch alle Geschäftskollegen und Ratsmitglieder einzuladen – aber, warum feierte er die Volljährigkeit seiner Tochter nicht etwas kleiner? Wollte er sie so unbedingt an den Mann bringen? Dann fragte es sich welchen Fehler die junge Dame besaß, dass sie derart angepriesen wurde. War es nur ein äußerlicher Makel, so konnte es ihm gleichgültig sein. Ihr Wesen jedoch war interessant, würde sie doch nach dem Tod ihres Vaters ein mehrfaches Millionenvermögen erben und ihm daher geschäftlich als Konkurrentin oder Partnerin begegnen. Er würde noch weitaus länger leben als sie oder auch nur ihre Kinder und Kindeskinder. Bislang war sie jedenfalls öffentlich noch nie in Erscheinung getreten und auch die Klatschpresse hatte nichts über sie verbreitet. Im Gegensatz zu ihm oder auch Sesshoumaru. Der arme Welpe litt unter jeder neuen Freundin, die da aufgetischt wurde, und musste langsam lernen, derartige Dinge zu ignorieren. Wenn er nur daran dachte, wie viele Menschen oder Youkai allein in den letzten fünf Jahren angeblich seine eigene Gunst genossen hätten oder gar schwanger geworden wären...Nein. Damit musste man leben, wie früher mit dem Gerede.

Nun gut, die Arbeit wartete nicht. In einem weltumspannenden Konzern kamen Nachrichten jeder Zeit an – und in Europa war es noch acht Stunden früher als in Japan, genug, um die dortigen ersten Tagesberichte zu erhalten.
 

Jiro Fukuwara in einen langen, dunkelblauen Kimono gehüllt, nickte ein wenig, als seine Tochter sein Zimmer betrat und sich höflich verbeugte. Sie wurde einundzwanzig, und, das gab er mit gewissem väterlichen Stolz zu, sie war hübsch. Das Auffallendste war gewiss ihr langes, schwarzes Haar, so lang und dicht, wie es eigentlich nur diese anderen Wesen besaßen, die aus der Hölle stammten. Aber daran wollte er nicht denken. „Komm her, Izayoi, setz dich.“

Sie nahm ihm gegenüber Platz und sah zu Boden, wie sie es gelernt hatte. Ihr Vater achtete sehr auf altmodische Höflichkeit.

„Du warst heute im Hotel und hast die Anweisungen gegeben?“

„Ja, verehrter Vater. - Blumen, Musik und alles.“ Warum nur musste er so eine große Geburtstagsfeier ausrichten? Sie war nie zuvor in der Öffentlichkeit gewesen und dann gleich vor Hunderten? Falls sie etwas in der Organisation falsch gemacht hatte oder auch nur in der Höflichkeit einen Fehler beging...Das würde ihr vermutlich ein Leben lang nachgetuschelt werden. Zum Glück hatte ihre Erzieherin ihr gezeigt, wie man derartige Feste plante, im Kleinen und im Großen. Ihre eigene Mutter war schon früh bei einem Erdbeben gestorben, so dass sie nun die Hausherrin spielen musste, seit sie sechzehn geworden war. Allerdings noch nie in diesem Ausmaß und außer Haus.

„Die Einladungen sollten heute ihre Adressaten erreicht haben und ich gehe davon aus, dass kaum jemand absagen wird, außer aus wichtigen Gründen. Ich rechne also mit um die sechshundert Gästen, einige davon bedauerlicherweise auch Youkai. Ich werde einen speziellen Sicherheitsdienst anfordern.“

„Ja.“ Das war bestimmt notwendig. Youkai mochten ja heutzutage mit den Menschen zusammenleben, aber sie waren böse Wesen, aus der Unterwelt, das hatte ihr Vater ihr immer wieder gesagt. Und was ihre englische Erzieherin ihr über Dämonen erzählen konnte, war auch kaum beruhigend gewesen.

„Onigumo wird gewiss auch kommen. Ich werde mich mit ihm unterhalten und du wirst mit ihm tanzen, aber ja nicht mehr als einmal. Nun, mit niemandem mehr.“

„Ja, verehrter Vater.“ Es irritierte sie immer noch, dass zum einen japanische Kleidung erwünscht war, andererseits eindeutig westliche Tanzmusik spielen sollte. Aber sie vermutete, dass das dazu dienen sollte, dass sie in kurzer Zeit möglichst viele Männer kennenlernte, in durchaus ehrenhaftem Rahmen. Immerhin bedeutete dies auch, dass sie nicht zu viele Kleiderlagen an Kimono tragen musste, da sonst auch nur ein Walzer unmöglich gewesen wäre.

„Ich hege keine Zweifel, dass sich einige junge Männer für dich interessieren werden. Merk dir ihre Namen.“

„Ja.“ Nun ja, es würden sich einige für sie interessieren, oder eher, für die Millionen, die sie einmal erben würde. Wie sollte sie nur je herausfinden ob jemand sie oder das Geld mochte? „Darf ich eine Frage stellen, verehrter Vater?“

„Nun?“

„Sie haben Youkai eingeladen. Wie soll ich sie behandeln?“

„Sie sind Gäste, nicht mehr und nicht weniger. Wenn einer aus dem Rahmen fällt, wird sich der Sicherheitsdienst darum kümmern. - Und ich denke kaum, dass einer von denen tanzen kann oder will. Keine Sorge. - Es sind auch drei oder vier Ratsmitglieder dabei. Der Wichtigste von ihnen ist der Inu no Taishou. Ich habe ihn mit seinem Sohn eingeladen. Der Sohn hat dich nicht zu interessieren.“

„Ja.“ War der dann so alt wie sie? Ach nein, das konnte nicht stimmen, diese Youkai lebten ja angeblich viel länger als Menschen. „Und der Inu no Taishou erhält Höflichkeit.“

Zufrieden meinte Fürst Fukuwara: „Genau das. Du darfst gehen, meine Tochter.“
 

Ein scheinbar Mitte der Zwanzig zählender junger Mann mit langen, schwarzen Haaren betrachtete die Einladung nachdenklich. Izayoi wurde einundzwanzig. Volljährig. Damit konnte sie über ihr Erbe verfügen, wenn ihrem Vater etwas...nur zu menschliches passieren sollte. Aber, wozu voreilig werden. Noch lebte der liebe Onkel Jiro und wenn es nach ihm ging, sollte er das auch ruhig noch einige Jahre. Bei einem so einflussreichen und mächtigem Mann würde jeder Verdacht eines unnatürlichen Todes sicher überprüft werden. Nicht notwendig. Der Letzte der Fukuwaras war über sechzig und schwer herzkrank. Das ließ sich abwarten, zumal, wenn man selbst als Halbdämon eine weitaus längere Lebensspanne zugemessen bekommen hatte. Dann stand Izayoi allein und benötigte sicher Trost und Hilfe in geschäftlichen Dingen. Nun gut. Er würde sie sich auf der Feier einmal ansehen. War sie hübsch, so konnte man eine Heirat ja durchaus in Erwägung ziehen. Wenn nicht, oder falls sie zu stur war....es gab auch andere Methoden. Auf jeden Fall würde früher oder später er, Onigumo, den Namen, den Titel eines Fürsten und das Vermögen der Fukuwaras besitzen.

Jetzt noch einmal bei dem Onkel vorbei zu sprechen, um Izayoi kennen zu lernen, würde nichts bringen. Der war gegen alles, was Youkai hieß, sei man es auch nur zur Hälfte. Immerhin war es ihm gelungen eine gewisse Anerkennung zu wecken, dass er das von seinem Vater ererbte Fukuwara-Vermögen nicht vergeudet hatte, sondern weiter vermehrt hatte. Allerdings sollte Onkel lieber nicht alles über seine Geschäfte wissen. Die legalen, ja, natürlich, aber es gab ja auch gewisse einträgliche Grauzonen, die der ehrbare Alte kaum zu schätzen wusste.

Er griff zum Telefon und meinte nur, als seine Sekretärin abhob: „Ist es üblich bei einer Geburtstagsfeier ein Präsent mitzubringen? Dann besorgen Sie eines für meine Cousine. Sie wird volljährig. Ihre Interessen kenne ich nicht. Der Preis wäre mir gleich.“ Zumal, wenn er bedachte, dass an der Hand Izayois vierzig Millionen hingen...
 

Der Inu no Taishou hatte ein ähnliches Problem. Ein Geschenk war bei jedem Besuch höflich zumal aus solchem Anlass. Aber er wusste herzlich wenig darüber, über was sich menschliche Mädchen diesen Alters freuen würden. Eine Youkai brauchte er gar nicht zu fragen.

So zuckte die junge, menschliche, Empfangsdame an der Rezeption zusammen, als sie unerwartet den milliardenschweren Konzernlenker vor sich sah. Fast hätte sie vergessen sich zu verneigen.

„Wie alt sind Sie?“

„Äh, zwanzig, oyakata-sama.“ War sie ihm schon zu alt für den Empfang? Eigentlich musste man dazu doch fünfundzwanzig oder älter sein, ehe man entlassen oder zumindest woanders hin versetzt wurde, nach den landesüblichen Gepflogenheiten.

„Was würden Sie sich zum Geburtstag wünschen?“ Er bemerkte, dass sie mehr als rot anlief, und erklärte eilig: „Verzeihung. Das klang ein wenig direkt. Ich bin zu einer Geburtstagsfeier eingeladen, kenne die Dame nicht, aber sie hat Ihr Alter und ist ein Mensch.“

„Oh, ja, natürlich.“ Wie hatte sie auch auf den seltsamen Einfall kommen können, der so mächtige Youkai würde ihr etwas zum Geburtstag schenken wollen? „Äh, ein großer Geburtstagsempfang?“ Das war bestimmt verpflichtend, geschäftlich. „Jedenfalls nichts Persönliches, kein Parfüm oder so....Hobbies oder so, sagten Sie, kennen Sie nicht....Das ist schwer....Schmuck wird die junge Dame auch haben?“ vermutete sie. „Blumen machen nichts her, außerdem verderben sie im Laufe einer solchen Feier....“

Überdies, dachte der Youkai, würden die sonstigen Gerüche dieser Party seine arme Hundenase schon genug malträtieren, da musste er doch nicht noch höchstpersönlich dazu beitragen. „Kakteen?“ Die rochen nicht und es gab wertvolle.

„Nein, verzeihen Sie, oyakata-sama, aber das könnte die Dame als....Anspielung verstehen und als sehr unhöflich werten.“

„Gut, dass ich frage. Weiter.“

„Äh...Seide?“

„Was meinen Sie?“

Nein, sie sollte ihm besser nicht sagen, dass sie für einen Moment tatsächlich an Unterwäsche gedacht hatte: „Einen Kimono? Sie kennen doch sicher altmodische Schneider...das ist nicht zu billig, aber man kann auch wenig falsch machen, denke ich. Zumal wenn die...junge Dame nicht näher bekannt ist...“

Rote Seide mit einem weißen Hund gestickt darauf...„Ja, das ist wahr. Danke.“

Er wandte sich ab und ihre Kolleginnen schossen förmlich auf die Rezeptionistin los, um zu erfahren, was der shachō , der Konzernchef, von ihr gewollt hatte.
 

Izayoi sah zu ihrer Erzieherin, als sie berichtet hatte: „Was ist? Du wirkst so bedrückt?“ Sie waren übereingekommen sich untereinander zu duzen – solange niemand anderer zuhörte, denn der Fürst Fukuwara hätte das sicher verboten.

Eliza Oberton seufzte und ließ sich auf einem Hocker nieder: „Du ahnst es noch immer nicht? Ich dachte darum hat dein Vater dich gerufen.“

„Nein, er gab mir nur Verhaltensmaßregeln für diesen...Ball. Oh, warum nur muss er ihn so groß feiern?“

„Er will dich verheiraten, meine Liebe. So bald wie möglich. Sein Herz ist nicht mehr sehr gut, wie du weißt, und ich glaube, er fürchtet....“ Sie brach ab: „Aber, was du unbedingt wissen solltest: mit deinem einundzwanzigsten Geburtstag wirst du nach hiesigem Recht volljährig. Und damit ist meine Arbeit beendet.“

„Was?“ Izayoi sank unwillkürlich auf die Knie: „Eliza!“

„Ich erhielt die Kündigung bereits von deinem Vater. - Nimm dich zusammen.“ Das klang weniger nach Freundin als nach Erzieherin: „Du musst das dir doch irgendwann mal gedacht haben.“

„Ja, aber...ich dachte, du kannst trotzdem bei mir bleiben. Ich...ich habe dann doch niemanden mehr.“ Eliza hatte ihr solange die Mutter ersetzt...

„Ich bat deinen Vater darum als deine Zofe arbeiten zu dürfen, aber er meinte, ich sei lange genug fern der Heimat gewesen. Nun ja, zwanzig Jahre.“ Die etwas über fünfzig Jahre zählende Engländerin seufzte erneut: „Du hättest es wirklich bedenken sollen. Wie ich allerdings auch. - Und du wirst nicht ganz allein sein.“

„Eine mir bislang unbekannte Zofe?“

„Du wirst dir auch so behelfen können, es gibt hier genügend Dienerinnen. Mich kanntest du damals auch nicht. - Überdies bist du erwachsen. Ein gewisser Takemaru Setsuna soll das Amt als dein Leibwächter und Chauffeur übernehmen.“

Izayoi runzelte die Brauen: „Setsuna? Das sagt mir nichts.“

„Ich habe ihn mir möglichst unauffällig angesehen. Er ist Anfang Dreißig und der stellvertretende Leiter der Wachen deines Vaters. Er stammt aus einer alten Samurai-Familie, die wohl auch schon lange deiner Familie dient. Ich fand ihn nicht...ungeschickt. Sehr höflich und er wäre nicht in seinem Alter schon so hochgestiegen wenn er unfähig wäre.“ Die Engländerin atmete durch: „Du wirst eben endgültig erwachsen, Kleine. Wir können ja über das Internet Kontakt halten.“

„Ja, aber du kannst nicht einmal in Japan bleiben?“

„Nun, dein Vater...Fürst Fukuwara gab mir deutlich zu verstehen, dass ich in meine Heimat soll. Und dir ist klar, dass er solchen Wünschen Nachdruck verleihen kann. Er ist Ratsmitglied und ich bin eine Ausländerin.“

„Ein nettes Geschenk zu meinem Geburtstag!“ Das klang bitter.

„Izayoi, nimm dich zusammen. Du weißt, dass du niemandem gegenüber deine wahren Gedanken preisgeben darfst. Bislang hast du es bei mir gekonnt, aber du bist eben kein Kind mehr, sondern eine junge Dame und sicher bald verheiratet. Du kennst die Regeln.“

Das Mädchen versuchte tapfer seine Tränen zu schlucken: „Aber...dieser Setsuna ist kein Anwärter?“

„Denke nach,“ befahl ihre Erzieherin streng: „Ein Samurai und eine Fürstentochter? Du kennst deinen Vater.“

Ja, das war wahr. Aber ihr war ebenso bewusst, dass ihr Vater eifrig nach einem Schwiegersohn suchte, seit er nach seinem zweiten Herzinfarkt sich der Kürze des menschlichen Lebens nur zu bewusst war. Er wollte die stolze Familie nach über tausend Jahren nicht untergehen sehen und auch seine Tochter gesichert wissen. Da stets ihr Bruder als Erbe und Nachfolger erzogen worden war, besaß sie zugegeben nur wenig Ahnung über die geschäftlichen Dinge und könnte Hilfe wohl gebrauchen. Sie war sich jedoch soweit der Liebe ihres Vaters sicher, dass er ihr nie einen ihr unangenehmen Bewerber auch nur vorschlagen würde – und stets auf ihre Einwilligung hören würde.

Takemaru Setsuna

Takemaru Setsuna warf einen Blick in den Mittelspiegel, als er auf die Schnellstraße abbog. Weniger um des Verkehrs willen als um seinen Passagier anzusehen. Natürlich war ihm bewusst, dass die Prinzessin nicht für ihn in Frage kam, aber er hatte in den zwei Wochen seines direkten Dienstes bei ihr gelernt, dass sie nicht nur hübsch aussah sondern auch stets freundlich war. Die ersten Male war noch ihre Erzieherin mitgefahren, zweifellos auf Anweisung des Fürsten, aber heute hatte ihm Izayoi-sama allein den Ausflug befohlen. Er war nicht böse darum. Diese Oberton musterte ihn immer überaus kritisch, aber das war natürlich ihre Aufgabe. Fürst Fukuwara hatte ihm jedoch bereits gesagt, dass sie mit der Volljährigkeit Izayois entlassen sei, also müsste er sie nur kurz noch ertragen. Der Geburtstag war nächste Woche – und in zehn Tagen sollte der große Ball stattfinden, die Einführung der Fukuwara-Erbin in die Gesellschaft. Vielleicht wollte sie noch etwas dafür kaufen? Aber Schmuck besaß die Familie bestimmt reichlich und er hatte auch schon mitbekommen, dass eine Schneiderin extra Kimono für die Prinzessin abmaß Er begegnete im Spiegel den dunklen Augen der Tochter seines Dienstherrn und zuckte fast zusammen.

Izayoi meinte allerdings nur: „Sie werden sich in der Stadt besser auskennen als ich, Takemaru. Wo gibt es japanische Andenken zu kaufen?“ Sie bemerkte seine Verwirrung: „Frau Oberton wird mich in wenigen Tagen verlassen und ich möchte ihr ein persönliches Geschenk mitgeben, zumal sie Japan verlässt.“ Verlassen musste.

„Ich verstehe, Izayoi-sama, erlaube mir allerdings darauf hinzuweisen, dass Fürst Jiro ihr bereits eine Gratifikation zukommen ließ.“

„Das ist mir gleich.“ Die junge Dame klang plötzlich deutlich nachdrücklicher: „Geld ist eine Sache – fast zwanzig Jahre Vertrautheit eine andere. Ich sagte: ein persönliches Geschenk.“

„Ich bitte um Verzeihung, Izayoi-sama.“ Es war gewiss keine Schande, wenn sich eine Prinzessin um ihre Dienstboten kümmerte, und bewies wiederum ihren sehr angenehmen Charakter. „Dann würde ich Ihnen das Stadtzentrum vorschlagen. Dort sind viele Touristen und es wird entsprechende Andenkenläden geben.“

„Sie werden mich begleiten?“

„So lautet mein Befehl.“ Und er wollte nicht wissen, was Fürst Jiro machen würde, käme seine Tochter auch nur zufällig zu Schaden. Natürlich ging es um das immer potentielle Risiko einer Entführung, aber....Nun, er war für sie ihrem Vater persönlich verantwortlich.

Izayoi zögerte, dann sprach sie es doch aus: „Würde es Ihren Dienstpflichten zuwiderlaufen, wenn Sie sich nicht einen Schritt hinter mir halten sondern an meiner Seite gehen?“

„Nicht direkt,“ gab der schwarzhaarige Leibwächter erstaunt zurück: „Aber...“ Würde das niemandem auffallen? Er mochte sich die Fotos in der Klatschpresse oder gar im Internet kaum ausmalen – andererseits war Izayoi wirklich von allem ferngehalten worden, hatte nur Privatlehrer besessen, im Gegensatz zu ihrem Bruder, der an Eliteschule und – universität hatte gehen dürfen, der auf ein Leben vorbereitet worden war, das nicht aus Gehorsam und Respekt gegenüber dem Familienoberhaupt bestand.

Sie seufzte ein wenig und deutete hinaus: „Es sind hier im Stadtzentrum wenige Frauen im Kimono unterwegs.“ Aber Vater würde ihr keine Jeans oder andere westliche Mode zubilligen: „Ich falle so schon auf. Wenn Sie neben mir sind, ist es ein wenig....angepasster.“ Das sähe eher wie ein normales Paar aus, nicht wie Prinzessin mit Samurai. Manchmal packte sie der Wunsch normal zu sein, nicht im, wenn auch luxuriösen, Käfig zu sitzen,

Er verstand. „Nun, ich sehe keinen Grund, warum es meinen Pflichten zuwiderlaufen sollte. Allerdings wäre es wohl besser, wenn Fürst Jiro davon nichts erfährt, ehe er annimmt ich würde...meine Pflicht vernachlässigen.“ Und mit seiner Tochter flirten.

„Dann bleibt das unser kleines Geheimnis.“ Izayoi lächelte warm.

Ihr Chauffeur und Leibwächter sah es im Spiegel – und musste sich zwingen wieder auf den Verkehr zu achten. Er sollte wirklich auf seine Professionalität aufpassen.
 

Der Inu no Taishou saß in seinem Büro im obersten Stock des Hochhauses, das das Herzstück seines Konzerns war. Hier liefen alle Fäden aus Amerika und Europa zusammen, Japan und Asien im Allgemeinen. Er drehte sich im Stuhl sitzend um und blickte durch die wandgroße Fensterscheibe auf das Gewirr der Hochhäuser, ehe er das schnurlose Telefon aufnahm, eine, wie er zugab, ungemein praktische Erfindung der Menschen. Boten früher waren doch länger unterwegs gewesen. Er drückte die Kurzrufwahl, sicher wissend, dass der Angerufene abheben würde, wäre es ihm irgend möglich.

„Oyakata-sama?“ fragte eine Männerstimme auch sofort.

„Maseo, ich hätte einen Auftrag für Sie. Überaus diskret, wenn ich bitten darf. Aber ich denke, ich hätte Sie nicht darum bitten müssen.“

„Nein, darum hätten Sie nicht bitten müssen.“ Der Wolfsyoukai klang ein wenig beleidigt. Er besaß eine der weltgrößten Sicherheitsfirmen.

„Meine Ungeschicklichkeit. - Sagt ihnen Onigumo etwas?“

„Der Bastard aus dem Fukuwara-Clan? Etwas. Aber Sie wollen alles über ihn?“

„Alles. Aber zunächst eine Kurzfassung. Er ist der Sohn von Jiros Bruder.“

„Ja. Es war der ältere Bruder und nachdem bekannt wurde, dass er sich mit einer Youkai eingelassen hatte, gab es einen üblen Erbstreit. Jiro stellte sich auf den Standpunkt, dass das Blut der Familie beschmutzt sei und so weiter. Nun, Sie kennen ihn ja.“ Auch Maseo war ein Mitglied des Rates, dem vier Youkai und vier Menschen angehörten – und der Kaiser als Mittler, da er von der Sonnengöttin Amaterasu abstammte und ihn so auch die Youkai akzeptierten.

„Das war nach der Geburt des Sohnes oder erst nach dem Tod...?“

„Äh, Jiros Bruder, dessen Name mir gerade nicht einfällt, hatte sich mit einer Spinnenyoukai gepaart und Ihnen sind gewiss deren Modalitäten bekannt.“

Also hatte sie ihren Partner gefressen. Wie überaus töricht von einem Mann ohne weitreichende Vorsichtsmaßnahmen auf eine Spinnendame hereinzufallen: „Und sie war vermutlich selbst erstaunt einen Hanyou zu gebären.“

„Vermutlich. Jedenfalls zögerte sie nicht und forderte im Namen ihres Sohnes das komplette Familienvermögen. Jiro gewann den Prozess, nicht zuletzt dadurch, dass sehr viele Ländereien und auch Stiftungen an den Fürstentitel gebunden sind und er nach dem Tode seines Bruders eben Fürst Fukuwara wurde. Onigumo erhielt jedoch ein hübsches Sümmchen als Abfindung, das er nach seinem Erwachsenwerden in weitere Unternehmungen steckte. Er hat es vermehrt, ein Punkt, der ihm in Jiros Augen nicht nur Aufmerksamkeit sondern auch gewisses Wohlwollen sicherte – solange seine Mutter oder auch Jiros Tochter nicht involviert waren.“

„Lebt die Mutter noch?“

„Wenn, dann sehr unauffällig. Das müsste ich recherchieren, oyakata-sama.“

„Tun Sie das.“

„Bis wann möchten Sie Ergebnisse? - Verzeihung. So rasch und vollständig wie möglich.“

„Ja.“ Der Inu no Taishou legte auf.
 

Izayoi hielt sich tapfer.

Der dreiunddreißig Jahre zählende Leibwächter aus altem Samuraigeschlecht bemühte sich nicht daran zu denken, wie tränenreich die private Trennung zwischen der jungen Dame und ihrer Erzieherin gewesen war. Er hatte das Schluchzen bis vor die Tür gehört. Jetzt, am Flughafen, verabschiedete sich Eliza Oberton in altmodischer, japanischer Manier mit tiefen Verneigungen vor dem Fürsten Fukuwara und seiner Tochter, die die Verbeugung nur leicht erwiderten. Nichts verriet, dass Erzieherin und Mündel diese Szene fürchteten und am Liebsten vermieden hätten. Nun gut, zumindest der guten Oberton war es gewiss bei ihrer Einstellung bereits gesagt worden, dass sie die Kinderfrau sein sollte – keine lebenslange Freundin. Vermutlich hatte sie es im Laufe der langen Jahre einfach vergessen – und Izayoi es wohl auch verdrängt.

Takemaru warf erneut einen ebenso prüfenden Blick durch die Halle wie die beiden anderen Männer, die für den privaten Wachdienst des Fürsten arbeiteten. Nun ja, der Herr wollte wohl durch das Wegschicken der Älteren sichergehen, dass seine Tochter unbefangen und ohne Einflüsterungen in eine Ehe ging, sich allein auf ihren Mann verlassen musste.

Eine recht altmodische Einstellung, die er jedoch durchaus verstehen konnte. Gewiss würde der Gemahl der Prinzessin ihr auch die Vertraute aussuchen wollen.

Das übliche Gedränge aus hauptsächlich Menschen und einigen Youkai um sie...Er achtete vor allem auf Kitsune. Man konnte es ein Vorurteil nennen, aber gerade die Fuchsdämonen waren perfekte Taschendiebe und suchten sich solche Menschenansammlungen gern aus. Natürlich nicht alle, aber es war wohl doch ein recht einträgliches Geschäft mit kalkulierbarem Risiko. Wurden sie gefasst, wurden sie nicht der menschlichen Gerichtsbarkeit übergeben sondern der Rechtsprechung des Rates oder sogar der Youkai selbst. Und diese beiden verfügten nicht einmal über ein Gefängnis.
 

Hm. Bei diesem Geburtstagsball in einigen Tagen waren auch Youkai geladen – aber eben Gäste und sicher nur welche, die über Reichtum und Macht verfügten. Da sollte nichts passieren, sondern eher die noch ihre eigenen Aufpasser mitbringen, wie auch menschliche Gäste. Das gesamte Hotel würde vor Sicherheitsleuten wimmeln. Oh. Ob er zumindest seinen eigenen Chef bei den Wachen darauf aufmerksam machen sollte? Nicht dass sich die Männer ihres Herrn und der Gäste da noch versehentlich in die Quere kamen, was unerdenkbare Folgen hätte. Aber vermutlich hatte Fushimoto das schon bedacht.

Er sollte besser hier aufpassen. Diese Erzieherin ging zum Check-in und der Fürst und Izayoi kamen auf ihn und seine Kameraden zu. Er neigte eilig den Kopf.

„Takemaru, Sie fahren meine Tochter nach Hause.“

„Ja.“
 

Erst, als sie im Auto saßen, meinte Izayoi: „Ich würde gern noch ein wenig spazieren gehen. In den Park des Großen Tempels.“

„Mein Befehl lautet Sie nach Hause zu bringen, Izayoi-sama.“ Der Herr würde in sein Büro fahren, dort arbeiten.

Natürlich hatten Vaters Anweisungen Priorität vor ihren Wünschen: „Das tun Sie ja, wenn auch mit einer Viertelstunde Verzögerung, nicht wahr?“ Sie schluckte, dann gestand sie: „Ich...ich gab Anweisung, dass die Dienstboten alles ausräumen, was mich an...an sie erinnern könnte. Sie werden noch nicht fertig sein.“

Und sie wollte wohl allein sein, noch ein wenig um den Verlust einer Frau trauern, die ihr doch jahrelang die Mutter ersetzt hatte: „Ich verstehe,“ sagte er daher, ohne zu erkennen zu geben, dass er die unterdrückten Tränen hörte – und es ihn seltsam schmerzte: „Gehen Sie...ich bleibe in Abstand. Aber länger als eine halbe Stunde dürfen wir nicht verzögern, das kann ich mit keinem Stau mehr dem Fürsten erklären.“

„Ja, ich weiß. Danke, Takemaru.“ Sie musste daran denken, dass nicht nur sie sich einem Tadel aussetzte – Takemaru riskierte seine Stellung und mehr als das. Niemand würde ihn nach einem Rauswurf wegen Befehlsverweigerung noch als Leibwächter einstellen. So lächelte sie, wenn auch nur den Schatten ihrer sonstigen Fröhlichkeit „Wirklich, vielen Dank.“
 

Als sie sich im baumbestandenen Park des Großen Tempels nach ihrem ständigen Begleiter umsah, entdeckte sie ihren Leibwächter auch fast zwanzig Schritte hinter sich, wenngleich sich suchend umblickend. Seit ihrer Geburt wusste sie um die Gefahr von Entführungen und auch, dass sich manche Geschäftskollegen ihres Vaters sogar mit Youkai als Wächtern behalfen. Das kam für ihren Vater natürlich niemals in Betracht und ihr schauderte bereits, wenn sie diese Höllenwesen auf den Straßen oder hier im Park sah. Zum Glück gab es nicht zu viele davon. Auf dem Ball würden auch einige sein, natürlich Ratsmitglieder und Wirtschaftslenker, sicher nicht mehr als zehn. Das waren alle, die selbst ihr Vater nicht ausladen konnte ohne sie mit Folgen zu verärgern, gerade die Ratskollegen.

Ach, Eliza....

Jetzt war sie allein. Vater lebte noch, aber sie hatte, aufmerksam gemacht durch Elizas Worte, auf seinen Zustand geachtet. Warum nur hatte sie nicht bedacht, dass schon ein zweiter Herzinfarkt gefährlich war, dass er immer grauer aussah, hinfälliger? Er war ihr Vater, der Fürst, der Herr, unsterblich, so hatte es ihr lange scheinen mögen. Aber in den letzten Wochen hatte sie erkannt, dass hinter seinem Wunsch sie möglichst rasch zu vermählen mehr steckte als nur der Wunsch einen Erben für den Fürstentitel zu sehen. Er wollte sie beschützt und versorgt wissen und tat dies auf seine Weise. Der Ball war sicher die erste Stufe, um sie in die Gesellschaft einzuführen, nach einem Herrn für die Firmen und Anwärter für den Fürstentitel zu suchen. Nun gut, sie musste also selbst Ausschau halten, denn wenn sie ihrem Vater einen potentiellen Ehemann vorschlug, der seinen Ansprüchen genügte, würde er doch nicht ablehnen.

Ach, warum war der Fürstentitel nur an Männer gebunden? Und warum war ihr Bruder damals so töricht gewesen diese Wette einzugehen? Ein Hochhaus hinabzuklettern? Er war aus dem zwanzigsten Stock gestürzt. Immerhin war er klug genug noch gewesen, er und seine Freunde, die Wette zuvor schriftlich niederzulegen, so dass es zu keinen polizeilichen Schwierigkeiten gekommen war. Vater hatte bei der Nachricht dennoch seinen ersten Herzanfall bekommen. Und vor einem halben Jahr einen zweiten. Dafür kannte sie keinen direkten Auslöser, aber es war wohl auch keiner notwendig, wenn das Herz erst einmal angegriffen war. Überdies hatte Vater ja auch sehr viel Arbeit mit seinen Reiseunternehmen und Hotels.

Alle diese Mädchen und Frauen in Jeans, Röcken, westlich gekleidet....Sie kam sich im Kimono recht altmodisch vor. Aber das war eindeutig nichts was ihr Vater dulden würde. Wenn er entdeckte, dass sie sich so etwas kaufte – und da ihm alle Kreditkartenabrechnungen vorgelegt wurden, würde er das – würde er sie sicher bestrafen, womöglich wochenlang zum Nachdenken in das abgelegene Berghaus schicken, allein mit einer Dienerin, ohne Fernseher, ohne Bücher, ohne irgendeine Zerstreuung. Und, wenn sie ehrlich war, gefiel ihr diese altmodische Art ja auch meistens.

Eliza würde jetzt bestimmt schon im Flugzeug nach England sitzen. Sicher, sie war gut versorgt, aber warum nur hatte Vater nicht erlaubt, dass sie weiter bei ihr blieb, weiter wenigstens in Japan blieb? Sie selbst fühlte sich so allein. Und der Einzige, der außer ihrem Vater im Moment auf ihrer Seite war, war der ihr noch immer recht unvertraute Leibwächter – wobei der durchaus geneigt schien wirklich IHR zu dienen und nicht ihrem Vater. Er hätte neulich nicht an ihrer Seite gehen müssen, heute nicht die Unterbrechung machen müssen....Er war sehr nett, vergaß jedoch nie die Höflichkeit und den Respekt eines Samurai gegenüber einer Fürstentochter.

Eliza...

Aber gerade sie hatte ja immer gepredigt es zieme einer Prinzessin nicht Gefühle zu zeigen. Sie würde es doch verstehen, ja, befürworten. So atmete Izayoi tief durch. Ihre Kindheit war vorbei und am Wochenende würde der große Ball ihr Erwachsenwerden anzeigen. Da sollte sie sich auch erwachsen benehmen.

Sie wandte sich um und schritt auf ihren Leibwächter zu, der unverzüglich stehenblieb und sichtlich einen Befehl abwartete. „Fahren wir nach Hause, Takemaru.“

„Wie Sie wünschen.“ Er folgte ihr, wie die letzten Tage versunken in den Anblick des hüftlangen, dichten schwarzen Haares der jungen Dame.
 

Sesshoumaru langweilte sich ohne das freilich zu zeigen. Sein verehrter Vater wünschte, dass er sich in diesen zur Zeit angesagten Nobelclub begab, so gehorchte er. Hier verkehrten nur sehr illustre Gäste – oder eher, deren Söhne, Menschen und Youkai. Und, da gab er seinem Vater Recht, es war wichtig, diese kennen zu lernen, als potentielle Gegner einschätzen zu lernen. Und wo konnte man das besser als in einem Umfeld in dem sie sich sicher fühlten, aus sich herausgingen. Gerade Menschen redeten gern und viel, zumal, wenn der Eine oder Andere davon doch Alkohol trank, obwohl es die meisten Menschen eben sowenig vertrugen wie Dämonen. Er betrachtete angelegentlich das Glas Wasser vor sich. Heute war hier nichts zu holen, die Gespräche drehten sich ausschließlich um den Empfang der Fukuwaras, wer eingeladen worden war und wer nicht, wie diese Izayoi wohl aussehen würde, wer letztendlich das Rennen um den Fürstentitel und die Millionen machen würde....

In der Tat, er langweilte sich. Was ging ihn dieses Wettrennen an, solange nicht der Sieger feststand? Mit dem müsste er sich freilich dann näher beschäftigen. So aber war es sinnlos. Zu viele Möglichkeiten und Unwägbarkeiten in der Zukunft. Auf diese Art gewann man keinen Schwertkampf und auch kein Geschäft. Aufpassen, abwarten und im richtigen Augenblick zuschlagen, so hatte er es von diversen Schwertmeistern gelernt – und von seinem eigenen Vater, der freilich kaum Zeit dazu fand. Umso aufregender waren Duelle gegen diesen – man konnte wahrhaft sehen wo man stand und wo die eigenen Schwachstellen noch lagen, die es auszumerzen galt.

Jemand setzte sich unaufgefordert zu ihm und er blickte irritiert auf. Das wagten nur wenige. Ah, Takeo, der Sohn des obersten Kitsune. Nun gut, der konnte sich das leisten und er musste wohl verbindlich bleiben. So nickte er ein wenig.

Der junge Fuchs, scheinbar Anfang Zwanzig, lächelte: „Schweigsam wie immer. Ich vermute, Sie sind auch zu diesem Empfang eingeladen worden.“ Nicht einmal in seinen Alpträumen hätte es jemand gewagt Sesshoumaru zu duzen. Der hatte schon vor Jahrzehnten, Jahrhunderten, bewiesen, was er davon hielt, wenn man ihm den Respekt verweigerte. Inzwischen waren die Sitten auch unter Youkai durch das Zusammenleben mit den Menschen und den daraus resultierenden Verträgen und Veränderungen abgemildert, aber unangenehm konnte der noch immer werden.

„Ja. Aber ich werde nicht dort sein.“

„Berufliche Gründe, ohne Zweifel.“

„Befehl.“ Das war nicht gelogen.

„Natürlich. - Ich werde mir diese Izayoi ja mal ansehen...“

„Ein Mensch?“

„Kommen Sie, seien Sie kein Narr. Eben, weil sie ein kurzlebiger Mensch ist. Sie lebt fünfzig Jahre, die Millionen bleiben. Natürlich, Ihnen kann der Titel gleich sein und die Millionen....ich möchte wetten, Sie würden nicht mal merken, wenn sie zusätzlich auf Ihrem Taschengeldkonto liegen...“ Takeo brach lieber ab. Es gab eine gewisse Grenze zwischen Vertraulichkeit und Penetranz und dem Blick seines Gegenübers nach hatte er sie soeben überschritten. Daher lächelte er eilig: „Schon gut. Es ist eben eine gewisse Ehre da eingeladen zu sein...immerhin sind nur sechshundert Gäste zu erwarten.“

Danke, verehrter Vater, für die Befreiung, dachte Sesshoumaru ehrlich, der diese Aussicht grässlich fand, ehe er bedachte, dass es womöglich mal wieder Zeit wäre dem geschwätzigen Fuchs seine Grenzen zu zeigen, ohne freilich die Grenzen der Höflichkeit zu verlassen. Ärger mit der Nummer Zwei der Rangliste würde Vater ihn spüren lassen: „Aber am Vormittag habe ich frei. Was halten Sie von einer Schwertübung zwischen uns, draußen im Youkai-Park?“ Dabei handelte es sich um ein großes, sehr freies Gelände in den Bergen vor der Hauptstadt, das extra geschaffen worden war um Duellen und Übungen der schwerttragenden Youkai standzuhalten ohne Menschen zu gefährden.

Takeo hielt nichts davon. Nur ein Narr wusste nicht wie das ausgehen würde. Es war nicht die Frage wer verlieren würde, sondern nur wie lange er selbst durchhalten konnte – und mit wie vielen Verletzungen. Aber einer solchen Einladung zu widersprechen, gar abzulehnen, war überaus unhöflich. Und, falls der gute Sesshoumaru das seinem Vater erzählte, würde der nur zum Telefon greifen und seinen eigenen Erzeuger zu sich zitieren. Was dann wieder passieren würde...Vater schätzte es nun einmal ganz und gar nicht wegen der Taten seines Sohnes abgekanzelt zu werden. Verflixt. Wieso musste er auch ausgerechnet den Sohn des Inu no Taishou schräg anmachen? Er sollte lernen, dass der eigentlich noch schlimmer als sein Vater war. Jetzt allerdings blieb ihm nur die Aussicht auf einen harten Kampf, ein Wochenende der Regeneration und ein: „Natürlich, danke für die Ehre, Sesshoumaru-sama.“

Der Ball

Onigumo wählte seine Garderobe sorgfältig, die er bei dem großen Ball anziehen wollte. Es musste altmodisch, japanisch sein, das stand schließlich schon in der Einladung, aber er wollte verhindern, dass ihm Fürst Jiro Ehrgeiz oder gar Prunksucht unterstellen konnte. Kein Schmuck, alles edel aber dezent....Er hatte sich als oberstes für einen dunkelblauen Kimono entschieden, mit einem schwarzen Gürtel, beides natürlich aus Seide, dunkel und dicht bestickt, das zu seinen schwarzen, langen Haaren und dunklen Augen passte.

Er hatte seine Cousine nie gesehen. Der liebe Onkel hielt sie ja praktisch wie eine Gefangene, vor lauter Sorge sie könnte sich in einen indiskutablen Mann verlieben, ja, hatte dies schon immer getan.

Hitoshi, ihr Bruder, war dagegen auf, wenngleich teuren, Schulen gewesen, hatte studieren dürfen, denn er sollte sich an ein Leben in der Öffentlichkeit gewöhnen, die „richtigen“ Männer kennenlernen und sich auch ein wenig die Hörner abstoßen, ehe er sich mit einer Frau verheiratet fand mit der er die Familie weiterbestehen lassen konnte.

Hitoshi war ein Narr gewesen, das gab Onigumo gern zu. Natürlich hatte er sich bemüht seinen Cousin möglichst unauffällig kennenzulernen, sicher, dass der Fürst das nicht dulden würde. Zum Glück war dies selbst Hitoshi klar gewesen und der hatte zu Hause auch nie erwähnt, dass sie beide sich einer Clique von reichen Söhnen angeschlossen hatten, die aus Langeweile und Übermut sich allerlei Proben des Mutes und der Kraft unterzogen.

Onigumo war noch immer überrascht, dass keiner der Anderen berücksichtigt hatte, dass er eben ein Hanyou war, stärker und schneller als diese. Natürlich hatte er die meisten Mutproben gewonnen, was Hitoshi zu immer größeren Verrücktheiten angestachelt hatte und einige andere auch. Irgendwann hatte er selbst begriffen, dass er gegen seinen Cousin gar nichts unternehmen musste – das erledigte der früher oder später auch allein. Alles, was er hatte tun müssen, war sich langsam aber sicher aus der Clique zurückzuziehen, und diese in einem scheinbaren Akt der Vernunft darauf hinzuweisen, dass sie ihre Wetten stets vorher schriftlich niederlegen sollten, schon, um die Polizei zu beruhigen, falls unerwartet doch einmal etwas passieren sollte. Das hatten sie tatsächlich getan. Als Hitoshi das Fliegen lernte waren seine Freunde mit diesem Schriftstück alle aus dem Schneider, er selbst hatte mit denen kaum mehr etwas zu tun, ja, die menschliche Polizei hatte ihn nicht einmal verhört.

Aber zu diesem Zeitpunkt war der Fürst Fukuwara ohne männlichen Erben, ja, erlitt einen Herzinfarkt und Onigumo hatte seinen Weg deutlich vor sich gesehen.

Bedauerlicherweise erholte sich Onkel Jiro ziemlich rasch – und er selbst hatte keine Gelegenheit die Cousine kennenzulernen oder gar für sich einzunehmen. Also hatte er zu Plan B gegriffen, den Onkel auf sich aufmerksam zu machen, dem zu zeigen, dass er doch ein Mensch war, ungeachtet des mütterlichen Anteils an Dämonenblut in sich. Und immerhin hatte er nun eine Einladung zu diesem Ball erhalten. Es war ein offenes Geheimnis, dass Fürst Fukuwara nach einem Nachfolger für sich und einen Ehemann für seine Tochter suchte. Nun, Izayoi mochte aussehen wie sie wollte, es gab vierzig Millionen guter Gründe ihr den Hof zu machen. Und immerhin, nach der abgeschlossenen Erziehung und der altmodischen Einstellung Onkel Jiros würde sie eine passable und gehorsame Ehefrau abgeben. Man musste sie ja nicht unbedingt oft zu Gesicht bekommen.

Er betrachtete noch einmal seine Garderobe. Doch, das sollte edel und vertrauenserweckend aussehen. Er musste sich bei seinem Verhalten heute Abend allein auf Onkel konzentrieren, den überzeugen und natürlich, wenn es ging, auch Izayoi. Leider wären auch Youkai anwesend, wenngleich wenige, aber die würden kaum mit ihm reden. Seine Chancen bei anderen Menschen standen da höher, da einige Geschäftspartner darunter wären, die in Anbetracht ihrer Verbindungen und des finanziellen Nutzens darüber hinwegsahen, dass er ein Bastard im wahrsten Sinne des Wortes war, nicht nur keiner Ehe entstammte sondern auch noch zwei Arten angehörte. Nun, er hatte rasch gelernt, dass man Ansehen durchaus kaufen konnte. Es gab nur wenige Halbmenschen, aber wer nicht reich war, führte ein recht ausgestoßenes Leben in der Gesellschaft, so, wie er sie verstand – der Ebene der Fukuwaras. Und der Fürstentitel stand ihm als Sohn des Ältesten auch zu – oder hätte ihm schon vor Jahren zugestanden, wenn seine Eltern verheiratet gewesen wären. Dummerweise musste er dafür beiden die Schuld geben. Vater, weil er töricht genug war ohne jede Vorsichtsmaßnahme mit einer Spinnendame ins Bett zu steigen, Mutter, weil sie ihre Fressgier nicht zügeln konnte ehe sie den Ehering trug. Nun gut, er konnte mit den jetzigen Folgen leben und hatte eben nur zu einem Umweg greifen müssen. Er besaß immer einen zweiten Plan.
 

Izayoi blickte zu ihrem Vater. Sie fuhren in das Hotel, in dem heute der große Ball stattfinden sollte. Sie trug als obersten Kimono einen stahlblauen, aufwendig mit Blumen und Phoenix-Vögeln bestickt. In ihrem dunklen Haar glitzerten dezent mühsam eingefügte kleine Perlen. Sie war mehr als aufgeregt, war es doch das erste Mal, dass sie einen Ball organisiert hatte und dann noch mit sich als Hauptperson. Und Eliza war nicht mehr da um sie zu beruhigen. Ihr Vater dagegen schien ihr fast ebenso angespannt wie sie. Zum gefühlt hundertsten Mal hatte er ihr den Ablauf erklärt, wo sie zunächst stehen sollte, dann, dass die Tänze strikt eingeteilt werden würden. Sie war ein wenig verwundert, dass es tatsächlich eine Liste geben sollte in der sich die Interessenten eintragen würden, hatte dann aber verstanden, dass so Ordnung herrschte und nicht zwei Männer gleichzeitig sie auffordern würden. „Gibt es jemanden, mit dem ich besser nicht tanzen sollte, verehrter Vater?“

„Nein. Die Männer, die ich eingeladen habe, sind alle...wichtig. Aber falls du die Youkai meinst, ich denke nicht, dass da jemand Walzer tanzt. Darum wählte ich das ja auch so. - Wenn wider Erwarten dich doch ein Youkai auffordert, wirst du eben zusehen, dass du diese Minuten lächelnd und mit gutem Benehmen hinter dich bringst.“

„Ja, verehrter Vater.“

„Den ersten Tanz tanzt du mit mir, den zweiten mit Onigumo, schon aus doch...gewissen familiären Rücksichten.“

„Ja.“

„Die Liste wird auf dem Tisch mit deinen Geschenken liegen, so dass jeder, der dort ein Geschenk niederlegt, sich eintragen kann. - Ich habe übrigens nur Männer eingeladen, die selbst oder deren Söhne unverheiratet sind oder die ich wirklich nicht umgehen konnte. Ratskollegen zum Beispiel.“

„Auch unverheiratete...Väter?“ Sie wusste nicht so ganz, was sie davon halten sollte.

„Es schadet durchaus nicht wenn der Ehemann ein wenig älter als die Ehefrau ist, mein Kind. Wenn jemand bereits verheiratet war, weiß er sogar eher, was eine junge Dame erfreut, als ein...unerfahrener junger Mann.“ Fürst Jiro beschloss, dass er aufpassen sollte, was er seiner unschuldigen Tochter sagte: „Keine Sorge. Ich werde dich an niemanden geben, der dir zuwider ist.“

„Danke.“ Was sollte sie schon anderes darauf antworten.
 

Zwei Stunden später staunte Izayoi über die Masse an Personen in dem ihr zuvor so groß scheinenden Saal. Vater und sie standen gegenüber des Einganges, durch den eine scheinbar endlose Prozession eingetreten war, wie erwünscht niemand im westlichen Stil. Hunderte Mal hatte sich ihr Vater genau abgemessen verbeugt, sie vorgestellt, sie sich dann ebenfalls entsprechend dem Rang des Besuchers verneigt, die Wünsche zu ihrem Geburtstag entgegengenommen. Hinter ihr befand sich eine weiß eingedeckter hoher Tisch, so dass die Gäste ihre Geschenke dort ablegen konnten ohne sich zu bücken, und, so gewünscht, ihren Name in die Tanzliste eintragen konnten, die sich schon gut gefüllt hatte. Sie würde kaum zum Sitzen kommen, dachte sie, aber das war nun einmal ihre Feier und sie musste Standhaftigkeit zeigen.

Jetzt schien niemand mehr zu kommen und Vater gab auch der Kapelle das Zeichen die Hintergrundmusik zu beginnen. Sie musste sich also wohl nicht mehr so konzentrieren den richtigen Namen mitzubekommen, der stets beim Eintritt des Gastes mit Titel und auch Stellung entsprechend der Visitenkarte ausgerufen wurde. Vater und Eliza hatten ihr erklärt, dies sei notwendig, damit jeder Gast wusste, wo der Andere auf der sozialen Leiter stand und daher im gesellschaftlichen Umgang, Sprache und auch Verneigung keinen Fehler beging – das würde auf den Gastgeber zurückfallen.

Sie suchte Onigumo in der sich unterhaltenden Menge. Er sah gar nicht wie ein Hanyou aus, dachte sie, eher wie ein menschlicher Mann Mitte Zwanzig. Ja, seine Haare waren länger als es unter Menschenmännern Mode war, aber doch deutlich kürzer als die der anwesenden Youkai. Auch im Gegensatz zu diesen hatte er weder spitze Ohren noch Fangzähne, die sie doch ein wenig schreckten. Eigentlich wirkte er ganz manierlich. Nun gut, er war immerhin ihr Cousin.

Zwölf Youkai hatte sie bislang gezählt, aber sie verschwanden in der Menge der Menschen. Hauptsächlich waren männliche Wesen hier, aber durchaus auch einige Frauen – in diesem Fall waren sie mit Ehemann und Sohn oder gar Söhnen gekommen. Wenige Mädchen ihres Alters...nun, Vater hatte wohl keine Konkurrenz aufkommen lassen wollen. Schade. Sie würde sich gern einmal darüber unterhalten wie andere so lebten. Aber Neugier ziemte sich natürlich für eine Prinzessin nicht.

Sie spürte förmlich trotz der mittlerweile leise spielenden Musik, dass ihr Vater sich anspannte und folgte seinem Blick zur Tür, wo ein Youkai erschienen war. Eindeutig ein Youkai, das zeigten die spitzen Ohren, die seltsamen Streifen auf den Wangenknochen, die Hände, deren Nägel viel zu lang für einen Menschen waren. Nein, das waren Klauen, wie auch die der Anderen seiner Art. Hätte er sein weißes Haar nicht zu einem Zopf hochgebunden, würde es ihm wohl bis in die Kniekehlen reichen. Aber das eindeutigste Zeichen für ein Höllenwesen waren die beiden weißen, felligen Teile, die aus seinen Schultern zu wachsen schienen und wie ein Umhang hinter ihm fast den Boden erreichten. Er trug keinen Kimono sondern Hakama und Haori, wenngleich aus weißer, edler Seide und das Oberteil blau bestickt, eine gelb-blau gefärbte Schärpe um die Hüften. In der Hand hielt er ein schmales, in rot und weiß gehaltenes Päckchen. Das musste eine sehr wichtige Person sein, beschloss Izayoi. Warum erfuhr sie sofort, denn der zuständige Hotelangestellte verkündete den Rang und Titel des Neuankömmlings: „Der Fürst der westlichen Länder, Mitglied im Rat der beiden Völker, der Inu no Taishou...“

Kein Name, dachte sie irritiert, sah aber rasch zu ihrem Vater, um sich Orientierung zu verschaffen wie sie nun vorgehen sollte.
 

Jiro Fukuwara war fassungslos. Seit sieben Jahren saß ihm dieser Mann im Rat gegenüber, jeden Monat für mehrere Stunden – und ja, er hatte gewusst, dass der den Titel des Herrn der Hunde trug, der offenbar Ranghöchste dieser Dämonen im Rat war, aber nie zuvor war der mit einem Fürstentitel angeredet worden. Und der menschliche Fürst gab gern zu, dass er sich manchmal über die Fellteile amüsiert hatte. Allerdings trug dieser Youkai bei Geschäften und im Rat stets einen dunkeln Anzug, da wirkten sie überaus...nun ja, eben unmenschlich. Jetzt, zu der weißen Seidenkleidung, als er langsam auf ihn zukam, eher wie eine Art Umhang, ein Hoheitssymbol. Und, verdammt, Fürst und Fürst war gleichgestellt, natürlich zumal als Ratsmitglieder. Er sollte aufpassen.
 

Izayoi warf eilig einen Blick in die Runde, da ihr Vater den fremden Fürsten offenbar überrascht anstarrte. Wie sollte sie sich verhalten, was dachten die Anderen von ihm? Menschen neigten höflich die Köpfe vor dem Regierungsmitglied – aber die Youkai im Raum verbeugten sich. Und das wirklich tief. Knieten sie gewöhnlich nieder? Sie erkannte aus den Augenwinkeln eine winzige Handbewegung des Fremden, ehe sich alle aufrichten trauten. Nein, wer auch immer das war: das war mit Sicherheit der mächtigste Youkai im Raum. Und, als sie ihn möglichst verstohlen erneut ansah, überlief sie ein Schauder. Kein Mensch, dachte sie in jäher Panik, ein vornehmes Raubtier kam da auf sie zu....

Ihr Vater neigte den Kopf und sie nahm sich zusammen. Es war nur ein Gast.
 

„Welch eine Ehre Sie begrüßen zu dürfen.“ Fürst Jiro hatte sich aus jahrzehntelang antrainierter Disziplin gefangen. „Ich heiße Sie herzlich willkommen, edler Fürst und Taishou. Darf ich Ihnen meine Tochter Izayoi vorstellen?“

Die Prinzessin verbeugte sich eilig tief, wie es einer so hochgestellten Persönlichkeit zukam. Ein Fürst der Youkai? Sie hatte nie davon gehört, aber das hieß ja auch nicht sonderlich viel.
 

Der Inu no Taishou hatte bereits auf dem dreißig Schritt langen Weg durch die Halle bemerkt, dass der gute Jiro Fukuwara bestürzt war. Nun ja, also hatte seine kleine Spitze den Fürstentitel mit nennen zu lassen voll ins Schwarze getroffen. Die anwesenden Youkai wussten es natürlich, wussten sogar mehr über ihn, aber für Menschen sollte das reichen.

Das demgemäß war die so angepriesene Prinzessin. Hübsch, nun ja, nicht abschreckend für Menschen, dachte er. Was ihm jedoch auffiel waren ihre langen, überaus dichten, schwarzen Haare. Entweder, sie verschwendete Unmengen an Geld und Zeit für deren Pflege – oder irgendwo in ihrem Stammbaum war ein un-menschliches Wesen, sei es Youkai oder Gott. Mit gewissem Amüsement dachte er daran wie der gute Jiro wohl darauf reagieren würde, der doch Menschen als die Krone der Schöpfung ansah.

Aber Youkai sollte geziemende Höflichkeit zeigen. Eine genau bemessene Verneigung gegenüber dem Menschenfürsten, eine weniger graduelle gegenüber der Prinzessin: „Ich danke für Ihre Einladung, werter Fürst Fukuwara, und gestatte mir Ihnen, Prinzessin Izayoi, zu ihrer Volljährigkeit zu gratulieren. - Ein kleines Geschenk aus diesem Anlass....“

„Vielen Dank, edler Fürst,“ erwiderte Izayoi wohlerzogen. Ehe sie den mahnenden Blick ihres Vaters bemerkte griff sie bereits hin und legte in diesem Fall das Päckchen eigenhändig auf die hinter ihr stehende Tafel. Das war eindeutig der Ranghöchste der Geladenen: „Falls Sie zu tanzen wünschen, edler Fürst....ich ...hier liegt die Liste....“ Sie erwartete wirklich nicht, dass er vor ihr erneut den Kopf neigte, ehe er hinüber trat und den Füllfederhalter aufnahm. Irritiert blickte sie zu ihrem Vater, aber dieser hatte ja schon seine Meinung gesagt: lächeln und durch. So ein Youkai, noch dazu ein Ratsmitglied und Fürst, würde doch kaum Walzer tanzen können oder eigentlich auch nur wollen. Nahm er etwa an, dass sei nur zu höflich, weil die Liste schon so voll war? Oder hatte sie ihn gerade indirekt dazu aufgefordert, ihn sozusagen dazu gezwungen? Oh du je, das wäre peinlich.
 

Der Inu no Taishou musterte die Liste, ehe er kurz entschlossen den dritten Namen durchstrich und sich eintrug. Gin musste eben weichen – und er stand als erster Youkai auf der Liste. Der Erbe der Katzenyoukai würde schon verstehen.

Was genau ihn dazu brachte, wusste er nicht so genau zu sagen. War es die Unsicherheit des jungen Mädchens, das doch heute eigentlich im Mittelpunkt eines strahlenden Festes stehen sollte? Ihr Geruch, der ihn an andere Zeiten und Orte erinnerte, friedliche Orte der Entspannung im Mondschein? Dass er nur Fürst Jiro ärgern wollte war auszuschließen. Das hatte er durch die Titelfolge bereits getan und er neigte nicht zu einem zweiten Schlag. Überdies würde dieser überrascht genug sein, dass ein Höllenwesen, wie der Youkai zu benennen liebte, Walzer tanzen konnte. Aber seit der Meijizeit hatte sich viel verändert und er hatte bereits als er seine Unternehmungen nach Amerika ausbreitete, später nach Europa, die dortigen Sitten kennengelernt - und auch die gesellschaftlichen Verpflichtungen dort. Eine ungarische Gräfin hatte ihm in Wien Walzer tanzen beigebracht, nun nicht nur das...

Er wandte sich um und ging durch die höflich zurückweichende Menge auf einen sichtlich alten Youkai zu, der sich eilig verneigte.

„Maseo, schön Sie unerwartet hier zu sehen.“

„Vielen Dank, oyakata-sama.“ Der alte Wolf wusste sich allerdings auch diesen Satz zu deuten und ergänzte: „Sesshoumaru-sama scheint heute ebenso in Ihrem Auftrag unterwegs zu sein wie mein Enkel Kouga....“ Nicht, dass der Herr noch annahm er würde seine Aufgabe vernachlässigen: „Und natürlich meine Wenigkeit.“

„In der Tat.“ Der Taishou warf einen raschen Blick herum, wartete jedoch bis die Musik einsetzte und der Gastgeber mit dem Geburtstagskind auf die Tanzfläche schritt um den Ball zu eröffnen, ehe er leise meinte: „Wer ist er?“

Der Sicherheitsexperte nickte leicht: „Vorderste Reihe, vor der Frau mit der Amaryllis im Haar, lange schwarze Haare, sieht aus wie ein Mensch, blauer, schwarz bestickter Kimono. Er sieht wie Mitte Zwanzig aus, ist aber bereits gut fünfzehn Jahre älter. Wohl das Youkaiblut.“

„Er wird gleich mit der Prinzessin tanzen.“

„Ja, das hat Jiro mutmaßlich arrangiert. Der Gute wird verzweifelt, wenn er einen Hanyou als Schwiegersohn und Erben in Betracht zieht.“

„Nicht ohne Grund.“

„Oyakata-sama?“

Doch der Inu no Taishou schwieg. Maseo sollte es ebenfalls gewittert haben – Krankheit lag um Jiro. Der Fürst Fukuwara hatte bereits zwei Herzinfarkte überstanden und der dritte schien sich zu nähern, was er wohl wusste. Darum also der Ball, das plötzliche Bemühen Werbung für Izayoi zu machen. Nun, sie würde sicher auch so einen Mann finden, sie sah recht hübsch aus, verfügte über Geld....Aber bei der Einstellung ihres Vaters hatte sie vermutlich vom Geschäftlichen nicht die mindeste Ahnung. Und das konnte nur schlecht für das Tourismusgeschäft der Fukuwaras sein, wenn nicht ein erfahrener oder zumindest ausgebildeter Mann die Sache übernahm. Anscheinend hatte Jiro geglaubt mehr Zeit zu haben – töricht für einen Menschen. Zumindest nach dem Unglückstod seines Sohnes hätte er Izayoi an ihr Erbe heranführen müssen.

Er wandte allerdings leicht den Kopf, als er Kyo, den Herrn der Kitsune, herantreten sah, der sich zwar höflich verneigte, aber doch etwas auf dem Herzen zu haben schien: „Kyo.“

„Oyakata-sama, ich vermute Sesshoumaru-sama hat Ihnen bereits von dem heutigen...Übungskampf mit Takeo berichtet?“

Ah, das erklärte, neben den offensichtlichen Gründen, warum der Sohn des Fuchsyoukai heute nicht anwesend war. Nach einem Duell mit seinem Sprössling benötigten die Meisten ein wenig Rekonvaleszenz, selbst belastbare Kontrahenten wie ein ranghoher Kitsune: „Nein. - Sesshoumaru ist auf dem Weg nach New York,“ erläuterte er jedoch: „Ich hoffe, Takeo wird sich bald erholen.“

„Danke, oyakata-sama.“ Entweder wusste der Fürst nichts von dem unhöflichen Verhalten Takeos, das dieser ihm wohl oder übel hatte gestehen müssen, oder dieser wollte nichts davon wissen. In jedem Fall war es dann besser darüber zu schweigen. „Es erinnerte mich nur an...alte Zeiten.“ Als sie beide sich mit dem Schwert in den Händen gegenüber gestanden hatten.

„Sie waren stets ein würdiger Widersacher, Kyo.“ Aha. Takeo schien wieder einmal ein wenig vorlaut gewesen zu sein und Sesshoumaru hatte die Sache in die eigenen Klauen genommen. Nun, sein Sohn war erwachsen und konnte das auch allein regeln. Als Vater musste man auch loslassen können, so schwer ihm das zugegeben auch manchmal fiel. Aber es war sein Erbe, und wenn ihm selbst etwas zustieß, würde Sesshoumaru Bescheid wissen, in der Politik und im Geschäft. Unerfahren, aber informiert.

„Danke, oyakata-sama.“ Kyo blickte zu Maseo: „Mir will scheinen alle unsere Erben sind heute anderweitig beschäftigt....“

„In der Tat. Nun, was sollte es auch.“ Der Wolfsyoukai blieb diplomatisch. Es gab Gründe für die Ratsmitglieder hier zu erscheinen – aber keine Notwendigkeit auch die mit eingeladenen Söhne oder Enkel mitzubringen, selbstverständlich mit einer guten Entschuldigung. Weder würde Jiro seine Tochter einem Youkai geben noch legten diese Wert darauf ihre alten Linien mit einem Hanyou zu beenden.

Der Inu no Taishou beobachtete wie Fürst Fukuwara seine Tochter zum Tanz quasi an Onigumo weiterreichte. „Oh, Kyo, wären Sie so freundlich und gehen zu Gin? Er wird den nächsten Tanz nicht mit der Prinzessin tanzen. Das übernehme ich.“

Der Wunsch eines Fürsten war ein verhüllter Befehl und so neigte der Kitsune nur rasch den Kopf ehe er den Sohn des Katzenyoukai-Ratsmitglieds in der Menge suchte, der heute anstelle seines Vaters erschienen war. Den anderen Youkai war klar warum. Gin war bereits verheiratet, sein Vater nicht mehr.

Tanz mit dem Teufel

Izayoi war ein wenig besorgt, obwohl ihr Gesicht nichts davon verriet. Sie hatte Walzer tanzen mit einem Tanzlehrer geübt und gemeinsam mit ihrem Vater die Schritte einstudiert, aber sie kannte Onigumo nicht, wusste nicht ob und wie der tanzen könne.

Allerdings merkte sie bald, dass auch er einstudiert den Schritten folgte. Offenbar hatte Vater ihm ebenfalls einen Tanzlehrer geschickt, damit sie sich nicht bloßstellten. Andere Paare schlossen sich nun dem Tanz an, nur Menschen, soweit sie bemerkte.

Den Kopf seitwärts gedreht, um nach der Regel an der Schulter ihres Partners vorbei zu blicken, meinte sie höflich: „Sie haben Walzer tanzen gelernt, lieber Cousin....“

„Ich wäre durchaus dafür, dass wir uns duzen, liebe Cousine. Ja, Onkel Jiro war so freundlich mir einen Tanzlehrer zu schicken. Und mir das Vergnügen des zweiten Tanzes zu gewähren.“ Ach du je, sie war wirklich sehr altmodisch erzogen. Nun, umso besser für ihn, denn da würde eine Ehefrau sicher keinen Widerspruch in irgendeiner Hinsicht wagen. Wusste Onkel Jiro eigentlich, dass das Mittelalter seit Jahrhunderten vorbei war? Nun gut, seit der Meijizeit? Immerhin sah Izayoi nicht gerade abschreckend aus, da würde er mit ihr schon auskommen. Jetzt musste er nur Onkel Jiro dazu bringen in ihm den einzig wahren Schwiegersohn zu sehen. Lächeln, Izayoi loben und schmeicheln, später dann im Gespräch mit Onkelchen den erfahrenen Geschäftsmann zeigen... „Du siehst bezaubernd aus in diesem stahlblauen Kimono. Eine Sonderanfertigung, gewiss.“

„Ja, für diesen Ball,“ gab sie zu, durchaus ein wenig unangenehm berührt, dass er auf dem Duzen bestand. Oder war das heutzutage überall üblich und sie wusste nichts davon? Immerhin war er ein Familienmitglied, wenn auch eines mit Spinnenblut. Sie schauderte, wenn sie daran dachte, obwohl nichts an seinem Äußeren etwas davon verriet.

Onigumo beschloss ein wenig weiterzugehen, ohne jedoch zu offensichtlich unhöflich zu werden. Mit der nächsten Drehung drückte er sie enger an sich – ober wollte es, denn die junge Dame wurde steif wie ein Stock. „Verzeihung,“ sagte er, sofort seine Taktik ändernd und den Druck nachlassend: „Ich hätte um ein Haar die Balance verloren. Walzer ist doch ungewöhnlich, wenn man es nicht geübt ist.“ Prüde auch noch. Nun, das würde sie rasch ablegen, er hatte da seine Erfahrungen.

„Ja, natürlich.“ Er hatte sie nicht belästigen wollen, dachte sie. Aber auch sie fühlte sich durch die Drehungen manchmal unsicher. Und, es war jedenfalls der erste, fremde, Mann mit dem sie hier einen Walzer tanzte, der so nahe bei ihr war. Einige andere würden noch folgen. Immerhin war die Liste ziemlich lang, gewiss an die vierzig Partner. Und davon mindestens ein Youkai....Die anderen um sie schienen alle diesen Tanz zu kennen, ja, tanzten viel enger als sie und ihr Cousin, aber das waren wohl auch Ehepaare. Nicht zum ersten Mal beschlich sie jedoch das Gefühl, dass bei ihrer Ausbildung einiges versäumt worden war - obwohl ihr Eliza manches erzählt hatte, das sie Vater gegenüber verschwiegen hatten, seien es nur Wörter oder auch etwas über das Leben draußen, jenseits der Autoscheiben und der Gartenmauern.

Onigumo lächelte: „Ich wäre jedenfalls entzückt, liebe Cousine, wenn wir uns später einmal unterhalten könnten, um uns besser kennenzulernen. Natürlich nur, wenn es die Pflichten einer Gastgeberin gestatten.“

Sie wusste, dass er ein Hanyou, eine Mischung aus Mensch und Spinnenhöllenwesen, war, aber ihr war auch klar, dass ihr Vater in ihm wohl einen Heiratskandidaten sah, zumindest, solange sich kein geeigneter Mensch fand: „Ja, später. Soweit ich sah ist meine Tanzliste sehr voll. Vielleicht beim Buffet um Mitternacht?“

„Das wäre mir nur zu Recht, teure Cousine.“ Damit war der erste Schritt getan. Jetzt musste er mit Onkel reden, dann mit ihr... „Und es ist kein Wunder, dass sich alle Männer darum reißen mit dir zu tanzen. Es ist nicht erstaunlich, dass Onkel Jiro dich solange der Öffentlichkeit vorenthalten hat. Du hättest sonst längst schon an jedem Finger Verehrer.“

Sie fühlte, dass sie rot wurde: „Danke. Aber...tanzen wir. Das ist kaum ein passendes Gespräch, nicht einmal für Cousin und Cousine.“

„Ich bitte um Entschuldigung.“ In der Tat. Altmodisch erzogen. Aber das hieß eben auch absoluter Gehorsam und sie war ganz sicher unberührt...Was man heutzutage nicht einmal von allen Youkai behaupten konnte, von Menschen ganz zu schweigen. Weiblichen, natürlich. Bei Männern jeder Art interessierte das niemanden – und das war für ihn ein gutes Geschäft. Er lächelte ihr zu, als die Musik leiser wurde: „Vielen Dank für den Tanz, jedenfalls, Izayoi.“

Sie gab das Lächeln zurück. Hanyou oder nicht, er benahm sich wie ein Mensch. Und er gehörte irgendwie wirklich ja zur Familie.
 

Für einige Minuten schwieg die Musik und Angestellte eilten herum, boten Getränke an. Izayoi nutzte die Gelegenheit sich nicht nur ein Glas Wasser zu nehmen sondern auf ihrem Plan nachzusehen, wer ihre nächsten Partner waren – ab jetzt würden es ja wohl immer drei Tänze am Stück sein, wenn sie keine sehr gute Ausrede fand. Der Erste stach ihr förmlich ins Auge. Nicht nur war der eigentliche Anwärter durchgestrichen, sondern es befand sich nur ein Kürzel darauf: Taishou. Der Youkaifürst, also – und er hatte, dem Namen nach zumindest, einen anderen Youkai einfach gestrichen. Nun, er konnte sich das offenbar leisten.

Aber, was sollte sie jetzt machen? Ablehnen stand außer Frage, da war die Anweisung ihres Vaters: lächeln und durch. Es würde ja keine fünf Minuten dauern, in denen sie so nahe an einem dieser gefährlichen Wesen sein musste. Und immerhin, das war auch ein Ratsmitglied, der saß mit Vater jeden Monat in der Runde, genauer, vier davon, und dieser hatte das bislang auch ertragen können.

Wenn sie den förmlichen Berg an Geschenken betrachtete, die noch wohl verpackt mit den Geberkärtchen daran vor ihr lagen, würde sie morgen und übermorgen mit Auspacken und höflichen Danksagungskarten genug zu tun bekommen. Es war offenbar einiges an Schmuck dabei, aber auch Päckchen, bei denen sie aus der Form nicht zu erraten vermochte, was sich darin verbarg. Sie wandte sich jedoch um. Es war ihr Ball und sie sollte in den Tanzpausen auch mit Gästen sprechen wie es ihr Vater dort drüben bereits tat. Hoffentlich hatte sie sich doch so einige Namen gemerkt...

Sie entdeckte einen Youkai in ihrer Nähe, der so alt wie sie zu sein schien, obwohl das natürlich nicht stimmte. Wenn sie sich recht entsann war er recht früh gekommen und hatte sich eingetragen – dann musste das dieser Gin sein, den der Fürst ersetzt hatte. Vielleicht wäre es dann höflich mit dem zu reden? Aber es war eben auch ein Youkai, das verriet das hüftlange Haar, die spitzen Ohren darunter und die Fangzähne, die gerade beim Gespräch mit einem menschlichen Ehepaar kurz aufblitzten. Gleich, sie sollte sich dazu stellen und sie alle drei nochmals persönlich begrüßen, dann konnte sie sie wohl auch abhaken.

„Guten Abend, ich freue mich, dass Sie gekommen sind.“ Das war sicher ein harmloser Einstieg.

„Oh, wir haben für die Einladung zu danken, Ihnen und Fürst Fukuwara,“ erwiderte der Menschenmann höflich.

Izayoi meinte sich zu entsinnen, dass er der Besitzer einer Handelskette war. Was hatte er dann mit einem Youkai zu besprechen? Aber natürlich, diese Wesen besaßen oft große Firmen, die sie über viele Jahrzehnte, ja, Jahrhunderte aufgebaut hatten.

„Aus unserem folgenden Tanz wird leider nichts,“ sagte der Katzenyoukai neben ihr: „Aber vielleicht erinnern Sie sich freundlicherweise meiner am Ende des Balles, so dass ich doch noch in den Genuss komme...“

Höflich und korrekt. Sollte sie oder durfte sie nicht.... „Ich sah es ein wenig erstaunt, ja.“

Gin zuckte die Schultern: „Ein altes Sprichwort meint man sollte sich wie Gras neigen, wenn ein Fürst etwas wünscht. Ich vermute bei Ihrem Vater ist das ähnlich.“

„Ja.“ Sie kannte auch den zweiten Teil des Sprichworts, den er wohl nicht erwähnt hatte um sie nicht zu erschrecken: es sei denn, du willst wie zu hohes Gras gemäht werden. Dieser Fürst musste wirklich unter den Youkai viel zu sagen haben. Da gab es wohl ebenso wenig Fürsten wie unter Menschen. „Danke. Sie heißen Gin, nicht war?“

„Schmeichelhaft, dass Sie sich erinnern. Ja, Gin, der Sohn von Gozo. Meinem verehrten Vater gehört die Fluglinie NEKO.“

Immerhin war ihr jetzt auch der Name der Menschen eingefallen: „Herr und Frau Ito, Gin, ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.“ Sie verneigte sich ein wenig und ging weiter. Die Musiker nahmen wieder Platz, so dass wohl der nächste Tanz bald beginnen würde und sie sollte noch mit möglichst allen Anwesenden reden.

Herr Ito sah zu Gin: „Sie wird bestimmt einmal eine reizende Fürstin werden. - Warum will der edle Taishou mit ihr tanzen?“

Der junge Katzenyoukai zuckte die Schultern: „Ein Plan, eine Anwandlung? Ich werde nicht fragen.“ Oder einfach auch nur eine Demonstration dessen, dass der Taishou der Ranghöchste war und daher als erster mit der Gastgeberin tanzen sollte, eine Tatsache, die er selbst schlicht nicht bedacht hatte. Hoffentlich erfuhr sein Vater nichts davon, sonst könnte er die folgenden Wochen auf irgendeinem abgelegenen Flughafen am Ende der Welt verbringen statt in seinem schönen, klimatisierten, Büro.
 

„Der nächste Tanz gehört mir, Prinzessin.“

Izayoi starrte unwillkürlich auf die Hand, die ihr gereicht wurde – mit Krallen, keine Hand, nein, eine Klaue, und sie sah sich unfähig ihre Finger darauf zu legen.

„Takt,“ mahnte der Youkaifürst prompt leise an.

Sie riss sich aus ihrer Erstarrung. Ja, es wäre schrecklich unhöflich wenn sie ihn - und damit ihren Vater als Gastgeber - vor den Menschen und Youkai bloßstellen würde. Mit einem gewissen Zögern legte sie ihre Hand auf die angebotene, deren Finger sich sofort darum schlossen. Sie waren fest, aber er schien darauf zu achten, dass seine Krallen sie nicht berührten. Ein wenig erleichtert ließ sie sich zur Tanzfläche führen, verneigte sich etwas, wie sie es geübt hatte, ehe sie sich vor ihn in Position drehte – und erneut zögerte. Da waren diese seltsamen Fellteile an seinen Schultern, die über seinen Rücken hinabfielen. Und er war fast einen Kopf größer als sie. Aber nach der Mahnung zuvor wollte sie sich nicht erneut lächerlich machen und legte ihre linke Hand an seinen Oberarm, fühlte warme Härte unter der kühlen weißen Seide. Auf seine Schulter mit dem außergewöhnlichen Fell zu fassen...ja, das wäre ordnungsgemäß, aber...

Während der Taishou seine Linke auf ihren Rücken legte, dabei das Gefühl ihres dichten, langen Haares angenehm kribbelnd auf der Außenhand spürte, meinte er sehr leise und sachlich: „Sie können Ihre Hand auf mein Schulterfell legen. Ich habe keine Flöhe dabei.“

Sie wurde glühend rot und gehorchte dem deutlichen Hinweis: „Verzeihung,“ murmelte sie: „Das meinte ich nicht...ich...ich vermutete, das sei eine Art Youkai-Rangabzeichen und wusste nicht...“ Ob er es als Beleidigung empfinden würde, berühre ein Mensch das. So würde er das hoffentlich interpretieren.

„Ja, es ist ein Rangzeichen.“ Er begann sich zu drehen: „Und Sie wissen offenbar vieles nicht...“ Er neigte sich etwas, um nahe an ihrem Ohr zu sein: „Lassen Sie sich führen, Prinzessin...Eins...zwei...drei...so tanzt man Walzer...eins, zwei, drei....“ In dieser Nähe duftete ihr Haar wirklich mehr als angenehm.

Er wusste, wie man diesen fremden Tanz tanzte...Ein wenig perplex ließ sie sich drehen, schieben. Das musste das sein, was auch der Lehrer mit „führen“ gemeint hatte. Vater und ebenso Onigumo hatten den Tanz durch einen Tanzlehrer vor kurzem gelernt – und dieser Fürst der Hölle wusste, wie das ging? Er hielt sie fest, aber nicht unverschämt, beachtete die Distanz zwischen ihnen, aber er lenkte sie dezent und sie fand eine gewisse Sicherheit, so sehr, dass sie, noch immer ihren Kopf höflich nach links gewendet, meinte: „Danke.“

Ihre Hand auf seinem Schulterfell zitterte etwas, hielt sich bei raschen Drehungen daran fest. Ob sie das auch noch tun würde, gestände er, dass es sich um ein Teil seines Körpers handelte und keine Dekoration war, dachte er ein wenig amüsiert. Es fühlte sich jedenfalls nett an, ja, anregend: „Wer ist eigentlich der junge Mann dort, der mich so strafend ansieht?“

„Wo?“ erkundigte sie sich irritiert. Onigumo hätte doch keinerlei Anlass...

Er nahm sie in die nächste Drehung, so dass sie hinüber blicken konnte: „An der Wand dort unter dem Wasserfallbild.“

„Oh, Takemaru,. mein Leibwächter.“

„Also die Berufsmiene.“

Er machte einen Scherz? Fast ungläubig blickte sie doch einmal empor in das Gesicht des Youkaifürsten. Er sah eigentlich aus wie Mitte Dreißig, aber das konnte doch kaum stimmen, wenn er schon einen erwachsenen Sohn hatte. Und Vater hatte gesagt bei Youkai trüge der Schein. Die langen Haare und die spitzen Ohren verrieten die Art ihres Tanzpartners ebenso deutlich wie die seltsamen Streifen auf seinen Wangenknochen, die kein Mensch je so tragen würde. Seine Augen waren von einer seltsamen Farbe – Bernstein oder Gold? Tief in ihnen leuchtete jedoch etwas Anderes, das ebenso anzeigte, dass er kein Wesen ihrer Art war. Hastig blickte sie beiseite. Es war überaus unhöflich einen Fürsten so anzustarren.

Immerhin hatte sie ihn einmal richtig angesehen, dachte der Taishou. Fast schwarze Augen, in deren Tiefe Wärme schimmerte, ein Geruch, der angenehm, ja entspannend war....Nun, er hätte nichts dagegen gehabt würde der Tanz länger dauern. Bedauerlicherweise hatte der gute Jiro seine Tochter offenbar in seinem Misstrauen gegen Youkai erzogen. Und ihre Haare waren für einen Menschen schlicht unglaublich. Zumindest konnte er sich nicht entsinnen schon einmal in seinem langen Leben derartiges gesehen zu haben, geschweige denn gespürt.
 

Die Musik endete und er gab sie unverzüglich frei: „Ich danke für den Tanz.“

Sie verbeugte sich höflich, wie es einem Fürsten zustand. Aber als sie sich aufrichtete, warf sie noch einmal ein Blick in das Gesicht des Youkai – und sie wusste selbst nicht, warum sie ihn offen anlächelte. Weil sie es zuvor mit Onigumo auch getan hatte? Weil er ihr sehr freundlich unauffällig geholfen hatte? Weil er...nett war? Oder war er wirklich nur ein Höllenwesen, das sie ins Unglück locken wollte? Dann war es sicher ein Fehler gewesen ihn anzulächeln.
 

Der Taishou neigte den Kopf ehe er sich abwandte. Dieses Lächeln...Nun, die Prinzessin war unleugbar hübsch, aber das, was sie tat, war schön. Ihre Bewegungen, ihr Lächeln....Als er ein wenig abseits ging und sich an das Hotelfenster stellte, war ihm bewusst, dass er dieses Lächeln noch einmal sehen wollte: „Myouga.“ Ein Hauch nur. Sofort spürte er ein leichtes Gewicht auf seinem Schulterfell, an seinem Ohr.

„Ich sollte beleidigt sein,“ gab der Winzling zu Protokoll: „Oyakata-sama!“

„Ich sprach von Flöhen, nicht von Flohgeistern.“

Hm. Aber die erste Überlebensregel für Flohgeister war: diskutiere nie mit einem Inuyoukai. „Ihr Befehl?“

„Überwache Izayoi. Vier Tage komplett, dann erstatte Bericht.“

„Schwerpunkte?“

„Komplett.“

„Ja, oyakata-sama.“ Das sah nach einer Menge Arbeit aus, zumal der Herr sicher eine unauffällige Beobachtung wünschte, da er sich sonst den Unmut von Jiro Fukuwara einhandeln würde und damit eine mehr als unnütze Diskussion im Rat der beiden Völker.

„Geh.“ Onigumo wurde ausgespäht, Izayoi stand unter Beobachtung. Damit sollte er zumindest auf dem Laufenden bleiben, was bei den Fukuwaras geschah. Denn eines musste er zugeben: er wollte seit wenigen Minuten nicht unbedingt, dass dieses Lächeln einem Unwürdigen geschenkt wurde. Und das hatte, wie er selbst überrascht erkannte, wenig mit dem Millionenvermögen oder den Grundstücken der menschlichen Fürstenfamilie zu tun - eher mit einem unbestimmten Beschützergefühl.
 

Fürst Fukuwara hatte bemerkt, dass sich sein Ratskollege an ein Fenster zurückzog, kaum dass der den Tanz mit Izayoi beendet hatte. Hatte seine Tochter den irgendwie beleidigt? Es war ein Youkai, ja, und er hatte ihr Misstrauen dagegen gepredigt, aber sie hätte doch keinen so hochwohlgeborenen Gast in irgendeiner Form ...

Nun ja. Der Inu no Taishou war Ratsmitglied, vermutlich einer der reichsten Männer der Erde, und war ein Youkaifürst – wobei Fürst Jiro zugab, dass er bis heute nicht einmal gewusst hatte, dass Fürsten unter dieser Art existierten. Zu wenig interessierte er sich für Geschöpfe, die aus der Hölle stammten und sicher dorthin wieder zurückkehren würden, auch, wenn er durchaus zugab, dass sich seine Ratskollegen zivil benahmen. Jedenfalls war das ein zu mächtiger Mann als dass er ihn wegen eines Fauxpas seiner Tochter erzürnt lassen konnte.

So trat er näher: „Ich hoffe, Ihnen gefällt der Abend bislang?“

Der Inu no Taishou wandte sich ihm zu. „Danke der Nachfrage, Fürst Jiro. Sie besitzen eine reizende Tochter. Ich vermute sie wird bald einen Ehemann finden.“

Ah, dann hatte Izayoi keinen Fehler begangen: „Danke für das Lob. - Sie kennen vermutlich meinen Neffen Onigumo?“

„Bislang nicht. Ich hörte nur, dass er ein Hanyou ist.“

Fürst Jiro stutzte ein wenig. Er hatte angenommen, dass sich die Youkai um den kümmern würden, da es Menschen nicht taten. Tat es etwa niemand? Umso positiver war Onigumo zu bewerten, dass er das Erbe seines Vaters nicht verschwendet sondern vermehrt hatte. „Darf ich Sie ihm vorstellen?“

„Sie planen ihn als Nachfolger.“

Das war eine reine Feststellung und der menschliche Fürst zuckte ein wenig die Schultern: „Es würde in der Familie bleiben, das verstehen Sie.“

„Trotz Ihrer...bekannten Bedenken.“

„Das Erbe und die Familie haben Vorrang, werter Taishou. Ich nahm an, dass Sie das verstehen.“

„Natürlich, Fürst Jiro.“

„Dann darf ich Sie bitten...“ Fürst Fukuwara begleitete seinen ranghöchsten Gast zu dem Bastard seines Bruders, der sich zu seiner Zufriedenheit hastig tief verneigte, als er bemerkte, wer sich näherte: „Ich darf Ihnen, edler Fürst, Onigumo vorstellen?“

Der Hanyou verneigte sich noch einmal tief. Das war das erste Mal, dass ein hochrangiger Youkai überhaupt von seiner Existenz Notiz nahm – das mochte für die Zukunft hilfreich sein. Bislang hatte ihn jeder dieser Art mehr ignoriert als selbst die Menschen, außer, aber das galt für beide Arten, wenn es unumgänglich war. Und nach allem, was er hörte, war der Inu no Taishou nicht nur im Rat der beiden Arten sondern einer der wichtigsten Youkai in ganz Japan. Er unterdrückte gerade noch eine höfliche Begrüßung. Youkai lebten ebenso wie Onkel Jiro praktisch im Mittelalter und da sprach man einen Fürsten nicht ungefragt an.

„Angenehm,“ erwiderte der Youkaifürst höflich: „Ich hörte, Sie seien ein erfolgreicher Geschäftsmann.“

Ein Kompliment, höflich und nichtssagend, dachte Onigumo, aber nun ja, der kannte ihn nicht, hatte wohl auch keine Ahnung über seine Geschäfte – zumal ihn Onkelchen da sicher nicht vollständig aufklären konnte. „Danke, edler Fürst. Natürlich ein Nichts im Vergleich zu Ihnen.“

Während des folgenden, üblichen, kurzen, höflichen Wortwechsels, betrachtete der Inu no Taishou den Hanyou. Er schien wie ein Mensch. Wo war das Erbe seiner Spinnenmutter abgeblieben? Keine spitzen Ohren, nichts. War das stets bei Hanyou so oder vermochte es Onigumo das in der Öffentlichkeit – beziehungsweise der Anwesenheit von Menschen - zu unterdrücken? Interessante Frage, auf die Maseo und seine Leute hoffentlich eine Antwort finden würden. Soweit er sich entsann fraßen zwar nur weibliche Spinnen ihren Partner nach dem Akt, aber er konnte nur um Izayois Willen hoffen, dass Onigumo sein Erbe diesbezüglich unter Kontrolle hatte.

Onigumo, der davon nichts ahnte, war mit dem Wortwechsel zufrieden. Youkai und Menschen im Saal, die die wichtigsten Wirtschaftslenker Japans waren, hatten gesehen,dass sich der Fürst mit ihm unterhielt. Nicht länger als üblich, aber doch. Und das mochte ein Türöffner für zukünftige Geschäfte sein, aber auch bei Onkel Jiro ihm Punkte zu seinen Gunsten als Erbe sichern.

Nachforschungen

Am folgenden Nachmittag saß Izayoi im sogenannten kleinen Empfangsraum ihres Vaters und schrieb. Noch in der Nacht hatten die Männer des Fürsten ihre Geburtstagsgeschenke hier aufgestapelt. Jetzt half ihr eine Dienerin dabei diese auszupacken, das Namensschild des Gebers daran mit der Gästeliste zu vergleichen und deren Namen dort auszustreichen, wenn die Danksagung geschrieben war.

Viel Schmuck war dabei, aber auch einige Gutscheine, von denen sie annahm, dass sie sie nie benutzen konnte. Wann würde sie schon einmal mit der NEKO-Airlines fliegen? Falls sie in Urlaub flogen nahm Vater stets seinen Privatjet. Aber immerhin konnte sie mit diesem Gutschein das Gesicht Gins verbinden, obwohl es wohl eher von dessen Vater stammte. Der Katzenyoukai hatte tatsächlich noch als letzter mit ihr getanzt und ihr dabei einige höfliche Komplimente gemacht. Da er sie dabei mit seiner Ehefrau verglichen hatte, hatte sie daraus erleichtert geschlossen, dass er kein Bewerber um ihre Hand war. Onigumo war anschließend im Gespräch doch ein wenig deutlicher geworden, zumal er lange mit ihrem Vater gesprochen hatte.

Nun ja. Er sah nicht nach Höllenwesen aus und gehörte ja doch irgendwie zur Familie, dachte Izayoi, die geradezu bewunderungswürdig dressiert worden war. Vaters Wünsche hatten Vorrang und da sie ja stets gewusst hatte, dass sie sich in ihren Ehemann verlieben würde, nach der Heirat, erschien ihr das auch nicht als sonderlich arg.

Ihr Cousin hatte ihr ein Halsband aus Gold mit Granaten und Brillanten geschenkt, wenigstens so dezent wie sie es mochte. Geschmack schien er zu besitzen.

„Oh, Izayoi-sama, noch ein Kimono...“ sagte die Dienerin und breitete den roten Seidenstoff aus: „Bestickt...Aber das ist allerfeinste Seide..“

„Und eine sicher mühselige Arbeit...“ Izayoi betrachtete das Bild eines großen weißen Hundes auf dem Rückenteil, der scheinbar über eine Mondsichel sprang. „Gib mal her...oh ja, so könnte ich nie sticken.“

„Das ist auch Youkai-Arbeit.“ Die Dienerin nahm die Karte: „Das ist vom Fürsten der westlichen Länder.“

„Dann gib mir eine Danksagungskarte. Ich werde wohl einige persönliche Zeilen dazu schreiben müssen. So winzige und genaue Stiche...“ Nun ja, Geld dürfte der Youkaifürst schließlich haben. „Und wirklich ein Lob für die Stickerin aussprechen...Sieh nur, wie genau.... - Oh, verehrter Vater.“

Denn Fürst Jiro hatte soeben das Zimmer mit einigen Männern betreten – und erstarrte kurz, ehe er sich umwandte:

„Das ist alles der Schmuck, bringt ihn in die Bank, in den Safe. - Izayoi...was...oder von wem ist das?“

„Dem Youkaifürsten,“ erwiderte sie irritiert, oder eher betroffen. Da lag etwas in der Stimme ihres Vaters das Zorn verriet. Sie wartete jedoch, bis die Männer den Schmuck eingesammelt hatten, die Geste des Clanoberhaupts der Fukuwara die Dienerin hinaus gescheucht hatte, ehe sie schüchtern fragte: „Gefällt Ihnen der Kimono nicht?“

„Das fragst du noch? Ah, du weißt es nicht. - Dieser weiße Hund ist das Familienwappen, aber auch das Firmenlogo des Taishou, des Fürsten. Einen Kimono damit schenkt man an...ja, an Untergebene. Das ist eine Unverschämtheit und ich werde ihn übermorgen bei der Ratssitzung darauf ansprechen, ja, ihm dieses...Geschenk wiedergeben.“

„Es ist eine wunderschöne Arbeit, verehrter Vater, und hat die Stickerin bestimmt viel Mühe gekostet. Sind Sie sicher, dass ein solches Geschenk auch bei Youkai so etwas bedeutet? Ich bekam ja auch von anderen Gästen einen Kimono.“

„Aber nicht mit dem Firmenlogo, nicht wahr? - Gefällt er dir so sehr?“ Er klang milder, da er Tränen in den Augen seiner Tochter bemerkte.

