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Beyblade in Love

Staffel 2
von

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Kapitel 1

Die laute Musik drängte sich durch mehrere Schleier an ihr Ohr, kalter blauer Zigarettenrauch vernebelte ihr die Sicht und die kalte Luft legte sich wie eine feste Hand um ihre Arme, während sie tief in seine Augen blickte und die kleinen Schauer genoss, welche sich über ihren Rücken erstreckten. Es trennten sie keine drei Meter, vielleicht war es sogar schon sein maskulines Parfüm, welches sie in der Nase hatte? Ohne auch nur eine Sekunde den Blick von seinen Augen zu nehmen blies sie den Rauch aus ihrem Mund und schnippte kurz an der Zigarette, welche sie ursprünglich gar nicht rauchen wollte. Scheiß Gruppenzwang.

Er hielt seinen glimmenden Nikotinstängel elegant zwischen Zeige- und Mittelfinger, den Ellbogen auf einem der Tische gelegt, die andere Hand steckte halb in der vorderen Tasche seiner schwarzen Jeans.

„Wir gehen wieder rein, kommst du?“, drang es an ihr Ohr.

Sie nickte, blieb jedoch noch für ein paar Sekunden stehen, zog noch zwei, drei Mal an ihrer Zigarette und ging ebenfalls nach einem Blick, welcher ihm so viel wie „ich erwarte dich später auf der Tanzfläche“ sagen sollte nach drinnen.

„Hey da bist du ja! Wir bestellen noch eine Runde, willst du auch noch einen Tequila?“

„Nein danke“, winkte sie ab und lehnte sich lässig an das Treppengeländer, „ich denke ich hol mir noch einen Cocktail…“

„Du…bist doch rattig, oder?“, lachte eine der jungen Frauen.

„Bin ich gar nicht!“, grinste sie.

„Oh doch! Ich hab doch deinen Blick gesehen!“

„Hast du dir die Schnitte mal angesehen? Geiles Gerät!“

„Na dann...? Rann an ihn!“, applaudierte eine andere Frau.

Sie grinste noch breiter und ging lässig an die Bar, wo sie sich auf den Tresen lehnte und dem Barkeeper zuwinkte.

„Einen Touch Down“, rief sie ihm durch die laute Musik zu und reichte ihm einen Geldschein.

„So siegessicher?“, fragte plötzlich jemand und lehnte ebenfalls an der Bar.

Als sie sich zu ihm umdrehte blieb ihr fast das Herz für einen Moment stehen und ihr Atem ging unregelmäßig.

„Wieso siegessicher?“, fragte sie nach ein paar Sekunden, als sie sich einigermaßen gefangen hatte.

„Naja…Touch Down…sagt ja schon alles, oder?“, grinste er.

Sie zuckte mit den Schultern und versuchte so elegant wie nur möglich dabei auszusehen. Der Barkeeper kam erneut zu den beiden und nickte dem jungen Mann zu.

„Dasselbe wie sie“, meinte er und zeigte auf das Glas der Frau.

„Ebenfalls siegessicher?“, grinste sie und nippte an ihrem Getränk.

„Oh, dass hoff ich doch“, lachte er durch die Musik, „bist du öfters hier?“

„Eigentlich nicht. Heute feiert eine Freundin ihren Junggeselleninnenabschied.“

Er zog eine schmerzhafte Grimasse: „Die Ärmste…“

„Du hältst also auch nicht viel von heiraten?“

„Dann haben wir ja was gemeinsam!“

Die beiden prosteten sich zu und tranken einen großen Schluck.

„Ich halte allgemein nicht viel von diesem Beziehungszeug…ich bin ehr der Spaßtyp. Hast du gerade jemanden?“

„Wow. Überspringen wir ‚was arbeitest du, wo kommst du her‘ und kommen wir gleich zum Wichtigsten“, lachte sie, um zu überspielen, dass er sie eiskalt erwischt hatte.

„Ich bin eben siegessicher“, zwinkerte er ihr zu, „also? Hast du gerade jemanden?“

„Vielleicht?“

Erneut zog er eine schmerzhafte Grimasse, während sie an ihrem Cocktail nippte, sich heimlich in die Faust grinste und „1:0 für mich“, dachte.

„Jetzt mal ehrlich…“, machte er einen neuen Versuch.

„Wo ist denn dein Jagdtrieb?“

„Ah…wir sind also eine verspielte, hm?“

„Vielleicht?“, grinste sie erneut.

2:0 für mich.

Er seufzte, setzte das Glas an seine Lippen und trank den Touch Down mit einem Zug leer. Sie staunte nicht schlecht, als er noch zwei Kurze hinterher kippte, wo immer er die jetzt auch herhatte. Dann streckte er ihr seine Hand entgegen und fragte: „Spielen wir?“

Ohne ihm die Hand zu geben folgte sie ihm brav ins untere Geschoss, wo sich eine riesige Tanzfläche befand.

„Ich steh auf deine Piercings“, grölte er ihr durch die lauthämmernde Musik zu, während er seine Hände von hinten auf ihre Hüften legte.

Sie grinste ihm über die Schulter hinweg zu und bewegte sich zum Takt der Musik. Irgendwann packte er ihr Handgelenk, zog es hoch und legte ihren Arm um seinen Nacken, während seine andere Hand an ihren Po wanderte und fest zupackte.

„Willst du noch was trinken? Geht auf mich!“

„Da sag ich nicht nein“, lachte sie und folgte ihm erneut zu der Bar, wo der Junge dem Barkeeper ein Zeichen gab.

„Ich bin übrigens Bryan“, grölte er und reichte ihr die Hand.

„Ich weiß“, grinste sie, „du gehörst zu den Blitzkrieg Boys.“

„Oh, ein Fan?“

„Nicht unbedingt.“

Er kippte sich erneut einen Kurzen runter und wandte sich erneut an sie: „Ich hab deinen Namen nicht verstanden!“

„Ich hab ihn dir auch nicht genannt“, lächelte sie verschmitzt.

„Das ist aber unfair!“

Sie lachte hell auf und trank ebenfalls ihren Kurzen: „Sind nur du und Tala hier?“

Bryan sah sie groß an.

„Du hast Tala gesehen?“, lallte er und lehnte sich noch mehr gegen die Bar.

„Draußen beim rauchen.“

„Du rauchst?“

„Jupp.“

„Rauchen ist ungesund“, kicherte Bryan, „schädlich, hörst du?“

„Das sind die Liebe und die Gesellschaft auch.“

„Ich suche Tala schon seit einer Ewigkeit!“

„Wie gesagt…er war beim Rauchen.“

„Ich sag dem Kerl seit Jahren…hieks…dassssss Rauchen…ungesund is…aber…er hört nicht uf mich!“

„So ein böser Junge…“

Bryan blickte sie verträumt an und grinste schief: „Du wärst voll mein Fall…“

„Danke“, erwiderte sie und winkte einem Mädchen aus ihrer Gruppe zu, „aber ich muss jetzt gehen…sorry.“

„Was? Schon spät?“

„Ehr früh…“, tätschelte sie Bryan auf die Schulter und ging zu der Gruppe Mädchen, ohne ihn auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen.
 

Sie schloss die Haustüre auf, torkelte zum Aufzug und drückte den Knopf. Während das Mädchen auf diesen wartete rieb sie sich die Schläfen und schwor sich, wie nach jedem dieser Abende nie wieder so viel Alkohol zu trinken. Mit dem typischen „Ping“ Ton kündigte sich der Aufzug an, öffnete seine Türen und sie trat ein. Kurz bevor sich die Metalltüren schließen konnten griff eine Hand dazwischen und zog sie wieder auseinander.

„Oh mein…“, raunte das Mädchen, als sie den jungen Mann mit seiner Begleitung eintreten sah.

„Hey!“, lachte die Andere, „isch hätte nischt gedacht, dass du…ihr noch bekommst!“

„Tja“, war alles was er erwiderte.

Dort stand er nun direkt vor ihr, sie müsste nur die Hand nach ihm ausstrecken. Verzückt stellte sie fest, dass es tatsächlich sein Parfüm gewesen war, welches sie vorhin gerochen hatte.

„Tala! Ich will…dass du mich gleich so richtig nimmst!“, lallte die Blondine und knabberte dem Jungen genüsslich am Ohr.

Er guckte durchgehend auf die Anzeige der Stockwerke, erwiderte nichts auf ihre eindeutig zweideutigen Anspielungen und würde er sie nicht im Arm halten, wäre sie schon längst umgekippt. Erneut ertönte das „Ping“ und die Türen öffneten sich erneut. Tala und die Blondine stiegen aus.

„Fuck…“, fauchte sie, nachdem sie wieder für sich war, „ich hätte Bryan nehmen sollen!“
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
 

Ein schwerer Seufzer entwich Daniellés Lippen, während er den Kittel auf seinen Stuhl ablegte und den Laptop hochfuhr. Von wegen die Position als Oberarzt der Chirurgie ist sehr verlockend und du hast so viel Freizeit, dass du Langeweile bekommst. Er konnte sich vor Arbeit kaum retten, mal abgesehen davon, dass er teilweise noch die Arbeit seines Assistenzarztes machen durfte.

„Ich bin mir einfach nicht sicher, ob ich das so richtig gemacht habe…könnten Sie es noch mal kontrollieren?“, fragte dieser immer dann, wenn Daniellé einmal pünktlich Feierabend machen wollte. Also jeden Tag.

Er massierte sich die Schläfen und rieb seine Augenwinkel. Wie viele Überstunden hatte er nun bereits angesammelt? Vielleicht könnte man sie langsam mal abfeiern?

„Aber Doktor Hiwatari…“, belächelte sein Chefarzt die Frage immer, „Sie sind für uns unersetzlich und die Assistenzärzte kommen immer zu Ihnen, selbst wenn diese nicht mal aus Ihrer Abteilung sind.“

„Klar, wenn mein Oberarzt ständig mit Augenringen und mieser Laune mit mir schreien würde, dann würde ich mir auch einen anderen suchen.“

„Wollen Sie damit sagen, dass Ihr Kollege der Inneren Medizin zu einem schlechten Lehrer mutiert?“

„Ich will nicht schlecht über einen Kollegen herziehen, und schon gar nicht über einen nichtsnutzigen Säufer und spielsüchtigen“, erwiderte Daniellé und hob beide Augenbrauen.

Sein Chefarzt überlegte kurz noch mal, was er gerade gehört hatte und guckte ihn schließlich schief grinsend an.

„Ich mag Sie“, meinte der ältere Mann und klopfte Daniellé wie ein stolzer Vater auf die Schulter, „aber bei Ihrem Vorhaben die Welt zu verbessern kann ich Sie leider nicht unterstützen, Danny. Schließlich habe ich ein Krankenhaus zu leiten.“

„Verstehe.“

„Trinken Sie heute Abend ein Glas Wein und verführen ihre Frau…ich kann Ihnen versprechen, dass die Welt morgen dann nicht mehr so düster und trostlos aussieht.“

Daniellé biss sich auf die Unterlippe, schenkte seinem Chef jedoch ein müdes Lächeln und ging mit dem Stoß Krankenakten wieder seiner Tätigkeit nach. Am Ende des Flurs drückte er den Knopf für den Aufzug und überflog die erste Akte.

„PAPA!“, rief plötzlich ein kleines Kind durch die Flure.

Daniellé sah ruckartig auf und beobachtete, wie das Kind zu seinem Vater eilte, welcher gerade entlassen wurde.

„Papa ich habe dich so sehr vermisst!“, jauchzte es und fiel dem Mann um den Hals.

Die Umarmung war schon beinahe Herzzerreisend, worauf Daniellé sich für das Treppenhaus entschied. Ein paar Minuten später klopfte er am Zimmer seiner Patientin und trat ein.

„Ah…Doktor Hiwatari“, begrüßte ihn seine Kollegin, „wir wollten gerade anfangen.“

„Guten Morgen“, grüßte er zurück und lächelte die Patientin an, „wie geht es Ihnen, Nancy?“

„Ich…ich bin aufgeregt“, murmelte die junge Frau und rutschte in ihrem Bett unruhig hin und her.

„Keine Sorge, Nancy. Doktor Hiwatari und ich werden beide während der O.P. dabei sein und Sie ständig überwachen. Sie sind in den besten Händen. Ich werde im Saal anrufen und Bescheid geben, wir können in einer Stunde loslegen…“, meinte Daniellés Kollegin und ging aus dem Zimmer.

Die junge Frau lächelte ihn breit an und schien etwas gefasster.

„Möchten Sie, dass wir ihren Mann benachrichtigen, wenn Sie aus dem O.P. kommen?“, fragte Danny.

„Oh…ähm…der biologische Vater meines Babys ist zurzeit außer Lande…er wird also nicht kommen können“, lächelte sie müde.

„Normalerweise sagen Frauen mit Ihrem Hormonhaushalt ‚mein Ehemann‘, ‚Schatz‘ oder ‚Bärchen‘…womit hat er sich denn diesen coolen Namen verdient?“

„Nun ja…er ist schwul.“

Danny sah sie ungläubig an: „Umgedreht für nur eine Nacht? Ist ja krass!“

„Eigentlich waren wir seit über fünf Jahren in einer schon fast ehelichen Beziehung, als mir gesagt wurde, dass ich schwanger bin. Ich habe ihn damit überrascht und er mich damit, dass er es seit über zehn Jahren mit Männern treibt.“

„Sie nehmen das ziemlich gelassen hin.“

„Ich fand schon immer, dass er viel zu hübsch für einen Hetero war“, lächelte sie und setzte sich auf, „können…können wir uns noch ein wenig unterhalten? Ich…es beruhigt mich nur…“

„Natürlich, Nancy.“

Daniellé legte seine Akten weg und setzte sich neben das Krankenbett: „Worüber möchten Sie denn reden?“

„Einfach über alles“, kicherte sie, „wenn…es Sie nicht stört?“

Er schüttelte nur den Kopf.

„Also…sind…sind Sie denn verheiratet?“

„Ja.“

„Wusste ich’s doch“, grinste Nancy und schnippte mit den Fingern, „wie lange?“

„Wir hatten letzten Montag 12 Jähriges.“

„Was? Zwölf Jahre?“, rief Nancy beinahe erschrocken aus.

Daniellé nickte grinsend.

„Dann müssen sie beide sicher schon viele Kinder haben?“

„Einen vierjährigen Sohn.“

„Sie wollen mir jetzt nicht wirklich weiß machen, dass zwölf Jahre Ehe nur ein Kind hervorbringen?“

„Wir…sind beide beruflich sehr beschäftigt.“

„Sie ist also auch Ärztin?“

„Anwältin…für dieses Krankenhaus unter anderem.“

„Also arbeiten Sie mit ihrer Frau zusammen…?“

„Muss nicht unbedingt sein. Sie ist hauptsächlich für Kunstfehler zuständig.“

„Aber Sie planen noch weitere Kinder, oder?“

„Eigentlich nicht. Es ist etwas kompliziert…“, lächelte Daniellé müde und kratzte sich an der Nase.

„Nicht komplizierter als meine Geschichte. Ich habe also gewonnen!“

„Sieht so aus.“

In diesem Moment kam Daniellés Kollegin wieder ins Zimmer.

„Wir werden Sie jetzt mitnehmen, Nancy. Sie können Doktor Hiwatari später wieder sehen.“

„Ja…das wäre schön…“

Er lächelte ihr noch einmal zu, bevor er das Zimmer verließ. Auf dem Flur rief ihn die Ärztin zu sich und gab Danny seine Akten, welche er im Krankenzimmer vergessen hatte.

„Oh…danke Françoise“, bedankte er sich und setzte erneut zum Gehen an.

„Warte mal, Danny…“, bat sie und striff sich eine von ihren blonden Strähnen hinters Ohr, „du…hättest nicht zufällig Zeit vor der O.P. noch einen Kaffee mit mir zu trinken?“

„Wir haben das doch schon hundert Mal besprochen, Françoise…“, seufzte er genervt.

„Ja aber…mit dir kann man sich so gut unterhalten…“, schmollte die Frau.

„Die Therapeuten sind im dritten Stock, rechter Flügel. Ober bei dir zu Hause bei deinem Ehemann!“

„Hey Daniellé!“

Oh nein…das hatte ihm gerade noch gefehlt…

Er drehte sich zu der Frau um und setzte sich ein Grinsen aufs Gesicht: „He mein Schatz.“

Die Frau küsste ihn und begrüßte Françoise mit einem leichten Lächeln.

„Na, habt ihr beide im Moment nichts zu tun?“

„Wir wollten uns gerade für die Operation fertig machen“, erklärte Françoise.

„Ah…na dann viel Spaß euch Schnipplern“, grinste Daniellés Frau, „ich musste Kai versprechen, dass du ihn später im Kindergarten einen Besuch abstattest. Er wollte eigentlich gar nicht rein.“

„Ich habe eine viel bessere Idee“, erwiderte Danny und umarmte seine Frau, „was hältst du davon, wenn ich den kleinen Racker aus dem Kindergarten hole und wir uns in fünf Minuten in der Cafeteria zum frühstücken treffen?“

„Aber ich muss gleich zu einem Konzil!“

„Du fängst doch erst in knapp 40 Minuten zu arbeiten an, Trudie.“

Trudie lachte kurz auf und willigte schließlich ein. Dann sah sie zu Françoise: „Möchten Sie auch mitkommen?“

„Françoise muss die bevorstehende Operation noch vorbereiten und hat deswegen keine Zeit“, meinte Daniellé und warf seiner Kollegin einen vielsagenden Blick zu.
 

„Oh mein Gott, guck mal wer da schon sitzt, Kai!“

„Mama!“

Daniellé hob Kai auf seinen Schoß und reichte seinem Sohn den Löffel für den Pudding. Dann nahm er einen großen Schluck von seinem Kaffee und lächelte seiner Frau genüsslich zu.

„Du siehst müde aus…“, bemerkte Trudie und biss in ihr Brötchen, „seit wann bist du diesmal wach?“

„Als ich dich in dem pistaziengrünen Outfit gesehen habe…“

„Das war vorgestern.“

„Dann bin ich anscheinend seit vorgestern wach.“

Trudie seufzte und legte eine Hand auf die ihres Mannes: „Du weißt, dass wir dieses Wochenende ein Familientreffen haben?“

„Oh bitte…erinnere mich nicht daran…“, stöhnte Daniellé und trank seinen Kaffee aus.

„Du weiß, dass dieses Wochenende schon morgen ist?“

„WAS?“

„Wir haben heute Freitag.“

„Freitag, Papa, Freitag!“, wiederholte Kai.

„Du hast es vergessen, hm?“

„Oh Trudie…ich bin so Urlaubsreif…“

„Das seh ich“, kicherte sie.

„Ich geh morgen zum Vorstand…ich brauche dringend schlaf!“

„Tu das. So mein Kleiner wir müssen Papa jetzt wieder arbeiten lassen“, klatschte Trudie in die Hände und hob Kai von Daniellés Schoß, „sag noch Tschüss.“

„Tschüss Papa“, winkte Kai, während er an der Hand seiner Mutter wieder in Richtung Kindergarten ging.
 

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Daniellé beugte sich vorsichtig über die Schulter seines Sohnes und linste auf dessen Schulaufgabe. Er hob erstaunt die Augenbrauen, sagte jedoch nichts. Aus Erfahrung…

„Na komm…“, seufzte Kai, „frag schon.“

„Nö“, erwiderte sein Vater, „du machst das schon!“

„Dich juckt es doch schon in den Fingerspitzen, oder?“

„Japp“, erwiderte Daniellé, „doch bevor ich den Zorn des Kai Hiwatari auf mich ziehe halt ich lieber den Mund.“

„Wie soll ich das jetzt bitte verstehen?“

„Ist dir schon mal aufgefallen, dass du in letzter Zeit unheimlich genervt bist? Ich mein nicht dieses genervt sein, was du sonst immer hast. Ich meine richtig genervt!“

Kai seufzte und rieb sich die Schläfen: „Ich weiß auch nicht…“

„Soll ich den großen Fehler begehen, und dich mal so von Vater zu Sohn fragen, was los ist?“

„Du meinst so ein typisches ‚Vater-Sohn-Gespräch‘, welches man in einem gewissen Alter führen sollte oder wie meinst du das?“

Daniellé lachte auf und warf sich das Küchentuch über die Schulter, mit welchem er gerade die Weingläser poliert hatte.

„Was ist so lustig?“

„Ich lache, weil das Internet mittlerweile besser aufklären kann, als jeder Vater oder jede Mutter auf der ganzen Welt, Kai. Außerdem gibt’s da Anschauungsmaterial inklusive.“

„Du…wolltest dich also nicht mit mir über Sex unterhalten?“, fragte Kai argwöhnisch.

„Das wäre sicher lustig geworden!“, kicherte sein Vater, setzte sich neben ihn und sah ihn ernster an, „möchtest du denn darüber reden?“

„N…nein!“

„Wieso läufst du denn rot an?“

„Tu ich gar nicht!“

„Ähm…doch?“

In diesem Moment ging die Tür zur Küche auf und eine schlanke Frau mit Pixicutfrisur trat herein, einen großen braunen Umschlag in den Händen haltend.

Daniellé sah zu ihr auf, verzog keine Miene und sagte an seinen Sohn gerichtet: „Jetzt juckt’s mich in den Fingerspitzen…“

Kai schmunzelte erwiderte jedoch nichts. Die Frau kam zu den beiden rüber und drückte Kai einen Kuss auf die Wange: „Hallo mein Schatz.“

„Hallo Mama.“

Sie sah auf und überreichte das Kuvert weiter: „Daniellé…“

„Hiltrud.“

„Wie war dein Tag heute in der Schule, Spatz?“, fragte sie an Kai gewandt.

„Wow…wieso ist es hier plötzlich so kalt geworden?“, wunderte sich Danny und rieb sich die Arme.

„Lass deine dummen Bemerkungen. Du weißt ganz genau, dass ich jetzt nur hier bin, weil du den Termin beim Anwalt verpasst hast. Schon wieder.“

„Meine Liebe ich bin Arzt. Ich habe einen dicken Terminkalender und bin sehr beschäftigt. Und dann soll ich auch noch Zeit für so einen Schnösel haben, der mir Sachen erzählt, die ich eh schon weiß?“

„Wir hätten diese unangenehme Sache schon längst hinter uns bringen können, wenn du deine Termine einhalten würdest!“

Daniellé verdrehte die Augen, nahm das Kuvert erst jetzt entgegen und überflog die ersten Zeilen.

„Wowowowowowo langsam! Du willst den Flügel haben? Du spielst noch nicht mal!“

„Na und?“

„Na und…? NA UND? Weißt du wie teuer der war?“

„Er ist ein Familienerbstück…“

„Eben!“

„Ich verbinde viele schöne Erinnerungen an diesen Flügel und deswegen möchte ich ihn gerne haben.“

„Tze!“

Kai sah von seinen Schulaufgaben auf und erwiderte tonlos: „Meinst du zufällig diese schönen Erinnerungen, als ich mit Großvater heulend am Flügel saß und lieber spielen gehen wollte, als Notenblätter zu üben?“

Seine Mutter lächelte ihn traurig an: „Aber jetzt bist du froh, dass du spielen kannst oder?“

Kai verkniff sich lieber die Antwort. Er wusste ganz genau wie theatralisch seine Mutter werden konnte.

„Du könntest mir mal wieder etwas darauf vorspielen?“, bat Hiltrud und legte einen Arm um Kai.

„Auf der Violine?“

„Nein…auf dem Flügel.“

„Er kann dir gerne das SpongeBob Friedzone Lied darauf vorspielen…“, schmunzelte Kais Vater.

Sie sah Daniellé giftig an, doch dieser schmunzelte weiter und las weiter.

„Den Salonsessel aus weißem Leder kannst du gerne haben…der war eh ein Geschenk deiner Mutter. Die Satinbettwäsche kannst du auch haben…in der konnte ich noch nie gut schlafen…ha!“

Kai sah seinem Vater zu, wie er sich beim Lachen den Bauch hielt. Jetzt konnte nichts Gutes kommen…

„Du willst das Ehebett?“

„Du brauchst es doch nicht mehr, oder?“

„Und du? Was willst du allein mit so viel Platz?“

„Wieso viel Platz? So groß war es nun auch wieder nicht…“, winkte Hiltrud ab.

„Nicht…so…ich sag dir mal was, mein Schatz dieses Bett ist 2,35 Meter auf 2,12 Meter groß und du sagst mir, dass ich nicht groß? Himmel!“

„Nenn mich nicht mehr ‚mein Schatz‘!“, protestierte sie.

„Solange die Scheidung nicht durch ist, kann ich dir noch sämtliche Kosenamen geben“, grinste Daniellé breit, „ne…? Hasenpfötchen!“

Kai unterdrückte ein Auflachen und biss sich in den Finger. Schnell sah er aus dem Fenster, damit seine Eltern nicht sehen konnten, wie schwer ihm das fiel. Daniellé setzte sich wieder auf den Stuhl gegenüber seines Sohne und meinte: „Ich werde mir die Liste in Ruhe noch einmal durchlesen…mal schauen, was sich machen lässt…“

„Danke“, nickte Hiltrud und drehte sich zum Gehen um, nachdem sie Kai einen weiteren Kuss auf die Wange gegeben hatte.

„Ach und Trudie…?“, warf Daniellé plötzlich in den Raum.

Die Frau dreht sich ruckartig herum und sah ihn groß an.

„Das nächste Mal bring was zum Kaffee mit.“

Sie verdrehte die Augen und verschwand. Stille erfüllte den Raum, Kais Vater überflog noch einmal die Liste und gab zischende Geräusche von sich, wenn er an Objekten vorbeikam, die sehr wertvoll oder allgemein wichtig für ihn waren.

„Hasenpfötchen…?“, wiederholte Kai dann ungläubig.

„Hast du die Hände deiner Mutter schon mal gesehen?“, fragte Daniellé, „die sind winzig!“

Kai grinste breit und räumte seine Schulsachen zusammen. Als er gerade sein Mäppchen in die Tasche fallen ließ hielt er inne, senkte seine Schultern und sah aus dem Augenwinkel seinen Vater an.

„Du willst doch reden…hab ich Recht?“

„Wie kommst du denn darauf?“, wollte Kai abwesend wissen.

„Ich kenn diesen Blick von dir. Und das letzte Mal, als ich diesen von dir gesehen habe, hast du mit tränenden Augen darum gefleht, bei mir wohnen zu dürfen, denn du würdest es mit deinem Großvater nicht mehr aushalten…“, überlegte Danny und guckte Kai direkt in die Augen, „über was willst du reden?“

„Wenn die Scheidung durch ist…“, begann Kai, „wer bekommt dann das Sorgerecht?“

„Weißt du Kleiner…“, murmelte Daniellé und legte den Kopf auf die Hand, „du bist bereits 18…du könntest es dir also aussuchen, ob bei mir, deiner Mutter oder vielleicht sogar in deiner eigenen Wohnung.“

„Ja schon…aber laut unserer Familienvorschriften…heißt es ja auch…“

„Ach…darüber mach du dir mal keinen Kopf!“, warf Daniellé ein.

„Aber die Einladung dazu liegt schon auf meinem Tisch.“

„Ich weiß. Ich hab ja schließlich auch eine bekommen.“

„Das ist schon in zwei Monaten…“

„Auch das weiß ich…aber wie gesagt. Dein Großvater lässt ja nicht von sich hören…“

„Ja…noch nicht…“

„Seit wann bist du so ein Schwarzseher?“

Kai erwiderte nichts darauf…aber auch nur, weil er vergessen hatte, seit wann er so dachte.

„Hör mal…ja es stimmt. Es könnte sein, dass das passiert…muss es aber nicht. Mach dir jetzt noch keinen Kopf darüber…geh lieber mit Freunden was trinken oder ins Kino oder was die Jugend von heute sonst noch für Freizeitaktivitäten hat.“

Kapitel 2

Sie nippte an ihrem heißen Tee und blätterte in der Zeitung durch, als sie plötzlich von hinten einen flüchtigen Kuss auf die Wange bekam.

„Guten Morgen“, raunte sie.

„Oh…du hörst dich ja gar nicht gut an. War spät gestern, hm?“, kicherte er.

„Hör mir auf, Jamie. Die Mädels haben mich mit Kurzen und so einem komischen Zeug zugeschüttet…das war nicht mehr lustig!“

Jamie lachte kurz auf und biss in sein Brot, welches er sich gerade noch mit Marmelade beschmiert hatte.

„Wann ziehst du eigentlich aus?“

„Was glaubst du, nach was ich hier gerade gucke?“

Er zuckte mit den Schultern und biss erneut in sein Brot. Das Mädchen rollte die Augen und tippte auf das Papier.

„Und? Was interessantes dabei?“

„Ja…hier hätte ich eine interessante Anzeige!“, meinte sie und las den Absatz vor, „suchen dringend Mitbewohner für 5 Zimmer WG.“

„Eine Wohngemeinschaft?“, fragte Jamie argwöhnisch, „ich dachte, du suchst nur was für dich allein?“

„Aber die Wohnung hat eine vollausgestattete Küche, Balkon, Waschmaschine und ich kann mir den Mietanteil leisten…und sie wäre in der Innenstadt! Und sie hat zwei Bäder.“

„Trotzdem…mit vier weiteren Leuten, die du gar nichts kennst zusammen wohnen? Das sieht dir gar nicht ähnlich, Luna.“

„Hab ich schon erwähnt, dass ich in meinem Zimmer einen Fernseh- sowie einen Internetanschluss habe?“, grinste Luna und drückte Jamie einen Kuss auf den Mund, „das Objekt wäre perfekt!“

„Dann ruf doch gleich mal an. Vielleicht ist es noch zu haben.“

Das Mädchen wählte die Nummer und hielt sich das Handy ans Ohr. Nach kurzem Warten nahm jemand ab.

„Hallo! Ich rufe an wegen dem Zimmer in der 5er WG…wäre das denn noch frei?“

Jamie beobachtete sie, während Luna aufmerksam zuhörte und nebenbei Notizen aufschrieb.

„Aha…aha…okay…ja die Straße kenn ich…ja…ich bin 21…“

Nach ein paar Minuten war das Gespräch beendet und Luna grinste sich einen ab.

„Und?“

„Ich darf morgen Nachmittag vorbeikommen, um es mir anzusehen.“

„Das freut mich für dich“, grinste Jamie und steckte sich das restliche Brot in den Mund.
 

Am nächsten Tag

„Hier muss es sein…“, murmelte Luna und sah auf die Hausnummer, „ja, hier sind wir richtig!“

Jamie sah sich die Hausfassade genauer an und rümpfte die Nase.

„Was ist?“

„Sieht ganz schön alt und verwittert aus…“

„Ich finde das hat was.“

„Nicht wirklich, außer, dass ich Angst um meine Gesundheit hätte…“

„Du und deine Äußeren Eindrücke…“, raunte Luna genervt und klingelte.

„Und trotzdem hast du mich gebeten heute mitzukommen!“

Sie verdrehte die Augen und drückte sich beim summenden Geräusch gegen die Tür. Gleich rechts hingen die verschiedenen Briefkästen und der Boden war mit grauen Fliesen versehen. Die beiden gingen ein Stück, bis die Treppe mit ihrem verschnörkelten eisernen Geländer vor ihnen erschien.

„Sag ich doch: hat was!“

Jamie erwiderte nichts, warf ihr jedoch einen vielsagenden Blick zu. Die restlichen Stufen gingen sie wortlos hinauf, bis sie zu einer nur angelehnten Tür kamen.

„Meinst du…wir sind hier richtig?“, fragte Luna und wand sich an ihren Begleiter.

„Schau halt mal rein?“, schlug er vor.

„Ich guck doch nicht einfach in fremde Wohnungen!“, beschwerte sie sich empört.

In diesem Moment ging die Tür auf und eine junge Frau schaute die Beiden fragend an.

„Hi! Sind…Sie…ist das die Wohnung mit dem freien Zimmer?“

„Nein.“

„Ihr müsst noch einen Stock höher!“, rief eine andere Stimme.

Luna und Jamie gingen die letzten Stufen und wurden von einem der ihrer Meinung nach letzten lebenden Riesen begrüßt.

„Hallo“, grinste er und ließ die beiden in die Wohnung.

„Hey…du bist doch…Spencer von den Blitzkrieg Boys oder?“, fragte Luna aufgeregt.

„Genau der bin ich.“

„Ich hab euch während der Meisterschaft im TV gesehen“, grinste das Mädchen und sah sich kurz um, „wow! Sogar der Eingangsbereich ist großzügig geschnitten!“

Gleich links war eine Tür, wahrscheinlich eines der Zimmer, geradeaus führte durch einen bogenförmigen Ausschnitt ins Wohnzimmer und um die Ecke ging der Flur weiter.

„Komm, ich führ dich rum“, meinte der Riese an Jamie gerichtet.

„Oh er will hier nicht einziehen, sondern ich“, erwiderte Luna.

„Ach…so…das könnte…wie drück ich es förmlich aus…? Ein Problem werden.“

„Wieso denn das?“

„Naja. Wir sind hier sonst nur Jungs.“

„Du meinst, hier wohnen alle aus eurem Team?“

„So sieht’s aus.“

„Wie geil!“, klatschte Luna in die Hände und unterdrückte ein Auflachen, bemerkte dann jedoch den ernsten Blick des Riesen und kniff die Lippen zusammen, „also…ich hätte ehrlich gesagt kein Problem damit…“

„Du vielleicht nicht. Was ist mit deinem…?“

„Ich bin nicht ihr Freund“, kommentierte Jamie, noch bevor Spencer seinen Satz richtig beendet hatte.

„Trotzdem…wir haben nicht mit einer Frau gerechnet. Das müsste ich erst mit den anderen besprechen.“

„Sind sie denn alle da?“

„Nein.“

„Schade…“, schmollte das Mädchen, „darf…darf ich mir trotzdem die Wohnung ansehen?“

„Warum denn nicht?“, zuckte Spencer mit den Schultern und ging voraus.

Sie gingen den Flur entlang und kamen an drei weiteren Türen vorbei.

„Das hier wäre dein Zimmer“, meinte der Riese und öffnete die Tür.

Luna betrat den leeren Raum und staunte nicht schlecht. Trotz, dass weder ein Teppich noch Tapete vorhanden waren, geschweige denn irgendwelche Möbel war die Größe eine Wucht.

„Wie viel Quadratmeter sind das?“

„Knapp 20.“

„Wahnsinn! Da wäre sogar ein riesiges Fenster! Oh mein Gott! Ist das ein Balkon?“

„Wenn du einen auf zwei Meter als Balkon sehen willst? Wir wissen nicht mal, ob er ein höheres Gewicht tragen könnte.“

„Luna komm wieder her. Tu dir nicht weh“, mahnte Jamie, als das Mädchen das Fenster öffnete und den Kopf nach draußen streckte.

Sie warf ihm einen trotzigen Blick zu und schloss wieder das Fenster, bevor beide Spencer in die Küche folgten. Gegenüber der Tür stand gleich der Tisch mit Stühlen, rechts daneben der Kühlschrank, die Küchenzeile erstreckte sich gegenüber davon.

„Man glaubt gar nicht, dass das hier ein reiner Männerhaushalt ist.“

„Wieso?“

„Es ist alles so ordentlich und sauber!“

Spencer streckte stolz die Brust raus, während Luna die Urkunden und Medaillen an der Wand neben dem Kühlschrank begutachtete.

„Wir müssen so langsam wieder“, unterbrach Jamie die Stille.

„Ja ich komm gleich…“, erwiderte sie und wand sich an Spencer, „es wäre echt super, wenn ich hier mit einziehen könnte…die Lage wäre genial und ich hätte es nicht weit zur Arbeit.“

„Was arbeitest du denn?“

„Ich mach grade eine Ausbildung zur Tierpflegerin.“

„Ist man in deinem Alter normal nicht schon ausgelernt?“

„Lange Geschichte…“

„…kurz gefasst: ihre Eltern haben sie nach mehreren Abstürzen rausgeschmissen und seit dem pennt sie bei mir.“

„Jamie!“

„Was denn? Ist doch so!“

„Ich rede noch mal mit ihnen“, unterbrach Spencer die beiden, bevor sie sich noch an die Kehle gingen, „ich hab ja deine Nummer und melde mich bei dir.“

„Danke.“
 

„Sag mal, was sollte das eben, Jamie?“, fauchte Luna draußen auf der Straße.

„Ich hab doch nur die Wahrheit gesagt. Was ist dein Problem?“

„Und von wegen du bist nicht mein Freund! Ich wohn seit einem halben Jahr bei dir und wir schlafen miteinander!“

„Ja. Du schläfst auf meiner Couch, isst mein Essen und verbrauchst mein Wasser und Strom. Ich knall dich ein bis zwei Mal die Woche, weil du komischerweise nie Geld hast, um deinen Anteil zu bezahlen!“

Luna starrte ihn entsetzt an: „Willst du mir jetzt sagen, dass ich eine Hure bin?“

„Wenn man es so sieht…“, überlegte Jamie.

„Du…du Arschloch!“, warf Luna ihm an den Kopf, und zwar so laut, dass einige Passanten sich zu ihnen umdrehten.

„Eigentlich solltest du mir danken. Oder meinst du jemand anderes würde einen Punker wie dich sonst aufnehmen?“

„Wie hast du mich genannt?“

„Oh bitte…wann hast du dich das letzte Mal im Spiegel angesehen? Deine Klamotten sind mehrfach geflickt, deine Haare sind kunterbunt und teilweise abrasiert…und von den Piercings in deinem Gesicht will ich erst gar nicht anfangen!“

„Weißt du was? Fick dich! Ich bin sowas von fertig mit dir!“, fauchte Luna und ging im Laufschritt in die entgegengesetzte Richtung.

„Wo gehst du denn jetzt hin?“, rief ihr Jamie schadenfroh hinterher, bekam als Antwort jedoch nur einen ausgestreckten Mittelfinger.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Tala sah zuerst Bryan fragend an, dieser zuckte nur die Schultern, dann blickten beide auf die Uhr.

„Wer klingelt um diese Zeit denn noch?“

„Hast du dir was zu essen bestellt?“

„Spinnst du?“, erwiderte Bryan und blickte Tala überrascht an, „…und später darf ich mir von Spencer eine Kopfnuss einfangen, weil er gekocht hat! Ne, ohne mich!“

Es klingelte erneut, diesmal energischer.

„Hat Spencer seinen Schlüssel vergessen?“

„Der vergisst nie etwas!“

Misstrauisch schlenderte Tala zur Wohnungstür, hielt kurz inne und legte schließlich ein Ohr gegen das Holz. Er konnte nichts hören. Er legte die Hand auf die Türklinke, drückte diese nach unten und zog die Tür zu sich. Ihre Blicke trafen sich und Tala konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.

„Du bist spät dran…“

„Der Bus ist mir vor der Nase weggefahren, also habe ich leider den letzten für heute Abend nehmen müssen.“

„Sieht dir gar nicht ähnlich, dass du den Bus verpasst“, erwiderte Tala verwundert, „was willst du denn zu so später Stunden noch, so dass es nicht bis morgen warten kann?“

Kai brauchte sich nicht umzudrehen, um festzustellen, dass Bryans Blicke sich in seinen Rücken bohrten. Er musste zugeben, dass das schon etwas bedrohlich wirkte…

„Also?“, hakte Tala nach und verschränkte die Arme vor der Brust.

Kai seufzte tief und sah seinem ehemaligen Teamkollegen dann in die Augen.

„Hör auf, mich mit diesem Dackelblick anzusehen, Kai…denn der zieht nicht mehr bei mir!“

„Können wir reden? Unter vier Augen…wenn’s geht?“

Tala konnte sich nicht erinnern, wann er Kai das letzte Mal mit so einem Blick gesehen hatte. Er nickte Bryan zu, welcher sich ohne zu zögern in sein Zimmer zurückzog, so dass Tala und Kai ungestört in der Küche Platz nehmen konnten.

„Willst du was trinken?“

„Nein…“

„Über was willst du denn reden?“, fragte Tala und nahm einen Schluck Cola.

„Ich…ich…“, stammelte Kai und sah aus der Küche den Flur runter, „du hast nach Tysons Sieg über dich zu mir gesagt, dass ihr immer einen Platz im Team für mich habt…auch wenn ich dieser Geste niemals nachkommen würde…“

„Ja das habe ich gesagt.“

„Ich würde dieser Geste jetzt aber gerne nachkommen…“

Tala starrte Kai schon fast erschrocken an. Was war bloß los mit ihm? Irgendwie schien Kai völlig neben sich zu stehen. Er zitterte und sein Blick, welchen er immer wieder zwischen seinen geballten Fäusten und Tala hin und her schweifen ließ jagte sogar dem Chef der Blitzkrieg Boys einen Schauer über den Rücken.

„Kai…was zum…?“

„Meine…Eltern…lassen sich scheiden…“, murmelte Kai plötzlich, „und ich wusste nicht, zu wem ich sonst sollte…“

Tala seufzte und rieb sich die Augenwinkel.

„…wenn die Scheidung durch ist, dann kann es sein, dass ich wieder zu Voltaire komme…und…“

„Hast du Gepäck dabei?“, unterbrach Tala ihn.

„Äh…nein…“, erwiderte Kai überrascht.

„Na dann!“, klatschte der Rotschopf plötzlich in die Hände und nahm den Jungen mit in sein Zimmer, „du kannst von Glück reden, dass wir beide fast gleich groß sind. Hier, zieh die an. Du wirst darin zwar nicht den gleichen geilen Arsch wie ich haben…aber ich denke zum schlafen wird sie dir erst einmal reichen…“

Kai sah sich die Hose an, welche ihm Tala gegeben hatte und hielt sie sich an die Hüfte.

„Wie du weißt, habe ich meine Eltern nach der Zeit in der Abtei nie mehr gesehen…ich kann also nicht nachvollziehen, wie du dich gerade fühlst. Aber wenn ich dich so ansehe…muss es echt scheiße sein.“

„Danke…Tala…“

„Ach was“, winkte dieser ab, „du hattest mich schon mit deinem Dackelblick an der Wohnungstür soweit. Schön dich wieder mal zu sehen, auch wenn es unter diesen Umständen sein muss. Du kannst heute Nacht in meinem Bett schlafen…wir haben die Möbel für dein Zimmer im Keller und bauen morgen alles auf. Gute Nacht, Kai.“

„Gute Nacht…“

Tala schloss hinter sich die Tür und bemerkte, dass Bryan auf den Flur linste. Der Rotschopf seufzte kurz, ging zu seinem Teamkollegen und raunte: „Gib ihm etwas Zeit…er macht gerade eine schwere Zeit durch…und bevor er wieder zu diesem alten Mann kommt habe ich ihn lieber hier. Hab bitte Verständnis…“

„Du weißt, dass ich ihn nicht leiden kann…?“

„Das weiß ich, Bryan. Ich verlang auch nicht, dass ihr euch mit ihm anfreundet.“

„…aber selbst jemand wie Kai hat ein Leben an der Seite von Voltaire nicht verdient…ich werde mich aber auch nur benehmen, wenn er es tut!“

„Bryan“, grinste Tala und tätschelte ihm die Schulter, „du bist der Beste!“
 

Tala guckte am nächsten Nachmittag aus der Windschutzscheibe seines Autos und legte einen Arm über das Lenkrad, während Bryan neben ihm gelangweilt vor sich her pfiff. Die beiden zuckten heftig zusammen, als eine der hinteren Türen aufging und sich eine weitere Person ins Auto setzte.

„Echt jetzt?“, fragte Kai amüsiert, als er die erschrockenen Gesichter der anderen beiden bemerkte, „ihr holt mich von der Schule ab?“

„Wo kommst du denn her? Der Haupteingang ist dort vorne!“

„Ich hatte die letzten Schulstunden Sport. Die Halle ist auf der anderen Seite des Geländes.“

Tala ließ den Wagen an und fuhr los.

„Trägst du da wirklich eine Krawatte?“, wollte Bryan wissen und drehte sich zu Kai um.

„Ja. Noch nie gesehen, hm?“

„An dir zumindest nicht. Dich mal ohne dein blaues Zeug im Gesicht zu sehen ist ein Erlebnis der Extraklasse! Hättest du ihn so erkannt, Tala?“

„Ich hätte auch zwei Mal hinschauen müssen.“

„Heftig…“, raunte Bryan.

„Du siehst auch nicht besser aus, mit deiner Wildlederjacke, welche mit Stinktierpelz besetzt ist!“, brummte Kai von der Rückbank.

„Wa…WAS?“

„Jung!“, rief Tala durch das Auto, „ich habe keine Hemmungen gleich eine Vollbremsung hinzulegen, wenn ihr euch nicht benehmt!“

„Er hat doch angefangen!“, beschwerte sich Bryan.

„Und ich werd’s gleich beenden!“, fauchte der Rotschopf, „es kann doch nicht euer Ernst sein, dass ihr zwei euch jetzt schon, nach noch nicht mal 24 Stunden in den Haaren habt?!“

Bryan und Kai warfen sich einen giftigen Blick zu, erwiderten jedoch nichts mehr. Nach ein paar weiteren Minuten Autofahrt ließ Tala Bryan aussteigen, so dass dieser mit Spencer Heimwerker spielen konnte, während Tala mit Kai zu dessen Vater fuhr, um ein paar Sachen zu holen.

„Weiß dein Vater eigentlich schon von seinem Glück?“

„Ich hab vorhin mit ihm telefoniert…“

„Was meinst du, wie er gleich reagieren wird?“

„Er hat Verständnis.“

Irgendwie hatte Tala sich Kais Vater anders vorgestellt und nicht so, wie den Mann, der ihnen die Tür öffnete. Dieser war ein wenig größer als Bryan, hatte dunkle Haare, sowie die an Kais Hinterkopf und dunkle Augen. Er war schlank, jedoch kaum muskulös ehr schlaksig, doch er hatte dieses herzliche Lächeln, welches sogar Tala weich werden ließ.

„Guten Morgen, Herr Hiwatari“, grüßte Tala, als er ihm die Hand gab.

„‘Herr Hiwatari‘? Wann habe ich das zum letzten Mal gehört?“, grinste der Mann, „ich bin Daniellé.“

„Tala.“

„Ich weiß. Ich habe mir die Meisterschaft angeguckt.“

Kai war bereits im Obergeschoss des großzügigen Hauses verschwunden und schien mehr von einem Zimmer ins nächste zu laufen, als zu packen. Daniellé und Tala beobachteten das Schauspiel kurz.

„Schönes Haus, Herr Hiwa…Daniellé“, versuchte Tala die Stille zu brechen.

Dieser ließ den Blick durch das Foyer gleiten und nickte. Er wies Tala auf die Wand rechts von ihnen hin, wo einige Bilder hingen.

„Ich bin mir sicher, dass du Kai noch nie ohne seine Kriegsbemalung gesehen hast?“

„Nein.“

Wahnsinn, dachte sich Tala, als er das Bild betrachtete. Was Kleidung und ein bisschen Farbe im Gesicht alles ausmachen konnte.

„Ich hätte mir Ihren Sohn niemals in einer Schuluniform vorstellen können“, bemerkte Tala und sah sich ein paar weitere Fotos an, „oder hier…ist das…wirklich eine Latzhose?“

„Als Kind hat er die geliebt“, grinste Danny, „und jetzt ist er 18 und ich habe das Gefühl, sein ganzes Leben verpasst zu haben. Kannst du dir das vorstellen? Ich sehe meinen Sohn an und könnte nicht mal sagen, was er gerne isst.“

„Gebratenen Reis mit Kokosnusssauce und Hühnchen. Ironisch wenn man daran denkt, was sein Bit Beast Dranzer darstellt. Er hatte während der Meisterschaft immer ein Päckchen Gummibärchen mit…nicht die normalen sondern diese, die die Füllungen aus den Zähnen ziehen können.“

„Ihr zwei scheint euch gut zu verstehen?“

„Och…würde ich jetzt nicht sagen. Dafür haben wir zu oft verschiedenen Meinungen.“

„Das weiß man bei Kai nie richtig, stimmt’s?“, lachte Daniellé, „könntest du mir trotzdem einen Gefallen tun?“

Tala sah Kais Vater groß an, nickte jedoch.

„Bitte hab ein Auge auf mein Kind…er ist mein Einziges…“

„Ist gut…er wird’s mir aber nicht leicht machen…“

Kai kam mit einer großen Sporttasche nach unten und stellte diese vor seinen Füßen ab.

„Wir können.“

„Das ist alles, was du mitnehmen willst?“, fragte Daniellé unsicher nach.

Kai nickte nur und blickte zu Tala: „Könntest du…?“

„Ich warte im Auto. War schön Sie mal kennenzulernen, Daniellé“, meinte dieser und schloss hinter sich die Tür.

„Falls du etwas brauchst, ruf mich an, okay?“

„Mach ich Papa.“

„Lern fleißig für die Schule…und benimm dich bei den Jungs.“

„Ja Papa“, erwiderte Kai, drehte sein Gesicht weg und rieb sich die Augen.

„Nein…du musst doch nicht weinen, Kai. Das hier ist kein Abschied für immer“, lächelte Danny traurig.

„Ja…ja Papa…“

„Na komm her, Großer…“

Daniellé breitete seine Arme aus und drückte Kai fest an seine Brust, während dieser die Arme um seinen Vater schlang. Sein Körper bebte, seine Augen füllten sich erneut mit Tränen und seine Unterlippe zitterte. Danny streichelte ihm ein paar Mal über den Kopf und tätschelte Kai auf die Schulter, bevor sich dieser aus der Umarmung löste und nach einem leisen „Tschüss“ ebenfalls die Haustür hinter sich schloss.
 

Tala blickte während der Fahrt zu Kai rüber, welcher nur aus dem Fenster sah, doch Tala konnte in der Spiegelung seine Augen sehen. Armer Kerl…

„Bryan und Spencer sind fast fertig…“, meinte Tala schließlich, um die Stille zu brechen.

„Bitte?“

„Dein Zimmer ist fast fertig.“

„Okay.“

„Brauchst du noch irgendwas?“

„Ein neues Leben…“

„Oh dann stell dich hinten an“, grinste Tala, „wie wär’s erst mal mit einer Freundin?“

„Für sowas hab ich keine Zeit.“

„Autsch.“

„Von euch hat doch momentan auch keiner eine…oder?“

Tala schien kurz zu überlegen, schüttelte dann den Kopf: „Nicht das ich wüsste…“

„Und was ist mit dieser Blondine, welche du letztens in der Disco aufgegabelt hast?“

„Oh bitte…“, kicherte der Rotschopf, „ich habe gesagt, dass ich nichts festes habe, was noch lange nicht heißt, dass ich gar niemanden habe…auch wenn’s nur zum Spaß ist!“

Er parkte das Auto, öffnete den Kofferraum und begutachtete Kais Tasche.

„Du…hast ja wirklich nicht viel dabei…“

Kai sah ebenfalls auf die Tasche und zuckte mit den Schultern: „Zur Not habe ich ja immer noch deine Hosen“, schmunzelte er kaum sichtbar, „in denen ich übrigens auch einen tollen Arsch habe! Sie sind nur ein bisschen zu lang.“

Bryan und Spencer hämmerten gerade die Rückwand an den Kleiderschrank, als die beiden anderen ins Zimmer traten.

„Ich dachte du bleibst länger?“, fragte Spencer, als er die Tasche sah, „hast du es dir doch anders überlegt?“

„Es wird mir für die nächsten Wochen reichen…“

Spencer zuckte daraufhin nur mit den Schultern und stellte zusammen mit Bryan den Schrank auf.

„Ach ja…gestern kam noch jemand vorbei, der sich wegen dem noch freien Zimmer gemeldet hat. Wir müssten uns darüber mal unterhalten.

„Und wann?“

„Gegen Nachmittag. So alt wie du, Bryan.“

„Räumen wir noch ein wenig auf und gehen dann für das Wochenende einkaufen…“, meinte Tala und blickte zu Kai, „soll ich dir jetzt oder heute Abend die Hausordnungen erklären?“

„Hausordnung?“

„Ich wollte es nicht unbedingt ‚Regeln‘ nennen, weil ich dann ganz genau weiß, dass du dich eh nicht dran halten wirst.“

„Hey! Du lernst ja dazu.“

„Dünnes Eis, Kai…ganz dünn“, grinste Tala.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Ein paar Stunden später schlenderte Bryan den Flur entlang Richtung Küche, als er bemerkte, dass Kais Zimmertür offenstand.

„Soll ich dir bei den Hausaufgaben helfen?“, grinste Bryan breit, nachdem er Kai an seinem Schreibtisch sitzen und etwas in den Taschenrechner eingeben sah.

Der Junge sah zu ihm und schient zu überlegen, bis er ihn schließlich zu Bryans Verwunderung zu sich winkte.

„Ich komm bei dieser Gleichung einfach nicht weiter…“

Bryan beugte sich über Kais Schulter und überflog die Aufgabe, doch nach zwei Minuten Grübeln gab er auf.

„Man alter! Sollst du damit das Volumen der Sonne berechnen, oder was?“

„Das ist eine normale Gleichung meiner Jahrgangsstufe…“, erwiderte Kai.

„Ritz von mir aus deine Aufgabe in eine Brausetablette und wirf sie ins Wasser. Die löst sich dann von selbst auf!“, fluchte Bryan und raufte sich die Haare.

Kai hatte den Kopf auf seine Hand gestützt und grinste seinen Mitbewohner schief an.

„Du…du hast mich doch reingelegt?“

„Wie kommst du denn darauf?“

„Du hast mich nur gefragt, weil du ganz genau wusstest, dass ich es nicht lösen kann!“

„Nein. Sowas würde ich doch nie tun…“, grinste Kai unschuldig.

„Argh!“

Spencer linste ins Zimmer: „Was schreist du hier so rum?“

„Kai geht mir schon wieder auf die Nerven!“, beschwerte sich Bryan.

„Du hast mich doch gefragt, ob du mir helfen kannst!“

„Auf was für ne Schule gehst du eigentlich? Eine für Hochbegabte?“

„Ich gehe in die Oberstufe einer Privatschule. Unser Stoff ist nur etwas schwerer, wie der der öffentlicher Schulen.“

„Nur ‚etwas‘?“

Spencer schüttelte nur den Kopf und ging zu Tala ins Wohnzimmer, wo dieser es sich auf der Couch gemütlich gemacht hatte.

„Hast du kurz?“, fragte er seinen Teamchef.

„Stimmt ja…der neue Mitbewohner…und? Wie war er so?“

„Wie willst du’s haben? Durch die Blume oder eiskalt ins Gesicht?“

„Doch so schlimm?“, lachte der Rotschopf und setzte sich auf.

„Schlimmer wie dieser Schlaumeier da geht’s doch gar nicht!“, beschwerte sich Bryan immer noch und stampfte ins Wohnzimmer, „könnt ihr mir sagen, wie wir mit dem die drei Monate der Weltmeisterschaft überlebt haben?“

„Sag’s einfach, Spencer“, bat Tala.

Der Riese seufzte tief und verschränkte die Arme über der Brust: „Es ist…ein Mädchen.“

Bryan und Tala warfen sich einen ungläubigen Blick zu und verkniffen sich dann ein Lachen, als sie jedoch Spencers ernstes Gesicht bemerkten verstummten sie.

„Echt jetzt? Wie sah sie denn aus? Groß, schlank, Riesentitten und n‘ geilen Arsch?“, wollte Bryan aufgeregt wissen, „wenn das der Fall sein sollte hab ich nichts dagegen!“

„Hm…ungefähr so groß wie Kai. Ob sie schlank ist oder Riesentitten hat kann ich dir nicht sagen, sie hatte einen weiten Pulli an. Und sie scheint ein Fangirl zu sein.“

„Wieso trug sie einen Pulli? Wir haben Anfang November!“

„Bryan…nicht jeder trägt so wie du bei Minusgraden immer noch ein T-Shirt.“

„Und wie war sie so vom Auftreten her? Wenn du schon sagst, dass sie ein Fangirl sein soll, muss sie dir ja um den Hals gefallen sein“, grinste Tala.

„Vom Charakter her scheint sie eine recht nette zu sein…“

„Ich hörte dein ‚aber‘…?“

„Könnt ihr euch unter dem Begriff ‚Punker‘ was vorstellen?“

„Sind das nicht diese Leute, wo immer nur in Anzügen herumlaufen?“, überlegte Bryan und stieß Kai in die Seite, als dieser gerade an ihm vorbeiging und seine Krawatte lockerte.

„Nein…das sind Bänker. Punker sind so was ähnliches wie…wie…“, Spencer suchte einen Vergleich und blickte ihren jüngsten Zugang an, „so wie er…nur mit mehr Nieten…und bunteren, teilweise abrasierten Haaren…und Piercings überall.“

Kai sah ungläubig an sich herunter und warf Spencer einen garstigen Blick zu: „Willst du damit andeuten, dass ich wie ein Punker aussehe?“

„So ein bisschen vielleicht? Im Moment bist du anscheinend im Tarnmodus mit deiner grauen Stoffhose und deinem weißen Hemd. Aber…das was du sonst so anhast…außerdem hast du einen Ohrring!“

„Aber doch nur einen normalen! Bryan hat auf beiden Seite Tunnel!“

„Weil das zu meinem Stil passt. Hör auf von dir abzulenken!“

„Jungs! Es reicht!“, ging Tala erneut dazwischen.

„Er hat doch…“, begann Bryan, wurde jedoch von seinem Teamchef unterbrochen.

„Es war von Anfang an klar, dass ihr zwei euch am Wenigsten verstehen werdet, aber dass ihr euch mehrmals am Tag in die Quere kommt…damit bin ich nicht einverstanden! Findet eine Lösung oder ich werde eine finden!“

Bryan rutschte die Couch zähneknirschend runter, während Kai einfach nur die Arme über der Brust verschränkte.

„Was machen wir jetzt wegen dem Mädchen?“, erkundigte sich Spencer und rieb sich nachdenklich das Kinn.

„Wenn wir eine Frau bei uns wohnen lassen würden, dann müssten wir uns rücksichtsvoller verhalten und einiges umstellen…“, seufzte Tala.

„Was müssten wir denn umstellen?“

„Wir könnten nicht mehr nackt durch die Wohnung laufen“, knurrte Bryan.

„Du läufst doch gar nicht nackt durch die Wohnung…“

„Ich könnte aber morgen damit anfangen!“

„Sorry, Spencer. Aber das würde nur Probleme mit sich bringen“, entschied Tala und sah den Riesen schon fast bemitleidend an, „auch wenn du sie schon liebgewonnen hast…“

„Sie ist im selben Zustand wie du, als du damals zu Boris kamst…“, murmelte Spencer gedankenverloren.

Tala schüttelte nur den Kopf und ging aus dem Zimmer. Er hatte seine Entscheidung getroffen.

Kapitel 3

Luna zwang sich ruhig zu bleiben, was ihr nicht wirklich gelingen wollte. Draußen war es mittlerweile schon fast zu kalt, um nur wie sie mit einem Pullover herumzurennen. Natürlich regnete es im Moment vermehrt und das in Verbindung mit dem eisigen Wind…einfach nur schrecklich!

Du schaffst das schon…du schaffst das! Sie trat nervös von einem Fuß auf den anderen und knabberte an ihren Fingernägeln, welche sowieso schon völlig blutig gekaut waren, während sie auf die massive Tür starrte, die sich bestimmt gleich öffnen würde.

„Noch könnte ich umdrehen…und das Weite suchen“, murmelte sie, doch genau in diesem Moment ging die Tür auf.

Oh mein Gott! Ich flipp gleich aus!, quietschte ihre innere Stimme, als ihr der junge Mann direkt in die Augen blickte.

„Du bist also Luna?“, wollte er wissen.

„Ja“, antwortete sie knapp.

„Na dann…komm rein.“

Er verzog keine Miene, als das Mädchen an ihm vorbei ging, so dass es ihr einen kalten Schauer über den Rücken jagte.

„Ich muss mich wahrscheinlich nicht vorstellen, oder?“, fragte er belustigt.

„Nein. Ich weiß wer du bist.“

„Haben…haben wir uns vor kurzem nicht sogar in der Disco gesehen?“, überlegte er.

„J…ja?“, hauchte das Mädchen unsicher.

„Hör auf mich so ängstlich anzuschauen, ich tu dir schon nichts“, grinste Tala und ging mit Luna ins Wohnzimmer, „Spencer kennst du bereits schon. Ich denke mal die anderen beiden muss ich dir auch nicht vorstellen?“

„Nein. Die kenn ich auch.“

Er bedeutete ihr, dass sie sich zu den anderen setzen sollte und holte sich ein Notizbuch. Luna traute sich nicht auch nur einen der Blitzkrieg Boys direkt anzusehen, die Gefahr einen Herzinfarkt zu erleiden war zu groß.

„Moment mal! Du bist doch die Schnitte, mit der ich letztens in der Disco getanzt habe!“, meldete sich Bryan plötzlich, „du…du siehst nur irgendwie anders aus…?“

„Kein Make up…“, grinste sie verlegen.

„…hattest du die Haare damals auch schon…so?“

„Ja.“

Bryan zog erstaunt die Augenbrauen hoch, erwiderte jedoch nichts mehr.

„Wir haben uns dazu entschieden, dass du ab sofort bei uns wohnen wirst“, unterbrach Tala die beiden und blätterte in seinem Buch, „hast du irgendwelche Fragen?“

Ich will einfach alles über euch wissen!, schrie Lunas innere Stimme.

„Sollte ich denn etwas bestimmtes wissen?“, fragte sie vorsichtig.

„Nun ja…du hast es Spencer zu verdanken, dass du jetzt hier sitzt und kein anderer. Und auch wenn du ein Mädchen bist, wird dich das nicht von irgendwelchen Aufgaben ausschließen.“

„Ich brauche keine Sonderbehandlung…“

„Das wollte ich hören“, schmunzelte Tala.

In Wirklichkeit sah er noch viel besser aus, als auf dem Bildschirm ihres Fernsehers, oder wie letztens in der Disco. Seine Augen, seine blasse Haut ja sogar seine zwei Haarsträhnen, welche in sein Gesicht hingen…einfach alles sah gut an ihm aus!

„Wann kommt der Transporter?“

„Welcher Transporter?“

„Der, der deine Sachen herbringt.“

„Ach so…“, stutzte Luna, „ähm…da kommt kein Transporter…“

„Wo sind dann deine Kleider? Deine Möbel? Du weißt doch, dass das Zimmer völlig leer ist“, entgegnete Spencer.

„Ich…ich hab nichts außer das, was hier in meinem Rucksack ist…“

Die Jungs blickten zur Tür, wo ein kleines Häufchen Elend stand, was irgendwann mal ein Rucksack gewesen war.

„Sie bringt ja noch weniger mit wie du“, lachte Bryan und stieß Kai in die Seite.

„Aber ich habe das Geld für die erste Monatsmiete und die Kaution“, warf Luna hastig in die Runde und fummelte in ihrer Hosentasche.

„Und woher hast du das? Geklaut?“

„Bryan…“, knurrte Spencer.

„Ich verdien mein Geld mit meiner Arbeit…“

„Als was denn?“, fragte Tala und spielte mit dem Knopf seines Kugelschreibers.

„Ich…ähm…also...naja…“

„Du…hast es doch nicht wirklich geklaut, oder?“

„Nein!“

Bryan unterdrückte ein Lachen und fing sich von Spencer einen garstigen Blick ein.

„Solange du die Miete zahlen kannst ist es mir egal mit was du dein Geld verdienst“, gab Tala zu.

„Hast du nicht noch Zeug bei diesem Jamie oder wie er hieß?“

„Der Drecksack hat mich noch am selben Tag rausgeschmissen, als ich mit ihm hier war.“

„Aber…das war vor einer Woche? Wo hast du die ganze Zeit gewohnt?“

Luna seufzte und unterdrückte ein Schluchzen: „Ich wäre euch sehr…sehr dankbar, wenn ich einfach nur duschen und für ein paar Nächte auf der Couch schlafen könnte. Am Montag kauf ich mir gleich meine Möbel…“

Tala sah kurz in die Runde und nickte ihr dann zu.

„Du weißt ja wo das Bad ist?“

„Ja. Danke…“, murmelte sie und stand auf.

Genau in diesem Moment beugte sich Bryan vor, um ihr noch etwas hinterherzurufen, doch Tala unterband dies mit einer simplen Handbewegung. Sie warteten kurz, bis sie das klacken der Tür hörten, dann seufzten alle tief.

„Sie ist in einem noch schlimmeren Zustand, als ich damals“, beschwerte sich Tala bei Spencer, „ist dir eigentlich bewusst, dass wir gerade eine Obdachlose aufgenommen haben?“

„Sie ist in Ordnung, Tala“, erwiderte Spencer, „gib ihr halt ein wenig Zeit…sowas wie einen Welpenschutz.“

Kai sah zum ersten Mal interessiert auf und fragte: „Hab ich diesen Welpenschutz auch?“

„Nö.“

„Wieso nicht?“

„Die Frage kannst du dir auch selbst beantworten…“

Der Junge verschränkte die Arme vor der Brust, entschied sich aber nichts mehr zu erwiedern.

„Sie ist ein misslungenes Selbstverunstaltungsexperiment! Habt ihr ihre ganzen Piercings im Gesicht gesehen?“, grinste Bryan schief, „und die Haare erst! So viele bunte Farben und eine Seite abrasiert? Also bitte!“

„Bryan!“, mahnte Tala und warf seinem Teamkollegen einen vielsagenden Blick zu, „vor zwei Wochen hast du noch von ihr geschwärmt, dass sie so viele Piercings im Gesicht hat und jetzt ziehst du über sie her?“

„Man ich war betrunken!“, verteidigte sich dieser.

„Sie wird es nicht schaffen…spätestens nächsten Monat geht sie wieder“, erwiderte Kai kühl.

„Solange sie Miete zahlt darf sie bleiben“, seufzte Tala müde, „wir waren uns einig.“

„Eigentlich…hast du das entschieden.“

„Danke, Kai! Fall du mir jetzt auch noch in den Rücken.“

„Ich sag nur, wie’s war.“

„Und jetzt frag noch mal, wieso du keinen Welpenschutz bekommst…“

„Luna war ihr Name oder?“, erkundigte sich Bryan bei Spencer, welcher stumm nickte, „was ist das für ein Name?“

„Lateinisch für Mond“, meinte Kai.

„Du bist ein richtiger Klugscheißer, weißt du das?“

„Ich bin kein Klugscheißer, Bryan. Ich weiß es nun mal wirklich besser.“

Kais Sitznachbar ballte die Faust, ließ dann doch sein und knurrte nur etwas Unverständliches vor sich her. Tala rieb sich die Augeninnenwinkel und seufzte. Das könnte noch sehr lustig werden…
 

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„Wir putzen einmal die Woche, sonst kriegt Spencer einen Schreikrampf gleich nach seiner Herzattacke. Nachdem du jetzt hier wohnst müssen wir uns mit der Wäsche absprechen, auch wenn es verlockend wäre, mal einen BH in einem unserer Wäschekörbe zu haben“, grinste Tala, als er Luna die Hausordnung erklärte.

Sie erwiderte sein Lächeln, wenn auch nur schwach. Sie hatte letzte Nacht überhaupt nichts geschlafen und das machte sich jetzt bemerkbar.

„Bügeleisen und –Brett stehen in der kleinen Kammer…die Einkäufe erledige meistens ich, also wir schreiben eine Liste zusammen, was jeder braucht…oder du gehst mit. Deine Entscheidung.“

„Ich kann mir eure verwirrten Gesichter regelrecht vorstellen, wenn ich Tampons auf die Liste schreibe“, kicherte Luna.

Tala sah kurz auf und schien zu überlegen: „Das…könnte interessant werden. Bereust du es?“

„Was denn?“

„Dein Tattoo am Arm.“

„Nein“, erwiderte sie tonlos und zog hastig den Ärmel ihres Pullovers runter, „bereut ihr eure Tattoos denn nicht?“

Erneut sah Tala verwundert auf und blickte zu Bryan, welcher am Türrahmen zur Küche lehnte.

„Internet“, meinte Luna und hob entschuldigend die Hände, „da kann man so einiges nachlesen. Habt ihr euch noch nie gegoogelt?“

„Nein.“

„Tatsache ist, dass ich noch nie einen Kerl mit einem Arschgeweih gesehen habe…“

„Ich habe doch kein Arschgeweih!“, beschwerte sich Tala empört, „es ist unser Teamzeichen umrandet von einem Tribal!“

„Sag ich doch…Arschgeweih.“

Tala legte den Kopf schief und hob beide Augenbrauen. Spencer hatte mittlerweile die Einkaufsliste fertiggeschrieben und reichte sie weiter.

„Okay…dann wollen wir mal…KAI!“, rief Tala, ohne von seinem Platz aufzustehen.

Der Junge stand plötzlich ebenfalls im Türrahmen zur Küche und sah zu seinem Teamchef.

„Du kommst mit mir und Bryan einkaufen.“

Die beiden warfen sich einen eindeutigen Blick zu, erwiderten jedoch nichts. Spencer winkte Luna zu sich, um ihr die Waschmaschine zu erklären. Sie hatte ihre Jogginghose und einen ausgedehnten Pullover angezogen und wollte wenigstens ihre restlichen Klamotten waschen.

„Eigentlich ist daran nichts kompliziert. Hier stellst du das Programm ein und hier die Zeit“, zeigte Spencer und deutete auf die Knöpfe.

„Danke“, erwiderte das Mädchen und räumte ihren Rucksack aus.

„Wenn du etwas brauchst, ich bin in der Küche.“

„Alles klar.“

Spencer machte ein paar Handgriffe in der Küche, während er von seiner Mitbewohnerin aus dem Augenwinkel heraus beobachtet wurde. Als sich der Riese wieder in ihre Richtung drehte griff das Mädchen hastig nach irgendetwas, damit es ihm nicht auffiel, dass sie ihn anstarrte.

„Willst du mir nicht irgendwas sagen?“, fragte Spencer plötzlich und trat neben sie.

„N…nein!“

„Ich spüre doch deine Blicke in meinem Rücken. Also?“

„Tut…tut mir leid!“

„Du musst dich doch nicht entschuldigen!“, lachte er, „…und vor mir brauchst du am wenigsten Angst zu haben.“

„O…okay“, stammelte sie, verstaute ihre Hände in die Hosentaschen und huschte in ihr Zimmer.

Ihr Puls raste und ihre Hände zitterten, während sie versuchte die Farbeimer zu öffnen. Luna atmete zwei Mal tief durch, bevor sie Spencer in ihrer Tür stehen sah und sich heftig erschreckte.

„Du hast doch Angst vor mir“, grinste er.

„NATÜRLICH HAB ICH ANGST VOR DIR!“, rief sie wütend aus, „UND NICHT NUR VOR DIR, AUCH VOR DEN ANDEREN DREIN, DENN MAL ABGESEHEN DAVON, DASS ICH EUCH ÜBERHAUPT NICHT KENNE MACHT IHR EUCH AM LUSTIG ÜBER MICH!!“

Spencer sah das Mädchen, welches den Tränen nahe war groß an. Mit so einem Ausraster hatte sogar er nicht gerechnet. Sie schnaufte schwer und ihr ganzer Körper zitterte, während Luna beide Hände zu Fäusten ballte und Spencer giftig anstarrte.

„Wir haben uns doch nicht lustig über dich gemacht…“, versuchte der Riese sie zu beruhigen.

„Ach nein? Habe ich es also falsch verstanden, als der Igelkopf mich als misslungenes Selbstverunstaltungsexperiment bezeichnet hat? Oder habe ich es etwa falsch verstanden, dass mein Job keine Zukunft hätte? Oder mein Kleidungsstil? Dabei dürftet ihr euch selbst mal an die Nase fassen, so wie ihr alle rumlauft!“

„Der Igelkopf heißt Bryan…“, erwiderte Spencer.

„Na und? Der, Rotkäppchen und der wandelnde Eisklotz haben mich Mond genannt. MOND!“

Spencer hielt inne. Jap, das Wort Mond war letztens gefallen…und auch die anderen Sachen stimmten…

„Na? Hat’s dir jetzt die Sprache verschlagen?“

„Nein. Ich würde mich nur gerne für all die Sachen entschuldigen. Aber in deinem Zustand sollten wir alle noch mal eine Nacht drüber schlafen und uns dann mal zusammen setzen, um über alles zu reden?“

„In meinem…Zustand?“, wiederholte Luna aufgebracht.

„Du bist sauer.“

„Ich bin wütend!“

„Mein Vorschlag: Du kommst wieder runter und ich rede mit den Jungs. Morgen setzten wir uns dann alle zusammen und unterhalten uns. Okay?“, schlug Spencer vor, „denn in dieser Lage möchte ich es nicht belassen.“

Luna schnaufte schwer, nickte schließlich jedoch und schloss ihre Zimmertür vor Spencers Nase.

„Na…das kann ja noch lustig werden…“, seufzte er.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Während des Abendessens linste Tala auf den leeren Platz neben sich und fragte, ob Luna bereits wieder ausgezogen war.

„Nein“, erwiderte Spencer und hob beide Augenbrauen, „unsere Mitbewohnerin fühlt sich von uns verarscht und möchte deswegen keinen von uns sehen.“

„Ver…arscht?“, wiederholten Tala und Bryan im Chor, während Kai nur von seinem Teller aufsah.

„Jupp.“

„Aber wieso das denn?“

„Weil die junge Dame jedes Wort von unserem Gespräch von gestern Abend mitbekommen hat. Alles davon.“

Tala, Bryan und Kai sahen sich gegenseitig an.

„Du meinst das Gespräch, wo wir uns ‚nur‘ über sie unterhalten haben?“, fragte Bryan.

„Welches sich in ihren Ohren als beleidigend angehört hat.“

„Okay…? Übertreibt sie nicht ein wenig?“

„Tut sie das?“, warf Tala Bryan ins Wort, „du hast sie Mond genannt…und wir beide haben ihren Job in Frage gestellt. Frauen reagieren darauf anscheinend empfindlicher als wir.“

Bryan hob ungläubig beide Augenbrauen und schüttelte den Kopf: „Damit muss sie zurechtkommen…“

„Ah ja?“, meinte Spencer amüsiert, „würdet ihr mit Namen wie Igelkopf, Rotkäppchen oder wandelnder Eisklotz zurechtkommen?“

Tala, Bryan und Kai sahen sich erneut gegenseitig an.

„Wie hat die uns genannt?“, fragte Bryan gereizt.

„Igelkopf, Rotkäppchen und wandelnder Eisklotz.“

„Und wieso hast du keinen Spitznamen?“, wollte Tala grinsend wissen.

„Ich bin wahrscheinlich der Riese.“

„Wieso ist dein Name weniger angreifend als unsere?“

„Wieso angreifend? Du siehst jeden Tag so aus, als wärst du grad aufgestanden, Kai spricht eben nicht viel und Tala hat nun mal rote Haare…“

„Ich seh doch nicht aus, wie frisch aufgestanden!“, widersprach Bryan aufgebracht.

Tala und Spencer verkniffen sich ein Lachen, also wand er sich an Kai.

„Wann hast du dich das letzte Mal im Spiegel gesehen?“

„Ich…ich seh nicht aus…“, meinte Bryan und ging ins Bad, „meine Frisur sieht super aus!“

Tala grunzte, um nicht loszulachen, während Kai sich nur die Schläfe rieb und „Oh man…“ von sich gab.

„Eigentlich sollte sie lieber Kai Igelkopf nennen!“, beschwerte sich Bryan und setzte sich wieder auf seinen Platz.

„Nein ich seh gut aus“, gab dieser überzeugt zurück.

„Findest du das nicht sogar für dich etwas zu eitel?“

„Nein. Ich bin völlig davon überzeugt.“

„Es ist eitel, wenn nicht sogar schon eingebildet!“

„Bryan…lass gut sein…“, lächelte Spencer und stellte die Teller in die Spüle.

„Ich will aber nicht der Igelkopf sein!“

„Dann entschuldige dich und stell dich anständig bei Luna vor!“, mahnte Spencer.

„Hab ich doch!“

„‘Hey wir kennen uns aus der Disco und damals sahst du aber anders aus‘ ist keine richtige Art sich vorzustellen, Bryan. Frag Kai, der ist aus gutem Hause und weiß wie’s richtig geht!“

Kai machte eine überzeugende Geste und nippte an seinem Tee, während Bryan vor Wut rot anlief.

„Ich denke mal, dass wir uns alle bei ihr entschuldigen sollten…“, meinte Tala, stand auf und holte eine weitere Tasse aus dem Küchenschrank.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„…ich zieh hier wieder aus! Ich hab die Schnauze so gestrichen voll!“, schimpfte Luna und lief mit ihrem Handy am Ohr durch ihr Zimmer.

„Du wohnst jetzt erst mal einen Tag dort…geb ihnen noch ein wenig Zeit…“, erwiderte ihre Mutter auf der anderen Leitung.

„Ich hasse sie!“

„Nur weil sie sich über dich lustig gemacht haben musst du doch nicht gleich das Handtuch werfen. Vielleicht war das auch nur dein erster Eindruck?“

„Ich war übelst freundlich!“

„Nicht jeder reagiert beim Anblick von mehreren Piercings im Gesicht und einem Vokuhilahaarschnitt mit bunten Haaren gleich. Falls du immer noch so aussehen solltest.“

„Musst du jetzt wieder wegen meinem Aussehen nörgeln?“

„Ich nörgel nicht, Luna. Ich sag nur, wie’s ist. Lass ihnen Zeit, um dich besser kennen zu lernen.“

„Das halt ich nicht aus…“, knirschte das Mädchen mit den Zähnen, „ich pack noch heute meine Sachen und bin morgen mit dem ersten Zug wieder daheim!“

Ihre Mutter seufzte: „Du weißt doch, dass ich wieder geheiratet habe. Und wenn ich mich recht an das letzte Treffen erinnere habt ihr euch Gegenstände an den Kopf geworfen!“

„Er kommt mit Kritik nicht klar.“

„Das ist keine Entschuldigung, Luna. Ruf doch deinen Vater an, was er dazu sagt?“

„Er geht gar nicht an sein Handy…“

„Weißt du, wir haben dir damals die Entscheidung gelassen, dass du entweder eine Ausbildung machst und dein Leben endlich in den Griff bekommst, oder dass du gehst. Du bist gegangen.“

„Ich habe aber mittlerweile eine Arbeit!“

„Seit wann?“

„Vier…Monaten.“

„Du bist also noch in der Probezeit. Da kann noch viel passieren, Luna.“

Das Mädchen seufzte schwer. Plötzlich klopfte es an ihrer Tür.

„Oh man…“

„Was ist los, Luna?“

„Irgendeiner von denen klopft grad an meiner Tür…“

„Dann mach doch auf?“

„Okay…Mama ich melde mich später noch mal bei dir“, raunte sie und legte auf.

Kurz vor ihrer Tür blieb das Mädchen stehen und überlegte. Wohin würde das nur führen, wenn sie wirklich aufmachte? Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es erst halb zehn war…sie könnte sich also nicht schlafend stellen…oder doch? Erneut klopfte es und Luna öffnete die Tür schwungvoll. Der Junge blickte er aufgerissenen Tür kurz nach und sah schließlich sie mit einem verlegenen Lächeln an.

„Ja?“, fragte Luna und hielt sich am Türrahmen fest. Diese Augen…

„N’abend. Ich…nein…wir wollten fragen, ob du vielleicht fünf Minuten hast?“

„Fünf Minuten? Braucht ihr High Society Leute heutzutage nicht länger, um jemanden, der euch nicht passt rauszuschmeißen?“, fauchte Luna.

Tala, welcher gerade eine Geste Richtung Küche machen wollte hielt in seiner Bewegung inne und sah sie ungläubig an.

„Autsch…“, sagte er dann nur, „das hat sogar mir wehgetan.“

Luna warf ihn einen vielsagenden Blick zu und wartete neugierig, auf das was jetzt noch kommen würde.

„Nein…eigentlich wollten sich Rotkäppchen“, grinste Tala und zeigte auf sich, „Igelkopf, wandelnder Eiskoltz und der Riese sich bei dir entschuldigen…würdest du also…bitte?“

Mit dieser Aussage hatte Luna nicht gerechnet. Sie blickte Tala wie vom Blitz getroffen an, folgte jedoch seiner Geste und setzte sich in der Küche auf dem noch freien Platz, wo ihr sogleich eine Tasse mit heißem Tee hingestellt wurde.

„D…danke…“, sagte sie niedergeschlagen.

„Also…“, fing Tala an und zeigte von einem zum anderen, „das ist Kai Hiwatari alias wandelnder Eisklotz, Spencer Petrov alias Riese nehme ich mal an, ich bin Tala Ivanow das Rotkäppchen und das da ist Bryan Kuznetsov der Igelkopf.“

„Tut mir leid…“, entschuldigte sich das Mädchen kleinlaut und starrte auf ihren Tee.

„Nein uns tut’s leid“, erwiderte Spencer, „wir haben Behauptungen aufgestellt, ohne dich richtig zu kennen. Das war nicht nett.“

„Wir möchten dich um Entschuldigung bitten.“

Luna bemerkte, wie ihre Unterlippe zu zittern begann und versteckte ihr Gesicht hinter ihren Händen. Sie holte tief Luft und versuchte damit ein Wimmern zu unterdrücken.

„Wir versprechen auch uns zu benehmen, solange du dich richtig eingelebt hast.“

„Tun wir das wirkl…au! Hast du mich ernsthaft getreten, Kai?“, fragte Bryan und sah den Jungen ungläubig an.

„Ja tun wir“, wiederholte Spencer mit Nachdruck.

„Und…wie machen wir das mit dem Duschen?“, wollte Luna vorsichtig wissen, „ich meine…fünf Personen und nur ein Bad?“

„Ich kann mir den Schwanz ja zwischen die Beine klemmen, dann können wir zusammen duschen“, lachte Bryan und fing sich von Tala eine Kopfnuss ein.

„Das kriegen wir schon hin…in spätestens drei Monaten haben wir das andere Bad fertig renoviert.“

„Wirklich?“

„Klar. Es ist zwar nur eine Toilette und eine Dusche drin…“

„Das reicht mir vollkommen!“, strahlte das Mädchen.

Spencer machte eine triumphierende Geste in Richtung Bryan und Tala, welche mürrisch an ihrem Glas nippten. Gewonnen, kicherte der Riese innerlich.

„Aber…wieso ist das kleine Badezimmer eigentlich kaputt?“, fragte Luna und aß einen Keks.

„Wasserschaden…“, erwiderte Spencer müde, „einer von denen da hat gemeint, das zweite Badezimmer in einen Swimmingpool umfunktionieren zu können…“

Bryan und Tala taten so, als hätten sie das eben gesagt nicht gehört und guckten wirr in der Gegen herum.

Luna umfasste ihre Teetasse mit beiden Händen und verkniff sich ein Schmunzeln.

„Wir haben es bis jetzt mit vier Jungs hinbekommen, mit nur einem Badezimmer zu leben…da ist eine Person mehr oder weniger kein Untergang.“

„Du musst deine Produkte nur in ein kleines Körbchen tun, nicht dass du aus Versehen an Bryan’s Silvershampoo kommst. Da reagiert er empfindlich.“

„Tala!“

„Siehste?“, grinste der rothaarige Luna an, „empfindlich!“

„Talas Haare sind nicht von Natur aus so rot“, erwiderte Bryan und zeigte auf seinen Teamkollegen.

„Natürlich sind sie das!“, gab dieser angegriffen zurück und knallte sein Glas schon fast auf die Tischplatte.

„Ich bitte dich! Wer hat von Natur aus solch rote Haare?“

„Ich natürlich!“

„Ach ja?“, fragte Bryan herausfordernd, „dann lass mal die Hose runter Freundchen und wir vergewissern uns alle hier und jetzt!“

„Finger weg!“

„Siehst du Luna?“, grinste Spencer breit, „das ist eben unsere Art, wir sind nun mal ruppig zueinander.“

„Nja…bis auf ihn…der sagt gar nichts…“, meinte das Mädchen und nickte in Kais Richtung.

„Er ist ein ganz lieber“, lachte der Riese, „vor dem brauchst du am wenigsten Angst zu haben…“

Kai warf seinen Teamkollegen einen vielsagenden Blick zu, erwiderte jedoch nichts. Wie immer.

„Nimm jetzt deine Hände weg! Bryan…ich sag’s dir nicht noch mal!“

„Seit wann zierst du dich so?“, grinste dieser und piekste Tala ein paar Mal in die Seite, „letzte Nacht hast du dich auch nicht so angestellt!“

„Oh mein Gott“, meinte Luna mit großen Augen, „ich wusste es! Ihr beide seit schwul!“

„NEIN!“, riefen Tala und Bryan geschockt im Chor aus.

„A…aber allein die Tatsache, dass Rotkäp…ich meine Tala perfekt manikürte Fingernägel hat…also bitte! Welcher Kerl hat solche Fingernägel?“

„Ich achte nur auf mein Äußeres!“

„Aha…mit der ein oder anderen Haartönung, stimmt‘s?“

„BRYAN!“
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Luna sah sich die Tapetenmuster durch, nachdem sämtliche Wandfarben bei ihr durchgefallen waren, während Tala die Blicke der Passanten auffielen.

„Macht es dir gar nichts aus, dass die Leute dich so anstarren?“

„Ich habe mich dran gewöhnt“, zuckte sie mit den Schultern und zeigte Tala zwei Muster, „80er Jahre Blümchen oder das Streifenmuster?“

„Da fragst du definitiv den Falschen.“

„Hm…wenn ich die Blumen nehme habe ich das Gefühl wieder bei meiner Oma zu wohnen...das Streifenmuster kann ich bis zum Fensterbrett machen und darüber mit Farbe streichen…ach ich nehm die Streifen!“

Sie schlenderten weiter in die Möbelabteilung.

„Was für ein Bett willst du denn?“

„So ein schmiedeeisernes.“

„Echt? Gefällt dir sowas?“

„Auch.“

„Aber…?“

„Oh glaub mir Tala…das willst du nicht wissen…“, winkte Luna ab und lief um besagtes Bett herum.

Jetzt war sein Interesse geweckt worden und er folgte ihr auf Schritt und Tritt.

„Machst du da die Lichterkette dran, welche du gleich am Eingang gefunden hast?“

„Auch.“

„Hm…die Plastikblumen?“

„Vielleicht“, erwiderte Luna und drehte sich verschmitzt grinsend zu Tala um, „du gibst nicht nach, bis es dir gesagt habe, oder?“

„Nein“, grinste er zurück.

„Oh das hättest du zu gerne!“

„Vielleicht?“

Das Mädchen lachte auf und lief mit ihrem Mitbewohner weiter durch die Flure.
 

Kai saß gerade im Wohnzimmer an seinem Laptop, als Bryan die Tür aufschloss, seine Jacke auf hing und sich schüttelte.

„Täusch ich mich oder riecht’s hier nach nassem Hund?“

Bryan hielt in seiner Bewegung inne und warf seinem Teamkollegen einen giftigen Blick zu. Kai erwiderte diesen Blick.

„Ach du bist ja wieder da. Hast du mitgebracht, worum ich dich gebeten habe?“, grüßte Spencer und verfolgte Bryans Blicklinie.

„Ihr zwei…“, schüttelte Spencer seufzend den Kopf, „ihr habt euch wirklich gesucht und gefunden, hm?“

„Kai meinte, dass ich stinke“, knurrte Bryan und reichte Spencer die Einkaufstüte ohne seinen Blick abzuwenden.

„Nein, ich habe gesagt, dass es hier nach nassem Hund riecht.“

„Dann geh doch duschen?“

„Aber ich stinke nicht! Ich bin nur nass!“

„Dann gehst du trotzdem duschen, bevor du dich nicht erkältest!“

„Alter! Du bist nicht meine Mutter! Hör auf mir Vorschriften machen zu wollen!“

„Bryan ich werde dich gleich höchstpersönlich ins Badezimmer tragen!“, drohte Spencer.

Das musste man ihm nicht zwei Mal sagen. Er machte zu Kai eine eindeutige Geste, ging ins Bad und warf hinter sich die Tür zu. Spencer seufzte tief, machte es sich auf der Couch gemütlich und schaltete den Fernseher ein.

„Wusstest du, dass Tala während der Meisterschaft mit Miguel, Ray und mir zum sexiest Blader gewählt wurde?“

Spencer hielt kurz inne und warf dann Kai einen ungläubigen Blick zu, welcher sich ein Grinsen verkniff.

„Woher willst du das wissen?“

„Ich habe Lunas Ratschlag angenommen und uns mal gegoogelt. Du wirst es nicht glauben, aber da stehen wirklich ein paar interessante Sachen.“

„Bist du nicht ehr der Typ, welchem sowas am Arsch vorbeigeht?“

„Auch“, erwiderte Kai und klappte den Laptop zu, „aber wenn etwas interessantes über mich im Internet zu lesen ist, dann würde ich das schon gerne wissen.“

„Und…? Irgendwelche Gerüchte aufgetaucht?“

Kai stand schweigend auf und ging aus dem Wohnzimmer.

„Es ist immer wieder schön, sich mit dir zu unterhalten, Kai!“, rief Spencer ihm nach.

In diesem Moment wurde die Wohnungstür aufgeschlossen und Tala und Luna traten ein. Spencer schmunzelte bei ihrem Anblick: „Ihr seht feucht aus…“

„Sag bloß?“, lachte Tala und fuhr sich durch die nassen Haare, „ein Scheißwetter heute…“

Luna schleifte die großen Einkaufstaschen in die Küche, wo sie heftig zusammen zuckte. Vor ihr stand Kai an der Tassimomaschine und wartete geduldig auf sein Getränk.

„Weißt du, dass du wie ein Schatten bist?“, beschwerte sie sich gespielt empört.

Natürlich bekam sie keine Antwort und beobachtete nur, wie Kais sich seine Tasse nahm und in seinem Zimmer verschwand.

„Ein stummer Schatten…“

„Gewöhn dich dran. Selbst ich bekomme seltenst eine Antwort von ihm“, schmunzelte Tala, welcher die Szene beobachtet hatte.

Er öffnete den Kühlschrank und räumte ihn ein, während Luna ihre Renovierungssachen herauspickte und sich die Verpackungsangaben durchlas.

„Sollen wir dir helfen?“

„Beim Boden verlegen wäre das nicht schlecht…ich weiß nur nicht, ob ich zuerst streichen oder tapezieren soll …“

„Streich zuerst“, entschied der Rotschopf, „dann ärgerst du dich nicht, falls Farbe auf die Tapete tropft.“

„Tatsache…da ist was dran.“

Luna packte sich die Streichrolle und den Farbeimer, als Bryan plötzlich mit in die Küche schlenderte und die beiden beinahe zusammenstießen, da er sich die Haare mit einem Handtuch trocken rubbelte. Die beiden sahen sich gegenseitig verwirrt an, blieben kurz so stehen und gingen schließlich ihrer Wege.

„Hab…hab ich was falsch gemacht?“, erkundigte sich Bryan bei seinem Teamchef, welcher sich ein Lachen verkniff.

„Naja…wäre ich ein Fangirl und würde dich nur in Boxershorts vor mir stehen sehen…ich glaube ich hätte genauso reagiert.“
 

Bryan sah an sich herunter: „Seh…seh ich etwa komisch aus?“

„Frag sie?“, schlug Tala vor, „aber frag sie dezent. Denk dran…sie ist ein Mädchen.“

Als hätte Tala den letzten Satz nie erwähnt ging Bryan in das Zimmer von Luna, wo sie gerade die erste Farbbahn abrollte, stellte sich direkt neben sie und fragte: „Findest du, dass ich scheiße aussehe?“

Luna lachte schallend auf und hielt sich an der Wand fest, blickte zu dem Jungen und schüttelte nur den Kopf.

„Dein Ernst?“

„Ähm…ja?“

„Wann hast du dich das letzte Mal im Spiegel betrachtet?“

„Er wollte die Meinung des anderen Geschlechts hören…“, mischte sich Tala ein und stieß Bryan in die Seite, „war das deine Definition von dezent?“

„Ach so…“, grinste Luna und rollte gemütlich weiter Farbe an die Wand, „naja…sagen wir es so: ich würde dich nicht von der Bettkante stoßen.“

„Aber?“

„Nichts aber. Bryan du hast den ausgeprägtesten Sixpack, den ich je gesehen habe! Wo wir gerade dabei sind…könntest du dir bitte ein Hemd anziehen?“

„Warum?“

„Weil ich mich hier aufs Streichen konzentrieren muss!“, beschwerte sich Luna, „oder kannst du dich aufs Training konzentrieren, während ich in Reizunterwäsche vor dir herum hüpfe?“

Tala und Bryan sahen sich fragend an: „War das ein Angebot?“

„Das war eine Metapher.“

Die beiden Jungs ließen enttäuscht die Schultern sinken, erwiderten jedoch nichts weiter. Luna pfiff eine Melodie vor sich her, während sie fleißig eine Bahn nach der anderen strich und sich irgendwann umdrehte. Bryan lief mit einem großen Messer auf sie zu und zwar in der „ich stech dich gleich ab“ Haltung.

Kapitel 4

„Sie scheint sich hier anscheinend schon wohl zu fühlen“, bemerkte Spencer, als Tala und Bryan wieder in die Küche kamen.

„Zumindest richtet Luna es sich gemütlich ein.“

Spencer lächelte kaum sichtbar und seufzte, während er seinen Tee umrührte.

„Du weißt, dass es mir gar nicht gefällt, wenn du so in deine Tasse siehst…“, meinte Tala besorgt und zog beide Augenbrauen hoch.

„Ich weiß.“

„Was ist los?“

„Das Übliche.“

„Nicht schon wieder oder?“

„Der Vermieter macht allmählich Druck, Tala. Ich weiß nicht, ob wir ihn noch lange vertrösten können, so wie wir es die ganze Zeit über gemacht haben.“

Der Rotschopf seufzte tief und fuhr sich durch die bereits wieder trockenen Haare: „Ich habe keine Ahnung…was wir noch machen können…mittlerweile zahlen wir schon 15 % mehr Miete.“

„Er wird die Nase voll haben.“

Tala nickte stumm.

Plötzlich hörten der Riese und der Teamchef der Blitzkrieg Boyz wie sich Luna die Seele aus dem Leib schrie. Sofort sprangen die beiden auf und eilten zu ihrem Zimmer, wo das Mädchen am Boden kauerte und etwas Unverständliches vor sich her wimmerte. Neben ihr kniete Bryan, eine Hand auf ihren Schultern ruhend.

„Was hast du angestellt?“, wollte Spencer fordernd wissen.

„Wieso hab ich eigentlich jedes Mal etwas angestellt, sobald ein Mädchen schreit?“

„Werd nicht aufmüpfig!“

„Bryan…was zur Hölle hast du mit diesem Metzgermesser vor?“, ging Tala zwischen die beiden Jungs.

Kurze Stille brach im Zimmer ein. Nur Lunas unsicheres Wimmern war noch zu hören.

„Eigentlich…“, begann Bryan seinen Satz und betrachtete das Messer in seiner anderen Hand, „wollte ich den Karton aufschneiden…“

„Welchen Karton?“

„Den da“, meinte Bryan und zeigte in Richtung Zimmertür.

Tala und Spencer drehten sich synchron um und bemerkten, dass dort tatsächlich ein sogar ziemlich großer Karton stand.

„Solange Luna mit dem Streichen beschäftigt ist wollte ich schon mal anfangen ein paar ihrer Möbel aufzubauen…jetzt nachdem ich so viel Übung da drin habe.“

„Und wieso hat sie dann geschrien wie am Spieß?!“, fauchte Spencer, während Tala immer noch den Karton anstarrte.

„Ich glaube es war wegen dem Messer…“, gestand Bryan und half dem Mädchen auf die Beine, „als sie es sah wollte ich gerade den Karton aufschneiden…in einer…fraglichen Pose…“

„AUFSCHNEIDEN?“, wiederholte Luna empört und deutete auf das Messer in Bryans Hand, „in besagter Pose?“

„Ja…?“

„Würde ich dir ja gerne glauben, wenn du gesagt hättest du willst ihn ABSTECHEN!!“

„So wie Kais Kommode?“, fragte Spencer und verschränkte die muskulösen Arme vor der Brust.

„Jupp“, erwiderte Bryan stolz.

„Wer hat meine Kommode abgestochen?“

Erneut drehten sich Tala und Spencer synchron um und erblickten Kai, welcher gerade seine leere Tasse in die Spüle stellen wollte. Oder sich erneut etwas Warmes zu trinken holen wollte…wer wusste das schon?

„Hast du morgen nicht Schule?“, fragte Tala argwöhnisch.

„Ja. Und?“

„Solltest du dann nicht schon längst im Bett sein?“
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„Hör auf mich zu verfolgen!“

„Ich geh dir solange hinterher, bis du meine Entschuldigung wegen gestern annimmst!“

Luna machte auf den Fersen kehrt und Bryan tat es ihr gleich. Spencer brach in schallendes Gelächter aus, als er die Scene beobachtete und Luna mit Bryan deswegen mehrmals zusammenstieß.

„Ehrlich, Kleines. Du solltest seine Entschuldigung annehmen. Er ist bei sowas hartnäckig.“

„Ich hab ihm doch schon vergeben!“, fluchte sie.

„Aber es war nicht ernst gemeint!“, erwiderte der Junge und wich ihr gerade noch so aus.

„Was soll ich denn dann tun, damit es für dich glaubwürdiger rüberkommt? Vor dir auf die Knie gehen?“

Bryan sah an sich runter, guckte wieder zu Luna und grinste breit.

„Oh nein! NEIN! Grins mich nicht SO an!“

„Du hast es mir doch gerade angeboten, oder?“

„MÄNNER!“, fauchte sie und ballte genervt die Fäuste.

„Nein…das ist Bryan…“, murmelte Tala und blätterte in seiner Zeitschrift um, „du wirst dich schnell dran gewöhnt haben!“

Luna murmelte etwas vor sich her und warf Bryan einen giftigen Blick zu, bevor sie in ihrem Zimmer verschwand.

„Ich mag sie“, grinste Bryan breit, „endlich mal jemand, den ich ärgern kann, ohne dass ich gleich eins in die Fresse kriege.“

In diesem Moment sprang die Wohnungstür auf und wenige Augenblicke später trat Kai in die Küche.

„Wenn man grad von Teufel spricht“, raunte Bryan und schielte zu seinem Teamkollegen rüber.

Dieser erwiderte den Blick wortlos und striff sich die nasse Regenjacke ab, bevor er zur Spüle ging und laut seufzte.

„Du hast schon wieder vergessen abzuwaschen!“

„Wieso ich?“

„Weil du dran bist für diese Woche“, knurrte Kai.

„Ah, Kai du bist schon zu Hause?“, unterbrach Luna die beiden, „stör…stör ich euch gerade bei einem wichtigen Thema?“

„Die beiden haben sich gerade nur in den Haaren…“, murmelte Tala und blätterte um.

„Schon wieder?“, seufzte Luna, „ihr seid doch Teamkollegen…ihr müsst endlich damit aufhören!“

„Er hat angefangen!“, beschwerten sich Kai und Bryan im Chor und zeigten gegenseitig auf den anderen.

„Es ist mir egal, wer angefangen hat!“

„Aber er ist mit spülen dran!“

„Bin ich gar nicht!“

„Doch!“

„Schluss jetzt!“, rief Luna laut aus.

Kai und Bryan sahen das Mädchen verwundert an und auch Spencer und Tala warteten gespannt darauf, wie es jetzt weitergehen würde.

„Ihr werdet einfach beide spülen!“, verkündete Luna.

„Ich arbeite doch nicht mit dem da zusammen“, fauchte Bryan und schielte giftig zu Kai.

„Is mir grade sowas von egal! Wenn ihr nicht zusammen arbeitet, dann wird es heute für euch kein Abendessen geben!“

Bryan schaute herausfordernd zu Spencer, welcher nur entschuldigend die Arme hob.

„Ich bin nicht scharf drauf es mir jetzt mit ihr zu verderben…“

„Auf welcher Seite stehst du eigentlich?“, brummte Bryan und ließ widerwillig zur Überraschung Aller heißes Wasser ins Waschbecken ein.

Erst recht staunte Tala, als sich Kai lautlos neben seinen Teamkollegen stellte und das Geschirrtuch in die Hand nahm und brav wartete.

„Alle Achtung…“, raunte Spencer voller Ehrfurcht, „das hätte ich jetzt nicht erwartet.“

Luna staunte auch nicht schlecht, als sie sah, was ihre Worte vollbracht hatten. Stolz nahm sie neben Tala Platz und beobachtete das Geschehen. Bryan funkelte Kai ab und zu böse an und hob drohend die Gabel auf dessen Gesichtshöhe, während er etwas auf Russisch murmelte, was Kai dazu animierte erwartungsvoll die Augenbrauen zu heben. Wieder fielen Sätze in deren Muttersprache, was Luna stutzig machte.

„Was…was faseln die beiden gerade?“

„Willst du nicht wissen“, grinste Spencer, „solange sie sich nicht an die Kehle gehen brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“

„Klingt nicht sehr beruhigend…“

„Es hört sich schlimmer an, als es ist.“

„Im Falle eines Falles…also wenn die beiden aufeinander losgehen…wer würde eurer Meinung nach als Sieger aus dieser Konfrontation gehen?“

Tala und Spencer blickten zu Bryan und Kai, welche sich immer noch auf russisch ankeiften und ab und zu wilde Gesten absolvierten. Spencer hob überfragt beide Augenbrauen und zuckte nur mit den Schultern.

„Beim Bladen würde ich ganz klar auf Kai setzten“, gestand Tala, „aber in einer Auseinandersetzung…Bryan ist unheimlich kräftig und für seine Größe ziemlich schnell und wendig…Kai hat hingegen sicher ein paar ordentliche Kinnhaken auf Lager und geht mit mehr Strategie voran…“

„Würdest…würdest du als ihr Teamchef im Notfall nicht dazwischen gehen?“, fragte Luna vorsichtig.

„Die klären das schon unter sich, keine Angst…“, winkte dieser voller Zuversicht ab und widmete sich erneut seiner Zeitschrift.

„Deine Ruhe will ich haben!“

Spencer grinste nur breit und machte eine vielsagende Geste, welche Luna sagen sollte, dass sie nichts zu befürchten hatte.

„…dann komm doch her!“, raunte Kai plötzlich und schwang sich das Küchentuch über die Schulter.

„Du glaubst immer noch, dass ich bluffe?“

„Tust du das nicht immer?“

Bryan schmiss das Besteck zurück in die Spüle: „Okay du Gartenzwerg! Jetzt hast du mich echt wütend gemacht!“

Luna rutschte erschrocken die Eckbank weiter hinter, sodass sie beinahe neben Tala saß, welcher sich auf die Unterlippe biss um nicht zu lachen.

„Wieso Gartenzwerg?“, fragte Luna an den Rotschopf.

„Er betitelt jeden so, der kleiner ist als er selbst…“

„Also dich auch?“

Stille.

Kai und Bryan hielten in ihren Bewegungen inne und guckten irritiert zu dem Mädchen, während Tala seine Augenbrauen zusammenzog und zu überlegen schien.

„Ähm…nein?“

„Aber du und Kai seid doch gleichgroß…oder…beinahe…“

Die Jungs hielten immer noch inne, während Luna von einem zum anderen sah.

„…ist doch so…“, schmollte das Mädchen und hob entschuldigend die Schultern.

Spencer brach in schallendes Gelächter aus und schlug ein paar Mal mit der flachen Hand auf den Tisch, bevor er sich die Tränen aus den Augenwinkeln wischte und weiterlachte.

„Ihr…ihr…ihr solltet eure Gesichter sehen! Alle miteinander!“, lachte er.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„Alter! Ich könnte ab sofort eine Karriere als Möbelaufbauer antreten!“, rief Bryan begeistert von sich selbst aus und begutachtete sein Werk.

„Du meinst als Möbelmonteur?“, erkundigte sich Luna, welche gerade dabei war ihre Lichterkette um ihr Bettkopfteil zu schlingen.

Bryan guckte sie verwundert an: „Was?“

„In Deutschland heißt der Beruf den du meinst Möbelmonteur.“

„Okay?“

„Du kannst es natürlich nennen wie du willst! Ich mach dir da keine Vorschriften…“

„Nein! Ich meine…nein…das…so habe ich das nicht gemeint. Es ist nur…es gibt immer noch den ein oder anderen Begriff, den ich nicht ganz zuordnen kann…“

„Das ist doch nicht schlimm.“

„Es nervt…“

„Kann ich mir vorstellen. Aber mach dich deswegen nicht verrückt.“

„Deswegen mach ich mich doch nicht verrückt…“, erwiderte Bryan und sah durch die offene Tür auf den Flur, wo gerade wie bestellt Kai stand und ihm einen vielsagenden Blick zuwarf, „der da macht mich verrückt!“

„Ihr zwei habt euch aber auch gesucht und gefunden…“

„Ja…wir lieben uns!“, lachte Bryan gehässig und begutachtete erneut das Regal, welches er gerade aufgebaut hatte, „sag mal deine Meinung, Luna. Ist doch gerade oder?“

Das Mädchen stellte sich neben Bryan und nickte.

„Möbelmonteur…?“, fragte der Junge und machte eine unsichere Mine.

„Jupp.“

„Möbelmonteur“, widerholte Bryan nickend, „du stehst ja immer noch da!“

„Und?“

„Soll ich dir wieder bei deinen Mathehausaufgaben helfen? Oder brauchst du diesmal weibliche Unterstützung?“

„Ohje lasst mich da lieber raus!“, wehrte Luna angewidert ab, „für mich klang Mathe immer so: zwei Goldfische treffen sich in der Wüste. Einer ist rot und der andere ist dünn. Wie viel wiegt also die Palme wenn es regnet?“

Bryan konnte sich gerade so ein Lachen unterdrücken und auch Kai konnte sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen.

„Bleib du lieber bei deinen Grammatikübungen“, gab Kai kühl zurück.

„Weil du darin auch so viel besser bist?!“

„Ähm…ja? Bin ich.“

„Wie viele Sprachen sprichst du denn?“, wollte Luna wissen, doch nur damit Bryan nicht gleich überkochte.

„Fünf.“

„Fünf?“

„Fünf. Russisch, Englisch, Deutsch, Französisch und Latein.“

„Latein?“, wiederholte Bryan lachend, „du könntest dir auf lateinisch ja nicht einmal eine Pizza bestellen!“

„Ich kann auch französisch!“, strahlte Luna über beide Wangen, „nur mit der Aussprache hapert’s bei mir noch ein bisschen.“

Bryan sah sie mit zusammengezogenen Augenbrauen an, während Kai nur die flache Hand gegen die Stirn schlug.

„Ey kommt schon Jungs…das war mein Bester seit ich hier wohne…“, schmollte das Mädchen.

„Wenn das ein Witz war hab ich ihn nicht verstanden…sorry“, entschuldigte sich Bryan.

„Ich klär dich auf, wenn du älter bist“, grinste Luna und tätschelte ihm auf die Schulter.

„Tu ihm einen Gefallen und mach’s lieber gleich…wer weiß wie viele Gehirnzellen er bis dahin noch versäuft.“

„Gesucht und gefunden…sag ich doch…“, seufzte Luna und schüttelte vergebens den Kopf.

„Wenigstens kann ich von mir behaupten, dass ich kein Mischling bin“, brummte Bryan abwertend.

Luna sah zum ersten Mal, wie Kai für zwei, vielleicht drei Sekunden das sonst so coole Pokerface entglitt, bevor er eine bedrohliche Mimik aufsetzte.

„Wenigstens kann ich von mir behauten, dass ich weiß, wer mein Vater ist!“, fauchte der Junge und ballte die Fäuste, so dass sie Knochen knackten.

Noch bevor Luna nach Tala oder Spencer rufen konnte hatte Bryan Kai gepackt, mit vollem Gewicht gegen die Wand im Flur gedrückt und presste seinen Unterarm gegen dessen Hals. Blitzschnell reagierte Kai und biss Bryan mit voller Kraft in den Arm, dieser zuckte fluchend zurück, griff erneut nach seinem Mitbewohner. Er stand nun hinter Kai, mit der einen Hand drückte er seinen Arm nach hinten und den anderen hatte er wieder um seinen Hals geklemmt.

„HÖRT AUF!“, rief Luna völlig außer sich und zog vergebens an Bryans Arm, damit Kai Luft bekam, „BRYAN! ER WIRD SCHON GANZ ROT!“

„Ach ja? Mal was anderes als seine blaue Kriegsbemalung.“

Kai japste ein paar Mal nach Luft und trat nach hinten gegen Bryans Schienbein, doch alles zeigte keine Wirkung.

„BRYAN, BITTE! LASS IHN LOS!“

Luna zerrte erneut an seinem Arm, welcher Kai die Luft abschnürte. Dieser erkannte seine letzte Chance, griff ebenfalls nach Bryans Arm, zog ihn ein paar Zentimeter von sich weg und biss erneut zu. Diesmal anscheinend so heftig, dass Bryan einen verärgerten Schmerzensschrei von sich gab.

Plötzlich stand ein völlig fremder Mann neben Luna, schob sie sanft zur Seite und trat ganz nah an die beiden Jungs heran. Er legte einen Arm um Kais Taille, griff mit der freien Hand in den Zwischenraum von Bryans Schulter und Schlüsselbein und blickte ihm tief in die Augen.

„Lass ihn los“, sagte der Mann ruhig aber dennoch mit einer gewissen Strenge in der Stimme, die Luna einen Schauer über den Rücken jagte, „jetzt!“

Wie durch ein Wunder ließ Bryan von seinem Opfer ab und trat einen Schritt zurück, während Kai in den Arm des Mannes sank.

„Danke“, erwiderte der Fremde und hielt den Jungen fest.

„Wer sind Sie?“, brummte Bryan, wagte es jedoch nicht näher zu kommen.

„Tut mir leid, dass wir uns unter diesen Umständen kennenlernen“, lächelte der Mann traurig, „aber die Sicherheit meines Sohnes ging vor.“

„Sicherheit Ihres…Sohnes…?“

„Ich bin Daniellé Hiwatari. Kais Vater.“
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„Glaubst du, dass sich die Wunde entzünden wird?“, kicherte Tala über Daniellés Schulter gebäugt, als dieser Bryans Arm verarztete.

„Sagen wir es so: er wird einige Tage an ihn denken“, grinste der Mann und reichte dem Jungen eine kleine Tube Wundheilsalbe, „damit solltest du den Biss regelmäßig einreiben. Das wird schon.“

„Danke…?“

„Keine Angst. Ich tu dir nichts. Andererseits…wie kam es eigentlich dazu? Das würde mich schon interessieren.“

„Ähm…“, erwiderte Bryan und hielt inne.

Er sah quer durchs Wohnzimmer zu Kai, welcher ihn giftige Blicke zuwarf und ebenfalls schwieg, „es…war was persönliches.“

„Muss ja sehr persönlich gewesen sein. Also? Ich höre?“

Da war sie wieder diese gewisse Strenge in Daniellés Stimme. Luna saß auf dem Fenstersims mit angewinkelten Beinen und linste unauffällig zwischen Kai und seinem Vater hin und her.

Letzterer sah über seine Schulter und warf seinem Sohn einen herausfordernden Blick zu: „Kai?“

„Er hat eine Bemerkung wegen dir gemacht.“

Daniellé guckte überrascht in die Runde: „Über mich?“

„Sorry“, warf Bryan an Tala gewandt in die Konversation ein, „ich habe mich dazu hinreißen lassen.“

„Früher oder später hättet ihr zwei euch sowieso gepackt…ich habe mich nur gewundert, dass es ehr später war“, erwiderte der Rotschopf.

„Dann muss ich mich ja richtig wichtig fühlen, wenn du dich wegen einer Bemerkung gegen mich schlägerst“, schwärmte Daniellé und nippte an seiner Tasse Kaffee.

„Er hat mich wegen dir Mischling genannt“, entgegnete Kai kühl.

„Autsch“, bemerkte sein Vater an Bryan gewandt, „wie alt seid ihr? Fünf? Ich dachte nur Kinder sind so gehässig zueinander!“

Bryan sah niedergeschlagen zu Boden und auch von Kai kam kein Argument mehr. Luna staunte über diesen Anblick, welcher sich ihr gerade bot. Daniellé nahm erneut einen Schluck von seinem Kaffee, rieb sich mit zwei Fingern die Stirn und seufzte. Dann blickte er zum ersten Mal bewusst zu Luna und lächelte sie an: „Ich hoffe doch, dass sie dir damit nicht allzu sehr auf die Nerven gehen?“

„Nicht im Geringsten“, lächelte Luna zurück.

„Du lenkst vom Thema ab“, bemerkte Kai gereizt.

„Was willst du denn jetzt von mir hören? Das ich beleidigt bin oder zutiefst bestürzt? Soll ich ihm eine scheuern, sodass ihn seine Mutter nicht mehr wiedererkennt?“

Bryan sah erschrocken auf und rückte vorsichtig ein Stück weiter weg.

„Ich gehe doch mal stark davon aus, dass du ein deftiges Gegenargument gebracht hast…hab ich Recht?“

Kai schwieg und sah seinen Vater vielsagend an.

„Na also. Ihr seid beide nicht unschuldig…“

„Er hat die Fassung verloren!“

„Du hast dich genauso hinreißen lassen“, erwiderte Daniellé und winkte ab, „sonst stehst du auch über jeden Kommentar den man dir an den Kopf wirft. Aber Schluss jetzt damit…weswegen ich eigentlich hier bin…“

„Aber Papa!“

„Schluss jetzt“, wiederholte Daniellé und reichte Kai mit einem strengen Blick ein großes Kuvert, „du weißt wofür das ist?“

Kai stieß sich wortlos von der Wand ab, riss seinem Vater den Umschlag aus der Hand und verschwand in seinem Zimmer. Um seinem Abgang noch die nötige Würze zu geben knallte er die Zimmertür hinter sich fest zu. Daniellé seufzte tief und trank seinen Kaffee leer.

„Möchtest du noch einen?“, erkundigte sich Spencer.

„Nein danke…ich muss wieder ins Krankenhaus…“, schmunzelte Daniellé und raffte sich auf, „ich hoffe doch, dass mein Sohn sich abgesehen von dieser Auseinandersetzung zu benehmen weiß?“

Tala nickte wortlos.

„Das freut mich…doch nicht komplett als Vater versagt…“
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„Hey…wie…wie geht es dir?“, erkundigte sich Luna und trat in Kais Zimmer ein, „ich…ich habe dir einen Tee gemacht.“

Der Junge saß an seinem Schreibtisch und starrte aus dem Fenster. Ob er einfach nur in die Leere sah oder die Regentropfen dabei beobachtete, wie sie an seinem Fenster abprallten wusste sie nicht. Luna ging vorsichtig zum Schreibtisch, stellte die Tasse dort ab und ging wieder aus dem Zimmer.

„Er schweigt wie ein Grab, hm?“

Luna zuckte heftig zusammen, als sie Tala hinter sich bemerkte. Noch bevor sie die Türe ins Schloss knallen konnte legte er seine Hand auf ihre und schob die Holzplatte sanft zu. So blieben sie eine vielleicht zwei Minuten stehen, bis Tala seine Hand wieder wegnahm und Luna bedeutete mit ihm in die Küche zu kommen.

„Ich habe doch nichts falsch gemacht…oder?“, fragte das Mädchen vorsichtig.

„Falsch? Weil du Kai eine Tasse Tee gebracht hast?“, kicherte der Rotschopf, nahm Platz und zündete sich eine Zigarette an.

Luna zuckte unwissend mit den Schultern und setzte sich neben ihn und griff nach der Kippe, welche Tala ihr reichte. Wie lange hatte sie schon nicht mehr geraucht…? Der erste Zug kratze noch in der Lunge, der zweite fühlte sich bereits befriedigend an.

„Und hat Bryan mittlerweile schon die Tollwut?“

Tala kicherte und blies den blauen Rauch aus der Nase: „Er wird’s überleben.“

„Es…es ging so schnell…ich hatte nicht mal die Chance zu reagieren…“, murmelte das Mädchen und blickte auf die Tischplatte.

„Wie hättest du auch?“

„Ich konnte Kai nicht helfen…Bryan…er…er hätte ihn erwürgt…“

„Glaub ich nicht“, erwiderte Tala und zog an der Zigarette, „auch wenn es für dich nicht so aussah, Luna…beide kennen ihre Grenze beim jeweils anderen.“

„Kam aber nicht so rüber!“

„Natürlich nicht. Aber glaub mir, dass war mitunter eine der größten Voraussetzungen das Kai hier einziehen konnte. Auch wenn er mit zum Team gehört…oder gehört hat…ich bin dafür verantwortlich, dass wir alle miteinander auskommen.“

„Machst du dir wegen dem Vorfall von heute Nachmittag Vorwürfe?“

„Ein wenig…“, belächelte Tala seine Aussage, „wie gesagt ich habe die ganze Zeit gewartet, dass die beiden sich an die Gurgel gehen…ich habe es nicht heraufbeschworen oder mir gewünscht. Aber Kai und Bryan sind vom Typ her gar nicht mal so verschieden…beide müssen erst mit anderen anecken, damit sie danach miteinander klarkommen. Kompliziert aber so funktionieren die beiden.“

Luna aschte von ihrer Zigarette ab und verfolgte den ausgeblasenen Rauch: „Ich habe mich mit meinen heute besten Freunden auch zuerst geprügelt…allgemein habe ich viele Entscheidungen getroffen, welche nicht die besten für mich waren…“

„Tun wir das nicht alle?“

„Ja. Aber normal lernen wir daraus.“

„Du nicht?“

Das Mädchen zuckte unwissend mit den Schultern und stierte weiterhin auf die Tischplatte.

„Vielleicht nicht aus allen…“
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Luna öffnete ihre Post und seufzte niedergeschlagen. Schon wieder Absagen.

„Oh man…langsam muss sogar ich noch etwas finden?!“

„So frustriert?“, erkundigte sich der Rotschopf und blickte von seiner Zeitschrift auf.

„Es ist ein Desaster…entweder bekomme ich Schreiben für Jobs, für die ich mich bereits beworben habe oder aber für Jobs für die ich nicht qualifiziert genug bin…“

Luna bückte sich und holte eine Plastikschüssel aus dem Schrank.

„Was machst du denn da?“, wollte Tala wissen und linste über Lunas Schulter in die Schüssel.

„Backen.“

„Backen?“

„Ja“, grinste Luna, „jedes Mal wenn ich frustriert oder am Boden bin backe ich. Es gibt mir eben ein besseres Gefühl…willst du mir helfen?“

„Äh…ne lass mal gut sein…am Ende schmeckt es nicht mehr…“

„So viel kann man da doch nicht falsch machen!“, lachte Luna und sah Tala hinterher, wie er sich an den Küchentisch setzte und seine Zeitschrift aufschlug, „das wird sicher lustig!“

Er machte mit dem Zeigefinger eine verneinende Geste, ohne von der Illustrierten aufzusehen, worauf das Mädchen nur mit den Schultern zuckte und ihrer Arbeit nachging.

„Was liest du da eigentlich immer?“, fragte sie nach ein paar Minuten Stille.

„Eine Zeitschrift.“

„Das ist mir bewusst“, kicherte Luna, „über was?“

Jetzt sah Tala zu ihr, sein Blick schien etwas leicht genervt: „Wolltest du nicht backen?“

„Oh entschuldigung, dass ich gefragt habe!“, beschwerte sich Luna künstlich, „hab ich dir irgendwas getan, oder bist du heute nur mit dem falschen Fuß aufgestanden?“

Tala seufzte nur und ließ ihre Aussage einfach im Raum stehen. In diesem Moment traten Spencer und Bryan in die Küche und grüßten beide.

„Den da würde ich an eurer Stelle nicht ansprechen“, bemerkte Luna, während sie Zucker und Mehl abwog.

Die beiden Jungs blickten zuerst sie, dann ihren Teamkollegen fragend an. Dieser warf dem Mädchen einen herausfordernden Blick zu, welchen sie aber eiskalt ignorierte.

„Was hast du schon wieder angestellt?“, wollte Spencer forsch wissen.

„Ich hab gar nichts…wieso schon wieder?“, erwiderte Tala, „normalerweise fragst du nur Bryan so etwas!“

„Er ist zickig“, warf Luna in den Raum und schlug die Eier in ihren Teig.

„Ich bin…WAS?“

„Zickig.“

„Ich komm dir gleich rüber und dann zeig ich dir, wie zickig ich wirklich bin!“, knurrte Tala und tippte mit den Fingerspitzen auf der Tischplatte.

„Na dann komm doch her!“, grinste Luna und breitete ihre Arme aus.

„Ganz ehrlich, Bryan…jetzt bereu ich es, dass wir kein Popcorn eingekauft haben…“, seufzte Spencer, „wieso beruhigt ihr zwei euch nicht einfach wieder und schließt Frieden?“

„Frieden? Mit dem da? Pöh!“

„Ich glaub, du hast sie verärgert…“, raunte Bryan, „was hat er denn angestellt?“

Tala warf ihm einen vielsagenden Blick zu.

„Keine Angst…es braucht sichtlich mehr um mich zu verärgern, so dass ich eingeschnappt bin.“

„Ach so…“, lachte Spencer auf, „du musst verstehen, es ist ihm peinlich gegenüber dir zuzugeben, dass er sich gerade nackte Frauen anguckt.“

„SPENCER!“, rief Tala entsetzt aus.

„Hm…die sieht nicht schlecht aus“, kicherte Bryan und blätterte in der Zeitschrift, „schwarzhaarige hätte ich dir jetzt nicht zugetraut…ich dachte immer, du stehst auf Blondinen?“

Talas Gesichtsfarbe machte der seiner Haare Konkurrenz und er zwickte Bryan vor Wut in die Seite, bevor er aus der Küche stampfte. Luna blickte ihm erschrocken hinterher, bevor sie zu Spencer sah. Dieser winke nur ab.

„Der kriegt sich wieder ein“, beruhigte er sie.

„Das ist mir jetzt unangenehm…aber was ich nicht verstehe: warum guckt er sich seine Tussen nicht in seinem Zimmer an, da wo er ungestört ist?“

Bryan und Spencer grinsten sich gegenseitig breit an: „Weils keine Frauenbilder waren.“

„Hä?“

„Er hat in einem Magazin für die neusten Bauteile für Beyblades gelesen. Es ist ihm jetzt nur peinlich, dass wir ihn in deiner Anwesenheit so auf den Arm genommen haben“, erklärte Spencer, „was backst du denn feines?“

„Ein paar Schokoladen-Nuss Muffins.“

„Ich will die Dinger lecken!“, rief Bryan plötzlich dazwischen.

Luna und Spencer warfen ihm einen empörten Blick zu.

„Ich mein die Dinger vom Mixer! Die wo im Teig gerührt haben!“

„Ich rühr dir auch gleich mal im Teig, Junge!“, drohte Spencer, „bei uns wohnt jetzt eine Dame! Pass deinen Wortschatz den Umständen mal an!“

„Bei aller Liebe, Spencer“, erwiderte Luna und reichte Bryan die Rührstäbe, „nenn mich nie wieder ‚Dame‘. Bitte.“

Spencer zuckte nur mit den Schultern, während sich sein Teamkollege glücklich über seine Naschbeute hermachte.

Kapitel 5

„…das waren die heutigen Nachrichten. Und nun zum Wetter. Die nächsten Nächte werden sich um den Nullpunkt bewegen, was dazu führt, dass es erneut zu mehreren Schneegestöbern kommen wird…“

Luna umfasste mit beiden Händen ihre Tasse mit heißen Kaba und kuschelte sich noch mehr in die Wolldecke, während Bryan barfüßig mit Shorts und T-Shirt auf der Couch neben ihr lümmelte. Kai übte in seinem Zimmer auf der Violine, während Tala von Spencer eingespannt worden war ein wenig Weihnachtsdeko anzubringen.

„Du mutierst noch zur Hausfrau wenn du so weitermachst“, scherzte Bryan und kratzte sich am Bauch.

„Einer von uns muss es ja tun…“, erwiderte Spencer abwesend und begutachtete sein Werk.

„Ist Luna nicht mittlerweile die Frau im Haushalt?“

„Im Ernst?“, strahlte das Mädchen, „komm ich dir echt als Frau rüber?“

„Ähm…ja?“

„Cool! Hat sich der Besucht beim Schönheitschirurgen doch gelohnt! Wenn man nicht mal mehr sieht, dass ich mal ein Kerl war.“

Tala brach in schallendes Gelächter aus, während Bryan Luna nur groß ansah.

„Das war ein Witz!“, klärte Luna in nach ein paar Minuten auf, „natürlich bin ich eine Frau!“

Bryan entspannte sich wieder und lümmelte sich erneut auf die Couch, diesmal mit mehr Abstand zu seiner Mitbewohnerin. Tala konnte sich bei dem Anblick nicht beherrschen und lachte immer wieder auf.

„Echt jetzt“, beruhigte ihn Luna, „es war ein Witz…“

„Ein verdammt mieser!“

„Ein verdammt guter!“

Tala biss sich auf die Unterlippe um weitere Lachanfälle zu vermeiden. Plötzlich klingelte es an der Tür. Spencer ging an die Sprechanlage und kam wieder zurück ins Wohnzimmer.

„Luna? Da ist ein Paket für dich.“

„Oh? Das ging aber schnell!“, strahlte das Mädchen und hüpfte zur Tür.

„Was hast du dir denn da bestellt?“, wollte Tala und Bryan im Chor wissen, als Luna stolz ihre Sendung durch den Flur schleifte.

„Wärmedecken.“

„Wärmedecken?“

„Naja in letzter Zeit war es nachts schon verdammt kalt. Ihr seid das anscheinend gewohnt…aber ich brauche es beim Schlafen mollig warm. Also habe ich mir Heizdecken bestellt.“

Die zwei Jungs beobachteten, wie das Mädchen ihre Matratze abzog und die Heizdecken auspackte, um sie sorgfältig unter das Laken zu legen.

„…und wie funktioniert das?“

„Ganz einfach. Es gibt drei Heizstufen. Mindestens eine Stunde bevor man sich schlafen legt werden die Decken auf oberste Stufen gestellt. Je nach Geschmack kann man die Wärme dann so lassen oder eine Stufe runterschalten.“

„Und dann ist das Bett warm?“

„Jupp! Schön warm.“

„Du hättest dir das Geld auch sparen können!“, knörte Bryan.

„Ach ja? Und wie?“

„Naja…“, druckste der Junge rum, „immer hin wohnst du mit uns den Blitzkrieg Boyz zusammen…und du bist oder warst zumindest mal ein riesiger Fan von uns…oder?“

Lunas Gesicht errötete heftig und sie vergrub sich unter ein paar Kissen. Tala stieß Bryan in die Seite und schüttelte den Kopf.

„Was denn?“

„Dezenter!“

„Warum?“

Tala verdrehte die Augen und schüttelte erneut den Kopf.

„WAS?“, rief ihm Bryan hinterher.
 

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Kai schnellte schweißgebadet in seinem Bett hoch, hastig atmend und verwirrt um sich guckend, bis er feststellte, dass er in seinem Zimmer war.

„Oh Gott…“, seufzte er außer Atem, „schon wieder dieser Traum…“

Er rollte sich von der Matratze und schaltete den Laptop an, während er sich sein verrutschtes T-Shirt zurecht zupfte und sich setzte. Das helle Licht blendete ihn, so dass er sich die Augen reiben musste, um wieder besser sehen zu können. Es dauerte nicht lange, bis plötzlich sein Vater auf dem Bildschirm erschien. Genauso verschlafen wie Kai guckte er drein, die Brille hing schief auf der Nase, die Haare leicht zerzaust und der Bart spross fröhlich vor sich hin.

„Morning“, grüßte Daniellé mit einem mitfühlenden Lächeln, „wieder schlecht geträumt.

„Ja…“, raunte Kai, „du auch?“

„Ich bin wieder mal im Krankenhaus eingenickt…“

„Wann warst du das letzte Mal daheim?“

Daniellé schien zu überlegen, Kai winkte jedoch ab.

„Schon so lange?“

„Hey…seit du nicht mehr bei mir wohnst…“

„Hab schon verstanden…“, gähnte Kai und rieb sich die Schläfen.

„Leg dich wieder hin…du hast morgen Schule…“

„Ich kann nicht.“

„Wieder Voltaire?“

Kai nickte stumm. Sein Vater seufzte besorgt und nahm die Brille von der Nase.

„Kai…ich kann dir nicht noch stärkeres Schlafmittel ausstellen…“

„Kannst du nicht mal ein Auge zudrücken?“, flehte sein Sohn.

„Ich habe das letzte Mal schon beide Augen zugekniffen! Ich kann es als Arzt und Vater nicht verantworten dich noch mehr unter Drogen zu setzen…“

Kai schlug die flachen Hände auf die Augenlider und stöhnte irgendetwas. Daniellé rieb sich die inneren Augenwinkel und stützte sein Kinn auf die geballte Faust.

„Hast du Alternativen?“, erkundigte sich Kai und setzte sich wieder normal hin.

„Warme Milch?“

„Ernsthaft?“

„Du hast mich gefragt. Außerdem wenn du mich um halb vier nachts anpiepst kann ich mir gut vorstellen, dass deine Alpträume und Schlaflosigkeit dein geringstes Problem sind…?“

Kai striff sich durch die zerzausten Haare und schnaufte schwer.

„Wenn du mich schon mal an der Strippe hast…willst du dann auch drüber reden?“

„Nein.“

Kai klappte schon fast hastig seinen Laptop zu und streckte sich ordentlich.
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
 

„Guten Morgen Dornröschen!“, strahlte Tala schon fast, als er Kai ein paar Stunden später in die Küche torkeln sah, „was ist denn mit dir passiert?“

„Halt die Klappe, Tala“, gähnte Kai gereizt und drückte auf die Tassimomaschine.

„Du hast deinen Tee gestern geleert, falls du es vergessen haben solltest…“, raunte Tala und blätterte in der Zeitung.

„Ich schorr mir einen Kaffee von dir…“

Jetzt blickte Tala erschrocken auf. Er ließ Kais letzte Worte noch mal Revue passieren und hob schließlich die Augenbrauen.

„Du…tust…WAS?“

Kai setzte sich neben seinen Teamchef und nippte an der schwarzen dampfenden Brühe.

„Junge…du sollst nachts schlafen!“

Der Junge sah Tala herausfordernd aus dem Augenwinkel an und raunte: „Ach ja? Konntest du weiter schlafen, nachdem du vor drei Nächten schreiend aufgewacht bist?“

Tala hielt in seiner Anstalt ein Gegenkommentar zu machen inne. Seine grimmige Miene wich der einer besorgten.

„Oh…“

„Ihr habt verdammt dünne Wände hier…“, murmelte Kai und nippte erneut am Kaffee.

„Sorry?“

„Schon gut…“

Sie saßen für vielleicht zehn Minuten schweigend so da, nur das Schlürfen von Kai unterbrach diese schon fast unheimliche Stille.

„Ich wusste gar nicht, dass du auch noch von der Abtei träumst…“, warf Tala schließlich in die Runde.

„Reißt es auch so an deinen Nerven?“

„Jedes Mal…“

„Wird es irgendwann besser?“

Tala legte den Kopf schief und grübelte: „Ich hab mich mal bei so einer Therapeutin auf die Liege begeben…so drei…viermal. Seitdem…ist es nicht mehr sooft…“

Kai blickte erstaunt zu seinem Kollegen. Er trank den Rest des Kaffees in einem Zug leer und schwang den Rucksack über eine Schulter.
 

Luna erwiderte fragwürdig ihr Spiegelbild und zog verschiedene Grimassen. Bryan neben ihr, welcher sich gerade die Zähne putzte beobachtete das Schauspiel mit einem Schmunzeln.

„Alter…“, raunte Luna und zupfte sich ein paar Haarsträhnen zurecht, „ich seh so kacke aus!“

Bryan verschluckte sich beinahe am Zahnpasterschaum. Er Spuckte aus und sah das Mädchen fragend an.

„Guck mich doch mal an“, knörte sie und sah den Jungen durch den Spiegel aus an, „meine bunten Haare sind ausgewaschen, ich hab Ansatz wie blöd und meine Augenbrauen sind fast buschiger als deine!“

„Jetzt übertreib mal nicht…“

„Guck doch mal! Ich krieg sogar schon wieder Pickelchen! Ey ich mutier zu einer…zu einer…“

Bryan sah erwartungsvoll zu ihr rüber.

„Ich bin zu müde um mir jetzt auch noch ein Schimpfwort für mich selbst auszudenken…ich brauch nen Kaffee…“, murmelte Luna und watschelte aus dem Badezimmer.

„Du bist kein Morgenmensch…?“

„Siehst du meine Augenringe??“

Bryan konnte ein Grunzen nicht unterdrücken und folgte dem Mädchen in die Küche. Spencer und Tala waren gerade einkaufen, Kai war noch in der Schule.

„Kaffee“, jubelte das Mädchen und kippte einen Schuss Milch in die schwarze Brühe, „Held meiner frühen Stunden und durchgemachten Nächte!“

Bryan grinste und nahm einen kräftigen Schluck Wasser zu sich, während Luna mehrmals am Kaffee nippte und gleichzeitig die Jobangebote der aktuellen Zeitung durchging.

„Und was interessantes dabei?“

„Der selbe Scheiß wie letztes Mal…“, seufzte sie…, „auch fuck off! Ich kauf mir von meinem letzten Geld eine Kamera und mach Beauty Vlogs auf Youtube!“

„Und mit was willst du dich schminken?“

Luna ließ ruckartig die Schultern sinken und sah Bryan mit hochgezogenen Brauen an.

„Das ist der Moment, in dem du mich normal aufbauen und ermutigen solltest…“

„Echt?“

„Motivieren nicht kritisieren!“

„Ich kritisier dich nicht mal…ich sag die Wahrheit“, lachte Bryan, „sogar Kai hat mehr Schminke als du.“

„Autsch…“

„Hast du dir wehgetan?“

„Nein…deine Aussage hat es…“

„Ach so“, grinste der Junge und zuckte unberührt mit den Schultern.

Luna stellte die leere Tasse in die Spüle und kruschte ihren Geldbeutel hervor. Sie schien zu überlegen und schnaufte schließlich schwer.

„Und kannst du dir einen Mascara leisten?“, kicherte Bryan hinter Luna.

„Woher weißt du eigentlich, dass das so heißt?“

„Mädel ich guck Fern…da gibt’s sowas wie Werbung?“

„Ah…das erklärt einiges…“

„Und wie viel Schminke kannst du dir kaufen?“

„Ich müsste wahrscheinlich die nächsten drei Wochen aufn Strich gehen…aber ja ich könnte mir zurzeit sogar einen Mascara leisten.“

„Seit wann kann man Geld verdienen, wenn man aufn Strich geht?“

Luna drehte sich breit grinsend zu Bryan und erwiderte: „Weißt du überhaupt, was das ist?“

„Aufn Stich laufen?“

Luna konnte ein lautes Auflachen nicht unterdrücken und wischte sich eine Freudenträne aus dem Augenwinkel.

„Das…war anscheinend die falsche Erklärung…?“

„Allerdings…“, kicherte Luna immer noch.

Genau in diesem Moment ging die Tür auf und Tala und Spencer traten ein.

„Na ihr zwei?“, erkundigte sich der Riese, „was habt ihr in unserer Abwesenheit schönes angestellt?“

„Luna erklärt mir grade, was es heißt, wenn man auf den Strich geht um Geld zu verdienen“, strahlte Bryan wie ein aufgeregtes Kind.

Spencer und Tala hielten verdutzt inne und guckten das Mädchen argwöhnisch an.

„Versau mir den Jungen nicht noch mehr…“, bat Spencer und trug die Tüten weiter Richtung Küche.

„Ich geb mein Bestes, es ihm so harmlos wie möglich beizubringen…“, salutierte Luna grinsend.
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
 

Kai schnaufte ruhig und gleichmäßig mit verschränkten Armen, als Luna ins Wohnzimmer eintrat. Sie hielt inne und betrachtete den Anblick, welcher sich ihr gerade bot. Schnell zückte sie ihr Handy und beugte sich leicht über Kai, um ein perfektes Bild von ihm machen zu können.

„Ich hoffe für dich, dass du den Auslöser noch nicht gedrückt hast…“, raunte der Junge plötzlich.

Luna zuckte zusammen, während Kai schon fast wie in Zeitlupe die Augen öffnete und sie herausfordernd ansah.

„Zu…aufdringlich…?“, fragte das Mädchen schon fast im Flüsterton.

„Definitiv…“, erwiderte Kai im selben Ton und richtete sich auf.

„Sorry!!“, entschuldigte sich Luna mehrmals.

„Versuch das ja nie wieder…“

„Habs verstanden!“

Kai knallte seiner Zimmertür hinter sich zu, so dass Luna noch mal heftig zusammen zuckte.

„Hast du ihn schon wieder verärgert…?“, erkundigte sich Spencer, als er mit einem Wäschekorb an ihr vorbeiging.

„Anscheinend hat noch was dagegen, wenn ich Bilder von ihm machen will“, schmollte Luna.

„Du weißt doch…Kai braucht für alles Neues etwas länger, um sich dran zu gewöhnen…“

„Was schläft der auch auf der Couch ein? Eine noch größere Versuchung hätte er mir doch gar nicht bieten können!“

„Die verbotene Frucht, hm?“

„Die Schokolade während deiner Diät“, kicherte Luna.
 

Der Schnee fiel heimlich still und leise auf Kais Haupt und bildete bereits eine dünne weiße Schicht. Den schien dies jedoch kaum zu kümmern und er wartete weiterhin an der Bushaltestelle. Ab und zu blickte er auf sein Handy, um zu sehen, wie viel Uhr es war und ob er den Bus möglicherweise verpasst haben könnte. Aber ein Kai Hiwatari verpasste doch nicht den Bus! Kai hielt kurz inne, um seinen letzten Gedanken noch mal durchzugehen. Na toll, dachte er sich, jetzt rede ich schon über mich, wie diese nervigen Fangirls…

„Hey Kai!“

Apropos Fangirls…

Luna winkte Kai von der anderen Straßenseite aus zu. Er tat so, als hätte er sie nicht gesehen und starrte weiterhin ins Leere.

„Ignorierst du mich schon wieder?“

Allerdings…

„Ich hatte grade ein Vorstellungsgespräch und fahr direkt heim…willst du mitfahren?“

Nein. Lass mich in Ruhe!

„Okay…“, belächelte Luna die Situation, „ich fahr dann jetzt los…ohne dich!“

Geh doch endlich!

„Deine Entscheidung!“

Luna stieg ins Auto ein und Kai seufzte erleichtert auf. Endlich hatte er wieder Ruhe für sich und just in diesem Moment fuhr der Bus an die Haltestelle. Der Junge klopfte sich den Schnee von der Kleidung und schüttelte kurz den Kopf, damit auch dieser schneefrei war, als er plötzlich das Kreischen aus dem Businneren vernahm.

„OH MEIN GOTT!! SIEH NUR ES IST KAI!!! KAI!!! HALLO!“, kreischte ein Mädchen aus dem Bus und lehnte sich so weit vor, dass sie beinahe von ihrem Platz fiel.

„HEEEEEEY!! Machst du ein Foto mit mir? Nur ein Selfie, bitteeeee!“, rief ihm die nächste entgegen.

„Kai ich will ein Kind von dir!!“

„KAI!!!!“

„Was muss ich für dich tun, damit ich einen Kuss bekomme?!“

Der Junge seufzte einmal tief durch und warf seinen Rucksack auf beide Schultern.
 

„Ich hätte nicht gedacht, dass du doch noch bei mir einsteigst“, grinste Luna siegessicher, „womit habe ich die Ehre schlussendlich verdient?“

„Ich brauche nicht lange zu überlegen, wenn ich mich zwischen einem Fangirl oder einer ganzen Horde entscheiden muss…“, erwiderte Kai kühl.

„Ach so…jetzt bin ich sogar schon fast enttäuscht…“

Kai warf ihr einen Blick aus dem Augenwinkel zu, sagte jedoch nichts mehr.

„Und wie war die Schule?“, fragte Luna und bog links ab.

Kai schwieg.

„Okay…wir spielen wieder das ich gebe auf nichts und niemanden eine Antwort, schweige die Leute weiterhin an und ich komme mir dabei auch nicht dämlich vor, weil ich plötzlich anfange Selbstgespräche zu führen, weil mein Sitznachbar sich anscheinend zu fein ist, sich mit mir zu unterhalten…“

Kai warf Luna einen fragenden Blick zu.

„Zu viel?“, erkundigte sie sich.

„Zu viel…außerdem solltest du dich lieber auf die Straße konzentrieren…“

„Ich bin eine Frau ich beherrsche Multitasking!“

Kai erhob beide Augenbrauen.

„Junge…jetzt wäre der perfekte Zeitpunkt, um die Klappe zu halten!“, drohte Luna.

Er wand sein Gesicht von ihr ab, um nach draußen sehen zu können…und damit sie sein Schmunzeln nicht sehen konnte. Plötzlich machte sich Kai ganz klein auf dem Beifahrersitz und rutschte fast bis in den Fußraum runter.

„Kai…?“

„Fahr einfach bitte nur weiter…“

„Aber die Ampel schaltet gerade um…“

„Dann fahr drüber!“

„Kann ich nicht! Vor mir ist einer!“

„Verdammt!“, fluchte Kai und kramte einen Notizblock aus seinem Rucksack, um ihn seitlich an sein Gesicht zu halten.

Luna sah ihn fragwürdig an: „Was…genau…“

„Frag lieber nicht…“, raunte der Junge genervt.

„Eine verflossene?“, grinste sie und wackelte vielsagend mit den Augenbrauen.

„Mach dich nicht lächerlich!“

„Das hab ich vorhin schon gemacht, als ich neben dir im Auto Selbstgespräche geführt habe.“

Kai seufzte und sah vorsichtig am Notizblock vorbei nach draußen.

„Noch mehr Fangirls…?“

„Schön wärs…“

„Dann hättest du auch in den Bus einsteigen können…“

„Man muss ja nicht immer gleich übertreiben.“

„Du vor allem.“

Die Ampel schaltete wieder auf grün um, so dass Luna weiterfahren und Kai den Block wieder runternehmen konnte. Der Junge seufzte noch einmal tief durch, nachdem er sich in alle Himmelsrichtungen umgesehen hatte. Luna zwang sich dem Drang zu wiederstehen, nicht weiter nachzufragen und starrte auf ihren Weg.

„Du hockst doch auf glühenden Kohlen?“

„Ist das so offensichtlich?“

„Ich kann sehn, wie sich deine Finger ins Lenkrad krallen…“, meinte Kai und blickte zu besagter Stelle.

„Mir ist nur kalt“; wehrte Luna spöttisch ab.

„Du hast die Heizung auf volle Leistung eingestellt…“

Das Mädchen seufzte laut und warf für drei Sekunden den Hals in den Nacken. Kai linste zu ihr und konnte sich ein siegessicheres Lächeln nicht verkneifen. Plötzlich richtete er sich im Sitz auf und meinte: „Kannst du hier mal halten?“

„Ähm…klar.“

Luna parkte direkt vor dem Modegeschäft und zog die Handbremse an. Als sie durch die Windschutzscheibe den Namen des Geschäftes las blieb ihr für fünf Sekunden das Herz stehen, während Kai einfach ausstieg und Richtung Eingang schlenderte. Auf halben Weg drehte er sich zum Auto um und fragte: „Willst du lieber im Auto warten?“

Luna stieg ebenfalls aus, blieb jedoch stehen und krallte sich in die Fahrertür.

„Was ist?“

„Das ist das Serverin…“, kommentierte sie mit zittriger Stimme.

„Ja.“

„Da lassen die mich doch niemals rein…“

„Wieso?“

„Guck mich doch mal an!“

Kai blickte an seiner Mitbewohnerin runter.

„Ich hab keine Ahnung was du meinst…“

„Zerrissene Jeans? Ausgedellter Pullover? Kaputte Sneaker? Meine ausgewaschenen Haare?? Das ist ein Modegeschäft für Leute mit…“, sie brach mitten im Satz ab, um nichts falsches zu sagen.

„Leute mit Geld?“, beendete Kai ihren Satz und legte den Kopf schief.

„Ja…?“

Kai drehte sich wortlos um und ging in das Geschäft rein, wo er gleich von zwei Angestellten herzlich Empfangen wurde. Luna beobachtete die Szene kurz, entschied sich jedoch dafür, sich wieder ins Auto zu setzten. Sie kaute nervös auf ihren kurzen Fingernägeln und folgte Kai weiterhin mit ihren Blicken. Nach einer guten halben Stunde trat der Junge wieder aus dem Geschäft mit einer Einkaufstüte, welche er auf den Rücksitz verstaute, bevor er einstieg.

Er gab Luna ein Zeichen, dass sie nach Hause fahren könnte und schwieg den Rest der Fahrt.
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
 

Weihnachten rückte immer näher. Nur noch knapp eine Woche, bis die Nacht der Bescherung vor der Tür stand. Dann würden alle Lichter, Kerzen und weihnachtlichen Düfte zum Höhepunkt getrieben die Familien und Freunde beglücken, während Luna nicht mal ein einziges Geschenk gekauft hatte. Sie saß auf ihrem Bett und guckte zum Fenster raus, während der Schnee in dicken und flauschigen Flocken zur Erde viel und die Landschaft in ein grelles weißes Wunderlang verwandelte. Das Mädchen musste sich anstrengen, um die Tränen zu unterdrücken. Sie hatte trotz Job monatlich gerade mal das Geld für die Miete zusammen und dann noch für 4 Personen eine Kleinigkeit zu kaufen war ausgeschlossen. Klar hatten ihr Spencer und Tala mehrmals gepredigt, sie wollten alle keine Geschenke von ihr haben, da ihnen das ganze einfach zu doof war…aber von Kleinigkeiten hatte niemand etwas erwähnt. Deswegen war Luna von Einkaufshaus zu Einkaufshaus gefahren (zum Glück hatte Tala ihr das Auto immer geliehen) um nach ein paar „Anerkennungen“ Ausschau zu halten, doch sogar eine Phiole Parfüm sprengte ihren finanziellen Rahmen.

Sie seufzte schwer und ließ den Kopf gegen das kalte Glas sinken. Vom Flur hörte sie kaum Geräusche, ab und zu mal lief einer der Jungs an ihrer Türe vorbei oder es ertönte ein Lachen aus dem Wohnzimmer.

„Ich darf mich jetzt einfach nicht hängen lassen!“, sprach sie sich selbst gut zu und raffte sich von ihrem Bett auf.

„Oha! Seht mal da wer uns Gesellschaft leistet“, verkündete Bryan sichtlich erfreut, als Luna durch den Durchgang ins Wohnzimmer eintrat.

Sofort rückten Spencer und Bryan ein Stück zur Seite, so dass das Mädchen zwischen ihnen Platz auf der Couch nehmen konnte. Mit einem breiten Grinsen schlupfte sie in die Lücke und kuschelte sich unter die Wolldecke, welche die Jungs Anstandshalber für sie auf die Couch gelegt hatten. Im TV lief gerade eine Comedysendung, was die vielen Lachanfälle erklärte.

Tala saß am Tisch und sah sich die Sendung von dort aus an, vor ihm lag natürlich wieder eine Zeitschrift. Die Werbung schaltete ein und Spencer machte sich schon daran umzuschalten.

„…und gleich im Anschluss sehen sie…“, konnte der Moderator noch ankündigen, dann wechselte das Programm.

„Warte!“, rief Luna aus, was Bryan schon fast zusammenzucken ließ.

„Was…?“

„Was kommt im Anschluss?!“

Spencer schaltete ohne Anstand zu machen wieder zurück.

„…die Meerjungfrau…“

„Oh mein Gott!“, jauchzte Luna verzückt aus und schälte sich aus der Decke.

„Was ist denn?“

„Genau das Richtige für mich!“, strahlte sie und hüpfte aus dem Wohnzimmer.

Bryan und Spencer sahen sich gegenseitig fragend an und zuckten mit den Schultern.

Luna kletterte in ihr Bett, schaltete die Lichterkette am Bettkopf an und kuschelte sich unter die Decke, wo es Dank Wärmedecke mollig warm war. Sie schaltete ihren kleinen Röhrenfernsehr ein und suchte das richtige Programm.

Plötzlich stand Tala neben ihrem Bett und fragte: „Was war denn jetzt so wichtig?“

Das Mädchen zuckte heftig zusammen.

„Sorry…?“, entschuldigte sich der Rotschopf.

„Ich guck mir einen Disneyfilm an“, strahlte das Mädchen und wackelte aufgeregt mit den Füßen.

„Dis…ney?“

„Ja. Sag bloß, du kennst das nicht?“

Tala blickte auf den Bildschirm, wo sich gerade mehrere Menschen mit Schwanzflossen in einer Art Orchester eintrafen.

„Das ist ein Zeichentrickfilm.“

„Nein, Tala, das ist ein Disneyfilm.“

„Und wo liegt da der Unterschied?“

„Für einen Disneyfilm ist man nie zu alt“, lächelte Luna und blickte wieder auf den Bildschirm, „oh…ich liebe Arielle!“

„Um was geht’s da?“

„Sowas kann man nicht erzählen…das muss man gesehen haben!“

„Ich soll ihn mir also auch angucken?“

„Hey“, grinste das Mädchen und hob unschuldig die Hände, „ich zwinge dich zu nichts, aber das ist ein Geheimtipp. Disney hat mein Leben verändert!“

„Inwiefern?“

„Disney hat mir meine Ansicht auf die Liebe völlig verändert!“

Tala unterdrückte ein Lachen und guckte erneut auf den Bildschirm. Er stand so ein paar Minuten, bis Luna fragte: „Werden dich die Jungs nicht vermissen?“

„Nein…Bryan und Spencer gucken sich jetzt irgend so ein Monstertruckrennen an. Ist nicht wirklich meins…und Kai…du kennst ihn mittlerweile. Er ist hier irgendwo in der Wohnung“, schmollte Tala, „darf ich?“

„Versprochen!! Ich werde auch ganz brav sein“, grinste Tala und machte eine unschuldige Geste.

Luna sah ihn zweifelnd an, rückte jedoch ein Stückchen zur Seite und Tala setzte sich im Schneidersitz auf die Decke.

„Arme Seelen in Not…“, sang Ursula gerade, während Luna nur ihre Lippen mit bewegte.

„Du…kannst den Film auswendig?“

„Wenn ich singen könnte würde ich lauthals mitmachen“, lachte Luna.

„Tu dir keinen Zwang an.“

„Ich will dir keinen Tinnitus verpassen, Tala“, lächelte sie bescheiden.

„Diese Tintenfischtussi sieht aus wie eine Transe…“, bemerkte der Junge und runzelte die Stirn.

Das Mädchen legte den Kopf schief: „Möglich. Eine fette Transe dann aber.“

„Oh ja!“

„Nur der Kuss der wahren Liebe…“

Tala schielte zweifelnd zu seiner Mitbewohnerin und zog eine Fratze.

„Was?“

„‘Kuss der wahren Liebe‘?“

„Disneykrankheit…es geht immer darum, dass eine junge Frau sich in einen für sie unerreichbaren Mann, in ziemlich jeden Fall ein Prinz verliebt. Wir Frauen gehen dafür meisten komische Abmachungen ein…“

„‘Wir Frauen‘? Du also auch?“, grinste Tala, streckte seine Beine aus und verschränkte seine Arme über der Brust.

„Vielleicht?“, grinste sie zurück.

Tala blickte sie herausfordernd an.

„Du irritierst mich mit diesem Blick! Jetzt guck den Film weiter!“, beschwerte sich das Mädchen.

„Tu ich das?“

„Vielleicht?“

Tala lachte und wandte seinen Blick wieder brav auf den Bildschirm.

„Die Menschenmänner lieben kein Geplapper. Ne‘ Quasselstrippe halten die für fad! Ja an Land nicht ohne Grund, da hält als Dame man den Mund und sagt noch selbst hat das Gequatsche denn Format? Komm schon! Die wenigsten erwärmen sich für’s Reden. Der wahre Herr von Welt der denkt nicht dran. Doch sie rasten förmlich aus, bleibt sie stumm kriegt sie Applaus! Nur die die schweigt, die kriegt auch einen Mann!“

Jetzt lachte Tala hell auf, hielt sich den Bauch und rutschte tiefer in das Kissen. Er wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und hatte große Mühe sich wieder einzufangen.

„Hast…hast du mitbekommen…die hat Kai perfekt beschrieben!“, kicherte er immer noch.

„Jetzt wo du’s sagst…“, überlegte Luna und stützte sich auf den Ellbogen, „auf was für einen Typ Frau steht der eigentlich?“

„Na, auf die die schweigt!“

„Oh der ging aber gewaltig unter die Gürtellinie, oder?“

Der Junge holte ein paar Mal tief Luft, damit er nicht mehr lachen musste und fächerte sich Wind zu.

„Gell du musst jetzt schon heulen?“

„Wieso jetzt schon?“

„Wenn du den Schluss gesehen hast, dann wirst du heulen!“

„Werd ich nicht.“

„Oh doch…glaub mir!“

„Ich hab noch nie bei einem Film geheult!“, beschwerte sich Tala.

„Würde ich an deiner Stelle jetzt auch sagen“, grinste Luna und zwickte ihn neckisch in die Seite.

„Hast du mich gerade wirklich gezwickt?“

„Vielleicht?“, lachte Luna.

„Du kennst den Spruch, so wie man in den Wald rein schreit, so hallt es wieder raus?“

„Versuch’s doch“, meinte Luna herausfordernd, „nur lass dir eins gesagt sein, Tala: ich bin ein Mädchen…ich darf beißen, kratzen und wild um mich treten!“

Er hielt in seiner Bewegung inne, welche darin bestand seinen Finger in kreisenden Bewegungen nach ihr auszustrecken und überlegte kurz.

„Na?“

Tala zog seine Hand wieder zurück und funkelte Luna mit seinen Augen an, bevor er sich den Film weiter ansah. Gerade führte der Prinz Arielle durch die Stadt, wo sie zusammen Kuschte fuhren und tanzten.

„Kannst du tanzen?“

„Wenn du damit definierst, dass ich von einem Fuß auf den anderen wippe…dann ja.“

„Ihr geht doch in die Disco, oder?“, fragte Luna.

„Schon…aber wie meinst du würde es aussehen, wenn vier Jungs auf der Tanzfläche hin und her schaukeln?“

„Das Kopfkino, welches sich mir gerade bietet ist jedenfalls amüsant! Wir müssen mal alle zusammen weggehen!“

Tala hob ungläubig beide Augenbrauen. Genau in diesem Moment waren Arielle und ihr Prinz in einem kleinen Boot auf einem See unterwegs und der Junge machte ein abwertendes Geräusch.

„Zu kitschig für dich, hm?“, hinterfragte das Mädchen sein Geräusch.

„Nicht unbedingt…“

„Aber?“

„Nichts aber.“

„Sonst hättest du doch nicht so ein Geräusch gemacht“, meinte Luna und rückte noch ein Stückchen näher.

Ihre Beine lagen nun aneinander und er konnte ihren Arm an seinem Ellbogen spüren.

„Nebensächlich.“

„Du weißt, dass ich nicht nachgeben werde, solange du es mir nicht gesagt hast?“, grinste Luna verschmitzt.

„Ist das nicht mein Spruch?“

„Tatsache. Du bist eben ein guter Lehrer. Und jetzt verrate mir, was du an einem Bootsausflug bei Mondschein und Glühwürmchen mit deiner Liebsten nicht romantisch findest.“

„Ich fände so was schon romantisch…wobei der Begriff Romantik sehr dehnbar ist…“

„Du schweifst ab“, bemerkte Luna.

„Ich kann nicht schwimmen.“

„Du kannst nicht schwimmen?“

„Nein.“

„Das ist doch nichts, wofür du dich schämen musst!“

„Ach nein?“

„Nö...“, erwiderte sie und sah Tala in die Augen, „nein…ist…nicht…schlimm…“

„Alles in Ordnung?“

Luna zuckte heftig zusammen, als sie bemerkte, dass sie Talas Gesicht immer näher gekommen war, doch dieser hatte nur ihrem Blick standgehalten und blickte sie nun fraglich an.

Kapitel 6

„Ich…ähm…ich wollte nur ähm…“

„Ja?“

„Dieses Parfüm…ist das von Armani?“

Tala verkniff sich ein Grinsen und schüttelte den Kopf: „Nein…ist eins aus Russland. Den Namen könnte ich dir sagen, aber du würdest ihn weder verstehen, noch aussprechen können.“

Luna spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss und sie wandte schnell ihren Blick wieder auf den Bildschirm. Tala wusste natürlich genau, was sie da eben versucht hatte. Er überlegte nur noch, ob er diese Situation retten oder lieber so im Raum stehen lassen sollte.

„Sieh sie dir an…ist sie nicht bezaubernd schön…?“, trällerte es plötzlich aus dem Fernseher.

Oh man…, dachte sich das Mädchen. Das kommt davon, wenn ich mir einrede, dass es nicht mehr schlimmer werden könnte!

„…wie ein Bild das schweigt, doch zeigt ihr Gesicht nicht alles…“

„Soll…soll ich umschalten?“, fragte sie plötzlich und griff nach der Fernbedienung…also über Tala drüber.

„Wieso denn? Ich hab’s bis jetzt angeschaut, dann will ich auch den Rest sehen!“, beschwerte er sich grinsend und schupse die Fernbedienung vom Nachtkästchen runter.

„Wa…! Hey!“, schimpfte sie, bis Luna bemerkte, dass sie mit ihrem Oberkörper quer über Tala lag.

Sofort zog sie sich zurück und kaute nervös auf ihren Fingernägeln herum.

„Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?“, kicherte er.

„Ja.“

Die Antwort kam zu schnell. Er beobachtete das Schauspiel, welches sich ihm gerade bot und hatte große Mühe nicht loszulachen.

„Was machst du da?“, wollte sie gereizt wissen, als sie seinen Blick spürte.

„Du hast gesagt, dass Disney dir deine Ansicht auf die Liebe völlig verändert hat…?“

„Ähm…ja?“

„Also sollte man das in die Tat umsetzten, was die da vor sich her trällern?“

„Eigentlich schon…“

„Na also!“, lachte Tala, „die Krabbe hat gesungen, ich soll dich ansehen!“

„Ich bin aber nicht bezaubernd schön!“, erwiderte Luna mit heißerer Stimme.

„Wer behauptet das schon von sich selbst? Entweder Leute mit zu viel Selbstbewusstsein oder die, die gar keins haben!“

„Findest du dich selber nicht attraktiv mit deinen roten Haaren und deinen muskulösen Körper?“

Tala überlegte kurz, nahm seinen Blick jedoch nicht von ihr. „Sagen wir’s so…ich weiß, wie ich auf manche Frauen wirke.“

„Auf manche?“

„Du hast mich gegoogelt, also sag du es mir“, kicherte er, „du weißt mittlerweile wahrscheinlich mehr über mich, als ich selbst!“

Luna schnappte hastig nach Luft, während Prinz Eric gerade dabei war den Namen seiner hübschen Begleiterin zu erraten.

„Wenn…wenn wir uns weiterhin so anstarren, dann verpassen wir beide den Film…und …und dann hast du…meine Fernbedienung völlig…völlig grundlos auf den Boden geschmissen.“

„Stimmt“, kommentierte Tala, als wäre es das normalste auf der Welt sich minutenlang tief in die Augen zu blicken und sah wieder auf den Bildschirm.

„…sie bleibt immer stumm, ohne Kuss völlig stumm….drum: Küss sie doch!“

Wie vom Blitz getroffen ließ Luna ihren Kopf erneut in Talas Richtung schnellen, welcher sie ein paar Sekunden später fragend ansah.

„Du…du hast gesagt, dass du alles in die Tat umsetzen willst, was die da singen…deswegen…ich dachte…“

Er verstand nach kurzem Grübeln, was sie meinte und lächelte, bevor er sich ein Stück in die Mitte des Bettes auf seinen Ellbogen gleiten ließ.

„Willst du denn, dass ich dich küsse?“

Luna öffnete den Mund, doch ihre Kehle war mit einem Mal so trocken, dass sie keinen Ton mehr herausbrachte.

„Schalalalala…sei ein Mann, die Stimmung stimmt, fang an, los komm und: küss sie doch! Schalalalala…hör nicht auf, zeig’s ruhig da stehst du drauf…was ist denn? Küss sie doch! Schalalalala…hör das Lied, es sagt was bald geschieht, es sagt: küss sie doch!“

„Ich fange an, diesen Film zu mögen“, lachte Tala frei raus, hielt sich den Bauch und wälzte sich auf der Matratze hin und her, „du solltest dein Gesicht sehen!“

„Lachst du mich gerade aus?“

„Vielleicht?“

„Tala! Das finde ich nicht witzig!“

„Oh doch! Das ist es!“

„Du…du…du…IDIOT!“

Luna schwang sich über Tala, welcher sie jedoch am Arm festhielt und das Mädchen mit Leichtigkeit wieder zurück auf das Bett zog. Er drückte sie auf die Decke und hielt ihre Arme fest nach unten.

„Ich bin kein Idiot“, beschwerte er sich immer noch kichernd, „du musst lernen, dass man auch mal einen Scherz auf deine Kosten macht, Luna!“

Das Mädchen starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an und spürte, wie ihr Körper weich wie Butter wurde. Tala blickte ihr erneut tief in die Augen und kam mit seinem Gesicht immer näher, so dass sich ihre Nasen beinahe berührten.

„Willst du, dass ich dich…küsse?“, hauchte er und schob behutsam einen Oberschenkel zwischen ihre Beine.

„Ja…“, erwiderte sie kaum hörbar.

Seine Lippen formten sich zu einem sanften Lächeln und er schloss seine Augen und kam näher. Lunas Herz pochte wild, ihre Schmetterlinge tanzten Tango in ihrer Bauchhöhle und ihre Beine schmiegten sich an Talas Schenkel. Der Kuss war leicht, ein Hauch ja schon fast zärtlich und nach Lunas Meinung viel zu kurz. Als sich ihre Lippen lösten sahen sich die beiden tief in die Augen und der Junge streichelte Luna sanft über die Wange.

„Und? Was das jetzt so schlimm?“

„Arsch…“, flüsterte Luna immer noch, musste jedoch grinsen.

Tala hat mich geküsst…!!!

Der Junge lächelte ebenfalls, erhob sich vom Bett und zeigte auf den Fernseher.

„Jetzt habe ich das Ende doch nicht mitbekommen“, schmollte er gespielt.

„Wir können ihn auf DVD angucken“, strahlte Luna und setzte sich erwartungsvoll im Bett auf.

„Ein anderes Mal“, winkte er Junge ab.

„Tala?“

„Ja?“

„Das…äh…mit…“

„Ja?“, hakte der Junge nach.

„Wegen dem Kuss“, hauchte Luna und rutschte auf ihrem Bett nervös herum.

Tala sah sie fragend an.

„…das bleibt doch…unter…“

„Natürlich bleibt das unter uns“, lachte Tala auf, „wegen sowas machst du dir Sorgen?“

„Ähm…ja?“

„Ohne dich jetzt irgendwie anzugreifen, Luna…du solltest dir ehr Sorgen darüber machen, dass du Geld für die nächste Miete auftreibst.“

„Bitte…was?!“

„Mal im Ernst. Du wohnst jetzt seit drei Wochen bei uns und hockst die ganze Zeit nur rum und tust nichts.“

Lunas Mimik änderte sich rasch von überrumpelt zu verärgert und sie funkelte Tala finster an.

„Ich wollte es dir nur gesagt haben. Ich mache da keinen Unterschied ob Mädchen oder Junge.“

„Du kriegst dein Geld schon…“, murmelte das Mädchen verärgert.

„Das hoffe ich für dich…“

Mit diesen Worten verließ Tala ihr Zimmer. Luna warf sich in die Kissen und presste ihr Gesicht hinein, damit sie niemand schreien hören konnte.
 

***
 

Der Heiligabend lief genauso ab wie jeder andere auch. Die Blitzkrieg Boyz waren beim Training, kamen heim, Spencer kochte und danach ging jeder wieder seiner Wege. Luna hatte die Geschenke für die Jungs voller Frust wieder umgetauscht. Ein Dach überm Kopf war ihr dann doch wichtiger, als 4 Flaschen vom teuersten Wodka den sie finden konnte. Wieder in der Wohnung angekommen ging sie schnurstracks an Spencer vorbei zu Tala, welcher im Wohnzimmer am großen Tisch saß, um von dort aus mit Bryan eine Doku anzusehen. Er sah zu ihr auf, wollte sie anscheinend begrüßen, denn seine Miene hellte sich auf.

„Da!“, brummte Luna und warf ihm drei Geldscheine auf den Tisch, „is sogar noch Strom und warm Wasser inklusive!“

Tala guckte ungläubig auf das Geld, wieder zu ihr, wieder aufs Geld. Luna stampfte in ihr Zimmer und verschloss die Tür hinter sich, noch bevor er etwas erwidern konnte.

„Hast du sie verärgert?“, wollte Spencer herausfordernd mit verschränkten Armen wissen.

„Nein.“

„Wirklich?“

„Nein!“

„Und warum ist sie dann so angefressen?“

„Was weiß ich? Vielleicht hat sie ja ihre Tage?“

Bryan drehte sich neugierig auf der Couch zu seinem Teamchef: „Woher weißt du das?“

„Keine Ahnung! Sind Frauen nicht immer sauer auf alles, wenn sie in dieser Zeit sind?“

„Tala, egal was da mit Luna ist“, drohte Spencer, „bring das wieder in Ordnung!“

Der Rotschopf hob abwehrend die Hände in die Luft und sah Spencer fragwürdig an, welcher ihn nur mit drohend erhobenem Finger beäugte.

„Was kann ich dafür, wenn sie rumzickt?“

„Sie ist das einzige Mädchen unter vier Jungs, na klar fühlt sie sich da unterbuttert!“

„Was hat zicken mit unterbuttert zu tun?“, erkundigte sich Bryan, wurde jedoch sofort von Spencer abgewimmelt.

„Es war uns allen bewusst, dass das Chaos mit sich bringt, wenn hier ein Mädchen einzieht und wir waren alle damit einverstanden!“, tadelte der Riese.

„…und ihr war es anscheinend nicht bewusst, was es heißt in einer Wohngemeinschaft für die monatliche Miete aufzukommen“, brummte Tala und erhob sich drohend langsam von seinem Platz, „und das, wenn man nicht arbeiten geht früher oder später das Mietverhältnis gekündigt wird!“

„Jetzt übertreibst du aber“, erwiderte Spencer, wurde mit der Stimme jedoch immer ruhiger.

„Ich habe Luna deutlich zu verstehen gegeben, dass sie für die Miete genauso aufkommen muss wie wir und es mir SCHEIßEGAL IST, WIE SIE ZU IHREM GELD KOMMT!“, rief Tala wütend aus und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, „ HABE ICH MICH JETZT FÜR ALLE KLAR UND DEUTLICH AUSGEDRÜCKT?“

„Laut und deutlich…“, bejahten Bryan und Spencer kleinlaut.

„Dann kann ich ja wohl davon ausgehen, dass das Thema damit über’n Berg ist?“

„Ja, Tala…“

Der Teamchef ließ sich wieder auf seinen Platz nieder und blätterte weiter in seiner Zeitschrift, als wäre die Diskussion von gerade eben nie passiert. Spencer und Bryan warfen sich einen vielsagenden Blick zu, als plötzlich hinter ihnen die Wohnungstür scheppernd ins Schloss knallte. Alle drei Jungs sahen zu besagter Tür, sagten jedoch nichts. Jeder wusste, dass Luna gegangen war…
 

***
 

Ein paar Stunden später…

„TALAAAAAAA!!!“, rief Spencer plötzlich völlig außer sich und polterte durch die Wohnung.

Bryan fiel vor lauter Schreck beinahe vom Sofa, Kai hielt im schreiben seiner Notenblätter für eine Komposition inne und der Gerufene blickte dezent genervt vom Tisch auf.

„WAS?“, rief er gereizt in derselben Lautstärke zurück.

„ÄRGER! TÜR! KOMMEN!“

„Meinst du ernsthaft, weil ich vorhin mit dir geschrien habe, dass du jetzt auch dazu berechtigt bist‘?“

„Vermieter! Tür! Jetzt! Sauer! Reden will!“, stammelte Spencer vor lauter Wut vor sich her und ging zurück an die Wohnungstür.

Bryan, Kai und Tala eilten dem Riesen hinterher, hielt aber etwas Abstand. Diesen strengen Ton hatten sie vorher noch nie von Spencer gehört.

„DAS MUSST DU DIR ANSEHEN! KOMM SCHNELL HER!“

„Man! Ich steh fast direkt hinter dir!“, beschwerte sich Tala und hielt sich die schmerzenden Ohren zu.

„Oh…sorry.“

Der Rotschopf öffnete fast schon wie in Zeitlupe die Wohnungstür und blickte in das wütende Gesicht ihres Vermieters.

„Hallo…?“

„Sie wissen warum ich hier bin?“, brummte der Mann und verfinsterte seine Miene gleich noch mehr.

„Ähm…nicht so richtig?“

„Aus demselben Grund wie letztes Mal. Und das Mal zuvor. Und davor!“

„…wegen…der vielen Leute…?“

„WEGEN DER VIELEN LEUTE!“, rief der Mann völlig außer sich.

„Wir haben Ihnen schon mal gesagt, dass wir absolut nichts dafür können…“, versuchte Tala sich zu entschuldigen.

„Das sagen Sie jedes Mal, Herr Ivanov! Ich habe ehrlich gesagt die Schnauze voll!“

„Wer wird denn hier gleich so vulgäre Ausdrücke benutzen?“, scherzte Bryan sarkastisch.

Auf der Stirn des Vermieters machten sich die Adern bemerkbar und sein Kopf lief feuerrot an.

„Ich habe eure ständigen unverschämten Bemerkungen satt!“, fauchte der Vermieter.

„Wir bitten Sie umgehend um Entschuldigung“, erwiderte Spencer vorsichtig und stieß Bryan heftig in die Seite, „aber wir können den Leuten noch so oft sagen, dass sie sich nicht vor unserer, nein Ihrer Wohnung sammeln und nach uns sehen sollen…“

„Es hilft gar nichts“, fügte Tala hinzu.

„Dann werde ich mich gezwungen sehen, euch den Mietvertrag zu kündigen.“

„Was?“, riefen Tala, Spencer und Bryan empört im Chor aus.

„Ich muss Rücksicht auf die restlichen Mieter dieses Hauses nehmen, welche sich durch die täglichen Menschenansammlungen belästigt fühlen.“

„Sie schmeißen uns raus?“

„Jawohl“, antwortete der Mann und reichte Tala ein Kuvert, „dort drin finden Sie ein offizielles Kündigungsschreiben meinerseits und Unterschriften der restlichen Mieter, dass sie so schnell wie möglich diese Wohnung räumen.“

Tala starrte das Kuvert sprachlos an, als Kai sich zum ersten Mal zu Wort meldete.

„Haben sie schon mal was von Mieterschutzgesetz und Kündigungsfrist gehört?“

„Und Sie sind?“, erkundigte sich der Vermieter und beäugte Kai argwöhnisch.

„Einer der Mieter dieser Wohnung.“

„Nachdem ich bereits drei Mal vermahnt habe, sehe ich mich im Recht, euch die Wohnung fristlos zu kündigen“, meinte der Mann entschlossen.

„Wir sind fünf Leute! Wie sollen wir so schnell an eine neue Wohnung kommen?“, wollte Bryan wütend wissen.

„Das ist nicht mein Problem.“

Das haben wir gleich…“, murmelte Kai und drückte sich sein Handy ans Ohr, „hallo? Ich bräuchte dringend deine Hilfe…ja…okay…nein ich hab nichts angestellt…dann bis gleich…“

Kai verstaute das Telefon wieder in seiner Hosentasche und wandte sich an den Vermieter: „Eine halbe Stunde könnte es dauern…Feierabendverkehr. Solange werden Sie doch wohl warten können?“

„Ich warte…“, brummte der Mann.

Tala drehte sich zu seinem Mitbewohner um: „Hast du deinen Vater angerufen?“

„Schlimmer…“, raunte Kai, „meine Mutter…“
 

Knappe 35 Minuten später stand Hiltrud Hiwatari auf der Matte. Ihre kurzen braunen Haare waren nass vom Schnee, welcher draußen in dicken Flocken sein Unwesen trieb. Sie hatte zwei dicke Ordner unter ihrem Arm geklemmt und linste den Vermieter finster an, während sie sich alle an den Tisch im Wohnzimmer setzten.

„Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass das Auftauchen eines Anwaltes meine Entscheidung verhindert?“, lachte der Vermieter schelmisch.

„Nicht verhindern…sagen wir hinauszögern…“, kommentierte Kai und erklärte seiner Mutter die Gesamtsituation.

„Hören Sie“, begann Hiltrud in ihrer perfekt einstudierten Anwanltshaltung, „laut Paragraph schiesgekrieselt Absatz 4 der neuen Verordnung des Mieterschutzverbandes sind meine Mandanten nicht in der Lage die bestehende Ruhestörung zu unterbrechen. Da es sich hier sogar um eine mittelgroße Menschenmasse handelt können Sie dies auch gar nicht von ihnen verlangen!“

Der Vermieter sah Kais Mutter ungläubig mit großen Augen an. Bryan pfiff leise anerkennend, während Tala und Spencer kein einziges Wort verstanden hatten.

„Wir können jedoch einen Kompromiss für die restlichen Mieter dieses Hauses und für Sie eingehen.“

„So?“, fragte der Mann argwöhnisch, „der wäre?“

„Meine Mandanten sind damit einverstanden, diese Wohnung zu verlassen.“

„Sind wir das?“, warf Bryan mitten in den Raum und kassierte einen weiteren Hieb von Spencer in die Seite.

„Seid ihr. Allerdings unter der Bedingung, dass sie nicht fristlos gekündigt werden. Die Jungs haben die Zeit, die sie brauchen, um sich eine neue Wohnung zu suchen. Sie werden nicht weiter von Ihnen belästigt werden und Sie haben auch kein weiteres Recht, hier spontan auf den Tisch zu hauen, wie es Ihnen gerade gefällt.“

Der Vermieter schluckte schwer: „Und die andere Bedingung?“

„Oh, das wird Sie sicher freuen“, lächelte Trudie neckisch, „aufgrund des miserablen und gesundheitsschädlichen Zustandes, welches Ihr Treppenhaus durch schlimmen Schimmelbefall für jeden dieser Mieter bietet erlasse ich mit sofortiger Wirkung eine Kürzung der Miete um 40%.“

„WAS?“, rief der Vermieter aufgebracht aus und sprang von seinem Platz auf.

Tala, Spencer und Bryan saßen mit weit aufgerissenen Augen da und trauten ihren Ohren nicht.

„Wir können auch gleich 50% Mietminderung vereinbaren?“, schlug Trudie vor, „oder soll ich Ihnen vorher den Vorsitzenden des Mieterschutzbund vorbeikommen lassen?“

Der Vermieter hielt in seiner Bewegung inne, ballte sie Hand zur Faust und nickte schließlich stumm.

„Schön“, lächelte Trudie befriedigt, „Sie werden noch diese Woche ein Schreiben meiner Kanzlei erhalten, wo ich Ihnen noch mal alles detailliert auflisten werde. Schönen Abend noch…“

Wortlos, jedoch vor Wut kochend verließ der Vermieter die Wohnung der Blitzkrieg Boyz. Trudie sah freudig zu ihrem Sohn und fragte aufgeregt wie ein Kleinkind: „Na? Wie war ich?“

„Du warst spitze! Danke Mama!“, lobte Kai und nahm seine Mutter in den Arm, „ohne dich hätte ich echt nicht gewusst, was ich noch tun soll…“

„Ach“, winkte Trudie stolz ab, „für mein Kind nur das Beste!“

Kurz nachdem seine Mutter wieder von dannen war trat Tala an Kais Seite.

„Du…hast uns den Arsch gerettet, weißt du das?“

„Ja.“

„Danke.“

„Ich werde auf dich zurück kommen“, lächelte Kai siegessicher.

„Aber trotzdem müssen wir uns jetzt auch noch nach einer neuen Wohnung umsehen“, bemerkte Spencer.

„Wieso auch noch?“

„Die Weltmeisterschaft…“

„Ja…? Was ist damit?“

„Sie ist schon in vier Monaten…“
 

***
 

Luna horchte gespannt an der Wohnungstür, ob sich drinnen noch irgendeiner regte. Normalerweise sollte Bryan als einziger wach sein und in seinem Zimmer am PC zocken. Vorsichtig schloss das Mädchen die Tür auf und blickte in die Wohnung. Vier Augenpaare sahen ihr aus dem Wohnzimmer raus entgegen.

Upsi.

„Hi…Jungs?“, grüßte sie vorsichtig.

„Da bist du ja endlich wieder! Mensch wir haben uns Sorgen gemacht!“, erwiderte Spencer erleichtert.

„Wir haben uns Sorgen gemacht?“

„Bryan…was ist heute eigentlich dein Scheißproblem?“

„Kein Grund gleich so unhöflich zu werden!“

„Trägst du da…Lippenstift?“, erkundigte sich Tala und kniff die Augen zusammen.

Luna nickte mit dem Ansatz eines Lächelns, bevor sich ihre Miene wieder umwandelte. Sie sah traurig aus.

„Es…es tut mir leid“, stammelte Luna und trat an den Tisch im Wohnzimmer, „zum einen, dass ich so plötzlich verschwunden bin und zum anderen, dass ihr euch Sorgen gemacht habt. Um mich.“

Alle vier Jungs sagten nichts. Sie sahen Luna mit einem fürsorglichen Blick an, welcher in etwa „Schon okay“ bedeuten sollte. Das Mädchen krallte aufgeregt ihre Finger in die Träger ihres Rucksacks und biss sich auf die Unterlippe.

„Ich habe einen Job“, verkündete sie etwas kleinlaut, dennoch stolz.

„Glückwunsch“, lächelten Tala und Spencer ihr entgegen, „deswegen auch der Lippenstift?“

„Ja.“

„Ach! Du gehst jetzt auf den Strich, stimmt’s?“

„BRYAN!“ rief Spencer entsetzt aus, „AB IN DEIN ZIMMER!“

„Was willst du eigentlich von mir?“

„JETZT!“

Bryan rollte genervt mit den Augen und schlenderte aus dem Wohnzimmer. Eine Weile verging, bis sich Spencer wieder mit normaler Mimik an seine Mitbewohnerin wenden konnte.

„Was denn für einen Job?“

„Ähm…als Bedienung in einem kleinen schnuckeligen Café…das an der Ecke vom Marktplatz.“

„Ich weiß welches du meinst.“

„Es ist sicher nicht der bestbezahlteste Job…aber es ist ein Anfang. Und der Chef meinte, ich soll nächsten Mittwoch gleich schon erscheinen, deswegen auch der Lippenstift. Damit ich mich etwas zu Recht machen kann.“

Erst jetzt bemerkte Luna, dass die Jungs um diese Uhrzeit noch alles wach waren.

„Ist…ist irgendwas passiert? Sonst seid ihr doch alle ziemlich früh im Bett…“

Tala schon den noch freien Stuhl neben sich hervor und tappte mit der Hand darauf.

„Wir müssen reden…“

„Aber ich hab doch die Miete bezahlt!“, entgegnete das Mädchen schockiert und trat einen Schritt zurück.

„Sicher hast du das“, lächelte Tala müde, „bitte…nimm Platz…“

Vorsichtig setzte sich Luna auf den freien Stuhl und sah leicht verängstigt in die Runde. Nach und nach erzählte ihr Spencer und Tala, was heute alles in ihrer Abwesenheit geschehen war.

„Das ist echt scheiße“, kommentierte sie schließlich, als sie voll im Bilde war, „wo wollt ihr so schnell eine neue Wohnung herbekommen?“

„Wir werden das schon schaffen“, belächelte Spencer ihre Besorgnis, „und mit ‚wir‘ schließt auch dich mit ein.“

Lunas Augen funkelten vor Freude und sie hatte große Mühe, damit ihr Mund sich nicht zu einem breiten Lächeln formte. In diesem Moment schob ihr Tala vorsichtig einen Geldschein über den Tisch.

„Das hast du zu viel gezahlt.“

„Davon kann ich mir morgen gleich einen neue Hose für die Arbeit kaufen“, belächelte Luna den Schein und steckte ihn weg, „meine alte hat mittlerweile mehr Löcher als ein Schweizer Käse…“

„…außerdem ist Kai heute so in guter Laune“, grinste Tala schief und linste zu seinem Mitbewohner, „er wird dich morgen begleiten.“

In diesem Moment wollte Kai schon etwas entgegnen, als Spencer seinen Arm hob und mit dem Zeigefinger auf seinen Ellbogen tippte. Er blickte Kai herausfordernd an und fragte: „Willst du heute auch noch?“
 

***
 

„…ich brauche dir bestimmt wieder viel zu lange, oder?“, erkundigte sich Luna, nachdem sie die Einkaufstüte im Kofferraum von Talas Auto verstaut hatte.

Kai seufzte kaum hörbar und bemühte sich, nicht angestrengt den Kopf zu schütteln. Sie waren seit fast fünf Stunden unterwegs gewesen, Luna war in jedes einzelne Modegeschäft gegangen, um die perfekte Arbeitskleidung zu finden. Schlussendlich hatte sie sich nur eine schwarze Hose und zwei weiße Blusen gekauft, welche gerade im Schlussverkauf waren.

„Was meinst du, Kai?“, fragte das Mädchen vorsichtig, „sehe ich so ‚seriös‘ genug aus, um als Bedienung durchzugehen?“

„Warum fragst du mich das? Hast du dich denn nicht erkundigt, welche Arbeitskleidung du tragen sollst?“

„Ähm…nein?“

Kai seufzte richtig tief und lehnte sich am Kofferraum an: „Ganz ehrlich?“

„Wenn ich es mir recht überlege…bin ich viel zu glücklich darüber, endlich einen Job gefunden zu haben. Du würdest mir die Laune mit deiner Ansage nur verderben.“

Der Junge hob überrascht beide Augenbrauen.

„Andererseits…bist du der einzige der mir seine Meinung ehrlich ins Gesicht sagt…“

„Also?“

„Kannst du mir deine Ansicht…nicht einfach…‘nett‘ verpacken?“

Luna war einen kurzen Augenblick so, als hätte sie Kai verschmitzt lächeln sehen. Sie konnte sich jedoch auch getäuscht haben…

„Die Kleidung hast du gut ausgesucht. Schwarze Hose und weiße Bluse ist der Klassiker unter den Bedienungen.“

„ECHT?“, rief das Mädchen erfreut aus.

„Allerdings…solltest du darüber nachdenken, vorher vielleicht noch mal zum Friseur zu gehen?“

„Die Zotteln sehen scheiße aus…nicht wahr?“

„Ja.“

„Ich weiß…ich müsste in meinem Zimmer noch ein paar Reste von dem ganzen Farbengedöns haben.“

„Dein neuer Chef scheint sehr tolerant gegenüber deines Gesichtsschmucks zu sein, hm?“

„Er…hat diesbezüglich nichts erwähnt, dass ich sie rausnehmen soll…“, überlegte Luna und schmunzelte breit, „was für ne‘ Wahl hat er denn auch?“

„Du bist dir deiner Sache ziemlich sicher…“, misstraute Kai ihr und stieg ins Auto ein.

„Sagen wir’s so: ich habe den Job auch nur, weil die alte Kellnerin lauthals geschmissen hat…“

Erneut hob Kai überrascht die Augenbrauen.
 

Wieder in der Wohnung angekommen machte sich Luna gleich daran, ihre restlichen Haarfarben zu suchen. In der Küche rupfte sie sich ein paar Bahnen Alufolie in die richtige Größe und bat Spencer um ein paar Einweghandschuhe.

„Tut mir leid, Luna…sowas habe ich nicht. Nur Putzhandschuhe.“

„Naja“, zuckte das Mädchen gleichgültig mit den Schultern, „dann werden halt die Hände bunt.“

„Kann ich dir in irgendeiner Art und Weise behilflich sein?

„Du darfst mir eine dieser leckeren Instandnudelsuppen machen“, grinste Luna breit, „und eine Dose Bier, falls du eins dahaben solltest.“

„Du? Dosenbier?“, fragte Bryan im Vorbeigehen und rümpfte die Nase.

„Ja. Ich. Dosenbier. Perfekt.“

Spencer nickte und begab sich in die Küche, während Bryan Luna interessiert beobachtete, wie sie sich die Haare grob abteilte und mitten in ihrer Bewegung inne hielt.

„Hat einer von euch Jungs einen Haarschneider?“

„Wir haben keinen privaten Friseur.“

„Nein“, lachte sie auf, „einen Haarschneider. Maschine.“

„Es gibt Maschinen, die dir die Haare schneiden? Wie gruselig ist das denn?!“

„Sie meint eine Haarschneidemaschine du Idiot“, entgegnete Kai und blieb im Türrahmen stehen, „und ja, so was haben wir.“

„Könnte ich mir den mal ‚leihen‘?“

„Klar“, jetzt stand Tala ebenfalls an der Badzimmertür, „Tag der offenen Tür hier, oder heizen wir neuerdings auch den Flur?“

Bryan und Kai traten synchron ins Bad ein und schlossen hinter sich die Tür. Kurz darauf konnten sie Tala etwas fluchen hören, das so ähnlich klingen sollte wie: „So war das jetzt nicht gedacht!“

Luna musste sich ein Lachen verkneifen und grinste stattdessen ihr Spiegelbild breit an. Bryan machte es sich auf dem Rand der Badewanne gemütlich, während Kai an der Tür stehen blieb, um zu beobachten, wie seine Mitbewohnerin mit zwei Fingern in die Dose voller Farbe ging und die bunte Masse auf ihren Haaren auftrug. Nachdem sie ein paar Strähnen abgefertigt hatte guckte Luna durch den Spiegel die Jungs an und grinste erneut.

„Wollt ihr auch?“, fragte die belustigt und hielt die bunteingefärbten Finger in die Luft.

„Mir hat das Flieder von damals gereicht“, brummelte Bryan von der Badewanne aus und auch Kai schüttelte nur den Kopf.

„Bleibt mehr für mich“, triumphierte das Mädchen und fuhr fort.
 

„Und wie lange lässt du dieses Farbspektakel jetzt auf deiner Rübe?“

„So lange wie ich will“, meinte Luna und nippte an ihrem Bier, während sie sich zwischendurch immer wieder eine Gabel der heißen Instandnudeln in den Mund schob, „was macht ihr eigentlich Silvester?“

„Hast du in letzter Zeit mal in den Kühlschrank geschaut?“

„Nö.“

„Guck mal rein“, kicherte Tala, „du meinst wir sind ein Spirituosenfachhandel.“

„Also betrinkt ihr euch einfach nur…?“

„Wenn du es so sagst hört es sich einfach nur so an, als wären wir die größten Alkoholiker“, lachte Spencer auf, „aber ja…wir werden uns hier einen gemütlichen Abend machen und uns betrinken…“

„Ihr alle?“

„Kai hat irgend so ein Familienfestdingsbums. Er wird morgen von seinem Vater geholt und kommt irgendwann wieder.“

„Spätestens wenn er Hunger hat“, grinste Luna und erntete von Spencer und Tala fragende Blicke, „oder etwa nicht?“

Die beiden Jungs warfen sich einen vielsagenden Blick zu: „Lass ihn sowas ja nicht hören…du weißt doch, wie er ist.“

„Schon…aber mit der Aussage ‚irgendwann wieder‘ kann ich nicht viel anfangen.“

„Wir auch nicht. Aber das waren seine Worte.“

„Boah!“, schmollte Luna, „er redet mit euch?“

„Schon. Mit dir nicht?“

„Kaum…“

„Das ist Kai“, grinste Tala.

„Hast du etwas Bestimmtes für Silvester geplant?“, erkundigte sich der Riese bei seiner Mitbewohnerin.

„Eigentlich wollte ich mit euch um die Häuser ziehen…“

„Um die Häuser? Mit uns?“

Bryan lachte schallend und warf dabei beinah die Spielekonsole um. Tala gab Luna ein Zeichen, dass sie ihn einfach ignorieren solle. Trotzdem zog das Mädchen leicht den Kopf zwischen die Schultern ein und stutzte. Jetzt warfen sich Tala und Spencer einen besorgten Blick zu und sie schienen zu überlegen, wie sie die Situation retten könnten.

„Du hast uns noch gar nicht erzählt, wie du eigentlich zu deinem Job gekommen bist“, begann der Riese.

„So spektakulär war das jetzt auch nicht…“

„…würdest du es mir trotzdem erzählen?“

Tala räusperte sich demonstrativ.

„Sorry. Würdest du es uns BEIDEN trotzdem erzählen?“, verbesserte sich Spencer und rollte mit den Augen.

Kapitel 7

„Jetzt übertreibst du aber“, erwiderte Spencer, wurde mit der Stimme jedoch immer ruhiger.

„Ich habe Luna deutlich zu verstehen gegeben, dass sie für die Miete genauso aufkommen muss wie wir und es mir SCHEIßEGAL IST, WIE SIE ZU IHREM GELD KOMMT!“, rief Tala wütend aus und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, „ HABE ICH MICH JETZT FÜR ALLE KLAR UND DEUTLICH AUSGEDRÜCKT?“

„Laut und deutlich…“, bejahten Bryan und Spencer kleinlaut.