„Ich bewundere die Stickarbeit. Es müssen viele Stunden gewesen sein. Sehen Sie nur wie winzig die Stiche sind,“ Und, aber das hätte sie in Anbetracht der Stimmung ihres Vaters nie zugegeben, sie fand den weißen Hund einfach niedlich wie er den Kopf zurückwandte, als er über die Mondsichel sprang. Es war fast, als sähe er sie an, so genau war das Bild gestickt.

Fürst Jiro zögerte, ehe er sagte: „Nun, ich werde ihn jedenfalls darauf ansprechen. Mag sein, dass das unter Youkai anders läuft, aber dann sollte er doch wissen, was unter Menschen gebräuchlich ist. - Wenn dir dieser Kimono so gefällt, behalte ihn. Aber trage ihn nicht außerhalb deiner Zimmer.“ Sicher war das unwürdig, aber Izayoi hatte wirklich traurig geklungen und er mochte seine Tochter zu gern um ihr ein Geburtstagsgeschenk zu verderben, zumal sie sicher am wenigsten für die Unpassendheit konnte.

„Danke.“ Damit war sie ja schon zufrieden. Eigentlich wollte sie ihn gar nicht tragen, da sie das Bild auf dem Rücken dann nicht sehen konnte, aber sie würde ihn einfach in ihrem Bad aufhängen, da könnte sie es in Ruhe betrachten.
 

Der Inu no Taishou warf einen Blick auf sein Handy, als er in die Ratssitzung im kaiserlichen Palastbezirk gefahren wurde. Dieser Tag war, wie üblich, voll mit Terminen. Immerhin hatte sich gleich im Anschluss an die Sitzung Myouga angemeldet, sicher, um ihm Bericht über Izayoi zu geben. Auch Maseo wollte vorsprechen, das wäre dann die Sache mit Onigumo. Der Rest Videokonferenzen mit allerlei Mitarbeitern rund um den Globus. Irgendwann sollte er mal einige Tage ausspannen, am besten irgendwo, wo es keine Menschen gab und er sich in seiner wahren Gestalt einmal richtig auslaufen konnte.

Er war kaum ausgestiegen als jemand sagte: „Ah, gut, dass ich Sie hier noch allein antreffe.“

„Fürst Fukuwara, guten Morgen. Kommen Sie nur. Was ist so wichtig?“

Fürst Jiro hielt sich neben dem Youkai. Nachdem sein erster Zorn verflogen war, hatte er bedacht, dass Izayois Einwand stimmen mochte, und darum begann er: „Ich sah, dass Sie meiner Tochter einen Kimono schenkten.“

„Fand er nicht die Zustimmung der Prinzessin?“

„Izayoi bewunderte die Stickerei. - Mich störte das Motiv.“

Der Inu no Taishou war ein wenig amüsiert. Ob der gute Jiro wusste, dass er in seiner anderen Gestalt eben ein ziemlich großer, weißer Hund war? Eher nicht. Oder der verdrängte es. „Was haben Sie gegen mein Wappen einzuwenden?“

„Nichts, natürlich. Nur....man schenkt solche Kimono eigentlich Untergebenen als Dank für gut geleistete oder langjährige Dienste.“

„Und jetzt wollten Sie mein Ungeschick tadeln?“

Sie waren gleichrangig, ermahnte sich Fürst Fukuwara: „Nein, ich wollte Sie darauf aufmerksam machen. wahrscheinlich ist das bei Youkai anders.“

„In der Tat. Das ist ein Ehrengeschenk. Ich vermute außer Ihrer reizenden Tochter besitzen und besaßen keine zehn Menschen einen solchen Kimono.“ Manchmal war Jiro ja amüsant in seinem Unwissen und seinen Vorurteilen, aber an einem solchen Tag voll mit Terminen war der anstrengend. Vermutlich hatte er selbst darum etwas schärfer geklungen als er wollte.

Fürst Jiro verneigte sich eilig: „Ich wollte Sie nicht beleidigen, werter Fürst und Taishou.“

Nein, er hatte es nur gerade wieder einmal getan. Man musste Fukuwara mit Humor nehmen. Noch vor zwei Jahrhunderten und schon gar bei Sesshoumaru wäre die Lebenserwartung des menschlichen Fürsten recht kurz gewesen.
 

Als der Inu no Taishou später am Tag den Lift betrat um hinauf in sein Büro zu fahren, bemerkte er die Bewegung an seinem Schulterfell, ein kleines Gewicht, noch ehe er im Spiegel den Flohgeist erblickte: „Du bist pünktlich, Myouga.“

„Ich hoffe, oyakata-sama.“

„Warte mit deinem Bericht bis oben. Ich habe gerade eine recht langweilige Sitzung des Rates der beiden Völker hinter mir. Nicht einmal Jiro fiel aus der Rolle – nun ja, gleich zu Beginn...“

Das verlangte nach keiner Antwort und der kleine Geist kannte Inuyoukai zu gut als dass er seinen Gebieter verärgern wollte. Plattgedrückt zu werden war noch das Harmloseste – gerade Sesshoumaru konnte da ziemlich eindrücklich im wahrsten Sinne des Wortes werden. So blieb er wortlos auf dem Schulterfell sitzen, als der Youkaifürst aus dem Lift ging, vorbei an zwei schweigenden Wächtern, ehe er in sein Vorzimmer kam.

„Die vier nächsten Termine, Saya?“

Ein weißer, fast durchscheinender alter Geist sah rasch auf: „Maseo in zwei Stunden mit dem gewünschten Bericht, in drei Stunden eine Videokonferenz mit Moskau und Warschau wegen der Ostseeschifffahrt. Besprechung mit der Nationalbank in vier Stunden, Privataudienz für Herrn Fuji-Gong aus Australien in viereinhalb Stunden. - Und, ehe ich es vergesse, oyakata-sama: Toutousai rief an. Sie möchten doch mal wieder bei ihm vorbeisehen.“

Ja, wenn er mal frei hatte und in eine vulkanische Gegend wollte. Was wollte denn der alte Schmied von ihm? Hatte er etwa eine Idee für seinen Auftrag? Ein Schwert, das den Tod besiegen konnte? Einen Gegenpart für das seine? Nach mehr als hundert Jahren? Aber er nickte nur: „Sage Sesshoumaru, er soll an der Videokonferenz und der Nationalbankbesprechung teilnehmen, und schicke ihm die Kurzinformationen zu. Sofern er keine anderen Termine hat.“ Nun, wenn er seinen Sohn richtig kannte würde der kommen. Dieser wusste, dass es eines Tages essentiell für den Konzern und nicht zuletzt für ihn sein konnte Bescheid zu wissen. Dumm war er nicht, nur unerfahren und manchmal arrogant. Aber, wer war das in diesem Alter nicht gewesen.
 

In seinem Arbeitszimmer setzte sich der Konzernchef auf seinen Bürosessel, während der kleine Flohgeist auf den Schreibtisch sprang.

„Nun, was hast du über Izayoi Fukuwara?“

„Sie verlässt das Haus so gut wie nicht, außer, wenn sie persönliche Dinge einkauft oder einmal spazieren geht. Sie war auch nie an einer öffentlichen Schule. Fürst Jiro hält sie sehr abgeschlossen. Und wenn sie ausgeht ist immer ein Chauffeur und Leibwächter bei ihr, ein gewisser Takemaru Setsuna. Die Prinzessin führt allerdings den Haushalt, die Dienerschaft wendet sich an sie mit Fragen. Sie wurde offenkundig dazu erzogen eine...nun ja, eine Fürstin zu sein, wenn ich das so sagen darf.“

„Unerfahren im Geschäftlichen, folglich.“

„Ja, oyakata-sama. Und, mit Verlaub, ich fürchte sogar in alltäglichen Dingen. In den vier Tagen telefonierte sie nie - entweder sie kann das nicht oder sie hat niemanden mit dem sie reden kann.“

Der Taishou schloss für einen Moment die Augen: „Außer ihrem Leibwächter.“

„Äh, ja, oyakata-sama.“

War Jiro so töricht und nahm der nicht an, dass ein Leibwächter sich an seine Tochter heranwagen würde? Oder anders – nahm Jiro an, dass die Heirat sehr bald erfolgen würde und sich so kein engeres Verhältnis ausbilden konnte? „Nur aus Interesse – hat sie den Kimono behalten?“

„Äh, den roten mit dem weißen Hund? Ja, der hängt in ihrem Badezimmer.“

Schön, dachte der Youkaifürst irritiert. Das war ein Kimono, aber kein Bademantel – und die Seide war eindeutig zu teuer als dass man sie so nutzen sollte. Andererseits würde das bedeuten, dass sie sein Geschenk direkt auf der Haut trug...hm. „Keine weiblichen Freundinnen, auch nicht in der Dienerschaft?“

„Nein. Ihre bisherige Erzieherin wurde zur Volljährigkeit der Prinzessin entlassen und lebt nun in ihrem Heimatland.“

„Eine gehorsame Tochter und Ehefrau, also...“

„Oyakata-sama, ich denke nicht, dass Sesshoumaru-sama...“ Myouga brach lieber ab, da sein Herr eine Hand etwas gehoben hatte.

„Natürlich nicht. Hältst du mich für einen Narren?“

„Natürlich nicht,“ beteuerte der Flohgeist hastig, während er überlegte, wie er möglichst unauffällig die Schweißperle von seiner Stirn bekommen konnte. Was war er auch manchmal zu schnell mit dem Reden.

„Geh und hilf Saya.“

Mxouga gehorchte, während sich der Inuyoukai bereits im Sessel umdrehte und aus dem Fenster blickte.
 

Pünktlich zur vereinbarten Zeit ließ sich Maseo mit einer Aktentasche unter dem Arm melden. Da sie sich beide heute morgen bereits bei der Ratssitzung getroffen hatten, verneigte er sich nur kurz, sparte sich jedoch die Begrüßung.

„Nehmen Sie Platz.“ Der Youkaifürst erhob sich aus seinem westlichen Bürosessel und deutete auf eine Ecke, in der Tatamimatten und Kissen vorbereitet lagen.

„Danke, oyakata-sama.“

Als die Beiden saßen nickte der Konzernchef zu der Aktentasche: „Ausführlich?“

„So gut es ging. - Möchten Sie eine Zusammenfassung?“

„Ja. Lesen werde ich später.“

„Onigumo. Wie Sie bereits wissen starb sein Vater während seiner...äh Zeugung. Spinnendamen haben eben einen gewissen Appetit. Seine Mutter hat sich in die Wildnis zurückgezogen oder ist bereits tot, wir konnten eine Spinnenyoukai mit diesem Namen nirgendwo finden. Er erhielt jedoch als Sohn des Fürsten Fukuwara eine gewisse Abfindung. Er konnte den Titel und damit die Stiftungen und Grundstücke nicht erben, da seine Eltern nicht verheiratet waren. So erhielt Jiro alles vom Gericht zugesprochen, Onigumo allerdings eine Abfindung in bar und einige Hotels. Seine Mutter verwaltete dies bis er volljährig wurde, danach zog sie sich zurück. Onigumo selbst setzte weiterhin auf Hotels und das Gastgewerbe, spezialisierte sich allerdings auf eine Richtung....“

„Illegal?“

„Nein, alles legal, aber einträglich. Wie Sie wissen, sind Bordelle hierzulande verboten. Es gibt aber, um nur ein Beispiel zu nennen, Cafes, in denen junge Mädchen oder auch Männer den Gästen servieren, manchmal sehr...gewagt angezogen, manchmal auch nach Fernsehserien gekleidet. Allerdings ist keinerlei private Unterhaltung, geschweige denn Berührungen, erlaubt und das wird auch streng beachtet. Maidcafes.“

„Legal und einträglich.“

„Ja, oyakata-sama. Auch andere Gaststätten besitzt Onigumo, aber wir konnten nichts feststellen, was verboten ist. Entweder er ist sehr geschickt oder es ist alles in Ordnung. Noch nicht einmal bei der Steuer betrügt er.“

„Was an sich schon bemerkenswert ist.“

Maseo, dessen Sicherheitsfirma in vielen Ländern der Erde Filialen hatte, schmunzelte: „Ja, fast nicht zu glauben. Kouga, mein Enkel, hat versucht sich in den Computern umzusehen, aber was offen war war harmlos, das Andere sehr gut geschützt – übrigens von einer meiner Firmen. Ich lasse einmal dezent nachforschen. Onigumo selbst wohnt im ersten Stock eines Hauses, unten befindet sich eine Sushibar, die um neun schließt. Auch wieder alles legal und harmlos.“ Der alte Wolfsyoukai blickte auf: „Ansonsten fanden wir noch, dass er einiges an Spenden überwiesen hat an Taifunopfer und so etwas. Keine Freundinnen sind bekannt, aber auch keine Freunde.“

„Freunde – in Bezug auf Menschen oder Youkai?“

„Beides. Außer in geschäftlichen Dingen halten sich wohl beide Arten von ihm fern. Er ist ein Hanyou. - Er geht zu einigen menschlichen Treffpunkten, wie es sich für einen Geschäftsmann gehört, und ist auch Mitglied im Golden Club, aber er ist kaum oft dort.“

Der Taishou nickte. Das war der momentan angesagteste Club der Stadt für reiche junge Männer – er hatte Sesshoumaru überzeugt dorthin zu gehen. Ob der dann Onigumo je gesehen oder gar bemerkt hatte? Immerhin hatte sein Sohn nie etwas von einem Hanyou erwähnt. „Fotos sind dabei.“

„Ja.“

„Wer hat ihn in den Golden Club eingeführt?“

„Ich müsste kurz nachsehen, oyakata-sama...“ Zum ersten Mal griff der Sicherheitsexperte in die Aktentasche und blätterte rasch: „Takeo, Kyos Sohn. Es hieß wohl dass sie sich von einem Autokauf kannten. Soll ich nachhaken?“

„Nicht notwendig.“ Ein Hanyou mit gesellschaftlichen Ambitionen würde natürlich eine Bekanntschaft wie die des Sohnes des Herrn der Füchse nutzen. Und Takeo war...nun, manchmal ein wenig voreilig, zum Bedauern seines Vaters. Andererseits – warum sollte man einen Hanyou schneiden? Im kurzen, höflichen Gespräch hatte sich Onigumo nicht so verhalten dass er nicht tragbar gewesen wäre. „Er verstärkt den Kontakt zu Jiro und Izayoi Fukuwara?“

„Zu Jiro. Die Tochter wird abgeschirmt. Übrigens hat sie einen sehr fähigen jungen Mann als Leibwächter. Meine Leute wurden jedes Mal bemerkt und mussten ausgetauscht werden.“

„Takemaru Setsuna.“

„Ja, oyakata-sama.“

„Wieso ließen Sie auch die Prinzessin beschatten?“

Hoffentlich dachte der Herr nicht er wolle nur die Kosten in die Höhe treiben, ja, ihn betrügen wollen, dachte Maseo jäh besorgt. Die Stimme des Taishou war noch immer ruhig, aber für einen Youkai war die ein wenig angestiegene Energie eine Warnung: „Sie traf Onigumo, den wir auftragsgemäß verfolgten, bei einem Spaziergang und ich wollte überprüfen lassen, ob sie sich öfter im Geheimen treffen.“

„Also nein.“

„Es blieb das einzige Mal und es handelte sich wohl um einen Zufall.“ Der alte Wolf war durchaus erleichtert, dass er das Youki seines Gegenübers fast nicht mehr wahrnehmen konnte. Er hatte es ein einziges Mal in vollem Ausmaß erleben müssen – gegen sich. Die Tatsache, dass er damals überlebt hatte, wunderte ihn heute noch, aber nüchterne Selbsterkenntnis ließ ihn wissen, dass das keinesfalls an ihm gelegen hatte.

„Onigumo, sagten Sie, wäre geschickt...“ Das klang nachdenklich.

„Er wäre ein Narr würde er nicht versuchen sich den Fürstentitel seines Vaters zurückzuholen und mit all dem Geld eine hübsche junge Ehefrau gleich dazu.“

„Ja, vermutlich. - Danke, Maseo.“
 

Onigumo betrat spät abends das Haus, in dessen Stock er eine drei Zimmer Wohnung innehatte, als ihn der Besitzer der Sushi-Bar entdeckte und herankam: „Herr Onigumo...“

Der Hanyou dachte zunächst es sei etwas kaputt gegangen, das er reparieren solle, schließlich war er der Vermieter: „Um was handelt es sich?“

„Vor zwei Tagen waren zwei Männer hier. Sie fielen mir auf, da sie hier hinten hereinkamen, meinten dann, sie hätten sich im Eingang geirrt und aßen bei mir. Aber ich bin mir sicher, dass sie das gesamte Haus angesehen haben. Nicht, dass hier jemand einbrechen will.“

„Dann nehmen Sie lieber Ihr Geld mit – aber ich denke, das machen Sie immer. Ich werde oben auch lieber immer gründlich abschließen. Auf jeden Fall waren Sie sehr aufmerksam. Vielen Dank. Es waren Menschen oder Youkai?“

„Menschen, ganz sicher.“

„Nun, dann lasse ich morgen gleich noch einen dicken Riegel hier an der hinteren Tür anbringen.“

„Ja, danke, das würde mich doch beruhigen. Vielen Dank, Herr Onigumo.“
 

Nachdenklich ging der Hanyou hinauf. Menschen, die sich bei ihm umsahen? Er war gestern nicht hier gewesen, da er eine zweite Wohnung besaß, von der allerdings niemand etwas wissen sollte. Wer hatte sich hier also nach ihm erkundigt? Menschen, ja. Konnte es sich um Wachen des lieben Onkels gehandelt haben? Fürst Jiro hatte ihn durchaus wohlwollend betrachtet, aber wenn es um seine Tochter ging, war der alte Knabe wirklich besorgt. Hatte er wissen wollen, was er für einen Lebenswandel führte? Ob hier Frauen ein und aus gingen? Dass die Beobachtung der Sushi-Bar gegolten hatte war auszuschließen. Das, was man dort aus der Kasse nehmen konnte, wäre kaum der Mühe wert. Er selbst hatte hier kein Geld, keinen Tresor oder auch nur wichtige Papiere. Das lag wohlverwahrt in seinem Büro in einem Hotel. Und das besaß Alarmanlagen und wurde bewacht. Auch das würde kaum die Mühe eines Einbruches lohnen.

Er schloss auf und musterte seine Wohnung, ehe er die Tür hinter sich schloss und langsam durch die Zimmer wanderte. Ja. Hier hatte eine fachmännische Durchsuchung stattgefunden - die Ordnung war fast perfekt. Hätte ihn nicht sein Mieter auf Ungewöhnliches aufmerksam gemacht hätte er nichts bemerkt. Onkel Jiro besaß ausgebildete Wachen, sehr fähige Leute. Ja, das konnte nur aus dieser Ecke kommen. Nun, dann hatten sie wohl berichten können, dass er hier allein schlief, keine Bilder von Frauen an der Wand hatte und nicht gerade in übertriebenem Luxus lebte, Von seiner anderen kleinen Wohnung dürften sie dagegen nicht einmal geträumt haben. Da war er mehr als auf der Hut gewesen, immer, und hatte sie auch unter einem falschen Namen angemietet. Dort waren ab und an Mädchen zu finden – aber er hatte schon immer in Vorsicht den besseren Teil der Tapferkeit gesehen.

Sein Blick fiel auf den Laptop. Im Zweifel hatten sie ihn auch durchsucht, aber nichts finden können. Weder finanzielle Transaktionen noch Geschäftliches ging hier drüber. Sie kannten jetzt höchstens seinen Musikgeschmack und ….einige private emails. Er setzte sich und fuhr ihn hoch. Gewöhnlich löschte er jede gelesene mail, gerade hier. Auch jetzt war nur eine angekommen: „Ihre Spendenquittung von den Philippinen wird Sie in Kürze erreichen. Wir bedauern Ihnen derartige Umstände bereitet zu haben.“ Nun, daraus konnte Onkel Jiro schließen, was immer er wollte. Er würde jedenfalls in den nächsten Tagen sehr gut auf seinen Schatten aufpassen – und erst einmal davon Abstand zu nehmen sich unaufgefordert noch einmal mit Jiro Fukuwara zu treffen. Der nächste Schritt musste von Onkel kommen – oder auch von Izayoi, die ihm nicht den Endruck gemacht hatte ihn widerwärtig zu finden.

Gespräche

Es war nur eine winzige Anspannung der Schultern ihres Chauffeurs, die Izayoi ein wenig schuldbewusst fragen ließ: „Ihnen gefällt der Park nicht?“

„Es ist meine Pflicht Sie zu fahren und zu bewachen,“ erwiderte der Samurai unverzüglich, nach den letzten vier Wochen nicht einmal verwundert, dass sie seine Reaktion erriet. Prinzessin Izayoi war warmherzig und sehr mitfühlend.

„Aber? - Takemaru, bitte.“

Der Leibwächter hätte am liebsten geseufzt. Er hätte ihr nie einen Wunsch abschlagen mögen, aber....Nun gut. „Es geht nicht um meine Wenigkeit, Izayoi-sama.“ Er sah im Spiegel, dass sie stutzte, sich dann aufrichtete.

„Was ist denn, bitte, dabei, wenn ich gern eine halbe Stunde am Tag im Park des Großen Tempels spaziere?“

„Nichts, natürlich. - Schön, ich sollte wohl ehrlich sein.“

Izayoi versuchte seinen Blick im Mittelspiegel zu erhaschen: „Mein verehrter Vater?“ Das wäre der einzige Grund, den sie sich vorstellen konnte, warum sich Takemaru so anstellen sollte. Nur, was wäre gegen ein wenig frische Luft einzuwenden? Oder hatte ihr Vater gar...nein, das war unmöglich.

„Izayoi-sama,...äh...ja. Der Fürst befahl mich zu sich, als er anhand der Protokolle ersehen konnte, dass Sie seit einer Woche regelmäßig für eine halbe Stunde in diesen Park gehen.“

„Deswegen stellte er Sie zur Rede?“ Das konnte sie sich eigentlich nicht vorstellen. Immerhin blieb ihr Leibwächter doch in ihrer Nähe.

„Nicht direkt.- Machen Sie sich keine Sorgen. Aufgrund der Protokolle und auch meiner wörtlichen Versicherungen konnte er gewiss sein, dass ich Sie nie aus den Augen lasse.“

„Aber?“

„Zuvor spazierten Sie stets im Garten des eigenen Schlosses....“

„Und ich kenne da jeden Grashalm, ja.“

Etwas erleichtert gestand er: „So...so ungefähr erklärte ich es Fürst Jiro auch.“

„Ich verstehe noch immer nicht. Bitte, Takemaru. Ich mag abgeschirmt erzogen worden sein, aber ich bin keine Närrin. Moment....deswegen?“

„Ja, Izayoi-sama.“ Er lenkte auf den Parkplatz des Großen Tempels: „Fürst Jiro wollte ausdrücklich wissen ob Sie im Park mit einer Person reden und wenn ja, mit wem.“

Sie raffte ein wenig den Stoff ihrer Kimonos um aussteigen zu könne, ehe sie sagte: „Nun, ich entsinne mich an ein Gespräch mit einem Kind: hier ist dein Ball, jemanden, der mich nach dem Weg fragte..Das haben Sie meinem verehrten Vater natürlich mitgeteilt.“

„Ja.“ Er stieg aus und öffnete die hintere Tür: „Der Name Onigumo wurde nicht erwähnt. Aber auch kein anderer.“

Sie nahm seine Hilfe an: „Danke. - Das ist es also?“ Sie sah, dass er nach Worten suchte: „Nein, danke, Takemaru. Sparen Sie es sich. Ich weiß, dass mein Vater nur um mich besorgt ist.“ Onigumo? Nicht wirklich. Sie gab sich kaum selbst zu, was sie hier im Park erhoffte – aus keinem anderen Grund als weil sie dort hinten bei ihrem ersten Spaziergang Leute mit ihren Hunden spielen gesehen hatte, beim nächsten Mal auch sehr große Hunde, Inuyoukai, abseits auf einer Art Rennbahn beobachten konnte. Natürlich war es lächerlich. Ein Youkaifürst würde sich nie derart in der Öffentlichkeit zur Schau stellen. Aber sie spürte die Neugier zu sehen ob er dem Bild auf ihrem bestickten Kimono wirklich ähnelte, das sie jeden Morgen und Abend betrachtete. Vater konnte nichts davon wissen – oder doch? Er war so erfahren, so alt...Und sie sollte den freundlichen Samurai nicht in Schwierigkeiten bringen: „Schön. Dann war das heute der letzte Besuch hier. Ich möchte nicht, dass Sie diszipliniert werden.“

„Vielen Dank, Izayoi-sama.“ Takemaru schloss die Autotür. Nein, soweit käme es noch, dass sie ihren einzigen Ausgang um seinetwillen opferte. Er war ihr Samurai, sie die Prinzessin: „Ich versprach dem Fürsten jedoch nur, dass ich auf Sie aufpasse. Mehr forderte er auch nicht. Ich konnte ihm allerdings die Frage nicht beantworten, warum Sie seit dem Ball hier sind....“

„Das war ich auch schon früher, seit Eliza mich verlassen musste...hat,“ erinnerte sie, froh, eine Entschuldigung zu finden, die nichts mit Hunden zu tun hatte.

„Oh, natürlich, an dem Tag, an dem Miss Oberton abflog. Ich bitte um Verzeihung, wie konnte ich das vergessen.“ Also hatten ihre Besuche hier mit der Erinnerung an ihre Erzieherin zu tun, das konnte er dann dem Fürsten berichten, falls der nochmals fragen sollte. Nein, kein Mann, den die Prinzessin auf dem Ball getroffen hatte, hatte sie fasziniert. Gut. Für alle. „Bitte, lassen Sie mich Sie hierher fahren, wann immer Sie möchten. Es wird gewiss keine Probleme für mich geben.“

Ihr Lächeln wärmte sein Herz.
 

Etwas entfernt vom Eingang standen einige Leute an einer Wiese. Izayoi erkannte dass es Youkai, aber auch Menschen, waren. Was betrachteten sie alle so interessiert? Dann entdeckte sie ein kleines, weißes, Knäuel, das unbeholfen über das Gras tapste, daneben eine weibliche Youkai mit den unverkennbaren Zeichen ihrer Art, die den Welpen nicht aus den Augen ließ. Der war überaus niedlich, dachte die Prinzessin, dennoch verwundert, dass die Mutter in der Menschenform war, ja, mit Jeans und T-Shirt eindeutig modern angezogen, der Kleine jedoch ein Hund. Soweit sie hörte konnten diese Wesen ihr Aussehen ändern, laut ihrem Vater ein klarer Beweis, dass es sich um Höllenwesen handeln musste.

Sie blieb stehen, spürte, wie ihr Leibwächter unverzüglich schräg hinter sie trat. „Ist der süß,“ flüsterte sie.

„Noch,“ erwiderte der Samurai, wollte in Anbetracht der Zuhörer jedoch nichts von „aus Nissen werden Läuse“ ergänzen. Er schätzte diese Wesen ebenso wenig wie Fürst Jiro, aber man musste sich eben mit ihren arrangieren, zumal, solange sie sich zivilisiert benahmen. Es hatte zugegeben schon sehr lange, Jahrhunderte, keine Überfälle auf menschliche Siedlungen gegeben, wie sie früher öfter vorgekommen waren. Er achtete in seiner Eigenschaft als Leibwächter auch auf die Umgebung – und entdeckte, dass sich die Youkai umwandten, seinen Schützling musterten. Was war los? Er spannte sich unwillkürlich an, erkannte dann, dass sie an seiner Prinzessin vorbei blickten, ja, sich höflich verneigten. „Achtung!“ flüsterte er, kaum im Zweifel dass sich dort ein ranghohes Wesen dieser Gattung nähern musste, womöglich gar ein Ratsmitglied. Es wäre peinlich für Fürst Jiro, wenn seine Tochter einen Kollegen nicht grüßen würde, zumal sie auf dem Ball ja alle kennengelernt hatte.

Auch Izayoi hatte inzwischen die Reaktion bemerkt, sah, dass die Mutter ihren Welpen rasch einsammelte, ehe sie sich mit ihrem Kind im Arm verneigte. So wandte sie den Kopf. Tatsächlich, der Youkaifürst, zwar im dunklen Anzug mit einem langen Mantel, aber auf den Schultern diese flauschigen Fellteile, die seinen Rücken bedeckten. Sie wäre schon neugierig gewesen ob es da eigentlich mehrere Fürsten gab. Immerhin hatte er sich als Fürst der westlichen Länder titulieren lassen – da gab es also doch vermutlich andere. Aber auch sie neigte grüßend den Kopf, ehe eine Handbewegung des Neuankömmlings alle sich aufrichten ließ.

„Gratulation zu deiner hübschen Tochter, Mai,“ sagte er zu der Mutter.

„Danke, oyakata-sama,“ war die höfliche, aber unverkennbar stolze, Antwort.

„Lass sie nur wieder spielen. - Guten Morgen, Prinzessin Fukuwara. Unerwartet, Sie morgens hier im Park zu sehen. Gefällt Ihnen das kleine Mädchen?“

„Guten Morgen, edler Fürst. Ja, sie ist noch sehr tapsig. Auch, wenn ich natürlich bislang nicht wusste, dass es ein Mädchen ist.“

„In Hundeform ist es für Menschen wohl auch schwer zu unterscheiden.“

Izayoi zögerte, dann fragte sie es doch: „Warum ist die Kleine ein Hund und die Mutter eher...wie ein Mensch?“ Hoffentlich war er jetzt nicht beleidigt.

Aber der Inu no Taishou erwiderte sachlich: „So kleine Welpen können sich noch nicht verwandeln. Dazu benötigt man ziemlich viel Energie. - Übrigens: Welpen, aber auch andere Kinder, sind bei Youkai sehr selten. Jede Geburt ist eine Freude für das gesamte Volk. Meine Empfehlung an Ihren Herrn Vater.“ Er schritt weiter, blieb aber noch einmal stehen: „Sie sind ein sehr aufmerksamer und fähiger Leibwächter...“

Takemaru starrte ihm nach als er sich entfernte. Wieso lobte ihn der Fürst, dem sich jetzt zwei Youkai anschlossen, ein Mann und eine Frau, die offensichtlich ebenfalls als Wachen fungierten? Er hatte doch gar nichts so Ungewöhnliches gemacht? Oder wollte ihn der abwerben? Nun, da würde er keinen Erfolg haben. Ganz sicher nicht. Ein Setsuna diente den Fukuwaras, so war das seit Jahrhunderten. Und ganz bestimmt niemals einem Youkai, einem Mononoke, einem Tiergeist.
 

Der Inu no Taishou ahnte die leichte Verwirrung, aber es war ein ehrliches Lob gewesen. Der Mann hatte sich geschickt neben seinem Schützling gehalten, hatte sofort bemerkt, dass sich etwas am Verhalten der meisten Anwesenden änderte und hatte Izayoi darauf aufmerksam gemacht.

Jetzt sollte er sich lieber selbst über sich wundern – warum hatte er Takemaru so genau beobachtet, dass es ihm aufgefallen war? Hm. Takemaru oder doch die Prinzessin? Sie hatte so charmant lächelnd den kleinen Welpen gemustert...Nun ja. Kinder aller Arten zogen die Aufmerksamkeit auf sich. Wenn sie kinderlieb war, würde sie bei einer Heirat mit Onigumo nicht viel Glück haben. Hanyou, so wenig es schon davon gab, galten als unfruchtbar. Zumindest hatte er in seinem langen Leben noch nie davon gehört, dass es da zu einer dritten Generation gekommen war. Überdies – was sollte das dann auch für ein Wesen werden? Dreiviertel Youkai oder Mensch?

Moment.

Hatte er sich wirklich schon öfter über das so lange und für einen Menschen zu dichte Haar der Prinzessin gewundert? Wo hatte er da nur seinen Kopf gehabt? Hieß es nicht seit alters her, dass sich der Fukuwara-Clan von einem Kaiser des elften Jahrhunderts ableitete? Hatte er nicht selbst seinen Sohn bei der Besprechung über die Einladung darauf hingewiesen? Und waren die japanischen Kaiser nicht durch die Zeitalter hindurch Nachkommen der Sonnengöttin Amaterasu? Auch in den vergangenen Jahrhunderten hatten sich Kaiser die Loyalität der mächtigen Familien durch Heiratsverbindungen verschaffen wollen. Da dürfte in den Adern dieser jungen Menschenfrau einiges angesammeltes göttliches Blut fließen, das sich wohl kombiniert in ihrem Haar zeigte. Ob sie auch über Magie verfügte? Bislang war ihm nichts aufgefallen, aber bei den wenigen Minuten Bekanntschaft konnte man auch kaum darüber etwas sagen, zumal der gute Jiro sie ganz bestimmt nicht darin hatte ausbilden lassen. Der redete zwar gern über seine mehr oder weniger Verwandtschaft mit dem Kaiser – aber die logische Schlussfolgerung, dann wohl auch kein reinblütiger Mensch zu sein, hatte er offenkundig nicht gezogen. Vielleicht wäre es amüsant ihn mal darauf hinzuweisen. Oder eher nicht. Ihn umgab die Witterung nach Krankheit...

Ja, es wäre wohl interessant sich mal die Krankenakten anzusehen. Wie lange hatte Fürst Jiro noch zu leben – und bis wann wollte er seine Tochter verheiratet wissen?
 

Als Izayoi nach Hause kam, erfuhr sie ein wenig überrascht, dass auch ihr Vater anwesend war. Gewöhnlich war Fürst Jiro um diese Zeit bereits im Büro. So ließ sie sich bei ihm melden, plötzlich besorgt. War er krank? Sein Herz schlechter geworden?

Zu ihrer gewissen Beruhigung empfing er sie jedoch sofort, in seinem privaten Arbeitszimmer, das karg und fast unmöbliert war, wenn man von einigen Kissen und einem kleinen Tischchen absah, auf dem stets Tee gekocht werden konnte. Nur ein Laptop verriet, dass sich dieser Raum in der Neuzeit befand. Izayoi verneigte sich und kniete höflich nieder.

„Du warst spazieren?“ erkundigte sich der Fürst.

„Ja, im Park des Großen Tempels. Zur Zeit bin ich gern da, gerade morgens, es sind doch weniger Leute unterwegs. Und eine halbe Stunde Bewegung tut mir gut.“

„Gefällt dir unser Garten nicht mehr?“

Sie dachte an das, was Takemaru gesagt hatte: „Ich finde ihn nach wie vor schön. Nur....ich kenne ihn seit ich ein kleines Kind war und viele Pflanzen sind mit mir groß geworden. Ein wenig Abwechslung, verehrter Vater. - Oh, ich wurde heute sogar gegrüßt.“ Ihr Leibwächter würde die Begegnung sicher in seinem Bericht erwähnen: „Ihr Ratskollege, der Youkaifürst, traf mich. Er hatte zwei Leute dabei, sicher ebenso Youkai, und Leibwächter. Er sagte seine Empfehlung an Sie.“

„Sagte er irgendetwas, warum er dort war?“

„Nein. Ich verneigte mich etwas, wie es seinem Rang zusteht, und er meinte, es sei unerwartet mich dort zu treffen. Er war freundlich, aber....“ Sie sollte wohl besser nichts über den kleinen Welpen erzählen. „Geht es Ihnen nicht gut, verehrter Vater?“

„Es geht mir gut, Izayoi.“

Sie sah ihn forschend an: „Sie wollen mich immer schonen und behüten, und ich danke Ihnen dafür. Aber, bitte. Ich bin eine erwachsene Frau. Wie soll ich wissen was zu tun ist, wenn Sie es mir nicht mitteilen?“

Fürst Jiro wich ihrem Blick aus: „Hast du Onigumo noch einmal getroffen?“

„Seit dem Ball? Nur einmal, zufällig, wie Sie sicher erfahren haben.“ Wie denn auch? „Sie...Sie halten ihn für einen würdigen Nachfolger?“ Und damit ihren potentiellen Ehemann.

„Gefällt er dir? Ich dachte, er sähe in den Augen einer Frau attraktiv aus.“

„Mir fehlt da der Vergleich,“ gestand sie: „Aber....Er ist doch ein halber Youkai.“

Ihr Vater wusste, dass er sie stets vor diesen Wesen gewarnt hatte: „Zum Glück schlägt dieses Erbe nicht gerade durch. - Nun ja. Er ist ein durchaus geschickter Geschäftsmann und würde meine Firma gut weiterleiten können. Und er wäre immerhin ein Familienmitglied, wenngleich ein illegitimes. Ich dachte ja nie, dass es so kommen würde, ich meine Hitoshi....“ Er seufzte. Warum auch immer sein Sohn gemeint hatte diese Wette eingehen zu müssen, sie war nicht nur tödlich für diesen geendet, sondern hatte auch die gesamten Zukunftspläne seines Vaters über den Haufen geworfen. „Weißt du, Izayoi, ich dachte immer Hitoshi würde die Firmen übernehmen und für dich.....Ich hoffte stets es käme ein fürsorglicher, angenehmer Mann vorbei, dem ich dich unbesorgt anvertrauen könnte. Jetzt muss ich zusehen, dass dein Zukünftiger alles ist. Und das ist schwer.“

„Ich weiß, verehrter Vater. Und ich bin mir sicher, Sie werden einen netten Mann für mich aussuchen, mit dem Sie auch als Nachfolger einverstanden sind. Es dauert eben nur ein wenig.“

Fürst Fukuwara lächelte unwillkürlich: „Du redest wie deine Mutter. - Bedauerlicherweise habe ich nicht mehr viel Zeit. - Ich wollte dich nicht erschrecken.“

„Ich weiß. - Ihr Herz?“ fragte sie dennoch, zutiefst beunruhigt.

Er zögerte ein wenig, ehe er zugab: „Ja. Die Ärzte schlugen mir eine Herztransplantation als letzten Ausweg vor, gaben aber zugleich an, dass ich das wohl nicht überleben werde. Also muss ich zusehen, dass ich solange so weitermachen kann bis du versorgt bist. Und die Firmen auch.“

Er nannte sie vor den Firmen. Dies bestätigte sie in ihrer Annahme, dass er niemanden gegen ihren Willen benennen würde. Aber sie erwiderte: „Das...klingt schlimm. Vielleicht sollten Sie weniger arbeiten, sich schonen?“ Sie wollte doch ihn nicht auch noch verlieren.

„Vielleicht. Aber ich möchte eben noch viel...in Ordnung bringen. Mach dir keine Sorgen. Ich bin recht zäh.“

Sie lächelte ein wenig. Er wollte sie beruhigen: „Wissen Sie übrigens, dass ich nicht einmal weiß, wo Sie arbeiten?“

„Ich dachte, du warst einmal in der Firma.“

„Das ist sehr lange her, ich war noch sehr klein. Ich kenne das nur vom Stadtplan.“

„Dann komme morgen mit.“

„Danke, verehrter Vater.“ Izayoi, die mit ihrer Bemerkung nichts anderes hatte erreichen wollen, neigte sich vor. Sie wusste, sie hatte keine Ahnung von Wirtschaft oder Firmen und würde einen Ehemann benötigen, der das alles leiten konnte. Aber vielleicht wäre es nicht falsch, wenn sie zumindest einige grundlegende Dinge noch erfuhr, ehe...

„Für das übernächste Wochenende werde ich Onigumo zu einem privaten Essen einladen.“

Er meinte es wirklich ernst mit diesem Hanyou: „Ja. Soll ich daran teilnehmen?“

„Natürlich. Danach gehen wir im Garten spazieren und du kannst dich mit ihm ein wenig unterhalten. Ich bin sicher, du wirst ihn nicht abschreckend finden. Und die Liebe kommt nach der Heirat von allein, wenn du dich ein wenig bemühst.“

Das hörte sie solange sie denken konnte: „Ja, ich weiß. - Aber, verehrter Vater, falls ich ihn doch abschreckend...Ich meine, seine Mutter war eine Spinne...“

„Eine Spinnenyoukai, ja.“ Fürst Jiro war im Augenblick nicht ganz zufrieden damit, dass seine Erziehung bei seiner Tochter derart gut angeschlagen hatte: „Aber du wirst daran denken, dass jeder Mann einen Fehler hat und es deine Pflicht als Ehefrau ist darüber hinweg zu sehen.“

„Ja.“

Etwas milder fuhr er fort: „Ich sehe keinen Grund, warum du dich...schrecken solltest. Aber natürlich möchte ich dich glücklich wissen. - Hast du denn auf dem Ball einen Anderen getroffen, der dir sympathisch war?“

Sie schüttelte verlegen den Kopf, aber durchaus sich bewusst, dass ihr Vater sie trotz seiner manchmal schroffen Art liebte. Ja, da war dieser Gin gewesen, aber der war ein Katzenyoukai, überdies verheiratet, also kam er gewiss nicht als Ehemann in Frage. Und der Youkaifürst, wie war der andere Titel gewesen, Inu no Taishou, das hatte sie in den Zeitschriften lesen können, die sie sich über ihren Ball hatte besorgen lassen, besaß nicht nur einen erwachsenen Sohn, sondern der war auch noch mit seiner Mutter abgebildet gewesen, einer wunderschönen, überaus vornehmen, Youkaidame. Unter den Menschen hatte sie niemanden getroffen, der solch eine Aura, solch ein Charisma, wie die Youkai hatte. Aber das war wohl auch die Gefahr vor der sie ihr Vater immer gewarnt hatte – die Höllenwesen wirkten einfach faszinierend ihre Opfer, denn früher hatten sie ja Menschen gejagt und gefressen, bis sie durch Verträge zivilisiert wurden.

Ihre Zukunft hieß anscheinend Onigumo. „Ich werde mir Mühe geben eine angenehme Gesprächspartnerin und Gastgeberin für meinen Cousin zu sein.“

„So ist es gut,“ sagte Fürst Jiro zufrieden.
 

Als Izayoi in ihrem Badezimmer stand, betrachtete sie den bestickten Kimono, den ihr der Fürst geschenkt hatte – ein großer, weißer Hund mit flauschigem Fell um die Brust. Ob es das war, was er in seiner Menschenform wie einen Umhang trug? Was waren das nur für eigenartige Wesen aus der Unterwelt? Und doch liebten sie anscheinend ihren Nachwuchs ebenso wie Menschen...

Sie sollte wirklich aufhören an diesen Inuyoukai auch nur zu denken. Der war ein mächtiger Mann, reich und verheiratet. Und sie sollte dafür sorgen, dass ein fähiger Unternehmer, der aus der Familie stammte, das Erbe ihres Vaters antreten würde. Das passte nicht zusammen.

Sie sollte den Kimono in den Schrank legen. Nun ja, zumindest an dem Tag, bevor sie sich mit Onigumo treffen musste.

Zukunftspläne

Der Inu no Taishou hatte mit gewisser Erleichterung seine Videokonferenz beendet, wobei er zugab, dass das viel praktischer war als noch die dauernden Reisen vor einigen Jahrzehnten, als seine Gegensprechanlage summte und er hingriff: „Ja, Saya?“

Der im wahrsten Sinn des Wortes hilfreiche Geist antwortete unverzüglich: „Sesshoumaru-sama bittet um die Gunst einer Audienz. - Ihr nächster Termin wäre in einer halben Stunde das Gespräch mit Manager Kaito von der Reederei....“

„Schon gut. Lass Sesshoumaru kommen und bitte Kaito einen Moment zu warten, falls ich nicht pünktlich in dem Besprechungszimmer bin.“ Was wollte denn sein Sohn? Normalerweise hatte der seinen Aufgabenbereich als Leiter des operativen Controllings, der Steuerung der Wirtschaftlichkeit und Rentabilität des gesamten Konzerns, übernahm auch inzwischen alles andere, falls er selbst keine Zeit fand oder im Ausland war, aber es war unüblich, dass er sich bei ihm außerhalb der terminierten Sprechzeiten melden ließ. Natürlich hatte er privat jederzeit Zutritt zu ihm, aber das sah nach Arbeit aus. Stimmte etwas in der Liquidität oder dem Bankenplan nicht? Dann war das alarmierend. Immerhin diente eine solche Abteilung der Unterstützung der Unternehmensleitung für strategische Planungen. So erhob er sich und ging hinüber in die altmodisch eingerichtete Ecke, ließ sich nieder. Keine drei Minuten später trat der junge Inuyoukai ein und verneigte sich höflich, eine Akte in der Hand.

„Setz dich nur. - Was gibt es?“

„Danke, verehrter Vater. - Sie gaben Maseo offenbar den Auftrag die medizinischen Daten von Jiro Fukuwara zu beschaffen. Er überreichte sie mir, da er annahm, es sei vertraulich, und Sie sich nicht hier befanden. Ich legte den Kurzbericht einem unserer Ärzte vor. Hier seine Analyse.“ Spionage gehörte auch zum Geschäft.

„Danke.“ Der Inu no Taishou nahm den zweiseitigen Bericht, ein wenig erleichtert, dass Maseo und sein Sohn wussten wann etwas nicht den offiziellen Weg gehen sollte, und las, ehe er aufblickte: „Da du den Inhalt kennst – deine Meinung?“ Er wollte seinen Nachfolger auch ausbilden.

„Ich muss zugeben, verehrter Vater, dass es mir ein wenig rätselhaft ist, warum Sie sich auf einmal derart für einen Menschen interessieren, zumal einen, der unsere Art überaus wenig schätzt.“

„Ist es das?“ Ein Hauch von Amüsement lag in der Stimme des Fürsten. Das würde sein Sohn niemand sonst gegenüber zugeben.

Sesshoumaru bemühte sich seine Befürchtung nicht erneut auszusprechen. Vater hatte doch bereits gesagt, er würde ihm nie zumuten diese Fukuwara-Tochter zu heiraten, und sei es auch um die Millionen zu erhalten, obwohl sich beide Unternehmen durchaus ergänzen würden. So meinte er nur: „Da ich nicht bezweifle, dass Sie eine Strategie haben, bitte ich sie mir zu erläutern. Sie erwähnten bei dieser Balleinladung bereits, dass Fürst Jiro nach einem Mann für seine Tochter suche, aber was hat das mit seinen medizinischen Daten oder auch dem Fukuwara-Vermögen zu tun?“

Sein Vater legte den Bericht auf die Matte vor sich: „Nun, Menschen lieben ihre Kinder ebenso wie Youkai. Jiro hatte ganz offensichtlich geplant sein Erbe seinem Sohn Hitoshi zu überlassen. Dieser starb vor zwei Jahren und ihm wurde natürlich bewusst, dass nun nur noch seine Tochter Izayoi übrig wäre um den Namen weiterzutragen. Dennoch begann er sie nicht anzulernen, ja, sie sich einarbeiten zu lassen, sondern hielt sie fern von allem. Ich bezweifle nicht, dass er sie liebt und so beschützen wollte und will. Die Folgerung ist dir klar?“

Er war doch nicht töricht: „Er wollte, dass sein potentieller Schwiegersohn die Firma übernimmt und sucht nach einem.“

„So sehe ich das, ja. - Und nun dieser Ball, er traf sich überdies einige Male mit seinem Neffen Onigumo, der bislang als Hanyou nicht einmal bei ihm zum Tee eingeladen wurde.“

„Er beeilt sich. Und darum wollten Sie wissen, wie lange er noch zu leben hat. Aber, verzeihen Sie, was geht uns das an?“

„Wie gesagt, die Fukuwaras besitzen einiges, an dem ich interessiert wäre. Und die Sache ist einfach: heiratet die Erbin ehe Fürst Jiro stirbt, läuft alles weiter wie bisher. Stirbt Jiro jedoch, ehe Izayoi verheiratet ist...Nun, was denkst du, geschieht mit den Aktien, wo jeder im Geschäftsleben weiß, dass sie keine Ahnung hat?“

Sesshoumaru atmete durch: „Sie werden mit der Todesnachricht in Panik verkauft werden, abstürzen und man kann sie günstig erwerben. Ich verstehe, verehrter Vater. Verzeihen Sie, dass ich so begriffsstutzig war.“ Wie stand er denn jetzt da? Als halbes Kind, das keine Ahnung von Wirtschaft oder Strategie besaß?

„Du bist es noch nicht gewohnt auch auf Umwegen zu denken,“ begütigte sein Vater: „Das lernt man nur durch Übung. - Ja. Und nach diesen Daten, die du ja gesehen hast, hat Jiro nicht mehr sehr lange Zeit. Ich möchte daher, dass du unsere diversen Makler anweist in diesem Fall unverzüglich zuzugreifen und möglichst viele Aktien der Fukuwara-Firmen aufzukaufen, ehe sich der Kurs wieder erholt.“

„Die Makler werden das Geld im Vorfeld sichergestellt haben wollen.“ Sesshoumaru bemerkte das Nicken: „Ich werde es besorgen lassen. - Nur, warum meinen Sie, dass sich der Kurs rasch wieder erholen wird?“

„Hinter dem Reisekonzern stehen ja noch immer die Grundstücke und Hotels als wahrer Gegenwert. Alles andere ist eine Wette auf die Zukunft einer Firma. Nach einer gewissen Schrecksekunde wird sich der Kurs stabilisieren, und sicher erneut steigen, wenn Izayoi ihre Hochzeit bekannt gibt. Das wird sie mit Bestimmtheit tun.“

„Mit diesem Onigumo?“

„Sie hat wohl geringe Alternativen, die ihrem Vater zusagen. So, wie sie offenbar erzogen wurde, wird sie seine Wünsche auch nach seinem Tod achten.“

Sesshoumaru blickte zu Boden: „Dann dürfte der Hanyou kaum begeistert sein, wenn Sie ihm in seine neu erworbenen Firmen dreinreden können. Könnte er Sie wegen Insiderwissen verklagen?“

„Nein. Ich kann es nicht, und niemand kann es, vorhersagen, wie lange Jiro lebt. Vielleicht geht auch alles gut, aus seiner Sicht, und er hat Tochter und Firma versorgt, ehe er stirbt. Das mit den Aktien ist ein guter Grund, warum ich unsere Hauptfirma nicht als AG laufen lassen will. Es ist modern, aber man verliert leicht seinen Einfluss. - Wobei, gut auch, dass du gefragt hast. Ich müsste im Rat einmal das Problem der Hanyou angehen. Es gibt nicht viele, aber soweit ich mich entsinne, wurde nie festgelegt zu welchem der beiden Völker sie gehören, und damit auch nicht, vor welcher Gerichtsbarkeit sie sich zu verantworten haben. - Es scheint fast, als ob die Angelegenheit noch nie aufgetaucht sei.“

„Hanyou halten sich von wahren Youkai fern.“

„Man sollte nie etwas als gegeben hinnehmen, Sesshoumaru. - Bist du übrigens mit deinem Assistenten zufrieden?“ Er hatte ihn neulich mit einer Beule herumlaufen sehen, nun, nichts, was bei einem Youkai oder ähnlichen Wesen nicht unverzüglich heilen würde, aber es ziemte sich nicht in diesen modernen Zeiten Mitarbeiter zu schlagen.

„Jaken? Ja, durchaus, auch, wenn er manchmal zu viel redet.“ Es wäre ziemlich unhöflich gewesen zuzugeben, dass ihn der Kappa ab und an ärgerte, den Vater ihm zugewiesen hatte. Überdies bemühte der sich alle seine Wünsche zu erfüllen und besaß ein profundes Wissen über fast alle Vorgänge im gesamten Konzern. Früher hatte dieser selbst eine Logistikfirma in Musashino besessen, ehe sie von Vater aufgekauft wurde. Aber er wusste, worauf der Firmenchef anspielte: „Es war ein Versehen, verehrter Vater. Ich bitte um Vergebung. Ich machte eine wegwerfende Handbewegung – und übersah, dass mein Youki ausreichte ihn an die Wand zu befördern.“ Es gab nur eine Person vor der er sich rechtfertigen musste und es auch tat.

„Dann darfst du gehen.“ Der Inu no Taishou wartete, bis sein Sohn das Büro verlassen hatte, ehe er selbst folgte, um zu der angesetzten Besprechung zu gehen. Im Vorzimmer meinte er jedoch: „Saya, gib dem Stab des Rates der beiden Völker Bescheid, dass ich bei der nächsten Sitzung gern einen Beschluss über Hanyou einbringen möchte. Sie sollen alles zu diesem Thema heraussuchen und dir schicken, was sie haben.“
 

Izayoi betrachtete den Computer vor sich. Sicher, sie konnte damit einigermaßen umgehen, hatte sich auch schon Adressen von Geschäften, Stoffvorlagen gesucht, aber das Ganze mehr als Schreibmaschine angesehen, mit der sie Einladungen oder anderes verschicken konnte. Aber seltsamerweise war sie nie zuvor auf die Idee gekommen sich auch einmal die Firmen ihres Vaters anzusehen. Erst, als sie mit ihm in seinem Büro gewesen war, und unten in der großen Halle einen Ständer mit Informationsmaterial entdeckt hatte, auf dem eine web-Seite stand, hatte sie beschlossen das auch einmal zu tun. Hotels gehörten zu der Gruppe, Freizeitparks hierzulande und im Ausland, Reisebüros. Es handelte sich um eine Aktiengesellschaft und die Mehrheit der Aktien besaß der Fürst Fukuwara.

Es gab sogar einen Link zu ihrem Vater und sie las neugierig. Nun, es war nichts, das sie nicht schon wusste, dachte sie. Sein Geburtsdatum kannte sie ebenso wie den Abriss der Geschichte der fürstlichen Familie, auch dass ihre Mutter und ihr Bruder verstorben waren. Dann jedoch stutzte sie, als sie ihren eigenen Namen las. Sie klickte darauf. Izayoi Fukuwara, Prinzessin aus dem gleichnamigen Fürstenhaus, einzige Tochter von Fürst Jiro Fukuwara, und der Verweis auf die Firma. Ihr Geburtsdatum stimmte. Immerhin gab es kein Bild und keine weiteren Informationen, was sie doch ein wenig erleichterte.

Ob sich auch etwas zu Onigumo finden ließ?

Aber sie musste aufgeben. Zum einen kannte sie sich nicht sonderlich aus, zum anderen entdeckte sie einfach nichts. Vermutlich wäre unter seiner Gaststättenkette etwas zu finden, deren Namen wusste sie jedoch nicht.

So tippte sie einen weiteren Begriff ein: Inu no Taishou.

Ja, das war er. Das Bild zeigte ihn im modernen Anzug, mit diesen wohl unvermeidlichen Anhängseln. Geburtsdatum: unbekannt, stand allerdings da. Nun ja, er war ein Youkai. Sie las die kurze Biographie: Wurde zu unbekannter Zeit der Taishou der Inuyoukai, stieg zum Fürsten der westlichen Länder auf, dann zum Einflussreichsten aller Youkaifürsten Japans. War maßgeblich an den Verträgen zwischen Youkai und Menschen beteiligt. Mitglied im Rat der beiden Völker. Besitzer einer breitgefächerten Holding mit diversen Firmengruppen im In- und Ausland. Geschieden, ein Sohn.
 

Also war er der Oberste der Youkai? Kein Wunder, dass alle dieser Art sich verneigten, wenn er wo erschien. Und er war von Sesshoumarus Mutter geschieden?

Warum nur war sie nicht früher auf diese Suchmöglichkeit gekommen? Nun gut, wenn sie sich recht entsann hatte ihr niemand je gesagt, dass man auch nach solchen Dingen suchen konnte, nicht nur nach Stoffen und Schneidern, Köchen und Hausgehilfen.

Sie sah auf, da es kurz an den Holzrahmen ihrer Tür klopfte: „Ja?“

Eine Dienerin schob die Tür beiseite und verneigte sich: „Verzeihen Sie die Störung, Prinzessin. Der Koch lässt fragen, wann es Ihnen genehm wäre mit ihm das Menü für den Sonntag zu besprechen. Der Herr nannte einen Gast.“

Onigumo, ja. Izayoi schloss hastig den Laptop: „Er kann unverzüglich kommen.“ Das hatte sie ganz vergessen. Und die Küche musste ja schließlich auch einkaufen. Sie durfte ihre Pflicht als Hausherrin nicht vernachlässigen, Vater gar in eine peinliche Lage bringen. Womöglich war sie bereits nächste Woche mit ihrem Cousin verlobt, wenn er nur einen guten Eindruck von ihr erhielt. Sie musste heiraten, vor allem um ihren Vater zu beruhigen.
 

Onigumo war aus seiner runden Badewanne gestiegen und trocknete sich ab. Während er sich die feuchten, langen, schwarzen Haare bürstete, betrachtete er sich im bodenlangen Spiegel. Nun, Onkel Jiro schien ihn für einen guten Geschäftsmann zu halten, was er ja eindeutig auch war – auch, wenn der alte Knabe wohl mit den Maidcafes und vor allem einem anderen Geschäftszweig nicht einverstanden wäre. Aber, was Onkelchen nicht wusste, machte ihn auch nicht heiß. Andererseits, man sollte ihn nicht unterschätzen. Das mit den Maidcafes dürfte ihm inzwischen ebenso bekannt sein wie die Ausflugslokale. Aber es war legal, war mehr als einträglich, so dass der Fürst das wohl akzeptierte.

Er musterte sich. Er konnte als Mensch durchgehen. Weder Ohren noch Zähne noch Finger verrieten, dass er ein Bastard der Arten war, ein Mischling, der zu keiner der beiden Seiten gehörte. Und, noch dazu ein Mann, das schmeichelte er sich doch, der als gutaussehend gelten konnte. Izayoi würde keinen Grund haben ihn zurückzuweisen oder genauer, ihren Vater zu bitten gegen dessen Intentionen nach einem andern Bräutigam Ausschau zu halten. Das einzige Mal, das ihn als Un-Mensch zeichnete, würde sie erst nach der Heirat zu sehen bekommen.

Er wandte sich um, um im Spiegel seinen Rücken betrachten zu können, auf dem sich unverkennbar eine Spinne wie eine Narbe zeigte. Dieses Erbteil seiner Mutter war er trotz diverser Hautbehandlungen, einschließlich Ätzen und Lasern nicht losgeworden. Es erschien immer wieder – womöglich eine kleine Rache seiner lieben Mama an ihrem undankbaren Sohn. Nun ja, er gab zu, dass sie für ihn Klagen eingereicht hatte, um den Fürstentitel zu erstreiten, das erhaltene Teil ordentlich verwaltet hatte. Warum nur hatte sie sich mit seiner Volljährigkeit nicht zurückhalten wollen, immer noch mitreden wollen? Und überdies, wie er eindeutig erkannt hatte, falscher Meinung gewesen war. Wenn er auf sie gehört hätte, hätte er das Vermögen nicht verdoppelt, würde Onkel Jiro heute nach einem anderen Bewerber für seine Tochter suchen. Sie war schrecklich beleidigt gewesen, als er ihr unmissverständlich klar gemacht hatte, dass er zwar nicht wisse, wie er zukünftig ohne seine Mama auskommen solle – es aber ab morgen versuchen werde. Immerhin war sie klug genug gewesen auf sein Angebot einzugehen und sich in ein abgeschiedenes Haus, das er ihr kaufte, zurückzuziehen. Das hatte ihm und ihr einen doch bösen Abschied erspart. Inzwischen war sie tot soweit er wusste. Sie hatte sich wohl einmal an einen falschen Mann herangemacht, nicht erkannt, dass das ein Youkai war, dessen Stärke die ihre übertraf, und sie nach der Paarung nicht versuchen konnte ihn zu fressen ohne selbst zu sterben. Spinnenweibchen, eben.

Ansonsten....Er dreht sich um und betrachtete seine Vorderseite, sollte sich Izayoi doch glücklich schätzen, wenn sie ihn bekam. Sie konnte in Ruhe in dem Haus bleiben, in dem sie aufgewachsen war, die Diener herumkommandieren und einkaufen gehen. Alles, was sie dafür tun musste, war, ihn ab und an im Bett zufriedenzustellen. Das genügte doch. Von dem Treffen am Sonntag erhoffte er sich ihre Zustimmung und damit auch die Jiro Fukuwaras. Damit wäre alles im Lot und er eindeutig als Erbe und Nachfolger bestimmt, sobald die offizielle Verlobung bekanntgegeben worden war.

Und er hoffte doch schwer, dass das bereits nächste Woche der Fall sein würde.

Fürst Onigumo Fukuwara, Sohn des verstorbenen Fürsten Hiro Fukuwara...Das klang wirklich wie es sich gehörte.
 

Fürst Jiro saß in seinem Büro im der Firmenzentrale in der Innenstadt. Von seinen vier älteren, männlichen, Assistenten war nur mehr einer hier und kniete vor ihm nieder, eine Akte in der Hand, die er zu Boden gleiten ließ.

„Es geht noch nicht, Kanave?“ erkundigte sich der Unternehmer nur.

„Nein, mein Fürst. - Darf ich eine Bemerkung dazu machen?“

Es war sein engster Mitarbeiter, seit Jahrzehnten zuverlässig, und der Einzige selbst unter seinen Vertrauten, der um seine Misere wusste: „Nun?“

„Haben Sie schon eine Flucht nach vorn bedacht?“

„Du meinst das veröffentlichen? Nein, das wäre unmöglich. Würde bekannt, was ich tat, dass meine absolute Mehrheit über das Unternehmen nicht mehr existent ist, würden sich alle auf die Aktien wie die Geier stürzen. Und früher oder später hätte jemand eine genügend große Minorität um alles blockieren zu können. Es war ein Fehler alles in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln und ein noch größerer den Spielpark auf diese Art finanzieren zu wollen.“

„Sie kannten damals Ihren...angeschlagenen Gesundheitszustand nicht, mein Fürst.“

„Ja, und Hitoshi war am Leben, ich hoffte....Nun, gleich.“ Jiro Fukuwara legte die Hand an die Brust: „Dann geh. Und sage unten, ich brauche meinen Chauffeur. Ich möchte fahren. Das Wochenende bleibe ich zuhause. Ich muss mich ein wenig schonen.“

Der Assistent verneigte sich nur, ohne seine Besorgnis erkennen zu lassen, ehe er ging.

Allein geblieben seufzte der Hausherr ein wenig. Hoffentlich würde er lange genug leben um das wieder in Ordnung zu bringen, Izayoi eine gesunde Firma hinterlassen zu können. Aber es wäre unmöglich würde er die Bauarbeiten am Park jetzt abbrechen lassen, käme gar heraus, dass er nicht mehr Herr im eigenen Unternehmen war. Fast ein Jahrtausend lang hatte die Familie Fukuwara ihr Vermögen vermehrt, allen Strömungen der Geschichte zum Trotz. Sicher hatte es Rückschläge gegeben, aber nun, da das Erbe der Familie an einem Mädchen hing, an einem Mädchen und einem Hanyou, sollte doch sichergestellt sein, dass es auch noch ein Vermögen gab, das sie erben konnten. Überdies, da machte er sich wenig Illusionen, würde Onigumo sich auch kaum für Izayoi interessieren, wäre da nicht der Fürstentitel, den dieser mit einer Heirat erwerben konnte, die Unternehmen, die an ihr hingen und er nur verwalten konnte, solange die Ehe bestand. Sein illegitimer Neffe war ein nüchterner Geschäftsmann.

Es musste ihm irgendwie gelingen die fehlenden Aktien zurückzukaufen ehe er starb. Um seiner geliebten Tochter willen.

Sonntag

Izayoi bemühte sich ihre Nervosität nicht zu erkennen zu geben, als sie leise am Arbeitszimmer ihres Vaters vorbeihuschte, um nachzusehen, ob im Esszimmer alles für das Mittagessen vorbereitet war.

Onigumo war bereits anwesend, das hatte sie mitbekommen,, aber sie wollte doch als gute Hausfrau dastehen, ihren Vater und natürlich auch sich selbst nicht vor dem Cousin blamieren.

Da sie alles zufriedenstellend vorfand, beschloss sie wieder in ihre Zimmer zurückzukehren Das Essen sollte erst um vierzehn Uhr stattfinden, da hatte sie noch Zeit.

Vor dem Arbeitszimmer ging sie jetzt ein wenig langsamer. Ja, sie war neugierig und das schickte sich nicht für eine Prinzessin, aber immerhin ging es um ihre Heirat, ihre Zukunft...

Sie hörte einzelne Worte. Offenbar war nicht sie das Thema des Gespräches sondern irgendwelche Cafes, mit denen ihr Vater wohl nicht ganz einverstanden war, denn Onigumo bemühte sich sehr zu erwähnen, dass alles legal sei, die Angestellten geschützt würden.

Sie sollte hier nicht stehen bleiben. Wie sähe das denn aus, wenn Vater oder Cousin sie hier beim Lauschen ertappen würden.

So ging sie eilig in ihre Zimmer. Sie musste sich sowieso noch umziehen und ihre Haare bürsten. Und sie würde noch ein wenig im Internet suchen, wie sie es seit Tagen tat. Sie hatte begonnen sich für Youkai zu interessieren, jene Höllenwesen, vor denen ihr Vater sie warnte – aber was sie in den offiziellen Nachrichten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft fand, war weniger erschreckend als sie bislang stets geglaubt hatte.

Gestern hatte es einen Wohltätigkeitsball gegeben, zu dem auch der Rat der beiden Völker erschienen war, natürlich außer dem Kaiser und ihrem Vater, Es hieß, Fürst Fukuwara habe krankheitsbedingt abgesagt....Krankheit, ja, sein Herz, dachte sie besorgt. Er bemühte sich offenkundig sich zu schonen. Sie betrachtete das Bild. Menschen und Youkai in dunklen Anzügen. Das also waren alles Ratskollegen? Sie hatte gedacht, es seien nur acht? Ah, nein, das neben dem Inu no Taishou war offenkundig sein Sohn, dieser Sesshoumaru. Dann waren das andere wohl auch Söhne – und Ehefrauen und Töchter. Keiner der anderen Youkai trug diese seltsamen Fellteile außer dem Fürsten. Sein Erbe besaß allerdings eine Art Boa, die er um die Schulter geschlungen hatte, damit sie nicht am Boden schleifte. Ja, das mussten Rangabzeichen sein. Es hieß, es seien Spenden für Waisenhäuser und Kinderstationen in Krankenhäusern gesammelt worden.

Nun, dachte sie mit einem leichten Lächeln, der Taishou konnte seinen Sohn kaum verleugnen. Selbst hier im Profil auf dem Foto sahen sie sich recht ähnlich.

Energisch klappte sie den Laptop zu. Sie sollte sich lieber um ihre eigene Zukunft und die der Familie Fukuwara kümmern. Es wurde Zeit hinüber zu gehen und dafür zu sorgen, dass das Essen rechtzeitig serviert wurde.
 

Während der Mahlzeit betrachtete Onigumo immer wieder seine Cousine. Sie sah ihn kaum an, dachte er. Weil er ein Hanyou war? Oder weil sie so schüchtern war? Oder weil sie derart altmodisch erzogen worden war? Eine Mischung aus allem? Er sprach sie einige Male an, über Pflanzen, Spaziergänge und sie antwortete höflich, gesittet, geradezu. Nun, mit ihr als Ehefrau sollte man wenig Probleme haben. Wobei er ehrlich zugab, dass er mit Frauen noch nie Schwierigkeiten gehabt hatte. Er verstand es sie zu überreden fügsam zu sein. Mit Izayoi dürfte es da erst recht keine Probleme geben, so, wie sie gedrillt worden war.

Was hatte sie ihn gerade gefragt? „Nein, ich war nicht auf dem Wohltätigkeitsball. Das ist nicht so meine Art...“ Allerdings wären wohl weder Onkel noch Cousine mit seiner speziellen Art der Wohltätigkeit einverstanden. Überdies – er hatte nicht einmal eine Einladung bekommen. Das würde wohl erst der Fall sein, wenn er den Fürstentitel trug und das Familienvermögen zumindest verwaltete – und später auch besaß. Das konnte natürlich erst nach dem Tode seiner Angetrauten passieren, aber zum einen war er als Hanyou einer Menschenfrau an Lebenserwartung überlegen, zum anderen gab es durchaus Möglichkeiten außer Scheidung um sie loszuwerden. Onkel Jiro hatte bereits deutlich gemacht, dass bei einer Scheidung, gleich von welcher Seite aus, das Vermögen allein wieder Izayoi zustände. Nutzlos zu erwähnen, dass er, Onigumo, damit nicht einverstanden wäre. Aber noch sollte er den verständnisvollen Cousin und erfolgreichen Neffen spielen, nicht erkennen lassen, dass er Frauen, zumal Ehefrauen, nur als nutzbringende Dinge einstufte.

„Onigumo,“ meinte der Fürst langsam: „Was ist dich schon länger fragen wollte: besitzt du eigentlich Aktien der Gesellschaft?“

„Deiner, verehrter Onkel?“ Onigumo war überrascht. Das war eigentlich kein Thema für ein Essen oder in Gegenwart der doch so ahnungslosen Tochter. Oder auf was wollte Onkel Jiro raus? „Ja, ich habe mir einige vor einigen Jahren zugelegt. Weniger als Geldanlage sondern aus einer gewissen...Verbundenheit. Ich weiß nicht, wie viele, aber es sind keine hundert.“

Fürst Jiro zeigte durch nichts seine Enttäuschung, sondern sagte, als habe er scherzen wollen: „Also hast du bislang keine Sperrminorität....“ Und er konnte ihn nicht dazu bringen sein eigenes Paket wieder aufzustocken,. Hundert – das war viel zu wenig. Auch dies war kein Ausweg. Welcher Fond oder welche Privatperson hatte sie nur. Oder waren sie einfach zerstreut worden?

„Davon hättet du bereits Kenntnis, werter Onkel.“

„Natürlich.“

Izayoi war feinfühlig genug um zu erkennen, dass ihr Vater etwas anderes dachte als er sagte. Was war nur los? Aber vor dem Cousin konnte sie unmöglich fragen, nun, eigentlich überhaupt. Es handelte sich um Aktien und Geschäfte, alles, was sie zu hören bekommen würde, wäre, dass sie ihr Köpfchen nicht darüber zerbrechen sollte. So lenkte sie lieber ab: „Das Wetter ist wunderschön, lieber Onigumo. Hättest du Lust ein wenig im Garten spazieren zu gehen?“ Immerhin lautete so die Anweisung ihres Vaters, der auch prompt ergänzte:

„Ich ließ den Garten einst für meine Gemahlin zur Hochzeit anlegen. Sie schätzte die altmodische Gartenkultur.“

„Oh, natürlich, gern...“ Onigumo erhob sich. Aus Gärten machte er sich gar nichts, aber wenn Izayoi wie ihre Mutter das mochte – nun, es gab ärgere Hobbies. Immerhin war sie dann beschäftigt und würde ihm nicht geschäftlich auf die Finger gucken wollen. Nicht, dass sie es gekonnt hätte. Sie war offenkundig dazu erzogen worden sich im Haus zu betätigen. Aber etwas anderes war wichtiger. Was sollte diese Bemerkung mit den Aktien? Jiro Fukuwara machte nichts umsonst. Und als Scherz war das denkbar unpassend bei einem privaten Gespräch. War das eine Aufforderung gewesen sich mehr der Aktien zuzulegen? Oder, dass welche auf den Markt kommen sollten? Es würde wohl nicht schaden sich ein wenig Bargeld zu verschaffen. Dazu müsste er freilich, da er nie auf Aktien gesetzt hatte, ein oder zwei Lokale verkaufen, aber das sollte möglich sein. Immerhin verfügten alle über eine sehr gute Lage und Besucherzahlen. Aber man sollte den Hinweis eines so alten Hasen nicht unberücksichtigt lassen, zumal das dem lieben Onkel offenbar wichtig war. Apropos Fürst Jiro...der setzte sich soeben auf eine Bank.

„Geht nur ein wenig,“ sagte er: „Ich ruhe mich etwas aus....“

Was für ein durchsichtiger Vorwand, dachte der Hanyou, um ein Gespräch mit seiner Tochter zu ermöglichen – formell und in allen Ehren aber doch zu zweit.
 

Izayoi neigte auch nur den Kopf und spazierte weiter: „Dies hier ist der so genannte Meditationsgarten. Viele Steine, keine Pflanzen. Der Geist wird leer dadurch...“

„Bist du oft hier, werte Cousine?“

„In diesem Teil, nein. Ich mag das Wasser lieber als Steine. Es ist lebendiger.“

„Dann gehen wir dort hinüber....“ Er musste sie zu einer Zustimmung bewegen: „Ich vermute einmal,“ begann er daher, während sie zu den Quellbrunnen gingen: „Dass Onkel Jiro bereits auch dir gegenüber erwähnte, dass er eine Heirat zwischen uns beiden gern sähe.“

„Ja.“ Was sollte sie sonst dazu sagen?

„Ich finde, wir sollten uns ein wenig besser kennenlernen. Das ist nichts, was man überstürzen sollte.“

Izayoi nickte wortlos. Nein. Wenn Vater es ihm nicht gesagt hatte, wie krank er sei und wie wichtig die baldige Entscheidung wäre, durfte sie ihm auch nicht vorgreifen. Falls Onigumo aber so verständnisvoll war, würde er vielleicht auch kein schlechter Ehemann sein. Sie meinte jedoch: „Ich vermute, dass dich der Fürstentitel durchaus reizt.“

Nanu? Blitzte da Intelligenz bei dem schüchternen Mädchen auf? Das konnte er noch weniger leiden als dieses Geschlecht an sich. „Nun, wohl jeden, zumal mein Vater ihn ja trug...Allerdings nicht so sehr, dass ich mir so gern die Mehrarbeit aufhalsen würde. Die würde ich nur dir zuliebe übernehmen.“

„Mehrarbeit?“ Sie blickte irritiert auf.

„Liebe Cousine, ich führe eine Restaurantkette – ich bin auch ohne die Unternehmen deines verehrten Vaters, meine Onkels, durchaus wohlhabend und beschäftigt.“ Sie sollte ihn nicht für einen Mitgiftjäger halten. Dem Fürsten hatte er das schon mal plausibel gemacht. Jetzt musste er beide nur davon überzeugen, dass er ein rücksichtsvoller Ehemann wäre, verständnisvoll, kurz, ein Traum jeden Mädchens....Nun, das würde er dann auch durchhalten müssen bis sein werter Onkel das Zeitliche gesegnet hatte, danach war ihm Izayoi ausgeliefert. Aber wozu das im Vorfeld erwähnen.

„Natürlich, ich meinte...ich wollte dich nicht beleidigen.“

Braves Mädchen. „Ich verstehe, dass du mit dieser Lage ein wenig überfordert bist. So hattest du dir das nie vorgestellt, oder? Eher, dass ein...Prinz vorbeikommt?“ Ah, sie wurde rot. Dann hatte er wohl recht mit seiner Annahme, dass jedes Mädchen davon träumte. Er breitete ein wenig die Arme aus: „Reden wir etwas, dann wirst du sehen, dass ich zwar kein Prinz bin, aber doch ein potentieller Ehemann.“ Das war nicht gelogen. „Frage doch, wenn du etwas von mir wissen willst.“ Er vermutete nicht, dass ihre Fragen auch nur andeutungsweise in jene Bereiche vordringen würden, die er einstweilen zu verschweigen wünschte.

Ja, was wollte sie eigentlich wissen? Es war nett von ihm auf ihre Besorgnisse einzugehen, „Hast du auch solch ein Haus?“

„Nein. Ich lebe in einer Wohnung mit vier Räumen. So allein...Natürlich ist eine Familie etwas anderes. Da müsste ich mich eben diesbezüglich verändern.“

„Ja....Du hast keine Leibwächter?“

„Nein. Ich bin recht unbekannt, weißt du. Dein Vater ist Ratsmitglied, Fürst und steht in der Öffentlichkeit. Vielleicht brauche ich sie, wenn...ich meine, falls wir heiraten, aber momentan sicher nicht.“ Mit gewöhnlichen, menschlichen Überfällen wurde er als Hanyou fertig, zumal mit einiger Hilfe seiner Bekannten, – und Youkai machten das in aller Regel nicht. Die Folgen, die auf derartige Idioten warteten, waren dermaßen final, dass kaum einer über die Verträge hinwegsah. Der Inu no Taishou verstand es seine Leute an der Kandare zu halten. Manchmal durchaus zu seinem Bedauern, denn es gab nur wenige Youkai, die ihm bei seinem unterhaltsamsten Geschäftszweig als Kunden dienten, dafür aber gute Einnahmen bescherten. „Du möchtest sicher auch nach einer Heirat ein so großes Haus führen, wie hier, oder? Mit Einladungen?“

Sie mochte nicht zugeben, dass sich die privaten Einladungen ihres Vaters auf einen sehr kleinen Rahmen beschränkten und ihr Einführungsball der erste seiner Art gewesen war: „Ich habe das gelernt...“

„Gut, denn ich nicht. - Siehst du, ich brauche deine Unterstützung.“ Er blieb stehen und berührte ihren Kimonoärmel: „Soziale Sachen und so würdest du doch auch übernehmen?“

„Ja, natürlich.“ Sie starrte zu Boden, als sie murmelte: „Ich...ich würde gern noch etwas wissen...“

„Nun?“

„Hast du ein....eine....ein anderes Interesse?“

Onigumo, der sich viel auf seine Intelligenz und Weltkenntnis zu gute hielt, starrte sie überrascht an. Was sollte das? Was meinte sie? Dann erst dämmerte ihm was seine so altmodisch erzogene Cousine damit andeuten wollte: „Oh, nein. Ich habe keine andere Frau....Übrigens auch noch nie eine Lebensgefährtin gehabt.“ Ach du je. Allein diese Formulierung...Aber das bedeutete auch, dass sie sich nur nach einer dauerhaften Beziehung erkundigt hatte, neben einer möglichen Ehe, nicht nach einzelnen Geliebten. Das klang perfekt. Onkel Jiro hatte sie wirklich fügsam erzogen. Da konnte er sich tatsächlich die Grunderziehung sparen.

Sie amtete doch ein wenig auf, zuckte aber unwillkürlich zusammen, als sie seine Hand auf ihrer Schulter spürte. Niemand berührte sie, außer Eliza oder eben, wenn ihr jemand aus dem Auto half oder ähnliches. Das Intimste ihres bisherigen Lebens von Männern waren die Tänze auf dem Ball gewesen. So starrte sie instinktiv ängstlich zu ihm auf, spürte, dass er ihre Wange küsste. Es war ungewohnt, seltsam kalt, und sie spürte wie sie ein Schauder überlief, als eine ungekannte Angst durch ihre Adern stieg. War das der Spinnenanteil in ihm? Es fühlte sich an als blicke sie in einen dunklen Abgrund.

In jäher Panik riss sie sich los und floh förmlich, so rasch es der Kimono und ihre Sandalen zuließen, vorbei an ihrem Vater, ins Haus.
 

Onigumo starrte etwas perplex hinterher, zumal er hörte, dass sich Fürst Jiro näherte. Er wollte etwas Entschuldigendes sagen – auch, wenn er diese panische Reaktion nicht begriff – aber sein Onkel schüttelte den Kopf.

„Du warst wohl ein wenig zu stürmisch, mein Lieber. Izayoi ist ein sehr wohlerzogenes Mädchen.“

„Ich...ich bitte um Verzeihung, verehrter Onkel, aber....ich...ich habe eigentlich wirklich nichts...Ehrenrühriges getan...“ Nicht, dass diese dämliche Pute jetzt alles zerstört hatte. Dafür müsste er sie wirklich bestrafen...

„Hast du sie umarmt?“

„Äh, die Hand auf die Schulter gelegt....“ Ja, das war schon relativ intim, auch der schüchterne Kuss, zumal bei dieser altmodischen Erziehung, aber, das war doch quasi seine Verlobte. Hoffentlich blieb es dabei.

Fürst Jiro nickte nur: „Sie wird sich beruhigen. Du solltest ihr hinterher gehen. Und merke dir eines, vor allem für die Hochzeitsnacht – sei behutsam. Nicht einmal ich umarme sie.“

Dann war unberührt wohl noch untertrieben, jedoch eine gute Erklärung. Aber das war eine Aufforderung gewesen: „Ja, verehrter Onkel.“ Er gehorchte.
 

Izayoi war in das erstbeste Bad im Haus gestürzt und kühlte sich die Hände und das Gesicht . Hatte sie überreagiert? Vermutlich. Immerhin sollte ihr Cousin sie doch heiraten. Und ein Kuss auf die Wange mochte in diesen modernen Zeiten als harmlos gelten. Sie hatte das wohl wieder nicht gewusst....Wie so vieles. Onigumo hatte sich bemüht sie zu beruhigen – und sie lief ihm davon. Das war bestimmt nicht gut. Ihre seltsame Angst vor seiner Berührung kam gewiss auch nur aus ihrer Unerfahrenheit. Warum sollte er auch spinnenartig wirken – er sah gar nicht danach aus. Das war nur ein reines Vorurteil.

Sie trocknete sich ab und ging hinaus. Sie sollte sich wohl bei ihm entschuldigen... Ja, das war sie Vater schuldig.

Sie bemerkte, wer sich ihr näherte: „Takemaru? Ich brauche Sie nicht.“

„Sicher?“ Ihr Leibwächter verneigte sich: „Ich sah nur, dass Sie aus dem Garten kamen...“

„Äh, ja. Ich...ich war ein wenig erhitzt und wollte mich abkühlen.“

Der dunkle Blick glitt fast besorgt über sie: „Sie lügen schlecht, Izayoi-sama. Soll ich Sie zurück zu dem Fürsten begleiten?“

„Nein, danke.“ Ach du liebe Güte, jetzt hatte sie ihren Quasi-Verlobten wohl blamiert: „Es ist wirklich in Ordnung. Es...es lag nur an mir. Es ist alles in Ordnung. Mein werter Cousin und mein verehrter Vater waren sehr freundlich und entgegenkommend zu mir. Es war nur die Rede über eine mögliche Heirat, die mich ein wenig aufregte. Man heiratet nicht so oft...“

Takemaru Setsuna neigte höflich den Kopf. Es hatte ihn nichts anzugehen, aber er konnte nicht verhindern, dass er in den letzten Wochen mehr als nur ein Beschützergefühl für Izayoi entwickelt hatte. Und dass ihn ihr warmes Lächeln jetzt bis ins Innerste ergriff. Für dieses Lächeln wäre er bereit zu sterben.

„Danke, Takemaru,“ sagte sie leise: „Ich weiß Ihre Besorgnis wirklich zu schätzen. Aber es gibt nichts, vor dem Sie mich beschützen müssten.“ Oder auch nur könnten.
 

Onigumo war stehengeblieben, als er sein Mittel zum Erreichen des Fürstentitels und einiger Millionen im Gespräch mit einem anderen Mann entdeckte. Wer war das? Der trug Uniform, also wohl ein Angestellter. Anfang Dreißig, ein Mensch, schätzte er. Und den lächelte sie so an – ihn floh sie, obwohl er sich solche Mühe gegeben hatte? Was war der? Und viel schlimmer – was bedeutete der ihr?

Er drehte ab und hatte als Gast und Verwandter des Hauses bei einem scheinbar beiläufigen Gespräch mit einem Gärtner in wenigen Minuten den Namen herausgefunden. Takemaru Setsuna. Der Chauffeur und Leibwächter Izayois. Ja, war denn sein Onkel schon etwas bis sehr verkalkt? Ein so streng erzogenes Mädchen – und bekam einen relativ jungen, aber wohl durchaus gut aussehenden Mann als Leibwächter zugeteilt? Kein Wunder, dass sie sich in ihn verliebt hatte, bei solch romantischen Träumen, denen sie nachhing. Und ebenso kaum verwunderlich, dass dieser Takemaru seine Chance gesehen hatte und sich an sie herangemacht hatte. Jeder Narr wusste doch, was eine Heirat mit ihr bedeutete.

Das konnte er, Onigumo, ihm nicht durchgehen lassen. Dieser Kerl hatte es geschafft sich zwischen ihn und seine Ziele zu stellen. Und dafür würde er bezahlen. Alles, was er selbst tun musste, war, schleunigst einen Detektiv auf den zu hetzen. Jeder Mensch hatte Fehler.

Onkel vertraute dem Mistkerl, sonst hätte er ihm kaum zu seiner Tochter befohlen, also sollte er wirkliche, handfeste, Beweise liefern, damit der rausgeworfen wurde. Falls das nicht ging, so sollte er sich schon mal einen Plan B überlegen, sobald er alle Daten vorliegen hatte. Eines war jedenfalls klar: Takemaru Setsuna musste verschwinden. Schnell und ohne Aufsehen.
 

Und er sollte sich jetzt vorsorglich mal bei seiner naiven Cousine entschuldigen, die jetzt offenbar wieder in den Garten wollte: „Izayoi...“

Sie fuhr förmlich herum, neigte aber eilig den Kopf: „Es..es tut mir Leid, Onigumo...“

„Nein, mir tut es Leid. Ich habe für einen Moment vergessen, wie strikt du erzogen wurdest, und gab einem Impuls nach. Ich fand dich da einfach nett und hübsch und....Nun ja.“ Was konnte er noch mehr an Komplimenten für ein weibliches Wesen aufbringen?

Sie wurde rot: „Ich bin nur so erschrocken....Das hat noch nie jemand gemacht, weißt du....“

„Ich habe es bemerkt. Und ich kann dir versichern, dass ich künftig darauf Rücksicht nehmen werde.“ Zumindest, solange Onkel noch lebte, der Fürstentitel noch vergeben war, und Jiro die Hand auf dem Geld hatte. Dann würde eben immer irgendeine andere dumme Pute unter ihm leiden müssen, wenn er sich bei seiner Angetrauten zurücknahm. Er schätzte Dominanz – und eines Tages würden ihm Menschen und Youkai beiderlei Geschlechts zu Füssen liegen. „Komm jetzt, dein Vater erwartet uns im Garten.“
 

Tatsächlich atmete Fürst Jiro auf, als er Tochter und Neffen in Eintracht auf sich zukommen sah. Ja. Onigumo war wohl etwas etwas vorschnell gewesen, nun gut. Das war bei einem jungen Mann nicht verwunderlich, ebenso, dass jemand, der diese neumodischen Sitten kannte, leicht Izayoi verschrecken konnte. Womöglich sollte er selbst seine Tochter doch noch aufklären was ihr Gatte von ihr wollte? Aber, das sollte doch Miss Oberton erledigt haben, für was hatte er denn eine Erzieherin fast zwanzig Jahre beschäftigt. Nein, Izayoi kannte sicher die Theorie, war nur ein wenig über das kühne Vorgehen erschrocken. Nun, Onigumo hatte zugesagt sich zurückzunehmen und sie musste sich eben an das gewöhnen, was ihr Mann von ihr verlangte. Respekt und Gehorsam würde sie ihm jedenfalls entgegenbringen, da war Jiro Fukuwara absolut sicher.

Nachdenken

Alles in allem war Onigumo mit dem Verlauf des Sonntags zufrieden. Onkel Jiro hatte ihn für das nächste Wochenende erneut eingeladen. Izayois ängstliche Reaktion auf sein eigentlich behutsam geglaubtes Vorgehen war überhaupt nur gut – sie würde ihm keinen Ärger bereiten.

Das tat allerdings dieser Leibwächter und augenblicklich am Montag hatte er eine Detektivagentur damit beauftragt alles über den jungen Mann herauszufinden. Natürlich hatte er nicht den wahren Grund genannt, sondern nur, er wolle wissen, mit wem seine Fast-Verlobte so umgehe. Das war nur zu üblich. Schließlich wollte keine Familie sozusagen über Leichen im Keller stolpern.

Über dieses Wortspiel musste er dann doch lächeln.

Ja, zum Glück konnte niemand, selbst wenn Fürst Jiro ihn durchcheckte, was dieser sicher bereits getan hatte, etwas finden. Das Allermeiste war legal – und sein kleiner Nebenerwerb gründlich abgesichert. Leute, die sich die Finger verbrannten, verstanden eben nichts vom reizvollen Spiel mit dem Feuer.

Jetzt allerdings sollte er eines der Lokale verkaufen. Der Wink mit den Aktien war gewiss nicht umsonst ausgesprochen worden. Falls da welche auf den Markt kamen – und sie wurden weltweit zugegeben selten verkauft, da sie als sicher und mit einer guten Rendite galten, sollte er zugreifen können.

Und dann konnte er für das folgende Wochenende nicht nur seinen Plan in Richtung auf den Namen und das Vermögen der Fukuwaras weiterverfolgen, sondern auch seine neue Lieferung erwarten. Nur zwei diesmal, aber schöne, junge Mädchen. Er sollte die Interessenten schon einmal informieren, dass eine Versteigerung bevorstand. Es war aufwendig im Verhältnis zum Gewinn und der Geschäftsmann in ihm sträubte sich ein wenig, aber seine dominante Seite genoss das Schauspiel.
 

Seine gute Laune verschwand erst am Freitag, als er die Neuigkeiten von der Sitzung des Rates der beiden Völker sah. Ein Geschäftsmann musste immer informiert sein und die Beschlüsse des Rates waren, soweit es das Zusammenleben von Menschen und Youkai betraf, auch für die menschliche Gesetzgebung bindend. Er selbst hatte sich stets unter menschlichem Recht gesehen – und war alles andere als entzückt, dass Hanyou nun der Youkairechtsprechung unterstellt werden sollten. Angeblich, um deren dämonische Energie besser zu verstehen und lenken zu können.

Wieso jetzt? Und wer war der Idiot gewesen, der das vorgeschlagen hatte? Noch viel schlimmer: wieso hatte Onkel Jiro da zugestimmt? Ratsbeschlüsse mussten einstimmig gefasst werden. Dass der Inu no Taishou „ja“ gesagt hatte war dagegen weniger verwunderlich. Noch ein paar Leute mehr, die ihm unterstanden. Den anderen Youkai war es sicher gleich gewesen, den Menschen ebenso. Hanyou galten mindestens als uninteressant, wenn nicht als ausgestoßen. Und es existierten nur wenige davon. Nur, wieso Onkel Jiro....Gleich, er hatte es getan.

Leider beschränkte sich die Rechtsprechung bei Youkai nicht auf Gefängnis, aus dem er, Onigumo, stets gehofft hatte im ärgsten Fall dank seiner Hanyoukräfte entkommen zu können. Die Strafen unter Youkai sahen Einsperren gar nicht vor und wenn, dann in einem mehr als soliden Bannkreis irgendwo in der Einsamkeit. Meist allerdings hieß das Urteil Tod.