„Dann kann ich ja wohl davon ausgehen, dass das Thema damit über’n Berg ist?“

„Ja, Tala…“

Der Teamchef ließ sich wieder auf seinen Platz nieder und blätterte weiter in seiner Zeitschrift, als wäre die Diskussion von gerade eben nie passiert. Spencer und Bryan warfen sich einen vielsagenden Blick zu, als plötzlich hinter ihnen die Wohnungstür scheppernd ins Schloss knallte. Alle drei Jungs sahen zu besagter Tür, sagten jedoch nichts. Jeder wusste, dass Luna gegangen war…
 

***
 

Dicke Frusttränen kullerten über Lunas Gesicht, während sie sich durch die verschneite Fußgängerzone kämpfte. Die Leute, welche sie gnadenlos beiseite schupste sahen ihr verärgert hinterher und riefen irgendwelche Sachen, was sie eiskalt ignorierte. Der Schneematsch lief ihr Dank der Löcher tief in die Schuhe, weshalb Luna nach nur wenigen Minuten eiskalte und pitschnasse Füße hatte. Sie stampfte ins nächstbeste Café und lief auf dem Weg zur Toilette direkt in die Kellnerin. Ein ordentlicher Rums, Porzellan zerbrach klirrend und die Getränke liefen über Lunas Kleidung und die der Kellnerin. Die junge Frau sah empört an sich runter und würdigte Luna mit einem strafenden Blick.

„Kannst du nicht aufpassen?!“, fuhr sie sie an.

„Pass doch selber auf!“, entgegnete Luna und schob sich an ihr zur Toilette vorbei.

„Scheiß Punker!“, rief die Kellnerin noch laut hinterher.

Luna schloss hinter sich schnell die Kabinentür, hockte sich auf die geschlossene Toilette und schluchzte lauthals in ihren Pullover. Sie ignorierte sie Kommentare der anderen Klobesucher, auch wenn sich einige an ihrer Kabine erkundigten, ob sie ihr helfen konnten.

„Es ist mir SCHEIßEGAL IST, WIE SIE ZU IHREM GELD KOMMT“, hallten Talas Worte wieder und wieder in ihrem Kopf, wie ein nie enden wollendes Echo. Das Mädchen biss sich heftig auf den Zeigefinger, damit durch den Schmerz der Drang zum Weinen endlich aufhörte.

„Au…“, wimmerte sie kleinlaut und wischte sich die Nase am Ärmel ab.

Kurze Zeit später trat Luna aus ihrem Versteck heraus und betrachtete sich im Spiegel. Ihr Kajal hatte sich über beide Wangenknochen verteilt, die Augen waren gerötet und die Haare stellten sich in jede Richtungen.

„Du siehst beschissen aus…mal ehrlich Mädchen…was hast du nur falsch gemacht…?“, fragte Luna ihr Spiegelbild, „ist es zu viel verlang, dass auch ich mal ein wenig Glück abbekomme?“

Das Mädchen schlurfte wieder zurück in die Kabine, wo sie sich für eine gute Stunde erneut versteckte. Als Luna sich dazu entschied, endlich wieder zurück ins eigentliche Café zu gehen bemerkte sie, dass niemand mehr drinnen war. Sie guckte sich desinteressiert um und schlurfte lustlos durch den Raum.

„Wir haben geschlossen“, ertönte plötzlich eine Männerstimme hinter hier, was Luna heftig zusammen zucken ließ.

Der Mann kam zu ihr und stutzte, als er ihr Gesicht sah.

„Ist…mit dir alles in Ordnung?“, fragte er vorsichtig.

„Nein…“, schmollte sie und wischte ihre Nase erneut am Ärmel ab.

„Wir haben trotzdem geschlossen, tut mir leid...“

„Ja…mir auch…“

Luna schlurfte zum Eingang, als der Mann sie am Arm festhielt. Sie machte sich nicht mal die Mühe, sich zu wehren.

„Warte…willst du einen Tee? Es ist scheiße kalt da draußen.“

„Ihr habt geschlossen und außerdem habe ich kein Geld dabei…“

„Der geht aufs Haus“, lächelte er fürsorglich und nahm Luna mit an den kleinen Tresen.

Er zeigte ihr, dass sie sich doch auf einen der Barhocker setzten sollte, während er um den Tresen huschte und den Wasserkocher einschaltete.

„Ich bin Marvin“, stellte sich der Mann vor.

„Hi Marvin“, entgegnete Luna.

„Hast…du denn keinen Namen?“

„Was macht das denn für einen Unterschied?“

„Zu was?“

„Is doch egal. Ich kann nicht mehr zurück und weiß nicht wo ich hin kann.“

„Du…hattest anscheinend einen beschissenen Tag…und das kurz nach Weihnachten.“

Marvin stellte Luna die dampfende Tasse vor die Nase und stellte ihr einen kleinen Teller mit Gebäck daneben. In diesem Moment kam die Kellnerin von vorhin um die Ecke und schmiss ihre Schürze auf den Tresen.

„Ich hab so die Schnauze voll von diesem Drecksloch hier!“, schimpfte sie und zeigte Marvin diverse Gesten, „voll Abzocke hier und dann noch von dummen Leuten umgeben!“

„Was hast du denn jetzt schon wieder für ein Problem?“

„Mein Scheißproblem ist, dass so ne bescheuerte Punkertussi vorhin voll in mich gelaufen ist und sich nicht mal entschuldigt hat! Das war ne brandneue Bluse!“

Die Blicke der beiden Frauen trafen sich, während Luna an ihrem Tee nippte.

„Des ist die sogar!“, schimpfte die Kellnerin weiter, „du hast Nerven, jetzt noch hier zu sitzen und die Leute vom Feierabend abzuhalten!“

„Es reicht, Cora“, mahnte Marvin und warf ihr einen giftigen Blick zu, „die Kunden beschweren sich eh schon über dein Verhalten und du wunderst dich auch noch, warum dir keiner ein Trinkgeld geben will!“

„Fick dich, Marvin“, giftete Cora weiter, „ich habe keinen Bock mehr auf den Scheißladen hier!“

„Dann geh doch“, entgegnete Marvin nüchtern.

Cora stutzte kurz, kam allerdings zu dem Entschluss, dass sie jetzt nicht mehr zurück konnte. Sie band ihre Schürze ab und schmiss diese auf den Holztresen. Ohne noch irgendeine Bemerkung verließ sie den Laden.

Luna blickte über den Rand ihrer Teetasse zu Marvin und zog beeindruckt die Augenbrauen hoch.

„Kurzer Prozess“, lächelte er, „ich habe nicht die Nerven, mich um jede Kleinigkeit meiner Angestellten zu kümmern. Wem der Job nicht gefällt darf gerne gehen, niemand wird gezwungen hier zu arbeiten.“

„Naja...das habt ihr beide mir gerade demonstrativ verdeutlicht“, murmelte das Mädchen und schob sich einen Keks in den Mund, „du sagtest ‚deiner Angestellten‘?“

„Jupp. Is mein Laden“, plusterte sich Marvin stolz auf.

„Is nett.“

„Danke.“

„Bitte.“

„Allerdings...werde ich ihn demnächst schließen dürfen...zu wenig Kunden.“

„Cora?“

„Anscheinend...“

Marvin seufzte tief und stützte seine Arme auf dem Tresen ab. Luna schwieg ebenfalls und schlürfte ihren Tee.

„Und nun zu dir.“

„Was ist mit mir?“

„Du scheinst gerade in einer beschissenen Lage zu sein. So wie ich.“

„Ach ja?“

„Meine Bedienung hat, wie du gerade demonstrativ mitbekommen hast gekündigt. Allein kann ich mein Café aber nicht betreiben.“

„Du hast nur eine Bedienung gehabt?“, fragte Luna ungläubig, „sogar für ein kleines Café wie deines ist eine viel zu wenig!“

„Ich habe noch Henry, aber der betreibt eine Discothek...also ist er nicht jeden Tag da.“

„Könnte glatt dein Bruder sein“, nuschelte Luna.

„Er ist mein Bruder.“

Luna verschluckte sich an ihrem Tee und hustete heftig. Marvin schien die Situation mitleidig zu belächeln.

„Und was hat das ganze mit mir zu tun?“, erkundigte sich das Mädchen, nachdem es sich wieder eingekriegt hatte.

„Wir sind beide fast in derselben Lage...meinst du nicht, wir könnten uns irgendwie gegenseitig helfen?“

„Das klingt so, als würdest du mehr in der Scheiße stecken als ich...“

„Hey...ich brauche eine Bedienung und du anscheinend einen Job.“

„Sieht so aus.“

„Vor nicht allzu langer Zeit ist bei mir ein Posten frei geworden“, grinste Marvin.

„Das war...vor einer viertel Stunde...“

„Wie doch die Zeit vergeht“, lachte der junge Mann und fuhr sich bedeutungslos mit der Zunge über die Lippen, „kommen wir ins Geschäft oder nicht?“

„Ich würde ja gerne“, begann Luna ihren Satz, sah dann jedoch an sich herunter und machte Marvin eine vielsagende Geste.

„Du wirst es nicht glauben, aber es gibt Läden, da kann man sich neue Kleidung kaufen...“, grinste er verschmitzt.

„Das ist mir durchaus bewusst, aber mit welchem Geld?“

„Anscheinend steckst du genauso tief in der Scheiße wie ich.“

„Scheint so…“, seufzte das Mädchen.

„Pass auf! Ich mach dir einen Vorschlag...“, sagte Marvin und kramte hinter dem Tresen etwas kleines schwarzes hervor, „hier sind...100 Euro. Sieh es als Vorschuss für neue Arbeitsklamotten und einen ordentlichen Haarschnitt. Schminkzeug wirst du wohl haben?“

„Du meinst das Zeug, welches in meiner Tasche vor sich hin vegetiert?“

Marvin zog beide Augenbrauen fragwürdig hoch.

„Ich stecke anscheinend mehr in der Scheiße als du...“, belächelte Luna die Situation und trank ihre Tasse leer.

Sie ließ sich vom Barhocker gleiten, schwang sich ihren Rucksack über die Schulter und bedanke sich für das heiße Getränk.

„...Mittwoch. 14.00 Uhr beginnt deine Schicht. Von mir aus kannst du die Schminke vorerst weglassen...“, rief ihr Marvin hinterher.

„Wieso bist du dir so sicher, dass ich erscheinen werde?“

„Du hast es gerade selbst gesagt“, grinste er, „du steckst anscheinend tiefer in der Scheiße, als ich.“
 

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Luna schüttete ihr Schminktäschchen quer über ihrem Bett aus. Sie hatte sich gerade die Farbe ausgewaschen und die nassen Haare in einem Handtuch eingewickelt, während sie naserümpfend über ihre Schminksammlung blickte.

„Ich hab so verschissen...“, murmelte sie und fuhr mit der flachen Hand ein paar Mal über die einzelnen Döschen und Tiegel.

Ein tiefer Seufzer entwich ihren Lippen, als Luna die Arme über der Brust verschränkte um nachzudenken. Sämtliches Zeug war entweder eingetrocknet, leer oder einfach nicht mehr zu gebrauchen.

„Oh man…“

„Du könntest ja Kai fragen, ob er dir was von seinem Schminkzeug ausleiht“, kommentierte Bryan monoton.

Luna drehte sich stocksteif in der Hüfte zu ihm um: „Wo kommst du denn schon wieder her?“

„Ich bin seit fast fünf Minuten hier.“

„Du bist wie ein Ninja...“

„Ninjas sind cool!“

„Vor alles können sie sich lautlos von hinten anschleichen...“

„Sag ich doch: sie sind cool!“

Luna nickte nur und biss sich auf die Unterlippe und überlegte, was sie bis Mittwoch noch zu kaufen hatte. Erneut seufzte sie tief.
 

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Mittwoch 08:40

Luna stand wie von einer Tarantel gestochen im Bad, warf mehr runter als sie wirklich effektiv gebrauchte.

„Du hast doch noch ewig Zeit“, gähnte Tala, als er sich das Schauspiel eine Weile angeguckt hatte, „du musst doch erst Nachmittag dort sein...“

„Meine Haare haben heute nach dem Aufstehen ausgesehen wie ein gerupftes Federkissen!“, schimpfte das Mädchen, „also hab ich sie noch mal gewaschen, dann völlig falsch gefönt, also erneut gewaschen und jetzt hat es geklappt...wenn ich mein Glätteisen noch finde...“

„Seit wann bist du wach?“

„Sechs Uhr.“

„Mädchen...hau dich noch mal aufs Ohr...“, gähnte der Junge erneut und kratzte sich im Nacken.

„Nein! Dann verschlaf ich auch noch an meinem ersten Tag! Das kann ich mir nicht erlauben!“

„Ich stell den Wecker für dich...“

Die nächsten Stunden war Luna damit beschäftigt fluchend von ihrem Zimmer ins Bad, vom Bad in die Küche und wieder zurück zu wuseln. Spencer schenkte ihr jedes Mal wenn er sie sah ein besorgtes Lächeln, mehr konnte er nicht für sie tun.
 

12:50 Uhr

„Luna?“, linste Tala ins Wohnzimmer, wo sich das Mädchen die letzte halbe Stunde aufgehalten hatte.

„ICH BIN WACH, ICH BIN WACH, ICH BIN WACH!“, schreckte Luna auf der Couch hoch.

„Mach langsam“, beruhigte er sie und stellte eine Tasse Kaffee auf den Tisch, „du hast noch eine Stunde...“

Mühselig setzte sich Luna auf und wischte sich den Sabber vom Mundwinkel, zupfte ihre Bluse zurecht und prüfte mehrmals, ob ihre Frisur noch saß.

„Du siehst gut aus“, belächelte Tala das Schauspiel, welches ihm geboten wurde, „trink deinen Kaffee...ich fahr dich dann hin...“

„Danke...und danke.“

„Kein Problem.“
 

13:50 Uhr

Marvin konnte sich ein leichtes Grunzen nicht verkneifen, als Luna vor ihm stand.

„Du warst entweder nicht beim Friseur...oder bei dem schlechtesten den es in dieser Stadt gibt.“

„Das hab ich selbst gemacht“, erwiderte sie dezent niedergeschlagen.

Dafür hatte sie kostbare Stunden Schlaf geopfert.

„Du willst mir jetzt aber nicht sagen, dass du 100 Euro nur für Klamotten ausgegeben hast?“

„Nein.“

„Aber?“

„Erstens hast du nichts gegen meine bunten Haare gesagt und zweitens hatte ich noch Farbe zu Hause.“

„Ich habe solange nichts gegen bunte Haare, wie es die Kunden auch nicht haben. Aber deine sind...“

„Hässlich?“

„Unsauber gearbeitet. Außerdem ist der Schnitt rausgewachsen, oder hast du das auch selbst gemacht?“

„Teils…?“

Marvin hob herausfordernd die Augenbrauen und schüttelte den Kopf.

„Soll...ich jetzt...wieder gehen?“

„Nein. Für heute drück ich noch mal ein Auge zu. Allerdings weißt du, was du nach der Arbeit zu tun hast.“

„Zum Friseur gehen?“

„Zum Friseur gehen.“

„Okay...“

Er lächelte dankend bevor er Luna zu sich hinter den Tresen winkte.

„Hier ist ein Tablett, Stift sowie Block und der Schlüssel fürs Lager, welches ich dir gleich noch zeige. Wenn Kunden kommen wartest du, bis sie sich gesetzt haben. Am Besten zählst du dann noch innerlich bis zehn und dann gehst du zu ihnen.“

„Warum?“

„Sie sollen nicht überrumpelt werden.“

„Okay...“

„Am Anfang brauchst du noch keine Abkürzungen schreiben, die lernst du noch schnell genug. Die meisten Leute wollen um die Jahreszeit heiße Getränke, in seltenen Fällen was zu Essen.“

„Okay.“

„...und...egal was ist...bitte...freundlich sein und bleiben...“, betete Marvin schon fast.

„Okay...“

„Mehr verlang ich nicht von dir...“

Luna folgte ihrem neuen Chef bis zu einer fast schon nostalgischen Holztür, wo Marvin ihr den Schlüssel von vor fünf Minuten zeigte und aufschloss.

„Das Lager“, meinte Luna stolz.“

„Das Lager. Hier findest du Servierten, Toilettenpapier, Putzhandschuhe und hier die Getränkekartons von Limo, Coladosen...“, erklärte der junge Mann und machte eine ausschweifende Handbewegung.

Die beiden gingen erneut hinter den Tresen, wo Kaffeemaschine, Wasserkocher und diverse Teesorten fein säuberlich sortiert standen.

„Kaffeemaschine reinige ich jeden Abend, darum musst du dich also nicht kümmern. Wenn eine Teesorte mal leer sein sollte findest du Auffüllmaterial wo?“

„Im Lager“, grinste Luna wie ein kleines Schulkind, welches eine richtige Antwort gegeben hatte.

„So ist es“, nickte Marvin lobend, „hast du noch fragen?“

„Noch nicht.“

„Später ist nicht die Zeit um mich um Hilfe zu bitten...“

„Dann improvisiere ich.“

Erneut nickte Marvin lobend. Dann schloss er das Café auf.

Lunas Herz pochte jedes Mal wie verrückt, wenn Leute dicht am Schaufenster vorbeigingen und hineinsahen. Dann gingen die meisten weiter.

„Das ist ja Folter!“, beschwerte sie sich ironisch.

„Sonst wäre es zu einfach“, grinste Marvin, welcher seinen Platz in der Küche hinter der Theke eingenommen hatte.

„Hattest...hattest du nicht gesagt, dass dein Bruder noch mit aushilft?“

„Manchmal.“

„Und wer bedient heute mit mir?“

Marvin sah Luna irritiert an: „Du.“

„Nur ich?“

„Ja.“

„Oh...mein...Gott...“

„Tief einatmen. Hol dir von mir aus einen Kaffee und das Lächeln nicht vergessen.“

Schnell huschte Luna hinter den Tresen und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein, welche sie fast schon zu hingebungsvoll genoss. Genau in diesem Moment ging die Tür zum Café auf, woraufhin sich das Mädchen beinahe an dem heißen Koffeingetränk verschluckte. Spencer und Bryan standen breit grinsend vor ihr.

„Hi!“, winkten die beiden ihrer Mitbewohnerin zu und kamen an den Tresen.

„Hi Jungs.“

„Wir wollten dir viel Erfolg für deinen ersten Arbeitstag wünschen und haben dir Nervennahrung mitgebracht.“

Sie legten eine Tafel Vollmilchschokolade auf die Theke.

„Oh...wie lieb von euch!“

„Viel Spaß und halt die Ohren steif!“

So schnell wie sie gekommen waren verschwanden sie auch wieder. Luna brach sich eine Rippe der Schokolade ab und biss genüsslich rein.

„Ein Verehrer?“, erkundigte sich Marvin, ohne aus der Küche zu schauen. Er schien gute Ohren zu haben.

„Meine Mitbewohner.“

„Nett von ihnen.“

„Jupp“, strahlte Luna und nippte an ihrem Kaffee.
 

17:25 Uhr

Draußen war es bereits wieder stockfinster geworden, während das Mädchen die letzten Krümel von einem Tisch aufwischte. Im Großen und Ganzen war es nicht annähernd so schlimm gewesen, wie sie es sich ausgemalt hatte. Bis jetzt hatte Luna nur einzelne Kunden gehabt, größtenteils freundlich und unkomplizierte Leute. Ohne das sie es jemals gemerkt hätte stand Marvin jedes Mal, wenn sie bediente am Tresen und linste ihr über die Schulter, ob er ihr nicht doch hätte helfen können. Luna konnte anscheinend sehr gut mit Leuten, oder sie improvisierte sehr gut...oder es lag schlicht und einfach an den acht Tassen Kaffee, welche in ihrem Blutkreislauf zirkulierten.

„Wie kommst du später eigentlich heim?“, erkundigte sich Marvin, nachdem Luna alles erledigt hatte.

„Mein Mitbewohner holt mich ab.“

„Dein Mitbewohner.“

„Ja.“

„Hat der auch einen Namen?“

„Ähm...“

Sie konnte jetzt ohne Probleme Talas Namen aussprechen und Gefahr laufen, dass ab morgen ein Groupie mehr an der Haustür stand, oder sie tat was sie am besten konnte; improvisieren.

„Yuriy.“

„Yuriy“, wiederholte Marvin.

„Ja. Yuriy. Glaubst du mir denn etwa nicht?“

„Doch, doch. Nur wenn keiner gekommen wäre, dann hätte ich dich auch heimfahren können.“

„Das ist nett von dir, Marvin.“

Er lächelte dankend und sah auf die Uhr: „Es ist Zeit.“

„Für?“

„Dich zum Friseur zu gehen.“

„Jetzt schon?“

„Heute war dein erster Tag...also wollen wir es mal gut sein lassen.“

„Okay.“

Luna ging in den Aufenthaltsraum, holte ihren Rucksack, zog ihre Jacke über und schrieb nebenbei Tala eine SMS, dass er sie woanders abholen sollte.

„Bis morgen“, winkte ihr Marvin hinterher, als das Mädchen das Café verließ, „und viel Spaß!“
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
 

„...die Wohnung ist auch zu teuer...“, murmelte Spencer, während sich Tala sichtbar verzweifelt die Schläfen massierte.

„Wir finden vor der Meisterschaft niemals eine neue Bleibe!“

„Wir könnten doch auf Land ziehen“, schlug Bryan nüchtern vor, „oder zu Kais Dad...der hat doch ein riesiges Haus...“

Kai warf seinem Teamkollegen einen finsteren Blick zu.

„Weder noch...“, überlegte Tala, „wir müssten schon hier im Umkreis bleiben.“

Die vier Jungs seufzten.

„Vielleicht diese hier?“

„Klar! Und ich hab einen Geldscheißer oder was?“

„War doch nur ein Vorschlag“, brummte Bryan.

„Käme ein Haus eigentlich in Frage?“, schlug Kai vor.

„Geldscheißer? Hatte ich da gerade nicht so was in der Art erwähnt?“

„Wenn wir ein kleines Haus finden würden, das nur etwas weiter außerhalb steht, könnten wir die monatliche Miete schon um knapp 15% senken.“

Tala warf Kai einen überlegenden Blick zu: „Erzähl weiter.“

„Es muss ja nicht mal ein komplettes Haus sein...eine Doppelhaushälfte wäre für uns fünf schon ausreichend.“

Spencer gab die neuen Daten in die Suchkriterien ein und drückte auf „suchen“. Kai tippte auf den Bildschirm und Spencer klickte das Objekt der Begierde an.

„Boah! Guckt euch die Hütte an!“, staunte Bryan, „ist das ein Garten?“

„Sogar mit Terrasse...“

„Aber da ist weder ein Boden drin, geschweige von der fehlenden Küche.“

„Gehört diese hier nicht euch?“

„Nein, Kai...uns gehören gerade mal die Waschmaschine und unsere Möbel.“

„Dann stellt bei der BBA doch einen Antrag auf Wohngeldunterstützung.“

„Was?“

„Wusstet ihr das nicht?“

„Nein“, raunten Tala, Spencer und Bryan im Chor.

„Durch diesen Antrag bekommt jeder Blader im Haushalt einen gewissen Zuschuss, damit er Miete und Versorgung besser haushalten kann. Da wir alle vier in ein und demselben Team sind erhöht sich dadurch der Betrag sogar noch.“

„...und mit sowas kommst du erst JETZT?“

„Ihr hattet nicht gefragt.“

Bryan holte bereits zum Schlag aus, als Tala ihm ein Zeichen gab und sich der Junge mürrisch wieder auf seinen Platz niederließ.

„Das heißt jeder von uns bekommt ein monatliches Taschengeld?“, erkundigte sich Spencer.

„So kann man es auch nennen.“

„So könnten wir rein theoretisch die Renovierungskosten erheblich senken. Wenn wir diesen Betrag für jeden von uns vier erhalten...“

„Wie gesagt: jeder Blader im Haushalt.“

Tala nickte anerkennend und klopfte sich auf den Schoß: „Dann wird es Zeit, dass wir diesen Antrag mal stellen.“

„Das wird trotzdem beschissen“, raunte Spencer.

„Wieso?“

„Weil diese Doppelhaushälfte erst ab Mai frei ist. Da sind wir schon auf der Weltmeisterschaft.“

„Shit.“

„Ich könnte den Umzug doch managen“, ertönte plötzlich Lunas Stimme.

Die Jung sahen überrascht auf. Das Mädchen stand im Türrahmen.

„Wie lange stehst du da schon?“

„Ninjas sind eben cool“, zwinkerte sie Bryan zu, welcher ein breites Grinsen aufsetzte.

„Was ist denn mit dir passiert?“

„Ich war beim Friseur“, strahlte das Mädchen und fuhr sich durch die mittlerweile kurzen Haare, „gefällt es euch?“

„Du siehst fast wie Bryan aus...nur ohne diese schwulen Koteletten.“

„Darf ich ihn jetzt schlagen?“

„Nein...“

„Das ist ein fünf-Personenumzug. Es wird hektisch, stressig und wenn was zu entscheiden ist, sind wir nicht da!“

„Dann regeln wir eben alles, bevor ihr zur Meisterschaft geht“, zuckte Luna mit den Schultern.

„Du siehst das Ganze ein bisschen zu einfach, kann das sein?“

„Nicht im Geringsten. Wenn ihr mich das machen lasst, nachdem alles besprochen ist werde ich das schon schaffen.“

Die Jungs warfen sich einen vielsagenden Blick zu. Luna seufzte: „Schlaft einfache noch mal drüber und stellt diesen Antrag. Ihr wisst ja, wo ich sein werde.“

In diesem Moment klingelte es an der Wohnungstür. Luna öffnete diese und erblickte ein junges Mädchen. Vielleicht ihr Alter. Sie hatte große hellgraue Augen, welche sie mit Kajal und Eyeliner noch mehr betont hatte. Ihre Haare reichten gerade so bis zu ihrem Schlüsselbein und waren weißblond, schon fast silbrig gefärbt.

„Strastwuitje. Menja sawut Mirka. Ja chatschu gawarju paschalsta Kai.“

Luna starrte das Mädchen mit großen, ungläubigen Augen an. Die beiden blieben so einige Sekunden stehen, bis das Mädchen sich erneut regte.

„Kai?“, fragte sie erneut, diesmal lächelte sie leicht verzweifelt.

Luna konnte ihre Starre lösen und rief den gefragten Jungen aus dem Wohnzimmer herbei, ließ die andere jedoch nicht aus ihrer Sicht. Als Kai schließlich neben ihr erschien lächelte das fremde Mädchen Luna freundlich zu und sagte: „Spasibo.“

„Ähm…ja“, erwiderte Luna unsicher und trat einen Schritt zurück.

Zu Lunas großer Überraschung begrüßten sich Kai und das Mädchen mit zwei kurzen Küssen auf die Wangen und er ließ sie in die Wohnung eintreten.

„Eto Luna“, meinte Kai und machte eine Geste, als wolle er die beiden Mädchen miteinander bekannt machen, „ona ne govorit po –russki!“

Sofort wurden die Augen des Mädchens noch größer und sie machte eine peinlich berührte Geste. Sie lächelte Luna erneut an und meinte: „Izvinite! Äh ich meine Entschuldigung!“

Lunas Mimik erhellte sich, als sie die Worte in ihrer Sprache zu hören bekam, wenn auch mit leichtem Akzent.

„Kein…Problem…?“, entgegnete sie und sah Kai fragend an.

„Das ist Mirka Solowjow. Ich habe dich ihr vorgestellt und ihr gesagt, dass du kein russisch sprichst“, erklärte der Junge.

„Sehr zuvorkommend“, bedankte sich Luna und reichte Mirka zur Begrüßung die Hand.

Diese erwiderte den Händedruck und zog das Mädchen an sich ran, um auch sie auf die typische russische Art mit Wangenkuss zu begrüßen.

„Es tut mir leid, wenn ich Sie im ersten Moment verwirrt habe“, entschuldigte sich Mirka erneut, „aber bis jetzt haben nur Russen in dieser Wohnung gewohnt…“

„Kein Problem“, winkte Luna ab, „aber sag bitte ‚du‘ zu mir.“

Mirka war diesmal dran mit fragenden Blicken, bis Kai ihr in Russisch erklärte, was Luna gemeint hatte.

„Ach so…ja tut mich leid. Ich verwechsel das immer noch.“

„Tut mir leid…“, wiederholte Kai.

„Prisoska“, murmelte Mirka und sah Kai schon fast böse an.

„Selber Trottel, wenn du dir die Sprache nicht merken kannst.“

„Sie…sie hat dich Trottel genannt?“, erkundigte sich Luna erschrocken, nachdem Mirka ins Wohnzimmer gegangen war um die anderen zu begrüßen.

„Ja.“

„Du scheinst dich davon nicht besonders angegriffen zu fühlen…?“

„Das ist wohl das harmloseste, was sie je zu mir gesagt hat“, meinte Kai und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

„W…was?“

Der Junge nickte nur.

„Ihr…kennt…euch…also länger…?“, wollte Luna vorsichtig wissen.

„Über zehn Jahre.“

„Ah…sie ist also deine Sandkastenfreundin?“

„Sie ist meine Verlobte.“

Luna blieb der Mund mitten im Ansatz etwas sagen zu wollen sperrangelweit offen stehen und sie starrte Kai mit weit aufgerissenen Augen an.

„Luna? Alles in Ordnung?“

„Mirka ist deine WAS?!“

„Verlobte“, wiederholte das Mädchen, welches ihren Namen gehört hatte und gesellte sich zu den beiden in den Flur.

„Meine Familie gehört ebenfalls dem Chevalier-Clan an.“

Luna blickte weiterhin fragend zwischen Kai und Mirka umher.

„Du…hast ihr noch nichts darüber erzählt oder, Kai?“

„Nein.“

„Warum?“

„Warum sollte ich?“

„Idiot...sie scheint nett zu sein, da hättest du ihr sowas ruhig erzählen können!“

„Sie ist ein Fangirl.“

„Und dann lasst ihr sie in eure Wohnung?“

„Sie ist unsere Mitbewohnerin.“

„Trotzdem ist die nett!“

„Wenn wir uns alle wieder beruhigt haben, dann könnte irgendeiner von euch beiden erklären was dieses Chevadingsda ist?“, beschwerte sich Luna.

Mirka und Kai sahen sie überrascht an.

„Du willst es wissen??“

„Es hört sich interessant an. Außerdem bin ich doch ein Fangirl, also interessiert mich eh alles was mit dir oder den anderen zu tun hat“, grinste Luna breit.

Kai seufzte und begab sich wieder ins Wohnzimmer.

„Dann erzähl ich es dir eben“, lächelte Mirka, „im Prinzip ist es eigentlich ziemlich einfach.“

„Okay…?“

Mirka grinste noch breiter und harkte sich bei Luna unter: „Gehen wir in die Küche und machen uns einen Kaffee.“

Kapitel 8

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 9

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 10

Kapitel 10
 

Draußen schneite es dicke Flocken, Glatteis machte es beinahe unmöglich ohne Rutschpartie durch den Alltag zu kommen. In einer Garage schraubte Tala hochkonzentriert an seinem Motorrad, so dass er seinen Besuch im ersten Moment nicht wahr nahm. Erst als Luna ihn auf die Schulter tippte zuckte er kurz zusammen.

„Hey.“

„Hey...“

„Wir sind wieder vom Einkaufen zurück.“

„Okay. Danke.“

Schweigen. Luna tribbelte nervös von einem Fuß auf den anderen.

„Kann ich dir irgendwas helfen?“

„Nope.“

Wieder schweigen. Tala seufzte schwer, legte sein Werkzeug weg und sah zu Luna.

„Was liegt dir auf dem Herzen?“

„Ich wollte...mich eigentlich nur...für vorgestern entschuldigen.“

„Okay. Vergeben und vergessen.“

Sie stutzte. Tala sah sie immer noch an, während er sich eine Zigarette anzündete.

„...und?“, hakte er nach.

„Das geht bei dir so einfach?“

„Soll ich es dir denn schwieriger machen?“

„Nein. Danke.“

„Du wusstest, dass ich keine feste Bindung wollte.“

„Vorerst nicht“, berichtigte Luna.

„Bitte?“

„Das hast du damals zumindest gesagt.“

Tala überlegte kurz und musste feststellen, dass er das tatsächlich gesagt hatte. Er stutzte kurz und aschte ab.

„Sonst noch was?“

„Gehst du mit mir zusammen in die Sauna? Als Mitbewohner...versteht sich.“

Der Rotschopf blickte seine Mitbewohnerin dezent genervt an und sie hob entschuldigend die Hände. Tala warf sein Werkzeug, welches er gerade erst wieder aufgenommen hatte auf die Werkbank und murmelte irgendwas vor sich her.

„Ich kann dir nicht antworten, wenn du nuschelst“, nörgelte Luna und fing sich damit einen bösen Blick ein.

„Musst du nicht arbeiten?“

„Kein Grund, gleich so gereizt zu sein!“

„Du nervst mich gerade aber.“

„Sag das doch gleich“, entgegnete das Mädchen im selben Tonfall und verschwand aus der Garage.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„WEIBER!“, fauchte Tala, als er Ölverschmiert und bis zum Anschlag gereizt in die Wohnung zurückkehrte.

Spencer und Bryan wichen ihm sofort aus, als der Rotschopf an ihnen vorbei in Richtung Badezimmer stampfte.

„Wer hatte es noch mal abgesegnet, dass eine Frau bei uns einzieht?“, erkundigte ich Bryan bei seinem Teamkollegen.

„Hör bloß auf!“, beschwerte sich Spencer, „ich habe keine Lust ihn die restlichen drei Monate bis zur Meisterschaft so gelaunt zu haben, bis er endlich Dampf ablassen kann!“

„Da...ist was dran...“, murmelte Bryan und blickte zu Kai, welcher gerade aus dem Wohnzimmer in sein Zimmer schlenderte, „lassen wir es ihn doch einfach ausbaden.“

Kai warf Bryan im Vorbeigehen einen vielsagenden Blick zu und schloss hinter sich die Tür.

„Dir macht das doch Spaß, oder?“

„Was meinst du?“

„Dich mit ihm anzulegen!“

„Och...“, schmunzelte Bryan, „irgendwie schon.“

In diesem Moment stieß Tala die Tür vom Badezimmer wieder auf und verschwand ebenfalls in seinem Zimmer.

„Verdammt viel los hier“, grinste Spencer und schlenderte mit Bryan ins Wohnzimmer.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Luna ließ ihren Frust geschickt an ihren Gästen aus, indem sie übertrieben freundlich zu ihnen war. Zu Hause hatte man sie schon längst durchschaut und ihr geraten, sowas lieber zu unterlassen.

„Wieso? Warum darf der da rumzicken nur ich nicht? Ich bin hier die Frau!“, hatte sie sich daraufhin beschwert und Tala einen bösen Blick zugeworfen.

Marvin war es ebenfalls aufgefallen, doch er war schlau genug, sich nicht mehr mit einer gereizten Frau anzulegen…

Luna schnitt gerade einen Kuchen zurecht, als die Tür aufging und ihr ein sehr bekanntes Gesicht entgegenkam.

„Hey!“, grinste sie locker, „wieder nüchtern?“

Riwahn starrte sie mit großen Augen an und versuchte ihr Gesicht zuzuordnen. Vergebens. Er schlenderte auf die Theke zu und fragte Luna, woher sie sich kannten.

„Du hast am Neujahrestag hier deinen Rausch ausgeschlafen...zumindest einen Teil davon.“

„Ich war hier?“, wiederholte er ungläubig.

„Ja.“

„Haben Sie...zufällig mein Portemonnaie gefunden?“

SIE? Luna traute ihren Ohren nicht! War das wirklich derselbe Typ von vor zwei Wochen? Kaum vorstellbar, jedoch liefen in der Stadt nicht viele junge Männer mit schulterlangen rötlichen Haaren und solchen Klamotten herum.

„Tatsächlich haben wir ein Portemonnaie gefunden, Riwahn.“

„Wieso nennen Sie mich so?“

„So hast du dich mir vor zwei Wochen vorgestellt. Riwahn. Den Nachnamen hast du vor lauter lallen nicht mehr richtig rausbekommen“, kicherte Luna.

„Ich heiße aber Adrian.“

„Hallo, Adrian!“, strahlte das Mädchen mit gespielter Euphorie, „leider haben wir nicht dein Portemonnaie gefunden.“

„Sicher?“

„Sicher.“

„Shit!“

In diesem Moment trat eine junge Frau ins Café und nahm gleich neben Adrian ihren Platz ein. Er wandte sich an sie und sprach in einer Fremdsprache, welche Luna nicht verstand. Die Frau hatte eine warme Filzmütze auf, dennoch konnte man darunter ihre dunkelroten Locken erkennen.

„Vielleicht hast du es ja auf dem Weg hierher verloren?“, erhob Luna wieder das Wort.

Die beiden Gäste sahen sie mit große Augen an, wobei der Kellnerin auffiel, dass beide dieselbe Augenfarbe hatten; graugrün.

Ihre gingen jedoch mehr ins grünliche und sie hatte auch definitiv ausgeprägtere Sommersprossen, er hatte gar keine.

Die junge Frau lachte kurz auf: „Klar! Weil der noch weiß, wo er alles saufen war!“

„Männer, was?“, entgegnete Luna.

„Da haben Sie Recht“, erwiderte die Frau, „und sie haben wirklich nicht sein Portemonnaie?“

„Leider heißt der Mann auf dem Ausweis anders und ist locker mal in den 40ern.“

„Merde...“, fauchte die junge Frau Adrian an, „nur wegen dir so einen Stress!“

„Ich habe dich nicht gebeten, mitzukommen!“, verteidigte er sich.

„Natürlich! Und Mutter lässt dich einen weiteren ganzen Tag durch eine Stadt irren, welche du nicht kennst! Ventouse!“

Adrian zog ihr gegenüber eine vielsagende Fratze, entgegnete jedoch nichts. Er fragte Luna nach dem Weg zu den Toiletten und verschwand.

„Sie...haben...“, begann Luna vorsichtig, „ihn echt gut im Griff...“

„Merci“, lächelte die Frau zurück, „bei so einem Trotzkopf muss man eine starke Hand haben.“

„Wie lange sind Sie schon zusammen?“

Die Frau sah Luna groß an, dann verstand sie, was die Kellnerin gerade gefragt hatte und lachte hell auf.

„Je suis sa sœur!“

Luna starrte sie an und sah hilflos in sämtliche Richtungen.

„Oh...Sie verstehen kein französisch?“

„Nein...“

„Tut mir aufrichtig leid!“, entschuldigte sich die Frau, „ich meinte, dass ich seine Schwester bin.“

„Sie ärmste!“

„Eigentlich ist er gar nicht so übel...aber ich denke, dass ich das als Familienmitglied über ihn sagen muss oder?“

„Möglich“, lächelte Luna immer noch hilflos.

„Ich bin übrigens Lucielle.“

„Luna.“

„Du bist von hier?“

„So gesehen ja...ihr aber nicht?“

„Oh non. Wir hatten über die Feiertage ein Familienfest hier in der Stadt und jetzt müssten wir eigentlich wieder in Frankreich sein...aber...wie du mitbekommen hast, sucht mein Bruder sein Portemonnaie!“

„Dabei dachte ich immer, dass Frauen für die Verspätungen verantwortlich sind“, lächelte Luna.

In diesem Moment kam Adrian wieder zurück und knöpfte sich seinen Mantel zu. Lucielle machte eine vielsagende Geste zu ihm, woraufhin er schon mal das Café verließ.

„Ich möchte mich für alle Unannehmlichkeiten, welche du mit ihm hattest entschuldigen.“

„Schon gut. War sogar irgendwie lustig.“

Die junge Frau verabschiedete sich und ging mit Adrian die Straße runter.

Luna sah ihr eine Weile nach, irgendeine Frage hatte ihr auf der Zunge gelegen und sie wusste nicht mehr welche…

Sie zuckte kurz mit den Schultern und ging ihrer Arbeit wieder nach.
 

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Später am Abend

„Kai…? Hast du kurz?“

Der Junge blickte von seinem Buch zu seiner Mitbewohnerin auf.

„Ich hatte heute im Café eine junge Französin und ihren Bruder...also...ich wollte fragen, ob du mir etwas übersetzen könntest?“

„Und das wäre?“

„Ich hoffe, dass ich es richtig wiederholen kann...“, überlegte Luna und versuchte sich an das Wort zu erinnern, „ventouse…?“

„Trottel.“

„WIE BITTE?“

„Deine Übersetzung“, entgegnete Kai monoton, „ventouse heißt Trottel...oder Idiot.“

„Ach so...danke.“

„Keine Ursache“, erwiderte er und widmete sich wieder seinem Buch.

„...und was heißt merde?“

„Scheiße.“

Luna hob erstaunt die Augenbraue: „Ihr Franzosen...ihr könnt fluchen was ihr wollt, doch es hört sich für mich immer total edel an!“

Er blickte erneut von seinem Buch auf und sie konnte ihren Augen nicht trauen! Lächelte Kai da gerade wirklich?!

„Was für Leute triffst du eigentlich?“, mischte sich jetzt auch Bryan ein, welcher auf dem Sofa gammelte, „neulich erst wieder deinen Ex und diesen Alkoholiker...jetzt eine fluchende Französin...“

„Oh du wirst es nicht glauben!“, kicherte Luna, „die fluchende Französin war Adrians Schwester!“

„Wer ist Adrian?“

„Der Alkoholiker...Riwahn.“

Jetzt hatte Luna Kais volle Aufmerksamkeit.

„Adrian und Lucielle waren bei dir?!“

„Oh? Du kennst die beiden?“

„Natürlich“, entgegnete der Junge, „sie sind beide vom Chevalier Clan.“

Jetzt fiel es Luna wie Schuppen von den Augen! Jetzt wusste sie auch wieder, was sie vorhin Lucielle fragen wollte!

„Alles...okay?“, erkundigte sich Kai bei seiner Mitbewohnerin, welche in der Gegend stierte.

„Ich...habe Mitglieder der Chevaliers auf offener Straße getroffen...voll cool!“

Kai zog seine Augenbrauen in der Mitte zusammen, da er nicht verstehen konnte, dass seine Mitbewohnerin sich darüber so freute. Als Luna die erste Welle der Euphorie überwunden hatte beugte sie sich weit über den Tisch, sodass Luna beinahe Nase an Nase mit Kai war.

„Dann kommen die beiden doch mit Mirka wieder oder?“

„Ja?“

„Wann ist das?“

„August.“

Lunas Augen leuchteten: „Kannst du mir bis dahin Französisch beibringen?!“

„Du bist doch eine Frau, Luna“, lachte Bryan auf dem Sofa, „müsstest du dann Französisch nicht perfekt beherrschen?“

Während sich Kai zu seinem Kollegen umdrehte, um ihn ungläubig anzusehen lächelte Luna müde.

„Ich habe dir schon mal gesagt, dass ich Französisch perfekt beherrsche, nur mit meiner Aussprache klappt‘s noch nicht.“

Kai wandte sich wieder an das Mädchen, welche nun dran war mit ungläubig ansehen. Luna blickte den Jungen hingegen genauso an.

„Jetzt sag bloß, dass du den Wink mit dem Zaunpfahl nicht kennst?“

„Doch...“, raunte Kai genervt, „und wenn du jetzt auch noch dieselbe Geste wie Mirka machst, dann ramm ich ihn dir bis zum Anschlag in den Hals!“

Bryan, Spencer und Luna starrten Kai an, während Tala mit weit offenem Mund ungläubig seine Illustrierte sinken ließ.

„Was?“

„Ich muss mich gerade zurückhalten, dass ich die Geste nicht mache“, gab Luna zu.

Jetzt wurde sie von den Blitzkrieg Boyz angestarrt. Doch anstatt vor Scham rot anzulaufen musste Luna kichern.

„Habt ihr eigentlich eine Ahnung davon, was Mädchen beziehungsweise Frauen für eine Nacht mit euch geben würden?“

„So langsam krieg ich eine Eingebung“, meinte Spencer und stumpte Kai in die Seite, „das ist deine Chance! Ich sag auch Mirka nichts!“

„Genau“, lachte Bryan, „dann hat sie wenigstens mal Abwechslung, falls ihr Tala zuwider wird.“

Schweigen.

Langes Schweigen.

Zu lange.

Luna ließ den Blick bedrohlich langsam von Bryan bis zu Tala schweifen, welcher ihren funkelnden Augen standhielt. Die Luft schien zu knistern, nein sogar schon zu funken, als Luna plötzlich ruckartig aufstand hielt jeder andere im Raum kurz die Luft an.

„Soviel dazu, dass wir es unter uns lassen“, raunte sie dem Rotschopf zu, „bist du jetzt happy, dass es jeder der hier Anwesenden weiß?“

Tala erwiderte nichts. Innerlich wünschte er sich, dass sie nicht gleich wild kreischend auf ihn losstürmte und ein Stück Fleisch aus seinem Hals biss.

„Ich erwarte eine Antwort, Iwanov“, forderte Luna.

Vorsichtig legte er seine Zeitschrift weg, stütze sein Kinn auf eine Hand, wobei er Luna niemals aus den Augen ließ. Er holte noch einmal tief Luft und blies es zittrig aus.

„Es reicht dir wahrscheinlich nicht, wenn ich dir sage, dass es mir leid tut?“

Luna starrte ihn ungläubig an: „Nicht im Geringsten...“

Tala rieb sich die Schläfen.

„Also?“

„Es tut mir VERDAMMT NOCH MAL LEID! OKAY?“, rief der Junge verzweifelt aus.

„Oh, jetzt tut es dir also verdammt noch mal leid...wir steigern uns, Tala!“

Spencer hob die Augenbrauen weit hoch und schnaufte tief ein, während Bryan und Kai erst gar nicht wagten, sich auf irgendeine Art zu regen.

„Was willst du von mir hören, Luna? Das sie es von Anfang an wussten? Das ich nie vorhatte mehr als Sex mit dir zu haben? Ja das ist alles wahr! Und? Ich bin auch nur ein Mensch!“

„Du bist ein Arsch!“

„Von mir aus! Trotzdem kann ich es nicht mehr ändern!“

„Ich kann es auch nicht ändern, dass ich weder Priss noch Rachel bin! Ich kann es auch nicht ändern, dass du nach diesen beiden Frauen anscheinend nicht mehr für eine feste Bindung fähig bist!“

Tala schnappte hastig nach Luft, und sprang schon fast von seinem Platz auf. Er war jetzt dran mit böse gucken, doch das schien Luna gar nicht zu interessieren, denn sie erwiderte diesen Ausdruck in seinen Augen problemlos.

„Die beiden haben GAR NICHTS damit zu tun!“

„Ach nein? Warum führst du dich dann immer gleich so auf, wenn ich ihre Namen sage? Oder ist es, weil ICH ihre Namen sage?“

„Mach dich nicht lächerlich“, warf plötzlich Kai in den Raum.

„Wer hat dich denn...“, begann Luna, doch Kai würgte sie ab.

„...es reicht jetzt! Es war seine Entscheidung und Punkt! Du hast auch schon Entscheidungen getroffen, die du jetzt bereust, oder?“

Luna schnaufte angestrengt durch die Nase, erwiderte jedoch nichts. Und so hatte Kai diesen Streit beendet.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Anfang März. Die letzten Wochen waren wie im Flug vergangen und alles hatte seinen ursprünglichen Lauf genommen. Die Blitzkrieg Boyz trainierten nun härter denn je für die Weltmeisterschaft, welche nur noch 4 Wochen hin war, während Luna sich voll und ganz auf ihren Job im Café konzentrierte. Mittlerweile hatten sich zwischen ihr und Tala die Wogen ebenfalls geglättet, auch wenn peinlich stilles Schweigen herrschte, falls die beiden alleine in einem Raum waren. Luna hatte inzwischen fast alle Piercings aus dem Gesicht entfernt, nur noch der kleine goldene Nasenring hatte überlebt. Auch sämtliche Ohrringe waren verschwunden und sie hatte sich dazu entschieden, ihre Tunnel wieder zusammen wachsen zu lassen. Ihre Haare hatten dank Tönungen viele Pastelltöne erlebt, während sie ordentlich an Länge gewonnen hatten. Sie gingen jetzt gerade so bis über die Ohren.

Kai hatte inzwischen seine Zwischenprüfung mit Bravour bestanden, während die Scheidung seiner Eltern ebenfalls offizielle geworden war. Bryan und Spencer hatten zusätzlich zu dem Trainingsstress eine neue Wohnung gefunden. Vier Zimmer, großes Wohnzimmer, zwei Bäder inklusive Gästetoilette...und Balkon! Bezahlbar war sie komischerweise auch, dafür hatte der Vermieter verlangt, dass die Blitzkrieg Boyz die Räume selbst renovieren.

„Aha...und mit Blitzkrieg Boyz meint ihr mich“, hatte Luna lachend von sich gegeben.

„Sorry“, entgegnete Spencer, „wir sind zu der Zeit leider nicht da...“

„Is schon okay...“, dann wird mir wenigstens nicht langweilig.

Seit dem hatte Luna sich sämtliche Tutorials übers streichen und tapezieren angesehen, damit sie, bis ihre Mitbewohner wieder im Lande waren ein gemütliches Nest schaffen konnte.
 

Der März war plötzlich ziemlich warm geworden, die Menschen liefen mittlerweile ohne Bedenken mit kurz- arm herum und verspeisten die ersten Eissorten des neuen Jahres. Überall begannen Bäume, Sträucher und Wiesen zu blühen, neue Pärchen fanden sich.

„Wir müssen vor der Meisterschaft noch mal ordentlich feiern gehen“, schlug Bryan vor, als die Jungs eines lauwarmen Frühlingstages im Wohnzimmer saßen. Spencer nahm gerade seinen BeyBlade auseinander, um jedes Teil generalüberholen zu können, Bryan zockte ein Egoshooter, Tala blätterte in einer Zeitschrift und Kai war gerade unter die Dusche gesprungen. Luna hatte Frühschicht und damit demnächst Feierabend.

„Das Wochenende davor hört sich doch gut an, oder?“, erwiderte Spencer und bearbeitete Seaborg mit einem Schraubenzieher.

„Vorher Kino?“

„Können wir.“

„Geil“, freute sich Bryan und hüpfte mit seinem Arsch auf der Couch herum, ohne sein Spiel aus den Augen zu lassen, „endlich wieder Muschies!“

„Du kannst auch in der Zwischenzeit Mädels flachlegen...du brauchst nicht jedes Mal damit warten, bis wir weggehen“, erwähnte Tala und blätterte um.

„Und wann?“, beschwerte sich Bryan, „Wir trainieren seit Wochen ununterbrochen durch, gehen heim, essen, duschen und schlafen! Ich hab Luna seit einer Woche nicht mehr gesehen und die wohnt zufällig mit uns zusammen!“

„Dann mach die Augen auf“, kicherte Spencer, „ich sehe sie jeden Tag.“

„Du Muddie machst ihr wahrscheinlich Frühstück und packst ihr Pausenbrot...“

„Nein...das hab ich anfangs für Kai machen wollen, doch er erwiderte meine Fürsorge nicht.“

„Mit gutem Grund!“, warf Hiwatari in die Runde und rubbelte gerade seine Haare trocken, „deine Kochkunst ließ damals zu wünschen übrig!“

„Mittlerweile bin ich besser“, grinste Spencer breit.

Plötzlich ertönte ein schrecklich schriller Handyton, welcher die Jungs allesamt zusammen zucken ließ.

„Wer ruft dich denn jetzt an?“, wollte Bryan wissen, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden.

„Unsere Kleine…vielleicht ist ihr was passiert?“, grübelte Spencer, „sie fährt doch seit neustem diesen Roller!“

„Weißt du eigentlich, dass du die perfekte Glucke wärst?“, grinste Tala und blätterte in seiner Zeitschrift.

Spencer ging an das Handy: „Hey Luna. Ist was passiert?“

„Nein“, kicherte sie, „ich hab nur grad Heißhunger auf einen Milchshake und wollte euch fragen, ob ihr auch einen wollt?“

„Warte ich frag mal…“, erwiderte Spencer und rief in die Runde, „Luna besorgt Milchshakes. Wollt ihr welche?“

„Wo geht sie die denn holen?“, fragte Tala und sah zum ersten Mal von der Illustrierten auf.

„Von welchem Laden wollen sie wissen.“

„Vom Sunday’s.“

„Sunday’s“, rief Spencer erneut in die Runde.

„Erdbeere.“

„Banane mit bunten Streuseln.“

„Maracuja Joghurt. Falls sie den nicht haben will ich Schoko!“

Spencer gab seine und die restlichen Bestellungen weiter und legte auf. Dann guckte er Kai fragend an und versuchte ein Grinsen zu unterdrücken: „Banane mit bunten Streuseln? Echt jetzt?“

„Die Streusel sind lecker“, verteidigte sich dieser und striff sich sein schwarzes Muskelshirt über.

„Wer bist du, und was hast du mit unserem wandelnden Eisklotz gemacht?“

Kai warf seinem Teamkollegen eine Grimasse zu, während Tala erneut auf sah und überlegte.

„Was ist denn? Bereust du gerade, dass du nicht auch Banane mit bunten Streuseln genommen hast?“, grinste Spencer, während er seinen Beyblade weiter zusammenbaute, „oder eine extra Portion Sahne.“

„Habt ihr manchmal auch das Gefühl, dass es uns allen wieder erheblich besser geht seit diesem Streit?“

„Inwiefern besser? Hättest du ihr etwas mehr Zuneigung gegeben, wäre dieser Streit niemals zustande gekommen“, lachte Bryan wild die Knöpfe seines Kontrollers drückend.

„…seit dieser Auseinandersetzung streiten wir uns viel weniger über Kleinigkeiten, dafür unternehmen wir viel mehr miteinander. Wir sind, finde ich zumindest erst jetzt ein richtiges Team!“

„Oh mein Gott!“, Bryan drückte den Pauseknopf und drehte sich auf dem Sofa zu seinem Teamkollegen um, „du willst damit sagen, dass du dich auf diesen Zoff gefreut hast, oder?“

Kai und Spencer warfen ihrem Teamchef ebenfalls einen fragenden Blick zu.

„Nein! Nicht auf diese Weise!“, wehrte Tala ab.

„Auf welche dann?“, fragte Spencer und hob eine Augenbraue.

Tala hielt inne und überlegte erneut.

„Wahrscheinlich hätte ich ihr doch mehr Aufmerksamkeit widmen sollen...“

„Wahrscheinlich auf die Art und Weise: hier sind geschmolzene Schokolade und eine Augenbinde…aber leck nicht alles auf einmal ab“, imitierte Bryan mit übertrieben hoher Stimme.

Tala rieb sich die Stirn und seufzte: „Nein…“

„Oder doch ehr: ich habe keinen sauberen Löffel mehr, also musst du den Joghurt von meinem Bauch ablecken?“

„Jetzt im Ernst Kai?! Seit wann hast du solche Gedanken?“, wollte der Rotschopf überrascht wissen.

„Ich wusste gar nicht, dass er zu solchen Gedanken fähig ist!“, beschwerte sich Bryan vom Sofa aus.

„Ich bin unterzuckert!“, wehrte Kai ab, „außerdem bin ich doch auch nur ein Mann!“

„Ohne Scheiß“, lachte Spencer und klopfte ein paar Mal mit der flachen Hand auf die Tischplatte, „du solltest öfters unterzuckert sein!“

„Genau das meinte ich!“, warf Tala in die Runde, „hättet ihr jemals gedacht, dass wir uns so gut verstehen? Normalerweise hätte Kai nie so etwas gesagt, sondern geschwiegen wie immer!“

„Unterzuckert!!“, wiederholte Kai.

„Wenn Luna und du damals zusammen gekommen wärt, dann hätten wir das hier schon viel früher haben können“, beschwerte sich Spencer.

„Hättest du wirklich von mir verlangt, mich in diese Position zu zwingen?“

„Nein...aber...wir hätten es anders lösen können!“

Tala nickte Spencer zu. Es wäre alles so viel einfacher gewesen...

In diesem Moment ging die Wohnungstür auf und Luna schlüpfte hinein.

„Hey Jungs!“, grinste sie breit und stellte eine große Papiertüte auf dem Tisch gleich neben Talas Zeitschrift ab, „ähm…Moment…ah! Erdbeere? Hier. Creamy Coconut? Hier, Spencer. Sorry…aber die hatten keinen Maracuja Joghurt mehr, Bryan…und Banane mit bunten Streuseln.“

Kai nahm seinen Shake entgegen, drehte den Deckel ab, tunkte einen Finger in die Sahne mit den Streuseln und steckte sich diesen genüsslich in den Mund.

„Mach das noch mal“, bat Tala.

„Wieso?“

„Weil du das so toll gemacht hast, dass sogar ich jetzt rattig bin.“

Kai hielt ihm seinen Becher unter die Nase, so dass Tala die Sahnekrone mit ihren vielen kleinen bunten Kügelchen sehen konnte.

„Der Himmel auf Erden“, erwiderte Kai und schaufelte sich erneut Sahne mit dem Finger in den Mund.

„Alter…das ist besser als jeder Softporno, den ich je gesehen habe!“, lachte Tala schallend.

„Ich habe den Kerl, der mich bedient hat gesagt, er soll extra viele Streusel drauf machen“, grinste Luna und nahm einen kräftigen Schluck ihres Getränks.

Kai sah sie mit diesem für ihn typischen Blick an, welchen man weder als gut noch schlecht deuten konnte, bevor er sich an die drei Jungs wandte und drohte: „Wenn einer von euch sie rausekelt oder rausschmeißt, der kriegt’s mit mir zu tun!“

Luna guckte leicht irritiert in die Runde.

„Er will damit sagen, dass er dich mag“, grinste Spencer.

„Aw…“

Das Mädchen machte den Ansatz, um Kai zu umarmen, als dieser einen Schritt zur Seite wich.

„Na, na, na! Wir wollen es nicht gleich übertreiben?“, kicherte Tala.

„Du kannst einem den Teppich hervorragend unter den Füßen wegziehen weißt du das?“, beschwerte sich das Mädchen.

„Was meinst du wohl? Du sprichst mit dem Meister der Perfektion…“, gab Bryan mürrisch von sich, während Kai schon fast gierig seinen Shake trank. Luna setzte sich und zog spielerisch einen Schmollmund, als ihr ein kleiner Zettel auf der Unterseite ihres Bechers auffiel.

„Oh…“, gab sie überrascht von sich.

„Hm? Die Rechnung?“

„Nein…die liegt in der Tüte…“

Sie riss vorsichtig den Zettel ab, entfaltete ihn und las die darauf geschriebenen Zeilen.

„Und?“, fragte Spencer neugierig.

„Hey kleiner Käfer. Falls du irgendwann das Hühnchen-Mango Sandwich nicht mehr essen kannst habe ich hier eine original deutsche Bockwurst für dich parat. Wenn du also Lust auf ein total neues Geschmackserlebnis haben solltest, du weißt ja, wo du mich findest. Louis.“

Bryan sah Luna mit zusammen gezogenen Brauen an, Tala machte zu Kai eine vielsagende Geste und Spencer hatte Mühe, sich nicht an seinem Milchshake zu verschlucken.

„Ich glaube, ich soll das süß finden, oder?“, fragte das Mädchen in die Runde.

„Ne Liebeserklärung würde sogar ich besser hinkriegen…“, raunte Kai und kratzte die letzten Reste der Sahne aus seinem Becher.

„Nimm ihn den Becher ab!“, befahl Spencer und blickte Bryan ernst an.

„Wieso denn das?“, hinterfragte Luna.

„Er wird schon wieder unwiderstehlich!“

„Wer ist denn Louis?“, fragte Tala und versuchte sein Interesse zu verbergen.

„Der wo mich in dem Laden immer bedient.“

Luna schmiss den Zettel in die Papiertüte zurück und trank ihren Milchshake.

„Wie jetzt? Kein Anruf?“

„Seine Nummer steht doch gar nicht drauf.“

„Er möchte, dass sie noch mal in den Laden kommt, du Genie…“, gab Kai monoton von sich und rieb seinen Bauch.

„Im Ernst jetzt, Bryan! Nimm ihn den Becher ab!“

„Der ist leer…“

„Na toll. Und wie lange dauert es, bis du wieder einmal unterzuckert bist?“

„Bis ich den nächsten Drang nach was Süßem habe…“

„Und wann soll das sein? Nenn mir eine Zeitspanne!“, forderte Spencer.

„Das war das erste Mal seit er bei uns wohnt, dass ich gesehen habe wie er überhaupt etwas Süßes isst!“, schmollte Tala und hob beide Augenbrauen, „das war’s dann wohl mit der schönen Zeit…“
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Später am selben Abend zog ich Luna tatsächlich noch mal ihre Schuhe an und warf sich ihre Jacke über. Sie versuchte sich so leise wie nur möglich zu verhalten...vergebens.

„Du gehst wirklich zu dieser Bockwurst?“, erkundigte sich Tala, welcher plötzlich im Türrahmen der Küche stand.

Luna lächelte ihn mit einer gewissen Schärfe an, blieb jedoch freundlich.

„Ja...ich möchte mich wenigstens für die netten Worte bedanken.“

„‘Bedanken‘?“

„Tala...willst du mir etwas bestimmtes sagen?“

„Nein“, log er.

„Na dann“, grinste sie, „bis später.“
 

Im Sunday‘s waren nur noch vereinzelt Gäste anwesend. Wenigsten musste Luna so nicht aufpassen, wie laut sie sprach.

„Hallo, willkommen im Sunday‘s“, begrüßte sie der junge Mann an der Kasse, „waren Sie heute nicht schon mal hier?“

„Ich kann einfach nicht genug von eurem geilen Zeug bekommen“, grinste das Mädchen.

„Das ist der Zucker“, erwiderte er und nickte lachend, „Hünchen- Mango Sandwich...richtig?“

„Morgen wieder. Jetzt bin ich eigentlich nur hier, um mich bei dir für die netten Worte in meiner Bestellungen zu bedanken.“

Louis setzte ein zuckersüßes Lächeln auf, wahrscheinlich sogar das schönste was er in Reserve hatte.

„...allerdings...“, fügte Luna hinzu, „der Teil mit der originalen deutschen Bockwurst war total überflüssig.“

„Oh...sorry.“

„Ich hätte auch so mal mit dir einen Kaffee getrunken“, lächelte Luna.

„Echt jetzt?“

„Äh...ja? Oder willst du doch nicht mehr?“

„Nein, nein, nein! Ich habe nur nicht damit gerechnet, dass ein süßes Mädel wie du single ist!“

„Ja...ich und Beziehungen...“

„Wirklich? So anstrengend siehst du gar nicht aus“, lobte Louis sie.

„Danke. Also wann hast du Schicht?“

„Gleich“, lächelte er erneut.

„Okay“, lächelte Luna zurück, „dann bis gleich.“
 

Eine viertel Stunde später schlenderte Louis mit zwei Kaffeebechern auf die Parkbank zu, auf der Luna schon saß.

„Cappuccino?“

„Danke.“

„Also...erzähl mir von dir“, bat er.

„Hm...ich heiße Luna. Bin 21...aber nicht mehr lange, nur noch knapp zwei Wochen“, kicherte sie, „ich bin momentan Kellnerin im Café am Marktplatz. Oh, ja! Ich wohne in einer 5er WG!“

„Wow.“

„Mit 4 Jungs.“

„WOW!“

„Schlimm?“, erkundigte sie sich.

„Naja...auf jeden Fall nicht alltäglich“, gab Louis zu, „auf der anderen Seite, weiß ich spätestens jetzt, dass du dich bei Männern durchsetzen kannst!“

„Kann man so sagen.“

„Hast du eine gute Beziehung zu deinen Mitbewohnern?“

„Wir hatten vor einiger Zeit einen heftigen Streit...doch jetzt geht’s wieder.“

„Zoff in WGs sind scheiße. Ich habe auch mal in einer gewohnt...“

Luna nahm einen kräftigen Schluck und nickte zu Louis.

„Ich bin 25. Wohne gerade alleine. Ich arbeite hier im Sunday‘s, aber das weißt du ja schon.“

„Und wie arbeitest du morgen?“

„Frei“, prahlte Louis.

„Arsch“, kicherte Luna, „ich hab Frühschicht.“

„Passt doch! Dann hol ich dich von der Arbeit, wir gehen brunchen und sehen wohin der Tag uns führt?“

„Sicher?“

„Klar wieso nicht?“

„O...okay“, stimmte Luna zu, „12.30 Uhr habe ich aus.“

„Ich werde da sein“, versicherte Louis mit einem Zwinkern.
 

Sie gab sich wirklich die größte Mühe, die Wohnungstür so leise wie nur möglich aufzuschließen. Dennoch stand Tala hinter ihr, als Luna die Tür wieder schloss.

„Daddy“, raunte sie nach hinten, „bin wieder daha!“

„Hattest du Spaß, ja?“

„Ich habe einen gratis Cappuccino bekommen.“

„Trinkst du nicht lieber Milchkaffee?“

„Weiß er noch nicht.“

„Noch nicht.“

„Genau“, grinste Luna und schlich auf leisen Sohlen Richtung ihres Zimmers, „gute Nacht!“

„W...warte!“

„Was?“

„Kann ich mit reinkommen?“

Luna musste sich die Hand vor den Mund pressen, um nicht laut loszulachen.

„Jetzt? Jetzt, wo mich ein anderer Kerl anbaggert, Tala das war mir so klar!“

Sie schloss ihre Türe hinter sich, ohne ihn noch einmal anzusehen.

Kapitel 11

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 12

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 13

Als es plötzlich an seiner Tür klopfte schreckte Tala kurz hoch, hielt jedoch in seiner Bewegung inne, als er bemerkte, dass Luna auf seiner linken Brust lag und genüsslich vor sich hingurrte. Verzweifelt ließ er sich wieder ins Kissen fallen und starrte an die Decke, bevor er „herein!“ brummte.

„Du weißt, dass ich dich ungern störe“, begann Spencer, „aber dieser Louis steht vor der Tür...“

„Oh shit!“, fauchte Luna plötzlich und sprang aus dem Bett, bemerkte nicht, dass sie nackt war.

Erst als Spencer sich die Hand vor die Augen schlug und Tala ein gehässiges Kichern nicht mehr unterdrücken konnte viel ihr das Delämmer auf.

„Scheiße! Wo sind meine Klamotten?“

„In deinem Zimmer“, grinste Tala und streckte sich genüsslich.

„Was?“

„Ich verarsch dich nicht!“

Luna seufzte tief und klopfte an die Zimmertür, damit Spencer sie öffnete. Sie legte einen Arm über ihre Brüste, die noch freie Hand über ihren Schambereich und trippelte über den Flur. Tala lachte erneut auf, Spencer hielt sich wieder die Augen zu, da sie bei jedem Schritt „shit, shit, shit, shit!“ rief.

Keine fünf Minuten später öffnete Luna ihrem Freund die Tür, ihre Haare standen in sämtliche Richtungen und getrocknete Spucke klebte ihr am Mundwinkel.

„Hey!“, grüßte sie, „wo warst du gestern Abend? Ich hab dich gesucht!“

„Sorry, Babe! Ich hab den totalen Filmriss!“, entschuldigte sich Louis und trat ein.

„So was aber auch!“

Sie hätte nie gedacht, dass sie Bryans Abfülltechnik mal loben würde.

„Na? Was ist das denn?“, erkundigte sich der Junge und deutete an Lunas Hals, „eigentlich bin ich nicht der Typ, welcher Knutschflecken macht…“

Luna starrte im Augenwinkel ohne eine weitere Miene zu verziehen zu Tala, welcher gerade aus seinem Zimmer ins Bad gehen wollte.

„Tja!“, klatschte das Mädchen in die Hände, „gestern Abend hast du‘s aber gemacht!“

„Echt?“

„Alkohol! Er ändert uns alle! Willst du verreisen?“

Louis hatte eine Sporttasche bei sich und grinste.

„Nein. Ich wollte mit dir in die Therme. Hab ich dir das nicht gesagt?“

„Achso!“

„Ja. Dann ist es anscheinend doch eine Überraschung!“

„Ähm...aber...wir...also die Jungs fliegen morgen früh...und wir wollten heute Abend noch mal essen gehen!“

„Bis heute Abend bist du längst wieder da!“, versprach Louis, „wir haben erst halb 12.“

„Und da klingelt der schon?“, knörte Bryan und kam mit einer weiblichen Begleitung aus seinem Zimmer, „man! Ich wollte noch weiter schlafen!“

Die Frau huschte wortlos und wie ein Schatten aus der Wohnung. Louis sah ihr kurz hinterher, wandte sich an Tala und fragte ihn, wo seine Bettwärmerin denn wäre. Luna und Tala drehte es den Magen um, doch Louis grinste.

„Man! So was fragt ein Gentleman doch nicht! Sorry...mein Fehler!“

„Ich glaub ich muss kotzen“, stöhnte Luna und hielt sich am Türrahmen fest.

„Ach komm! So schlimm?“

„Ich MUSS wirklich kotzen!“

Mit diesen Worten entfernte sie sich ins Badezimmer.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Luna saß wie ein Schluck Wasser in der Kurve auf dem Stuhl der Empfangshalle, während Louis immer noch versuchte sein Auto rückwärts einzuparken. Das Mädchen stützte ihren Kopf angestrengt auf die Handfläche, versuchte die pochenden Schmerzen ihrer Schläfen zu ignorieren.

„Park doch vorwärts ein“, hatte sie ihm vorgeschlagen, nachdem der dritte Anlauf bereits missglückt war.

„Ich will aber rückwärts!“

„Dann schlag anders ein...“

„Ich kann das...“, hatte Louis genervt gebrummt.

Durch das ständige Geruckel und Gepolter im Auto war dem Mädchen noch mehr unwohl geworden, sodass sie lieber aussteigen und im Eingangsbereich warten wollte.

Als Louis nach zehn Minuten immer noch nicht wieder erschienen war, entschied sie, dass es an der Zeit wäre, eine gemütlich zu rauchen. Zum Glück hatte ihr Tala ein paar seiner Zigaretten eingepackt.

„Nichts ist während einem Kater besser, als ein paar zu rauchen und faul rumzuliegen. Nachdem du ja in die Therme gehst, hast du denke ich mal nicht so viel Aktion“, hatte der Rotschopf gegrinst.

Als Luna bereits bei den Letzten Zügen war stampfte Louis ziemlich frustriert an ihr vorbei. Er sah sie mit der Zigarette und schien sich wieder an die Diskussion von gestern Abend zu erinnern.

„Stimmt ja...“, murmelte er, „da war was...“

„Doch keinen kompletten Filmriss“, lächelte sie herausfordernd, „stehst du mittlerweile rückwärts in der Parklücke oder blockierst du den halben Parkplatz?“

„Weil du es besser gekonnt hättest?!“

„Gib mir den Autoschlüssel und ich zeig es dir!“

„Nein! Wir gehen jetzt in die Therme.“

Mit erhobenen Augenbrauen warf sie ihre Kippe weg, trat ein paar mal gefrustet darauf und folgte ihrem Begleiter. Im Eingangsbereich stierte Louis auf die Angebotstafel und erkundigte sich, ob sie auch ein Tagesticket für die Sauna wollten.

„Rentiert sich für uns ein Tagesticket überhaupt? Wir haben schon 13 Uhr und ich muss spätestens wieder bis 18 zu Hause sein...“

„Stimmt ja, du gehst an deinem Geburtstag mit deinen Mitbewohnern essen, weil die ja auf Meisterschaft fahren.“

„Zufällig bist du ebenfalls ein großer Fan der Blitzkrieg Boys...kann es sein, dass du dezent eifersüchtig bist?“

„Nein!“

„Neiiiiiiiiiin...Überhaupt nicht!“, kicherte Luna gehässig und gab dem Jungen einen Klaps auf die Schulter.

Louis warf seiner weiblichen Begleitung einen vielsagenden Blick zu, wand sich schließlich an die Verkäuferin und bestellte zwei Tageskarten ohne Saunazugang. Luna war gerade dabei ihren Geldbeutel zu suchen, als der junge Mann abwinkte.

Louis reichte der Verkäuferin das Geld und zwinkerte Luna neckisch zu: „Ich zahl heute für mein Geburtstagskind.“

„Oh, die junge Dame hat Geburtstag?“, fragte die Frau hinterm Tresen.

„Ja heute“, meinte Luna wie in Trance.

„Dann gibt es von uns noch als Special eine Flasche Sekt Ihrer Wahl!“

Beim Wort Sekt wurde Luna wieder speiübel. Schnell schnappte sie sich ihre Tasche mit den Badeklamotten und ging zu den Umkleiden.

„Nehmen wir uns eine zusammen?“

„Ich brauch Platz zum umziehen“, erwiderte das Mädchen knapp und schloss hinter sich die Tür.

Das hätte sie jetzt noch gebrauchen können...Louis mit seinem Mundgeruch Kopf an Kopf in der engen Umkleide gleich neben ihr! Allein der Gedanke ließ Luna würgen.

„Alles in Ordnung, Babe?“, erkundigte sich Louis in der Kabine gleich hinter ihr, „du hörst dich nicht gut an!“

„Das...das...puh...das sind die Nachwehen...“

„Ohje du Ärmste...ich kann dir im Becken gleich den Rücken massieren!“

Das war zu viel für sie! Der bloße Gedanke an die ihr bevorstehende Situation ließ Lunas Körper dazu hinreißen, eine mittelgroße Menge Verdautes zu entbehren.

„B...Babe?“

„Mo...mo...moment...wüüüürg...“

„Du hörst dich aber überhaupt nicht gut an...“

„Was du...nicht...sagst...“

„Ich bin fertig mit umziehen“, prahlte Louis vor Lunas Kabinentür, „wie lange brauchst du denn noch?“

„Uiuiui“, lallte Luna dezent und ging aus ihrer Kabine, „hab ich einen hocken...“

Louis legte einen Arm um sie und hauchte ihr ins Ohr: „Keine Angst, Babe...ich pass schon auf dich auf, dass du mir nicht hinfällst!“

„Ohje...“, murmelte das Mädchen, als es bemerkte, wie ihr der Mageninhalt die Speiseröhre emporkroch, „ich muss kotzen!“

„Schon wieder?“, erkundigte sich Louis erstaunt, während Luna sich aus seinem Griff wand und Richtung Toilette eilte, eine Hand vor den Mund gepresst.

Als das Mädchen wieder zurück kam wollte Louis ihr einen „Willkommens-Kuss“ geben, doch sie lehnte dankend ab.

„Ich würde gerne erst was trinken...du weißt schon...gegen...“

„Ja Mundgeruch is echt ekelhaft“, stimmte Louis ihr zu, „komm! Ich kauf dir ne Cola.“

Luna starrte ihm ungläubig nach. Was hat er da gerade gesagt? Riecht der sich selber nicht?!

Das Mädchen ging in den Außenbereich und zündete sich gereizt eine Kippe an, während ihr Begleiter das Trinken holte.

„Arsch...“, murmelte sie.

Für einen kurzen Augenblick, als sie gerade den blauen Rauch ausblies überlegte sie ernsthaft, ob und wie schnell sie verduften konnte. Zu Hause würde Louis von den Jungs schon aufgehalten werden, damit sie in Ruhe ihren noch vorhandenen Rausch ausschlafen könnte.

„Wäre echt eine Überlegung wert...“, raunte sie sich selbst zu.

Dann erblickte sie das fast menschenleere Schwimmbad. Dadurch, dass gerade der Rummel und auch noch ein Zirkus in der Stadt waren, hatten sie das Hallenband fast für sich allein! Wann würde das nur wieder vorkommen?

„Naja...könnte schlimmer sein.“

„Hier“, strahlte Louis über beide Backen, als er Luna die Coladose überreichte, „trink langsam. Nicht, dass du dich wieder übergeben musst...“

„Wieso hast du nichts? Hast doch auch ordentlich gebechert!“

Louis grinste breit: „Schon...aber irgendwie warst du...naja...da hast du ordentlich geleuchtet!“

Luna hielt inne und erinnerte sich an den heißen Sex auf den Discothekentoiletten, welchen sie gestern Nacht mit Tala gehabt hatte. Sie blickte zu Louis und versuchte so unschuldig wie nur möglich zu grinsen.

„Ich hab jemanden von früher getroffen...wir haben angestoßen...“

„Is doch kein Problem! Es war deine Geburtstagsfeier! Da musst du mir doch keine Rechenschaften leisten.“

Wenn du wüsstest…,dachte sich das Mädchen und nippte an der Cola. Sie war immer noch viel zu betrunken, um jetzt so was wie Reue spüren zu können. Verdammt, wie war sie bloß die Treppen in die Wohnung hochgekommen?

„Wo willst du als erstes rein steigen? Whirlpool, Thermobecken?“

In mein Bett…, schwärmte das Mädchen innerlich, alle Lichter aus, Rollo runter und nichts hören und sehen…

„Thermobecken...die Wäre hilft beim Entspannen...“, schlug Luna schließlich vor.

Das Wasser fühlte sich genial an, wie als stiege sie gerade in eine riesige heiße Badewanne. Mit anderen Menschen drin, aber eine riesige Badewanne!

„Ah...“, stöhnte sie entspannt, als sich Luna an den Beckenrand lehnte und den Kopf weit in den Nacken legte, „mehr brauch ich heute nicht mehr...“

„Tut gut, nicht wahr?“, schwärmte Louis mit ihr.

„Allerdings...“, murmelte sie zustimmend und drehte den Kopf leicht weg.

Waren ihm die Lutschpastillen ausgegangen oder was?

„Soll ich dich ein wenig massieren?“, schlug Louis engagiert vor.

Die Idee wäre eigentlich nicht mal so schlecht, zumindest solange, bis er ihr nicht wieder ins Ohr flüstern würde…

„Na gut...aber nicht zu feste, ja?“

„Ich bin ganz sanft zu dir...“, kicherte er gedämpft und begann damit, ihre Schultern leicht zu massieren.

Nur sehr langsam konnte sich Luna an die Massage gewöhnen, da sie immer mit der Angst lebte, dass der Kerl ihr gleich irgendetwas sagen wollen würde. Doch anscheinend genoss Louis das Massieren mehr, als es Luna eigentlich müsste, und somit begann auch sie sich immer mehr zu entspannen. Hier und dort rief mal ein kleines Kind nach seiner Mama, oder ein älteres Ehepaar schwamm gemütlich an ihnen vorbei, als Luna plötzlich etwas an einer sehr ungewohnten Stelle berührte. Sie zuckte heftig zusammen und verkrampfte, bis ihr Louis kichernd erzählte, dass er das gewesen war.

„Hier sind wir nicht allein...“, raunte Luna und nickte der Badeaufsicht freundlich zu.

„Ja aber fast“, widersprach der Junge und berührte sie erneut an besagter Stelle.

„Das ist nicht dein Ernst!“, flüsterte Luna angeregt, doch da war er schon mit einem Finger in sie eingedrungen.

„Du hast gestern Abend so geil getanzt und mich so scharf auf dich gemacht...“, stöhnte Louis ihr ins Ohr und knabberte daran, „so geil, dass ich nicht mehr warten kann!“

Noch bevor Luna irgendetwas erwidern konnte drückte er sich leicht gegen den Beckenrand, hob ihre Beine an, Höschen zur Seite und drin war er.

„Auauauauauauau...“, zischte sie, „weißt du denn nicht, dass das Chlorwasser...“

„Doch, weiß ich!“, grunzte Louis, „aber ich konnte nicht mehr warten!“

Er kuschelte sich an ihren Rücken, so wie die Unschuld in Person, nur damit keiner mitbekam, wie er Lunas Nippel mit seinen Fingern bearbeitete und langsam sein Becken bewegte. Das Mädchen versuchte sich irgendwo festzuhalten, fand jedoch nichts was effektiv genug war. Mit einem Mal wurde Louis immer schneller mit seinen Bewegungen und grunzte und stöhnte ziemlich gut hörbar, während Luna einfach nur hoffte, dass es bald vorbei war. Da kniete sich auch schon ein Mann in Sandalen neben sie und schob seine Sonnenbrille von der Nase. Erst nachdem er sich zum dritten Mal geräuspert hatte bemerkte Louis ihn und hielt inne.

„Was...genau glaubt ihr tut ihr da?“

Oh Gott!, schrie Luna innerlich, das ist mir so peinlich!

„Wärt ihr so gütig, und würdet gehen?“

„WAS?“

„Jetzt!“, befahl der Bademeister und zeigte mit seinem Daumen auf die Tür.

Noch bevor Louis realisierte, was gerade genau passiert war, stemmte sich Luna aus dem Becken, richtete sich wieder die Hose und schlenderte Richtung Umkleide.

„So...peinlich!“, fauchte sie und kruschte in ihrer Tasche nach dem Handy, „bitte schlaf nicht mehr...“

„Hallo?“, ertönte eine Stimme am anderen Ende der Leitung, „sehnst du dich so sehr nach mir, dass du jetzt schon anrufst?“

„Wenigstens bist du wach...kannst du mich bitte holen?“

„Doch so schlimm?“

„Erzähl ich dir später, Tala...“, seufzte Luna, „ich bin gerade erst aus dem Wasser. Wäre so in 10 Minuten am Supermarkt...“

„Alles klar!“
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Tala blickte das Mädchen verunsichert aus dem Auto heraus an. Sie hatte sich nicht umgezogen, sondern ihre Alltagsklamotten einfach über die nassen Badesachen drüber, die sich jetzt deutlich abzeichnete.

„Ich liebe es, wenn ihr Mädels weiße Oberteile anhabt“, kicherte er, nachdem sie eingestiegen war.

Luna warf Tala einen vielsagenden Blick zu, schnallte sich an und verschränkte die Arme über der Brust.

„Oh...ist da jemand schüchtern?“

„Ich müsste vorher noch mal in die Notfallapotheke...wenn es dir nichts ausmachen würde...“

Jetzt guckte er sie ernsthaft verunsichert an.

„Hat er dir wehgetan?“, brummte der Rotschopf plötzlich, als er Louis die Straße entlangfahren sah.

„Nein...ist wegen der Übelkeit...und dem Kater...und den Schmerzen.“

„...welchen Schmerzen? Hast du dich verletzt?“

„Frauenprobleme“, grinste Luna den Jungen breit an, „willst du wirklich, dass ich darauf näher eingehe?“

Für den Bruchteil einer Sekunde entglitt Tala kurz sein Gesicht, dann nickte er zustimmend und fuhr los.

„Falls es dir nichts ausmacht, könntest du bitte nicht an die Apotheke an der Hauptstraße fahren?“

„Die ist aber näher...außerdem hab ich noch ein paar Sachen zu erledigen...“

„Okay“, zuckte Luna mit den Schultern.

„Soll ich...mit rein gehen?“, erkundigte er sich unsicher.

Luna lachte kurz auf und tätschelte beruhigend seine Hand, welche gerade auf dem Schaltknauf ruhte.

„Ich hole mir Schmerztabletten gegen Regelbeschwerden...und nicht die Pille für danach!“

Tala holte zum Protestieren kurz Luft, entschied sich allerdings doch dagegen. Nachdem er vor der Notfallapotheke geparkt hatte und Luna schon Anstalten machte auszusteigen, wandte sie sich noch einmal zu ihm um.

„Ich könnte dich allerdings auch normal fragen, ob du nicht Lust hättest, mich zu begleiten?“

Er unterbrach sich beim Strecken und blickte seine Mitbewohnerin verwirrt an.

„Na komm! Du hast dich mir eben noch selbst aufgedrängt!“, kicherte Luna und nickte Tala zu.

Nachdem er sein Auto abgeschlossen hatte schlenderten sie gemütlich über den Parkplatz nebeneinander her. Als Luna allerdings nicht zu Grinsen aufhören konnte legte Tala den Arm um ihren Nacken und zog sie an sich heran.

„Du verbirgst doch irgendwas vor mir?“

„Möglich?“, grinste sie noch mehr.

„Falls du mir ein Abschiedsgeschenk gekauft hast, schlag es dir gleich aus dem Kopf!“, mahnte er sie.

„Du denkst in die völlig falsche Richtung, Tala. Wenn ich richtig liege, dann wirst du mich hassen, wenn wir wieder zum Auto zurück gehen.“

Der Junge starrte sie ungläubig an, nahm den Arm von ihrer Schulter und zog die Augenbrauen verwirrt zusammen. Luna grinste ihn nur noch breiter an und trat mir Tala durch die Glastür in die Apotheke ein. Der Verkäufer sah kurz von seiner Illustrierten auf, erblickte das Mädchen und räusperte sich.

„Hast du dich erinnert, dass es mich auch noch gibt?“, fragte er sie herausfordernd.

„Ich wollte eigentlich nicht direkt hier her...“, gestand Luna und lehnte sich gegen den Tresen, „aber ich wollte meinen Mitbewohner nicht durch die ganze Stadt jagen, nur um mir ein paar Sachen zu besorgen...“

Der Mann ließ seine Augen zu Tala wandern, sah ihn fragend an, bevor er wieder zu ihr blickte.

„Mitbewohner?“, wiederholte der Mann.

Tala und Luna nickten stumm.

„Nennt ihr Kids eure Bettgesellschaften heutzutage so?“

„Ähm...entschuldigung?“, hinterfragte der Rotschopf gereizt.

„Naja“, seufzte der Apotheker niedergeschlagen, „wenigstens hast du dir diesmal einen geangelt, der dich dazu gebracht hat, das ganze Metall aus dem Gesicht zu nehmen. Außerdem kommt er mir bekannt vor…?“

Luna grinste über beide Ohren hinweg: „Tala Iwanov, dass ist Edgar Sternlieb. Edgar Sternlieb, dass ist Tala Iwanov.“

Plötzlich fiel es dem Jungen wie Schuppen von den Augen, er stemmte eine Hand in die Hüfte und sah das Mädchen ungläubig an. Sie wiederum lächelte wie die Unschuld vom Land.

„Du wolltest nicht zu einer anderen Apotheke fahren“, erinnerte sie ihn.

„War Sternlieb nicht...dein Nachname?“

„Allerdings.“

„Also ist das da…?“

„Ich bin ihr biologischer Vater“, ergänzte Edgar Talas Satz.

„Oh...“, gab der Junge unbeholfen von sich, „ich...ich wusste...nicht…!“

„Keine Angst, du bist der Erste, den ich angezogen kennengelernt habe.“

Peinliche Stille. Während Luna sich hinter die Theke begab und sich ihre Medikamente zusammen suchte versuchten Tala und Edgar sich aus dem Weg zu gehen.

„Oh!“, gab ihr Vater plötzlich von sich, „jetzt weiß ich auch wieder woher du mir bekannt vorkommst!“

Tala blickte desinteressiert zu dem Mann, welcher die Zeitschrift hochhob und auf einen Artikel zeigte, welcher über ihn und sein restliches Team ging.

„Ja...“, stöhnte der Rotschopf, „so was gibt es über mich...“

Edgar überflog vor ihm den Artikel und hob ab und zog anerkennend die Augenbrauen nach oben.

„Du bist also Russe?“

„Aye...“

„Und wie lange läuft das schon zwischen euch beiden?“

„Wir sind nicht zusammen...in...der Hinsicht...“

„Oh stimmt ja! Du bist ‚nur‘ ihr Mitbewohner.“

„Ja.“

Edgar schüttelte den Kopf und faselte irgendwas von alt genug und muss wissen was sie tut.

„Sie...halten nicht viel von Ihrer Tochter?“

Die beiden Männer warfen sich einen vielsagenden Blick zu, in der Zwischenzeit kam Luna wieder nach vorne.

„Mensch...man könnte fast meinen, dass hier sei die Tiefkühlabteilung!“, bemerkte sie und blickte zwischen den beiden hin und her, „alles...in Ordnung?“

„Ihr wolltet gerade gehen“, entschied Lunas Vater bestimmend, „ich gehe stark davon aus, dass du dir die Medikamente wieder so mitnimmst?“

„Zur Abwechslung wollte ich mal bezahlen...“

„Hast wohl wieder von deiner Mutter Geld geschnorrt. Sie hat dir ja immer was gegeben.“

„Ich verdiene mittlerweile mein eigenes Geld...und falls es dich interessieren sollte, Mama hat mich vor knapp einem Jahr rausgeschmissen.“

Edgar nickte abwesend und machte eine Handbewegung, dass die beiden endlich gehen sollen.

„DAS war dein Vater?“, erkundigte sich der Rotschopf fassungslos und stieg ins Auto ein.

„Ja...er muss erst mit jemanden warm werden, bevor er freundlich ist. Außerdem...hatten wir eine Menge Stress miteinander...ein Wunder, dass er überhaupt mit mir gesprochen hat...“

Tala schüttelte ungläubig den Kopf und fuhr die beiden nach Hause.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„...und lass keine Fremden zu dir in die Wohnung! Am besten, du schließt jeden Abend die Tür ab, wenn du nicht mehr raus gehst!“, zählte Spencer an einer Hand ab, während die Blitzkrieg Boys mit ihren ganzen Koffern und Luna zum Schalter gingen. Das Mädchen würde nach dem Abschied wieder mit Talas Auto zurück fahren, würde Spencer nicht seit 15 Minuten alles rauszögern.

„Ich habe die Liste gelesen, welche du mir geschrieben hast“, belächelte das Mädchen die Situation, „die Anträge auf Wohngeldunterstützung der BBA habt ihr abgeschickt?“

Die Blitzkrieg Boys nickten, dann wandten sie sich zum Flieger um.

„...und die neue Wohnung muss eine Küche haben!“

„Ja...“

„Und mindestens zwei Bäder!“

„Jaha.“

„Und du passt gut auf dich auf!“

„Mach ich.“

„Jungs haben wir auch alles?“, richtete sich der Riese an seine Teamkollegen.

„Zum fünften Mal: JA!“

„Spencer unser Flug geht gleich...mach es nicht noch schlimmer, als es eh schon ist!“

Der Riese seufzte tief und stieg nervös von einem Fuß auf den anderen: „Ihr wisst doch wie ich fliegen hasse!“

Luna belächelte den sonst ach so taffen Jungen, welcher vor Muskelmasse nur so strotzte und jetzt so einen Aufstand machte.

„Oh ich kann so was nicht!“, fluchte er plötzlich, „scheiße!“

„Ihr kommt ja wieder...es ist kein Abschied auf ewig“, rief ihnen das Mädchen hinterher, „ihr rockt das Ding!“

„Auf jeden!“, prahlte Bryan stolz, „die anderen haben gar keine Chance!“

„Das wollte ich hören! Dafür streich ich dein Zimmer auch in einem extra zartem Rosaton!“, kicherte Luna.

„Ja klar...WAS? NEIN!“

Das Mädchen winkte ihnen noch so lange hinterher, bis die Blitzkrieg Boys allesamt ins Flugzeug gestiegen waren, dann eilte sie zum Auto und fuhr ein Stück weit. Am nächstbesten Rastplatz blieb sie stehen und winkte wie wild dem Flugzeug, welches geradewegs auf sie zuflog. Es hatte das Teamlogo der Blitzkrieg Boys auf beiden Seiten und dem Heckflügel.

Selbst als der Flieger nur noch als kleiner Punkt am Nachthimmel zu sehen war winkte Luna ihm noch hinterher.

Wieder in der Wohnung angekommen war es ruhig...viel zu ruhig! Luna setzte sich als allererstes auf die Couch und blickte sich um. Kein Tala, welcher in irgendeiner Zeitschrift blätterte, weder Bryan noch Spencer, die neben ihr auf der Couch saßen und TV mit ihr guckten. Kein Kai, der auf seine eigene Art immer irgendwie anwesend war…

Luna schnaufte ein paar Mal tief durch, fuhr sich mit der Hand durch die Haare und stellte unerfreulich fest, dass sie die Tränen nicht weiter unterdrücken konnte.
 

„Okay...“, stöhnte das Mädchen nach einer halben Stunde Heulattacke, „ich habe nur noch knapp sieben Stunden, bis ich arbeiten muss...und zirka drei Monate um einen Umzug für fünf Personen zu planen...ich schaff das schon...irgendwie...Übermorgen um 18 Uhr kommt die erste Liveübertragung der Beyblademeisterschaft...“

Sie trat auf den Flur und sah nach links und nach rechts. In welchem Zimmer sollte sie nur anfangen zu packen? Jeder von den Blitzkrieg Boys hatte ihr eine Liste dagelassen, was sie auf jeden Fall mitnehmen und was weggeschmissen werden konnte.

„Okay. Machen wir es der Reihe nach...das heißt zuerst Bryans Zimmer!“

Sie öffnete die Tür und schloss sie sofort wieder.

„Was zum…?!“

Langsam öffnete sie wieder die Tür und spitzte durch einen kleine Spalt hinein. Ein absolut perfektes Chaos eröffnete sich ihren Augen. Klamotten, diverses Geschirr, Bücher, Werkzeug und undefinierbares Zeug lag quer über den kompletten Boden verteilt.

„Wie? Wie schafft man das?!“

Schnell eilte sie zum Fenster und riss es weit auf. Dieses Zimmer würde sie als letztes machen! Als nächstes kam Spencers Raum.

„Das ist kein Raum! Das ist eine Besenkammer!“, staunte sie mit weit offenen Augen, „wie hat er das Bett hier nur reinbekommen?“

Luna betrachtete Spencers Bett genauer, bevor sie widerwillig noch ein letztes Mal an diesem Tag in Bryans Zimmer ging. Tatsache.

„Die schlafen auf blanken Matratzen?!“

Sofort guckte das Mädchen in Kais Zimmer. Dort stand ein Bett. Ein ziemlich wackliges Bett. Sie erinnerte sich daran, dass Tala auch ein Bett besaß, worauf sie sehr unangenehm geschlafen hatte. Ein kurzer prüfender Blick erklärte auch warum: die Matratze war mehr als durch gelegen, der Lattenrost war mehrfach wieder geflickt worden.

„Ohje...“, bemitleidete Luna ihre Mitbewohner, „das ist ja furchtbar!“

Genau in diesem Moment klingelte es an der Wohnungstür. Zögernd öffnete sie diese und erblickte Louis.

„Hi!“, grüßte er zögerlich, „ich wollte mich für gestern entschuldigen...“

Er reichte Luna einen kleinen Blumenstrauß und eine Schachtel Schokolade. Sie belächelte beides und ließ den Jungen eintreten.

„Du kommst mir fast wie gerufen“, bemerkte Luna, „ich bin gerade dabei für den Umzug zu packen. Ich könnte Hilfe gebrauchen!“

„Habt ihr schon eine neue Bude gefunden? Das ging aber schnell!“, staunte Louis.

„Ähem...nein haben wir noch nicht...“

„Und dann willst du schon packen? Hopp auf! Pc an und suchen!“

Während der Laptop von Luna hochfuhr machte das Mädchen den beiden einen Kaffee und trug im Geiste ein letztes Mal die Eckdaten zusammen, welche die Wohnung haben sollte.

„Wir brauchen auf jeden Fall eine große Bude. 5-6 Zimmer, Balkon, mindestens zwei Bäder und eine Einbauküche.“

„Das ist halt immer der Nachteil, wenn man mit so vielen Personen zusammen wohnt...“

„Soll heißen?“

Louis guckte Luna vielsagend an: „Du könntest ein paar von deinen Sachen und deinen sexy Arsch erst mal bei mir parken.“

Das Mädchen starrte ihn ungläubig an, bis es bemerkte, dass frischer Kaffee doch ziemlich heiß sein kann.

„Ah...heiß!“, fauchte sie und schüttelte die Hand.

„Also?“

„Ich kenne dich doch kaum!“, lachte sie hilflos.