Wirklich, zum Glück war er immer vorsichtig gewesen. Und vielleicht sollte er es noch mehr werden. Seine kleinen Vergnügungen waren nicht so hoch anzusetzen wie seine Sicherheit und sein Leben. Auch als Fürst Fukuwara, und womöglich dann Ratsmitglied, konnte er seinem Wunsch nach Macht nachkommen. Er sollte seinen Geschäftspartnern in Übersee schreiben, dass die Spenden für ihren Verein aufhören mussten, da er einstweilen keine Lieferungen mehr empfangen konnte.

Aber wieso war der Rat ausgerechnet jetzt auf Hanyou aufmerksam geworden? Seit er auf der Welt war und auch davor hatte sich doch niemand um die Halbblüter geschert?

Ja, genau.

Izayois Geburtstagsfeier. Er war anwesend gewesen und fast der gesamte Rat: Onkel Jiro, der Taishou, Maseo, alle vier Menschen, natürlich nicht der Kaiser und irgendwer bei den Youkai hatte auch gefehlt...Aber das musste es gewesen sein. Er war aufgefallen, als Familienmitglied und durchaus geschätzter Gast, immerhin hatte Onkel Jiro ihn dem Youkaifürsten vorgestellt. Irgendein Narr hatte erkannt, dass es keine Gesetze zu Hanyou gab. So, wie er den Fürsten Fukuwara inzwischen kannte, hatte der tapfer zugestimmt um eine formelle Gesetzeslücke zu schließen, ohne sich bewusst zu sein, dass die Rechtsprechung bei Menschen und Youkai vollkommen anders war – und, dass der Quasi-Verlobte seiner heißgeliebten Tochter die Finger im Mädchenhandel hatte.

Tja, schlecht gelaufen, aber er war kein Mann, den ein misslungener Plan störte.

Das hieß nur, dass er weniger Aufregung und weniger Spaß hatte, und dass er vorsichtiger in dieser Richtung sein musste.

Eigentlich hatte das sogar einen gewissen Vorteil.

Nach Onkel Jiros Tod war Izayoi seine Frau und damit nach Youkairecht seine Untergebene. Niemand würde etwas sagen oder auch nur sagen können, wenn er sie bestrafte.

Noch ein oder zwei so langweilige Wochenenden, dann würde die Verlobung abgeschlossen sein. Und ganz sicher stieg er allein mit der öffentlichen Bekanntmachung schon gesellschaftlich auf.

Jetzt jedoch sollte er sich endlich einmal wieder um seine Lokale kümmern.
 

„Verehrter Vater?“

Der Inu no Taishou, wie stets zuhause in für ihn bequemeren altmodischen Kleidung, sah auf: „Komm nur, Sesshoumaru.“ Er deutete rechts neben sich auf die Matte und schob den Laptop zurück.

Sein Sohn nahm neben ihm Platz: „Danke.“ Er legte möglichst wie absichtslos seine eigene Boa seitwärts um ja nicht mit Vaters Fellteilen in Berührung zu kommen. Eine derart unverschämte Annäherung würde Folgen haben, bedeutete das doch ein nur scheinbar unauffälliges Messen der Energien. Im Prinzip war das unter schwerttragenden Youkai bereits eine Aufforderung zum Duell.

„Privat oder geschäftlich?“

„Vermutlich geschäftlich.“

Das war ungewöhnlich und so nickte der Youkaifürst ein wenig. „Aber vertraulich.“

„Sie haben mich angewiesen Geld für einen möglichen Aktienkauf bereitstellen zu lassen, falls Fürst Fukuwara stirbt. Daraufhin ließ ich diese Unternehmen ein wenig näher beleuchten.“

„Vernünftig. Ich hätte selbst darauf kommen müssen. Aber deine Leute fanden etwas?“ Wenn auch kaum auf legalem Weg. Aber Spionage gehörte seit Jahrhunderten zum Geschäft.

„Vor zwei Jahren begann der Bau eines neuen Freizeitparks im Westen. Kurz zuvor hatte Fürst Jiro allerdings sämtliche Liquidität seiner Firma für den Kauf einer konkurrierenden Hotelkette in Übersee aufgebraucht. Da die notwendigen behördlichen Genehmigungen schneller erteilt wurden als er wohl gerechnet hatte, verkaufte er eigene Aktien um Geld hereinzubekommen.“

Der Inu no Taishou richtete sich etwas auf. „Er verkaufte Aktien? Dann hat er jetzt weniger als die Hälfte?“

„Ja, verehrter Vater.“

„Kein Wunder, dass er das verschweigen will. Der Freizeitpark ist noch im Bau und er dürfte kein Geld für einen dementsprechenden Rückkauf haben. - Hat jemand die Sperrminorität?“

„Niemand hat fünfzehn Prozent, auch nicht siebeneinhalb, was zusammen mit dem Anteil Fürst Jiros die absolute Mehrheit bilden würde. Sie sind interessiert?“ Er war zufrieden etwas gefunden zu haben, was sein Vater übersehen hatte.

„Mehr denn je. Erhöhe das Limit ab dem die Makler kaufen.“ Um seinen Sohn weiter anzulernen, fügte er hinzu: „Mit etwas über sieben Prozent der Fukuwara-Aktien kann man den Besitzer des ganzen Konzerns unter Druck setzen. Gleich, ob Onigumo oder sonst wer.“

„Haben Sie daran gedacht, was geschieht, wenn die Prinzessin selbst übernehmen möchte?“

„Dann sinkt der Kurs überaus rapide, es kommt zu einem förmlichen Ausverkauf – und schlimmstenfalls geht der Konzern pleite. Aber es ist eine sehr gesunde Firma. Jiro hat nur den Fehler begangen die Aktien zu verkaufen – also werde ich kaufen. Auch so kann man unser Geschäft arrondieren.“

Da die Alternative darin bestand diese Izayoi zu heiraten meinte Sesshoumaru wohlerzogen und durchaus erleichtert: „Danke, verehrter Vater.“
 

Fürst Fukuwara rieb sich ein wenig den linken Ellbogen. Seit Tagen spürte er immer wieder wie seine Finger taub wurden, die Nerven im Ellbogen lahm gelegt wurden. Das konnte nichts Gutes bedeuten, das wusste er. Und ihm war klar, dass er seinen dritten Herzinfarkt nicht überleben würde. Umso wichtiger wäre es alles in Ordnung zu bringen – aber der Rückkauf der Aktien, den er sich so ersehnte, blieb ihm versagt. Das Kreditvolumen war nicht völlig ausgeschöpft, aber ein so großer und neuer Freizeitpark...es konnte immer noch einiges schief gehen, er mehr Geld benötigen. Nein. Vorsicht war bei Kalkulationen stets geboten. Leider bedeutete dies in seinem Fall die Gefahr den absoluten Einfluss auf das gesamte Unternehmen zu verlieren.

Kanave, der engste Mitarbeiter, neigte sich vor: „Mein Fürst...“

„Ich weiß, was du sagen willst, ich soll Onigumo aufklären, ja. Das wäre nur fair. Aber ich muss an Izayoi denken. Sicher, sie erhält die Millionen, aber eben nicht die Kontrolle. Und auch Gerüchte sind eine Sache, der man sich stellen muss.“

„Äh, nein, ich meinte, wenn Sie der Prinzessin....es ist ihr Erbe...“

„Unsinn. Izayoi hat keine Ahnung von Wirtschaft, sie durfte nur ausgewählte Dinge im Fernsehen sehen, keine Liebesromane lesen, um sie nicht zu verwirren. Glaubst du wirklich, sie kann verstehen, wo das Problem liegt? Ich habe sie dazu erzogen die Herrin eines großen Hauses zu sein, Köche, Gärtner anzuleiten. Ich wollte sie in eine gute Familie geben....und Hitoshi sollte die Firma übernehmen.“ Ja. Und mit dessen Tod war alles den Bach runtergegangen, um es vulgär auszudrücken. Schon mit neunzehn war es zu spät gewesen eine grundlegende Änderung in der Erziehung seiner Tochter herbeizuführen. Das hätte sie nur mehr verwirrt. Sie war hübsch, freundlich, ein Püppchen, mit dem sich jeder gern schmücken würde, zumal der Fürstentitel und der Konzern an ihr hingen. Wenigstens das Testament hatte er derart abfassen können, dass sein Schwiegersohn nur die Verwaltung übernahm, für Izayoi und mögliche gemeinsame Kinder, aber nie der Alleinerbe werden konnte. Und jetzt musste er das letzte Familienmitglied bedenken, das er noch besaß. Einen Hanyou. Sicher, Onigumo machte einen guten Eindruck, aber er war eben zur Hälfte eines dieser Höllenwesen, die niemals in die Erleuchtung gelangen würden, ja, den Gegenpol zu den Göttern darstellten.

Und dennoch...Falls auch Onigumo absprang, sei es, dass der sich nicht vorstellen konnte, Izayoi zu nehmen, was wiederum den stolzen Vater etwas empören würde, sei es, dass der die Sache mit den Aktien herausfand und sich betrogen fühlte...wer blieb dann noch?

Ein junger, netter Mann, Mensch, kein Mitgiftjäger, also aus reicher Familie, daher in der Lage den Konzern zu führen...

Sein linker Arm schmerzte. Nun gut. Er musste einen anderen, letzten, Plan wohl doch in die Tat umsetzen, einen, von dem er nicht nur aus persönlichem Stolz gehofft hatte, das nie aussprechen zu müssen. Aber der Antrag des Inu no Taishou bei der letzten Ratskonferenz war ihm wie ein Zeichen erschienen. Wenn Hanyou künftig der Gerichtsbarkeit der Youkai unterlagen...

Gut. Das bedeutete, dass er vor einem Mann zu Kreuze kriechen musste, den er um seiner Herkunft willen verabscheute. Aber der Fürst der Youkai war im schlimmsten Fall der Einzige, der jetzt die Macht und das Recht hatte Izayoi gegen einen Hanyou zu beschützen: „Kanave, rufe im Vorzimmer des Inu no Taishou an. Ich möchte ein unverzügliches Treffen mit ihm. Anschließend brauche ich einen dringenden Termin beim Kardiologen.“ Erst seine Tochter schützen, dann an sich denken...
 

Der Inu no Taishou war verwundert, aber ließ seinen Ratskollegen zwischen die übrigen Termine schieben und erwartete ihn in einem privaten, altmodischen Besprechungszimmer, das beide als angenehm empfanden. Wie stets im Büro trug der Youkaifürst einen schwarzen Anzug, die langen Fellteile hinter sich. Auch Fürst Jiro war westlich gekleidet und neigte höflich den Kopf.

„Danke, dass Sie mich so rasch empfangen.“

„Setzen Sie sich.“ Wollte ihm Fukuwara etwa beichten dass Aktien fehlten, ja, ihn um Hilfe bitten? Das wäre sehr unüblich, um nicht zu sagen, ungeschickt. Aber, was war es dann? „Möchten Sie Tee?“

„Nein, danke.“ Tja, wie sollte er das sagen: „Äh, es geht nicht um eine Ratssache, auch nichts Geschäftliches. Dieser Besuch ist rein privat. - Wir haben im Rat vergangene Woche zugestimmt, dass Hanyou ab sofort der Gerichtsbarkeit der Youkai unterstehen, und so eine Gesetzeslücke geschlossen. Wenn ich....richtig informiert bin, sind Sie in diesem Fall der Richter.“

„Ja.“ Dachte Jiro an seinen potentiellen Schwiegersohn?

„Sie haben auf dem Fest ohne Zweifel bemerkt, dass ich es gern sehen würde, wenn meine Tochter ihren Cousin heiratet, um den Fürstentitel zu bewahren und auch die Unternehmen in der Familie zu belassen.“

Der Inu no Taishou nickte, wirklich ratlos, was sein Besucher von ihm wollte. Jiro, mit all seinen Vorurteilen gegen Youkai, konnte doch kaum in Erwägung ziehen seine Tochter Sesshoumaru anzubieten? Und, wenn ja: was hatte Onigumo angestellt? Fukuwara redete immerhin von Rechtsprechung. Oder gab es etwas anderes? Der Geruch nach Krankheit und nahendem Tod war immer deutlicher in der letzten Zeit geworden. Jiro Fukuwara hatte nicht mehr viel Zeit um seine irdischen Dinge zu ordnen, und das musste er wissen.

Der Youkai war nicht gerade eine große Hilfe, dachte Fürst Jiro, aber was erwartete er auch von einem dieser Geschöpfe. Gefühle waren ihnen fremd und einiges andere auch. So musste er es wohl erklären, gleich, wie peinlich ihm das auch erschien: „Ich habe ein Testament geschrieben und bei Gericht hinterlegt, in dem Izayoi alles erbt, ihr zukünftiger Ehemann jedoch das Recht hat es zu verwalten, für sie und ihre gemeinsamen Kinder. Der Fürstentitel steht ihm natürlich sowieso zu, über diesen kann ich nicht verfügen. - Taishou, ich habe nicht mehr viel Zeit und ich weiß nicht, ob die Heirat von Izayoi mit Onigumo noch vor meinem Tod stattfinden kann. Aus diesem Grund möchte ich Sie bitten das hier zu unterschreiben.“ Er zog Papier aus seiner Tasche und reichte es hinüber.

Der Youkaifürst nahm es verwundert, las jedoch, ehe er aufblickte: „Sie wünschen, dass ich Izayoi beschütze.“

„Nach einer Heirat wird es ihr Ehemann tun, da bin ich sicher. Aber wären Sie willens dafür zu sorgen, dass meine Tochter....die richtigen Entscheidungen trifft und das unterschreiben?“ Er brach ab, da er plötzlich das Gefühl hatte in einem Schneesturm zu sitzen. Um sein Gegenüber hatte sich eine seltsame schwarze Wolke gebildet.
 

Einige Zimmer weiter hob Sesshoumaru ebenso den Kopf wie alle seiner Art in dem Stockwerk. Vater schien erbost zu sein, wenn er sein Youki derart zeigte – nun, er entsann sich einige Male, als ihm das als Kind und Heranwachsendem widerfahren war, und er vermutete schwer der Unglückliche wünschte sich jetzt an das andere Ende Japans. Mit einem zornigen Youkaifürsten war nicht zu spaßen. Ihm persönlich hatte das neben öfteren verschärftem Straftraining auch einmal ein überaus unangenehmes Wochenende in einem Bannkreis über einem aktiven Vulkankrater beschert, als er gegen die erste Züchtigung protestiert hatte und auch noch Vaters Autorität bezweifelte. Ein sehr guter Grund das kein zweites Mal erleben zu wollen. Welcher Narr Vater nur so aufgebracht hatte?
 

Fürst Jiro bemerkte, dass sein Wunsch äußerst ungut aufgenommen worden war. Instinktiv verneigte er sich bis zum Boden, in Demut sein Überleben suchend. Das musste das sein, war das, was man Youki nannte, dämonische Energie, was diese Höllenwesen von Menschen trennte. Es war nur die Liebe zu Izayoi, die ihn hervorbringen ließ: „Ich...ich bitte um Verzeihung...ich wollte nicht beleidigend sein...Sie ist ein Mensch und geht Sie nichts an, das weiß ich, aber...Bitte...“

Der Inu no Taishou atmete durch, da er erkannte, dass der Mensch ihm gegenüber die Angelegenheit wohl anders gemeint hatte, oder auch nur anders sah, als ein Youkai. So nahm er seine Selbstbeherrschung wieder auf und verbarg damit seine Energie. „Sie haben mich beleidigt, Jiro, wenn Sie diesem Stück Papier...“ Er warf es verächtlich zu Boden: „Mehr Vertrauen schenken als meinem Wort.“

„Ich wollte Sie nicht beleidigen, edler Fürst, und bitte Sie um Vergebung.“ Fürst Fukuwara wagte es sich wieder aufzurichten. Sein Herz raste, das spürte er. Noch einige solcher Belastungen und der beste Kardiologe würde ihm nicht mehr helfen können. „Ich vertraue Ihnen, sonst wäre ich nicht hier. Ich dachte nur an Ihre...Rechtfertigung Izayoi gegenüber oder auch anderen Menschen...“

„Ich muss mich vor niemandem rechtfertigen.“

„Bitte, edler Taishou....Sie haben einen Sohn, verstehen Sie mich als Vater. Man möchte doch das Beste für die Kinder...“

Das stimmte. Und Jiro benahm sich wirklich eigen, zumal für einen Mann, der ihm selbst seit Jahren Misstrauen entgegenbrachte. Er musste verzweifelt sein und suchte dringend Hilfe für sich...nein, für seine Tochter. Das war ein eindeutiger Beweis, dass er wusste, wie schlecht es um ihn stand. „Ich werde ein Auge auf Izayoi halten, falls es Ihnen oder jemand anderem nicht möglich sein sollte.“

Jiro Fukuwara atmete auf: „Ich danke Ihnen vielmals. Danke.“ Dann konnte Onigumo Izayoi sicher nicht mehr sitzen lassen, auch, wenn er von den fehlenden Aktien erfuhr.
 

Die Prinzessin saß derweil, wie oft in ihrer Freizeit jetzt, vor dem Computer und suchte nach Dingen, die sie nie zuvor interessiert hatten, vor allem über Youkai. Heute wollte sie endlich etwas über diese seltsamen Fellteile des Youkaifürsten finden, die ja auch sein Sohn, wenngleich nur einfach besaß.

Oh. Sie spürte, wie sie glühend rot wurde, als sie las, dass es sich dabei um Körperteile handelte, ähnlich dem Schwanz eines Tieres. Und sie hatte ihn da angefasst. Nun gut, er hatte sie sogar aufgefordert dazu.. Aber, war das nun schicklich oder nicht? Ein Schwanz oder eher eine Art Flügel, da sie ja an den Schultern hingen? Und was sollte das heißen: solche Anhängsel seinen sehr selten, ein Statussymbol, da nur wenige der schwerttragenden Youkai nicht in der Lage seien ihre Energie auch in einem scheinbar menschlichen Körper zu lagern? Youki, dämonische Energie. Was war das? Sie suchte weiter „Youki der Youkai, der Name kommt daher, ähnlich dem Genki der Götter. Magische Energie, die Menschen verwehrt ist und von ihnen nicht genutzt werden kann. Über je mehr Youki ein Dämon, oder auch ein Drache, verfügt, umso mächtiger ist er. Die Menge der zur Verfügung stehenden Energie wird von Eltern auf Kinder vererbt. Daiyoukai oder Fürsten der Youkai sind die Mächtigsten, von denen es nur sehr wenige gibt. Der Wichtigste und Bekannteste von ihnen ist der Inu no Taishou. Insgesamt sind die Tiergeister, die Mononoke, mit mehr Youki ausgestattet als gewöhnliche Youkai anderer Arten.“
 

Sie schüttelte sich ein wenig. Tiergeister. Ja. Er war ein Inuyoukai, ein Hund, sein Sohn, dieser Sesshoumaru dann ja auch, Onigumo hatte eine Spinne zur Mutter, Maseo, der andere Youkai aus dem Rat, war ein Wolf.....Und doch lebten sie einfach so unter Menschen, trugen die Gesetze mit. Was waren sie nur wirklich? Monster, Höllenwesen oder hatten sie sich einfach den Menschen angeglichen und unterschieden sich kaum mehr?

Sie hob den Kopf, als sie ein leises Klopfen gehört hatte: Ja?“

„Verzeihen Sie die Störung, Izayoi-sama. Der Herr rief soeben an, Sie möchten ihn nicht zum Abendessen erwarten, da er noch zum Kardiologen geht.“

„Danke. - Erwähnte er noch etwas?“

„Nein. Nichts zu seinem Gesundheitszustand.“

Schlechte Neuigkeiten

Fast zwei Wochen später lag Onigumo der Bericht der Detektei über Takemaru Setsuna vor. Er las ihn und ließ ihn wieder sinken. Das Ärgste, was man über diesen Mann aus alter Samuraifamilie sagen konnte war, dass er an seinem freien Tag mit Kollegen zum Karaoke-Singen ging. Das war sicher kein Grund für Onkel Jiro den zu entlassen. Es musste also einen anderen Weg geben, denn er hatte bei den letzten Treffen an den vergangenen Wochenenden durchaus eine gewisse Zurückhaltung bei Izayoi erkannt, die er nicht mehr ihrer Erziehung zugute halten konnte. Sicher, sie war höflich, plauderte wohlerzogen, aber sie mied jede Berührung, ja, auch nur mit ihm allein zu sein. Da sich ihr Vater jedoch dazu durchgerungen hatte mit ihm schon einmal über geplante Geschäfte seines Tourismusunternehmens zu reden, war dieser sicher nicht gegen eine Verlobung. Es konnte also nur an diesem Takemaru liegen. Er musste aus Izayois Umfeld verschwinden.

Nur, wie? Den zu einer Kündigung zu erpressen – mit was denn bei diesem geradezu blütenreinen Lebenswandel? Ihn zu überfallen und zu bedrohen? Nutzlos. Nach dem Detektivbericht war er der Fürstenfamilie Fukuwara bedingungslos ergeben. Ihn umbringen? Das sollte mit den doch deutlich höheren Hanyoukräften zwar möglich sein, aber die Idee hatte gleich mehrere Haken. Zum Einen hatte er noch nie jemanden ermordet, war sozusagen ein Anfänger – nun ja, nicht direkt –, der Fehler machen würde, und zum Anderen brachte das ihn nur selbst in Gefahr. Auf Mord an Menschen stand nach dem Youkairecht, dem er ja leider jetzt unterlag, der Tod. Und Inuyoukai besaßen eine noch bessere Nase als sonst schon Hunde. Das waren lebende Lügendetektoren. Sinnlos, da etwas zu leugnen, was man getan hatte. Nein, kein Mord....Es sei denn, es passierte dem ach so loyalen Leibwächter ein kleiner Unfall.

Das musste gut überlegt werden. Am Sonntag war er wieder zu Onkel Jiro eingeladen, diesmal zu einer Teezeremonie, und er vermutete schwer, dass es bei diesem doch recht intimen Beisammensein endlich um die Verlobung gehen würde. Bis dahin sollte sein Plan stehen diesen Samurai verschwinden zu lassen. Das Ärgste, was jetzt passieren konnte, war, dass der Onkel das Zeitliche segnete und dieser Takemaru Izayoi heiratete, ihm selbst den Titel und die Millionen vor der Nase wegschnappte. Nun, er sollte lieber gründlich nachdenken. Und am Besten noch mehrere Alternativen überlegen, für jeden nur vorstellbaren Fall.

Am Einfachsten wäre es freilich es käme endlich zu einem Eheversprechen, das möglichst auch noch öffentlich gemacht wurde, dann konnte seine Cousine nicht mehr zurück, gleich, was geschah.
 

Auch Izayoi dachte nach, als sie ihren fast täglichen Spaziergang durch den Park des Großen Tempels unternahm, wie immer in einiger Entfernung gefolgt von ihrem Leibwächter. Am Sonntag kam Onigumo wieder, diesmal zu einer Teezeremonie im kleinen Haus im Garten. Sie würde den Tee nach alter Tradition zubereiten und ihr Vater hatte ihr schon zu verstehen gegeben, dass er doch hoffe, dass ihr Cousin ihr dann die entscheidende Frage stellen würde. Er selbst wollte dann mit ihm einen Ehevertrag aufsetzen, ja, hatte seine Anwälte bereits gebeten Vorschläge dafür auszuarbeiten. Warum nur widerstrebte ihr diese Aussicht? Sie hatte doch von Anfang an, genauer, seit ihrem Einführungsball, gewusst, worauf Vater abzielte, dass Titel und Geld in der Familie bleiben sollten. Und sie war ja auch bereit dazu. Überdies konnte sie nichts gegen Onigumo vorbringen, das ihr jemand glauben würde. Er sah nicht schlecht aus, war jung, höflich zu ihr, hatte geschäftliches Geschick bewiesen... Und alles, was sie gegen ihn einwenden konnte, war das Gefühl, das sie bekommen hatte, als er ihre Wange küsste, dieser eiskalte Schauer. Ob das daran lag, dass er ein Hanyou war? Gab es dieses Gefühl wirklich oder hatte sie sich nur so erschrocken und sich allerlei eingeredet, was gar nicht den Tatsachen entsprach? Immerhin hatte er sich für die Annäherung entschuldigt und achtete seither sorgsam darauf ihr nicht zu nahe zu kommen. Was wollte sie mehr? Gut, sie mied auch jede Gelegenheit mit ihm allein zu sein, aber...Sie machte sich nur selbst irre. Sie würde ihn nach der Hochzeit besser kennenlernen, sich in ihn verlieben und dann würden solche Albernheiten sicher von allein verschwinden. Sie musste ihre Pflicht tun.

„Guten Morgen, Prinzessin.“

Sie schrak zusammen, als sie feststellte, dass sie um ein Haar in jemanden gelaufen wäre, der auf einem Querweg entlangkam – nicht nur in irgendwen. Hastig verneigte sie sich höflich: „Guten Morgen, edler Fürst.“ Wie peinlich. Nicht nur ein Ratsmitglied sondern einen Youkaifürsten fast umzulaufen...Hätte er sie nicht angesprochen und wäre selbst stehengeblieben, hätte sie ihn erst beim Zusammenprall bemerkt. Sie spürte, dass sie vor Verlegenheit rot wurde. Wie ungemein taktlos einen so hochrangigen Mann zum Stehenbleiben zu zwingen, weil man den Kopf in den Wolken hatte.

„So in Gedanken?“ erkundigte er sich.

Er hatte es bemerkt, das machte es nicht besser: „Verzeihen Sie...“ Er trug schwarzen Anzug und natürlich die Fellboas, von denen sie inzwischen wusste, dass es Teile seines Körpers waren. Ja, er war kein Mensch, ein Höllenwesen. Soweit sie erkennen konnte, da sie den Kopf nicht nur aus Höflichkeit geneigt hielt, hatte er seine langen, weißen Haare wie immer zu einem Zopf zusammengebunden.

„Begleiten Sie mich ein wenig.“

Das war keine Frage, eher ein Befehl, aber Izayoi fand keine Ausrede, die einigermaßen verbindlich gewesen wäre. Und sie wollte doch diesen mächtigen Mann, dieses mächtige Wesen, nicht verärgern. „Wie Sie wünschen.“ Da er sich umwandte trat sie an seine Seite.
 

Sie spazierten eine Weile schweigend nebeneinander, im Abstand gefolgt von den drei Personenschützern, zwei Youkai und Takemaru Setsuna, die alle drei beruhigt feststellten, dass die jeweils andere Partei ebenfalls professionell handelte und nur die Schützlinge und die Umgebung im Auge behielt, nicht die jeweiligen anderen Leibwächter.

Nach einer Weile erkundigte sich der Taishou, da seine Begleiterin noch immer nach unten blickte: „Dachten Sie an Ihren Vater, Prinzessin?“

„Auch,“ gestand sie: „Sie wissen, dass er...“

Über den nahenden Tod sollte er nichts sagen, zumal er seit seinem Gespräch mit Fürst Fukuwara vermutete, dass Jiro seine Tochter da anlog: „Ich weiß, dass er sehr krank ist und sich mehr schonen sollte.“

„Ja.“ Natürlich. Er war auch im Rat und sah ihren Vater oft genug. „Darf ich...darf ich Sie etwas Persönliches fragen?“ platzte sie heraus.

Der Taishou dachte unwillkürlich an einen Tag vor langer Zeit, als ihn ein Youkai das Gleiche gefragt hatte. Er hatte mit einer Handbewegung mehrere Bäume in einiger Entfernung gefällt, ehe er geantwortet hatte: Frage nur...Bis heute wusste er nicht, wie die Frage gelautet hätte, da sich der Andere eilig zurückgezogen hatte. Aber das war etwas Anderes: „Unter einer Bedingung.“ Er blieb stehen, sie damit praktisch zwingend das ebenfalls zu tun: „Sie sehen mich bei der Frage an. In meine Augen.“ Als sie das das erste und bislang letzte Mal getan hatte, hatte sie ihn so offen angelächelt, nach ihrem Tanz...

Jetzt musste sie auch die Frage stellen, sonst wäre das unhöflich, wenn er schon so freundlich war ihr das zu erlauben. So zwang sie sich in diese eigenartigen Augen aufzublicken, die fast golden schimmerten. Aber in ihrem Hintergrund leuchtete etwas anderes, das verriet, dass es keine Menschenaugen waren, die sie musterten. Seltsamerweise spürte sie keine Angst vor ihm, nicht einmal, als ein rasch aufblitzendes Lächeln seine Fangzähne zeigte. Es erinnerte sie nur, für sie überraschend, an den weißen Hund auf dem bestickten Kimono, den er ihr geschenkt hatte: „Ich...ich habe im Internet nachgesehen, edler Fürst. Ihr Sohn heißt Sesshoumaru, auch andere Ratsmitglieder haben Namen....Aber bei Ihnen stand nie einer.“

Kurioserweise schmeichelte es ihm, dass sie anscheinend etwas über ihn herausfinden wollte. Nun, ihren Vater hatte sie sicher kaum fragen können oder wollen. Ihre schwarzen Haare fielen so lang und unglaublich dicht über ihren Rücken. Er ertappte sich bei dem Wunsch seine Hände hinein zu graben, nur um zu erfahren wie es sich anfühlte. Ihre Augen waren ebenso dunkel, zeigten gerade gewisse Nervosität, aber auch eine Wärme, die von Herzen kam, um ihren Mund lag ein gewisses, verlegenes Lächeln... Doch, es war richtig gewesen Jiro zu versprechen sie zu beschützen, wenn es notwendig wäre: „Das liegt daran, dass ich keinen besitze. - Als ich geboren wurde war es unüblich Kindern Namen zu geben. Diese erhielten erst die Erwachsenen, nach ihren Taten. Nennen wir es Kriegsnamen oder Ehrennamen. Zu dieser Zeit kämpfte ich bereits um den Titel des Taishou. Da ich gewann wurde das mein Name. Später erhielten auch Welpen, Kinder, Namen schon bei der Geburt, als Zeichen, dass der Vater sie anerkennt.“

„Danke,“ flüsterte sie mehr als sie es aussprach. Wie alt er wohl sein mochte? Aber das konnte sie jetzt unmöglich fragen, um nicht seine Geduld zu strapazieren. Er sah aus wie ein relativ junger Mann, Mitte Dreißig, aber das täuschte sicher. Sein Sohn schien ja schon so alt wie sie und das war ein menschlicher Irrtum.

„Gehen wir weiter, Prinzessin. - Wollen Sie mehr über meine Art herausfinden?“

„Ja....Ich möchte natürlich nicht meinem Vater gegenüber ungehorsam erscheinen,“ beteuerte sie eilig, froh, geradeaus gucken zu können und nicht mehr in diese rätselhaften Augen.

„Ich zweifele nicht daran, dass Sie eine überaus respektvolle Tochter sind. Bedauerlicherweise neigt Ihr verehrter Vater zu einigen Vorurteilen was meine Art betrifft. Obgleich unsere Zusammenarbeit tadellos abläuft.“ Er dachte an Jiro Fukuwaras Besuch bei ihm. Trotz aller Bedenken war dieser zu ihm gekommen – sicheres Zeichen dafür, wie ernst sein menschlicher Ratskollege die Sache genommen hatte. Es war bestimmt kein einfacher Weg für Jiro gewesen ihn um etwas zu bitten. „So finde ich es nur ..diesen Zeiten angemessen, dass Sie versuchen zu verstehen, wer mit Ihnen in einer Stadt lebt. Zumal Sie einen Hanyou als Cousin haben.“

„Onigumo, ja, woher... Oh, wie töricht von mir, Sie kennen ihn natürlich. Er war ja auch auf meinem Ball.“ Es war gut, wenn sie ein wenig von dem heiklen Thema kamen. Und dann fragte sie doch: „Gibt es viele Hanyou?“

„Nein. Ihr Vater ist nicht der Einzige mit Vorurteilen, auch viele Youkai missachten Menschen. Überdies ist es manchmal schwierig.“

Sie stellte sich eine riesige Spinne vor und schauderte: „Ich dachte, alle Youkai können Menschen ähnlich sein.“

„Nicht alle. Aber das meinte ich nicht. Ich, zum Beispiel, könnte nie ein Hanyoukind bekommen. Mein Youki ist zu stark.“

Sie nickte: „Ich habe gelesen, dass Youkai ihre Energie von den Eltern erben. Und eine menschliche Mutter...“

„Das Kind, genauer, dessen Youki, würde sie umbringen ehe es geboren werden könnte. Darum hat die Natur es auch nicht vorgesehen,“ milderte er ab, um sie nicht zu erschrecken, da sie bereits zusammenzuckte. Menschen waren einfacher zu verängstigen als Youkai, die mit Leben und Tod als unabänderlichen Tatsachen nüchtern umgingen. Er selbst hatte noch nie in einem Kampf den sachlichen Überblick verloren, nicht einmal zu Zeiten in denen es noch um sein eigenes Leben gegangen war. „Bei schwächeren Youkai ist es durchaus möglich, dass ein Mi...ein Hanyou entsteht. - Übrigens: auch Hanyou unterstehen Youkairecht.“ Er sah, dass sie damit nichts anfangen konnte, wollte ihr aber andeuten an wen sie sich wenden könnte, falls es nötig wäre: „Das heißt, ich bin der alleinige Richter.“

Izayoi nickte, unwillkürlich ein wenig beeindruckt. Dann war er wirklich der Herr aller Youkai. Wie unbedeutend sie ihm da vorkommen musste und doch plauderte er mit ihr – sicher, um ihren Vater zu ehren, der zumindest im Rat und mit dem Fürstentitel ihm gleichrangig war. „Sie sind ein sehr mächtiger Mann, edler Fürst. Ich danke Ihnen vielmals für die Aufmerksamkeit, die Sie meiner bescheidenen Person schenken.“

Wirklich sehr altmodisch erzogen. Wie amüsant einen Menschen bei Verhaltensweisen zu sehen, die so gar nicht zu den Wolkenkratzern im Hintergrund passten. Das war eher youkaimäßig. Wobei Izayoi trotz ihrer anerzogenen Vorurteile offenbar neugierig auf die ihr bislang vorenthaltene Welt schien. Das würde ihr helfen sich zurecht zu finden, denn auch ihr potentieller Ehemann hatte sicher einige Eigenheiten, die er seiner Spinnenmutter verdankte. Fragte sich nur, welche. Denn das war bei jedem Hanyou durchaus anders, soweit man das beurteilen konnte. Er hatte, Onigumo eingerechnet, in seinem langen Leben erst fünf oder sechs getroffen, von einigen mehr auch gehört, aber da waren diese bereits tot. Früher waren Youkai nicht zimperlich mit den Mischlingen umgegangen, nun, auch die Menschen nicht. Seit den Verträgen genossen sie jedoch den Schutz des Gesetzes und führten wohl ein einfacheres Leben, jedenfalls ein unauffälliges, wenn er erst nach zweihundert Jahren bemerkt hatte, dass es kein Gesetz gab vor welchem Gericht welcher Art sie sich zu verantworten hätten. Er hörte einen leisen Fluch hinter sich und blieb stehen, drehte sich um.

Izayoi folgte dem Beispiel etwas verwundert, da sie nichts vernommen hatte. Jetzt sah sie, dass Takemaru auf sein Handy starrte, sich sichtlich zusammennahm und auf sie zukam, sich tief vor dem Fürsten und ihr verneigte. Er ziemte sich nicht solch ein Gespräch zu unterbrechen, das wusste sie, außer die Nachricht war mehr als dringend: „Vater?“ fragte sie gepresst.

„Ja, Izayoi-sama.“ Der Samurai richtete sich etwas auf und warf einen raschen Seitenblick auf den ihm doch fremdartig scheinenden Inuyoukai, ehe er sachlich sagte: „Fürst Fukuwara erlitt einen Zusammenbruch und wird soeben in die Klinik gebracht. Sie werden gebeten ebenfalls dorthin zu kommen.“

„Ja, natürlich. Gehen wir...“ Sie war derart geschockt, obwohl sie die Nachricht erwartet hatte, dass sie fast die Höflichkeit vergaß: „Oh, edler Fürst...“ Sie konnte doch nicht ohne Entlassung gehen.

„Natürlich, Prinzessin,“ erwiderte der Taishou, von dem Schmerz in ihrer Stimme eigenartig berührt: „Gehen Sie und grüßen Sie Ihren werten Vater von mir.“ Er wartete bis die beiden Menschen weit genug entfernt waren um nicht seinen nächsten Satz hören zu können: „Myouga, hinterher. Und telefoniere deinen Bericht an Sesshoumaru durch. Er weiß dann, was er zu tun hat.“

Der Flohgeist unterdrückte seinen Seufzer, als er aus dem Fell auf der Schulter des Youkaifürsten kroch. Er hasste Krankenhäuser mit ihren sich selbstständig öffnenden und schließenden Türen, die eindeutig nicht für Wesen seiner Art gedacht waren. Immerhin konnte er dann von außerhalb telefonieren, besaß er doch ein auf seine Maße verkleinertes Handy. Und, wenn er sich beeilte, konnte er noch mit der Prinzessin Fukuwara mitfahren. Ihr Kimono bot genug Deckung für ihn, selbst, wenn dieser Chauffeur aufmerksam war. „Kein Bericht an Sie, oyakata-sama?“ fragte er nur noch.

„Sesshoumaru.“ Sein Sohn war alt genug das mit dem Aktienkauf selbst regeln zu können – und zu müssen. Kindern lernten nichts, wenn man sie zu sehr kontrollierte, sei es auch um sie zu schützen. Wenn Jiro starb würde seine Aktien fallen – und Sesshoumaru würde sie kaufen lassen. Überlebte Jiro passierte eben gar nichts.

Er wartete nicht ab, ob sein winziger Mitarbeiter Izayoi einholte, ehe er sich umwandte und seinen Weg wieder aufnahm. Nicht ohne Grund war er so oft es ging in diesem Park. Die Gerüche und Laute der Stadt waren hier gedämpfter und er konnte seine Sinne regenerieren, den Kopf wieder frei bekommen. An so manchem Wochenende allerdings, selten genug, fuhr er weg, in die Einöden der Berge, um sich in seine wahre Form zu verwandeln und als großer, weißer Hund zu laufen, zu rennen, bis sein Körper müde wurde, und sein Geist frei. Auch die gelegentlichen Kämpfe gegen Sesshoumaru waren diesbezüglich sinnvoll – zumal der Welpe erstaunliche Fähigkeiten zeigte. Eines Tages, wenn der noch viel dazugelernt hatte würde er wohl in der Lage sein, ihn, seinen eigenen Vater, zu übertreffen. Nun ja, auch seine Mutter stammte aus einer sehr mächtigen Familie – und wie erhofft, hatte sich die Macht beider Elternteile in seinem Youki vereint, wenn auch nicht verdoppelt, wie es seine Gemahlin einst erwartete. Wobei sie selbst zugegeben hatte, dass es eine törichte Hoffnung war. Nichts im Leben wurde jemandem geschenkt und auch er hatte sich seine Macht hart erarbeiten müssen.
 

Izayoi war nie zuvor in einem Krankenhaus gewesen, da es ihr Vater ihr bei seinen Infarkten und auch bei ihrer Mutter verboten hatte, und schreckte vor den Gerüchen, den nüchternen Gängen, dem Boden und den Patienten zurück. Beruhigt spürte sie, dass Takemaru nur einen Schritt hinter ihr war, sich neben sie stellte, wenn sie nach dem Weg fragten. Bald fanden sie eine Nische mit Matten und Sitzkissen – ein Warteraum. „Nehmen Sie Platz, Izayoi-sama,“ sagte er. „Ich werde dort vorn am Stationszimmer eine Schwester fragen...“ Denn er hatte trotz allem keine Kollegen gesehen, die sicher den Fürsten herbegleitet hatten und vor seinem Zimmer wachen würden. Aber das hier war eindeutig die Internistische Abteilung, wo doch ein Herzpatient zu erwarten wäre. Es sei denn, dem Herrn ging es derart schlecht, dass er auf der Intensivstation lag oder gar operiert werden musste.
 

Nur kurz darauf kehrte der Samurai mit einer Schwester zurück: „Izayoi-sama, das ist Schwester Aki. Sie wird uns in die Intensivstation begleiten.“

„Danke. - Das ist schlecht, nicht wahr?“ erkundigte sich die Prinzessin halb bei Takemaru halb bei der Schwester.

Diese zuckte die Schultern. Aber sie meinte nur: „Dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Es kann auch zur Vorsorge sein. Aber ich denke auf der Intensivstation können Sie mehr erfahren. Bitte, folgen Sie mir.“ In dieser technischen Umgebung wirkte die junge Frau in den schweren Kimono ein wenig fehl am Platze.

Im Kellergeschoss sah Izayoi zwei Wachen, die sie erkannte, vor einer Tür,. Die Schwester verschwand kurz dahinter, während Takemaru zu seinen Kollegen trat: „Die Prinzessin ist sehr besorgt...“

Die angedeutete Frage wurde mit einem Nicken beantwortet: „Wir dürfen nicht mit hinein, also, wenn dann nur Izayoi-sama.“

Schwester Aki kehrte mit einem Mann zurück, unverkennbar ein Arzt: „Dr. Kasai, das ist Prinzessin Izayoi Fukuwara.“

„Gut, folgen Sie mir, Prinzessin. - Ihre...hm...Angestellten müssen hier bleiben.“

„Ja,“ murmelte sie, um höflich zu ergänzen: „Danke, Schwester.“ Eigene Befindlichkeiten waren kein Grund die Freundlichkeit außer Acht zu lassen, so war sie erzogen worden. Dann folgte sie den Arzt hinter die ominöse Tür. Zu ihrer Verwunderung lag hier ein Vorraum, offenbar ein kleines Büro und eine kleinere Tür, während eine weitere große den restlichen Bereich abtrennte: „Dr. Kasai...mein Vater...?“

„Sie dürfen im Moment nicht zu ihm, Prinzessin. Bitte, nehmen Sie Platz....“ Er deutete auf einen Stuhl. „Ich erkläre es Ihnen. Sie wissen, dass Fürst Fukuwara herzkrank ist?“

„Ja.“ Sie brachte es kaum heraus: „Hatte er wieder einen Herzinfarkt?“

„Nein. Eine Entzündung des Herzmuskels. Das muss sich seit Wochen gezeigt haben. Er wurde wohl immer schwächer?“

„Ja.“

„Wir haben ihn isoliert und halten ihn unter Beobachtung. Aber es ist im Moment besser, wenn er auf Quarantäne bleibt. Bereits ein Schnupfen wäre fatal für ihn. Darum dürfen Sie zur Zeit auch nicht zu ihm. Niemand, außer dem medizinischen Personal und das in Schutzanzügen.“

Izayoi legte die Hände aneinander und starrte auf ihren Schoß: „Sie sind der Arzt. Gibt es keine Möglichkeit ihn zu sehen? Nur, zu sehen?“

„Ein wenig Geduld. Wenn sich sein Zustand stabilisiert werden wir ihn in ein Einzelzimmer verlegen, dann können Sie ihn – und er Sie - sehen, wenn auch durch eine Scheibe getrennt. Aber wie erwähnt, er ist sehr schwach. Er hat nach Ihnen gefragt.“

„Können Sie ihm sagen, er solle sich keine Sorgen um mich machen und schnell wieder gesund werden?“

„Ich werde es ihm ausrichten. Geben Sie mir doch Ihre Handynummer, dann kann ich Sie jederzeit erreichen, wenn sich etwas am Zustand des Fürsten ändert. - Noch etwas, die Leibwächter...?“

„Er ist Ratsmitglied,“ erklärte sie: „Soweit ich informiert bin gehört das dazu.“ Selbst der Youkaifürst hatte Personenschützer dabei, das war wohl eher dem Status als einer wirklichen Bedrohung für ihn geschuldet. Sie nahm den Zettel, den der Arzt ihr reichte: „Ich selbst besitze kein Handy. Aber in der Regel bin ich in unserem Haus zu erreichen, das wäre hier die Nummer. Falls ich nicht anwesend bin, wird Ihr Anruf auf das Handy meines Leibwächters umgeleitet.“

„Danke, Prinzessin.“ Ach ja, Fürst, reich und Ratsmitglied, da waren er und seine Familie wohl an die Gegenwart von Wachhunden gewohnt. Dr. Kasai zögerte kurz, aber dann sprach er es lieber nicht aus, sondern meinte nur: „Dann gehen Sie nach Hause. Sobald wir Näheres wissen oder sich der Zustand des Fürsten verändert, geben wir Ihnen Bescheid.“

Izayoi erhob sich. Was blieb ihr schon anderes übrig.

Fürst Jiro

In einer Strandbar auf Okinawa saß Onigumo und warf eigentlich nur mehr flüchtig interessiert einen Blick auf die im Hintergrund auf einem Fernseher flimmernden Nachrichten, als er sich aufsetzte.

„Ratsmitglied Fürst Fukuwara hat einen Schwächeanfall erlitten und befindet sich zur Zeit im Krankenhaus. Ein ärztliches Bulletin wird folgen.“

So viel Pech konnte ein einzelner Hanyou doch gar nicht haben! Die Verlobung war noch nicht veröffentlicht, geschweige denn, dass Onkelchen und Izayoi einen Ehevertrag unterschrieben hatten. Zu allem Überfluss würde es Stunden dauern, bis er zurück in der Hauptstadt war.

Nur ruhig bleiben, ermahnte er sich. Die zwei Tage hier am Meer waren sehr erfolgversprechend für ihn gewesen, zumindest, was das Thema Takemaru Setsuna anging. Jetzt musste er nur noch den beseitigen. Allerdings, und da täuschte ihn der scheinbar harmlose Satz in den Nachrichten nicht, hatte Onkel Jiro wohl sein Lebensende erreicht. Das war kaum ein Schwächeanfall, eher der dritte Herzinfarkt. Und ihm selbst lief die Zeit davon.

Er bezahlte seinen Saft und stand auf. Jetzt war es wichtig Izayoi gegenüber fürsorglich zu sein, sich als die einzige Stütze zu demonstrieren. Nun ja, Takemaru würde, wenn er nicht völlig dämlich war, die gleiche Strategie nutzen. Umso essentieller war es sich zu beeilen.

Er ging abseits und nahm sein Handy. Izayoi besaß keines, das wusste er, also rief er über die Hausleitung an. Natürlich ließ sie sich verleugnen. Sie saß vermutlich händeringend in ihrem Zimmer und wusste nicht ein noch aus: „Ja, danke. Würden Sie der Prinzessin dennoch etwas von mir ausrichten? Danke. Ihr Cousin bedauert, momentan nicht an ihrer Seite sein zu können, ich werde aber so rasch es geht in der Hauptstadt sein. Falls sie irgendwie Hilfe benötigt, oder auch mit mir in das Krankenhaus fahren möchte...ich gebe Ihnen meine private Handynummer, da kann mich Izayoi jederzeit erreichen. Ich hoffe, Fürst Jiro, meinem werten Onkel, geht es bald besser.“ Und das war nicht gelogen. Wie konnte sich der alte Knabe denn aus dem Staub machen ehe er den Ehevertrag und die Verlobung ausgesprochen hatte? Das durfte er nicht. Das würde die Sache nur unnötig verkomplizieren.

Nun gut. Er sollte alles packen und zurückfahren. Jetzt wusste er, welchen Unfall der ehrenwerte Leibwächter haben würde, falls er versuchte ihm in die Quere zu kommen. Auf der Rückfahrt musste er nur daraufhin noch einmal seine zweiten Plan überdenken, was er machen sollte, wenn Onkel Jiro das Zeitliche segnete und Izayoi sich querstellte, aus welchem Grund auch immer. Aber im Grunde war ihm bereits klar, was zu tun war. Die Zeit arbeitete für ihn und gegen die Menschen. Er war ein Hanyou, was galten ihm zehn Jahre. Allerdings sollte er sich vorsehen und Takemaru erst dann über den Jordan...nun, über das chinesische Meer schicken, wenn er ihn nicht für seinen Plan B benötigte. Das Resultat blieb freilich das Selbe.
 

Onigumo irrte sich in einem Punkt. Izayoi war es bald leid in ihrem Zimmer zu sitzen und auf einen Anruf aus dem Krankenhaus zu warten. So ließ sie um einen buddhistischen Priester schicken, von dem sie wusste, dass ihr Vater ihn kannte. Dieser, Miyatsu, hörte sich sie ruhig an.

„Es war klug, dass Sie mich gerufen haben, Izayoi-sama,“ sagte er dann: „Ich habe mit Ihrem verehrten Vater durchaus öfter über solche Möglichkeiten gesprochen. Sie wissen ja, dass er...schon länger angeschlagen war.“

„Ja, natürlich. Hat er nach dem ersten Herzinfarkt mit Ihnen gesprochen?“ Sie betrachtete den fast sechzigjährigen Priester in dem schwarzen Gewand.

„Ja,. Wir kannten uns selbstverständlich bereits früher. - Er, wenn ich es so sagen darf, ist ein sehr vorausschauender Mann und gab mir klare Anweisungen.“

Izayoi blinzelte ein wenig, bemüht, ihre Tränen zu unterdrücken: „Was meinen Sie?“

„Falls....nun, falls er diesmal nicht gesund wird, so habe ich klare Anweisungen wie Sie weiter verfahren sollen.“

„Ja, ich soll wohl...Onigumo heiraten...meinen Cousin.“

„Das weiß ich nicht. Es sind mehr praktische Anleitungen, soweit ich sah. Wie seine Trauerfeier ablaufen soll, wen Sie einladen müssen....“ Miyatsu brach ab: „Nicht weinen, Izayoi-sama. Das ist nun einmal das Ende für uns alle. Und es ist eine sehr praktische Hilfe. Trauern können Sie auch allein. - Aber noch lebt Fürst Jiro ja. Haben sie im Krankenhaus nichts sagen können?“

„Nein. Sie würden anrufen, wenn sich etwas verbessert oder verschlechtert.“

„Nun, so liegt es in der Hand der Götter und Buddhas. Verzweifeln Sie nicht. Sie können so oder so nichts ändern.“

„Ja, ich weiß, verehrter Priester.“ Sie nahm sich zusammen: „Darf ich Sie etwas anderes fragen? Sie verfügen doch über einen gewissen Ruf...ich meine, magische Fähigkeiten. Sie vertreiben Youkai?“

„Ja und nein. Früher ja, da hat das meine Familie getan. Fast alle bekämpft. Aber nach den Verträgen vor zweihundert Jahren sind zumindest die schwerttragenden Youkai davon ausgenommen. Nun, sie überfallen ja auch keine Menschen mehr. Und, wie unwahrscheinlich es auch ist, wenn Wurmdämonen und ähnliche es wagen sollten, greifen die Youkai selbst rasch ein. Ich bin sozusagen arbeitslos, diesbezüglich, natürlich nur.“

„Ihr Herr ist der Anführer der Hunde, nicht wahr? Der Inu no Taishou.“

„Kennen Sie ihn? Ach ja, Fürst Jiro und er sitzen im Rat, natürlich ergeben sich da auch private Kontakte.“

„Ich habe mit ihm getanzt, bei meinem Ball. Nun, mit fast allen anderen auch,“ erklärte sie hastig, um keine Bedenken bei dem Priester auszulösen: „Mir fielen nur diese Felle auf...“

„Ja, die haben nur wenige. Das ist das Zeichen, dass ihre Energie nicht in einen menschlichen Körper passt – und die wirklich ranghöchste Kategorie aller Youkai. Sie können mit so einigen Göttern mithalten. Wobei, aber das werden Sie wissen, Izayoi-sama: Youkai sind die andere Seite der Götter. Es gibt kein Schwarz ohne Weiß, ohne Schatten sieht niemand das Licht.“

„Dann kommt jeder Youkai in die Hölle?“ Sie flüsterte es: „Gleich, wie er lebt?“

„Da fragen Sie mich etwas Schwieriges. Ich denke, nein. Aber sie werden nicht wiedergeboren wie es Menschen können. Man sagt, aber wer weiß das schon, dass sie in der Unterwelt umherirren bis an das Ende der Zeit, außer, sie erfahren in ihrem Leben die Gnade Buddhas und werden erleuchtet. Aber das wird sehr selten der Fall sein. Warum machen Sie sich solche Gedanken?“

Nein, sie würde nicht sagen, dass das mit einem seltsamen Blick aus Hundeaugen zu tun hatte, sondern suchte eilig einen Vorwand: „Mein Cousin, Onigumo, mit dem mein verehrter Vater über eine Eheschließung meinerseits geredet hat, ist ein Hanyou.“

„Oh. Nun, über Hanyou ist allgemein sehr wenig bekannt. Es gibt ja auch kaum welche. Aber ich bin sicher Ihr Vater hat ihn sich gut angesehen und sicher auch durchforscht. Wie erwähnt: Fürst Jiro ist ein vorausschauender Mann. - Falls Sie etwas aus dem Krankenhaus hören, Izayoi-sama, können Sie mich jederzeit anrufen. Ich möchte mich allerdings nun verabschieden. Meine Schwiegertochter erwartet ihr erstes Kind, einen Jungen.“

Trotz ihrer Sorgen lächelte sie: „Oh, Sie werden Großvater. Das ist schön.“

„Ja, doch. Wobei ein Mädchen auch nett wäre, aber im Ultraschall sah man es. Nun, wir wollen ihn Miroku nennen, das hat mein Sohn vorgeschlagen, und ich finde es sehr passend, für einen Jungen, der sicher einmal Priester werden wird. Es liegt bei uns in der Familie.“ Er betrachtete die junge Frau mit den Tränen: „Ja. Aber dennoch, Izayoi-sama: rufen Sie mich bitte an, gleich wann, wenn Ihrem Vater etwas zustößt oder auch, wenn Ihnen einfach nach Reden zumute ist.“

„Danke, ehrenwerter Priester Miyatsu.“ Sie war wirklich froh das zu hören. Mit gewissem Erstaunen erkannte sie, als er die Tür beiseiteschob, dass ihr Chauffeur bereits draußen wartete.

Auch der buddhistische Priester schien überrascht, ließ sich jedoch wortlos weiter begleiten, ehe er sagte: „Sie dienen der Prinzessin auch als Leibwächter.“

„In der Tat.“ Takemaru Setsuna blieb nur sachlich: „Ich bin dem Fürsten Fukuwara für die Sicherheit seiner Tochter verantwortlich.“

„Und darum stehen Sie auch bei...intimen Gesprächen vor der Tür.“

„Ich hörte nicht zu. Aber ich kenne Ihren Ruf als Frauenheld, Miyatsu.“

„Heute wird mein Enkel geboren, Samurai. Manches ändert sich. Ich hoffe nur Sie bleiben auch dann bei der Prinzessin, wenn....nun, wenn das Schlimmste eintritt.“

„Meine Familie dient seit Jahrhunderten den Fukuwaras. Mein Befehl lautet an Prinzessin Izayoi. Und ich werde sie bis zu meinem letzten Atemzug beschützen.“ Aber obwohl es Takemaru ruhig sagte begann er nachzudenken. Der Priester, dem er durchaus mit gewissem Misstrauen begegnete, wollte ihn auf etwas aufmerksam machen, ohne darüber reden zu wollen oder zu dürfen. Nur, was? Den nahenden Tod seines Fürsten? Das wusste er. Diese Heirat mit dem Hanyou? Nun ja, er fand es persönlich nicht richtig, er mochte den Kerl nicht, aber er war eben auch ein Fukuwara, wenngleich ein Bastard in jeder Hinsicht. Doch, ja, das musste es sein. Hanyou und Priester vertrugen sich wohl schlecht. Oder war es etwas anderes? Jedenfalls würde er Izayoi behüten. Vor dem Tod ihres Vaters konnte er sie nicht beschützen, aber vor sehr vielem anderen – und das wollte er auch. Überdies: sie sollte nie erfahren, wie sehr er sie liebte. Das ziemte sich nicht. Er musste sie auch vor sich selbst und seinen eigenen Gefühlen schützen.
 

Onigumo ließ sein Handy nicht mehr außer Reichweite. Er hatte versucht in das Krankenhaus zu gelangen, aber da stand Polizei, waren Reporter....Nun ja. Ein Fürst Fukuwara war eben kein Irgendwer. Außer Izayoi und Leuten in ihrer Begleitung wurde vermutlich allen alles verwehrt. Er hatte überlegt, ob er sie noch einmal anrufen sollte, davon aber Abstand genommen. Jetzt allerdings, nach fast vierundzwanzig Stunden, war er nervös. War Izayoi so hilflos? Unternahm dieser Takemaru alles? Was sollte er machen? Warum nur hatte er keinen Plan für so etwas vorgesehen? Er hatte immer mit Onkel Jiros Tod geplant – aber nicht damit, das der im Koma lag oder was auch immer der da trieb.

Ein Klingeln. Er riss das Handy förmlich ans Ohr: „Onigumo Fukuwara?“

„Hier ist Izayoi...ich...ich fahre ins Krankenhaus. Kann ich dich abholen?“

Er atmete durch: „Ja, natürlich, sofort. Ich bin im Seiya-Hotel, da ist mein Büro. Soll ich fahren?“

„Nein, danke. Das...ich habe ja Takemaru. In fünfzehn Minuten.“

„Schön, dann bis gleich, Cousine.“ Takemaru. Natürlich. Mit gewissem Ingrimm warf sich der Hanyou einen Mantel über und ging zum Lift. Klar, dass der jede Chance nutzte ihr nahe zu sein. Immerhin hatte sie ihn angerufen, also wäre sie nicht so gegen ihn. Folglich lag alles an diesem Samurai. War der weg, würde sich seine Cousine doch an den Befehl ihres Vaters, gleich ob tot oder lebend, halten und ihn heiraten. Damit war er am Ziel seiner Träume.
 

Izayoi atmete tief durch, ehe sie sich von ihrem Chauffeur ins Auto helfen ließ. Es war nicht so, dass sie Onigumo unbedingt bei sich haben wollte, nicht um ihrer selbst willen, aber der Anruf des Arztes hatte so....verdächtig geklungen. Und es würde ihren verehrten Vater doch sicher beruhigen, wenn er seinen einzigen männlichen Verwandten noch einmal sehen konnte, ja, an ihrer Seite sehen konnte.

Sie wartete, bis ihr Leibwächter anfuhr: „Takemaru, vielleicht wissen Sie, wie es üblich ist...wo soll mein Cousin sitzen?“

„Auf dem Beifahrersitz, Izayoi-sama,“ erwiderte der unverzüglich: „Der wichtigste Passagier sitzt immer hinter dem Fahrer, aber mit Ihren Kimono wäre es unhöflich einen Anderen so zu beengen, neben Ihnen zu sitzen.“ Nun ja, das war einigermaßen ehrlich, aber er hätte auch nicht gewollt, dass ein Hanyou neben seiner Prinzessin Platz nahm. War der erst einmal Fürst Fukuwara würde er damit leben lernen müssen, aber momentan galt sein einziges Interesse Izayoi.
 

Onigumo versuchte seine Gedanken nicht zu erkennen zu geben, als der Chauffeur punktgenau vor ihm hielt, aber noch ehe er selbst reagieren konnte – und das hieß etwas - , bereits aus dem Auto schoss um ihm die Beifahrertür aufzuhalten. Ach ja. Der gute Samurai war nicht töricht. Wie bedauerlich, dass genau das sein Ende bedeuten würde. Aber der Hanyou widersprach nicht, sondern ließ sich nur auf dem Beifahrersitz nieder: „Danke,“ sagte er höflich, während schon der Schlag geschlossen wurde. Nur keine Fehler begehen, wenn die Cousine zuhörte: „Wie geht es dir, Izayoi? Und dem verehrten Onkel?“

„Das weiß ich nicht,“ erwiderte sie mit etwas zitternder Stimme: „Sie meinten nur, ich solle kommen, er möchte mich sehen...“

Onigumo wollte schon sagen, dass das doch gut klänge, ehe er den Kopf wandte: „Du glaubst nicht, dass es ihm besser geht?“

Sie schüttelte nur den Kopf: „Nein. Aber, warten wir ab.“

„Ja. Es ist doch das beste Krankenhaus für Herzpatienten im ganzen Land.“

Takemaru Setsuna fuhr an. Eigenartig. Trotz aller Bedenken, die er selbst gegen den Hanyou hatte, – dieser hatte wirklich so geklungen als hoffe er, dass Fürst Fukuwara noch länger am Leben bleiben würde. Womöglich hatte er selbst nur Vorurteile, was in seinem Beruf unprofessionell war. Allerdings gehörte auch stets auf der Hut bleiben zu seiner Arbeitsauffassung.
 

Vor der Intensivstation blieb Takemaru bei seinen Kollegen und Polizisten stehen, wo Dr. Kasai erschien, als habe er gewusst, dass sie kommen würde: „Prinzessin...“

„Das ist Onigumo, mein Cousin,“ erklärte Izayoi daher.

„Gut, kommen Sie beide nur.“ Auch der Arzt las manchmal die herumliegenden Klatschzeitungen. Im Vorraum ergänzte er jedoch: „Nur Prinzessin Izayoi darf allerdings zu dem Fürsten. es...Nun, es geht um Bakterien und die innerhalb der engsten Familie sind doch oft die gleichen, zumal aus einem Haushalt.“

Onigumo, dem es schon missfallen hatte, dass Izayoi ihn als Cousin, nicht als Verlobten, vorgestellt hatte, atmete tief durch: „So arg...?“

Der Arzt sah ihn streng an, ehe er meinte: „Kommen Sie bitte, Prinzessin. Der Fürst hat nach Ihnen gefragt.“

Sie war erleichtert, dass ihr Vater reden konnte, und folgte ihm in einen abgetrennten Raum, der ihr beim ersten Mal nicht aufgefallen war.

Als die schwere Tür hinter ihnen zufiel, ließ sich der Hanyou auf dem Besucherstuhl nieder. Das sah nicht gut aus, in keiner Variante. Wenn ihr Onkel Jiro jetzt nicht mit den berühmten letzten Worten eine Heirat mit ihm ans Herz legte...Nun gut. Umso wichtiger war es diesen Chauffeur loszuwerden. Und sein Plan war perfekt. Es wäre nur ein Unfall, mit dem er fast nichts zu tun hatte. Er konnte sogar vor Inuyoukai schwören, dass Takemaru noch lebte als er ihn das letzte Mal gesehen hatte. Und, dass er selbst ihn nicht umgebracht hatte. Schön, dass er ihn zuvor entführt hatte....Aber diese Frage war etwas ausweichbar, oder wie auch immer man das nennen wollte. Sie sollte jedoch besser nicht kommen. Aber wer würde schon bei einer Badeleiche an Mord denken, wenn die Todesursache so offensichtlich war? Im Jahr passierten doch hunderte derartiger Unfälle. Er musste jetzt nur den guten Takemaru in Urlaub schicken. Irgendwie müsste er Izayoi davon überzeugen...gleich, nach der Beerdigung, ja. Sie brauchte Ruhe und ging...ging...Nun, das musste er sich noch überlegen. Aber währenddessen könnte sie ihrem treuen Diener doch auch Urlaub gönnen, zumal den letzten Urlaub seines Lebens.
 

Izayoi erstarrte, als sie ihren Vater sah: überall an ihm Schläuche, hinter ihm Geräte mit LED-Anzeigen, die piepsten... „Verehrter Vater...“ Ein Hauch nur.

„Der Fürst ist kaum in der Lage mit Ihnen zu reden, Prinzessin,“ erklärte Dr. Kasai. „Es...es war schon ein wenig schwierig seinen Wunsch zu verstehen, dass wir Sie holen sollten.“

Jiro Fukuwara hatte jedoch seine Tochter entdeckt und bewegte die Finger – zu viel mehr war er nicht in der Lage. Auch sein Geist glitt immer wieder an andere Orte. „Izayoi.“ Es gab keine Zeit mehr, das wusste er. Und er hatte ihr doch noch so viel zu sagen, zu erklären... Warum nur hatte er es verschoben.

Sie fiel neben dem Bett auf die Knie: „Vater...“ Was sollte sie sagen. Tränen rannen über ihre Wangen.

Armes Mädchen. Zum Glück würde sie Hilfe finden. Onigumo, der Letzte der Familie....und auch, für das Geschäft, der Taishou. Ja, das musste er ihr noch berichten, dessen Zusage. Onigumo wusste sie ja. „Taishou....“ brachte er hervor.

Izayoi starrte ihn an: „Der Taishou? Der Youkaifürst? Was ist mit ihm?“

Er wird dir helfen, wollte er sagen, aber er konnte es nicht. Es war so schlimm sein kleines Mädchen hier so zu sehen, mühsam die Tränen zurückhaltend. Genau das hatte er ihr doch ersparen wollen, sie absichern wollen...Warum nur hatte er vor zwei Jahren diese Aktien verkauft, warum sie nicht damals schon zumindest verlobt? Warum nur....Es war schade. Zu spät. Schade. „Der Taishou...“ flüsterte er noch einmal, ehe er erneut nur mehr Dunkelheit um sich erkannte.

„Der Taishou?“ wiederholte Izayoi, verwirrt und traurig: „Was meinen Sie? Vater?“

Eine Hand fasste ihre Schulter: „Gehen Sie hinaus, Prinzessin, rasch!“ befahl Dr. Kasai, bereits gleichzeitig einen Knopf an der Wand drückend.

Sie gehorchte verwirrt, draußen augenblicklich auf Ärzte und Schwestern treffend, die aus dem anderen Raum heran eilten. So wandte sie sich an ihren Cousin: „Er...er ist so krank...“

Das denke ich mir, du dumme Pute, war Onigumos wohlweislich stumme Antwort. Dafür erhob er sich und wollte den Arm um sie legen, sich dann jedoch noch rechtzeitig daran erinnernd, dass sie das nicht gewohnt war: „Es wird schon, Izayoi,“ sagte er: „Es ist doch ein sehr gutes Krankenhaus....Setze dich doch her.“

Sie gehorchte, lauschte auf die Betriebsamkeit im Zimmer, die die dicke Tür dämpfte. Es sah nicht gut aus, das war ihr klar, ohne, dass sie es hätte begründen können. Aber, was hatte Vater ihr noch mitteilen wollen? Was meinte er mit dem Taishou? Eine Warnung vor dem Höllenfürsten? Oder der Rat sich auf ihn zu stützen und nicht auf Onigumo? Woher sollte sie das nun wissen? Eines war ihr jedenfalls bewusst: ihr Vater hatte seine letzten Kräfte dazu verwandt um diesen Namen zu sagen. Und irgendetwas daran war schrecklich wichtig. Nur, was? Aber bis sie das wusste, sollte, durfte sie auch Onigumo nicht zu sehr vertrauen, vielleicht niemandem. Ihr war klar, dass Fürst Jiro seiner Tochter aus Liebe manche Probleme verschwiegen hatte – und sie vermutete, dass er das jetzt noch hatte korrigieren wollen. Nur, was?

Sie starrte auf ihre im Schoss gefalteten Hände und war froh, dass ihr Cousin nur schweigend neben ihr an der Wand lehnte.

Die Trauerfeier

Izayoi sah erst auf, als sie mehr spürte als hörte, dass die Tür zu dem Sonderzimmer geöffnet wurde. Sie brauchte nur einen Blick in das Gesicht des Arztes zu werfen um zu wissen, dass es zu spät war zu hoffen. „Dr. Kasai...“ Sie brachte es kaum hervor.

„Es tut mir Leid, Prinzessin...auch Ihnen mein Beileid,“ wandte sich der Arzt höflich an den nächsten Familienangehörigen.

Onigumo warf einen raschen Blick auf seine Cousine. Immerhin beherrschte sie sich. Hysterische Frauen hatte er noch nie ausstehen können, aber da war wohl ihre strikte Erziehung vor.

Tatsächlich zwang sich Izayoi zur äußerlichen Ruhe: „Was...Kann ich ihn hier gleich noch einmal sehen oder erst zuhause?“

„Natürlich. Kommen Sie.“ Dr. Kasai hoffte in diesem Moment allerdings nur, dass irgendjemand von den Schwestern oder Ärzten intelligent genug gewesen war die Lebenserhaltungssysteme auszuschalten. Es war für Angehörige nie einfach jemanden zu verlieren, um wie viel weniger, wenn die künstliche Beatmung und damit das Heben und Senken des Brustkorbs noch Leben vortäuschte.

Izayoi hatte davon keine Ahnung, als sie dem Leiter der Intensivstation folgte. Ihr Vater sah so friedlich aus, fast als ob er schliefe, und ihr wurde bewusst, dass sie ihn eigentlich noch nie so entspannt gesehen hatte. Sie wusste, dass Onigumo ihr gefolgt war, aber natürlich, das war sein Recht als letzter Verwandter außer ihr. „Ich...Dr. Kasai, was muss man jetzt machen? Etwas unterschreiben?“

„Ich würde sagen Sie gehen nach Hause, Prinzessin.“ Der Arzt suchte den Blick des männlichen Angehörigen: „Und....wir kümmern uns um Ihren Vater. Sie sollten uns nur bald mitteilen, wer die...die Trauerfeier leiten soll, ich meine, welcher Bestattungsunternehmer das regelt.“

„Oh, ja, natürlich.“ Izayoi atmete durch: „Da gibt es Anweisungen. Er wird sich bei Ihnen melden. Danke, Dr. Kasai.“ Sie wandte sich um und verließ das Krankenzimmer, noch immer nicht so ganz begreifend was geschehen war.

Vor der Tür den Intensivstation warteten die Leibwächter, Polizisten und natürlich Takemaru. Sie sah zu ihm: „Rufen Sie doch bitte den Priester Miyatsu an. Er hat Anweisungen meines verehrten Vaters bezüglich der Trauerfeier. Und soll sie leiten.“ Gewöhnlich machte das ja der älteste Sohn, aber...
 

Die Männer verstanden. Der Fürst war verstorben – und ihr Mitgefühl galt dem Mädchen, das sich sichtlich zusammennahm und so seltsam schutzlos wirkte. Jeder von ihnen wollte ihr in diesem Moment nur helfen. Mit einer Ausnahme. Onigumo war mittlerweile verärgert, auch darüber, dass sie als erstes sich an ihren Leibwächter wandte, wenn auch mit einem Befehl. In einem Augenblick, in dem sie in Filmen schluchzend an seinem Hals hängen würde, ignorierte sie ihn. Allerdings gab er zu, dass seine Cousine momentan vermutlich nicht einmal wusste was sie sagte oder tat. Seine Zeit würde kommen. Aber wirklich: je eher diesem Setsuna ein kleiner Unfall zustieß umso besser. Aber jetzt musste er dazu die Trauerfeier abwarten, scheinbar selbstlos Izayoi zur Seite stehen. Hm. Das Flugzeug könnte er dennoch schon im Voraus mieten...
 

„Ja, Izayoi-sama,“ sagte Takemaru nur: „Dürfen wir Sie zum Auto begleiten? In einem Krankenhaus darf man kein Handy benutzen.“

„Sie sollten den Hinterausgang benutzen,“ schlug ein Polizist vor. „Inzwischen steht sicher eine ganze Meute von Reportern vor dem Krankenhaus. Fürst Fukuwara war ein sehr einflussreicher Mann und Ratsmitglied.“

„Oh, ja. - Ich gehe voraus und hole den Wagen,“ meinte Takemaru Setsuna zu seinen Kollegen: „Bringt ihr Izayoi-sama dann möglichst rasch hinein. Keine Fotos sollten möglich sein.“

„Ich werde zu den Reportern gehen,“ meinte Dr. Kasai, der unbemerkt Izayoi gefolgt war: „Und die Nachricht mitteilen. Das sollte sie ablenken. Natürlich werde ich keine privaten Daten ausgeben, aber der Tod eines Regierungsmitgliedes ist nun einmal von öffentlichem Interesse.“

„Danke,“ murmelte die Prinzessin nur in antrainierter Höflichkeit.

Onigumo unterdrückte ein Lächeln. Ja, sie würde alles tun, was ihr jemand sagte. Braves Mädchen.
 

Der Inu no Taishou sah ein wenig irritiert auf, als seine Bürotür ohne Anmeldung geöffnet wurde, noch erstaunter als sein Sohn eintrat. Sesshoumaru hielt sich in aller Regel an die Höflichkeit, gerade auch hier im Konzern. Es musste etwas Wichtiges sein: „Er ist tot?“ war die logische Schlussfolgerung.

„Ja. Es kam gerade als Eilmeldung in den Nachrichten. Und, wie Sie es vorhergesagt haben, brach der Kurs der Fukuwara-Aktien prompt ein. Er sank ja bereits gestern, als noch nicht sicher war, ob Fürst Fukuwara überlebt.“

„Wie tief sank er?“

„Unter Neunzig. - Unser, Ihr, Kauflimit für die Makler.“

„Gut.“ Der Youkaifürst lehnte sich ein wenig zurück: „Armer Jiro. Das war allerdings zu erwarten. Nun, mal sehen, wie sich die Prinzessin allein schlägt – und wann sie Onigumo heiraten wird. Sieben Wochen ist die engere Trauerzeit, danach vermutlich wird sie die Verlobung bekannt geben. Heirat...hm. Ich weiß nicht, ob sie nicht jetzt ein Jahr warten muss. Es wird gewiss eine buddhistische Trauerfeier geben, das heißt, morgen im Haus der Fukuwaras, dann die Einäscherung morgen oder übermorgen. Sicher werde ich eingeladen werden.“

„Sie hören sich die Sutren eines Priesters an?“ Sesshoumaru hätte das kaum freiwillig getan.

„Ja. Es ziemt sich doch. Ich werde auch die übliche Geldspende geben. Nun ja. Im Zweifel bringen sie Jiro schon nach Hause und organisieren den Sarg, dann die Totenwache. Menschliche Trauerrituale sind immer recht kompliziert und der heutige Brauch im Krankenhaus zu sterben macht es nicht einfacher.“

„Es ist mir zugegeben ein Rätsel warum Menschen einen Toten als unrein betrachten. Immerhin achteten sie den Verstorbenen als er noch lebte.“

„Denke an früher. Es gab viele Krankheiten und Seuchen. Da war es durchaus sinnvoll Raucherstäbchen anzuzünden und anderes, schon zur Desinfektion. - Oh ja, Räucherstäbchen.“ Der Inuyoukai atmete unwillkürlich ein: „Das ist immer der schwierigste Part für unsereinen.“

Der Jüngere hätte um ein Haar den Kopf geschüttelt, als er sich seinen Vater, den vermutlich mächtigsten Youkai den es gab, vor einem menschlichen Ahnenschrein mit Räucherstäbchen in der Hand vorstellte. Er musste jedoch froh sein, dass dieser selbst hinging und nicht ihn anwies das zu übernehmen. „Aber an der Totenwache müssen Sie nicht teilnehmen?“

„Nein, das ist die Sache der Familie. Vermutlich werden heute Abend noch die Einladungen für die Trauerfeier verteilt werden. Da sind dann auch Bekannte und Freunde dabei.“

„Also Izayoi und dieser Onigumo halten Wache.“

„Vermutlich. Und ein Priester. Jiro war sehr traditionsbewusst. - Bis heute Abend wirst du wissen, was die Makler kaufen konnten.“

„Ja.“

„Gut. Dann wirst du morgen deine Mutter besuchen.“ Mit einem winzigen Lächeln sah der Inu no Taishou zu seinem Sohn: „Damit kann ich dich bei der Trauerfeier entschuldigen.“

Sesshoumaru sah sich zwischen Scylla und Charybdis gestellt – und wählte Scylla: „Wie Sie wünschen. Ich werde Mutter von Ihnen grüßen.“
 

Der Herr der Hunde behielt recht. Die Einladung wurde ihm abends noch zuhause zugestellt. Er betrachtete sie nachdenklich. Die Prinzessin hatte ihren Haku, ihren Namensstempel, darunter gesetzt, formell und rechtsgültig, aber vermutlich hatte sie kaum selbst gestempelt. Sie musste die Totenwache halten, den Hausschrein verdecken und alles, was Menschen so taten. Aber die Fukuwaras hatten ja genug Personal. Hm. Es gab im Moment keinen Fürsten, der Titel war vakant – und damit waren auch die Stiftungen und einige Grundstücke, die an diesen Titel gebunden waren, ohne Führung. Sicher, in den sieben Wochen der Trauer war es kaum möglich, dass Izayoi heiratete, aber danach würde sie wohl müssen. Ein ganzes Jahr konnte keine Firma ohne Leitung sein. Und sie selbst konnte den Titel nicht erwerben, der ging nur an die männliche Linie, in diesem Fall an ihren Ehemann. Sesshoumaru hatte berichtet, dass sich der Aktienkurs noch nicht erholt hatte und die Makler weiter zu kaufen suchten. Mittlerweile besaß er selbst immerhin schon fast sechs Prozent der Fukuwara-Aktien. Noch einige mehr und er war definitiv der größte Anteilseigner nach der Prinzessin. Niemand, den ein künftiger Fürst Fukuwara übergehen konnte.
 

Es war nicht die erste menschliche Trauerfeier an der der Youkaifürst teilnahm. Er hoffte allerdings es würde nicht so auffallen, dass er sich im Hintergrund hielt. An der Tür der Vorhalle war die Luft doch besser als die verräucherte Luft vorn am Ahnenschrein. Natürlich hatte auch er Räucherstäbchen und Spende dort abgelegt, aber damit war seine Pflicht im Großen und Ganzen auch erfüllt. Jetzt musste er nur noch, wie die Anderen, den Sarg vernageln – nun, symbolisch mit einem Stein darauf klopfen. Die Verbrennung des Verstorbenen würde morgen stattfinden, hatte die Prinzessin zuvor erwähnt, und das war dann eine reine Familiensache. Die Urne käme anschliessend dort auf den Schrein, einige Zeit, ehe Jiro in dem alten Familiengrab seine letzte Ruhe finden würde, vermutlich in sieben Wochen. Das gäbe noch eine Trauerfeier, dann aller Voraussicht nach größer und auch mit Medienrummel. Aber vielleicht hatte sich die Prinzessin bis dahin erholt. Momentan sah sie, gerade auch im schwarzen Kimono, sehr blass und übernächtigt aus. Nun, sie hatte bestimmt gemäß der Tradition die ganze Nacht am Sarg gewacht. Onigumo als Hanyou hatte sichtlich weniger Probleme.

Dieser Priester Miyatsu war interessant. Auch dieser hatte gewiss Nachtwache gehalten, jetzt leitete er allerdings mit Andacht und Würde die Zeremonie, sprach die Sutren, und, das spürte er nur zu deutlich, besaß eine gehörige Portion Magie. Das war einer jener Männer – und Frauen – mit denen er sich vor Jahrhunderten Kämpfe geliefert hatte. Früher hätte Miyatsu sicher nicht nur diese Wurmdämonen vertrieben sondern auch Oni, Kappa, ja, auch Mononoke wie ihn selbst, kurz, alle Youkai, wenn man das als weit gefassten Gattungsbegriff der magischen Lebewesen sehen wollte. Sehr interessant. Das lag sicher in der Familie.

Wieder glitt der Blick des Inuyoukai zu der jungen Hausherrin. Sie sah wirklich so aus als ob sie ins Bett gehörte. Aber sie hielt sich tapfer aufrecht, selbst, als sie nun als erste den Stein aufnahm um auf den Sargdeckel zu klopfen, diesen symbolisch zu verschließen. Dann reichte sie den Stein Onigumo weiter. Er selbst sollte wohl auch wieder vor gehen, um die Zeremonie weiter zu führen. Draußen hatten Diener Kissen und Decken hingelegt, niedrige Tischchen hingestellt, mit Gläsern gedeckt. Zum Glück für Izayoi regnete es nicht, so dass der Empfang im Garten stattfinden konnte. Es wäre unziemlich gewesen, in menschlichen Augen, neben einem Toten zu essen. Sie waren wirklich manchmal kompliziert und auch er verstand sie noch immer nicht, obwohl er sich wahrlich seit Jahrhunderten mit dieser Spezies beschäftigte, ja, die Verträge mit ihnen geschlossen hatte. Was ihn selbst betraf, so wusste der Taishou, was ihn erwartete: ein Denkmal im Diesseits, das von seiner Macht und Stärke zeugen würde, aber leer wäre – und in der Zwischenwelt sein wahres Grab, das niemand eben mal einfach so erreichen konnte. Dort würde er sicher sitzen, angetan mit seiner Rüstung. Und, tot war eben tot – weder sein Sohn noch seine Gemahlin würden sich lange damit aufhalten. Nur Menschen unterlagen dem „Was wäre...“

Onigumo reichte ihm den Stein und er klopfte auf den Sarg. Izayoi wirkte wirklich müde, hatte wohl auch viel geweint...Diese Traditionen und Riten verlangten viel von Angehörigen. Er wagte jedenfalls zu bezweifeln, dass seine eigene Familie nach seinem Ende auch nur an ihn denken würde, bei allem schuldigen Respekt gegenüber ihm solange er am Leben war. Aber Youkai lebten, ebenso wie Götter, in einer realeren Welt als die, die sich Menschen zu bauen pflegten. Frühling kam nach dem Winter und der Tod nach dem Leben. Ein ewiger Kreislauf. Er trat zurück und reichte den Stein einem anderen Ratsmitglied weiter, ehe er den Raum verließ und mit gewissem Aufatmen auf die Terrasse trat. Hoffentlich galt das jetzt nicht schon wieder als unhöflich, aber für eine um soviel bessere Nase als die der Menschen war das fast unerträglich.
 

Die vier eingeladenen Youkai, allesamt Ratsmitglieder, aßen und tranken nichts, auch, wenn sie aus Höflichkeit sich zu den Menschen gesetzt hatten.

Der Inu no Taishou bemerkte ebenso wie alle anderen, dass Izayoi sich erhob und Richtung Haus ging. Sie sah wirklich mitgenommen aus, dachte er. Doch, es war schon richtig gewesen Jiro zu versprechen ein Auge auf sie zu haben. Sie war hübsch, eine höfliche, bemühte Gastgeberin, wohlerzogen dazu eine Fürstin zu sein. Hm. Vielleicht sollte er ihr von der Bitte ihres Vaters erzählen, damit sie wusste an wen sie sich zumindest in den nächsten neununddreißig Trauertagen wenden konnte, wenn es um das Geschäft ging, sofern Onigumo ihr da nicht helfen konnte. Ah, alle standen jetzt auf, offenbar war der strikte Teil vorbei und man würde noch ein wenig plaudern.

Möglichst unauffällig schlenderte er ebenfalls Richtung Haus. Er sollte es ihr sagen – aber das sollte auch unter ihnen bleiben. Es war ein rein persönlicher Gefallen, um den ihn Jiro da gebeten hatte, und das war dem sicher schwer gefallen diese Bitte auch nur auszusprechen. Und das brauchte niemand wissen, zumal sicher irgendwer Rückschlüsse auf geschäftliche Dinge ziehen würde, vor allem wenn herauskam, dass er die Fukuwara-Aktien aufkaufen ließ. Das Eine hatte mit dem Anderen nichts zu tun, aber Menschen sahen das gern anders. Sie waren nicht gerade rational.

Ah, da war sie. Er hielt an. Sie stand an der Tür, eine Dienerin reichte ihr ein Glas und noch etwas. Sie nahm eine Tablette, erkannte er dann. Kopfschmerzen oder so, ja, das mochte gut sein. Der vergangene und der heutige Tag hatten es sicher in sich gehabt für die Prinzessin. Und morgen würde die Verbrennung und die zeremonielle Bergung der Knochenreste sie gewiss auch noch einmal beanspruchen. Er wich ein wenig zurück als er wittern konnte, dass Onigumo sich von schräg ebenfalls dem Haus näherte. Hinter einem Rotahorn gedeckt, beobachtete der Taishou wie Izayoi der Dienerin das Glas zurückgab und sich umwandte, um zu den Gästen zu gehen, als sie ihren Cousin auf sich zukommen sah.

„Ich komme gleich,“ sagte sie und es klang müde: „Hat mich schon wer vermisst?“

„Nein. Ich wollte nur die Gelegenheit nutzen mit dir allein zu sprechen. - Izayoi, du weißt, dass die Gäste wichtige Personen sind. Was hältst du davon, wenn wir ihnen sagen, dass wir nach der Trauerfrist unsere Verlobung bekanntgeben? Dann sparen wir uns …“ Der Hanyou brach lieber ab.

Seine Cousine richtete sich mit einer fast geschmeidigen Bewegung zu ihrer vollen Größe auf und starrte ihn an: „Das habe ich gerade überhört! Wie kannst du nur auf solch einen Einfall kommen, auf Vaters Trauerfeier! Das Leben gehört nicht zum Tod und das würde mich, Vater, die Familie, in alle Ewigkeit vor diesen Personen, wie du sagst, beschämen! Im Übrigen kann ich mich nicht entsinnen, dass du mich je gefragt hast, ob ich dich heiraten will!“
 

Da hatte sie im ersten Punkt zumindest vollkommen Recht, dachte der Taishou, der gut genug hörte, um dem Gespräch auch aus dieser Entfernung zu folgen. Dieser Vorschlag mochte praktikabel erscheinen, wenn man nur sachlich dachte – aber für Menschen war das eine Zumutung. Onigumo hatte vollendete Tatsachen vor Zeugen feststellen wollen, sich in wenigen Wochen die Hand seiner Cousine sichern wollen – und war offenkundig in das größte anzunehmende Fettnäpfchen getreten.

Aber, dachte der Youkaifürst seltsam zufrieden, nicht mit Izayoi. Diese Bewegung, die sie gemacht hatte – in Sekundenbruchteilen war aus einem trauernden Mädchen eine stolze Frau geworden. Als ob sie ein Rückgrat aus Stahl besäße. Es hatte fast gewirkt, als ob ein schwerer Mantel von ihren Schultern gleite. Sehr schön zum Ansehen – und er sollte jetzt wohl sich zeigen, um die Sache zu bereinigen. Hatte Jiro an derartige Missverständnisse zwischen den Arten gedacht, als er sich an ihn wandte?

Es wäre wohl besser so zu tun als ob er nichts gehört hätte – und immerhin bemerkte jetzt der Hanyou sein nun offeneres Youki, denn der wandte den Kopf. So meinte er: „Ah, Prinzessin, schön, dass ich Sie noch antreffe. Ich möchte...muss mich dann verabschieden. Darf ich Sie noch zu den anderen Gästen zurückbegleiten?“

„Ja, natürlich, danke, edler Fürst.“ Izayoi warf ihrem Cousin noch einen funkelnden Blick zu, ehe sie mit gesittet gesenktem Kopf neben den Inuyoukai trat. „Ich...ich war mir nicht bewusst so lange abwesend gewesen zu sein,“ entschuldigte sie sich.

„Es war nicht lang, aber man vermisst eben angenehme Begleitung.“ Oh, Onigumo schien wütend, verbarg es aber sofort. Sah der Hanyou ihn etwa als Konkurrenten? Kaum. Was sollte er denn mit einem Menschenmädchen? Nun, ihre Millionen benötigte er nicht, die Aktien kaufte er langsam aber sicher zusammen...Nein. Er würde nur, wie Jiro es gewollt hatte, ein Auge auf sie haben, bis sie verheiratet war. Mit ihrem Cousin, wenn es nach den Wünschen ihres Vaters ging. So griff er in sein Jackett, als sie auf halbem Weg zwischen Onigumo und den anderen Gästen waren, und nahm ein Portefeuille heraus, suchte in den Karten: „Hier, Prinzessin. Falls Sie irgendwann das Bedürfnis haben zu reden – rufen Sie diese Nummer an.“

Izayoi nahm die kleine Karte. Eine Handynummer, erkannte sie, kein Name, nichts: „Danke...“ Sie klang jedoch verwundert.

„Sie können diese Nummer zu jeder Tages- oder Nachtzeit anrufen. Es ist mein Privathandy.“ Er sah geradeaus: „Ich habe es immer in Reichweite.“ Nun, momentan nicht, aber das würde er ab sofort.

„Vielen Dank.“ Das war sicher sehr nett gemeint, zumal sie nicht annahm, dass allzu viele Leute, Menschen oder Youkai, diese Nummer kannten.

„Ihr Vater bat mich ein Auge auf Sie zu haben.“

Sie blieb stehen, hätte um ein Haar ihn unhöflicherweise angestarrt: „Mein...Vater?“

„Ihre Überraschung ist für mich nicht gerade schmeichelhaft.“

Sie wurde feuerrot: „Oh, Verzeihung, das...das meinte ich nicht, edler Fürst. Ich dachte nur....ich vermutete nicht, dass mein Vater einen Youkai....Aber ja, Sie kannten ihn ja aus dem Rat und sicher gut...“

Ja, die Überraschung hatte auch auf seiner Seite gelegen. Und daraus konnte man nur wirklich und wiederholt schließen, wie wichtig Jiro diese Sache gewesen sein musste. Zumal kaum zu vermuten stand, dass die Prinzessin ahnte, dass sie nicht die volle Kontrolle über ihr Erbe hatte. „Kommen Sie weiter.“

Sie gehorchte.
 

Onigumo sah ihnen nach. Was sollte das? Hatte der Taishou wirklich nach Izayoi gesucht? Möglich, wenn er gehen wollte war es nur höflich sich von der Gastgeberin zu verabschieden. Und für jemanden wie ihn war eine menschliche Trauerfeier sicher eine gewisse Zumutung. Überdies konnte keiner der anderen Youkai gehen, solange er blieb. Bedenklicher war Izayois Aufbegehren gegen seinen eigenen Plan eine Verlobung auch nur anzukündigen. Sie hatte eine eigene Meinung? Das war schlecht.

Schön, ja, er hatte nicht bedacht, dass eine Trauerfeier, noch vor der Verbrennung, ein schlechter Termin für die Bekanntgabe einer Verlobung wäre, aber er wollte die Sache schnell unter Dach und Fach bringen. Nun gut. Spätestens, wenn dieser Takemaru Setsuna weg war, würde sie sich nur noch auf ihn verlassen können. Und dann stand einer Heirat nichts mehr im Weg, genauer, seinem Fürstentitel.

Die Erbin

Izayoi betrachtete die Urne ihres Vaters, als sie die Räucherstäbchen anzündete und Gebete für seine gute Reise in das Jenseits murmelte. Drei Wochen war er jetzt tot....

Langsam hatte sie sich daran gewöhnt allein zu sein. Sicher, Onigumo rief sie jeden Tag an, die Diener hier im Haus wandten sich nach wie vor an sie mit Fragen – aber es gab eigentlich nichts, was sie zu tun hatte. Die Anwälte waren dabei das Testament abzuwickeln, nun ja, sie war die Alleinerbin, das war nicht so schwer.