„Dann lern mich kennen! Ich habe eine zwei Zimmer Wohnung, wir hätten genug Platz für uns beide!“

„Ach Louis...“

„Vor allem: du musst alleine für die Blitzkrieg Boys eine neue Wohnung finden und einen kompletten Umzug organisieren!“

„Weil ich es ihnen angeboten habe!“, entgegnete Luna fest, „ich habe es Tala und den anderen versprochen, dass ich mich darum kümmern werde.“

„Streiten wir uns nicht“, bat Louis und deutete auf den Bildschirm, „die Seite hat geladen.“

Immer wieder nippten beide an ihrem Kaffee und durchstöberten diverse Wohnungsannouncen.

„Die hier wär doch was!“

„Louis...“

„Ja?“

„Wir brauchen 5 Zimmer...“, wiederholte Luna und tippte genervt mit den Fingernägeln auf der Tischplatte.

Der Junge seufzte niedergeschlagen und gab in die Suchleiste eine 5 ein. Sofort verminderten sich die Wohnungen von 17 auf nur noch 3.

„Shit...“

„Willst du sie nochmal anrufen und fragen, ob sich die Blitzkrieg Boys die Schlafzimmer teilen können?“

„Die erschlagen mich alle!“

„Ist aber schon ein großer Unterschied...von 17 auf 5 Wohnungen...“

„Was bieten die denn an...“

„Zwei mal Miete und einmal Kauf.“

„Zeig die Mietobjekte.“

„Die gemütliche Dachgeschosswohnung verfügt über sehr viele kleine Räume. Das Wohnzimmer und ein Schlafzimmer sind größer, weitere 4 Räume klein gehalten.

Erstbezug nach Komplettsanierung...und: die Wohnung wurde gerade renoviert, Elektrik, Fenster, Bad und Böden sind neu. 750 kalt.“

„Bilder?“

„Hier...“

Louis klickte sich langsam durch die Anzeige.

„Ohje! Da hat jedes Zimmer einen anderen Boden!“, lachte Luna auf.

„Ja aber das werden alte Bilder sein...da oben steht doch wurde alles neu gemacht!“

„Steht da auch irgendwo, was die Bude warm kostet?“

„Ähm...vollständige Mietpreise und Kostenaufschläge erfahren sie während der Besichtigung oder bei uns im Büro.“

„Zeig mir mal die zweite Mietwohnung...“

„Großzügiger Wohntraum in der Innenstadt auf ca. 150 qm Wohnfläche“, begann Louis vorzulesen.

„Wow...klingt riesig!“, staunte das Mädchen und nippte am Kaffee.

„Dieses wunderschöne Mehrfamilienhaus wurde ca. 1930 erbaut und 2010 kernsaniert.“

„Ja. Klingt immer noch interessant!“

„Auf einer großzügigen Wohnfläche von ca. 150 qm und durchweg hochwertiger Ausstattung gibt diese Wohnung dem Mieter das Gefühl in einer herrschaftlichen Villa zu wohnen.“

„Ein bisschen Luxus darf sich jeder gönnen!“

„Die Böden sind in Eichenparkett gehalten und die Bäder hochwertig ausgestattet. Die Wohnung teilt sich folgendermaßen auf...“

Luna überflog die Aufteilung und verglich sie mit dem Bild des Grundrisses.

„Cool! Zwei komplett ausgestattete Badezimmer und noch zusätzlich ein Gäste WC! Ein großer Abstellraum...Balkon, zwei Parkplätze, welche zusätzlich dazu gemietet werden können. Boah das Wohnzimmer ist ja riesig! Siehst du die Fenster?!“

„Das ist eine Altbauwohnung, die haben meistens solche Fenster und ziemlich hohe Decken.“

„...dafür hat sie aber auch nur drei offizielle Schlafzimmer...hier steht zwar, dass die restlichen Räume ebenfalls als Schlafraum verwendet werden kann...aber guck mal wie klein die im Vergleich sind!“

„Allerdings. Da müsstest du im Vorfeld ausknobeln wer welches Zimmer bekommt!“

„Die Wohnung kann ab sofort bezogen werden...1300 Euro KALT?“

Luna starrte Louis ungläubig an.

„Hast du es denn nicht gelesen? Innenstadt, hochwertige Ausstattung...“

Das Mädchen fuhr sich stöhnend durch die Haare und starrte an die Decke. Sie hätten wenigstens schon mal eine Wohnung mit ihr suchen können…

„Die restlichen Objekte sind nur noch zum Kauf...“, gestand Louis.

„Hast du erwähnt.“

„Und jetzt?“

„Jetzt?“, wiederholte sie und stand auf, „jetzt trink ich erst mal einen Schnaps!“

Kapitel 14

Heute war es endlich soweit! Heute in weniger als drei Stunden würden die Beyblademeisterschaften eröffnet werden und Luna würde es live im Fernsehn mitbekommen! Seit sie heute morgen aufgestanden war stieg mit jeder vergangenen Stunde die Aufregung an, das Kribbeln wurde mehr und ihre Stimme auch immer quietschiger.

„Hey Luna! An Tisch 4 sitzt dein letzter Kunde für heute, dann kannst du Feierabend machen“, verkündete Marvin hinter dem Tresen.

„Alles klar!“, jauchzte das Mädchen übermütig, tänzelte zu besagtem Tisch und stoppte augenblicklich.

Der Kunde, welcher ihr letzter für heute sein sollte...es verschlug ihr restlos den Atem und mit einem Mal war ihre ganze Vorfreude verflogen.

„Vater...“, murmelte sie.

Edgar stützte sein Kinn auf die Faust und begutachtete seine Tochter von oben bis unten. Schließlich nickte er zustimmend.

„Als du letztens behauptet hattest, dass du endlich einen Job ausführend würdest, dachte ich zuerst es wäre eine deiner ständigen Lügen. Aber siehe da! Meine Tochter arbeitet tatsächlich!“

„Ja...“

„Hab ich dich jetzt wirklich überrascht?“

„Ja...“

„Komm. Setzt dich für ein paar Minuten...bitte.“

Edgar zeigte auf den Platz neben sich und Luna ließ sich dort nieder.

„Zuerst wollte ich mich für mein Verhalten entschuldigen“, begann Edgar verlegen und knetete seine Hände durch, „ich war nur so überrascht, dass du plötzlich wieder vor mir gestanden hast, und dann ist alles von früher wieder hochgekommen...“

„Ich bin ja auch nicht unschuldig an der ganzen Sache. Ich habe dir viele Dinge gesagt, die nicht hätten sein müssen...“

„Wie geht es dir? Hast du noch Kontakt zu Eric?“

„Umzugsstress und nein.“

Edgar seufzte.

„Willst du denn gar nichts mehr von ihm wissen?“

„Was kann ich dir bringen? Kaffee? Tee? Wir haben selbstgemachte Limonade!“

Ihr Vater verstand und gab seine Bestellung auf.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„Passt noch wie angegossen!“, scherzte Tala, schloss die letzte Schnalle seiner Jacke und betrachtete sich im Spiegel.

„Hast in letzter Zeit wohl zu viel gefuttert, wenn dir das Angst bereitet hat“, erwiderte Kai und füllte das letzte Dreieck mit blauer Farbe aus.

Der Rotschopf sah ihn genervt an und zog sich seine Handschule über. Bryan und Spencer waren mit umziehen schon fertig gewesen und guckten seit einer Weile über die Monitore in ihrer Umkleide, ob es etwas neues gab.

„Und?“, erkundigte sich Tala, als auch er und Kai dazustießen.

„Nein...die machen die Gruppierung wirklich erst auf die letzten Minuten…“, brummte Spencer.

„Die halten uns hin! Ich will endlich anfangen!“

„Bald Bryan“, beruhigte Tala ihn, „wir sind alle aufgeregt...“

In diesem Moment schaltete sich der Bildschirm von selbst um und Mr. Dickenson erschien, um seine Begrüßungsrede zu halten. Er wünschte allen Teilnehmern viel Spaß und Erfolg und hoffte auf faire Matches. Mit Beendung der Rede wurden die Umkleiden aufgeschlossen und die Teams konnten nach Aufruf ihres Namens in die Halle treten.

„Bereit?“, fragte Tala und blickte in die Runde seines Teams.

Spencer, Kai und Bryan nickten ihm entschlossen entgegen.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„Ah!“, kreischte Luna aufgebracht und schmiss beinahe das Popcorn von der Couch, „da sind sie!!“

Gerade waren alle 6 Teams vorgestellt worden, die an der Meisterschaft teilnehmen würden. Als die Blitzkrieg Boys an der Reihe waren hatte Luna sämtliche Kissen durch das Wohnzimmer geschmissen.

„Yay!“, hatte sie gerufen, „das sind meine Jungs!“

Von draußen riefen irgendwelche Nachbarn, dass sie nicht so rumschreien sollte, worauf Luna im selben Ton erwiderte, dass sie sich nicht so anzustellen brauchten. Gespannt schaufelte sie sich Popcorn in sich rein, während zu jedem Team und ihren Blades diverse Informationen gesagt wurden. Zehn Minuten später erfuhr Luna auch schon, dass Talas Team gleich nach den BBA und White Tiger X kämpfen würde, also erst in ca. einer halben Stunde.

„Und was mach ich jetzt bis dahin?“, seufzte sie tief und blickte sich im Wohnzimmer um.

Aufräumen? Nee…

Die Kissen vielleicht wieder aufheben? Nee...spätestens wenn die Blitzkrieg Boys an der Reihe mit kämpfen wären, würde das Mädchen die Kissen wieder schmeißen.

Luna schnappte sich ihr Handy und fing wie wild an zu tippen:
 

Hey Jungs <3

ich habe euch gerade im TV gesehen und ihr saht so bedrohlich aus!

Ich freue mich schon auf euer erstes Match!

Haut rein!
 

Luna
 

„Plötzlich die Eilmeldung. Die BBA, welche dieses Jahr als Favorit vieler Fans angekündigt wurde hat soeben gegen die White Tiger X verloren! Es ist ein riesiger Schock für alle, auch die restlichen Teams können diese Tragödie kaum fassen!“, sprach die Nachrichtenfrau auf einmal durch den Fernseher.

Luna fiel beinahe das Handy aus der Hand und sie starrte irritiert auf den Bildschirm. Wie?! Die BBA war mit Tyson dem amtierenden Weltmeister eines der gefährlichsten Teams überhaupt und jetzt hatte er so schnell verloren?

„HA! HAHA! HAHAHAHAHAHA! Die gewinnen mit Leichtigkeit!“, rief Luna laut und tanzte durchs Zimmer.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Tala und Kai starrten den Flachbildfernseher in ihrer Umkleide ungläubig an, dann sich gegenseitig.

„Was...war...das?!“

Bryan verfiel in lautes gehässiges Gelächter, während Spencer eine vielsagende Geste machte.

„Das kann nach so was ja nur einfach werden!“, fügte er seiner Bewegung hinzu.

„Da stimmt was nicht...“, murmelte Tala und stand auf und tippte mit dem Zeigefinger ein paar Mal auf Tysons Standbild, „dieser Kerl ist zweimaliger Weltmeister! Der verliert nicht so haushoch!“

„Vielleicht hatte er einen schlechten Tag?“, schlug Spencer vor, „dass kann jedem mal passieren.“

„Oder er hat nicht so wie wir trainiert! Jeden Tag! Von frühs bis spät in den Abend!“, lachte Bryan triumphierend.

„Oder aber...dein Teamwechsel hat ihn zu sehr aus der Bahn geworfen...“

Tala warf Kai einen vielsagenden Blick zu, der Junge erwiderte ihn, sagte jedoch nichts dazu.

„Natürlich! Tyson war sich viel zu sicher, dass Kai in seinem Team mit ihm an seiner Seite kämpfen wird! Jetzt ist er sein Gegner.“

„...und?“

„Da wäre ich auch verunsichert!“

„Wärst du?“, lächelte Kai selbstgefällig und sah zu Tala auf.

„Du bist einer der stärksten Blader, die ich kenne...und wenn es um so etwas wichtiges wie die Meisterschaft gehen würde, dann ja! Dann wäre ich verunsichert, wenn ich dich als Gegner wüsste.“

Kai lächelte noch stärker: „Wärst du wirklich ‚nur‘ verunsichert?“

„Unterschätze mich nicht...“, mahnte der Rotschopf seinen Teamkollegen.

Kais Blicke, welche er Tala jetzt zuwarf sagten viel. Wahrscheinlich schon zu viel…
 

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Nur noch wenige Augenblicke, bis die Blitzkrieg Boys ihr erstes Match in der Meisterschaft haben würden. Luna saß wie angeklebt auf der Couch und starrte gebannt auf den flimmernden Bildschirm, als ihr Handy vibrierte. Blitzschnell guckte sie drauf, ob es vielleicht doch Tala wäre, welcher kurz vor seinem ersten Match noch einmal ihre Stimme hören wollte.

„Oh! Louis!“, fauchte das Mädchen, „du blockierst die Leitung!“

„Ich weiß“, kicherte er, „nur ganz kurz: ich habe noch ein paar Wohnungen für euch gefunden, die müsstest du allerdings alle renovieren und bis spätestens Mittwoch bescheid gegeben haben!“

„Danke du bist der beste!“

„Die Nummern von den Maklern schick ich dir noch rüber!“

„Jo!“

Sie legte genau im richtigen Moment auf, denn gerade jetzt sagte der Moderator die Blitzkrieg Boys an. Die Kamera machte von jedem Spieler Nahaufnahmen und Luna legte verwundert den Kopf schief.

„Sieht Tala...verändert aus?“

Seine Augen, nein , sein ganzer Körper strahlte plötzlich eine ganz andere Aura als sonst aus. Aggressiver…?

Hochnäsiger…?

Arroganter…?

Das war auf keinen Fall derselbe Tala Iwanov, mit dem sie Sex gehabt hatte. Dieser hier war ihr schon fast unheimlich, keinesfalls sympathisch. War vielleicht etwas in den letzten zwei Tagen zwischen den Jungs vorgefallen?

Sofort zückte sie wieder ihr Handy.
 

Hey Tala.

Was war denn mit dir los?

Hast so grantig in die Kamera geguckt!
 

Luna
 

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Natürlich hatten die Blitzkrieg Boys ihr Match gewonnen. Sogar mit Leichtigkeit. Nach dem Kampf waren Interviews gegeben worden und Tala hatte aufgehört zu zählen, wie oft er gefragt wurde, warum Kai Hiwatari plötzlich in seinem Team war. Schon beim ausgiebigen Abendessen fielen ihm die Augen zu, auch die Zeitverschiebung machte dem Jungen noch sehr zu schaffen. Jetzt lag er frisch geduscht auf seinem Bett und blickte stumm auf die Zimmerdecke. Das Licht hatte Tala schon lange ausgemacht, die Straßenlaternen und Autos, welche immer wieder vorbeifuhren spendeten genügend Licht. Beine und Arme von sich gestreckt atmete der Russe in tiefen Zügen, während er den Tag noch einmal Revue passieren ließ.

„Hm…?“

Auf seinem Nachttisch blinkte und vibrierte es und der Junge wälzte sich nach anfänglichem Zögern auf die Seite, um danach zu greifen. Er las die erste Mail und musste feststellen, wie sein Herz einen megasprung vollführte und sein Magen sich plötzlich so komisch anfühlte. Tala griff sich an die Brust, während er die zweite Nachricht durchlas und nachdem er die dritte gelesen hatte legte sich der junge Russe auf den Bauch und schmunzelte. Diese Mail las sich Tala solange durch, bis er endlich eingeschlafen war.
 

Ich bin so stolz auf dich!

Mach weiter so.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„...und wie Sie hier sehen können, ist das Badezimmer mintgrün gefliest worden“, strahlte der Makler und riss förmlich die Türe auf.

Luna konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, während die restlichen Interessenten sie groß anstarrten. Sie winkte entschuldigend ab und versuchte einen weiteren Blick in dieses Badezimmer zu vermeiden. Das Mädchen richtete ihre Handtasche neu und schlenderte noch einmal in die Küche, welche zwar möbliert war, dennoch mit Sachen aus dem frühsten 19. Jahrhundert…

Auch die Wohnräume sahen nicht wirklich besser aus, von den Zimmern ganz zu schweigen.

Luna seufzte und verließ die Besichtigung frühzeitig, um noch schnell einen Kaffee to go zu holen, bevor sie sich die nächste Bude ansehen würde. Ein schneller Blick auf ihr Handy verriet, dass die Blitzkrieg Boys für diese Woche kein offenes Match mehr haben würden, jedoch Donnerstag Nacht nach Rom weiter fliegen.

„Ah...ich liebe Rom!“, schrieb sie zurück, „tankt für mich ein bisschen Sonne!“

Sofort kam eine Antwort mit einem Sonnenbrillensmily: „Ich werde es ausrichten.“

„Voll cool! Wisst ihr schon, wohin es sonst noch geht?“

„Klar. Aber wenn ich dir das jetzt schreibe erschlägst du mich!“

„Bestimmt nicht!“

„Trau schon dir...“

„Versprochen!“

„Rom, Madrid, Ägypten, Australien und wieder Japan.“

Luna blieb abrupt stehen, da sie ihren Augen nicht trauen konnte. Anstatt weiter zu schreiben tippte das Mädchen auf das Hörersymbol und hielt sich ihr Handy ans Ohr, bevor sie einen kräftigen Schluck ihres noch viel zu heißen Kaffees nahm.

„...ich wusste doch, dass du sauer sein würdest“, begrüßte sie Tala am anderen Ende.

„Sauer?! Ihr Russen seit doch die Kälte gewohnt! Ihr vertragt soviel Hitze doch gar nicht!“

„Naja...vielleicht bekommen wir dann auch endlich ein wenig Farbe“, kicherte Tala.

„Australien“, schwärmte Luna und blickte zum Himmel, „fang mir ein Quokka!“

„Ein Koala?“, berichtigte er sie.

„Nein. Du hast schon richtig gehört Quokka. Ich schreibs dir später noch mal.“

„Alles klar. Ich muss jetzt aufhören...die wollen irgendwas von mir wissen...Reporter...“

„Ich beneide dich kein bisschen. Bis dann!“
 

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Niedergeschlagen bließ Luna die Luft zwischen zusammengepressten Lippen hervor, als Marvin sie fragte, wie es denn mit der Wohnungssuche voranging.

„Lass den Kopf nicht hängen...du suchst doch erst seit dieser Woche.“

„Ja. Schon. Aber ich muss in drei Monaten alles erledigt haben!“

„Das klappt schon...übrigens dein Vater ist wieder da.“

Erneut seufzte Luna und schlenderte zu Edgar.

„Wir machen da jetzt so eine Gewohnheit draus?“, fragte sie und nahm auf dem Stuhl platz, welchen er ihr bereithielt.

„Wieso denn nicht? Dein Chef scheint nichts dagegen zu haben“, entgegnete der Mann und winkte Marvin freundlich zu.

„Nein noch nicht“, grinste Luna übertrieben und winkte Marvin ebenfalls, „was ist unser heutiges Thema?“

„Ich habe gehört, dass du und deine Mitbewohner eine neue Bleibe sucht...wie läuft es denn so?“

„Spricht sich so was hier rum?“

„Euer jetziger Vermieter ist ein ehemaliger Schulkollege...“, lächelte Edgar traurig.

„Gut zu wissen. Ja wir suchen eine neue Wohnung und ja es läuft beschissen, das kannst du deinem Kumpel gerne mitteilen!“

„Werd ich machen...“, grinste Lunas Vater.

„Die Blitzkrieg Boys sind gerade erst auf die Meisterschaft gefahren und ich kriege nicht mal einen Umzug hin...“

„Ein Umzug für mehrere Personen ist alleine auch kaum zu schaffen. Von wie vielen Personen reden wir hier eigentlich?“

„Fünf.“

„Fünf? Du wohnst mit vier weiteren Personen zusammen, ohne das bisher schon einer verstorben ist?“

„Es sind vier Männer und wir haben auch unsere Differenzen...und so schlagfreudig wie damals bin ich nicht mehr...“

„Vier Männer?“, wiederholte ihr Vater und seine Augen weiteten sich, „hast du mittlerweile was gegen Frauen?“

„Es sind die Blitzkrieg Boys! Falls du dich daran erinnerst, mit deren Poster hatte ich mein Zimmer bei dir tapeziert!“

„Mit dämmert da was...und dieser rothaarige? Er behauptete, dass er nicht dein fester Freund sei.“

„Nein...Tala ist auch nicht mein fester...Freund...“, gestand Luna leicht deprimiert, „mein aktueller Freund heißt Louis.“

„Luna und Louis?“

„Ähem...ich such mir die Namen nicht aus.“

„Nein. Aber die Typen zu diesen Namen.“

„Wolltest du nicht mit dir über die Wohnungssuche reden? Oder soll ich dir deine Rühreier gleich bringen?“

„Luna...auch wenn wir über zwei Jahre lang Funkstille hatte bist du immer noch meine Tochter. Ich möchte dir helfen!“
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„Hier sehen Sie das großzügig geschnittene Wohnzimmer. Die Aussicht ist wirklich atemberaubend!“, ratterte die Maklerin ihren Text runter.

„Ja...das war die Miete auch“, kommentierte Edgar und lugte noch einmal ins Gäste WC.

„Was erwarten Sie auch von einer Immobilie, welche sich unmittelbar in der Innenstadt befindet?“

„Es muss ja nicht die direkte Innenstadt sein“, bemerkte Luna und schloss die Zimmertür, „es kann auch außerhalb liegen...wir sind mobil, haben Auto und Motorrad.“

„Fährst du?“, erkundigte sich ihr Vater, während die Maklerin etwas in ihrer Broschüre prüfte.

„Nein. Tala fährt es. Ich darf das Auto haben, wenn ich es zwei Tage vorher sage.“

„Hättest du nicht gerne ein eigenes?“

„Nicht übertreiben“, winkte sie grinsend ab, „ich hab schon eingewilligt, dass du bei der Wohnungssuche mitmischen darfst und ich bin normal gegen Vitamin B allergisch.“

„Ich habe noch ein Objekt gefunden“, verkündete die Frau, „zehn Minuten mit dem Auto von hier. Allerdings nur 4 Zimmer und stark renovierungsbedürftig, dafür zwei vollausgestattete Bäder, Gästetoilette, private Stellplätze...und sehr weit unter Ihrem Budget.“

„Fahren wir!“, forderte Edgar die Frauen auf.

„Wieso Budget?“, wiederholte Luna, als sie etwas Abstand zwischen sich und der Maklerin gelassen hatten.

„Eine Wohnung in dieser Größe findest du in der heutigen Zeit nicht mehr zum mieten.“

„Wir können uns aber keine Wohnung kaufen!“

„Wieso?“

„Geld?“

„Sagen wir es mal so...ihr könntet es in Form von Mietzahlungen an mich zurück geben.“

„Das ist nun wirklich zu viel des Guten!“

„Gucken wir sie uns doch erst mal an...vielleicht ist sie ja optimal?“
 

Die Wohnung war mehr als optimal. Der Schnitt, der Grundriss...Luna kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Als sie jedoch Böden, Wände und Einrichtung genauer betrachtete wurde ihr schlecht.

„Das hier ist die reinste Bruchbude...das kann man doch nie und nimmer mit renovieren wieder gutmachen?!“

„Vom Eigentümer werden gerade die Elektrik und Wasserleitungen erneuert. Deshalb erstickt man hier beinahe im Chaos und aus diesem Grund fehlen auch die Badezimmereinrichtungen.“

„Es wird vom Eigentümer alles erneuert?“

„Ganz genau.“

„Und wo ist dann der Haken, dass diese Immobilie weit unter meinem Budget sein soll?“

„Diese Wohnung hier liegt in einem Viertel, wo früher sehr viele Fabrikarbeiter aus dem ganzen Land zusammen gewohnt haben. In Wohnungen wie dieser hier brachte man in den späten 30ern bis zu 15 Männer unter, deshalb sind die Räumen auch so groß geschnitten. Nach der Wirtschaftskrise wurden die Fabriken geschlossen und viele solcher Wohnungen verkamen, weil sich seit dem nur noch kleine Familien hier niedergelassen haben. Und der Eigentümer möchte keine Studenten als Mieter haben. Sie sind doch alle arbeitstätig, oder?“

„Ja.“

„Dann sollten sie meiner Meinung nach keine Probleme haben diese Wohnung zu bekommen.“

Luna schlenderte noch einmal durch alle Räume. Sie überlegte, ob sie dem Eigentümer gleich sagen sollte, dass ihre Mitbewohner die Blitzkrieg Boys waren und somit eventuell ihre guten Chancen auf diese Wohnung verspielte. Oder sie schwieg einfach und es würde hier genauso enden wie in der momentanen Unterkunft. Auf der anderen Seite…

„Es ist ziemlich ruhig hier...“, bemerkte Luna, als sie die Maklerin im selbem Raum bemerkte.

„Allerdings. Die Häuser stehen auch weiter auseinander, als in den anderen vierteln. Sie hätten somit auch weniger Kontakt mit den Nachbarn, falls das ein Problem sein sollte.“

„Nicht direkt. Meine Mitbewohner...sie...sie schätzen die Ruhe.“

„In einer 5er Wohngemeinschaft? Ruhe? Meine Tochter wohnt in einer 3er und dort herrscht das wahre Chaos!“

Luna grinste zustimmend: „Wir haben unsere Phasen, ja. Aber überwiegend...genießen sie ihre Ruhe.“

„...dann werdet ihr hier alle auf eure Kosten kommen. Gleich um die Ecke ist ein schöner großer Park mit See und mit dem Bus ist man innerhalb weniger Minuten in der Innenstadt.“

„Kaum zu fassen!“, schwärmte Lunas Vater, „und? Was sagst du?“

„Ich würde sie sofort nehmen“, gestand seine Tochter, „aber ein Objekt kaufen stand überhaupt nichts zur Debatte...“

Edgar wandte sich an die Marklerin, welche jedoch nur unwissend mit den Schultern zuckte.

„Würden Sie sich bitte beim Eigentümer informieren, ob er dieses Objekt eventuell doch zur Miete freigeben würde?“

„Fragen kostet ja nichts...“, überlegte die Frau und machte sich Notizen, „Sie würden das Objekt nehmen?“

„Zur Miete ja.“

„Auch zum Kauf...“

„Vater!“

Edgar winkte seiner Tochter ab, erinnerte jedoch die Maklerin daran, dass sie wegen Miete fragen sollte.
 

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Tala bemerkte Kai erst gar nicht, als er angespannt in den Fitnessraum trat um sich etwas Luft zu machen. Gerade erst vor knapp einer Stunde war bekannt gemacht worden, dass die BBA Revolution gegen die Blitzkrieg Boys antreten würden. Das Adrenalin rauschte nur so durch seinen Körper, so dass Tala keinen weiteren Moment mehr hätte sitzen bleiben können.

„Ich bin nur noch 5 Minuten an den Hanteln“, ließ Tala plötzlich heftig zusammen zucken.

Er starrte Kai mit großen Augen an, brachte vor lauter Aufregung jedoch keinen Mucks heraus. Sein Teamkollege erwiderte seinen Blick, musste allerdings Schmunzeln.

„Ich wusste ja schon immer, dass du in meiner Gegenwart schwächelst...aber ich mach dich sprachlos hätte ich nie gedacht.“

„Bist du nicht auch bis in jede Faser angespannt?“

„Schon.“

„Du kannst mir nicht sagen, dass du das allein mit Hanteltraining bewältigen wirst?“

„Nein ich gehe gleich noch auf die Bank.“

„DAS? DAS ist ALLES?“

„Nicht ganz“, lächelte Kai, warf die Hanteln auf den Boden und trat neben seinen Teamchef, „ich war vorher noch ein paar Bahnen schwimmen. Aber das brauch ich dir ja nicht anbieten.“

Der Rotschopf warf ihm einen vielsagenden Blick zu.

„...denn du kannst ja nicht schwimmen!“

„Nett, dass du mich daran erinnerst, Kai.“

„Gern geschehen.“
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Völlig außer sich öffnete Luna die Wohnungstür, so dass Louis mit seinen beiden Essenstüten eintreten konnte. Die beiden ließen sich im Eifer des Gefechts auf die Couch fallen, verteilten schnell ihr Essen und die Shakes und starrten gespannt auf den Bildschirm.

„Sie sind die Blitzkrieg Boys und hier kommen sie nun!!“, kündete der Moderator Talas Team an und sofort schaltete die Kamera auf die vier Jungs um.

Luna und Louis riefen ein paar triumphierende Sachen gegen den Fernseher und rutschten hippelig hin und her. Kai und Daichi starteten ihre Beyblades und keine zwanzig Sekunden später hatte Kai auch schon verloren.

„W...WAS?“

Louis und Luna blickten geschockt auf den Bildschirm, fassten nicht, was sie da eben gesehen hatten.

„Kai hat verloren! Der erste Punkt geht an die BBA Revolution!“, verkündete der Moderator.

„Wieso??“

„Ich dachte, dass Kai einer der stärksten Blader der Welt ist!“, rief Louis frustriert den TV an.

„Da muss etwas passiert sein“, murmelte Luna unsicher und griff zum Handy.

„Meinst du wirklich ernsthaft, dass er eine Nachricht von dir braucht? Tala sieht genauso geschockt aus wie wir!“

Verwirrt sah sie zwischen dem Fernseher, ihrem Freund und dem Handy in ihrer Handy hin und her. Was konnte sie nur tun?

„Tala ist gleich dran...er wird das Ding schon schaukeln!“, beruhigte Louis sie und legte den Arm um seine Freundin, „siehst du? Er und Kai hatten das sicher geplant!“

„Ich hoffe, dass du Recht hast...“

„Guck! Tala tritt gegen diesen Kenny an. Das Match ist schon so gut wie entschieden...“, grinste der Junge und lehnte sich entspannt zurück.

Luna blickte immer noch unsicher auf den Bildschirm und knetete sich ihre Hände durch. Natürlich würde Tala gegen Kenny gewinnen, der Kräfteunterschied war enorm. Das, was Luna eigentlich Sorgen bereitete, war die Tatsache, dass dieser Daichi, welcher gerade gegen Kai gewonnen hatte immer noch da war. Er würde nach Kenny gegen Tala antreten und dieses Match würde alles entscheiden.

Wie in Zeitlupe führte sie den Strohalm ihres Shakes zum Mund, zog ein- zweimal kurz dran und starrte wie in Trance auf den Fernseher.

„Da siehst du‘s!“, freute sich Louis und klatschte Luna auf den Oberschenkel, „der Teamchef hat gewonnen!“

„Ja...“

„Luna? Was hast du?“

„Es steht jetzt gerade 1:1...“

„Tala schafft das schon“, wiederholte sich Louis, „das wird der Kampf der Rotkäppchen!“
 

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„...jämmerlich“, entgegnete Kai seinem Teamchef herablassend, während dieser einen kräftigen Schluck Wasser zu sich nahm.

„Immerhin habe ich meinen Kampf gewonnen“, erwiderte Tala im selben Tonfall.

Spencer und Bryan wussten aus Erfahrung nur zu gut, dass es jetzt besser war den Mund zu halten, während Kai und Tala sich vielsagende Blicke zuwarfen.

In diesem Moment tauchte Tyson von den BBA Revolution auf der Bildfläche auf und forderte Daichis Platz in diesem Kampf einnehmen zu dürfen. Tala und Kai unterbrachen ihren „ich starre dich viel böser an, als du mich“ Wettbewerb und blickten zu dem Jungen, welcher lautstark mit der Security und Mr. Dickenson diskutierte. Als Tyson anscheinend nicht die geforderte Zustimmung erhielt wandte er sich an den Teamchef der Blitzkrieg Boys und zeigte herausfordernd mit dem Zeigefinger auf ihn.

„TALA! Bist du Manns genug, um gegen mich anzutreten?!“

„Was ist dein Problem?“, rief Tala zurück und drehte sich antwortsuchend zu Kai, „ich muss doch meine Ehre nicht gegen ihn verteidigen, oder?“

„Ist allein deine Entscheidung“, erwiderte Kai desinteressiert.

„Danke für deine Hilfe...“, seufzte der Rotschopf.

„Du bist der alleinige Herr über deine Taten.“

Tala zog die Augenbrauen in der Mitte zusammen und blickte Kai ungläubig an: „War das in deinem letzten Glückskeks gestanden?“
 

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„Oh mein Gott!“, rief Louis aufgeregt aus, „Tyson gegen Tala! Deren letztes Match liegt mehr als drei Jahre zurück!“

Lunas Herz blieb für einige Sekunden stehen. Tyson war der zweimalige Weltmeister! Auch wenn er gerade einen Durchhänger hatte, könnte das Tala schneller aus der Reserve locken, als geplant. Er wäre unvorsichtig und damit leicht zu besiegen.

Zu ihrem Glück entschieden sich die Schiedsrichter gegen Tysons Bitte und somit musste Daichi gegen Tala antreten. Luna atmete erleichtert auf. Immerhin ein Hoffnungsschimmer...

Kapitel 15

Trotz der Niederlage gegen die BBA und Talas Versagen im Kampf gegen Rick konnte sich der Rotschopf im Match gegen Aaron wieder behaupten und sein Ansehen stieg erneut in der Weltmeisterschaft. Doch anstatt seinen Teamchef zu unterstützen entschied sich Kai dazu, ihn weiterhin zu ignorieren. Mittlerweile waren die Teams in Australien angekommen, morgen Abend würden die Blitzkrieg Boys gegen White Tiger X antreten.

Edgar hatte die Wohnung inzwischen gekauft, welche von Luna und Louis renoviert wurde. Der Eigentümer hatte sich gegen Miete entschieden, weshalb seine Tochter und die Blitzkrieg Boys den vollen Kaufpreis monatlich an den Apotheker zurückzahlen würden.

Heute sollte endlich die Küche geliefert werden.

„Wenn wir heute Abend beide mit Arbeit fertig sind...“, murmelte Louis, während er und seine Freundin auf dem Balkon sie Sonne genossen, „könnten wir mal wieder ins Kino oder so?“

„Klar.“

„Okay. Alles in Ordnung?“

„Klar.“

„Wir könnten auch zu Hause bleiben und die ganze Nacht hemmungslosen Sex haben?“

„Klar.“

Louis lachte hell auf. Als Luna ihn fragte, was daran so lustig sei winkte der Junge ab.

„Du bist ganz woanders mit deinen Gedanken...“

„Gar nicht!“

„Mädel, du hast mir gerade hemmungslosen Sex versprochen!“

„Hab ich?“

„Aha“, lächelte Louis und wippte mit denn Augenbrauen.

Luna seufzte tief und rieb sich die Schläfen.

„Du musst dich um fast nichts mehr kümmern“, bestätigte der Junge ihr, „heute kommt die Küche, die Badezimmer müssen nur noch ein letztes Mal weiß gestrichen werden...die Möbel für die einzelnen Zimmer an sich kommen bis Ende der Woche...du hast es geschafft!“

„Ich muss noch das Zeug aus der jetzigen Bude hierher bringen...auch wenn ich sehr, sehr viel ausgemistet habe Louis...“

„Da helf ich dir natürlich auch!“

„Dankeschön...“

„Hey...dafür bekomm ich hemmungslosen Sex schon vergessen?“, kicherte er.
 

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Die lauwarme Luft Australiens ließ ihn einfach nicht einschlafen und so entschied sich Tala, am Beckenrand des Gemeinschaftspool die Füße ins Wasser zu hängen. Um diese Uhrzeit war niemand mehr außer ihm wach und nachdem das Match gegen Ray und Lee erst in mehr als 12 Stunden stattfinden würde, könnte der Rotschopf auch noch genügend schlafen. Als seine nackten Füße ins kalte Nass eintauchten wurde Tala ganz anders. Vor seinem geistigen Auge erschienen plötzlich dunkle, nach Moder und Schimmel riechende Mauerwände, gedämmtes grünliches Licht, welches nur Silhouetten erahnen ließ.

„Du willst ein Elitesoldat werden?“, ermahnte ihn eine männliche Stimme auf russisch, „dann überlebe!“

Sein Gesicht tauchte Unterwasser und Tala streckte angsterfüllt die Hand nach oben, um sich irgendwo festhalten zu können. Ruckartig machte der Junge einen Satz nach hinten, zog die Füße aus dem Wasser und starrte auf dem Rücken liegend in den sternenreichen Himmel. Sein Atem ging viel zu schnell, Adrenalin rauschte durch Talas Körper, seine Hand zitterte heftig, als er sie nach oben gen Himmel ausstreckte.

Plötzlich ergriff jemand seine Hand, zog daran und richtete seinen Oberkörper auf. Er blickte in zwei blaugrün leuchtende Augen, welche geradewegs in seine Seele eintauchten.

„L...Luna?!“

„Du hast Angst...“, flüsterte das Mädchen und nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände, „hab keine Angst mehr...“

„Was...machst...du...hier…?“

„Lass sie los...diese Angst...“

Sie legte zärtlich ihre Lippen auf die seinen, während ihre weichen Hände sein Gesicht immer noch festhielten.

„Wieso...bist...du...hier...“, wiederholte der Teamchef der Blitzkrieg Boys, bemerkte jedoch, wie seine Augenlider immer schwerer wurden.

„Ich bin ja da...ich bin bei dir...“

„Lu...na...“

Er gab sich voll und ganz ihrem Kuss hin. Erst jetzt gestand er sich, wie sehr sie ihm fehlte. Ihr Lächeln, ihr Duft, die Bewegung ihres Körpers wenn sie neben ihm schlief.

„Ich liebe dich, Tala Iwanov...“, raunte das Mädchen liebevoll und legte eine Hand auf seine Brust über sein Herz.

„Luna...ich...“

Plötzlich schlug seine Mitbewohnerin mit ihrer zur Faust geballten Hand feste auf seine Brust.

„W...was?!“

„Tala…“

Wieder schlug sie feste zu.

„Luna!“, rief Tala, „das tut weh...“

Ein drittes Mal, diesmal stärker ließ sie die Faust schwungvoll niedersinken. Tala riss seine Augen weit auf und spukte das Poolwasser aus, welches in diesem Moment seine Lungen empor kam.

„O Bozhe!“, hörte der Rotschopf eine vertraute Stimme rufen, „ich hab ihn! Er ist wieder bei Bewusstsein!“

Die verschwommenen Gesichter von Bryan, Hero, Mr. Dickenson und dem Sanitäter tauchten vor Talas Augen auf, hinter ihnen leuchteten die Sterne immer noch so hell wie vorhin.

„W...wo...ist...sie?“, stammelte der Junge vor sich her.

„Wer?“, erkundigte sich Bryan und guckte sich um.

„Sie? Willst du damit sagen, dass dich eine Frau in den Pool geschupst hat?“, fragte Hero und legte eine Hand auf Talas Schulter, „verstehst du mich…?“

Plötzlich war der Rotschopf wieder munter und setzte sich ruckartig auf. Sofort wurde ihm schwindelig.

„Hey, hey, hey! Du machst schön langsam!“, befahl der Sanitäter und hielt den Jungen fest.

„BRYAN!“, rief Tala seinen Kollegen, „Luna ist hier irgendwo! Sie war gerade noch bei mir!“

Mr. Dickenson sah den gerufenen Jungen fragend an, dieser kniete neben seinem Chef und blickte ihn besorgt an.

„Tala? Luna ist nicht hier...“

„WAS? DOCH! Bis gerade eben...“

„Nein du verstehst mich nicht...Luna und Spencer haben vorhin erst noch miteinander Telefoniert...sie ist in der neuen Wohnung und richtet sie mit Louis her.“

„Nein! Ich habe sie doch geküsst!“

Besorgt tauschten Bryan, Mr. Dickenson und der Sanitäter ihre Blicke aus.

„Auf dem Überwachungsvideo ist niemand außer ihm zu sehen...“

„Tala“, begann Tysons Bruder im ruhigen Tonfall und blickte dem Rotschopf tief in die Augen, „auf dem Video bist nur du zu sehen, wie du zuerst am Beckenrand sitzt und plötzlich in den Pool springst.“

„HÄ?“

„Das stimmt! Ich habe es selber gesehen...“, bestätigte Bryan und trat hinter Hero vor, „ich habe ihnen gesagt, dass du nicht schwimmen kannst und sind sofort hier her geeilt!“

Tala starrte die vier Männer um sich herum mit erschrockenem Gesichtsausdruck an.

„Geht es dir wieder gut?“, erkundigte sich der alte Mann.

„Ich...ich...bin...selber…?“, stammelte Tala vor sich her.

„Du...hast auch wirklich nicht versucht…?“, raunte Bryan ihm ins Ohr.

„Nein! Ich wollte mich nicht umbringen! Eigentlich wollte ich nur die Füße ins Wasser hängen...“

„Ja aber wieso bist du dann überhaupt ganz in den Pool gestiegen?“

„Er hat das Gleichgewicht verloren...vielleicht war er auch nur müde und ist kurz weggedöst...“, erklärte Hero und half Tala wieder auf die Beine, „wenn Nichtschwimmer plötzlich ganz ins Wasser tauchen verfallen sie in eine Schockstarre. Deswegen ist er von alleine nicht wieder rausgekommen...“

„Oh Junge...mach das nie wieder!“, lachte Bryan müde und stützte seinen Teamchef beim laufen, „komm...schauen wir, dass wir dich ins Bett bekommen...“
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Stolz beäugten Luna und Louis ihr vollbrachtes Werk. Die Küche stand, war sogar schon zum größtenteils eingeräumt. Es fehlten wirklich nur noch Kleinigkeiten und ein bisschen Deko, in zwei Wochen war Schlüsselübergabe der alten Wohnung.

„Wahnsinn!“, keuchte sie angestrengt.

„Hätte nie gedacht, dass wir heute so viel schaffen...neben unserer Arbeit.“

„Wahnsinn“, wiederholte das Mädchen und drehte sich einmal im Kreis, „weißt du, was ich jetzt mach?“

„Saufen?“

„Duschen!“

Louis machte einen erregten Gesichtsausdruck und legte beide Hände auf ihre Hüften.

„Da kann ich sogar mitspielen...“

„Oh du willst also spielen?“

„Wasserspiele...“, raunte er ihr zu und küsste sie zärtlich.

Zu Lunas Glück hatte er sich vor drei Stunden erst wieder eine neue Ration Lutschpastillen gekauft und schmeckte jetzt nach frischen Erdbeeren mit Minze. Entzückt erwiderte Luna den Kuss nur zu gerne, sogar mit Zunge.

Die beiden streichelten sich gegenseitig, während sie fast blind den Weg ins neue Bad tasteten. Dort angekommen drehte Luna das Wasser auf, Louis öffnete durch ihr Top ihren BH und zog ihr beides gleichzeitig über den Kopf.

„Du hast es aber eilig“, kicherte sie und fummelte an seinem Gürtel.

„Sag bloß“, grinste er zurück.

Die beiden stiegen in die Wanne und Luna zog den Vorhang zu.

„Wir sind allein in der Bude“, kommentierte Louis, „hast du Angst, die Eichhörnchen spannen dich aus?“

„Gewohnheit...“

„So? Aber nicht mit mir!“, beschwerte sich der Junge gespielt gekränkt.

Luna hielt in ihrer Bewegung inne und ermahnte sich innerlich, dass Louis nichts von ihr und Tala wusste! Solange er nicht weiter nachfragen würde, wäre sie aus dem Schneider...doch wie lange würde das noch so gehen? Das Mädchen nahm das Stück Seife und begann sich damit zu waschen, während Louis ihr neckische Bisse im Nacken hinterließ.

„Was wurde denn aus deinen Wasserspielen?“, erkundigte sie sich schief grinsend.

„Gleich“, lachte er auf, „darf ich mich vorher auch noch sauber machen?“

„Ausnahmsweise“, grinste Luna und reichte ihm die Seife nach hinten.

Louis griff nicht rechtzeitig danach, somit viel die Seife auf den Boden.

„Nicht bewegen!“, mahnte er Luna.

„Was?“

„Pass auf!“

Kaum hatte Louis die Warnung ausgesprochen hörte Luna auch schon einen lauten Knall, blickte zu ihren Füßen und sah rot. Blitzschnell drehte sie sich um.

„Oh nein, nein, nein, nein, NEIN!“, rief Luna verzweifelt aus und drehte das Wasser ab, „Louis? Oh fuck...FUCK! Louis!!“

Der junge Mann stöhnte irgendeinen Satz, der vom Inhalt her keinen Sinn machte.

„Er lebt noch...“, atmete sie erleichtert auf, stieg vorsichtig aus der Wanne und tapste zu ihrem Handy. Nackt. Nass. Durch die komplette Wohnung.

„Hier der Notruf, was kann ich für Sie tun?“, ertönte eine Frauenstimme am anderen Ende der Leitung.

„Hallo. Mein...Freund ist gerade in der Dusche ausgerutscht...er...er scheint zu bluten...“, murmelte Luna in ihr Handy.

„Okay...ist er ansprechbar?“

„Er nuschelt irgendwas vor sich her...“

„Könnten Sie es noch einmal probieren, mit ihm zu reden?“

Luna schlenderte auf Zehenspitzen zurück ins Badezimmer, stupste Louis ein paar Mal an und sprach ihn an.

„Er reagiert gar nicht mehr“, stammelte Luna.

„Sagen Sie mir, wo Sie sich gerade befinden, ich schicke einen Krankenwagen“, wies die Frau an.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Tatjana war eine russische Austauschstudentin, welche einen gruseligen Favor für Unfälle aller Art hatte. Wenn der Krankenwagen vom Einsatz zurückkam stand sie stets in erster Reihe, wenn der Schichtleitende Oberarzt eine Frage hatte konnte Tatjana sie sofort beantworten.

„Sie ist eine vielversprechende Studentin, Daniellé“, schwärmte der Chefarzt, während er und Kais Vater im Krankenhaus den Flur entlang schlenderten, „du solltest sie dir mal angucken...als Schülerin versteht sich!“

Danny warf seinem Chef einen vielsagenden Blick zu. Dieser hob abwehrend seine Hände hoch.

„Ich werde sie mir mal ansehen...als Studentin versteht sich“, erwiderte Daniellé und schnappte sich eine Akte.

„Das trifft sich gut“, kicherte der Chefarzt, „dort steht sie schon!“

Die junge Frau stand brav an der Ecke und wartete auf die beiden Herren. Sie hatte braune, schulterlange Haare und hellgrüne Augen.

„Die Herren Doktoren“, grüßte sie.

„Guten Tag. Sie wurden mir zugeteilt...“

„Doktor Hiwatari, richtig?“

„Anwesend.“

„Ihren Artikel im Fachjournal über machthungrige Geisteskranke fand ich sehr interessant!“

„Danke.“

„Sagen Sie mir auch, was Sie als Unfallchirurg dazu inspiriert hat?“

„Mein Vater“, gestand Dann trocken.

„Oh...“

„Was kriegen wir gleich?“, erkundigte sich Daniellé ohne sich etwas anmerken zu lassen.

„Junger Mann, Mitte 20...Sturz in der Badewanne auf den Hinterkopf, nachdem er auf einem Stück Kernseife ausgerutscht ist...“, ratterte Tatjana die Fakten runter.

Danny lachte kurz auf und hielt sich die Hand vor den Mund. Seine Studentin starrte ihn fassungslos an.

„Wieso lachen Sie?“

„Ausgerutscht auf einem Stück Seife...klischeehafter ging es nicht mehr, oder?“

„Ist das Ihr Ernst?!“

„Tatjana...ich habe über machthungrige Geisteskranke geschrieben...ich darf mir diese Art von Humor erlauben!“

„Sind Sie sich sicher, dass diese Krankheit nicht erblich sein kann?“

Daniellé blieb stehen und legte grübelnd den Kopf schief. Tatjana hatte Angst, zu weit gegangen zu sein und entschuldigte sich sofort bei ihm.

„Nein...“, entgegnete Danny, „ich würde meinen Sohn nicht unbedingt als Geisteskrank hinstellen...aber so dezent machthungrig ist er schon...“

„Was...meinen Sie damit?“

„Das ich Glück hatte!“, kicherte der Arzt, „hat bei uns anscheinend meine Generation übersprungen.“

„Und da machen Sie sich keine Sorgen um Ihren Sohn?“

„Nö.“

Tatjana sah ihn erneut ungläubig an, während Daniellé nur schmunzelte. In diesem Moment traf der Krankenwagen ein und die Sanitäter öffneten die hintere Tür.

„Na sieh mal einer an!“, lachte Danny erneut, „wen haben wir denn da?“

Luna guckte ihn mit großen verwunderten Augen an, lächelte jedoch. Sie streichelte die Hand von demjenigen, welcher auf der Liege festgeschnallt wurde und hüpfte aus dem Wagen.

„Hi Danny!“, grüßte sie und gab dem Arzt die Ghettofaust, weshalb Tatjana fast die Augen ausfielen.

„Was habt ihr denn angestellt?“, erkundete sich Kais Vater, „kaum sind die Jungs aus dem Land feierst du heftige Orgien oder was?“

„Jain. Wir renovieren gerade zusammen die neue Wohnung und wir waren voll mit weißer Wandfarbe und wir haben die Küche in Rekordzeit aufgestellt, dann war uns heiß und dann wollte er Wasserspielchen…“, sprudelte es aus Luna heraus, doch dann bemerkte sie die weit aufgerissenen Augen der Studentin hinter Danny und räusperte sich, „er ist in der Dusche ausgerutscht...“

„Man erzählt sich, dass es ein Stück Seife war...“, grinste Danny.

„Wahnsinn oder? Ich meine wie klischeehaft ist das eigentlich?“, kicherte Luna zurück.

„Ihr zwei seit grausam...“, murmelte Tatjana und folgte den Sanitätern, welche gerade Louis auf der Trage Richtung Behandlungsraum 3 schoben.

„Was hat der Patient, Tatjana?“, erkundete sich Daniellé, als er und Luna ebenfalls im Behandlungsraum angekommen waren.

„Wahrscheinlich Gehirnerschütterung, Herr Doktor.“

„Herr Doktor...“, kicherte Luna, „turnt dich so was an?“

„Manchmal“, gestand der Mann.

„Wir haben hier einen Patienten!“, beschwerte sich die brünette Studentin, „können wir wenigstens etwas Professionalität ausstrahlen?“

„Sorry“, entschuldigten sich Danny und Luna im Chor.

„Gehirnerschütterung, Herr Doktor!“

„Machen Sie ein CT und MRT um schlimmere Schäden am Patienten auszuschließen.“

„Verstanden...und die Blutung?“

„Welche Blutung?“, erkundigte sich Daniellé.

„Die am Hinterkopf...“

„Stoppen Sie sie.“

„Und...was machen Sie?“

„Ich beruhige die Freundin unseres Patienten“, gestand er und wandte sich an Luna, „Kaffee?“
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Im Garten des Krankenhauses reichte Daniellé Luna ihren Becher Milchkaffee und nahm neben ihr Platz.

„Danke, Danny.“

Er winkte lächelnd ab: „Ich bin froh, wenn ich diese Studentinnen endlich los bin...“

„Also hab ich dir gerade den Tag gerettet?“

„Sozusagen.“

„Dann ist dieser Milchkaffee meine Bezahlung?“

„Klingt das nicht etwas nuttig?“

„Dezent. Ich könnte mich dran gewöhnen!“

Daniellé lachte auf und nahm einen Schluck seines Getränks: „Bist du nicht etwas zu jung für mich?“

„War das so offensichtlich?“

„Dezent“, grinste er sie an, „ich erzähl‘s nicht weiter...“

„Danke...“

Beide seufzten tief und genossen die warmen Sonnenstrahlen.

„Wie geht es Mirka?“

„Gut. Hast du nicht ihre Nummer?“

„Handy ist abgestürzt...“

Daniellé kramte sein mobiles Smartphone aus dem Kittel und tippte wirr darauf herum. Schnell beantwortete er ein paar Nachrichten und diktierte Luna schließlich Mirkas Nummer.

Sofort schrieb das Mädchen ihr eine romanverdächtig lange SMS, schob ihr Telefon wieder in die Hosentasche und grinste zufrieden.

„Und...wann kann Louis wieder nach Hause?“

„Wann soll er denn wieder raus?“, entgegnete Daniellé und hob fragend eine Augenbraue.

Luna sah ihn verwundert an.

„Ich bin Chefarzt der Unfallchirurgie...und es war doch ein Unfall...oder?“

„Ähm...schon...“

„Rein theoretisch könnte ich jetzt behaupten, dass der Sturz seine Persönlichkeit verändert hat und er eine Gefahr für die Allgemeinheit und somit auch für dich ist. Damit wird er mit Medikamenten ruhig gestellt und ist erst mal für einige Zeit verwahrt.“

„Krass“, nickte Luna anerkennend, „wie viele hast du auf diese Art schon ‚verwahren‘ lassen?“

„Einen.“

„Du hast das echt gemacht?“

„Ja.“

„Heftig...hat er dich auch mal angegriffen oder so?“

„Meinen Sohn“, raunte Daniellé.

„Echt? Davon hab ich nie etwas gelesen...“

„Wirklich nicht?“

Luna stockte ruckartig der Atem, während Danny lässig von seinem Getränk nippte.

„Du...hast...deinen eigenen Vater...weg gesperrt?“, flüsterte das Mädchen schon fast.

„Zum Schutze meines eigenen Kindes. Jedoch...wurde mir dieser Fall entzogen. Befangenheit. August kommt mein Vater raus...“

„Weiß...Kai…?“

„Nein.“

Luna sog die Luft scharf ein. Sollte sie es Kai schreiben? Wie würde er nur reagieren, wenn er davon erfährt? Wahrscheinlich völlig ausrasten.

„Tu es nicht“, bat Daniellé, „die Meisterschaft ist ihm zu wichtig, als jetzt von so etwas abgelenkt zu werden.“

„Aber es ist doch Familie!“

„Ich bin mir nicht sicher, ob mein Sohn das genauso sieht...“, seufzte der Arzt, „aber mal was anderes...was machen wir jetzt mit deinem Freund?“
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Tala schmiss die Tür zur Umkleide der Blitzkrieg Boys regelrecht auf und schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte, gleich neben Kai.

„WIESO?“, rief der Rotschopf völlig außer sich, „WIESO SIEHT DAS BEI DIR IMMER SO LEICHT AUS?!“

Kai, welcher von seinem Kampf mit Ray noch immer völlig fertig war und nur schwer Luft bekam lächelte selbstgefällig. Er sah total zerfetzt aus, wie durch den Fleischwolf gedreht.

„Wieso, Kai…? Wieso…?“

„Weil ich es kann, Tala“, keuchte er.

„Du vertraust mir nicht...“

„Vertraust du mir?“, lachte Kai auf und warf den Kopf in den Nacken, „keiner von euch! Seit ich in eure bekloppte WG eingezogen bin war ich Bryan von Anfang an ein Dorn im Auge! Spencer hat es hingenommen, weil du ihn drum gebeten hast! Luna würde alles dafür tun, um mit mir zu schlafen!“

Tala und Kai sahen sich tief in die Augen. Die Spannung knisterte in der Luft um die beiden Jungen.

„...ach stimmt ja...“, belächelte Kai seine eigene Aussage, „sie fickt ja schon dich!“

„Lass sie da raus, Kai!“, fauchte Tala und trat dicht an seinen Teamkollegen heran, „und beweise Eier, indem du mir sagst, was für ein Problem ich angeblich mit dir habe...“

„Oh bitte!“, rief Kai jetzt noch wütender aus und schlug mit der Faust gegen die Tür, „du willst mich seit frühster Kindheit in deinen Schatten haben! Aber du weißt genauso gut wie ich, dass ich besser bin als du je sein wirst!“

Tala versuchte so ruhig wie nur möglich zu atmen, während sich Kais Augen in seine brannten.

„War‘s das jetzt? Bist du jetzt fertig?“, raunte der Rotschopf gefährlich leise.

„Ihr...wärt ohne mich nie so weit gekommen!“

„Möglich. Du aber auch nicht ohne uns“, grinste Tala.

Kai knurrte wie ein Tier, wandte sich von seinem Teamchef ab und schmiss die Tür kräftig zu, als er aus dem Zimmer verschwand. Tala sank zittrig auf die Knie zusammen, als er sicher war, dass niemand so schnell in die Umkleide kommen würde. Seine Hände waren eisig, seine Beine weich wie nach einem langen Bad.

„Warum nur...Kai...“, raunte er und presste seine Hände gegen seine Schläfen.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Sie klopfte sanft an die Tür, bevor sie in Louis Krankenzimmer trat. Der Junge lag gelangweilt auf seinem Bett und grinste Luna erfreut an.

„Hey du“, grüßte er sie.

„Hey du“, grinste sie ihn an und reichte ihm einen Zettel, welcher bereits unterschrieben war, „rate mal, wer heute nach Hause darf?“

„Na endlich!“, stöhnte der Junge, „drei Tage unter Beobachtung sind echt zu viel!“

„Doktor Hiwatari wollte nur auf Nummer sicher gehen, dass du keine bleibenden Schäden davongetragen hast.“

„Er hat ja auch nur seinen Job gemacht...“, raffte sich Louis auf und zog seine Straßenschuhe an, „man freu ich mich auf mein eigenes Bett!“

Luna lächelte, als sie sein strahlendes Gesicht sah.

„Hast du gestern Abend das Match gesehen?“

„Na aber hallo!“

„Wie krass war das bitte? Tala hat von Anfang an nur mit Lee gespielt. Das hat man doch gesehen! Aber Kai und Ray...heftigst hammer geil!“, schwärmte Louis.

„Ja. Sie sind im Finale“, bestätigte Luna stolz.

Nur noch knapp zwei Wochen, dann würden die Blitzkrieg Boys ihre neue Wohnung sehen. Dann würde sie endlich wieder über Bryans Witze lachen können. Spencers geniales Essen schmecken. Tala wieder umarmen und küssen können.

Wie lang könnten sich zwei Wochen ziehen?

„Und du hattest heute frei?“, ertönte plötzlich Louis‘ Stimme.

„Ja. Wieso?“

„Naja“, grinste er verlegen und sah an ihr runter, „du siehst so ‚locker‘ aus.“

Luna zog ungläubig die Augenbrauen zusammen. Was war an einer schlabber Jogginghose und ausgewaschenem T-Shirt einer 90er Jahre Boyband so falsch? Okay, ja. Sie hatte sich heute nicht wirklich geschminkt, das waren noch die Make Up Reste vom Vortag. Wenn Mirka das wüsste…

„Sorry, aber bei dieser Hitze ist mein Gesicht einfach dahingeschmolzen“, gab sie ironisch von sich, „außerdem habe ich vorhin einige Kartons in die neue Wohnung gebracht.“

„Warst du schon fleißig ja?“, drückte Louis ihr einen feuchten Schmatzer auf die Wange.

„Aha.“

„Hast du im Kopf, wann das Finale ist?“

„Samstag Abend.“

„Heute ist Donnerstag...dann sputen wir uns mal besser! Die Bude soll ja irgendwann fertig werden“, scherzte Louis.
 

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Edgar ließ sich von seiner Tochter durch die mittlerweile beinahe fertig renovierte Wohnung führen, für welche er ihr das Geld geliehen hatte. An einigen Stellen musste er sie wirklich loben, was sie daraus gemacht hatte.

„Hier...hier ist eine noch total freie Ecke...“, murmelte Luna und machte im Wohnzimmer eine Flächendeckende Handbewegung, „die Couchecke kommt morgen dorthin...die Wohnwand gegenüber an die Wand. Meinst du, ich könnte hier so ein langes Sideboard hinstellen?“

„Du willst wirklich meine persönliche Meinung wissen?“, grinste Edgar und zog ungläubig die Augenbrauen hoch.

„Ähm...ja?“

„Wahnsinn. Es geschehen noch Zeichen und Wunder!“

Luna musste kichern und machte eine hilflose Geste.

„Wie wäre es mit einem schönen langen Glastisch?“

„Aber ich habe doch schon einen Tisch in der Küche...“

Edgar schüttelte den Kopf und machte eine wegwischende Handbewegung. Er legte einen Arm um seine Tochter und schob sie ein Stückchen weiter nach rechts.

„Stell es dir so vor: eine dunkel getönte Glasscheibe umfasst von dunklem Holz. Mit schwarzem Leder überzogene Stühle. Edelstahlbeine. Siehst du‘s?“

„Das würde dir gefallen“, bestätigte Luna.

„Das gefällt vielen Männern. Mit wie vielen davon lebst du zusammen?“

Das Mädchen grübelte. Sie stemmte die Arme in die Hüfte und verlagerte das Gewicht auf den linken Fuß. Spätestens als sie den Kopf auch noch schief legte wusste ihr Vater, dass sie überzeugt war.

„Klingt männlich genug für die Jungs“, kicherte seine Tochter und nickte zustimmend, „ich weiß auch jetzt schon, wer sich tierisch über den ersten Kratzer aufregen wird.“

„Der Rotschopf?“

„Der als zweites. Spencer ist in vielerlei Hinsicht pingeliger als Tala.“

„Und Spencer war…?“

„Der Riese.“

In diesem Moment klingelte Lunas Handy. Eine Nachricht von Marvin.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Spencer sank in seinem Sitz in sich zusammen und hatte eine ungesunde Gesichtsfarbe angenommen.

„Wir sind noch nicht mal gestartet...“, bemerkte Bryan gehässig und schob sich Chips in den Mund.

„Halt...deine...Klappe...“

Der Junge kicherte und machte es sich auf seinem Platz gemütlich, während Kai und Tala lediglich schwiegen und keinen Mucks von sich gaben. Seit dem Match gegen die White Tiger X hatten die beiden nichts mehr miteinander gesprochen und eine unangenehme Stimmung hing im Raum.

„Wieso können die eine Weltmeisterschaf nicht in einem Lang machen...so wie früher?!“, beschwerte sich der Riese und wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn.

Bryan machte eine bemitleidende Geste, da es seinem Teamkollegen zunehmend schlechter ging und er nicht wirklich helfen konnte. Auch Tala seufzte tief und tätschelte Spencers Schulter. In diesem Moment machte der Pilot seine Durchsage und das Flugzeug setzte sich in Bewegung.

Der Riese murmelte irgendwas unverständliches auf russisch, was Tala und Bryan dazu veranlasste schief zu grinsen. Die muskulösen Hände des Russen krallten sich im Stoff seines Sitzes fest.

„Wir müssen ihm das nächste Mal unbedingt ein stärkeres Beruhigungsmittel geben...“, erinnerte Bryan seinen Teamchef, „das hatten wir uns eigentlich schon für diesen Flug vorgenommen!“

„Ich gebe ihm bereits die höchste Dosis. Noch mehr und ich würde Spencer ausnocken!“

Bryan pfiff anerkennend und fing sich dafür einen bösen Blick vom Riesen ein.

„Jungs! Wir haben nur noch ein einziges Match vor uns! Reißt euch bis dahin zusammen! Nehmt euch ausnahmsweise mal ein Beispiel an Kai...“

Die beiden anderen starrten Tala fassungslos an, guckten zu Kai, welcher genervt die Augen verdrehte und dazu sein typisches Grummeln von sich gab.
 

„...oh nein...der arme Spencer“, kicherte Luna traurig am anderen Ende.

Die Blitzkrieg Boys waren seit ca. 4 Stunden gelandet und ruhten sich gerade im Hotel aus, während die BBA Revolution ihr Entscheidungsmatch gegen F-Dynastie hatte. Bryan ließ es sich am Pool gut gehen, Kai war natürlich einfach verschwunden, Spencer lag in Fötusstellung auf seinem Bett und Tala saß mit seinem Handy am Ohr auf dem Balkon und blickte in die Ferne.

„...vielleicht sollte er mal einen Therapeuten aufsuchen...ihr fliegt doch hin und wieder mal und spätestens wenn ihr wieder nach Russland wollt werdet ihr sicher wieder das Flugzeug benutzen oder?“

„Das bringst du ihm dann aber bitte bei. Er hält nicht viel von Therapie.“

Tala streckte sie Füße weit von sich und hörte einfach nur Lunas Stimme zu. Wie sehr vermisste er sie jetzt schon? Sie hatten sich seit mehr als acht Wochen nicht mehr gesehen…

„...und wie ist euer Wetter?“

Der Rotschopf schreckte kurz aus seiner Trance auf und blickte sich um.

„Naja...Sonnenschein pur würde ich sagen...es weht eine angenehme Brise.“

„Bei uns schüttet es gerade wie aus Eimern“, schmollte Luna, „ein heftiges Sommergewitter haben sie für heute angekündigt.“

„Wie läuft‘s mit der Wohnung?“

„Könnte nicht besser laufen! Am Wochenende streichen Louis und ich noch ein letztes Mal die Bäder...die Couch kam heute...eure Playstation könnt ihr allerdings selber anschließen ich machen sonst noch etwas kaputt!“

„Okay...ihr seit also noch zusammen, ja?“

„Willst du mir etwas sagen, Tala?“

Er hörte seine Mitbewohnerin zwar kichern, dennoch war es in dieser Situation die Vorstufe zum Anzicken.

„Nein...ich wollte mich nur erkundigen.“

„Sicher?“, harkte das Mädchen nach.

„Ganz sicher...“, versprach Tala, „so langsam muss ich aber wieder einmal nach Spencer gucken. Ich kann ihn nicht mehr wimmern hören.“

„Okay“, lachte Luna jetzt, „ich drücke euch ganz feste die Daumen! Kommt mir wieder gesund nach Hause zurück! Und sag den Rest einen schönen Gruß von mir!“

„Mach ich...“, seufzte der Rotschopf.

Luna tippte auf das rote Symbol auf ihrem Display und steckte ihr Handy wieder in die kleine Handtasche, welche sie extra für ihr Outfit gekauft hatte. Marvin stand neben ihr und grinste breit.

„Können wir?“

„Klar!“, grinste Luna zurück.

War es moralisch richtig mit seinem Chef in die Discothek seines Bruders zu gehen, wenn der Freund noch auf Arbeit war und sich der Liebhaber beinahe 9000 Kilometer im Osten befand?

Natürlich würde Louis nach Schichtende noch dazukommen aber weswegen hatte sie Tala, das eigentliche Objekt ihrer sexuellen Begierde gerade noch angelogen?

Es regnete kein bisschen, auch war das Wärmegewitter erst für Anfang nächster Woche angekündigt worden. Louis und sie hatten die beiden Bäder noch vor seinem Unfall in der Badewanne fertig gestrichen. Er war sogar so zuvorkommend gewesen und hatte die Spielekonsolen im Wohnzimmer bereits angeschlossen. Was war nur los mit ihr? Hatte ihr Unterbewusstsein mittlerweile Louis als ihren Partner akzeptiert, nachdem Tala schon so lange weg war?

Marvin reichte ihr einen quietsche bunten Cocktail, welchen Henry hinter der Bar für sie gemixt hatte und prostete Luna zu. Die Musik drang gedämpft zu ihren Ohren, während sie sich mit den Brüdern unterhielt, wobei ihr Henry eine kleine Rundführung anbot.

„Echt?“, lächelte Luna und nippte am Cocktail, „womit habe ich denn diese Überraschung verdient?“

Marvin und Henry warfen sich einen vielsagenden Blick zu, bevor zweiterer einem Barkeeper zuwinkte und seine Gäste mit in sein Büro nahm.

„Ich habe doch nichts angestellt...oder?“, kicherte Luna unsicher, als Henry sie bat Platz zu nehmen.

„Nein, nein“, beruhigte er sie, „mein Bruder hat es anscheinend nur noch nicht geschafft dir zu sagen...“

Sie blickte zu Marvin, welcher sich verlegen im Nacken kratzte und grinste. Luna wurde schlecht.

„Nein...nein, nein, nein! Ich will das nicht!“, rief sie entsetzt und sprang vom Stuhl auf.

„Warte doch mal, Luna und hör uns an!“, bat Henry sie.

„Ihr seit doch verrückt, so was von mir zu verlagen!“

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass es dir großen Spaß machen wird“, erwiderte Marvin, „außerdem bezahlt mein Bruder dich gut...“

„Boah! Du bist so eklig!“, würgte Luna und kippte den Cocktail aus, „was hast du mir da rein?“

„Alkohol...“

„Aha? Heißt so eure angesagteste Partydroge, ja?“

Marvin und Henry warfen sich jetzt einen fragenden Blick zu, während Luna aus dem Büro flüchtete und direkt in die Arme von Louis rannte.

„Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen!“, rief er ihr durch die laute Musik zu.

„Die wollen mich zur Prostitution zwingen!“

„Wer?“

Luna drehte sich um und zeigte auf Marvin und Henry, welche ebenfalls aus dem Büro gekommen waren.

„IHR WOLLT WAS??“, baute sich Louis vor den beiden Männern auf und nahm eine weitaus aggressivere Haltung ein, als wahrscheinlich nötig wäre.

„Sie hat das total falsch verstanden...“, meinte Henry im ruhigen Tonfall, „wir wollten ihr nur einen Job anbieten!“

„Ja! Einen tollen Job!“

„Luna...Henry würde dir deutlich mehr zahlen können, als ich im Moment und je mehr Kunden du bedienst umso mehr Trinkgeld gibt es auch!“, erklärte Marvin.

„Ihr seit das LETZTE!“, brüllte Luna entsetzt und fuchtelte wild mit den Händen, als Marvin ihr näher kommen wollte, „FASS MICH NICHT AN!“

„Ich ruf die Bullen, wenn ihr meine Freundin anfasst, ihr perversen Schweine!“, fauchte Louis und wählte bereits die Nummer des Notrufes.

„Warte Bruderherz“, sagte Henry im viel zu ruhigem Tonfall, „ich glaube...wir haben da einen präzisen Fall von Missverständnis!“

Kapitel 16

Die komplette Arena war von einer großen Staubwolke verschluckt worden, sodass weder Kai noch Tyson zu sehen waren. Auf Talas Stirn hatten sich Perlen kalten Schweißes gebildet und sein Mund war trocken. War der Kampf mittlerweile schon entschieden? Und wenn ja...wer hatte gewonnen??

„Oh man!“, ertönte die Stimme des Moderators, „ich kann von hier oben gar nichts erkennen!“

Als Tala zu Mr. Dickensons Kabine aufsah bemerkte er, wie der alte Mann ebenfalls nervös hin und herging, schon fast so, als würde er gejagt werden.

Ganz langsam legte sich die dichte Staubwolke und gab den Blick auf eine völlig verwahrloste Arena Preis.

„Oh...mein...Gott…“, entwich es Talas Mund schon fast wie ein Flüstern.

Der Junge starrte fassungslos auf das Schlachtfeld, welches sich ihm darbot und schluckte zwei, drei Mal schwer.

„Hey Leute, ich kann sie sehen!“, rief der Moderator plötzlich völlig aus dem Häuschen, „Kai und Tyson stehen noch beide!“

„Was?!“

Die Blitzkrieg Boys traten an den Rand der Arena und richteten ihre Augen auf die zwei Jungs, welche mittlerweile durch die Staubwolke sichtbar geworden waren. Kai und Tyson sahen so mitgenommen aus, dass es verwunderlich war, dass sie wirklich noch auf ihren Beinen standen.

In diesem Moment machte Tyson einen weiten Ausfallschritt nach vorne, seine Arme ruderten in der Luft schwerfällig, dennoch konnte er sich mit Mühe wieder fangen. Sein Gesicht erhob sich und er blickte zu seinem Kontrahenten, welcher den Kopf gesenkt hielt. Tala hielt die Luft an und spürte, wie sein Herz schwer gegen seine Brust klopfte. Plötzlich sank Kai auf die schwerfällig auf die Knie. Er erhob seinen Blick, doch seine Augen waren leer. Tyson humpelte eilig zu ihm, doch da war Kais Körper bereits nach vorne gekippt und lag nun im Staub.

„KAI!“, rief Tyson besorgt aus und kniete sich neben ihn hin.

Dort bemerkte er, dass Dranzer dicht bei seinem Besitzer lag und sich nicht mehr drehte.

„LEUTE!! ES IST ENTSCHIEDEN! TYSON GRANGER IST UNSER ALTER UND NEUER WELTMEISTER DER BEYBLADE MEISTERSCHAFT!!!“, grölte der Moderator in sein Mikro, so dass das Stadion noch ein letztes Mal bebte.

Die Fans sprangen jubelnd über die Absperrung und rannten auf Tyson zu, welcher schwer damit zu kämpfen hatte Kai wieder auf die Beine zu helfen. Dieser war mittlerweile wieder ansprechbar und hustete kräftig den Staub aus seinen Lungen.

„Alles klar bei dir, Alter?“, grinste Tyson besorgt.

„Ja...“, seufzte Kai niedergeschlagen, „dann habe ich die Ehre, dir als erster zu gratulieren...Weltmeister.“

„Das war ein hammergeiles Matsch, Kai! Ich freue mich schon auf unser nächstes!“

„Wir haben also verloren“, schmollte Bryan, trat einen Schritt von der Kante weg und raufte sich die Haare, „und es war alles so vielversprechend!“

„Und...was machen...wir jetzt?“, erkundigte sich Spencer bei seinem Teamchef, „bleibt Kai jetzt bei uns im Team?“

Tala grinste und stemmte die Hände in die Hüfte, sagte jedoch kein Wort. Er blickte immer noch zu seinem Teamkollegen runter, welcher sich mittlerweile auf den Weg zu ihnen gemacht hatte. Kai blickte überrascht auf, als er die Hand bemerkte, die ihm entgegen gestreckt wurde. Tala hielt sie ihm hin und zog den Jungen zu sich rauf, als dieser sie ergriff. Spencer, Bryan und Kai guckten den Rotschopf mit großen Augen an, doch dieser klopfte Kai aufmunternd auf die Schulter und nickte stolz.

„Das war das beste Match, das ich je gesehen habe!“, stimmte er zu.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Luna rannte durch den Regen, ihre Kapuze tief ins Gesicht gezogen, bis sie endlich einen Unterstand gefunden hatte. Scheiß Platzregen!, fluchte sie innerlich und blickte gen Himmel. Zum Glück war sie früh genug losgelaufen, somit hatte sie noch eine gute halbe Stunde Zeit, bis sie auf ihrer neuen Arbeit zu sein hatte.

„Mein neuer Job...“, murmelte sie und sah in die andere Richtung, in welcher Marvins kleines Café lag und seufzte schwerfällig.
 

Vor einer Woche…

„Ich ruf die Bullen, wenn ihr meine Freundin anfasst, ihr perversen Schweine!“, fauchte Louis und wählte bereits die Nummer des Notrufes.

„Warte Bruderherz“, sagte Henry im viel zu ruhigem Tonfall, „ich glaube...wir haben da einen präzisen Fall von Missverständnis!“

Luna starrte ihn fassungslos an „Missverständnis? Was daran konnte ich missverstehen?“

„Alles“, grinste Henry, „eigentlich wollten wir beziehungsweise ich dir ein Jobangebot machen.“

„Als Prostituierte?!“

„Nein“, lachte Henry erneut auf, „als Bedienung in meiner Discothek.“

„Hä?“

Louis und Luna blickten sich fragend an, während Marvin eine einladende Geste machte.

„Gehen wir wieder ins Büro...dort erkläre ich dir alles...okay?“

Das kleine Café, in welchem Luna nun ein halbes Jahr gearbeitete hatte würde geschlossen werden. Marvins Pachtvertrag war nicht mehr verlängert worden. Er hatte sich bereits nach einem neuem Café umgesehen, bis jetzt leider erfolglos.

„Oh nein...“, seufzte Luna niedergeschlagen, als sie es einigermaßen verdaut hatte, „und was jetzt?“

„Naja...“, grinste Marvin müde, „da du eine super Bedienung warst habe ich meinen Bruder gefragt, ob er nicht rein zufällig noch jemanden braucht.“

„Du hast also einen Job für mich organisiert?“

„Jupp. Ich werde sowie Henry vorher schon bei mir ab und zu hier mal aushelfen. Doch das reine Nachtleben ist nichts für mich. Und er bezahlt dich auch ein bisschen besser als ich. Das heißt...wenn du das Angebot annimmst.“

Luna blickte zu Henry, dann wieder zu Marvin. Ihr war ganz flau im Magen.

„In deinem Arbeitsvertrag steht zwar Kellnerin, jedoch würde ich dich überall dort einsetzen, wo ich dich grade brauche. Küche, Bar, Aufräumen, Abkassieren und Putzen. Deine Arbeitszeiten wären Donnerstag bis Samstag von 18 bis 6 Uhr. Also 12 Stunden.“

„Das klingt schon heftig...“, kommentierte Louis.

„Guck mal auf deinen Lohn“, forderte Henry das Mädchen auf.

„HEFTIG!“, staunte sie nicht schlecht.

„Du bekommst ab 22 Uhr bis Schichtende 25% Nachtzuschlag. Inklusive Trinkgeld wenn du bedienst.“

Luna guckte Louis mit weit offenem Mund an.

„Bedenke jedoch...es ist hart. Es schlaucht. Viele halten den Job kaum ein Jahr aus...“, mahnte Marvin, „Geld hin oder her...überleg‘s dir bitte gut!“

„Les dir den Vertrag in Ruhe durch und sag mir bis Mittwoch Bescheid.“

Montag kam die Zusage Lunas.
 

Endlich hatte der Platzregen nachgelassen und das Mädchen ging weiter bis sie zur großen schweren Tür der Discothek kam, wo auch schon Henry mit dem Türsteher auf sie warteten.

„Hey! Das bist du ja“, grinste Henry breit, „aufgeregt?“

„Mulmig...ich habe noch nie 12 Stunden am Stück gearbeitet.“

„Ja das wird anstrengend...aber ich denke, dass es dir Spaß machen wird!“

Luna blickte zu dem großen Mann hinter Henry und stutzte. Er kam ihr irgendwie bekannt vor.

„Kennen wir uns nicht?“, fragte dieser und legte den Kopf schief.

„Anscheinend...müsste aber schon eine Weile her sein...“

„Ach ja!“, klatschte er in die großen Hände und kicherte, „du warst damals mit diesem süßen Kerl unterwegs...“

„Sexy Arsch?“

„Ja genau der!“

Luna musste ein Auflachen unterdrücken und hielt sich die Hand vor den Mund. Wenn Kai das wüsste.

Henry sah zu seinem Türsteher und musterte ihn.

„Ja der war voll...du weißt schon!“

„Ich weiß worauf du stehst, Franz...“, bemerkte Henry.

„Auf sexy Ärsche“, zwinkerte der Türsteher Luna zu.

Jetzt konnte sich das Mädchen ein Kichern nicht verkneifen.

Die Discothek war noch leer, dennoch ließ es sich der DJ nicht nehmen jetzt schon ein paar Hits zu spielen.

„Gangnamstyle? Jetzt schon?“

„Alfie steht auf das Lied. Seit Jahren nutzt er es zum einspielen seines Pults.“

„Find ich cool!“

Die beiden gingen an die Bar, wo zwei Frauen und ein Mann standen. Eine der beiden Mädels hatte knappe ausgewaschene Jeans und hohe Schuhe an, die andere war gemütlicher angezogen. Der Mann ähnelte dem Sänger einer bekannten Metalband.

„Alles fit?“, fragte Henry in die Runde, „das hier ist Luna. Sie wird uns ab heute unterstützen.“

„Hi“, riefen alle drei entgegen.

„Jeanette ist heute Abend dein Ansprechpartner. Wenn was ist geh zu ihr“, erklärte Henry und zeigte auf die Blondine, welche gemütlicher angezogen war.

Luna fiel ein Stein vom Herzen. Sie sah viel sympathischer aus, als ihre Kollegin in den knappen Jeans. Jeanette reichte Luna die Hand und lächelte freundlich, bevor sie sie mit hinter die Bar nahm.

„Du kannst mir gleich helfen die Limetten und Zitronen zu schneiden.“

„Klar.“

„Tu sie dann hier rein. Wenn die Eiswürfel leer sind...dort durch die Tür stehen Gefrierschränke. Dort findest du Nachschub.“

„Okay.“

„Alfie!“, rief Jeanette plötzlich laut zum DJ Pult und winkte, „spiel mein Lied!“

„Du bist der Boss!“, rief der Mann im selben Tonfall zurück und spielte Dupstep Musik.

„Du hast ein gutes Organ“, bemerkte Luna vorsichtig und fing bereits an ihre voreilige Sympathie zu bereuen.

„Später ist hier alles laut und voll. Da brauchst du eine gute Stimme“, grinste die Blondine und schnitt weiter Limetten, „und…? Hast du eine gute Stimme?“

Luna grinste und hielt kurz inne. Dann holte sie Luft.

„Hey Alfie! Smoke on the water!“

Sofort schwenkte die Musik um und der DJ machte sogar ein paar wippende Bewegungen zum Takt.

„Respekt“, grinste Jeanette zurück und nickte anerkennend, „sie stellt sich nicht so an wie du, Laura!“

Die andere Frau zuckte gleichgültig mit den Schultern.

„Sie will später mal Sängerin werden...muss ihre Stimme also schonen“, scherzte der Mann und biss in eine Zitronenscheibe.

„Du bist eklig, Chestnut!“

„Wieso? Läuft‘s Wasser schon im Mund zusammen?“, grinste er.

Jeanette machte eine abwertende Geste und schüttelte sich kurz, während Luna stumm daneben stand und grinste.
 

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„Haben wir alles?“, erkundigte sich Spencer, während Tala und Bryan am Schalter standen und Däumchen drehten.

„JUNGS!“

Die beiden schreckten auf und guckten Spencer groß an.

„Ich freue mich auch riesig Luna wieder zu sehen. Vor allem wie es mit der neuen Wohnung gelaufen ist...aber ohne mein Gepäck flieg ich nicht!“

Bryan lachte laut los: „Du freust dich ‚riesig‘!“

„Echt jetzt?“

„Wir freuen uns alle Luna wieder zu sehen“, ging Tala zwischen die beiden, „werden wir es also schaffen uns die nächsten 14 Stunden nicht auf die Nerven geschweige denn an den Hals zu gehen?“

In diesem Moment rannten mehrere Kinder an ihnen vorbei und sammelten sich vor einem gerade frisch aufgehängten Plakat. Die Blitzkrieg Boys sahen dem Spektakel kurz nach bevor Bryan ziemlich angepisst von sich gab: „Sind...die grade wirklich einfach so an uns vorbei gerannt?“

„Warum nicht?“

„Hallo? Wir sind die Blitzkrieg Boys! Zweite beim Weltmeisterschaftsturnier!“

„Das ist doch schon wieder 4 Tage her...“

„Hallo??“

Tala ging ohne etwas zu sagen auf die Menschenansammlung zu und guckte über deren Köpfe hinweg auf das Plakat. Bryan und Spencer traten neben ihn und bemerkten sofort die eisige Aura, welche ihren Teamchef umgab.

„Jungs...“, raunte Tala und senkte den Kopf, „ich glaube, dass Luna noch ein wenig warten muss...“

Die anderen beiden guckten auf das Plakat und erstarrten zu Salzsäulen. Als sich der Rotschopf wieder zu ihnen umdrehte hatte er diesen irren Ausdruck von purem Hass in seinen Augen.

„BEGA…? Was soll das bitte sein?“

Eines der Kinder drehte sich zu Spencer um und starrte ihn für eine Sekunde lang fassungslos an.

„Oh mein Gott!! Die Blitzkrieg Boys!“, rief er dann verzückt aus und sämtliche Kinder drehten sich ebenfalls um.

Spencer warf Bryan einen vielsagenden Blick zu, während sein Kollege stolz das Kinn hob und die Brust raus streckte.

„Na?“, kicherte Spencer, „zufrieden?“

„Auf jeden“, prahlte Bryan und rieb sich die Nase mit dem Zeigefinger.

„Leute...“

Die beiden blickten zu ihrem Teamchef, welcher erneut Richtung Plakat sah.

„Willst du das wirklich machen, Tala?“, erkundigte sich der Riese unschlüssig, „wir könnten auch einfach gehen...“

„...damit er die Träume von weiteren jungen Nachwuchs Bladern zerstören kann?“, fauchte der Rotschopf und funkelte seinen Kollegen finster an, „hast du wirklich schon vergessen, was Boris uns angetan hat?“

„Nein“, sprach Spencer ernst aus, „das habe ich nicht.“

„Keiner von uns“, bestätigte Bryan.

„Dann lasst uns die Sache beenden...ein für alle Mal!“
 

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Ein schrilles Klingeln ließ Luna im Bett hochschrecken. Sie rieb sich die Ohren, welche einen hellen Ton von sich gaben, während durch die kleinen Schlitze der Jalousien gedämmtes Sonnenlicht drang. Das Mädchen seufzte tief und schälte sich aus dem Bett, nachdem sie Louis‘ Arm von ihren Beinen auf seine Seite gelegt hatte.

„Stehst du schon auf?“, gähnte er und öffnete die Augen nur minimal.

„Es hat an der Tür geklingelt...“, gab Luna im selben Tonfall von sich und kratze sich den Kopf, während sie zur Tür ging.

Der Postbote grinste amüsiert, als sie ihm öffnete: „Hab ich Sie geweckt?“

„Macht nichts...“, grinste sie zurück.

„Hier unterschreiben...danke! Schönen Tag noch!“

Luna zerrte den Karton in die Wohnung und schmiss sich wieder neben Louis ins Bett.

„Die neue Matratze ist der Hammer“, gurrte der Junge neben ihr.

„Ich hab geschlafen wie ein Stein...“

„Hab ich gemerkt.“

„Hm?“

„Ich war vorhin schon mal auf und bin über dich drüber gekrabbelt. Du hast keinen Mucks von dir gegeben...“

Luna kicherte und erkundigte sich, ob er auch einen Kaffee trinken wollte. Doch anstatt eine Antwort zu geben schlang Louis erneut einen Arm um sie und zog Luna zu sich runter.

„Ich will kuscheln...“, knörte er, „außerdem ist Sonntag!“

„Heute Abend soll das Flugzeug der Blitzkrieg Boys landen...“

„Du hast die Bude schon zwei Mal durch geputzt! Eingerichtet ist auch alles. Entspann dich.“

Luna ließ den Kopf wieder ins Kissen fallen und atmete tief ein und aus.

„Du willst unbedingt einen Kaffee, hm?“

Sie murmelte irgendwas völlig unverständliches vor sich her, was Louis nur noch mehr kichern ließ. Er schwang sich über sie, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und rollte sich schließlich elegant aus dem Bett. Sekunden später konnte Luna bereits das zischen und rattern der Kaffeemaschine hören. Genüsslich streckte sie sich auf der Matratze und grinste über beide Wangen, bis der Junge mit zwei Tassen und einer Bäckertüte auf einem Tablett wieder ins Zimmer watschelte. Er überreichte seiner Freundin ihre Tasse und steckte ihr ein Quarkbällchen in den Mund.

„Guten Morgen“, grinste er breit und nippte am Kaffee, während Luna mit vollem Mund zu lachen begann, „was steht heute auf dem Plan?“

Luna kaute gierig das Quarkbällchen klein und schluckte, trank einen großen Schluck Kaffee und strich sich die Haare aus dem Gesicht.

„Abgesehen davon, dass ich die Jungs heute Abend vom Flughafen abholen soll? Ich muss noch einkaufen, duschen gehen, ein kleines Abendessen organisieren...“

„Wie viel willst du denn noch einkaufen? Der Kühlschrank platzt bald aus allen Nähten!“

Luna hielt inne und legte den Kopf schief: „Gar nicht...wahr...“

„Klar muss man für 5 Personen mehr Essen und Getränke kaufen. Aber du kommst vor lauter Sixpacks nicht mal mehr auf den Balkon. Die werden heute nichts mehr machen, außer hier ankommen und dann schlafen wollen.“

Luna setzte einen Schmollmund auf und nippte am Kaffee. Louis seufzte und fuhr sich mit der Hand angestrengt durch die Haare.

„Wieso streiten wir seit zwei Tagen immer wieder?“

„Tun wir doch gar nicht.“

„Neiiiiiin.“

„Tun wir echt nicht!“

„Seit die Meisterschaft vorbei ist hockst du wie auf heißen Kohlen und deine Nerven liegen blank...lass das bitte in Zukunft nicht mehr an mir aus.“

Luna hob wortlos die Hände in Abwehrstellung und schob sich noch eines der Quarkbällchen in den Mund. Louis trank seinen Kaffee leer und zog sich seine Jeans über.

„Du gehst?“, erkundigte sie sich.

„Ich muss auf Arbeit.“

Mit diesen Worten ging er aus ihrem Zimmer und kurz darauf fiel das Schloss der Wohnungstür ins Schloss.
 

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„Der angerufene Teilnehmer ist zur Zeit leider nicht erreichbar, bitte versuchen Sie es später wieder“, laberte die Frau auf Talas Mailbox ihren Standartsatz runter.

Luna seufzte tief und legte ihr Handy weg. Seit gut einer Stunde versuchte sie einen der Jungs zu erreichen. Vergebens. Vorher hatte sie es bereits schon mal probiert, dennoch bei der BBA, wo komischerweise eine Frau ans Telefon ging und sich mit „BEGA“ meldete.

„Oh...tut mir leid. Ich dachte ich habe die richtige Nummer gewählt“, hatte sich das Mädchen entschuldigt.

„Kein Problem“, kicherte die Frau am anderen Ende ins Telefon, „kann jedem mal passieren.“

Daraufhin war Luna an die Pinnwand in der Küche gegangen, um den Zettel zu suchen, welchen ihr Spencer damals dagelassen hatte. Dort musste die Telefonnummer der BBA drauf stehen. Nachdem sie die Zahlen eingetippt hatte überprüfte sie sie noch ein paar Mal. Doch…, dachte sich das Mädchen, ich habe alles richtig eingegeben. Kurz darauf ertönte wieder die freundliche Stimme der Dame: „Hallo. Herzlich Willkommen bei der BEGA. Was kann ich für Sie tun?“

„Jetzt zweifle ich langsam an meinem Verstand!“, stutzte Luna, „ich kann mir diesen Zufall leider nicht erklären, aber ich war der Meinung, dass ich die Nummer der BBA gewählt habe?“

„Das kann ich Ihnen sagen!“, kicherte die Frau erneut, „die BBA gibt es seit kurzem nicht mehr und wurde von der BEGA ersetzt.“

„W...was?!“

„Mr. Dickenson ist in den Ruhestand gegangen.“

„A...aber...wer verwaltet jetzt das alles?“

„Herr Boris Balkov.“

Luna fuhr ein kalter Schauer über den Rücken. Ihr fiel vor lauter Schreck beinahe das Handy aus der Hand, während sie fassungslos die Wand anstarrte, wo ein Foto von ihr und den Jungs hing. Sie hatten es an ihrem Geburtstag aufgenommen.

„Könnten...könnten Sie mir bitte eine Auskunft geben…?“, flüsterte das Mädchen beinahe, „es betrifft ein gewisses Team von Bladern.“

„Ich werde es gerne versuchen.“

„Kann es sein...das die Blitzkrieg Boys vor einigen Tagen in Ihrem Unternehmen aufgetaucht sind…?“

„Tala Iwanov? Der war hier.“

Wieder durchfuhr Luna ein kalter Schauer und sie hatte große Mühe sich auf den Beinen zu halten.

„Wissen...wissen Sie...“, jetzt versagte ihre Stimme und sie hielt sich die Hand vor dem Mund, damit niemand ihr Schluchzen hören konnte.

„Tala Iwanov und sein Team bestritten auf eigenen Wunsch hin ein Match gegen ein vorläufiges Team der BEGA und haben verloren. Sie wurden alle drei ins örtliche Krankenhaus eingeliefert und werden dort versorgt.“

„K...KRANKENHAUS? ÖRTLICH?“

„Ja. Kein Grund mich gleich anzuschreien.“

„Haben Sie eine Nummer des Krankenhauses?“

Die Frau wühlte den Geräuschen im Hintergrund zufolge nach ein paar Zetteln und gab schließlich Luna eine Durchwahl. Ohne sich zu bedanken legte Luna auf und wählte die neue Nummer.
 

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Kai Hiwatari legte mit einem tiefen Seufzer seine Hand auf die massive Türklinke und drückte diese nach unten. Das beinahe schon antike Holz schob sich mühselig über den weiß gefliesten Boden und gab ächzende Geräusche von sich. Dies blieb natürlich nicht unbemerkt und die Personen, welche sich gerade im Salon befanden drehten wandten sich alle Kai zu. Er hielt angespannt inne, woraufhin eine ältere Dame sich von der Gruppe mit freudig ausgebreiteten Armen ihm näherte.

„Kai...“, lächelte sie und umarmte ihn, nachdem sie einen leichten Kuss auf seine Wange gegeben hatte, „es freut mich so sehr, dass du gesund zurückgekommen bist!“

„Es freut mich auch dich wieder zu sehen, grand-mère.“

„Lass dich mal ansehen!“, strahlte sie, „du bist so erwachsen geworden...mit so einem hübschen jungen Mann als Enkel kann ich vor meinen Freundinnen richtig angeben!“

Ein leichtes Lächeln machte sich auf Kais Gesicht breit, während er sich mit einer angemessenen Geste bedankte. Seine Oma legte einen Arm um seine Schultern und zog ihn einfach mit Richtung Glasfront, welche zum Garten führte.

„Ihr habt ihn später für euch ganz alleine“, kicherte die Frau, als sie an Daniellé, Trudie und Voltaire vorbeiging, „ich hab ihn zuerst gesehen.“

„Odette…!“, murrte der alte Mann neben Kais Vater ihnen noch hinterher, doch sie zerrte Kai einfach mit und überhörte ihren Gatten elegant.

Über die großzügige geschwungene Treppe gingen die beiden in den prachtvollen Garten, welcher gerade in voller Blüte stand. Mittlerweile hatte sich Kais Oma bei ihm eingehakt und so schlenderten sie gemütlich auf eine alte Trauerweide zu, welche nahe eines Sees stand.

„Ist es nicht schön hier? Ich liebe den Sommer...“, schwärmte Odette.

Kai schwieg und genoss einfach nur die Aussicht. Wie sehr hatte er diesen Garten als Kind geliebt…Vielleicht war er für einen Landsitz wie diesen etwas klein geraten, dies machte ihn dafür umso übersichtlicher. An der Trauerweide angekommen setzte sich Odette auf die Steinbank und tätschelte mit ihrer Hand auf den freien Platz neben sich.

„So schön ruhig...du liebst die Ruhe, habe ich Recht?“

„Es tut gut...immer mal wieder...abschalten zu können“, gestand er.

„Da hast du vollkommen Recht“, stimmte die Frau zu, „dennoch solltest du deinen Egoismus in nächster Zeit etwas zügeln...“

Kai sah sie verwundert an, während Odette ihm ein strenges Lächeln schenkte, woraufhin der Junge tief seufzte.

„Ich weiß...die Etikette verlangt es...“, stöhnte er schon fast.

„...und dennoch tust du viel Gegensätzliches. Du hattest schon immer einen Drang zur Rebellion, deshalb hast du dich auch mit Adrian Dejeaun so gut verstanden.“

„Kommst du mir jetzt ernsthaft mit den alten Geschichten?“, wollte Kai wissen und verdrehte gespielt die Augen.

„...allein auf die Idee zu kommen, Waschpulver in den Brunnen zu kippen...“

„Ja...da war was...“

„Dein Großvater war außer sich“, erinnerte sich Odette.

„Ja“, bemerkte Kai tonlos, „da war auch was...“

„Ich...ich würde so gerne so vieles rückgängig machen, was er dir angetan hat…“, gestand sie traurig und streichelte ihrem Enkel ein paar Mal fürsorglich über den Kopf, „und dennoch ist aus dem kleinen Rotzlöffel ein ansehnlicher junger Mann geworden...“

„Du...wirst sentimental…?“

Odette lachte kurz auf und nickte: „Auch ich habe meine Momente...“

Sie saßen für ein paar Minuten still schweigend nebeneinander und lauschten dem Wind, welcher durch die Trauerweide wehte, dem Plätschern des Wassers, wenn die Enten sich darin zankten. Als plötzlich vor ihren Füßen eine kleine Graugansfamilie spazierte zog Kai verzückt einen Schmollmund. Odette bemerkte dies und lächelte erneut traurig.

„Es...es kommen demnächst sehr viele...Verpflichtungen auf dich zu...“

„Ich weiß.“

„Du wirst dem auch ohne Murren nachkommen?“, wollte sie überrascht wissen.

„Das war der Deal“, bemerkte Kai und schmunzelte, „ich darf ein letztes Mal an der Beyblade Meisterschaft teilnehmen und nehme danach meinen Platz in der Familie ein.

„Ist das so?“

Odette hob erstaunt ihre Augenbrauen.

„Ja...ich muss zugeben, dass ich es vermissen werde...sehr sogar.“

„Mirka ist ein sehr liebes Ding. Sie wird es dir für eine kleine Gegenleistung sicherlich nicht verbieten“, schmunzelte Kais Oma.

Für einen kurzen Moment hielt Kai inne und blickte seine Großmutter mit zusammengezogenen Augenbrauen an.

„Bitte?“, fragte er ungläubig, als es geklickt hatte.

„Hat lange genug gedauert“, lächelte sie, „wie schon gesagt Kai...Verpflichtungen kommen auf dich zu...“

In diesem Moment erschien Voltaire und Daniellé mit einigem Abstand zu den beiden, doch Kais Großvater konnte es sich nicht nehmen lassen zu räuspern. Odette und Kai seufzten beide schwer.

Die Frau ließ sich von ihrem Enkel von der Steinbank aufhelfen, dann schlenderten die beiden zu den Männern.
 

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„Ich hab Angst man...“, bemerkte Bryan, während er auf dem Flur des Krankenhauses auf und ab lief, „sie reißt uns die Köpfe ab...wir hätten uns wirklich bei ihr melden sollen!“

Spencer zog schmerzerfüllt die Augenbrauen zusammen und rieb sich die Schläfen. Vor 12 Stunden war Tala hierher verlegt worden, nachdem sein Zustand wieder als stabil befunden wurde..Da jedoch weder Spencer noch Bryan wussten, wo die neue Wohnung lag hatten sie ebenfalls im Krankenhaus übernachtet. Vor ein paar Minuten war der hiesige Arzt in Talas Zimmer gegangen, um ihn ebenfalls noch einmal durch zu checken, weshalb die anderen beiden auf dem Flur warten sollten.

„Wir sind so tot!“, stammelte Bryan.

„Hock dich endlich hin!“, brummte Spencer bedrohlich und guckte seinen Teamkollegen finster an, „du machst mich nervös.“

Der Junge blieb abrupt stehen und traute sich keinen weiteren Schritt zu gehen. In diesem Moment trat der Arzt wieder aus Talas Zimmer und klemmte sich seine Akte unter den Arm: „Ihr Jungs macht keine halben Sachen, hm?“

Spencer und Bryan sahen ihn verwundert an.

„Sie...Sie sind Kais Vater, oder?“

„Anwesend“, grinste Daniellé, „und wie geht‘s euch? Alles in Ordnung?“

„Ähm...ja…?“

„Dein Bengel hätte uns auf jeden Fall Bescheid sagen können, dass er ohne uns abfliegt!“, brummte Bryan, „wir hätten seine Unterstützung gut gebrauchen können!“

In diesem Moment trag Kai hinter seinem Vater hervor und blickte Bryan vielsagend an. Da er ein weißes Hemd mit einer dunklen Jeans trug und seine Gesichtsbemalung fehlte brauchte der Blitzkrieg Boy einen Moment, bis er ihn erkannte.

„Wo kommst du denn jetzt her?!“

„Ich war bei Tala.“

„Wieso war er mit bei Tala?“, fragte Bryan an Spencer gewandt, doch dieser zuckte nur mit den Schultern.

„Ich habe mich bei ihm entschuldigt“, gestand Kai monoton, „außerdem habe ich meinen Teil der Unterstützung dazu beigetragen die BEGA zu zerstören.“

„Hast du?!“, wollte Bryan angriffslustig wissen und trat Kai bis auf kurze Distanz gegenüber.

„Ja. Hat er...“, ertönte plötzlich eine Frauenstimme.

Der Junge guckte zu Mirka runter, welche ebenfalls in Angriffsposition gegangen war und ihn herausfordernd mit ihren hellgrauen Augen an funkelte.

„Gut siehst du aus, Mirka“, versuchte Bryan abzulenken.

Sie knurrte irgendetwas aus russisch zu ihm und stemmte immer noch uneinsichtig die Hände in die Hüfte, nachdem sie sich zwischen Kai und Bryan gezwängt hatte.

„Hübsche Kette“, versuchte er es erneut.

Um ihren Hals hing ein schmales Kettchen mit einer roten Metallfeder als Anhänger.

„Danke. Trotzdem bist du ein Arsch.“

Bryan hob abwehrend die Hände, als er plötzlich schnupperte. Sein Blick traf Kais Augen und er sah ihn fragend an: „Trägst du Parfüm?“

„Ja.“

„Seit wann?“

„Privat schon immer...“

„Problem?“, erkundigte sich Mirka.

„Mensch Mädchen! Is gut jetzt! Du bist beinah schon so angriffslustig wie ich!“

Kai musste sich anstrengen, um nicht zu kichern. Stattdessen legte er den Arm um seine Verlobte und zog sie zaghaft, wenn auch bestimmend mit sich.

„Ich bin noch nicht mit dem da fertig!“, beschwerte sie sich und versuchte den Arm von sich zu lösen.

„Doch du bist fertig...“, schmunzelte der Junge, „wir kaufen dir zur Abkühlung ein Eis!“

Noch bevor sich Mirka erneut beschweren konnte warf Kai sie sich geschickt über die Schulter und verschwand um die nächste Ecke.

„Und...ich dachte immer, dass das hier ein Krankenhaus wäre“, murmelte Daniellé und sah sich zweifelnd um.

„Ähm...“, meldete sich Spencer vorsichtig zu Wort, „wann...können wir…?“

„Ach so...Tala wartet bereits auf euch“, grinste Danny.

„Spencer! Bryan!“, rief plötzlich eine Frauenstimme.

Die Jungs drehten sich um und erblickten Luna, wie sie auf sie zueilte.

„Wir...sind...so...tot...“, raunte Bryan und ließ die Schultern schon hängen.

Doch zu seiner Überraschung fiel Luna ihm und Spencer um den Hals und drückte sie so fest es ihr möglich war an sich.

„Was zum…?“

„Oh Jungs...“, lachte sie mit einem unterdrückten Schluchzen, „ich habe euch endlich wieder...“

Daniellé beobachtete das Schauspiel kurz und lächelte: „Stirbst du immer noch?“

Kapitel 17

„Du musst doch nicht immer gleich ausflippen, wenn Bryan und ich uns mal zanken“, lächelte Kai müde und sah zu Mirka, welche eingeschnappt an ihrem Eis leckte, „ich kann gut auf mich selber aufpassen...“

Sie schwieg ihn weiter an. Nachdem sie eine Weile schweigend nebeneinander spaziert waren ergriff Kai plötzlich ihre freie Hand und zog sie sanft, dennoch bestimmend mit in eine komplett andere Richtung.

„Hey!“, beschwerte sie sich, „wo willst du hin?“

„Ich will dir was zeigen.“

Erst jetzt realisierte Mirka, dass Kai von sich aus ihre Hand genommen hatte und diese immer noch hielt. Ihr Herz machte wilde Freudensprünge. Er hatte so viel Kraft und Stärke während der Meisterschaft bewiesen, und doch fühlte sich sein Griff jetzt so sanft, ja schon beinahe liebevoll an.

„Du hast kalte Hände“, bemerkte sie kaum hörbar.

„Schlimm?“

Natürlich hatte er es gehört! Mirka erinnerte sich in Gedanken daran, dass der Kerl vor ihr Fledermausohren haben musste! Anders ließ sich das gar nicht erklären!

„Es ist angenehm...“, schmollte sie, festigte jedoch ihren Griff, woraufhin Kai noch mehr schmunzeln musste.

Geschickt schlängelte er sich und Mirka durch die Fußgängerzone, darauf achtend, dass sie ihr Eis weiter essen konnte. Als er es hinter sich bereits eifrig knabbern hören konnte beschleunigte Kai kurz seinen Gang und zog an ihrer Hand, damit er und Mirka auf einer Höhe gingen. Sie funkelte ihn mit ihren hellen Augen an, biss ein weiteres Stück Waffel ab und tat erneut auf beleidigt.

„Du hättest auch was sagen können“, beschwerte sie sich.

„Hätte ich, ja“, bemerkte er und hielt ihrem Blick stand, „darf ich dich daran erinnern, mit wem du gerade unterwegs bist?“

„Mit meinem Verlobten“, grinste das Mädchen schief, „mit dir, mein Schatz.“

Kai blieb auf der Stelle stehen und guckte sie groß an. Mirka hatte schon Angst, dass sie alles vermasselt hätte, doch da nickte ihr der Junge bereits zu und entgegnete: „Touché!“

„Echt jetzt?“

Ohne eine weitere Antwort zu geben schritt Kai einfach fort, Mirka immer noch an seiner Hand und bog in eine kleine Gasse ab.

„Fällst du jetzt über mich her?“

„Muss ich dafür erst mit dir in eine dunkle und menschenleere Gasse gehen?“, fragte er und zog eine Augenbrauen argwöhnisch zusammen.

Mirka zog dezent den Kopf ein und guckte sich vorsichtig um. Kai musste sich ein breites Grinsen verkneifen.

„Na komm schon...wir sind gleich da.“

„Wohin gehen wir? Was willst du mir zeigen, Kai?“

„Siehst du gleich.“

Sie traten wieder auf eine belebtere Straße, wo Mirka erst einmal tief durchatmete, während ihr Begleiter ein paar Schritte weiter ging und dann schließlich stehen blieb. Das Mädchen trat neben ihn und nickte ihn fragend zu.

„Wir sind da.“

„Ich brauche ein Navi, um wieder zurück zu finden“, beschwerte sie sich und blickte in die Schaufenster, „Kai…?“

„Du hattest dich beschwert, dass du noch nicht dein perfektes Brautkleid gefunden hast“, bemerkte er und zeigte auf die ausgestellten Modelle, „das hier ist das beste Geschäft der Stadt für Braut- und Abendmode.“

„A...a...aber...woher willst du das wissen? Du trägst doch gar keine Kleider! Und so viele Mädchen hast du nun auch wieder nicht im Bekanntenkreis!“

„Ich hab recherchiert“, grinste er verschmitzt, „willst du mal reingehen? Ich würde hier draußen auf dich warten.“

„Ähm...“, zögerte Mirka und warf erneut einen Blick in die Schaufenster, „also...ich...“

„Ich weiß doch, dass du nicht willst, dass ich dich vor der Hochzeit in ‚deinem‘ Kleid sehe...du brauchst dir ja nicht gleich eines aussuchen. Von mir aus kannst du heute auch nur gucken?“

„Am liebsten würde ich dich jetzt einfach abknutschen!“, jauchzte Mirka und funkelte aufgeregt mit ihren Augen.

„Schon mal üben vor dem großen Tag, hm?“, grinste Kai.

„Wie…? Du wehrst nicht ab?“, erkundigte sie sich verwundert, doch da war der Junge schon ganz dicht an seine Verlobte getreten und hauchte ihr einen sanften Kuss auf die Wange.

„Viel Spaß“, flüsterte er Mirka ins Ohr, während sie knallrot im Gesicht anlief und ihre Hand auf die Stelle legte.
 

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Tala rutschte das Herz augenblicklich in die Hose, als er Luna im Türrahmen seines Krankenzimmers bemerkte. Sie blieb für einige Sekunden da stehen, Spencer und Bryan standen hinter ihr und lugten ebenfalls ins Zimmer. Der Rotschopf warf ihnen fragende Blicke entgegen, doch sie zuckten nur mit den Schultern und hoben überfordert die Hände. Tala ließ mit einem entnervten Seufzer den Kopf wieder ins Kissen sinken, in der Zwischenzeit kam Luna langsam an sein Bett und beäugte ihn von oben bis unten.

„Noch alles dran...“, kommentierte der Junge tonlos, da er ihren Blick gerade nicht wirklich zuordnen konnte.

„Du...IDIOT!“

Die drei Jungs zuckten allesamt zusammen, während Daniellé sich erneut umsah und „Krankenhaus…?“ murmelte. Luna ergriff Talas Hand und drückte sie feste.

„Ich hab mir solche Sorgen gemacht! SORGEN! Ihr wart nicht erreichbar und die BBA gab es nicht mehr und diese Tussi von der BEGA sagte nur Krankenhaus!“

Der Junge, welcher im Bett lag starrte sie fassungslos an, musste schließlich doch grinsen und erwiderte ihren Händedruck.

„Es wird nicht wieder vorkommen...tut mir leid, Luna...“, versprach Tala und zog sie an sich, damit er das Mädchen umarmen konnte.

Er streichelte ihren Rücken und murmelte noch ein paar Wörter, die die anderen jedoch nicht hören konnten.

„Er bleibt nur noch ein paar Tage zur Beobachtung bei uns...ich denke Freitag kann er wieder nach Hause“, erklärte Daniellé Bryan und Spencer, „die meisten seiner Verletzungen sind gut abgeklungen.“

„Gibt es keine Möglichkeiten...seine Entlassung zu beschleunigen…?“, fragte Spencer.

„Gibt es schon. Er kann sich auf eigene Gefahr hin selber entlassen.“

„Komm, Tala! Wir packen deine Sachen und nehmen dich gleich mit!“, strahlte Bryan und machte sich bereits am Schrank zu schaffen.

„Ich bleibe.“

„WAS?“

„Ich bleibe...zumindest noch zwei Tage...“, entgegnete Tala und seufzte schwer, „ich habe immer noch Kreislaufprobleme und mein Handgelenk ist nach wie vor geschwollen. Und Bryan, wenn du jetzt sagst, dass ich weniger wichsen soll, reiß ich dir die Rübe ab!“

Der Teamkollege hielt die Luft, welche er gerade übereifrig eingesogen hatte im Mund und blies sie unter dem strengen Blick seines Chefs wieder langsam aus und guckte niedergeschlagen. Spencer tätschelte ihm aufmunternd auf die Schulter und stellte Talas Tasche wieder zurück in den Schrank.

„Wir holen dir einen Eistee, Bryan...kommst du mit, Luna?“

„Gleich! Ich muss sichergehen, dass der da nicht nochmal auf so eine waghalsige Idee kommt“, grinste sie und funkelte Tala finster an.

„Ne, da bin ich ganz froh, wenn wir aus dem Schneider sind“, grinste der Riese und zog Bryan mit sich mit, bevor Daniellé die Tür hinter ihnen schloss.

„Ziehst du mir jetzt die Ohren lang?“, erkundigte sich der Rotschopf vorsichtig, nachdem das Mädchen ihn immer noch böse ansah.

Anstatt ihm zu antworten nahm Luna sein Gesicht zwischen ihre Hände und küsste ihn innig auf die Lippen. Tala zuckte auf Reflex, sie könnte ihm im letzten Moment doch noch eine Kopfnuss geben ein paar Millimeter zurück, entspannte jedoch deutlich, als er ihre warmen Lippen auf seinen spürte.

„Das hab ich so vermisst...“, seufzte sie glücklich und streichelte über seine Wange, „ich habe dich vermisst.“

„Luna...“

„Ich weiß. Blabla keine Gefühle, blabla versprich dir nicht zu viel, blablabla. Richtig?“

Tala legte herausfordernd den Kopf schief und grinste schelmisch.

„So höre ich mich aber nicht an“, beschwerte er sich belustigt.

„Stimmt. Normalerweise klingst du viel knöriger“, kicherte Luna zurück, „trotzdem habe ich dich vermisst. Euch alle...“

„Ich bin wegen einer Halluzination von dir in den Pool gefallen.“

„What?“

„Jupp. Bryan wollte schon Mund-zu- Mund machen, doch zum Glück bin ich vorher wieder aufgewacht.“

Das Mädchen starrte ihn fassungslos an.

„Ich wollte dir damit sagen, dass ich dich auch vermisst habe“, gestand Tala und streichelte ihre Hand, „mehr, als ich mir selbst eingestehen wollte.“

„Du hast eine komische Art, mir deine Gefühle zu zeigen.“

„Oh keine Sorge“, schmunzelte der Rotschopf und zog ihr Gesicht langsam zu sich herunter, „das kann ich noch viel besser...“

Er saugt ihre Unterlippe an und fuhr mit seiner Zungenspitze zärtlich darüber, unterdessen fuhr er mit seiner Hand an ihrer Kopfhaut durch die Haare, um Luna am Hinterkopf noch näher zu sich zu drücken. Behutsam schob er seine Zunge zwischen ihre Lippen hindurch, massierte ihren Nacken inzwischen hatte sich das Mädchen weiter über ihn gebeugt. Gerade in dem Moment, als die Küsse der beiden inniger und die Griffe verlangender wurden sprang die Tür zu Talas Krankenzimmer auf.

„Ist...das...der neue Service der Krankenschwestern?“, fragte eine Frauenstimme belustigt.

Die beiden schreckten hoch und starrten die Frau mit weit aufgerissenen Augen an. Während Luna noch überlegte, woher sie sie kannte wurde Tala noch blasser als sonst schon.

„Rachel?“, entwich der Name seinen bebenden Lippen.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Voltaire stand auf der obersten Stufe der Veranda und beobachtete, wie Kai und Mirka zusammen durch den Garten des Hiwatarianwesens spazierten. Sie hatte sich bei ihm eingehakt und strahlte über ihr komplettes Gesicht und auch er sah sehr zufrieden aus.

„Folgst du mir auf Schritt und Tritt, nur um mich zu überwachen?“, raunte Voltaire an die Person, welche hinter ihm stand, „wie lange wirst du das durchhalten?“

„Solange, wie du ihn so anstarrst“, entgegnete Daniellé gereizt und trat jetzt nach vorne neben seinen Vater.

Auch er folgte den beiden mit seinen Blicken, jedoch auf eine ganz andere Art. Voltaire schielte nur aus dem Augenwinkel zu ihm rüber, sagte jedoch nichts mehr. Mirka kicherte hier und dort mal auf, Kai bemühte sich ihr ein Lächeln zu zeigen, auch wenn er ganz genau wusste, dass sie beobachtet wurden.

„Hast du auch nur einen Hauch Ahnung, wie viele Medikamente nötig waren um ihn wieder so hinzubekommen?“, fragte Daniellé plötzlich, ohne seinen Vater dabei anzusehen, „nachdem, was du ihm alles angetan hast?!“

Voltaire schwieg weiterhin und sah den beiden anderen immer noch zu, wie sie durch den Garten schlenderten.

„Ich...ich habe dir mein Kind und meine Frau anvertraut! Meine Familie! Und du hast alles kaputt gemacht!“, fauchte Kais Vater jetzt gefährlich.

„Sie war keine von uns“, erwiderte der alte Mann, „sie IST keine von uns!“

„Als wäre ich der erste in diesem bekloppten Clan gewesen, der eine Außenstehende heiratet!“, lachte Danny ironisch.

„Du hast damit beinahe mein Lebenswerk ruiniert! Und dann wirst du auch noch Arzt, anstatt dich mit mir in der Firma um unsere Zukunft zu kümmern!“

„Lieber in der Hölle regieren, als im Himmel zu dienen, weißt du noch? Deine Worte, Vater!“

„Damals habe ich nie daran gedacht, dass du mir jemals so in den Rücken fallen würdest!“

„Ich bin dir nie in den Rücken gefallen. Ich habe nur meinen Weg gewählt. Meine eigenen Entscheidungen getroffen, mit denen du nicht einverstanden warst. Du hast Trudie immer ignoriert und Kai psychisch so kaputt gemacht, dass ich ihn beinahe einweisen musste!“

Voltaire lachte jetzt höhnisch auf und blickte Daniellé zum ersten Mal seit Beginn der Konversation an.

„Stattdessen lässt du mich einweisen...“, raunte er und guckte finster, „ich habe ihn nicht kaputt gemacht, ich habe ihn zu einem Mann erzogen!“

„Zu einem Frack! Mit massiven Schlafstörungen und Albträumen!“

In diesem Moment trat Odette auf die Veranda und ging gezielt auf die Männer zu: „Schluss jetzt.“

„Nicht jetzt, Mutter!“, brummte Danny, „du kannst dieses Gespräch nicht immer weiter herauszögern.“

„Oh doch, ich kann!“, bestimmte sie in einem ruhigen, dennoch strengem Ton, „...und ich werde. Ich bin deine Mutter und solange ich noch Lebe wirst du auf mich hören, Daniellé.“

Kais Vater sog scharf die Luft ein und hielt den Blicken Voltaires stand.

„Was ist da oben los?“, erkundigte sich Mirka, als sie aus sicherer Entfernung Richtung Veranda gingen.

Dem Jungen neben ihr zog es den Magen zusammen und seine Nackenhaare stellten sich auf, während er die Szene beobachtete, welche sich darbot. In dem Moment, als Kai auf seinen Vater zugehen wollte gab dieser ihm ein kaum sichtbares Handzeichen. Abrupt blieb der Junge stehen und knirschte mit den Zähnen.

„Kai? Alles in Ordnung?“, fragte Mirka vorsichtig.

„Natürlich“, lächelte er ihr mit gespielter Mine zu, „komm mit. Wir gehen zu meinem Lieblingsplatz.“

„Au ja!“

Kurze Zeit später saßen sie nebeneinander auf der Steinbank, sowie Kai mit seiner Großmutter Odette vor einigen Tagen noch. Die Trauerweide spendete herrlichen Schatten, während die Nachmittagssonne auf den Teich schien. Mirka genoss die leichte Brise, welche immer wieder aufkam und fuhr sich entspannt durch die langen Haare.

„Kein Wunder, dass das dein Lieblingsplatz ist...“, schwärmte sie schließlich, „hier ist es so ruhig, dass es mir persönlich fast schon wieder unheimlich ist.“

Kai grinste sie an und blickte bei einem kleinen Quietschgeräusch Richtung des Teichs. Die Graugansfamilie watschelte wieder am Ufer entlang. Bei diesem Anblick stieß das Mädchen entzückende Geräusche aus und ging mit genügend Abstand vor ihnen auf die Knie.

„Oh...ihr seit ja süß!“

„Großmutter meint, dass dieses Paar seit acht Jahren hier brütet. Sie kommen jedes Jahr wieder und ziehen hier ihre Jungen groß.“

„Die sind ja putzig!“

Die Graugänse glitten mit ihren Jungen ins Wasser und schwammen dort gemütlich ein paar Runden. Mirka und Kai beobachteten sie mit einem Lächeln, während die Kleinen wilde Tänze auf dem Teich absolvierten.

„Wenn...wenn diese beschissene Regelung nicht wäre...“, fing das Mädchen plötzlich an und drehte den Kopf zu dem Jungen, „würdest du dann trotzdem Kinder wollen?“

„Seit wann kennst du solche Kraftausdrücke?“, grinste er und verschränkte die Arme über der Brust.

„Sei ehrlich.“

„Natürlich möchte ich Kinder...irgendwann...“

Ein tiefer Seufzer entwich seinem Mund und er blickte gen Himmel.

„...aber?“

„Wenn wir verheiratet sind stehen die doch in den Startlöchern und warten nur darauf. Es interessiert sie doch gar nicht, wie sehr wir dann unter Druck stehen! Ich hasse so was...“

„Wie würde denn dein Plan nach der Hochzeit aussehen?“

„Reisen...Erfahrungen sammeln...mit...dir...zusammen...ab 30 Kinder...arbeiten...“

Mirka lächelte Kai vielsagend an: „Das klingt...nach einem guten Plan.“
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Louis grüßte Bryan, Spencer und Luna in der Cafeteria des Krankenhauses und nahm neben seiner Freundin Platz. Diese blies in einer Tour Trübsal, schien nicht richtig anwesend zu sein.

„...was...was ist passiert? Geht es Tala nicht gut?“, erkundigte sich der Junge.

„Doch, doch...soweit geht‘s ihm gut.“

„Aber…?“

„Er hat grade Besuch.“

Louis blickte zu dem Mädchen neben sich, welche immer noch schmollte. Nachdem auch Bryan und Spencer nicht allzu gesprächig schienen entschloss Louis, dass er einen Vorschlag machen musste.

„Hey...ich fahr euch ins Sundays und geb euch Milchshakes aus. Dann in eure neue Wohnung. Ihr müsst ziemlich fertig sein?“

„Hört sich gut an...sehr gut!“, lächelte Spencer müde und raffte sich auf, „ich sitze vorne!“

„Na komm“, forderte Louis seine Freundin auf und reichte ihr die Hand, „dir kauf ich einen extra Schokomuffin!“
 

Rachel hatte sich auf einen Stuhl neben Talas Bett niedergelassen und blätterte in einer Zeitschrift, während er sie durchgehend beobachtete.

„Was machst du hier…?“

„Ich bin anscheinend immer noch als dein Notfallkontakt eingetragen“, meinte Rachel und sah auf, „und nachdem du anscheinend längere Zeit bewusstlos warst wurde ich angerufen. Hier bin ich.“

„Das...ist...alles?“

„Nun ja. Mich würde es schon interessieren, was du treibst, damit du im Krankenhaus landest...ich dachte immer, du hasst solche Einrichtungen?“

„Tu ich immer noch.“

„Aha. Und trotzdem liegt du vor mir in einem Bett mit knappen Hemdchen an“, kicherte Rachel und rollte die Zeitschrift zusammen.

„Boris war wieder da“, raunte er und krallte seine Finger in die Decke.

Rachel sah ihn mit ihren großen grünen Augen überrascht an und hielt lange inne.

„Ich...ich konnte nicht anders!“

„Du hast das Richtige getan, Tala. Nur...unüberlegt...“

„Anscheinend.“

„Ich habe da was in den Nachrichten gesehen...hätte aber nie gedacht, dass du darin verwickelt gewesen wärst!“

„Überraschung.“

Beide lachten kurz auf. Dann folgte wieder Schweigen zwischen ihnen. Nach einigen Augenblicken holte Rachel ein großes Kuvert aus ihrer Tasche und reichte es dem Jungen.

„...das ist die Bestätigung, dass ich nicht mehr als dein Notfallkontakt fungiere...“

Tala blätterte sich durch die Seiten, überflog einige Absätze, verzog dabei keine Miene. Rachel schmunzelte.

„Was geht in dir vor…?“

„Es gab mal eine Zeit, da hast du in mir lesen können, wie in einem offenem Buch“, gestand er und nahm den Kuli entgegen, welchen sie ihm reichte.

„Ja...die gab es mal...“

Tala übergab ihr das Kuvert und den Stift und nickte Rachel zu.

„War‘s das?“

„Ja.“

„Dann...dir alles gute.“

„Danke. Dir auch.“
 

„Bereit?“, grinste Luna breit, als sie und die Jungs vor der neuen Wohnungstür standen.

„Schokoladenmuffins bewirken bei ihr wohl Wunder?“, erkundigte sich Spencer bei Louis.

„Nö. Das tun sie bei allen Frauen.“

Sie schloss die Tür auf und ließ sie eintreten.

„Riecht nicht nach zu Hause“, gähnte Bryan niedergeschlagen und warf seine Reisetasche auf den Boden.

„Ich wusste nicht, auf welche Sorte Duftkerzen du stehst, sonst hätte ich dir welche angemacht.“

„Apropos!“

Der Junge erkundigte, wo sein neues Zimmer lag und eilte dort hin, riss die Tür auf und verfiel in schallendes Lachen.

„NICHT ROSA!“

Spencer ließ die Schultern hängen und blickte ihm mit einer vielsagenden Miene nach. Luna kicherte nur.

„Es ist nicht rosa!“, lachte Bryan immer noch und kam wieder zurück, „und! Ich habe ein Bett! Ein richtiges Bett!“

Der Riese guckte jetzt das Mädchen fragend an.

„Ein kleines Willkommensgeschenk“, lächelte sie und nahm ihn in den Arm...zumindest soweit sie konnte.

„Das ist so süß von dir!“

„Ich hoffe, dass ihr euch hier schnell einleben werdet“, entgegnete Louis und schlurfte an seinem Milchkaffee.

Bryan und Spencer nickten ihm dankend zu, dann spazierten sie durch die neue Wohnung und guckten sich alles an. Louis trat in der Zwischenzeit an Luna heran und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

„Alles wieder in Ordnung?“, erkundigte er sich.

„Ich...ich war...vorhin nur überrumpelt worden.“

„Okay…?“

„Keine Sorge...die Überdosis Schokolade darfst aber du ausbaden“, zwinkerte sie ihm zu.

Louis grinste breit und folgte Luna in ihr Zimmer.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Als Tala das erste Mal in die neue Wohnung kam schlief Luna gerade noch. Spencer und Bryan brachten ihn auf den neusten Stand, dass sie mittlerweile einen neuen Job hatte und ab sofort nachts arbeiten würde. Nach dieser Information hob Tala überrascht die Augenbrauen, erwiderte jedoch nichts. Anscheinend schien auch Louis des Öfteren hier zu übernachten, wenn er Spätschicht hatte und Luna anschließend von der Discothek abholte.

„...wir haben sogar eine Spülmaschine‘!“, jauchzte Bryan und zeigte in der Küche auf das Gerät.

„Kannst du sie denn schon bedienen?“, hinterfragte Tala und nippte an seinem Tee.

„Ne...noch nicht...“

„Sie hat sich wirklich um alles gekümmert“, bemerkte Spencer, „wir haben neue Betten, Kommoden...sogar eine komplett neue Couch! Wir müssen uns unbedingt bei ihr bedanken!“

„Naja...“, grinste Bryan schief, „jetzt wo sie anscheinend endgültig mit Louis zusammen ist, kannst du nicht mehr so einfach mit ihr schlafen...sonst hätte sich das ‚richtig bedanken‘ bereits erledigt.“

Tala warf seinem Teamkollegen einen vielsagenden Blick zu und zeigte eine gewisse Geste.

„Ich hab dich auch lieb, Rotkäppchen!“

„Was wollte Rachel eigentlich von dir?“, wechselte Spencer das Thema.

„Papierkram.“

„Sonst nichts?“

„Nein. Was hätte sie denn sonst bei mir gewollt?“

„Och...ist ja nicht so, als wären wir eben erst noch zweite bei der Weltmeisterschaf geworden...bin gespannt, wie lange es dauert, bis hier die ersten Fangirls wieder auftauchen...“, schmollte Spencer und rieb sich die Schläfen.

„Die Gegend hier ist um einiges ruhiger...“

„Apropos ruhig...“, sah sich Bryan um, „wo ist unser Herzensbrecher?“

Seine Teamkollegen blickten ihn fragend an, woraufhin der Junge enttäuscht die Augen verdrehte und die Hände in die Hüften stemmte.

„Kai!“

Spencer und Tala warfen sich immer noch einen fragenden Blick zu.

„Wir haben hier ‚nur‘ vier Zimmer. Wo wird er schlafen, falls er noch mal aufkreuzt?“

„Bei dir natürlich“, kicherte Luna, welche gerade in die offene Küche trat, „ihr habt euch doch so gerne.“

„Morgen.“

„Naja...14 Uhr am Nachmittag...“

„Für deine Verhältnisse.“

„Auch wieder wahr“, grinste sie und drückte sich einen Kaffee aus der Maschine, „und? Wie gefällt es dir?“

Tala sah zu ihr auf und machte eine willkommene Geste.

„Ich fühle mich schon fast wie daheim.“

„Das kommt noch. Immerhin besser als im Krankenhaus.“

„Allerdings.“

„Und wann feiern wir eure Ankunft?“, erkundigte sich das Mädchen und lehnte sich gegen die Kochinsel.

„Kannst du überhaupt noch in die Disco gehen, wenn du mittlerweile in einer arbeitest?“

„Immer!“

„Wochenende wird bei deinem Terminkalender wohl eng werden“, überlegte Spencer.

„Hey. Die Meisterschaft ist rum! Ihr habt momentan alle Zeit der Welt.“

„Du willst unter der Woche weggehen?“

„Warum denn nicht? Außerdem ist dann entweder der Eintritt oder die Getränke billiger.“

„Tatsache?“

„Tatsache. Zudem können wir dann auch gleich...wie hast du ihn noch eben genannt…? Casanova?“

„Herzensbrecher?“

„Genau! Kai hat jetzt im August Geburtstag. Mehrere Fliegen mit einer Klappe.“

Die Blitzkrieg Boys sahen einander an. Eine schlechte Idee war es auf keinen Fall. Sie nickten Luna zu, welche triumphierend an ihrem Kaffee nippte.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Natürlich bemerkte Tala schon am nächsten Tag, wie ihm Luna elegant aus dem Weg ging. Sie vermied es, alleine mit ihm in einen Raum zu sein, Zigaretten schnorrte sie sich auch nicht mehr. So hatte er sich seine Rückkehr nun auch wieder nicht vorgestellt! Heute zum Beispiel war er frisch aus der Dusche gestiegen und nur in Shorts rumgelaufen, wobei er im Wohnzimmer mit ihr zusammen stieß. Normalerweise hätte sie ihn angesabbert und ein paar Kratzspuren auf seinem Rücken hinterlassen.

„Oh, hi!“, hatte sie ihn diesmal gegrüßt und war weiter ihrer Wege gegangen.

Tala stand fassungslos da und hob ungläubig die Hände, während Spencer genüsslich in ein Stück Melone biss.

„Was war das denn?“

„Sie ist in einer Beziehung. Dein halbnackter Zauber ist anscheinend verflogen“, bemerkte der Riese und spuckte die Kerne aus.

„Vor der Meisterschaft war sie auch in einer ‚Beziehung‘. Und da hatte sie keine Hemmungen, um trotzdem mit mir zu schlafen!“

„Beschwerst du dich gerade?“

„NEIN!“, wehrte Tala ab.

„Ähm...vielleicht doch?“

„Spencer…!“

„Während der Meisterschaft hat es anscheinend bei dir Klick gemacht. Freut mich ja für dich, aber sie scheint mit Louis glücklich zu sein. Tu uns allen einen Gefallen, Tala und dräng dich nicht dazwischen...“

„Wie denkst du eigentlich über mich?“

Spencer seufzte tief und biss erneut ein großes Stück Melone ab. Es fiel ihm nicht gerade leicht und auch wenn sich jedes Haar auf seinem Körper sträubte schaffte er es dennoch Talas forschen Blick zu ignorieren.

„Halbnackter Zauber“, wiederholte der Rotschopf ungläubig und schüttelte den Kopf, bevor er sich wieder in sein Zimmer verzog, „lächerlich!“
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Er ging die lange Einfahrt hinauf, beinahe schon zögerlich, bis er endlich am großen Haupthaus angekommen war. Sieht aus wie früher...nur...etwas...kleiner, dachte er sich und schwelgte in Erinnerungen. Als Kind erschien ihm alles immer so groß.

„Deine Koffer tragen sich nicht von alleine nach oben!“, rief ihm sein Vater in diesem Moment von der Holzveranda aus zu, „wenn du ausgepackt hast frag deine Mutter, ob du ihr im Garten helfen kannst!“

Der Junge stöhnte auf, wagte es jedoch nicht zu widersprechen. Er ächzte gespielt auf, als er seine Koffer anhob, was seinen Vater dazu veranlasste schmunzelnd die Augenbrauen zu heben.

„Wieso musste Mutter auch immer so viel einpacken?“

„Weil du sonst entweder in Badehose und Schlappen, oder in Jogginghose rumlaufen würdest.“

„Erstens ist es heiß! Zweitens sind Jogginghosen übelst komfortable. Drittens kratzt die Hose meines Anzugs immer noch und die Schuhe drücken!“

„...viertens bindet deine Mutter dir die Krawatte immer zu eng und fünftens würdest du lieber einen Egoshooter zocken, als uns auf die Feierlichkeiten zu begleiten. Alles schon gehört, Kleiner. Und jetzt auf. Deine Mutter buddelt bereits im Garten wie eine Verrückte.“

„Och man...“, knörte sein Sohn und schleppte sich mit den Koffern nach oben, wo er seine Zimmertür mit dem Fuß aufkickte.

„In 20 Minuten hast du ausgepackt und hilfst deiner Mutter!“, rief der Vater nach oben.

„Och maaaaaaaaaaaan!“

In diesem Moment trat seine Tochter neben ihn.

„Einkäufe sind alle aufgeräumt“, bestätigte sie und band sich ihre roten Locken zu einem Dutt zusammen, „soll ich Mama auch im Garten helfen?“

„Das soll dein Bruder machen. Er war in den letzten Monaten so mit Videospielen beschäftigt, dass ihm ein wenig Sonne ganz gut tun wird.“

Das Mädchen unterdrückte ein Kichern und schüttelte ungläubig den Kopf.

„Faule Socke“, kommentierte sich schließlich und sah ebenfalls die Treppe auf, „er schmeißt sein ganzes Zeug sicher total schlampig in den Schrank. Ich kann die Hemden jetzt schon schreien hören!“

Der Vater guckte sie vielsagend an und holte tief Luft.

„Junge! Hemden gleich aufhängen und nicht frustriert in den Schrank stopfen! Spart dir viel Ärger und Zeit!“

„Wieso spart mit das Zeit?“, ertönte die Stimme von oben gereizt.

„Weil du mir jedes Hemd, welches knittrig ist selber aufbügeln wirst!“

Die nächsten Laute von oben waren eine wilde Mischung aus Fluchen, Schranktür wieder auf, Fußtrampeln, noch mehr Schimpfwörter, Schranktür wieder zu und noch mehr Fußtrampeln. Der Vater und die Schwester des Jungen standen gespannt am unteren Treppenaufgang und linsten ins obere Stockwerk, bis er endlich völlig entnervt herunter stampfte. Der Vater grunzte auf.

„Ziehst du dir bitte die Hose hoch? Deine Unterwäsche braucht niemand zu sehen.“

„Diese Hosen trägt man doch so, Papa“, erinnerte die Tochter schmunzelnd.

Ihr Bruder warf ihr einen vielsagenden Blick zu und ging Richtung Garten.

„Versteh mich bitte nicht falsch, Lucy...aber ich warte jetzt schon drauf, dass ihr euch wieder in den Haaren habt...“

„Kein Ding“, grinste sie breit, „dafür sind wir ja Geschwister.“

Der Vater seufzte erneut schwer, als sein Sohn plötzlich wieder in der Tür stand.

„Der Doc ist da“, meinte er und zeigte mit dem Daumen nach hinten.

„Der...Doc…?“

Ein Mann tauchte breit grinsend hinter dem Jungen auf und winkte locker.

„Danny!“, lachte der Vater hell auf und umarmte seinen Besucher herzlich, „womit habe ich die Ehre?“

„Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass ihr vor ein paar Stunden angekommen seit. Da wollte ich mal vorbei schnurren. Immerhin...sind wir diesmal die Gastgeber.“

„Schön dich wieder mal zu sehen! Kriegst du...mittlerweile graue Haare?“

„Danke, dass du mich daran erinnerst, dass ich alt werde“, schmollte Daniellé und trat wieder auf die Veranda, „als wärt ihr nie weggefahren.“

„Ginny möchte dieses Mal länger bleiben.“

„Länger ist für deine Frau eine ziemlich undeutliche Angabe...sonst drückt sie sich doch immer so deutlich aus.“

„Da sagst du was. Um ehrlich zu sein, weiß sie es selber noch nicht so genau.“

Daniellé blickte den Mann ungläubig an und ließ seine Augen wieder zu der Frau im Garten schweifen. Ihr Sohn kniete neben ihr und war ebenfalls damit beschäftigt, lustlos Unkraut zu jähten.

„Pubertät“, seufzte sein Vater, „ich befürchte, dass sie bei ihm niemals enden wird...“

„Gib die Hoffnung nicht auf, Pierre. Sie werden schneller erwachsen, als es uns manchmal lieb ist.“

„Gestern wollen sie noch mit dir im Matsch spielen und ja nicht schlafen gehen...und heute überrascht er mich, wenn er überhaupt mal aufsteht.“

Lucy trat neben die Männer und guckte ihren Vater schief an.

„Du warst natürlich immer ein Musterkind“, lachte Pierre ironisch, „abgesehen von den zweieinhalb Jahren, die du bockig warst.“

„Niemand ist perfekt“, entgegnete das Mädchen und lächelte herausfordernd.

Daniellé musste ein helles Auflachen unterdrücken: „Sag das ja nicht Kai.“

„Ich freue mich schon, ihn wiederzusehen!“, gestand Lucy, „wie geht es ihm so kurz vor der Hochzeit?“

„Falls er aufgeregt oder nervös sein sollte spielt er es gekonnt runter. Außerdem ist Mirka seit knapp einer Woche bei uns. Da hat er glaube ich ganz andere Gedanken.“

Pierre und Daniellé warfen sich schmunzelnd vielsagende Blicke zu.

„Willst du ein Bier? Ich habe extra deine Lieblingsmarke aus der Heimat mitgebracht.“

„Das war der Hauptgrund, weshalb ich eigentlich hergekommen bin“, kicherte Daniellé.

„Ich kenne doch meinen besten Freund“, sagte Pierre, „Adrian! Bring deiner Mutter bitte einen Eistee und dann leiste uns ein wenig Gesellschaft, nachdem du dir ein Bier geholt hast!“

In Windeseile war der Junge aufgesprungen und ohne Widerworte in die Küche gerannt. Daniellé nickte anerkennend.

„Wenn er doch immer so einfach wäre“, seufzte Pierre und bat seinen Freund mit einer herzlichen Geste nach innen.

Kapitel 18

Sie nahmen beide genügend Anlauf und fassten sich bei den Händen.

„Bereit?“, fragte Luna herausfordernd.

„Fertig!“, jauchzte Mirka und ging in Stellung, „los!“

Die Mädchen rannten, stießen sich mit Schwung vom Beckenrand ab und zogen die Beine hoch, bevor sie ins kalte Nass tauchten.

„Boah! Tut das gut!“, stöhnte Luna nachdem sie wieder aufgetaucht waren und strich sich die Haare zurück.

„HEEEEEY JUNGS! Kommt ihr heute noch oder seit ihr auf euren Stühlen festgewachsen?!“

„Ich passe“, schmollte Tala und nippte an seinem Bier.

„Komm schon...“, knörten die Mädchen im Chor, „wir haben extra für dich einen Schwimmreifen gekauft der wie ein Donut aussieht!“

„Als wäre das nicht schon erniedrigend genug...“

Luna und Mirka kicherten und schwammen ein paar Runden, während Bryan und Louis sich auf Luftmatratzen gemütlich treiben ließen. Kai hatte es sich auf einer Liege gemütlich gemacht und genoss die Sonne, während Tala, Spencer und Daniellé unter der Markise chillten. Vergnügt beobachteten sie die vier Personen, welche laut kreischend im Pool miteinander rangelten und sich gegenseitig tauchten.

„Warum machst du nicht einfach einen Schwimmkurs?“, wollte Daniellé plötzlich wissen.

Tala guckte ihn mit großen Augen an, sagte jedoch nichts. Auch nicht, als Spencer und Kai ihn wartend ansahen. Schweigen mache sich breit, nur das Lachen der Poolinsassen war noch zu hören.

Tala verschränkte langsam die Arme vor der Brust und schlug ein Bein über das andere um seine Haltung noch mehr Tiefe zu geben.

„Sag halt einfach, dass du nicht darüber reden willst“, lachte Danny plötzlich laut und hatte Mühe sein Bier nicht zu verschütten“, mir reicht es vollkommen, wenn mein Sohn diese Haltung immer einnimmt. Bitte nicht auch noch du!“

„Tja. Dann hat er aber immerhin vom Besten gelernt“, gab Kai triumphierend von sich und reckte seine Arme genüsslich.

„Gerade das ist ja, was mich beunruhigt!“

Kai hielt in seinem Tun ruckartig inne und warf seinem Vater einen vielsagenden Blick zu. Tala und Spencer machten eine belustigte Miene, trauten ich jedoch nichts zu sagen. Die Mädchen waren unterdessen zu der Gruppe gekommen, um sich eine kleine Erfrischung zu gönnen.

„Mensch...hier is aber Stimmung“, bemerkte Luna und nahm einen kräftigen Schluck Eistee, „habt ihr euch schon wieder gezofft?“

„Was heißt hier schon wieder?“

„Der is ganz schön empfindlich geworden, Danny. Was hast du ihm damals in den Tropf getan?“

Der Arzt hob entschuldigend die Hände musste aber ein Kichern unterdrücken, während Tala finster zwischen dem Mann und seiner Mitbewohnerin hin und her sah.

„...oder hast du was angestiftet?“, fragte Mirka und blickte zu Kai.

Der Junge zog herausfordernd eine Augenbraue hoch: „Was denkst du von mir?“

„Willst du das ernsthaft wissen, Kai?“

„Das wirst du noch früh genug erfahren“, kicherte Luna und zwinkerte den beiden zu.

Die beiden liefen dezent rot an und drehten ihre Gesichter weg, bevor es noch jemand bemerkten könnte.

„Alles in Ordnung bei euch?“

„Jaja“, erwiderten Mirka und Kai im Chor, versteckten jedoch weiterhin ihre Gesichter.

Daniellé hatte es dennoch bemerkt und schmunzelte nun in seine Bierflasche hinein. Luna war bereits wieder ins Wasser zu den Jungs gesprungen, als Mirka Kai auf die Schulter antippte.

„Hm?“

„Gehst du mit ins Wasser?“, fragte sie höflich und setzte ein liebliches Lächeln auf.

„Hm...ich denke nicht...“, murmelte der Junge.

„Okay...dann erzähle ich gleich allen, wie du rot angelaufen bist.“

Er guckte sie argwöhnisch an: „Du doch auch?“

„Ja...“, grinste sie neckisch, „nur würde mein Ego sich danach nicht im Erdboden verstecken wollen.“

„Das...machst...du doch...eh nicht“, funkelte Kai sie an.

„Nicht, wenn du mit mir schwimmen gehst.“

„Du kannst mich nicht zwingen, Mirka Solowjow…!“

Plötzlich sprang das Mädchen voller Elan auf und war dabei zu den anderen zu gehen: „Hey Tala! Soll ich dir was lustiges erzählen?“

„Okay, okay! Ich geh mit dir ins Wasser!“, wehrte Kai ab und stand von seiner Liege auf.

Doch Mirka schien keine Anstalten machen zu wollen, stehen zu bleiben.

„Das wird dich sicher zum Lachen bringen, Tala!“

„Mirka! Du hast gewonnen!“

„...also pass auf, dass war nämlich so...“

Mit drei schnellen Schritten hatte Kai seine Verlobte eingeholt, einen Arm um ihren Nacken, den anderen in ihre Kniekehlen und hob sie so schwungvoll hoch.

„Hey! Ich wollte ihm gerade was erzählen!“, beschwerte sich Mirka gespielt.

„Übst du schon mal für deine Hochzeitsnacht, Kai?“, rief ihm Spencer amüsiert hinterher.

In diesem Moment blieb der Junge vorm Beckenrand stehen und warf sie ins kalte Nass, bevor er hinterher sprang.

„...also...okay…?“, staunte Tala und Spencer im Chor und zogen verwundert die Augenbrauen hoch.

Daniellé verfiel in schallendes Gelächter und hielt sich den Bauch, während die beiden Jung immer noch erstaunt glotzten.

„Was sollte das, Kai?“, hinterfragte Mirka seine Aktion und rieb sich den Chlor aus den Augen, „darauf war ich nicht vorbereitet!“

„Du möchtest doch immer, dass ich spontaner handle“, erwiderte er und sah sie neckisch an.

„Das war voll fies!“

„Spontan.“

Er machte eine geschickte Bewegung und schwups hatte er Mirka wieder untergetaucht.
 

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„Die beiden sind echt süß“, schwärmte Louis, während er sich schon vom duschen abtrocknete und Luna nun drunter stand, „findest du nicht auch?“

„Kai könnte etwas mehr Gefühle zeigen, aber das ist deren Sache“, gestand das Mädchen und lugte hinter dem Duschvorhang hervor, „oder willst du unsere Beziehung ab jetzt auch so gefühlskalt führen?“

„Nein, nein! Ich meinte ja nur...“

Luna zog eine Braue hoch, verschwand jedoch wieder hinter den Vorhang.

„Hab...ich...jetzt was falsches gesagt?“

„Du hast deine Meinung vertreten.“

Luna stieg aus der Dusche und schlang sich das Handtuch, welches ihr Freund ihr reichte um den Körper. Sie schien schon wieder so geistesabwesend zu sein, wie sooft in letzter Zeit…

„Luna?“

„Ja?“

„Ah du antwortest mir noch“, grinste er und schlüpfte in sein Hemd.

„Wieso sollte ich dir nicht mehr antworten?“

„Du...du bist seit die Blitzkrieg Boys wieder da sind dezent distanziert zu mir.“

„Wirklich? Findest du das?“

„Klar du arbeitest jetzt nachts, weshalb wir uns am Wochenende nicht mehr so sehen können...wenn wir zusammen sind dann scheint es so, als würdest du grübeln.“

„Grübeln?“

„Über irgendwas nachdenken eben.“

„Ich weiß, was grübeln heißt“, grinste sie und zog sich ebenfalls an.

Die Wahrheit war, dass Louis im Moment den Geschmack an seinen Lutschpastillen verloren und deshalb wieder Mundgeruch hatte. Zudem lag ihr die Szene mit Rachel und Tala immer noch tief in den Knochen was so ziemlich erklärte, warum sie dezent neben der Spur war.

„So dann mach ich mich mal auf die Arbeit“, holte Louis sie aus ihren Gedanken zurück, „sehen wir uns nach deiner Schicht?“

„Ne heute nicht.“

„Oh...okay?“

„Ich fühl mich nicht besonders. Außerdem krieg ich meine Regel, da bin ich doch unausstehlich“, grinste sie müde.

„Ich würde dich mit Schokolade füttern“, kicherte Louis, „da kann man wohl nichts machen...wir sehen uns.“

Nachdem er den Satz beendet hatte gab er ihr einen Kuss und ging aus dem Badezimmer. Luna ging sicher, dass er sie nicht mehr sehen konnte und wischte sich danach den feuchten Schmatzer von den Lippen ab. In der Küche ging sie zielstrebig zum Kühlschrank und holte sich das letzte Stück der Wassermelone um genüsslich rein zu beißen.

„Einen guten.“

Luna zuckte zusammen, verschluckte sich sogar beinahe am Obst und starrte Tala mit großen Augen an. Dieser setzte sich auf der Couch auf und machte einen bemitleidenden Gesichtsausdruck, bevor er aufstand und zur Kücheninsel ging.

„Sorry!“, entschuldigte er sich immer noch mit diesem Blick.

„Schon...gut...“, hustete sie, „ich sollte das nächste Mal kauen.“

Sie sah Tala jetzt genauer an und bemerkte, dass er außer seiner Shorts nichts anderes anhatte. Ihm entging natürlich ihr Blick nicht und somit lehnte sich der Junge etwas graziler gegen die Kücheninsel und schmunzelte. Luna bemerkte, dass er sie bemerkt hatte und guckte Tala tief in die Augen. Diese Augen…

„Können...können wir mal reden? Ich meine unter vier Augen. Es geht um...“

„Spencer und Bryan werden sicher gleich wieder kommen. Ein anderes Mal“, wimmelte sie ihn ab und wollte gerade die Küche verlassen, da fasste Tala sie am Handgelenk und hielt sie zurück.

Sie versuchte sich von seinem Griff zu lösen, doch da war er schon neben das Mädchen getreten und küsste es. Der Junge legte seinen Arm um ihre Taille während er den Kuss intensivierte.

„Hör auf wegzulaufen“, bat er flüsternd und blickte ihr tief in die Augen, „ich werde es auch nicht mehr...“

Luna erwiderte seinen Blick und tat nichts um sich aus seinem Griff zu befreien. Er lächelte sanft.

„Ich will wirklich nur mit dir reden...“, wiederholte er und lockerte seine Hand.

„Du hast eine komische Art, mich darum zu bitten...“, erwiderte Luna leise.

„Nach reden sah das aber nicht gerade aus!“, brummte plötzlich eine Stimme hinter ihnen.

Ruckartig drehte sich das Mädchen um und starrte überwältigt in seine verärgerten Augen.

„Louis!“

„Luna. Tala. Wollt ihr mir vielleicht irgendwas erzählen?“
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~*
 

Adrian Dejeaun schlenderte gemütlich durch den warmen Abend und sah sich die Gegend an. Wie jedes Mal, wenn sie wieder hier waren. Viele Geschäfte hatten inzwischen gewechselt andere komplett geschlossen. Aber ein kleiner Laden, welchen er jetzt gezielt anstrebte hatte immer noch offen.

„Hi“, grüßte er und kam an die Theke.

„Hallo. Was darf‘s sein?“

„Eigentlich suche ich ein Mädchen, das hier arbeitet. Oder hat sie heute frei?“

„Du...meinst Luna?“

„Keine Ahnung wie sie heißt. So groß. Hellpinke kurze Haare und ein Piercing in der Lippe.“

„Ja das ist Luna“, bestätigte Marvin, „leider arbeitet sie nicht mehr hier.“

„Shit.“

„Ich kann dir aber sagen, wo sie jetzt arbeitet!“

„Ach so.“

„Klar.“

Eine halbe Stunde später stand Adrian in der Schlange zum Eingangsbereich einer Discothek. Viele junge Leute unterhielten sich angeregt über die verschiedensten Themen, während Adrian einfach nur schnell rein wollte. Als er am Türsteher angekommen war hielt er jedoch inne und beäugte den Mann genaustens.

„Rein oder nicht?“, wollte das Muskelpaket wissen.

„Sie tun mir auch nicht weh?“

Der Mann lachte hell auf: „Nein. Habe ich nicht vor. Es sei denn, du willst es?!“

„Nein!“

Adrian huschte schnell durch die Tür und drehte sich um, prüfend, ob der Türsteher ihm nicht doch folgte. Erleichtert zahlte er den Eintritt und betrat die eigentliche Discothek, wo er sich gleich umschaute. An der einen Bar stand ein junger Mann mit einem Fedora Hut und tätowierten Armen, der stark nach dem Frontmann einer bekannten Metallband aussah. An der anderen Bar stand eine junge Frau mit modernem schulterlangen blonden Haaren und etwas Abseits davon tanzte eine weitere Frau mit dunklen langen Locken an einer Stange. Adrian schlängelte sich durch die tanzende Menschenmasse und hielt gezielt nach Luna Ausschau. Nach einer halben Stunde vergebenen Suchens parkte der Junge seinen Hintern an der Bar mit der Blondine und bestellte sich einen Drink. Lustlos nippte er daran, drehte sich auf dem Barhocker Richtung Tanzfläche und bemerkte somit nicht, wie Luna wieder zu Jeanette hinter die Bar ging. Sie schnitt ein paar Zitronen auf und prüfte den Eiswürfelbehälter, unterhielt sich mit ihrer Kollegin und bediente die Leute.

„Meine Güte! Heute rennen sie uns wieder die Bude ein!“, beschwerte sich Jeanette, welche sich vor lauter Bestellungen nicht mehr retten konnte.

Luna war noch nicht soweit um Cocktails zu mixen, weshalb das an ihr und Chestnut hängen blieb.

„Ist es eigentlich nicht gut, wenn so viel los ist?“, erkundigte sich Luna und reichte ein paar Biere über die Theke und gab Wechselgeld raus.

„Klar ist es das! Es wird auch wieder besser, wenn Henry dich endlich auf die Weiterbildung geschickt hat.“

„Sorry, dass ich dir momentan nur ein Klotz am Bein bin...“

„Nein...Luna. So darfst du das auch nicht sehen! Du bedienst doch die Leute und das machst du nach der kurzen Zeit verdammt gut.“

„Luna…?“, wiederholte plötzlich eine Männerstimme.

Die beiden Frauen sahen auf und blickten den jungen Mann an, welcher sich ihnen zuwandte.

„Du bist doch...“

„Hab ich dich endlich gefunden!“, lachte Adrian und stützte sich auf die Theke, „ich habe dich ewig gesucht!“

„Was machst du denn hier?“, schmunzelte Luna und stemmte eine Hand in die Hüfte, „dich habe ich seit Neujahr nicht mehr gesehen!“

„Ähm...ja. War nicht mein bester Tag.“

„Ich weiß. Ich habe dich damals bedient.“

„Wieso schaffst du jetzt hier?“

„Marvin muss das Café vorübergehend schließen und hat mir den Job hier besorgt.“

„Krieg ich bei dir dann meine Drinks kostenlos?“, strahlte Adrian und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.

„Nein“, entgegnete Jeanette, „weder günstiger noch umsonst.“

Adrian funkelte sie aus dem Augenwinkel düster an, erwiderte allerdings nichts. Luna guckte kurz zwischen den beiden hin und her, bevor sie kurz ein paar Leute bediente und sich dann wieder ihm zuwandte.

„Du hast ja immer noch deinen komischen Kleidungsstil! Und deine Haare sind ja noch länger geworden...“

„...und…?

„Solltest du als Chevalier Mitglied...nicht etwas...förmlicher aussehen?“

„Nur zu förmlichen Anlässen“, grinste er schief, „woher kennst du die Chevaliers?“

„Mirka hat es mir mal erklärt.“

„Ach die...die baldige Hiwatari.“

„Vorsicht“, warnte sie ihn belustigt, „wir sind befreundet!“

„Nur weil meine Schwester, Kai und Mirka immer wie aus dem Ei gepellt rumlaufen muss ich das noch lange nicht.“

„Oh...ein kleiner Rebell?“

Adrian zog die Augenbrauen zusammen und kippte seinen Drink auf einmal runter. Luna beobachtete dies interessiert und staunte nicht schlecht, dass er den Alkohol so einfach kippen konnte. Er bestellte sich gleich danach denselben Drink, worauf Jeanette Luna zeigte, wie sie ihn zu mischen hat.

„Er wird sicher noch eine Weile bei dir sitzen bleiben...“, zwinkerte die Blondine ihr zu.

Luna bedankte sich bei ihr und reichte Adrian sein Glas.

„Wo ist...wie war noch mal ihr Name...ach deine Schwester eben. Ist sie nicht mit dir her gekommen?“

„Nein.“

„Schade...ich würde sie gerne näher kennenlernen.“

„Kannst ja mit mir anfangen“, grinste der Junge und lehnte sich selbstsicher auf seinen Arm, „was willst du wissen?“

Jeanette und Luna warfen sich fragende Blicke zu.

„Darf ich das?“

„Natürlich. Wenn du die anderen Gäste nicht vernachlässigst.“

Adrian biss sich nervös auf den Daumen und ließ das Mädchen nicht aus den Augen, während sie ein paar Leute mit Bier versorgte. Als sie wieder zu ihm zurückkam hatte sie anscheinend den Faden verloren, zumindest wollte sie sich nicht mehr über ihn unterhalten.

„Wie lange bleibt ihr diesmal in der Stadt?“

„Keine Ahnung. Wie lange geht deine Schicht?“

„Bis 6.“

„WAS?“

Luna wich überrascht einen kleinen Schritt zurück, als er plötzlich so laut geworden war. Sie hob eine Augenbraue und überlegte, ob sie wieder den Schritt nach vorne gehen sollte.

„Ne, alter solange halte ich nicht durch!“, beschwerte er sich und kratzte sich am Kopf.

„Ey, alter. Wofür willst du denn durchhalten?“, fragte sie neckisch, „zum Brötchen holen?“

„Ich wollte dich eigentlich flachlegen.“

Luna und Jeanette lachten lauthals los und klatschten in ihre Hände, während ein paar andere Gäste, welche um die Bar standen aus Sympathie mit klatschten. Adrian ließ ungläubig die Schultern sinken und guckte Luna herausfordernd an.

„Sorry Adrian“, kicherte sie immer noch und schüttelte den Kopf, „ich kann nicht mehr!“

„Wieso lachst du?“

„Weil das bis jetzt die plumpste Anmache war, die mir je einer gesagt hat!“

„Ich dachte ihr Frauen steht auch ehrlich und direkt?“

„Ja. Aber das kann man doch auch etwas netter verpacken, oder?“

„Netter…?“

„Seriously?”, seufzte Luna und ließ die Schultern hängen, „hey Jungs! Ist hier irgendeiner anwesend, der ihm hier mal Nachhilfe in Sachen Anmachsprüchen leisten könnte?“

Jeanette guckte sie verwundert an und wollte schon etwas sagen, doch da hatten sich bereits ein paar Anhänger des männlichen Geschlechts versammelt und hoben wagemutig die Hände. Die Blondine trat verwundert einen Schritt zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und beaufsichtigte das Geschehen interessiert.

„Hast du mal Kleingeld? Ich hab meiner Mutter versprochen sie anzurufen, wenn ich meine Traumfrau gefunden habe.“

„Ich muss ein Lichtschalter sein. Jedes Mal, wenn ich dich sehe, machst du mich an.“

„Glaubst Du an Liebe auf den ersten Blick, oder soll ich noch mal reinkommen?“

„Bei Dir brauche ich keinen Alkohol, da man Dich nicht schöndrinken muss.“

„All diese Kurven, und ich ohne Bremsen.“

„Du bist zwar nicht mein Typ, aber ich bin ja tolerant.“

Luna guckte den Mann, welcher den letzten Spruch gebracht hatte mit einer Mimik an, die hätte „autsch!“ ausdrücken sollen, doch in diesem Moment kam Henry kichernd hinter die Bar und reichte dem Mann eine Flasche.

„Freibier für den Kerl hier im roten Hemd, der Eier bewiesen hat!“, rief Lunas Chef in die Menge und übergab die Glasflasche.

Der Mann lachte triumphierend und hob das Bier wie einen Pokal in die Runde, worauf er jubel Zurufe und heiteres Klatschen erntete. Henry grinste Luna und Jeanette an und fragte, welche der beiden auf diese Idee gekommen war. Die Blondine nickte in die Richtung ihrer Kollegin, welche nicht ganz wusste, wie sie die Situation einzuschätzen hatte.

„Coole Sache!“, lobte sie Henry und zeigte ihr den Daumen nach oben.

„Danke.“

„So Jungs das war‘s aber jetzt. Ihr habt mittlerweile genug Können bewiesen!“, rief Henry zu den Männern und verschwand wieder in seinem Büro.

Luna atmete erleichtert auf und freute sich riesig über die Gelungene spontane Aktion. Sie lächelte Adrian vielsagend an, welcher eine Schnute zog und gelegentlich an seinem Drink nippte. Die Menschenmasse löste sich langsam wieder auf und während Luna ihrer Kollegin ein high five gab ließ sich ein Mann neben Adrian auf einen Barhocker nieder und beobachtete sie intensiv.

„Ist dein Vater ein Dieb? Denn er hat die Sterne vom Himmel gestohlen und in deine Augen getan.“

„Sorry, aber die Vorführung ist leider schon vorbei“, lehnte Jeanette freundlich ab und machte sich wieder daran die Gläser zu waschen, während sich bei Luna eine Gänsehaut breitmachte. Diese Stimme…

Wie in Zeitlupe drehte sie sich zu dem Mann um und sah ihm direkt in seine Augen. Er grinste sie verlegen an und legte seinen Kopf etwas schief, unterdessen trippelte er mit seinen Fingerspitzen erwartungsvoll auf die Ablage der Theke.

„Der war voll schnulzig“, gähnte Adrian und warf dem Kerl neben sich einen kurzen Blick zu.

„Der war voll schön...“, raunte Luna, lächelte ebenfalls verlegen, legte ihre Hände auf der Theke nieder und beugte sich ihm entgegen, „das war der Beste von allen...“

„Freut mich, wenn ich meinen Charme immer noch habe.“

„Den hast du nie verloren, Tala Iwanov. Du hattest bisher nur nie die Muse ihn mir zu zeigen.“

Der Rotschopf legte sein Kinn in seine Hand und beobachtete seine Mitbewohnerin, wie sie den Kopf sinken ließ und schwer seufzte.

„...wieso gerade jetzt?“

„Darüber wollte ich ja mit dir reden. Aber wie ich sehe hast du schon jemanden zum unterhalten.“

Luna guckte zu Adrian, welcher ihren Blick erwartungsvoll erwiderte. Sie nickte wortlos.

„Okay“, klopfte Tala auf die Theke, „dann soll es heute wohl nicht so sein.“

Er ließ sich elegant von seinem Barhocker gleiten und wandte sich ab.

„Du...gehst schon wieder?“

„Ja.“

„Fahr vorsichtig. Und bis später.“

„Bis später“, lächelte er und ging aus der Discothek.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Louis blickte die beiden finster an, während Luna einen fetten Kloß im Hals verspürte, welcher ihr beinahe den Atem raubte. Tala stand immer noch schräg hinter ihr und gab ebenfalls kein Laut von sich.

„Also…?“, wiederholte Louis, „ich warte!“

Das Mädchen legte den Kopf gen Nacken und stöhnte schwerfällig, während Tala nur die Arme vor der Brust verschränkte und zu überlegen schien.

„Oh ja!“, beschwerte sich ihr Gegenüber gereizt, „ich war im ersten Moment sprachlos!“

„Im ersten…? Wie lange stehst du da schon?“

„Lange genug. Eigentlich hätte ich es mir ja denken können, dass du als Fan der Blitzkrieg Boys irgendwann mal was mit einen von denen was hast. Nur war mir nicht bewusst, dass es soweit ist, während du mit MIR zusammen bist!“

„Das hat doch nichts mehr damit zu tun, dass ich ich Fan bin...war...was auch immer!“

Hinter ihr rieb Tala sich seufzend die Stirn und schüttelte den Kopf.

„Was heißt hier ‚nichts mehr‘?“

„Ähm...“

„Wie lange geht das eigentlich schon mit euch?!“

„Heeeeey!“, rief Spencer plötzlich durch die Wohnung, „warum so laut hier?“

Er beäugte sie Szene, welche sich ihm gerade darbot und guckte seinen Teamchef fragend an.

„Nicht jetzt...“, bat dieser.

„Falls was sein sollte...“, raunte der Riese, „du weißt ja Bescheid.“

Tala nickte schwerfällig und Spencer ging mit Bryan stumm wieder den Flur runter. Luna und Louis starrten ich immer noch gegenseitig an, ihre Blicke sprachen Bände…

„Wie...lange...Luna…?“

Sie machte eine unwissende Geste gemischt mit ziemlich verzweifelten Geräuschen.

„Von Anfang an“, brach Tala plötzlich das Schweigen, „ihr hattet gerade das erste Mal Sex gehabt, als Luna sich die Seele aus dem Leib kotzte wegen deines Mundgeruchs. Ich habe mich um sie gekümmert und dann ist es passiert.“

„Mund...was?“, fragte Louis streitsüchtig.

„Junge ich kann dich bis hierhin riechen!“, brummte der Rotschopf plötzlich und trat einen Schritt nach vorne, „also sag mir bloß nicht, dass du es selber noch nie gemerkt hast?!“

Diesmal schwieg Louis die beiden an und guckte dezent peinlich berührt. Anscheinend wusste er genau, wovon Tala gesprochen hatte. Luna traute sich nicht ihren Mitbewohner jetzt anzusehen, sein Tonfall hatte ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken gejagt, wie jedes Mal wenn sie ihn so reden hörte.

„Zuerst machst du uns blöd an...und jetzt keinen Ton mehr rausbekommen? Wunderbar!“

„Du hast mich überrumpelt!“, beschwerte sich Louis außer sich.

„Meint du etwa du nicht?“

„Ihr habt rumgeknutscht!“

„Weil du aus‘m Maul stinkst.“

„Hör auf, mir das andauernd zu sagen!“, knörte Louis wie ein kleines Kind.

„Jungs bitte!“, flehte Luna und raufte sich die Haare, „lasst uns das jetzt klären!“

„Was willst du denn da noch klären?! Du hast ihn geknutscht und gevögelt, während du mit mir zusammen warst! Fremdgehen ist unverzeihlich!“

„Du hast aber doch damit angefangen…?“

Louis stieß einen genervten Schrei aus und machte auf der Stelle kehrt. Kurz darauf hörten Tala und Luna, wie die Wohnungstür ins Schloss geschmissen wurde.

„Ähm...“, begann Luna ihren Satz, hielt jedoch inne, da sie mit so was überhaupt nicht gerechnet hatte.

„Weichei.“

Das Mädchen drehte sich zu seinem Mitbewohner um und blickte ihn an. Er erwiderte den Blick mit einer ehr skeptischen Miene und verschränkte erneut die Arme über der Brust.

„Ja?“, fragte er neugierig, „ich höre?“

„Ich versuche gerade die Situation richtig einzuschätzen...mehr nicht.“

„Er hat angefangen. Dann hat er Kontra bekommen und nicht standgehalten.“

„Das habe ich auch gemerkt.“

„Und was davon kannst du jetzt nicht richtig einschätzen?“

„Was ich jetzt...machen soll?“

„Bitte?“

„Ich fühle mich dezent überfordert! Sag doch was!“

„Was?“

„Oh du...du bist mir eine Hilfe!“

„Hey wenn ich nicht gewesen wäre, würdest du immer noch mit Louis hier stehen und fauligen Atem riechen!“

„Ach, jetzt sag bloß, dass ich mich bei dir bedanken soll?“

„Das verlange ich doch gar nicht...“

Luna atmete ein paar Mal tief ein und aus. Dann fiel ihr die Uhrzeit auf.

„Oh shit!“, fluchte das Mädchen.

„Und was ist mit mir? Lässt du mich jetzt genauso stehen?“

„Erstens: ich muss binnen 20 Minuten aus diesem Gesicht und diesen platten Haaren etwas machen, dem man gerne Trinkgeld gibt. Zweitens: nachdem ich nicht mehr wie eine frisch aus der Tonne gekrochene Pennerin aussehe muss ich auf die Arbeit und mich von irgendwelchen random Typen anbaggern lassen und dabei noch schön freundlich bleiben. Ironie? Keine Ahnung! Wahrscheinlich Karma! Drittens und jetzt pass gut auf, denn das betrifft auch dich: vor der Meisterschaft hättest du auch einfach ablehnen können mit mir zu schlafen! Nach der Meisterschaft bist du urplötzlich verschwunden und ich finde dich in einem Krankenhaus wieder, wo zufälligerweise deine Ex Rachel auftaucht und zu mir sagt, dass sie etwas ‚persönlich‘ mit dir zu klären hat...wie ‚persönlich‘ war es denn?“

Tala hatte mittlerweile die Hand zum Widerwort erhoben, jedoch bei den letzten zwei Argumenten wieder gesenkt und blickte Luna jetzt traurig an.

„Eigentlich...habe ich dich damals gefragt, was du da machst und was das soll“, erwähnte er schließlich zu seiner Verteidigung.

Luna stieß einen genervten Stöhner aus und schmiss die Badezimmertür hinter sich zu. Tala schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn und schimpfte sich einen Idioten, als plötzlich eine Zimmertüre für einen winzigen Spalt aufging.

„Habe ich dir nicht verboten dich da einzumischen…?“, raunte Spencer seinen Teamchef zu und funkelte creepy mit den Augen.

Kapitel 19

„Hallo! Der angerufene Teilnehmer ist zur Zeit leider nicht erreichbar...“, ertönte zum zehnten Mal die Stimme für Louis‘ Mailbox und Luna ließ ihr Handy seufzend auf den Tisch gleiten.

„Lass etwas Gras über die Sache wachsen“, riet ihr Jeanette und schlürfte an ihrem Latte, „jetzt ist es noch viel zu frisch.“

„Ich möchte die Sache nur klarstellen und nicht so offen im Raum stehen lassen...“, knörte das Mädchen und rührte gedankenverloren in ihrem Kaffee.

„Nachdem was du mir erzählt hast benötigt ihr BEIDE Zeit, bevor ihr irgendetwas klarstellen könnt! Glaub mir! Am Ende sagt einer noch Dinge, die er später bereut...“

Luna legte schweren Herzens ihr Kinn auf die flache Hand und guckte ihre Arbeitskollegin mit einem Dackelblick an.

„Hey ich gab dir nur einen Ratschlag. Was du am Ende machst ist deine Sache!“

„Warum bockt er auch nur so rum?“

„Nun ja...“, lächelte Jeanette bedrückt, „versetz dich mal in seine Situation.“

„Ich will aber keinen Mundgeruch haben!“

„Hast du ihn jemals darauf angesprochen?“

„Nein.“

„Warum nicht?“

„Weil es mir peinlich war.“

Jeanette spielte mit einer ihrer blonden Haarsträhnen, während Luna über ihre letzte Antwort grübelte. Eigentlich, wenn sie so darüber nachdachte…

„Bin ich wirklich so ein Arsch?“, fragte sie die Blondine.

„Ich stelle mir jetzt nur die Frage, warum du überhaupt eine Beziehung mit Louis eingegangen bist, obwohl du wusstest, dass er so schrecklichen Mundgeruch hatte.“

„Abgesehen davon war er voll der nette Typ.“

„Und trotzdem hast du es ihm nicht gesagt und lieber mit deinem Mitbewohner geschlafen?“

„Du hast Tala doch gesehen, Jeanette! So einen stößt man nicht von der Bettkante, wenn er schon draufhockt!“

„Warum bist du dann nicht mit ihm in einer Beziehung?“

Luna hielt inne und blickte sie groß an, bevor sie ihren Kaffee ihr Spiegelbild betrachtete.

„Oh...er hat dich von der Bettkante gestoßen...verstehe.“

„...und jetzt, nachdem er von der Meisterschaft wieder zurück ist scheint er doch für eine Beziehung mit mir bereit zu sein.“

„Man ist niemals bereit für eine Beziehung“, lachte die Blondine, „und Männer schon zweimal nicht! Es passiert einfach und man wächst hinein.“

„So wie du das sagst klingt es so einfach.“

Erneut lachte Jeanette und schüttelte den Kopf.

„Nein. Auf keinen Fall ist es einfach! Wenn du es richtig anstellst, ist kein Tag langweilig und du verlierst nie das Interesse am anderen. Ich musste auch die eine oder andere Beziehung in den Sand setzen, um jetzt das Wissen zu haben.“

„Wie lange bist du schon mit deinem Freund zusammen?“

„Laura und ich feiern demnächst 8 jähriges.“

Luna verschluckte sich an ihrem Kaffee, während ihre Arbeitskollegin sie verschmitzt angrinste. Nachdem sie mit offenem Mund angestarrt wurde musste Jeanette noch herzlicher lachen.

„Hab...ich dich jetzt sprachlos gemacht?“

„Ähm...ja…?“

„Cool.“

„Ich dachte immer, dass du und Chestnut was miteinander habt!“, beschwerte sich Luna und hustete die Reste ihres Kaffees aus der Lunge.

„Chester und ich? Oh nein. Der ist überhaupt nicht mein Fall.“

„Weil er keine Möpse hat?“

Am Nachbartisch räusperte sich eine ältere Dame und blickte Luna herausfordernd an.

„Damit hat das gar nichts zu tun. Chester lebt von heute auf morgen. Er macht sich keine Gedanken darüber, wo er sich mal in zehn Jahren sehen will.“

„A...aber Laura ist so...so...“, Luna hielt erneut inne, um die richtigen Worte zu finden.

„Zickig? Launisch? Herablassend?“, schlug Jeanette ihr als Auswahl vor.

„Ähm...ja? Irgendwie...schon…?“

„Ich weiß.“

„Aber...wie?“

„Hab ich dir bereits gesagt. Man wächst rein.“

„Krass.“

„Allerdings. Hat sich der Puls wieder beruhigt?“

„Ja. So allmählich.“

„Lass dir Zeit. Genieße das Single Dasein. Vielleicht rauft sich Louis noch mal auf, vielleicht wird aber auch was mit Tala draus?“

„Wir werden sehen...“, seufzte Luna und streckte sich, „aber erst mal zu dir...“

„Hm?“

„Wie zum Teufel bist du mit dieser Diva zusammengekommen?“

Jeanette kicherte und beugte sich über den Tisch nach vorne, während sie das Mädchen mit ihren Augen fixierte.

„Sicher, dass du das wissen willst?“

„Du hast meine volle Aufmerksamkeit.“

„Also gut...pass auf, das war so...“
 

*~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„So ein Fliesenboden ist schon was Feines“, gurrte Bryan und wälzte sich auf den Bauch, „so schön kalt...“

„Als wäre Australien nicht so heiß gewesen“, bemerkte Spencer belustigt, als er Melone aufschnitt und Tala ein Stück reichte, „da hat es dich nicht so gebeutelt.“

„Ja aber da war ich sowieso schon total heiß auf die Matches...da hab ich die Hitze nicht so vernommen!“

Tala und Spencer blickten sich gegenseitig vielsagend an, erwiderten jedoch nichts. Sie schmunzelten lieber. Bryan stand vom Fußboden auf und schnappte sich ebenfalls ein Stück der gekühlten Melone und biss herzhaft hinein.

„Sind wir eigentlich auf Kais Hochzeit eingeladen?“, fragte er kauend.

„Nein...ich denke nicht“, grübelte Tala, „würdest du denn hingehen wollen?“

Bryan zog eine Fratze.

„Warum fragst du dann?“

„So halt. Schließlich war er ja auch in unserem Team, oder?“

Erneut warfen sich Tala und Spencer einen vielsagenden Blick zu.

„Was ist das da neuerdings zwischen euch? Dieses verführerische Blicke zuwerfen und schmunzeln und mich vollkommen ausschließen?!“, beschwerte sich Bryan plötzlich und biss ein noch größeres Stück Melone ab.

„Warum so laut?“, erkundigte sich Luna, welche gerade wieder zurück gekommen war, „man meint ja schon fast, dass ihr euch an die Gurgel wollt?“

„Tala und Spencer verheimlichen mir was!“, knörte Bryan, „und die wollen mir nicht sagen, was es ist!“

„Ich glaube, dass das der Sinn von ‚verheimlichen‘ ist...“, stutzte das Mädchen.

„Wir verheimlichen gar nichts vor dir...“

„Da! Siehst du! Sie lenken ab!“

„Vielleicht wollen sie nicht ablenken, sondern da ist wirklich NICHTS!“

„Da! DA! Guckst du?! Die gucken sich schon wieder so an!“

Luna sah zwischen dem Riesen und dem Rotschopf hin und her, dann lächelte sie schief und stützte sich auf der Theke ab.

„Pass auf, Bryan...es gibt da ein ganz spezielles Phänomen im Tierreich, welches sich spontane Homosexualität nennt.“

„WAS?!“, stießen die drei Jungs empört aus, worauf sie stark lachen musste.

„Das kommt immer wieder mal vor, ob es jetzt im Kampf um die Rangordnung ist aus Langeweile oder aber weil nicht genug Weibchen im Rudel vorhanden sind. Pass gut auf, denn das betrifft jetzt diese Situation! Wenn nicht genug Weibchen vorhanden sind, dann nehmen sich die Alphamännchen gelegentlich ein anderes Rangniedrigeres Männchen und bumsen es so einmal ordentlich durch! Richtig hardcore! Voll in den Arsch!“

„A...a...aber warum…? Warum tun die das?!“

„Frustabbau? Du weißt doch jeder Mann hat immer wieder mal diesen gewissen Druck...da...unten…?“

„Boah!“, stieß Bryan angewidert aus und starrte zu seinen Teamkollegen, „ihr seit ja voll eklig! Mein Arsch ist Einbahnstraße! Wehe einer von euch kommt mir zu nahe!“

Langsam ging der Junge rückwärts aus der Wohnküche raus und mit seinem Hintern an der Wand entlang in sein Zimmer. Luna war immer noch mit heftigen Kichern beschäftigt, da Spencer und Tala sie abwechselnd schockiert und tadelnd anstarrten. Sie schlug ein paar Mal mit der flachen Hand auf die Thekenablade und versuchte einigermaßen vernünftig Luft zu holen.

„WIESO?! Jetzt meint er, dass wir ihn ihn den Arsch ficken wollen!“, beschwerte sich Spencer gekränkt und stellten den Obstteller wieder in den Kühlschrank, „keine Melone für dich! Böses Mädchen!“

„Sorry“, lachte sie immer noch, „aber ich konnte einfach nicht widerstehen!“

„Das...haben wir gemerkt...“, knurrte Spencer immer noch.

„Hey, da Kai jetzt ja nicht mehr bei uns wohnt brauchen wir einen neuen sexy Arsch! Wie wär‘s mit dir, Tala?“

„Äh...nein danke.“

„Sexy Arsch?“, erkundigte sich der Riese.

„Lange Geschichte...“, wehrte Tala ab.

„Und? Ich hab Zeit!“

„Ich habe versprochen, es nicht mehr zu erwähnen...“

Luna legte ihr Gesicht in beide Hände und grinste Tala vielversprechend an: „Neuer sexy Arsch!“

„Halt die Klappe Luna!“

„Nö. Das gefällt mir!“

„Ich sehe es an deinem Blick, dass das dir gefällt“, brummte der Rotschopf, „hast du demnächst endlich mal Zeit zum reden?“

„Nö. Ich werde den netten Ratschlag meiner Kollegin Jeanette annehmen und erst mal mein Single Dasein genießen“, erklärte Luna und streckte ihren Rücken durch, „also wirst du dich wohl oder übel noch eine Weile gedulden müssen.“

„Kannst du das überhaupt? Dein Single Dasein genießen?“

„Ich werde mich eben mal anstrengen müssen“, grinste sie, „keinen festen Freund für mich. Keinen Beziehungsdramen für mich, purer Genuss!“

„Heißt das dann nicht auch, dass es keinen Sex für dich gibt?“, erkundigte sich Tala ironisch.

Luna hielt in ihrer Bewegung inne und überlegte einen Moment lang.

„Na…?“

„Ich denke...ja. Es wird mir und meiner Libido ganz gut tun, wenn ich eine Zeit lang auf Sex verzichte...“

„Vielleicht sollte ich Jeanette bis dahin daten?“, meinte Tala forsch und funkelte sie mit seinen Augen an, „immerhin habe ich es ihr ja zu verdanken, dass du plötzlich auf Abstinenz gehst!“

„Keine Chance…“, entgegnete Luna nüchtern.

„Wieso? Weil sie deine Kollegin ist?“

„Weil sie vom anderen Ufer ist.“

„Verdammt!“

„Hast du es mittlerweile so nötig, ja? Willst du gleich schon mal einen Termin machen?“, grinste sie Tala schief an und ging ebenfalls in ihr Zimmer.

„Ich denke, dass sie es ernst mein.“

„Sieht so aus.“

„Und was machst du jetzt?“, fragte Spencer und guckte seinen Teamchef mit erhobenen Augenbrauen an.

„Ich? Ich gehe jetzt erst mal Druck abbauen...“

„NICHT bei mir!“, warnte der Riese bedrohlich ruhig, „nicht...bei...mir...“
 

*~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„Was wünscht du dir eigentlich zum Geburtstag?“

Kai sah Mirka ungläubig an und wechselte den Blick zu seinem Vater, welcher direkt neben ihm saß. Daniellé hob überfragt die Schultern und rührte weiter in seinem Eiskaffee, wobei er zwischen seinem Sohn und seiner zukünftigen Schwiegertochter hin und her guckte. Sie waren zusammen Eis essen gewesen und saßen jetzt noch gemeinsam auf der Terrasse des Lokals.

„Du musst dir doch irgendwas wünschen?“

„Momentan bin ich einfach nur froh, wenn der ganze Wahnsinn vorbei ist...“, gestand der Junge und nippte an seinem Eistee, „tut mir leid, wenn ich dich enttäuschen muss.“

Mirka sah ihn herausfordernd an und zog eine Schnute.

„Du rennst doch andauernd mit deinem BeyBlade rum...da muss es doch was geben!“

„Glaub mir“, belächelte er ihre Aussage, „wäre mein Dranzer nicht schon perfekt, dann könntest du dir die Teile dafür nicht leisten!“

„Ich bin eine Chevalier! Natürlich könnte ich es mir leisten!“

Kais Grinsen wurde immer breiter, während er seinen Kopf auf eine Hand abstützte.

„...und außerdem, wenn dein Dranzer perfekt gewesen wäre, dann hättest du doch die Meisterschaft gewinnen müssen, oder?“

Mit einem Mal entwich sein Grinsen und er guckte sie mit seinem typischen ‚Kai Blick‘ an. Daniellé seufzte tief. Es war bis eben noch so ein schöner Nachmittag gewesen…

„In your face!“, sagte Mirka triumphierend und machte die passende Geste dazu.

Der Junge lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust, diese Gestik kannte sein Vater nur zu gut…

„Jetzt ist er eingeschnappt“, kommentierte Danny und trank seinen Eiskaffee aus.

„Bin ich nicht...“, raunte sein Sohn, ohne den Blick von dem Mädchen zu nehmen.

„Und wie du das bist. Zufrieden, Mirka?“

„Was denn? Er sollte endlich mal aufhören, dauernd aus einer Mücke einen Elefanten zu machen!“, beschwerte sie sich und ahmte die Gestik ihres Verlobten nach, „ich kann das auch!“

„Schön für dich.“

„Ja. Prima!“

„Fein.“

„Fein!“

„Wenn ihr zwei nicht gleich damit aufhört, dann werf ich euch zur Abkühlung in den Fluss!“, versprach Daniellé und tippte streng mit dem Zeigefinger auf die Tischplatte.

„Sie hat doch angefangen!“

„Ich meins ernst, Kai!“

„Du stehst auf ihrer Seite?!“

„Ich sitze um genau zu sein gerade zwischen euch. Ihr verhaltet euch wie Geschwister und nicht wie ein Paar, dass demnächst Mann und Frau sein wird. Du hast es mit deiner Bemerkung übertrieben und du mit deiner schlechten Angewohnheit. Vertragt euch wieder. Wie und wann ist mir relativ, nur tut es vor der Hochzeit.“

Daniellé stand von seinem Platz auf, um die Rechnung zu bezahlen, währenddessen stierten sich Kai und Mirka weiterhin finster an. Das Mädchen musste sämtliche Kraftreserven aufbringen, um seinen Blick standzuhalten, für ihn war das eine seiner leichtesten Übungen. Bereits nach einigen Momenten peinlicher Stille stöhnte Mirka genervt auf und rieb sich angestrengt die Schläfen.

„Verdammt ist das lästig!“, murmelte sie, „wie hältst du das nur so lange aus?“

„Jahrelanges Training führt schlussendlich zur Perfektion.“

„Dafür wäre mir meine Zeit viel zu schade gewesen...“

Er neigte den Kopf für einen Augenblick zur Seite und grinste sie triumphierend an. Mirka stand ebenfalls auf und stützte sich mit beiden Händen am Tisch ab, ihrem Gesichtsausdruck zufolge schien sie sich ihre nächsten Worte gut zu überlegen.

„Okay...ich gebe auf!“, meinte sie plötzlich und linste Kai ausdruckslos an.

Seine Miene wechselte von überrascht, unschlüssig und misstrauisch hin und her, bis der Junge sich dazu entschied bei letzterem zu bleiben.

„...aber?“, fragte er und zog herausfordernd eine Augenbraue hoch.

„Nichts aber, Kai. Erstens ist mir dieses wortlose Gestarre viel zu anstrengend, geschweige denn zu blöd. Zweitens habe ich damit angefangen es zu übertreiben, also bin ich auch diejenige, die sich als erstes entschuldigt.“

„...und drittens…?“

„Es tut mir leid. Ende der Diskussion.“

Diesmal beobachtete Kai seine Verlobte sichtlich überrascht, wie sie sich wieder auf ihren Stuhl niederließ und ihr Gesicht auf die flache Hand abstützte. Erneut herrschte diese peinliche Stille, während sich die Personen um sie herum angeregt unterhielten. Der Junge spürte plötzlich dieses gewisse unbehagliche Gefühl in der Magengegend, wovor ihn alle gewarnt hatten, wenn er sie so dasitzen sah. Das kann ja noch heiter werden, dachte er sich, warf den Kopf gen Nacken und seufzte schwerfällig.

„Mir tut es...auch leid. Ehrlich.“

Ihre Blicke trafen sich erneut, doch diesmal ohne dieses irre kampflustige Funkeln, sondern bedrückt und schmerzerfüllt.

„Wenn uns jetzt schon so angiften...wie wird das dann erst, wenn wir verheiratet sind?“

„Sieh es mal so...unsere Nerven sind wegen all den ganzen Vorbereitungen bis aufs Letzte angespannt. Ich denke, dass wir wieder sichtlich entspannter sind wenn das alles endlich vorbei ist.“

Mirka seufzte tief und setzte sich wieder gerade auf, dann grinste sie schief.

„Ganz ehrlich? Wenn das hier vorbei ist, dann werde ich nie wieder heiraten!“

„Das hoffe ich doch“, entgegnete Kai belustigt.

„Viel zu viel negativer Stress für meine jugendliche Haut!“

Auf diesen Kommentar hin musste Kai kurz aufgrunzen und legte seine Hand flach auf die ihre. Etwas weiter Abseits lehnte Daniellé gegen eine Wand an und beäugte belustigt das Schauspiel, welches sie ihm geboten hatten.

„Na also...“, raunte er und grinste zustimmend.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~**~*~*
 

„...es ist wirklich schade, dass Marvin das Café vorübergehend schließen muss...es war so liebevoll eingerichtet und einladend.“

„Ja“, seufzte Luna und schob sich einen Löffel Obstsalat in den Mund, „wirklich schade...“

„Aber du arbeitest jetzt bei seinem Bruder? In der...Nachtschicht?“

„Hinter der Bar. Eigentlich...mach ich gerade mehr Schnipfelarbeiten und putze...zumindest solange, bis ich auf die Fortbildung geschickt werde. Dann bin ich laut Henry fest an der Bar.“

Edgar machte eine unsichere Miene, erwiderte jedoch nichts weiter. Er genoss lieber die Zeit, die er mit seiner Tochter verbringen konnte, ohne dass sie stritten.

„Und…? Habt ihr euch schon gut eingelebt?“, erkundigte sich Lunas Vater.

„Oh ja. Danke noch mal für alles, Dad. Die Wohnung ist echt super.“

„Freut mich. Und...mit...Louis…?“

„Er hat sich immer noch nicht gemeldet. Aber egal. Er soll die Zeit haben, die er braucht! Ich werde ihn nicht belästigen.“

Edgar hob überrascht beide Augenbrauen und blickte seine Tochter skeptisch an.

„Was…?“

„Kannst...du ihn...denn ihn Ruhe lassen? Soweit ich weiß bist du immer ziemlich nachtragend gewesen.“

„Das war die alte Luna. Die neue Luna genießt jetzt erst mal ihr Single Dasein!“

„Hört sich nicht gerade nach dir an“, schmunzelte ihr Vater.

„Du wirst schon sehen! Ich kann das!“

„Da bin ich mal gespannt.“

Luna grinste ihn vielversprechend an und schob sich einen weiteren Löffel Obstsalat in den Mund.
 

Zwei Stunden später raufte sich das Mädchen die Haare, während sie an ihrem Laptop saß und immer noch keine neue Email von Louis bemerkte.

„Oh man!“, fauchte sie dabei und stand wütend auf, nur um sich gleich wieder in den Stuhl fallen zu lassen, „das ist ja schlimmer, als wie mit dem Rauchen aufzuhören!“

„Hat er sich immer noch nicht gemeldet…?“, schmunzelte der Rotschopf und lehnte sich auf die Kücheninsel.

Luna guckte ihn finster an, tippte bedrohlich mit ihren Fingern auf der Arbeitsplatte und versuchte ruhig zu atmen. Er hielt ihrem Blick tapfer stand, musste sich jedoch anstrengen nicht zu lachen.

„Er...wird...sich...noch...melden...“, schnaufte Luna schwerfällig und wechselte ihr Sichtfeld wieder auf den Bildschirm ihres Laptops.

„Warum...redest...du...so...komisch?“, erkundigte sich Tala im selben Tonfall.

„Vordere dein Glück nur heraus, Iwanov. Ich knall dich schneller, als dass du gucken kannst!“

„Vorsicht, Tala!“, lachte Bryan von der Couch aus, „lass am Besten schon mal die Hose runter, damit sie es leichter hat!“

„Ich knall ihm eine!“, berichtigte sich das Mädchen und lief im Gesicht rot an.

„Jetzt wird‘s interessant! Sie will dir eine knallen, während sie dich knallt. Beherrscht du überhaupt so viel Multitasking?“

„Bryan...wenn du dir nicht langsam mal angewöhnst genauer zuzuhören, dann komm ich zu dir rüber und schraub die 5 Watt Birne fester, welche in deinem Kopf für Beleuchtung sorgt!“, warnte sie ihren Mitbewohner.

Tala kicherte gehässig in Richtung seines Teamkollegen, ging jedoch sicher, dass er genügend Sicherheitsabstand zu Luna hielt. Diese war mittlerweile wieder damit beschäftigt, auf Louis‘ Internet Profil zu gucken, ob er vielleicht doch irgendwas geschrieben hatte. Fehlanzeige.

„Wieso hat er nichts geschrieben?“, fragte sie gereizt in die Runde.

„Vielleicht muss er immer noch drüber hinwegkommen…?“, schlug Tala als mögliche Antwort vor.

„Sonst hat er doch auch so viel gepostet!“

„Hast du schon auf seinen Verlinkungen geschaut?“, fragte Bryan plötzlich.

Luna und Tala sahen ihn mit großen Augen an.

„Wenn er nichts schreibt, dann heißt das doch noch lange nicht, dass er mit Niemanden unterwegs ist. Klick mal drauf.“

Während der Rotschopf die Augen genervt verdrehte tat Luna wie ihr gesagt wurde und staunte.

„Tatsache! Der Kerl ist heute sogar hier in der Nähe unterwegs!“, lachte sie diabolisch, zog sich ihre Jacke über und eilte aus der Wohnung.

„Bitteschön!“, rief ihr Bryan hinterher, dann bemerkte er den Blick seines Teamchefs, „was…?“

„Bist du jetzt zufrieden, ja?“, wollte dieser herausfordernd wissen.

„Was denn?“

Anstatt etwas zu antworten seufzte Tala genervt und guckte den Flur hinunter Richtung Wohnungstür.
 

Die laute Musik dröhnte bereits am Eingangsbereich in Lunas Ohren, während sie den Eintritt bezahlte und sich den Clubstempel auf ihren Handrücken machen ließ. Wo bin ich hier nur gelandet…?, fragte sie sich selber und ging die Wendeltreppe nach unten, wo sie zu einem zwar kleinen aber dennoch sehr gut besuchten Raum kam. Überall an den Wänden waren Lichtröhren in den grellsten Neonfarben angebracht worden, die Leute, welche dort tanzten hatten überall am Körper diese Leuchtstäbchen hängen oder Armbänder und Ketten draus gemacht. Luna zwänge sich durch die eng aneinander tanzenden Gestalten, bis hin zur ersten Bar, wo sie auch schon ein ihr sehr bekanntes Gesicht erblickte.