Moment.

Vater war jeden Tag in seine Firma, in sein Büro gefahren. Wenn sie jetzt die Erbin war – warum hatte sie da nichts zu tun? Gab es etwa nichts was sie unterschreiben musste? Wie lief das eigentlich ab?

Sie beendete das wöchentliche Totengedenken und erhob sich. Sie sollte einmal in die Firma fahren. Auch Onigumo hatte schon so eigenartig gefragt, wer jetzt das Unternehmen leite – aber er war natürlich vorsichtig, seit sie ihn wegen der Verlobungsfrage auf der Trauerfeier derart angefaucht hatte. Er hatte sich später entschuldigt, das sei eben das Erbe seiner Mutter und Youkai wären nüchterner, würden kaum Emotionen kennen. Er hatte sogar gesagt keine, aber sie musste sich nur an das kleine Hundemädchen im Park erinnern, wie stolz ihre Mutter und alle anderen darauf gewesen waren. Selbst der Inu no Taishou hatte ein Kompliment gemacht.

Sie hatte die Entschuldigung ihres Cousins angenommen. Sie selbst war übermüdet gewesen, traurig – und hatte wohl auch überreagiert.

Jetzt sollte sie aber wirklich ihrer Idee nachgehen. Wer lenkte eine Aktiengesellschaft nach dem Tod ihres Besitzers? Oder, korrekter, des Hauptaktionärs?
 

Stunden später hätte sie sich gern ihre Haare gerauft, aber das war kaum schicklich. Hauptversammlung, Aktienrecht, Vorstand und Aufsichtsrat...

Jedenfalls bekam sie nach ihren Internetrecherchen zweierlei mit: ihr Vater war im Aufsichtsrat gewesen und gleichzeitig der agierende Vorstand. Jetzt musste die Hauptversammlung aller Aktionäre also ein neues Aufsichtsratsmitglied wählen – und der Aufsichtsrat einen Vorstand bestimmen. Wieso war da noch nichts geschehen? Oder konnte das erst passieren, wenn die Aktien auf sie übertragen worden waren, ihren Namen trugen? Schwebte momentan alles in der Luft?

Schön. Sie sollte einmal mit Vaters engsten Mitarbeitern im Unternehmen reden, sie hatte die vier älteren Herren ja vorgestellt bekommen.

Und sie sollte seine persönlichen Dinge aus seinem Büro entfernen.

Sie stand auf: „Mayoko, ich brauche Takemaru für eine Fahrt.“
 

Die Arbeitnehmer im Fukuwara-Stammsitz wussten, wer sie war – aber zumindest die engsten Mitarbeiter des verstorbenen Fürsten machten kein Hehl aus ihrer Überraschung als die Prinzessin auftauchte. Izayoi erklärte die persönlichen Habe abholen zu wollen, ehe sie sich nebenbei erkundigte, wer momentan unterschreibe.

„Niemand, Izayoi-sama,“ erklärte der Älteste: „Kanave hier wird Ihnen zur Hand gehen beim Aufräumen. - Sie werden eine Einladung zur Hauptversammlung erhalten, sobald geklärt ist, offiziell, natürlich nur, wie viele Aktien Sie besitzen. Ich vermute, dass Sie dann erst einmal in den Aufsichtsrat gewählt werden, zumindest, solange Sie nicht verheiratet sind. Dann wird der Aufsichtsrat einen Vorstandsvorsitzenden vorschlagen. Ich denke Ihr dann anzunehmener Gatte wird es werden. Soweit ich informiert bin hatte Fürst Fukuwara...ich meine, er dachte an jemanden.“

„Ja.“ Was sollte sie schon sagen. Niemand traute ihr zu selbst etwas zu tun. Wobei, die Leitung solch einer Firma wäre wohl für jemanden, der keinerlei Ahnung besaß, auch fatal für alle. „Es erwarten also alle, dass ich bald heirate...noch in der Trauerzeit?“

Da das ein wenig seltsam klang, meinte Kanave eilig: „Nun, es gibt Notwendigkeiten, Izayoi-sama...Natürlich nicht in den ersten fünfzig Tagen, das ist selbstverständlich. Niemand bezweifelt, dass Sie um Fürst Jiro trauern. - Darf ich Sie in das Büro begleiten?“

Sie nickte nur. Ja. Es war wohl im Interesse aller, wenn sie möglichst rasch dafür sorgte, dass sich jemand um das Geschäft kümmern konnte. Kanave....doch, den hatte ihr Vater besonders erwähnt. Er hatte gemeint dieser sei seine wahre rechte Hand, als er ihn ihr vorgestellt hatte.
 

So fragte sie im Büro: „Es gehen alle davon aus, dass ich meinen Cousin heiraten werde, nicht wahr?“

„Soweit ich informiert bin war das der Wunsch Ihres ehrenwerten Vaters, Izayoi-sama. Und, mit Verlaub, Ihnen fehlt die Ausbildung.“

„Dessen bin ich mir bewusst.“ Sie öffnete den Schreibtisch. Nun, es gab praktisch nichts persönliches hier, sah man von einem Bild ab, das ihr das Herz zusammenpresste. Mutter, Vater, ihr Bruder und sie als Baby.....Eine glückliche Familie, keine zwanzig Jahre war es her, als sie dort im Ferienhaus am Meer gewesen waren. Und jetzt lebte nur noch sie allein.

„Sobald das Testament vollzogen ist wird die Einladung zur Generalversammlung ausgeschickt,“ erklärte Kanave derweil.

„Ich bin die Hauptaktionärin, dann.“ Die Einzige, die noch am Leben war von ihrer Familie.

„Äh, Izayoi-sama....“

Sie wandte sich um, ein kaltes Gefühl in der Magengegend, jedoch zu streng erzogen um es zu zeigen: „Gibt es da etwas, das ich unbedingt wissen sollte, ehe ich eine wie auch immer geartete Entscheidung treffen muss?“

Kanave, ein Mann Ende der Fünfzig, seufzte: „Der Herr hatte keine Gelegenheit mehr es Ihnen mitzuteilen...“

De Prinzessin sah ihn an: „Bitte, halten Sie mich nicht für töricht.“

Nein. Er musterte sie kurz. Nein, dumm war sie nicht. Unerfahren, bestimmt. Aber er musste es ihr sagen: „Vor zwei Jahren verkaufte der Herr Aktien, zuvor besaß er einundfünfzig Prozent, danach nur noch fünfundvierzig. Dies geschah, um den neuen Freizeitpark zu finanzieren. Fürst Jiro wollte die Aktien bald zurückkaufen, aber das...aufgrund unglücklicher Verkettungen gelang ihm das nicht. Und das bedeutet...“

„Danke. Ich bin mir durchaus bewusst, dass einundfünfzig und fünfundvierzig ein bedeutender Unterschied ist.“ Das war nicht gut, dachte sie. Das Eine sicherte die absolute Mehrheit, das Andere...nun ja. Es war wohl kaum auszugehen, dass sich alle gegen sie stellen würden. Oder gab es noch einen Punkt? „Wer hat denn noch viele Aktien?“

„Wir suchen noch. Nachdem die Todesnachricht bekannt wurde sank der Kurs rapide, da einige Leute wohl in sinnloser Panik verkauften. Da aber in großen Mengen Aktien auch gekauft wurden, stabilisierte sich der Kurs. Soweit wir bislang nachvollziehen konnten, wurden weltweit von verschieden Banken und Maklern gekauft – aber es bleibt abzuwarten in wessen Namen so alles. Diese Nachrichten werden demnächst kommen. Das muss übrigens auch noch herausgefunden werden, ehe die Versammlung einberufen werden kann. Ich kann Ihnen jedenfalls sagen, dass hier in der Stadt der Taishou-Konzern kaufte.“

Der Herr der Hunde, er hatte gesagt, er wolle sich in Vaters Namen um sie kümmern. Hatte er gekauft um die Firma zu stabilisieren? Oder weil er investieren wollte? „Wie viele?“

„Drei Prozent. Aber wir müssen noch die Namen der anderen Käufern mitgeteilt bekommen. Das geschieht in diesen Tagen wenn die Banken schreiben. Dann wissen wir mehr.“

„Drei Prozent würde nicht ausreichen um mir die Mehrheit zu sichern. Aber es würde eine Gegenstimme erschweren,“ überlegte sie laut.

„Das ist wahr, Izayoi-sama. Allerdings – der Taishou ist ein Konkurrent. Machen Sie sich jedoch keine Sorgen. Sie sind und bleiben die wichtigste Person.“

Warum hatte Vater dann die Aktien zurückkaufen wollen? Nun ja, die absolute Mehrheit war eben besser als eine relative und falls sich alle anderen einig wären...gleich. „Erzählen Sie mir noch wie so eine Versammlung abläuft.“
 

Onigumo sah aus dem Fenster seines Büros in seinem Hotel. Izayoi war schwer zu fassen, stellte er fest. Ob das an ihrer Verunsicherung und Trauer lag? Er rief sie jeden Tag an, aber sie lud ihn nicht zu sich ein, war höflich, aber gab durch nichts ein Zeichen, dass sie einer Verlobung zustimmen würde, erklärte keine gemeinsamen Zukunftspläne....Nach der kleinen Szene bei Onkels Todesfeier hielt er sich auch damit zurück. Womöglich wollte sie wirklich erst nach den ersten neunundvierzig Tagen darüber mit ihm reden, so konservativ, wie sie erzogen worden war. Das hatte er bei seinem Vorschlag missachtet. Auf die Zeit danach hatte er auch den Unfall Takemaru Setsunas verschoben, aus einem einfachen Grund. Stimmte seine Cousine danach einer Heirat zu, hatte ihr Leibwächter womöglich keinen Unfall nötig, gut für alle Beteiligten. Lehnte sie ab, musste der Kerl auf jeden Fall sterben – und dann hatte er auch bereits einen Einfall gehabt, wie man dessen Tod und Izayois notwendiges Verschwinden erklären konnte. Er selbst, als letzter Verwandter der Fukuwaras, musste nichts weiter tun als sie für vermisst erklären und die zehn Jahre bis zu ihrer Todeserklärung abwarten, dann erben. Als Hanyou hatte er Zeit. Natürlich dufte er direkt weder mit dem einen Tod noch dem anderen etwas zu tun haben um die Polizei und ihre Youkai irre zu führen.

In jedem Fall musste das alles geklärt sein ehe es zur Aktionärsversammlung kam. Izayoi musste ihn dann nur vorschlagen, verheiratet oder nicht. Aber offenbar dauerte das alles. Er kannte sich mit Aktienrecht nicht so gut aus, aber er hatte nachgelesen und wusste, dass gewisse Fristen mit der Einladung verbunden waren.

Dennoch, er sollte vorbereitet sein für alle Fälle. Er griff in seinen Schreibtisch und suchte eine Handynummer, ehe er eine Nachricht tippte. Tsubaki war eine ehemalige Apothekerin und ehrenamtliche Priesterin, der ihre kleinen Giftmischereien mehr als Ärger eingebracht hatten, angefangen bei Entzug ihrer Lizenz. So verkaufte sie jetzt ihre Gemenge illegal an gute Kunden. Ihre Kenntnis würde ihm helfen. Vielleicht war das sinnlos ausgegebenes Geld, aber es war besser auf alles vorbereitet zu sein.
 

„Oyakata-sama...“

Der Inu no Taishou, der gerade von einem Geschäftsessen zurückkehrte, spürte ein leichtes Gewicht auf seinem Schulterfell und stieg in das Auto, wartete, bis der Chauffeur die Tür schloss: „Myouga.“

Der Flohgeist sprang auf den Oberschenkel seines Herrn: „Prinzessin Fukuwara war heute in ihrem...nun, im Konzern.“ Diesen überwachte er augenblicklich

„Holte sie die privaten Dinge Fürst Jiros ab?“

„Auch, wenn auch nur eine Tasche, soweit ich sah. Aber mir gelang es mit ihr und einem Berater des Fürsten im Büro zu bleiben. Sie erkundigte sich, wer momentan die Leitung habe, wie das mit der Generalversammlung ablaufe. Dieser Kanave teilte ihr auch mit, dass Fürst Jiro Aktien verkauft habe und Sie, oyakata-sama, gekauft. Er sprach allerdings von drei Prozent.“

„Nun, da irrt er. Aber das erklärt, warum sie noch keine Einladungen verschickt haben. Sie benötigen die Namen der neuen Eigentümer. Ich denke, sie werden den nächsten Monatsersten als Sperrfrist für Aktienkäufe und -verkäufe wählen und nach vier Wochen dann die Außerordentliche Versammlung abhalten. Dann sind auch die engeren Trauerwochen um. Jiro hat fähige Mitarbeiter, will mir scheinen.“

„Wie viele Aktien besitzen Sie nun?“

„Acht Prozent.“ Zu mehr hatte das vorhandene Geld nicht ausgereicht.

„Also ein Hauptaktionär. Möchten Sie selbst in den Aufsichtsrat oder den Vorstand?“

„Aufsichtsrat wäre passend.“ Dann könnte er auch mitbestimmen wer Vorstand würde und dem auf die Finger sehen, gleich, ob Onigumo oder ein Anderer. Hm. Das wäre eigentlich eine Idee. Oder auch nein – Sesshoumaru könnte sich im Fukuwara-Konzern zwar einüben, aber sein Sohn und nur Menschen? Das würde kaum gut gehen. Nun, er sollte sich eine Taktik überlegen, je nachdem, ob Izayoi Onigumo vorschlug oder nicht, ob sie heiraten würden oder nicht. Denn er war sicher, dass der Hanyou dies ebenfalls tat. Der war kein Narr, auch, wenn sein Verlobungsvorschlag auf der Trauerfeier unangebracht gewesen war. Das deutete nur darauf hin, dass er bislang wenig unter Menschen gewesen war.
 

Der Youkaifürst rechnete nicht mehr damit, dass ihn Izayoi anrufen würde, zumal, als er fünf Wochen nach Jiros Tod die Einladung zur Außerordentlichen Aktionärsversammlung erhielt, inklusive seiner eigenen Kandidatur zum Aufsichtsrat. Umso überraschter war er auf seinem Privathandy eine Nachricht vorzufinden, in der sie ihn um einen geschäftlichen Termin bat. Er ließ ihn ihr unverzüglich einräumen und erwartete sie am folgenden Tag in seinem Arbeitszimmer, auf den Tatamimatten. Sie würde sich vermutlich ebenso wie ihr Vater hier wohler fühlen als in der westlich gehaltenen Zimmerecke. Dort empfing er Gäste dieser Kultur.

Die schwarzhaarige junge Dame war überaus pünktlich und betrat sein Arbeitszimmer mit einer tiefen Verneigung, wollte sich bereits an der Tür niederknien, als er die Hand hob:

„Nicht ganz so förmlich, Prinzessin. Bitte, setzen Sie sich mir gegenüber.“ Sie trug wie immer Kimono, die ihre Figur verbargen, kaum die Fingerspitzen frei ließen. Bei der tiefen Verneigung hatte sich allerdings kurz ihr Nacken gezeigt – ob die modernen, oft aufreizend gekleideten jungen Frauen überhaupt wussten, wie überaus ansprechend für einen Mann solch ein Anblick war, wenn der Rest dermaßen verpackt war?

„Danke, edler Fürst.“ Sie ließ sich nieder und sah zu Boden. Bis hierher hatte sie ihr Mut getragen, aber jetzt schien er sich vollkommen verflüchtigt zu haben. Was sollte sie nur sagen?

„Sie wollten eine geschäftliche Besprechung,“ erinnerte der Taishou. Sie war unentschlossen, ja, ängstlich. Vor ihm als Geschäftspartner oder als Youkai?

„Kanave, ein Mitarbeiter meines verstorbenen, verehrten Vaters, teilte mir mit, dass Sie nun acht Prozent der Aktien besitzen. Sie kandidieren auch für den Aufsichtsrat.“ Sie holte tief Atem: „Es geht mich nichts an, aber...“

„Beabsichtigen Sie in Erfahrung zu bringen, was ich damit vorhabe? Das geht Sie als größte Aktionärin durchaus etwas an.“

Wollte er ihr damit zu erkennen geben, dass sie nicht so schüchtern sein musste? Sie sah auf: „Sie sagen nicht Mehrheitsaktionärin.“ Ein kaum merkbares Lächeln, das um seinen Mund glitt, verriet ihr, was sie befürchtet hatte: „Sie wussten es, nicht wahr?“

„Ich weiß, dass Ihr Vater vor zwei Jahren einige Aktien verkaufte.“

„Zusammengelegt wäre es immer die Mehrheit.“

„Das ist wahr. Aber, warum sollte ich?“ Er erwartete eigentlich, dass sie darauf hinweisen würde, dass er ihrem Vater versprochen hatte sie zu beschützen.

„Warum hören Sie sich nicht meinen Vorschlag an, edler Fürst?“ Sie hätte sich fast die Hand vor den Mund gehalten. Man machte einem Fürsten keine Vorschläge oder sagte gar, was der zu tun habe.

Der Taishou wusste dies: „Fürst bin ich im Privatleben. Hier ein Geschäftsmann.“ Was wollte sie nur? „Wollen Sie Ihren Cousin als Vorstand vorschlagen? Das können Sie auf der Versammlung oder auch später beim Aufsichtsrat.“

Izayoi schwieg dazu: „Sie haben acht Prozent der Fukuwara-Aktien gekauft, obwohl die Firmen Konkurrenten sind. Ich vermute nicht, dass Sie das Geld zum Fenster hinauswerfen wollten oder auch....private Interessen hatten.“ Und ihr helfen wollte oder ihr die Aktien schenken. Derart romantische Träume passierten nur im Fernsehen.

„Soweit korrekt.“

„Ich möchte sechs Prozent der Anteile zurückkaufen.“ Dann hätte sie wieder die absolute Mehrheit und das wäre ihrem Vater nur zu recht gewesen.

Er stutzte: „Werte Prinzessin, wenn das finanziell möglich wäre, hätte Ihr Vater dies bereits längst getan.“

„Ich würde Ihnen die Anteile an der Lüsin-Bahn geben als Tausch.“

„Sie wurden gut informiert.“ Ja, an dieser Bahn war er schon länger interessiert, eine Schnellbahn, die mit ihrer baldigen Fertigstellung nahe Flüge auf dem Festland überflüssig machen würde. Sehr gewinnversprechend. „Nur, so viele besitzen Sie nicht.“ Er hatte schließlich schon versucht die Anteile von Jiro zu kaufen, aber dessen Herz hing an diesem Projekt – seine Großmutter war vom Festland gekommen. Und es war deutlich zu wenig gewesen um die fehlenden Aktien zurückkaufen zu können.

„Und ich würde Sie, edler Fürst, oder eine Person Ihrer Wahl, als Vorstand vorschlagen.“

Sie verhandelte unerfahren, jedoch nicht ungeschickt. Entweder sie hatte überaus fähige Berater oder war selbst klug – am ehesten beides. „Das dürfte Ihren Cousin enttäuschen.“

„Der Wunsch meines verehrten Vaters,“ erklärte sie kühl, ohne das Zittern ganz aus ihrer Stimme bekommen zu können: „War, dass der Name unserer Familie erhalten bleibt, und ein fähiger Mann die Leitung der Firma übernimmt. Es war nie eine Bedingung, dass es sich um ein und dieselbe Person handeln muss.“ Auch, wenn das Vater lieb gewesen wäre. Inzwischen wusste sie jedoch um das Problem, das ihn bis zu seinem Lebensende gequält hatte – der Verdacht, dass der gesamte Konzern auseinandergerissen werden könnte, die Menschen, die für ihn arbeiteten, ihre Arbeit und alles verloren.

„Das ist wahr. - Nun, ich will in den Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat wählt den Vorstand aus, da haben Aktionäre nicht mehr mitzureden. Sie brauchen jedoch keine Sorge zu haben, Prinzessin: ich habe nicht vor den Fukuwara-Konzern als solches anzutasten. Ich will Zusammenarbeit. Konkurrenz, mag sein, in einigen Feldern. Aber Ergänzung in anderen.“

Izayoi atmete tief durch: „Ich verstehe sehr wenig von diesen Dingen, edler Fürst, bitte seien Sie ehrlich mit mir.“

„Das bin ich.“

Sie sah ihn forschend an, dann lächelte sie. Ja. Er war ehrlich, soweit das ein Youkai sein konnte, da war sie sicher. So verneigte sie sich formell: „Ich danke Ihnen.“

Der Taishou spürte, wie ihm das Lächeln seltsame Wärme schenkte – und in ihm der unsinnige Wunsch aufstieg Onigumo in Stücke zu reißen. „Schließen wir Frieden, Prinzessin.“

Sie neigte den Kopf seitwärts: „Hatten wir denn Krieg, edler Fürst?“

„Vor einigen Jahrhunderten, ja. Da fanden solche Auseinandersetzungen um Besitz und Reichtum mit dem Schwert in der Hand statt – nicht mit Aktien. Und am Ende heiratete immer eine Tochter einen Sohn.“

„Zweihundertachtunddreissig.“

Sie klang so bitter, dass er hörbar verwundert sagte: „Bitte?“

„Der zweihundertachtunddreissigste Vorschlag ihn oder seinen Sohn zu heiraten in den vergangenen fünf Wochen.“ Manche hatten sogar Interviews gegeben. Sie schaltete den Fernseher schon gar nicht mehr ein.

Er war offenbar in ein Fettnäpfchen gesprungen: „Ich sprach von lange vergangenen Zeiten, Prinzessin. Ich würde meinem Sohn nie zumuten Sie zu heiraten.“

Izayoi wurde feuerrot. Das war eine Vergeltung für ihre vorlaute Bemerkung, da war sie sicher. Wie konnte sie so unhöflich sein, einem Fürsten gegenüber, zumal einem so mächtigen Mann, der ihr nichts getan hatte außer freundlich zu sein. „Ich...oh, bitte verzeihen Sie mir...“

Der Youkaifürst merkte nun erst, dass er die Sache wohl eher verschlimmert hatte: „Nein, verzeihen SIE mir. Das war unbedacht. Es sollte keinerlei Abwertung Ihrer Person sein. Nur, mein Sohn hat es eben nicht mit Menschen. Er würde mir gehorchen, es jedoch als Strafe empfinden. - Zweihundertsiebenunddreissig während der Trauerzeit,“ meinte er dann nachdenklich.

Sie nahm sich zusammen: „Ja, edler Fürst.“

„Sie werden in wenigen Wochen eine überaus große Auswahl an Bewerbern haben, neben Ihrem Cousin Onigumo. Waren auch Youkai dabei?“

„Nein.“ Sie wusste wirklich nicht, warum er fragte. Wollte er denen dann verbieten ihr lästig zu fallen?

„Dann sollte ich wohl die Ehre meiner Art retten und mich hinten anstellen.“ Er lächelte, denn er wollte sie beruhigen, amüsieren.

Stattdessen starrte sie ihn fassungslos an: „Sie...Sie scherzen...“

„Ja,“ gab er zu, ehe er in ihre dunklen Augen blickte und selbst nicht ganz genau wusste, warum er ergänzte: „Aber ja doch. Genau das werde ich tun. Nehmen Sie mich als Nummer Zweihundertachtunddreissig.“

Mensch, Hanyou, Youkai

Izayoi vermutete, sie starre den Fürsten nicht nur unhöflich sondern fassungslos an, ehe sie sich fing: „Darf ich fragen...“ begann sie, bevor ihr einfiel, dass es unkorrekt war einen solch mächtigen Mann nach einer Erklärung seiner Befehle oder auch nur Handlungen zu fragen.

Sie konnte nicht wissen, dass sich auch der Inu no Taishou gerade fragte, was das sollte, dann jedoch auf den Schluss kam, dass er sie eben gemäß seinem Versprechen schützen wollte. „Falls sich noch ein Youkai um Sie bewerben sollte, Prinzessin, sagen Sie ihm, dass ich es bereits tue. Er wird Abstand nehmen.“

„Sie sind wahrlich der Herr aller Youkai.“

„Nicht aller, aber doch sehr vieler. Mit den Drachen gab und gibt es über meine Stellung immer wieder Differenzen. Sie dürfen gehen, Prinzessin. Oder haben Sie noch eine Frage?“

„Danke. Wir werden uns bei der Hauptversammlung sehen?“

„Ja. Oh, wann ist die Urnenbeisetzung Ihres Vaters?“

„Am zwanzigsten. Ich...Priester Miyatsu riet mir nicht zu viele Leute einzuladen und den Sicherheitsdienst auf Reporter aufmerksam zu machen.“

„Ein guter Rat. Dann werde ich keine Einladung erhalten?“

„Wenn Sie es wünschen, natürlich,“ beteuerte sie eilig.

Amüsant, dachte er. Ihr Verhalten schwankte zwischen einer wohlerzogenen Prinzessin des Mittelalters und einem Mädchen der Neuzeit. „Nein. Ich muss zugeben, dass ich menschliche Priester nicht sonderlich schätze.“

Sie sah ihn ein wenig ungläubig an, ehe sie doch fragte: „Sie könnten Sie läutern?“

„Nein, das nicht. Es ist nur eine andere Form der magischen Stärke. Und falls Sie noch immer glauben, wie Ihr armer Vater, ich sei ein Höllenwesen, oder eher, wir alle – ich bin das, was man unter den Youkai einen Mononoke nennt. Ein Tiergeist. Unsere Magie liegt in der Natur, entstammt der Natur, so, wie sie und wir einst erschaffen wurden.“

Das klang sehr interessant, dachte Izayoi, besann sich dann jedoch auf ihre Manieren. Sie konnte doch einen so mächtigen und sicher viel beschäftigten Mann nicht mit Fragen nach seiner Herkunft belästigen und ihm weitere Zeit rauben, wenn er sie bereits entlassen hatte: „Ich danke Ihnen, edler Fürst, für Ihre wertvolle Zeit.“ Sie verneigte sich, ein wenig überrascht, dass er sich erhob. Dann erst sah sie, dass er ihr die Hand hinstreckte. Ja, das Aufstehen in den schweren Kimono, so gewohnt sie es auch war, verlief deutlich eleganter und einfacher, wenn einem jemand half. Für einen Sekundenbruchteil zögerte sie die Klaue anzunehmen, aber sie hatte bei ihrem Ball ja bemerkt, dass er wusste, wie er sie nicht verletzte: „Danke.“

Der Taishou schwieg dazu. Erst, als er wusste, dass sie auch sein Vorzimmer verlassen hatte, trat er hinaus: „Saya – jeder Anruf der Prinzessin wird unverzüglich auf mein Privathandy umgeleitet.“

Der alte, weiße Geist sah ihn an: „Oyakata-sama....Wenn Sie sich amüsieren wollen, sollten Sie eine Youkai nehmen. Die versteht die Bedingungen.“

„Ich kann mich nicht entsinnen dich um Rat gefragt zu haben,“ erwiderte der Youkaifürst scharf.

Saya seufzte: „Sie tun ja doch immer, was Sie wollen. Ich wollte nur darauf aufmerksam machen, dass es im Rat und mit den Menschen Schwierigkeiten geben könnte. Prinzessin Fukuwara ist nicht irgendwer.“

„Wenn irgendwer davon erfährt, weiß ich wer geplaudert hat.“

Der kleine Geist erkannte eine Drohung, wenn er sie hörte. „Ja, natürlich werde ich schweigen, oyakata-sama.“
 

Onigumo reckte sich ein wenig. In den letzten Wochen war er jetzt vier Mal diese Strecke mit einem Privatflugzeug geflogen, hatte sich ein kleines Motorschiff gemietet. Zum Einen diente das dazu die notwendige Zeit, Ebbe und Flut genau in Augenschein zu nehmen, den Plan perfekt aufzubauen. Zum Anderen – etwas, das er seit Monaten machte, würde der Polizei kaum derart ins Auge stechen wie etwas, das er am...Unfalltag zum ersten Mal tat. Offiziell dienten diese Reisen dem Einkauf von frischem tropischen Obst, das er auch immer mitnahm und an seine Gaststätten verteilte. Das konnte er auch beibehalten. Es schien gut anzukommen, dass er absolut frische Ware hatte. Natürlich würde er später jemand beauftragen, aber es sollte verständlich sein, dass ein Chef die ersten Dinge selbst tat und prüfte.

Die Medikamente und salzwasserempfindlichen Fesseln hatte er inzwischen auch von Tsubaki erhalten. Alles war somit für den negativen Fall vorbereitet. Übermorgen war die Urnenbeisetzung und damit auch Izayois letzte Möglichkeit mit ihm über eine gemeinsame Zukunft zu sprechen. Nur eine Woche später war bereits die Außerordentliche Versammlung und wenn er da Vorstand werden wollte, oder auch nur vorgeschlagen....

Immerhin sollte sie dann ein wenig offener gegenüber ihm werden, wenn die Trauerriten alle soweit erst einmal abgeschlossen waren. Ja, da gab es noch in den folgenden Monaten so Sitten und Tabus, mit denen er sich allerdings nie beschäftigt hatte. Aber selbst seine Cousine würde einsehen müssen, dass man den Konzern nicht einfach ein Jahr sich selbst überlassen konnte. Außerdem würde sie in einem persönlichen Gespräch sich doch auch überzeugen lassen, dass er die bessere Wahl war als dieser nichtige Chauffeur.
 

Sesshoumaru sah sich ein wenig irritiert um. Er betrieb hier in der Youkaiarena seine Schwertübungen meist allein. Kaum jemand war so begeistert sich ihm gegenüber stellen zu sollen oder tat dies gar freiwillig, wenn man von seinem verehrten Vater absah. Darum war es ungewöhnlich, dass sich jemand näherte – nein, gleich zwei Youkai. Er erkannte Takeo, den Sohn des Herrn der Füchse, ,auch ein Ratsmitglied und die Nummer Zwei hinter Vater, und eine junge Dame aus eben dieser Art. Beide kamen heran, grüßten höflich. Sie wollten doch jetzt nicht sich zu zweit ihm stellen? So schlecht hatte sich Takeo doch bei der letzten Übungseinheit auch nicht gehalten. Das Mädchen trug allerdings auch ein Schwert und er wusste, dass man weibliche Youkai nicht aufgrund ihres Geschlechtes unterschätzen sollte. Ah, das musste Akemi sein, Takeos Schwester. Er hatte sie schon länger nicht gesehen und sie war vom Kind zu einer jungen Dame herangewachsen.

„Akemi, Takeo.“

Beide Kitsune waren durchaus angetan, dass der nicht im Rufe der Umgänglichkeit stehende Youkaiprinz ihrer beider Namen nicht nur kannte sondern aussprach.

Takeo blickte ein wenig seitwärts: „Ich bin sicher, dass Sie Ihre Übungen abschließen möchten, Sesshoumaru-sama, aber meine Schwester...“

„Ich würde gern mit Ihnen reden,“ ergänzte diese. „Unter vier Augen, wenn es Ihnen möglich wäre.“

Der junge Inuyoukai hatte derartige Angebote schon des Öfteren erhalten und schätzte aufdringliche Frauen in keinster Weise. So lag ihm die Ablehnung schon auf der Zunge, ehe er bedachte, dass dann wohl kaum der Bruder sie herbegleitet hätte. So leichtfertig war nicht einmal Takeo. Daher schob er das Schwert in die Scheide. „Dann gehen wir – dort hinüber an den Meeresstrand.“

Sie wären deutlich sichtbar – aber niemand konnte zuhören.

„Ich warte hier,“ erklärte der Bruder auch sofort: „Danke, Sesshoumaru-sama.“ Vielleicht hatte er sich bei diesem letzten Übungskampf so gut gegen den gehalten, dass der ihn in gewisser Weise schätzte?

Akemi blieb neben dem jungen Fürstensohn stehen und blickte auf das Meer, ein wenig unsicher, wie sie das jetzt sagen sollte. Zuvor war es ihr so leicht erschienen, und Takeo hatte ihr auch erzählt, dass der manchmal unerwartet nett sein konnte – aber man sollte auf die Höflichkeit aufpassen. So schwieg sie eine Weile.

„Nun?“ Sesshoumaru hatte erkannt, dass sie nicht ohne Frage reden würde. Immerhin besaß sie mehr Höflichkeit als ihr Bruder.

„Ich wurde vor zwei Jahren in die Gesellschaft eingeführt. Oyakata-sama erwies mir die Ehre.“ Es war sicher besser darauf hinzuweisen, dass der Fürst freundlich zu ihr gewesen war.

Sollte das ein Vorwurf sein? „Ich war nicht anwesend.“

„Ja. Sicher mit gutem Grund. - Sie kennen meinen Status unter Youkai. Seit dieser Zeit erwarten die Medien, die Öffentlichkeit, von mir eine Verlobung, eine Heirat, oder auch nur einen Freund. Ich werde von Fotografen förmlich verfolgt, gleich, ob ich in die Universität gehe oder auch nur einkaufen. Das ist mir mittlerweile sehr lästig. Ich...ich gehe davon aus, dass Sie derartige Dinge besser kennen als ich. Wie schützen Sie sich?“

Sesshoumaru hatte mit dieser Anfrage nicht gerechnet und sah für einen Moment seitwärts, ehe er wieder auf das Meer blickte: „Falls Sie die Gerüchte meinen, die in der Presse oder im Internet stehen, so muss man sie ignorieren.“

„Ich meinte direkt die Paparazzi.“

„Ich habe einige ins Krankenhaus befördert – schon vor langer Zeit.“

„Dann halten sie Abstand.“ Sie seufzte. „Das wird mir kaum gelingen. Die Regeln zwischen Menschen und Youkai sind strikter geworden in den vergangenen fünfzig Jahren.“

„Dann geben Sie ihnen, was sie wollen.“

Akemi drehte sich und sah zu ihm auf, sichtlich verwirrt: „Ich soll mich überall hin verfolgen oder fotografieren lassen?“

„Natürlich nicht. - Wenn Sie einen Freund oder Verlobten haben, wird die Sache gewiss rasch uninteressant. Nur Gerüchte verkaufen sich gut, wenn es jede Woche neue gibt.“ Oh, und wie gut er das wusste! Vater hatte es ihm jedoch erklärt und so bemühte er sich die Schlagzeilen zu ignorieren.

„Ich habe aber niemanden, den ich heiraten möchte. Obwohl mein verehrter Vater mir schon einige Vorschläge machte. Und die, die ich sonst kenne, könnten nicht so schauspielern...Sie fürchten den Zorn meines verehrten Vaters.“ Sie seufzte: „Ich danke Ihnen für dieses Gespräch, Sesshoumaru-sama.“ Sie zuckte fast zusammen als sie einen festen Griff am Oberarm spürte.

„Akemi, die erste Andeutung des Abschiedes steht mir zu.“

„Selbstverständlich. Ich bitte um Entschuldigung.“ Sie war jedoch erstaunt. Wieso ließ er sie nicht gehen, wenn das Gespräch für ihn langweilig war?

„Wir gehen gemeinsam essen, ein anderes Mal ein Strandspaziergang abends. Das sollte für die Presse genügen. Falls der Kyo Kitsune zornig auf mich ist, wird er mit meinem Herrn und Vater sprechen.“

„Aber...Ich meine, danke, Sesshoumaru-sama. Nur, wollen Sie wirklich Schwierigkeiten um meinetwillen auf sich laden?“

„Ich tue was ich will.“ Mit Vaters Verwunderung oder der dann bestimmt geringen Strafe konnte er leben. Der verstand Aktionen, die andere beschützen sollten, immer. Und ihm selbst konnte Kyo kaum etwas anhaben. Überdies galt das auch andersherum – die Gerüchte, er sei mit der Tochter des obersten Fuchsherrn beisammen, würde auch ihn von zu törichten Berichten oder Angeboten befreien. Es war gut für beide Seiten.

„Danke. Ich...ich werde dann nur Takeo einweihen, ja? Falls Sie so freundlich wären mich loszulassen“

Er gab sie frei, warf aber einen Blick hinter sich. Tatsächlich war Takeo einige Schritte nähergerückt, offenbar um seine Schwester zu schützen, obwohl ihm klar sein musste, wie wenig Chancen er hatte. Nun gut, sich die Dankbarkeit der beiden Kinder Kyos zu sichern hatte gewiss auch strategische Vorzüge in der Zukunft, wenn er selbst Fürst und Taishou war. „Gut. Ich werde Sie anrufen. Geben Sie mir Ihre Handynummer.“

De junge Fuchsdame neigte gesittet den Kopf: „Vielen Dank.“ Irgendwie konnte sie es nicht fassen. Sie hatte nur einen Rat gewollt und nicht im Traum daran gedacht, dass der Youkai, hinter dem halb Japan her war, sich mit ihr verabreden wollte. Sicher, nur zum Schein, aber er machte es. Und offenbar stimmten die Gerüchte um seine ganzen Freundinnen der beiden Arten nicht. Vermutlich geschah dieses Treffen auch aus gewissem Eigennutz. Das beruhigte sie auf irgendeine Weise. Keine Füchsin und kein Fuchs war so naiv zu glauben jemand sei selbstlos, schon gar kein Youkai.

Dann hatte sie von Sesshoumaru wohl wirklich nichts zu befürchten.
 

Bei der betont einfachen Urnenbeisetzung ohne jede Presse waren nur Izayoi und Onigumo anwesend, natürlich mit den unvermeidlichen Leibwächtern der jungen Dame, die jedoch höflich Abstand wahrten.

Bemüht, seinen Fehler nicht zu wiederholen, sagte der Hanyou im Gehen: „Wir sollten vielleicht uns noch einmal über die Wünsche deines Vaters, meines Onkels, unterhalten, vielleicht in den nächsten Tagen bei dir? Oder wäre dir eine Gaststätte lieber?“ Ihm schon. Noch lieber, bei ihm zuhause, aber das würde selbst bei der menschlichen Polizei verdächtig wirken.

„Ja.“ Izyaoi seufzte fast: „Wir müssen wohl reden. Du weißt, dass der Youkaifürst acht Prozent kaufte?“

„Ja.“ Ärgerlicherweise, denn das war eine Menge. „Und er kandidiert für den Aufsichtsrat.“

„Ah, du hast ja auch einige Aktien.“

„Nur sehr wenige.“ Und er war nicht auf diesen großen Kursrutsch vorbereitet gewesen, offenbar im Gegensatz zu dem Taishou, so dass er nur relativ wenige dazu hatte kaufen können, knapp ein Prozent gehörte ihm. „Aber ich bekomme natürlich die Einladung zu Aktionärsversammlungen. - Siehst du eine Möglichkeit mich zum Vorstand vorzuschlagen?“

„Das kann ich tun, aber der Taishou wies mich bereits darauf hin, dass allein der Aufsichtsrat darüber entscheidet.“

„Du hast mit ihm darüber gesprochen? Noch vor mir?“

Sie blieb stehen: „Ja, habe ich. Er ist nach mir der Hauptaktionär und es war nur sinnvoll herauszufinden was er plant.“

Das war logisch, passte aber nicht zu dem gehorsamen Mädchen, das er wollte und auch erwartet hatte. Wie strikt hatte Onkel sie an der Leine gehalten? Kaum war der tot entschied sie eigenständig: „Allein, ohne mich auch nur zu fragen.“

Sie richtete sich auf: „Ich habe es nicht nötig dich zu fragen, Onigumo.“

„Es war kein Fehler, Izayoi, das wollte ich nicht sagen, nun, das hoffe ich zumindest. Du bist unerfahren in geschäftlichen Belangen, daher meine Sorge.“ Was sollte das denn? „Übrigens, du weißt, dass ich ein Hanyou bin. Ich unterliege Youkairecht. Und, wenn du mich heiratest, du auch.“

„Damit ist der Taishou unser Herr und Richter, ja.“

Das war nicht die Antwort, die er hatte hören wollen. Ärgerlich genug, dass sie das wusste. Woher eigentlich? „Ich meinte damit, dass nach Youkairecht stets und allein der Ehemann entscheidet. Ja, wie im Mittelalter. Youkai haben sich seither nicht sonderlich verändert, zumindest, was die Sache mit einer Ehe angeht. Aber das würde natürlich auch für dich Schutz bedeuten. - Wann können wir in Ruhe alles bereden? Oh, du kannst deinen Anstandswauwau ja mitbringen.“

Izayoi dachte tatsächlich für einen Augenblick an den Inu no Taishou, ehe ihr einfiel, dass ihr Cousin wohl Takemaru meinte: „Natürlich. Gut. Gegenüber des Konzerns liegt eine Gaststätte, in der mein Vater auch schon geschäftlich aß. Goldene Laterne. Ich lasse dort ein Nebenzimmer bestellen, dann können wir in aller Ruhe über unsere Zukunft und die des Konzerns sprechen.“

„Gute Idee, liebe Cousine. - Übermorgen?“ Das war Freitag und Dienstag war die Versammlung, falls er noch etwas vorbereiten musste.

„Ja.“

Er sah ihr mehr als nachdenklich nach. Sie war eigenständig zum Taishou gegangen? Ja, hatte es auch noch geschafft da einen Termin zu bekommen? Der Taishou war einer der wichtigsten Aktionäre jetzt in der Firma? Ja, wollte da in den Aufsichtsrat? Das war mehr als lästig. Womöglich war sein Problem nicht nur der Setsuna-Leibwächter, sondern ein Geschäftsmann, der genau die gleichen Ziele verfolgte wie er selbst, die Kontrolle über den Fukuwara-Konzern. Und der das Ganze durchaus geschickt angefangen hatte. Was käme da als nächstes? Ein Heiratsantrag für Izayoi? Überdies fing das liebe Cousinchen das Denken an. Das war nicht in seinem Sinn.

Hm.

Übermorgen wollte sie mit ihm reden....Und irgendwie hatte das nicht nach fröhlicher Braut geklungen. Er sollte wohl davon ausgehen, dass sie ihn abschieben wollte. Auf jeden Fall würde sie ihn nicht als Vorstand vorschlagen, das hatte der liebe Taishou wohl gut verhindert. Die Hochzeit...War ihm das alles den Ärger wert? Oder sollte er doch seine Vorbereitungen durchziehen, gleich ob sie ihn heiraten wollte oder nicht?

Ja, das wäre wohl besser.

Er sollte sich die Gaststätte ansehen, deren Parkplatz, und die Kisten holen, die er bereits liegen hatte. Und morgen eine Rund-SMS an ausgewählte Männer schicken, dass er noch einmal eine Versteigerung plante.

Man sollte ja nicht das Fell des Bären verkaufen ehe man ihn erlegt hatte, aber wenn dieser Teil seines Plans durchgezogen war, der zweite anlief – vielleicht sollte er einen Plan im Plan entwickeln, wie er den Taishou davon überzeugen konnte, dass er, Onigumo, während Izayoi vermisst war, den Konzern leiten sollte, ehe er offiziell nach zehn Jahren zum Fürsten und Erben erklärt wurde.

Hm. Nein, mit seinem Rechtsanwalt sollte er sich nach wie vor darüber nicht beraten, nur über Onkel Jiros Testament, das der ihm heute noch vorlegen wollte. Niemals Helfer und keine Mitwisser. Es war schlimm genug, dass er mit Tsubaki und seinen illegalen Kunden in direktem Kontakt stehen musste, aber da wahrte die jeweils andere Seite aus gutem Grund auch die Vorsicht. Überdies kannten sie ihn nur in seiner Verkleidung und unter dem Namen Hakudoshi. Er hatte sich immer vorgesehen. Zwar wussten die kauflustigen Youkai und die ehemalige Priesterin anhand seiner Aura dass er ein Hanyou war, aber mehr auch nicht. Und nach einem Halbdämonen mit Pavianmutter konnte die Polizei lange suchen.

Es sah eigentlich alles gut aus. Warum also riet ihm ein Gefühl zur Vorsicht?

Sicher, weil der Inu no Taishou ins Spiel gekommen war. Leider war der nicht nur ein reicher sondern auch ein überaus mächtiger Mann, schon mal so. Zu allem Überfluss war er jedoch auch der Herr aller japanischen Youkai. Wenn der wollte, dass jemand starb, musste er den Wunsch nur aussprechen. Oder ihn bei einem Fehler ertappen, denn Richter war er ja auch noch.

Es wäre klug zur Sicherheit sich einen Fluchtweg offen zu halten. Dazu benötigte er Geld, am besten sicher auf einem Nummernkonto, von denen es heutzutage allerdings kaum mehr anonyme gab. Und ganz bestimmt nicht, wenn ein Regierungsmitglied als Richter und Ermittler Auskunft bei einer Bank verlangte. Also musste es Bargeld sein...nein, zu riskant. Falls er plötzlich das Land verlasen musste, brauchte er zwar Geld, aber auch im Ausland. Und da gab es Zoll....

Das wollte gut überlegt sein. Er wusste von einigen Abenteurern im Laufe der Geschichte, die an ihren Fluchtplänen gescheitert waren. Das wäre denn doch zu peinlich zu den Idioten zu gehören aus deren Fall man nur lernen konnte.

Er hatte noch Tage sich das zu überlegen und vor allem den ersten Teil seines Planes noch einmal zu übergehen. Aber das schien ihm eigentlich perfekt. Nun, solange Izayoi zu dem Treffen mit diesem Takemaru Setsuna kommen würde. Falls nicht, ja, da musste er doch noch etwas ergänzen.

Schwarzer Freitag

Takemaru Setsuna blickte in den Rückspiegel. Seine junge Herrin wirkte nicht sonderlich glücklich aber gefasst. Nun ja, es war und sollte ja auch, keine Liebesheirat sein, sondern eine geschäftliche Beziehung um das Unternehmen und vor allem den alten Familiennamen zu sichern. Dazu war sie erzogen worden. Er meinte daher auch nur: „Haben Sie spezielle Wünsche, Izayoi-sama? Soll ich direkt vor der Tür bleiben?"

„Nein." Sie sah zu ihrem Leibwächter: „Bitte kommen Sie mit hinein. Ja, Onigumo ist mein Cousin, aber ich möchte nicht auch nur einen unschicklichen Anschein erwecken." Ehrlicherweise ergänzte sie: „ Auch Onigumo ist dieser Ansicht und erwähnte ich solle Sie nur mitbringen.“

Vernünftig gedacht. „So gesehen ist es bedauerlich, dass wir keine weiblichen Kolleginnen haben. Aber es ist ja nur vorübergehend. - Nun, ich habe ja auch vor dem Vorzimmer des Taishou auf Sie gewartet. - Darf ich übrigens fragen ob der etwas dazu sagte?“

„Nein, also, er erwähnte nichts. Da er aber selbst stets von Wachen umgeben ist, hielt er es wohl für selbstverständlich. Überdies – sie nennen sich schwerttragende Youkai, da sind sie vermutlich auch kriegerischer gewesen als andere.“

„Ja, das mag sein. - Soweit ich sah kandidiert er für den Aufsichtsrat. Werden Sie ihn unterstützen?“

„Er hat acht Prozent, Takemaru. Es wäre töricht ihn zu verärgern, solange ich nicht selbst....“ Sie brach ab. Nein, das sollte wohl auch er nicht wissen. Ihr Vater und Kanave hatten sich bemüht es nicht auszuplaudern – nun gut, der Taishou hatte es dennoch gewusst, aber sie vermutete inzwischen schwer, dass ihr Vater es ihm gesagt hatte. Immerhin hatte er ihn dazu gebracht ihm zu versprechen sie zu beschützen. Das ging kaum ohne auch mit unangenehmen Dingen herauszurücken.

Takemaru parkte: „Die Goldene Laterne, Izayoi-sama.“ Es war ein kleiner Hinterhof mit zwanzig Parkplätzen. Zwei Autos standen hier, ein normales, das er Onigumo zurechnete, und ein Lieferwagen. Die meisten anderen Gäste, die man durch das Fenster schon sehen konnte, kamen wohl zu Fuß. Immerhin befand sich gegenüber der Hauptsitz des Fukuwara-Konzerns, aber auch andere Bürohäuser, und es war Mittagszeit. Er stieg aus, sah sich jedoch noch einmal pflichtbewusst gründlich um, ehe er seiner jungen Arbeitgeberin den Schlag öffnete.
 

Einige Menschen im Lokal erkannten Izayoi und verneigten sich höflich vor der Prinzessin. Sie fragte die Bedienung und wurde zu einem kleinen Nebenraum wieder in den hinteren Teil des Anwesens gebracht, in dem sich ihr Cousin bereits aufhielt, nun höflich den Kopf neigte. Er trug einen Anzug, kniete aber auf den Matten.

„Meine liebe Cousine....“ Ein Nicken galt dem Leibwächter. Er war nicht überrascht, eher erfreut, dass der mit hereinkam, neben der Tür stehen blieb. Wunderbar. Jetzt musste nur noch sein Plan so funktionieren wie er es vorgesehen hatte. Perfekte Konzeption zahlte sich eben aus. Überdies dachte dieser Setsuna sicher kaum daran, dass er ein Hanyou war, schneller und kräftiger als ein Mensch. Das, so hatte ihn sein Leben gelehrt, vergaßen Menschen gern. Lange Haare und spitze Ohren, dazu noch Markierungen galten als typische Beispiele der Youkai und Mischlinge gab es einfach zu selten, als dass Menschen da nicht auf sich auf diese geschlossen hätten, zumal wenn man selbst fast jedes Zeichen der anderen Art vermissen ließ. „Ihr Name ist Takemaru, nicht wahr? Setzen Sie sich nur zu uns.“ Es waren auch drei Schüsseln aufgedeckt worden. „Ich selbst habe zwar keine Leibwächter aber es muss doch sehr anstrengend sein stundenlang ruhig dazustehen. Darf ich dir die Hand reichen, liebe Cousine?“

Izayoi fand das sehr nett und ließ sich beim Hinknien helfen. Onigumo versuchte wirklich freundlich zu sein – nun ja, gab sie zu, er hatte wenn man nach dem Wunsch ihres Vaters ging, auch die besten Aussichten Fürst Fukuwara zu werden, wenn sie ihn heiratete. Sie atmete tief durch: „Danke, Onigumo.“

„Ich würde vorschlagen, dass wir erst essen ehe wir zum Geschäftlichen kommen. Wir sind ja doch unter uns.“

Sie sah ihn an: „Mit dem Geschäftlichen meinst du auch eine Ehe?“

„Natürlich. Erzähle mir nicht, dass du das nicht weißt.“

„Oh doch, das wurde mir immer wieder gesagt“ gestand sie und betrachtete ein wenig neugierig seine Hände. Er war ein Hanyou, aber nichts zeigte irgendwelche Spuren einer Spinne. Vermutlich hatte sie sich da wirklich etwas nur eingebildet. Es würde bestimmt nicht unangenehm sein, wenn er sie damit berührte, und sie würde sich sicher nach der Heirat in ihn verlieben. „Ich vermute, die Anwälte haben dir Vaters Testament auch zugeschickt.“

„Ja. Natürlich war es mir nichts Neues, da Onkel Jiro mit mir bereits darüber geredet hatte. - Ah, die Bedienung.“ Während der Bestellung dachte Onigumo ein wenig zynisch daran, dass das Testament durchaus bis zu einem gewissen Punkt daran Schuld war, dass er Izayoi nicht heiraten würde. Setsuna musste natürlich sowieso aus dem Weg – aber als Ehemann der Erbin würde er selbst immer nur die Verwaltung übernehmen, nie die Kontrolle. Als Alleinerbe schon. Möglichst unauffällig wartete er was Izayoi zu trinken bestellte, dann auch ihr Leibwächter. Wie er erhofft hatte, folgte der der Prinzessin. So würde nur eine größere Kanne mit grünem Tee gebracht werden. Er selbst wählte dagegen Wasser. Der Umweg war leider notwendig, da er die beiden Turteltauben erst betäubt brauchte, ehe er das eigentliche Mittel von Tsubaki spritzen konnte. Sie hatte ihn gewarnt, dass zumindest ein professioneller Leibwächter sich sonst immer zur Wehr setzen würde. Auch, wenn er ein Hanyou war, so war er nicht gerade kugelfest, wie man es zumindest ranghohen Youkai nachsagte, und so befolgte Onigumo den gut gemeinten und auch teuren Rat. Während er scheinbar höflich die Kanne aufnahm und sie Izayoi eingoss, ließ er durch die Tülle die Tablette fallen, wie er es stundenlang vor dem Spiegel geübt hatte. Es würde etwas dauern bis sie sich aufgelöst hatte und dann auch ihre Wirkung entfalten würde, bei Takemaru mehr bei Izayoi vermutlich weniger, da diese noch eine Tasse ohne Schlafmittel erhielt, aber mit ihr würde er garantiert fertig werden. Das eigentliche Mittel würde dann, je nach Konstitution des Opfers, für fünf bis sechs Stunden reichen - genug Zeit, um eilig die liebe Cousine zu verstauen und dann mit ihrem Liebsten einen kleinen Meeresurlaub zu machen. Wenn der aufwachte, würde es schon zu spät sein. Wachte Izayoi ebenfalls auf, würde sie keine Chance zur Flucht haben. Es war eigentlich ganz einfach. Es würde ein Schwarzer Freitag für die Beiden werden.

Ohne sich etwas anmerken zu lassen, erkundigte er sich höflich ob sie schon einmal am Meer war.

Erst nach dem Essen, als er glaubte, die ersten Anzeichen von Müdigkeit, ja, Verwirrtheit, bei der Prinzessin und ihrem Leibwächter zu erkennen, wechselte er das Thema: „Wie du weißt, liebe Cousine, ist bereits am Dienstag die Aktionärsversammlung. Ich werde natürlich ebenfalls dort sein und hoffe doch, dass du mich als Vorstand vorschlägst. Das ist dein Recht, auch, wenn der Aufsichtsrat dann über diesen Vorschlag entscheidet, wie du ja bereits vom Taishou weißt. - Ich möchte das Weitere gleich noch besprechen. Entschuldige mich einen Moment.“

Sie würden denken er unterliege einer menschlichen Schwäche – aber er bezahlte und trug durch den Hintereingang zwei große hölzerne Kisten in die Gaststätte, die er bei den Toiletten abstellte. Hier fielen sie kaum auf, hoffte er, zumal, er plante sie schon bald wieder wegzuschaffen. Der Lieferwagen draußen war von ihm gemietet.
 

Takemaru Setsuna blickte sich um. Antrainierter Instinkt warnte ihn vor Onigumo – aber stand es ihm zu eine bloße Vermutung gegenüber der Prinzessin über ihren vom Vater gewünschten Bräutigam zu verlieren? Musste er sich dann nicht sagen lassen, dass ihn das nichts anginge, ja, schlimmer, er unter Halluzinationen leide? Oder noch ärger, eifersüchtig wäre? Nun gut, das war er. Seit er ihr direkt als Leibwächter und Chauffeur dienen durfte verehrte er Izayoi-sama noch mehr als früher schon. Und kein Monster, kein Youkai und auch kein Hanyou, hatte sie verdient. Aber es war natürlich der Wille des verstorbenen Fürsten, auch die schiere Notwendigkeit die Familie weiterbestehen zu lassen, das Unternehmen zu leiten...

Was war nur los mit ihm? Plötzlich schien der Boden zu schwanken und seine Herrin auch....Betäubung! „Izayoi-sama....Sie müssen hier weg, rasch, ehe er wiederkommt....“ brachte er pflichtgemäß hervor, unterbewusst bereits in sein Sakko greifend.

Sie sah ihn für einen Augenblick überrascht an, langsamer in Gedanken als sonst, dann sah sie erschreckt, wie er zu Boden fiel, die Hand schon in der Jacke, an seiner Waffe. „Takemaru?“ Aber dann hörte auch sie ein seltsames Rauschen in den Ohren, ehe sich ein Schleier vor ihre Augen senkte.
 

Keine Minute später kehrte Onigumo zurück. Das Schlafmittel hatte ja rasch funktioniert. Ob er es zu hoch dosiert hatte? Bei Setsuna würde das nichts ausmachen, aber wenn er seine Cousine nicht wie angekündigt präsentieren konnte, würde er Ärger bekommen. Das war nun einmal das Problem bei illegalen Geschäften – die Partner waren oft reizbar bis gefährlich.

Nun gut, er sollte sicher gehen. Und so fesselte er zuerst den Leibwächter, dann der Prinzessin die Hände auf den Rücken, setzte zwei Spritzen, ehe er zwei mal mit seinen Opfern in den Armen zu den Kisten huschte. Perfekt, dachte er. Jetzt nur rasch noch fahren, Izayoi in seine zweite Wohnung bringen, dann zum Flughafen, wie die letzten Wochen das gemietete Flugzeug nach Süden nehmen. Falls jemand etwas von dem Treffen hier erzählte – und das würde rauskommen – so waren die Zwei verschwunden, als er sie kurz verlassen hatte. Das war fast die Wahrheit und würde hoffentlich glaubwürdig erscheinen, zumal wenn er von dem vertrauten Umgangston zwischen den Beiden berichtete. Hand in Hand der untergehenden Sonne entgegen zu spazieren um einer Pflichtheirat zu entkommen, Romantik pur. Das klang doch glaubhaft, zumal sicher auch Setsunas Kollegen sein Faible für seine Arbeitgeberin aufgefallen war.

Izayoi war und blieb spurlos verschwunden, wie andere Mädchen vor ihr, und wenn der Leibwächter eines Tages gefunden würde gälte der als Badeunfall. Jetzt musste er sich aber tummeln. Sein Zeitplan war eng.
 

Takemaru Setsuna erwachte mit dem Gefühl, dass etwas Schreckliches passiert wäre. Die Prinzessin! Er öffnete die Augen und schloss sie sofort wieder, da er geblendet wurde. Was war nur los? Sein Untergrund war hart und schwankte. Als er versuchte sich vor dem hellen Licht zu schützen, musste er feststellen, dass seine Hände auf seinem Rücken zusammengebunden waren. Es musste Sonne sein, denn er spürte die warmen Strahlen jetzt auch auf der Haut.

Moment. Auf der Haut?

Er wandte den Kopf beiseite um Schatten zu erhalten und öffnete erneut die Augen. In der Tat. Er befand sich auf einem Schiff, gefesselt, und seine einzige Bekleidung bestand aus einer, ihm eigentlich zu kleinen, Badehose. Onigumo! Das war die einzige Erklärung. Was hatte der Mistkerl vor – und wo war: „Izayoi-sama?“ brachte er hervor.

Etwas platschte ins Wasser und er drehte den Kopf in diese Richtung, ein wenig erleichtert, die Prinzessin hier nicht zu sehen.

„Izayoi ist gut behütet.“ Onigumo kam heran: „Ich sollte sagen schade für dich, dass du wach geworden bist. Du hättest fast deinen Tod verpasst.“

„Was hast du mit ihr vor?“ fragte der Leibwächter gepresst.

„Du denkst an sie und nicht an dich? Wie rührend. - Offiziell werden alle glauben, dass ihr beide untergetaucht seid, romantische Liebe um einer aufgezwungenen Heirat zu entkommen. Klingt doch nach Schlagzeilen. Natürlich wirst du das hier nicht überleben, werter Takemaru. Niemand kommt mir ungestraft in die Quere.“

„Willst du mich über Bord werfen?“ Instinktiv zerrte der Samurai an seinen Fesseln: „Und die Prinzessin?“ Angelernte Reaktionen stets alle verfügbaren Informationen zu sammeln funktionierten selbst jetzt noch. Und seltsamerweise dachte er an den Rat seines Ausbilders: „Menschen reden gern über das, was sie getan haben und tun. Jemand, der einen Anderen umbringt, kann darüber nicht reden. Bring ihn dazu und du schindest Zeit...“

„So neugierig? Ja, ich werde dich über Bord werfen. Ich dachte schon du bleibst betäubt, aber es geht auch so.“ Onigumo ging etwas abseits und nahm eine lange Stange mit einem Haken daran, beugte sich über die Reling, wieder hörte man ein leises Platschen: „Du wirst das Ertrinken noch schätzen, denke ich. Und bei einem Unfallopfer sucht niemand nach einem Täter. Ja, hier.“ Er zog etwas aus dem Wasser, dass sein Gefangener nicht sehen konnte, ließ es wieder zurück. „Und was meine liebe Cousine betrifft, so werde ich sie heute Abend noch versteigern. Die Kunden stehen auf schöne, junge Mädchen. Was dann mit ihnen passiert, weiß ich nicht. Wirklich. Das kannst du mir glauben. Ich bin nicht so naiv erfahren zu wollen, was Youkai anstellen können.“ Außerdem war lügen gerade bei Inuyoukai keine gute Idee.

Eiseskälte stieg in dem Leibwächter auf: „Das wagst du nicht! - Das wird rauskommen.“

„Du hast es noch nie mit intelligenten Leuten zu tun gehabt, hm?“ Der Hanyou legte die Stange wieder hin. „Ich sagte doch schon: offiziell seid ihr Zwei durchgebrannt. Und nach zehn Jahren werde ich Izayoi für tot erklären lassen und bin der Alleinerbe und Fürst.“

Takemaru rang nach Atem, in schlichter Todesangst, aber auch aus Sorge um seine Schutzbefohlene. „Du bist Abschaum! Und kein Youkai würde dir ein Menschenmädchen abkaufen! Darauf steht die Todesstrafe.“

„Aber, das haben sie doch schon gemacht. Natürlich, wenn der Taishou davon erfahren würde...Aber was der Gute eben nicht weiß...“ Onigumo trat neben den Leibwächter: „Tja. Ich habe keine Zeit mit dir zu plaudern.“ Er hob den sich Wehrenden hoch und schleuderte ihn mit übermenschlicher Gewalt über Bord.
 

Der Aufprall im Wasser war hart, aber im nächsten Sekundenbruchteil traf etwas anderes Takemaru peinigend am ganzen Unterleib, als ob er jäh im Feuer steckte. Noch ehe ihn der abrupte, fürchterliche Schmerz schreien ließ, begriff der Verstand, was passiert war: Onigumo hatte ihn in eine Kolonie Würfelquallen geworfen. Ein Badeunfall, in der Tat, mit eindeutigen Spuren. Erneut zwang ihn die schier unerträgliche, brennende Qual des Nesselgiftes zum Brüllen Luft zu holen, obgleich er wusste, dass er nur Wasser atmen würde.

Der letzte Gedanke, den er hatte, ehe eine gnädige Schwärze den Schmerz schwinden ließ: „Izayoi!“
 

Der Hanyou startete das Schiff erneut, sobald er sah, dass sein Opfer in den Wellen verschwand. Perfekt. Jetzt musste er nur schleunigst zurück, seine in den vergangenen Wochen aufgebaute Routine festigen, frische Früchte in das Flugzeug laden und zurückfliegen. Das Cousinchen würde ihn sicher schon vermissen.
 

Izayoi erwachte nur langsam. Das Essen...Was war da nur geschehen? „Takemaru?“ flüsterte sie, ehe sie die Augen öffnete. Zunächst verschwamm alles vor ihren Augen, dann jedoch erkannte sie ein Zimmer, Matten, auf denen sie lag. Das Licht an der Decke brannte, es war kein Fenster zu entdecken. „Takemaru?“ fragte sie ängstlich. Niemand war hier. Sie wollte ihr Haar aus dem Gesicht streifen, aber musste erkennen, dass ihre Hände auf dem Rücken gefesselt waren. Entsetzt richtete sie sich auf.

Takemaru! Er hatte sie noch wegschicken wollen. Was nur hatte Onigumo mit ihm gemacht? Und, was hatte ihr Cousin mit ihr hier vor? Er konnte doch nicht wirklich davon ausgehen, dass ihre Entführung nicht auffallen würde, ja, er Geld erpressen würde. Außerdem, was sollte das? Mit einer Heirat würde er doch alles bekommen? „Takemaru!“

Niemand antwortete.

„Onigumo...?“ Das klang ängstlich.

Nichts in ihrem gesamten Leben hatte sie auf solch eine Lage vorbereitet. Sie spürte, wie sie unkontrolliert zu zittern begann. Irgendwie schaffte sie es zurück an die Wand zu rutschen, sich dagegen zu lehnen und die Beine an sich zu ziehen, der einzige Schutz, den sie besaß. Jemand würde kommen, und dann....? Dann würde irgendetwas geschehen, das sie wohl nicht einmal erfassen konnte, von dem sie keine Ahnung besaß, das aber sicher grässlich wäre.

Takemaru!

Izayoi begann zu weinen,
 

Sie wusste nicht, wie lange sie so gesessen hatte, als die Tür geöffnet wurde. Sie war einen Sekundenbruchteil fast froh ihren Cousin zu sehen, ehe sie mit absoluter Sicherheit wusste, dass er es war, der sie hierher gebracht hatte. „Wo...ist Takemaru?“ Man musste sich um seine Mitarbeiter kümmern, das war ihr immer eingeschärft worden, gleich, wie die eigene Lage war, und diese in das Unterbewusstsein übergegangene Mahnung funktionierte auch jetzt.

Onigumo schüttelte den Kopf: „Was für Turteltäubchen, wirklich. Wo ist Izayoi? Wo ist Takemaru? - Es freut mich, Cousinchen, dass es dir schon wieder so gut geht. Steh auf!“ Da sie sich nicht bewegte: „Hoch mit dir oder ich helfe dir nach.“

„Ich kann ...so nicht aufstehen....Bitte, was soll das, Onigumo?“

Er stellte fest, dass sie mit den auf den Rücken gefesselten Händen und den schweren Kimono wohl tatsächlich ein Problem hatte, und packte ihren Arm, zerrte sie nicht sonderlich rücksichtsvoll auf die Beine: „Fangen wir an: ich werde Titel und Vermögen der Fukuwaras bekommen. Dein geliebter Takemaru...tja, das ist wohl eher eine religiöse Frage, denn er ist tot. Und du wird dich jetzt duschen und umziehen. Ich möchte dich ein paar Leuten präsentieren, die mir eine Menge Geld für dich bezahlen wollen.“ Er musste sie halten, da sie fast gefallen wäre: „Gefällt dir der Plan nicht, liebe Cousine? Es gibt Youkai, die nicht mit den Verträgen einverstanden sind. Ich weiß nicht, was sie mit den Mädchen machen, aber du wirst es bald herausfinden. - Komm jetzt. Falls du nicht willst, kann ich dich recht gut auch selbst ausziehen und waschen. Aber dann bekommst du beim Verkauf auch keine Kleidung, verstanden?“

Sie begriff vor allem nur, dass er, ihr einziger und letzter Familienangehöriger, ihren Leibwächter umgebracht hatte und sie einem wohl noch grässlicheren Schicksal überlassen wollte, Youkai, Höllenwesen: „Aber, warum...ich...heiraten?“ würgte sie irgendwie hervor, ließ sich aber mitziehen. Was blieb ihr anderes übrig? Der Kraft eines Hanyou hatte sie, noch dazu in ihrem geschockten Zustand, nichts entgegen zu setzen.
 

Onigumo öffnete eine Tür: „Hier, das Bad. Du hast genau fünfzehn Minuten ehe ich reinkomme. Dann solltest du geduscht sein und dort den Yukata anhaben. Nur den. Keine Unterwäsche oder sonstigen Unsinn. Vielleicht wollen sie auch die Ware genauer betrachten.“

„Du...du hast das schon öfter gemacht,“ erkannte sie entsetzt.

„Los jetzt.“ Sie konnte sogar jetzt noch mitdenken. Gut. Dann würde sie vielleicht nicht hysterisch werden, das senkte den Preis. „Fünfzehn Minuten.“ Er schob das Mädchen in das Bad und schloss die Tür, nahm sein Handy, ehe er rasch einen längeren Text eintippte und als als Gruppenmail an seine Interessenten verschickte, ehe er es wieder löschte. Nur nie etwas gespeichert lassen, war seine Devise. Angekündigt hatte er den Verkauf bereits, nun folgten noch Ort und Konditionen, wie immer sehr kurzfristig. Nur für den Fall, dass da jemand falsch spielte, und ihn doch an die Polizei verraten wollte.

Und in gut zwei Stunden würde er das Problem Izayoi ein für alle Mal los sein.

Izayois Alptraum

Izayoi duschte hastig, ohne zu realisieren, dass ihre Hände frei waren, sie einen kleinen Aufschub bekommen hatte. Sie wusste nicht, ob sie keine Tränen mehr hatte und diese durch das warme Wasser ersetzt wurden oder nur fortgespült. Sie wusste nicht, wie viel Zeit um war, bevor ihr Cousin, ihr Verlobter....nein, ihr Entführer und Takemarus Mörder, ehe Onigumo kommen würde. Dann wollte sie, musste sie, wieder angezogen sein.

Nur das zählte noch, dem Befehl gehorchen, sich nicht weiteren, ungewissen Risiken aussetzen, nicht ...

Sie wusste nicht, was ihr für ein Ende bevorstand. Sie wusste nur, dass sie in einem unlogischen, törichten, blinden Akt der Selbsterhaltung alles vermeiden würde, was das Ende noch grausamer oder schneller kommen ließ.
 

So zog sie sich zitternd den Yukata an, froh, dass dessen Gürtel im Gegensatz zu einem Kimono nicht von jemand anderem gebunden werden musste, froh, dass sie wohl schnell genug gewesen war, denn ER war noch nicht gekommen...

Froh – aber obwohl sie dieses Gefühl noch spürte, drang es nicht mehr wirklich zu ihrem Wesen durch.
 

Als Onigumo die Tür öffnete fand er sie stehend, den gleichen leeren Blick, den schon andere vor ihr gehabt hatten. Sie würde ihm keine Schwierigkeiten bereiten, dachte er nur. Und sie würde einen besseren Preis erzielen. Er trat zu ihr.

„Wie schade, Cousine, dass ich dich nicht küssen darf. Du siehst bezaubernd aus. Leider würden meine Kunden das merken und vermuten, dass du bei weitem nicht unberührt bist. Das senkt den Pries doch erheblich.“

Mit einem Ruck hatte er sie umgedreht und zog ihre Handgelenke wieder auf den Rücken, band sie fest: „Dieses Fessel würde sich übrigens nur in Salzwasser auflösen. Oh, habe ich dir schon gesagt, dass dein Takemaru sie auch trug?“

Takemaru! Izayoi spürte, wie sich ihr Herz zusammenzog, aber sie war zu keiner Reaktion mehr fähig. Selbst, als Onigumo sie erneut umdrehte, mit einer raschen Handbewegung ein Klebeband über ihren Mund zog, bewegte sie sich um keinen Millimeter mehr. Alles in ihr schrie nur noch danach zu überleben und ihr Gehirn hatte bereits betäubende Drogen ausgeschüttet um genau das zu erreichen.

Sie kam sich wie der einzige helle Punkt in einem schwarzen Universum vor, das Empfinden nur auf sich selbst gerichtet. Alles andere war ausgeschaltet.
 

Zufrieden mit der Fügsamkeit seiner Gefangenen fasste sie der Hanyou am Arm: „Komm jetzt. Wir werden eine kleine Autofahrt zum Hafen machen. In gut einer Stunde werden die Interessenten kommen. Und ich hoffe doch, dass du ihnen gefällst, der Preis sich erhöht. Wenigstens einen Nutzen, den du mir noch bringst, nach all den Unkosten, die ich auf mich nehmen musste.“
 

Er redet zu viel, dachte sie irgendwann müde, als er auch bei der Autofahrt sprach, davon erzählte, dass und wie er Takemaru beseitigt hatte. Sie wusste nicht, dass der Ausbilder ihres Leibwächters durchaus Recht gehabt hatte: jeder sprach gern über seine Taten, zumal Erfolge, und Onigumo tat dies nun bei der einzigen Person, die er damit verletzen konnte, die aber auch nach seinem Wissen unfähig wäre, nur ein Wort darüber zu berichten – zumindest jemandem gegenüber, den das interessierte.

Irgendwann sagte er etwas, dass in ihr doch einen Funken weckte: „Weißt du, Cousinchen, wenn der gute Taishou wüsste, was ich hier mache....wie überaus amüsant, dass ich ihn hier hinters Licht führe und ihm unter seiner Hundenase auch den ganzen Konzern wegschnappe. Das ist doch richtig zu lachen...nein, du lachst nicht? Humorlos auch noch...Nun, mir soll es gleich sein. Ich siege gegen einen arroganten Hund auf der ganzen Linie, der mir so unerwartet in die Quere kam“
 

Der Taishou. Irgendwie drang dieser Name durch die Schwärze der Verzweiflung wie der erste Stern am Abend. Izayoi klammerte sich an diesen vagen Lichtschimmer und versuchte nachzudenken. Der Taishou...

Er war der Herr der Youkai, er hatte die Verträge unterschrieben, dass Dämonen und Menschen in Frieden miteinander leben sollten, er hatte versprochen sie zu schützen...

Wenn sie den...oh, es war kaum zu denken....Kaufinteressenten sagte, dass der Taishou ihr Beschützer war....würden sie sie dann nicht laufen lassen? War nicht allein dieser Name schon Grund für einen Youkai zur Furcht?
 

Sie sah mit ein wenig Hoffnung aus dem verdunkelten Autofenster. Keiner würde sie hier drin sehen können. Onigumo plante alles perfekt. Womöglich hatte er Recht und niemand würde je erfahren was aus ihr oder auch Takemaru geworden war....So kalt, wie ihr Cousin von dessen Tod erzählt hatte, davon, was im Meer mit der Leiche...mit dem Toten wohl geschehen würde, dass er einen Plan im Plan hatte....Onigumo hatte perfekt gedacht. Und womöglich auch den Taishou einberechnet. Das klang so.

Sie hatte wohl wirklich keine Ursache zu auch nur einem Funken Hoffnung.

Draußen glitten Menschen und Bürohäuser an ihr vorbei, keiner ahnte etwas von ihrer Lage.

Die Häuser wurden immer einfacher, sie überquerten mehrere Gleise, dann erkannte sie langgestreckte Häuser, Lagerhäuser, dachte sie in Erinnerung an Filme, die sie hatte ansehen dürfen. Wo war sie nur? Die Sonne schien auf etwas Glitzerndes? Das Meer?
 

Onigumo fuhr immer tiefer in das Gelände bis er offenkundig ältere Lagerhäuser erreichte, die nicht wie die anderen aus Stahl und Blech errichtet worden waren, sondern aus Ziegeln. Hier parkten auch keine Autos mehr, alles wirkte schrecklich still und einsam - so, wie sie sich fühlte.

Die Fenster der oberen Stockwerke besaßen keine Scheiben mehr, als der Wagen endlich stoppte. Onigumo stieg aus: „Komm nur, Cousine.“ Er öffnete ihre Tür und zog sie aus dem Auto. Er wusste, dass, ließe er sie allein, sie womöglich doch noch einen Fluchtversuch wagen würde. Verzweiflung hatte schon manches seiner Opfer in blinder Panik davon rennen lassen. Und dort vorn lag das Meer. Nicht, dass er Izayois Selbstmord bedauern würde, aber seine Kunden wären ungehalten sich umsonst auf den Weg gemacht zu haben. Da das doch ein recht problematischer Abnehmerkreis war sollte er das vermeiden. Und schon morgen den besorgten liebenden Cousin spielen, vielleicht gar den Taishou anrufen und diesem beunruhigt erzählen, dass sich Izayoi samt ihrem Leibwächter eigenartig verhalten hatten und jetzt verschwunden waren. Ja, besser am Telefon, da konnte die feine Hundenase nicht alles wittern.
 

Er fasste sie am Arm und zog die nicht Widerstrebende mit zu einer Tür, schloss diese auf: „So. Hier sind wir. Du brauchst auch gar nicht nach einer Nummer oder Bezeichnung suchen, diese Häuser werden nicht mehr benutzt und sollen abgerissen werden.“

Wieso sollte sie sich umsehen, dachte sie. Er hatte ja alles geplant. Es gab keine Hoffnung für sie, nur die Schwärze ihrer Verzweiflung, die sich wie ein dichter, aber kalter, Mantel um sie geschlossen hatte.

Sie betraten einen kleinen Vorraum, von dem aus drei Türen abgingen. Ohne zu zögern ging Onigumo nach links und öffnete die Stahltür: „Hereinspaziert.“ Er griff zum Lichtschalter: „Leider kann ich deine Schönheit nicht in so ganz das rechte Licht setzen, sie haben nur noch eine Notbeleuchtung an,“ spottete er, als er sie in einen Raum von acht auf acht Metern führte, an dessen linker Wand sich eine Art Podest befand, das Izayoi nicht erkannte und auch nicht erkennen wollte. Es war aus Holz, aber sie hatte nie zuvor in ihrem Leben Paletten gesehen, erlebt, wie Dinge transportiert wurden. Drei dieser Holzpaletten lagen dort an der Wand nebeneinander.

Onigumo zog sie hin: „Hier, setz dich dahin.“

Gehorsam kniete sie sich auf die angewiesene Palette. Nur nichts tun, was ihn verärgerte, nicht noch etwas Grässlicheres mit sich geschehen lassen...Ihm würde etwas einfallen, da war sie nur zu sicher. So sah sie bloß teilnahmslos zu, wie er aus einer Kiste Kissen besorgte, sechs davon in einem Halbkreis vor sie legte – die Plätze für die, die kommen würden...

Auf die Holzpalette neben ihr stellte er einen erstaunlich hohen Tisch, selbst für westliche Maßstäbe, aber sie wunderte sich nicht einmal mehr, dass dieser Onigumo bis zur Brust reichte. Das sah so ähnlich aus wie im Fernsehen, wenn Leute eine Ansprache hielten. Dann warf er sich einen grauen, haarigen Umhang über, auf dessen Vorderseite halb das Gesicht eines Affen hing – künstlich, wie sie nach einem ersten Schrecken doch sah. Er wollte nicht wiedererkannt werden.

Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als der Hanyou innehielt: „Ah,“ sagte er: „Du kannst es natürlich nicht hören, Cousinchen, aber da kommen zwei oder drei Autos. Dann wird es eine richtige Versteigerung. Nun ja, ich habe auch Werbung für dich gemacht. Glaub mir, unberührte Prinzessinnen aus altem menschlichen Adel gibt es nicht so häufig, zumal du ja auch ganz ansehnlich bist.“
 

Warum nur redete er so viel, dachte sie müde, lauschte jedoch unwillkürlich auf das jetzt auch für sie wahrnehmbare Motorengeräusch, das stoppte, anfuhr, verschwand, ehe das nächste sich näherte. Die Youkai kamen einzeln. Als die Tür geöffnet wurde, sah sie instinktiv hin – und spürte einen scharfen Stich, als jähe Panik sie aus ihrer Teilnahmslosigkeit weckte. Dort kam ihr Ende, ihr Schicksal, herein, grässlich und sicher. Die Tatsache, dass die drei Unbekannten lange, schwarzen Umhänge trugen, deren Kapuzen auch ihre Haare und Ohren verbargen, ebenso, wie eine Maske ihre Gesichter, diente nur noch einer Steigerung. Alle trugen eine schmale Aktentasche oder einen -koffer in den Klauen
 

Eine Hand auf ihrer Schulter verhinderte ihren unwillkürlichen Fluchtversuch: „Ja, genau, meine Liebe, sieh dir deinen zukünftigen Besitzer nur an. - Guten Abend, die Herren. Ich freue mich, dass Sie gekommen sind, um dieses ungewöhnliche Stück für Ihre Sammlung zu erwerben. Bitte, nehmen Sie Platz. Wie Sie sicher wissen, ist der Termin für neunzehn Uhr angesetzt, und ich möchte doch fair sein. Warten wir, ob noch jemand kommt, der mitbieten möchte.“

Die drei Maskierten setzten sich und musterten Izayoi interessiert, die verlegen zu Boden blickte. Das war peinlicher, demütigender, als sie es sich zuvor vorgestellt hatte – und jedes Aufbegehren ihrerseits würde alles nur noch schlimmer machen. Nur zu Boden sehen, wenigstens diese Geste der Scham blieb ihr, bis jetzt. Sie wusste ja nicht, was ihr Cousin sich noch so alles ausgedacht hatte, was hier gewöhnlich passierte...Sie war allein und das war ihr Schicksal.
 

Ein vierter Youkai, ebenso maskiert, kam herein und setzte sich schweigend zu den Anderen. Nur an den aus dem Umhang sehenden Fingern konnte man die zu langen Nägel erkennen, die Art der Fremden.
 

Onigumo war zufrieden. Bei vier Kunden von gewöhnlich sechs, die überhaupt an derartiger Ware interessiert waren, konnte er davon ausgehen, dass zwei sich gegenseitig emporsteigern würden.

Er warf einen Blick auf die Armbanduhr: „Es ist genau sieben, meine Herren, so dass wir nun beginnen. Schließlich möchte ich gerecht sein und wir können kaum auf jeden Nachzügler warten. - Sie sehen hier ein überaus seltenes Exemplar vor sich – gut erzogen, gewohnt daran sich unterzuordnen. Sie spricht japanisch. Bewundern Sie ihre langen Haare, das hat kaum ein Mensch, nicht wahr, zu allem Überfluss ist sie streng gehalten worden und absolut unberührt.“
 

Izayoi wusste nicht mehr, was sie empfand oder auch nur empfinden sollte. Alles versank in der Schwärze der Verzweiflung, der Demütigung, des Ausgeliefertseins. Sie starrte bewegungslos auf den Boden vor sich, spürte, wie ihr Cousin ihre schwarzen Haare emporhob, um deren Fülle zu zeigen.
 

„So meine Herren, als Anfangsgebot möchte ich zehntausend. - Ja, das ist mehr als gewöhnlich, aber das ist auch eine außergewöhnliche Ware. Wem das zu viel ist kann ja auch schon gehen.“

„Sie ist noch Jungfrau, sicher?“ erkundigte sich einer.

„Ganz sicher,“ bestätigte Onigumo fast vergnügt: „Immerhin ist sie meine Verlobte.“

Die Fremden lachten auf und er fiel ein.

Höllenwesen, dachte Izayoi nur, die die Blicke förmlich spüren konnte: sie waren böse Geschöpfe der Hölle...

„Elftausend,“ sagte einer der Youkai sachlich: „Wie vereinbart in bar und in gebrauchten Dollarscheinen.“

„Elftausend,“ bestätigte Onigumo nüchtern: „Weitere Gebote?“

„Zwölf.“
 

Das war.....Izayoi spürte, wie ihre Kehle sich zusammenzog. Aber sie konnte nicht weinen, konnte durch den verklebtem Mund nichts sagen, bitten...Es waren Höllenwesen. Und sie würden sie der Hölle ausliefern.
 

„Fünfzehn,“ sagte einer, ohne, dass die Gefangene es ahnte, zu ihrem Glück. Zwölftausend waren Onigumo zu wenig und er hatte bereits überlegt, wie er das Interesse ein wenig anheizen könnte.

„Fünfzehnfünf, wenn sie nicht unter Drogen steht,“ bot ein weiterer, ehe er beiseite blickte – wie alle Männer im Raum.

„Das tut sie nicht,“ sagte Onigumo eilig, ehe er überrascht zur Tür sah.

Izayoi erkannte als Mensch und in ihrer betäubungsähnlichen Stimmung erst, dass etwas geschehen war, als die Tür zufiel. So hob sie etwas den Kopf und blickte ebenfalls zum Eingang. Noch ein maskierter Youkai war gekommen, einen schmalen Lederkoffer in der Hand. Er musterte sie kurz, dann die anderen seiner Art, ehe er zu dem Auktionsleiter sah.

Das Menschenmädchen starrte wieder zu Boden. Nichts hatte sich geändert. Sie war verloren, der Hölle ausgeliefert.

„Wie viel ist geboten?“ Die Stimme klang fast gelangweilt.

Der Hanyou wollte bereits antworten, ehe einer der bisherigen Bieter prompt meinte: „Sechzehntausendfünfhundert.“ Er wollte sich das nicht entgehen lassen.

„Siebzehntausend.,“ warf der Nächste ein. Alle Youkai besaßen genug Instinkt um zu erkennen, dass dieser Artgenosse gefährlich war, auf die eine oder andere Weise.

Der Neuankömmling nickte knapp und machte einige Schritte vor, scheinbar, um zu den Kissen zu gehen, ehe er noch einmal Izayoi betrachtete: „Fünfunddreissigtausend.“

Onigumo rang nach Atem. So viel hatte ihm noch keines seiner Opfer gebracht. Vorsorglich warf er einen Blick in die Runde, aber die anderen Kunden hoben die Hände. Das Bieten war für sie vorbei. Spaß war eine Sache – Wirtschaftlichkeit eine andere. So sagte er nur: „Wenn Sie, wie vereinbart, die Summe in bar und in gebrauchten Dollarscheinen dabei haben, gehört diese entzückende kleine Puppe Ihnen.“ Der Maskierte legte seinen Aktenkoffer wortlos auf den hohen Tisch. Der Hanyou öffnete und zählte geübt: „Vielen Dank. Sie haben ein ausgezeichnetes Geschäft gemacht. - Soll ich sie wie üblich transportfertig machen?“

Der maskierte Youkai nickte nur.

Izayoi, die von dem Geschehen noch immer völlig erstarrt war, bekam, ehe sie auch nur begreifen konnte, einen schwarzen Sack über den Kopf gestülpt. Erst, als ihr Cousin sie emporzog, sie die Hand eines Anderen an ihrem Oberarm fühlte, begriff sie.

Verkauft! Sie war verkauft worden! An einen Youkai, ein Höllenwesen, in dessen Hand sie sicher ihr Ende finden würde, nach, die Götter wussten allein was....

Ihre Kehle war wie zugeschnürt, ihre Augen brannten ohne Tränen.

Verkauft!
 

Aber sie hatte keine Wahl als mit dem Unbekannten mitzugehen oder eher zu stolpern, da sie nichts sah, keinerlei Orientierung besaß.

Keine zwei Minuten später fühlte sie sich hochgehoben. Noch ehe ihre Panik ihre Betäubung durchdringen konnte, wurde sie sich abgesetzt, eine Tür schlug zu. Sie saß hinten in einem Auto begriff sie, während ihr ...Besitzer vorne einstieg und anfuhr, extrem schnell, als wolle er weg sein, ehe die Anderen das Lagerhaus verließen.

Für einige Minuten bekam sie nichts mit, verloren in ihrer dunklen Welt der Verzweiflung. Sie zuckte erst zusammen, als das Auto hielt, der Motor erstarb.

War es hier? Ihr Schicksal, was auch immer es sein mochte? Die Tür wurde geöffnet und sie spürte wieder den festen Griff des Höllenwesens an ihrem Arm. Sie wurde aus dem Wagen gezogen, fast nicht mehr in der Lage selbst zu stehen. Die Finger fassten ein wenig fester, als ob sie ihr Halt geben wollten.

Ihr Käufer sagte ruhig: „Teile meinem Herrn und Vater mit, dass ich ihm eine nette Überraschung mitgebracht habe. - Kommen Sie.“

Die unerwartet höfliche Anrede beruhigte das verängstigte, seelisch geschockte Mädchen tatsächlich soweit, dass sie selbstständig mitgehen konnte, geführt durch scheinbar endlose Gänge.

Etwas sirrte, klang metallisch, dann schob sie der Youkai vor sich und zog ihr diesen schrecklichen Sack vom Kopf. Sie erkannte erst auf den dritten Blick ein Zimmer, ausgelegt mit Tatamimatten, an der Mitte der einen Kopfseite jedoch ein Bett im westlichen Stil, gegenüber eine andere Tür, kein Fenster....

Während sie noch Zeit benötigte um etwas zu sehen und gar zu begreifen, spürte sie schmerzhaft, dass ihre Fessel gelöst worden war. Ihre Arme, plötzlich wieder in Normalhaltung fallend und von Blut durchflossen, taten weh.

Sie fuhr herum, als etwas hinter ihr klappte und starrte erschreckt auf die Metalltür vor sich. Sie war gefangen. Hilflos und panisch wollte sie dagegen schlagen, ehe ihr immerhin zu Bewusstsein kam, dass sie nicht mehr gefesselt war – und, dass sie allein war. Was auch immer der Youkai oder gar sein Vater mit ihr vorhatten passierte erst später.

Eine Gnadenfrist von ungewisser Länge.

Jetzt erst dachte sie daran, dass sie sich den Klebestreifen vom Mund abreißen könnte und tat dies, ehe sie versuchte die Tür zu öffnen. Aber die war aus Metall und sie besaß keine Möglichkeit sie beiseite zu schieben oder auch eine westliche Klinke zu benutzen.

Langsam drehte sich Izayoi um. Die andere Tür....

Es war ein reiner Fluchtinstinkt, der sie dort hinüber stolpern ließ.

Sie fand sich in einem kleinen Bad wieder, mit Dusche, einer Eckbadewanne, Waschbecken. Aber kein Fenster. Keine Chance.

Sie brach neben der Toilette auf die Knie, würgend, körperlich und geistig am Ende ihrer Kräfte.
 

Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie sich mühsam erhob. Sie wollte sich den Mund ausspülen, als sie entdeckte, dass am Waschbeckenrand alle möglichen Artikel standen, klein, aber verpackt und sichtlich neu, wie sie es aus Hotels kannte. Sie war froh, sich ein wenig frisch machen zu können, aber ihr war klar, dass sie wieder hinüber sollte. Die Badezimmertür konnte nicht verschlossen werden, aber sie bot auch keinen Schutz gegen ein Höllenwesen. Sie wollte doch keine Strafe heraufbeschwören, die sicher noch schlimmer wäre...

Fast taumelnd ging sie in das Zimmer, ließ sich in die vom Eingang entfernteste Ecke des Raumes fallen und zog zitternd vor Erschöpfung und Angst die Knie an, umarmte sich selbst – der einzige Schutz, der einzige Halt, der ihr geblieben war.

Diesmal konnte sie wieder weinen.

Sie schrak förmlich zusammen, als die schwere Tür beiseite glitt. Durch den Tränenschleier erkannte sie eine dunkle Gestalt – der Youkai oder sein Vater?

„Nein,“ brachte sie irgendwie heraus.

Er sagte etwas, das sie in ihrer Aufgelöstheit nicht verstand.

„Nein,“ flüsterte sie und streckte die Hände aus, als würde diese lächerliche Abwehr auch nur gegen einen Menschenmann helfen, geschweige denn gegen ein Höllenwesen. „Nein!“

Der dunkle Schemen erstarrte, als sei dieses Wort ein starker Bannfluch, dann war er weg.

Izayoi wagte kaum aufzuatmen, aber als sie über ihre Augen rieb fand sie sich wieder allein. So kauerte sie sich zusammen und wartete.

Sesshoumaru

Akemi, die Tochter des Kyo Kitsune, des Herrn der Füchse, stieg langsam aus ihrem Auto und drückte dessen Sperre. Sie brauchte sich gar nicht umzublicken um zu wissen, dass ihr gleich drei weitere Wagen selbst hier zu diesem Strand gefolgt waren, deren Fahrer nun stoppten, sicher bereits zu den Kameras griffen. Wie sie diese Paparazzi doch hasste. Als ob es keine anderen Mädchen in Japan gab. Sicher, ihr Vater war reich und ein mächtiger Mann unter den Youkai, aber....Ja, aber. Sie war vermutlich die einzige Youkai in dieser Lage und schon darum interessant. Alle anderen waren zu jung oder verheiratet.