„Hey!“, rief sie laut durch die hämmernde Musik, „was machst du denn hier?“

Der Junge musste zwei mal hinsehen, bevor er sie erkannte: „Das selbe könnte ich dich auch fragen! Hätte nie gedacht, dass du in solchen Clubs bist.“

„Tu ich eigentlich auch nicht.“

„Tanzen?“

„Ähm...nein danke...“, lehnte das Mädchen mit erhobenen Händen ab, „ich suche jemanden.“

„Drink?“

Noch bevor Luna erneut ablehnen konnte reichte ihr Adrian bereits ein schmales Glasröhrchen, in welchem sich eine pinke Flüssigkeit befand und prostete ihr breit grinsend zu.

„Was los?“, fragte er, nachdem sie nicht mit ihm zusammen getrunken hatte, „das ist lecker!“

„Kann schon sein...“

„Keine Angst“, lachte Adrian und trank gleich noch eins, „da sind keine K.o. Tropfen drinnen.“

Zögernd roch das Mädchen an dem Glasröhrchen und nippte daran. Es schmeckte übertrieben süß.

„Boah“, bleckte sie angeekelt die Zunge, „wie kannst du so was trinken? Das ist doch purer Zucker!“

Adrian sah sie verwundert an, zog sie ungeniert zu sich und zeigte an die Tafel hinter der Bar.

„Pink is süß. Gelb is fruchtig und grün is sauer. Was willst du?“

„Willst du mich etwa einladen?“, fragte sie und guckte ihn skeptisch an.

„Klar! Feier ein bisschen mit mir!“

Luna blickte noch einmal in die Runde, ob sie vielleicht Louis doch irgendwo entdecken könnte, doch hier schien er nicht mehr zu sein. Aber wenn sie schon mal da war…

„Nur solange der Vorrat reicht!“, grölte Adrian durch die laute Musik, „wenn du noch länger überlegst haben sie keine mehr!“

„Okay, okay!“, rief sie ihm entgegen, „ich nehme ein grünes!“

„Sauer macht lustig, hm?“

„Hoffe ich. Bei dieser Musik brauche ich auf jeden Fall was stärkeres, um es hier auszuhalten!“

„Was hast du gegen Dubstep?“

„Darauf kann man doch gar nicht tanzen...“

Adrian und Luna schauten in die sich eng aneinander reibende Menschenmasse.

„...zumindest nüchtern nicht...“, fügte sie ihrem Satz hinzu.

„Ich weiß nicht, was dein Problem ist...hier geht doch voll die Post ab!“

Der Junge reichte ihr gleich zwei der Glasröhrchen mit grüner Flüssigkeit, während er ein gelbes und ein pinkes nahm.

„Wieso gleich zwei?“

„Du sagtest eben noch, dass du für diese Musik was stärkeres brauchst. Hob! Runter mit dem Zeug!“

Mit zwei schnellen Handbewegungen kippten sie den Inhalt in ihre Münder, worauf es Luna alles zusammen zog. Sie kniff die Augen zusammen und schüttelte sich am ganzen Körper.

„Alles klar?“, lachte Adrian, nachdem er das Spektakel beobachtet hatte.

„Alter! Das ist ja schlimmer als Center Shock!“

„Geil oder?“

Luna sah ungläubig zu Adrian auf, welcher immer noch breit grinste. Sie reichte ihm ihre leeren Gläschen und schüttelte sich noch einmal. Anscheinend hatte der Junge Mitleid mit ihr und fragte, was sie sonst so trinken wollte.

„Ich glaube, da gibt es nichts, was diesen Geschmack überdecken kann...“, jammerte das Mädchen und zog die Augenbrauen zusammen.

„Du stehst sicher auf slippery nipple?“, grinste er schelmisch.

„Sehe ich etwa aus wie der Typ Frau, der Baileys trinkt?“

„Ganz ehrlich? Ich hätte mich bei dir einfach durchprobiert.“

„Echt jetzt?“

„Echt jetzt!“

„Ich nehm ein Bier...bevor du auf das kommst, was ich gern trinke, brauche ich eine neue Leber.“

„Das is ja langweilig...“, meinte Adrian enttäuscht, bestellte ihr jedoch das gewünschte Getränk, „also muss es ehr was ausgefallenes sein, ja?“

„Du hast gesagt, dass du dich durchprobieren willst“, grinste Luna schief und versuchte mit der Musik mit zu wippen, „so einfach mach ich‘s dir auch nicht!“

„Du willst also spielen?“, erkundigte sich Adrian und bis sich neckisch auf die Unterlippe.

„Hä? Was? Nein! So hab ich das nicht gemeint!“

„Ihr sagt doch immer ‚nein‘...und meint ‚ja‘!“

Noch bevor Luna irgendwas erwidern konnte gab Adrian dem Barkeeper seine neue Bestellung durch. Als er sich ihr wieder zuwandte grinste er breit und zwinkerte dem Mädchen zu. Ungläubig ließ sie die Schultern sinken.

„Spielen wir!“, rief ihr Adrian herausfordernd zu und klatschte freudig in die Hände.

„Was machst du, wenn ich ihn nicht trinken will?“, erkundigte sie sich im selben Tonfall.

„Gut, dass du fragst denn jetzt kommen die Regeln: Ich bestelle und du probierst! Wenn ich deinen Geschmack getroffen habe, trinkst du aus.“

„Und wenn du daneben greifst?“

„Dann trink ich!“

„Wirklich?“

„Versprochen. Aber! Du musst auch ehrlich sein!“

Luna hob beide Augenbrauen und schmunzelte in ihren Flaschenhals: „Spielen wir!“

Adrian reichte ihr das erste Glas und nahm dafür ihre Bierflasche entgegen. Nachdem Luna davon genippt hatte lachte sie laut schallend auf und reichte Adrian wieder das Glas.

„Sorry. Aber üüüüüüberhaupt nicht mein Geschmack!“

Er legte den Kopf schief, gab jedoch die nächste Bestellung auf. Das Mädchen leckte sich über die Oberlippe, während beide auf den neuen Cocktail warteten.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Tala schreckte auf der Couch auf, nachdem etwas lautes neben ihm geknallt hatte. Er musste wohl beim Fernsehen eingeschlafen sein. Vorsichtig linste er über die Lehne und beobachtete, wie sich Luna eine Schüssel Wackelpudding aus dem Kühlschrank holte und sich gleich darüber hermachte.

„Und…? Wie lief‘s?“

Sofort zuckte das Mädchen zusammen und hielt sich an der Kücheninsel fest, während ihr Mitbewohner aufgestanden war und zu ihr ging.

„Erschreck...misch...nisch...so! Tala!“

„Du...bist betrunken?“

„Jupp! Isch hab...e...gespielt!“, grinste sie stolz, „un isch abe jewonnen!“

„Warte, warte. Was hast du gespielt?“

„Puh...isch musssss noch mal surück!“, meinte sie nach einiger Überlegung, „und Riwahn fragen, wie das Spiel eigentlich heißt...es hat Spaß gemacht!“

„Was? Wer ist Riwahn? Ich dachte du wolltest mit Louis sprechen?“

„Oh shit! Da war ja was!“

„Luna?“, fragte Tala in einem forscheren Ton, „wo warst du?“

„Ähm...wie hieß das Drecksloch noch mal...egal! Uff jeden Fall wollte ich ja ursprünglich mit Mr. Mundgeruch was klären. Hab den Sack nich jefunden...dafür aber Riwahn. Du weißt schon...Kais Kumpel!“

Tala hob überfragt eine Augenbraue und schüttelte den Kopf.

„Egal“, winkte Luna ab, „wir ham jespielt, dass er mir en Cock...hahaha...ich habe Cock gesagt!“

„Luna. Du schweifst ab...“

„Hahahaha! Cock! Verstehst du? Wegen Cocktail! Fällt mir jetzt erst uff, wie versaut Cocktail klingt!“

„Luna!“

„Sorry...ähm...wo war ich…?“

„Ihr habt irgendwas gespielt...“, erinnerte sie der Rotschopf genervt und rieb sich die Schläfen.

„Oh ja! Wenn er mir nicht geschmeckt hat...der Cocktail, nicht der Cock...ich habe Adrian keinen geblasen...nur...zu deiner...Info...musste er ihn trinken“, grinste sie breit und hatte große Mühe sich an der Kücheninsel festzuhalten, „aber leider...hat der Arsch auch den einen...oder anderen...Drink angeschleppt, die mir auch noch geschmeckt haben...“

„Lass mich raten. Wenn sie dir geschmeckt haben, dann musstest du sie trinken?“

„Jenau! Gell du kennst dieses Spiel?“, wollte sie sichtlich überrascht wissen.

„Jetzt schon. Mit wie viel hast du denn gewonnen, Luna?“

„Hey! Das ist mein Name...“, kicherte das Mädchen und schob sich ein bisschen Wackelpudding mit ihren Fingern in den Mund.

Tala musste ebenfalls kichern, versuchte jedoch ernst zu bleiben.

„Boah...das is escht lecka!“, schmatzte sie.

„Luna. Wie viel hast du gewonnen?“

„Hä?“

„Bei eurem Spiel!“

„Oh...ähm...wie du siehst...sicherlich siehst du mich...hast ja Augen...verdammt schöne Augen...egal...irgendwie...ich bin dicht...“

„Aha.“

„Und ich bin geil!“, grinste sie über ihr komplettes Gesicht.

„Das habe ich befürchtet.“

Sie schlich um die Kochinsel bis zu ihrem Mitbewohner herum, ließ diese jedoch niemals los und legte schließlich beide Hände auf Talas Schultern. Dieser musste sich anstrengen, nicht gleich lauthals loszulachen, als er dieses Schauspiel mitansah.

„Schlaf...mit mir...“, kicherte Luna, „bitte...natürlich...“

„Wieso das denn jetzt? Wolltest du nicht auf Abstinenz leben?“, grinste er.

Natürlich hatte er bei ihrem betrunkenen Anblick bereits gewusst, dass das auf ihn zukommen würde. Aber er hatte seine Prioritäten.

„Tala...isch bin betrunken, aggressiv und emotional so verletzlich, also komm her und nimm mich!“

„Warum denkst du bei aggressiv an Sex mit mir??“

„Tala! Hose runter und her!“

„Willst du nicht lieber kuscheln?“, grinste er und hielt seine stark schwankende Mitbewohnerin an den Hüften fest.

„Kuscheln ist für Anfänger…!“

„Du machst mir aber Angst...außerdem werde ich dich nicht anfassen, bevor wir nicht miteinander geredet haben!“

Plötzlich packte sie Tala am imaginären Hemdkragen, denn er trug kein Oberteil. Und dennoch war Luna so voll, dass sie ihrer Gestik weiterhin den Streich spielte, sie hätte ihn tatsächlich am Kragen gepackt.

„Du...schwankst ganz schön...willst du dich nicht lieber hinsetzen?“, schlug der Rotschopf vorsichtig vor.

„Mir geht‘s gut...“, lallte sie und im gleichen Moment gaben ihre Beine auch schon nach.

Instinktiv hatte Tala reagiert und nun lag sie auf seinen Armen, bereits tief schlafend. Der Junge blickte sie mit großen Augen und und wunderte sich, wie man nur so schnell einschlafen konnte. Dann schmunzelte er und trug seine Mitbewohnerin in ihr Zimmer, wo er sie vorsichtig auf ihr Bett niederlegte. Für einige Augenblicke beobachtete er sie noch, wie das Mondlicht auf ihr Gesicht schien. Tala seufzte und streichelte Luna vorsichtig über die Wange, über ihren Hals und deckte sie zu.

„Son khorosho“, flüsterte er Luna ins Ohr und drückte einen sanften Kuss auf ihr Gesicht.

Kapitel 20

„Wie lange willst du denn noch spielen?“, rief Luna belustigt durch die laute Musik, während sie sich an Adrians Schulter festhielt.

Auf der Theke hatten sich bereits die leeren Gläser gesammelt und der Barkeeper überschlug im Kopf, wie viel die beiden ihm noch einbringen könnten, wenn er sich mit der Mischung etwas zurücknehmen würde. Adrian kicherte und fuhr mit seinem Zeigefinger über die Karte.

„Den da!“, meinte er entschieden und zeigte dem Barkeeper den Namen, „es ist schon viel zu spät, als dass ich das noch vorlesen könnte!“

„Wie spät haben wir?“

„Keine Ahnung...“, gestand der Junge und zuckte mit den Schultern, „aber hallo bin ich voll!“

„Neiiiiiin! Du doch nicht!“, kicherte Luna und schlug ihn leicht auf die Schulter, „vielleicht sollten wir hier Schluss machen…?“

„Du willst jetzt schon mit mir Schluss machen?“, fragte Adrian traurig und zog einen Schmollmund.

Der Barkeeper wechselte einen schnellen Blick zwischen den beiden, als Adrian abwinkte.

„Einer geht noch!“, rief er triumphierend.

„Aber nur noch dieser eine!“, versicherte ihm Luna und nickte dem Mann hinter der Bar zustimmend an.

Dieser machte sich erleichtert ans Werk, während Adrian auf die Hand auf seiner Schulter blickte.

„Begrapscht du mich etwa?“, lallte er.

„Vielleicht?“, kicherte das Mädchen und sah ebenfalls auf seine Hand, „empfindest du denn als begrapschen?“

„Wusstest du...wusstest du, dass wenn man einen Chevalier begrapscht, dass man ihn auch küssen muss?“, grinste er und seine graugrünen Augen funkelten im gedämmten Licht.

„Gilt das nur für dich, oder für alle Mitglieder des Chevalier Clans?“, wollte sie argwöhnisch wissen.

„Bis jetzt nur für mich“, kicherte Adrian und drückte mit seinem Zeigefinger auf seine Wange, „genau dahin!“

Luna nahm das Glas, welches der Barkeeper ihr reichte entgegen und nippte dran. Sie stellte das Glas auf die Theke und grinste breit: „10:8 für mich! Du hast verloooooooooren!“

„Ich warte immer noch auf meinen Kuss!“

„Ver...looooooren!“, freute sich Luna und klatschte in die Hände, „aber...da du dich so angestrengt hast mich abzufüllen und nur 2 Punkte im Rückstand bist sollst du ausnahmsweise deinen Kuss bekommen.“

„Echt jetzt?“

Da hatte Luna sein Gesicht schon zwischen ihre Hände genommen und Adrian einen dicken feuchten Schmatzer auf die Backe gedrückt.

Als das Mädchen die Augen wieder öffnete blickte sie an die weiße Zimmerdecke und spürte wie ihr Magen sich mit einem flauen Gefühl bemerkbar machte.

„Oh...mein...Schädel!“, jammerte sie und hielt sich die Stirn, „wo zum…?“

Als Luna etwas schweres auf ihrem Bein bemerkte, blickte sie an sich herab und erkannte Tala, wie er auf einem Stuhl saß und mit seinem nackten Oberkörper auf ihren Beinen schlief. Vorsichtig zog Luna ihre Füße an und wälzte den Jungen ganz langsam auf ihr Bett, deckte ihn zu und beobachtete ihn beim Schlafen. Ab und zu streichelte sie ihm übers Haar und lächelte dabei, bis Luna endlich bemerkte, dass sie noch vollkommen angezogen war.

„Ja...jetzt fällt es mir auch wieder ein...“, raunte sie und erinnerte sich daran, wie sie sich gestern noch mit Tala unterhalten hatte. Vor allem...über was.

Sie stützte ihr Gesicht auf die Knie und unterdrückte ein lautes genervtes Stöhnen, als sie plötzlich etwas kaltes an ihrem Fuß spürte. Ruckartig schreckte Luna au und blickte Tala in die Augen.

„Morgen...“, gähnte er und zog seine Beine weiter an, „wie hast du geschlafen…?“

„Gut...“, murmelte Luna und lehnte sich auf ihr Kissen, „abgesehen davon, wie ich aufgewacht bin.“

„Hab ich dich geweckt?“

„Keines Wegs...mein Magen und mein Kopf schon ehr.“

Tala schmunzelte und streckte sich, bevor er ein knacksendes Geräusch aus seinem Rücken vernahm.

„Au...“, stöhnte er und begann sich zu dehnen, „was zum…?“

„Du hast bis eben zur Hälfte auf meinem Bett und diesem Stuhl geschlafen. Kein Wunder, dass du Rückenschmerzen hast.“

„Ah ja...da war ja was...“

„Das war voll süß von dir...“

„Hm?“

„Du hast sicher die ganze Zeit darauf gewartet, weil du dachtest, dass ich Louis finde und dementsprechend gelaunt nach Hause komme. Dann hast du mich anscheinend ins Bett gebracht und auf mich aufgepasst...“

„Ist doch nicht der Rede wert...“

„Danke, Tala.“

„Bitte. Tee?“

„Hier muss irgendwo noch ein Fruchtsaft stehen“, grübelte sie und kratzte sich vorsichtig am Hinterkopf, „aber mal was ganz anderes...“

„Hm?“

„Du...wolltest unbedingt mit mir über was wichtiges Reden.“

„Ja.“

„Hat das noch Zeit bis nach dem Frühstück?“

„Natürlich“, grinste Tala und half ihr auf.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Lucielle öffnete die Haustüre eigentlich, um im Garten frisches Obst für das Frühstück zu pflücken, stolperte dabei aber voll über ihren Bruder, welcher längs über die Terrasse lag und seinen Rausch ausschlief.

„Papa! Ich hab ihn gefunden!“, rief das Mädchen und ging auf die Knie, um Adrian anzustupsen, „Ari...? Ari? ARI!“

„Nich...so...laut...“, knörte der Junge, presste die Hände auf die Ohren und rollte sich auf die Seite, „Mama warum ist es schon so hell?“

„Weil du auf der Terrasse ausnüchterst“, lachte der Vater und hob seinen Sohn vom Boden auf, „guten Morgen Sonnenschein! Bereit fürs Frühstück?“

„Du hättest ruhig mal anrufen können!“, beschwerte sich Adrians Mutter, während sie ihm ein Spiegelei aus der Pfanne auf den Teller gleiten ließ, „ich habe mir Sorgen gemacht!“

Der Junge stützte den schweren pochenden Kopf auf seiner Hand ab, während er die Schimpfpredigt seiner Mutter über sich ergehen ließ. Wenn sie von ihm eine Antwort verlangte kam meistens nur ein geschwächtes Knören zum Vorschein, welches seinen Vater zum Grinsen veranlasste.

„Willst du diesmal gar nichts sagen?“, erkundigte sich Lucielle und neigte ihren Kopf zu ihm rüber.

„Ich denke, dass eure Mutter diesmal völlig ausreicht...“, meinte Pierre gelassen, „zusammen mit seinem Schädelbrummen ist das Strafe genug.“

„Wenn du meinst...“

Die beiden beobachteten schmunzelnd noch eine Weile das Schauspiel mit Adrian und seiner Mutter, welches sich ihnen bot.

Nach dem Frühstück erkundigte sich Pierre bei seinem Sohn, ob er sich nach dieser Standpauke noch einmal hinlegen und ordentlich auskurieren wollte. Der Junge blickte seinen Vater ungläubig an: „...hattest du mir vor unserer Anreise nicht ausdrücklich verboten, den ganzen Tag zu verschlafen?“

„Das habe ich. Aber ich denke, dass du für die nächsten vier Stunden erst mal genug gelitten hast. Hau dich eine Runde aufs Ohr und in der Zwischenzeit kann sich deine Mutter im Garten abreagieren.“

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren sprang Adrian die Treppe mehr oder weniger elegant ins Obergeschoss, wo er sich gleich aufs Bett schmiss und nach kurzem hin und her wälzen einschlief. Pierre sah für einen kurzen Moment die Treppe hinauf, bis er schließlich tief seufzte und sich wieder in die Küche begab, wo seine Frau am Tisch saß und den Kopf auf beide Hände stützte.

„Na? Was macht der Blutdruck?“, grinste er sie frech an und nahm neben ihr Platz.

„Ich weiß nicht mehr weiter, Pierre! Was können wir nur mit dem Jungen machen?“

„Wieso? Weil er mit seinen 19 Jahren über Nacht weggeblieben ist und mal ordentlich gefeiert hat?“

„Ich hätte kein Problem damit, wenn es nicht jedes mal so eskalieren würde!“, brummte Genevieve.

„Darf ich dich daran erinnern, dass wir vor knapp 6 Jahren schon mal einen ähnlichen Fall hatten?“

„Erinner mich bloß nicht daran...“

„Und das haben wir auch überlebt...und wie haben wir das geschafft?“

„Indem wir uns immer sagten, dass wir uns lieb haben und es nur eine Phase sei.“

„Na also. Es war mit Lucy schwierig und jetzt ist halt Adrian an der Reihe...auch das werden wir schaffen.“

„Du hast ja Recht...“, seufzte Genevieve und fuhr sich mir der Hand durch die Haare, „ich war nur überwältigt, wie schnell der Junge groß geworden ist...“

„Die Zeit verfliegt.“

„Allerdings. Ich mache Eistee. Auch einen?“

„Bitte. Ja.“
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Tala fing den Strohalm mit seiner Zunge und zog genüsslich die kalte Flüssigkeit in seinen Mund, während er seine Augen auf Luna gerichtet hatte. Sie saßen in einem kleinen Bistro im Außenbereich und warteten auf ihre Eisbecher, als Luna nervös mit ihren Füßen wackelte und dabei Tala gegen sein Schienbein stieß.

„Oh sorry!“, entschuldigte sie sich hastig und warf mit einer schnellen Handbewegung ihr Glas um, womit dessen Inhalt auf Talas Oberteil und Hose schwappte.

Die beiden starrten sich ungläubig an, dann lachten sie laut los, so dass die Passanten sie fragend anguckten.

„Es tut mir leid...“, kicherte Luna entschuldigend, „normalerweise bin ich nicht so tollpatschig.“

„Kein Ding. Mach dich nicht verrückt.“

„Oh man...“, tadelte sich das Mädchen selbst und schüttelte den Kopf, während ihr Mitbewohner mit einer Servierte die nassen Flecken auf seiner Kleidung abtupfte.

„Nachdem wir jetzt das Schweigen gebrochen haben...“, begann Tala und grinste schief, „kann ich ja anfangen?“

Luna setzte sich wieder hin und seufzte, nickte jedoch.

„Wo soll ich anfangen?“

„Wieso fragst du mich das?“, staunte Luna überrascht.

„Ich dachte mir, dass wenn ich mich dir schon ein wenig mehr öffnen würde, dann sollte ich es auch dir überlassen, wo ich damit anfange.“

„...wow...“

Während das Mädchen immer noch baff ihm gegenüber saß nahmen die beiden ihre Eisbecher entgegen und Tala schob sich dezent amüsiert den ersten Löffel seines Bananensplits in den Mund.

„Ich bin überwältigt!“, gestand Luna und lachte nervös.

„Nein...“, grinste der Rotschopf schief, „du doch nicht!“

„Machst du dich gerade lustig über mich?“

„Nein!“, lachte er jetzt ebenfalls, „ich doch nicht!“

Sie funkelte ihn herausfordernd an, während Tala weiterhin sein Eis aß, jedoch ihren Blicken tapfer stand hielt.

„Dank der Medien habe ich ja einiges mitbekommen, beziehungsweise erfahren...“, begann Luna, „auf Grund dessen bin ich also was euer ‚Beziehungsdrama‘ angeht auf einem meiner Meinung nach guten Stand.“

„Beziehungsdrama?“

„Am Schluss...fande ich das schon...“

Tala hob überrascht die Augenbrauen und klopfte seinen Löffel am Rande des Tellers ab.

„Eigentlich interessant finde ich nur noch, was Rachel in deinem Krankenzimmer zu suchen hatte.“

„Ist das wirklich alles, was dich jetzt noch interessiert?“

„Nein...“, seufzte sie und ließ die Schultern sinken, „eigentlich möchte ich jedes kleine Detail wissen...“

„Damit ich mehr Gefallen an dir finde?“

„Ähm...ja?“

„Findest du das nicht etwas creepy?“

„Ähm...irgendwie...schon...“

„Lass das, Luna“, bat der Chef der Blitzkrieg Boys, „das würde auf Dauer nicht gut gehen.“

„Auf Dauer?“, wiederholte sie ungläubig, „meinst du...das...ernst?“

„Jetzt nicht sofort. Ich hätte abgewartet, wie es sich weiterhin entwickelt.“

„Okay...“

„Also“, seufzte Tala entspannt und ließ sich tiefer in den Stuhl sinken, „wo soll ich anfangen?“

„Ich bleibe dabei.“

Luna sah so entschlossen wie schon lange nicht mehr aus, auch wenn Tala es an ihrer Nasenspitze ansehen konnte, wie die Neugier sie beinahe auffraß. Er grinste breit und verschränkte seine Arme über der Brust.

„Rachel hat mir im Krankenzimmer Unterlagen zum unterschreiben gegeben. Darin stand lediglich nur, dass wir beide nicht mehr der gegenseitige Notfallkontakt sind.“

„Das ist alles?“

„Jupp. Nicht so spannend, wie du dir erhofft hast, hm?“

„Nein...nicht im Geringsten...“

„Tut mir leid...“, lächelte Tala traurig, als er Lunas enttäuschte Miene sah, „das war aber auch schon alles...“

Luna stocherte verlegen in ihrem Eis herum und linste ab und zu zu ihm auf.

„Dir liegt doch was auf der Zunge?“

„Ja schon“, begann sie, „aber ich weiß nicht wie ich anfangen soll...“

„Dann sag es einfach.“

Luna sog durch die Nase tief Luft ein und blickte Tala direkt in die Augen, als plötzlich eine Horde Schulmädchen auf der anderen Straßenseite aus dem Bus stieg und den Jungen erspähte.

„OH MEIN GOTT! TALA!“, kreischte eines und rannte sofort auf ihn zu.

„KREIIIISCH! ER IST ES!“

„TALA! MACHST DU EIN FOTO MIT MIR?“

Die beiden sprangen hektisch von ihren Stühlen auf, damit die Meute sie nicht um schmeißen konnte. Die Mädchen umzingelten den Rotschopf und reichten ihm Notizblöcke für Autogramme und Handys für Bilder mit ihnen, während Luna einen großen Schritt zurückwich und die Szene beobachtete. Tala blieb total cool. Er unterschrieb brav und grinste immer in die Kamera, wenn sich ein weiteres Mädchen zu einem Selfie umdrehte. Die Schülerinnen quietschen aufgedreht und hüpften wie kleine Kinder um den Jungen herum, da erinnerte sich Luna daran, dass sie vor gar nicht allzu langer Zeit noch dasselbe getan hatte. Sie verstand die Mädchen vollkommen und konnte ihnen nicht mal böse sein. Dennoch…dieser Stich...

„So Mädels!“, grinste Tala und sah noch ein mal in die Runde, „das reicht für heute erst mal.“

„Kommst du öfters her?“

„Wann sehen wir dich wieder?“

„Gehst du mal mit uns hier Eis essen?“

„Au ja! Bitte, Tala! Bitte!“

„Vielleicht“, kicherte er neckisch und hob abwehrend die Hände, „aber ich muss jetzt echt weiter!“

„Okay!“, riefen die Mädchen alle im Chor und gingen fröhlich jauchzend ihren Weg, während sie ihre Bilder untereinander verglichen.

„Puh! So was hatte ich schon lange nicht mehr!“

Tala drehte sich um und bemerkte verwundert, dass Luna nicht mehr an ihrem Platz stand.
 

*~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Mirka stand leicht bekleidet auf einem Hocker, während eine Schneiderin Maß nahm, als Kai ins Zimmer trat und bei ihrem Anblick erst einmal gegen den Koffer voller Stoffen lief, diesen umstieß und sich selber mit einem großen Ausfallschritt gerade noch vorm Fallen bewahren konnte.

„Alles in Ordnung?“, erkundigte sich das Mädchen, während es sich nach ihrem Verlobten umwandte.

Kai hielt in seiner Bewegung inne und zog eine peinlich berührte Miene. Mirka legte den Kopf schief und beäugte die Szene mit einem amüsierten Schmunzeln, sagte jedoch nichts. Jedes Wort wäre jetzt zu viel. Selbst die Schneiderin zog es vor keinen Laut von sich zu geben, sondern nur ein dezentes Lächeln auf ihre Lippen zu setzten.

„Ich bin okay...“, raunte der Junge und begab sich wieder in eine aufrechte Position, „ich sollte zum Vermessen kommen...aber...wie ich sehe...“

„Du kannst gerne hier bleiben“, meinte Mirka, als er sich von ihr abwandte, damit sie sein errötendes Gesicht nicht sah, „Ludmilla hat gerade nur noch mal nachgemessen.“

„Brauchen fünf Minuten“, erwiderte die Frau mit russischem Akzent, „soll bringen Unglück, wenn sieht Mann Frau vor Hochzeit in Kleid.“

„Bitte bleib...“, bat das Mädchen und drehte Kai wieder den Rücken zu, sodass Ludmilla weiter arbeiten konnte.

Der Junge seufzte tief, stemmte die Hände in die Hüfte und verlagerte sein Gewicht auf den rechten Fuß. Die Schneiderin kniete sich vor Mirka und flüsterte auf russisch noch einmal das Wort „Unglück“, woraufhin das Mädchen ihr einen vielsagenden Blick zuwarf. Stillschweigend arbeitete die Frau weiter, während Mirka immer wieder mal einen Blick über die Schulter nach hinten warf.

„Nur weil du mich nicht ansehen sollst, heißt das noch lange nicht, dass du dich nicht mit mir unterhalten darfst.“

„Schon vergessen, wen du heiratest?“, entgegnete Kai tonlos, konnte sich jedoch ein stummes Grinsen nicht verkneifen.

„Den zweitplatzierten der letzten BeyBlade Weltmeisterschaf“, grinste sie nach hinten und beobachtete, wie er genervt stöhnte die Schultern senkte.

„Musst du jetzt eigentlich immer darauf herumreiten?“

„Naja“, überlegte Mirka und grinste noch breiter, „nach der Hochzeit liegt es an dir, mir etwas anderes zu geben, worauf ich herumreiten kann. Zwinker, zwinker.“

„WAS?!“, entfuhr es Kai und er drehte sich ruckartig zu ihr.

Sein Gesichtsausdruck sprach Bände, während die Schneiderin hastig nach Luft japste. Das Mädchen erwiderte seinen Blick und grinste vielsagend.

„Wie ich schon sagte...“, kicherte Mirka schelmisch, „es liegt nach der Hochzeit an dir. Lass dir was einfallen, Kai!“

Sie konnte beobachten, wie der Junge versuchte sich wieder zu fangen und nach den richtigen Worten suchte.

„...aber bis es soweit ist hast du ja noch ein bisschen Zeit dir was effektives zu überlegen. Und jetzt wieder umdrehen, du hast schon zu viel gesehen!“

Mit immer noch großen Augen wandte sich Kai erneut von ihr ab und versuchte wieder klar denken zu können, während Ludmilla sich immer noch Luft zufächerte. In Gedanken machte Mirka einen triumphierenden Freudensprung, in der Wirklichkeit stand sie jedoch völlig normal da und hatte alle Mühe, ihr Grinsen zu unterdrücken. Nach einer Weile konnte Ludmilla wieder am Kleid arbeiten, warf Mirka aber in regelmäßigen Abständen vorwurfsvolle Blicke zu.

„Bist du noch da?“, erkundigte sich das Mädchen und sah stur nach vorne in ihr Spiegelbild.

„Ja...“

Kais Stimme war ruhig, was man von seinem Puls jedoch nicht behaupten konnte.

„Hast du dir mittlerweile überlegt, was ich dir zum Geburtstag schenken kann?“

Es war schwer zu überhören, wie er erleichtert aufatmete, gleich daraufhin räusperte und ein verneinendes Geräusch von sich gab.

„Du hast nur noch zwei Wochen...“

„Ich weiß.“

„Luna plant übrigens eine Party, um in deinen Geburtstag rein zu feiern.“

„Ist mir nicht entgangen...“

„Wirst du auch hingehen?“

„Lässt du mir eine Wahl?“

„Das hört sich an, als wäre ich voll herrschsüchtig“, zweifelte Mirka an sich selbst, „wenn du nicht hingehen möchtest, dann sag ihr aber wenigsten Bescheid.“

„Okay, mach ich.“

„Du WIRST hingehen!“

„Da! Du lässt mir also doch keine Wahl!“, beschwerte sich Kai und drehte sich zu Mirka, als Ludmilla einen russischen Flucher ausstieß und er die Augen verdrehte, jedoch wieder in die andere Richtung blickte.

Kurz darauf bedeutete die Frau Mirka, dass sie endlich fertig waren und sie den Platz mit Kai tauschen sollte. Der Junge stellte sich sichtlich genervt auf den Hocker, während Mirka sich hinter der Trennwand wieder anzog, nur um sich gleich wieder neben ihn zu stellen und eine herausfordernde Miene aufzusetzen. Er blickte sie mit genau demselben Ausdruck an.

„Warum darf sie mich eigentlich sehen, wo bei mir so ein Terz draus gemacht wurde?“, wandte er sich schließlich an die Schneiderin.

„Sie ist Frau!“, meckerte Ludmilla, „linker Arm!“

Kai reichte ihr ohne Widerworte seinen Arm und blickte zu Mirka.

„War sie bei dir auch schon so…?“, raunte er ihr zu.

Das Mädchen grinste verschmitzt und warf der Schneiderin einen kurzen Blick zu.

„Ehrlich gesagt sie erinnerte mich stark an dich, bevor du dazukamst.“

Er zog ungläubig die Augenbrauen zusammen: „Intelligent? Gutaussehend? Perfektion in jeder Hinsicht?“

„Schweigsam.“

„Ach...so...“

„Ein Kai Hiwatari auf der Welt reicht mir vollkommen aus...“, lächelte Mirka und striff leicht über seinen rechten Arm, „seelisch und moralisch versteh sich. Noch so einen wie dich würden meine Nerven nicht aushalten!“

Der Junge schmunzelte sie vielversprechend an und hob eine Augenbraue: „Stell dir vor wie es für dich wird, wenn eines unserer Kinder nach mir kommt.“

„Bist du wahnsinnig?!“

„Vielleicht?“

In diesem Moment machte sich Ludmilla daran, Kais Beine auszumessen und ging mit ihrer Hand für Mirkas Verhältnisse zu nah an eine gewisse Stelle. Das Mädchen räusperte sich laut und warf der Schneiderin einen gefährlichen Blick zu, während Kai seine Verlobte über seine Schulter hinweg beobachtete. Augenblicklich ließ Ludmilla ihre Hand sinken und beobachtete Mirkas Miene , wie diese sich mit jeden Zentimeter weiter aufhellte, bis sie schließlich zufrieden nickte.

„...und dabei heißt es immer, dass der Mann auf die Frau aufpassen soll“, grinste Kai und blickte erneut in den Spiegel.

„Ich achte nur auf das, was eh schon meins ist.“

„Wie war das? Bis es soweit ist hast du ja noch ein bisschen Zeit…?“

Sie guckte Kai durch den Spiegel hindurch an und grinste selbstgefällig, er erwiderte das Grinsen.
 

*~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Luna ging mit schnellen Schritten durch die Fußgängerzone, achtete dabei nicht wirklich darauf, wohin sie genau ging. Sie wollte einfach nur laufen. Ziellos.

Das mit Tala vorhin war einfach zu viel für sie gewesen, jetzt bereute sie, dass sie sich so heimlich davon geschlichen hatte.

„...und jetzt hatte ich ihn schon soweit...“, murmelte sie und blieb vor einem Kleidungsgeschäft stehen, indem sie ein aufwendiges Kleid sah.

Sie versuchte sich in diesem Kleid vorzustellen, auch wenn lachspink nicht unbedingt ihre Farbe war. Langsam, als es anfing ihr zu gefallen wanderten ihre Augen zu dem Preisschild…und da gefiel es ihr nicht mehr so sehr. Wieso musste das nur so teuer sein?!

Schnell ging sie weiter und schlug sich das Bild von ihr in diesem Kleid aus dem Kopf. Mirka würde es sowieso viel besser stehen, vielleicht sollte sie ihr diesen Laden mal empfehlen?

„Sie kann sich solche Preise schon ehr leisten...“, murmelte Luna und bog in eine Passage ab.

Das Mädchen ging zielstrebig auf einen Laden zu, drückte die Tür nach innen auf und stockte.

„Oh...“, gab sie leise von sich.

„Ah...du...“, erwiderte Louis und senkte sofort den Blick, „hi...“

„Ähm...ja...hi...“

Die beiden standen sich wortlos gegenüber, jeder starrte in eine andere Richtung, bis Luna sich schließlich dazu entschied das Eis zu brechen.

„Gut...gut siehst du aus.“

„Danke.“

„Hast dir einen Piercing stehen lassen?“

„Ja.“

„Cool. Wollte ich auch gerade.“

„Und da gehst du direkt hier hin?“

„Ist mein Stamm Studio. Naja war es früher mal...“

„Okay.“

„Hätte nie gedacht, dass du der Piercingtyp bist.“

„Ach ja? Ich hätte nie gedacht, dass du mich mal so hintergehen würdest!“

Autsch…

„Hey ihr zwei! Ihr blockiert meinen Eingangsbereich!“, meldete sich die Frau hinter der Theke plötzlich zu Wort.

Luna und Louis traten beide einen Schritt zur Seite und warfen sich vielsagende Blicke zu.

„Ich...ich...würde mich...gerne entschuldigen.“

Louis machte ein gespielt überwältigtes Gesicht und verschränkte die Arme über der Brust.

„...wir...wir konnten nie darüber reden...“

„Ach? Zwischen uns beiden gibt es noch etwas zu reden?“, wollte er schnippisch wissen.

„Louis!“

„Was?! Weißt du überhaupt, wie weh du mir mit deiner Aktion getan hast?“

„Ich weiß ja nicht, was euer Problem ist...aber mit eurem Geschreie vertreibt ihr meine Kunden!“, schimpfte die Frau des Piercinggeschäfts und zeigte auf die Tür, „raus mit euch!“

Die beiden gingen knurrend auf dem Laden, während Luna direkt davor stehen blieb ging Louis einfach weiter.

„Hey! Lauf nicht einfach weg!“

„Luna. Ich kann jetzt nicht mit dir reden...ich will vor allem nicht mehr mit dir reden. Vorerst nicht. Verstehst du das nicht?“

„Gib mir doch wenigsten eine Gelegenheit, mich aufrichtig bei dir zu entschuldigen und dann lass ich dich auch in Ruhe.“

„Versprochen?“

„Versprochen? Alter das is kein Kindheitsschwur!“

„Sag einfach, was du sagen willst und dann lass mich endlich!“

„Wie? Hier? Jetzt?“

„Musst du erst eine Rede schreiben?“

Luna hatte gerade die größte Lust, ihm einen gewissen Finger direkt vor die Nase zu halten, doch da trat plötzlich jemand hinter ihr direkt neben sie. Louis und Luna staunten nicht schlecht, als Tala unerwartet die Hände in die Hüfte stemmte und das Mädchen herausfordernd anfunkelte.

„Ich habe mir Sorgen gemacht, nachdem du einfach verschwunden warst!“, tadelte er sie, „aber jetzt weiß ich ja warum.“

„Nein, nein, nein, Tala! Es ist nicht so, wie es aussieht!“, wehrte Luna sofort ab.

„Aha?“

„Nö alter...mit der bin ich fertig. Die kannst du haben!“

„Achte du erst mal auf deine Wortwahl, Kumpel“, wandte sich Tala an Louis und blickte ihn böse an.

Der Junge machte eine eingeschnappte Miene und ging einfach ohne etwas weiteres zu sagen. Als Luna ihm folgen wollte stellte sich ihr der Rotschopf in den Weg.

„Wir beide sind noch nicht fertig.“

„Aber...ich...wir...ich...wollte...“, stammelte sie und brach plötzlich in Tränen aus.

„Warum…?“, stieß Tala überrascht aus und versuchte das Mädchen zu beruhigen.

Passanten blieben bereits neben ihnen stehen und raunten sich Vermutungen zu, weshalb sie so außer sich sein könnte.

„Luna...bitte...die Leute gucken schon…!“

„Ich wollte mich doch nur bei ihm entschuldigen!“, heulte sie und wischte ihre Nase am Handballen ab.

„Bei dem? Wieso? Er hat es doch gar nicht verdient!“

„Tala...es tut mir so leid...“

„Weshalb entschuldigst du dich jetzt bei mir?!“

Die nächsten Worte waren aufgrund ihres völlig aufgelösten Gewimmer nicht zu verstehen, daher entschied der Rotschopf, dass es das Beste für alle wäre, wenn er sie so schnell wie möglich nach Hause brachte.

„Na komm...“, murmelte er vorsichtig und legte einen Arm um ihre Schultern, „gehen wir...“

Einen kurzen Fußmarsch später saßen beide in Talas Auto und während er fuhr wischte sie sich erneut die Nase am Handballen ab.

„Oh du...“, bemerkte der Junge und öffnete das Handschuhfach, um nach ein paar Taschentüchern zu suchen, „hier...“

„D...danke...“

„Kein Ding...geht‘s langsam wieder?“

„Sorry...für die Unannehmlichkeiten.“

Tala kicherte kurz auf und bog mit dem Auto ab. Ein paar Minuten später hatte sich Luna anscheinend beruhigt und tupfte sich die letzten Tränen von den Wangen. Aus dem Augenwinkel heraus linste Tala zu ihr rüber und fragte, ob jetzt alles wieder in Ordnung war.

„Ja...denke schon...danke noch mal...und sorry...“

„Schon wieder“, schmollte Tala belustigt und parkte sein Auto, „lass gut sein, Luna. Was ich nur nicht verstehe...warum wolltest du dich ausgerechnet bei Louis entschuldigen?“

„Ich war völlig überfordert.“

„Überfordert? Wieso?“

„Du lachst mich sicher deswegen aus...“

„...ernsthaft? Weil mich die Mädchen vorhin belagert hatten?“

„Siehst du? Du grinst schon so breit!“

„Luna! Das waren Schulmädchen! Die waren höchstens 13!“

„Hör auf so zu grinsen!“

„Hättest du vor gar nicht so langer Zeit nicht genauso reagiert wie sie?“

„Lass mich!“, knörte Luna und stieg aus dem Auto aus.

Tala tat es ihr gleich und zwang sich, nicht zu lachen, während er ihr zur Haustür folgte. Das Mädchen schloss die Tür auf und die beiden traten in den Flur ein.

„...du müsstest es doch besser wissen, dass mir so was auf offener Straße passieren kann!“

„Ich weiß es ja! Trotzdem...es live mitzuerleben ist noch mal was ganz anderes!“

„Ist dir dann auch bewusst, dass wenn wir beide irgendwann mal zusammen sind dir genauso passieren kann?“

Luna guckte Tala groß an. Er erwiderte ihren Blick und stutzte.

„Wegen dem ‚irgendwann‘ oder dem anderen?“

„Irgendwie...beides...“, gestand sie und hielt den Schlüssel ans Türschloss zur Wohnung, „es...es hat mir nichts ausgemacht dich so im Mittelpunkt von allem zu sehen. Doch ich stand so weit weg von dir, so als wärst du für mich unerreichbar, während du so viele um dich hattest.“

„Du hast dich also ausgeschlossen gefühlt?“

„Ich...denke schon...ja...“

„Also...würde dir der ganze Trubel nichts ausmachen, so lange du neben beziehungsweise bei mir stehst?“

Luna sah Tala direkt in die Augen. Diese wunderschönen Augen…

„Klingt voll arrogant und hochnäsig so wie du es sagst.“

„Ähm...“

„Keine Angst“, kicherte sie müde, „ich werde nicht schon wieder weinen...“

„Danke...“

Sie schloss die Tür auf und schlenderte mit Tala zusammen in die Küche, wo sie sich erst mal an die Kücheninsel anlehnte und tief seufzte. Er stand mit etwas Abstand neben ihr und beobachtete das Mädchen, wie es gleich reagieren würde.

„Es war mir von Anfang an bewusst, dass ihr in der Öffentlichkeit steht. Auch, dass so was mal passieren würde, während ich mit einem von euch unterwegs bin. Allerdings hätte ich nie gedacht, dass es mich so beutelt, wenn ich es mit dir erlebe.“

„Du...bist...eifersüchtig?“

„Ja.“

„Wow. Okay“, grinste Tala verlegen und kratzte sich am Kopf, „ich wusste ja, dass du auf mich stehst. Sogar, dass du in mich verknallt bist. Aber nicht, dass du schon so weit bist.“

„Schlimm?“

„Ich fühle mich geschmeichelt. Ehrlich.“

„Jetzt schmarrst du aber.“

„Bitte was?“

„Du übertreibst.“

„Nicht im Geringsten. Prissilla war damals so geil auf das Rampenlicht, dass sie mich total verdrängte und Rachel war es so ziemlich egal. Du bist die erste, welche wirklich eifersüchtig darauf reagiert.“

„Was ganz neues für dich, hm?“

„Allerdings!“, lachte er und holte zwei Limonade aus dem Kühlschrank, „das ist auch neu für mich.“

Luna zog ungläubig die Augenbrauen hoch und nahm die Limo entgegen.

„Es scheint mir gerade so, als müsste ich dir doch etwas mehr erzählen, als ich es ursprünglich vor hatte“, überlegte Tala und zeigte auf die Terrasse, „lass mich dir erzählen, warum ich so bin, wie ich bin...zumindest ein Stückchen.“

„Ein Stückchen?“

„Wenn ich dir alles erzähle rennst du schreiend davon.“

Luna lachte hell auf und folgte dem Rotschopf auf die Terrasse, wo sie es sich bei Limonade erst ein mal gemütlich machten.

Kapitel 21

„...alles fing damit an, als ich Prissilla mit ca. 15 Jahren kennenlernte. Sie hatte gerade die Schule beendet und wollte anstatt einer Ausbildung lieber eine Modellkarriere einschlagen. Potential dazu hatte sie alle mal! Sie war schlank, dunkelblond und sogar ein Stückchen größer als ich“, schmunzelte Tala und nippte an seiner Limonade, „nur leider war sie sehr naiv und glaubte jedem, der ihr etwas versprach. Also unterschrieb sie den erstbesten Vertrag bei der miserabelsten Agentur und wunderte sich, warum sie zuerst nur als Schuhmodell gebucht wurde. Ständig rannte sie zur Pediküre, um das Maximum aus ihren Füßen herauszuholen...hartnäckig war sie, dass muss ich zugeben.“

„Nur du durftest alles bezahlen, hm?“, erkundigte sich Luna und streckte sich auf dem Stuhl.

„Nein. Erst als sie zum Unterwäschemodell befördert wurde...“, lachte der Rotschopf.

„Verdient man da normalerweise nicht mehr?“

„Schon. Aber sie wollte in einem Interview prahlen und erzählte, dass sie mit mir zusammen sei, und dass ich ihr alles kaufen würde, was sie sich wünschte.“

„Und daraufhin hast du ihr echt auch alles gekauft?“

„Zuerst dachte ich, dass das eine oder andere ‚kleine‘ Geschenk zu diesem Beziehungskram dazugehört. Wir standen damals auch schon regelmäßig in der Öffentlichkeit und Prissilla genoss es sich im Blitzgewitter der Fotografen zu sonnen. Und als Modell darfst du natürlich nie zweimal das selbe tragen. Ergo...“

„Autsch...“, bemerkte Luna und aschte ihre Zigarette ab, „sie hat dir dein Geld aus den Taschen gezogen, damit sie strahlen konnte? Ernsthaft?“

„Erinnerst du dich noch an deine erste Beziehung?“

„Boah...weißt du wie lange das her ist?!“

„Du hast damals sicher Fehler gemacht, die du heute nicht mehr wiederholen würdest...oder?“

„Du meinst, dass du früher auch naiv warst?“

„Und wie! Meine Mutter verließ uns, nachdem mein Vater seinen Job verloren hatte und zum Alkoholiker wurde. Der wiederum übergab mich einfach an Boris. Woher sollte ich also wissen, wie man eine Frau behandelt, geschweige denn seine erste Freundin?“

„Hast du nach der Geschichte mit der Abtei eigentlich wieder Kontakt zu deinen Eltern aufgenommen?“

Tala lachte traurig auf und schüttelte den Kopf, bevor er einen kräftigen Schluck seiner Limonade nahm. Luna legte fürsorglich eine Hand auf seine Schulter und machte eine mitgenommene Miene.

„...auf jeden Fall wusste ich es nicht besser und kaufte Priss, was sie wollte. Frei nach dem Motto: wenn sie glücklich ist bin ich es auch.“

„In den Medien wurde aber irgendwann darüber berichtet, dass ihr zwei eine ständige on-off Beziehung hattet...woran lag dieser plötzliche Wandel?“

Talas Blick verriet Luna, dass er in diesem Moment in früheren Erinnerungen schwelgte. Er seufzte schwerfällig und spielte nervös am Etikett seiner Flasche herum.

„Ich...wollte...nachdem wir bereits 4 Jahre zusammen waren...eine Familie...ich wollte mir beweisen, dass ich nicht der Sohn meines Vaters bin. Das führte zur ersten Trennung.“

„Sie wollte keine Kinder?“

„Ihre Karriere, wenn man das so nennen konnte war ihr Baby. Sie hatte Angst, dass sie nach einer Schwangerschaft keine Aufträge mehr bekommen würde.“

„Es interessierte sie gar nicht, was du wolltest.“

„Nein.“

„Das ist so traurig...“

„Ein halbes Jahr nach der ersten Trennung kam sie wieder zu mir und versprach, dass sie es sich mit dem Kinder kriegen noch mal überlegen würde...und ich glaubte ihr. Daraufhin folgten zwei weitere Trennungen. Am Schluss...war es, als würde ich einen alten und gemütlichen Stiefel anziehen. Entschuldigung für diesen Vergleich...und dann...dann kam Rachel...“

Luna zog es bei diesem Namen ihren Magen zusammen und der Schluck ihrer Limo blieb im Hals stecken. Tala bemerkte dies und lächelte bedrückt.

„Brauchst du eine Pause?“, erkundigte sich der Junge.

„Ich brauche ein Bier. Soll ich dir auch eines holen?“

„Bitte.“

Das Mädchen stand auf und ging in die Küche, während Tala über die Balkonbrüstung in die Ferne blickte und sich an die Zeit zurück erinnerte. An die holprige, aber dennoch schöne Zeit...Rachel...und Hanna. Vor drei Jahren...schien er der glücklichste Mann der Welt gewesen zu sein.
 

*~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Vorsichtig linste der Junge in das Kinderbettchen und sah sich diesen kleinen Menschen an, welcher dort vor ihm lag und seelenruhig schlief. Ab und zu bewegte sich der Schnuller im Mund des Mädchens, während ihre winzigen Hände im Schlaf immer wieder nach etwas griffen. Behutsam legte Tala seinen Zeigefinger in die kleine Hand, welche sofort kräftiger als gedacht zupackte.

„Wow...“, staunte er nicht schlecht, „du hast ja schon ordentlich Kraft!“

Das Baby gluckste, öffnete langsam seine Augen und blickte Tala direkt an. Kurze Stille, es herrschte kein Ton in dem Kinderzimmer. Der Junge wagte es sich nicht einmal zu atmen.

„Du läufst schon blau an...“, bemerkte Rachel, „hol Luft!“

„Sie soll nicht weinen...“

„Weil du atmest?“

„Vielleicht erschreck ich sie.“

„Mach dich nicht verrückt, Tala. Sie wird in knapp fünf Minuten eh anfangen zu quängeln, weil sie Hunger hat.“

„Pünktlich wie eine Schweizer Uhr, hm?“, grinste er und streckte den Kopf etwas tiefer in die Wiege, „hallo Prinzessin.“

Rachel musste bei diesem Anblick beinah weinen, was aber zum größten Teil noch an den überschüssigen Hormonen lag. Sie zwang sich ruhig zu bleiben und wieder gleichmäßig zu atmen, als dies ihr jedoch nicht gelingen wollte eilte Rachel aus dem Kinderzimmer ins Bad und sackte neben der Badewanne zusammen. Ihre Hände zitterten, der Atem ging noch unregelmäßiger und ihre Hände wurden eiskalt und feucht.

„Hey...“, raunte Tala besorgt und ging direkt neben ihr auf die Knie, „alles in Ordnung?“

„Geht gleich wieder...“

„Soll ich dir ein Wasser holen?“

„Oh ja bitte! Ich habe einen ganz trockenen Hals.“

Blitzschnell ging Tala in die Küche und kam mit einem Glas kalten Wasser wieder zurück. In diesem Moment begann Hanna sich hungrig zu melden.

„Oh du...“, schimpfte Rachel leise, „wieso gerade jetzt?“

„Schweizer Uhr?“, erinnerte der Junge sie.

Rachel seufzte tief und konnte nun die Tränen nicht mehr zurückhalten. Da stand Tala nun. Ein Mädchen weinte, weil es hunger hatte und das andere, weil die Hormone verrückt spielten. Etwas ratlos guckte er zwischen der Türe zum Flur und Rachel hin und her. Um welche seiner Mädchen sollte er sich jetzt zuerst kümmern?

„Geh nur“, heulte Rachel und guckte ihn gequält an, „ich...ich...es...geht gleich...wieder...“

„Bist du dir sicher?“, wollte er sich versichern.

„GEH ENDLICH!“

Hastig sprang Tala auf, huschte ins Kinderzimmer, nahm die Kleine auf den Arm und versuchte sie erst einmal zu beruhigen. Da Hanna jedoch schon großen Hunger hatte schrie sie immer lauter, was Rachel dazu veranlasste, ebenfalls die Lautstärke zu heben.

„Mädels! Meine Ohren!“, beschwerte sich der Junge und ging mit dem kleinen Bündel auf seinem Arm in die Küche, wo er ihr erst einmal ein Fläschchen machte. Nach einigen Minuten war dieses servier fertig und mit einem Mal war alles wieder ganz ruhig. Zu ruhig.

„Rachel…?“

Nichts.

Mach dir keine Sorgen, dachte er sich, sie wird dir gleich antworten. Oder ebenfalls in die Küche kommen. Mach dir nur keine Sorgen…

Natürlich musste Hanna während des Bäuerchens so aufstoßen, dass sie Talas Shirt voll erwischte. Er stöhnte kurz auf, schaukelte das kleine Mädchen noch ein wenig, bis er sie schließlich ins Bettchen zurück legte. Sofort zog er das Oberteil aus und schmiss es in die Wäschetonne, danach suchte er nach Rachel. Sie hatte sich im Schlafzimmer ins Bett gelegt und ganz klein zusammen gerollt, wie eine Katze und schlief. Tala legte den Kopf schief und grinste zufrieden.
 

Ein paar Tage später statteten die drei im Krankenhaus Danny einen Besuch ab. Eigentlich nur, um Hanna die nötigen Impfungen zu geben.

„Wie lange ist es völlig normal, dass die Frauen nach einer Geburt mit ihren Hormonen zu kämpfen haben?“, erkundigte sich der Rotschopf, nachdem Rachel mit Hanna ins Nebenzimmer gegangen war um sie zu säugen.

Daniellé verstand sofort den Wink mit dem Zaunpfahl.

„Der Baby-Blues erreicht seinen Höhepunkt etwa drei bis fünf Tage nach der Entbindung und klingt etwa bis zum zehnten Tag wieder ab. Ernsthafte postnatale Depressionen entstehen dagegen eher schleichend innerhalb der ersten Wochen nach der Geburt. Wenn sich etwa zwar Wochen nach der Geburt oder danach immer noch diese Symptome zeigen, deutet alles auf eine postnatale Depression hin“, erklärte er Tala.

„Du meinst, dass sie Depressionen hat?“

„Es deutet leider alles darauf hin. Sie sollte sofort mit der Therapie beginnen.“

Tala guckte niedergeschlagen drein und überlegte, was er nur übersehen hatte.

„Hör auf dir die Schuld zu geben“, tadelte Daniellé ihn und klopfte dem Jungen aufmunternd auf die Schulter, „wir Männer sind meistens zu nah dran, um es rechtzeitig zu bemerken. Das wird schon wieder!“
 

In den darauffolgenden Wochen veränderte sich jedoch alles für Tala. Rachel begann zwar die für sie vorgesehene Therapie, wurde ihm gegenüber doch immer abweisender. Auch Hanna nahm sie völlig für sich in Beschlag, so dass Tala keine Möglichkeiten mehr blieb, als abzuwarten, bis es sich von selbst wieder besserte. Einige Tage passierte gar nichts, der Alltag war mittlerweile bei ihnen eingezogen, doch dann eines morgens standen plötzlich mehrere Koffer auf den Flur.

„Du schmeißt mich also raus?“, erkundigte sich Tala devot und blickte zu Rachel, welche verschwiegen am Küchentisch saß, „gibst du uns also schon so schnell auf?“

„Nein“, erwiderte sie kühl, „ich werde gehen. Mit Hanna.“

„Aha. Und wohin willst du mit unserem Baby? Zu deinen Eltern?“

„Laut meiner Therapeutin wäre es wohl das Beste, wenn wir zu Hannas Vater ziehen.“

Bäm. Das hatte gesessen. Tala klappte augenblicklich die Kinnlade runter und er starrte Rachel geschockt an.

„Wie...war...das…?“

„Du hast schon richtig verstanden, Tala. Du bist nicht ihr leiblicher Vater. Der Gedanke daran, dass ich es dir die ganze Zeit nicht gesagt habe hat mich innerlich so zerfressen, dass ich tatsächlich depressiv geworden bin.“

„Ach und du meinst, es mir so zu sagen ist besser?“, fauchte er mit Tränen in den Augen, „ich liebe dieses Baby! Und ich liebe dich! Bedeutet dir das auf einmal gar nichts mehr?“

Rachel atmete schwerer, stand vom Stuhl auf und ging an ihm vorbei Richtung Flur...Richtung Wohnungstür. Tala blieb dicht hinter ihr stehen und blickte zu Hanna, welche bereits im Kindersitz saß und seinen Blick erwiderte.

„Das war‘s dann also?“, fragte er mit zittriger Stimme, „aus und vorbei?“

Rachel öffnete die Wohnungstür und hielt ein letztes Mal inne. Sie drehte sich zu dem Jungen um, welchem die Tränen über die Wangen liefen.

„Mach‘s gut, Tala Iwanov.“

Mit diesen Worten wandte sich Rachel von ihm ab und ging mit Hanna aus der Wohnung.
 

*~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Die hellen Sonnenstrahlen, welche durch die schmalen Jalousien drangen warfen ein fleckiges Muster auf ihren nackten Körper, welches er mit einem Schmunzeln entlang fuhr. Sie kicherte kurz auf und rollte sich auf den Bauch.

„Das ist unfair!“, beschwerte er sich gespielt, „ich war noch gar nicht fertig...“

„Du weißt doch, dass ich übelst kitzlig bin! Ich schlage und trete um mich!“

„Ich will aber weiter malen.“

Mit einem herausfordernden Grinsen wälzte sie sich wieder in ihre ursprüngliche Position und raunte: „Auf eigene Gefahr...“

Tala legte den Kopf schief und fuhr mit seinem Finger an der Stelle fort, wo sie ihn gerade noch unterbrochen hatte.

„Du wirst mir nicht wehtun...“, murmelte er und drückte ihr einen leichten Kuss aufs Schlüsselbein.

Luna schloss unter der zärtlichen Berührung die Augen und gurrte genüsslich vor sich her.

„Miezekatze“, kicherte er und streichelte dieselbe Stelle, welche er gerade noch geküsst hatte.

„Auf russisch...“

„Koschka.“

Luna machte erneut ein genießendes Geräusch und drehte sich auf die Seite: „Ich liebe es, wenn du russisch sprichst.“

Tala grinste breit und rasselte irgendetwas auf seiner Muttersprache herunter, während das Mädchen ihn mit großen Augen über ihre Schulter hinweg ansah. Als er damit fertig war zog sie beide Augenbrauen zusammen und bat ihn zu übersetzten.

„Ich könnte auch die ganze Zeit auf russisch reden, aber du würdest mich dann nicht mehr verstehen“, meinte Tala und legte den Kopf schief.

„Ein Sprachkurs wäre nicht schlecht...“, gestand sich das Mädchen ein und ließ den Kopf ins Kissen fallen.

„Du wohnst mit drei Russen zusammen, da brauchst du keinen Sprachkurs!“, lachte Tala und streichelte ihre Hüfte, „mit ein bisschen Übung kannst du es ganz schnell.“

„Ein paar einzelne Wörter kann ich ja schon.“

„Ach ehrlich? Lass hören.“

„Du lachst mich sicher aus.“

„Der Spruch kommt mir so bekannt vor...nein. Du bist Anfänger. Ich werde das berücksichtigen.“

Luna rollte sich wieder auf ihren Rücken und stützte sich auf ihre Ellbogen, während sie überlegte.

„Privet, pomidor, yabloko...oblako…? Heißt koschka ‚Miezekatze‘ oder nur ‚Katze‘?“

„Nur Katze.“

„Okay. Was kann ich denn noch...mudak, der'mo...“

„Ich kann dir genau sagen, welche Worte du von Spencer und welche du von Bryan gelernt hast“, bemerkte Tala und schmunzelte niedergeschlagen.

„Ach echt?“

„Ja...leider...“

„...und? Wie spreche ich es aus?“

„Mehr durch die Nase“, meinte der Rotschopf, „und frage nie wieder Bryan, ob er dir was auf russisch beibringt...zumindest noch nicht.“

„Is gut.“

„Spasibo.“

„Pozhaluysta“, erwiderte Luna stolz.

Er grinste sie an und nickte zufrieden, bevor er sich genüsslich streckte und schlaff auf dem Laken liegen blieb.

„Und was machen wir jetzt?“, erkundigte sich das Mädchen.

„Wie viel Uhr haben wir denn?“

„Ähm...halb sieben.“

Tala lachte erneut auf und wälzte sich auf die Seite: „Wir schlafen!“

„Schlafen? Willst du mich verarschen?“

„Was hattest du denn vor?“

„Wir haben seit gestern Abend nur geredet! Okay irgendwann habe ich mich ins Bett gelegt und ausgezogen weil ich im Sommer immer nackt schlafe...aber auch nachdem haben wir nur geredet!“

„Willst du kuscheln?“

„Ernsthaft, Tala?“

„Sorry...ich habe gerade nur kuscheln im Angebot...“, grinste er neckisch.

Luna stöhnte niedergeschlagen auf, legte sich jedoch brav hinter Tala und spielte den großen Löffel. Er grinste zufrieden und schlief kurz daraufhin ein.
 

*~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Lucielle musterte Adrian mit einem breiten Grinsen, als dieser frisch aufgestanden aus seinem Zimmer trat, um zum Frühstück zu erscheinen, welches man schon durch das komplette Haus riechen konnte.

„Guten morgen, Sonnenschein“, kicherte sie und zupfte eine seiner krausen Haarsträhnen zurecht, „Mama wird dich vor der Feier am nächsten Wochenende noch mal zum Friseur jagen. Das ist dir doch bewusst, oder?“

„Gar nichts wird sie“, erwiderte Adrian und gähnte genüsslich.

Die beiden gingen die Treppe runter und setzten sich, während ihre Mutter frischen Saft presste und die gefüllte Karaffe auf den Tisch platzierte. Als sie ihren Sohn ansah stutzte sie und schüttelte demütig den Kopf.

„Du musst dir unbedingt deine Haare schneiden lassen...“, seufzte sie.

Lucy grunzte verschmitzt auf, nachdem Adrian ihr einen bösen Blick zugeworfen hatte.

„Ich hasse dich...“, raunte er.

„Du LIEBST mich“, verbesserte sie ihn und nahm einen großen Schluck Saft, „auf irgendeiner Ebene...“

„Wo ist Papa eigentlich?“

„Er ist in die Stadt gefahren, um sein Jackett zu holen.“

„So früh schon?“

„Was heißt hier früh?“, lachte die Mutter hell auf und nahm zwischen ihren Kindern Platz, „wir haben nach 10 Uhr!“

„DAS IST FRÜH!“, beschwerte sich Adrian.

„Wundert mich, dass du schon wach bist.“

„Ich habe vergessen, meine Jalousien zu zuziehen...“, gestand der Junge niedergeschlagen, „die Sonne hat mich geweckt.“

„Beschwerst du dich gerade über die schönste Art geweckt zu werden?!“

Adrian sah seine Mutter herausfordernd an, erwiderte jedoch nichts. Jede Art der Diskussion war jetzt vergebens und würde alles nur noch schlimmer machen. Lucielle blickte zwischen den beiden hin und her, grinste breit und schob sich eine Waffel in den Mund.

„Ich gehe nach dem Frühstück ein bisschen an den See. Möchtest du mich begleiten, Bruderherz?“

Adrian starrte sie fassungslos an und schüttelte ungläubig den Kopf.

„Ein bisschen Sonne würde auch deiner Gamerblässe gut tun.“

„Lucy hat Recht. Wobei ich ja finde, dass du mehr als nur ein bisschen Sonne vertragen könntest“, pflichtete Genevieve ihrer Tochter bei, „dann hören die anderen Chevalier vielleicht endlich auf mich zu fragen, ob du krank bist.“

Der Junge ließ niedergeschlagen die Schultern hängen und setzte eine gequälte Miene auf.

„Wieso müsst ihr Frauen euch immer gegen mich verbünden?!“

„Tun wir eigentlich gar nicht, „kicherte Lucielle, „im Grunde meinen wir es nur gut mit dir. Doch dank deiner Trotzphase bist du anscheinend der Meinung, dass wir alle gegen dich sind.“

Adrians Augen wurden zu dünnen Schlitzen, während er seine Schwester mit seinem Blick fixierte.

„Überleg dir jetzt genau was du zu ihr sagst, junger Mann“, drohte Genevieve und hob den Zeigefinger.

„Heute hast du noch mal Glück gehabt, Lucy...“, brummte der Junge und stemmte sich von der Tischplatte auf.

„Oh...na komm schon. Trau dich ruhig.“

„Natürlich! Fordere du ihn auch noch heraus“, stöhnte die Mutter genervt und schüttelte den Kopf, „euer Bier. Nur wischt mir bitte hinterher auf, wenn ihr euch die Köpfe eingeschlagen habt.“

„Du hast doch eh Putzdienst“, grinste Lucy schelmisch, „komm schon, Ari...und lass dir endlich mal was neues anstatt ‚Hexe‘ einfallen!“

„Jetzt reicht es mir aber!“, rief die Mutter plötzlich wütend aus, so dass ihre Kinder zusammen zuckten, „klappe halten! Alle beide!“

Adrian und Lucielle warfen sich gegenseitig einen ziemlich überraschten Blick zu, während ihre Mutter schwer atmend vom Tisch aufstand und zur Spüle ging, um sich kaltes Wasser über die Handgelenke laufen zu lassen.

„Dieses Mal haben wir es übertrieben...“, raunte er seiner Schwester zu.

„Dieses Mal? Ari, wir übertreiben es JEDES Mal!“

Die beiden wandten ihre Augen wieder zu der Mutter, welche immer noch an der Spüle stand und schwieg. Lucielle machte sich mit einem beinahe unauffälligen Schnaltzgeräusch mit ihrer Zunge bemerkbar, worauf sie und Adrian vorsichtig aus der Küche schlichen und auf die Veranda gingen.

„Wir dürfen uns in ihrer Gegenwart nicht mehr so heftig zanken“, raunte das Mädchen und neigte bedrückt den Blick zu Boden, „heute war ihre Reaktion ernsthafter als sonst...“

„Was schlägst du vor? Streiten auf Termin?“

„Du hast sie doch gesehen, Adrian! Wenn Vater sie später so sieht gibt‘s einen Satz heiße Ohren zum Abendessen...“

„Du redest gerade wie mit 12“, gluckste der Junge.

„Ich mache mir große Sorgen...ich habe keine Lust, sie wegen uns wieder täglich im Krankenhaus besuchen zu dürfen.“

Adrian ließ die Schultern hängen und seufzte schwerfällig. Wo sie Recht hatte…

„...und...was machen wir jetzt?“, erkundigte er sich bei seiner Schwester.

„Wir gehen an den See.“

„Spinnst du? Mir vorwerfen, ich würde mir keine Sorgen um Mutter machen aber selbst nur an den blöden See denken?!“

„Wir brauchen ihr die nächsten Stunden eh nicht unter die Augen zu treten. Und ein kühler Kopf wird uns beiden sicherlich auch gut tun.“

Adrian seufzte erneut. Wo sie Recht hatte...
 

*~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„...wenn mir ein verdammter Fisch an meine Glocken schwimmt und rein beißt...“, brummte Bryan und warf Spencer einen bösen Blick zu, „dann werde ich Kai bitten, seinen Dranzer raus zu holen, um den ganzen verdammten See trocken zu legen, damit ich JEDEN EINZELNEN FISCH ABMURKSEN KANN!“

„Du würdest wirklich über deinen Schatten springen, um ihn zu bitten?“, kicherte der Riese und blickte Richtung Ufer, „hast du das gehört, Kai?“

„Als ob ich ihm einen Gefallen tun würde!“, ertönte es hinter Bryan mit gehässigem Lachen.

„Wir sind ein Team, Mann! Du musst mir zur Seite stehen!“

„Schwul hier nicht so rum“, bat Kai genervt, „außerdem waren wir mal ein Team. Die Weltmeisterschaf ist mittlerweile vorbei, falls du dich erinnerst.“

„Ich...tu...WAS?“, rief Bryan wütend aus, „alter, nur weil Mirka neben dir steht meinst du, jetzt aufmüpfig werden zu müssen?“

„Ich brauche sie nicht für einen Loser wie dich.“

„WAS?!“

„Eieieieieieieieiei...“, seufzte Kais Verlobte und schlug mit der flachen Hand gegen ihre Stirn, „wie die Kinder...“

„Sieh es doch positiv“, lächelte Luna und vergrub ihre Zehen im Sand, „du wirst später, wenn ihr mal Kinder habt die geduldigste Mutter sein, die je existiert hat.“

„Hör mir bloß damit auf“, jammerte Mirka und rieb sich ihre Schläfen, „darüber hatten wir es erst...“

„Wie jetzt? Ihr redet schon über Kinder?“, erkundigte sich Luna erfreut.

„Wir haben das Thema ‚angeschnitten‘.“

„Kaum gestriffen“, berichtigte sie Kai.

„Gar nicht der Rede wert“, fügte Mirka hinzu.

Luna blickte verwirrt von Kai zu ihr und wieder zurück, während Tala lediglich schmunzelte.

„Oh mein GOTT!“, rief Bryan plötzlich entsetzt aus, „da war ein Fisch!“

„Das hier ist ein künstlich angelegter See...hier gibt es doch gar keine Fische!“, tadelte Spencer und watete weiter ins Wasser hinein.

„Hey! Warte auf mich!“, rief im sein Teamkollege hinterher und versuchte verzweifelt auf den Grund sehen zu können, „lass mich mit denen nicht allein!“

„Bryan...“, stöhnte der Riese auf und schüttelte den Kopf.

„Gehst du mit ins Wasser?“, erkundigte sich Luna bei Tala und erntete einen vielsagenden Blick.

„Die Frage meintest du jetzt aber nicht ernst, oder?“, fragte der Junge und hob zweifelnd beide Augenbrauen.

„Nur soweit, wie du dich traust“, knörte sie liebevoll, „bis zur Hüfte wird doch wohl drin sein?“

Talas Gesichtsausdruck wurde immer zweifelnder.

„Ich geh mit dir ins Wasser“, schlug Mirka freudig vor.

Luna zeigte Tala noch einmal ihren besten Schmollmund, folgte dem Mädchen jedoch freudig ist kalte Nass des Sees, während der Rotschopf und Kai den beiden nachsahen.

„Sag stopp, falls ich mich irre“, begann Mirkas Verlobter und blickte zu seinem Teamkollegen, „aber ich bin im Begriff mich zu erinnern, dass du nach deiner Trennung von Rachel hoch und heilig geschworen hast, nie wieder eine feste Beziehung einzugehen?“

„Du erinnerst dich richtig, Kai“, erwiderte Tala tonlos, „das war mein Plan.“

„Was ist schiefgegangen?“

„Schiefgegangen? Gar nichts. Sie war hartnäckig!“

„Damit bist du tausenden von Fangirls eine Erklärung schuldig“, schmunzelte Kai.

Tala erwiderte das Schmunzeln mit einem breiten Grinsen und nickte zustimmend: „Gleich morgen halte ich eine Pressekonferenz ab. Und da ich taub sein werde, nachdem sie meinen Namen zu Ende gekrischen haben brauch ich mir danach nicht mal die Beschuldigungen anzuhören.“

„Wäre eine kreative Lösung. Sieht dir gar nicht ähnlich.“

„Wir werden sehen...“, seufzte Tala.

„Was haben Spencer und Fischphobiker dazu gesagt?“

„Sie waren genauso skeptisch wie du, Kai. Da Luna jedoch bereits seit mehreren Monaten mit uns zusammen wohnt und den Umzug so super gemeistert hat, sind sie optimistischer...“

„Klingt doch gut.“

„Wie schon gesagt...wir werden sehen. Ich möchte uns da jetzt auch nicht reinsteigern.“

Die beiden Jungs wandten ihre Blicke erneut zu den beiden Mädchen, welche im Wasser jauchzend herum alberten, während Bryan und Spencer weiter draußen ein paar Runden schwammen.“

„Und?“, grinste Mirka über das komplette Gesicht, „wie ist es denn so, mit Tala Iwanov zusammen zu sein?“

„Soll ich das nach noch nicht mal einer Woche schon beurteilen können?“, wollte Luna überrascht wissen, „wir haben noch nicht mal ‚Schatz‘ zueinander gesagt!“

„Vielleicht ist er auch ehr der ‚Liebling‘ Typ?“

„Meinst du?“

„Soll ich es dir übersetzen?“, grinste Mirka.

„Klar. Lass hören.“

„Lyubimets.“

„Bitte was?“, lachte Luna verzweifelt auf, „ich beiß mir die Zunge ab, bevor ich das fehlerfrei aussprechen kann.“

„So schwer ist das doch nicht!“

„Natürlich nicht...wie läuft‘s mit deinem französisch?“

Mirka verstand, was Luna meinte und zog eine Fratze, woraufhin die beiden Mädchen zu Lachen begannen.

„Weißt du, was ich befürchte?“, wandte sich Tala an Kai.

Der Junge guckte seinen Teamchef mit großen unwissenden Augen an.

„Pärchenabende“, raunte der Rotschopf und beobachtete, wie sich Kais Augen weiteten.

„Spinnst du?!“

„Guck doch selbst, wie gut die beiden sich verstehen...wir werden wohl oder übel nicht drum herum kommen.“

Kai schluckte schwer und versuchte so gut wie nur möglich die Vorstellung an einen dieser gemeinsamen Abende mit Tala und Luna zu verdrängen, wo sie an einem Tisch saßen und typische Pärchenspiele spielten. Auch Talas Miene zeigte eine gequälte Fratze, was bedeutete, dass er darüber genauso begeistert war wie Kai.

„Wir müssen das verhindern...“, murmelte der Junge und blickte zu seiner Verlobten, „um jeden Preis!“

„Wenn du dir den Zorn von Mirka und Luna aufzwingen willst, dann ist das dein Bier.“

„Ach ja? Und was wäre dein Vorschlag?“

„Spontane Grippe kriegen“, grinste Tala und zuckte mit den Schultern, „oder so was ähnliches. Dein Vater ist doch Arzt! Meinst du, dass er Mitleid mit uns hat und was spitzt?“

„Wäre das nicht völlig unethisch...dann wäre das eine sehr effektive Lösung“, lobte Kai ihn und nickte anerkennend, „aber nein. Das macht er nicht...“

Der Rotschopf seufzte, als er plötzlich jemanden hinter sich bemerkte. Er warf einen prüfenden Blick über seine Schulter und fragte, ob er ihnen weiterhelfen konnte.

„Wenn das nicht Kai Hiwatari und sein Gefolge ist“, tönte die Männerstimme sarkastisch und ließ den genannten Jungen ebenfalls aufsehen.

„Ach ihr seid es...“, grinste er und sprach plötzlich auf französisch weiter.

„Was heißt hier Gefolge?“, brummte Tala und blickte verärgert zwischen Kai und dem anderen Jungen hin und her, während die junge Frau die Arme über ihrer Brust verschränkte und ihren Begleiter herausfordernd anstierte.

„Hey! Das ist doch Riwahn!“, rief Luna plötzlich und winkte den beiden.

„Riwahn?“, erkundigte sich Lucielle und grinste ihren Bruder verwirrt an.

„Lange Geschichte.“

„Lass mich raten...du warst betrunken?“

Adrian warf ihr einen niedergeschlagenen Blick zu: „Woher wusstest du das?“

„Weibliche Intuition...“

Beide seufzten im Chor, während Luna und Mirka zu ihnen kamen, um sie zu begrüßen.

„Wer ist dieser Kerl?“

„Adrian Dejeaun und seine Schwester Lucielle. Sie sind Chevalier Mitglieder so wie Mirka und ich.“

„Der sieht ehr aus wie ein...“

„Landstreicher? Obdachloser?“, schlug Kai grinsend vor, „keine Angst das hört er öfters.“

„Was macht ihr zwei denn hier?“, erkundigte sich Mirka und umarmte Lucielle zur Begrüßung.

„Wir wollten schwimmen gehen.“

„Eigentlich wolltest nur du schwimmen gehen...“

„...dann haben wir unsere Mutter zur Weißglut getrieben und sind doch beide hier her geflohen.“

Mirka machte eine bemitleidende Miene worauf Lucielle entschuldigend mit den Schultern zuckte und zu Luna blickte.

„Wir...kennen uns doch?“

„In der Tat“, grinste das Mädchen, „das erste Mal trafen wir uns an Neujahr, wo du mit deinem Bruder seinen Geldbeutel gesucht hast. Ich habe damals im Café am Marktplatz gearbeitet.“

„Ah...ja da war was“, bemerkte Lucy und blickte erneut zu ihrem Bruder, „den Geldbeutel hat er bis heute nicht gefunden.“

„Ich habe mir mittlerweile einen neuen gekauft.“

„Gut wenn man sich alles nachkaufen kann, das man verloren hat. Pass also gut auf deinen Kopf auf!“

Adrian warf ihr einen vielsagenden Blick zu, während Lucielle nur breit grinste.

Kapitel 22

Die laute Musik hämmerte gegen Lunas Trommelfell, während sie gerade dabei war Flaschen über die Theke zu reichen und Wechselgeld rauszugeben, als sich ihre Blicke trafen.

Der Mund des Jungen öffnete sich zuerst zu einem verdutzten „O“, bis hin zu einem genervten zähneknirschenden „hm“. Lunas Mine veränderte sich kein bisschen was allerdings daran liegen musste, dass sie in eine Schockstarre verfallen war.

„Du stalkst mich doch“, rutschte es plötzlich neckisch aus ihr heraus.

„Was?“, erkundigte sich Louis kampflustig, „wieso sollte ich jemanden wie dich stalken?“

„Hey!“, entfuhr es Jeanette, „entweder bestellst du was oder du gehst wieder!“

„Gern“, nickte der Junge der Blondine zu und wandte sich zum gehen ab.

Gerade als Luna ihm noch was hinterher rufen wollte hielt ihre Kollegin sie zurück und schüttelte mit ernstem Gesichtsausdruck den Kopf.

„Nach Feierabend.“

„Aber...“

„Die Hütte brennt eh schon und gleich spielt Alfi den Happy Hour Song. Schnapp kurz Luft und dann rocken wir das!“

Luna stürmte aufgeregt aus der Tür in den Hinterhof und sprang über die Absperrung.

„Hey Kleines! Ist nicht gleich Happy Hour?“, grüße Franz sie am Eingang.

„Hast du Louis gesehen?“

„Der is hier ja...seid ihr wieder…?“

„Pass auf! Ich habe maximal fünf Minuten, um ihn zu finden, mit ihm zu reden und dann wieder hinter die Theke zu hüpfen BEVOR Jeanette etwas merkt. Hilfst du mir?“

„Sorry. Ich muss hier bleiben. Aber er ist noch nicht wieder rausgekommen.“

„Danke sexy Arsch!“

Luna zwängte sich durch die Menschenmasse und reckte den Kopf so gut es ging in die Höhe, um einen besseren Überblick haben zu können. Genau in diesem Moment spielte Alfi das Lied für die Happy Hour an.

„Verdammt!“, fauchte Luna, „hätte er nicht noch ein bisschen damit warten können?“

Schnell huschte das Mädchen wieder an ihren Arbeitsplatz, wo ihre Kollegin bereits gut zu tun hatte.

„Wo warst du so lange? Wir haben keine Limettenscheiben mehr!“

„Tut mir leid...“

„Keine Zeit für Entschuldigungen! Kümmer dich um die Seite.“

„Is gut.“

Fast schon im Sekundentakt reichten die beiden Frauen die Getränke über die Theke, Jeanette mixte Cocktails in Rekordzeit, während Luna damit beschäftigt war Bier aufzufüllen, wieder auszugeben, Limetten zu schneiden und wieder Bier aufzufüllen.

„Eiswürfel!“, rief Jeanette und das Mädchen griff in einen leeren Behälter.

„Ähm...wie dringend brauchst du…?“

„Jetzt!“

„Ich eile!“, entgegnete Luna hastig und sprang über die Theke.

An der zweiten Bar angekommen sah sie Chester sichtlich überrascht an.

„Eiswürfel!“

„Hä?“

„EISWÜRFEL! JETZT! VIELE!“

Chester reichte ihr den Behälter und Luna zwängte sich erneut durch die Masse, als sie plötzlich Louis erblickte. Er presste seinen Körper gegen den eines Mädchens, seine Zunge tief in ihrem Hals und seine Hand steckte in ihrer Hose. Um Luna herum wurde alles wie durch einen grauen Schleier gedämmt, sie hörte weder Jeanettes Rufe, noch die laute Musik. Sie sah nur, wie das Mädchen, welches Louis gerade befummelte ihre Hände in seinen Arsch krallte und genüsslich ein Bein anhob, damit er freie Bahn hatte.

Mit einem Mal durchströmte sie eine noch nie gefühlte Wut und Luna umklammerte den Eimer mit Eiswürfel fester, stampfte zu den beiden rüber und kippte den ganzen Inhalt über die beiden.

Noch bevor sie reagieren konnten streckte Talas Freundin Louis den Mittelfinger entgegen und rief dem Mädchen laut zu: „Du kannst ihn haben! Ich will ihn nicht mehr! Werdet glücklich! Ich bin es jetzt auf jeden Fall!“

Auf dem Weg zurück zur Bar kam ihr bereits Henry entgegen und winkte sie zu sich.

„Was zum Geier sollte das?!“, fuhr er sie an.

„Er hat‘s verdient.“

„Wie bitte?!“

Luna wiederholte ihren Satz und Henry verschränkte ärgerlich die Arme vor der Brust.

„Du wirst dich bei den beiden entschuldigen.“

„Definitiv nicht“, lachte das Mädchen höhnisch auf.

„Dann bist du gefeuert.“

Lunas Augen weiteten sich, jedoch erwiderte sie nichts. Sie ging wortlos ihren Rucksack holen und eilte auf die Toilette. Wenn sie ging, dann durfte sie nicht verheult aussehen. Sie blickte ihr Spiegelbild an. Nein. Sie sah perfekt aus...keine roten Augen, dafür ein triumphierendes Grinsen auf dem Gesicht.

„Schade...“, murmelte sie in den Spiegel und seufzte schwerfällig.

In diesem Moment ging die Tür erneut auf und ein nasses Mädchen blickte sie sichtlich erschrocken an.

„Bist du nicht…?“

„Ich glaube wir beide müssen uns noch unterhalten“, lächelte Luna sie durch den Spiegel hindurch an, „komm du mal mit!“
 

*~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„Wo wart ihr?“, rief Genevieve ihren Kindern aufgebracht entgegen, als diese die Hofeinfahrt entlang schlenderten, „ich habe mir solche Sorgen gemacht!“

„Hat sie und nicht erst vor ein paar Stunden hinausgejagt?“, raunte Adrian zu seiner Schwester und hob eine Augenbraue.

„Willst du‘s erneut herausfordern?“

„Bloß nicht“, wehrte der Junge ab.

„Also?“, hakte ihre Mutter nach.

„Wir waren am See. So wie wir es ursprünglich auch vor hatten. Ari hat sogar einen mega Sonnenbrand!“

Der Junge verzog das Gesicht schmerzerfüllt und nickte.

„Warum habt ihr euch denn nicht eingecremt? Ich dachte immer ihr wärt alt genug, um wenigstens an so was zu denken!“

„Oh wir haben dran gedacht...“, gestanden die beiden in Chor.

„Aber…?!“

„Naja...die Sonne war dann doch etwas...stärker?“

„Wir haben August! Natürlich ist die Sonne heftig! Lass mal sehen...“

Die Frau eilte die Treppe der Veranda runter zu ihrem Sohn, welcher brav sein T-Shirt auszog.

„Ach du liebes Bisschen!“, entfuhr es Adrians Mutter und sie schlug die Hände ins Gesicht, „Junge du siehst aus wie ein Hummer!“

„Naja“, grinste Lucielle, „frisch gebadet ist er auch schon mal.“

„Ich schmier dir gleich was drauf...geh in die Küche.“

„Ja, Mama.“

„...und du, junges Fräulein gehst zu deinem Vater in den Schuppen. Er will mit dir reden.“

„Okay“, seufzte Lucy, stellte das Fahrrad an der Veranda ab und schlenderte zum Holzschuppen.

Förmlich klopfte sie am Türrahmen und wartete, bis ihr Vater von seiner Arbeit zu ihr aufsah und zu sich winkte.

„Mama meinte, dass du mit mir reden willst.“

„Nimm Platz“, meinte er und deutete auf den kleinen Holzhocker neben seiner Werkbank, „ihr habt ihr vorhin einen schönen Schrecken eingejagt, als ihr plötzlich weg wart.“

„Eigentlich wusste sie wohin wir wollten“, widersprach sie und setzte sich, „aber deshalb willst du mich sicher nicht unter 4 Augen reden oder? Was hab ich schon wieder angestellt?“

„Du warst schon immer die aufmerksamere von euch beiden“, lächelte Pierre sie an.

Lucielle grinste zurück, doch ihre Körperhaltung war weiterhin angespannt. Nervös knetete sie sich ihre Hände in ihrem Schoß und wartete.

„Als ihr vorhin unterwegs wart hatten wir Besuch. Ganz inoffiziell. Mir wurde mitgeteilt, dass unser Besucher dich hier erwartet hätte und du davon wusstest. Kann es deshalb sein, dass ihr zwei ganz plötzlich verschwunden wart?“

„Ähm...“

„Es war sehr schlau von dir deinen Bruder mitzunehmen. Somit hat es nämlich nicht nach einer Flucht ausgesehen.“

„Es wird keinen Sinn für mich haben, wenn ich ausweichend frage vor wem oder was ich geflohen sein soll, nicht wahr?“, entgegnete das Mädchen niedergeschlagen.

„Nein. Denn soweit ist sogar eure Mutter mitgekommen. Um das Chaos allerdings so gering wie möglich zu halten, meinte ich zu allen, dass die Information über den heutigen Besuch durch mich untergegangen sei.“

Dezent atmete Lucy erleichtert auf.

„Du weißt, dass das das letzte Mal war?“

„Ja...ich werde mich gleich morgen bei ihm entschuldigen...“

„Bitte tu das. Ich weiß, dass eine arrangierte Ehe wie es in unseren Familien Brauch ist überhaupt nicht in deinen Kram passt, Lucy. Aber wir beide wissen, dass Giuseppe ein netter junger Mann ist, welcher sich sehr gut um dich kümmern wird.“

„...und ich trete ihn mit Füßen.“

„Ich wollte es diesmal nicht sagen“, gestand Pierre niedergeschlagen und stützte sich auf seiner Werkbank ab, „du hast immer auf ihn herabgesehen, als wärst du etwas Besseres. Du hast ihm nie eine Chance gegeben...“

„Ich weiß...“

Der Mann machte ein mitgenommenes Gesicht, als er seine Tochter sah, wie sie einen Schluchzer zurückhielt. Er legte einen Finger unter ihr Kinn und hob es an, so dass sie sich in die Augen blickten.

„Du weißt, dass wir dich immer lieben werden. Egal was ist.“

„Das hört sich jedes Mal an, wie ein Abschied für immer...“, murmelte Lucielle und presste die Lippen aufeinander.

„Das ist es nicht. Und du weißt das auch.“

„Ja, Papa.“

Pierre nahm seine Tochter in den Arm, küsste ihren Kopf und streichelte sanft ihren Rücken, während sie ihren Tränen freien Lauf ließ.
 

Adrian zuckte bei jeder Berührung heftig zusammen, während seine Mutter ständig gehässig hinter ihm kicherte.

„Halt doch endlich still!“

„Du tust mir weh!“

„Hättest du dich ordentlich eingecremt, dann wäre das hier jetzt nicht nötig.“

„Ich habe mich aber eingecremt!“

„Nicht ordentlich genug...“, wiederholte Genevieve wie in Trance und schmierte großzügig Salbe auf Adrians Haut, „vielleicht wirst du an dieser Stelle endlich mal braun?“

„Bestimmt nicht. War ich überhaupt mal braun?“

„Als Kind.“

Adrian lachte kurz auf, bis ihn sein Rücken wieder daran erinnerte, dass er eigentlich Schmerzen haben sollte.

„Als Kinder wart ihr beide im Sommer immer braun. Trotz eurer empfindlichen Haut.“

„...und der roten Haare“, fügte Lucy hinzu, als sie mit ihrem Vater in die Küche trat.

Pierre pfiff anerkennend, als er den Rücken seines Sohnes bemerkte.

„Apropos Haare...“, seufte Genevieve und zog an einer Strähne von Adrians Schopf, „was machen wir mit deinen?“

„Wieso?“

„Du willst sie dir anscheinend nicht abschneiden lassen. Dann könntest du sie jedoch langsam mal anfangen zu pflegen!“

Der Junge verzog eine Fratze.

„Er will sich doch Dreadlocks machen lassen, wenn wir wieder daheim sind“, kicherte Lucielle, „da darf man die Haare nicht pflegen.“

„Was will er machen lassen?“, erkundigte sich ihre Mutter mit fragenden Blicken.

„Dreadlocks. Das sind diese dicken Wurstähnlichen Zöpfe, wo die Haare verfilzt werden.“

„NEIN! Nein, nein, nein, nein!“

„MAMA! NICHT DAS OHR!“, japste der Junge nach Luft, während die Frau an seinem Ohrläppchen zog.

„Hast du mich verstanden, junger Mann?“

„Laut genug warst du ja!“

„Das heißt, dass du mich gehört hast. Ich will wissen, ob du mich auch VERSTANDEN hast?!“

„JA! MAMA! DAS OHR! AUA!“

„Entweder du lässt dir die Haare schneiden, oder du beginnst noch heute damit die zu pflegen!“, rief Genevieve grantig aus und lief in der Küche auf und ab.

„Aber Mama...“, jammerte Adrian und rieb sich das heiße Ohr.

„KEIN ‚ABER MAMA‘!“

„...die sehen voll cool aus...“

„Und als Nächstes? Was kommt als Nächstes? Piercings im Gesicht?“

„Nur, wenn du ‚ja‘ sagst...“, murmelte Adrian niedergeschlagen.

„Ich habe dich zu einem ordentlichen jungen Mann erzogen und nicht zu so einem Punker-Penner-Brückenmenschen!“

„Mama! Hör auf mich einem Landstreicher zu vergleichen!“

„Pflegen oder ab! Überlege es dir!“

Während Adrian schmollte mussten Lucy und Pierre sich zusammen reißen, damit sie nicht laut loslachten.
 

*~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„Du bist aber früh zu Hause“, wunderte sich Spencer, als Luna zur Wohnungstür reinkam und ihre Tasche in die Ecke schmiss, „ist alles in Ordnung?“

„Ich wurde gefeuert“, entgegnete sie monoton und ging an den Kühlschrank, „haben wir was härteres als Wodka da?“

Spencer und Tala blickten sie erschrocken an, sogar Bryan unterbrach sein Videospiel.

„Wie...gefeuert?“

„Echt nur Wodka? Dann muss ich wohl noch mal zur Tankstelle...fährst du mich?“

„Gefeuert?“, wiederholte Tala und ignorierte die Tatsache, dass sie ihn gerade ums Fahren gebeten hatte.

„Es gab da einen Zwischenfall. Tankstelle? Ich kauf dir auch ein Eis.“

„Zwischenfall?“

Luna seufzte schwerfällig: „Ihr hört ja eh nicht auf, bis ich es euch erzählt habe...also...ich war grade am arbeiten und da kam Louis an die Bar.“

Plötzlich hustete Bryan ein Schimpfwort, während Spencer und Tala nur eine Grimasse zogen.

„...Louis kam plötzlich an die Theke und ich wollte eigentlich nur ein klärendes Gespräch mit ihm. Da aber gleich Happy Hour war und wir keine Eiswürfel mehr hatten sollte ich zu Chester und welche holen.“

„Du hast die Eiswürfel nicht geholt...“, erkundigte sich der Riese.

„Ich habe die Eiswürfel geholt. Aber...“

„Es gibt immer ein aber“, grinsten Bryan und Tala im Chor.

„...aber...da stand dann wieder Louis.“

Erneut hustete Bryan ein Schimpfwort.

„Da stand also Louis...“, begann Luna und tippte sichtlich genervt mit dem Finger auf die Fläche der Arbeitsfläche, „und steckt seine Zunge tatsächlich in den Schlund von so einem Mauerblümchen mit Hotpans?!“

„NEIN!“

„DOCH!“

„Oh...“

Spencer warf Tala einen vielsagenden Blick zu, so dass es Luna nicht mitbekam.

„...und dann?“, wollte Bryan aufgeregt wissen und trat neben seine Mitbewohnerin, „erzähl schon!“

„Ich halte also da diesen Eimer voll mit Eiswürfeln...und sehe, wie dieses Arschloch aka Mr. ‚ich habe noch keine Zeit mit dir über uns zu reden‘ seine Zunge in ihren Hals steckt und seine Hand in ihre Hose!“

„NEIN!“

„DOCH!“

„Oh...dieses Arschloch...“, grinste Bryan und labte sich an ihrem Hass, „und dann?“

„Ich habe also diesen Eimer voll mit Eiswürfeln in meiner Hand...sehe das...und kippe den kompletten Eimer über beide aus.“

„NEIN!

„DOCH!“

„Ich bin so stolz auf dich!“, kicherte Bryan und nahm Luna in den Arm.

„Das Beste kommt aber noch!“, versicherte sie.

„Wie? Da kommt noch mehr?“

„Allerdings. Nachdem Henry das gesehen hat, meinte er ich soll mich bei denen entschuldigen...“

„Hast du?“

„Nein! Natürlich nicht!“

„Also...hat er dich gefeuert…?“, beendete Tala vorsichtig ihren Satz.

„Jupp. Dumm gelaufen...gebe ich zu...ich hatte diese Arbeit echt gern.“

„Vor allem noch nicht so lange...“

„Tala!“, winkte Bryan hippelig ab, „es geht ums Prinzip!“

„Also bin ich auf die Toilette, nachdem Henry mich gekündigt hat, um zu sehen, dass ich vor lauter Frust nicht heule.“

„Hast du?“

„Nein. Ich hab so breit gegrinst, weil ich so gehypt war!“

„Ich sag‘s doch! Ich bin stolz auf sie!“

„Aber da kommt noch was...“

„Immer noch nicht fertig?!“

„Nein“, grinste Luna, „da ist noch was passiert...und das könnte vor allem dich interessieren.“

„Mich?“, sah Tala überrascht auf, „wieso ausgerechnet mich?“

„Pass auf...als ich auf der Toilette war kam das Mauerblümchen zu mir rein.“

„Welches vorher noch mit dem Arschloch geknutscht hat?“

„Jupp.“

„...und die du dann mit einen Eimer voll mit Eiswürfel vollgekippt hast?“

„Jupp!“

„Genau die?!“

„Genau die. Natürlich hat sie mich gefragt was der ganze Scheiß sollte und dass ich ihr was schuldig sei. Also habe ich ihr ein bisschen über Louis‘ Mundgeruch erzählt. Sie war sichtlich dankbar über die Information.“

Spencer, Tala und Bryan guckte ihre Mitbewohnerin groß und erwartungsvoll an.

„...dann...meinte sie, ach übrigens sie heißt Ulrike. Nur zur Info. Ulrike meinte schließlich, dass nun sie mir einen Gefallen schuldig sei, und wie sie die ganze Situation wieder gut machen könnte. Also gingen wir wieder raus und zu Louis.“

Talas Augen wurden plötzlich größer und errichtete sich auf: „Ihr habt nicht…!“

„Wir gingen zu Louis...“, grinste Luna neckisch.

„Nein...“, murmelte Tala und fixierte sie mit seinen Augen.

„...stellten uns genau vor ihn hin...“

„Oh mein Gott...“, raunte der Rotschopf und hielt sich an der Kochinsel fest.

„...und dann hab ich ihr...vor seinen Augen...die Zunge...in den Hals gesteckt! Bäm!“

Während Tala sich Luft zufächerte und Bryan grölend aufjubelte blickte Spencer verwirrt von einem zum anderen.

„...ich verstehe die Pointe scheinbar als einziger nicht...“, schmollte der Riese.

„Spencer, das war Rache auf höchstem Niveau!“, strahlte Bryan und knuddelte Luna erneut, „hast du ihre Nummer, falls sie…?“

Luna schob Bryan einen Zettel zu und zwinkerte vielversprechend: „Sie weiß Bescheid und freut sich schon auf deinen Anruf.“

„Geil! Geil! Geil!“, hüpfte der Russe aus der Küche und schloss hinter sich die Tür.

„Ich habe es immer noch nicht verstanden...“, murmelte Spencer, während Tala zu Luna ging und eine Hand auf ihren Arsch legte.

„Du weißt doch, dass mit zwei rumknutschende Frauen heiß machen...“, grinste er zuversichtlich.

„Deswegen habe ich ja auch gesagt, dass das dich interessieren könne...ich weiß doch, worauf du stehst!“

„Trotzdem ist es nur eine Phantasie...“

„Ich lass es für dich Wirklichkeit werden“, raunte Luna und küsste Tala lang und intensiv.

Er kicherte unter ihrem Kuss und schob das Mädchen in ihr Zimmer und schloss ebenfalls die Tür.

„Leute...das ist unfair...“, grummelte der Riese, „ihr seid alle doof...“
 

Tala drückte Luna auf die Matratze ihres Bettes runter und begann damit ihren Hals und Schlüsselbein zu küssen.

„Ich finde das so geil“, raunte er dabei, „du bist so geil...“

Luna kicherte neckisch und streichelte seinen Hinterkopf und Rücken, während sie ihre Beine um seine Hüften schwang. Mit einer gekonnten Handbewegung fuhr die Hand des Jungen unter ihr Shirt und massierte in langsamen Kreisen ihre Brust, sein Becken machte bereits eine vielversprechende rhythmische Bewegung. Luna nahm Talas Gesicht zwischen ihre Hände und presste ihren Mund auf seinen, ihre Zungen trafen sich und liebkosten sich gegenseitig. Den Erfinder der Jogginghose hoch preisend schob Luna seine Hose runter und krallte ihre Finger in Talas Hintern, was den Rotschopf aufstöhnen ließ. Er schob ihr Shirt samt BH nach oben und nuckelte genüsslich an einer Brustwarze seiner Freundin, streichelte mit einer Hand ihre Hüften entlang Richtung Becken. Am Ort seiner Wünsche angelangt hielt Tala plötzlich inne und guckte Luna verwundert an.

„Ist was nicht in Ordnung?“, erkundigte sie sich unsicher.

„Du...hast...dich also so sehr auf mich gefreut?“, grinste er verzückt, „oder hast du mit dieser Ulrike noch mehr gemacht, als nur geknutscht?“

„Das wüsstest du gerne, hm?“, kicherte Luna und fuhr mit beiden Händen an Talas Oberarmen entlang.

„Nachdem du meine Freundin bist habe ich ein Recht darauf, so was zu erfahren!“, protestierte er und zog Lunas Hosen bis zum Knöchel runter.

„Mal sehen...also wir haben nicht nur geknutscht, sondern es was auch deutlich Zunge im Spiel...“, überlegte das Mädchen.

„Au ja...“

„Wenn ich mich recht erinnere, dann habe ich auch an ihren Arsch gegrapscht.“

„Wie geil!“, stöhnte der Rotschopf und drang mit einer geschmeidigen Bewegung in sie ein.

„Sie hat auch an meinen Arsch gegrapscht“, sog Luna die Luft ein und drückte ihren Rücken so durch, dass zwischen ihrem und Talas Becken kein Zwischenraum mehr war, „und wir haben gestöhnt...“

Der Junge verdrehte genüsslich die Augen und beschleunigte seine Stöße: „Kannst du es wiederholen?“

„Wie wir gestöhnt haben?“

„Ja.“

„Laut...und...innig...“, hauchte das Mädchen, fuhr sich mit der Zunge über die Unterlippe und imitierte diverse Lustgeräusche.

„Oh Gott ja...mach weiter!“

Luna kam der Bitte ihres Freundes nach und steigerte sich somit selber in ihrer Lust, während dessen sorgte Tala mit abwechselnden Stoßrhythmen dafür, dass Luna nicht lange wiederholen musste.

„Das...ist...so...hammer...geil…!“, raunte der Junge aus tiefster Kehle und richtete seinen Oberkörper auf, klemmte seine Arme in ihre Kniekehlen und drückte somit Lunas Beine nach hinten.

Als das Bett auf einmal begann im Takt der beiden fröhlich mitzuquietschen mussten sie und er heiter auflachen.

„Ich dachte das Teil wäre komplett neu?“, erkundigte sich der Chef der Blitzkrieg Boys und blickte Richtung Bettkopf.

„Ist es auch!“, beschwerte sich Luna gespielt, „keine acht Wochen alt!“

„Mit dir würde ich auch auf dem Fußboden schlafen wollen“, gurrte er genüsslich und küsste sie intensiv.

„Aber dann bin ich jedes Mal oben! Auf Dauer werden der Boden und mein Rücken nämlich keine Freunde!“

„Das haben wir gleich!“, grinste Tala vielversprechend und wälzte sich mit einer geschickten Bewegung auf den Rücken, so dass Luna plötzlich auf ihm saß.

„Überwältigend“, lobte sie ihn, „du musst in deinem früheren Leben Zirkusakrobat gewesen sein!“

Wegen dieser Bemerkung grunzte Tala kurz auf und sein Körper bebte unter dem Versuch nicht loszulachen, während Luna sich weiter nach vorne beugte und mit beiden Händen auf seinen Schultern abstützte.

„Und nun zu Ihnen...Mr. Iwanov...“, flüsterte sie ihm ins Ohr, „lassen sie mich Ihnen das zeigen, worauf Ulrike verzichten musste…“

Kapitel 23

„...außerdem muss ich später noch einmal zum Floristen.“

„Wofür?“

„Letzte mögliche Änderungen an den Gestecken für die Tische vornehmen“, seufzte Mirka und schob Kai die Zeitschrift zu, „ich würde gerne deine Meinung zu diesen beiden Arrangements wissen...“

Zwar gab Mirkas Verlobter ein genervtes Knören von sich, guckte sich jedoch an, was sie ihm zu zeigen hatte. Mit einem breiten Grinsen beobachtete Daniellé Hiwatari die Situation aus sicherer Entfernung, während er einen schnellen Gesundheitscheck an seinem Vater vornahm.

„Wie fühlst du dich?“, erkundigte er sich.

„Fragst du als mein Sohn oder mein Arzt?“, knurrte Voltaire gefährlich und reichte seinen Arm zum Blutdruckmessen.

„Hast du schon vergessen, dass ich dich wegen Befangenheit nicht behandeln darf?“

„Und doch tust du es jetzt!“

„Wenn meine Mutter mich schon extra herbestellt, weil ihr Gatte plötzliches Herzrasen und Schweißausbrüche hat kann ich ja schlecht nein sagen. Sieh es als inoffiziellen Service an“, scherzte Danny.

„Sie hat übertrieben. Es ist rein gar nichts!“

„Und doch ist dein Blutdruck erhöht. Sehr sogar.“

„Dann gib mir einfach was dagegen!“

„Das ist nicht so einfach...“, grübelte Daniellé, „nachdem du deine Medikamente einfach abgesetzt hast, anstatt sie unter ärztlicher Beobachtung nach und nach zu verringern kann das eine Nebenwirkung sein. Entzugserscheinung wenn du es so willst.“

Voltaire brummte etwas vor sich her und warf einen Blick Richtung Terrasse. Seine Augen funkelten verdächtig.

„Alt werden war für dich noch nie einfach...“, seufzte Daniellé, als er bemerkte, wohin sein Vater stierte, „das hast du mich schon an meinen Geburtstagen immer spüren lassen.“

„Soll heißen?“

„Ich weiß, dass ich nicht immer in deiner Nähe sein werde und ich bin sicher nicht dein Kindermädchen, welches ständig auf dich Acht gibt. Lass dir nur eines gesagt sein...“

Daniellé stand auf und funkelte seinen Vater vielsagend an, ihre Blicke trafen sich und brachten die Luft zum knistern.

„...hör auf, um den heißen Brei zu reden!“, forderte Voltaire ihn kampflustig auf.

„Solltest du versuchen den Geburtstag meines Sohnes zu sabotieren oder in jeglicher Art zu stören, dann werde ich alle in meiner Macht stehenden Hebel in Bewegung setzen, um dich wieder in das kleine düstere Loch zu stecken, aus welchem du vor kurzem gekrochen bist!“

„Soll das eine Drohung sein?“

„Das ist ein Versprechen, Vater!“

„Wie war das noch gleich mit der Befangenheit?“, grinste Voltaire hochnäsig.

„Ich habe mit dem Chefarzt der Klinik zusammen studiert...ein Anruf genügt. Willst du es herausfinden wie schnell es gehen kann?“

Voltaires Grinsen versiegte und er knirschte mit den Zähnen.

„Danny!“, rief Mirka plötzlich aus ein paar Metern Entfernung.

Die Mienen der beiden Männer hellten sich mit einem Mal auf und der Arzt drehte sich zu dem Mädchen um.

„Wir gehen gleich in die Stadt zum Floristen. Wollen wir dann später ein Eis zusammen essen?“

Kais Vater machte eine Gerührte Mimik.

„Das ist sehr nett von euch beiden. Leider habe ich heute noch sehr viel zu tun. Aber euch zwei noch viel Spaß!“

Mirka grinste ihn breit an und hüpfte wie eine Elfe voraus, während Kai seinen Blick in Richtung seines Großvaters verlor. Erst als Daniellé ihn leicht antippte und auf den Weg zeigte, welchen seine Verlobte gerade noch gegangen war löste der Junge seine Starre und folgte ihr.

Als die beiden weg waren beugte sich Voltaire zu seinem Sohn vor und murmelte: „Du magst vielleicht deine Mittel und Wege haben mich aufzuhalten...doch wende mir vorher nie wieder den Rücken zu...wir wollen doch nicht, dass ein Unglück passiert?!“

Daniellé erwiderte seinen Blick mit demselben Hass, welcher ihm gerade entgegen gebracht wurde.

„...und das...mein lieber Sohn...ist ebenfalls ein Versprechen!“
 

„Ach! Es ist so ein schöner Tag, Kai!“, schwärmte Mirka und tänzelte ein paar Schritte vor ihrem Verlobten her.

Dieser beobachtete die Szene, welche sich ihm gerade bot argwöhnisch, konnte sich jedoch ein Schmunzeln nicht verkneifen.

„Da hast du Recht, Mirka.“

„Vielleicht lade ich dich später auf einen Slushie ein?“, kicherte sie.

„Was für ein Glück ich doch habe!“

„Ja, gell?“

Die Floristin brachte Mirka die vorgefertigten Gestecke, welche sofort gründlich begutachtet wurden, während Kai sich im Laden selbst etwas umsah. Er war zwar mutig, jedoch nicht lebensmüde genug, um sich seiner zukünftigen Frau in den Weg zu stellen. Geschweige denn eine ihrer Entscheidungen in Frage zu stellen.

An einem Kübel voll mit Rosen blieb er ruckartig stehen und hielt inne. Sofort sprang eine Verkäuferin zu ihm und fragte, wie sie ihm weiterhelfen konnte.

„Welche sind das hier?“, erkundigte sich der Junge.

„Francis Meilland. Eine Edelrose. Gefallen sie Ihnen?“

„Allerdings“, gestand Kai und blickte sich zu Mirka um, welche immer noch mit der Floristin diskutierte, „machen Sie mir bitte einen kleinen Strauß mit denen?“

„Natürlich“, lächelte die Frau freundlich und blickte ebenfalls zu Mirka, „Freundin?“

„Verlobte.“

„Herzlichen Glückwunsch. Darf ich fragen, wann Sie sich das ‚Jawort‘ geben?“

„Sieben Wochen.“

Die Frau strahlte übers ganze Gesicht und begann damit, den Strauß zu binden: „...und? Sie sind schon aufgeregt?“

„Noch nicht so richtig...“, überlegte Kai und nickte zu Mirka, „sie allerdings ist mittendrin.“

„Warten Sie nur ab, wenn es am nächsten Tag soweit ist. Frauen neigen gerne dazu, dann völlig auszuflippen.“

„Es gibt davon noch eine Steigerung?“

„Es gibt immer eine Steigerung von allem“, gestand die Frau und reichte Kai seinen Strauß und überlegte, „sind...sind Sie nicht Kai Hiwatari? Von den Blitzkrieg Boys?“

Der Junge hielt in seiner Bewegung zu zahlen inne und blickte die Frau überrascht an, nickte jedoch.

„Mein Sohn ist ein großer Fan“, strahlte die Frau übers ganze Gesicht, „er wird morgen voller Stolz erzählen können, dass Kai von den Blitzkrieg Boys bei seiner Mutter einen Strauß Rosen gekauft hat!“

Mirkas Verlobter konnte ein Lächeln nicht mehr unterdrücken und tat, was er nie von sich gedacht hätte.

„Haben Sie einen Stift und Zettel? Mit einem Autogramm wird er noch viel mehr angeben können.“

„Das...das würden Sie wirklich machen?“

„Natürlich.“

Kai setzte seine Signatur auf den Zettel, welcher ihm gereicht wurde und gab ihn der Frau zurück, welche noch mehr strahlte.

„Dankeschön! Der Strauß geht natürlich aufs Haus!“

„Nein. Ich bestehe darauf, zu bezahlen.“

Mit einem „ich warte draußen auf dich“ ging der Junge an Mirka vorbei und aus dem Laden. Von dort aus beobachtete er noch, wie die Verkäuferin, welche ihn bedient hatte sich voller Freude den Zettel ansah und behutsam in ihre Tasche steckte. Er müsste erneut Grinsen.

„So! Ich habe alles erledigt!“, seufzte Mirka schwerfällig, trat neben ihren Verlobten und zeigte auf den Strauß, „für deine Mutter? Das ist aber sehr aufmerksam von dir!“

Kai schmunzelte gekränkt und reichte ihr die Blumen. Das Mädchen bewunderte die hübschen Rosen und lobte ihn, für seinen guten Geschmack.

„Danke. Aber...die sind nicht für meine Mutter“, gestand Kai und spürte einen dezenten Andrang von Verlegenheit.

Mirka striff sich eine Haarsträhne hinters Ohr und machte eine gerührte Geste, während der Junge ihr den Strauß immer mehr ins Gesicht hielt.

„Ach Kai...“, gurrte sie verzückt und roch sogar an einer Rose, „da wird sich deine Großmutter aber freuen!“

Mit einem Mal ließ er die Schultern hängen und blickte seine Verlobte fassungslos an.

„Dein Ernst?“, erkundigte er sich bei ihr.

„Bitte? Ich verstehe nicht…?“

„Merk ich“, entgegnete er ungläubig, „die sind für dich du prisoska!“

Auf einmal weiteten sich ihre hellgrauen Augen bis aufs Maximum und sie nahm fassungslos den Strauß in ihre Hände, während Kai etwas unverständliches vor sich her murmelte und weiterging.

Mirka blickte ihm kurz nach, dann senkte sie ihren Blick auf die wunderschönen Rosen und sie sog ihren Duft mit einem verliebten Lächeln tief ein.
 

*~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„...hey du“, grüßte Tala seine Freundin, welche auf dem Balkon saß und genüsslich ihr Getränk schlürfte, „was machst du denn schönes?“

„Chilln mit meiner alten Freundin“, grinste Luna und hob ihr Glas, „Margarita. Margarita das ist Tala.“

„Hi“, grinste der Junge dem Glas mit Zuckerrand zu.

„Gesellst du dich zu uns?“, erkundigte sie sich und nippte am Drink.

„Wieso denn nicht? Dann kann ich meinen alten Freund ebenfalls mit in die Runde bringen.“

Luna beobachtete, wie Tala sind ein paar Eiswürfel in ein Glas gab und etwas klares darüber kippte, wieder zu ihr auf den Balkon kam und ihr zuprostete.

„Luna, Margarita...darf ich vorstellen: Gorbatschow.“

Das Paar stieß zusammen an und genoss die Aussicht mit dem sommerlichen Sonnenuntergang am Horizont. Nachdem Tala sein Glas geleert hatte erkundigte er sich, wo die anderen beiden verblieben waren.

„Bryan und Spencer sind ins Schwimmbad gegangen.“

„Und du bist nicht mit?“, fragte Tala überrascht.

„Nein“, grinste sie, „ich wollte solange mit Margarita abhängen, bis du von deinem Nickerchen aufwachen würdest und dann ganz viel unanständigen Sex mit dir haben.“

Der Junge stellte sein Glas hastiger auf die Arbeitsfläche ab, als gedacht und zuckte kurz zusammen, stellte jedoch fest, dass das Glas nicht zerbrochen war und zog sich eilig sein Shirt aus.

„Beginnen wir hier gleich mit der Kücheninsel?“, kicherte der Rotschopf neckisch, „die reizt mich schon, seit ich sie das erste Mal gesehen habe!“

„Worauf warten wir dann noch?“

Luna stellte sich mit dem Rücken gegen die Theke, stemmte sich mit ihren Armen hoch und blickte Tala mit funkelnden Augen an. Dieser legte seine Hände auf ihre Oberschenkel, schob sie auseinander und stellte verzückt fest, dass sie unter ihrem Kleid keine Unterwäsche trug.

„Als hätte sie was geplant“, grinste der Rotschopf und drückte einen dicken Schmatzer auf ihren Venushügel, bevor er seine Zunge zwischen Lunas Schamlippen platzierte und mit zwei Fingern in sie eindrang.

Mit einem genüsslichen Seufzer ließ sie sich nach hinten auf die Ellbogen sinken und warf den Kopf gen Nacken.

„Böses Mädchen“, murmelte es von weiter unten, was die junge Frau zum Kichern veranlasste.

„Ich würde mich ehr als Expertin für weite voraus Planung betiteln.“

„Von mir aus“, gurrte Tala und kletterte ebenfalls auf die Ablage.

Er schob ihr das Kleid über den Kopf und liebkoste ihre Brüste, streichelte lediglich nur mit seinen Fingerkuppen über ihren Bauch und freute sich über ihre Gänsehaut, welche dadurch hervorgerufen wurde.

„Ich zwirbel dir die Nippel, wenn du mich weiter hin hälst“, drohte sie und grinste vielsagend.

„Du tust was?“, lachte Tala auf, was ihm jedoch gleich wieder verging, als Luna ihm demonstrativ zeigte, was ein Nippelzwirbler war.

„Spinnst du? Das tat weh!“

„...und das war noch die leichte Tour“, kicherte Luna und umfasste seinen steifen Penis mit festem Griff, „soll ich dir noch zur Hand gehen?“

„Wie viel Margarita hattest du?“

„Viele“, gestand sie.

„Ich merk‘s...“

„Ich dachte, dass wir mal was anderes ausprobieren...oder kannst du neuerdings nur kommen, wenn ich dir erzähle, wie ich mit ner anderen Tusse rumgemacht habe?“

Plötzlich kehrte ein gewisses Funkeln in Talas Augen zurück, welches sie so sehr vermisst hatte. Dieses kampflustige und herausfordernde Blitzen, während sich seine Pupillen verengten, wie bei einem Raubtier, welches gerade seine nächste Beute fixierte.

„Du willst also die harte Tour…?“, raunte er gefährlich leise und beugte sich zu ihr runter.

„Das traust du dich doch gar nicht“, entgegnete Luna ihm provozierend.

Die Miene, zu der Talas Gesicht jetzt wechselte ließ das Mädchen feststellen, dass sie ihr Glück zu sehr strapaziert hatte. Ihr fuhr ein eiskalter Schauder über den kompletten Körper und ihre Nackenhaare stellten sich senkrecht auf. Noch bevor sie irgendwie reagieren konnte hatte der Junge sie schon gepackt, auf den Bauch gewälzt, ihr Becken auf die richtige Höhe angehoben und einen schnellen, peitschenden Hieb mit der flachen Hand auf ihre linke Pobacke gegeben. Mehr vor Überraschung, als vor Schmerz schnappte Luna hastig nach Luft und wollte ihren Oberkörper aufrichten, wäre da nicht die Hand eines gewissen Jemandes gewesen, welche sie runter drückte. Nicht feste, aber dennoch mit genug Druck, dass sie sich schon anstrengend musste, um auch nur ein bisschen hochzukommen.

„Du bleibst schön da unten“, entschied Tala mit fester Stimme und klimperte mit einer Glasflasche.

„Tust du jetzt so, als hättest du deine Eier endlich wieder gefunden ja?“, raunte Luna kampflustig und schon folgte der nächste peitschende Hieb auf dieselbe Pobacke, „versuchst du dich jetzt in SM, oder was?“

„Du wolltest doch die harte Tour...“, murmelte der Junge und hantierte weiterhin mit Glasflaschen, „ich wollte unsere Beziehung eigentlich mit gemütlichen Kuschelsex beginnen und dann langsam steigern, aber du kannst natürlich nicht abwarten.“

„Fick dich, Tala!“, fauchte Luna und ballte die Hände zu Fäusten.

„Nein...ich fick dich gleich. Ohne Vorspiel. Da fällt mir ein...“

Ein drittes Mal klatschte es und Luna durchströmte erneut dieser kurze brennende Schmerz, diesmal jedoch von der anderen Pobacke aus.

„Was sollte das jetzt?“

„Revanche. Du hast mir dieses Nippelzwirbeldings schließlich auch beidseitig gemacht, oder etwa nicht?“

„Ja“, gestand Luna und stieß die eingesogene Luft angestrengt zwischen zusammen gebissenen Zähnen aus, „allerdings hatte ich es wirklich leicht gemacht!“

„Oh glaub mir...das habe ich auch!“

„Verarscht du mich?!“, rief sie eingeschüchtert aus und versuchte erneut ihren Oberkörper auszurichten. Vergebens.

„...nur weil meine Armmuskeln nicht so definiert sind, wie bei Bryan und Spencer heißt das noch lange nicht, dass ich keine Kraft habe...soll ich dir eine Kostprobe von dem geben, was da noch auf dich zukommt?“

„Nein! Nein, ich habe meine Lektion gelernt!“

Und ein viertes Mal durchströmte Luna ein brennender Scherz, erneut aus der rechten Pobacke. Das Mädchen spreizte Finger und Zehen weit auseinander, spannte sämtliche Muskeln im Körper an und knurrte zwischen zusammen gebissenen Zähnen.

„WAS...ZUM...TEUFEL?!“, schnauzte Luna den Jungen hinter sich an, „WIESO?!“

„Weil‘s geil ist“, entgegnete Tala nebensächlich und schraubte eine Flasche auf, „außerdem hat somit jede deiner Arschbacken gleich viele Hiebe bekommen. Die Balance ist wieder hergestellt.“

„Balance? BALANCE?!“

„Stehst du ehr auf ungerade Zahlen? Wahnsinn. Hätte ich nie von dir gedacht“, stellte Tala belustigt fest und schob Luna langsam zwei Finger in den Anus.

„Was genau hast du vor…?“, fragte Luna diesmal vorsichtig und wagte es nicht, sich auch nur einen Millimeter zu rühren.

„Die harte Tour“, wiederholte Tala.

„Was riecht hier so...komisch?“

„Olivenöl. Extra vergine.“

„Wage es dich, deinen mit Olivenöl beschmierten Schwanz in meinen Arsch zu schieb...ah...ah...ah!“

Tala grinste triumphierend, während er seinen harten Penis schön langsam in Luna versenkte und bemerkte, wie ihr förmlich die Luft wegblieb. Als er vollkommen in dem Mädchen versunken war ließ er ihr einige Momente Zeit, bevor er sich ganz langsam vor und zurück bewegte. Nach und nach entspannte sich Lunas Körper immer mehr, bis sie schließlich ihre Finger und Zehen wieder in einer normalen Haltung hatte. Tala beugte sich nach vorne und knabberte ihr liebevoll am Ohr, seine Hände legten sich über ihre und seine Leiste schmiegte sich an Lunas Hintern. Ab und zu biss er dem Mädchen neckisch in die Schulter, als ihm eine kleine Pfütze unter ihrem Gesicht auffiel.

„Du sabberst ja“, flüsterte Tala Luna ins Ohr und beschleunigte seine Stöße ein wenig.

„Halts Maul und fick mich weiter“, murmelte sie genüsslich und begann damit, an Talas Daumen zu nuckeln.

Der Junge stöhnte erregter auf denn je und stieß ein paar Mal fester zu als geplant. Als Tala und Luna beide gleichzeitig genüsslich aufstöhnten sprang die Küchentür mit einem fröhlichen „Hallöchen“ auf. Das Paar hielt in seiner Bewegung ruckartig inne und starrte Mirka mit großen Augen an. Das Mädchen war zu einer Salzsäule erstarrt, den Mund und Augen weit aufgerissen ließ sie einen Blumenstrauß zu Boden fallen. Es vergingen einige Sekunden, bis eine weitere Stimmte ertönte.

„Anscheinend ist momentan niemand hier. Lass und einfach...OH MEIN GOTT WAS ZUM TEUFEL MACHT IHR DA?!“, rief Kai völlig außer sich, bedeckte Mirkas Augen mit einer Handfläche und mit der anderen Hand packte er das Mädchen und drehte es mit sich zusammen weg vom Geschehen.

„Es tut uns leid!“, entgegnete Tala im selben Tonfall, „aber wir sind hier zu Hause!“

„WOFÜR HABT IHR EIN ZIMMER? MIT EINEM BETT DARIN?!“

„Es tut und leid, Kai“, wiederholte Luna beschämt, „allerdings hättet ihr klingeln können...“

„Schon vergessen, dass ich auch noch einen Schlüssel habe?“

„Da war was...“, murmelte der Rotschopf, zog sich vorsichtig aus seiner Freundin zurück, kletterte von der Kochinsel und reichte ihr das Kleid.

Mirka blickte ihren Verlobten zweifelnd an und fragte kleinlaut: „Kai…? Wie bekomme ich dieses Bild wieder aus meinem Kopf…?“

Vorsichtig und mit einer Hose bekleidet trat Tala auf den Flur und blickte in Kais vor Wut funkelnde Augen. Er schluckte schwerfällig, machte jedoch eine einladende Geste.

„Es ist jetzt wieder sicher...“, murmelte er verlegen, „wollt ihr zwei...einen erneuten Versuch starten?“

Kai und Mirka warfen sich einen unsicheren Blick zu, kamen jedoch Talas Einladung nach.
 

*~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Lucielle Dejeaun saß im Außenbereich eines kleinen Cafés und beobachtete die Enten auf dem See, welcher gleich daneben lag, als ein Stuhl an ihrem Tisch zurückgezogen wurde. Sie blickte den jungen Mann ausdruckslos an, während er ihr ein verlegenes Lächeln zeigte.

„Ciao.“

„Bonjour.“

„Ah...mein französisch ist etwas eingerostet“, grinste er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

„Mein italienisch ebenfalls.“

Die Bedienung kam zu ihnen und nahm Giuseppes Bestellung auf, nachdem er sich erkundigt hatte, ob Adrians Schwester auch etwas wollte. Lucy zog die Augenbrauen zusammen und sah ihn fragend an.

„Ist Zitronenkuchen an Tagen wie diesen nicht etwas zu süß?“, erkundigte sie sich und rührte in ihrem Eiskaffee.

„Ich liebe solches Wetter!“, schwärmte der junge Mann, „und ich liebe Kuchen!“

Lucielle machte einen belehrten Gesichtsausdruck und versuchte dabei nicht allzu abweisend rüber zukommen.

„...damit kriegt man mich immer“, fügte Giuseppe erfreut hinzu, als die Bedienung seinen Kuchen brachte.

„Ein Glück, dass ich backen kann, hm?“

Er verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und hielt kurz in seiner Bewegung inne.

„Ähm...so meinte ich das nicht...“

„Ich weiß. Tut mir leid, falls es zu sarkastisch klang.“

„Kein Problem“, grinste er und schon sich die Gabel genüsslich in den Mund.

„Oh...der ist gut!“

Lucy schmunzelte und blickte wieder auf den See.

„Aber wo bleiben meine Manieren?! Ich habe dich noch gar nicht gefragt, wie es dir geht!“

„Lassen wir die ganzen Förmlichkeiten, Giuseppe“, bat das Mädchen und klemmte sich eine Haarsträhne hinters Ohr, „ehrlich. Wir sind hier unter uns.“

Er guckte sie für einen Augenblick forschend an, nickte dann jedoch zustimmend und nahm einen Schluck Kaffee zu sich.

„Wie läuft es auf der Plantage?“

„Wie war das noch gleich mit dem Förmlichkeiten?“

„Gewohnheit...“

„Merkst du was?“

Sie grinsten sich schadenfroh zu. Giuseppe packte eine kleine Schachtel auf den Tisch und warf Lucielle einen prüfenden Blick rüber.

„Es...stört dich doch nicht, wenn ich rauche, oder…?“

„Du kannst mir gerne eine geben“, bat sie.

„Ich wusste gar nicht, dass du rauchst.“

„Tu ich eigentlich auch nicht“, winkte das Mädchen ab, „aber ab und zu...“

Der Italiener nickte grinsend und reichte ihr eine Kippe und Feuerzeug. Lucy blies den blauen Rauch genüsslich aus und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.

„Ich habe mich nur gewundert, da ich dich auf Festlichkeiten nie rauchen gesehen habe. Und dabei sind gerade diese immer so nervig.“

„Spinnst du?“, lachte sie, „hast du eine Ahnung, was ich mir von meinen Eltern anhören dürfte, wenn ich in aller Öffentlichkeit rauchen würde?“

„Sind wir hier gerade nicht...in...aller Öffentlichkeit?“, fragte Giuseppe und guckte sich um.

„Siehst du hier außer uns irgendeinen Chevalier?“

„Nein.“

Sie aschte ab, nachdem sie dem jungen Mann einen vielsagenden Blick zugeworfen hatte. Er legte den Kopf schief und schmunzelte.

„Darf ich dir sagen, dass du hübsch aussiehst? Ganz unförmlich versteht sich.“

Lucielle hielt in ihrer Bewegung inne und blickte ihn durch ihre grüngrauen Augen herausfordern an, er grinste vorsichtig und hob abwehrend die Hände.

„Verstehe...du musst so was nicht sagen, nur weil unsere Eltern diese Verbindung arrangiert haben, weißt du?“

„Es ist rein geschäftlich, hm?“

„Was denn sonst? Ich habe es dir gesagt, weil es stimmt. Ich persönlich finde, dass du eine attraktive junge Frau geworden bist, Lucielle. Wenn ich daran denke, was du früher für ein Wildfang warst“, kicherte Giuseppe.

Sie zog beide Augenbrauen hoch, erwiderte jedoch nichts.

„Alle Jungs hatten immer große Angst vor dir!“

„Das waren noch Zeiten“, schwärmte sie gehässig, „damals, als ich noch nicht aufgefordert wurde, Kleider tragen zu müssen und zu jedem Arschkriecher freundlich zu sein.“

„Kind sein hat schon was tolles. Leider bleibt man es nicht immer.“

„Mein Bruder bleibt im Kopf immer ein 4 jähriger“, seufzte das Mädchen und trank ihren Eiskaffee leer.

„Was darf ich dir bestellen? Und ich frage das nicht, weil es von mir verlangt wird, sondern weil ICH es möchte.“

Sein strengerer Tonfall ließ Lucy stutzen. So hatte sie Giuseppe noch nie gehört.

„Einen Eistee, bitte. Zitrone.“

„Hab ich dich jetzt so leicht eingeschüchtert?“, erkundigte er sich vorsichtig.

„Nicht eingeschüchtert“, gestand das Mädchen und grinste, „nur überrascht.“

„Inwiefern?“

„Du bist neben meinem Vater der erste Mann, welcher die Eier in der Hose hatte so mit mir zu reden.“

Die Bedienung brachte den Eistee und Lucielle erhob ihr Glas zu Giuseppe. Sie prosteten sich zu und erzählten sich mit herzlichen Lachanfällen Geschichten von früheren Chevalier Treffen.

„...ich hab mir so in die Hosen gemacht!“, lachte Giuseppe und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.

„Nein! Wegen so was?“

„Wegen so was?“, wiederholte er aufgeregt, „du warst so...so...so...“

„Ein Wildfang eben.“

„Ja. Danke.“

„Keine Ursache.“

„Auf jeder Familienfeier hast du immer mit irgendjemanden Stress angefangen. Und dabei hattest du damals so eine süße Zahnlücke!“

„Oh Gott ja! Ich hatte zwei geflochtene Zöpfe und Hasenzähne!“

„Das sah so ulkig aus.“

„Meine Mutter stand zu der Zeit übelst auf solche Frisuren...und eigentlich hätte ich damals noch eine Brille getragen, habe mich aber jedes Mal bei den Feiern strickt geweigert. Ich war blind wie ein Maulwurf!“

„Willst du mir sagen, dass du nie gesehen hast, mit wem du dich gezofft hattest?“, fragte Giuseppe ungläubig.

„Ich kannte die Stimmen zu den Personen. Dadurch, dass ich nichts gesehen habe, trainierte ich mein Gehör. Ich bin mittlerweile wie eine Fledermaus.“

„Du bist Batman!“, lachte der Mann schallend und klatsche fröhlich in die Hände.

Lucielle hielt sich den Bauch vor lauter Kichern und schüttelte ungläubig den Kopf.

„Wir haben uns damals schon was geleistet...“

„Kannst du dich daran erinnern, als Cecilia Deux einmal bei uns auf der Plantage klettern wollte und von alleine nicht mehr runter kam?“

„Sie hat sich an den Ast geklammert und nicht mehr losgelassen. Wie ist die eigentlich wieder auf den Boden gekommen?“

„Wir mussten die Feuerwehr rufen.“

„NEIN!“

Giuseppe brachte vor Lachen keinen richtigen Ton mehr raus, nickte jedoch wild mit dem Kopf, so dass seine schwarzen Haare nur so flogen.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Zur selben Zeit in einem anderen Stadtteil...

„Kai…? Ich glaube so langsam müssten die Blumen ins Wasser...“, bemerkte Mirka besorgt.

„...ich will nur noch schnell meine restlichen Sachen aus der Wohnung holen. Wenn wir eh schon mal in der Nähe sind bietet es sich eben an.“

„Dann kann ich Luna meinen ersten Blumenstrauß von dir zeigen“, sagte Mirka stolz und blickte erneut auf die Rosen in ihrer Hand.

Kai entging ihr Gesichtsausdruck natürlich nicht und ein mehr als zufriedenes Lächeln wich über seinen Mund. An der Haustüre angekommen schloss der Junge auf und hielt seiner Verlobten die Tür mit einer einladenden Geste auf.

„Mademoiselle.“

„Merci, Monsieur“, nickte sie ihm aufmerksam zu.

„Da fällt mir ein, dass du vorher noch gar nicht in der neuen Wohnung warst.“

„Stimmt. Ist mein erstes Mal. Wie findest du sie denn?“

„Sie erfüllt ihre Zwecke.“

„Kai“, stöhnte das Mädchen genervt auf und verdrehte die Augen.

„Was denn? Es ist eine sehr große Wohnung. Zu groß für uns zwei.“

„Ja aber wir haben ja auch nicht vor zu zweit zu bleiben“, grinste Mirka neckisch, „werden wir unsere Kinder eigentlich auf russisch oder französisch erziehen?“

„Wieso oder?“

„Du meinst beides? Ist das nicht ein bisschen viel?“

„Ich bin mit vier Sprachen aufgewachsen und mir hat es nicht geschadet“, überlegte Kai und legte den Kopf schief.

„Wenn es so weit ist, dann knobeln wir es einfach aus, okay?“

„Da gibt es nichts zum knobeln! Gerade Kinder lernen im frühen Alter sehr leicht mehrere Sprachen, es wird dadurch nur Vorteile haben, wenn es mal in Ausland studieren will.“

„Wir haben noch nicht mal Kinder und du willst sie schon ins Ausland schicken?!“

Er seufzte schwerfällig und blieb vor der Wohnungstür stehen. Seine Augen blickten direkt in Mirkas.

„Es...war bis jetzt doch so ein schöner Tag. Machen wir ihn uns nicht kaputt. Bitte.“

Das Mädchen nickte zustimmend, während er die Türe aufschloss und sie erneut zuerst eintreten ließ.

„Küche und Wohnzimmer sind da vorne“, erklärte Kai und schloss hinter sich die Tür, während Mirka voller Vorfreude auf Luna bereits in die angewiesene Richtung ging.

Es war ungewöhnlich ruhig für einen Nachmittag unter der Woche, Kai konnte nicht mal den Fernseher hören. Vielleicht saßen sie ja alle auf dem Balkon und tranken ein kühles Bier.

„Hallöchen!“, ertönte Mirkas Stimme fröhlich, jedoch kam keine Begrüßung zurück.

Der Junge stutzte erneut. Tala, Bryan und Spencer konnten mit so einer Hitze recht wenig anfangen, außer Luna hatte alle mit ins Schwimmbad geschleppt. Kein Wunder, dass es hier so ruhig war.

„Anscheinend ist momentan niemand hier. Lass und einfach...OH MEIN GOTT WAS ZUM TEUFEL MACHT IHR DA?!“, rief Kai völlig außer sich, bedeckte Mirkas Augen mit einer Handfläche und mit der anderen Hand packte er das Mädchen und drehte es mit sich zusammen weg vom Geschehen, welches sich ihnen gerade darbot.

Luna hatte auf der Kücheninsel gekauert und Tala direkt über ihr. NACKT! AUF DER KÜCHENINSEL!

„Es tut uns leid!“, entgegnete Tala im selben Tonfall, „aber wir sind hier zu Hause!“

„WOFÜR HABT IHR EIN ZIMMER? MIT EINEM BETT DARIN?!“, schimpfte Kai entsetzt und erkundigte sich nach Mirkas Zustand. Ihre Augen waren dank der nackten Tatsachen immer noch weit aufgerissen und die Röte schoss ihr ins Gesicht. Der Junge bemerkte, dass es ihm nicht anders ging, sein Gesicht glühte vor Hitze!

„Es tut und leid, Kai“, wiederholte Luna beschämt, „allerdings hättet ihr klingeln können...“

„Schon vergessen, dass ich auch noch einen Schlüssel habe?“

Mirka blickte ihren Verlobten zweifelnd an und fragte kleinlaut: „Kai…? Wie bekomme ich dieses Bild wieder aus meinem Kopf…?“

„Tut mir leid, dir das sagen zu müssen...aber ich bin ausnahmsweise mal ratlos...“

„Was war das? Ich meine...ich weiß schon was DAS war...aber WAS war das?!“

Vorsichtig und mit einer Hose bekleidet trat Tala auf den Flur und blickte in Kais vor Wut funkelnde Augen. Er schluckte schwerfällig, machte jedoch eine einladende Geste.

„Es ist jetzt wieder sicher...“, murmelte er verlegen, „wollt ihr zwei...einen erneuten Versuch starten?“

Kai und Mirka warfen sich einen unsicheren Blick zu, kamen jedoch Talas Einladung nach. Luna stand hinter der Kücheninsel und versteckte ihr Gesicht beschämt hinter ihren Händen, während sie irgendwas vor sich her murmelte. Kai blieb im Türrahmen stehen und erlaubte sich einen Scherz, in dem er gegen das Holz klopfte und „knock, knock!“ sagte. Luna schreckte augenblicklich hoch und Kai konnte sich ein kurzes Auflachen nicht verkneifen. Ihr Gesicht war knallrot vor lauter Scham, ein Feuerwehrauto wäre blass vor Neid gewesen.

„Sorry“, kicherte er immer noch.

„Arschloch“, entgegnete ihm Luna und holte zwei Gläser aus dem Schrank, „hiermit hasse ich dich jetzt offiziell!“

„Ich hab dich auch vermisst, Luna.“

„Hättest du vielleicht auch eine Vase oder ähnliches für die hier?“, erkundigte sich Mirka und zeigte auf die Rosen, welche sie mittlerweile wieder aufgehoben hatte.

„Die sind ja schön. Als Muster für deinen Hochzeitsstrauß?“

„Nein. Die hat Kai mir heute geschenkt“, prahlte das Mädchen.

„Wow...“, gestand Tala und pfiff anerkennend, „du kannst ja richtig Romantisch sein!“

„Er hat so seine Phasen...“, lächelte Mirka müde und wollte sich gerade an die Theke anlehnen, als Kai zu ihr eilte und sie davon abhielt.

„Ey! Wir haben die Arbeitsfläche abgewischt, okay?!“, beschwerte sich Luna.

„Schön, dass ihr sie ‚abgewischt‘ habt. Ich bin trotzdem nicht scharf drauf, dass wir uns da mit irgendwas anstecken könnten.“

Tala und Lunas Blicke sprachen Bände, jedoch wurde Flächendesinfektionsmittel geholt und angewandt.

„Danke.“

Luna grinste Kai gehässig an: „Sackratten wünsche ich dir.“

Gekonnt ignorierte der Junge die junge Frau und erkundigte sich bei Tala, wo seine restlichen Sachen waren. Der Rotschopf machte eine Geste, dass er ihm folgen sollte, während Mirka zu Luna herum tänzelte und gespannt wartete, dass die Jungs aus dem Zimmer verschwunden waren.

„Erzähl mir alles! Ich will einfach alles wissen!“, überrumpelte sie Luna.

„Was!?“

„Alles einfach!“

„Nenenenenene“, lachte Luna auf, ich werde dich nicht spoilern, Mirka. Du heiratest in knapp 7 Wochen und so lange wirst du noch darauf warten müssen.“

Beleidigt blies das Mädchen die Backen auf: „Das ist so fies von dir...“

„Ich hab dich auch lieb“, zwinkerte Luna ihr zu.

„Dann chillen wir uns eben auf den Balkon und du gibst dein Bestes diese Bilder aus meinem Kopf zu holen! Das bist du mir schuldig!“

„Ich will mich gerade nicht setzten...“

„Was? Wieso denn nicht?“

„Ähm...lange Geschichte...“

„Dann gib mir die Kurzfassung.“

„Mirka ich KANN mich gerade nichts hinsetzten, weil mir der komplette Arsch innen wie außen wehtut!“

Das Mädchen blickte Luna überrascht an.

„Innen...wie...oh...OH! OH!“

„Du verstehst?“

Mirka stand die pure Neugierde ins Gesicht geschrieben, dennoch konnte die dem Verlangen widerstehen, Luna über jedes Details auszuquetschen. Auch wenn es ihr sehr schwer viel…

„...ach ja und bitte...bitte kein Wort zu Spencer!“, bettelte Tala, als er und Kai wieder in die Wohnküche kamen, „er würde uns töten.“

„Nachdem er uns 100 Mal hat putzen und desinfizieren lassen“, fügte Luna niedergeschlagen hinzu.

„Wieso soll er es nur Spencer nicht sagen?“, wollte Mirka verwundert wissen, „wohnt Bryan denn nicht mehr bei euch?“

„Doch schon...“

„Ich muss es vor Bryan nicht verheimlichen, denn er würde mir die Wahrheit eh nicht glauben, auch wenn ich sie ihm sagen würde“, erklärte Kai, „deshalb muss er sich nur um Spencer sorgen.“

Kapitel 24

Angestrengt öffnete Luna ihre Augen und knörte irgendetwas unverständliches vor sich her, während die hellen Sonnenstrahlen ihre Nase kitzelten. Um nicht niesen zu müssen setzte sich das Mädchen im Bett auf und gähnte genüsslich, streckte sich kurz und kuschelte sich schließlich wieder von hinten an Tala. Sein gleichmäßiges Atmen verriet ihr, dass er noch tief und fest am Schlafen war und was könnte schöner sein, als mit zärtlichen Streicheleinheiten geweckt zu werden? Luna begann damit, seine nackte Schulter und Arm zu liebkosen, wanderte über die Rippen zu seinem Brustkorb. Verzückt stellte sie fest, dass Tala anscheinend endlich Zeit gefunden hatte, ein bisschen zu trainieren. Die definierteren Muskeln fühlten sich unter ihren Fingerkuppen so gut an, dass Luna entschied es nicht nur beim Streicheln bleiben sollte und fuhr langsam mit ihrer Hand Richtung down under.

„Guten Morgen...“, flüsterte sie zärtlich in sein Ohr, als der Junge ihre Hand kurz unterhalb seines Bauchnabels stoppte, „du hast genug geschlafen, Tala. Wir hatten schon lange keinen Morgensex mehr.“

Kichernd drehte sie ihn auf den Rücken und hielt abrupt in ihrer Bewegung inne.

„Ich bin nicht Tala...“, raunte Kai gefährlich ruhig und guckte sie mit seinen großen Augen durchdringend an.

„Was machst du denn in meinem Bett?“, wollte das Mädchen erschrocken wissen und wich schnell zurück.

„Das Selbe wollte ich dich gerade...au! Mein Schädel...“, brummte der Junge und hielt sich mit schmerzerfüllten Stöhnen den Kopf.

Luna nutzte die Zeit, um sich schnell umzusehen. Ihre Kommode, ihre Vorhänge also auch ihr Zimmer. Erleichtert atmete sie auf und bedeckte ihre nackten Oberschenkel mit der Bettdecke, während Kai immer noch das Sonnenlicht mit einer Hand von seinen Augen fernhielt. Sofort stand Luna aus dem Bett auf und zog die Vorhänge zu.

„Danke...“, raunte der Junge und rieb sich den Schlaf aus den Augen.

Während dessen begutachtete sie seinen nackten blassen Oberkörper und legte verträumt den Kopf zur Seite.

„Wo bin ich?“, erkundigte er sich plötzlich.

„In meinem Zimmer.“

„Wie komm ich hier hin…? Oh mein Gott! Hatten wir…?!“

Luna zog verschämt ihr T-Shirt weiter runter, sagte jedoch nichts.

„Oh...nein...“, fluchte Kai angestrengt und hob hastig die Decke hoch, „ich habe meine Hose noch an!“

Das Mädchen beobachtete, wie seine Miene sich erleichtert aufhellte, unter dessen versuchte sie sich zu erinnern, wie gerade Kai in ihrem Bett gelandet war und nicht Tala. Vor allem war eine sehr gute Frage, wo genau dieser gerade steckte! In diesem Moment schwang sich Kai aus dem Bett, streckte sich einmal komplett durch und hob sein durchgeschwitztes Shirt vom Boden auf. Er erinnerte sich, dass er gestern noch in weißer Voraussicht Wechselklamotten mitgebracht hatte.

Plötzlich hielt er ruckartig inne und blickte zu Luna. Sie erwiderte seinen Blick ausdruckslos.

„Wie viel Uhr haben wir?“, hauchte Kai erschrocken.

„Ähm...kurz vor...zwölf.“

„SCHEIßE!“, rief er plötzlich und eilte aus dem Zimmer, „shit! Shit! Shit!“

Luna blickte ihm noch für einige Sekunden nach, dann schlüpfte sie in eine ihrer Hosen und ging in die Küche.

„Morgen“, grüßten sie Bryan und Tala vom Sofa aus, während Spencer Spiegeleier machte.

Das Mädchen warf ihrem Freund einen erschrockenen Blick zu, welcher sofort in Scham überging und erwiderte mit einem kleinlauten „hey Jungs...“

„Und? Ist unser Dornröschen auch schon wach?“

„Wer?“

„Kai. Er wollte eigentlich schon vor zwei Stunden aufstehen, weil er doch heute so ein Familienfeierdings hat“, überlegte Tala und nippte an seinem Kaffee.

„Seit wann seit ihr eigentlich schon wach?“

Bryan und der Rotschopf warfen sich einen fragenden Blick zu.

„Zirka 10 Minuten?“, meinten beide schließlich im Chor.

„Ihr habt für eure Verhältnisse aber auch ganz schön lange geschlafen...“, wunderte sie sich und nahm dankend von Spencer ihren Kaffee entgegen.

„Wir haben gestern auch alle ordentlich getrunken“, kicherte Bryan.

„Wie viel habe ich getrunken?“

„Sehr viel.“

Luna stutzte und trank einen großen Schluck Kaffee. Aus dem Badezimmer drangen laute fluchende Geräusche, ein Fön wurde angeschaltet und kurz darauf stand Kai völlig durch den Wind in der Küche.

„Guten Morgen Sonnenschein“, kicherte der Riese und reichte ihm einen Croissant.

Kai schob sich das Gebäck hastig in den Mund, stopfte sein Hemd in die Hose und schloss mit einer gekonnten Handbewegung den Gürtel.

„Soll ich dich fahren?“, erkundigte sich Tala bei dem Jungen.

„Ich habe meinen Chauffeur schon kontaktiert“, murmelte dieser und schnürte seine Schuhe zu.

„Natürlich hat der einen Chauffeur...“, murmelte Bryan und schüttelte fassungslos den Kopf.

„Habt ihr was gegen flauen Magen und einen brummenden Schädel?“

„Linker Schrank im Flur oberste Schublade“, meinte Spencer und portionierte sie Spiegeleier, „dann bleibst du also nicht zum Frühstück?“

„Nein...ich hätte schon längst weg sein müssen.“

„Wieso werde ich das Gefühl nicht los, dass sich Kai wie nach einem One Night Stand verhält?“, kicherte Bryan und Luna verschluckte sich an ihrem Kaffee.

„Alles in Ordnung?“

„Ja...“, hustete das Mädchen.

Kai drückte sich zwei Kapseln aus der Verpackung und nahm sie mit einem großen Schluck Wasser zu sich, bevor er noch ein letztes Mal tief seufzte und in die Runde blickte.

„War aber trotzdem ein toller Abend“, schmunzelte er und hielt sich den Kopf.

Dann ging er aus der Wohnung.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

15 Stunden zuvor

„...Rückenfrei?“, fragte Luna an Tala und hielt ihm das Oberteil entgegen.

Er staunte nicht schlecht, besonders, als er realisierte, dass seine Freundin so etwas freiwillig anziehen würde. Dann grinste er breit.

„Wir gehen in die Disco und nicht auf einen Galaabend.“

„Zu gewagt?“

„Dezent.“

„Sagst du das nur, weil ich jetzt mit dir zusammen bin, oder weil es wirklich zu übertrieben ist?“

„Beides“, schmunzelte er und küsste sie auf die Wange, „außerdem hattest du dir doch schon ein Outfit rausgelegt. Was ist denn daraus geworden?“

„Ich habe mir vorhin dieses Oberteil gekauft“, gestand sie.

„Zieh das an, welches so dunkelblau ist und diese tiefen Ausschnitte an der Seite hat.“

„Das, wo ich immer zum Sport anziehe?“, erkundigte sie sich unsicher.

„Genau. Wo du diesen Bandagen BH drunter anziehst.“

„Du meinst ein Bandeau Top...“

„Luna ich kenne mich nicht wirklich mit euren Frauenbegriffen aus. Aber schön, dass du immer genau weißt, was ich meine“, kicherte Tala.

Das Mädchen war über seine Auswahl sichtlich überrascht, hatte jedoch keine weiteren Einwände.

„Sonst noch was? Weil ich würde auch gerne noch schnell unter die Dusche...“

„Ja. Haare lockig oder glatt?“

„Lass sie doch so, wie sie sind. Das sieht gut aus.“

Luna guckte in den Spiegel und lachte nüchtern auf. Ein paar ihrer Haare waren bereits aus dem provisorischen Dutt gefallen, welcher auch nur von einem Haargummi gehalten wurde, der kurz vorm zerreißen war. Sie folge Tala ins Bad, wo der Junge bereits unter der Dusche stand.

„Echt jetzt?“, fragte sie und riss den Duschvorhang zur Seite, „so würdest du mich weg lassen?“

Hastig wischte sich Tala das Wasser aus den Augen und starrte sie überfordert an.

„Ähm...ja?“, meinte er schließlich vorsichtig, „was spricht denn dagegen?“

„Meine Haare habe ich vorgestern zuletzt gewaschen. Meine Tönung hat sich mittlerweile in drei verschiedenen blau und lilanuancen ausgeblichen. Mein Ansatz ist bald einen Finger breit rausgewachsen! Tala, wenn ich das nächste Mal meinen Kopf schüttel, fällt der poröse Haargummi auseinander und die Zotteln werden in alle Richtungen stehen!“

„Ich danke dem Herrn, dass er mir einen Schwanz gegeben hat!“, rief Tala laut im Badezimmer, so dass Luna zusammen zuckte, „eure Probleme möchte ich nämlich nicht haben!“

„Dann beeil dich und lass mir noch warmes Wasser übrig, damit ich mir wenigstens die Haare waschen kann“, brummte das Mädchen und ließ den Duschvorhang wieder zurückfallen.

Keine Sekunde später packte die Tala am Handgelenk und zog sie mit einer ehr uneleganten Bewegung zu sich in die Dusche.

„HEY!“, protestierte sie laut, „ich habe meine Klamotten noch an!“

„Gleich nicht mehr“, murmelte er und drückte ihr einen intensiven Kuss aus den Mund.
 

Als es an der Tür klingelte öffnete Spencer diese und Kai trat in die Wohnung ein.

„Ich hätte nie gedacht, dass du wirklich kommst“, gestand der Riese und musterte den Jungen, „kommst du von einer Beerdigung?“

Kai sah ihn fragend an und blickte an sich runter. Er hatte ein schwarzes Hemd an mit kurzen Ärmeln und eine graue Jeans.

„Nein…?“

Spencer zuckte mit den Schultern und die beiden gingen ins Wohnzimmer, wo Kai einen großen Bogen um die Kochinsel machte.

„Servus!“, prostete Bryan ihm vom Balkon aus zu.

Der Junge hob die Hand zum Gruß.

„Gell Mirka kommt später nach?“

„Sie kommt gar nicht mit.“

„Wieso? Habt ihr euch getrennt?“

„Nein...sie meinte, ich soll mal richtig Spaß haben und sie ist der Meinung wenn sie dabei ist, wäre ich zu steif. Sie geht deshalb nicht mit.“

Bryan zog eine Fratze und unterdrückte ein lautes Lachen, während Kai die Augen genervt verdrehte.

„Ja! Ich habe steif gesagt!“

„Ich bin so stolz auf dich, Junge!“, gestand Bryan und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter, bevor er sein Bier exte.

In diesem Moment trat Tala in das Zimmer und begutachtete Kai.

„Wer ist gestorben?“, erkundigte er sich vorsichtig.

„Niemand!“

Der Rotschopf guckte Spencer fragend an, dieser schüttelte nur den Kopf und winkte ab.

„Was ist eigentlich in dem Beutel?“

Kai hängte besagten Beutel über die Stuhllehne und meinte: „Das ist ein Kleidersack. Darin habe ich meine Sachen für morgen drin, da ich ausdrücklich dazu eingeladen wurde hier zu übernachten.“

„Ausdrücklich...eingeladen…zum übernachten? Machen wir jetzt eine Pyjamaparty, oder was?“

„Ja!“, kicherte Spencer, „mit Teddybärchen und Duftkerzen und ganz vielen Snacks!“

Tala, Kai und Bryan sahen ihren Teamkollegen mit erstaunten Blicken an.

„Was denn? Wolltet ihr so etwas etwa noch nie machen?“

Alle drei schüttelten langsam nur den Kopf, ohne den Riesen dabei aus den Augen zu lassen. Luna schlenderte zum Kühlschrank und holte sich ein kühles Bier.

„Ah Kai! Schön, dass du da bist! Willst du eins?“

„Je länger ich nein sage, umso mehr wirst du mir damit doch auf die Nerven gehen...oder?“

„Ein einfaches nein hätte mir schon völlig ausgereicht“, schmollte das Mädchen.

Ein tiefer Seufzer kam aus Kais Kehle und er streckte sie Hand nach dem angebotenen Getränk aus, welches Luna ihm immer noch reichte. Sie freute sich wie ein kleines Kind, als der Junge es öffnete und ihr zuprostete.

„Auf meinen Untergang“, scherzte er und nahm einen Schluck.

„Och Kai...“, schmollte Luna erneut, „das wird spaßig werden! Warst du überhaupt schon mal in einer Disco?“

Der Junge warf ihr einen vielsagenden Blick zu und raunte: „Erinnerst du dich nicht mehr?“

Luna musste kurz überlegen, während Tala schräg hinter Kai bereits die Lippen aufeinander presste, um nicht laut loszulachen.

„Oh warte! Warst du nicht an meinem Geburtstag mit dabei?“

„Aha“, nickte Kai.

„Dieser große Kerl hatte dir doch ein mega Kompliment über deinen se...ich halt die Klappe.“

„Danke.“

„Kompliment? Über was?“, fragten Spencer und Bryan neugierig nach, doch Tala winkte mit Tränen in den Augen ab, das Zurückhalten seines Lachens war anstrengender, als er gedacht hatte.

„Bevor mir das noch mal passiert würde ich gerne wissen, wohin du mich heute Abend schleppst“, forderte Kai das Mädchen auf.

„Auf jeden Fall nicht dahin...“

Kai nickte anerkennend und sie verließen die Wohnung.
 

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„Fühlst du dich okay bei dem Gedanken, heute Abend in deiner alten Arbeit zu feiern…?“, erkundigte sich der Rotschopf bei seiner Freundin, während sie alle in der Warteschlange zum Eingang standen.

„Etwas mulmig ist mir schon“, gestand sie, „auf der anderen Seite habe ich ja kein Hausverbot bekommen und die VIP Lounge ist auch schon bezahlt. Es wäre schade um das Geld, welches wir alle zusammen gelegt haben. Außerdem freue ich mich Jeanette und Chestnut und Franz wieder zu sehen.“

„War Franz nicht der…?“

Luna nickte nur mit einem breiten Grinsen und ließ etwas Abstand zu den anderen, dann klatschte sie aufgeregt in die Hände.

„Er wird dich umbringen“, meinte Tala und linste zu Kai, „das ist dir bewusst, oder?“

„Franz ist gar nicht da. Der hat zur Zeit Urlaub.“

„Sicher?“

„Ganz sicher. Der Einsatzplan gilt immer für einen ganzen Monat und es ist knapp eineinhalb Wochen her, dass ich gekündigt wurde.“

In der Discothek war noch nicht viel los, weshalb die Gruppe sich erst mal an die Bar setzte und bestellte. Als Jeanette Luna erblickte ließ sie eiskalt ihre Kundschaft stehen, rannte um die Theke und nahm das Mädchen feste in den Arm.

„Ah...“, stöhnte sie erleichtert, „du bist wieder da...“

„Ja. Allerdings privat.“

„Wie privat? Hat Henry dich nicht wieder eingestellt?“

„Ich habe seit dem Vorfall nichts mehr von ihm gehört.“

„Dieser…“, fluchte die Blondine und ballte die Faust in Richtung Büro, „wir haben alle mit ihm geredet, dass es ein ‚Unfall‘ war und er dich wieder einstellen soll!“

„Ich liebe die Geste, wie sie Unfall darstellt“, grinste Tala.

„Ihr seid echt so lieb“, schmollte Luna, „das hättet ihr nicht tun müssen!“

„Wir haben dich alle lieb! Und auch wenn du noch am Anfang stehst, jeder stand mal dort! Rede mit Henry...und übertreibe es nicht wieder...okay?“

Luna nickte zustimmend und Jeanette gab ihr vor lauter Freude einen Kuss auf die Wange. Während die Frau wieder an ihrem Arbeitsplatz zurückkehrte lehnte sich Tala zu seiner Freundin vor und flüsterte: „Meinst du es wäre möglich, dass du beim nächsten Mal…?“

„Tala sie ist lesbisch und ich werde keine Sexszene mit ihr erfinden, nur damit deine Phantasie befriedigend wird...“

„War ja nur eine Frage...“

Aufmunternd stupste sie ihn mit der Nasenspitze gegen sein Kinn und streichelte seine Schulter, bevor sie sich an Kai wandte.

„Was willst du trinken?“

„Du lädst mich ein?“, fragte er ungläubig.

„Wenn du brav mitfeierst werden es vielleicht noch mehr“, grinste Luna ihn zu, „also?“

Der Junge studierte die Karte. Jeanette stand ihm bereits gegenüber und wartete auf ihren Einsatz.

„Du bist sicher ein ganz süßer.“

„Was?“

„Vom trinken meine ich“, wehrte Luna hastig ab und hob entschuldigend die Hände, „zumindest was Milchshakes angeht...“

„Oh ich kann dir auch Milchshakes mit Likör drin machen“, bot die Blondine hinter der Theke an.

„Wieso willst du mir es unbedingt recht machen?“, wollte Kai plötzlich wissen.

„Anscheinend ist das ein Problem für dich, wenn ich nett bin, hm?“, erwiderte Luna sofort und winkte Jeanette weiter, dass sie sich zuerst um Spencer, Bryan und Tala kümmern sollte.

„Das ist schon keine Nettigkeit mehr. Du organisierst eine Geburtstagsfeier für mich, du willst mir Drinks ausgeben...als ich noch bei euch gewohnt habe hast du förmlich um meine Aufmerksamkeit gebettelt.“

„Wundert es dich? Ich war mal ein Fangirl von euch allen. Und soweit ich mich erinnern kann bin ich dir nicht mal so extrem auf den Sack gegangen.“

Kai hob beide Augenbrauen, sagte jedoch nichts.

„Um ehrlich zu sein, Kai…ich mag dich. Als Kumpel versteht sich. Und ich mag auch Mirka! Und wenn ihr zwei geheiratet habt, dann zieht ihr weiter weg...und ich sehe euch nicht mehr sooft...deswegen wollte ich unbedingt heute feiern gehen.“

Der Junge blickte sie durchdringend an: „Also eine Abschiedsparty?“

„Sozusagen...Geburtstag aka Abschiedsparty aka Junggesellenfeier.“

Plötzlich klopfte Kai ihr aufmunternd auf die Schulter und bestellte bei Jeanette seinen ersten Drink.

Als jeder in der Runde was zu trinken hatte folgten sie den Schildern Richtung VIP Lounge. Dort angekommen verkniff sich Luna ein helles Auflachen, als sie bemerkte, wer ihr persönlicher Türsteher sein würde. Kai drehte sich langsam zu dem Mädchen um und funkelte sie herausfordernd an. Sie zog unschuldig den Kopf ein.

„Und ich hatte schon Mitleid mit dir...“, brummte er.

„Hey sexy Arsch!“, grölte Türsteher Franz freudig aus, als er den Jungen wieder erkannte.

„Ich wusste es wirklich nicht...“, wehrte Luna kleinlaut ab.

„Du wirst mir definitiv mehr als nur diesen Drink ausgeben“, versprach ihr Kai, „denn das halte ich den ganzen Abend nüchtern nicht aus!“

„Es tut mir leid…!“

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren ging Kai an Franz vorbei, hatte jedoch genug Anstand ihn vorher zu begrüßen.

„Ich sagte dir doch, dass er dich umbringen würde“, murmelte Tala.

„Noch lebe ich“, versicherte sie ihm.

„Ja“, lachte er auf, „noch.“

Die VIP Lounge war mit edlen roten Samtsofas und einem Sessel in der selben Aufmachung ausgestattet, in der Mitte stand ein großer Glastisch mit diversen Snacks drauf.

„Wahnsinn“, staunten Bryan und Spencer nicht schlecht und striffen über den Stoff.

Auch Tala pfiff anerkennend. Augenblicklich klopfte es an der Tür und Jeanette kam mit einem großen Tablett herein, worauf viele kleine Shots standen.

„Wir haben doch noch gr nichts bestellt“, wunderte sich Luna.

„Das gehört zum VIP Service“, zwinkerte die Blondine ihr zu und verteilte die kleinen Gläschen auf dem Tisch.

„Cool!“

„Falls ihr in dem Zimmer rauchen wollt, dort sind Aschenbecher. Nichtalkoholische Getränke findet ihr im kleinen Kühlschrank in der Ecke. Die Flasche Champagner kommt auf Abruf.“

„Wahnsinn...“, raunten die Jungs im Chor.

„Service“, grinste Jeanette und ging mit ihrem Tablett wieder raus.

„Hey Luna!“, machte sich Bryan bemerkbar, „kannst du mir ihre Nummer geben? Die ist echt heiß!“

„Vergeben. An die Tänzerin wo unten gerade anfängt.“

Bryans Augen weiteten sich und funkelten abnormal.

„Zwei...Frauen…?“

„Ich glaube nicht...“, begann Luna abwehrend, doch der junge Russe winkte ab.

„No risk, no fun!“

Er kippte sich gleich zwei Shots runter und hüpfte aus der Lounge.

„Der Junge wird so abblitzen...“, seufzte das Mädchen und ließ kurz die Schultern hängen.

„Mach dir nichts draus“, munterte sie Spencer auf, „seit Jahren macht er das und wird auch nicht schlauer...“

„Hast die Hoffnung schon aufgegeben?“

„Also bitte! Welche Hoffnung?“

Sie verteilten die Shots unter sich und stießen auf den Abend an, bevor die Gruppe sich auf die Suche nach Bryan machte.

„Der Kerl ist unmöglich!“, schimpfte Spencer und sah über sämtliche Köpfe hinweg. Vergebens.

Genau in diesem Moment legte DJ Alfi einen großen Partyhit auf und die Masse flippte völlig aus. Beschissenes Timing, um nach Bryan zu suchen.

„Der taucht schon wieder auf“, rief Tala dem Riesen zu und winkte ihn zu sich.

Luna winkte dem DJ freudig zu und begann fröhlich zu tanzen, während die Jungs versuchten mit niemanden zusammen zu stoßen. Wie der Zufall es aber so wollte passierte genau das und jemand rumpelte Kai so heftig an, dass die Hälfte seines Drinks verschüttet wurde. Mit einem russischen Flucher schüttelte sich der Junge den Alkohol von seiner Hand und wandte sich an den Übeltäter.

„Kai?!“

„Adrian?“

Die beiden Jungen standen sich fassungslos gegenüber, dann begrüßten sie sich mit einem kräftigen Handschlag.

„Ich hätte gerade dich hier nie erwartet!“, lachte Adrian und nickte den anderen zu und blickte zu Luna, „wir beide Spielen später wieder!“

Das Mädchen grinste verlegen und tanzte unbesorgt weiter.

„Spielen?“, wollte Tala stutzig wissen.

„Es ist im Grunde ganz einfach. Ich bestell dir einen Drink und wenn er dir schmeckt musst du ihn trinken.“

„DU hast sie damals so hemmungslos abgefüllt?“

„Was heißt hier abgefüllt? Ich war auch ziemlich gut dabei!“, beschwerte sich Adrian.

Tala atmete einmal tief durch, erwiderte jedoch nichts. Schließlich kippte er sein Bier und gab Luna einen intensiven Kuss. Revier markiert!

„Hey Leute! Ich kann Bryan dort drüben sehen!“, meinte Spencer plötzlich erleichtert und zeigte in genannte Richtung.

„Dann gehen wir auch dort hin. Du gibst vorher eh keine Ruhe...“, meinte Kai und blickte Adrian an, „gehst du mit?“

„Logo! Aber vorher...was hattest du? Ich habs verschüttet, ich fülls wieder nach!“

Kai nannte ihn den Namen seines Getränks und versicherte ihm, dass er sie an der Tanzfläche treffen würde. Dort angekommen gab Spencer seinem Teamkollegen erst einmal eine saftige Kopfnuss und schimpfte ihn auf russisch aus. Zur Überraschung aller beschwerte sich Bryan nicht einmal, nein. Er war sogar ziemlich beschämt, dass sie sich wegen ihm Sorgen gemacht hatten.

Adrian kam in diesem Moment dazu und reichte Kai sein neues Getränk.

„Und? Was machen wir jetzt?“

„Wir tanzen!“, rief Luna freudig aus und wippte wieder im Takt der Musik mit.

Kai und Adrian legten schmunzelnd die Köpfe schief und beobachteten sie eine Weile, bis ersterer den Vortritt gab.

„Ach bitte!“, lachte Adrian und winkte ab, „du kannst doch eh nur den Standarttanz!“

„Wollen wir wetten?“, forderte Kai ihn heraus.

„Okay! Der Verlierer gibt die nächste Runde aus?“

„Bin dabei!“, grinste Kai und kippte seinen Drink auf Ex.

Die Jungs besiegelten die Wette mit einem Handschlag, während Luna und Tala bereits das Schlimmste erwarteten. Kai hörte sich kurz den Takt des gespielten Lieds an und begann sich danach zu bewegen. Luna blickte sichtlich überrascht und klatschte in die Hände, sowie einige andere Außenstehende, die die Szene beobachtet hatten.

„Ich wusste gar nicht, dass du shufflen kannst!“, gab das Mädchen begeistert von sich.

Kai machte eine vielsagende Geste, beinahe schon eine Verbeugung zu Adrian und wippte wieder normal im Takt des Songs mit.

„Cuba Libre!“, rief er dem rothaarigen Jungen schließlich zu.

Sichtlich niedergeschlagen ging Adrian in Richtung Bar und gab seine Bestellung auf, während Kai immer wieder mal eine kleine Tanzeinlage hinlegte.

„Ihr zwei...könnt euch nicht leiden, oder?“

„Eigentlich schon. Nur seit ein paar Jahren meint er immer irgendwelche Wetten mit mir abschließen zu müssen, welche er dann sowieso verliert. Und dann ist er beleidigt.“

„Sag mal...kannst du auch twerken?“

Kai lachte kurz auf und erwiderte: „Dafür bin ich definitiv noch zu nüchtern!“

„Also kannst du?“

„Luna...wer bin ich?“, grinste er und breitete in einer eleganten Bewegung die Arme aus.

Adrian war wieder zurück und überreichte Kai seinen Drink, von welchem er gleich einen Siegesschluck nahm.

„Oha!“, kniff er die Augen zusammen und schüttelte sich kurz, „der ist gut!“

„Doppelt oder nichts?“, erkundigte sich Adrian und rieb sich vielsagend die Hände.

„Du lernst es nicht, oder?“

„Diesmal werde ich gewinnen, weil ich dich kenne!“

Jetzt war Kais Interesse geweckt. Er blickte Adrian über den Rand seines Glases hinweg an und wartete geduldig.

„Wer in einer Stunde die meisten Schnecken an seiner Seite hat?“, schlug der Rotschopf vor und wippte mit den Augenbrauen.

Kai verschluckte sich an seinem Getränk und hustete heftig. Luna guckte Adrian empört an und fragte ihn, was das sollte.

„Er ist Mirka viel zu treu, als dass er so was machen würde...“, murmelte der Junge, während Kai immer noch zu kämpfen hatte, „diesmal werde ich gewinnen!“

„Du hast doch einen Knall...“

„Erkenne das Genie, wenn es vor dir steht“, grinste Adrian und schlug erneut mit Kai ein und machte sich auf die Suche.

„Idiot“, brummte Kai, „er lernt es wirklich nie!“

„Was hast du jetzt vor?“

„Ich? Ich hol mir noch ein paar Drinks!“

Luna warf Tala über ihre Schulter einen vielsagenden Blick zu, doch dieser zuckte nur mit seinen Schultern. Das könnte ja noch was werden...

Kapitel 25

Luna und Tala beobachteten misstrauisch, wie sich Kai regelmäßig Wodkashots und Cocktails genehmigte, während Adrian immer wieder von den Frauen abgewiesen wurde. Diese Wette würde definitiv den Abend ruinieren.

„Das fühlt sich an, wie wenn man einem Autounfall in Zeitlupe zusieht“, meinte Luna und schüttelte den Kopf, „weißt du, wie viel er verträgt?“

„Ich habe keine Ahnung“, gestand der Rotschopf, „ich habe ihn bisher nur ein bis zwei Flaschen Bier trinken sehen. Und das in einem normalen Tempo.“

„Meinst du, wir sollten sie stoppen?“

„Damit Kais Zorn auf dich niedergeht? Viel Erfolg aber ohne mich!“

Luna beobachtete den Jungen und seufzte.

„Ich glaub ich brauch jetzt auch einen Drink!“

„Ich hol dir einen. Vorher muss ich allerdings noch kurz wohin...“

„Auf dem Männerklo ist um die Uhrzeit die Hölle los“, gestand Luna.

„Dann dauert es halt mal fünf Minuten länger“, grinste Tala und gab ihr einen Kuss auf die Wange, „bis gleich.“

„Pass auf deinen Arsch auf! Franz findet dich nämlich auch ganz schön schnuckelig!“

Tala warf ihr einen vielsagenden Blick über die Schulter zu und ging weiter. Dann schüttelte es ihn.
 

Zirka 20 Minuten später stand Kai plötzlich neben dem Mädchen. Er sah völlig normal aus, weder wankte er, noch waren seine Augen glasig.

„Na du?“. grinste Luna vorsichtig, „wie läuft die Wette mit Adrian?“

„Du musst mir helfen“, bat Kai sie überraschend.

„ICH?“

„Jap.“

„Cheaten sieht der aber nicht ähnlich, Kai!“

„Ich brauche nicht dich komplett. Nur etwas von dir.“

„Okay...jetzt wird‘s gruselig...“

„Wollen wir tauschen?“

„Bitte was?“, kicherte Luna und kippte einen weiteren Shot runter.

„Tauschen! Dein Oberteil gegen meins!“

Jetzt starrte das Mädchen Kai mit riesigen Augen an. Sie musste sich wohl verhört haben! Als ihr Gegenüber jedoch bereits dabei war die Knöpfe seines Hemds zu öffnen war sie sich da nicht mehr so sicher…

„Erster!“, rief Kai und hob den Stofffetzen hoch.

Luna starrte seinen nackten Oberkörper mit offenem Mund an, während sich ein paar Mädels laut kreischend zu ihm umdrehten und den Jungen heiß antanzten. Kai guckte kurz nach links und rechts von sich und rief laut grölend zu Adrian: „Vier auf einmal! Und du?!“

Adrian knirschte mit den Zähnen und kippte seinen Drink runter. Nachdem er Kai erneut einen Drink gebracht und wieder zu seinem Platz gefunden hatte holte er sein Handy raus und stellte dies auf Kamera. Na warte…, dachte er sich, wenn das deine Verlobte sieht…!

Er hielt das Handy genau in Kais Richtung, welcher mittlerweile mit den Mädchen mittanzte und fokussierte, als plötzlich eine eine riesige Hand nach dem Gerät griff und es an sich riss.

„Das lass mal lieber sein...“, raunte Spencer und funkelte Adrian gefährlich an.

„Genau. Wir wollen doch nicht, dass dieses Teil im Klo runter gespült wird“, erwiderte Bryan und nahm das Handy an sich, „oh...das sieht ziemlich teuer aus...“

Die Mädchen kreischten erneut auf, worauf sich die Jungs zu ihnen umdrehten. Eine der jungen Frauen hatte Brausepulver ausgepackt, während eine andere bereits die Wodkaflasche bereit hielt. Sie demonstrierten Kai, was er zu tun hatte und fragten welche Sorte er wollte. Tatsächlich nahm der Junge sich ein Päckchen, kippte es sich in den Mund und ließ sich die klare Flüssigkeit in den Mund schütten. Sofort schäumte er aus den Mundwinkeln, während die Mädchen ihm zujubelten: „SCHLUCK! SCHLUCK! SCHLUCK!“

Kai wischte sich breit grinsend den restlichen Schaum aus dem Gesicht und wiederholte das ganze gleich noch mal.

„Ihr wisst gar nicht, was ich mir wegen euch entgehen lassen muss...“, brummte Adrian und griff ein paar Mal nach seinem Handy.

„Was entgeht dir denn? Du kannst doch zuschauen“, erwiderte Spencer gleichgültig, „Kai scheint wenigstens seinen Spaß zu haben!“

„Ich denke, dass es seine Verlobte sehr interessant finden würde, dass er mit nacktem Oberkörper und vier völlig fremden Frauen tanzt!“

„Er macht nichts verbotenes“, zuckte der Riese mit den Schultern.

„Dann ist es mir ja auch nicht verboten, ihm eine aufs Maul zu hauen, oder? Lasst uns das Problem wie Männer klären!“, gab Adrian kampflustig von sich.

Fehler. Großer Fehler.

„Wenn du Kai heute Abend auch nur einen Zentimeter zu nahe kommst, spülen wir dich höchstpersönlich gleich nach deinem Handy im Klo runter“, bauten sich Bryan und Spencer vor Adrian auf und blickten ihn düster an.

„Zwei gegen einen ist unfair! Russenpack!“

Die beiden Blitzkrieg Boys warfen sich einen vielsagenden Blick zu und grinsten breit. Einer links und einer rechts packten sie Adrian an den Armen und schleppten ihn weg von der Tanzfläche.

„HEY! LASST MICH LOS!“

Gesagt, getan. Der Junge landete unsanft auf dem Boden und hüpfte sofort wieder auf die Beine. Vor ihm stand ein noch größerer Mann, als es Spencer schon war, mit deutlich mehr Muskelmasse und einem prüfenden Blick.

„Der da?“, wollte Franz wissen und nickte in Adrians Richtung.

„Genau der“, bestätigten Bryan und Spencer.

Noch bevor Adrian wirklich wusste, was los war packte der Berg von Mann ihn unsanft am Arm und warf ihn vor die Tür.

„Was soll der Scheiß?!“

„Hau ab!“, rief ihm der Mann noch entgegen und ging wieder rein, „niemand belästigt sexy Arsch solange ich im selben Club bin!“

Er ging zu Bryan und Spencer und versicherte ihnen, dass sich ihr „Problem“ erledigt hätte. Die beiden bedankten sich, gingen zurück zur Tanzfläche und gaben sich ein triumphierendes High five.
 

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„...und? Was habe ich ver...warum hast du Kais Hemd an?“, wollte Tala ungläubig wissen, als er von der Toilette zurück war und Luna ihren Drink übereichte.

Luna zeigte mitten auf die Fläche, wo Kai in ihrem Oberteil mit den weit ausgeschnittenen Seiten immer noch mit den vier Mädchen tanzte und Shots kippte, welche sie ihm brachten.

„Ist...das…?“

„Das ist unser Kai“, bestätigte Luna schmunzelnd, „er hat endlich Spaß.“

„Das seh ich! Kneif mich mal, ich glaub, ich träume...“

Luna zwickte Tala in den Unterarm.

„Besser?“

„Er ist es wirklich...“

„Meinst du, dass er genauso mit dir tanzen würde, wie Bryan damals auf meinem Geburtstag?“

„Kann ich mir nicht vorstellen.“

Genau in diesem Moment drehte sich eines der Mädchen mit dem Rücken zu Kai, legte seine Hände auf ihre Hüften und ging in geschmeidigen Bewegungen zusammen mit ihm in die Hocke und wieder zurück. Als hätte er nie etwas anderes gemacht! Tala klappte die Kinnlade runter, während Luna erstaunt eine Hand vor den Mund legte. Sie wechselten einen vielsagenden Blick und guckten wieder zu Kai, welcher breit grinsend mit jedem Mädchen tanzte.

„Ja. Ich denke, er hat Spaß...“, meinte Luna schließlich.

„Wir müssen nur aufpassen, dass er keine Kratzer oder Knutschflecken mit nach Hause bringt...“

„Meinst du er würden so weit gehen?“

Eines der Mädchen zog an Kais neuem Oberteil, weil sie der festen Überzeugung war, dass er mit ihr viel zu kurz getanzt hatte und es riss ein. Luna sog scharf die Luft ein, während Tala neben ihr eine schmerzerfüllte Fratze zog. Ein anderes Mädchen kicherte laut und machte es ihrer Bekannten nach. Wieder riss der Stoff.

„Okay!“, brummte Luna, „jetzt bring ich sie um!“

„Warte...“, bat Tala und konnte sie gerade noch aufhalten, „Spencer!“

Der Riese nickte stumm und schob sich wie ein Eisbecher durch die Menge, unter dessen hatte Kai bereits damit zu kämpfen, sich von den klammernden Mädchen zu befreien.

„Er gehört mir!“

„Nein! Ich nehm ihn mich zu mir!“

„Ich habe ihn aber zuerst begraptsch!“

Kai wurde langsam bewusst, dass er in seinem Zustand nicht mehr von alleine aus dieser Situation rauskam. Genau in diesem Moment erschien Spencer vor dem Jungen, schob die sich immer noch streitenden Mädchen sanft zur Seite und hob sich Kai einfach über die Schulter.

„Ladies! Darf ich mal?“

Von seiner Größe eingeschüchtert wagten die jungen Frauen es nicht, auch nur ein Wort zu erwidern und blickten den beiden nach, wie Spencer Kai zurück in die Lounge trug. Dort angekommen ließ er den Jungen vorsichtig auf das rote Samtsofa nieder und erkundigte sich nach seinem Zustand.

„Bis vor ein paar Minuten war es echt der Hammer!“, lachte dieser und seine Augen funkelten wie die eines Kindes.

„Wie geht es ihm?“, fragte Tala, welcher mit Bryan und Luna ebenfalls in die Lounge gekommen war.

„Ganz ehrlich?“, grinste Spencer, „der Kleine ist vollkommen begeistert.“

Die drei blickten am Riesen vorbei und staunten nicht schlecht, als sie Kai breit grinsend ein paar Snacks verdrücken sahen.

„Der kann sich ja doch amüsieren“, murmelte Bryan.

„Er braucht nur einen kleinen Anschupser. Und Alkohol“, grinste Tala.

„Schön, dass niemand von euch Mitleid mit meinem Oberteil hat!“, beschwerte sich Luna und stemmte wütend die Hände in die Hüften.

„Ich kauf dir ein neues...in der gleichen Farbe. Okay?“
 

Um halb sechs öffnete Spencer die Wohnungstür und alle schwankten fröhlich kichernd in den Flur. Sie schmissen die Tüten vom Bäcker auf die Theke und plünderten sie gleich.

„Gott...ich bin so voll“, kicherte Luna heißer und biss genüsslich in ihr Gebäck.

„Schau uns doch mal an“, bat Tala und warf einen Blick in die Runde.

„Du warst trotzdem der Beste heute Abend!“, grinste das Mädchen und tätschelte Kais Schulter, „hammermäßig!“

„Das war der beste Geburtstag seit Jahren“, gestand dieser und leckte sich die Finger ab.

„Das freut uns natürlich.“

„Aber...versprecht mir eins...“

Alle guckten Kai fragend an.

„Sagt Mirka nichts davon, dass ich oben ohne mit den Mädels getanzt haben!“

Alle lachten laut schallend.

„Ein perfekter Start in eine glückliche Ehe, oder Kai?“

Nach und nach verteilten sie sich zum schlafen gehen auf. Tala nahm Luna in den Arm und küsste sie zärtlich.

„Ich seh dich gleich?“, erkundigte er sich.

„Wenn es dir nichts ausmacht...dann würde ich lieber bei Kai bleiben.“

„Aha. So schnell werde ich also abgeschoben, hm?“

„Nein...“, schüttelte Luna den Kopf, „ich mach mir nur dezent Sorgen, da er so viel getrunken hat. Ich habe ihn eingeladen und somit für ihn verantwortlich.“

„Du bist so süß...“, lächelte Tala gerührt und gab ihr einen Gute Nacht Kuss, „dann seh ich dich morgen früh...mit Haaren, welche zu Berge stehen werden und Sabberresten auf deinen Wangen.“

„Du bist eklig!“, kicherte sie und verschwand in ihrem Zimmer.

„Ich würde ehr sagen, dass ich verliebt bin“, gestand Tala und lächelte, bevor er ebenfalls in sein Bett schlüpfte.
 

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Adrian griff sich ächzend an seinen Krawattenknoten und blickte gen klaren Himmel. Die Sonne schien unermüdlich in ihrer vollen Pracht und gab dem Wind keine Chance die Menschen abzukühlen. Was würde Adrian jetzt nur für ein kühles Getränk in einem noch kühleren Pool geben?

„Du grübelst doch schon wieder?“, erkundigte sich Lucielle bei ihrem Bruder, als sie ihn so dastehen sah, „was geht durch deinen Kopf?“

„Es ist heiß“, keuchte er und versuchte den obersten Knopf seines Hemdes zu öffnen.

Wenn diese blöden Dinger nur nicht immer so klein wären! Lucielle klemmte sich eine ihrer roten Locken hinters Ohr und kicherte, dann schob sie seine Hände weg, öffnete den Knopf und richtete die Krawatte neu.

„Danke…?“, guckte Adrian seine Schwester erstaunt an, „womit habe ich das verdient?“

„Nur meine gute Tat für heute.“

„Ach so.“

„Anstatt in der prallen Sonne stehen zu bleiben könntest du aber auch in den Schatten gehen…?“

„Da sind mir viel zu viele Leute.“

Lucielle seufzte, nickte jedoch zustimmend. Sie sah Richtung Terrasse und zupfte ihren Bruder am Ärmel.

„Wir gehen einfach wieder rein. Niemand hat uns angewiesen im Garten zu blieben.“

„Au ja!“, strahlte Adrian und folgte mit schnellen Schritten.

Die beiden Geschwister stöhnten erleichtert auf, als sie über die Schwelle in den kühlen Salon gingen und ließen sich gleich auf einem Sofa nieder. Andere Chevalier Mitglieder grinsten breit über die Szene, welche sich ihnen darbot, während Lucielle und Adrian sich Luft zu wedelten.

„Ich schmelze...“, ächzte der Junge und blickte aus dem Augenwinkel heraus zu seiner Schwester, „warum musste Mutter mir auch ein langärmeliges Hemd einpacken?“

„Du hattest die Chance selbst zu packen, Ari.“

„Wie überlebst du nur in diesem Fummel?“

„Das ist kein Fummel, sondern ein Chiffonkleid mit Spitze am Rücken. Und ja...ich habe das Gefühl, dass mein Make Up jeden Moment zerläuft und meine Brüste an einem Hitzschlag sterben!“

„Warum ziehst du dann so was an? Soweit ich mich erinnere, hast DU dein Zeug selber gepackt!“

„Weil es schön aussieht, deswegen. Frage mich nicht warum, aber das muss so ein Frauending sein, was ich selber nicht verstehe...“, gestand Lucielle und kicherte ratlos.

Die beiden seufzten im Chor und blickten sich nach einem Tablett mit kalten Getränken um.

„Holst du uns was zu trinken, oder willst du es wieder ausknobeln?“, erkundigte sich das Mädchen und grinste schief zu seinem Bruder.

Doch ihr wurde die Entscheidung abgenommen, als Kai plötzlich vor ihnen stand und zwei Gläser reichte. Dankend nahmen die beiden die Getränke entgegen und erfühlten, dass sie eisgekühlt waren. Mit einem Jauchzen nippte Lucielle zwei, drei Mal kräftig an ihrem Glas, während Adrian seines mit einem gierigen Zug leerte.

„Du warst unsere Rettung!“, gestand das Mädchen sichtlich erleichtert und fasste sich an die Kehle.

„Kein Problem“, erwiderte Kai und ließ sich auf den Hocker neben ihr nieder, „die Kellner haben die Anweisung bekommen, sich primär um die Gäste im Garten zu kümmern.“

„Wären wir doch draußen geblieben“, verdrehte Adrian die Augen und wischte sich mit seinem Ärmel den Schweiß von der Stirn.

„...dann wären wir geschmolzen“, erinnerte seine Schwester ihn.

„Da war ja was...“

„Aber Kai trägt auch ein langärmelig Hemd und er beschwert sich nicht so wie du.“

Adrian sah sich den Jungen, welcher ihm gegenübersaß prüfend an und stuzte.

„Irgendwas ist anders an dir…?“

Kai sah für den Bruchteil einer Sekunde überrascht auf, jedoch gelang es ihm sein Pokerface zu bewahren, bevor Adrian oder Lucielle etwas bemerkten. Zumindest hoffte er das.

„Alles beim Alten...“

„Abgesehen davon, dass du heute ein Jahr älter wirst“, zwinkerte Lucielle ihm zu, „joyeux anniversaire, Kai.“

„Danke, Lucy.“

„...und abgesehen davon, dass...du...“, überlegte Adrian und zog die Augenbrauen zusammen, „irgendwie...müde aussiehst…?“

„Das macht die Hitze“, wich Kai geschickt aus.

„...oder aber die Tatsache, dass du gestern Abend bis in die Puppen feiern warst?“, kicherte eine Mädchenstimme hinter ihm.

Kai hielt in seiner Bewegung gerade aus seinem Glas trinken zu wollen inne, während Mirka um den Sessel schlich und ihn breit angrinste.

„Du hast gefeiert?“, erkundigte Lucielle überrascht.

„Du hast nen Kater?“, kicherte Adrian und klopfte sich auf den Oberschenkel, „ich fass es nicht! Kai Hiwatari hat einen hangover!“

Erst jetzt bemerkte Mirka den Rotschopf, welcher sich vor Lachen auf dem Sofa krümmte und realisierte den wahrscheinlichen Ausmaß ihrer Bemerkung. Noch bevor sie etwas sagen konnte war Kai aufgestanden und hatte sich ihr zugewandt, worauf das Mädchen angespannt seinen Blick erwiderte. Jetzt ist alles aus, schimpfte sie sich in Gedanken, die ganze Zeit lief doch alles so gut und nur, weil ich meinen Mund einmal mehr nicht halten konnte…! Schande!

Plötzlich streckte der Junge eine Hand nach ihr aus, umfasste ihr Handgelenk und zog sie an sich heran.

„Kai...“, raunte Mirka bedenklich, „ich...es...“

„Du siehst mit jedem Tag schöner aus“, lächelte der Junge und gab ihr einen sanften Kuss auf ihren Handrücken.

„Äh...was?“, staunten Mirka und Adrian im Chor, während Lucielle entzückt den Kopf schief legte und die Szene genoss.

„Habe...habe ich dich...nicht bloßgestellt?“, fragte Mirka vorsichtig nach, da Kai immer noch ihre Hand hielt.

„Ich muss zugeben, du hast mich überrascht“, gestand er und grinste dezent mitgenommen, „aber ich kann doch nicht jedes Mal aus einer Mücke einen Elefanten machen, oder?“

Mirkas Miene hellte sich mit einem Mal auf und sie grinste über beide Wangen, während Kai ihr seinen Arm bot.

„Komm...wir sagen den letzten Gästen noch ‚Hallo‘...“

„Natürlich!“, strahlte sie und klammerte sich an ihn.

Nachdem die beiden aus dem Salon und über die Terrasse in den Garten gegangen waren schielte Adrian zu Lucielle.

„Was war denn DAS?“

„Das war voll niedlich“, schwärmte seine Schwester und nippte an ihrem Getränk.

„Das war ekelhaft!“, würgte der Junge gespielt und fing sich damit einen Klaps ein, „wofür war der jetzt?“

„Das weißt du ganz genau, Dejeaun!“
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„Auf einer Skala von 1-10...wie sauer warst du vorhin wirklich auf mich?“

Kai stellte sein leeres Glas auf ein Tablett ab, welches ihm ein Kellner reichte und grinste verlegen.

„Wie gesagt...du hast mich überrascht. Und ja, dass es ausgerechnet vor Adrian war hat mich etwas geärgert aber das ist schon wieder vergessen.“

„1-10?“, wiederholte Mirka hartnäckig.

„2…?“, meinte er schließlich nach kurzem Überlegen.

„Wie jetzt? Nur?“

„Mit was hast du gerechnet?“

„Mindestens mit einer 7. Nein sogar mit einer 8!“

„Wieso?“

„Junge ich habe dich während der Meisterschaft und der BEGA live Übertragung gesehen. Ich weiß also, zu was du ihm Stande bist!“

„Ja schon...“, gestand er verlegen, „aber das war doch was völlig anderes, Mirka.“

„Was war was völlig anderes?“, wiederholte Odette seinen letzten Satz.

„Nichts!“, erwiderten Mirka und Kai im Chor und machten eine wegwerfende Geste, „gar nicht wichtig!“

Odette blickte die beiden verwundert an, musste dennoch schmunzeln.

„Stör ich das junge Glück...bei etwas...Bestimmten?“

Die beiden warfen sich einen verlegenen Blick zu, sagten jedoch nichts.

„Dann eben nicht“, kicherte die Frau und winkte ab, „hat dir dein Geburtstag denn gefallen, Schatz?“

„Ja sehr, danke Großmutter.“

„Mirka dein Kleid sieht bezaubernd aus!“

„Dankeschön, Odette.“

„Ist das Chiffon?“

„Korrekt.“

„...und dein mit Strass besetzter Gürtel funkelt so herrlich! Darf ich sie mir einen Moment ausborgen?“

„Natürlich“, belächelte Kai die Situation.

„Ausgezeichnet! Ich habe da vorhin nämlich eine junge Frau gesehen, die genau denselben Gürtel trug...zeigen wir ihr, wie man ihn richtig zum strahlen bringt!“

Odette und Mirka schlenderten gemütlich den Weg Richtung Trauerweide entlang, als sich plötzlich Kais Nackenhaare aufstellten.

„Was willst du…?“, raunte er zu der Person hinter sich.