Sie strich ihr rotes Haar unwillkürlich trotz des heftigen Windes zurück, als sie bemerkte, dass sich der junge, weißhaarige Mann, der nachlässig an sein Auto gelehnt auf sie gewartet hatte, aufrichtete und trat mit einer höflichen Kopfneigung zu ihm: „Sesshoumaru-sama...“

Nur eine Stunde zuvor hatte sie die SMS erhalten, dass er sie hier zu dem verabredeten Strandspaziergang erwartete. Einen echten Verehrer hätte sie wegen dieser Kürze schroff abgewiesen, aber es sollte ja nur ein Spiel sein – und es war sowieso nett von ihm ihr so gegen diese Beschatter helfen zu wollen.

Er nahm ihre Hand, führte sie kurz an sein Gesicht und bemerkte sachlich: „Nicht ganz so förmlich, Akemi, sonst nehmen uns die Fotografen das Rendezvous nicht ab. Kommen Sie.“

Sie ließ sich von ihm zu dem Kieselstrand ziehen. Es war unschicklich so Hand in Hand zu gehen, zumal in dem Bewusstsein, dass diese Bilder morgen im Internet und Zeitungen erscheinen würden, aber womöglich würde es ihr helfen, nun, ihnen beiden helfen. Das Leben in der Öffentlichkeit war manchmal hart, aber das galt ja für ihrer beider Väter ebenso wie für ihren Bruder Takeo und alle anderen. Sie meinte leise: „Ich danke Ihnen jedenfalls. Und ich hoffe, sie glauben das und lassen mich mehr in Ruhe. Ganz, sicher nie, aber....neulich folgte mir einer sogar bis in die Bibliothek der Universität. Erst dort warf ihn jemand hinaus.“

„Fuchs und Hund – beides schwerttragende Youkai. Warum sollten sie es nicht glauben.“

„Wäre Ihr Herr und Vater...ich meine, wird oyakata-sama Ihnen zürnen, wenn er das sieht?“

„Weniger als Ihr Vater Ihnen.“

Das konnte sich Akemi vorstellen. Auch bei Takeo ging der Herr der Füchse nachsichtiger mit dessen Eskapaden um. Aber, wo sich ein Sohn die Hörner abstoßen durfte, galt das noch lange nicht für eine Tochter. Und ihr war bewusst, dass es noch vor einem Jahrhundert unmöglich für sie gewesen wäre auf eine öffentliche Universität zu gehen. Vielleicht sollte sie dann auch die Nachteile etwas lockerer sehen. Seltsam war es freilich, so Klaue in Klaue mit einem jungen Mann den recht einsamen Strand entlangzugehen, noch dazu einem, von dem wohl jede unverheiratete Frau der beiden Arten zumindest ab und an träumte. Sesshoumaru sah nicht nur gut aus, er war reich, der künftige Herr aller Youkai – und absoluter Single.

Sesshoumaru gab ihre Hand frei und drehte sich um, musterte die Verfolger lange – solange, dass diese stehen blieben und die Kameras deutlich senkten. Erst dann ging er weiter.

„Wie machen Sie das nur?“ In der Stimme der Kitsune lag fast Verehrung. Bei ihr klappte das nie.

Er schwieg. Es hatte eben etwas für sich einen gewissen Ruf zu haben. Natürlich würde er keinen Menschen töten, das verboten schließlich die Verträge, aber auch so konnte ein Zusammenstoß mit ihm schmerzhaft enden. Und ein gebrochener Zeigefinger war für einen Paparazzi etwas, das der tagelang nicht vergaß, zumal es ihn von der Arbeit abhielt.
 

Da der Inuyoukai neben ihr schwieg sagte auch Akemi nichts. Schließlich wusste sie um seinen Rang – und den ihren. Nach einer halben Stunden drehten sie um und sahen zufrieden, dass die menschlichen Beobachter bereits das Weite gesucht hatten. Sicher würden diese die Bilder verkaufen wollen, wobei es nun wirklich kaum viel zu sehen gab.

Die junge Fuchsdame hörte in ihrer Handtasche ein vertrautes Geräusch und meinte irritiert: „Ich....Takeo schickte mir eine SMS. Darf ich sie lesen?“ Hoffentlich war Vater nicht bereits aufmerksam geworden. Wobei, dessen Strafpredigt würde sie sich dann eben morgen anhören müssen.

Sesshoumaru gab wortlos ihre Hand frei, durchaus angetan davon, dass sie so höflich war.

Akemi nahm ihr Handy und las, ehe sie verwirrt aufblickte: „Takeo...Er schreibt, er habe gerade eine sehr eigentümliche SMS bekommen, und hat sie mir geschickt, ob ich wisse, wer der Witzbold sei. Er nennt sich wohl Hakudoshi. Aber es klingt wirklich sehr eigen. Wenn Sie es lesen möchten?“

Der junge Inuyoukai nahm das Handy. Hakudoshi sagte ihm gar nichts. Das klang eigentlich nach einem Youkai, aber...nein, nie gehört. Er las die Mitteilung. Eine Versteigerung in zwei Stunden? Zu der wie üblich gebrauchte Dollarscheine mitgebracht werden sollten? Und die übliche Bekleidung? Das nächste waren mit Sicherheit Daten für den Treffpunkt, die man in ein Navigationsgerät eingeben sollte. Und es ging um eine....Er erstarrte. Eine Prinzessin aus altem Haus?

Er musste nicht lange nachdenken. Diese SMS war irrtümlich an Takeo versandt worden, das war klar. Der Fuchsprinz hatte doch Onigumo in den Golden Club eingeführt, daher mochte dieser seine private Handynummer haben. Onigumo und eine Prinzessin...

Entweder er irrte sich – oder diese Missgeburt von Hanyou war eben dabei seinen verehrten Vater das Gesicht verlieren zu lassen. Es wäre eine unglaubliche, unauslöschliche Schande für den Herrn der Hunde würde jemandem etwas zustoßen, dem er Schutz versprochen hatte. Das galt es um jeden Preis zu verhindern. Allerdings sollte er behutsam vorgehen, falls er sich doch irrte und es sich weder um Onigumo noch die Fukuwara-Prinzessin handelte. Irgendwelche menschlichen Streitigkeiten gingen einen Youkai nichts an. Falls seine Vermutung jedoch stimmte wäre dieser Bastard fällig.

Er sah auf: „Akemi, rufen Sie Ihren Bruder an. Er soll diese Mitteilung unter gar keinen Umständen löschen – auch Sie übrigens nicht – und eher ausdrucken. Sie schicken diese SMS auf mein Handy weiter. Das Ganze bleibt einstweilen unter uns Dreien. Erwähnen Sie auch Ihrem Vater gegenüber nichts davon.“

Sie nickte nur. Er schien plötzlich so kalt und sachlich – da lief etwas Wichtiges, zumal er nach seinem eigenen Mobilphone griff, eine Taste drückte, lauschte, ehe er sagte:

„Verehrter Vater, ich möchte Sie bitten, gegen sieben Uhr zuhause zu sein. Ich hoffe Ihnen dann mehr berichten zu können.“ Leider nur der Anrufbeantworter. Er wählte erneut eine Kurzwahl: „Jaken., ich benötige Zugriff auf den Safe bei der Nationalbank. Komm unverzüglich dorthin.“ Er sah zu der Kitsune: „Ich muss fort.“

„Es sind nur zwei Stunden.“ Sie hatte die ominöse Nachricht schließlich gelesen.

Füchse waren schlau, das stellte ihre Prinzessin heute Abend unter Beweis: „In der Tat.“

Im nächsten Moment fand sie sich allein.
 

Sesshoumaru traf seinen Assistenten wie gewünscht am Hintereingang der Nationalbank, wo ihm dieser die Schlüssel für einen Notfallsafe überreichte, in Anbetracht der versteinerten Miene des jungen Herrn jedoch nicht zu fragen wagte was passiert sei.

Der Inuyoukai suchte rasch und fand alle Dollar, die hier lagen. Immerhin war der kleine Kappa so schlau gewesen und hatte ihm einen Aktenkoffer mitgebracht, in den er nun die gebündelten Scheine legte: „Weißt du, wo der Inu no Taishou ist?“

„In einer Audienz beim Kaiser,“ erwiderte Jaken prompt.

Das erklärte, warum Vater sein Handy ausgeschaltet hatte. Das wäre mehr als unhöflich gewesen - gewöhnlich freilich hatte er es seit dem Tod von Fürst Jiro stets eingeschaltet, um der Fukuwara-Prinzessin willen. „Falls er wider Erwarten in das Büro zurückkehren sollte, sage ihm, er möchte nach Hause fahren, ich bitte ihn darum.“

„Sesshoumaru-sama...was haben Sie nur vor?“

Der Fürstensohn zögerte kurz, dann bedachte er, dass er womöglich einen Zeugen gebrauchen konnte: „Entweder ich begehe einen Fehler – oder ich helfe meinem verehrten Vater seine Ehre zu wahren.“

„Soll ich mitkommen?“ bot der Kappa tapfer an.

„Nein. Wichtiger ist, dass jemand informiert ist. Sage meinem Herrn und Vater auf jeden Fall, dass Takeo und Akemi Bescheid wissen, die Kinder des Kyo Kitsune.“

„Äh, ja.“ Das war keine Erklärung, dachte Jaken, aber es schien etwas Wichtiges geschehen zu sein. Und – wie sollte er jemanden befragen, der bereits davon stürmte, einen Koffer mit gut fünfunddreissigtausend Dollar in der Klaue?
 

Sesshoumaru gab die Koordinaten in sein Navigationsgerät ein und folgte den Anweisungen. Das ging zum Hafen, nein, zum Alten Hafen, dachte er dann. Eine nette Gegend für Illegales, zumindest, solange dort die verlassenen Lagerhäuser noch standen. In einem Jahr sollte dort ein Konferenzcenter entstanden sein, Hotels und Ausstellungshallen. Wenn er sich recht entsann, wäre nächste Woche das hier bereits alles dem Erdboden gleich. Und damit wären auch alle Spuren verwischt, falls hier ein Verbrechen geschehen sollte. Da dachte jemand mit.

Er parkte jedoch etwas abseits und betrachtete den restlichen Weg auf dem Gerät, ehe er zu Fuß weiter ging. Er durfte sich noch nicht zeigen. Immerhin hatte in dieser ominösen SMS etwas von der „üblichen“ Bekleidung gestanden. Er musste erst einmal sehen, wie diese aussah, ehe er einfach so hineinplatzte. Wenn es etwas Menschliches war, ging es auch nur die menschliche Polizei etwas an. Außer natürlich, es handelte sich bei der zu versteigernden Frau um Izayoi Fukuwara. Auf jeden Fall sollte er behutsam sein um seinen verehrten Vater nicht in etwas zu reiten, das der nicht wollte. Er blieb oben auf dem Dach einer verlassenen Lagerhalle stehen und musterte die Lage. Motorengeräusch alarmierte ihn und er zog sich etwas hinter einen Schornstein zurück. Ein Auto kam – nur eine Person und eindeutig ein Youkai, das spürte er an der Aura. Zum Glück hatte er die seine wie meist unterdrückt, denn der Andere könnte auch ihn wahrnehmen.

Mit regungsloser Miene musterte er den Mann, der aus dem Auto stieg, dessen Nummernschild sicher bewusst erdverschmiert war, so dass das Kennzeichen nicht zu lesen war, der sich dann einen Umhang überwarf, eine Maske vor das Gesicht band, ehe er aufsah.

Ein zweiter Wagen bog um die Ecke und der stille Beobachter merkte sich einen weiteren Namen vor, als ein Mann im schwarzen Umhang mit emporgeschlagener Kapuze ausstieg, hastig die Maske so umband, dass der Andere ihn nicht sehen konnte. Diese Youkai hatten ganz sicher seinem verehrten Vater etwas sehr genau zu erklären. Und sie sollten eine noch bessere Entschuldigung haben, wenn sie das überleben wollten. Youkai, die eine menschliche Frau kaufen wollten, gleich, ob es sich um die Fukuwara-Prinzessin handelte oder nicht, waren ein eindeutiger Verstoß gegen die Verträge. Hm. Diese Kleidung erschwerte ein unauffälliges Mit-Hineingehen sehr, so, wie er sich das eigentlich vorgestellt hatte. Und da kam auch noch ein drittes Auto. Ja, wie viele von diesen lebensmüden Wesen gab es denn? Da sie zu dritt waren, jetzt, wäre es auch für ihn schwer, lautlos und unauffällig das Trio so auszuschalten, dass sie noch lebten und Rede und Antwort stehen könnten.

Schlecht. Was sollte er jetzt machen? Er konnte kaum reingehen und eine womögliche Theateraufführung stören – das wäre peinlich für ihn und vor allem Vater. Er konnte aber auch nicht zulassen, dass sein verehrter Vater in die Schande geriet sein Wort nicht gehalten zu haben. Was nun? Noch ein Auto...

In diesen verlassenen Hallen schien es lebhafter zuzugehen als an so manchem Tag in diesem Golden Club.

Ihm musste etwas einfallen, und das rasch. Nur, was? In solch einer Lage war er noch nie gewesen. Der vierte Youkai stieg aus, maskierte sich und verschwand in dem Lagerhaus.

Sesshoumaru richtete sich etwas auf, als er entfernt ein weiteres Auto vernehmen konnte. Schön. Der Kerl durfte erst gar nicht bis hierher gelangen. Mit einem eleganten, weiten Satz sprang er von dem Dach.
 

Der braunhaarige, ältere Youkai, sah immer wieder auf seine Navigationsgerät. War das lästig, immer wieder diese Treffen an abgelegenen Punkten. Aber, so manches Mal hatte es sich für ihn auch schon gelohnt und er war der Höchstbietende gewesen. Hakudoshi war ein guter Verkäufer und forderte viel, aber die Ware war auch unvergleichlich zart...

Er brach ab, als er realisierte, dass seine Fahrertür aufgerissen und er bereits aus dem Auto gezerrt wurde. Der Motor starb sofort ab.

Halb erwürgt stürzte der Mann zu Boden und erkannte erst dann seinen Angreifer: „Sess.....“

„Eine Auktion, ja?“

Und das war ein Verstoß gegen die Verträge. Der Taishou würde das nicht gern hören und dessen Missvergnügen war in aller Regel auch das seines Sohnes – und fatal. So hob der Youkai noch auf dem Boden liegend die Hände: „Ich....ich kann Ihnen alles erklären, Sesshoumaru-sama!“

„Ich höre.“
 

Drei Minuten später trug der Hundeprinz mit gewissem Widerwillen den schwarzen Umhang und schlug sich die Kapuze über den Kopf, legte die Maske vor, ehe er den Toten in das nächste Haus trug. Es war nicht notwendig, dass jemand jetzt den hier fand – morgen konnte er ihn abholen lassen. Er musste den Mord nur seinem Vater beichten und dessen Strafe akzeptieren, aber er vermutete doch sehr, dass dieser Verständnis für diesen Akt der Notwehr hatte.

Dann betrat auch er das Lagerhaus, öffnete die Tür, wo er die bislang vier Eingetroffenen spüren konnte. Für einen Moment blieb er stehen. Vier Youkai, maskiert, dazu einer mit einer seltsamen Pavianmaske, wohl auch einer seiner eigenen Art, eine junge Menschenfrau. Ja, das war Izayoi Fukuwara und er spürte eine gewisse Erleichterung, dass es ihm der reine Zufall ermöglicht hatte diese unsägliche Peinlichkeit von seinem Herrn und Vater abzuwenden. Nun, wenn ihm das hier gelang. Er musste sie wegholen. Sich auf einen Kampf einzulassen wäre nur töricht. Sie wäre als Geisel ideal.

So fragte er nur, bemüht eine Rolle zu spielen: „Wie viel ist geboten?“

Einer der Youkai erwiderte sofort: „Sechzehntausendfünfhundert.“

„Siebzehntausend.,“ warf der Nächste ein.

Hielten die ihn für einen Narren? Das letzte Gebot hatte mit Sicherheit darunter gelegen. Aber ein neuer Konkurrent belebte wohl in diesem Fall das Geschäft des Verkäufers. So nickte er nur knapp und machte einige Schritte vor um die Prinzessin zu betrachten. Doch, das war sie, er hatte schließlich Bilder von ihr in der Zeitung gesehen. Allerdings hatte sie da....hm...anders gewirkt, lebendiger, nicht so müde. Gleich. Er musste sie hier wegholen, dass war er seinem Vater und dessen Ruf schuldig.

„Fünfundreissigtausend.“ Mehr hatte er schließlich nicht dabei. Ah, die anderen Käufer winkten ab und der Pavian, oder was auch immer, meinte nur:

„Wenn Sie, wie vereinbart, die Summe in bar und in gebrauchten Dollarscheinen dabei haben, gehört diese entzückende kleine Puppe Ihnen.“

Sesshoumaru legte seinen Aktenkoffer wortlos auf den hohen Tisch. War das Onigumo? Er konnte es nicht sagen, da er den Hanyou nie getroffen hatte. Dämonische Energie war da, ja, aber ein seltsamer, unbekannter Geruch.

Der Verkäufer öffnete und zählte geübt: „Vielen Dank. Sie haben ein ausgezeichnetes Geschäft gemacht. - Soll ich sie wie üblich transportfertig machen?“

Der maskierte Inuyoukai nickte nur, um sich nicht zu verraten. Schließlich hatte er keine Ahnung, was nach einem solchen Kauf passierte.

Das Menschenmädchen bekam einen schwarzen Sack über den Kopf, dann wurde sie hochgezogen. Wortlos fasste Sesshoumaru zu, bemüht, jetzt nicht noch im letzten Moment diese Aktion scheitern zu lassen, und zog sie aus dem Raum. Zuerst dachte er sie sei müde oder ungeschickt, ehe er bedachte, dass sie ja nichts sehen konnte. So hob er sie auf und machte den weiten Sprung um die Ecke, lief mit ihr in den Armen zu seinem Auto und setzte sie dort hinein, ehe er rasch abfuhr. Das fehlte noch, dass einer von diesen Narren sein Kennzeichen entdeckte. Dann würden sie alle fliehen, so rasch es ging, am Besten aus dem Land, und das sollte man verhindern bis sein verehrter Vater den Befehl zur Verhaftung erteilt hatte. Jetzt musste sie eben mit diesem Sack über dem Kopf eine halbe Stunde auskommen, dann wäre sie in Sicherheit und alles in Ordnung.
 

Erst, als er sie in eines der Gästezimmer geführt hatte, bedachte er, dass sie ja immer noch gefesselt war – unpassend für einen Gast. So zog er ihr den Sack ab und öffnete die Fessel, ehe er sie allein ließ, zur Sicherheit allerdings die Tür mit dem Code verriegelte, ehe er nachsehen ging, ob sein Vater inzwischen eingetroffen war. Eines war jedenfalls klar: Akemi hatte etwas gut bei ihm. Sie hatte sofort geschaltet – er sollte sie wohl im Ernst mal ausführen. Sie war hübsch und intelligent, und eine Youkaiprinzessin.
 

Der Fürst erwartete ihn in seinem Arbeitszimmer. Die Nachrichten, die ihm sein Sohn hatte zukommen lassen, verrieten Ungewöhnliches, und er war alarmiert: „Setz dich,“ sagte er allerdings: „Dein Bericht.“

„Danke, verehrter Vater. Es handelt sich um Prinzessin Izayoi Fukuwara. Sie befindet sich momentan in unserem Gästezimmer...dem verschlossenen.“

Der Taishou atmete durch: „Ich vermute, du hattest einen sehr guten Grund dafür.“ Er hörte jedoch schweigend dem Bericht seines Sohnes zu, ohne verhindern zu können, dass sein Youki deutlich erkennbar wurde.

Sesshoumaru, der annahm, dass dieser Zorn nicht ihm galt, ignorierte das, so gut er es vermochte. „Dann brachte ich sie her, verehrter Vater,“ schloss er: „Ich vermutete, dass sie bei sich zuhause nur erneut in Gefahr käme.“

„Das sieht so aus. - Du weißt, wer die Interessenten waren?“

„Ja, verehrter Vater.“ Die Gesichter der Youkai hatte er schließlich gesehen.

„Nimm genügend Krieger – Maseo hat auch stets welche zur Verfügung - und verhafte sie unter Berufung auf meinen Befehl. Ebenso soll jemand Onigumo zur Vorsorge verhaften. Ich werde der Prinzessin selbst sagen, dass sie in Sicherheit ist, und sie fragen ob und wieweit er bei ihrer Entführung und dieser Versteigerung eine Rolle spielte. Und bei dem Mord an ihrem Leibwächter.“

Sesshoumaru nickte nur: „Wie Sie wünschen. Sie glauben, er ist tot?“

„Niemand wäre sonst an die Prinzessin herangekommen. Geh.“

Der Erbe des Hauses gehorchte eilig. Bei einem Youkaifürsten in dieser Stimmung war das deutlich gesünder.
 

Der Taishou ging unverzüglich zu dem besonderen Gästezimmer. Es war auch für Youkai gedacht und entsprechend gesichert – aus alten Tagen, als es manchmal notwendig gewesen war eine Geisel zu nehmen. Für einen Augenblick blieb er an der Tür stehen, als er sie beiseitegeschoben hatte. Ja, Izayoi. Aber sie sah schrecklich aus. Müde, verweint, verstört. Er spürte eine unbändige Wut in sich aufsteigen, Mordgelüste. „Sie sind in Sicherheit, Prinzessin,“ sagte er.

Sie starrte ihn an, ehe sie ein „Nein“, hervorbrachte. Nur dieses Wort wiederholte sie und streckte die Hände gegen ihn aus.

Er war eigentlich schon auf dem Weg zu ihr gewesen, aber er blieb stehen. Sie war ungewohnt fassungslos, ja, erkannte ihn offenbar nicht – was war ihr nur alles zugestoßen? Hatte es dieser Hakudoshi oder Onigumo etwa gewagt die Hand an sie zu legen? Was war ihr passiert, obwohl er doch Jiro zugesagt hatte auf sie aufzupassen?

Jetzt mit ihr zu reden war sinnlos. Sie benötigte Hilfe. Menschliche Hilfe. Er kehrte in sein Arbeitszimmer zurück und rief Saya an. Der Vorzimmer-Geist sollte ihm eine Nummer der Notambulanz heraussuchen. Er hatte schon lange gelernt, dass man Sachen den Leuten überlassen sollte, die etwas davon verstanden, ehe man selbst eher den Schaden nur vergrößerte.

Der Tunnel am Ende des Lichts

Keine vierzig Minuten später schritt Dr. Mai Kagawa mit einer großen Tasche durch die Gänge der Villa. Schon ihr betonter Schritt verriet, dass sie wütend war. Dass sich lauter Youkaikrieger, männlich und weiblich, um sie befanden, machte die Sache ihrer Meinung nach nicht besser.

„Dr. Kagawa?“

Sie drehte sich um und erkannte den Hausherrn. Sie hatte das Regierungsmitglied oft genug im Fernsehen oder in Zeitungen gesehen, wenngleich meist im dunklen Anzug, nicht in der alten Tracht aus weißer, blaubestickter Seide. Immer jedoch diese Fellboas an den Schultern, wohl ein Rangzeichen. Notgedrungen höflich neigte sie den Kopf: „Ratsmitglied Taishou. Sie haben meine Anwesenheit gefordert.“

Der Fürst blieb ruhig: „Aus gutem Grund. Einer junge Dame, menschlich, stieß offenkundig etwas Unschönes zu. Sie wurde entführt und sollte verkauft werden. Sie wirkt auf mich – der zugegeben von menschlichen Wesen wenig Ahnung hat - sehr ungewöhnlich.“

Dr. Kagawa atmete durch: „Dennoch: wir haben eine Ambulanz für solche Fälle. Wenn ich mich hier um jemanden kümmere fehle ich in der Klinik. Ich weiß, dass Sie einer der größten Spender sind, aber....es gibt mehr als nur einen Kranken. Leider.“ Und sie war durchaus nicht sicher, inwieweit das Wesen, der Mann, vor ihr nicht Schuld an der Lage der möglichen Patientin trug.

Der Taishou begriff plötzlich, dass man die Sache auch anders sehen konnte als er – und man das, in Anbetracht der Umstände, dass er eine bedeutende Anzahl der Aktien der Fukuwara aufgekauft hatte, und nächsten Dienstag die wichtige Aktionärsversammlung war – auch für den Skandal des Jahrhunderts halten konnte. Er sollte sich wohl besser rechtfertigen, ehe derartige Gerüchte die Runde machten: „Die Prinzessin wurde entführt und ihr Kidnapper ebenso wie die Interessenten sind noch frei. Allesamt unterliegen meiner Rechtsprechung. Meinem Sohn gelang es die junge Dame zu befreien. Ich habe ihrem Vater versprochen mich um sie zu kümmern und kann und werde keinerlei Risiko mehr eingehen. Überdies – Sie müssen ja nicht dauernd hier sein. Ich dachte nur an eine psychologische Notlösung.“

Mai Kagawa, eine Frau Ende der Vierzig, Anfang der Fünfzig, atmete durch: „Nun, werter Taishou, vielleicht habe ich mich zu sehr reizen lassen. - Bitte, können wir irgendwo uns kurz besprechen?“

Der Youkaifürst deutete hinter sich: „Mein Arbeitszimmer.“

Kurz darauf kniete die Ärztin vor ihm: „Nun?“

„Wir wissen nicht, was geschehen ist. Anscheinend wurde Prinzessin Izayoi...Izayoi Fukuwara, entführt und sollte versteigert werden, an Youkai. Diese sollen verhaften werden, aber dies geschah noch nicht. Sie wirkt auf mich sehr mitgenommen. Ihr Leibwächter ist spurlos verschwunden und ich vermute er ist tot, vielleicht musste sie seinen Tod mit ansehen. Sie hat mich weder erkannt noch auch nur gehört, dass sie in Sicherheit sei.“

„Eine große psychische Belastung. Sie hat einen Schock?“ Nun, so nannte man es. Der Fachbegriff einer traumatischen Belastungsstörung war weitaus weniger geläufig.

„Ich weiß nicht, wie das bei Menschen ist,“ gab der Taishou zu: „Youkai kennen das nicht.“ Jemand wie er oder auch andere behielten auch im hitzigsten Kampf den nüchternen Überblick – und nichts, was man sah, berührte die Seele verletzend. Aber Menschen waren anders, das wusste er.

„Ich verstehe. Sie fürchten, wenn Sie sie, die Prinzessin, in ein Krankenhaus bringen lassen, könnte sie erneut in Gefahr sein. Immerhin dürfte sie wissen, wer sie entführen ließ.“

„Ja.“

„Warum glauben Sie, dass ihr Leibwächter tot ist?“

„Er war ein sehr fähiger Mann. Niemand wäre sonst an seine Herrin herangekommen.“

„Ich verstehe. - Nun, ich werde mir die junge Dame einmal ansehen und sie etwas beruhigen.“

„Gut. Dr. Kagawa. Danach möchte ich Sie noch einmal sprechen.“

Die Psychiaterin richtete sich etwas auf: „Ich werde meine ärztliche Schweigepflicht wahren.“

„Natürlich.“ Menschen! Manchmal waren sie einfach zu emotional: „Ich erwarte nichts anderes. Allerdings, wie ich erwähnte, werden Anklagen erfolgen. Es wäre daher...hilfreich, wenn Sie mir sagen könnten, ob neben der Entführung der Prinzessin auch wirklich eine Mordanklage möglich ist – oder auch eine...andere Straftat an ihr begangen wurde.“ Und dann mochten die Götter diesem Mistkerl gnädig sein. Er wäre es sicher nicht.

„Es waren Youkai.“

„Ja.“ Und, was änderte das?

„Ich hörte, Sie seien in solchen Fällen der Richter.“

„Ja.“

„Ich werde meine ärztliche Schweigepflicht nicht brechen, Ratsmitglied. Aber ich denke, ich kann Ihnen sagen, welche Anklagen zu erheben sind, ohne damit in Konflikt zu kommen.“ Schließlich konnte vor jedem auch nur menschlichen Gericht die Schweigepflicht aufgehoben werden.

„Gut. Dann begleiten Sie mich zur Prinzessin.“

„Izayoi Fukuwara, sagten Sie.“ Die Psychiaterin erhob sich, als es der Hausherr tat. „Der Fukuwara-Clan? Ich meine mich zu entsinnen, dass ihr Vater starb.“

„Vor wenigen Wochen, ja.“

„Und Sie übernehmen nun ein wenig diese Vaterstelle?“

Der Taishou erwiderte sachlich: „Ich versprach Fürst Jiro ein Auge auf seine Tochter zu haben. Wie man sieht war es vergeblich.“

Schuldgefühle bei einem Youkai? Davon hatte sie noch nicht einmal im Studium gehört. „Nun, sie lebt und ist in Sicherheit. - Youkai wissen wenig von Menschen, nicht wahr? Die Reaktion der Prinzessin ist vermutlich vollkommen normal. Sie wird immer wieder Alpträume haben, auch durch bestimmte Dinge an den Schrecken erinnert werden, aber gewöhnlich ist eine menschliche Psyche recht stabil und in drei, vier Wochen wird es besser sein. Zumal natürlich in Behandlung. Es gibt allerdings auch Dinge – und Menschen – bei denen dieses Trauma ein Leben lang anhält. Ich hoffe nicht, dass dies geschehen ist.“

„Das ist Ihr Fachgebiet.“ Der Taishou atmete ein wenig durch. Drei oder vier Wochen...Das schien ihm so kurz, so verstört, wie Izayoi zuvor ausgesehen hatte. Jemand hatte das ihn so faszinierende Lächeln aus ihrem Gesicht genommen und würde dafür bezahlen. Sehr teuer bezahlen.

Die Ärztin hob die Brauen als sie die massive Stahltür sah und bemerkte, dass der Hausherr einen Code eingab: „Gefangen oder Gast?“

„Zur Sicherheit. Weder mein Sohn, als er sie herbrachte, noch ich wussten, was ein Mensch in diesem Zustand sich oder anderen antun kann.“

Die Tür glitt beiseite und Dr. Kagawa sagte nur: „Ich sehe. Gehen Sie, werter Taishou.“

Der Herr der Hunde warf einen Blick auf das Mädchen, das noch immer so in der Ecke saß, wie er sie zuletzt gesehen hatte: „Wenn Sie gehen möchten – neben der Tür befindet sich ein Telefon. Drücken Sie die Null.“ Dann wich er zurück. Es war nicht nötig die Prinzessin noch einmal so zu erschrecken.
 

Izayoi zuckte zusammen, als sie bemerkte, dass sich jemand näherte.

„Ganz ruhig, Prinzessin,“ sagte die Psychiaterin: „Ich bin Ärztin. Alles wird gut. Sie sind in Sicherheit. - Verstehen Sie mich? Sie sind in Sicherheit.“

Eine Ärztin? Dann war sie ...ja, wo war sie? Hatte dieser Youkai sie in ein Krankenhaus gebracht? Oder war das nur eine Lüge? Sie versuchte die Gestalt zu erkennen, die ihr näherkam. Ein Mensch, dachte sie erleichtert, eine Menschenfrau.

„Ich bin Mai Kagawa, Und Sie sind Izayoi Fukuwara, nicht wahr?“

Izayoi nickte. Ihr Name, ja....woher kannte sie ihn?

„Ich möchte mich gern zu Ihnen setzen, wenn Sie das erlauben.“

„Ich...das ist ein Krankenhaus?“

Die Psychiaterin zögerte. Man sollte Patienten nicht belügen: „Ich bin Ärztin, Psychiaterin,“ erklärte sie dann: „Und es ist meine Aufgabe Ihnen zu helfen. Darf ich mich zu Ihnen setzen?“

Ein Mensch... „Ja.“
 

Der Youkaifürst hatte mit gewissem Ingrimm vernommen, dass es Sesshoumaru und den Kriegern gelungen war die Interessenten einzufangen und sie in einen speziellen Raum unter seiner Villa zu bringen, aber Onigumo verschwunden war. Sobald Dr. Kagawa Izayois Aussage brachte, dass dieser Mistkerl sie entführt hatte, würde er die Fahndung ausschreiben lassen. Maseo und die menschliche Polizei würden jeden Stein in Japan umdrehen, Häfen und Flugplätze sichern. Hoffentlich war der nicht so schlau gewesen schon außer Landes zu gehen. Aber warum hätte er sollen? Sesshoumaru hatte die Tarnung gewahrt, es hätte doch nichts geben können, was den Hanyou misstrauisch gemacht hätte? Gleich. Der war weg und er benötigte die Aussage des Opfers – zumindest, was die Polizei anging. So wählte er: „Maseo? Ich will alle Schiffe und Flugzeuge überwacht haben. Onigumo darf das Land nicht verlassen.“

„Onigumo Fukuwara.“ Der Leiter der Sicherheitsfirma klang nur wenig fragend. Er kannte den Inu no Taishou seit Jahrhunderten. Und wenn der mit diesem Unterton sprach war alles andere als ein „Ja“ definitiv die falsche Antwort.

„Kennen Sie noch einen?“ kam es scharf.

Autsch: „Äh, nein. Noch etwas, oyakata-sama? Dann gebe ich es unverzüglich an alle unsere Leute weiter. Die Polizei auch?“

„Diese informiere ich selbst über den Rat, wenn es nötig wird.“

„Ja, oyakata-sama. Wollen Sie ihn lebend?“ Maseo hielt sich für einen mutigen Mann, aber es lief ihm eiskalt über den Rücken, als der Taishou leise sagte:

„Oh, ich bitte darum.“
 

Es dauerte fast zwei Stunden ehe Dr. Kagawa die Tür öffnen ließ, nicht überrascht, dass ihr im Flur bereits der Hausherr entgegen kam.

Sie neigte den Kopf: „Die Prinzessin schläft unter dem Einfluss eines Beruhigungsmittels. Für morgen möchte ich Sie bitten ihr Essen und Trinken zu geben, auch andere Kleidung.“

„Natürlich. Prinzessin Izayoi ist mein Gast. Ich werde ihr eine Dienerin zur Verfügung stellen – eine menschliche, ältere Frau.“

„Ja, eine gute Idee. - Die Anklage können Sie um Mord erweitern, edler Taishou. Soweit ich mitbekam erzählte ihr Cousin ihr, dass er ihren Leibwächter scheinbar durch einen Unfall umbrachte.“

„Ihr Cousin. Onigumo.“

„Den Namen sagte die Prinzessin nicht. - Sie trägt Spuren von Fesseln an den Handgelenken und war offenbar geknebelt, da auch um ihren Mund Hautverfärbungen sind. Sonst fand ich keine Spuren, die...strafrelevant wären.“ Soweit sie ihre Patientin unauffällig hatte untersuchen können.

„Wenigstens etwas,“ knurrte der Herr der Hunde. Er hatte ihrem Vater versprochen sie zu beschützen.

„Sie scheinen die Sache persönlich zu nehmen.“

„Ich schätze es nicht zum Wortbruch getrieben zu werden. - Ich begleite Sie zur Tür, Dr. Kagawa. Was sollte man im Umgang mit der Prinzessin noch beachten? Und, wann kommen Sie wieder?“

„Morgen gegen vierzehn Uhr, da endet meine Schicht im Krankenhaus. Wissen Sie, wo die Prinzessin versichert ist?“

„Nein. Aber ich werde für alle Auslagen aufkommen.“

Ja, da nahm jemand die Sache sehr persönlich, dachte die Psychiaterin. Und es gab bestimmt etwas Besseres als einen zornigen Inuyoukai auf der eigenen Fährte zu haben.
 

Tatsächlich ahnte Onigumo zunächst nichts von dem Unheil, das sich über ihm zusammenbraute. Er hatte geplant mit den eingenommenen Dollar zur Bank zu fahren und sie dort in seinen Safe zu legen. Erst da sah er, dass in seinem Fach kein Platz mehr war. Ach ja. Das hatte er ganz vergessen. Das Geld aus dem Verkauf einer Gaststätte hatte er in kleine Diamanten umgewechselt, um im Fall der Fälle das Land verlassen zu können. Es wäre womöglich nützlicher diese Sachen bei sich in der Wohnung zu haben, nicht hier im Safe, falls es doch einmal schnell gehen musste. Nun, obwohl – alles, was er jetzt noch plante, war ja vollkommen legal. Aber, wozu unvorsichtig sein. So zog er den Beutel heraus. Ja, man sollte stets einen Notfallplan haben und den nicht ändern. Er würde die echten Diamanten wie kleine Glassteine an einen Kimono anbringen. Und die gebrauchten fünfunddreissigtausend, die der Youkai so großzügig für das kleine Cousinchen ausgegeben hatte, würde er auch mitnehmen. Sicher war sicher.

Auf dem Heimweg hielt er noch in einer Bar um sich einen Sake zu gönnen, als Belohnung dafür, dass er jetzt fast schon der Fürst Fukuwara war. Nur noch die Zeit abwarten, bis Izayoi für tot erklärt wurde, und alles gehörte ihm. Endlich.

Mehr zufällig warf er einen Blick auf den im Hintergrund laufenden Bildschirm. Die Wettervorhersage interessierte ihn weniger – er musste nicht mehr aufs Meer. Aber dann erstarrte er, denn das untere, durchlaufende, Band erzählte von Verhaftungen von Youkai, die die Verträge gebrochen hatten, Menschenfrauen entführt hatten. Einer sei noch flüchtig.

Und er konnte sich ausrechnen, wer.

Zum Glück war er nicht in seine Wohnung gefahren, die sicher bereits unter Beobachtung stand. Wer hatte da nur geplaudert? Hatte dieser Verrückte etwa Izayoi reden lassen und war eilig zum Taishou gerannt? Dass der das kaum gern hören würde, war klar.

Jetzt musste er schnell nachdenken. Seine Wohnung und seine Geschäfte, sein Büro, würden mit Sicherheit überwacht. Aber er besaß noch ein Haus von dem keiner etwas wusste, da es noch immer unter den Namen seiner verstorbenen Mutter lief. Vorsicht zahlte sich aus. Bis zum Morgengrauen musste er dort sein, denn dann würde der Taishou auch die Aussagen seiner Geschäftspartner haben. Onigumo machte sich keine Illusionen über deren Bereitschaft zur Verschwiegenheit. So oder so drohte ihnen die Todesstrafe – und sie zogen ein rasches Ende sicher vor.

Er bezahlte den Sake.: „Rufen Sie mir ein Taxi.“ Sein Auto musste er stehen lassen. Aber am Bahnhof gab es welche zu mieten – sollte der Taishou doch rätseln mit welchem Zug er wohin geflohen war. Den nächsten Schritt konnte er erst in einer Woche wagen, bis dahin musste er eben in dem Haus bleiben. In einer Woche wurde er für eine Nacht zu einem reinen Menschen, und da alle nach einem Hanyou suchen würden und ihn niemand so kannte, bestand eine gute Chance aus Japan verschwinden zu können.
 

Izayoi erwachte verwirrt. Dieses Zimmer...Dann fiel ihr der Schrecken des Freitags ein. Da war da jedoch diese Ärztin gewesen, Dr. Kagawa, genau. Sie hatte sie ins Bett gebracht und ihr versichert, alles käme in Ordnung. Mühsam setzte sie sich auf. Ja, das war wohl das Zimmer in einem Krankenhaus. Das würde auch erklären, warum im Bad alles so ordentlich verpackt gewesen war, als sie...Neben der Tür entdeckte sie ein Tablett mit einer Warmhaltekanne und einem Becher.

Tee, beschloss sie. Noch ein wenig zittrig stand sie auf. Sie hatte traumlos geschlafen durch das Mittel, das ihr die Ärztin gespritzt hatte. Und Izayoi war nicht böse darum. Sie hätte sicher immer nur wieder und wieder diese unsägliche Versteigerung vor sich gesehen, ihre Hilflosigkeit gespürt. Sie trank durstig den heißen Tee. Dabei bemerkte sie erst, dass daneben ordentlich Stoff zusammengelegt lag – zwei Kimono, Unterwäsche, ein einfacher Gürtel, den sie selbst binden konnte. Sie zögerte. So gern sie den Yutaka ausgezogen hätte, etwas spüren wollte, das nicht ihr Cousin angefasst hatte – wer hatte das zuvor getragen? Mit gewisser Erleichterung erkannte sie an der Unterwäsche noch die Preisschilder. Neu, ungetragen. Sie atmete tief durch. Jemand kannte anscheinend ihre Sorgen. Dann konnte sie sich duschen gehen, alles abwaschen, was zumindest äußerlich an ihr hing und sich umziehen. Ganz sicher würde man ihr auch etwas zu essen geben. Wann die Ärztin kommen würde? Sie hatte ihr versprochen, dass nur sie sie behandeln würde.

Als sie unter die Dusche trat, überfiel sie schmerzhaft die Erinnerung an ihre letzte, als Onigumo...Sie musste sich zwingen dort stehen zu bleiben. Fast wütend schrubbte sie sich ab.
 

Später bestätigte ihr Dr. Kagawa, dass solche „Flash-backs“ nur zu häufig seien: „Schämen Sie sich deswegen nicht. Das hilft Ihrem Verstand bei der Verarbeitung. - Haben Sie etwas zu essen bekommen?“

„Ja. Gemüsebrühe und dann Reisbällchen.“ Als sie aus dem Bad gekommen war, hatten neuer Tee und Essen dagestanden.

„Mir wurde gesagt, dass Sie eine Dienerin haben können, wenn Sie sie benötigen oder hier auch nicht allein sitzen wollen.“

„Darf man Dienstboten in einem Krankenhaus haben?“ erkundigte sich Izayoi erstaunt.

„Nein. Das ist kein Krankenhaus. Sie befinden sich in der Obhut des Inu no Taishou.“ Die Ärztin bemerkte, dass ihre Patientin blass wurde, sichtlich erneut mit Erinnerungen kämpfte: „Der...der junge Mann, der Sie da wegholte, war sein Sohn.“

„Sein....Sohn...“ hauchte Izayoi: „Aber...er hat nichts gesagt...Er hat nur bezahlt...“

„Soweit ich hörte, waren dort fünf Youkai und Sie waren eine Geisel. Er verstellte sich wohl, um Sie zu befreien.“

„Ich...ich hatte solche Angst.“

„Nur zu verständlich. Aber der Taishou versprach mir wiederholt, dass Sie sein Gast seien und sich erholen können. Hier seien Sie sicherer als in einem Krankenhaus. - Das kann ich mir auch vorstellen. Taishou, Heerführer – und es sind viele Krieger hier. Aber keine Sorge, Sie müssen keine Youkai sehen.“

„Aber...ich muss mich doch bedanken,“ entsann sich die Prinzessin ihrer Manieren: „Bei dem Fürsten und bei Prinz Sesshoumaru, so heißt er, nicht wahr?“

„Da fragen Sie mich etwas....Ich glaube, ja. Möchten Sie jemanden um sich haben? Es wäre eine ältere, menschliche Frau.“

„Wie lange soll ich denn hierbleiben?“

„Bis es Ihnen besser geht,“ erwiderte Mai Kagawa behutsam: „Ich fürchte, einige Tage wird es schon dauern, bis Sie diese Flash-backs nicht mehr haben und auch keine Alpträume. Erst dann können Sie doch wieder Ihr Haus leiten und anderes.“

„Ja, Sie haben wohl Recht.“

„Erzählen Sie mir doch noch ein wenig über Freitag.“

„Das...das tut weh.“ Sie spürte bereits wieder die Tränen als sie an Takemaru dachte.

„Es wird Ihnen aber helfen. Seelische Verletzungen sind anders als körperliche. Man kann kein Pflaster drüberkleben und es einfach vergessen. Sie sind durch einen langen, dunklen Tunnel gegangen und müssen nun diesen Weg zurück ans Licht.“
 

Unter dem Anwesen des Taishou lag ein großer Raum, der bei einigen bereits Neugier erregt hatte, war er doch feuerfest ausgelegt und mit Bannkreisen versehen. Die menschlichen Dienstboten wurden stets darauf hingewiesen, dass der Herr mit seinem Sohn dort Schwertkampf übte, was zu einem gewissen Teil auch stimmte. In der Hauptsache jedoch diente dieser Platz als Gerichtsstätte und die vier Youkai, die sich momentan dort befanden, hätten weder die Wachen um sich noch die Fesseln an ihren Gelenken benötigt, um das zu wissen. Sie saßen in der Klemme. Und, wenn sie sich so umblickten, fehlte der Hanyou, der ihnen das eingebrockt hatte. Er hatte sie nicht gewarnt. Zu allem Überfluss hatten sie die Stimme Sesshoumarus, der sie im Auftrag seines Vaters verhaftet hatte, als die Stimme des Käufers dieser Prinzessin wiedererkannt. Sie waren wie Anfänger in die Falle getappt – und das war durchaus ein Grund zur Sorge. Bruch des Vertrages mit den Menschen nahm der Herr der Hunde stets persönlich. Als Richter zeigte er in solchem Fall bislang nie Gnade oder auch nur Verständnis.

Die schwere Tür glitt beiseite und die Krieger neigten die Köpfe. Den Gefangenen war das unmöglich, sie lagen, aber auch sie erkannten mit nichts weniger als großer Begeisterung den Inu no Taishou samt dessen Erben – beide in Rüstung, der offiziellen Garderobe. Zu allem Überfluss trug der Fürst ein Schwert auf dem Rücken, das jeder der Anwesenden erkannte – und nur zu hoffen wagte, dass er nie die Hölle dieser Waffe kennenlernen würde. Allein der Taishou vermochte sie zu meistern.

Der sagte nur knapp zu seinen Männern: „Ihr könnt gehen. - Sesshoumaru, die Anklage.“

Dieser hielt sich an die Sprachregelung, die sein Vater wünschte. Niemand sollte den Namen des Opfers je erfahren: „Sie haben am Freitag versucht eine junge Menschenfrau zu ersteigern. Nach den vorliegenden Daten der Handys nicht zum ersten Mal. Was aus den Opfern wurde ist soweit unbekannt, nach der Aussage der jungen Frau gestern wurde ihr gesagt, dass ihre Vorgängerinnen nie mehr auftauchten, also wohl tot sind.“

Der Fürst sah zu den Gefangenen: „Wie viele?“

„Oyakata-sama...das...das ist ein Missverständnis,“ brachte einer hervor: „Ich habe nie den Vertrag gebrochen!“

„Du warst gestern auch dabei,“ erklärte Sesshoumaru kalt.

„Ja, gestern, aber das war ja auch etwas anderes....“ Der Gefangene dachte nur mehr daran sich selbst zu retten: „Ich meine, dieser Hakudoshi, das ist natürlich nicht sein richtiger Name, hatte schon öfter Menschen angeboten, ja, Mädchen. Aber sie waren ja nicht aus diesem Land....Ich dachte, das geht oyakata-sama doch nichts an, ich würde doch nie wagen...“

„Ja, genau,“ meinte ein Zweiter: „Sie waren irgendwo von jenseits des Meeres, Obdachlose nach Stürmen. Nie würden wir die Verträge brechen. Gestern war nur ein Versehen, er...also, dieser Hakudoshi sagte doch, es sei eine Prinzessin und so wurden wir neugierig...“

„Wir haben Verträge mit Menschen geschlossen,“ bemerkte der Inu no Taishou eisig: „Nicht ausdrücklich mit denen in diesem Land! - Du kannst gehen, Sesshoumaru. - Genau, gestern war es eine Prinzessin und ein Versehen. Und, falls einer von euch jämmerlichem Abschaum sie erworben hätte, hätte er sie sicher laufen lassen.“

Die Tatsache, dass der Fürst seinen Sohn hinausschickte, der Sarkasmus in seiner Stimme – und nicht zuletzt die Tatsache, dass seine Rechte über seine Schulter zum Schwert griff, jagte Todesangst durch die Adern der Angeklagten.

„Oyakata-sama....Gnade...es war wirklich...falsch, ja, aber...Nicht das Höllenschwert!“
 

Er ließ die Hand sinken, ehe er leise, aber unüberhörbar, sagte: „Genau. Nicht das Höllenschwert. Solches Gelichter wie euch möchte ich nicht einmal als untote Seelen bei mir dulden. Ihr habt mein Wort gebrochen, das gegenüber allen Menschen, aber im Speziellen dieser einen Frau gegenüber. Ihr habt mit euren Opfern vermutlich Sachen angestellt, die mich immer anwidern – und aggressiv machen. Diesmal aber besonders, denn ihr habt jemanden kaufen wollen um dessen Hand ich mich bewerbe!“
 

Die Youkai begriffen in diesem Moment, dass sie praktisch schon tot waren, noch ehe sie den ungeheuren Anstieg der Energie des Mannes vor sich spürten, genährt von einer einzigen Empfindung: tobenden Zorn. Sie schlossen die Augen um nicht sehen zu müssen, wie der Inu no Taishou seine Rechte hob und versteifte.

Eine Frage der Ehre

Der Inu no Taishou setzte sich langsam in seinem Schlafzimmer auf die Matten. Rüstung und Höllenschwert waren bereits unter sorgfältigen Bannkreisen verborgen. Was war nur mit ihm los? Ja, natürlich hatte er das Recht zornig zu sein, dass einer einer Schützlinge attackiert wurde, er sogar, ohne Sesshoumarus Eingreifen durch einen glücklichen Zufall, in alle Ewigkeit blamiert gewesen wäre...

Ja, aber.

Das war die Seite des Fürsten, des Regenten.

Und dennoch gab es etwas in ihm, das ihm auf eine seltsame Art Schmerzen zufügte. Das Mädchen, das mit ihm getanzt hatte, dessen Lächeln ihm da und im Park so angenehm erschienen war, und das jetzt derart verstört, sich selbst nicht bewusst, in einem Zimmer saß, weil er versagt hatte...

Und es war nicht nur sein Versagen das schmerzte, erkannte er.

Sicher, niemand hatte solch ein Leid verdient, aber sie doch nicht...

Ja, das musste er sich zugeben, er hatte Gefühle für die menschliche Prinzessin entwickelt, die über die väterliche Rolle, die Rolle des Beschützers, hinausgingen. Und, es war unbewusst, aber sicher nicht ohne Grund geschehen, dass er sie um ihre Hand gebeten hatte.

Was zu etwas anderem führte. Bald schon war Sonntag und am Dienstag entschied sich das Schicksal der Fukuwara-Firmen. Er musste darüber nachdenken. Und natürlich, falls er wirklich Izayoi heiraten wollte, einen Plan machen. Schließlich wäre sie in ihrem jetzigen Zustand weder in der Lage sachlich und geschäftsfähig in der Öffentlichkeit zu erscheinen, geschweige denn einfach mal eben so ein Wesen zu heiraten, das sie nach ihrer Erziehung als Höllenabkömmling sehen musste.

Überdies betraf das alles schließlich nicht nur ihn sondern zwei Frauen und seinen Sohn. Er sollte heute Nacht noch einen Besuch machen.

Irritiert blickte er auf, als seine Tür ohne Voranmeldung geöffnet wurde. Sesshoumaru hielt sich gewöhnlich strikt an die Höflichkeit und ließ sich anmelden, ja, suchte ihn nie in seinem privatesten Raum auf. Mit einem Blick in das Gesicht seines Sohnes wusste er, dass es noch eine schlechte Neuigkeit gab: „Was ist geschehen?“ Er winkte ihm vor ihm niederzuknien.

Oh, wie er das hasste seinem Vater einen Fehler gestehen zu müssen, zumal, wenn dieser nach einer solchen Strafaktion noch immer einen erhöhten Youkipegel besaß. Leider würde es die Sache kaum verbessern, wenn er schwieg – eher ihm eine Sanktion einbringen: „Bedauerlicherweise kam die Nachricht über die Verhaftung der Vier im Fernsehen. Jemand von unseren oder Maseos Leuten muss geredet haben. Onigumo ist sicher auf der Flucht.“

„Du hattest die Leitung der Aktion.“

Zufrieden, dass nur dieser sachliche Satz kam, erwiderte der junge Inuyoukai höflich: „Ja, verehrter Vater. Mit Ihrer Erlaubnis werde ich die Männer gründlich befragen, die mit mir dort waren. Und auch Maseo dazu auffordern.“

„Genehmigt. Eine derartige Fehlleistung ist inakzeptabel. Ich wünsche keinerlei Berichte oder gar den Namen der Prinzessin in der Öffentlichkeit.“

„Zumal am Dienstag die Aktionärsversammlung ist.“ Natürlich war das der Grund. Aber auch die Tatsache, dass kein Youkai über interne Sachen reden sollte. „Ich habe nur noch eine Frage, verehrter Vater. Wie weit reichen meine Vollmachten?“

Der Taishou wusste sich den scheinbar harmlosen Satz zu deuten: „Der Schuldige soll mir am Ende noch meine Fragen beantworten können. - Rede mit Maseo. Und unterbindet derartige Fehler in der Zukunft.“

Sesshoumaru verneigte sich gehorsam, froh, dass der Youkaifürst zwischen dem Boten und der Nachricht zu unterscheiden wusste. Nun, Vater war hart, aber er strafte nie ohne Grund. Den allerdings würden er und Maseo liefern, wenn sie den geschwätzigen Krieger nicht auftrieben und dem Taishou vorführten. Immerhin waren sie beide für die ihnen zugewiesen Leute verantwortlich.

„Du darfst gehen.“

„Danke, mein Herr und Vater.“
 

Noch ehe er zu den Quartieren der Krieger hier in der Villa ging, nahm Sesshoumaru sein Handy: „Oh, Maseo. - Sie haben doch schon Nachrichten gesehen?“

„Leider,“ gab der Sicherheitsfachmann zurück: „Ich vermute, Ihr Vater, unser Herr, war nicht erbaut.“ Das dürfte noch untertrieben sein. Youkaidinge gingen die menschliche Presse nur in gesellschaftlichen Rahmen etwas an, nicht jedoch die Strafverfolgung. Allerdings wäre auch bei der menschlichen Polizei solch ein Gerede eine Behinderung der Arbeit – und strafbar.

„Wir sollen ihm den Krieger bringen. Lebendig. Ich werde unsere Männer befragen.“

„Ich habe meine bereits zu mir zitiert. Es gibt bei mir insgesamt zwanzig Möglichkeiten. Ich werde jede einzelne davon ausschließen. - Lebendig, sagten Sie, Sesshoumaru-sama.“

„Ja.“ Das war ein sehr dehnbarer Begriff, aber Vater wollte ja, dass der Verdächtige noch reden konnte.

Maseo sagte nur: „Ich melde mich bei Ihnen. Falls Sie zuerst einen Schuldigen haben, teilen Sie es mir bitte mit.“
 

Der Taishou ließ über den Rat auch die menschliche Polizei nach Onigumo fahnden. Früher oder später würde dieser versuchen das Land zu verlassen. Dem Hanyou war sicher klar, was auf ihn wartete, wenn er verhaftet wurde. Überdies ließ sich der Youkaifürst von Saya für die Aktionärsversammlung des Fukuwara-Konzern Unterlagen zusammenstellen, über Fakten und Personalien, aus den Daten, die bereits sein Sohn und dessen Leute gesammelt hatten.

Als ihm Sesshoumaru meldete, dass Maseo den redefreudigen Krieger unter seinen Männern aufgetrieben hatte, wusste er, dass sein Junge uneingestanden froh war, dass es sich um keinen der Youkai unter seinem direkten Befehl handelte. Unter den schwerttragenden Youkai herrschte eine strikte, militärische, Rangordnung und der Fehler eines Untergebenen musste auch von dessen Befehlshaber getragen werden. Der Herr der Hunde hatte schon früh deutlich gemacht, dass diese Regel immer galt – auch für seinen Erben. So fragte er nur: „Maseo bringt ihn selbst her.“

„Ja.“ Sesshoumaru war bewusst, dass sich der alte Wolfsyoukai mindestens einen Tadel anhören durfte. „Weitere Anweisungen, verehrter Vater?“

„Nein. - Zu deiner Information: ich werde am Dienstag persönlich zu der Versammlung gehen.“

„Sie sind, wenn die Prinzessin ausfällt, der größte Aktionär und können sich sicher durchsetzen.“

„Ich werde zu Gunsten und im Namen der Prinzessin handeln,“ berichtigte der Taishou sofort. „Wobei ihre Interessen und die meinen sich decken.“

„Verzeihen Sie, verehrter Vater – aber glauben Sie, dass eine Vollmacht, die Ihnen die Prinzessin aktuell gewiss ausstellen wird, juristischen Bestand haben wird?“

„In ihrem jetzigen Zustand, nein. Aber ich besitze bereits eine, die noch von Fürst Jiro handschriftlich verfasst wurde.“ Damals hatte er sich über dessen Zweifel an seinem Wort geärgert, aber nun war das im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert. „Alles, was ich noch zusätzlich benötige ist der Haku, der Namensstempel, der Prinzessin. Und den werde ich mir heute Nachmittag beschaffen lassen.“

Sesshoumaru neigte den Kopf, angetan von der umfassenden und vorausschauenden Planung seines Vaters. Wirklich, er selbst konnte noch viel von ihm lernen. Der Namensstempel galt ebenso wie die Unterschrift – und wer konnte bei einer Urkunde, die definitiv von Fürst Jiro verfasst wurde, bezweifeln, dass auch seine Tochter damals eingewilligt hatte. Was Izayoi selbst dazu sagen würde – nun, es war schließlich in ihrem Interesse, dass sie auch nach dem Dienstag noch Hauptaktionärin eines bestehenden Konzerns war. Sie würde kaum protestieren. „Soll ich am Dienstag übernehmen?“

„Das wird nicht nötig sein. Ich denke nicht, dass die Versammlung sich derart hinziehen wird. Übernimm nur, falls es sich um Onigumo handelt.“

„Diese Sache hat absolute Priorität.“ In der Stimme des jungen Inuyoukai lag kein Zweifel.
 

Eine Stunde später brachte ein sichtlich zerknirschter Maseo einen seiner Krieger mit – gefesselt und unter der Bedeckung zweier Kameraden, die allerdings vor dem Arbeitszimmer stehen blieben, sich durchaus nicht sicher, ob sie ihn lebendig und in einem Stück wiedersehen würden. Nicht, dass der Taishou ungerecht handelte, aber die Befehle waren ebenso klar wie die Strafen, die darauf standen.

Maseo verneigte sich, ehe er höflich niederkniete, während sich der Gefangene lieber flach auf den Boden legte.

„Kazu, oyakata-sama.“

„Er hat gleich gestanden?“ schloss der Taishou aus der Tatsache, dass der junge Youkai unverletzt war.

„Ja, oyakata-sama.“

„Kazu. Warum hast du die Fahndung behindert?“

„Das...das wollte ich nicht, oyakata-sama,“ brachte der Angesprochene heraus, sich durchaus im Klaren, was da an Strafen auf ihn warten mochten.

„Sondern?“

„Ich...Meine Freundin arbeitet beim Fernsehen. Und sie muss immer wieder auch Neuigkeiten bringen. Ich...ich dachte, da hat sie mal die Schlagzeile....und ich dachte, es macht ja nichts, wir haben ja alle verhaftet....“

„Der Auftrag lautete fünf Personen zu verhaften – nicht vier. Hat dir das niemand gesagt?“

Maseo spannte sich unmerklich an. Log Kazu würde dem das nicht helfen oder schaden – aber für ihn selbst wäre das unangenehm.

Der Gefangene erwiderte jedoch: „Fünf, oyakata-sama. Ich dachte nur...“

„Du hast gar nicht gedacht,“ erklärte der Youkaifürst eisig. „Dank dir läuft ein Mörder dort draußen frei herum. - Und natürlich deiner Freundin. Name?“

Kazu schrak sichtlich zusammen: „Bitte nicht, oyakata-sama...sie...sie ist doch nur ein Mensch!“

Maseo sah lieber zu Boden. Das wurde ja immer schlimmer. Wie stand er denn jetzt vor dem Taishou da? Als ob er seine Leute nicht sorgfältig auswählen würde. Ja, so ein törichter Junge aber auch!

Der Herr der Hunde war eben zu dem gleichen Schluss gekommen. „Als Mensch unterliegt sie nicht meiner Rechtsprechung, da hast du sogar Recht, Kazu. - Maseo, lassen Sie ihn gründlich von ihren Männern durchprügeln. Sobald er sich erholt hat, soll er an der Jagd nach Onigumo teilnehmen. Falls er noch einmal ein einziges Wort über unsere Angelegenheiten gegenüber seiner Freundin verliert, lassen Sie ihm die Zunge herausschneiden.“

Kazu benötigte einen Moment, ehe ihm bewusst wurde, dass das zwar eine Drohung und eine Strafe war – aber er am Leben blieb. „Danke, oyakata-sama,“ brachte er heraus.

„Geh,“ sagte der nur: „Maseo – auf ein Wort.“

Ja, das hatte kommen müssen. So half der alte Wolfsyoukai dem Krieger nur aufstehen und öffnete die Tür vor ihm. Nach einem Befehl zu seinen Männern nahm er wieder Platz und wartete.

„Es wäre in unser aller Interesse, wenn Sie auch das Privatleben Ihrer Leute im Blick haben.“

„Ja, oyakata-sama.“ Im Zweifel, nun, eher ohne Zweifel, tat das der Herr der Hunde. „Ein solcher Fehler wird nicht mehr vorkommen.“

„Dann erwarte ich Ihre Vollzugsmeldung in Sachen Onigumo. - Sie dürfen gehen.“

Das ging ja noch einmal gut, dachte Maseo, ehe er sich mit einer Verneigung erhob. Aber anscheinend hatte die Jagd nach dem Hanyou wahrlich Priorität vor allen kleineren Vergehen. Umso wichtiger war es den endlich aufzuspüren.
 

Izayoi war ein wenig verwundert, als Dr. Kagawa nicht allein zu ihr kam, aber sie vermutete, dass es sich bei der grauhaarigen, zierlichen Frau, die sich höflich verneigte, um die angekündigte Dienerin handelte.

„Prinzessin, das ist Eri,“ sagte die Ärztin auch: „Sie hat sich bereit erklärt die gesamte Zeit mit Ihnen zu verbringen, die Sie hier sind.“

„Oh danke, das ist nett von Ihnen, Eri,“ erwiderte Izayoi sofort wohlerzogen: „Ich freue mich.“

„Und dann...“ Die Psychiaterin wandte sich etwas zu der Tür um, die sie offen gelassen hatte: „Der Taishou würde gern mit Ihnen sprechen, wenn es Ihnen Recht ist.“

Ein Youkai. DER Youkai. Izayoi spürte, wie sie ein unwillkürlicher Schauder überlief, als sie sich der Maskierten dieser Art entsann, die sie kaufen wollten. Aber da war auch der Fürstensohn gewesen, der hatte sie gerettet, der Taishou hatte sie hier aufgenommen....Es wäre schrecklich unhöflich gewesen dem Hausherrn ein Gespräch zu verweigern.

Mai Kagawa nickte: „Ich setze mich neben Sie, Eri auf die andere Seite, ja?“

„Ja.“ Doch, so flankiert fühlte sie sich sicherer: „Dann...bitten Sie ihn herein, Dr. Kagawa.“
 

Der Youkaifürst blieb an der Tür stehen, ehe er sagte: „Sie sehen ein wenig erholter aus, Prinzessin.“ Nun, sie erkannte ihn und wirkte auch nicht mehr ganz so verschreckt. Aber die Psychiaterin hatte ihm auf Nachfrage versichert, dass Izayoi bei weitem noch nicht in der Lage wäre Geschäfte zu führen oder in der Öffentlichkeit zu agieren. Zu überraschend kamen Rückfälle.

„Dank Ihrer Gastfreundschaft, edler Fürst. Ich möchte mich bei Ihnen und Ihrem Sohn bedanken.“ Von ihren Alpträumen und diesen so genannten Flashbacks brauchte er ja nichts zu wissen.

„Ich möchte Ihnen ein Angebot machen, Prinzessin. Wenn Sie eigene Kleidung oder persönliche Dinge aus Ihrem Haus haben wollen, schreiben Sie sie auf eine Liste. Eri wird es Ihnen dann besorgen.“

„Oh, ja...“ Doch, das wäre ihr schon Recht, ihre eigene Kleidung, eigene Garderobe... „Aber, ich ...ich darf noch nicht nach Hause?“ Ohje, das klang so, als wäre sie mit seiner Gastfreundlichkeit unzufrieden.

„Bedauerlicherweise läuft Ihr Cousin dort draußen noch immer frei herum. Und ich werde kein zweites Mal zulassen, dass Ihnen etwas geschieht.“

Onigumo....Sie begann allein bei dem Gedanken an ihn zu zittern, spürte sofort wie ihre Hand von der Ärztin genommen und gedrückt wurde.

Der Youkaifürst bemerkte den tadelnden Blick Mai Kagawas und lenkte ab: „Im Übrigen: falls Sie sich in der Lage sehen dieses Zimmer zu verlassen, wird Ihnen Eri den inneren Garten zeigen, wo Sie spazieren gehen können. Ich gab Anweisung, dass sich dort keine Youkai befinden.“

Izayoi atmete tief durch. Garten? Dann durfte sie diesen Raum verlassen? Sie war keine Gefangene, wie sie doch schon manchmal befürchtet hatte, als sie feststellen musste, dass sie die Tür nicht öffnen konnte? „Ich....danke, edler Fürst. Ich würde gern in den Garten.“ Sie zwang etwas wie ein Lächeln auf ihre Lippen.

Der Taishou sah es. Es war nur ein Schatten ihres früheren, aber immerhin. Es erfreute ihn dennoch. „Falls Sie sonst etwas benötigen oder auch im Haus umhergehen wollen – Eri kann Ihnen das Wohnzimmer zeigen oder auch den Raum, wo ein Fernseher steht.“

„Nun, einen Fernseher würde ich im Moment noch nicht empfehlen,“ wandte die Ärztin sofort ein: „Vielleicht Papier und Feder....schreiben oder zeichnen.“

„Ja, die Liste...“ sagte Izayoi: „Ich wäre sehr froh einige Dinge zu erhalten.“

„Eri,“ befahl der Hausherr nur und die Menschenfrau sprang auf, verließ den Raum, um das Gewünschte zu holen. „Dann wünsche ich Ihnen gute Besserung, Prinzessin. Dr. Kagawa...“ Er wartete die höfliche Verneigung der beiden Frauen ab, ehe er sich umwandte und ging.

Izayoi ließ die Hand der Ärztin los und atmete tief durch. „Ich...ich war doch höflich?“

„Natürlich. - Ich muss übrigens sagen, dafür, dass Sie solche Angst vor Youkai haben, haben Sie sich gut geschlagen. Eine Möglichkeit eine Angst zu besiegen ist sich daran zu gewöhnen. Immerhin werden Ihnen Angehörige dieser Art in Ihrem weiteren Leben immer wieder über den Weg laufen.“

„Ja. Und der Fürst ist stets sehr freundlich gegen mich gewesen.“ Nun, das Schlimmste, was sie über ihn sagen konnte war, dass er ihr einen – kaum ernstgemeinten – Heiratsantrag gemacht hatte.

„Gut. Dann reden wir ein wenig...“
 

Draußen im Gang wartete der Taishou bis Eri mit Papier und Kugelschreiber zurückkehrte: „Vier Krieger werden dich begleiten, wenn du zu den Fukuwaras fährst. Die Leute dort wissen, dass sich die Prinzessin hier befindet und werden dir keine Schwierigkeiten machen. Was auch immer die junge Dame dir aufschreibt, besorge auf alle Fälle ihren Haku. Er müsste sich in ihrem Zimmer auf ihrem Schreibtisch befinden. Gib ihn mir, dann erst ihr.“

„Ja, oyakata-sama. - Darf ich alles mitbringen, was sie aufschreibt?“

„Ich vermute, dass Dr. Kagawa die Liste abstimmen wird, um ihre Patientin nicht zu beunruhigen.“ Dann erst verstand er die versteckte Frage und erwiderte scharf: „Prinzessin Izayoi ist mein Gast nicht meine Gefangene.“

Eri verneigte sich eilig: „Ich bitte um Verzeihung, oyakata-sama. Das war unpassend.“

„Das war es, in der Tat.“ Er drehte sich um und ging.
 

Onigumo erreichte am späten Sonntag erst das kleine Haus, das er einst für seine Mutter gekauft hatte. Es lag im tiefen Wald und er war vorsichtig genug gewesen die Stunden vom letzten Bahnhof zu Fuß zu gehen, hatte alle Menschenorte und auch Plätze mit erkennbarem Youki gemieden. Jetzt sah er sich nüchtern etwas um. Verstaubt sah es aus, heruntergekommen, aber für eine Woche würde es schon gehen. Immerhin war er in dieser Zeit beschäftigt die echten Diamanten falsch auf einem Kimono zu platzieren. Die Flucht musste klappen, denn er machte sich keine Illusionen – der Taishou hatte nicht nur seine Hunde sondern alle Youkai auf ihn gehetzt und auch die menschliche Polizei schlief, entgegen mancher Annahme in manchem Krimi, nicht.

So war er auch vorsichtig genug gewesen sein Handy schon seit seinem Schritt aus der Gaststätte in der er die fatale TV-Nachricht gesehen hatte, ausgeschaltet zu lassen. Ihm war nur zu bewusst, dass seine Jäger es suchen und orten wollten. Erst jetzt, als er seine Tasche abließ und sich auf eine Matte setzte, nahm er es. Er musste wissen, was noch in den Nachrichten gekommen war, wieweit sie wirklich ihn persönlich jagten und nicht, wie er hoffte, den Pavian namens Hakudoshi. Fünf Minuten, länger durfte er das Handy sicher nicht anhaben, aber das musste reichen.

So suchte er eilig auf sämtlichen Nachrichtenseiten des Landes.

Nichts mehr.

Schweigen.

Und das konnte nur eines bedeuten – die Fahndung nach ihm lief, aber es war eine Panne gewesen die Verhaftung seiner Kunden zu veröffentlichen. Jetzt hatte der Taishou garantiert seine Leute wieder unter Kontrolle. Und, der hatte im Zweifel auch Izayoi. Denn, soweit sich Onigumo entsann, hatte der doch für den Aufsichtsrat kandidieren wollen, bei der Sitzung am Dienstag. Nun, die konnte er selbst jetzt ebenso abschreiben wie einen Vorstandsvorsitz. Das Cousinchen würde ihm kaum helfen wollen und war im Zweifel noch sehr am Leben. Wirklich, dieser Misthund hatte ganze Arbeit geleistet und seinen eigenen, schönen Zukunftsplan gründlich ruiniert. Jetzt bekam der wohl alles.

Moment mal.

Das konnte ein netter Hebel sein.

Onigumo schaltete sorgfältig sein Handy aus.

Wie konnte man das denn auch sehen, zumal bei den Menschen, die den Youkai gegenüber misstrauisch eingestellt waren, also, den meisten?

Izayoi war entführt worden, sagte sie, und sie würde angeben, von ihm, Onigumo. Dafür und für den Tod ihres Leibwächters gab es keine Zeugen. Nun, zumindest für die Versteigerung hätte es welche gegeben, aber die weilten ja nicht mehr unter den Lebenden. Wenn er Youkairecht kannte, waren sie unverzüglich wegen des Bruches der Verträge hingerichtet worden. Kurz, es gab nur Izayois Aussage und die des Taishou, der ihre Aktien aufkaufte und sich einen warmen Platz im Aufsichtsrat sichern wollte. Natürlich würde sie ihren Retter unterstützen, sogar für ihn lügen, ihn vielleicht gar heiraten...Konnte man das nicht so aussehen lassen, als ob das Ganze ein raffiniertes Komplott des Herrn der Hunde war, um sich auf Kosten des unschuldigen aber erbberechtigten Onigumo, eines Hanyou, das Vermögen der Fukuwaras zu sichern?

Da musste er einmal gründlich darüber nachdenken.

Es würde ihm zutiefst Vergnügen bereiten dem stolzen Hund die hochgehaltene Nase in den Staub zu drücken und ihn bei Menschen und Youkai unmöglich zu machen.

Der Taishou und die Frauen

Da der Taishou sein Haus geordnet glaubte, ließ er seinen Piloten informieren. Es war schon Sonntag Mittag und er hatte in der nächsten Arbeitswoche einen überaus vollen Terminkalender. So sollte er seine Idee umsetzen und seinen Plan mit dem einzigen Wesen bereden, mit dem er das offen tun konnte. Nun ja, er könnte das auch mit Sesshoumaru, aber er wollte und durfte seinen Sohn nicht mehr als altersgemäß belasten und der Junge hatte in dieser Woche schon genug für ihn geleistet. Nicht auszudenken, welcher Schande er selbst ausgesetzt gewesen wäre, wäre Izayoi spurlos verschwunden. Kein Youkai oder auch Mensch hätte doch nur mehr einen alten Knochen von ihm genommen.

Er setzte sich die Spezialanfertigungen der Ohrschützer auf den Kopf, ehe er zu dem wartenden Helikopter mit laufendem Rotor ging. Er würde vermutlich nie verstehen warum die Menschen das Donnern eines Hubschraubers mit dem Wappen der Regierung über ihren Hochhäusern ruhig hinnahmen, aber das lautlose Schweben eines großen weißen Hundes nicht. Nun ja, er hatte sich an sehr viel gewöhnen müssen in den letzten Jahrhunderten, warum nicht auch daran. Der Flug würde knapp zwei Stunden dauern, ein Wimpernschlag im Leben eines Youkai, aber er würde entspannen können.

So stieg er ein: „Guten Tag, Shinji. Sie haben die Überflugerlaubnisse?“ Das war ein deutlicher Vorteil des Lebens als Rats- und damit Regierungsmitglied.

„Ja, oyakata-sama.“ Der Pilot, ein Mensch von siebenundvierzig Jahren, drückte bereits die Tasten: „Gutes Flugwetter. Wir werden normalerweise in hundertzwanzig Minuten landen.“ Er wartete, bis sein Passagier und Arbeitgeber sich neben ihm angeschnallt hatte, ehe er startete. Erst, als der Hubschrauber aus dem Gebiet des Flughafens war und er annehmen durfte keine Lotsenanweisung mehr zu bekommen, warf er einen Blick seitwärts. Der Fürst hatte die Augen geschlossen und schien entspannt, aber er wusste nur zu gut, dass der nicht schlief. Er arbeitete seit fünf Jahren für ihn und bei einem Flug im ersten Jahr hatte der Inuyoukai ihn plötzlich gewarnt, dass sich von Osten eine Windhose nähere – kein Instrument hatte diese angezeigt. Ohne diese Ankündigung wäre es schwer gewesen den Helikopter gegen den Wind zu stellen und dem Tornado auszuweichen. Insgesamt musste er zugeben, dass das Ratsmitglied trotz aller Vorbehalte gegen Youkai kein schlechter Chef war. Ja, der verlangte vierundzwanzig Stunden Bereitschaft, aber es war ihm gleich welcher der beiden Piloten flog – das konnten sie unter sich regeln. Es wurde gut bezahlt, nicht nur die Flugstunden sondern auch die Bereitschaft. Nach seiner Scheidung hatte er sich einen anderen Job als im Militär suchen wollen um in der Nähe seiner Mädchen bleiben zu können. Darum hatte er sich auf die Stelle beworben und es bislang auch nicht bereut. Youkai waren anders als Menschen, aber eben so, als ob man als gesitteter Japaner es mit Leuten aus den USA zu tun hatte – man musste sich dran gewöhnen, aber dann waren sie nicht unrecht. Eher sogar vertrauter, beachteten sie doch mehr die alten Sitten.
 

Der Pilot blickte kurz seitwärts: „Oyakata-sama...“

Der Youkaifürst öffnete die Augen, aus angenehmen Träumen gerissen: „Ja?“

„Der neue Landeplatz, in fünf Minuten.“

„Danke, Shinji.“ Vor fünf Jahren hatte er einen Landeplatz bauen lassen, genau an einer Grenze, die für Youkai nur zu eindeutig war. Er hätte sie jederzeit überschreiten können, aber das wäre unhöflich gewesen. Immerhin begann hier sein Heimatterritorium, die so genannten westlichen Länder – und er war hier nicht der Regent. „Ich vermute, dass ich spätestens in sechs Stunden zurück bin.“

„Ja.“ Das hieß, er konnte schlafen, ein e-book lesen, oder auch den Hubschrauber putzen. Ein wenig neugierig sah Shinji zu, wie der Youkai ausstieg, die Kopfhörer auf den Sitz legte, da der Rotorenlärm verstummt war. Er hatte schon einige Male zugesehen, war aber immer noch fasziniert, wie aus dem nur scheinbar menschlichen Wesen, das an seiner Seite gesessen hatte, ein wirklich großer, weißer Hund wurde, der kurz verharrte und dann nach Westen den Landeplatz verließ, im Wald verschwand. Er blickte zum Himmel auf. Tatsächlich entdeckte er nur kurz darauf einen fast ebenso großen, weißen Hund, der ein wenig eleganter schien, jedoch eindeutig nach dem Fürsten suchte und ebenfalls im Wald verschwand.
 

Die beiden Hunde trabten nebeneinander her, bis sie nach beinahe einer Viertelstunde ein Schloss erreichten, das allerdings fast hundert Meter über dem Boden schwebte. Der Taishou verwandelte sich zurück und betrachtete die Hundedame, die seinem Beispiel folgte. Sie verneigte sich höflich und strich die Boa um ihre Schultern glatt, damit unbewusst zeigend, dass sie mit diesem mehr als kurzfristig angekündigten Besuch nicht ganz glücklich war. Sicher, er hatte sich an die selbstauferlegte Regel gehalten und gewartet, bis sie ihn an der Grenze abholte, aber....Nun ja. Manchmal hatte er private Gründe zu kommen, aber zumeist waren es offizielle – und das hing in aller Regel mit ihrer Regentschaft zusammen. Es gab nicht nur in ihren Augen angenehmere Momente als die in denen der Herr der Hunde einen tadelte. Auch ohne direkte Bestrafung konnte er einen so ansehen, dass man sich wie der letzte Narr vorkam.

Der Taishou wusste das: „Unserem Sohn geht es gut. Ich wollte mit Ihnen ein wenig plaudern, meine Teure. Unter vier Augen.“

„Natürlich.“ Sie hätte nie zugegeben, dass sie das erleichterte. „Ich darf Sie doch in Ihr eigenes Schloss bitten...“

Nur Minuten später knieten die beiden Inuyoukai voreinander in dem, was einem Schlafzimmer der Hausherrin am nächsten kam. Der Gang davor besaß mehrere Türen, die nun von den Dienerinnen eilig zugeschoben wurden, als sie ihn verließen. Niemand würde selbst als Youkai zuhören können, was hier gesprochen wurde.

Die weißhaarige Dame sah auf: „Sesshoumaru entspricht Ihren Erwartungen?“ Ihr Einziger.

„Nach wie vor, meine Teure. Er hat Sie doch erst neulich besucht?“

„Er ist wohl sehr eingespannt.“ Und hatte ein näheres Verhältnis zu seinem Vater entwickelt. Sie vermutete eine Anweisung dessen hinter dem Besuch Sesshoumarus.

„Auch dieses,“ erwiderte der Taishou höflich, bemüht, die Gefühle der Mutter zu schonen: „Ich möchte mit Ihnen über eine mögliche Eheschließung meinerseits reden. Wir gelten für die Menschen als geschieden.“

Ihr war bewusst, dass das Gespräch nur eine Formsache war. Eine Ehe unter Youkai, zumal, wenn Nachwuchs entstanden war, konnte nie getrennt werden. Allerdings stand allein dem männlichen Partner eine weitere Ehe zu – falls er genug Möglichkeiten hatte zusätzliche Abkömmlinge großzuziehen. Frauen hatten treu zu bleiben. Schließlich ging es um das Erbrecht, gerade in ihrem Fall. Alle würden wissen wollen, dass der Erbe des Taishou auch wirklich dessen Erbe war. Sie hatte schon länger mit einer derartigen Entwicklung gerechnet. Trotz allem, was diese menschliche Presse behauptete, neigte er zur Ehrbarkeit. Affären nur für eine Nacht lagen ihm nicht. „Darf ich fragen auf welche Dame Ihr Auge fiel? Und wann die Hochzeit sein wird?“ Letzteres ging sie zwar nichts an, aber sie wollte sich vortasten, wie weit sie künftig mit einer Konkurrenz – und welcher – zu rechnen hatte. Sie und vor allem Sesshoumaru.

„Sie hat noch nicht zugestimmt,“ gab er zu.

Sie stutzte: „Mein verehrter Gemahl, ich kann mir nicht vorstellen welche Youkai so überspannt sein sollte Ihren Antrag zurückzuweisen.“ Das hatte nicht einmal sie in ihrer, zugegeben etwas anmaßenden, Jugend. Er war nun einmal der Stärkste, das reizte jede dämonische Frau als Vater für ihr Kind.

„Sie ist ein Mensch.“

Die Fürstin sah ihn ein wenig erstaunt an: „Ich vermute dann, dass diese Ehe Ihnen einen großen Vorteil bringt.“

„Finanziell und in Ländereien, eine eheliche Verbindung zum Kaiserhaus, sehr ungewöhnlich für unsereins, und gut als Machtzuwachs.“ Und ein Lächeln, das er wieder sehen wollte. Aber das würde sie nicht verstehen. „Sesshoumaru würde ich diese Ehe nicht zumuten, das habe ich ihm versprochen.“

Sie nickte, durchaus erleichtert, dass er ihrem Sohn nicht für Jahrzehnte solche Last aufbürden wollte: „Ich verstehe. Eine Ehe mit einem Menschen ist kurz – die Ländereien und alles andere bleibt. Überdies haben Sie bereits einen Erben, einen vollblütigen Erben. Wobei ich mich zu entsinnen glaube, dass ein Daiyoukai Ihrer Macht keinen Hanyou zeugen kann. Was selbstverständlich an der...menschlichen Mutter liegt, nicht an Ihren Fähigkeiten.“ Wie unhöflich und unpassend gegenüber dem eigenen Ehemann und Fürsten auch nur anzudeuten, dass er nicht in der Lage wäre...Sie sollte nicht die Selbstbeherrschung verlieren. Dieser unerwartete Besuch hatte sie offenbar ein wenig aus der Fassung gebracht.

„Ja,“ sagte er jedoch nur. „Allerdings gibt es, wie bei jeder Sache, einen Haken. Bereits übermorgen, am Dienstag, muss ich im Sinne der Prinzessin Fukuwara handeln. Genau darum wollte ich mich mit Ihnen besprechen. Niemand außer Ihnen vermag meinen Gedanken derart zu folgen.“

Ein winziges Lächeln, das um ihren Mund zuckte, verriet sie, ehe sie sich verneigte. Diese menschliche Prinzessin war keine Konkurrenz für sie als Regentin, ja, Partnerin – und natürlich erst recht keine Bedrohung für ihren Einzigen. „Danke.“ Er wollte wirklich ihren Rat und würde ihn anhören und bedenken. Ein – nicht unwesentlicher - Teil seiner Macht über alle Youkai beruhte darauf, dass er sie jederzeit aufgeben konnte und wollte. Er hörte sich andere Meinungen objektiv an und ordnete sich und seine Entscheidungen einem wie auch immer gearteten Fachwissen unter.
 

Er begann zu erzählen, ausführlich seine Gedanken und Pläne zu beschreiben, dabei nur auslassend, dass Izayoi in ihm auch Gefühle geweckt hatte, die er so nicht kannte. So klug seine Youkai-Gefährtin auch war, wie scharf ihr Verstand, aber das würde sie nicht verstehen. Diesbezüglich kam Sesshoumaru ganz nach seiner Mutter. Auch dem hatte er diese Seite seiner Pläne daher nicht mitgeteilt.

Sie schwieg eine Weile, nachdem er geendet hatte, und er unterbrach sie nicht, sicher, dass ein überaus intelligenter Geist alles abwog.
 

Dann meinte sie: „Zuerst ein rein privater Rat, mein Herr und Gebieter – bevor die Prinzessin Ihrem Antrag zustimmt sollte sie erfahren, dass ich existiere.“

Er zog ein wenig die Augen zusammen: „Nun, ich hatte nie die Absicht, Sie beide miteinander in Konflikt zu bringen oder auch nur einander vorzustellen.“

„Dessen bin ich mir bewusst, mein Fürst. Aber diese Izayoi ist ein Mensch und dürfte unsere Regeln nicht kennen. Jedoch ist sie eine Frau. Und glauben Sie mir, früher oder später wird sie erfahren, dass Sie noch eine Ehefrau besitzen. Und sie wird Ihnen kein Vertrauen mehr geben können. Weiß sie es und kennt die Regeln, dürfte sie kaum etwas dagegen haben.“

„Ich werde darüber nachdenken. Weiter.“

„Diese Aktionärsversammlung übermorgen: Ihr Einfall ist aller Ehren wert und entspricht Ihnen, aber...Wie jede Waffe kann das auch gegen Sie gedreht werden. Sie sehen es aus der Sicht eines Mannes, der gewohnt ist einen ehrlichen Zweikampf zu führen, der stets die offene Feldschlacht sucht.“ Ein Kompliment, das den Tatsachen entsprach. Intrigen lagen ihm nicht – mit ein Grund, warum er sie hier um Rat fragte.

Er merkte auf. Hatte er etwas übersehen? „Ich sah das nie als Waffe. Das mag ein Fehler sein.“

„Menschen, die Sie so schätzen, sind manchmal sehr...emotional. Sehen Sie die Sache aus deren Sicht.“

Er überhörte das Thema Menschenfreundlichkeit lieber. Was meinte sie? „Aus dieser Sicht helfe ich der Prinzessin.“

„Die Prinzessin und ihr Leibwächter waren verschwunden, nun, der ist es wohl bislang noch immer. Die Prinzessin wird als nächstes von Menschen gesehen, und allein von diesen, die Sie, mein Fürst, ausgesucht haben. Und von Sesshoumaru wurde sie angeblich gerettet, aber der ist Ihr Sohn. Alle anderen Zeugen sind entweder tot oder verschwunden. Zuvor haben Sie ja einen nicht unbeträchtlichen Anteil des Konzerns gekauft und wollen in den Aufsichtsrat. Jetzt sprechen Sie für die Prinzessin, die wohl wirklich seelisch angeschlagen ist.“ Sie bemühte sich ihr Empfinden aus der Stimme zu halten. Du liebe Güte, wie konnte man sich so anstellen? Sie war auch einst entführt worden und hatte deswegen keine schlaflose Nacht verbracht. Nun gut, sie hatte den Mistkerl in seinem eigenen Bett umgebracht. Das konnte man wohl so bezeichnen. „Es gibt also nur Prinzessin Izayoi als Zeugin - und Personen, die mit Ihnen verwandt oder von Ihnen ausgesucht sind. Und, mit Verlaub, mein Herr und Gebieter, Menschen könnten glauben, dass Sie die Prinzessin verzaubert haben. Onigumo kann bislang nichts anderes nachgewiesen werden. Er könnte auch das Opfer Ihrer Intrige sein um an den Fukuwara-Konzern zu gelangen. Zumal, wenn Sie auch noch die Prinzessin zu heiraten wünschen. - Ein Schwert, dass Sie in der Hand halten, aber auch gegen Sie gerichtet werden könnte.“

Der Taishou sah zu Boden und dachte nach. Endlich blickte er wieder auf: „Ich verstehe,“ sagte er: „Sie haben völlig Recht, meine Teure, und ich bewundere nach wie vor Ihren Verstand. Ich werde wohl etwas dagegen unternehmen müssen.“

„Vor der Versammlung, natürlich.“ Sie klang ein wenig schärfer.

„Wollen Sie mir Vorschriften machen?“ Etwas in seinem Ton hatte sich ebenfalls geändert, war nur einen Hauch aggressiver.

Die vornehme Inuyoukai hörte es und erhob sich ohne Erlaubnis mit einem inneren Lächeln. Jetzt begann das Spiel. So mächtig der Herr der Hunde auch war – er war auch nur ein Mann. Und er ließ sich von ihr lenken, zumindest in einer Richtung. Immerhin, solange er glaubte die Kontrolle zu haben. Im nächsten Moment prallte sie mit dem Rücken gegen einen Holzpfosten, fand ihre Handgelenke umklammert und über ihren Kopf gezogen. Ach, wie sie es liebte seine Überlegenheit zu spüren, die so unerwartet Zartgefühl und Macht miteinander verband. Jahrhunderte Ehe hatten sie gelehrt dieses Spiel so zu spielen, dass sie beide Gefallen daran fanden.

Als sie lange Minuten später, die Arme auf den Rücken gedreht, auf dem Boden unter ihm lag, atmeten beide Youkai schwer - nicht aus Anstrengung.
 

Onigumo betrachtete zufrieden sein Werk an diesem Montagmorgen. Alle Diamanten saßen wie eine Dekoration auf dem dunkelblauen Kimono. Manchmal machte es sich eben bezahlt, dass Mutter eine Spinne gewesen war und man die Fäden selbst herstellen konnte. Apropos...bezahlt...Er sollte sein Handy einschalten und nach den Nachrichten sehen. Nur, für den Fall der Fälle. Wirklich interessant wurde es erst morgen mit der Hauptversammlung. Bis dahin sollte er einen Plan haben, wen er über diese miese Intrige des Taishou informieren sollte. Mindestens ein Ratsmitglied, neben der Presse, natürlich, aber es wäre kaum sinnvoll Maseo oder einen anderen Youkai zu nehmen. Und von den Menschen besaß er leider keine direkten Zugänge.

Er starrte auf sein Handy. Die Nachricht war allerdings eindeutig. Fukuwara-Prinzessin Gast des Kaisers.

Verdammt.

Wie hatte dieser dämliche Hund das denn schon wieder hinbekommen?

Auch dem Dümmsten war doch klar, dass der kaiserliche Palast mit Bannsiegeln umgeben war, die kein, und wirklich kein, Youkai brechen konnte, ja, jeder Zauber dort aufgelöst wurde. Angeblich wirkte an diesem Platz die Magie der Sonnengöttin selbst um ihre Nachkommen zu schützen. Sogar dämonische Ratsmitglieder trafen den Kaiser nur in einem speziellen Schlösschen außerhalb.

Kurz, Izayoi da unterzubringen war gleichbedeutend mit: sie ist von keinem Youkai beeinflusst oder gar verzaubert.

Wieso allerdings hatte der Kaiser sie aufgenommen?

Er las weiter.

Der Kaiser habe seine entfernte Cousine, die nach dem Tod ihres Vaters, des ehrenwerten Ratsmitgliedes...ja, ja...Moment. Entfernte Cousine?

Mist. Ja. Seit Jahrhunderten hatten Mitglieder des Kaiserhauses in den Hochadel geheiratet oder auch andersherum. Und da die Fukuwaras eine der ältesten Familien des Landes waren, hatte es da sicher mehrere Verbindungen gegeben. Und dieser...dieser dämliche Hund hatte nichts Besseres zu tun gehabt als Izayoi zu packen und sie ihrem entfernten Cousin aufs Auge zu drücken. Nun ja. Youkai und Mensch, eben. Der war wohl froh gewesen sie wieder loszuwerden. Aber dass der Kaiser da zugestimmt hatte...

Gleich.

Er, Onigumo, der sich viel auf seinen Verstand zu gute hielt, musste zähneknirschend zugeben, dass der Taishou ihm schon wieder seinen Zug vereitelt hatte. Er musste sich unbedingt etwas für diesen Hund überlegen. Wirklich, der war offenbar nicht umsonst Heerführer gewesen.

Es war allerdings ratsam auch von seinem Feind zu lernen. Wenn er wieder etwas gegen diesen Herrn der Hunde plante sollte er zuvor gründlichst nachdenken.
 

Izayoi gab zu ein wenig überrascht gewesen zu sein, dass sie mehr oder weniger vor die Tür gesetzt worden war – und wohin man sie dann gebracht hatte. Zunächst war sie etwas erschrocken, aber Dr. Kagawa hatte sie begleitet, selbst nervös. Jetzt befand sie sich in einem kleinen Pavillon auf dem Gelände des kaiserlichen Palastes und das Hofmeisteramt hatte ihr Gastfreundschaft für einige Zeit zugesagt. Auf ihre Nachfrage hatte ein Beamter bestätigt, dass der Taishou für sie um diesen Besuch gebeten hatte. Sie seufzte innerlich. Nun ja, was hatte sie auch erwartet? Dass sich der Herr der Youkai länger als notwendig mit ihr befassen würde? Es war ja so schon mehr als freundlich gewesen, dass sein Sohn sie gerettet hatte, dass er sie aufgenommen hatte...

Und, wenn sie ehrlich war, war sie auch erleichtert es nun nur mit Menschen zu tun zu haben. Die strengen Regeln des Palastes störten sie nicht, ja, sie kamen ihr vertraut vor. Sie hatte auch nicht die Absicht diesen Pavillon zu verlassen. Dr. Kagawa hatte ihr versprochen nach wie vor nach ihr zu sehen und hatte ihr sogar, um sie zu überzeugen, ihren gesonderten Passierschein vorgewiesen.

Das alles hatte sie mitbekommen. Manches allerdings schwand im Nebel. Noch immer kamen diese Flahbacks, Erinnerungen an ihre Gefangenschaft und an Takemaru, schmerzhaft und überfallartig, die sie sich nur mehr zusammenkauern und weinen ließen, die Alpträume in der Nacht. Aber das würde einstweilen so bleiben. Es war noch keine Woche her. Drei oder vier Wochen würde es mindestens dauern, das hatte ihr die Ärztin ja gesagt.

Eine Frau schob ihre Tür beiseite und kniete höflich nieder.

Die Prinzessin atmete durch: „Ja?“

„Das Ratsmitglied Taishou rief an und bat Ihnen auszurichten, Izayoi-sama, dass die Versammlung in Ihrem Sinn abgelaufen sei.“

Die Aktionärsversammlung! Das hatte sie vollkommen vergessen. Ja, der Taishou hatte, als er Sonntag Abend zu ihr kam, um ihr – mehr als duldsam gegenüber ihrer Furcht - in Eris Gesellschaft zu sagen, dass sie in den kaiserlichen Palast eingeladen sei, auch etwas für diese Versammlung zum Unterschreiben vorgelegt. Sie war froh gewesen nichts weiter machen zu müssen – und hatte das anschließend schlicht wieder vergessen. Aber anscheinend hatte er dafür gesorgt, dass der Konzern ihrer Familie noch existierte. Es war wirklich gnädig von einem so mächtigen Mann sich um die Probleme einer Person zu kümmern, die ihm doch gleichgültig sein konnte. Er hatte jedoch gesagt, dass er ihrem Vater versprochen hatte sich um sie zu kümmern. Ja, das war wohl die Ursache. Das, und die hinzugewonnenen Aktien. Sie sollte da nichts persönlich nehmen. „Danke,“ erwiderte sie höflich. Gleich, wie man selbst empfand, das Gesicht nach außen musste ruhig sein, so hatte sie es gelernt, die Verbindlichkeit durfte nie vernachlässigt werden. „Falls der...das Ratsmitglied noch einmal anruft richten Sie ihm bitte meinen unbedingten Dank aus. - Wenn Dr. Kagawa mir ein Handy erlaubt werde ich es selbst tun.“

„Natürlich, Izayoi-sama.“ Wie alle hier ging die Frau davon aus, dass noch immer der Tod des Vaters und letzten Familienmitgliedes der jungen Dame so zu schaffen machte. Von der Entführung und den anderen Angelegenheiten wusste niemand im Palast. Darum hatte man der Prinzessin auch Trauerrituale in den hiesigen Schreinen angeboten, die sie dankbar angenommen hatte. Wenn sie schon nicht zuhause für die Seele ihres Vaters auf seinem Weg bitten konnte, so wollte sie das wenigstens hier tun.

Ein gutes Geschäft

Vier Wochen später war Izayoi wieder zuhause – genauer, im Haus der Fukuwaras. Seltsamerweise erschien ihr das Anwesen ihrer Kindheit so groß und fremd. Was sollte sie hier nur allein? Ihre Flashbacks waren deutlich weniger geworden, auch, wenn sie nachts noch immer Alpträume, gerade über ihren Vater und Takemaru, hatte. Beide hatten versucht sie zu beschützen und hatten das letztendlich mit dem Leben bezahlt.

Vom Konzern an sich hatte sie über Kanave, den engsten Mitarbeiter ihres Vaters, erfahren, dass der Aufsichtsrat einen neuen Vorstand bestimmt hatte. Die Namen hatten ihr nichts gesagt, aber ihr war versichert worden, dass sich diese Männer im Tourismusgeschäft auskennen würden, ja, der Vorstandsvorsitzende seit fast vierzig Jahren für ihren Vater gearbeitet hatte und das alles wirklich kenne. Mit gewissem Erstaunen hatte sie festgestellt, dass der Youkaifürst seinen gewiss großen Einfluss nicht geltend gemacht hatte um Wesen seiner Art unterzubringen. Es war nur ein Youkai dabei – und dessen Firma hatte ihr Vater vor zwanzig Jahren aufgekauft. Nein, alles schien wenigstens da in Ordnung.

Zuhause jedoch....Nach einigen Tagen beschloss sie, dass sie hier etwas unternehmen musste. So viele Menschen arbeiteten hier, so viel Platz allein für sie....Sie sollte sich eine Zukunft für das Haus überlegen. Jemanden zu entlassen erschien ihr allerdings unrecht, diese Menschen hatten nichts getan, ja, alle auf ihre Genesung gewartet. Überdies benötigte sie selbst als Privatperson die Leibwächter. Der Taishou hatte sie gewarnt, dass Onigumo noch immer nicht gefunden sei, als er sie persönlich in seinem Wagen vom kaiserlichen Palast nach Hause begleitet hatte. Sie hatte ihm versprochen auf sich aufzupassen. Versprechen müssen, denn sie konnte dem Mann, dessen Sohn sie aus der schrecklichsten Lage ihres Lebens geholt hatte, doch nicht sagen, dass ihr ihre Sicherheit weniger am Herzen läge als ihm. Sie hoffte allerdings, dass sich die menschliche und Youkai-Polizei irrten, dass ihr Cousin schon längst das Land verlassen hatte.

Noch immer hatte sie täglich ein Gespräch mit Dr. Mai Kagawa und sie merkte, dass ihr das gut tat. Allerdings ließ sie sich zu ihr fahren, wenngleich in Begleitung mindestens zweier Leibwächter, wie es der Taishou förmlich verlangt hatte. Er war derart nachdrücklich gewesen, dass sie nur mehr erschreckt allem zugestimmt hatte. Später hatte sie nachgedacht. Vermutlich hatte er Recht. Er kannte sich aus, sie nicht. Und sie war ihrem ungeliebten Cousin praktisch schon zwei Mal in die Falle gegangen, wenn man auch die Tatsache berücksichtigte, dass er sie um ein Haar mit Vaters Zustimmung geheiratet hatte. Es waren Menschen gestorben, die sie beschützen wollten. Diesen Fehler durfte sie nie wieder begehen.

Ob es die Möglichkeit geben würde sich ein kleineres Haus zu kaufen und das hier als ein Museum für die Fukuwara-Familie aufzubauen? Es gab hier genug was an die Ahnen erinnerte. Und sie war wohl die Letzte dieses Namens. Momentan konnte sie sich nicht vorstellen einen der selbst ernannten, ihr praktisch unbekannten, Verehrer zu heiraten, die ja doch nur hinter ihrem Namen und ihrem Geld her waren. Jedenfalls sollte sie zusehen, dass sie die sozialen Anliegen der Stiftungen, die sie bislang schon, zumindest offiziell, für ihren Vater geregelt hatte, auch weiterlaufen ließ. Die Frage war nur – wo war das Geld?

Sie musste ein wenig im Arbeitszimmer ihres Vaters suchen, mit Kanave telefonieren, ehe sie wusste, dass es ein Büro für sie und diesen Zweck tatsächlich jetzt im Konzerngebäude gab – und ein Konto für die Spenden, Einladungen und sonstigen Dinge auf ihren Namen existierte. Bislang hatte sie das von zuhause aus erledigt, da Vater es so wünschte und alles ihr anbefahl, so dass sie nur unterschrieb, aber jemand hatte anscheinend mitgedacht und die Unterlagen dort hin umquartiert, wo auch die Mitarbeiter saßen. Sie hatte doch noch etwas zu tun, wenn schon kein Haus mehr zu führen war. Und sie musste sich einarbeiten, das Handeln ohne Vaters Anweisungen erlernen.

Ob das Museum und seine möglichen Einnahmen auch zu solchen Dingen verwendet werden konnten?

Kanave wusste es nicht, aber er sagte ihr zu sich mit den Konzernjuristen wegen einer möglichen Stiftung oder sonstigen Rechtsform eines derartigen Museums in Verbindung zu setzen.

Mit gewissem Zögern nahm die junge Frau das Telefon erneut zur Hand. Jemand, der sich auskannte...sicher. Und der Taishou war nett, wenngleich sachlich gewesen. Allerdings: konnte, durfte sie einen so hochrangigen, vielbeschäftigten Mann überhaupt anrufen, nur, um eine Frage zu stellen, die er vermutlich als lächerlich empfand?

Aber immerhin, er hatte ihr die Nummer seines Privathandys gegeben und sich bislang ihr gegenüber als väterlicher Freund bewiesen. Sie wählte – eigentlich nicht überrascht, dass nur der automatische Anrufbeantworter zu hören war.
 

Wirklich aus allen Wolken fallend war sie, als keine drei Minuten später – sie saß noch grübelnd am Telefon - der Rückruf kam.

„Oh, edler Fürst...“ stammelte sie sicher kaum protokollgerecht und ergänzte hastig: „Ich...ich hoffe, meine Wenigkeit hat Sie nicht gestört.“

„Nein.“ Ihr Anruf hatte ihn dazu bewogen ein wenig besorgt aus einer langen und langweiligen Besprechung zu gehen. Wenn er etwas über Izayoi Fukuwara in den letzten Wochen gelernt hatte, dann, dass sie nicht bei jeder Kleinigkeit um Hilfe schrie: „Ich hoffe, es geht Ihnen gut?“

Seine tiefe Stimme schickte ihr irgendein seltsames Kribbeln über den Rücken: „Oh, ja, danke. Es geht mir immer besser. Dr. Kagawa ist sehr fähig.“

„Ja.“ Er hatte der Ärztin, da sie jeden persönlichen Bonus verweigert hatte, eine nette kleine Spende für ihre Abteilung schicken lassen.

Jetzt musste sie auch schleunigst sagen, was sie wollte: „Ich beabsichtige das Fukuwara-Anwesen in eine Stiftung oder etwas ähnliches umzuwandeln, ein Museum für meine Familie. Können Sie mir sagen, wer sich da besonders gut auskennt? Ich habe,“ setzte sie hinzu, um ihn nicht denken zu lassen sie verlasse sich nur auf ihn: „Auch bereits im Fukuwara-Konzern angefragt, aber da kennt sich wohl niemand so aus...“

Er war erfreut, dass sie wieder klar dachte, denken konnte: „Ja, ich habe einen sehr fähigen Anwalt namens Bokuseno. Allerdings dürfte er Sie verwirren.“

„Er ist ein Youkai?“ riet sie.

„Ein Baumgeist, eine Magnolie.“

„Oh.“

„Haben Sie etwas zum Schreiben da, ich gebe Ihnen seine Adresse. Und berufen Sie sich auf mich. Normalerweise bekommt man bei ihm Termine erst in sechs bis acht Wochen.“

„Ja, danke, vielen Dank, edler Fürst.“ Sie schrieb hastig mit.

„Sie arbeiten also bereits wieder?“

„Ja, ab morgen werde ich auch in das Büro im Fukuwara-Konzern gehen und dort die sozialen Dinge abarbeiten...Sie wissen ja, Krankenhäuser, Waisenhäuser, und anderes aus den Erträgen der Stiftungen und Spendenaktionen...“ Er musste ja nicht erfahren, dass sie sich da erst einarbeiten musste.

„Eines der Dinge, die ich freilich abgegeben habe, an Mitarbeiter.“ Der Taishou überlegte kurz: „Wenn Sie sich bereits wieder arbeitsfähig fühlen, so würde ich gern etwas...Geschäftliches mit Ihnen besprechen, Prinzessin. Wo auch immer Sie möchten: bei sich, im Fukuwara-Konzern, bei mir im Büro oder zuhause oder wo auch immer es Ihnen recht ist.“ Er musste noch behutsam sein, nachdem ihm Dr. Kagawa, wenngleich eingedenk ihrer ärztlichen Schweigepflicht, doch einiges über den Ablauf der Entführung erzählt hatte. Zugegeben, nachdem er ihr seine Heiratspläne gebeichtet hatte. Sie war in der Gesprächsführung wahrlich geschickt.

Izayoi klang erheitert und sagte mit gutem Grund: „Edler Fürst, ich denke, wo auch immer ich bin, ich fühle mich in Ihrer Anwesenheit sicher. Ich fühle mich geehrt in Ihr Büro zu dürfen um etwas Geschäftliches zu besprechen. Und ja, ich werde mit Leibwächtern kommen, wie Sie es verlangt haben.“

„Gut. Morgen?“

„Um siebzehn Uhr? Ich möchte doch zuerst die Sachen ansehen. Nicht, dass Menschen...Leute unter meiner Abwesenheit gelitten haben.“

„Selbstverständlich, Prinzessin. Bis morgen.“
 

Um siebzehn Uhr ließ sich Izayoi im Büro des Konzernherrn melden, wie immer in sechs Lagen Kimono gehüllt, die langen, schwarzen Haare tief über ihren Rücken fallend. Der Taishou empfing sie wie bereits einmal in der japanischen Ecke seines Büros, auf Tatami-Matten sitzend. Er war beruhigt, dass ihn Myouga bereits von unten angerufen hatte, dass die Fukuwara-Prinzessin wie von ihm gewünscht mit zwei Leibwächtern, nun sogar mit vier, erschienen war. Weder die menschliche Polizei noch Maseo hatten Onigumo finden können und alles, was sich sagen ließ, war, dass der noch im Lande sein musste. Bedauerlicherweise, fand der Herr der Hunde, hatte der Hanyou einen Einfallsreichtum bewiesen, der auf alles nur nichts Gutes verwies, sollte die Prinzessin erneut in dessen Auge fallen.

Sie verneigte sich an der Tür tief, kam aber durch seinen Wink heran um ihm gegenüber Platz zu nehmen, höflich zu Boden blickend. Auch, wenn er ihr schon einmal gesagt hatte, Fürst sei er im Privatleben, hier Geschäftsmann und das auch durch den schwarzen Anzug unterstrich, so war das noch kein Grund seine Stellung zu ignorieren.

„Sie fühlen sich einem solchen Gespräch gewachsen?“ erkundigte er sich. Sie war in der Tat wieder ein attraktiver Anblick. Dieses Geschäft besaß für ihn nur gute Seiten – wenn es zum Abschluss kam.

„Ja. Auch Dr. Kagawa gab mir für die Arbeit so weit die Erlaubnis. Es sei besser sich zu stellen.“

Der Inuyoukai, der sein Leben lang Kampf kannte, nickte ein wenig. „Es freut mich zu hören. - Sie erwähnten einmal, dass sich seit dem Tode Ihres Vaters einige Bewerber um Ihre Hand einfanden. Ich bat Sie daraufhin mich als Nummer zweihundertachtunddreissig auf die Liste zu setzen. Ich muss zugeben, ich hoffe sie ist inzwischen ein wenig kürzer geworden.“

Sie stutzte: „Sie wollten über Geschäftliches reden, edler Fürst...“ Das war zwar eine leise Kritik, aber irgendwie wurde ihr ein wenig unheimlich bei dieser Eröffnung.

„Eine Ehe ist immer etwas Geschäftliches, Prinzessin.“

Das stimmte soweit – nur, er hatte diesen Antrag doch nicht wirklich ernst gemeint? Sie blickte ihn gegen die Regel an.

Der Taishou nickte ein wenig, als er die dunklen Augen fragend auf sich sah: „Ich meine immer, was ich sage. - Hören Sie mich bitte bis zum Ende an. Danach können Sie mit Ja oder Nein antworten, ich werde es akzeptieren. Aber lassen Sie mich aussprechen.“

Sie senkte den Kopf. Natürlich durfte er reden, er war der Ranghöhere, aber....er meinte das wirklich?

„Zunächst einmal sollten Sie wissen, dass meine Ehe mit Sesshoumarus Mutter nach Youkairecht noch besteht und niemals aufgelöst werden kann.“ Er bemerkte, dass sie um ein Haar aufgesehen hätte, sich aber zusammennahm: „Das liegt an etwas, das jedes Lebewesen besitzt und man Ki nennt. Youki bei meiner Art, Genki bei den Göttern, Ki bei Menschen. Die Energie des Lebens. Wenn sich zwei Youkai vereinigen, vereinigt sich auch ihr Youki, tauscht sich aus. Jeder behält etwas vom anderen, zumal, wenn ein Kind entstanden ist. Darum versteht man sich, kann sich nie belügen – aber es ist eben keine Trennung möglich. Es steht jedoch nach Youkairecht dem männlichen Partner frei eine andere, weitere, Bindung einzugehen, die allerdings dann ebenso unauflösbar ist. Von beiden Seiten aus. Falls Sie sich entscheiden würden meinen Antrag anzunehmen, könnten Sie nie zurück. - Haben Sie dazu eine Frage?“

Sie schüttelte den Kopf, erkundigte sich dann jedoch ohne aufzusehen: „Was...was würden Sie denn von einer Menschenfrau erwarten?“

„Zunächst einmal, dass Sie die Herrin meines Hauses sind, so, wie Sie es für Ihren Vater taten. Des Weiteren würde ich Ihnen gerne meine sozialen Projekte zusätzlich übergeben. Momentan machen es nur die Angestellten, aber ein Familienmitglied wäre sicher als Repräsentanz und Aufsicht günstiger. Und, ich würde erwarten, dass Sie mit mir bei allen Gelegenheiten in der Öffentlichkeit erscheinen, bei denen es für ein Ehepaar üblich ist. - Prinzessin, ich bin mir bewusst, dass nach Ihrer Erziehung durch den verehrten Jiro Sie in mir fast eine Bestie sehen. Darum dies: ich gebe Ihnen mein Wort, dass ich Ihre Räume nicht betreten werde, Sie nie berühren werde, es sei denn, Sie bitten mich darum.“
 

Nicht Privates, etwas Geschäftliches...ja, so war sie erzogen worden. Und Vater hatte ja immer gesagt, dass sie sich nach ihrer Heirat in ihren Ehemann verlieben würde, das käme von allein...

Aber ob Vater dann mit genau diesem Schwiegersohn einverstanden wäre? Nun ja, er wäre es ja auch mit dem Hanyou Onigumo....sie musste schlucken. Und der hatte sie immerhin einfach ohne Frage auf die Wange geküsst. Der Inu no Taishou dagegen versprach ihr sie in Ruhe zu lassen, nicht das zu verlangen, was ihm wohl auch nach Youkairecht als Gatte zustand. Es war kaum zu erwarten, dass ein menschlicher Mann das anbieten würde, keine Kinder wollte. Nun ja, vermutlich grauste einem Höllenwesen ebenso vor einem Menschen wie andersherum. „Danke,“ sagte sie dennoch unwillkürlich. „Darf ich Ihnen noch eine Frage stellen?“

„Natürlich. Es ist eine Entscheidung ohne Zurück.“ Und es war besser sie lehnte seinen Vorschlag ab, als dass sie ihn, an ihn gebunden, ihr Leben lang hassen würde.

„Weiß Sesshoumaru-sama von dieser Frage?“

„Er weiß, dass ich eine solche Verbindung ins Auge fasste, ja. Und da ich ihm zusagte, dass er nicht der Bräutigam sein soll...“ Der Herr der Hunde klang ein wenig erheitert.

Izayoi hob den Kopf: „Ja, Sie sagten, Sie wollen ihm meine Wenigkeit nicht zumuten.“

Aua, dachte er. „Das hat Sie verletzt, nicht wahr? Meine Bitte um Entschuldigung. Es war unglücklich formuliert.“

„Was haben Sie denn von dieser Ehe, wenn Sie schon nicht mit mir...ich meine...“ Wie sollte sie das sagen? Er war ein Youkai, ein Fürst, Regierungsmitglied...

„Ich werde Fürst Fukuwara und später wird es einmal Sesshoumaru. Damit stirbt Ihre Familie schon erst einmal für einige Jahrhunderte nicht aus, wie ich es Ihrem Vater versprach. Ich erhalte damit Zugriff auf das Familienvermögen der Fukuwaras und den Konzern. Ich erhalte eine schöne, junge Frau, die dazu erzogen wurde die Rolle einer Fürstin zu spielen.“ Und, aber das wollte er ihr nicht so kurz nach diesem Onigumo-Zwischenfall sagen, er vertraute auf die Zeit. Früher oder später würde sie in ihm kein Höllenwesen mehr sehen, sie vielleicht Freunde werden können.

Er log nicht, dachte sie, wenngleich sie über das Kompliment errötete. Vermutlich log er nie. „Ich bin ein Mensch. Wenn ich Sie heiraten würde, unterliege ich dann auch dem Youkairecht?“ Onigumo hatte da doch etwas, allerdings bezüglich ihrer beider Hochzeit, erwähnt?

„Ja.“

„Und Ihre...Ihre jetzige Ehefrau weiß von Ihrem Antrag?“

„Ja. Ich hielt es für ehrlich ihr gegenüber. Allerdings – und das muss ich Ihnen offen sagen: Sie würden sich nie kennenlernen. Es gilt als....passender dies nicht zu tun bei meiner Art.“ Und ersparte den Ehemännern eine Menge Stress, vermutete er, da er sich kaum vorstellen konnte, wie diese beiden Frauen in einem Schloss zusammenlebten. Natürlich waren beide Prinzessinnen, wohlerzogen und höflich, aber da gab es schon charakterliche Unterschiede....Nein, es war sicher besser sie blieben getrennt. „Bis vor etwas über hundert Jahren waren derartige Mehrehen übrigens auch unter Menschen üblich.“

„Ja, ich hörte davon.“ Sie musterte ihn. Er war ein Höllenwesen, aber er hatte sich ihr gegenüber freundlich verhalten, ja, sein Sohn hatte ihr vermutlich das Leben gerettet. Und die Liebe kam immer nach der Hochzeit. Überdies hatte er für Vaters Unternehmen gesorgt, kannte sich da aus...Da war auch sein Versprechen sie nicht anzurühren. Jetzt lächelte er sogar.

„Noch weitere Fragen?“ Je mehr sie fragte, desto wahrscheinlicher wurde ein Ja, dachte er.

Izayoi hatte einen anderen Gedankengang. Sie wusste seit Kurzem nur zu gut wie es sich anfühlte hilflos zu sein, ja, gefangen zu sein. Der Taishou wirkte ehrlich, erklärte ihr auch...ja, eigentlich hatte er ihr erklärt, dass sie in ein Gefängnis gehen würde, in SEIN Gefängnis. Heiratete sie ihn, unterstand sie Youkairecht und damit ihm, als Fürst, als Ehemann, als alleinigem Richter, ohne dass sie die Chance hätte sich je von ihm zu trennen. Was war dann sein Wort wert sie nicht anzurühren? Sie sprach es aus, ohne aufzusehen. Es war zwar unhöflich, aber sie wollte ihn auch nicht durch ein einfaches schroffes Nein verärgern, dazu war er zu mächtig, aber auch zu nett zu ihr gewesen – und Vaters Freund.

Der Youkaifürst wollte im ersten Moment zornig werden, dass sie an seiner Ehre zweifelte, aber ihre Erfahrungen mit einem auch nur Halbwesen seiner Art waren nicht die Besten gewesen. Und da war Jiros Erziehung. „Ich verstehe,“ sagte er daher zu ihrer gewissen Erleichterung: „Ich kann Ihnen allerdings nur versichern, dass ich in meinem Leben noch nie mein Wort gebrochen habe. Und übrigens auch kein Wesen je gegen seinen Willen genommen habe. Hm. - Würde es Ihre Bedenken diesbezüglich beruhigen, wenn wir in den Ehevertrag eine Klausel einsetzen, dass, eine Scheidung ist, wie erwähnt, niemals möglich, aber Sie jeder Zeit eine Trennung von Tisch und Bett fordern können, und mir in diesem Fall die Verwaltung des Fukuwara-Vermögens entzogen wird und in Ihre Hände fällt? Ein solcher Vertrag zwischen uns wäre nicht nur öffentlich einsehbar in den Ratsunterlagen, sondern auch nie ohne Ihr Wissen oder Einverständnis aufhebbar. Und das nur vor dem gesamten Rat und dem Kaiser.“

Das war ein Angebot, wie es weitergehender wohl kaum sein konnte – und ihr vermutlich auch kein anderer Bewerber machen wollte oder würde: „Ich....Vater ist noch nicht sehr lange tot, da darf man doch gar nicht heiraten...“ wandte sie dennoch leise ein.

„Menschen....Nun, ich denke, eine kleine, stille Heirat wird als taktvoll anerkannt, überdies wird sie wenig Aufsehen erregen.“ Außer in Youkai-Kreisen, aber damit konnte er leben, zumal ja jeder Vernünftige das rein geschäftlich sehen würde: „Dann würden Sie mir die Ehre erweisen?“

Izayoi wurde rot und starrte auf den Boden. Irgendwer musste für sie sprechen, denn sie sagte: „Mit diesem Vertrag und unter den von Ihnen genannten Konditionen. Ja.“

„Das freut mich,“ erwiderte der Youkaifürst: „Ich werde diesen Priester informieren, der auch die Riten bei Fürst Jiro leitete. Sie kennen ihn ja?“

„Äh, ja.“ Sie war verwirrt, das sah man ihr deutlich an. „Einen Priester?“ Der alte Miyatsu?

Er zuckte die Schultern mit einem leisen Lächeln: „Nun, soweit ich weiß, unterschreibt man bei Menschen nicht nur Dokumente, sondern ein Priester segnet das Brautpaar.“

„Sie...Sie können in einen Schrein gehen?“ Wurden Dämonen und andere Höllenwesen dort nicht geläutert?

„Ja. In die meisten.“ Er wollte lieber nicht ausprobieren, was geschehen würde, käme er in die Nähe von Ise, aber der Schrein der Sonnengöttin war ihr oberstes Heiligtum und repräsentierte ihre Macht und Magie.

„Oh.“ Vermutlich kam sie ihm töricht vor. Was wusste sie noch alles nicht? „Und...wie soll ich Sie dann ansprechen, edler Fürst?“ Er hatte ja gesagt, dass er keinen Vornamen besaß.

„Sagen Sie Taishou, Prinzessin....Izayoi,“ korrigierte er sich. „Wir werden in den nächsten Tagen noch einiges besprechen, auch, wie Sie Ihre Zimmer eingerichtet haben möchten.“

„Sie...“ Doch, ja, das war einst üblich gewesen, zumindest. So nickte sie nur gehorsam: „Ich werde kein shiromuko wählen, das passt nicht zu einer so kleinen Hochzeit. Aber ich würde trotz der Trauer gern in weiß heiraten. Nach westlichem Stand, dann.“

„Ich bin sicher, Ihr ausgezeichneter Geschmack wird Sie leiten.“

Er stand auf und bot ihr die Klaue, um ihr ebenfalls emporzuhelfen. Sie gehorchte dem deutlichen Hinweis ein wenig verunsichert. Immerhin war er ihr Bräutigam – und stand jetzt so nahe vor ihr....Wollte er sie doch küssen?

Er erriet ihre Gedanken und bat nur: „Drehen Sie sich kurz um? Danke.“ Dieses wundervolle Haar... „Ich habe versprochen, dass ich Sie nicht berühren werde – darf ich dennoch einmal Ihr Haar anfassen? Mich interessiert etwas.“

Sie war erleichtert, dass er sie nicht umarmen oder küssen wollte, und sagte daher: „Äh, ja....“ Sie spürte, wie er leicht darüber strich, dann eine Strähne nahm. Und selbst für ihre menschlichen Ohren entstand etwas wie ein Knistern. „Was ist das? Elektrizität?“

Er ließ sie, wenn auch mit gewissem Bedauern, los: „Nein. Mein Youki reagiert mit Ihrer Lebensenergie.“ Genauer, mit dem göttlichen Anteil der Kaiservorfahren darin. Jiro hatte das anscheinend wirklich fröhlich ignoriert. „Es ist nicht gefährlich, machen Sie sich keine Sorgen. Es ist nur sehr, sehr selten.“ Liebschaften zwischen Youkai und Göttern waren tabu und wurden schwer bestraft. Nur auf dem Umweg über Menschen konnte so etwas entstehen. Faszinierend.
 

Onigumo fluchte, als er den Fehler in seinem Plan entdeckte. Er hatte es sich einfach vorgestellt – mit dem Koffer, mit dem Diamant-Kimono darin, zum Flughafen, einchecken und weg, das Ganze in seiner Menschengestalt, da nach ihm gefahndet wurde. Leider hatte er für einen Moment nicht bedacht, dass er für diese Gestalt weder Foto noch Ausweis besaß. Nun ja, er hatte sich einen gefälschten Pass früher schon einmal zugelegt, als er noch direkten Kontakt zu den Mädchenhändlern gesucht hatte, aber darin befand sich nun einmal eindeutig sein Bild als Hanyou, wenn auch unter dem Namen Hakudoshi. Einfach so umarbeiten war ihm nicht möglich. Und sein Bewegungsradius war bis auf den Tag im Monat, an dem er ein Mensch wurde, auf das Haus seiner Mutter beschränkt, denn er bezweifelte nicht, dass halb Japan ihn jagte. Einen anderen falschen Pass zu besorgen war teuer und riskant. Er musste dieses Bild ändern...nur, wie? Davon verstand er nichts und die Beamten am Flughafen kannten sich da sicher aus.

Jämmerlich. Jetzt saß er hier in der Einöde fest, wo er einst Mama hingeschickt hatte. Bittere Ironie. Flucht war schwierig.

Ein Gegenangriff? Wie? Das liebe Cousinchen würde ihn meiden wie der Teufel das Weihwasser und eine simple Entschuldigung kaum anhören. Sie umbringen? Schwierig. Nicht unmöglich, sicher, aber ihre Leibwachen würden nach dem Verschwinden Takemarus nur motivierter sein.

Den Taishou angreifen? Rache brachte zwar kein Geld, würde es ihm aber womöglich ersparen ins Ausland gehen zu müssen. Hm. Der hatte doch so einen jungen Schnösel von Sohn, der ihm im Golden Club über den Weg gelaufen war. Sessoma oder so. Vielleicht war der verwundbarer als sein Vater? Immerhin rannte der nicht mit Leibwächtern durch die Geografie und war kein Regierungsmitglied.

Er sollte es in seiner Pavianverkleidung als Hakudoshi wagen in die Stadt zu fahren und sich in einem Internetcafé mal diesen Welpen ansehen. Vielleicht gab es eine Chance an den ran zukommen – und damit an seinen Vater, denn der Tod seines einzigen Sohnes würde den Taishou sicher treffen.

Heirat

Onigumo war wieder in der Hauptstadt. Natürlich nicht so wie man ihn kannte, mit den langen Haaren, die denen eines Youkai so ähnlich waren und modernem Anzug, aber wohlweislich auch nicht im Kimono, wie ihn womöglich doch jemand von Izayois Ball in Erinnerung hatte. Er hatte seine Haare kurz geschnitten und grau gefärbt und als er sein Bild an nahezu jeder Wand der U-Bahn hängen sah, wusste er, dass er gut daran getan hatte, zumal er Jeans und Pullover trug. Der Taishou, denn dieser steckte gewiss dahinter, schien wirklich alles und jeden gegen ihn aufgehetzt zu haben.

Seine Besuche bei seiner Wohnung und seinen Büros hatten rasch ergeben, dass diese vom Rat versiegelt worden waren und im Zweifel beobachtet wurden. Seine Konten waren gesperrt, den Versuch sparte er sich. Nein, da war sicher nichts übersehen worden.
 

Seinen Plan Sesshoumaru über dessen Freundin zu packen hatte er inzwischen auch sein lassen müssen. Ein wenig frustriert hatte er zur Kenntnis genommen, dass es sich um Takeos kleine Schwester handelte, und damit die Tochter des obersten Kitsune. Fuchsdämonen waren mächtig in ihrer Magie und sie war sicher auch körperlich stark. Sie zu entführen war ungefähr genauso erfolgversprechend wie den jungen Hund selbst. Und davon hatte er Abstand genommen, als er dem persönlich, wenn auch wohlweislich in gewisser Entfernung mal gefolgt war. Dessen Youki bewies, dass das seines Vaters Sohn war.

Missmutig kaufte er sich noch eine Schere und Haarfärbemittel, ehe er in die bescheidene Pension fuhr, in der er ein Zimmer angemietet hatte – die einzige, die er gefunden hatte, deren Besitzer nicht nach einem Ausweis gefragt hatte. Entsprechend war das Umfeld. Aber er brauchte einen Unterschlupf, schon, um sich täglich die Haare schneiden zu können. Sie wuchsen viel zu rasch nach. Er musste wirklich viel machen und er beschloss, in einem zukünftigen Leben sich Kinder oder zumindest andere Abkömmlinge zuzulegen, die ihm solche lästigen Wege wie die Beobachtung Sesshoumarus abnehmen würden.

Erfolgversprechend erschien ihm momentan eher ein Mordanschlag ohne Entführung. Natürlich würde das den Taishou schwer treffen, nicht so schwer, wie der ursprünglich geplante Tod, aber gut. Er musste diesen arroganten jungen Inuyoukai an eine einsame Stelle locken und ihm dort das von seiner eigenen Mutter geerbte Spinnengift injizieren. Dann konnte er zusehen, wie der sich von innen heraus auflöste. Praktisch. Und vielleicht einige Fotos zum Andenken für den Hundefürsten schießen. Leider bedeutete das noch einmal erheblichen Zeitaufwand an Beobachtungen des Tagesrhythmus und anderer Dinge, aber Rache hatte nun einmal ihren Preis. Und seine eigene Sicherheit sowieso.
 

In den folgenden drei Wochen hatte Izayoi einige Erlebnisse, die ihr Gemüt beruhigten und feststellen ließen, dass sie vermutlich zumindest für sich und den ihren Namen tragenden Konzern die richtige Entscheidung getroffen hatte. Dr. Kagawa hatte sie auch ein wenig ausgehorcht, war aber offenbar nicht gegen die Eheschließung. Sie hatte nur so eigen gelächelt, als Izayoi ihr von der reinen Geschäftsehe berichtet hatte, hatte jedoch keine Einwände erhoben.

Wie es die junge Braut erwartet hatte, stellte ihr der Taishou Eri als persönliche Zofe zur Seite, hinzu kam eine junge Wolfsyoukai namens Ayame, die ihr nicht nur die Welt der Youkai erklären, sondern auch als Leibwächter fungieren sollte. Im Falle von Situationen, in denen, wie ihr zukünftiger Ehemann fast etwas spitzbübisch gemeint hatte, er doch lieber nur Frauen um sie sehen würde, wie bei einer Schneiderin. Er konnte Scherze machen, das war etwas, das sie doch überrascht hatte.

War das der Grund, warum Vater immer gemeint hatte die Liebe käme nach der Heirat, wenn man sich besser kennen lernte?

Sie hatte sich auch aussuchen dürfen wie die Räume der Fürstin möbliert werden sollten. Ein wenig überrascht, dass dies ihr und nicht der ersten Ehefrau zustehen sollte, wurde sie aufgeklärt, dass diese als Regentin in einem Schloss in der Heimat des Taishou lebe, seit Jahrzehnten, ja Jahrhunderten, und er sie nur ab und an besuche. Es war fast eine Zimmerflucht, hatte sie gesehen, ein halber Flügel. Zuerst ein Zimmer für Eri, ein Büro für sie selbst, ein Bad und ein Ankleidezimmer, dann als letztes ihr Schlafzimmer.

Als der Youkaifürst seine Verlobte einlud die neue Einrichtung zu begutachten, zwei Tage vor der anberaumten Hochzeit, bemerkte sie ein wenig verwundert, dass er ihr den Vortritt ließ, ja, selbst vor der Schwelle des Traktes stehen blieb. Zu diesem Zeitpunkt begriff sie, dass er sich wirklich strikt an sein Wort halten würde: „Bitte, kommen Sie, sehen wir es uns gemeinsam an.“ Erst nach dieser Aufforderung betrat er den Trakt der Fürstin – und Izayoi war erleichtert, auch darüber, dass die Einrichtung so klassisch japanisch war, wie sie erbeten hatte. Nur im Büro stand ein Laptop.

„Er ist bereits mit dem im Fukuwara-Büro direkt verbunden,“ erklärte der Taishou: „Sie können die Daten sich hin und herschieben. Mir wurde gesagt, das sei einfacher für Sie, auch mit dem Terminabgleich. Jemand kommt dann noch um es Ihnen genau zu erklären. Ich bin da überfragt. - Selbstverständlich haben Sie auch anderweitig Zugriff auf das Internet.“

„Danke.“ Was sollte sie sonst schon sagen? Es fehlten wirklich nur ihre persönlichen Gegenstände und ihre Kleidung, aber die würde morgen noch aus dem Anwesen der Fukuwaras hierher gebracht werden. Dann könnte der Architekt sich dort alles für den Umbau in ein Museum ansehen. Das Personal wohnte ja sowieso in einem gesonderten Gebäude und könnte dort bleiben.

„Ich wollte Sie noch um eines bitten. Ich sagte, Sie seien die Herrin dieses Hauses. Ich möchte Sie nur ersuchen den jenseitigen Trakt nicht zu betreten, in dem Sesshoumaru und ich unsere Privaträume haben.“ Da er bemerkte, dass sie unwillkürlich erschreckt aussah, ergänzte er: „Nun, mein Sohn ist ein erwachsener junger Mann...“

Oh, natürlich, dachte sie zerknirscht. Und irgendeiner von dessen Geliebten in die Arme zu laufen wäre vermutlich für alle Seiten mehr als peinlich. Sie hatte da so einiges in der Zeitung gelesen. So verneigte sie sich nur höflich: „Selbstverständlich, edler Fürst. Wie Sie wünschen. Ich meine, Taishou.“

„Falls Sie mit mir reden wollen, können wir das gern im sogenannten Wohnzimmer tun, sobald ich aus dem Büro komme,“ schlug er versöhnlich vor, da er plötzlich den Verdacht bekam sie hätte angenommen ER habe dort drüben eine Geliebte oder sonst was. Es standen diesbezüglich Gerüchte ja nicht nur über Sesshoumaru sondern auch ihn in den Zeitungen. Was ihn an ein nettes Gespräch mit dem Herrn der Füchse erinnerte, als der Bilder seiner Tochter Hand in Hand mit Sesshoumaru in allen Medien entdeckte und ihn angerufen hatte. Nun, er selbst war darüber informiert worden, dass es sich nur um einen Trick zur Paparazziabwehr handelte, aber Kyo war dermaßen empört gewesen, dass er ihn etwas kühl gefragt hatte, ob der etwa der Meinung sei sein Sohn wäre unwürdig in dessen Familie einzuheiraten. Der Kitsune war unverzüglich zurückgezuckt. Nein, so hätte er das nie...Es war recht amüsant gewesen, wenn auch nur für eine Seite. Aber er sollte seine Fast-Gemahlin beruhigen: „Ich möchte Ihnen nichts verheimlichen. Aber mein Sohn und ich führen ein permanentes Leben in der Öffentlichkeit. Es ist sehr erholsam wenigstens einen Ort zu haben, an dem man mit niemandem rechnen muss. Selbst Sesshoumaru betritt niemals mein Schlafzimmer.“

„Danke für die Erklärung,“ beteuerte Izayoi hastig. Er war ihr weder als Ehemann noch gar als Fürst Rechenschaft schuldig – sie ihm jedoch Gehorsam und Respekt. So war sie erzogen worden.

Er wandte sich um, um die Räume der Fürstin zu verlassen: „Übrigens, was unsere Flitterwochen betrifft, so habe ich tatsächlich das Wochenende frei. Ich besitze ein Haus, weit im Westen, am Meer. Es liegt abseits der menschlichen Besiedlungen und ich kann mich gewöhnlich dort ausgezeichnet entspannen. Wenn Sie möchten, kommen Sie mit. Es gibt allerdings dort weder Strom noch Dienstpersonal.“

Es wäre vermutlich schrecklich unhöflich ihn in den Flitterwochen allein zu lassen – und würde auch bestimmt Gerede geben. Außerdem war es ihre Pflicht auch dafür zu sorgen, dass sich ihr Ehemann entspannen konnte: „Ich habe bereits Tage in einer Hütte in den Bergen verbracht, Taishou. Ich bin sicher ich werde zurechtkommen und mir Stickerei und Lektüre mitnehmen.“ Das Meer. Ihre letzten Erinnerungen an ihre Mutter waren von einem Urlaub am Ozean.

Sie verstand es? Hörbar erfreut sagte der Youkaifürst: „Das ist sehr freundlich von Ihnen. Vielleicht gehen wir auch einmal gemeinsam an den Strand...“

Sie dachte an Meeresblick und nicht daran mit einem wirklich großen, weißen Hund spazieren zu gehen. „Ja, danke.“ Früher, als ihre Familie noch bestand, hatten sie gemeinsam Steine in das Meer geworfen...
 

Weder bei der Vertragsschließung noch der Trauung im Schrein waren viele Gäste anwesend. Die Braut in einem westlichen, weißen, wenngleich überaus züchtigen Brautkleid mit leichtem, in das Haar gesteckten, Schleier, verfügte über keine Verwandten – jedenfalls keine, die sie sehen wollte –, war überdies noch in der Trauerzeit, und so waren nur Sesshoumaru, Kyo, Maseo und Gozo aus dem Rat als Youkai und die vier menschlichen Ratsmitglieder anwesend, als der alte Miyatsu die Hände der Brautleute mit einem Seidenband umschlang. Er beobachtete dabei genau Izayoi. Sie wirkte ruhig, aber er wusste, dass das bei ihrer Erziehung nichts besagte. War sie in eine Ehe genötigt worden, die sie verabscheuen musste? Er kannte schließlich ihren verstorbenen Vater und dessen Ansichten. Aber ihre Hand war warm und zitterte kein bisschen, als sie sie in die angebotene Klaue des Youkaifürsten legte. Miyatsu sprach die gewohnten Segenssprüche, wenn auch aus Rücksicht auf den Bräutigam und die meisten Anwesenden ohne die üblichen Bannsprüche gegen Dämonen. Der Taishou trug einen schwarzen Kimono, wie es sich für einen Bräutigam ziemte. Er hatte dem alten Priester in einem Vorgespräch versichert, dass sich Izayoi freiwillig zu dieser Ehe entschlossen habe und er sie auch gebührend behandeln würde, aber das waren schon bei Menschen oft nur Worte. Allerdings gab Miyatsu die Tatsache Hoffnung, dass sich der mächtige Inuyoukai samt Anhang zu dieser Heirat in einem Schrein sehen ließ. Üblich war das bei reinen Youkaihochzeiten nicht – und derartige Mischehen waren selten. So selten, dass er außer von Onigumo auch noch nie von einem Hanyou gehört hatte.
 

Izayoi war in diesem Moment nicht einmal mehr aufgeregt. Zuvor schon, als sie nach der Unterschriftsleistung von den hohen Ratsmitgliedern als Fürstin Fukuwara angesprochen worden war und an ihren Vater denken musste. Sogar, als Sesshoumaru ihr notgedrungen gratuliert hatte, hatte sie noch etwas gezittert. Nun ja, er hatte sie mit Izayoi-sama angesprochen und sie hatte Sesshoumaru-sama erwidert. Er hatte wie üblich gefühllos dreingesehen. Ihr war klar, dass er sie gerettet hatte, aber ihr war auch bewusst, dass er nie damit gerechnet hatte sie in seinem Haus, korrekter, in dem seines Vaters, leben zu sehen. Dachte er an seine Mutter? Nun, der Taishou hatte ihr erklärt, dass bei Youkai noch Vielehe möglich war. Sie nahm sich jedoch fest vor, gegenüber ihrem, ja, Stiefsohn, nie die äußerste Höflichkeit zu vergessen. Er hatte sie aus der schrecklichsten Lage ihres Lebens befreit.
 

Nach einem Essen im Haus des Youkaifürsten verschwanden die Gäste und auch Sesshoumaru ging wortlos nach einer Verneigung, die deutlich erkennbar nur seinem Vater galt.

Dieser sah zu seiner Braut, die höflich zu Boden blickte, sich jedoch als zuvorkommende Gastgeberin bewiesen hatte: „Nach diesem aufregenden Tag werden Sie gewiss müde sein, Izayoi. Darf ich Sie zu Ihren Räumen begleiten?“

„Ja, danke.“ Sie nahm die angebotene Klaue ohne Zögern, wusste sie doch bereits, dass ihr aufgeholfen wurde, ohne dass die Krallen sie auch nur berührten. „Wann möchten Sie morgen aufbrechen?“ erkundigte sie sich im Gehen.

„Nun, um ehrlich zu sein, so früh es Ihnen beliebt. Ich wäre gern heute schon gefahren, aber es ziemt sich die Hochzeitsnacht unter dem eigenen Dach zu verbringen.“ Er bemerkte, dass sie zusammenzuckte: „Vergessen Sie nicht mein Versprechen.“

„Ich bitte um Vergebung.“ Sie sah zu Boden: „Ich werde um fünf Uhr morgens abfahrbereit sein.“

„Ich werde Sie unten erwarten. - Ja, ich fahre selbst,“ erklärte er, da er ihren doch überraschten Seitenblick bemerkte: „Ich kann Autofahren.“

„Das...das habe ich nie bezweifelt.“ Sie selbst besaß keinen Führerschein. Da sie den Trakt der Fürstin erreicht hatten, blieb sie vor ihrer Tür stehen.

Der Taishou verneigte sich höflich etwas: „Ich wünsche Ihnen eine angenehme Nacht.“

Es war ihre Hochzeitsnacht, dachte sie. Und sie würde sie allein verbringen. Etwas erleichtert senkte sie den Kopf: „Ich danke Ihnen.“

Ja, sie war erleichtert, erkannte er. Noch immer konnte sie ihm, einem Höllenwesen, nicht vollständig vertrauen. Aber was erwartete er auch. Der gute Jiro hatte seine Tochter zu Skepsis gegen Youkai erzogen, das legte sich sicher nicht so rasch. Und es war nur eine geschäftliche Angelegenheit. Trotzdem... „Darf ich Sie nur noch um etwas bitten?“ Sie hob den Kopf ohne es jedoch, korrekt wie sie war, zu wagen höher als seine Brust zu gucken: „Ich werde Sie jetzt verlassen. Aber darf ich als Ihr Ehemann um einen Kuss bitten?“

Er würde auch ein Nein akzeptieren, durchfuhr es sie. Aber diese Bitte erschien ihr plötzlich als nur zu verständlich. Er hatte, wenn man von den kurzen, zeremoniellen Berührungen absah, die notwendig waren, in all den Wochen keinerlei Kontakt zu ihr gesucht. Und statt das Bett mit ihr heute zu teilen, wie es üblich und sein Recht wäre, wollte er es wohl nur symbolisch tun. Sie dachte an das, was ihr über den Ablauf solch einer Nacht erzählt worden war, die Dinge, die sie sich selbst in den letzten Tagen aus dem Internet gesucht hatte, und konnte nicht verhindern, dass sie rot wurde. Sie sollte es wohl begrenzen. So flüsterte sie: „Meinen Mund dürfen Sie küssen, aber sonst nichts.“

Der Taishou, der fast mit einer Ablehnung gerechnet hatte, oder wenn, dann mit einer schüchtern dargebotenen Wange, war ein wenig erstaunt. Da sie aber zu ihm aufsah und die Augen schloss, konnte er der Einladung nicht widerstehen und neigte sich, berührte sanft ihre Lippen. Er kannte das unwillkürliche Zurückzucken von Frauen, die nur seine Nähe suchten um andere Ziele zu erreichen, aber nicht ihn wollten, und war ein wenig überrascht, dass Izayoi vollkommen stillhielt. Er hob lieber den Kopf, als dass er weitermachte: „Gute Nacht.“ Er wandte sich um und ging, sicher, dass er ein Narr war, der glaubte mehr zu spüren als gemeint worden war.
 

Izayoi starrte ihm nach, die Hand unwillkürlich an ihr jäh rasendes Herz gepresst. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Sie hatte nicht gewusst, dass die Lippen eines Mannes, eines Höllenwesens, so warm waren, so weich – und solche wild tanzenden Schmetterlinge im Bauch verursachen konnten.

Nun, sie sollte schlafen. Morgen früh wollte er schließlich sein Wochenende genießen und es war ihre Pflicht dafür zu sorgen, dass seine Wünsche erfüllt wurden. So machte sie die wenigen Schritte und klopfte kurz an die Tür, sicher, dass ihre Dienerin heute noch nicht schlafen würde: „Eri? Wären Sie so nett und packen einen kleinen Koffer für mich für das Wochenende, sehr einfach. Meine Handarbeit und das Buch bringe ich Ihnen. Danach können Sie schlafen gehen. Morgen und übermorgen haben Sie frei.“
 

Am frühen Morgen trug Eri den Koffer der jungen Fürstin zu dem Sportwagen, an dem der Herr der Hunde stand. Er nahm ihn ihr ab und legte ihn in den Kofferraum, ehe er sich umsah, da er den leichten Schritt seiner frischgebackenen Gemahlin hörte: „Guten Morgen, Izayoi. Mir ist eine Kleinigkeit eingefallen. Wie ich erwähnte gibt es in dem Haus keinen Strom und ich benötige weder Essen noch Trinken – Sie werden es.“

„Ja.,“ gestand sie. Er benötigte es nicht? War das sein Youki? „Aber, wenn Sie an einem Laden halten, kann ich etwas einkaufen....oder nein.“ Sie wurde rot: „Ich hatte ja immer die Kreditkarte meines Vaters...“ Die galt ja nicht mehr.

Ein dermaßen heiteres Lächeln huschte über das Gesicht des Inuyoukai, dass beide Menschenfrauen ihn ansahen. Eri beschloss, dass der Fürst, den sie schon immer für einen durchaus entgegenkommenden Herrn gehalten hatte, wirklich seiner jungen Gattin zugetan war. So, ja, entspannt, hatte er noch nie ausgesehen, seit sie hier arbeitete, und das waren doch nun schon fünfundzwanzig Jahre. Izayoi wäre am liebsten im Boden versunken. Was hatte sie übersehen?

Aber der Taishou meinte nur: „Wir haben gestern einige Unterschriften geleistet, meine Liebe. Sie besitzen ein Konto und auch eine Kreditkarte dazu. - Eri, sie müsste noch auf dem Schreibtisch der Fürstin liegen.“ Als die Dienerin eilig davonlief, erklärte er weiter: „Sie haben sich wohl in der Aufregung nicht alles merken können. Ihr Privatkonto läuft zur Hälfte auf Zahlungen aus dem Fukuwara-Konzern, genauer, dessen Aktiendividenden, und zur Hälfte wird es aus meinem Geld gedeckt.“

Das hatte sie wirklich nicht mitbekommen. War sie doch derart nervös gewesen? „Sie...Sie brauchen nicht für mich zu zahlen...“ erklärte sie jedoch hastig: „Ich benötige für mich nicht viel. Und Sie geben mir ja hier sowieso meinen....“ Sie brach lieber ab. Irgendwie sah er sie so unangenehm an, wie er es noch nie getan hatte. Er war der Fürst, der Herr, jetzt auch über sie, und sie hatte ihn verärgert. Eilig sah sie zu Boden, eine Entschuldigung murmelnd.

Er atmete durch: „Izayoi, ich bin durchaus in der Lage meine Frau angemessen zu unterhalten. Dieses Arrangement dient dazu unser beider Stolz zu wahren.“ Er war kein Mitgiftjäger! Nun gut, er hatte sie hauptsächlich um des Geldes und noch mehr der Grundstücke willen geheiratet, das sagte er sich ja auch immer wieder vor, aber er würde nie von ihrem Geld leben wollen oder auch nur ihr zumuten allein davon...

„Ich wollte nicht...“ begann sie ungeschickt, formulierte dann um: „Ich kenne viele Regeln der Youkai nicht, Taishou, und kann Sie nur um Nachsicht bitten. Ich möchte Sie nicht verärgern, dessen können Sie sicher sein.“

„Ja, ich weiß.“ Doch, dessen war er bei Jiros tadellos erzogener Tochter sicher.

Sie begriff plötzlich eines: sie besaß eine eigene Kreditkarte. Das bedeutete, die Abrechnungen wurden an sie geschickt, nicht an ihren Vater oder eher nun an ihren Ehemann. Sie konnte einkaufen was immer sie wollte – er würde es nie erfahren. Der Taishou hatte bewusst auf eine Kontrollmöglichkeit über sie verzichtet. So sah sie auf und lächelte: „Danke.“

Dieses Lächeln. Er hätte ihr fast alles dafür verziehen: „Steigen Sie ein. Eri wird die Karte sicher gleich bringen. Dann kaufen Sie sich etwas. Und in vier Stunden sind wir an meinem Haus.“

„So weit?“ Sie öffnete allerdings schon die Tür.

„Es geht nach Westen.“

„Sie sind der Fürst der westlichen Gebiete.“

„Ja.“ Sie hatte es sich gemerkt: „Und ein wenig in den Süden.“ Er kam um den Sportwagen und setzte sich auf die Fahrerseite: „Es ist recht einsam dort. Aber wenn man immer unter Menschen – und Youkai – ist, ist genau die Stille erholsam. Ich hoffe, Sie werden sich nicht langweilen.“

„Sie werden sich nicht um mich kümmern müssen.“ Hoffentlich war das jetzt keine schnippische Antwort gewesen. Aber wie hätte sie das anders formulieren sollen?

Das wünschte sich der Taishou, der eigentlich plante, sobald sie angekommen waren, sich in seine Hundegestalt zu verwandeln und einfach zu rennen bis er müde wurde, der Körper erschöpft aber der Geist frei war. „Eri kommt.“

Izayoi sah sich um, öffnete dann die Autotür: „Danke.“

„Ein schönes Wochenende, oyakata-sama, Izayoi-sama,“ erwiderte die Dienerin höflich, als sie die Kreditkarte überreichte.

Flitterwochen

Izayoi sah sich neugierig um. Schön längst hatten sie das letzte Dorf passiert, die Straße war zu einem Weg geworden, den der Taishou sicher, wenngleich langsam, fuhr. Nur Wald war um sie, dichter Wald, sichtlich unberührt von Menschenhand. „Hier wohnt niemand mehr....“

„Kein Mensch. - Die Gegend kaufte ich vor langer Zeit.“ Er lenkte den Sportwagen auf eine Ausbuchtung. „Und ab hier müssen wir laufen. Ich trage Ihren Koffer und Ihren Einkauf, keine Sorge.“

„Danke.“ Was sollte sie schon sagen? Ihre Sandalen waren kaum zum langen Wandern in der Wildnis geeignet, aber es würde schon gehen. Sie hatte ja auch nur zwei Lagen Kimono angezogen, schon um beweglicher zu sein. Irrte sie sich oder hörte sie ein Rauschen, das nicht von dem hier frischeren Wind stammte? Sie blieb neben dem Auto stehen und wartete, bis der Youkaifürst ihren Koffer nahm und den Wagen mit einem Knopfdruck abschloss.

„Es ist nicht mehr weit,“ erklärte er: „Übrigens, da Sie es sicher nicht bemerken: hier, wie auch in allen anderen Richtungen, kommt kein Youkai oder ein magisches Wesen mehr weiter. Es sind gute Bannkreise. Sie brauchen also keine Furcht zu haben, auch, wenn ich weg bin. Menschen kommen hier keine her – und falls doch, so werden sie ebenfalls gehindert.“ Er hatte schließlich vor gut zehn Jahren hier mal einen Photographen gesehen, der mit hochrotem Kopf gegen ein unsichtbares Hindernis anlief.

„Aber Sie - und ich - kommen durch.“

„Nun, es sind meine Bannkreise.“ Ein kurzes Lächeln zeigte seine Fangzähne. „Wie mein alter Bekannter Toutousai immer so schön sagt: nur ein schlechter Schmied lässt sich von seinem eigenen Schwert übernehmen. Und Sie befinden sich in meiner Begleitung.“

Folglich käme sie allein nicht durch. Aber sie sagte nichts. Was hätte sie auch in dieser Einöde anfangen sollen? Der Wald, durch den sie hergekommen warne, war unheimlich, ja, undurchdringlich.

Wenige Minuten bergauf später erreichte das Paar ein kleines, hölzernes Haus mit einer Terrasse davor. Izayoi atmete durch, als sie erkannte, dass sich am Fuß des Hügels, nur Minuten entfernt, eine kleine, sandige Bucht befand, die nach links und rechts von steilen Hängen abgeschirmt wurde. Davor dehnte sich weit das Meer. Es erinnerte sie an ihren Urlaub mit ihren Eltern, ihrem Bruder. „Ein wunderschöner Ausblick.“

„Es freut mich, dass es Ihnen gefällt.“ Der Inuyoukai öffnete die Tür: „Hier. Es ist nur ein Raum, gebe ich zu. Ich benötige jedoch nicht mehr. - Dort hinten ist sozusagen das Badezimmer.“

Izayoi folgte eilig. Der gesamte Innenraum war übersichtlich, mit einem Bretterboden, ohne Möbel, eine kleinere Tür ging nach hinten. In einer Ecke befanden sich jedoch einige Matten mit Decken. Da er den Koffer und die Einkaufstüte abstellte, meinte sie höflich: „Vielen Dank. Ich werde hier sicher bis morgen zurechtkommen.“

„Gut. Dann werde ich Sie jetzt ein wenig allein lassen und laufen.“
 

Als der Taishou nach Stunden zurückkehrte, war er etwas verwundert das Haus leer zu finden, aber dann entdeckte er seine Gemahlin unten am Meer. Sie saß am Sandstrand, immer noch im Kimono, oder eher wieder, denn leichter Salzgeruch ließ ihn ihren Badeanzug entdecken, den sie auf die Terrasse zum Trocknen gelegt hatte. Es war bedauerlich, dass er den Anblick nicht hatte genießen können, denn jetzt war sie wieder bis zu den Fingerspitzen verhüllt. Aber vermutlich wäre sie dann auch nicht Baden gegangen. Er stand mit zwei Sätzen hinter ihr, ohne dass sie sich bewegte. Eigentlich hatte er vorgehabt auf sich aufmerksam zu machen, aber dann erkannte er an ihrer Haltung, dass sie wohl betete. Warum? Er wich einen Schritt beiseite, um ihr Profil sehen zu können. Sie hatte geweint. War ihr jetzt erst bewusst geworden, was die Ehe mit ihm für sie bedeutete? Bereute sie es bereits? Er hatte eigentlich angenommen ihr entgegenzukommen, aber, was wusste er schon von Menschen und ihren Gefühlen?

Sie stand auf und drehte sich um – und erschrak sichtlich. Ihre Hand zuckte unwillkürlich zum Herzen.

„Ich wollte Sie nicht verängstigen,“ sagte er eilig: „Aber ich wollte auch Ihr Gebet nicht stören.“

Izayoi atmete tief durch um sich zu beruhigen, dann senkte sie den Kopf. Es war schrecklich unhöflich so zu erschrecken, nur weil der eigene Ehemann hinter einem stand. Sie sollte sich wohl entschuldigen oder wenigstens erklären: „Ich habe für die Seelen meiner Eltern und meines Bruders gebetet....Das letzte Mal, als wir alle beisammen waren, war es am Meer.“ Und nun war lediglich noch sie selbst am Leben. „Ich hatte Sie nur nicht kommen hören.“ Irgendwie sollte sie jetzt allerdings auf den Fürsten eingehen, wenn sie sich schon dermaßen töricht benahm. Er betrachtete sie so nachdenklich. „Sie waren Laufen?“

„Ja.“ Und da er bemerkte, dass sie seine noch immer weißen Hosen musterte: „In meiner anderen Form.“

Sie hatte im Park schon Inuyoukai in ihrer Hundegestalt auf einer Art Rennbahn laufen sehen, dachte auch an den kleinen Welpen mit der so menschenähnlichen Mutter. Verwandlungen waren bei Youkai ja erst möglich, wenn man älter war, das hatte er ihr doch damals erklärt. Dann allerdings schien das völlig normal zu sein. „Darf ich Sie irgendwann einmal auch in Ihrer anderen Gestalt sehen?“ bat sie.

Er war überrascht, hatte er doch angenommen, dass dieser Beweis, dass er anders als ein Mensch war, sie erst recht verängstigen würde: „Ich könnte mich jetzt verwandeln. Aber ich fürchte Sie werden erschrecken. Ich bin ziemlich groß.“

„Ich sah schon Inuyoukai,“ versicherte sie, zumal ihre Neugier eindeutig die Oberhand gewann. Sah er aus wie der Hund auf dem bestickten Kimono, den er ihr geschenkt hatte? War das nicht das Familienwappen, wie ihr Vater gemeint hatte, sondern das Abbild des Taishou selbst?

Er nickte: „Nun, wie Sie wünschen.“

Instinktiv machte die junge Fürstin doch einen Schritt rückwärts, als die Form des nur scheinbar menschenähnlichen Mannes vor ihr verschwamm, sich verzerrte und zu einem wirklich großen, weißen Hund wurde, um dessen Brust und Schulter sich noch zusätzlich Fell bauschte. Sein Bauch befand sich bereits über ihrem Kopf. Sie sah unwillkürlich empor, suchte den Blick. Die roten Augen schienen zu glühen, verrieten nur zu deutlich, dass er ein Höllenwesen, nein, ein Youkai, ein Tiergeist, war. Aber er sah dem Hund auf dem Kimono, der über die Mondsichel sprang, so ähnlich ...Sie zwang sich zu lächeln: „Sie sind wirklich groß,“ gestand sie.

Er war froh, dass sie nicht in Panik verfiel, ja, diese Gestalt zu akzeptieren schien. Das sollte er ihr zeigen.

Für einen Moment war sie verwirrt, fast erschrocken, dass sich etwas seitwärts bewegte, dann erkannte sie, dass sein Schweif hin-und herschlug. Er wedelte mit dem Schwanz! Irgendwie fand sie das so niedlich, dass sie fragte: „Darf ich Sie streicheln?“ Ach ja, in dieser Form konnte er ja wohl nicht reden. Vermutlich war das der Grund, warum er die Menschengestalt bevorzugte. Aber er schien zuzustimmen, denn der riesige Hund vor ihr legte sich nieder und bettete den mächtigen Kopf auf seine Vorderläufe, sie dabei nicht aus dem Auge lassend. Sie trat näher, berührte vorsichtig seine Schulter hinter dem Fell. Irrte sie sich oder entspannte er sich? War er etwa besorgt gewesen, dass sie so Furcht vor ihm hätte? Sie machte einige Schritte vor, schluckte aber ein wenig, als sie das doch große Maul mit den Zähnen so direkt vor Augen hatte. Da passte bestimmt ein ganzer Ochse hinein. Der Taishou gab sich solche Mühe sie nicht zu verängstigen, dachte sie dann, da sollte sie wirklich auf ihn eingehen. Immerhin hatte ihr Vater ja gesagt, dass es ihre Pflicht als Ehefrau sei über kleine Fehler hinwegzusehen. Größe war wohl ein kleiner Fehler. Sie hob den Arm um seine Wange zu erreichen, darüber zu streichen: „Ich habe keine Angst,“ sagte sie: „Sehen Sie?“

Ja, das merkte er. Nur zu deutlich, dachte der Inuyoukai, der sich plötzlich mehr als wünschte, sie würde das auch in seiner Menschenform tun. Seltsam. Ja, er hatte schon, wenngleich sehr wenige, menschliche Frauen beschlafen – aber irgendwie hatte er da nie seine Hundegestalt angenommen, um sie zu beruhigen. Irgendetwas lief anders, als er es mit dieser geschäftlichen Ehe geplant hatte.

Sie wich erneut zurück: „Ich danke Ihnen.“ Irgendwie wäre es doch besser den Mann vor sich zu sehen, mit ihm zu reden, trotz seiner seltsamen Schulterfelle.

Er verwandelte sich wieder: „Ist Ihre Neugier gestillt?“

„Ich...ich wollte wissen, ob Sie das sind, ich meine, auf dem Kimono,“ gestand sie etwas verlegen. „Ich...Mir gefiel dieser Hund.“

„Ja, das bin ich.“ Er war amüsiert. Damit hatte er nicht gerechnet. Nun, wohl mit einigem nicht. „Ich sah, dass Sie im Meer waren. Ihr Badeanzug...“ erklärte er eilig. Nicht, dass sie annahm er würde sie heimlich beobachten.

„Darf ich das nicht?“

„Selbstverständlich. Ich wollte Sie nur darauf hinweisen, dass sich im äußeren Garten meines...unseres Anwesens eine warme Quelle befindet, in der Sie baden können. Ayame wird sicher dafür sorgen, dass Sie ungestört sind.“

„Sie ist sehr nett,“ versicherte sie sofort. „Danke für das Angebot. Ich werde sicher darauf zurückkommen.“

„Sie sollten allerdings tagsüber baden. Wenn wir nach Hause kommen, geht stets Sesshoumaru. Ein Zusammentreffen könnte zu....innerfamiliären Schwierigkeiten führen.“ Wenn er seinen Sohn richtig einschätzte, wäre dem schlicht der Anblick einer Menschenfrau in der Quelle zuwider und er würde seine Stiefmutter ohne nachzudenken rauswerfen, dafür müsste er selbst ihn als Schutzherr Izayois tadeln, mindestens.

„Es liegt mir fern solche Schwierigkeiten heraufbeschwören zu wollen, Taishou,“ beteuerte Izayoi. Nun ja, Sesshoumaru war als Youkai sicher viel älter, aber er wirkte, als habe er so um ihr Alter. Man konnte da schon auf Ideen kommen. Und solche Gerüchte waren schwer wieder zurückzuholen. Was dann der Taishou mit ihr anstellen würde wollte sie lieber nicht wissen. Vater hatte immer gesagt, dass die Ehre eines Hauses auf der Treue der Ehefrau beruhte. „Ich wollte gerade zum Haus gehen und etwas trinken...“

„Natürlich. Kommen Sie.“

Als sie sich aus der Einkaufstüte den Eistee holte, fiel ihr Blick auf die Matten. Nur ein Bett....und das hier waren nicht ihre eigenen Räume. Wollte er hier mit ihr....Sein Wort bezog sich ja nur auf das Haus, oder? Sie drehte sich um. Er war ihr nicht gefolgt sondern stand auf der Terrasse und blickte auf das Meer. Bevor sie womöglich sinnlos Angst hatte, sollte sie ihn einfach fragen. Er würde sie nicht anlügen. Und immerhin – wenn er sein Recht wollte, könnte sie mit ihm reden, hoffte sie.

„Äh, Taishou...“ Sie ging zum ihm, sah dann zu Boden, als sie sich bewusst wurde, wie heikel ihr Plan war. Er war nicht nur ihr Ehemann sondern ihr Fürst – und hatte nach Youkairecht jede Macht über sie.

„Was möchten Sie?“

Ohne weiter nachzudenken stellte sie die erste Frage, die ihr einfiel: „Wo möchten Sie heute Nacht schlafen?“ Sie wurde rot. Das war denkbar ungeschickt.

Er sah irritiert zu ihr, dann begriff er: „Sie schlafen im Haus, auf den Matten. Ich bleibe im Garten und betrachte den Nachthimmel, genieße die Natur. Ich benötige keinen Schlaf.“

„Entschuldigung...“ Sie wäre am liebsten im Boden versunken. Sie musste ihm ja töricht vorkommen.

„Zweifeln Sie nie an meinem Wort, Izayoi.“

Was sollte sie schon anderes antworten: „Nie.“ Aber sie spürte einen Schauder. In seiner Stimme hatte eine derartige Schärfe gelegen, dass ihr klar war, dass sie ihn nicht nur ein wenig verärgert hatte. Sie verbeugte sich tief und verharrte so, unsicher, wie sie aus dieser Situation herauskommen sollte.

Er konnte ihre Angst wittern. Nun ja, sie war kaum einundzwanzig Jahre, sehr zurückhaltend erzogen, sie wusste wohl vieles nicht und die Welt der Tiergeister und magischen Wesen war ihr nicht nur fremd, sondern ihr wurde gelehrt sie zu verabscheuen. Er sollte wohl ein wenig nachsichtiger sein. Schon ihm diese Frage zu stellen hatte sie bestimmt Mut gekostet und sie hatte kaum seine Ehre anzweifeln wollen. Eher war das ein Zeichen, dass sie ihm vertraute oder zumindest zu vertrauen begann. „Gut. - Dann gehen Sie, lesen Sie, schlafen Sie, was immer Sie wollen.“ Er bemerkte, dass sie sich nur langsam aufrichtete, und wiederholte: „Es ist gut.“ Eigenartig. Vor seiner Hundegestalt hatte sie weniger Angst als vor seiner Menschenform. Was hatte Jiro ihr nur über ihn erzählt? Oder eher, was machte er selbst falsch? Immerhin hatte sie aus freien Stücken in diese Ehe eingewilligt. Befürchtete sie etwa körperliche Strafen? Ja, er hätte sie mit einer Handbewegung töten können, aber doch niemandem, der seinem Schutz anvertraut war. Ja, erkannte er dann. Und woher sollte sie das wissen? Er selbst hatte ihr gesagt, dass er der Herr war, der alleinige Richter...So ergänzte er, nicht sicher, ob er sich nicht damit doch zum Narren machte: „Ich versprach Sie nur auf Ihren Wunsch anzurühren. Immer. Denken Sie daran, falls Sie Angst haben ich würde Sie schlagen oder sonst etwas.“

Izayoi atmete tief durch. Ja, das hatte sie befürchtet. Konnten Youkai Gedanken lesen? Oder zumindest ihre Fürsten? „Danke.“ Kaum mehr als ein Hauch, ehe sie sich umwandte und förmlich in das Haus floh. Ach, sie hatte sich wohl recht beschämend dargestellt. Unerfahren, töricht und viel zu emotional. Nichts, was einer Fürstin ziemte. Was er jetzt wohl von ihr halten mochte? In seinen Augen war sie ja sowieso wie ein Kind, das sollte sie ihm nicht auch noch beweisen.
 

Der Taishou verließ die Veranda um den Sonnenuntergang zu betrachten. Es tat ihm Leid, wenn sie so ängstlich vor ihm stand, anscheinend vollkommen ahnungslos, was sie erwarten mochte. Ja, er hatte ihr gesagt, dass sie nun dem Recht seines Volkes unterstand, aber er hatte nicht bedacht, dass sie die Vorteile nicht sehen konnte, da sie sie nicht kannte. Sie hatte keine Ahnung davon, dass er als ihr Ehemann und Fürst auch ihr bedingungsloser Schutz war. Ayame sollte ihr zwar die Youkaiwelt erklären, aber das hatte sie in dem halben Tag Ehe ja kaum vermocht.

Er drehte um, klopfte demonstrativ an den Türrahmen, ehe er ihn beiseiteschob. Sie saß hinten auf der Matte, offenbar nachdenklich, aber wenigstens nicht verzweifelt: „Hätten Sie Lust den Sonnenuntergang mit anzusehen? Es ist ein hübsches Schauspiel.“

Er betrat den Raum nicht, dachte sie erleichtert, und das sollte wohl ein Friedensangebot sein. Nun, es war jedenfalls besser als hier allein im zunehmenden Dunkel zu sitzen und sich zu fragen, was man noch alles missverständlich machen konnte. Menschen und Youkai waren sehr unterschiedliche Kulturen. „Ja, gern.“ Sie stand auf.

„Ich werde Sie später zurück zu dem Bett begleiten, wundern Sie sich nicht,“ sagte er: „Es gibt hier keine Kerzen. Ich habe vergessen, dass Sie im Dunkel nichts sehen können.“

„Oh, ich dachte daran, als Sie sagten es gäbe hier keinen Strom.“ Izayoi lächelte etwas und bückte sich zu ihrem Koffer, nahm die Taschenlampe mit einem leisen Triumphgefühl. Sie hatte an etwas gedacht, das diesem so mächtigen Mann entgangen war.

Sie lächelte wieder. Gut. Ihr Lächeln, ihr so friedlicher Geruch....er schätzte beides viel zu sehr um zusehen zu wollen, wie es durch ein Zusammenleben mit ihm verblasste.
 

Onigumo hatte mit Mühe Kontakt zu dem Mann aufgenommen, der ihm vor Jahren den falschen Ausweis besorgt hatte. Der hatte ihn in einem Ausflugslokal in einem Freizeitpark treffen wollen, genug Zeugen, aber keiner, der mithörte.

„Kann ich schon machen, aber den Preis kennen Sie.“

„Ja.“ Der Hanyou zögerte kurz, dann meinte er: „Sie sind Youkai. Gibt es irgendeine Möglichkeit an Sesshoumaru heranzukommen?“

„Schön, damit ist der Auftrag erledigt.“

„Äh, was?“

Der Youkai funkelte ihn an: „Ich bin immer bereit zu helfen das Land zu verlassen. Jeder macht mal einen Fehler und die Konsequenzen sind tödlich. Ich habe nichts gegen Fälscher oder Diebe. Nur gegen Idioten. Und sich mit Sesshoumaru anlegen zu wollen ist mehr als idiotisch.“

„Das sagen alle. Ja, er ist der Sohn seines Vaters....und ich meinte es ja auch nur symbolisch...“ Er brauchte diesen Pass oder er konnte das Land nicht verlassen. Spätestens nach dem Mord an diesem jungen Inuyoukai wäre das zwingend. Und der war absolut notwendig geworden, nachdem ihm die Nachricht über die Hochzeit des Taishou mit Izayoi förmlich in allen Medien ins Auge gestochen hatte. Der Sohn musste eben für seinen Vater - und dessen Unverschämtheit ihm selbst alles zu nehmen - büßen.

„Hat er dich erwischt bei was auch immer? Oh nein, er ist nicht nur der Sohn seines Vaters. Der Taishou ist wirklich schlimm genug, aber manchmal kennt er so etwas wie Gnade. Bei Sesshoumaru kannst du das knicken, Kumpel. Er ist auch der Sohn seiner Mutter. Früher, vor den Verträgen mit den Menschen, hat er genug Narren umgebracht, die meinten sich an ihn wagen zu müssen. Inzwischen macht das keiner mehr – er ist immerhin erwachsen.“

„Seine Mutter?“ Onigumo erinnerte sich an eine schöne, elegante Hundedame: „Ich sah Bilder von ihr in der Zeitung...“

Der Youkai grinste ihn haifischähnlich an: „Ja, attraktiv, anmutig....Ein Narr hat vor einigen Jahrhunderten gemeint sie entführen zu müssen. Sie hat sich das sogar gefallen lassen, warum auch immer, und hat den Idioten dann wortwörtlich zu Hackfleisch verarbeitet. Als der Taishou vorbeikam, soll er ihr nur gratuliert und sie dann geheiratet haben. Wir hoffen doch alle, dass der gute Taishou so lange lebt, bis sein Erbe gelernt hat, dass Massenmord nicht IMMER die richtige Entscheidung ist. - Also, Pass oder nicht.“

„Ja, natürlich....“ Sollte er wirklich die Finger von dem Hundejungen lassen? Nein. Es hatte wohl noch niemand mit Spinnengift versucht. Dagegen half nichts, das bewiesen die Weibchen dieser Arten ja. Alles, was er benötigte, war ein Moment der Unaufmerksamkeit an einer möglichst leeren Stelle.

„Gut. Ich brauche zwei Wochen. Ja, diese Dinger sind fälschungssicher, schon vergessen? Das muss alles stimmen. Oder sogar drei, je nachdem, wie ich an die Vorlagen komme.“ Und die lagen immerhin im Innenministerium, gut gesichert.

„Dann treffen wir uns in..zwei Wochen wieder hier, gleich, ob fertig oder nicht.“

„Gut. Um zehn, am Sonntag.“ Da waren genug Familien schon hier um unauffällig in der Menge verschwinden zu können.
 

Als Izayoi aufstand, fand sie sich allein. Auch auf dem Grundstück selbst war niemand zu entdecken. Sie vermutete, dass der Taishou noch einmal frei laufen wollte, die Natur genießen wollte, und suchte sich ihr Frühstück zusammen, trank den mitgebrachten Eistee, ehe sie hinunter zum Strand ging. Baden mochte sie nicht, da sie nicht wusste, wann er zurückkehrte, und sie sich ihm nicht im Badeanzug präsentieren wollte. Das wäre ihr doch peinlich gewesen. Aber sie zog sich Sandalen und Strümpfe aus, um mit hochgehobenen Kimono ein wenig das Wasser zu spüren. Der Taishou war gestern beim Sonnenuntergang wieder vollkommen ruhig gewesen, anscheinend hatte er ihr ihren Patzer verziehen. Sie musste unbedingt in den nächsten Tagen viel mit Ayame sprechen, lernen, in welcher Welt sie jetzt lebte. Immerhin konnte sie nun sicher sein, dass ihr Ehemann nicht handgreiflich werden würde. Ja, es war nur ein Wort, aber er schien sehr auf seine Ehre bedacht.

Sie sah auf, als sie etwas am Strand um die felsige Ecke der sandigen Bucht kommen sah – einen riesigen, weißen Hund, um dessen Brust sich Fell bauschte. Unwillkürlich hob sie die Rechte und winkte: „Guten Morgen, Taishou,“ rief sie.

Der Inuyoukai blieb kurz stehen. In seiner Menschenform begrüßte sie ihn – bislang – nie mit diesem Lächeln und einem Winken. In der Tat, sie fürchtete sich nicht vor einem mehrmetergroßen Hund mit riesigem Gebiss sondern vor ihrem Ehemann. Damit hatte er zuvor wahrlich nicht gerechnet. Und sie in dieser Gestalt zu verführen war schlicht unmöglich. Nun, was sollte es. Sie waren in Flitterwochen und seine Gemahlin begrüßte ihn freundlich. So nahm er Anlauf und rannte schwanzwedelnd auf sie zu, ein Verhalten, dass in Izayoi, auch, wenn sie es nie aussprechen würde, das Bedürfnis weckte nach einem Stock zu suchen.

Alltag

Der Inu no Taishou stellte in den folgenden Tagen und Wochen fest, dass er mit dieser Ehe einen Fehler begangen hatte. Und das lag wirklich nicht an seiner jungen Gemahlin. Sie führte sein Haus, war für seine Gäste eine perfekte Gastgeberin, arbeitete die sozialen Projekte ab, und war insgesamt so sanft und gehorsam, dass es auch den anspruchsvollsten Ehemann zufriedengestellt hätte. Leider musste er immer mehr feststellen, dass ihm das nicht genügte. Er wollte ihr Lächeln, das fast vergnügte Winken, als er in seiner Hundegestalt auf dem Strand erschienen war, ja, er wollte ihre Zuneigung. Wenn er nach Hause kam konnte er sie fast überall wittern, ein sicheres Zeichen, dass sie sich um seinen Haushalt bemühte, aber sich auch an die Anweisung hielt, nicht in seinen und Sesshoumarus privaten Trakt zu gehen. Sie wartete jeden Abend im Wohnzimmer auf ihn, verneigte sich zeremoniell und war eine nette Gesprächspartnerin, wenn er ein Gespräch wünschte – und ahnte vermutlich nicht, dass ihn später in seinem Schlafzimmer Visionen heimsuchten wie er seine Hände in ihrem so dichten Haar vergrub, sich in ihr vergrub...

Und, das gab er nur sich zu, er wusste sich nicht zu helfen. Er hatte nicht die mindeste Ahnung, wie er noch auf sie zugehen sollte. Manchmal dachte er schon daran sich mit Gewalt zu nehmen was ihm zustand, aber sein eigenes Wort band ihn. Bei der Aussicht, dass dies Jahre, Jahrzehnte, so weitergehen sollte, wurde er wirklich unruhig.

Youkai und Mensch passte wohl einfach nicht zusammen. Es war eine Illusion gewesen, dass man eine geschäftliche Ehe mit einem Menschen eingehen konnte. Sie weckte unbekannte Interessen, ja, Sehnsüchte.
 

Izayoi spazierte allein durch den inneren Garten, wie immer um diese Nachmittagszeit, wenn das Wetter es zuließ. Es hatte sich für sie ein gewisser Tagesrhythmus ergeben. Nach dem Frühstück erfolgte die Besprechung mit den häuslichen Mitarbeitern, dann ging sie in ihr Arbeitszimmer und erledigte bis Nachmittag die sozialen Projekte. Sie hätte zuvor nie geglaubt, wie viele auch bei den Youkai liefen. Ein oder zwei Mal in der Woche fuhr Ayame sie in den Fukuwara-Konzern, wo sie mit den dortigen Mitarbeitern persönlich sprach, die über diese Firma laufenden Projekte direkt begutachtete. Dann badete sie in der heißen Quelle im äußeren Garten, bewacht von weiter entfernt stehenden Kriegern, männlich oder weiblich, und direkt vor den Hortensiengewächsen, die die Quelle umgaben, Ayame. Hier, im inneren Garten, waren keine Wächter, befand er sich doch zwischen den drei Seiten des Hauses. Überdies wollte der Taishou, das hatte sie mitbekommen, ihr auch Gelegenheit geben ohne dämonische Begleitung zu sein. Nun ja. Sie hatte ebenso bemerkt, dass die menschlichen Angestellten froh waren, sich an sie als Mitglied ihrer Art wenden zu können. Es gab einfach Misstrauen und Animositäten.

Sie ließ sich mit einem gewissen Lächeln auf dem hölzernen Meditationsplatz am sogenannten Morgenteich nieder. Manchmal, am Wochenende, saß hier auch der Taishou und sie hatte ihn dabei schon gesehen, wie er so tief versunken war, dass er nicht einmal ihre Annäherung bemerkte. Sie nahm es als Zeichen, dass er ihr vertraute.

Nun, sie konnte sich eigentlich wirklich nicht beschweren. Sie hatte freie Hand im Haus, er fragte nicht einmal nach, ob und was sie seinen Gästen präsentieren wollte, sondern vermutete offensichtlich, dass sie das konnte. Jeden Abend. nach der Arbeit, kam er in das so genannte Wohnzimmer, wo sie auf ihn wartete, und sprach mit ihr. Manchmal nur kurz, aber immerhin, er kam jeden Tag. Ihr war klar, dass er sehr viel beschäftigt war, als Konzernchef, als Regierungsmitglied und nicht zuletzt der Herr der Youkai.

Sie lächelte wieder. Ayame...

Das war heute amüsant gewesen, so, wie sie es noch nie erlebt hatte. Nun gut, sie hatte, sah man von Eliza ab, die ja ihre Erzieherin gewesen war, noch nie eine weibliche Begleitung gehabt. Heute, auf der Rückfahrt vom Fukuwara-Konzern, hatte sich ihre Leibwächterin erkundigt, sehr schüchtern, vor allem, wenn man bedachte wie sie sonst war, ob sie rasch etwas einkaufen dürfe. Izayoi, wie immer umsichtig, dass niemand um ihretwillen Nachteile hatte, zumal ihr klar war, dass die junge Wolfsyoukai sie nicht verlassen durfte, hatte zugestimmt. Und sich kurz darauf, mehr als überrascht, in einem Dessous-Laden wiedergefunden. Ayame hatte ihr mit einem Lächeln erklärt, dass sie heute Abend sich zu ihrem Jahrestag mit Kouga treffen würde, ihrem Verlobten, dem Enkel Maseos. Und, dass der es schätzte, wenn er etwas zum Auspacken habe. Izayoi hatte zwar nicht ganz verstanden, aber doch begriffen, dass sich Ayame für ihren Zukünftigen mehr als hübsch anziehen wollte. Allerdings hatte sie doch nachgefragt: sie seien bekanntlich nicht verheiratet.

Ayame hatte bloß gelacht. Das sei nur eine Frage der Zeit. Und ihr dann erklärt, sie solle sich doch auch so etwas kaufen. Der Taishou, wie alle Männer, wisse es sicher zu schätzen.

Izayoi betrachtete das Wasser vor sich. Sie hatte zugestimmt, nicht zuletzt, weil es die Wolfsyoukai nichts, nun, niemanden, etwas anging, wie ihre ehelichen Abmachungen lauteten. Und sie wollte den Taishou schützen. Es war sicher nachteilig für seinen Ruf als Fürsten, ja, Mann, käme heraus, dass er seine Ehefrau nicht anrührte. Eri hatte nur gelächelt, als sie ihr ihren Einkauf übergeben hatte, und gemeint, dass seien sehr hübsche Sachen...
 

Sie musste sich zugeben, dass sie sich in der vergangenen Woche Bücher gekauft hatte, die ihr immer verboten worden waren: über romantische Beziehungen, Liebe. Und sie hatte festgestellt, dass sie sie kaum genießen konnte. Ja, es gab da Berichte über unglaubliche Momente, die so ein Prickeln in ihr auslösten...

Aber, alles, an was sie dabei denken konnte, war ihr Ehemann. Las sie über einen adeligen Vampir musste sie an SEINE Fangzähne denken...

Sie schüttelte sich.

Sie sollte diese Träumereien sein lassen. Sie war eine Vernunftehe eingegangen. Und das zu gewissen Konditionen, denen sie zugestimmt hatte. Dieses seltsame Prickeln würde sicher auch wieder verschwinden. Vielleicht sollte sie sich abkühlen. Sie war hier allein.

So zog sie Sandalen und Strümpfe aus und raffte ihren Kimono etwas, um ihre Füße in das kalte Wasser des Teiches zu hängen, ohne zu ahnen, dass ein raubtierhafter Blick auf ihr lag.
 

Der Krieger, aus einer Katzenfamilie, hatte eigentlich nur Patrouille gehen sollen und war dabei nahe an den inneren Garten geraten, der seit Wochen für alle seiner Art verboten war. Als er die junge Fürstin lächeln sah war er stehen geblieben. Nur für einen Moment, wie er sich selbst versicherte. Sie sah niedlich aus, wenn sie so lächelte - und sie hatte hübsche Beine, wie er feststellte, als sie die Kimono bis zum Knie emporschlug. Man musste sich nicht wundern, dass der Taishou sie, neben den finanziellen Argumenten, geheiratet hatte. Sie lächelte wieder, so verträumt. Es musste wirklich schön sein sie in den Armen zu halten. Ihm wurde sehr heiß in der Lendengegend.
 

Das Nächste, was ihm bewusst wurde, war die Tatsache in Lebensgefahr zu schweben. Und das war wörtlich zu nehmen. Ein eiserner Griff umspannte seine Kehle, er hing hilflos in der drosselnden Hand des Angreifers, in dem er den Sohn des Hauses erkannte. „Sesshoumaru-sama....“ würgte er hervor.

Dieser warf einen Blick seitwärts. Izayoi saß ruhig da und blickte in das Wasser. Sie hatte nicht wissen können, dass er heute zuhause arbeitete und jetzt, früher als gewohnt, auf dem Weg in die Quelle war – aber sie hatte diesen törichten Krieger auch nicht eingeladen, sonst hätte sie irgendeine Reaktion gezeigt, die zumindest riechbar gewesen wäre. Menschen! Sie hatte vermutlich nicht einmal mitbekommen, dass sie beobachtet worden war. Kein Wunder, dass sein verehrter Vater um ihretwillen alle Youkai aus diesem Garten verbannt hatte. Was zum Nächsten führte. Sein goldfarbener Blick hob sich zu dem Krieger in seiner Gewalt, der nur mehr um Atem rang. „Falls dich mein verehrter Herr und Vater hier so gefunden hätte, hätte er dich unverzüglich in Streifen geschnitten. Sag mir einen Grund, warum ich es nicht tun soll.“

Der Youkai wusste, dass er kaum eine Chance zum Antworten hatte – der harte Griff nur mit fünf Fingern raubte ihm jede Luft. Und ihm war klar, dass es keiner seiner Art schätzte, wurde sein Eigentum von fremder Hand berührt. Bei der Gemahlin des Fürsten war bereits Ansehen risikoreich, wie er gerade spürte. Und ja, es war verboten an den inneren Garten auch nur heranzugehen. „Ich...ich wollte nicht...“ Irgendwie brachte er das heraus.

Nüchtern stellte der junge Inuyoukai fest: „Ich habe dich fünf Minuten lang beobachtet. Fünf Minuten, in denen du, der wachen soll, nichts anderes zu tun hattest als eine Menschenfrau, noch dazu die Gemahlin meines Herrn und Vaters, unseres Fürsten, anzustarren.“

Vergehen gegen die Pflichten oblagen dem Erben zur Bestrafung, das war dem Krieger klar. Und um Gnade bitten war zum einen unmöglich, zum anderen sinnlos. Und was oyakata-sama dazu sagen würde... Nun, Sesshoumaru hatte recht: der Taishou hätte sich jedes Wort gespart. Der Herr hätte ihn säuberlich tranchiert, zumal, wenn er seine Gedanken und seine körperliche Reaktion darauf mitbekommen hätte, wie ja leider der Erbprinz. Der Kater spürte, wie er losgelassen wurde und zu Boden fiel. Würgend rang er nach Luft, sah jedoch vorsichtig auf, sicher, noch lange nicht aus der Sache herausgekommen zu sein. Entsetzt starrte er auf die Rechte des jungen Hundeprinzen, die grünlich schimmerte. „Nein,“ keuchte er irgendwie.

Sesshoumaru hob die leuchtende Hand, um die sich eine Flüssigkeit sammelte: „Es wird heilen. Aber das nächste Mal bist du tot.“ Er ließ die ätzende Säure heruntertropfen, zwischen die Beine des Kriegers.
 

Izayoi hörte einen wilden Schrei und schrak zusammen, sah sich um. Sie hätte eigentlich geglaubt hier könne nichts passieren? Aber natürlich waren im äußeren Garten die Krieger und sie wusste, dass diese auch oft übten, Vielleicht war dort etwas passiert? Das ging sie jedoch nichts an. Mehr oder weniger deutlich hatte der Taishou ihr zu verstehen gegeben, dass die Krieger eben seine Sache waren. So sparte sie sich das Aufstehen und Hinüberlaufen, zuckte dann jedoch eilig mit den bloßen Füssen aus dem Wasser und unter ihren Kimono. Sesshoumaru? Was hatte der denn so früh schon hier zu tun? Aber er befand sich eindeutig auf dem Weg zu der Quelle, da er nur seidene Hosen trug, das Obergewand unter der Boa nachlässig geöffnet.

Der Youkaiprinz bemerkte durchaus positiv, dass sie unverzüglich ihre Füße versteckte. Niemand außer seinem Vater – und ihrer Zofe – hatte das Recht ihre Haut unbekleidet zu sehen. Nein, sie hatte diesen törichten Kater nicht eingeladen. Und ihr Benehmen war wie üblich tadellos. Sie kniete nieder, neigte sich vor ihm. Höflich, aber nicht zu tief. Immerhin war sie, auch, wenn er das Wort verabscheute, seine Stiefmutter. „Izayoi-sama, “ sagte er neutral.

„Sesshoumaru-sama, “ erwiderte sie verbindlich. Die einzigen Worte, die sie austauschten, in all den Tagen hier. Diesmal allerdings entfuhr es ihr: „Darf ich fragen, ob der Taishou, ich meine, oyakata-sama, auch zurück ist?“

Er war ihr wirklich keine Rechenschaft schuldig, aber das war eine neutrale Frage, ja, er glaubte sogar einen Wunsch gehört zu haben. „Nein.“ Er schritt weiter, offen lassend, auf welchen Teil ihres Satzes sich das bezog.

Izayoi bezog es allerdings darauf, dass ihr Ehemann noch nicht wieder da war. Sie sollte sich fertig machen und in das Wohnzimmer gehen. Immerhin hatte sie diesen Termin nicht verpasst. War sie so lange hier gesessen? Und mit welchen Gedanken....Eliza würde sie bestimmt dafür tadeln.
 

Sesshoumaru genoss sein tägliches Bad, aber dann machte er sich auf den Weg. Er hatte eine, hoffentlich reizvolle, Verabredung. Er erhielt in das Büro durchaus öfter Liebesbriefe von Youkai oder Menschen, zu viele, für seinen Geschmack. Jaken tat gut daran diese auszusondern. Mit einer Ausnahme: Bitten um ein Rendezvous, das ihn interessierte – von hochrangigen Youkaidamen oder gefährlichsten Mitgliedern seiner Art. Und dieser Brief war von einer Spinnendame gekommen. Vermutlich glaubte sie ihn hereinlegen zu können – aber wie immer würde er sein Vergnügen haben ohne gefressen zu werden. Dass sie glaubte ihm eine Falle stellen zu können verriet schon der Treffpunkt, abseits, an einem Waldrand. Sie hatte ein Foto von sich beigelegt – hübsch genug sah sie aus, um auf das Abenteuer einzugehen. War er erst verheiratet würden derartige Ausflüge zwar legal, aber doch unerwünscht, sein, zumal bei seiner Gemahlin und deren gewiss mächtiger Familie. Einen Aufstand aus einem solchem Grund mangelnder Selbstbeherrschung wäre nur mehr beschämend, hatte sein verehrter Vater ihm erklärt – und würde für ihn mehr als unangenehme Folgen zeitigen. Nun, noch war es nicht soweit. Und, wenn es nach ihm ging, würde es auch noch eine Weile so bleiben. Wozu sich auf eine beschränken, wenn man viele haben konnte. Natürlich gab es da die Pflicht um das Erbe...
 

Er würde die notwendige Vorsicht walten lassen und auf die eine oder andere Überraschung vorbereitet sein. Spinnen, wie die meisten Insektenyoukai, kämpften nicht, trugen keine Schwerter, sondern legten früher, vor allem den Menschen, Fallen. Er würde sich gegen Fallen und Netze absichern müssen, gegebenenfalls schnell genug sein. Aber das war er.
 

Als er an dem Parkplatz ankam, entdeckte er die junge Frau nach ihrem Foto sofort. Sie lehnte ein Stück entfernt an einem Baum, richtete sich aber auf, als er ausstieg und lächelte ihn aus der Distanz an. Ja, sie war hübsch, und eindeutig eine Spinnendame. Er war mächtig genug um durch ihre menschliche Form sehen zu können. Gut. Sie hatte nicht gelogen. Und ihre Fäden würden ihm kaum etwas ausmachen können. Im Notfall konnte er diese mit seinem Gift auflösen, sollte er sie nicht zerreißen können.

Unwillkürlich warf er einen Blick in den Wald, ehe er auf die junge Frau zuging, die ihn musterte, als ob sie ihn noch nie gesehen hatte, aber weiterhin verheißungsvoll lächelte.

„Guten Abend, Sesshoumaru-sama. Ich freue mich, dass Sie gekommen sind.“

„Und wie ist dein Name?“ erkundigte er sich und blieb vor ihr stehen, ihre Hände nicht aus den Augen lassend, in der Erwartung von Fäden. Plötzlich sah er eine Veränderung in ihrem Gesicht, bemerkte eine Bewegung hinter sich. Ehe er reagieren konnte, spürte er wie ihn etwas packte, das er als Spinnenbeine identifizierte,

Doch eine Falle! Von mehreren Personen!

Etwas stach in seinen Nacken. Er wollte sich losreißen, aber wer auch immer ihn hielt klammerte sich fester, ja, pumpte Gift in seinen Körper. Gift – gegen ihn? Es sollte eigentlich lächerlich sein, schmerzte, brannte jedoch wie flüssiges Feuer. Ungewohnter, schier unerträglicher Schmerz.

Die junge Frau war zurückgewichen und starrte ihn und den Unbekannten an. Mit aller Kraft riss Sesshoumaru sich los und fuhr herum. Die beiden Spinnenbeine, die ihn eben noch umklammert hatten, zeigten deutliche Spuren einer Verletzung, aber auf diesen und sechs weiteren Beinen saß weit über ihm ein durchaus menschlich zu nennender Oberkörper. Und dieses Gesicht erkannte er, trotz der nun kurzen, grauen Haare: Onigumo!

„Bastard!“ brachte er hervor, allerdings lange nicht bereit aufzugeben. Das Gift schmerzte ungewohnt, ja, es würde ihn in einem Kampf deutlich langsamer machen, aber danach konnte er es neutralisieren, wie jedes Gift.
 

Onigumo bemerkte, dass sein schöner Plan nicht so ablief, wie er sollte. Warum kniete dieser junge Köter nicht auf der Erde, oder wand sich zumindest unter den Schmerzen, die die Auflösung seines Innersten bewirken sollte? Stattdessen hatte der sich losgerissen und ihm mit dieser Aktion zwei Beine gebrochen. Wenn er sich wieder ins eine volle Menschenform verwandelte würde er ein gebrochenes Bein und einen gebrochenen Arm haben. Sicher, das heilte, aber im Moment war er angeschlagen.

Er sollte hier nicht herumstehen, dachte er plötzlich, denn das Youki seines Gegenübers stieg rapide an. Da kam gleich ein Angriff.

Er musste hier weg und auch aus der Hauptstadt, denn er machte sich keine Illusionen. Nur Mutters Haus konnte ihm Schutz bieten, denn jetzt war die Jagd sicher wieder voll eröffnet. War dieser Bengel stark. Ärgerlich, dass Wochen der Vorbereitung gescheitert waren. Auf diese Weise würde er seine Rache nicht bekommen.

Er rannte los, noch immer in Spinnenhalbform, so rasch er es mit der Verletzung konnte. Zum Glück war er wie immer vorsichtig gewesen und hatte sich den Weg hier durch den Wald gründlich angesehen. Etwas wie eine grüne, leuchtende Schnur zischte haarscharf an ihm vorbei und zersplitterte einen Baum, entzündete dessen Überreste. Das war knapp gewesen, wusste er. Das Youki dieses Hundejungen war wahrlich nicht von schlechten Eltern. Immerhin schien den das Gift doch wenigstens an der Verfolgung zu hindern.
 

Das entsprach den Tatsachen. Sesshoumaru erkannte ein wenig frustriert, dass seine Geschwindigkeit doch deutlich herabgesetzt war, überdies der Schmerz ihn lähmen wollte. Mit einer Klaue packte er jedoch das Handgelenk der Frau, die ihn hergelockt hatte, während er mit der anderen sein Handy herauszog, seinen Standort durchgab und Krieger zu sich beorderte, sowie die Fluchtrichtung Onigumos angab. Wenn er sich recht entsann befand sich dort noch ein Parkplatz und der Mistkerl hatte gewiss ein Auto stehen. Wenn sie eines über den Halbdämon in der letzten Zeit gelernt hatten, dann, dass der wusste, wie man floh. „Und richte meinem Herrn und Vater aus, dass Onigumo versuchte mich umzubringen, aber scheiterte. Ich habe jedoch eine Zeugin.“ Er legte auf und sah zu der Spinnenfrau, die sich wohlweislich nicht bewegte: „Ich bin sicher, du wirst mir später alles erzählen, was du über ihn weißt. Und du wirst bedauern, dass du mich hergelockt hast.“

Sie verfiel nicht in den Fehler das für eine leere Drohung zu halten. So meinte sie nur leise: „Ich...er hätte mich sonst umgebracht...“

„Jetzt werde ich es tun.“
 

Der Taishou hatte mit Izayoi im Wohnzimmer gesessen und sich von ihr etwas über die sozialen Projekte im Fukuwara-Konzern berichten lassen. Immerhin war er jetzt Fürst Fukuwara und sollte auf dem Laufenden bleiben. Irritiert sah er auf, als ohne Anklopfen ein Youkai hereinkam und sich eilig verneigte. Es war sehr unüblich ihn hier mit seiner Gemahlin zu stören.

„Ich bitte um Vergebung, oyakata-sama, aber Sesshoumaru-sama rief soeben an, dass ein Attentat auf ihn verübt wurde, jedoch scheiterte. Er habe eine Zeugin und berief Krieger zu sich, beziehungsweise auf die Jagd nach Onigumo.“

Izayoi schlug die Hände vor den Mund. Zum einen, weil sie erschrocken war, dass der Sohn ihres Ehemannes angegriffen worden war, zum zweiten fast panisch, als sie diesen Namen hörte.

Der Taishou warf ihr einen raschen Blick zu: „Sie brauchen nicht zu erschrecken. Sie sind hier sicher. - Sie entschuldigen mich jedoch.“

„Natürlich.“ Ihr war klar, dass er seinen Sohn bei der Heimkehr selbst ansehen wollte und vermutlich auch die Jagd nach ihrem verräterischen Cousin in die eigenen Klauen nehmen wollte. Ja, hier war sie wohl sicher, aber sie vermutete schwer, dass sie ab morgen außerhalb des Hauses nicht mehr nur von Ayame sondern auch anderen Youkai bewacht werden würde. Wenn Onigumo heute ein Attentat auf Sesshoumaru durchführte, konnte er es morgen auch auf sie. Der Taishou selbst war sowieso stets von mindestens zwei Kriegern begleitet.
 

Onigumo wagte erst aufzuatmen, als er hundert Kilometer von der Hautstadt entfernt war. Er hatte darauf verzichtet noch die wenigen Sachen aus der Pension zu holen. Das musste er eben im Stich lassen. Sein Leben hatte einen höheren Stellenwert. Zum Glück hatte er den falschen Pass bei sich behalten und ihn nicht im Zimmer liegen lassen. Das war der einzige Vorteil, den ihm der wochenlange Aufenthalt eingebracht hatte. Die ganze Arbeit, mühevolle Planung seiner Rache, alles zunichte. Es war schon sehr ärgerlich. Aber woher hätte er auch wissen sollen, dass dieser Misthund in der Lage wäre Spinnengift zu überleben?

Er parkte an einem Bahnhof. Ab hier würde er mit dem Zug fahren, das war unauffälliger und sie konnten kaum jeden Zug durchsuchen, ja, würden sich hoffentlich erst einmal in der Hauptstadt nach ihm umsehen. Er hinkte, als er zu dem Bahnsteig ging. Für diese Schmerzen in seinen gebrochenen Gliedern sollte Sesshoumaru bezahlen! Schon die Autofahrt war eine einzige Tortur gewesen. Nun gut. Bald würde es heilen.

Zum Glück hatte er mit der Kleinen nicht gerade viel geredet, aber sie würde natürlich alles erzählen was sie über ihn wusste. Schon, weil ihr gar nichts anderes übrig blieb. Vielleicht hatte der Taishou dann Erbarmen mit ihr und brachte sie schnell um. Überleben würde sie das Ganze sicher nicht. Pech gehabt, Mädchen.

Nun gut, er hatte den Pass und das nächste Mal, wenn er zu einem Menschen wurde, konnte er zum Flughafen. Nur noch drei Wochen durchhalten, dann war er weg.

Folgen

Die Spinnenyoukai machte sich keine Illusionen über ihr Schicksal. Die Gesetze unter ihrer Art waren hart und allgemein bekannt. Sie hatte nur noch die Hoffnung, dass der Youkaiprinz sie schnell töten würde. Aber so, gefesselt von schwerttragenden Kriegern vor den Taishou geführt zu werden, dessen erster Blick seinem Sohn galt, dann ihr, schüchterte sie nur noch mehr ein. Der Raum war groß, mit grauen Platten ausgelegt und sie konnte Bannsprüche fühlen. Hier auszubrechen war unmöglich, auch ohne dass man vor Vater und Sohn kniete, deren Youki nur zu deutlich ihren Zorn anzeigte.

Die Krieger zogen sich an die Wände zurück, ehe eine Kopfbewegung des Fürsten sie gehen ließ.

Sesshoumaru berichtete kurz, was geschehen war.

Der Taishou nickte knapp: „Dein Name?“

Sie brachte es kaum heraus: „Aki, oyakata-sama...“

„Wie kamst du an Onigumo?“

„Ich...ich arbeitete für ihn...musste für ihn arbeiten....“ Sie berichtete, dass sie sich in ihn verliebt habe, er aber schon nach kurzer Zeit sie fallengelassen hatte und zur Arbeit in einem illegalen Lokal eines Youkai gezwungen hatte. Nach seiner ersten Flucht hatte sie angenommen ihn nie wiederzusehen, aber dann war er bei ihr aufgetaucht, hatte sie erneut eingeschüchtert, damit sie den Brief schrieb und auch Sesshoumaru anlockte.

Der Youkaifürst nickte wieder. Er musste nur daran denken, wie verschreckt Izayoi gewesen war. Dieser Mistkerl verstand sich offenbar darauf weibliche Wesen einzuschüchtern. Ein Attentat auf seinen Erben war allerdings nicht hinnehmbar, auch nicht nur die Mitwirkung daran, erzwungen hin oder her. Sie hätte auch zu Maseo gehen können, Sesshoumaru warnen, irgendetwas: „Hat er dir gesagt, wo er sich versteckte?“

Sie schüttelte den Kopf.

Sesshoumaru warf ein: „Man könnte sehen, ob das der Wahrheit entspricht, verehrter Vater...“

„Sinnlos. Onigumo ist kein Narr, auch wenn ihm Fehler passieren.“ Er würde solch einem kleinen Licht nichts von Brauchbarkeit erzählen. Leider. Der Taishou sah jedoch zu seinem Sohn: „Ich überlasse sie dir. Mach es schnell.“

Aki wollte erschreckt aufsehen, aber ehe sie ganz den Kopf gehoben hatte, war sie bereits tot.
 

Der Taishou ging im inneren Garten auf und ab. Es war dunkel geworden und still, und er hoffte überlegen zu können. Irgendwie schaffte es dieser Hanyou sich vor Menschen und Youkai zu verbergen. Irgendetwas übersahen sie alle. Die Fahndung lief, ja, seit gestern wurden die Kontrollen bei der Ausreise noch einmal verschärft. Das sollte Onigumo eigentlich wissen. Seine Konten waren gesperrt, schon seit Wochen, er sollte keinen Nachschub haben – nun ja, womöglich hatte er die fünfunddreissigtausend bei sich, die Sesshoumaru für Izayoi bezahlt hatte. Aber dennoch, das Geld musste irgendwann enden und dann...? Der Kerl war kein Narr und musste wissen, dass er sich nicht ewig verstecken konnte. Wie lautete also dessen nächster Plan? Wieder ein Angriff? Auf ihn selbst, Sesshoumaru oder Izayoi, die das leichteste Ziel darstellen sollte? Oder irgendwie Flucht in das Ausland?

Er fuhr herum, als er einen gellenden Aufschrei hörte.

Izayoi!

Ohne weiter nachzudenken rannte er in das Haus, wo auch Krieger bereits aufmerksam geworden waren, aber anhielten, als sie ihn sahen. Der Trakt der Fürstin war für sie verboten und so ging nur er hinein.

Die Schlafzimmertür stand offen: „Izayoi?“ rief er.

„Sie ist hier, oyakata-sama,“ erwiderte Eri.

Er blieb in der Schlafzimmertür stehen, bemüht, sich an sein Wort zu halten. Die Zofe kniete auf den Matten neben dem Lager und hielt ihre schluchzende Herrin im Arm, eigentlich eine unschickliche Sache, aber das war ein Notfall.

„Sie hatte wohl einen schrecklichen Alptraum, oyakata-sama...Ich eilte her.“

Ja, einen schrecklichen Alptraum, dachte der Herr der Youkai. Und daran war nur ein Name schuld, der in ihr wohl diesen Rückfall wieder ausgelöst hatte. Er sollte diesen Mistkerl wirklich, wirklich umbringen.

Izayoi sah verweint auf: „Ich...es tut mir Leid, Taishou. Ich...ich wollte nicht das Haus aufschrecken...“

„Natürlich nicht,“ erwiderte er: „Eri, Sie sagen morgen früh alle Termine der Fürstin für morgen ab. Und informieren Dr. Kagawa, dass sie vorbeikommen möchte. - Ziehen Sie sich etwas über, Izayoi, und kommen mit mir in den Garten. Ein wenig frische Luft und Ruhe wird Ihnen gut tun. Schlafen können Sie jetzt kaum.“

Izayoi nickte matt. Es klang nur vernünftig.

Eri erhob sich und beeilte sich einen Yukata zu holen. Der Herr war wirklich fürsorglich um seine junge Gemahlin.

Der Taishou wartete zuvorkommend vor dem Trakt, bis Izayoi herankam, ein wenig noch verweint, aber höflich den Kopf neigend. Das Zeremoniell vergaß sie nie. Sie ging neben ihm schweigend in den Garten, atmete dann tief durch. Ja, die frische Luft tat gut. Da er am Meditationsplatz anhielt, ließ sie sich nieder und versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Ohne seine Begleitung wäre sie selbst auf diesen bekannten Wegen irre geworden. Nachts sah alles anders aus. So konnte sie das weiße Haar und die Schulterfelle über blau-weißer Seide als Schemen wahrnehmen.

Er kniete ihr gegenüber nieder: „Wissen Sie noch was Sie geträumt haben?“ Vielleicht wäre das ein Schlüssel zu Onigumo.

Sie schüttelte den Kopf: „Nein, nur das es...grässlich war. Es tut mir wirklich Leid, ich hatte Wochen schon keine Alpträume mehr.“

„Sie können nichts dafür.“ Nein, da gab es einen ganz anderen Schuldigen: „Ich würde Ihnen gern helfen sich zu beruhigen....Soll ich mich verwandeln?“ Er konnte wahrnehmen, dass sie versuchte ihn anzusehen, deutlich erkennbar verwundert. So fuhr er fort: „Ich hatte durchaus das Gefühl, dass Sie diese Gestalt angenehmer finden, als wenn ich so den Arm um Sie legen würde.“

„Oh.“ Izayoi sah verlegen zu Boden. Nun ja, es stimmte schon, irgendwie. Aber eben nur irgendwie. Seit Tagen träumte sie manchmal solche Sachen von ihm, dass er sie noch einmal küssen würde, den Arm um sie legen würde...Jedenfalls wäre es schrecklich unhöflich so eine freundlich gemeinte Geste eines Fürsten abzulehnen, auch, wenn Berührungen an sich nicht schicklich waren. Immerhin waren sie verheiratet. So stand sie auf: „Ich wäre froh, wenn Sie den Arm um mich legen würden.“ Sie machte die wenigen Schritte, unwillkürlich die Hand ausgestreckt. Es war wirklich dunkel hier, nur ein sehr mattes Sternenlicht erkennbar.

Daher fasste er ihre Finger: „Kommen Sie nur. - Menschen sehen nachts nicht sehr viel.“

„Nein,“ gestand sie, fühlte sich dann leicht nach unten gezogen und gehorchte dem Wink. So fand sie sich eng neben ihrem Ehemann wieder und spürte den Arm, der sich um ihre Schultern legte.

„Keine Angst,“ murmelte der Taishou in ihr Ohr, da er ihre plötzliche Anspannung fühlte: „Ich stehe zu meinem Wort.“

„Ich weiß.“ Der Arm um sie, das Flüstern: das Kribbeln im Bauch war unerwartet wieder da. Instinktiv lehnte sie sich gegen ihn, spürte an ihrer Wange Wärme unter der kühlen Seide. Sie war in Sicherheit, das wusste sie, und so entspannte sie sich. Er würde ihr nichts tun, Onigumo vermochte es nicht...Sie atmete tief durch.

Er freute sich, dass sie ihren Kopf an seine Schulter legte, und wagte nicht sich zu bewegen um sie nicht wieder zu verschrecken.
 

Sesshoumaru betrat am frühen Morgen ein wenig angespannt den Garten. Krieger hatten ihm gemeldet, dass es einen Zwischenfall im Trakt der Fürstin gegeben hatte und sich der Herr selbst darum gekümmert habe. Falls es Onigumo gewagt hatte in Izayois Schlafzimmer vorzudringen, so wartete nicht nur auf die unaufmerksamen Krieger sondern auch auf ihn, ihren Befehlshaber hier im Haus, eine Sanktion. Sein verehrter Vater hatte sich jedoch die gesamte Nacht nicht bei ihm blicken lassen, saß aber mit deutlich fühlbarem Youki noch immer im Garten. Dem Prinzen war klar, dass es noch nie etwas gebracht hatte eine Strafe hinausschieben zu wollen. So bog er um einen Rotahorn, den die menschlichen Gärtner kunstvoll beschnitten – und erstarrte, als er einen Anblick vorfand, den nicht nur er für unmöglich gehalten hätte. Auf der Meditationsplattform am sonnigen Morgenteich saß sein Vater, Izayoi auf dem Schoss und in beiden Armen, die Fellteile über sie gebreitet. War das schon erstaunlich genug, so steigerte das noch die Tatsache, dass sein Youki wie eine dunkle Wolke um ihn lag, gewissen Zorn verriet – und die Menschenfrau in seinem Arm sich zu ihm gedreht hatte, das Gesicht an seiner Brust barg und tief und fest schlief.

Bevor Sesshoumaru dazu auch nur ein gedanklicher Kommentar einfiel, traf ihn der Blick seines Vaters und er verneigte sich lieber nur stumm. Mit einem wütenden Youkaifürsten war nicht zu spaßen, das wusste er. Umso überraschender war es, dass dieses schwache menschliche Wesen nicht nur das Youki so direkt vertrug, sondern diese Energie offenbar auch noch für den sichersten Platz auf der Welt hielt.

„Bringt mir Onigumo,“ befahl der Taishou nur. Sie hatte es tatsächlich vermocht in seinen Armen einzuschlafen und atmete seit Stunden nur mehr ruhig und gleichmäßig. Er war froh darum, dass er sie trösten konnte, froh auch, dass sie diese Nähe offenbar zumindest unbewusst zuließ, ja, erkannt hatte, dass sein Youki für sie keinerlei Gefahr sondern Schutz bedeutete. Er hatte nicht vergessen, dass sie erwähnt hatte, nicht einmal ihr Vater habe sie je umarmt. Schön, das machte er auch mit Sesshoumaru nicht, aber zum einen waren Youkai anders und zum zweiten hatte er durchaus mit dem Welpen gekuschelt, wenngleich in ihrer Hundeform.

Izayoi fuhr auf, als er sprach. Bevor sie genau wusste was los war, kniete sie bereits ordnungsgemäß auf den Brettern.

Schade, dachte der Taishou, sah jedoch zu seinem Sohn.

Der verstand die stumme Aufforderung und verließ den inneren Garten, doch ein wenig erleichtert, dass Izayoi sich noch immer richtig benahm. Jedenfalls solange sie wach war.
 

„Guten Morgen, Izayoi.“ Nichts verriet das gewisse Bedauern.

„Guten Morgen, Taishou,“ brachte sie hervor, verlegen den Kopf geneigt: „Ich bitte vielmals um Verzeihung, dass es meine Wenigkeit gewagt hat Sie im Schlaf derart zu belästigen..“

„Es hat mich nicht gestört. Jedenfalls nicht so, wie Sie es wohl meinen.“

Sie blickte fast irritiert auf, starrte aber lieber zu Boden um ihre roten Wangen zu verbergen. Das war eine Dreistigkeit sondergleichen einen Fürsten, einen so mächtigen Mann, auch nur zu berühren, geschweige denn auf ihm zu schlafen. Jedenfalls schien er nicht zornig zu sein. Nun ja, er hätte sie gewiss wegstoßen können oder Ärgeres. Nein, er hatte ja versprochen sie nur mit ihrer Einwilligung zu berühren – und die hatte sie im Schlaf nicht geben können. Oh, das wurde ja immer schlimmer. Sie hatte sein Versprechen schamlos ausgenutzt, ihn ausgenutzt. „Bitte, verzeihen Sie mir. Es wird sicher nie wieder vorkommen...“

„Es freut mich, dass ich Ihnen zur Ruhe verhelfen konnte,“ erklärte er, ehe die Sache völlig schiefging, er später das genaue Gegenteil von dem erhielt, von dem er in den letzten Stunden geträumt hatte: „Vergessen Sie nicht, ich bin als Ihr Ehemann auch für Ihren Schutz zuständig.“

„Oh, ja, natürlich.“ Wie töricht von ihr: „Ich danke Ihnen. Ich konnte wirklich ruhig schlafen. Ohne Alpträume.“

Die hätte in den letzten Stunden Onigumo bekommen sollen, wenn der auch nur die Hälfte dessen aufgeschnappt hatte, was er sich für ihn ausgedacht hatte. „Ja. - Gehen Sie nur und ziehen Sie sich an, aber schonen Sie sich heute noch.“

„Wie Sie wünschen.“ Sie verneigte sich zeremoniell, ehe sie aufstand: „Danke, o...Taishou.“

Er erhob sich gleichfalls, mit einer Geschmeidigkeit, die kein Mensch vermocht hätte, zumal, wenn er Stunden bewegungslos verbracht hatte. „Ich möchte Sie als Gegenleistung allerdings um etwas bitten. Darf ich Ihnen einen Kuss geben?“ Er hoffte inständig, dass sich die Krieger an seinen Befehl hielten diesen Garten zu meiden. ER, der Herr aller Youkai, bat seine eigene Frau sie küssen zu dürfen...

Es wäre sehr unhöflich gewesen diese Bitte abzulehnen, nachdem er offenbar die halbe Nacht damit verbracht hatte sie zu beruhigen. Und da war auch dieses Kribbeln, die Erinnerung an diese seltsamen Schmetterlinge im Bauch bei seinem letzten Kuss in der Hochzeitsnacht...So sah sie zu ihm auf und schloss die Augen, spürte nur, wie er näher trat, dann seine Hände auf ihren Schultern, seine Lippen – und die Schmetterlinge begannen wieder zu tanzen, seltsamerweise diesmal viel wärmer, fast heiß.

Dass der Inu no Taishou die Disziplin fand zurückzutreten und sie loszulassen, war für ihn selbst fast ein Wunder. Aber er meinte nur: „Bei Ihnen könnte man die Zeit vergessen, Izayoi....“

Sie sah ihn an, ein wenig verwirrt, dass es endlich oder schon vorbei war. Irgendwie hatte sie wohl auch ihr Zeitgefühl verloren.

„Ich fahre ins Büro,“ erklärte er. Immerhin hatte er da nicht permanent ihre Witterung in der Nase. Und er sollte wirklich zusehen, dass seine Leute endlich brauchbare Ergebnisse lieferten. Er wollte Onigumo.
 

Als Izayoi ihre Zimmer betrat, ertappte sie ihre Zofe bei einem seltsamen Lächeln. „Was ist?“ erkundigte sie sich daher.

Eri verneigte sich lieber eilig, ehe sie gestand, da es nichts brachte die junge Fürstin anzulügen, um dann später bei dem Fürsten bekennen zu müssen: „Sie haben lange geschlafen nach dieser unruhigen Nacht. Im Arm des Herrn, wie ich vermute.“

„Äh, ja...“ antwortete Izayoi glühend rot: „Es hat geholfen.“ Sie hatte ihr Leben lang, umgeben von Personal, gelernt, dass diese Leute sowieso immer Bescheid wussten.

„Oyakata-sama hat Sie sehr gern.“

„Meinen Sie?“ Nun ja, er schätzte den Fukuwara-Konzern, die Immobilien und die Tatsache, eine schöne, junge Fürstin zu haben, die seine Gäste bewirtete, das hatte er selbst gesagt.

Eri hätte fast den Kopf geschüttelt: „Sie sind jung und recht unerfahren, Izayoi-sama. Aber glauben Sie mir, die ich schon fünfundzwanzig Jahre in diesem Haus diene: weder Youkai noch Mensch erhielt je diese Aufmerksamkeit von oyakata-sama. Er kann es vermutlich nur nicht so zeigen wie ein Menschenmann. Sie sind anders, Youkai. Nicht unbedingt schlecht, aber anders. Und als Inu no Taishou hat er eben alle Youkai unter sich. Er kann sehr hart sein, das hörte ich schon von den anderen Youkai im Haus. Strafen sind häufig und manchmal tödlich. Aber das ist bei diesen Wesen eben so und alle sind so.“

„Tödliche Strafen?“ Waren es doch Höllenwesen? Sie bemühte sich jedoch ruhig zu klingen. Eine Trennung war unmöglich, sie musste damit leben.

Eri hätte sich am liebsten den Mund zugehalten. Wusste es die junge Fürstin etwa nicht? Aber jetzt musste sie zusehen, dass sie rettete, was zu retten war: „Nur unter Youkai. Da steht auf Mord der Tod. Nun, ich glaube, bei Menschen eigentlich auch, aber das wird fast nie gemacht.“

„Das weiß ich nicht...“

„Und da ist oyakata-sama eben der Richter.“

„Ayame erzählte, früher habe es auch Kriege gegeben.“

„Kriege und Kämpfe unter den Youkai, das hat sie erzählt. Sie soll Ihnen ja diese fremde Welt erklären. Was möchten Sie anziehen?“ lenkte sie lieber ab. Das war sicher nicht besonders klug von ihr gewesen. Die Fürstin sah so erschrocken aus. „Ich werde dann nach Ayame schicken. Sie kann Ihnen sicher viel mehr erzählen als ich. Und es ist ihre Aufgabe. - Ihre Termine, Izayoi-sama, habe ich alle abgesagt. Die neuen liegen neben Ihrem Laptop.“

„Danke.“ Izayoi nahm sich wie gewohnt zusammen. Ja, sie würde Ayame fragen.
 

Kaum, dass der Taishou in seinem Büro stand, griff er zum Telefon. Während er durch die wandgroße Scheibe auf die Silhouette der Hochhäuser blickte, sprach er ein einziges Wort, als abgehoben wurde. „Maseo.“

Der alte Wolfsyoukai spürte ein Prickeln über den Rücken laufen – ungewohnte Angst. Da war jemand so wütend, als ob man seinen Schützling attackiert hätte. Nun, dämlich, erkannte er dann. Ein Mordversuch an dem einzigen Sohn. So war er froh erwidern zu können: „Die menschliche Polizei teilte mit, dass sie eine Spur von Onigumo in einer Pension hier in der Stadt haben. Der Besitzer erkannte ihn auf dem Fahndungsbild, das nach den Angaben von Sesshoumaru-sama angefertigt wurde wieder. Er hat jetzt kurze Haare, grauhaarig, Pullover und Jeans an. Ein guter Schauspieler. Seit dem At...dem Zwischenfall ist er in der Pension nicht mehr aufgetaucht.“

„Der Besitzer ist ein Mensch.“

„Ja, oyakata-sama. Die Polizei verhört ihn, aber er scheint nicht viel zu wissen. Onigumo war sehr vorsichtig. Die Durchsuchung des Zimmers durch Inuyoukai und meine Familie läuft noch.“

Immerhin ein Ergebnis. „Wohin könnt er sein?“

„Vermutlich in das gleiche Versteck, das er vor Wochen hatte. Wir sind dran. Das neue Bild wurde auch an alle Grenzstationen übermittelt.“

Nun ja, nachlässig waren sie nicht. „Wenn sich irgendetwas Neues ergibt, erwarte ich Bericht.“

„Ja, oyakata-sama.“ Maseo hörte, das das Gespräch unterbrochen wurde, und wählte selbst: „Kouga.“

Sein Enkel hob seufzend ab: „Verehrter Großvater?“

„Ich hatte gerade ein Gespräch mit dem Taishou. Heute Morgen mit Sesshoumaru. Sie wollen Ergebnisse.“

„Das kann ich mir vorstellen. Aber dieser Onigumo ist nun mal kein Idiot. Ja, eigentlich schon, ich meine ein Attentat auf Sessy, ...äh..Sesshoumaru-sama, aber er passt auf keine Spuren zu hinterlassen. Ich habe unsere besten Menschen auf seine Computer gehetzt, aber...Das Schlimmste, was man ihm nachweisen kann, ist, dass er Spenden für Taifunopfer gibt....Und natürlich das Attentat,“ beteuerte der junge Wolf eilig, um auf seinen Bildschirm zu starren: „Moment, verehrter Großvater. Laut Angaben einer gewissen jungen Dame, deren Namen wir nicht kennen, hat Onigumo seine Finger im Mädchenhandel. Die Polizei in einigen Ländern sucht nach einer Gruppe, die Mädchenhandel betreibt. Sie entführen bevorzugt Opfer aus Katastrophengebieten.“

Maseo atmete durch: „Suche in der Richtung weiter. Ich muss bald Bericht erstatten.“ Es war wahrlich ein Glück, dass sich sein Enkel so für Computer interessiert hatte – und sehr schnell war. Früher hatte jeder angenommen,das beschränke sich nur auf die Beine, aber auch die Finger flogen nur so über die Tastatur. „Wie geht es Ayame?“

„Gut, denke ich, verehrter Großvater. Ich meine, sie meint, dass sie gut mit Izayoi-sama auskommt. Die sei sehr nett und hätte eigentlich keine Scheu vor Youkai, sei nur sehr förmlich und höflich.“

„Das könnte sie auch sagen müssen. Der Taishou würde es sicher mitbekommen, wenn sie seine, wenngleich auch menschliche, Gemahlin kritisiert.“

„Nein, ich denke, das ist Ernst. Sie waren zusammen Dessous kaufen.“

„Darüber soll Ayame nicht sprechen. Sie war im Dienst!“

„Äh, es war wohl eher so, dass Izayoi-sama ihr freigab um das zu kaufen...“

„Das hat sie dennoch zu verschweigen!“ donnerte Maseo, der sich schon einer mehr als heiklen Frage des Youkaifürsten gegenübersah.

„Ja, okay, Großvater, ich sage es ihr....“

„Nein. DAS sage ich meiner Enkeltochter. Die blamiert ja die gesamte Wolfsfamilie!“

Kouga seufzte. Er war schnell, auch mit dem Mund, und er ahnte schon, wer das wieder ausbaden durfte. Das gäbe Wochen auf der Couch. „Ich...ich bin sicher, ich habe sie missverstanden.“

„Dann sorge ich dafür, dass du mich nicht missverstehst: besorge etwas über diese Taifunopfer. Ich brauche Ergebnisse.“ Seien sie auch noch so klein.
 

Der Taishou dachte lange nach. Ihr Gewicht in seinen Armen, auf seinem Schoss, ihr Geruch so nahe bei sich...Sie hatte ihm im Tiefschlaf vertraut. Warum nur tat sie es nicht, wenn sie wach war? Warum war sie fröhlich seiner nun wirklich großen Hundegestalt gegenüber – und schüchtern seiner Menschenform? Was konnte da nur los sein?

Plötzlich dämmerte ihm eine Erkenntnis und er ließ sich in den westlichen Bürostuhl sinken.

Der Hund, groß oder nicht, aber sie sah darin ein Tier mit dem Menschen gerne umgingen, ja, spielten.

War er in seiner Menschenform war er für sie der zu respektierende Fürst.

Schlimmer noch. Sie hatte begonnen sich zu bedanken mit: „Danke, o...Taishou.“ Er hatte unwillkürlich angenommen, sie habe „oyakata-sama“ sagen wollen, die Anrede, die ihm zustand. Aber nein, sie hatte es bestimmt anders gemeint. Sie wusste ja, dass er viel älter war....Er war nun sicher, sie hatte outou-sama sagen wollen, verehrter Vater.

Deswegen. Er war der Fürst, der zu respektieren war, Höflichkeit einforderte, ja, älter als Fürst Jiro war.

Kurz, seine eigene Ehefrau sah ihn als Vaterfigur, der sie Vertrauen schenken konnte, die sie zu respektieren hatte - und mit der sie ganz sicher nie ins Bett gehen würde.

Der Herr der Hunde sah ins Nichts. Doch, dachte er zynisch, das hast du gut gemacht, Taishou. Ein Mann, der sich seine eigene Hölle erschaffen hat.

Ermittlung

Izayoi, die sich an diesem Tag von der ungewohnt ruhigen, ja, plötzlich überhöflichen Ayame viel über die Geschichte der Youkai hatte erzählen lassen, setzte sich in das Wohnzimmer auf die Matten und erwartete ihren Ehemann.

Sie hatte beschlossen, dass Kämpfe und Kriege, die vor Jahrhunderten unter dieser Art stattgefunden hatten, sie wohl nichts anzugehen hatten. Immerhin hatten auch ihre Vorfahren in dieser Zeit erbitterte Kriege geführt, ja, Massaker veranstaltet. Und nur die Tatsache, dass der Taishou noch derselbe war und kein Nachkomme, sollte sie nicht dazu verführen ihm Vorwürfe zu machen. Das Leben eines Ehemannes vor der Heirat hatte seine Frau absolut nichts anzugehen, hatte ihr auch Eliza immer gesagt. Mehr interessieren sollte sie die Gegenwart.

Tatsächlich betrat der Youkaifürst wie stets direkt nach der Arbeit das Wohnzimmer, noch im dunklen Anzug, ja, einen Mantel über, aus dem seine Schulterfelle zu wachsen schienen.

Sie verneigte sich sofort, bis er sich ihr gegenüber niedergelassen hatte.

„Richten Sie sich doch auf,“ sagte er, ehe er verstand, was die so altmodisch erzogene junge Dame meinte: „Sie möchten etwas fragen? Haben Sie sich heute geschont? War Dr. Kagawa hier?“

„Ja, zu allem, danke der Nachfrage, Taishou. Mir geht es wieder gut.“ Er war wirklich besorgt um sie und so fasste sie den Mut weiterzumachen: „Ich...ja, ich hätte eine Frage. Ayame hat mir heute viel über die Geschichte der Youkai erzählt. Es gab viele Kriege und Kämpfe.“

„Ja.“ Das war also noch nicht die Frage.

„Sie haben dort auch gekämpft. Und getötet.“

„Ja.“ Da sie zu Boden blickte, streckte er die Klauen aus: „Sehen Sie her, Izayoi. Mit diesen Händen habe ich in Duellen gekämpft und Schlachten ausgefochten. Und ich habe getötet.“

Sie gehorchte, betrachtete die Klauen, in denen sie letzte Nacht so ruhig geschlafen hatte, ehe sie mit dem herausplatzte, um was es ihr ging: „Auch...Menschen? Haben Sie Menschen gefressen?“

Oh, dachte der Herr der Hunde, fast ein wenig erleichtert, da ihm einfiel, dass auch ihre Ahnen nicht gerade zimperlich mit Gegnern umgesprungen waren, was sie anscheinend wusste: „Nein. Ich habe noch nie einen Menschen....sagen wir, als Nahrung benutzt. Das hatte ich nie nötig. - Ich muss gestehen, dass ich es nicht sicher weiß, ob ich je einen Menschen getötet habe, aber wenn, so nie mit Absicht.“ Wenn er die volle Macht des Höllenschwertes losjagte mochte es den einen oder anderen Kollateralschaden gegeben haben.

Sie amtete auf. Er hatte sie nie angelogen und würde es wohl auch jetzt nicht tun.

Er hatte es bemerkt: „Nun, ich weiß nicht, wie Sie das sehen, aber in Kriegen wird getötet. Ich kann Ihnen allerdings sagen, dass ich immer ehrenhaft gekämpft habe, in fairem Duell, in offener Feldschlacht, und nie hinterrücks.“

„Das habe ich nie bezweifelt,“ beteuerte sie. Nein, so, wie sie ihn mittlerweile einschätzte, achtete er seine eigene Ehre zu hoch für Intrigen. „Ich...ich war neugierig...“ Und hatte wissen wollen, wie er war, ihn ein Stück weiter kennenlernen wollen.

„Ich verstehe.“ Ihr Geruch war wieder so friedlich...Verdammt, er musste sich zusammenreißen. „Seit langer Zeit habe ich allerdings nur noch Todesurteile ausgesprochen, nicht mehr gekämpft. Das gehört zu den Pflichten eines Youkaifürsten.“

„Ja.“ Sie blickte lieber zu Boden: „Würden Sie auch über mich so urteilen?“

Das war eine tatsächlich schwierige Frage, da er ziemlich bereit war ihr alles zu verzeihen – aber es gab eben Grenzen, die auch er nicht überschreiten konnte, ohne alles, was in Jahrhunderten gewonnen wurde, zu zerstören: „Falls Sie einen Menschen oder Youkai umbringen oder umbringen wollen, ja. Aber ich denke, das ist ein rein theoretischer Fall.“

„Ja, natürlich.“ Nicht, dass er noch annahm sie plane ein Attentat auf ihn.

„Übrigens, Izayoi – einige meiner Gegner leben noch. Maseo oder Kyo, auch andere. Auch sie standen mir einst im Duell gegenüber.“ Sie lächelte – hatte sie es erwartet? Noch immer wusste er nicht genau was sie dachte und wie, aber er war froh, wenn sie so lächelte. Leider weckte das auch den so mühsam zurückgehaltenen Instinkt in ihm. Er atmete durch: „Möchten Sie noch etwas wissen?“

Er war wirklich großzügig: „Nein, danke. Ich hätte nur eine Bitte.“ Sie sollte ihm zeigen, dass sie seine Offenheit zu schätzen wusste und keine Angst vor ihm hatte, auch, wenn sie mehr über ihn erfuhr. Das lag in der Vergangenheit. Soweit sie wusste hatte ein Fürst Fukuwara im 14. Jahrhundert hunderte von Mitgliedern eines feindlichen Clans hinrichten lassen, inklusive der ungeborenen Kinder. Es waren schlimme Zeiten gewesen, raue Zeiten. „Darf ich Ihren Fürstenring küssen?“ Das war eigentlich schrecklich unhöflich, immerhin bedeutete es eine Gnade, wenn ein Fürst einem erlaubte dermaßen nahe an ihn heranzukommen. Aber es wäre eben auch nahe an seinen Klauen, und sie hoffte er würde wissen, dass sie ihm damit beweisen wollte, dass sie seine Hände nicht fürchtete.

Der Taishou stutzte. Er wusste, dass es eine besondere Gunst war den Ring berühren zu dürfen, aber eigentlich tat das nicht die eigene Ehefrau. Wobei – bei Menschen womöglich schon. Jedenfalls, erkannte er, wollte sie ihm ihr Vertrauen zeigen. Das sollte er keinesfalls aufs Spiel setzen. So hob er die Linke mit dem Siegelring etwas: „Selbstverständlich, meine Liebe. Kommen Sie nur.“

Sie rutschte den halben Meter hinüber und neigte sich.
 

Genau diesen Moment wählte der Sohn des Hauses um in das Wohnzimmer zu kommen. Sesshoumaru erstarrte, als er erkannte, dass er in eine offenbar heikle Lage geplatzt war, und verneigte sich lieber deutlich ehrerbietig. Auch er hatte schon das, in seine Augen mehr als zweifelhafte, Vergnügen gehabt den Fürstenring küssen zu dürfen – immer, wenn sein verehrter Vater eine Sanktionierung über ihn verhängt hatte und er die Erlaubnis bekam seinen Gehorsam anzuzeigen. Was auch immer Izayoi angestellt hatte ging ihn jedoch nichts an, ebenso, wie ihre Strafe lautete.

Der Taishou blickte unwillig auf. „Eine wichtige Nachricht, ohne Zweifel.“

„Ein Zeuge, verehrter Vater,“ beeilte sich der Sohn zu sagen: „Ein Juwelier, der sich erst nun bei der menschlichen Polizei meldete, da er im Ausland war.“

„Ich komme.“ Es ging also um Onigumo, denn er hatte allen verboten diesen Namen vor seiner Gemahlin auszusprechen: „Gehen Sie schlafen, Izayoi.“

Aha, schloss Sesshoumaru aus eigener Erfahrung, also war ihre Strafe bereits abgeschlossen. Nun, sie wirkte noch ganz heil, aber er wusste nur zu gut, dass Sanktionen nicht immer sichtbar waren, zumal bei diesem mehrlagigen Kimono.
 

Draußen, als sie zu zweit waren, ergänzte er nur: „Der Polizeipräsident rief bei Maseo an, der wiederum fragte hier nach, ob Sie ebenfalls die Aussage noch aus erster Hand hören wollen. Es handelt sich um einen Diamantenhändler.“

„Onigumo.“

„Ja. Er erkannte ihn auf den Fahndungsphotos wieder.“

„Dann fahre ich in das Polizeipräsidium. Der Juwelier sollte nicht länger dort sitzen als notwendig. Sage Maseo Bescheid, dann hast du frei.“

„Danke, verehrter Vater.“ Dann sollte er seine Mutter anrufen, die sich in den letzten drei Wochen drei Mal bei ihm gemeldet hatte – ungewöhnlich oft – und dezent aber eindeutig versucht hatte etwas über die zweite Ehe in Erfahrung zu bringen. Es würde sie gewiss beruhigen, sagte er ihr, dass auch die menschliche Gefährtin nicht von Maßregelungen verschont blieb. Er wusste nicht, wie Vater seine Ehefrauen strafte, aber hegte keinerlei Zweifel daran, dass dies geschah.
 

Der Juwelier erwartete die Ratsmitglieder in einem relativ gemütlichen Besprechungsraum. Der zuständige Abteilungsleiter stellte vor.

„Das ist Herr Solomon, die Ratsmitglieder Taishou und Maseo von der Youkaifraktion. - Mein bescheidener Name ist Hauptkommissar Suzuki, Mordkommission.“

Der Juwelier, ein grauhaariger Mann offenkundig nicht-japanischer Abstammung, neigte höflich den Kopf. Jeder wusste, dass der Rat aus Menschen und Youkai die eigentliche Regierungsgewalt darstellte. Der Kommissar hatte ihm bereits gesagt, dass seine Aussage überaus wichtig sei.

Maseo wartete, bis sich der Taishou auf einen Stuhl gesetzt hatte, ehe er selbst Platz nahm. Da ihn dieser ansah, sollte wohl er die Fragen übernehmen: „Sie haben Onigumo wieder erkannt?“

„Ja, Ratsmitglied. Ich war einige Wochen geschäftlich in Europa und sah hier erst die Fahndungsplakate. Er kam vor zwei Monaten zu mir und wollte Diamanten kaufen. Er fiel mir auf, da er kein Mensch war, aber auch nicht die spitzen Ohren der Youkai...äh, verzeihen Sie...“

„Er ist ein Hanyou, ja,“ erklärte der Taishou sachlich: „Wie viele Diamanten?“

„Im Wert von fast zwei Millionen Dollar, die er im Voraus bezahlte. Das ist üblich.“

Die Youkai sahen sich an, ehe Maseo fragte: „Diese haben Sie ihm besorgt. Legal.“

„Natürlich, auch, wenn es nicht so einfach war, denn er wollte kleine Steine. Einen einzigen Diamanten in diesem Wert zu beschaffen wäre einfacher gewesen. Aber er wollte viele, lupenreine kleine.“

„Sagte er auch, wofür?“

„Ja.“ Herr Solomon zögerte und suchte den Blick des menschlichen Kommissars, aber dieser nickte nur: „Er erklärte, er sei ein Hanyou und daher weder bei Menschen noch bei Youkai gern gesehen. Es gäbe nur wenige seiner Art und er fürchte, die Lage verschlechtere sich für ihn. Er gab an, er wolle es als Kapital haben, wenn er ins Ausland fliehen müsste.“ Er spürte förmlich, wie ihn die beiden Youkai ansahen: „Verehrte Ratsmitglieder – vielleicht kennen Sie die Geschichte meines Volkes...manchmal ist es gut, irgendwo neu anfangen zu können. Ich ahnte ja nicht, dass er ein Mörder ist.“

„Ein mehrfacher Mörder,“ ergänzte der Taishou, der auch versuchte Anschläge auf Sesshoumaru und Izayoi dazu zählte, dazu die unbekannten Frauen, die sicher nicht mehr am Leben waren.

„Diamanten.“ Maseo atmete tief durch. Natürlich. Klein, leicht zu transportieren, nun leichter als Gold und wohl auch von den Durchleuchtungen an den Flughäfen nicht so ohne weiteres zu erkennen. Sie hatten sich ja schon gefragt, was der Mistkerl vorhatte, wenn die fünfunddreissigtausend ausgegeben waren. Da war die Antwort. Und er hatte auch genau gewusst an wen er sich mit seiner Geschichte wenden musste, wer ihm glauben würde. Das hieß, Onigumo standen nochmals zwei Millionen Dollar zur Verfügung – und man sollte nie unterschätzen welche Möglichkeiten einem intelligenten Mann mit Geld in die Hand gegeben waren. Das konnte schwer werden.

Der Juwelier betrachtete die Ratsmitglieder. Ja, sie sahen anders aus, aber sie waren in der Regierung und wirkten eigentlich fast menschlich im Verhalten, nun, vielleicht sachlicher, aber das gefiel ihm momentan sehr gut. Er war sich unsicher gewesen was an der Geschichte seines Kunden stimmte, nachdem er die Plakate gesehen hatte, und war froh, doch seiner staatsbürgerlichen Pflicht nachgekommen zu sein.

Der grauhaarige Youkai musterte ihn: „Herr Solomon, es ist wohl besser, wenn Ihnen im Augenblick Polizeischutz gewährt wird. Sie sind der Einzige, der das über Onigumo weiß – und bislang brachte er stets alle Zeugen um. Sie schützte wohl nur Ihre Reise nach Europa.“

„Ja, natürlich, ich werde es beantragen,“ sagte Hauptkommissar Suzuki sofort, der das auch schon bedacht hatte: „Bleiben Sie noch ein wenig hier, Herr Solomon, dann bringen wir Sie nach Hause.“

„Ja.“ Was blieb ihm schon anderes übrig? Als er mit den beiden Ratsmitgliedern allein war, bemerkte er, dass ihn der weißhaarige Youkai musterte. Eigentlich hatte er ihn nicht so ganz für ernst genommen, mit den eigenartigen Plüschteilen an den Schultern und dem Zopf, aber jetzt war klar erkennbar, dass Maseo nichts sagte, ohne dem einen Blick zugeworfen zu haben. Taishou bedeutete Anführer. War das kein Name sondern der Rang?

„Hat Onigumo irgendetwas erwähnt, wie er das Land verlassen will oder wohin?“ erkundigte sich der Youkaifürst.

„Nein, Ratsmitglied. Und es ist in meiner Branche auch nicht üblich zu viel zu fragen. Vertrauen ist bei uns Gold wert.“

„Gut. - Sie haben uns weitergeholfen, Herr Solomon, aber passen Sie trotz Polizeischutz auf sich auf. Onigumo ist intelligent und kaltblütig. Maseo hat Recht - wären Sie hier gewesen...“ Zumal zu einem Zeitpunkt, an dem auch Onigumo in der Hauptstadt war: „Hätten Sie wohl schon einen Unfall gehabt.“

Der Juwelier wurde blass, aber er erkannte durchaus, dass sein Gang zur Polizei, gleich, mit wie vielen Gewissensbissen, ihm wohl das Leben gerettet hatte. „Danke,“ sagte er unwillkürlich, entsann sich dann jedoch seines Geschäftes und griff in seine Jacketttasche, zog ein Lederetui heraus: „Falls die Ratsmitglieder mal einer Dame ein Geschenk zu machen wünschen...hier wäre meine Adresse. Ich stehe gern auch für besonderen Schmuck zur Verfügung.“ Der Taishou nahm die Visitenkarte, sehr zur Freude des Juweliers. Er wusste genug über die noblen Kunden um zu verstehen, wo einer kaufte, kamen auch andere. Und wenn er in derart finanziell kräftigen Kreisen in Mode kam, so hatte sich sein Weg hierher und der gewisse Zeitaufwand gleich doppelt gelohnt. So verneigte er sich höflich: „Danke.“

„Bringen Sie morgen Abend eine Auswahl an Halsketten. Sehr dezent und eng am Hals anliegend, passend zu einem westlichen Abendkleid.“ Er musste demnächst nach New York und plante eigentlich Izayoi mitzunehmen,. Es wäre unpassend gewesen träte sie dort im Kimono auf. Ja, genau. Das sollte er ihr noch sagen, dass sie einkaufen gehen sollte, Kleidung im westlichen Stil. „Sie legen sie mir vor, dann der Dame.“

„Für Sie mit Preis, für die Dame ohne?“ erkundigte sich der Juwelier nur.

„In der Tat. - Es handelt sich um eine junge, menschliche, Dame, meine Gemahlin.“ Ob Izayoi Geschmack an Juwelen fand? Sie war eine wohlverteidigte Festung, deren Schwachstellen er erst noch ergründen musste.

Youkai und Mensch? Aber Herr Solomon schwieg. Das hatte ihn nichts anzugehen. Immerhin schien das Ratsmitglied willens ein Vermögen für seine Menschenfrau auszugeben. Der wusste bestimmt, was solcher Schmuck kostete. „Ich darf um Ihre Adresse bitten,“ sagte er schlicht.
 

Ayame seufzte, als sie die Tür zum Wohnzimmer öffnete: „ Kouga...“

Der junge Wolfsyoukai wandte den Kopf nicht vom Bildschirm: „Was ist? Hast du nicht gesagt, dass ich hier schlafen soll?“

„Was arbeitest du denn immer noch....“

„Unser verehrter Großvater ist nicht so ganz zufrieden, dass nichts bei der Jagd auf diesen Hanyou weitergeht. Er scheint sich in Luft aufgelöst zu haben.“

„Großvater?“ scherzte Ayame.

„Unsinn!“ Ihr Verlobter war zu angespannt. „Onigumo! Zu allem Überfluss hat der Idiot auch noch Diamanten bei sich im Wert von zwei Millionen Dollar. Ich lasse gerade alle entsprechenden Juweliere abklappern, ob da einer einen von den Diamanten angeboten bekam. Das dauert!“

„Und, lass mich raten, der Taishou wird ungeduldig.“

„Vermutlich. Ich habe es ja nicht so mit ihm direkt zu tun...eher noch du.“

„Nun, Izayoi-sama wird nicht mehr nur von mir sondern auch noch zwei anderen weiblichen Youkai begleitet, sobald sie das Haus verlässt, lautete der neue Befehl.- Moment mal. Hanyou!“

„Ja, der ist einer, das weißt du doch.“ Er wandte verständnislos den Kopf.

„Kouga! Ich habe heute ziemlich viel geredet...“

„Tust du immer.“

„Halt den Mund!“ fauchte sie sofort: „Und Izayoi-sama fragte auch was über Hanyou, wie lange die leben oder so...Ich wusste das nicht. Alles, was mir dazu aber einfiel ist, dass Hanyou der schwächeren Seite folgen. Kouga, wenn Onigumo ein Hanyou ist, wird er einmal im Monat zu einem reinen Menschen. Und den kann keiner von uns einfach so finden!“

Er starrte sie mit offenem Mund an, ehe er langsam aufstand: „Du bist ein Genie. Darf ich dich doch küssen?“

„Okay, aber dann rufst du Großvater an...“

„Klar. Das könnte die Lösung sein. Der hockt in einem sicheren Versteck, wo niemand sein Youki bemerkt und kommt nur raus, wenn dieser eine Tag ist. Dann hat er auch sicher vor an diesem Tag abzuhauen und das Land zu verlassen. Mist, wie soll man den am Flughafen auftreiben? Es gibt doch keine Fahndungsplakate in seiner Menschenform...“ Aber dann küsste er erst einmal seine Verlobte, ehe er fortfuhr: „Ich rufe jetzt Großvater an.“
 

Maseo hätte sich am liebsten die Hand vor den Kopf geschlagen, als er den Anruf bekam. Natürlich. Der Mistkerl hockte in seinem Versteck und wartete darauf, dass er zu einem Menschen wurde. Im Zweifel hatte er sich falsche Papiere besorgt und würde einfach fliehen.

Da musste die menschliche Polizei ran. Phantombildzeichner besaßen die Youkai nicht. Vielleicht gab es eine Möglichkeit doch solche einigermaßen passenden Bilder von Onigumo an Flugplätzen und in Häfen zu verteilen. Und er konnte dem Taishou eine positive Nachricht senden. Offenbar war auch diesem das entgangen.
 

Izayoi war etwas überrascht als ihr Ehemann bei ihrem Frühstück eintrat, verneigte sich jedoch hastig. Normalerweise war er schon weg oder suchte sie zumindest nicht auf.

„Guten Morgen,“ sagte er, wohlwissend, dass sie ihn nie zuerst ansprechen würde. „Ich hätte eine Bitte an Sie.“ Er blieb jedoch stehen, damit signalisierend, dass er nur kurz gekommen war.

„Guten Morgen, Taishou. Natürlich, was möchten Sie?“

„Zunächst einmal Sie davon in Kenntnis setzen, dass nicht nur Ayame sondern zwei weitere, weibliche, Youkaikriegerinnen Sie begleiten werden. Und ich möchte Sie bitten, sich in den nächsten Tagen Kleidung im westlichen Stil zuzulegen. Ich muss geschäftlich nach New York und wäre gern in Ihrer Begleitung.“

„Oh.“ Sie hatte noch nie das Land verlassen. Was zog man in New York an? Sie wollte doch den Taishou nicht blamieren: „Für welche Gelegenheiten?“ erkundigte sie sich jedoch nur. Sie musste wohl im Internet recherchieren.

„Geschäftsessen, aber auch die Oper. Und Freizeit für Sie, also vielleicht Jeans oder so...“

Sie wurde rot. Solche Hosen hatte sie noch nie getragen. „Ja,“ war allerdings wohl die richtige Antwort.

Er reichte ihr eine Karte: „Hier, meine Kreditkarte. - Ich würde Ihnen nicht zumuten Repräsentationspflichten aus Ihrem Vermögen zu bestreiten.“

Da sie deswegen schon einmal einen Tadel einstecken hatte müssen, nahm sie sie: „Danke. Wie teuer darf es werden?“

Ein rasches Lächeln zeigte Fangzähne: „Ich werde es mir schon leisten können. - Heute Abend kommt ein Juwelier, der Ihnen Schmuck vorlegen wird, der zu einem Abendkleid im westlichen Sinn passt.“

Sie verneigte sich höflich: „Danke, Taishou.“ Sie würde wohl Eri auch zum Einkaufen mitnehmen müssen um zumindest einen Rat zu bekommen. „Äh...“

„Nun?“

„Westliche Abendkleider sind häufig sehr...“ Ja, wie sollte sie das nennen? Unmoralisch? Ungewohnt? „Sehr delikat. Wünschen Sie, dass ich...“ Sie brach verlegen ab.

Der Youkaifürst betrachtete seine Gemahlin, deren Kimono vollständig ihren Körper verhüllte: „Nein. Suchen Sie sich aus, was Sie tragen möchten. - Ich muss allerdings gestehen, dass ich Ihren Anblick doch für mich allein reserviert sehen will.“

Sie hätte protestieren wollen, aber nach einer Nacht in seinem Arm, im schlichten Yukata war das wohl unmöglich. Zumindest ihre Beine bis zum Knie hatte er da gesehen. Überdies: irrte sie sich oder klang zumindest gewisser Besitzerstolz aus seinen Worten? „Wann fliegen wir?“

„In drei Wochen, Sie haben also Zeit für Ihre Einkäufe.“ Und konnte sich auch etwas schneidern lassen, wie er doch gerade bei dem Abendkleid vermutete. Was es zu kaufen gab, würde der scheuen jungen Dame sicher kaum gefallen. Und er hatte die Wahrheit gesagt: die Vorstellung, dass eine breite Masse an Menschen und Youkai einfach so mehr von ihr zu sehen bekäme als er selbst bislang, passte ihm gar nicht.

Eheleben

Der Juwelier wunderte sich ein wenig, dass das Ratsmitglied bei seiner abendlichen Aufwartung seine Kollektion und die kleinen dazu gestellten Preistafeln nur abnickte. Gewöhnlich sortierten die Herren doch einige teurere Schmuckstücke aus. Aber hier hieß es nur: „Sie haben einen ausgezeichneten Geschmack, Herr Solomon,. Nehmen Sie die Schilder weg...“

Danach gingen die beiden Herren in das Wohnzimmer, wo eine junge Dame im mehrlagigen Kimono kniete.

Der Taishou übernahm die Vorstellung: „Das ist Herr Solomon, meine Liebe. Fürstin Fukuwara.“

Izayoi starrte auf das Tablett mit glitzernden Halsketten, ehe sie zu dem Juwelier sah, der sich ihr gegenüber niederließ, sich beide der Blicke des Hausherrn nur zu bewusst.

„Ich freue mich Sie kennenzulernen, Herr Solomon. Sie haben sehr schöne Stücke dabei.“

„Danke. Welches gefällt Ihnen, Fürstin?“ Das Ratsmitglied war also der Fürst Fukuwara, ein sehr alter Name, wenn er sich recht entsann. Und er schien verliebt in die junge, durchaus reizende, Dame. Nun ja, wenn man das von einem Youkai zu einem Menschen behaupten konnte. Bis eben hätte er selbst es für unmöglich gehalten. Aber der Taishou hatte nur Augen für seine Frau, nicht für die Diamanten.

„Es sollte passen,“ korrigierte Izayoi: „Ich muss gestehen, dass ich noch nie bei einem Opernbesuch in New York war. Ich habe mir heute ein Kleid dafür bestellt. Hier ist die Zeichnung. Es wird smaragdgrün.“

Der Juwelier nahm den Schneiderentwurf. So hatte auch noch niemand bei ihm Diamanten gekauft. Wusste sie nicht, was die Ketten kosteten, oder war ihr das gleich? Geld zu Geld bei dieser Heirat? Hm. Das Kleid war ziemlich stofflastig, um es mal so auszudrücken. Gewöhnlich setzten die Damen doch ihr Dekolleté in Szene, aber das hier war ein wirklich kleiner Ausschnitt. Nun ja, wenn sie in aller Regel Kimono trug...Er warf einen Blick auf seine Kollektion. „Ich darf Ihnen, Fürstin, diese drei hier vorschlagen?“ Er hielt sie auf beiden Händen und präsentierte sie so.

Izayoi betrachtete die drei unterschiedlichen Ketten, die nur eines gemeinsam hatten: sie waren sehr dezent. Sie sah zu ihrem Ehemann: „Welche gefällt Ihnen?“

Der Taishou zuckte die Schultern: „Suchen Sie sich etwas aus. Ich bin sicher alle drei sehen an Ihnen passend aus.“ Zwischen den Dreien lag ein Preisunterschied von einem Einfamilienhaus, aber das würde er ihr nicht sagen, auch, wenn sie gerade indirekt gefragt hatte, welche sie nehmen solle. Nein, auch mit Juwelen war sie nicht zu bestechen. Sie suchte schlicht nach einer passenden Kette zur Repräsentation der Konzerne und ihres Ehemannes. Pflicht, nicht Vergnügen. Was schätzte sie nur, wie konnte er sie überzeugen, dass sie ihm sein Wort zurückgeben sollte? Dass er ein Mann war, dem langsam zur Qual wurde sie nur anzusehen? Von ihrer Witterung ganz zu schweigen, die sich wie ein zarter Schleier durch fast das gesamte Anwesen und den Garten zog? Sie hatte sein Wort und das machte es unmöglich mehr als nur Träume zu bekommen.

Izayoi betrachtete nochmals die Ketten, dann wählte sie eine schmale Goldkette mit vorn einer Reihe aus kompliziert geschliffenen, reinen Brillanten. „Ich denke, diese würde passen.“

Die mittlere Preislage, dachte der Juwelier, dem allerdings bewusst war, dass sie das nicht ahnte. Jedenfalls besaß die junge Fürstin einen netten Geschmack – er kannte Damen, die zielsicher die wertvollsten Ketten nahmen, gleich, wozu. „Danke, Fürstin. Ich möchte nur vorschlagen....“ Ein fragender Blick zu dem mächtigen Ratsmitglied: „Dass Sie, wenn Sie Ihr Kleid besitzen, mich noch einmal anproben lassen, ob man die Kette ein wenig verlängern oder verkürzen sollte.“

„Ja,“ meinte Izayoi, wenngleich nach einem ebenso fragenden Blick zu ihrem Gatten. Es diente seiner Reputation und es war ihre Pflicht dies zu tun. Dennoch war sie froh über sein zustimmendes Kopfnicken. Hatte sie doch diese kleine Prüfung bestanden und etwas Passendes ausgewählt. Und, ihr war nicht entgangen, dass er sie nicht aus den Augen gelassen hatte. Die Frau in ihr freute sich.
 

Nach einem weiteren Einkauf am folgenden Tag wartete sie daher fast fröhlich im Wohnzimmer – nur, um zu ihrer gewissen Enttäuschung festzustellen, dass der Youkaifürst nicht kam. Zum ersten Mal, seit sie verheiratet waren. Es war natürlich unmöglich jemanden zu fragen – wahrscheinlich hatte er nur viel im Büro zu tun und würde später kommen, wenn sie schon schlief. Sie wusste ja, dass weder er noch sein Sohn anscheinend Schlaf benötigten. Als er jedoch auch eine zweiten und dritten Tag nicht kam, wurde sie nicht nur unruhig sondern empfand etwas wie Angst. Hatte sie etwas falsch gemacht? Doch die falsche Kette gewählt, das falsche Abendkleid? Hatte sie sonst eine Inkorrektheit begangen? Ihr fiel nichts ein. War er etwa bei seiner ersten Gemahlin, die ihm als Youkai sicher besser gefiel? Es hatte sie nichts anzugehen, aber die Vorstellung, dass er diese anlächelte...

Als sie mitbekam, dass er am Morgen wie gewohnt mit Sesshoumaru ins Büro fuhr, atmete sie tief durch. Vielleicht machte sie sich nur selbst verrückt? Waren die ausbleibenden Gespräche im Wohnzimmer nur der Hinweis darauf, dass nun die Flitterwochen endgültig vorbei waren? Es war doch nur eine Geschäftsehe.

Während sie pflichtbewusst am Computer ihre Mails abarbeitete, fasste sie einen Entschluss. Es brachte nichts sich selbst irre zu machen – der Einzige, der ihre Fragen beantworten konnte, war ihr Ehemann. Sie hatte begonnen romantische Träume zu hegen, aber das waren wohl die törichten Phantasien eines Mädchens. Und das sollte sie sich selbst bewusst machen, damit sie sie ersticken konnte, so nüchtern wie eine Youkai diese Ehe sehen konnte. Sie hatte doch gewusst, auf was sie sich einließ.

So wies sie einen Youkaikrieger an, der ihr zufällig im Haus begegnete, er solle dem Taishou ausrichten, dass er abends zu ihr in das Wohnzimmer kommen solle. Ja, das war unhöflich, sie hatte ihrem Ehemann nichts vorzuschreiben, aber formell war es eine Bitte. Kam er nicht, nun, so wusste sie auch woran sie war. Kam er, würde sie ihn wohl eben fragen müssen...vielleicht dürfen. Immerhin hatte er, seit sie ihn kannte, sich immer als nachsichtig ihr gegenüber erwiesen.
 

Sie wartete angespannt, im Kniesitz, zu ihrer Erklärung die Einkaufsliste dieses Tages neben sich. Irgendwie würde sie ihn einfach fragen ob er noch andere Garderobe für den Ausflug nach New York wünsche. Das war harmlos, dachte sie; als sie lauschte. Schritte, die Tür geöffnet....Sie neigte sich vor.

Es trug nichts zu ihrer Beruhigung bei, dass er zwar: „Guten Abend, Izayoi,“ sagte, sich jedoch nicht niederließ, sondern an ihr vorbeiging und am Fenster stehen blieb, hinaussah.

Hatte sie doch einen Fehler begangen? Nur, welchen? Sie hätte fast zu weinen begonnen: „Taishou, ich bitte Sie...“ Sie musste abbrechen, begann erneut: „Bitte, tadeln Sie mich, strafen Sie mich, schlagen Sie mich - aber ignorieren Sie mich nicht.“

Er drehte sich um: „Izayoi!“ Das hatte er wirklich nicht gewollt. Er hatte sich, seine Ehre und auch und vor allem sie schützen wollen, indem er sie mied: „Ich werde Sie nie schlagen. Und Sie haben auch keinen Fehler begangen. Was denken Sie nur?“ Da waren Tränen in ihren Augen: „Weinen Sie nicht,“ bat er fast. Er konnte es nicht ertragen wenn sie so unglücklich war – und das auch noch um seiner Handlung willen. Er musste es ihr wohl irgendwie erklären: „Nein, Sie haben keinen Fehler begangen. Sie sind eine vermutlich bessere Ehefrau als ich es verdiene.“ Ja, wie sollte er Jiros so streng erzogener Tochter sagen, dass er fast wahnsinnig wurde, weil er nicht einmal ihre Handgelenke sehen, geschweige denn küssen durfte? Vom Rest ganz zu schweigen?

Sie sah zu ihm auf, unsicher, ob sie das beruhigen oder beunruhigen sollte: „Taishou, ich...“ Wie sollte sie ihre Ratlosigkeit deutlich machen? Es war ihre Schuld, wenn ihr Ehemann nicht zufrieden war, nie die seine, so war sie erzogen worden: „Bitte, verzeihen Sie mir.“

„Was?“

„Dass...dass ich Sie nicht glücklich machen kann.“

„Wenn Sie das wollen: stehen Sie auf,“ sagte er heiser. Seine Selbstbeherrschung brach.

Sie gehorchte, fühlte sich nur Sekundenbruchteile später umarmt und an ihn gepresst, geküsst. Instinktiv schlug sie nach ihm und fand sich sofort frei. Er stand wieder am Fenster und sah hinaus, atmete schwer, als ob er versuchte sich zu beruhigen. „Taishou...“ brachte sie hervor, irgendwie erschreckt, aber auch hilflos. Was war nur los?

„Sie brauchen nicht zu weinen.“ Er atmete erneut tief ein: „Ich bin wieder ganz zahm.“ Mit gewisser Selbstironie fügte er hinzu: „Sie haben den Herrn der Hunde an die Kette gelegt.“

Izayoi starrte seinen Rücken an, die Fellteile, den Zopf - und dann begriff sie plötzlich. Sie hatte sein Wort, dass er sie nur mit ihrem Einverständnis berühren würde. Ging es etwa auch ihm so, dass diese wild tanzenden Schmetterlinge im Bauch da waren, wenn er sie ansah – so wie umgekehrt? War das alles nur ein Missverständnis, weil man sich eben nicht so kannte? „Taishou...“

Er wandte sich nicht um: „Ja?“

Es klang wieder ruhig. Irgendwie gab ihr das den Mut sich zu straffen und schlicht zu sagen: „Ich bitte Sie mich zu küssen.“

Da drehte er sich um und musterte sie für einen Moment genau. Aber als er sah, wie selbstsicher sie dastand, das feine Lächeln bemerkte, war es um ihn geschehen. Mit einem Satz war er bei ihr, legte die Arme um sie, und küsste sie. Zunächst behutsam, dann immer intensiver, als er seine Hände endlich, endlich in diesem so dichten Haar vergrub, die so lange gewaltsam zurückgehaltene Leidenschaft in ihm aufflammte.

Izayoi erschrak fast, als sie zum ersten Mal in ihrem Leben das Begehren eines Mannes spürte, das ihr galt, aber da die Schmetterlinge in ihr wieder tanzten war es doch wohl gut so. Sie fand den Mut ihre Hände zwischen sein Jackett und seine Fellteile zu schieben, über seinen Rücken zu streichen, was sofort damit beantwortet wurde, dass sie nur mehr fester an ihn gedrückt wurde.
 

Als er endlich – oder schon – den Kopf hob, atmeten beide schwer.

Er sah ihr in die Augen: „Izayoi...“ Seine Stimme klang rau: „Ich muss zugeben, ich würde die Sache zwischen uns lieber gleich in Ordnung bringen...Aber es liegt an Ihnen.“

Sie biss sich auf die Lippen: „Darf ich etwas fragen, ehe ich zustimme oder ablehne?“

„Natürlich.“

„Ich habe gehört, es tut weh...“

„Das erste Mal bei Menschenfrauen, ja, das hörte ich auch. Aber ich bin sicher, dass es nur kurz ist. Und ich kann Ihnen versprechen, dass ich mir Mühe geben werde es Sie vergessen zu lassen.“ Er hätte ihr in diesem Moment alles versprochen, den Höllendrachen und den Mond inklusive. Und stellte fest, dass er sich zurücknehmen musste, sich beruhigen musste. Im Augenblick hätte er über sie herfallen können – und das würde sie ihm und er sich selbst nie verzeihen. „Falls Sie mich in einer Stunde in Ihrem Schlafzimmer erwarten würden, würden Sie mich zum glücklichsten Mann der Erde machen.“ Und er sollte in dieser Zeit wirklich, wirklich kalt duschen.

„Ich werde Sie erwarten,“ hauchte sie, ehe sie förmlich aus dem Raum floh. Ihre Einkaufsliste war vergessen.
 

Inn ihrem Schlafzimmer erklärte sie etwas atemlos ihrer Zofe, dass diese frei habe – was die erfahrene Eri mit einem Schmunzeln beantwortete, natürlich erst, als sie die Fürstin verlassen hatte. Izayoi betrachtete ein wenig ratlos ihren Kleiderschrank. Was zog man denn nur zu so was an? Zuerst sollte sie wohl duschen, ja, genau, und dann....Ayame hatte ihr doch gesagt da ziehe man diese Dessous an...ja, das war es. Dieser Kouga war ja auch ein männlicher Youkai, da würde es schon stimmen. Und darüber den roten Kimono, den der Taishou ihr zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag geschenkt hatte. Das war bestimmt passend. Oder? Sie war sich doch schrecklich unsicher. Oh, fiel ihr unter der Dusche dann ein, sie musste ja wohl ihre Tür öffnen, damit er nicht annahm, sie mache einen Rückzieher, oder gar gezwungen wurde sie nochmals zu fragen ob sie ihn einließ. Das hatte er ja schon, aber er würde sich stets an sein Wort halten.

Ein wenig hektisch erledigte sie ihre Vorbereitungen, immer ein Auge auf die Uhr. Eine Stunde ging so rasch vorbei....Sie wusste natürlich, was passieren würde, Eliza hatte sie doch mehr aufgeklärt als es ihrem Vater Recht gewesen wäre, aber sie hatte sie nicht auf dieses Kribbeln und die Schmetterlinge vorbereitet.

Die äußere Tür!

Sie fuhr herum und ordnete irgendwie mit den Händen noch ihr Haar. Hatte sie es gebürstet? Sie wusste es nicht mehr. Aber jetzt war es zu spät. Ihr Herz raste förmlich, als sie ihren Ehemann vor ihrer Schwelle stehen sah, und sie verneigte sich eilig. „Ich...ich freue mich,“ sagte sie irgendwie. Er hatte keine Schuhe an und sie konnte zum ersten Mal sehen, dass er diese Krallen auch an den Zehen trug. Seine einzige Oberbekleidung bestand in seinen Fellen, die so natürlich aus seinen Schultern wuchsen wie ihr eigenes Haar aus dem Kopf. So konnte sie seine bloße Brust betrachten und fragte sich unwillkürlich, wie diese so menschenähnlich aussehende Haut sich wohl anfühlen würde. Die Schmetterlinge tanzten schon wieder ihren heißen Tanz.

„Die Freude liegt ganz auf meiner Seite,“ versicherte er ihr leise, ehe er den bislang verbotenen Raum betrat und die Tür schloss. „Sie sehen bezaubernd aus. Und ich sehe auch mit Freuden, dass Sie meinen Kimono angezogen haben...“ Er blieb stehen. Erst jetzt, als sie sich aufrichtete, erkannte er, dass sie offenbar nur diesen trug, nicht wie üblich mehrere Lagen. Und dass er so zum ersten Mal ihren Halsansatz, einen Teil ihres Dekolletés, sehen konnte. Überaus anregend. „Wirklich, eine nette Idee. - Haben Sie Angst?“ Zumindest war sie sehr aufgeregt, das verriet ihre Witterung.

„Nicht vor Ihnen,“ beteuerte sie hastig. Wie hatte sie damals bei ihrer Geburtstagsfeier gedacht? Ein vornehmes Raubtier kam langsam auf sie zu, sich seiner Beute sicher. Irgendwie war sie doch erleichtert, dass er vor ihr stehenblieb ohne sie sofort anzufassen.

Der Inu no Taishou hatte es seit Jahrhunderten nicht mehr mit einer unberührten Fürstentochter zu tun gehabt, aber er vermutete, dass sich die Youkai- und Menschenprinzessin, die ihn geheiratet hatten, in diesem Punkt nicht sonderlich unterschieden. „Nur vor der Sache an sich? Es ist ein für Sie neuer Weg, aber es ist ein Weg, den man nur zu zweit gehen kann. Wir werden voreinander lernen, heute und auch in Zukunft. Lassen Sie es sich einfach gefallen, geben Sie Ihren Gefühlen nach. Es gibt kein Richtig oder Falsch. Ich werde Sie jetzt küssen. Und das kennen Sie...“

„Ja...“ Sie schloss die Augen und bot ihm ihren Mund. Er war behutsam, also wäre es doch wohl eher angenehm als schmerzhaft. Sie sollte ihm vertrauen.
 

Später, ein geflüsterter Dialog im Dunkel:

„Wie hast du mich gerade genannt?“

„Oh. Verzeihung, oyakata-sama...ich ..ich dachte nicht nach...“

„Wie hast du mich genannt?“

„Anata.“

„Sag es noch einmal.“

„Anata.“

Anata, das zärtlichste „DU“ das die japanische Sprache zu bieten hatte, das einer Ehefrau für ihren geliebten Mann. „Sag es immer wieder. So hat mich noch nie jemand genannt..“
 

Am folgenden Morgen sagte Izayoi alle Termine außerhalb des Hauses wegen Kopfschmerzen ab. Nun, es war weniger ihr Kopf, als der Muskelkater in ihren Oberschenkeln und das Ziehen sonst wo, aber das musste ja niemand wissen. Eri, natürlich, denn ihre Zofe hatte das Bett bereits neu bezogen, sich jedoch wohlerzogen jeden Kommentar gespart.

Ehe er ging hatte der Taishou ihr noch erklärt, dass sie sich in ihrem Zimmer sicher fühlen könnte. Er würde sie nie ohne Anfrage quasi überfallen. Und das hatte sie doch erleichtert. Ihr war klar, dass sie ihm nach Youkairecht vollkommen ausgeliefert war, aber er machte keinen Gebrauch von diesen Rechten. Jedenfalls hatte er, wenngleich auf ihre schüchterne Nachfrage hin, ihr versichert, dass sie ihn sehr glücklich gemacht habe. Das freute sie doch, hatte sie kaum angenommen, dass Ahnungslosigkeit da ein guter Ratgeber wäre. Aber vermutlich hatte er Recht und sie lernte dazu. Auf jeden Fall war Ayames Tipp mit der schwarzen Spitzenwäsche gut gewesen. Er hatte förmlich nach Luft geschnappt, dann sanft gemeint, das sei eine sehr, sehr nette Überraschung.
 

Der Taishou sah sich in seinem Büro derart überfallen, dass er sich keinerlei Gedanken an die vergangene Nacht leisten konnte. Maseo erwartete ihn unangemeldet mit einer Akte unter dem Arm.

„Onigumo?“

„Onigumo,“ bestätigte der alte Wolfsyoukai. „Ich denke, wir haben ihn, oyakata-sama.“ Kouga hatte wirklich ganze Arbeit geleistet mit seinen Leuten. Er sollte seinen Enkel dafür belohnen. Manches an dem gefiel ihm nicht, wie die Tatsache, dass er ohne Heirat mit Ayame zusammenlebte, aber es waren eben andere Zeiten, auch bei Youkai, angebrochen. Und da musste er nur auf den Fürsten vor sich sehen, an dem noch deutlich die Witterung Izayois hing. Keine Frage, was der noch vor wenigen Stunden getrieben hatte. Nun, umso besser. Da würde er auch bei einem möglichen Fehler nachsichtiger sein. Vielleicht, denn eigentlich trennte der Taishou Privatleben und Herrschaft strikt.

„Kommen Sie mit, Maseo.“

In der Besucherecke knieten die beiden Youkai nieder. Maseo wartet das kurze Nicken ab, ehe er begann: „Onigumo ist ein Hanyou. Also solcher wird er einmal im Monat zu einem Menschen, der sich absolut unauffällig bewegen kann. Die Phantombildzeichner der Polizei haben gute Arbeit geleistet und ein Bild, das seiner Hanyougestalt ähnlich ist, nachgezeichnet. Es hängt überall aus. Des weiteren suchten wir alle Grundstücke ab, die er besaß oder besitzt, und stießen endlich auf ein Ferienhaus, das er vor Jahren kaufte, dann jedoch seiner Mutter überschrieb. Die Spinne wohnte da offensichtlich auch, starb jedoch. Das Haus wurde allerdings nie wieder auf ihn überschrieben, obwohl er es erbte. Vermutlich lief etwas schief oder er hat mit Geld nachgeholfen. Da sind die Kollegen von der menschlichen Polizei dran. Das Haus liegt im Wald, abseits der Autobahn, aber nahe genug daran. Und es handelt sich um die Autobahn zum westlichen Flughafen. Ein gewisser Akago hat dort vor vier Wochen einen Flug nach Singapur gebucht für morgen. Ein Mensch, allerdings ohne den üblichen zweiten Namen. Es wäre allerdings auch nicht aufgefallen, würden nicht Menschen und Youkai an den Flugplätzen in Alarmbereitschaft sein. Soll die Falle am Flughafen zuschnappen, oyakata-sama?“

„Nein.“ Der Taishou dachte nach: „Er ist mir zu raffiniert und auf einem Flughafen gibt es jede Menge potentieller Geiseln. Er hat bislang immer einen Plan B gehabt. Geben Sie mir die Adresse dieses Hauses. Ich werde mich selbst darum kümmern.“

Maseo dachte an das Höllenschwert und meinte unbehaglich: „Natürlich, wie Sie wollen. Hier.“ Er hatte es nur einmal in Aktion gesehen – bedauerlicherweise gegen ihn. Das war nichts, was er noch einmal bräuchte, und er fragte sich noch heute, warum der Taishou an ihm vorbeigezogen hatte. Jedenfalls schuldete er ihm sein Leben – denn ein Versehen war bei dieser Macht auszuschließen. „Hier ist die Adresse, und, wenn Sie mir gestatten, hier ist die Landkarte.“

„Gute Arbeit, Maseo. Danke. Auch an Ihre Mitarbeiter und Familie. - Ich bin dann einmal auf dem Weg in den Westen.“

Vater und Fürst

Onigumo warf seine Tasche mit dem wertvollen Kimono nachlässig auf den Beifahrersitz, als er, noch als Hanyou, das Auto aus der Garage fuhr. Das Haus hinter ihm war sorgfältig gesäubert, jede Spur Magie vernichtet, und würde in wenigen Stunden bis auf die Grundmauern niederbrennen. Sein Plan war schlicht und doch perfekt, seine Zeit genau durchkalkuliert.

Die Sonne ging bald auf und er würde zu einem Menschen werden. Wie er erhofft hatte, hatte niemand am Schalter des Reisebüros an dem Namen Akago Anstoß genommen. Niemand dieses Namens wurde gesucht und er hatte vor vier Wochen eindeutig menschlich ausgesehen. In vier Stunden wäre er eingecheckt und in fünf Stunden außer Landes. Sofort nach der Landung musste er zusehen, dass er den Flughafen verließ, da er sich mit dem Sonnenuntergang wieder verwandeln würde, aber das wäre dann gleich. Ehe ihn jemand erkannte und die Auslieferung anlaufen konnte, wäre er schon weiter. Singapur war eine Drehscheibe des Flugverkehrs und er würde eben erst einmal untertauchen.

Er fuhr den langen, verwilderten Feldweg vor zur Straße, als er stoppte. Etwas war da, zwischen den Bäumen vor ihm, außerhalb des Bereichs der Scheinwerfer. Es war mehr Instinkt als Vernunft, was ihn bewog auszusteigen, seinem unbehaglichen, ja, miesen Gefühl nachzugehen. Was war da? Selbst in der Nacht war vor ihm nur Schwärze zu erkennen, die sich jedoch bewegte. Es herrschte Stille, sogar die gewöhnlichen nächtlichen Geräusche des Waldes waren verstummt, als ob jedes Leben hier verschwunden sei. Auf den zweiten Blick bemerkte er auf dem Weg vor sich bläuliche Blitze, die hin und her zuckten. Wo auch immer diese Lichter die Bäume berührten, loderten die auf und wurden in einem Sekundenbruchteil zu Asche.

Youki, erkannte er plötzlich. Youki, dämonische Energie einer Macht, wie er sie sich nicht hatte vorstellen können, geschweige denn besaß. Da kam etwas auf ihn zu, jemand überaus Mächtiger. Und er musste nicht lange nachdenken, um zu wissen wer. Es gab nur einen Daiyoukai, einen Dämonenfürsten, den er kannte und der Grund hatte ihm zu zürnen. Er wollte sich umdrehen, laufen, aber er spürte entsetzt wie Ausläufer dieser dunklen Macht aus der Erde unter ihm drangen, sich brennend, schmerzend um seine Füße schlangen und ihn am Platz hielten. Er starrte in die Nacht. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Es tat weh und als er das aus der Schwärze erscheinende, sich bewegende Helle in der Dunkelheit vor sich entzifferte, erkannte er auch einen riesigen, weißen Hund. Er hätte gern geschrien, vor jäher Todesangst und Schmerz, aber das erwies sich als unmöglich, zumal das Youki sich immer weiter um ihn festigte, in ihn eindrang, sein eigenes förmlich verdrängte.

Entsetzt begriff Onigumo, dass eben das sein Ende werden würde. Zum einen konnte er ohne Youki nicht leben, aber er wurde doch in wenigen Minuten zu einem Menschen, wie sollte er da diesen Schmerz ertragen, diese Energie? Er brach nur mehr wimmernd in die Knie, konnte einzig und allein hilflos zusehen, wie sich der weiße Hund verwandelte, verkleinerte, und zu dem bloß scheinbar menschlichen Fürsten wurde, der seine Macht noch einmal bündelte und zu ihm sandte. Weitere Bäume gingen in Flammen auf.

Onigumo wollte um Gnade bitten, aber dieser Mann kannte keine. Nicht ihm gegenüber.
 

„Du hättest dich von Izayoi fernhalten sollen,“ sagte der Taishou kalt, während er zusah, wie der Hanyou mit dem Aufgang der Sonne zu einem Menschen wurde und damit endgültig keine Möglichkeit mehr hatte die Energie in und um sich zu überleben. So konnte er Izayoi sagen, dass er ihren Cousin nicht mit seinen eigenen Händen getötet hatte, wie sie es erbeten hatte. Das Höllenschwert hatte er nicht einsetzen wollen, um nicht diesen Abschaum als untote Seele bei sich dulden zu müssen – und aus Sesshoumarus Abenteuer kannte er das Spinnengift. So hatte er wohlweislich in Distanz bleiben wollen.

Er warf noch einen Blick auf den regungslosen, verkohlten Körper, ehe er scheinbar im Nichts verschwand.
 

Fünfzehn Minuten später stoppte ein Auto an dem Feldweg und die junge Fahrerin stieg aus. Ihre Kleidung verriet, dass sie eine Priesterin sein musste. Sie hatte die Flammen geschehen und starrte jetzt entsetzt auf das, was von einem Menschen übrig geblieben war. Kaum zu bezweifeln, dass der tot war. Wen sollte sie nur anrufen? Oder sollte sie ihn...da hinten war ein Haus...Sie beugte sich über ihn um ihn hochzuheben, ehe sie instinktiv fragte „Hallo?“

Entsetzt fuhr sie zurück als sich ein Auge öffnete.
 

Izayoi wusste, dass Onigumo tot war, ihr Ehemann hatte es ihr gesagt, allerdings hinzugefügt, die Klauen ein wenig erhoben: „Nicht hiermit.“ Sie war froh darum, da sie sonst doch jedes Mal, wenn er sie berührte daran hätte denken müssen. Andererseits war sie auch zufrieden, dass ihr Cousin keine Bedrohung mehr für sie darstellte.

So freute sie sich über den Ausflug nach New York, betrachtete neugierig die fremde Umgebung und genoss die ungewöhnlich viele Zeit und Zärtlichkeit, die sich der Inu no Taishou Tag und Nacht für sie nahm. Für sie, da war sie sicher, würde das immer die Stadt der Liebe bleiben.
 

Zurück zu Hause nahm sie ihre mittlerweile zur Routine gewordene Arbeit wieder auf, wunderte sich jedoch, dass sie wohl aus Amerika einen Virus verschleppt hatte. Als sie Eri davon erzählte, lächelte diese nur wissend – und legte ihr einen Tag später einen Schwangerschaftstest auf den Schreibtisch.

Izayoi starrte darauf: „Nein, das ist...das ist nicht möglich...“

„Nun, ich würde am Herrn nicht zweifeln.“

„Er...er sagte doch....es gehe nicht...“ Es sei lebensgefährlich für die Mutter als Mensch das Kind eines so starken Youkai auszutragen.

Fast erschrocken darüber, die junge Fürstin in Panik zu sehen statt erfreut, meinte Eri: „Nun, testen Sie. Wenn es nichts ist, sind Sie sicher. Und wenn es stimmt, reden Sie mit oyakata-sama. Wer, wenn nicht er, sollte Rat geben können. Und womöglich freut er sich.“

„Ja.“ Izayoi nahm sich zusammen. Sie sollte sich nicht irre machen lassen. Es konnte ja einem auch aus einem anderen Grund bei dem Geruch von Fleisch im Magen flau werden? Er hatte doch gesagt, dass Kinder bei Youkai so selten wären, warum sollte es bei ihr dann praktisch auf Anhieb funktioniert haben? Und noch dazu einen Hanyou, wo er doch gesagt hatte die Natur wisse es zu verhindern.
 

Zwei Stunden später starrte sie außer Fassung auf den zweiten blauen Strich, ehe sie sich langsam auf ihr Bett sinken ließ. Wenn sie keinen Fehler gemacht hatte...Oh, den hatte sie wohl gemacht, als sie nicht auf Verhütung geachtet hatte. Und was jetzt? Ohne weiter nachzudenken griff sie zum Handy, drückte die erste Taste: „Bitte, kommen Sie her...“ schluchzte sie.

Der Taishou war tatsächlich nur eine Stunde später zu Hause, aufgeschreckt durch den noch nie dagewesenen Anruf. Schweigend reichte sie ihm das Glasröhrchen.

Er war verwundert, sah und roch aber nur zu deutlich, dass sie erschrocken, ja, fast verzweifelt war: „Würden Sie mir das erklären?“

„Ich...ich bin schwanger.“

Er setzte sich neben sie und umarmte sie, etwas hilflos, was sie jetzt von ihm erwartete: „Ich sollte sagen, das mich das freut, nicht wahr? Sind Sie sicher? Ist dieser Test sicher? Warum weinen Sie?“

„Ja. Ziemlich hundertprozentig, sagte Eri.“ Sie legte den Kopf an seine Schulter: „Was soll ich nur machen? Sie sagten doch keine menschliche Frau könne eine solche Schwangerschaft mit Ihrem Kind überleben!“

Er verwünschte seine Ehrlichkeit: „Ja, das habe ich gesagt. Aber da wusste ich eine Tatsache noch nicht: dass Sie kein reiner Mensch sind. - Hören Sie mir zu und schließen Sie Ihr erstauntes Mäulchen. Unter Ihren Vorfahren sind eine ganz nette Reihe kaiserliche. Und, wie Ihnen bekannt ist, stammen alle Kaiser von der Sonnengöttin ab. In Ihren Adern fließt auch Genki. Darum reagieren Ihre Haare auch mit meinem Youki, wie Sie sich entsinnen werden. Sie sind kein reiner Mensch, besitzen eine gewisse göttliche Magie und ich glaube, dass es darum gegangen ist. Ihr Körper würde sich sonst wehren oder gewehrt haben. Fürchten Sie sich nicht. - Ich vermute nur, es dürfte schwer werden einen Arzt zu finden, der sich mit einem menschlichen Körper, Genki und Youki bei einer Schwangerschaft auskennt, aber ich werde mein Bestes tun ihn zu finden.“

„Ich weiß.“ Sie war beruhigt. Doch, das klang alles so logisch. Es würde schon gut gehen und sie ein kleines Mädchen oder sogar einen Sohn zur Welt bringen. Ob das dann auch ein kleiner Welpe war oder eher ein richtiges Baby? Sie fragte nach.

„Das weiß ich nicht.“ Der Taishou klang nachdenklich: „Ich denke, eher menschlich. Es ist ja Ihr Kind. Bei einem menschlichen Yater und einer Inuyoukai als Mutter mag das dann andersherum sein, aber ich kenne keinen derartigen Fall.“

„Hanyou sind....nicht gerade beliebt bei Menschen oder Youkai, nicht wahr?“

Vorsicht, dachte er nur. „Ich würde sagen das hängt davon ab, wer die Eltern sind. Und natürlich, was der oder die Hanyou selbst aus sich macht. Wenn Sie an Ihren Cousin denken – er war ein durchaus erfolgreicher Geschäftsmann, aber er war ein rücksichtsloser Verbrecher. Und das hatte nichts damit zu tun ob er ein Mensch, ein Hanyou oder ein Youkai war, sondern mit ihm selbst.“ Aber sie hatte recht. Er müsste Vorbereitungen treffen. „Haben Sie Lust am Wochenende mit mir aufs Land zu fahren. In einer abgelegenen Region, an einem Vulkan, lebt ein alter Freund von mir. Ein gutes Stück können Sie noch mitgehen, dann werden die Hitze und die giftigen Dämpfe es Ihnen unmöglich machen. Sie müssten auf mich warten. - Er ist ein Youkai, ein Schmied, und ich vermute der genialste, den es je gab.“ Toutousai müsste sich beeilen. Er benötigte in mehr als absehbarer Zeit ein Schwert, das in der Lage wäre das Youki des Ungeborenen zu kontrollieren, dieses und seine Mutter zu beschützen. „Auf jeden Fall schonen Sie sich in den nächsten Wochen.“

Sie musste doch lächeln: „Anata, ich bin schwanger, nicht krank....Ja, ich werde auf mich aufpassen. Ich komme gern mit Ihnen, gleich wohin.“

„Myouga wird bei Ihnen bleiben, wenn es für Sie zu heiß wird.“
 

Am folgenden Morgen erzählte der Taishou seinem Ältesten die Neuigkeit, die der mit regungslosem Gesicht hinnahm. Natürlich hatte er gehofft, dass es zu keinem derartigen Unfall kommen würde, aber ebenso hätte er niemals an den Fähigkeiten seines verehrten Vaters gezweifelt. Und immerhin – ein Hanyou, selbst männlich, könnte nie die Herrschaft über alle Youkai erben. Es gab keinen Konkurrenten. Wäre es ein Mädchen wäre die Sache sowieso erledigt. So rang er sich zu einigen formellen Gratulationsworten durch. Ob er Mutter davon erzählen sollte? Aber zum einen wäre sein Vater vermutlich erbost, dass er ihm vorgegriffen hatte, zum zweiten hatte sich seine Frau Mutter auch nicht mehr bei ihm gemeldet, seit er ihr berichtet hatte, dass Izayoi ebenso gestraft wurde. Sie hatte da sowieso eigen reagiert. Wüsste er nicht, wie sie war, so hätte er geglaubt ein unterdrücktes Lachen gehört zu haben.

Allerdings war Sesshoumaru mehr als verwundert, sein Vater an einem Schrein halten ließ – nun, genauer, der Schrein, in dem diese Mesalliance stattgefunden hatte.

„Warte kurz,“ befahl der Taishou, als er den alten Priester im Vorhof entdeckte. „Guten Morgen, Miyatsu.“

„Guten Morgen, Ratsmitglied.“ Der Priester verriet durch nichts, dass ihm etwas unwohl war einen so mächtigen Dämonen auf dem Schreingelände zu sehen. War etwas mit Izayoi? „Was kann ich für Sie tun?“

„Ich möchte dort hinein.“ Und da der Youkaifürst bemerkte, dass er angestarrt wurde: „Ich möchte beten.“

„Das kann ich Ihnen kaum verwehren. Gehen Sie nur. - Ist etwas mit der Kleinen, ich meine, mit der Fürstin?“

„Sie erwartet ein Kind.“

Ein Hanyou, also. Na, ob das gut gehen würde? Die Macht der Eltern vererbte sich bei Youkai – und dieser Daiyoukai war ganz sicher der mächtigste, der herumlief. Miyatsu nickte nur: „Dann meine Glückwünsche, auch an Izayoi. Bitte – hier.“ Da konnte ein Gebet sicher nicht schaden.
 

Der Inu no Taishou griff in sein Jackett und nahm ein Feuerzeug heraus, bevor er sich im Schrein verneigte und Räucherstäbchen anzündete, sie als eigene, bescheidene Opfergabe darbot, ehe er sich auf die Knie begab und zum ersten Mal in seiner so langen Existenz inbrünstig eine Bitte an die Mächte der Gegenseite richtete, um das Leben seiner Frau und seines Kindes flehte.
 

Etwas Warmes, ja, Heißes, lief über sein Kreuz, aber als er herumfuhr war niemand da. Später, im Büro, ließ er von Myouga seinen Rücken betrachten – eine eindeutig weibliche Hand hatte sich rot, wie eine Verbrennung, abgezeichnet. Es war bereits wieder am Heilen, aber er nahm es als Zeichen, dass seine Bitte erhört worden war. Allerdings wartete er nun auf den Preis. In seinem ganzen Leben hatte er gelernt, dass man nichts geschenkt erhielt. Und auch für Izayoi und das Baby würde er bezahlen müssen. So war es immer schon gewesen.

Dennoch geschah Monate nichts und er wagte es sich daran zu freuen, dass er das Youki des Kindes immer deutlicher spüren konnte, und Izayoi immer mehr an eine glückliche Zukunft glaubte.
 

Dann kam der Drache. Auch in Menschenform noch immer eine Gestalt, der auf den Straßen die Leute auswichen. Aber er erklärte er sei ein Bote und so wurde er in das Bürohaus vorgelassen, wo er – für jemanden seines Volkes ungewöhnlich – sich tief vor dem Taishou verneigte und sich auf die Knie niederließ.

Genau das machte den Youkaifürsten stutzig: „Du hast eine Nachricht.“

„Zwei. Mein Herr erlaubt sich anzuzeigen, dass er, Ryuukossusei, der neue Gebieter meines Volkes ist.“

Auch das noch, dachte der Taishou. Von den beiden Söhnen des nun sicher verstorbenen Drachenfürsten der, der Youkai und vor allem ihn hasste. „Ich vermute aus langer Kenntnis des nunmehrigen Drachenfürsten, dass er der einzige Überlende seiner Familie ist.“

„So ist es. - Meine zweite Nachricht an Sie lautet: stellen Sie sich am Neumondtag des ersten Wintermonats um die Mittagszeit zum Kampf im Tal der Mondjuwelen.“

Eine Herausforderung zum Duell? War Ryuukossusei jetzt endgültig wahnsinnig geworden, und das im rein medizinischen Bereich? Schon lange hatte es keine Kämpfe mehr gegeben, dessen Vater hatte aus gutem Grund sich nicht mit dem Höllenschwert anlegen wollen. Dann jedoch rechnete er die Zeit um – und fluchte unhörbar. Das war um die Tage, in denen Izayoi das Baby bekommen sollte. Dieser vermaledeite zu groß geratene Wurm wusste offenkundig davon. Nun, die Sache war einfach: nahm er nicht an, würden die Menschen und Youkai sich mit verheerenden Drachenangriffen auseinandersetzen müssen. Das würde jede Menge Blut kosten, was er als Schutzherr nicht zulassen konnte. Aber er müsste Izayoi in ihrer schweren Stunde vermutlich allein lassen, oder auch nur kurz nach der Geburt. Der Fürst oder der Familienvater. Es gab keine Alternative für ihn. War das der Preis, den er für das Leben seiner Frau und seines zweiten Kindes zahlen musste? Ein Tod im Duell? Das wäre immerhin ehrenhaft. Er sagte nur: „Ich werde dort sein.“

„Ich werde es ausrichten, Anführer der Hunde.“
 

Der Taishou wartete bis der Drache die Stadt verlassen hatte und ihm das bestätigt worden war, ehe er Saya zu Sesshoumaru schickte und den um Zeit bat. Ein wenig besorgt tauchte der Sohn unverzüglich im Arbeitszimmer des Konzernherrn auf. Gespräche außerhalb der festen Zeiten verhießen immer Ungutes.

Er hörte die Neuigkeit und sah auf: „Er weiß es, verehrter Vater.“

„Ja. Und mich würde interessieren, wer ihm derart detaillierte Kenntnisse verschaffen konnte. Ich vermute durchaus, dass es ihm Vergnügen bereiten würde, könnte ich mein zweites Kind nie sehen.“

„Ich werde die vertrauenswürdigsten Krieger im Haus auf einen Spion ansetzen, menschliche oder Youkai. Auch Maseo, verehrter Vater?“

„Der genaue Geburtszeitpunkt sollte mein Haus nie verlassen haben. Also suche erst dort. - Noch etwas. Das Tal der Mondjuwelen liegt weit im Norden. Ich werde selbst in der Hundegestalt zwei Tage benötigen.“

Sesshoumaru hob ein wenig die Brauen: „Kein Youkitunnel?“

„Keine Kraftverschwendung vor einem Duell gegen einen Drachen. Er ist sehr stark und ich vermute, dass er auch zu einem guten Teil das Höllenschwert parieren kann, sonst wäre diese Herausforderung Selbstmord. Überdies ist nicht gesagt, dass es keine Falle ist und noch andere Drachen mit von der Partie sind.“

„Soll ich Sie begleiten?“

„Nein. Du bist der Erbe von dem allem hier und der Erbe der Youkai. Es soll nicht alles nutzlos sein, was ich erschaffen habe. - Allerdings, wenn ich gehe, solltest du aus dem Haus vorübergehend ausziehen. Es ziemt sich nicht, dass ein junger Mann allein so nahe an einer werdenden Mutter ist.“

„Zum Schutz: die Krieger bleiben jedoch da.“

„Sie wohnen draußen.“

„Ja.“ Irrte sich Sesshoumaru oder wollte sein Vater auch nur den Hauch von Eifersucht vermeiden? „Sie halten das Duell für schwierig,“ ergänzte er jedoch nur.

„Er hat seinen Vater und seinen Bruder getötet. Gegen die kämpfte ich schon. Ja, es wird schwer. Nicht unmöglich, aber schwer.“ Er zögerte einen Moment: „Falls ich verliere wird Izayoi als Fürstin Fukuwara für das Kind agieren können. Aber es benötigt auch unter den Youkai einen Vormund. Ich möchte, dass du das übernimmst.“

Der kaum erwachsene Inuyoukai atmete tief durch, ehe er schlicht sagte: „Ich werde die Vormundschaft übernehmen, mein Herr und Vater, und das Kind schützen bis es volljährig ist.“

Der Taishou nickte. Mehr konnte er nicht verlangen. Es blieb zu hoffen, dass sich sein Erstgeborener über die Jahre so an einen möglichen Halbbruder gewöhnen würde, dass der sich nicht am Tage seiner Volljährigkeit einem tödlichen Duell gegenübersah. Bei einem Mädchen bestand die Gefahr weniger. „Gut. In einem solchen Kampf kann ein Mann keine Ablenkung gebrauchen, nicht einmal den Gedanken an die Familie.“

„Ich verstehe.“ Es war in der Tat heimtückisch von diesem Drachen sich quasi den Geburtstag eines Kindes auszusuchen um den Vater abzulenken: „Darf ich meine Mutter von diesem Duell in Kenntnis setzen?“

„Das werde ich selbst tun.“
 

Den zukünftigen Kampf Izayoi beizubringen übernahm der Taishou ebenfalls selbst. Da sie in Tränen ausbrach, sagte er: „Ich bin ein Fürst und Sie stammen aus einer solchen Familie. Sie wissen, dass ein Fürst viele Rechte hat, aber auch die Pflicht, die eine große, manchmal so schwere, Pflicht, alle Untergebenen zu beschützen. Was, glauben Sie, würde passieren, wenn die Drachen einen Angriff auf nur ein Dorf machen, von einer Millionenstadt ganz zu schweigen?“

„Ich weiß,“ flüsterte sie, sich zusammennehmend, wie sie erzogen worden war: „Und Sie besitzen auch ein mächtiges, magisches Schwert. Verzeihen Sie, ich werde nicht mehr weinen.“

Er umarmte sie und küsste sie fast andächtig auf den Mund. Er würde ihr nicht sagen, was Myouga inzwischen über das Tal der Mondjuwelen berichtet hatte. Es handelte sich um einen weiten Kessel mit Bergen darum herum, scheinbar eine natürliche Arena. Aber der Erdboden war trügerisch, nur eine Kruste. Schon bei einem Angriff mit Youki, geschweige denn einer Attacke mit dem Höllenschwert, würde diese Kruste brechen und die Kämpfer in rotglühendes Magma stürzen. Unmöglich zu überleben. Ryuukossusei wusste das. Er hatte nie vorgehabt sich dem Höllenschwert zu stellen. So würde es ein Duell Drache gegen Youkai geben, Mann gegen Mann, rohe Kraft gegen rohe Kraft.

Ryuukossusei

Der Taishou trabte die letzten Meilen in seiner Hundeform zum Tal der Mondjuwelen um seine Kräfte zu sparen. Er würde pünktlich ankommen und er bezweifelte nicht, dass ihn Ryuukossusei bereits ausgeruht erwartete. Da sollte er aufpassen.

Zum letzten Mal dachte er an seine Gemahlinnen. Die Eine, die ihm nach nüchterner Youkaiart telefonisch schlicht einen guten Kampf gewünscht hatte, die Andere, die ebenso selbstbeherrscht nur gesagt hatte, sie hoffe, er kehre zurück ehe das Baby kommen würde. Doch, er konnte stolz auf sie beide sein. Sesshoumaru würde inzwischen schon in seinem Büro sein und dort bleiben, bis er selbst zurück war, um jeden Anschein einer Annäherung zu seiner Stiefmutter zu verhindern. Er hatte nur gefragt: „Wollen Sie wirklich allein gehen, verehrter Vater?“

Jetzt jedoch sollte er seine Gedanken von seiner Familie auf den bevorstehenden Kampf und seinen Gegner richten. Der Drachenherr war sicher niemand, der auch nur einen Fehler ignorieren würde. Er hatte bereits gegen Drachen gekämpft, auch gegen starke, aber nie zuvor war es mit einem schlauen Plan verhindert worden, dass er das Höllenschwert einsetzen konnte – ob er es wollte war ja dahingestellt. Ryuukossusei war einfach...Nein, das dachte ein Youkaifürst nicht einmal.
 

Er erreichte die nur scheinbaren Berge um einen gewaltigen Talkessel. Der ehemalige Krater war mit Gras bewachsen, kleinere Büsche standen dort unten. Hätte Myouga nicht so sorgfältig wie immer recherchiert, hätte er in der Tat angenommen, der Vulkan sei erloschen, das fester Boden. So aber wusste er, dass es nur abgekühlte Lava war, in eine hauchdünne Schicht Humus verwandelt, darunter lag das Magma. Rund um ihn war noch dichter Wald, aber er erkannte, dass er - oder eher sein Youki – bemerkt worden war, denn ein großer Drache schlängelte sich von der gegenüberliegenden Seite in den Krater. So trat auch er vor, sich zeigend, ehe er seine menschliche Form annahm um reden zu können. Drachen konnten das, dank ihres zweiten Gesichts auf der Stirn, auch in ihrer Echsengestalt.

Der Drache ringelte sich zusammen: „Wie schön, den Herrn der Hunde mal in der Klemme zu sehen. Los!“

Für einen Moment glaubte der Taishou das sei eine Aufforderung zum Duell, ehe er den Pfeilregen bemerkte, der von zwei Seiten auf ihn niederging – brennende Pfeile. Aus langer Kampferfahrung reagierte er instinktiv, wehrte mit den gepanzerten linken Arm einige der Pfeile ab, die nur scheinbar harmlos darin steckenblieben, das Metall jedoch aufheizten, während er mit der Rechten das Schwert von seinem Rücken zog.

Eine Falle, in der Tat.

Und er war hineingefallen. Er musste sich diese offensichtlich menschlichen Pfeilschützen schleunigst vom Hals schaffen, sonst würde er hier jämmerlich im Feuer zugrunde gehen. Gegen so viele Angreifer und auch Feuer war selbst ein starker Youkai irgendwann wehrlos.

Ohne weiter nachzudenken überließ er sich seinem Zorn und aus der Klinge seines Schwertes stiegen schwarze, rauchähnliche Gestalten, die sich zu Drachenköpfen formten. Ein weiterer Regen aus brennenden Pfeilen traf ihn schmerzhaft, ließ seine Haare und seine Fellteile glimmen, die Seide seiner Hose schmoren, ehe er sich um die eigene Achse drehte, es seiner höllischen Waffe überließ nach den verborgenen Seelen seiner Angreifer zu suchen.
 

Als die Aufschreie rasch endeten, wandte er sich keuchend wieder dem Krater zu, versuchte mit der Linken seine Kleidung und Haare einigermaßen zu löschen. Zu seiner negativen Überraschung erkannte er, dass die Drachen den Zeitraum genutzt hatten. Während sie menschliche Bogenschützen vorgeschickt hatten um ihn abzulenken und zu schwächen, warteten nun drei Drachen unten auf ihn. Glaubten sie etwa er würde sich auf einen Nahkampf mit gleich drei von ihnen einlassen? Narren. Auch, wenn er nicht gewusst hätte, dass er das Höllenschwert dort unten nicht einsetzen konnte...

Eiskalt durchfuhr ihn die Erkenntnis: keiner der Drachen dort unten war Ryuukossusei.

Mehr als nur EINE Falle für ihn. Jahrhunderte als Heerführer und Krieger ließen ihn die bittere Wahrheit erkennen. Der Drachenfürst hatte ihn nicht einmal angelogen, als der sagte, er fordere ihn zu einem Kampf hier und jetzt. Er selbst hatte nur naiverweise angenommen, dass es sich um ein ehrbares Duell handeln sollte. Die Frage war jetzt, was dieser mordlustige Lindwurm vorhatte, wie er ihn treffen wollte, einen möglichst schmerzhaften Schlag, selbst wenn er selbst das hier überleben sollte.

Izayoi und das Kind!

Und er höchstpersönlich hatte Sesshoumaru in das Geschäftsviertel der Stadt geschickt. Selbst, wenn der zurück eilen würde, würde es dauern. Darüber hinaus mochten seine Youkaikrieger eine gewisse Anzahl sein, kampferprobt, aber gegen eine Drachenbande anzukommen war schwer, zumal ohne Führung.

Sein Anwesen lag am Rande einer Berglandschaft, weil er die Natur gern nahe wusste, ja, auch gern dort auf dem felsigen Hügel die Landschaft betrachtet hatte, die anwachsende Stadt, ehe die Hochhäuser die Sicht verbargen. Das bedeutete aber leider auch, dass die Drachen durch den Wald herankommen konnten, ohne von Mensch oder Youkai bemerkt zu werden, ehe es zu spät war.

Er musste zurück! Er war bereits zwei Tage abwesend, zwei Tage, in denen sonst etwas passiert sein konnte...

Mit einem gewaltigen Satz entkam er gerade noch den Feuerkugeln der Drachen, die seine Geistesabwesenheit bemerkt und unverzüglich angegriffen hatten.

Jetzt reichte es ihm wirklich.

Der Höllendrachen seines Schwertes würde diese drei Drachen wahrlich in die Hölle schicken, wenn er den Krater dort öffnete: „Gokuryuuha!“ Und ihr Herr hatte sie bewusst geopfert, ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gesagt, was dort unter ihnen lauerte, sobald sie im Vulkantrichter waren.

Der Boden im Kessel riss auf, als die schwarze Wolke aus Energie und Staub heranwirbelte, Bäume und Sträucher wie Spielzeuge mit sich nahm. Mit einem Aufschrei stürzten die Drachen in die rotglühende Tiefe. Immerhin musste er sich um ihre Körper nicht kümmern, dachte der Taishou, nur rasch um die der Menschen. So schob er das widerstrebende Schwert zurück in die Scheide auf dem Rücken. Mit jedem Toten war es schwerer zu kontrollieren, wollte der dunkle Geist darin den seinen beherrschen.
 

Er hatte jedoch keine Zeit mehr, er musste nach Hause. Die Reise zurück als Hund dauerte zu lange, also blieb nur der Weg, den ihm Sesshoumaru bereits für den Hinweg vorgeschlagen hatte: ein Tunnel aus Youki. Das würde ihn ziemlich schwächen, da das einen enormen Energieverbrauch darstellte, aber er musste seine Familie, seine Leute, schützen, gleich, was Ryuukossusei plante, gleich, was ihn das selbst kosten würde.
 

Er hatte schon lange keinen derartigen Tunnel erschaffen und fast vergessen wie mühsam das selbst für einen Daiyoukai war. Als er oberhalb des Anwesens, noch immer in seiner Hundegestalt, aus den Schatten trat, erstarrte er. Unter ihm lag sein Haus – und eindeutig hatte ein Überfall stattgefunden. Die Garagen brannten, er erkannte tote Menschen und Youkai in dem verwüsteten äußeren Garten, aber auch einen toten Drachen. Gegen einen Zweiten hielten sich dort hinten seine Krieger. Warum sie sich dem Dritten nicht näherten, der sich bereits im inneren Garten befand, hatte einen Grund, den er anhand der hinter diesem auf seinem Weg liegenden Toten identifizieren konnte – das war Ryuukossusei höchstpersönlich und seine Leute hatten gegen den so keine Chance, zu viele waren an ihm gescheitert. Aber warum zögerte dieser verdammte Lindwurm das offenbar ungeschützte Haus anzugreifen? Izayoi befand sich sicher dort drin, vermutlich hatten sich auch menschliche Dienerinnen hinein geflüchtet. Dann erkannte er den Grund: zwischen dem Drachenfürsten und dem Haus stand ein großer, weißer Hund.

Sesshoumaru! Wie kam der her? Aber es war nur zu gut....

Er musste seinen Leuten und seinem Sohn zeigen, dass er hier war – und auch den Drachen. Langjährige Erfahrung als Heerführer ließ ihn wissen, was Vertrauen und Furcht bei einem Kampf anrichten konnten. So heulte er kurz in den Himmel, ehe er mit gewaltigen Sätzen hinunter in den Garten sprang, auf Ryuukossusei und den weißen Hund zupreschte, die unwillkürlich zu ihm blickten. Im nächsten Moment erkannte er seinen Denkfehler. Das war nicht sein Sohn sondern seine Youkaigemahlin – noch überraschender SIE hier zu sehen, aber nun war auch klar, warum der so mächtige Drache sichtlich mit seinem Angriff auf sie gezögert hatte. Der Taishou sah neben ihr noch Schwärze verblassen. Sie hatte ihre magischen Fähigkeiten und die der Kette, die er ihr zur Geburt Sesshoumarus geschenkt hatte, eingesetzt, einen direkten Weg in die Unterwelt geöffnet. Und das war sicher nichts, was der Lindwurm erleben wollte. Sie blutete allerdings schon und schien sichtlich froh, dass er da war.

Ohne zu zögern griff er an und versuchte seine Zähne in den ungeschützten Bauch des Reptils zu schlagen. Dieses wich aus, nur, um im selben Moment von der Hundedame in den Schwanz gebissen zu werden.
 

Das war das, von dem der Youkaifürst Izayoi erzählt hatte und warum solche Ehen nie aufgelöst werden konnten. Jeder der Beiden besaß einen Anteil des Youki, der Lebensenergie, des Anderen. Man konnte den Partner nicht anlügen, nicht im Stich lassen, und man verstand sich wortwörtlich blind, wie es nun der Herr der Drachen zu spüren bekam, der sich plötzlich gegen zwei riesige Hunde in der Defensive sah.
 

Ryuukossusei kam nicht mehr dazu sich aufzurichten und die gefürchteten Feuerkugeln aus seinem Maul zu schleudern, war er doch viel zu sehr damit beschäftigt seinen ungedeckten Bauch vor den Zähnen der Angreifer zu schützen, sich hin und herzuringeln. Aber ihm war bewusst – und das musste es seinen Gegnern auch sein - dass sie diese schnellen, wenngleich doppelten, Attacken nicht lange durchhalten konnten. Der Taishou zeigte Verletzungen, Brandwunden, auf dem weißen Fell, was verriet, dass die Falle zugeschnappt war. Überdies hatte dieser törichte Hund sich mittels eines Portals herbegeben, eine unglaubliche Energieverschwendung, die dem jetzt die Niederlage bescheren würde. Denn auch dessen Ehefrau war bereits angeschlagen, das wusste er selbst nur zu gut. Einige Male hatte sie seine Energiekugeln einstecken müssen, das hatte er gesehen, aber auch die Brandwunden zeigten es. Allerdings hatte sie ihn mit diesem netten kleinen Trick wirklich kalt überrascht. Beim Zuschnappen auf sie hatte er erst im letzten Moment bemerkt, dass das nicht ihr eigenes Youki war, das sich da neben ihr befand sondern schlicht der Eingang zur Unterwelt. Woher auch immer sie das konnte. Daher hatte er leider vorsichtiger sein müssen und das Haus noch nicht zerstören können. So konnte er nicht sagen, bedauerlicherweise, ob die zweite Frau des Taishou von ihm oder seinen Untergebenen schon gefressen worden war, oder noch im Anwesen darauf wartete. Egal. Er musste sich nur noch kurz verteidigen, dann würden bei einem der Daiyoukai die Kräfte nachlassen – der war leichte Beute und der zweite dann auch.
 

Die Hundedame gab zu erleichtert zu sein, dass ihr Gefährte eingetroffen war, rechtzeitig und lebend, wie sie es erhofft hatte. Es war eine fatale Falle gewesen und nur ihre Eigenart protokollgerecht handeln zu wollen, hatte sie hier sein lassen. Nun ja, auch gewisse Neugier auf diese zweite Frau, nach dem Anruf ihres Sohnes vor Monaten, aber das sollte sie selbst rasch wieder vergessen. Sie allein hatte gegen diesen Ryuukossusei nicht besonders gut ausgesehen, aber immerhin die Stellung halten können – und die Krieger motiviert auf die anderen beiden Drachen loszugehen. Ein Daiyoukai war eben ein Daiyoukai, gleich, ob männlich oder weiblich, und auf der eigenen Seite positiv. Aber auch ihr Partner kam aus einem Kampf, war sichtlich angeschlagen, und dieses Portal aus Dämonenenergie musste selbst ihm außergewöhnlich zugesetzt haben. Allerdings bemerkte sie, dass er etwas vorhatte, und suchte sein Youki in ihr. Was nur plante er?
 

Der Taishou wusste, dass sie beide fast ausgebrannt waren und einen Kampf der rohen Gewalt, Kraft gegen Kraft, Schnelligkeit gegen Schnelligkeit, nicht mehr lange durchhalten würden – und dass der Drachenherr das wusste. Aber ein Narr war, wer annahm, er würde immer nur geradeheraus kämpfen, Kriegslisten kannte er auch.

Und es wäre wahrlich töricht gewesen Ryuukossusei umzubringen,. Man musste ihn unschädlich machen.

Da war der Hügel...die Felswand hinter dem Anwesen...

Er griff wieder an, suchte die direkte Konfrontation. Sollte der Drache doch annehmen er sei verzweifelt. Er wusste, dass seine Gefährtin ihm vertraute und früher oder später durch diese unnennbare Verbindung die Sache begriff.

Ja, genau, Ryuukossusei..schlängele dich weiter Richtung Berg, dachte er nur.
 

Der große Drache bemerkte plötzlich, dass sie ihn nun immer frontal angriffen. Wollten sie verhindern, dass er sich aufrichten konnte? Fürchteten sie doch so sehr seine Feuerkugeln? Sein Schwanz berührte etwas und er riskierte einen raschen Seitenblick. So, so. Sie hatten ihn gegen die Felswand am hinteren Grundstücksteil getrieben. Wollten sie ihn verjagen? In die Wälder schicken? Wie naiv konnten solche Youkai sein? Ein Drache wich nie vor einem Gegner zurück – schon gar nicht, wenn das Futter so verheißungsvoll nahe war. Dann würde er eben diese zwei Daiyoukai auch fressen. Alles, was er noch tun musste, müde, wie sie sichtlich waren, war sich aufzurichten und ein oder zwei Feuerkugeln aus seinem Maul setzen.

Oh, der Taishou schien schon fast am Ende seiner Kräfte, denn momentan griff nur noch das Weibchen an, versuchte seinen Bauch zu beißen. Mit gewissem Geringel bemühte sich der Drache ihr das zu erschweren, richtete sich mit der gleichen Bewegung aber mit offenem Maul auf. Brachte er den Anführer um, würden sich alle Youkai ihm unterwerfen und die Menschen waren hilflos. Das gäbe ein jahrelanges Festmahl. Millionen dieser Krabbelwesen bevölkerten inzwischen Japan.
 

Endlich, dachte die Hundedame müde, als sich der Drache vor ihr aufrichtete, wagte aber nicht ihre Ablenkungsangriffe zu stoppen. Er durfte den Plan nicht mitbekommen, oder eher erst, wenn es zu spät war. Der Inu no Taishou hatte diese Pause benötigt um sein noch vorhandenes Youki zusammenzuziehen, sie konnte es spüren – Ryuukossusei hoffentlich achtete nicht darauf. Sie musste ihn weiter ablenken, damit ihr Gemahl ihn töten konnte.

Wieder daneben gebissen. Und sie wurde wirklich erschöpft. Die Abwehr des Drachen, der Schutz des Hauses, das Herbeizwingen des Jenseitsportals hatte sie unglaubliche Energie gekostet. Lange würde das nicht mehr gut gehen. Wo steckte eigentlich ihr Sohn? Der musste doch mitbekommen, was hier ablief? Solche Youkimengen waren weit zu spüren – und er sollte niemand sein, der einem Kampf aus dem Weg ging. Hatte dieser Drache etwa für jeden der Familie Fallen gelegt und auch ihr Einziger steckte in Problemen? Dann sollte, musste sie sich zusammenreißen, nicht nur für ihren Gemahl und Fürsten sondern auch für ihren Sohn. Erneut griff sie an.
 

Endlich, dachte auch der Taishou. Er spürte, wie niedrig das Youkilevel seiner Gemahlin bereits war, nun, nicht, dass es ihm besser erging. Der Tunnel hatte unglaublich gezehrt. Es würde nur diese eine Chance geben, diesen einen Angriff durch ihn – und er konnte bloß hoffen, dass der Drachenfürst zu spät mitbekommen würde, was er plante. Noch während Ryuukossusei vor dem Biss seiner Gattin weg zuckte, ließ er alle Energie, die er noch besaß, aufflammen und griff seinerseits den Drachenfürsten an.
 

Dieser rechnete mit einem Angriff gegen die Kehle und duckte unwillkürlich vor den gefletschten Zähnen weg. Erst dann registrierte er, dass das Maul an ihm vorbeiging – aber die linke Klaue sich tief in seine Brust schlug.

Das tat weh, aber was sollte der Unsinn? Daran starb kein Drache...

Mist.

Es war keine tödliche Verletzung, so war sie nicht einmal gemeint gewesen, sondern handelte sich um eine ungeheuer starken Bannkreis. Sein Bewusstsein schwand. Das Letzte, das er mitbekam war, wie diese Hündin den Bann nur noch verstärkte, und er wusste sie würde lächeln.
 

Der Taishou fuhr herum und verwandelte sich in seine Menschengestalt, als er sah, dass seine Krieger inzwischen den zweiten Drachen besiegt hatten. Die Ursache stand neben ihnen: Sesshoumaru. Der hatte bemerkt, was hier ablief, und hatte nicht gezögert gegen den Befehl doch herzukommen. Gut gemacht. Er bemerkte, dass sich seine Gemahlin ebenfalls verwandelte: „Ich erwarte dann Bericht von Ihnen und ihm,“ sagte er noch, ehe er losrannte, in das Anwesen: „Izayoi?“ Es hatten dort draußen auch menschliche Tote gelegen. Teilweise angefressen. Bitte nicht! „Izayoi?“ Er hastete in den Trakt der Fürstin. Alles hier war leer und schweigend. „Izayoi?“ Ihre Schlafzimmertür stand halb offen und er konnte einen fürchterlichen Geruch wahrnehmen: nach Blut, Schweiß, Tränen, nach Angst und Schmerz. „Izayoi?“ Er stürmte förmlich hinein und erstarrte.

Sie lag regungslos auf ihrem Bett, die Augen geschlossen, nur mit einer Seidendecke geschützt, die mit Blutflecken übersät war. Neben ihr, unter ihrer Hand, lag ...Tessaiga?!

„Izayoi!“ brachte er nur mehr hervor und ließ sich neben ihr nieder, berührte behutsam ihr Gesicht. War er zu spät gekommen?

Sie öffnete die Augen.

Er war nur erleichtert, dass sie lebte, und merkte erst daran, dass sie vorsichtig nach seiner Wange suchte, dass sie wohl an eine Halluzination glaubte. So nahm er ihre Finger und drückte sie an sein Gesicht: „Izayoi!“
 

Er war da, war endlich gekommen...und er lebte. Trotz der Pfeile in seiner Rüstung, trotz des Blutes an seiner Hand, seiner Kleidung. Irgendwie schaffte sie es mit der anderen Hand die Decke zurückzuschlagen, um ihm das zu zeigen, was sie darunter verbarg und noch immer beschützen wollte.
 

Der Inu no Taishou starrte auf weiße Haare, winzige spitze Ohren oben auf dem Kopf, als sein Blick einen anderen traf, der ihn so sehr an seinen eigenen gemahnte. Behutsam löste er seine Hand von der der jungen Mutter. „Das Baby...“ hauchte er, ehe er doch neugierig weiter hinabsah: „Ein Sohn...“
 

„Die Fürstin Fukuwara benötigt zu trinken und ein Bad. Überdies viel Ruhe, mein Herr und Gebieter,“ meinte eine kühle Stimme von der Tür aus: „Und jemand sollte die Nabelschnur durchtrennen.“

Der Taishou war mehr als überrascht seine erste Gemahlin hier zu sehen, geschweige denn mit dieser, doch für sie ungewöhnlichen, Anteilnahme. Sie schätzte Menschen nicht im Mindesten. Er bemerkte, dass auch Izayoi fast ungläubig beiseite guckte, sichtlich überlegte, wer das sei. „Inu Yasha.“ Das ließ beide Frauen zu ihm blickten. Daher ergänzte er, damit das Baby in die Familie aufnehmend und als seinen Sohn anerkennend: „Der Name des Kindes ist Inu Yasha.“

Die Hundedame nickte nur und sagte: „Ich schicke Dienstboten.“
 

Während sie das Haus verließ, sah sie sich kurz um. Niemand hier drin, weder Youkai noch Menschen. Sie empfand etwas, das sie zu ihrer eigenen Überraschung als bitteren Zorn erkannte. Sie hatte ihren Sohn geboren, in einem sicheren Schloss, umgeben von Dienerinnen, die ihr jeden Wunsch von den Lippen ablasen, Heiler und Hebammen. Und dennoch hatte sie beschlossen das nicht unbedingt ein zweites Mal durchleben zu wollen. Diese Mutter hatte – nun, soweit sie wusste, eher schwerer, da es sich um schwache Menschen handelte, - ihr Kind allein, vollkommen allein, zur Welt gebracht, begleitet von den Schreien Sterbender, Kampfgeräuschen und dem Wissen gefressen zu werden. Und sie hatte immer noch ein Schwert in der Hand gehalten. Nun, ohne Grund hatte ihr Gemahl sie wohl auch nicht geheiratet. Dennoch. Nein. Keine Frau sollte derart eine Geburt durchleiden müssen.

Sie ging auf ihren Sohn zu, der sich soeben die Berichte der Wachen anhörte, Verluste abfragte.

Sesshoumaru, nur zu vertraut mit der Art der Hundefürstin, sah seitwärts und verneigte sich lieber. Da war jemand wirklich aufgebracht. „Verehrte Mutter?“ Hatte er einen Fehler begangen, in dem er Vaters Befehl nicht gehorcht hatte? Oder eben dadurch, dass er zu spät bedacht hatte, dass diese Youkimengen von Zuhause kamen? Mutter zeigte ungewohnte Flecken auf ihrer weißen Boa: Blut und Verbrennungen. Das würde heilen, aber...

„Wer hatte heute Dienst bei der Fürstin Fukuwara?“

Das wurde ja immer befremdlicher, dachte der junge Inuyoukai, wohlweislich mit unbewegtem Gesicht. Nicht mehr: die zweite Gemahlin deines Vaters oder die Menschenfrau, die unser Herr zu sich emporgehoben hat? „Eri, ihre Zofe, ein Mensch, und Ayame, eine Wolfsyoukai.. Ich sehe diese dort hinten.“

Das Mensch mochte geflüchtet sein, aber die Youkai war fällig: „Ich will sie sprechen.“

Das war ein klarer Befehl und so schickte Sesshoumaru eilig nach Maseos Enkelin, die kam und sich hastig verneigte. Da war etwas schief gelaufen, das konnte sie spüren. Hatte sie nicht gut genug gekämpft?

„Dein Befehl lautet an die Fürstin Fukuwara.“ Die Stimme der Youkaifürstin erinnerte an frisch polierten Stahl unter dem Nordlicht einer Arktisnacht. „Was tust du hier?“

„Ich...ich wollte das Haus beschützen, oyagata-sama.“ brachte Ayame hervor, zumal auch Sesshoumaru mehr als aufmerksam wurde.

Bei allen Sternen, dachte der. Wenn Izayoi gestorben war, oder auch nur das Kind, aufgrund eines Fehlers der Wachen, ergo, aufgrund seines Fehlers als deren Vorgesetzter, war Mutters Zorn nur das Vorspiel. Vater würde gnadenlos sein. „Du bist als Leibwächterin zugeteilt,“ sagte er daher, ähnlich kalt wie seine Mutter: „Das bedeutet, du bist die letzte Linie für Angreifer. Was trieb dich hier heraus statt bei der Fürstin Fukuwara zu sein?“

Ayame erkannte, dass ihre ehrliche Antwort – da waren Drachen und ich wollte gegen die immer schon mal kämpfen, überhaupt, richtig kämpfen – nicht gut ankäme: „Ich wollte sie ja beschützen...“

„Geh,“ sagte die Hundedame kühl: „Und besorge der Fürstin Fukuwara zu trinken, wasche sie lauwarm ab und sorge dafür, dass sie ungestört ist, eine Dienerin erhält. Des Weiteren besorge einen menschlichen Arzt für deine Herrin und eine Hebamme aus dem Schloss für Inu Yasha.“

„Inu Yasha?“ Sesshoumaru warf ihr einen schrägen Blick zu.

„Du hast einen Halbbruder, ja. - Auf was wartest, du, Wölfin? Ab!“

Ayame eilte in einem Tempo davon, das ihrem Verlobten Kouga alle Ehre gemacht hätte.

Inu Yasha


 

F

ast sechs Stunden später sah sich Izayoi erwachend in ihrem Zimmer um. Ihr Bett war neu bezogen – wann war das geschehen? - und alles aufgeräumt, eine ältere, menschliche Frau kniete neben ihr, eine rothaarige Youkai im Eck, ein kleines rotes Bündel auf einem großen Kissen vor sich nicht aus den Augen lassend. Eine zweite Youkai lehnte an der Tür, in Rüstung und bewaffnet.

Sie hob den Kopf.

„Vorsicht, Fürstin,“ bat eilig die Dienerin neben ihr und stützte sie „Geht es Ihnen schon wieder so gut?“

„Inu Yasha...“ flüsterte Izayoi. Allein das tat weh. Sie tastete über ihre Lippen. Sie waren noch immer rau und eingerissen, ihre Kehle schmerzte aber nicht mehr so. Diese Frau kannte sie irgendwoher, aber wer war die bei ihrem Kind?

„Ja, natürlich. Yasui, die Herrin wünscht den Prinzen zu sehen. - Oh, Izayoi-sama, mein bescheidener Name ist Akina, wenn Sie sich zu erinnern belieben. Yasui ist Hebamme. Die Fürstin ließ sie aus dem Schloss kommen.“

Die Fürstin? Izayoi entsann sich einer sehr schönen, eleganten Dame mit einer weißen Boa um die Schultern, die an ihrer Tür gestanden und gesagt hatte, sie kümmere sich um die Dienstboten. DAS war die erste Gemahlin des Taishou? Warum war sie hier und...

Alles wurde unwichtig, als die Youkai ihr das Bündel vorsichtig reichte und sie das Lächeln des Kleinen sah. Inu Yasha. Sein Vater hatte ihn anerkannt, ihm einen Namen gegeben, und das Wichtigste – sie alle hatten diesen schrecklichen Tag überlebt.

„Ich möchte Sie bitten, Izayoi-sama, ihn anzulegen,“ meinte die Hebamme. „Soweit mir gesagt wurde, möchten Sie ihn selbst stillen. Sonst müsste ich eine Amme kommen lassen.“

„Nein, das...das mache ich allein.“ Sie hatte den Kleinen schon gestillt, gleich nachdem sie ihn mit ihren letzten Kräften zu sich gezogen hatte. Er sollte doch leise sein, keinen herlocken. Sie spürte, dass die Dienerin sie hochhielt, die Youkai nur kurz kontrollierte, dann sie ebenfalls stützte. So fragte sie doch: „Eri?“

„Das wissen wir nicht, Izayoi-sama,“ gestand Akina: „Einigen Menschen gelang die Flucht vom Gelände. Ich kann nur sagen, dass sie nicht unter den Toten war.“ Und bislang nicht gefunden wurde.

Izayois Blick glitt über ihr Bett: „Das Schwert?“

„Oyakata-sama hat es an sich genommen, als Sie schliefen.“ Leiser Tadel klang aus diesen Worten. Aber nun ja, natürlich hatte der Herr nichts im Zimmer einer Wöchnerin verloren, aber ebenso war das ein derart fataler Tag gewesen, dass wohl alle Sitte der Notwendigkeit zu weichen hatte. Überdies: wer würde einem sichtlich zornigen Youkaifürsten widersprechen? „Er fragte, warum es hier sei, aber niemand konnte ihm Antwort geben.“

Nein, natürlich nicht. Zwei Tage zuvor, der Taishou hatte soeben das Grundstück verlassen, war ein alter Youkai erschienen, grünlich, mit fast kahlem Kopf und hatte nach ihm gefragt. Sie hatte ihn empfangen, da er versicherte den Auftrag des Herrn für sie dabei zu haben, und er hatte ihr Tessaiga übergeben. Das Schwert, das ihr Kind und sie beschützen sollte. Sie hatte es verwundert genommen und gefragt wie, aber er hatte nur gemeint, sie solle es immer bei sich tragen. Als dann....sie zögerte daran zu denken, aber nach ihren Erfahrungen mit Onigumo und den Ratschlägen Dr. Kagawas wusste sie, dass es nur gut war sich zu stellen, ...als die Katastrophe da war, alle nur mehr schreiend rannten und sie selbst spürte, wie die Wehen sie überfielen, hatte sie Tessaiga bei sich behalten. Nicht, weil sie annahm ein Schwert zu benötigen oder gar führen zu können, sondern einfach, weil das das Einzige war, was sie im Moment außer ihrem Baby besaß, das Einzige, was ihr von der Zuneigung ihres Ehemannes zeugte. Sie hatte sich in ihrer Kindsnot an den Griff geklammert, sich so gewünscht, es sei SEINE Hand, dass sie fast geglaubt hatte er sei bei ihr, sie könne sein Youki spüren, sie wärmend und schützend. Aber das würde sie niemandem je erzählen.

Yasui sah zu der Tür: „Mariko, sage doch oyakata-sama, dass die Fürstin Fukuwara erwacht ist. Er wollte Nachricht haben.“

Die bewaffnete Youkai an der Tür drehte sich wortlos um und verschwand.

 

Der menschliche Arzt wartete noch immer darauf entlassen zu werden, aber er vermutete, das konnte er noch lange warten. Das Rats – und damit Regierungsmitglied war überaus erbost gewesen, dass es möglich gewesen war sein Anwesen zu überfallen, seine Leute zu töten, ja, seine Frau in Lebensgefahr zu bringen. Er selbst hatte noch nie einen Mann gesehen, dem Krieger vorsichtig den offensichtlich schweren Panzer und die Armschoner abnahmen, die vor Pfeilen starrten, der sichtlich verwundet und geschwächt war – und noch immer Angst vor dem empfunden. Auf den seltsamen weißen Schulterfellen hatten schwarze Flecken und Brandgeruch von anderen Verletzungen gezeugt. Und der Sohn und Erbe des Hauses hatte nur schweigend neben seinem Vater gekniet, irgendwie geknickt.

Er selbst hatte dem Ratsmitglied zwar nach Messung von Blutdruck und rascher Kontrolle versichert, dass Izayoi-sama jung und gesund sei und auch die Belastung einer derartigen, durch Schock ausgelösten, Sturzgeburt überstehen könnte, aber noch immer durfte er nicht gehen.

Ein Blick aus dem Fenster verriet ihm, dass draußen aufgeräumt wurde, die Toten beseitigt wurden. Ja, das würde sicher noch ein Nachspiel haben. Drachen. Sie hatten schon nur mehr als Wesen aus den Sagen gegolten, aber nach dem, was dem Taishou heute Nacht herausgerutscht war, schützten die Youkai, genauer, schützte er die Menschen als seine Vertragspartner auch vor diesen.

 

Er fuhr herum und verneigte sich eilig tief, als er sah wer eintrat, deutlich erholter – aber noch immer irgendwie zornig wirkend. Der dunkelrote Kimono verbarg wohl die Verletzungen jetzt, auch, wenn die Felle wieder weiß aussahen. Auch die Bewegungen wirkten noch etwas steif. Vermutlich hatte der Patient noch Schmerzen – das Ratsmitgllied.

„Die Fürstin Fukuwara ist erwacht,“ sagte der Hausherr kurz angebunden: „Kommen Sie, Dr. Nakamura.“

Hoffentlich ging es ihr gut, dachte der Arzt. Er hatte das dumpfe Gefühl, dass im Zweifel er ab jetzt für alles verantwortlich gemacht werden würde.

Sollte der Zorn des Taishou doch die Drachen treffen! Er ahnte nicht, dass er in diesem Moment ein neues Sprichwort erfunden hatte.

 

Als sie die beiden Männer in der Tür stehen sah, entfuhr es Akina: „Dies ist ein Geburtszimmer....“ ehe sie sich lieber verneigte. Da lag etwas in den Augen des Herrn, das sie nie zuvor gesehen hatte. Nun ja, als er das Schwert geholt hatte.

„Ich bin mir dessen bewusst,“ erklärte der Youkaifürst knapp: „Izayoi, das ist Dr. Nakamura. Er wird Sie noch einmal untersuchen. Wie fühlen Sie sich?“

„Danke,“ sagte sie leise. Reden schmerzte noch immer: „Ich bin nur müde. - Haben Sie...Inu Yasha...schon gesehen? Er hat sich auch sehr erholt.“

Der Taishou verstand den dezenten Hinweis und trat zu Yasui, die ihm das Baby auf Knien höflich darbot, und nahm es. Tatsächlich schien sich der Kleine von der Überraschung innerhalb weniger Stunden geboren worden zu sein gut erholt zu haben. Er lächelte ihn sogar an. Das Youki war kaum zu bemerken, was nicht daran lag, dass er keines besaß. Tessaiga war nun in ihm versiegelt. Erst mit seiner Volljährigkeit würde es Inu Yasha auch benutzen können. Der Hundefürst wandte den Kopf.

Der Arzt hatte Izayois Blutdruck gemessen, jetzt lehnte sie weitere Untersuchungen ab, indem sie ihn zurückschob. So sagte er selbst besorgt:

„Meine Liebe, Sie sollten sicher gehen.“

„Machen Sie sich keine Sorgen. Ich bin nur noch müde. Jetzt sind Sie ja wieder da.“

Der Taishou war durchaus angetan, bemerkte allerdings die Blicke der Anderen im Raum: „Sie haben doch nicht daran gezweifelt? Das wäre wenig schmeichelhaft für mich. - Ruhen Sie sich aus. Heute Abend sollten Sie an einer kleinen Geburtstagsfeier Inu Yashas teilnehmen. Nur die engste Familie, keine Sorge.“

Also wäre auch diese schöne Youkaidame dabei. Die war sicher kaum schon abgereist. Oh je. Gegen die würde sie immer wie eine Vogelscheuche aussehen, zumal so erschöpft, so....Sie musste sich irgendwie adrett herrichten, Haare waschen, baden. Und schlafen.

Der Taishou drückte seinen Sohn in die Arme der Pflegerin, ehe er sich neben seiner Frau niederkniete: „Es ist nur eine kurze, aber wichtige, Formalität,“ versicherte er und strich über ihre Wange: „Sie können sich sonst ausruhen.“ Ein winziges Lächeln, das dennoch seine Fangzähne zeigte: „Ich bin stolz auf Sie.“ Sie hatte ihre Schlacht allein geschlagen, tapfer, wie es kaum ein Krieger vermochte. Er begriff durchaus, dass ihr das den Respekt seiner ersten Gemahlin eingetragen hatte. Diese besaß mehr innere Größe als mancher vermutete. Und Eifersucht lag ihr nicht. Es war allerdings nur dem Protokoll geschuldet gewesen, dass sie hergekommen war. Jemand aus der Familie sollte die Geburt bestätigen, somit bezeugen können, dass kein Kind untergeschoben worden war. Und da weder er selbst noch Sesshoumaru da waren, hatte sie pflichtbewusst dies übernehmen wollen – und war auf gleich drei Drachen getroffen. Sein Sohn dagegen hatte offensichtlich dafür eine Strafe erwartet gegen den Befehl gehandelt zu haben, da er sich nur schweigend vor ihn gekniet hatte, aber er hatte ihm erklären können – und müssen – dass es die Pflicht eines Heerführers wäre, und eines jeden, der das werden wollte, sich den Gegebenheiten anzupassen und auf sie zu reagieren. Blinder Gehorsam schade nur. Sein Ältester wurde wirklich erwachsen.

Izayoi sah ihn ein wenig irritiert an, ehe sie verstand, dass es ernst gemeint war. Er, der mächtigste aller Youkai, der Fürst, und war stolz auf sie, eine einfache Menschenfrau. So lächelte sie nur, bat dann jedoch: „Wenn Sie etwas von Eri wissen, sagen Sie es mir?“

„Ja.“ Er hoffte, das kurze Zögern war ihr nicht aufgefallen. Die Toten waren soweit identifiziert, die geflohenen Menschen zurück, aber es fehlten noch immer vier oder fünf, darunter Eri. Leider hatte er durchaus Grund zu der Annahme, dass die Fehlenden direkt von den Drachen verschlungen worden waren. „Aber wir haben sie bislang nicht gefunden. - Schlafen Sie noch ein wenig, Izayoi. Akina wird Ihnen alles bringen, was immer Sie möchten. Yasui sieht nach Inu Yasha und Mariko sorgt dafür, dass Sie nicht gestört werden.“

„Ayame?“

Er befand, dass sie nicht zu sehr mit Sitten und Regeln der Youkai belastet werden sollte. Ayame hatte das mehr als zweifelhafte Vergnügen eines intensiven Straftrainings mit seinem Sohn, nein, seinem ältesten Sohn. „Sie hat Pause. In wenigen Tagen wird sie wieder bei Ihnen sein.“

Sie atmete auf, dass zumindest eine ihrer doch vertraut gewordenen Personen gefunden und am Leben war: „Danke.“ Irgendwie gelang es ihr ihr Gesicht in seine Klaue zu schmiegen. Er war wieder da, das Baby war gesund: das zählte.

Sie vertraute ihm, obwohl er sie allein gelassen hatte. Der Taishou spürte eine nie gekannte Wärme in sich aufsteigen. Sie einzig vermochte dies. „Bis heute Abend. Ruhen Sie sich aus.“ Die Sanftmut in seiner Stimme verschwand als er sich erhob und mit einem raschen Blick durch den Raum sagte: „Dr. Nakamura, Sie können gehen, halten sich aber zur unbedingten Verfügung. - Akina, du bist mir für das Wohlbefinden der Fürstin verantwortlich. Yasui, du für das meines Sohnes, Mariko, für beider Sicherheit.“

Die Angesprochenen verneigten sich lieber nur.

 

Am Abend schickte der Taishou nach der jungen Mutter samt Kind. Izayoi hatte darauf gewartet und sich gebadet, ihre langen Haare fast stundenlang bürsten lassen und mit Sorgfalt ihre Kleidung ausgesucht – sechs Lagen Kimono waren eigentlich zu wenig für eine Fürstin, aber es hatte ja geheißen es sei ein quasi familiäres Zusammentreffen. Da sie mit Sicherheit auch die Hundedame sehen würde, hatte sie darauf verzichtet den Kimono anzuziehen, den ihr der Taishou zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag geschenkt hatte und der sie über die letzten Monate doch sehr intensiv begleitet hatte. Sie hätte sich zwar sicher gefühlt darin, aber was, wenn ihr Vater recht gehabt hatte, das ein Geschenk für die Verlobte war – und die erste Gemahlin des Fürsten das als Provokation verstehen würde? Inu Yasha war in ein weißes Tuch eingewickelt, aber er trug noch immer eine winzige rote Kleidung, die Jagdkleidung eines Adeligen in Mittelalter oder auch die eines zweiten Sohnes, wie ihr Yasui erklärt hatte, als sie offenkundig zu verwundert auf die Garderobe des Kleinen gestarrt hatte. Daraus hatte sie geschlossen, dass es doch ziemlich zeremoniell zugehen würde.

Mit ihrem Baby im Arm ging sie in das so genannte Wohnzimmer, begleitet von der sehr schweigsamen Mariko. Ayame redete ja manchmal zu viel, aber sie hoffte sie käme bald zurück. Eine Youkai als Wächterin, die definitiv gar nichts sagte, war auch etwas nervtötend.

Ein Krieger schob die Tür beiseite und sie verneigte sich auf der Schwelle bereits tief vor ihrem Ehemann, etwas graduell weniger vor dem Erben des Hauses und der Fürstin. Ja, diese trug noch immer das blaue Kleid mit der nun perfekt weißen Boa und sie war froh sich rötliche Stoffe ausgesucht zu haben.

Der Fürst hob die Hand: „Setzen Sie sich bitte uns gegenüber.“ Die drei Youkai befanden sich nebeneinander.

Izayoi kam sich fast ein wenig wie eine Angeklagte vor, aber er hatte ihr doch gesagt, es sei eine kurze, aber wichtige, Zeremonie. So war es wohl unter dieser Art üblich. Als sie sich niederließ, noch immer Inu Yasha fest im Arm, bemerkte sie durchaus, dass die Hundefürstin sie musterte. Aber sie zwang sich höflich zu Boden zu sehen.

Der Taishou blickte beiseite: „Sesshoumaru hat mittlerweile die Berichte erhalten, Izayoi.“

Der Youkaiprinz sagte knapp: „Zu dem, was Sie betrifft, Izayoi-sama: Eri wurde bislang nicht gefunden und es steht zu erwarten, dass sie es auch nicht mehr wird. Zwei Gärtner, ein Elektriker und eben Eri fehlen. Die Drachen haben sie sicher gefressen.“

Während Izayoi nur stumm nickte, dachte sie, dass sie eine solche Nachricht noch vor einem Jahr in Tränen hätte ausbrechen lassen. Aber zu viel war geschehen, zu viele Menschen waren gestorben: Vater, Takemaru, ihre eigenen Erlebnisse mit Onigumo...Alles hatte eigentlich mit der Trennung von ihrer Erzieherin begonnen..

Sie wusste es nicht, aber bei den drei Youkai kam ihre Haltung gut an. So fuhr Sesshoumaru fort: „Inzwischen ist auch bekannt, dass eine an sich unbedeutende Menschenfrau des Putzpersonals bestochen wurde den Geburtstermin des Kindes...Inu Yashas, den Drachen zu sagen. Natürlich ist sie tot.“

Izayoi wagte es einen fragenden Blick zu ihrem Ehemann zu werfen, ehe sie wieder auf ihr Kind sah. Hatte er...?

„Das sollte uns lehren niemanden aus den Augen zu verlieren, gleich, wie unbedeutend und namenlos er erscheinen mag. - Drachen,“ sagte dieser daher: „Ryuukossusei noch dazu. Niemand überlebt, der sich mit ihm einlässt.“

„Eingelassen hat,“ warf seine Youkaigemahlin sanft ein: „Mein Gebieter. Ich denke doch, dass Ihr Bannkreis ihn schlafen lässt. Wobei...“ Sie brach lieber ab. Man verlangte keine Erklärung von einem Fürsten für seine Entscheidungen oder sein Handeln. Und Neugier ziemte weder einer Youkai noch gar einer Fürstin.

Der Taishou nickte, sah aber zu seiner menschlichen Ehefrau: „Das wissen Sie noch nicht, Izayoi: hinten im äußeren Garten hängt der Drache an der Felswand. Keine Sorge, es ist ein sehr guter Bannkreis. Betrachten Sie es als skurrile Gartendekoration. - Warum ich ihn nicht tötete, meine Teure? Ich dachte, es wäre offensichtlich. Er lebt, also können die Drachen keinen neuen Fürsten wählen. Das wiederum bedeutet, sie sind führerlos und werden sich mit Angriffen gegen Youkai und Menschen zurückhalten.“ Beide Frauen verneigten sich stumm als Dank für die Erklärung. „Jetzt zu der Formalität. Geben Sie mir meinen Sohn, Izayoi.“

Seltsamerweise spürte Sesshoumaru bei diesen Worten einen Stich. Warum, dachte er dann. Es stimmte einfach und es brachte nichts gegen Tatsachen aufzubegehren. Er war der Älteste, der vollblütige Youkai, der Erbe, daran konnte das Baby nichts ändern.

Der Taishou betrachtete das Kind in seinem Arm. Diese Haare: weiß wie seine und dicht wie Izayois, die Augen, die eines Youkai, Krallen und Fangzähne. Nun, er hätte beim schlechtesten Willen diesen Jungen nicht verleugnen können. Aber jetzt war etwas anderes wichtiger: „Ich habe Inu Yasha einen Namen gegeben, ihn als meinen Sohn anerkannt. Nun nehme ich ihn in die Youkaigesellschaft auf. Er untersteht dem Gesetz der Youkai, aber auch deren Schutz. Für den Fall, dass ich nicht in der Lage sein sollte ihn zu seiner Volljährigkeit zu begleiten, solltest es du, als sein großer Bruder, tun.“

Sesshoumaru wusste, was von ihm erwartet wurde. Mit gewissem Zögern nahm er den Kleinen. Er hatte noch nie ein Baby in den Händen gehabt, stellt aber fest, dass der nicht so fragil war wie befürchtet. Nun ja, er hatte ja vor Vaters Expedition zu den Drachen schon zugesagt, dass er diesen Hanyou bis zu seiner Volljährigkeit beschützen würde. Und immerhin: der hatte nur Tessaiga bekommen, nicht das Höllenschwert. Überdies stand zu erwarten, dass Vater eine derartige Missachtung seiner Wünsche ihn teuer bezahlen lassen würde. Diese Augen...Es kam ihm vor, als ob er in einen Spiegel sehen würde, obwohl das Halbblut natürlich weder die Ohren noch die Markierungen der wahren Youkai besaß. Und jetzt lächelte er ihn an. Warum? „Ich werde, in dem überaus unwahrscheinlichen Fall, dass Sie nicht dazu in der Lage sein werden, mein Herr und Vater, Inu Yasha bis zu seiner Volljährigkeit begleiten und ihn ausbilden.“ Diese winzigen Fangzähne, diese weichen Ohren, kleine Krallen, die sich unbewusst in die Seidendecke schlugen... Warum dachte er plötzlich an Akemi? Er schrak fast zusammen, als die Hundefürstin kühl meinte:

„Du kannst Inu Yasha seiner Mutter zurückgeben, mein Sohn. - Verehrter Taishou, ich möchte eine Bitte an Sie richten.“

Dieser stutzte. Er kannte sie seit Jahrhunderten und solche Eröffnung bedeutete meist eine Überraschung: „Nun?“

Izayoi bemerkte den forschenden Blick der Youkaidame auf sich und wagte es den Kopf zu heben, zurück zu sehen. Rangfolge hin oder her, aber sie war auch nicht irgendwer.

„Das Einverständnis der Fürstin Fukuwara vorausgesetzt würde ich Sie bitten, mein Gebieter, sie und Inu Yasha für einige Wochen in Ihrem Schloss im Westen Gast sein zu lassen. Der Garten hier und auch einiges am Haus muss saniert werden, in meinen Augen kein passender Aufenthalt für eine junge Mutter mit Welpen.“

Der Youkaifürst überlegte flüchtig wann er das letzte Mal derart überfahren worden war, sah jedoch zu Izayoi: „Das Schloss befindet sich im Westen, auf einer Ebene. Es ist gut geschützt und ich bin sicher das Personal ist aufmerksam.“ Oh, da konnte er bei dieser Schlossherrin drauf schwören. Es war nur mehr als erstaunlich, dass sie Fürstin Fukuwara sagte, und nicht: Ihre menschliche Frau, dass sie diese Einladung überhaupt aussprach. Hatte es nicht immer geheißen, man solle mehrere Gemahlinnen nie zusammen lassen? Dass das eine Falle für Inu Yasha oder auch Izayoi sein sollte war auszuschließen. Gast war Gast – überdies war ihr sicher klar was ihr blühte, wenn den Beiden unter ihrem Dach etwas zustieß. Immerhin starrte auch Sesshoumaru seine Mutter an als sähe er sie zum ersten Mal. Das war folglich nicht abgesprochen: „Ich würde eine Reise dorthin durchaus befürworten, aber das liegt bei Ihnen, meine Liebe. Sie können auch in die Strandhütte oder sonst wohin.“

 

Izayoi war keine Närrin und begriff, dass ihr mit dieser Einladung ein außerordentliches Privileg zugestanden worden war. Eine Ablehnung stand außer Frage. Warum nur war die erste Frau ihres gemeinsamen Ehemannes so freundlich zu der Menschenfrau, die sie als Konkurrentin sehen musste, ja, als Youkai und Mensch verachten musste? Aber sie verneigte sich tief und wohlerzogen: „Ich danke Ihnen, auch im Namen meines Sohnes, für die freundliche Einladung, oyagata-sama.“ Die Anrede an eine weibliche Fürstin, nur korrekt bleiben: „Und ich danke Ihnen, Taishou, für die Genehmigung.“

„Dann reisen wir morgen früh, falls Sie nichts dagegen haben, unser Herr und Gebieter.“ Die Hundedame wartete höflich das kurze Nicken des Fürsten ab. Sie respektierte Izayoi für ihren Mut, aber sie hatte auch einige wesensähnliche Züge erkannt. Sie waren beide Prinzessinnen, perfekt erzogen ihre Gedanken und Gefühle zu verbergen. Sesshoumaru würde noch lernen müssen in dem Kleinen keinen Konkurrenten zu sehen. Wer allerdings, außer einem jüngeren, nicht erbberechtigten, Bruder, durch solche Frauen erzogen, könnte ihm einst die bedingungslose Unterstützung geben, die er brauchte? Aber, das lag in der Zukunft.

Morgen ging es mit diesem lärmenden Hubschrauber in das Schloss zurück – und die Fürstin Fukuwara sollte keinen Grund finden an ihrer Gastfreundschaft oder auch nur der Höflichkeit ihres Personals zu zweifeln.

 

Izayoi sah in die Runde, dann zu Inu Yasha. Sie lächelte ihn sanft an, was er erwiderte. Er würde nie einsam sein, da war sie nun sicher. Auch, wenn sie als schlichter Mensch kürzer leben würde als ein Youkai oder Hanyou – er hatte einen Vater, einen großen Bruder, eine Stiefmutter, die auf ihn aufpassen würden. Ja, jetzt konnte sie wirklich beruhigt sein. Ihr Sohn und sie wurden behütet.

So verneigte sie sich noch einmal tief.

 

 
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Izayoi muss offenbar über Nacht erwachsen werden.

Das nächste Kapitel heisst denn auch: Takemaru Setsuna. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Preisfrage: will jemand mit Takeo tauschen ?
Im nächsten Kapitel beginnt der Ball und Izayoi beginnt zu lernen...


bye

hotep Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Im nächsten Kapitel tanzt Izayoi also mit ihrem Cousin und dem Hundefüsten: Tanz mit dem Teufel. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Reizend, wie Mensch, Hanyou und Youkai miteinander umgehen. So höflich – und zumindest einige davon denken an den Fukuwara-Konzern.
Im nächsten Kapitel kommt es auch prompt zu Nachforschungen der Herren untereinander – und Izayoi packt aus. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Izayoi mag also weiße Hunde, jeder der vier Männer um sie lernt was über den anderen...im nächsten Kapitel kommt es zu „Gesprächen“. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ach ja, Prinzessin?
Das nächste Kapitel zeigt Zukunftspläne. Sehr unterschiedliche. Und einer den anderen ausschließend.

bye

hotep Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Fürst Jiro ist nicht ganz so untadelig wie er gern hätte? Am "Sonntag" sehen wir weiter... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Jetzt ist eine Runde Nachdenken angesagt... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel bringt: Schlechte Neuigkeiten.
Onigumo, z.B, erfährt das dunkelste Geheimnis Takemarus...

bye

hotep Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel ist Fürst Jiro gewidmet und seinen Fehlern – und Onigumo entdeckt einen kleinen Fehler in seinem eigenen Plan.

hotep Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Im nächsten Kapitel lernen einige Leute Izayoi kennen... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Drei Männer um Izayoi....sollte sie sich freuen?
Das nächste Kapitel bietet: Die Erbin. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Äh...was?
Das nächste Kapitel dreht sich um Mensch, Hanyou, Youkai...Und natürlich den Fukuwara-Konzern. Alles ist rein geschäftlich. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Der Taishou will nur die Prinzessin schützen - was noch Folgen haben dürfte, die weder er noch sonst jemand abschätzen kann.
Das nächste Kapitel hessit: Schwarzer Freitag, denn Onigumo zieht seinen Plan durch. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel heißt: Izayois Alptraum... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Arme Izayoi. Das nächste Kapitel zeigt, was in dieser Zeit woanders passierte...Hören wir die andere Seite.

bye

hotep Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Im nächsten Kapitel erhält Izayoi eine qualifizierte Behandlung – und einige Leute eine qualifizierte Ermittlung: der Tunnel am Ende des Lichts Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Man kann nicht vorsichtig genug sein in der Wahl seiner Feinde. Oscar Wilde ( 1854 - 1900) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Im nächsten Kapitel macht jemand: Ein gutes Geschäft.

bye

hotep Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Der Beginn einer wunderbaren Beziehung: SIE hält Ihn für einen väterlichen Freund, ER gibt den knallharten Geschäftsmann mit einer Vernunftehe...Und Onigumo gegen Sesshoumaru?
Das nächste Kapitel heißt: Heirat. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Während der Taishou offenbar plant seine Flitterwochen als Geschäftstermin von der Steuer abzusetzen, heißt es für Izayoi anscheinend: willkommen im Dschungelcamp.... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Well she never asks for very much and I don't refuse her.
Always treat her with respect, I never would abuse her.
What she's got is hard to find, and I don't want to loose her
She´s lady – and the lady is mine.

Tom Jones: The Lady Is Mine Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel zeigt die erwarteten – oder unerwarteten - Folgen dieses misslungenen Angriffs. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
The sad part is that you come from a another kind of life
I'm up and leaving now I´m living by the knife
I've lost my faith in human kind and it's time for a rest
Even though I did my best I didn't pass your test

You are the princess of egypt and i'm just a man

e-type: Princess of the Egyt. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Wunderbar, Taishou: wir werden also eifersüchtig auf irgendeinen Mann, der die Frau Gemahlin ansieht? Wie...menschlich.

Das nächste Kapitel bietet denn auch: Eheleben. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel, Fürst und Vater, wird erst Silvester online kommen. Es ist entschieden zu unweihnachtlich..
Ich hatte mich beim Hochladen verzählt, denn das hier sollte das Weihnachtskapitel sein.

„Da kommt was auf dich zu und es kann dich nicht leiden....“ Onigumo und der Taishou erfahren, dass der Spruch stimmt.
Wer hat eigentlich eine Ahnung, woher der stammt?

Auf jeden Fall: Frohe Weihnachten euch allen


hotep Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
There's no chance for us,
It's all decided for us,
This world has only one sweet moment set aside for us.
Who wants to live forever,
Who dares to love forever,
When love must die.

Queen: Who wants to live forever Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Die Folgen zeigt das letzte Kapitel: Inu Yasha

bye

hotep Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Vielen Dank an alle, die Izayoi durch das aufregendste Jahr ihres Lebens begleitet haben. Freut mich, dass es gefallen hat.

Im Moment läuft wieder ein Mitratekrimi mit dem jungen Sesshoumaru, danach möchte ich die Geschichte um Inu Yasha und Kagome hochladen, die ich momentan in Arbeit habe: Chat, Satz und Mord, wie unschwer zu erkennen eine AU- Story, in der auch Papa Hund wieder mitspielen darf.

bye

hotep Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (227)
[1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11...20]
/ 20

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  night-blue-dragon
2020-04-11T20:35:29+00:00 11.04.2020 22:35
Hi,

ich habe jetzt diese Story auch gelesen... eingeltich eher verschlungen. Ich glaube, ich muss deine Geschichten alle noch mal lesen, in aller Ruhe.^^
Aber ich verstehe was du meintest wegen dem Ende in der Story Hundstage.

Dieses Ende hier finde ich wunderschön, richtig passend nach den ganzen Aufregungen für Izayoi. Ich hatte mich die ganze Zeit über gefragt, wann die Drachen auftauchen... nun, wie späte Gäste hatten sie einen spektakulären Auftritt.
Was an dieser Geschichte auch schön ist, ist die überraschende erste Gemahlin des Taishou. Eigentlich will sie nur fürs Protokoll da sein und darauf achten, dass die Ehre ihres Mannes nicht angegriffen werden kann - so wie ich es verstanden habe - und sieht sich unversehens in einen Kampf verwickelt. Ich hatte so Angst, dass Izayoi was passiert war, aber es ging ihr gut - wenn man das sagen kann, denn ein allererstes Mal ein Kind zur Welt zu bringen, während draußen ein erbitterter Kampf tobt und auch noch so besonnen zu bleiben, darauf zu achten, dass das Baby still bleibt... kein Wunder dass sie die Hochachtung der ersten Fürstin errang.
Meine These zu ihrem Empfinden mit Tessaiga, es trägt ja im Kern etwas vom Taishou und es beschützt, es war sicher keine Einbildung von ihr, dass sie ihren Mann fast körperlich spüren konnte... es hat sie und ihr Baby beschützt.

Der altbekannte, eiskalte Thronfolger wird bei dem Anblick seines kleinen Bruders weich, wer hätte das gedacht, aber zugeben würde er das natürlich niemals.^^
Ob er sich vorstellen kann, wie die beiden Fürstinen im Garten sitzen und mit Inu Yasha spielen, vor allem mit Hingabe die Öhrchen knuddel? Aber wer weiß, vielleicht besucht er seine Mutter öfter und wenn keiner hinguckt, knuddelt er die Öhrchen seines kleinen Bruders ebenfalls.

Aber du hast auch nicht vergessen, den Brüdern einige Feinde in der Zukunft zu deponieren. Der Taishou hätte Onigumo vielleicht etwas gründlicher rösten sollen, aber man kann ja nicht alles haben. *zwinker*

Erneut danke ich dir für deine tollen Ideen und ihren Umsetzungen.

glg night-blue-dragon
Von:  Kerstin-san
2020-03-21T19:21:46+00:00 21.03.2020 20:21
Hallo,
 
puh, immerhin geht es sowohl Izayoi als auch Inu Yasha gut, das erleichtert mich gerade sehr. Und Eri ist verschwunden? Oh weia... Ob sie die undichte Stelle war?
 
Ein geknickter Sesshoumaru? Kein Wunder angesichts dessen, was da vorgefallen ist, aber wenn das selbst ein Mensch erkennt, der ihn noch nie zuvor gesehen hat, muss das ja echt schrecklich offensichtlich sein.
 
Diese Zuneigung zwischen dem Herrn der Hunde und Izayoi ist förmlich greifbar - hast du sehr schön dargestellt!
 
Arme Eri - aber ist es blöd, dass mich ihr Tod zumindest in der Hinsicht beruhigt, dass sie ganz offensichtlich keine Verräterin war? Gefressen zu werden ist natürlich grässlich, aber die Vorstellung, dass sie alle getäuscht hätte, wäre für den Leser glaube ich schwerer zu ertragen.
 
Und hey, coole Erklärung, warum er Ryuukossusei nicht tötet, sondern als skurrile Gartendeko behält (das war mein Lieblingssatz im ganzen Kapitel! xD)
 
Ahhhh, wie niedlich! Da ist Sesshoumaru wider Willen aber ganz schön hingerissen und ohhh, an Akemi denkt er dabei auch noch? ~ Love is in the air~
 
Ich finds einerseits großartig, dass die Inu no Kami die zweite Frau des Taishous so gut akzeptiert, andererseits ist es aber auch ziemlich merkwürdig für mich. Aber mit dem Gedankengang, dass sie dafür sorgen will, dass Inu Yasha seinen großen Halbbruder eines Tages unterstützen wird, wenn sie an seiner Ausbildung beteiligt ist, macht das für mich mehr Sinn, als wenn ich mir vorstellen würde, dass sie aus reiner Nächstenliebe so höflich zu Izayoi ist.
 
Auf jeden Fall ein schönes Ende für diese FF, hat sehr viel Spaß gemacht Izayoi zu begleiten und mitzuerleben, wie ihr ganzes Leben aus den Angeln gehoben wird und sie sich so weiterentwickelt und verändert.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  Kerstin-san
2020-03-19T17:53:46+00:00 19.03.2020 18:53
Hallo,
 
oha, was für ein Auftakt. Das der Drache so ein falsches Spiel spielt, hab ich jetzt auch nicht erwartet. War der Meinung, dass der sich zumindest in einem Duell anständig verhält, aber bei dem muss man wohl jedes Wort auf die Goldwaage legen.
Ich bin etwas besorgt, wie es zu Hause beim Tashou nun aussieht. In zwei Tagen kann ja schon alles passiert sein, gleichzeitig hoffe ich auf die kampferprobten Wachen und vor allem auf Sesshoumaru.
 
Und hey, die Inu no Kami, wie cool ist das denn? Ich hab zwar keine Ahnung, was sie hier macht (ein Anstandsbesuch? Eine Vorahnung?), aber sie zeigt, dass sie kampferfahren ist und auch recht gut gegen einen Drachen standhalten kann. Mit dieser Dame sollte man sich besser nicht anlegen. Und dass die beiden sich förmlich blind verstehen und instinktiv wissen, was der andere vorhat, war toll dargestellt und sicherlich ein unschätzbarer Vorteil im Kampf.
 
Dieses Solidarität zwischen Izayoi und der Inu no Kimi bzw. deren Gefühle gegenüber Izayoi hab ich so echt nicht erwartet. Hatte da doch mit etwas Drama oder einfach nur höflichem ignorieren gerechnet.
Und man Ayame, musste das denn sein? Trotz ihrer Jugend und ihrem etwas sorglosen Umgang mit Formalitäten, hätte ich nie erwartet, dass sie Izayoi schutzlos zurücklässt. Da wird ihr Opa sicher vollkommen entsetzt sein.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  Kerstin-san
2020-03-17T18:38:53+00:00 17.03.2020 19:38
Hallo,
 
das war wahnsinnig packend beschrieben. Onigumos Todesangst und plötzliche Hoffnungslosigkeit, aber ganz besonders der kalte Zorn des Taishous und dann hab ich beinahe losgekreischt, als sich herausstellte, dass die Spinne das alles doch irgendwie überlebt hat. Ha! Was ein toller Twist und wie böse das dem Taishou wohl noch auf die Füße fallen wird? Kann mir nicht vorstellen, dass Onigumo/Naraku ihm und seiner Familie nicht nochmal über den Weg laufen wird. Andererseits: Wenn er halbwegs intelligent ist...
 
Izayois Panik wegen der Schwangerschaft und weil sie befürchten muss zu sterben, hast du gut rübergebracht. Aber auch diese erste Hilflosigkeit des Taishous, aber auch seine Freude fand ich gut umgesetzt.
Und dann dieser Stimmungsumschwung, als er für Izayoi und sein Kind betet und da göttliche Handmal erhält - oh je, ich glaube wir alle ahnen, was der Preis sein könnte...
 
Das Duell schwebt jetzt wie ein Damoklesschwert über dem Herrn der Hunde, aber er hat immerhin genügend Vorlaufzeit, um alles zu regeln: Sesshoumaru das Versprechen abzunehmen sein zukünftiges Kind zu schützen; seine Exfrau zu informieren und seine jetzige Frau so gut es geht beruhigen, aber auch schonend darauf vorzubereiten, dass sie bald eine Witwe sein könnte.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  Kerstin-san
2020-03-17T18:18:44+00:00 17.03.2020 19:18
Hallo,
 
huch, das ging ja schnell. Wenn einkaufen nur immer so flott und unkompliziert wäre. Wie sie sich immer etwas unsicher an den Taishou wandte, um abzusichern, dass ihre Auswahl auch seine Zustimmung trifft, war einerseits ganz entzückend, weil sie auf seinen guten Geschmack vertraut, andererseits würde ich mir von ihr aber auch etwas mehr Selbstbewusstsein/Selbstständigkeit wünschen. Irgendwie hab ich das Gefühl, dass die beiden etwas auf der Stelle treten.
 
...Und kaum schreib ich das, haust du mir die nächste Szene, um die Ohren, die all das hat, auf das ich so sehnsüchtig gewartet habe. Ein paar offene Worte und endlich erkennen die beiden, dass sie mit ihrem Gefühlschaos nicht so alleine sind, wie gedacht. Und die Balance zwischen Aufgeregtheit, Nervosität, aber auch Entschlossenheit, als es zu der ersten gemeinsamen Nacht kommt, fand ich ganz toll.
 
Und das Netz um die Spinne zieht sich enger zusammenn, aber bei Onigumo würde es mich nicht wundern, wenn der da nicht doch noch irgendwie durchschlüpfen sollte.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  Kerstin-san
2020-03-17T18:05:02+00:00 17.03.2020 19:05
Hallo,
 
hab ichs mir doch gedacht! Die Inu no Kami ist doch neugieriger auf Izayoi als sie anfangs zugeben wollte.
 
Ob die Aussage des Juweliers hilft Onigumo auf die Schliche zu kommen? Wenn der einen Mordanschlag auf den Mann verüben würde, vielleicht schon, aber ob er sich mit sowas aufhält, wo er jetzt wohl lieber die Füße still halten sollte?
Ha, der Juwelier ist ja ganz schön geschäftstüchtig. Ob ich die Nerven in so einer Situation hätte? Ich bezweifel das jetzt mal, aber da hatte er wohl den richtigen Riecher.
 
Mit dem heißen Tipp verzeiht der Großvater Ayame und Kouga vielleicht, dass sie ihn schon in manch unangenehme Situation gebracht haben. Da hat es sich ja dann mal ausgezahlt, dass die Verlobten zu Hause über ihre Arbeit geredet haben.
 
Gut für die Kreditkartenabrechnung des Taishous, dass Izayoi nicht zu einem dekadenten Lebensstil neigt und sich beim Shopping wohl am Riemen reißen wird.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  Kerstin-san
2020-03-16T18:46:23+00:00 16.03.2020 19:46
Hallo,
 
da tat mir die Spinnendämonin dann doch irgendwie leid. So ins Kreuzfeuer zwischen zwei eindutig stärkere Dämonen zu geraten... Immerhin wird ihr ein schneller Tod gewährt und auch auf die Folter wird verzichtet. Das ist ja wirklich das Beste, auf das sie hoffen konnte.
 
Au weia, ich hatte gar nicht bedacht, dass Onigumos Auftauchen auch Izayois Ängste wieder an die Oberfläche bringen könnte. Die ärmste wird sicher vermutlich erst dann sicher fühlen können, wenn ihr Cousin ein für allemal tot ist. Auch wenn es ausgerechnet dieser Schock ist, der dazu führt, dass sie die Nähe des Taishous sucht, kam ich nicht umhin vor mich hinzuquietschen, weil ich die ganze Szene sehr liebevoll aufgebaut fand.
Und dann schläft sie so friedlich in seine Armen, während er sich förmlich nicht traut auch nur einen Muskel zu rühren, damit sie nicht aufwacht. Doppeltes Awwww dafür.
 
Arme Ayame, da wird ein ganz schönes Donnerwetter auf sie niederprasseln. Aber ich finde den Kontrast zwischen der jungen Generation (aka sie und Kouga) und ihrem strengen, pedantischen Opa großartig dargestellt. Der stirbt vermutlich gerade tausend Tode, während die Jungen das alles so locker sehen. Für mich als Leser ist das sehr unterhaltsam :)
 
Und dann der letzte Absatz: Das I-Tüpfelchen dieses Kapitels. Wie kann man das denn nur so interpretieren? GottohGott, ich musste so lachen xD
 
Liebe Grüße
Kerstin
Antwort von:  Hotepneith
16.03.2020 22:47
Fleissige kerstin-san, in der Tat.

Ja, wie kann mann so alles nur falsch interpretieren, aber Izayoi ist auch nicht gerade die beste Gedankenleserin. Dazu noch Onigumo am Hals...
Ideale Zeiten für Rendezvous.

hotep
Von:  Kerstin-san
2020-03-16T18:30:25+00:00 16.03.2020 19:30
Hallo,
 
ach Gottchen, wer verliert den so schnell den Mut? Gerade ihm als langlebigen Youkai hätte ich da doch mehr Geduld zugetraut. Gleichzeitig ist es schön zu lesen, wie stark seine Gefühle für Izayoi sind.
 
Izayoi und Ayame beim Dessousshopping? Da der Herr der Hunde ja nicht ihre Kreditkarten überprüfen lässt, dürfte ihm das vorerst noch entgehen, aber früher oder später bekommt er das bestimmt zu Gesicht und dürfte vermutlich sehr begeistert darüber sein.
 
Äh, das sind doch sehr rabiate und schmerzhafte Methoden der Bestrafung. Aber besser so als tot sein, nicht wahr?
Und Sesshoumaru ist ja ein richtiger, kleiner Schwerenöter. Hätte ich ihm gar nicht gegeben und dann ausgerechnet noch Spinnendämoninnen. Da reizt ihn wohl das Spiel mit dem Feuer.
 
Aber schön zu sehen, dass Onigumos toller Plan so nach hinten losgeht. Jetzt hat er in Sesshoumaru einen weiteren Todfeind, der ihn aus sehr persönlichen Gründen kalt machen möchte. Kann kein schönes Gefühl sein, wen sowohl Vater als auch Sohn ihn möglichst langsam sterben sehen wollen.
Ich hoffe ja, dass der schöne diamantenbesetzte Kimono auch irgendwo ist, wo er keinen Zugriff auf ihn hat - obwohl auch ein Onigumo ohne Geld sich wohl irgendwie durchzuschlagen wüsste.
 
Btw, mein Lieblingssatz dieses Kapitels: "Las sie über einen adeligen Vampir musste sie an SEINE Fangzähne denken..." Ich sterbe hier gerade vor lachen. Das ist genial xD
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  Kerstin-san
2020-03-16T18:12:05+00:00 16.03.2020 19:12
Hallo,
 
dieses vorsichtige herantasten der beiden ist gut dargestellt. Izayoi wird etwas mutiger und überrascht ihren Gatten damit, aber ich hätte auch nicht erwartet, dass sie den Anblick des Taishous in seiner Hundeform so ruhig und unerschrocken verkraftet. Und wie er dann so richtig hündisch mit seinem Schwanz wedelt - das war eine ganz bezaubernde Vorstellung.
Andererseits läuft sonst so einiges in der Kommunikation schief, nur gut, dass der Taishou die Ruhe in Person und so geduldig ist und Izayois aufkommende Furcht und Scheu immer gut zerstreueun kann.
 
Ich finds herrlich, wie die Gedanken bei der Quellensache so auseinander gehen. Izayoi ist um ihren Ruf besorgt und der Taishou darüber, dass es zu Handgreiflichkeiten kommen könnte. Ob Sesshoumaru wirklich so implusiv wäre?
 
Die Inu no Kimi hats ja echt drauf. Die ist keine Dame in Nöten, sondern regelt ihre Angelegenheiten einfach selbst, wenns hart auf hart kommt. Auch wenn das von dem Youkai sicher etwas überspitzt dargestellt wurde, kann ich mir vorstellen, dass ihre Stärke und ihr Selbstbewusstsein den Taishou sehr imponiert haben.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  Kerstin-san
2020-03-16T17:58:31+00:00 16.03.2020 18:58
Hallo,
 
das wird ja immer besser: Sesshoumaru entführen und vergiften, weil er erkannt hat, dass der in einem offenen Kampf nicht zu schlagen ist. Na auf den ausgeklügelten Plan bin ich jetzt aber wirklich neugierig.
 
Thihihi, wenn Sesshoumaru wüsste, wie Izayoi ihn im Bezug auf Frauen einschätzt. xD
 
Der Taishou als Autofahrer. Jetzt frage ich mich, ob es wohl spezielle Youkaifahrschulen gibt oder ob sich so wenige fürs Autofahren interessieren, dass sich das gar nicht lohnen würde.
 
Obwohl ich die Hochzeit ewas unpersönlich fand, hat mich der Gute Nachtkuss mehr als versöhnt. So eine kleine Geste und doch löst sie so viel in den beiden aus. Awww, ganz toll.
Mal sehen, ob die Flitterwochen so ruhig werden, wie sich die beiden das vorstellen/wünschen.
 
Liebe Grüße
Kerstin


Zurück