„Eigentlich wollte ich meinem Enkel gratulieren“, gestand Voltaire mit einem gewissen Unterton, welchen Kai nur zu gut kannte und trat neben ihn, „sie scheint ein recht gehorsames Mädchen zu sein, auch wenn ich immer noch meine Zweifel habe, dass sie einem Hiwatari gerecht wird.“

Kai schluckte jeglichen Kommentar runter und biss sich so stark auf die Unterlippe, dass es schon schmerzte. Voltaire nahm einen Schluck seines Getränks, was stark nach Alkohol roch und fuhr sich mit der Zunge über die feuchten Lippen.

„Verträgt sich das überhaupt mit deinen Medikamenten?“, hinterfragte der Junge desinteressiert und schielte ihn aus dem Augenwinkel heraus an.

„Werd nicht frech, nur weil du heute Geburtstag hast. Und nur zu deiner Information: meine Medikation wurde bereits abgesetzt.“

„Freut mich für dich...“

„Ja. Natürlich tut es das“, grinste Voltaire schief, „ein herrlicher Tag, um älter zu werden. Findest du nicht auch?“

Kai blickte durch die Gäste hindurch. Alle lachten und schienen sich gut zu amüsieren, andere diskutierten über die aktuelle Wirtschaftslage und wieder andere hielten förmlichen Smalltalk. Wo war Daniellé nur, wenn er ihn mal dringend brauchte??

„Aber um zum wesentlich zurück zu kommen...“, begann Voltaire vom neuen, „wie stellt sich die Kleine mittlerweile an? Ist sie es wert, eine von uns zu werden?“

„Jetzt reicht‘s!“, brummte Kai und ballte die Faust, „es reicht!“

„Wie sprichst du mit mir?!“

„Das hätte ich schon viel früher tun sollen! Ich kann nicht zulassen, dass du weiterhin so über Mirka sprichst! Denn...sie ist es alle mal wert und weißt du auch warum? Weil sie versucht nicht mich zu ändern!“

Voltaire plusterte sich gekränkt auf und blickte seinen Enkel finster an. Kai ging ebenfalls in Angriffsposition und achtete besonders auf die Hände seines Gegenübers.

„Ich habe so viel Zeit und Mühe in die investiert, um das beste aus dir herauszuholen! Meine Methoden mögen fragwürdig gewesen sein...aber du hast doch bereits mehrmals am eigenen Leib erfahren, wie stark es dich gemacht hat oder etwa nicht?“

„Das stimmt schon“, musste Kai sich selber eingestehen und schluckte schwerfällig, „aber dank ihr bin ich ein besserer Mensch geworden! Jemand der es wert ist geliebt und geachtet zu werden! Der Freunde, sogar eine neue Familie gewonnen hat, die mich akzeptieren wie ich bin und nicht zu ihren Gunsten ändern wollen!“

Voltaire starrte den Jungen sprachlos an und bemerkte, dass mittlerweile ein paar Gäste auf ihr Gespräch aufmerksam geworden waren. Er umklammerte sein Glas immer fester, währenddessen sammelte Kai noch einmal all seinen Mut zusammen und holte Luft.

„...und wenn ich mitbekomme, dass du Mirka irgendwie versuchst einzuschüchtern oder zu vergraulen, dann erlebst du das Monster, welches du voller stolz geschaffen hast...und noch mehr!“

„Kai...es reicht!“, fauchte der alte Mann, doch der Junge unterbrach ihn.

„Sollte es dennoch der Fall sein...glaube mir...wenn ich mit dir fertig bin ist dein sehnlichster Wunsch du wärst nie aus der Anstalt zurück gekommen…das verspreche ich dir!“

In diesem Moment trat Daniellé durch die Menschenansammlung und starrte die beiden fassungslos an. Er schien mit sich selbst zu ringen, ob es das Beste wäre sich jetzt noch einzumischen, oder den Dingen ihren Lauf zu lassen und zu hoffen, dass es keine Verletzten gab. Als Voltaire bemerkte, dass sein Sohn doch nicht in das Geschehen einschreiten und Kai diesmal nicht nachgeben würde, dass es das Beste für ihn wäre, sich jetzt erst einmal zurück zu ziehen.

„Glaube ja nicht, dass unser Gespräch jetzt schon beendet ist...denk dran wir sind eine Familie...“, raunte der Mann bedrohlich leise und wandte sich zum Gehen ab, „wir sehen uns wieder Kai...“

Nachdem Voltaire gegangen war löste sich die Menschenansammlung ebenfalls auf und Daniellé sprang aufgeregt zu seinem Sohn. Dieser zitterte vor Aufregung am ganzen Körper, hatte jedoch ein triumphierendes Lächeln aufgesetzt.

„Ist alles in Ordnung, Kai?“, erkundigte sich Danny und packte ihn an der Schulter.

Augenblicklich schreckte der Junge auf und guckte seinen Vater mit großen Augen an.

„Kai…? Hey...Kleiner...es ist vorbei...“, raunte der Doktor und nahm seinen Sprössling in den Arm, „...es ist vorbei...“

„Ich habe es übertrieben“, stöhnte Kai völlig erschöpft.

„Nein...ja okay vielleicht ein bisschen“, kicherte Daniellé und streichelte seinen Kopf, „aber du kannst dir nicht vorstellen, wie stolz ich auf dich bin, mein Sohn!“

„Ich muss kotzen...“

„Das vergeht gleich wieder...am besten du...“

„Nein! Ich muss wirklich kotzen!“, würgte Kai, löste sich aus der Umarmung, eine Hand vor den Mund gepresst und ging in schnellen Schritten ins Anwesen zurück.

Oben auf der Terrassenbrüstung stand Adrian und nippte an seinem Getränk. Er hatte die ganze Szene von hier oben aus perfekt beobachten können und lächelte zufrieden.

„So ist das also...“, grübelte er und blickte in sein Glas, „du hast ja doch einen Schwachpunkt...sehr interessant...“
 

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Hiltrud Hiwatari wäre vor lauter Aufregung beinahe am offenem Türrahmen vorbei gerannt, wäre da nicht Daniellé gestanden mit vor der Brust verschränkten Armen und einer Zigarette im Mundwinkel. Ruckartig bremste sie in den hohen Schuhen so gut es ihr nur möglich war und zwängte sich an ihrem Exmann vorbei, wo sie von lauten Würgelauten empfangen wurde. Hiltrud wich den einen zu viel gegangenen Schritt zurück und guckte Daniellé finster an, welcher sie mit erhobenen Augenbrauen erwartungsvoll angrinste.

„Bist du jetzt zufrieden, ja?“, rief sie außer sich, „bist du jetzt glücklich, dass die beiden aneinander geraten sind?“

„Ich war nicht mal anwesend...“, verteidigte er sich und blies den blauen Rauch aus.

„Was?! Wo warst du?“

„Ich habe mich unterhalten. Darf ich das nicht mehr?“

„Oh...du...“, stöhnte sie und raufte sich die kurzen Haare.

In diesem Moment trat Kai wieder aus dem Klo und wankte dezent, so dass er sich am Türrahmen festkrallte.

„Geht‘s wieder?“, erkundigte sich sein Vater und erhielt als Antwort ein stummes Nicken.

„Du bist ja völlig blass um die Nase!“, sorgte sich seine Mutter, „am Besten, du setzt dich erst mal hin!“

Doch da lief Mirka schon auf den Jungen zu und strahlte über das komplette Gesicht. Sie klatschte aufgeregt jauchzend in die Hände und ihre Stimme überschlug sich.

„Kai! Komm schnell mit, Leonies Babybauch anfassen! Sie ist im 7. Monat schwanger und es ist soooooo schön, wenn du die Tritte merkst!“

Der Junge starrte sie fassungslos an und wich einen großen Schritt zurück.

„Nein!“, wehrte er geschockt ab, „ich mache dir jetzt keinen Babybauch!“

Mirka verdrehte stöhnend die Augen und ergriff seine Hand: „Nicht mir machen! Mitkommen anfassen!“

Daniellé lachte schallend aus, während Trudie ihren Exmann böse an funkelte und in die Seite stieß. Während Kai von seiner Verlobten mitgezogen wurde seufzte die Frau tief und lehnte sich gegen die Wand. Daniellé lächelte sie vorsichtig an, nahm sie dann schließlich doch in den Arm und tätschelte ihre Schulter.

„Keine Sorge...“, beruhigte er sie, „sie ist ein gutes Mädchen. Kai ist bei Mirka bestens aufgehoben.“

„Wir hätten es verhindern müssen...“

„Es war schon längst überfällig, Trudie“, seufzte er, „gib ihm etwas Zeit um drüber hinweg zu kommen...“

Sie nickte stumm und fuhr sich durch die kurzen Haare.

„Darf ich dich auf einen Drink gewinnen?“, grinste Daniellé neckisch.

„Ja...bitte. Das brauch ich jetzt!“

Kapitel 26

„Du bist ja schon da“, grinste Luna und zog den Stuhl gegenüber Tala nach hinten und hielt inne, „natürlich bist du schon da...du bist die Perfektion in Person!“

„Danke! Aber ich dachte immer, dass Kai das wäre. Ich dagegen bin einfach nur gerne pünktlich.“

„Aha.“

Tala legte grinsend den Kopf schief, während die Bedienung kam, um Lunas Bestellung aufzunehmen.

„Ich hätte gerne einen Milchkaffee...den Schokoladennusseisbecher...oh! Habt ihr diese kleinen Gebäckteile? Wie heißen die noch mal…?“

„Natürlich haben sie Piroschki“, grinste Tala noch breiter, „wir sind hier in einem russischen Café, Luna.“

„Davon bitte 2 mit Obst.“

Die junge Frau nickte dem Mädchen noch einmal zu und ging.

„Du hast heute ja einen gesunden Hunger. Normalerweise isst du nicht so süß.“

„Ich habe seit Tagen einen Heißhunger auf Süßes!“, beschwerte sie sich und klemmte eine Haarsträhne hinters Ohr, „ich weiß auch nicht, was auf einmal mit mir los ist...ich vertrage auch keinen normalen Kaffee mehr. Ich bekomme sofort Sodbrennen!“

Tala hob sofort beide Augenbrauen und beugte sich nach vorne.

„Sag mal...nimmst du eigentlich die Pille?“

Luna guckte ihn ebenfalls erschrocken an: „Was?“

„Ob du...“

„Ich habe dich schon verstanden, Tala! Aber WAS?“

„Du hast plötzlich Heißhunger auf Süßes, bekommst Sodbrennen bei Kaffee, welchen du sonst Literweise in dich kippst...klingelt es da nicht bei dir?“

„Du kommst aber auch früh drauf, mich das zu fragen...“

„Ja oder nein?“

„Ich bin nicht schwanger“, raunte das Mädchen, da in diesem Moment ihre Bestellung kam.

„Luna?“, hakte Tala strenger nach.

Sie warf ihm einen vielsagenden Blick zu und biss von ihrem Piroschki ab. Der Junge verschränkte herausfordernd die Arme vor der Brust und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

„Du willst es mir also nicht sagen? Einverstanden. Dann haben wir keinen Sex mehr, bevor du einen Schwangerschaftstest gemacht hast!“

Das Mädchen verschluckte sich an dem Gebäck und trank hastig einen Schluck nach. Dann blickte sie den Rotschopf fragen an, welcher sie immer noch herausfordernd ansah.

„Dein Ernst jetzt?“

„Allerdings.“

„Das kannst du nicht ernst meinen!“

„Doch. Tu ich.“

„Wieso?“

„Weil ich‘s kann.“

„Tala, ich habe gerade erst meinen Job in der Bar wieder bekommen, eine Schwangerschaft wäre sogar für mich völlig unverantwortlich!“

„Du konntest nicht wissen, dass Henry dich für 2 Wochen feuert. Und in dieser Zeit hatten wir Sex.“

„Ich...bin...nicht...Schwanger!“

„Keinen...Sex...“

„Wo soll ich jetzt noch einen Test herbekommen? Wir haben Freitagabend und ich bin ab morgen früh gleich auf meinen Cocktail Lehrgang! Bis Dienstag!“

Tala verzog keine Miene. Luna machte einige Gesten, welche nicht unbedingt öffentlichkeitstauglich waren und schaufelte sich ihr Eis in den Mund. Während sie am Essen war zückte Tala sein Handy und telefonierte kurz auf russisch, legte wieder auf und zündete sich eine Zigarette an.

„Fährst...du mich morgen trotzdem...bitte?“, erkundigte sie sich kleinlaut.

„Natürlich. Wieso sollte ich nicht?“

Als er Luna so hilflos herumdrucksen sah bekam er schon fast Mitleid mit ihr. Sie machte eine vielsagende Geste und Tala konnte nicht mehr und musste kichern.

„Wir haben doch keinen Streit, Luna“, grinste er und zog an der Zigarette, „und selbst wenn...ich habe dir versprochen, dass ich dich fahren werde.“

„Das...hier ist kein Streit für dich?“, meinte sie ungläubig.

„Nein.“

„Du bist viel geduldiger, als ich es in Erinnerung hatte.“

„Damals waren wir auch noch nicht zusammen. Was nicht heißen soll, dass du jetzt einen Freifahrtschein hast.“

„Ich hab dich auch lieb, Tala.“

„Ich weiß“, grinste er zurück, „weißt du schon, wann ich dich am Dienstag wieder abholen soll?“

„So einfach wechseln wir das Thema?“

„Willst du lieber weiter mit mir diskutieren?“

„Nein. Und nein...das weiß ich noch nicht.“

Die Bedienung kam zu ihnen und sprach auf russisch, was Luna stutzen ließ, da sie überhaupt kein Wort verstand. Tala lächelte traurig und übersetzte schnell.

„Sie erkundigt sich gerade lediglich, ob bei uns noch alles in Ordnung ist, oder ob wir noch etwas haben möchten...“

Das Mädchen schüttelte den Kopf freundlich, als die Frau zu ihr blickte. Nachdem sich der Junge noch ein Getränk wünschte und sie wieder weg war schmollte Luna in ihren leeren Eisbecher.

„Anstatt eines Cocktail Kurses sollte ich lieber einen Sprachkurs belegen.“

„Mach dich nicht fertig. Russisch ist schwer zu lernen“, beruhigte Tala sie.

„Wir wohnen bald ein Jahr zusammen und ich kann keinen von euch auch nur nach seinem Tag fragen.“

„Klar kannst du das.“

„Aber nicht auf russisch.“

„Ist das denn so wichtig?“

„Irgendwie...ich verstehe euch eben nicht, wenn ihr untereinander redet.“

„Wir tun das, weil es Gewohnheit ist...wir reden nicht über dich, falls du das noch fragen wolltest.“

Sie nickte kurz.

„Ich hatte keine Ahnung, dass das dich so sehr belastet...“

„Ich hab dir das auch noch nicht gesagt.“

Jetzt schmollten beide.
 

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„Kriegen wir jetzt ein Baby?“, fragte Bryan aufgeregt und guckte Luna mit funkelnden Augen an.

„Nein kriegen wir nicht!“, wehrte sie ab und guckte Tala böse an, „du hast gesagt, dass es erledigt wäre!“

„Vorerst. Für mich hat es sich erst endgültig erledigt, wenn nur ein Balken auf dem Test zu sehen ist.“

Luna guckte Spencer und Bryan herausfordernd an und fragte, welcher der beiden den Test besorgt hatte. Von ihrem strengen Blicken verunsichert wagten sich die beiden Jungs nicht mehr, sich zu bewegen und starrten Luna nur groß an.

„Ich warte...“, versicherte das Mädchen und ließ die beiden nicht aus ihren Augen.

„Er war‘s!“,, meinte Bryan plötzlich und zeige auf Spencer, welcher ihm sofort mit der flachen Hand auf den Hinterkopf schlug.

„Niemand mag Petzen!“

„Spencer! Wie konntest du nur?“

„Er hat gesagt, es sei dringend“, erwiderte der Riese und zeigte auf Tala, welcher die Arme vor der Brust verschränkte.

„JA! Dringend!“, lachte sie gehässig, „wen ich dir den Sex verweigert hätte, dann wäre es dringend!“

„Du machst ihn. Ansonsten bleibe ich dabei“, meinte Tala kühl und ließ sich auf der Couch nieder, „allein deine Entscheidung, Luna.“

„Von wegen! Du zwingst mich dazu!“

„Tu ich nicht.“

„Ich glaube, dass ihr zwei uns langsam mal eine Erklärung schuldig seid!“, beschwert sich Spencer plötzlich.

„Du sagst mir erst mal, wo du an einem Freitagabend diesen Schwangerschaftstest herbekommen hast!“

Spencer hielt inne und sah Bryan fragend an, ob er ihr wirklich antworten sollte. Als dieser jedoch nur unwissend mit seinen Schultern zuckte seufzte der Riese und kam hinter seiner Kochinsel hervor.

„Wir haben vor einigen Tagen einen kleinen unscheinbaren Laden nicht weit von hier entdeckt...er hat 24/7 offen und unter anderem führ er auch diese Tests im Sortiment...“

„Lass mich raten...“, überlegte Luna und funkelte Tala an, „du hast davon gewusst?“

„Mir haben sie es sofort gesagt“, grinste er vielsagend.

„Natürlich habt ihr das...“, seufzte sie und warf den Kopf in den Nacken, „ich hätte es besser wissen müssen, dass die beiden dir auch nach der Weltmeisterschaf immer noch loyal ergeben sind.“

„Täusch ich mich, oder klang das gerade ziemlich abwertig?“, erkundigte sich Bryan.

„Dann ging es also nicht nur mir so...“, erwiderte Spencer.

„Ihr versteht mich völlig falsch. Das war keineswegs abwertig gemeint. Ich bewundere, dass ihr Tala völlig blind vertraut. Das gibt es heutzutage nur noch selten...“

Luna nahm den Test und ging damit in ihr Zimmer. Spencer und Bryan guckten ihren Teamchef fragend an, während dieser seiner Freundin nur wortlos hinterher blickte.

„Habt...ihr...euch…?“

„Nein.“

„Dann weißt du, was du jetzt zu tun hast?“, meinte der Riese und warf Tala einen vielsagenden Blick zu, „Loyalität hin oder her. Sie ist die nächsten vier Tage nicht hier und ich habe keine Lust deinen Schmollmund ertragen zu müssen!“

Der Rotschopf grinste und folgte ohne weiteres Luna in ihr Zimmer, wo das Mädchen bereits am packen war. Vorsichtig schlich er sich an ihr vorbei und nahm auf dem Bett Platz, von wo aus er sie einige Zeit aus beobachtete.

„Spencer hat dich geschickt, um dich zu entschuldigen…?“, erkundigte sich Luna, ohne vom packen aufzusehen.

„Hat er.“

„Und wirst du es tun?“

„Was bleibt mir anderes übrig? Wenn du nicht da bist ist er der einige, welcher mich mit Essen versorgt“, grinste Tala schief.

„Du stehst mehr unter seiner Fuchtel, als ich dachte.“

„Ja“, seufzte er schwerfällig und nickte.

Luna warf ein paar Socken in ihren Koffer und guckte Tala an, so dass er ihre Mimik nicht wirklich deuten konnte. Sie legte eine Hand in ihre Hüfte und schien ihre nächsten Worte mit Bedacht zu wählen.

„Irgendeine Stimme in meinem Kopf sagt mir, dass ich auf jeden Fall eine Entschuldigung von dir zu erwarten habe...auf der anderen Seite...sind wir jetzt in einer Beziehung, und somit hast du ein Recht es zu wissen...“

„...okay?“

„Also müsste normalerweise ich mich bei dir entschuldigen, dass ich so einen Terz gemacht habe...“

„Schon gut“, grinste er, „passiert jedem Mal...“

„Allerdings werde ich den Test erst am Dienstag machen, wenn ich wieder da bin. Ein paar Tage Abstand werden mir wahrscheinlich gut tun, damit ich mal darüber nachdenken kann, was ich an dir habe.“

„Okay.“

„Du hältst es doch gar nicht ohne Sex mit mir aus“, neckte Luna Tala und bewarf ihn mit ihrer Kleidung, „was machst du nur ohne mich?“

„Spencer und Bryan sind auch noch da. Sorry wenn ich dir deinen Triumph nicht gönne“, grinste er zurück.

Das Mädchen warf ihm ein weiteres Kleidungsstück entgegen, kicherte jedoch. Tala setzte sich auf die Bettkante und legte das Oberteil neben den Koffer, ließ allerdings die Hand drauf liegen.

„Vielleicht behalte ich das sogar und klammer mich dran, wenn ich mich nachts in den Schlaf heule“, lachte er und hob es erneut hoch.

Luna machte eine Mitleidsmiene und streichelte seinen Kopf.

„Du bist selbst Schuld, das wir keinen Abschiedssex haben“, tadelte ihn Luna und überprüfte, ob sie auch alles hatte.

„Auf dem Tisch ist der Test. Es liegt an dir.“

„Ich kann es immer noch nicht fassen, dass du Spencer einen Schwangerschaftstest hast kaufen lassen...“

Tala grinste ihr vielsagend zu und zwinkerte.

„Das Augenklimpern wird dir noch vergehen, wenn du spätestens morgen Abend mit einem Rohr dasitzt und meine Muschi nicht da hast!“

„Du gibst mir echt nur bis morgen Abend?“, fragte er ungläubig nach, „für wie notgeil hältst du mich eigentlich?“

„Willst du das ernsthaft wissen?“

Tala hob beide Augenbrauen und schüttelte langsam den Kopf. Nein. Das wollte er wirklich nicht wissen. Er lehnte sich nach hinten und schlug ein Bein lässig über das andere.

„Das bringt dir nichts...ich kann deine Latte bis hier sehen...“, scherzte Luna.

„Ich...was?“

„Das war ein Witz, man!“, kicherte sie, „komm...wir holen dir eine Kippe und ein Bier.“
 

*~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„...es wird langsam frisch, findest du nicht?“

Giuseppe sah zu Lucielle auf, welche sich die Arme rieb und legte ihr seine Jacke über die Schulter.

Sie bedankte sich schon fast verlegen und hielt den Stoff mit einer Hand zusammen.

„Wir haben mittlerweile Ende September. Jetzt wird es wieder kühler.“

„Ich vergess immer, wie schnell die Zeit vergeht.“

„Das geht uns allen so.“

Sie gingen über die Brücke und betrachteten die vielen kleinen Lichter der Lokale, welche an der Anlegestelle immer noch offen hatten.

„Darf ich dich noch auf einen Kaffee gewinnen?“, erkundigte sich der junge Italiener bei ihr.

„Gern.“

Sie suchten sich einen freien Platz und studierten die Karte, während beide auf die Bedienung warteten. Lucielles Blick wanderte von Giuseppes dunkeln Locken über das Wasser, welches ruhig vor sich her floss, bis hin zum anderen Ufer, wo Leute immer noch auf ihren Picknickdecken saßen.

„Die haben hier auch gute Cocktails“, meinte der Junge plötzlich.

„Danke, aber ich bleibe beim Kaffee.“

„Kein Alkohol beim ersten Date, hm?“

Lucy lachte auf und richtete ihre Brille.

„Als erstes Date würde ich das jetzt nicht unbedingt sehen...“

„Ach so?“

„Naja...so gesehen wäre das hier sogar schon unser zweites. Erinnerst du dich noch daran, wo wir weiter vorne gesessen haben und du diesen Zitronenkuchen gegessen hast?“

„Echt jetzt?“, fragte er verwundert, „das soll unser erstes Date gewesen sein?“

„Warum denn nicht? Wir haben uns finde ich gut unterhalten.“

Giuseppe guckte immer noch verwundert, freute sich jedoch über ihre Aussage. Die Bedienung kam und nahm ihre Bestellungen auf.

„Wie? Gar kein Kuchen?“, grinste Lucielle über den Rand ihrer Brille hinweg.

„Ich habe mit dir gut zu Abend gegessen. Schon vergessen?“

„Nein. Das war wirklich köstlich.“

„Wenn du mal bei mir zu Besuch bist, dann koche ich Meeresfrüchte für dich. Nach altem Familienrezept.“

„Du kannst kochen?“

„Oh bitte! Meine Großmutter hat mich jeden Tag mit in die Küche genommen, seit ich laufen konnte. Eine großzügige, wenn auch recht strenge Frau.“

Ihre Getränke wurden gebracht und als der Mann schon wieder am Gehen war nickte Lucy Giuseppe grinsend zu. Er seufzte erleichtert und rief den Mann wieder zurück, damit er sich einen Zitronenkuchen bestellen konnte.

„Sonst kannst du mir heute Nacht nicht einschlafen...“, lächelte das Mädchen und nippte an ihrem Getränk.

„Du hast so viel Verständnis.“

„Ich kenne das von mir selbst. Du liegst seit Stunden hellwach im Bett und hast keinen anderen Gedanken, als an diese eine Sache.“

„Du sorgst dich also um meinen Schlaf?“, fragte Giuseppe verzückt.

„Schwarze Augenringe würden dir nicht stehen...“

Beide kicherten und man brachte das Kuchenstück, von welchem der Junge sofort ein großes Stück abstach. Das zweite Stück bot er dem Mädchen an, welches zuerst zögerte.

„Doch! Das musst du probieren! Verstehe den Grund meiner schlaflosen Nächte...“

Lucielle grinste und ließ sich von Giuseppe füttern. Auf ihrer Zunge zerging sofort die süße Sahne und die frische der Zitronen kam ganz langsam. Der weiche Biskuitboden schmeckte ebenfalls herrlich und luftig. Das Mädchen nickte ihm zustimmend zu und leckte sich mit der Zunge die restliche Sahne vom Mundwinkel.

„Der Himmel auf Erden“, wiederholte Giuseppe und lächelte.

„Ist wirklich lecker.“
 

Später am selben Abend hörte Adrian lautes Geklimper aus der Küche und ging ins untere Stockwerk, um den Ursprung zu suchen. Dort sah er seine Schwester, wie sie über ein Kochbuch gebeugt grübelte und einige Backzutaten abwog.

„Was...zum…?“, gähnte er und rieb seine Augen, „Lucy wir haben halb zwei!“

„Ich weiß.“

„Wieso backst du jetzt noch?“

„Weil ich nicht schlafen konnte. Sorry wenn ich dich geweckt habe.“

„Seit wann trägst du wieder Brille?“, wollte Adrian verwirrt wissen, „ich dachte immer, du hasst sie?“

„Meine Kontaktlinsen haben heute gebrannt...“

„Das tun sie doch immer wieder und trotzdem ziehst du die Brille nie auf. Lieber bist du blind!“

Das Mädchen sah ihren Bruder mit diesem gewissen Blick genervt an, welcher bedeuten sollte, dass es an der Zeit war, sie in Ruhe zu lassen. Und Adrian kannte diesen Blick nur zu gut.

„Soll...soll ich dir helfen?“, erkundigte er sich vorsichtig.

„Nein. Danke.“

Adrian beobachtete sie noch eine Weile, wie Lucielle Eischnee unterhob und das Blech in den Ofen schob, bevor sie sich an eine Creme machte. Erneut blickte sie ihn giftig an und fragte, was er noch wollte.

„Du warst heute den ganzen Tag unterwegs“, murmelte er und lehnte am Türrahmen, „das kenn ich nicht von dir.“

„Klar tust du das...nur normalerweise hab ich dich dann immer mit dabei.“

„Nur heute nicht.“

„Nur heute nicht“, wiederholte sie, „das ist wahr, Ari.“

„Wieso?“

Lucielle seufzte schwer und schnitt die Zitrone auf: „Es hat nichts mit dir zu tun.“

„Sondern mit dem Italiener? Hab ich Recht?“

„Er heißt Giuseppe.“

„Seit wann nennst du ihm beim Namen?“

„Du siehst doch, dass ich beschäftigt bin. Geh wieder schlafen!“

„Früher hast du ihn nie bei seinem Namen genannt...“

„Die Zeiten haben sich geändert.“

„Du...du magst ihn...richtig?“

„ADRIAN!“, entfuhr es dem Mädchen und sie zerdrückte die halbe Zitrone mit bloßer Hand, „auch ich hätte es nie für möglich gehalten, aber so ist es eben! Außerdem lässt mir dieser bescheuerte Clan sowieso keine Wahl.“

„Du hattest immer eine Wahl!“

„Ja? Hätte ich? Ich bin schon mal weggelaufen und es hat rein gar nichts geklappt! Gar nichts! Also stehe ich jetzt hier und backe einen Zitronenkuchen.“

„Was hat ein Zitronenkuchen mit weglaufen zu tun?“

„Ich habe anscheinend meinen Platzt in dieser verkorksten Chevalier Familie eingenommen! Und es wird Zeit für dich, dass du das ebenfalls tust!“

Adrian sah seine Schwester mit großen erschrockenen Augen an, während sie sich wieder der Kuchencreme widmete.
 

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„...und stellt mir nichts an. Ich würde die Wohnung doch gerne wieder erkennen, wenn ich wieder komme“, grinste Luna und küsste Tala flüchtig auf den Mund.

Der Junge drückte sie feste an sich und legte seine Lippen feste auf die ihren, während Jeanette sich dezent räusperte und auf ihre Uhr blickte.

„Hey ihr zwei! Es sind doch nur knapp vier Tage!“, rief sie den beiden zu.

„Nur noch eine Sekunde!“, bat Luna und erwiderte Talas fordernden Kuss, „sie hat Recht...unser Zug fährt gleich ab...“

„Wir stehen direkt daneben“, erwiderte Tala.

„Sogar der Schaffner guckt schon...“, grinste Jeanette.

„Hab ein bisschen Spaß, während ich mich mit meinen selbst gemischten Spirituosen voll kippe. Wahrscheinlich werden sie nicht mal schmecken aber hey! Hauptsache Alkohol!“

Der Junge machte eine bemitleidenden Gesichtsausdruck und guckte Luna nach, wie sie mit ihrer Kollegin in den Zug einstieg. Sie drehten sich beide um, winkten Tala zu und suchten dann ihre Sitzplätze. Schwer seufzend ging der Junge die Treppen vom Bahnsteig wieder runter und schlenderte zu seinem Wagen. Die Rückfahrt war es unheimlich still im Auto gewesen. Wieder in der Wohnung angekommen fand er es für das Beste, wenn er sich noch einmal hinlegen würde, die letzte Nacht hatte er kein Auge zubekommen.

„Frühstück?“, erkundigte sich Spencer, als Tala die Hand auf seine Türklinke gelegt hatte.

„Ne...“, knörte der Rotschopf, „ich brauch erst mal eine Mütze voll Schlaf...“

„Alles klar. Soll ich dich wecken?“

„Ihr könnt für heute Abend einen Tisch reservieren. In dem Lokal in der Innenstadt.“

„Okay.“

Tala schloss leise die Tür hinter sich und schmiss sich auf sein Bett. Wie groß es ihm plötzlich vorkam, nur weil sie nicht mit drin lag…

Ihr Geruch, ihr Atmen, wenn sie schlief...sogar das leise Schmatzen, wenn sie sich drehte fehlte ihm. Tala starrte mit weit aufgerissenen Augen an die Decke.

„Hör auf zu schmollen...“, raunte er sich selber zu und seufzte erneut.

Tala schaltete den Fernseher ein und knipste desinteressiert durch die Programme, bis er einen Sender gefunden hatte, der langweilig genug gewesen war, so dass er einschlafen konnte.

Gefühlte Sekunden später öffnete sich seine Zimmertür und Spencer trag an das Bett seines Teamchefs heran. Tala murmelte irgendein unverständliches Zeug auf russisch und blickte zu dem Riesen auf.

„Doch“, kicherte dieser, „wir haben schon wieder Abend...“

„Das gibt es doch nicht...“, raunte Tala und setzte sich auf.

„Sollen wir die Reservierung wieder…?“

„Nein. Nein...ich bin wach...“

„Ähm...nachdem du geduscht und dir einen Kaffee einverleibt hast schon ehr.“

„Hab ich noch so viel Zeit?“

„Natürlich“, kicherte Spencer und ging wieder aus dem Zimmer, „ich habe dich immerhin rechtzeitig geweckt.“

Tala streckte sich schwerfällig und blickte auf sein Handy. Er hatte zwei Nachrichten von Luna erhalten. Eine, wo sie ihm Bescheid gegeben hatte, dass sie angekommen waren und die andere, dass der Kursleiter ein unfähiger Idiot sein sollte und sie ihn vermisste. Er musste schmunzeln.
 

Knappe 45 Minuten später wurden die drei Jungs an ihren Tisch geführt und nahmen Platz.

„Möchtet ihr gleich bestellen, oder soll ich gleich noch mal kommen?“

„Wir würden gerne erst gucken“, nickte Spencer der Frau zu und öffnete die Speisekarte.

„Gern.“

„Also...was ist der Plan?“, erkundigte sich Bryan, „wollen wir uns einfach nur besaufen oder einen gemütlichen Abend miteinander verbringen?“

„Kannst du dich daran erinnern, wann wir das letzte Mal zu dritt aus waren?“

Bryan hob die Augenbrauen, schüttelte jedoch den Kopf.

„Wir lassen es erst mal gemütlich angehen“, schlug Tala vor und ließ den Blick in den Raum schweifen, „mal gucken, wohin uns der Abend noch bringt...“

Als die junge Frau erneut zu ihnen kam grinste sie verlegen und beugte sich etwas weiter nach vorne, als sie eigentlich sollte.

„Kann...kann es sein, dass ihr die Blitzkrieg Boys seit?“

„Ja.“

„Oh das ist so cool! Ich habe euch im ersten Moment gar nicht wieder erkannt! Für mich seit ihr die wahren Gewinner der Meisterschaft!“, jauchzte sie.

„Danke“, grinsten die drei Jungs im Chor.

„Darf ich ein Bild mit euch machen? Nur...wenn es euch nichts ausmacht?“

„Klar...“

Schnell zückte die Kellnerin ihr Handy und ließ von ihrer Kollegin ein Foto machen.

„Ihr seit so cool! Danke! Die erste Runde geht aufs Haus!“

Während sie fröhlich zur Bar hüpfte blickten ihr Spencer und Bryan nach und grinsten.

„Hat sie uns überhaupt gefragt, was wir trinken wollen?“

„Nö. Aber es geht ja aufs Haus...“

„Meinst du...ich soll sie mal nach ihrer Nummer fragen?“

„Bryan!“, gab der Riese gespielt entsetzt von sich, „wolltest du nicht immer mindestens ihren Namen in Erfahrung bringen, bevor du entscheidest, ob du sie flachlegen willst?“

„Naja...“, überlegte er kurz und beobachtete das Mädchen, wie sie mit den Drinks kam, „sie sieht gut aus...“

„Und das reicht dir schon aus?“

„Es ist ja nur für einmal...“

„Wieso eigentlich immer nur für einmal?“

„Frauen sind laut Bryan wie Milchprodukte“, grinste Tala, „öffnest du sie sind sie spätestens nach drei Tagen sauer und ungenießbar.“

„Hey! Du hast mir ja doch mal zugehört!“

„Hatte ich eine Wahl?“

„So Jungs...lasst es euch schmecken.“

„Dankeschön“, grinsten alle drei im Chor.

„Gern. Falls ihr noch etwas wollt, fragt nach Ulli.“

„Ist das nicht ein Männername?“, erkundigte sich Tala zweifelnd.

„Abgeleitet von Ulrike. Also dann! Bis später Jungs!“

Nachdem das Mädchen wieder an die Bar gehüpft war weiteten sich Bryans Augen und er hielt in seiner Bewegung inne. Blitzschnell wandte er sich zu ihr um und verharrte einige Momente so.

„War Ulrike nicht...“, überlegte Spencer und nippte an seinem Drink.

„...die, mit der Luna rumgemacht hat?“, beendete Tala seinen Satz und grübelte.

„Heilige Scheiße!“, fauchte Bryan und guckte wieder auf sein Glas, „die hat mir doch sicher was ins Trinken gemischt!“

„Bestimmt“, kicherte Spencer gehässig.

„Das ist nicht witzig!“

„Doch...für mich schon...“, erwiderte der Riese und nahm einen kräftigen Schluck und machte ein genüssliches „ah“ in Bryans Richtung.

Tala grinste ebenfalls breit, sagte jedoch nichts.

„Ich kann das nicht trinken“, entschied sich der Russe und schob das Glas beiseite.

„Dir ist schon bewusst, dass sie für heute Abend unsere Bedienung ist?“

„Shit...ich werde heute definitiv nüchtern bleiben!“

„Willst du gar nichts trinken?“

„Nicht von der!“

„Gerade wolltest du noch ihre Nummer haben. Was ist daraus geworden?“

Bryan warf einen zwielichtigen Blick Richtung Bar, wo Ulrike gegen die Theke lehnte und neckisch zu ihnen rüber linste. Ruckartig wandte sich der Junge wieder zurück und guckte zweifelnd in die Runde. Tala und Spencer brachen in schallendes Gelächter aus und klopften auf die Tischplatte, während ihr Teamkollege sich den kalten Schweiß von seiner Stirn wischte.

„Sie hat dir nichts untergemischt“, kicherte Tala und schob Bryans Glas zurück, „höchstens mehr Alk, als ursprünglich in den Drink gehört.“

„Sie will mich gefügig machen!“

„Wolltest du bis vor zehn Minuten auch noch!“

„Das ist was völlig anderes!“, zischte der Junge.

„Ähm...nein? Es gibt auch Frauen, die so sind wie du...“

Bryan warf Spencer einen vielsagenden Blick zu und schob ihm sein Glas unter: „Wenn du dir so sicher bist...“

Der Riese zuckte mit den Schultern und trank auch den Drink seines Freundes aus.

„...und? Lösen sich deine Innereien schon auf?“, erkundigte sich Tala mit einem verschmitztem Grinsen.

„Der war gut“, klopfte sich dieser auf den Bauch, „vielleicht etwas stark, aber gut!“

Augenblicklich machte Tala eine Handbewegung und Ulrike hüpfte sofort wieder zu ihnen.

„Was darf‘s sein?“

„Noch mal das Selbe, bitte“, grinste er.

„Klar!“

Bryan warf ihm einen bösen Blick zu, was Tala nur noch breiter grinsen lies.

„Du bist du Paranoid...mach dich locker!“

„Wenn er weiterhin seine Getränke zu mir schiebt, dann bin ich noch vor 22 Uhr locker“, kicherte Spencer.
 

*~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„Das ist Folter!“, beschwerte sich Bryan, nachdem seine Teamkollegen bereits die 4. Runde leerten und Ulrike wieder zu sich riefen, „ich hasse euch!“

„Du liebst uns“, kicherte Spencer.

„Blanker...purer...Hass! Spürst du ihn?!“

„Ich spüre etwas ganz anderes“, beschwerte sich der Riese und schob seinen Stuhl zurück, „ich bin mal...ihr wisst schon...“

Tala winkte ihm noch genüsslich zu und nahm seinen neuen Cocktail entgegen, während Bryan immer wieder verstohlen zu dem Mädchen blickte.

Gefühlte 3 Liter leichter wollte Spencer wieder zurück schlendern, als ihm plötzlich jemand mit Schwung umarmte.

„Wow! So betrunken bin ich nun auch wieder nicht...“, meinte er und hob erschrocken die Arme.

„Hey! Dich habe ich ja schon ewig nicht mehr gesehen, Großer!“, rief die Frau aufgeregt, „wie geht es dir denn so?“

Spencer guckte sie mit großen Augen an und ließ langsam die Arme wieder sinken. Er rieb sich kurz die Lider, während sie kicherte und erwartungsvoll neben ihm stehen blieb.

„A...Amanda?“, fragte er schließlich.

„Wer hat denn sonst das Recht dich so zu umarmen?“, grinste sie und schlang erneut ihre Arme um ihn, „das muss eine gefühlte Ewigkeit her sein!“

„Äh...ja...weißt du…“

„Ich bin mit ein paar Kolleginnen hier. Gesellt euch doch zu uns?“

Spencer blickte über die Köpfe aller Gäste hinweg zu Tala und Bryan, welche gerade mit der Musik mitwippten und immer wieder lustige Grimassen austauschten.

„Wir...ähm...“

„Naja. Falls ihr es euch doch anders überlegt“, zuckte Amanda mit den Schultern, „wir hocken draußen. Raucherfreundlich.“

Der Riese nickte stumm und verabschiedete sich von der Frau, bevor er hastig auf seinen Platz eilte und sich am Tisch festhielt.

„Hui...schon so viel Volt aufm Kessel, dass du dich festklammern musst?“, erkundigte sich sein Teamchef und knabberte ein paar Snacks, welche Ulrike gerade gebracht hatte.

„Wir müssen hier weg! Sofort!“, raunte der Riese und guckte sich vorsichtig um.

„Welcher Geist ist denn dir begegnet?“

„Erinnerst du dich an die Kosmetikerin, welche Bryan zuerst für meine Frau hielt?“

„Oh! Du meinst...wie hieß sie gleich noch mal…? Amanda?“

„Wir...müssen...gehen…!“

„Ich fande, dass ihr zwei ein unheimlich süßes Paar gewesen wärt...“, grinste Tala und schwelgte in Erinnerungen, „warum ist es eigentlich nie dazu gekommen?“

„Tala!“, raunte Spencer immer noch geduckt.

„So langsam macht mir der Abend echt Spaß! Der eine von euch trifft seinen One night Stand, wo ihn angeblich vergiften will und der andere seine frühere Flamme, deren Gefühle er aber nie erwiderte, da er aus seiner Wohlfühlzone nicht raus wollte! Also ich amüsiere mich prächtig!“

„Amanda war nie meine Flamme!“, fauchte der Riese.

„Soweit ich weiß, hat sie dir damals ihre Gefühle gestanden und du hast sie abblitzen lassen...war doch so?“

„Ich habe dieses Spektakel bei euch beiden oft genug erleben müssen! So schön kann das also gar nicht sein!“

„Oh! Als ob du Ahnung hättest!“, gröhlten Tala und Bryan im Chor.

Spencer stützte seinen Kopf auf seine Hände und grummelte etwas aus russisch vor sich her, worauf die anderen beiden erneut lachen mussten. In diesem Moment kam Ulrike zu ihnen und stellte direkt vor Spencer ein kleines Glas.

„Von der Dame da drüben“, grinste sie ihn an und ging wieder.

Der Riese guckte wortlos auf den Kurzen und stutzte. Dann blickte er vorsichtig in die Richtung, wo sie sitzen sollte und tatsächlich! Amanda prostete ihm mit einem heiteren Grinsen zu.

„Meinst du auch, dass sie dich vergiften will?“, erkundigte sich der Rotschopf.

„Nein...“, entgegnete Spencer und hob das kleine Glas hoch, um ihr ebenfalls zuzuprosten, „sie scheint sich wirklich zu freuen, dass sie mich wiedergesehen hat...“

„Dann geh doch zu ihr!“, forderte Tala ihn auf, „trink was mit ihr!“

„Sie ist mit Kollegen hier.“

„Dann gehen wir eben alle mit!“

Noch bevor sich Spencer in irgendeiner Hinsicht beschweren konnte stand er mit seinem Teamkollegen vor Amandas Tisch und wünschte sich, im Erdboden versinken zu können. Es waren nur Frauen an dem Tisch und alle rückten zusammen, damit die drei Jungs Platz hatten.

„Mädels! Darf ich euch die Blitzkrieg Boys vorstellen?“, verkündete Amanda stolz, „Tala Iwanov, Bryan Kuznetsov und Spencer Petrov!“

Die Jungs nahmen Platz, nachdem sie brav in die Runde gewunken hatten und gaben Ulrike ein Zeichen, dass sie den Tisch gewechselt hatten.

„Freunde von dir?“, erkundigte sich eine ältere Frau, welche direkt neben Amanda saß und sah die Jungs mit prüfenden Blick an.

„Frühere Freunde, ja.“

„Es müsste beinahe drei Jahre sein, dass wir uns das Letzte Mal gesehen haben“, meinte Tala und nippte an seinem Glas.

„Es sind sogar drei Jahre“, bestätigte ihm das Mädchen und nickte.

„Die Zeit!“, meinte Bryan und zuckte mit den Schultern, „arbeitest du immer noch als Kosmetikvertreterin?“

„Oh je! Das ging völlig in die Hose...“, schmollte die Brünette, „ich arbeite seit knapp zwei Jahren in Elkes Studio.“

Bryan und Tala blickten zu der älteren Frau gleich neben Amanda und schauderten. Irgendetwas an dieser Frau war unheimlich.

„Ihr habt ja an der Weltmeisterschaft teilgenommen! Wie war es?“

„Wir sind zweite geworden“, meinte Spencer und kippte seinen Cocktail in sich.

„Aber das ist doch auch gut!“, tröstete ihn Amanda und legte behutsam eine Hand auf seinen Arm.

Tala und Bryan warfen sich einen vielsagenden Blick zu und grinsten.

„Eure Namen hören sich ziemlich russisch an“, bemerkte Elke und nippte an ihrem Glas, „wo genau kommt ihr denn her?“

„Russland. Moskau“, bestätigten die drei Jungs im Chor.

„Aha.“

„Wir sind aber keine...Schwerverbrecher, falls Sie das jetzt von uns denken“, kicherte Tala und hob entschuldigend die Hände.

„Ihr macht hier Urlaub?“

„Nein?“

„Dann...wohnt ihr also hier?“

„Ja…?“

„Als was arbeitet ihr?“

„Ähm...“, die drei Jungs zögerten kurz und wechselten fragende Blicke untereinander.

„Also arbeitslose Russen, die sich vom Vaterstaat durchfüttern lassen?“, bemerkte Elke über den Rand ihrer Brille hinweg.

„Bitte?!“

„Nein. Sie sind professionelle Blader. Das ist ihre Arbeit...“, erklärte Amanda ihrer Kollegin schnell.

Tala griff nach seinem Glas und trank gierig daraus, während Bryan und Spencer die ältere Frau derweil in Gedanken auf mehrere Arten folterten.

„Es tut mir so leid!“, entschuldigte sich das Mädchen, als ihre Kollegin kurz verschwunden war, „normalerweise ist sie nicht so...“

„Doch...um genau zu sein, ist sie immer so!“, beschwerte sich die andere Frau, welche Amanda genau gegenüber saß, „die ist ein Biest!“

„Sie ist die Chefin!“

„Miststück!“

„Es tut mir trotzdem leid...“, murmelte sie und rieb sich die Schläfe, „wir hatten eine stressige Woche.“

„Kein Problem...“, murmelte Tala und Spencer im Chor.

„Ich glaube, dass es besser wäre, wenn wir aufbrechen...Elke wird sonst unausstehlich!“

„Wie jetzt?“, fragte Bryan ungläubig, „die ist sonst noch schlimmer?!“

Amanda suchte nach den richtigen Worten, welche ihr aber nicht einfallen wollten, also nickte sie nur stumm mit einem müdem Lächeln.

„Wie hältst du es nur mit so einer aus?“

„Sie arbeitet in einem anderen Bereich, als ich.“

„Auch sonst ist die blöde Kuh kaum im Laden“, meldete sich die Kollegin wieder zu Wort.

„Wir bestellen uns auch nur noch diese Runde...“, bestätigte Tala und winkte Ulrike zu sich.

Wie es der Zufall so wollte schnitten sich Ulrikes und Elkes Wege, worauf die ältere Frau das Mädchen von der Seite her giftig fragen, ob sie nicht besser auf ihre Füße achten könnte.

„Das Personal von diesem Laden hier lässt immer mehr zu wünschen übrig“, schimpfte Elke immer noch, als sie sich wieder hingesetzt hatte und die Kellnerin vorsichtig die Bestellung der Blitzkrieg Boys aufnahm.

„Es war sicher nur ein Versehen“, meinte Amanda und winkte ab.

„Versehen? Wenn es ein ‚Versehen‘ gewesen wäre, dann hätte sie den Anstand gehabt und sich bei mir entschuldigt!“

Ulrike hielt in ihrer Bewegung inne und guckte die Frau schon fast ängstlich an.

„Es war ein Versehen“, nahm jetzt sogar Bryan das Mädchen in Schutz.

„Bitte? Ich habe dich nicht verstanden“, meinte Elke und schob ihre Brille zurück, „wenn du mit mir redest, dann deutlich!“

„Schon taub oder was?“

Die Frau sog scharf die Luft ein und plusterte sich auf, während Amanda nur den Kopf schüttelte.

„Eine Unverschämtheit! So lass ich nicht mit mir reden!“

Als Bryan erneut etwas darauf sagen wollte winkte Tala ihn ab. Es war jetzt schon nervenaufreibend genug…

Ulrike brachte die Getränke und behielt dabei die ältere Frau genau im Blick, bis sie wieder gegangen war. Elke stand plötzlich auf und richtete ihren Blazer. Alle am Tisch sahen zu ihr auf.

„Ich gehe! Hier kann man sich ja nur unwohl fühlen. Amanda! Du machst am Montag die Frühschicht, verstanden?“

„In Ordnung. Schönen Abend noch und komm gut nach Hause.“

„Hoffentlich sehen wir uns nie wieder...“, raunte Tala in sein Glas.

Abrupt blieb Elke stehen und sah ihm tief in die Augen. Ihre Brille rutschte ein Stück nach vorne, während sie ihm vielsagend anlächelte.

„Man sieht sich immer zweimal im Leben.“

Mit diesen Worten wandte sie sich endgültig ab und verschwand in einem Taxi. Jeder am Tisch seufzte erleichtert auf.

Kapitel 27

„...trotz allem...habe ich mich sehr gefreut, dich wieder zu sehen“, grinste Amanda zu Spencer hoch und blieb vor ihrem Auto stehen.

„Es war...“, begann der Riese und kratzte sich verlegen am Hinterkopf, „nun ja...du hast eine...interessante Vorgesetzte.“

„Ja...sie ist anstrengend. Aber! Sie zahlt gut. Sehr gut, sogar.“

„Ist es das wert?“

„Im Moment...“, zuckte das Mädchen entschuldigend mit den Schultern und schloss ihr Auto auf, „ähm...muss ich wieder drei Jahre warten, bis ich dich wieder sehe? Oder treffen wir uns mal so auf einen Kaffee?“

Spencer machte eine unbeholfene Geste. Tala und Bryan hatten extra ein wenig Abstand zu den beiden gelassen, wofür der Riese sie jetzt verfluchte.

„Wenn du nicht willst, dann sag es mir jetzt“, bat Amanda, „dann weiß ich wenigstens, wie ich dran bin...“

„Du bist echt nett. Und sicherlich auch...du weißt schon...aber ich kann mit so was überhaupt nichts anfangen!“, seufzte Spencer.

„Du bist süß“, kicherte sie, „so ein großer Kerl, vollgepackt mit Muskelmasse. Aber bei einer Frau völlig hilflos.“

Er versuchte zu grinsen, was ihm mehr oder weniger gut gelang. Amanda schlang die Arme zum Abschied um ihn und stieg ins Auto. Bevor sie losfuhr winkte sie ihm noch einmal zu und dann war sie auch schon weg. Spencer atmete erleichtert auf und blickte in den klaren Sternenhimmel. Was mach ich nur…?

In diesem Moment hatten ihn seine Teamkollegen eingeholt und guckten ihn erwartungsvoll an.

„Ihr zwei!“, raunte der Riese gefährlich leise, „einmal wenn ich euch brauche!“

„Waren es nicht deine Worte, dass du es schon oft genug bei uns gesehen hast?“, grinste Tala süffisant und tätschelte ihm auf die Schultern, „du hattest oft genug die Gelegenheit, von uns zu lernen!“

„Und? Wann siehst du sie wieder?“

Spencer warf Bryan einen Blick zu, den er nicht deuten konnte.

„Irgendwann wird sie mich wieder finden...“, raunte er und seufzte erneut.

„Irgendwann?“

Während Spencer stumm nach Hause ging warfen sich die anderen beiden einen fragenden Blick zu. Mit schnellen Schritten hatten sie erneut zu ihrem Freund aufgeschlossen und hielten es für das Beste, ihm heute nicht mehr damit auf die Nerven zu gehen.
 

*~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„Mirka?“

Das Mädchen drehte sich ruckartig um und lächelte Lucielle freundlich an.

„Hallo!“

„Das ich dich mal ohne Begleitung antreffe“, grinste Adrians Schwester, „wie geht es dir so kurz vor der Hochzeit?“

„Oh! Hör mir auf!“, stöhnte das Mädchen und fuchtelte mit ihrem Paket wild in der Gegen herum, „während ich völlig am Rad drehe ist Kai die Ruhe selbst!“

„Das täuscht sicher...“, beruhigte Lucy das Mädchen.

„Ehrlich! Er bleibt völlig cool und hat auf alles eine Antwort!“

„Aber...das ist doch schön, oder? Wenn du mal nicht weiter weißt, kann er dir helfen.“

In diesem Moment hielt Mirka inne und legte den Kopf schief. Sie guckte die rothaarige Frau mit erhobenen Augenbrauen an und grinste hilflos.

„Da ist was dran.“

„Siehst du? Was hätte er davon, wenn ihr beide jetzt durchdrehen würdet?“

„Es wäre auf jeden Fall ein ungewohnter Anblick.“

„Darf ich fragen, was du da schönes hast?“, erkundigte sich Lucy und zeigte auf das Bündel.

„Oh das...“, murmelte das Mädchen und öffnete das braune Papier, „die hat Kai mir letztens mal gekauft und sie haben mir so gut gefallen...“

Lucielles Augen weiteten sich, bei dem Anblick der Rosen.

„Die sind ja wunderschön!“

„Sind sie, gell?“

„Und die hat Kai für dich gekauft?“

Mirkas Gesicht wurde weicher und ihr Grinsen breiter.

„Ja...er hat mir einen Straß von denen gekauft...mein erster, den ich von ihm bekommen habe.“

„Herzlichen Glückwunsch“, meinte Lucy und roch an ihnen, „die sind herrlich.“

„Francis Meilland.“

„Muss ich mir mal merken.“

„Das ist mein Hochzeitsstrauß“, gestand Mirka.

„Wirklich?“

„Allein schon, weil Kai sie für mich ausgesucht hatte...für wen ist der Kuchen?“

„Ach der...“

Lucielle guckte auf die Tragebox in ihrer Hand und grinste ebenfalls.

„Einer der seltenen Momente, dass ich mal gebacken habe...ein Experiment, wenn ich ehrlich bin.“

„Deine Mutter ist für ihre Backkünste berühmt! Warum machst du es dann so selten?“

„Trotz? Desinteresse? Faulheit? Such dir was davon aus...“

Mirka machte ein fragwürdiges Gesicht, schmunzelte jedoch. Die beiden Frauen gingen ein Stück nebeneinander her, während sie sich über dies und das unterhielten.

„...und was macht dein Mann in Spee gerade?“

„Er sucht für mich ein Kleid aus...“, gestand Mirka.

„Ein...was? Aber nicht…?“

„Nein. Mein Hochzeitskleid ist schon fertig...das andere ist für die Feier nach der Trauung.“

„Ihr seit aber mutig!“

„Findest du?“

„Also ich finde es irgendwo schon süß...aber dennoch mutig! Auf der anderen Seite...wenn er dir schon solche Rosen schenkt, dann muss er einen ziemlich guten Geschmack haben?“

Mirka machte eine freudige Geste und verschloss das Papier über den Rosen wieder.

„Wohin gehst du eigentlich?“

„Im Moment folge ich dir.“

„Das seh ich“, kicherte Mirka und deutete auf den Kuchen, „ist es in Südfrankreich mittlerweile Mode, dass man mit einem Kuchen in der Hand quer durch die Stadt spazieren geht?“

„Um ehrlich zu sein...drück ich mich gerade davor, ihn abzugeben.“

„Warum? Er sieht köstlich aus!“

„Das schon...“, druckste Lucielle und warf dem Gebäck einen prüfenden Blick zu.

Plötzlich blieb Mirka stehen, riss die Augen weit auf und sog die Luft hastig ein.

„Ich weiß für wen er ist!“, rief sie aufgeregt aus und fuchtelte wild mit ihrer freien Hand.

„Schrei es vielleicht noch lauter...die ganz vorne an der Ampel haben dich noch nicht gehört!“

„Oh Lucielle...“, schmollte das Mädchen gerührt, doch die andere Frau winkte ungeniert ab.

„Er wird ihm wahrscheinlich gar nicht schmecken...“, gestand Lucy und seufzte.

„Es ist die Geste, die zählt. Der Kuchen könnte noch so bescheiden schmecken und er würde sich trotzdem freuen.“

„Du als Vollzeitromantikerin hast mit Kai doch den totalen Fehlgriff erlitten, oder?“

Mirka hob den eingepackten Blumenstrauß hoch und lächelte bescheiden: „Er hat seine Momente...“
 

*~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„...brauchen wir sonst noch etwas?“, erkundigte sich Spencer und warf die Packung Nudeln in den Einkaufswagen.

„Getränke?“, meinte Bryan und lehnte sich auf die Griffe des Metallwagens, „oder willst du die woanders holen?“

„Wenn wir schon mal hier sind...“, murmelte der Riese und schlenderte ins nächste Regal, wo er allerdings kurz darauf schweißgebadet wieder Kehrt machte und seinen Teamkollegen erschrocken an stierte.

Bryan beobachtete das Schauspiel, wie dieser mit Muskeln bepackter Kerl sich ganz zittrig am Einkaufswagen festhielt und irgendetwas vor sich her stammelte.

„Spencer…?“

„Wir...müssen...gehen…! Jetzt!“

Der Junge verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und reckte grinsend den Hals.

„Wo ist sie?“

„Halt‘s Maul!“, fauchte Spencer und ging in die Hocke.

„Weißt du, wie lächerlich du gerade aussiehst?“, kicherte Bryan und stützte das Kinn auf seine Hand.

„Schnauze!“

„Hey Jungs“, hörten die beiden plötzlich besagte Frauenstimme, welche dem Riesen eine Gänsehaut verabreichte.

„Hey Amanda“, grüßte Bryan sie mit einem breiten Schmunzeln, „auch beim Wochenendeinkauf?“

„Ihr kennt das doch“, scherzte sie, „man glaubt, man hat alles und dann fehlt doch was...was machst du eigentlich da unten?“

„Ähm...also...weißt du...“, druckste der Riese in seiner Hocke und grinste sie schief an, „mir ist da was runter gefallen...“

Im selben Moment raunte er Bryan leise zu, dass er etwas unauffällig runter schmeißen sollte, worauf der Junge am Wagen skeptisch guckte. Allerdings war Spencer derjenige, der ihn mit Essen versorgen würde, solange Luna nicht da war, also nahm er etwas aus dem Metallwagen und ließ es mit einem schüchternem „Ups!“ fallen. Amanda und Spencer blickten ihn ungläubig an und er hob lediglich entschuldigend die Arme.

„Ist das deine Definition von unauffällig?!“

„Alles in Ordnung bei euch beiden?“

Spencer stand für seine Größe in einer geschmeidigen Bewegung auf und machte eine unbeholfene Geste, während Bryan immer noch breit grinste. Amanda blickte zwischen den beiden Russen hin und her, über ihrem Kopf erschien ein riesiges Fragezeichen.

„Es...tut...mir...leid...“, stammelte Spencer plötzlich, „aber als ich dich gerade im anderen Gang gesehen habe, war ich völlig überrumpelt...“

„Ach so“, grinste sie verlegen, „du armer Kerl...“

Jetzt erschien das dicke Fragezeichen über Bryan und Spencers Kopf, während die junge Frau immer noch kicherte.

„Da sehen wir uns drei Jahre lang nicht und dann gleich zwei Mal in einer Woche. Mir wird zwar nachgesagt, dass ich ziemlich hartnäckig bin, aber das war nicht meine Absicht.“

Spencer seufzte erleichtert auf. Er hatte damit gerechnet, dass sie völlig schrill kreischend auf ihn losgehen und zu Boden ringen würde. Stattdessen tat er ihr jetzt leid! Verstehe einer die Frauen…

„Sie greift mich gar nicht an“, raunte Spencer auf russisch zu seinem Teamkollegen, welcher sich ein Lachen verkneifen musste.

„Warum sollte sie?“

„Jungs...ich kann euch nicht verstehen. Habt wenigstens den Arsch in der Hose und lästert in meiner Sprache über mich, ja?“, tadelte das Mädchen sie, wenn auch nicht sonderlich streng.

„Spencer hat mich gerade gefragt, ob es jetzt der richtige Zeitpunkt wäre, dich auf einen Kaffee einzuladen“, meinte Bryan und spürte, wie sein Unterarm von seinem Kollegen fest gepackt wurde und unterdrückte einen schmerzhaften Aufschrei.

Amanda machte eine gerührte Miene und prüfte sofort ihren Terminkalender, während Spencer immer fester zupackte und Bryan die Lippen aufeinander presste vor Schmerz.

„Ähm...so wies aussieht habe ich leider nur Montag nach der Arbeit Zeit...passt das für dich?“

„Mach dir nur keinen Stress, Amanda, „lächelte Spencer sie überaus freundlich an, „wenn wir schon mal etwas nur zu zweit unternehmen, dann in einer entspannten Atmosphäre...“

„Nein, Montag passt mir völlig. Ich kann ziemlich schnell vom Arbeitsstress abschalten, du wirst es gar nicht bemerkten. Treffen wir uns im selben Lokal wie gestern? Acht Uhr?“

„Klingt super! Ich freu mich schon!“

Nachdem sich die Frau winkend von den beiden Russen verabschiedet hatte blickte Spencer langsam wie in Zeitlupe zu seinem Kollegen und funkelte ihn garstig an. Dieser grinste mit einem schmerzverzerrten Gesicht.

„Wusstest du schon, dass du übelst creepy bist? Wirst romantisch, wenn du jemanden Schmerzen zufügen kannst! Und ich dachte ich wäre der Sadist!“

„Dir ist schon bewusst, dass du heute Abend hungern wirst?“, erkundigte sich der Riese in einem unheimlich ruhigen Tonfall.

„Japp. Aber das war es alle mal wert!“, stöhnte Bryan auf, „sie ist mittlerweile weg...du kannst mich also wieder loslassen!“

„Oh nein...“, raunte sein Gegenüber und seine Augen glänzten noch mehr, „wir beide sind noch lange nicht fertig!“
 

Zur selben Zeit…

Tala sank mit einem tief entspannten Seufzer in die Badewanne und legte den Kopf nach hinten an, während der heiße Wasserdampf das Zimmer in einen leichten Nebel hüllte. Sein Handy lag am Waschbecken und spielte eine Playlist ab, wobei der Junge erst richtig abschalten konnte. Bis vor wenigen Minuten hatte er noch mit Luna telefoniert, wobei sie ihm stolz verkündet hatte, dass sie ihren ersten Cocktail ohne zu pfuschen mixen konnte. Wie es Beziehungsexperten von Tala verlangt hätten, lobte er sie und wünschte sich, dass sie, sobald Luna wieder daheim wäre für ihn diesen Cocktail mischen dürfte.

„Na klar!“, hatte sie sich gefreut, „sogar sehr gerne!“

„Dann darfst du uns ab Dienstag sogar ganz offiziell abfüllen.“

„Ihr seit mir viel zu trinkfest...bis ich euch drei voll hab, sind meine Ersparnisse aufgebraucht.“

„Ich wollte nur gleich die Sache im Keim ersticken.“

„Du hast eine merkwürdige Art, mir zu schmeicheln...“

„Ich weiß.“

„Was machst du heute Abend noch so? Schmollst du schon?“

„Im Gegenteil. Ich lasse mir gerade ein Bad ein und wenn ich damit fertig bin steht mein Essen schon auf dem Tisch und danach zock ich mit Bryan eine Runde...“

„Versteht ihr das unter einem Männerabend?“

„Den hatten wir bereits gestern.“

„Ihr wart echt aus?“

„Jupp.“

„Wo denn?“

„In der Innenstadt. In dem Lokal, wo es die kleine Tanzfläche gibt...“

„Oh...da müssen wir auch mal unbedingt hin!“

„Aber nur, wenn die Hexe nicht da ist!“

„Hexe?“

„Wir haben eine alte Bekannte von Spencer getroffen, welche mit ihrer Chefin einen heben war. Die Alte hatte definitiv einen Besen zu viel im Arsch.“

Luna kicherte am anderen Ende und stellte fest, dass ihr Zimmerservice angekommen war.

„Reg dich nicht weiter auf...und genieß die Zeit, wo du Ruhe vor mir hast...“

Ehrlich gesagt, vermisse ich dich, hatte er sagen wollen, stattdessen lachte Tala nur kurz auf und die beiden verabschiedeten sich.

„Ich bin so ein Idiot...“, raunte er jetzt und ließ sich tiefer in die Wanne sinken, „warum kann ich es ihr nicht einfach sagen…?“

Der Junge starrte an die Zimmerdecke, während er der Musik lauschte und sich sämtliche Szenarien durch den Kopf gingen ließ, wie er Luna am Bahnhof wieder in seine Arme schließen konnte. Er seufzte tief und rieb sich die Schläfen, während die Wohnungstür schwungvoll aufgeschmissen wurde. Tala zuckte kurz zusammen und wollte sich schon über den Krach beschweren, doch in diesem Moment stieß die Tür zum Bad ebenfalls laut auf.

„Was zum…?!“, rief der Rotschopf und setzte sich hastig auf, während Spencer seinen Teamkollegen im Schwitzkasten hatte und zur Badewanne führte.

„Nur eine Lektion“, grinste der Riese gehässig und drückte Bryans Kopf Unterwasser, „er hat anscheinend vergessen, was passieren kann, wenn man mich zur Weißglut bringt!!“

Ruckartig zog Tala seine Beine an und beobachtete das Spektakel, welches sich ihm gerade bot. Nach einigen Sekunden hob Spencer Bryan wieder hoch und fragte streng: „Hast du mir was zu sagen?!“

„Fick dich man!“

Erneut tauchte der Kopf ins Wasser. Tala warf dem Riesen einen fragwürdigen Blick zu, sagte jedoch nichts. Er wollte schließlich nicht der nächste sein…

„Hast du mir jetzt was zu sagen?!“

„Ich bleib dabei!“, fauchte Bryan, bevor er zum dritten Mal untertauchte.

„Ihr wisst aber schon, dass ich nackt bin?“

„Als ob du es nötig hättest, dich zu verstecken“, lachte Spencer auf und hob Bryan wieder hoch, „ich höre?“

„Ich hab Schaum in den Augen!“

„Leider falsche Antwort...“

Tala legte den Kopf leicht schief, während die Luftblasen von Bryans Kopf aufstiegen und überlegte mittlerweile schon, ob er dazwischen gehen sollte.

„Sag es!“

„Okay! OKAY! Es tut mir leid!“

Spencer grinste zufrieden, tauchte ihn jedoch noch mal unter und sah zu Tala.

„Er hat sich doch eben entschuldigt…?“

„Das ist, damit er es verinnerlicht...“, gestand der Riese und drückte ihn noch weiter runter, „leiden sollst du! LEIDEN!!“

„Ah...ja...“
 

*~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Amanda kassierte gerade ihren letzten Kunden für heute ab und blickte aus dem Schaufenster des Kosmetikstudios. Draußen regnete es in Strömen, zum Glück hatte sie heute Morgen einen Schirm eingepackt!

„Ich mach schon mal Feierabend“, verkündete ihre Kollegin und machte ein trauriges Gesicht.

„Was ist?“

„Süße...wenn er nicht kommen sollte, dann rufst du mich an und ich komme mit einem Becher Eis und einer Flasche Wein zu dir, okay?“

Amanda lächelte freundlich und nickte. Sie hatte weder Spencers Nummer, noch seine Adresse, sie musste sich also einzig und allein darauf hoffen, dass der Kerl wirklich kam. Die Frau guckte auf die Uhr und stellte fest, dass auch sie endlich Feierabend hatte. Während ihr Herz bis zum Hals schlug packte sie ihre Handtasche zusammen und linste zum Eingangsbereich, da die Türklingel geläutet hatte. Ihre Chefin stand plötzlich vor ihr.

„Ich habe noch eine Kundin für dich“, verkündete sie und stellte ihren Regenschirm in den Ständer.

Och ne…, fluchte Amanda innerlich, lächelte sie jedoch freundlich an.

„Für?“, erkundigte sie sich und ließ ihre Tasche im Aufenthaltsraum zu Boden fallen.

„Maniküre und Pediküre.“

Das war eine Arbeitszeit von 45 Minuten, rechnete die Frau und stellte fest, dass sie, wenn sie die Straßenbahn nehmen würde nur knapp Verspätung hatte.

„Und wann kommt sie?“

„Sie ist schon hier“, meinte Elke, ging in die Kabine und setzte sich auf den Stuhl, „ich bin deine Kundin!“

Amanda ließ die Schultern sinken und ärgerte sich, dass sie Spencers Nummer nicht hatte. Wenn sie jetzt ihre Chefin bedienen musste, dann war Perfektion im Überfluss gefragt. Dieser Nagellack gefiel ihr doch nicht mehr, da war noch was zum feilen, hier hast du aber nicht richtig gearbeitet...das ganz normale Programm eben…

Die Frau ließ sich auf ihren Hocker nieder und seufzte innerlich schweren Herzens, während sie das Fußbad einließ.

„Womit habe ich denn das Vergnügen?“, fragte sie und begann damit Elkes Finger zu bearbeiten.

„Ich fliege morgen spontan in Urlaub. Schließlich muss ich nicht nur hier sondern auch nach meinen Angestellten in Thailand sehen.“

Mit Angestellten meinte sie das Hausmädchen und den Poolboy ihres Ferienhauses, welches auch mehr ein Bungalow war. Und mit überprüfen meinte sie auch sich am Stand sonnen und Cocktails von früh bis abends schlürfen, aber wer wollte ihr schon widersprechen?

„Das ihr beiden mir auch ja ordentlich arbeitet!“, mahnte Elke und betrachtete ihre Untergebene bei ihrer Tätigkeit.

„Natürlich...“

„Wenn ich wiederkomme möchte ich meinen Laden genauso vorfinden, wie ich ihn verlasse!“

„Sehr wohl...“

„Ich werde sehr wahrscheinlich für 10 Tage weg sein...höchstens 14.“

„Viel Erfolg.“

„Du wirst in dieser Zeit die Leitung haben. Enttäusche mich ja nicht!“

„Ich Glückspilz!“

„Sag mal, Amanda...wieso bist du eigentlich immer noch Single? Du bist doch eine rechts attraktive Frau Ende 20? Du bist doch nicht lesbisch?“

Die Frau hielt kurz inne und unterdrückte ein Brummen. Natürlich bin ich noch Single! Ständig muss ich Überstunden schruppen, bin immer völlig fertig von der Arbeit und wegen dir blöden Kuh verpasse ich grade mein Date!

„Ich habe den Richtigen eben noch nicht gefunden...“, lächelte sie stattdessen verlegen.

„Du musst dich ranhalten...bald werden dich die Männer nicht mehr ansehen wollen, weil du immer älter und älter wirst...“

„Zum Glück haben wir dafür die richtigen Cremes im Sortiment.“

„Das kannst du laut sagen!“, lachte Elke heiter, „was würde ich nur ohne meine Tiegelchen machen?“

Alt aussehen, dachte sich Amanda und zeigte ihrer Chefin das Resultat ihrer Arbeit, während sie selbst auf die Uhr blickte und seufzte. Es waren bereits zwei Stunden vergangen. Spencer war sicherlich schon wieder zu Hause und schimpfte einen Dreck auf sie…

„Nicht schlecht“, gab Elke von sich und beäugte Hände wie Füße, „das kann sich sogar sehen lassen.“

„Vielen Dank.“

Ihre Chefin ging mit ihr noch einmal jede Einzelheit durch, auf die sie sich zu konzentrieren hatte und verließ schließlich den Laden. Amanda wartete kurz, bis Elke in ihr Auto gestiegen war, dann warf sie den Kopf gen Nacken und stieß einen entnervten Seufzer aus. Sie ballte die Fäuste zur Uhr und ärgerte sich, dass sie ihre Verabredung wegen so einer verpasst hatte.

„Wenn ich nur ein paar Sekunden schneller gegangen wäre!“, tadelte sich die Frau selber und schnappte sich ihre Handtasche, „dann wäre ich jetzt schon bei meinem zweiten Cocktail und hätte definitiv den Spaß meines Lebens!“

Sie schaltete alle Lichter aus, schloss die Ladentür ab und spannte ihren Schirm auf, bevor sie fürchterlich erschrak. Vor ihr hatte sich ein Mann aufgebaut, welcher nach ihr griff. Reflexartig streckte sie ihm ihre Tasche entgegen und schloss die Augen.

„Bitte! Bitte nehmen Sie, was Sie wollen! ALLES! Aber denken Sie daran, meine Katze zu füttern!“, rief sie ängstlich.

„Eigentlich“, kicherte er belustigt, „wollte ich dir nur einen Kaffee reichen...“

Amanda hielt inne und riss ihre Augen wieder auf. Seine Stimme…

„Spencer?!“

„Anwesend.“

Ihre Blicke trafen sich, während Passanten die beiden mit schrägen Blicken aus sicherer Entfernung beobachteten. Er hatte einen Regenmantel an, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und reichte ihr gerade einen Pappbecher, sie hielt ihm ihre Handtasche mit ausgestreckten Armen entgegen. Ein Bild für die Götter.
 

„Es tut mir so leid!“

„Du musst dich nicht andauernd bei mir entschuldigen“, scherzte Spencer, „die ersten fünf Male haben völlig ausgereicht!“

Amanda stützte den Kopf auf eine Hand und stöhnte, während er ihr in dem kleinen Bistro gegenübersaß und breit schmunzelte.

„Ich geniere mich so!“

„Naja...du hast mich auf offener Straße angeschrien, ich soll deine Katze füttern. Hatte schon was an sich.“

„Dabei habe ich noch nicht mal eine Katze!“

„Warum sagst du dann so was?“

„Verteidigungskurs von letztem Jahr. Angeblich bekommt der Übeltäter Mitleid mit dem Opfer, wenn es Kinder oder Katzen gibt, um die man sich kümmert.“

„Echt jetzt?“

„Hat es funktioniert?“, erkundigte sie sich.

„Du hast mir durch dein Geschreie mehr Angst gemacht, als mit der Aufgabe, mich um deine imaginäre Katze zu kümmern.“

Amanda lächelte endlich wieder und nippte an ihrem Kaffee.

„Außerdem wäre es um einiges effektiver, wenn du den Angreifer eins mit deiner Tasche überziehst“, bemerkte Spencer und hob diese hoch, „trägst du da Backsteine mit dir herum?“

„Nein.“

„Versuch es mal damit. Hinterlässt auf jeden Fall einen bleibenden Eindruck.“

„Wie hast du mich überhaupt gefunden?“

„Das war ganz einfach“, gestand er verschmitzt, „nachdem ich über eine Stunde gewartet hatte, habe ich Kosmetikstudios gegoogelt und nachdem ihr Bilder von euch auf eurer Seite habt war es ein Kinderspiel.“

„Du armer Kerl hast solange auf mich gewartet?!“

„Ja.“

„Warum bist du bei diesem Wetter nicht wieder nach Hause gegangen?“

„Ich habe es dir versprochen“, meinte Spencer und zuckte mit den Schultern, „außerdem meinte meinte meine Mitbewohnerin einmal, dass Frauen sich immer verspäten würden...das gehöre irgendwie dazu...“

„Ihr wohnt mit einer Frau zusammen…?“

„Schrägstrich Talas Freundin.“

Amanda hob anerkennend die Augenbrauen und lehnte sich jetzt lässiger in ihrem Stuhl zurück. Sie seufzte erleichtert und schlug ein Bein über das andere, während Spencer immer noch völlig normal da saß.

„Und?“, fragte sie neugierig, „was hast du in den letzten drei Jahren ohne mich so getrieben?“

„Alltägliches.“

„Das klingt ja langweilig...“

„Es ist auch nichts besonderes passiert.“

„Kein Mädchen, welches dir schöne Augen gemacht hat?“

„Ich...also...Frauen...wirken nicht so auf mich...wie sie vielleicht sollten…?“

Amanda beugte sich nach vorne und flüsterte schon fast: „Bist du schwul?“

„NEIN!“

„Sorry! Aber normalerweise ist das der Fall, wenn Frauen dich nicht reizen...“

„Durch Tala und Bryan habe ich mitbekommen, was Frauen mit einem Mann anstellen können...und das hat mir völlig gereicht!“

„Du hast ja gar keine Ahnung, was ich alles mit dir anstellen möchte...“, raunte das Mädchen und nahm einen Schluck.

„Was?“

„Was?“

Die beiden blickten sich für eine Zeit lang wortlos an, nur das sanfte Plätschern des Regens war zu hören und die Stimmen der restlichen Personen im Bistro.

„Ich...ich finde es gut...das...das...du deine Haare nicht mehr blond trägst...“, stammelte der Riese plötzlich verlegen.

„Danke“, schmunzelte Amanda und spielte mit einer Haarsträhne, „das ist doch schon mal ein Anfang.“

Er atmete erleichtert auf und nahm einen kräftigen Schluck seines Getränks, da seine Kehle urplötzlich staubtrocken geworden war.

„Also weißt du, was dir an Frauen gefällt?“, erkundigte sich Amanda vorsichtig.

Spencer verschluckte sich beinah an seinem Getränk und klopfte sich mehrmals auf die Brust.

„Sorry...“

„Ich hätte damit rechnen müssen“, hustete er, „andererseits könnte ich dich fragen, was dir so besonders an mir gefällt, dass du auch nach drei Jahren immer noch...na das halt...“

Amanda lief augenblicklich rot an und versuchte ihr Gesicht hinter ihrem Becher zu verstecken.

„Ich kann dich Tomate bis hierhin sehen“, kicherte Spencer und lehnte sich auf seine Arme, „jetzt kannst du dir im Ansatz vorstellen, wie ich mich fühle.

Sie guckte zu ihm rüber, während er herausfordernd mit den Augenbrauen wippte und vielsagend grinste.

„Okay...“, überlegte sie entschlossen, „dann mach eben ich den Anfang...“

„Echt jetzt?“, wunderte sich der Riese überrascht.

„Klar. Vielleicht kommst du dann ja mehr aus dir heraus?“

„Wage ich zu bezweifeln...“

„Egal.“

Sie nahm einen großen Schluck Kaffee, stellte den Becher ab und räusperte sich, derweil rutschte Spencer immer nervöser auf seinem Stuhl hin und her.

„Es scheint dir ja kein Geheimnis mehr zu sein, dass ich auf dich stehe. Damals sowie heute. Kann sein, dass ich eine Schwäche für durchtrainierte Muskelpakete wie dich habe, oder einfach nur die Tatsache, dass du es damals anscheinend überhaupt nicht gecheckt hast. Das hat wohl den...nennen wir es ‚Jagdtrieb‘ in mir geweckt.“

Spencer sah sie ungläubig an, wagte es jedoch nicht, sie zu unterbrechen. Im Gegenteil: er war gespannt, was da noch kommen würde.

„...du hast mir damals mit diesem Leuchten in deinen Augen erzählt, wie stolz du bist, BeyBlader zu sein. Und ich denke, dass das der Punkt war, an dem mein Interesse geweckt worden war. Leidenschaft für etwas zu haben, so wie du es hast, ist heutzutage selten geworden und ich dachte, wenn du für einen Sport das empfindest, dann könntest du das eventuell auch irgendwann mal für mich. Du bist dran.“

„Äh...ich...“, überlegte er, „ich mag dich.“

„Darauf kann man aufbauen“, grinste Amanda.

„...und ich sehe, wie Luna und Tala glücklich sind...zumindest stell ich mir so glücklich sein vor.“

„Ich höre da ein ganz großes ‚aber‘...“

„Ich habe hautnah mitbekommen, was die beiden durchgemacht haben, um da zu sein, wo sie jetzt sind. Ein ständiges hin und her. Davor habe ich Tala und Rachel erlebt...und glaube mir! Das...hat...jeden...von...uns...mitgenommen...“

„Ich glaube, dass ich mich sogar daran erinnern kann. Damals hast du den Kontakt zu mir abgebrochen...“

„Das war eine ganz schlimme Zeit. Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir dies nicht mehr erwähnen...“

„Klar. Verständlich.“

„Vor Rachel...war...Prissilla“, seufzte Spencer schwerfällig und machte eine vielsagende Geste, „es...war...wie ein Autounfall.“

„Personenschaden?“

„Du konntest nicht hin, jedoch auch nicht wegsehen.“

„Ah...verstehe...“

„So gut der Sex auch sein mag...aber dieses ganze Drumherum...“

„Du meinst Beziehung?“

„Ja! Das ist einfach nichts für mich...“

„Nur weil dein Teamkollege ein paar Fehltritte hatte wirfst du gleich das Handtuch?“

Er blickte sie verwundert an. So hatte noch nie jemand mit ihm gesprochen...auf dieses Thema bezogen.

„Du hast es nie versucht! Woher willst du wissen, wie der Kuchen schmeckt, wenn du vorher nicht vom Teig nascht?“

„Willst du damit sagen, dass ich an dir naschen soll? Ernsthaft?!“

Amanda setzte ein genüssliches Lächeln auf und legte behutsam eine Hand auf Spencers.

„Ich mach dir...einen Vorschlag...“

„Ohje...“

„Atme einfach weiter und hör dir erst mal an, was ich dir zu sagen habe...“

„Okay.“

„Lass es uns probieren. Völlig ungezwungen. Für...sagen wir...einen Monat?“

„Ab wann?“

„Du sagst, wann wir starten.“

„Wirklich?“

„Wirklich. Ich zwinge dich zu nichts, dennoch möchte ich, dass du dich darauf einlässt.“

„Das kann ja lustig werden“, seufzte der Riese, stimmte jedoch ein.

„Keine Angst“, lächelte Amanda, „ich beiße nicht. Es sei denn, du willst es…?“

Kapitel 28

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 29

Als Amanda das erste Mal in die WG der Blitzkrieg Boys eintrat empfing sie eine Wolke von Aftershave vermischt mit Frauenparfüm. Es war sehr ordentlich und alles schien seinen festen Platz zu haben. Während Amanda im Flur immer noch die einzelnen Trophäen und Medaillen bewunderte war Spencer bereits in die Wohnküche vor gegangen, wo sich Luna und Tala gerade eine Pizza teilten.

„Wofür koch ich eigentlich?“, fragte er schon fast gekränkt und stemmte die Pranken in seine Hüfte.

„Wir hatten Hunger...“, knörten die beiden im Chor, „und du warst nicht da...“

„Und da ruft ihr einfach den Lieferservice an?“

Tala und Luna warfen sich einen misstrauischen Blick zu, erwiderten jedoch nichts. In diesem Moment trat Amanda ebenfalls in den Raum und staunte immer noch über die Einrichtung. Ihre Blicke trafen auf Tala und Luna, welche sie mit einem freundlichen Lächeln begrüßte. Die beiden winkten stumm zurück, da sie sich gerade ein großes Stück Pizza in den Mund geschoben hatten.

„Wir haben ein Problem“, meinte Spencer plötzlich und lehnte sich über die Kochinsel zum Rotschopf rüber, „ein...großes...“

„Was hat Bryan denn schon wieder angestellt?“

„Diesmal nichts...noch nicht zumindest...“

Tala hob anerkennend die Augenbrauen und biss ein weiteres Stück Pizza ab.

„Um ehrlich zu sein...Amanda hier...hat ein großes Problem...“, meinte Spencer und machte eine Geste zu ihr, dass sie ruhig näher kommen könnte.

Dezent nervös trat die Frau an die Kochinsel und kam nicht drumherum, die schöne Granitarbeitsplatte zu bewundern. Als Tala ihr den Pizzakarton rüberschob bemerkte sie, dass sie den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte und nahm sich dankend ein Stück.

„Worum geht‘s denn genau bei deinem Problem?“, fragte der Rotschopf.

„Es ist eine Katastrophe“, gestand sie und schlang das Pizzastück runter, „ja...ich glaube so kann man es ausdrücken...“

„Hört sich...dramatisch an…?“

„Willst du die ganze Geschichte oder reicht dir die Kurzfassung?“

Tala warf Amanda ein belustigtes Grinsen zu und meinte, dass ihm die Randfakten reichen würden.

„Ich muss das Studio seit heute völlig alleine leiten und brauche dringend zwei helfende Hände. Das war‘s auch schon...“

„Sie gefällt mir“, lächelte der Rotschopf Spencer zu und wandte sich schließlich wieder an die Frau, „ich dachte, dass du noch eine Kollegin hättest?“

„Die hat vor knapp einer Stunde aus heiterem Himmel gekündigt. Was rede ich da? Ich wunder mich die ganze Zeit schon, dass sie es so lange ausgehalten hat!“

„Die, die letzte Woche beim Trinken dabei war?“

„Genau die.“

„Das Nervenfrack?“

„Genau die.“

Tala machte ein schmerzverzerrtes Gesicht und pulte einen Pilz von seiner Pizza.

„Und...deine...tolle Chefin? Ist die nicht zum Arbeiten im Geschäft?“

„Die ist eben im Urlaub!“

„Du steckst ja echt tief in der Scheiße...“, bemerkte Luna.

„Das ist noch nett ausgedrückt...ich bin übrigens Amanda.“

„Luna.“

Die beiden Frauen schüttelten sich die Hände, bevor jede von ihnen sich noch ein Stück Pizza schnappte.

„Inwiefern können wir ihr weiter helfen?“, fragte Tala an Spencer.

„Wir vielleicht nicht...“, gestand der Riese und blickte zur Freundin seines Teamchefs, „sie eventuell schon...“

Luna guckte ihn groß an, ließ ihre Augen zu Amanda wandern und wieder zurück.

„Ich?“

„Du bist doch eine Frau! Und du kennst dich mit diesem ganzen Schönheitszeug aus!“

„Hä? Tu ich gar nicht!“

„Du hast dir letztens erst die Beine entwaxt!“, bemerkte Spencer.

„Ja. Ein Bein. Zur Hälfte. Okay! Nur das Schienbein! Das macht mich noch lange nicht zur Expertin!“

„Was war dann das mit deinen Augenbrauen? Die hast du dir doch auch selber gefärbt!“

„Das war ein totaler Reinfall“, lachte das Mädchen, „ich musste die Dinger zwei Wochen komplett neu nachziehen, bis die Drecksfarbe endlich angefangen hat zu verblassen...“

„Luna bitte“, schmollte Spencer, „ich würde dich nicht fragen, wenn es jemand anderes gäbe!“

„Das ist echt lieb von dir...aber ich habe erstens davon keine Ahnung und zweitens habe ich schon einen Job, falls du dich erinnerst...“

„Es ist ja auch nicht für immer...“

Gerade, als Luna schon genervt etwas entgegen wollte mischte sich Amanda ein.

„...okay...ich lehne mich mal viel zu weit aus dem Fenster und knall dir die Fakten einfach auf den Tisch! Es wäre kein Vollzeitjob, sondern als Aushilfe. 2-3 Stunden, wenn‘s hochkommt für 3 Tage pro Woche. Wenigstens nur so lange, bis ich eine neue Kosmetikerin gefunden habe!“

Luna blickte Amanda sprachlos an, vergaß sogar ihre Pizza zu kauen. Sie wandte sich an Tala, welche nur mit den Schultern zuckte und „ist deine Entscheidung“ sagte.

„Ich kann rein gar nichts, von dem Zeug...“, erwiderte sie kleinlaut.

„Kein Problem! Ich geb dir einen Crashkurs in allem.“

„Und an wem soll ich üben? An dir?“

„Du hast doch drei Mitbewohner...“

„Ich melde mich freiwillig als Versuchskaninchen!“, meldete sich Spencer sofort.

Tala verzog sein Gesicht abermals und fragte, ob er sich das auch gut überlegt hatte.

„Ich habe ihr versprochen, dass ich ihr helfe, wo ich nur kann. Und wenn ich Lunas Modell bin!“

Amanda und Luna zogen einen gerührten Schmollmund, während Tala immer noch skeptisch drein guckte.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~*
 

„Wahnsinn...“, staunte Luna nicht schlecht, als sie zusammen mit Spencer und Amanda ins Kosmetikstudio ging und die Einrichtung erblickte, „macht ihr nur die Extrareichen?“

„Nein“, kicherte Amanda und öffnete die Tür zu einer Kabine, „meine Chefin hat...sagen wir einen sehr exklusiven Geschmack...“

„Seh ich...“

„Ich bin dir wirklich, wirklich sehr dankbar, dass du dich bereiterklärt hast mir zu helfen!“

Luna warf Spencer einen vielsagenden Blick zu, während dieser vor lauter Stolz fast platzte. Er hatte sie den ganzen gestrigen Abend mit einem so ausdrucksvollen Dackelblick angesehen, dass sie gar nicht anders konnte.

„Ich schlaf drüber!“, hatte sie ihn irgendwann versprochen, „aber hör jetzt auf, mich so anzusehen! Da krieg ich ja Angst!“

„Du wirst es nicht bereuen!“, jauchzte Spencer und schlenderte wie auf leichten Füßen davon.

Luna schloss die Tür hinter sich und kroch zu Tala ins Bett, dieser hatte inzwischen das Licht ausgemacht und die Decke zurückgeworfen.

„Wahnsinn...er ist unheimlich, wenn er etwas wirklich will!“

Der Rotschopf kicherte und kuschelte sich von hinten an Luna heran, küsste ein paar Mal ihren Hals und seufzte zufrieden.

„Kennst du diese Amanda?“, erkundigte sich seine Freundin und machte es sich ebenfalls gemütlich.

„Von früher ja. Wir haben sie zufällig an unserem Saufabend wieder getroffen. Ist eigentlich eine ganz nette. Nicht auf den Mund gefallen. Sehr zielstrebig.“

„Hat man gemerkt...“

„Schlaf gut...“

„Du auch...“

Es weilte kurze Stille zwischen den beiden, da richtete sich das Mädchen wieder auf und sah zu ihrem Freund runter.

„Kannst du mir sagen, seit wann sich Spencer so für eine Frau einsetzt?“

Tala knörte irgendetwas von „ich will doch nur schlafen...“ und hob den Kopf.

„Ich erkenne ihn fast nicht wieder!“

„Das muss daran liegen, dass Amanda seit ein paar Tagen seine feste Freundin ist...“

Wieder Stille.

„SIE IST SEINE WAS?!“, rief Luna dann erschrocken aus, so dass Tala fast im Bett stand.

„Schrei doch nicht so...meine Ohren...“, jammerte er.

„Kaum bin ich mal für ein paar Tage nicht zu Hause feiert ihr wilde Orgien und Spencer findet eine FREUNDIN?!“

„Sie wollte schon früher was von ihm...dann hat er den Kontakt abgebrochen und jetzt haben sie sich zusammen gerauft und so was wie einen Probemonat ausgemacht.“

„Probemonat? Mit Fummeln und Küssen und so?“

„Weiß ich nicht...komm, kuscheln...“

Jetzt stand Luna da. Zwischen Spencer und seiner Freundin Amanda und guckte verwirrt zwischen den beiden hin und her. Ein leichter Schauder machte sich in ihrem Körper breit und das Mädchen versuchte das Kopfkino loszuwerden, welches sich angebahnt hatte. Vergeblich…

„Wichtig ist vor allem, dass sich der Kunde wohlfühlt“, erklärte Amanda an Luna gerichtet, während Spencer sich seines Oberteils entledigte, „achte auf seine Körpersprache. Viele möchten sich lieber alleine umziehen, wieder andere haben kein Problem damit, wenn du bereits mit in der Kabine bist.“

„So wie er?“, grinste Luna und nickte in Spencers Richtung.

„Zum Beispiel. Er allerdings ist ein Bekannter von dir. Das enthemmt. Aber du musst trotzdem seriös bleiben.“

Amanda wandte sich dem Jungen zu und bemerkte seinen durchtrainierten Oberkörper. Sofort schoss ihr die Röte ins Gesicht und sie widmete sich ihrem Wax, während Luna sich bei diesem Schauspiel ein Kichern verkneifen musste. Spencer machte es sich bereits auf der Liege gemütlich, als Amanda mit dem kleinen Wagen zu ihm rüberkam.

„Kunde für Kunden musst du abschätzen, wie viel Material du benötigst“, fuhr die Frau fort, „je nach Dichte der Körperbehaarung und der Region, wo du waxen sollst.“

„Du tust mir jetzt schon leid...“, schmollte Luna und warf Spencer einen vielsagenden Blick zu, während er ihr nur den Daumen nach oben zeigte.

„Bei ihm kannst du noch scherzen...später bei normalen Kunden kannst du dir eine solche Wortwahl leider nicht mehr erlauben...“

„Verstanden.“

„Wir machen bei dir jetzt zuerst einen sogenannten Teststreifen, damit du eine ungefähre Vorstellung davon bekommst, was dich erwartet.“

„Mach nur...so eine Kleinigkeit wird mir schon nicht wehtun“, sagte der Riese lächelnd.

„Genau das Gleiche sagten schon viele vor dir“, belächelte Amanda ihn und trug das flüssige Wax vorsichtig auf einer Stelle auf.

Sie wartete kurz und zog den Streifen dann in einer schnellen Bewegung wieder ab. Stille. Beide Frauen richteten ihre Blicke zu dem Mann, welcher eine prüfende Miene aufgesetzt hatte.

„Und…?“, erkundigte sich Luna.

„Nicht so schlimm, wie immer alle sagen“, antwortete er gelassen und gab Amanda ein Zeichen, dass sie beruhigt weiter machen konnte.

Erneut trug sie das Wax auf, diesmal großzügiger.

„Wichtig ist, dass du wartest, bis das Zeug wieder angehärtet ist...“, erklärte sie Luna, „und dann in einer schnellen Bewegung...zack! Wieder abziehen. Und versuche es zu vermeiden, dem Kunden jedes Mal den benutzten Waxstreifen vors Gesicht zu halten...“

„Okay. Darf...ich…?“

„Natürlich.“

Die beiden Frauen wechselten ihre Position und Luna versuchte Amanda alles genau nachzumachen.

„Falls ich dir jetzt weh tue...“, murmelte das Mädchen und blickte zu Spencer, „du weißt doch, das ich mit dir leide, oder?“

Anstatt zu antworten kicherte der Riese lediglich, während seine Hand außerhalb von Lunas Sichtfeld nach Amandas Fingern griff. Diese blickte kurz zu der Berührung runter, dann wieder zu Luna. Dennoch schmunzelte sie stolz.

„So tun?“

„Genau...mit der Wuchsrichtung streichen...nimm ruhig etwas mehr beim nächsten Mal. Kurz warten...“

Luna holte noch einmal tief Luft, dann zog sie an dem Wax.

„Hab...hab ich es...richtig gemacht?“

„Siehst du noch Haare auf der Stelle?“

„Nö.“

„Lebt dein Kunde noch?“

„Ähm...Spencer?“

„Alles bestens!“

„Er lebt noch.“

„Dann hast du alles richtig gemacht.“

„Cool!“, lachte das Mädchen triumphierend auf und machte sich gleich an die nächste Stelle.

Nach guten zehn Minuten betrachtete sie ihr bisheriges Werk und schmunzelte.

„Was ist so lustig?“

„Ich könnte ihm eiskalt meine Initialen einwaxen“, kicherte Luna und bemerkte erst jetzt Amandas vielsagenden Blick, „...natürlich nur, wenn du nichts dagegen hast!“

„Wir machen unsere Arbeit sauber und gewissenhaft“, nickte Amanda ihr zu, „dein Kunde hat Brustkorb komplett bestellt und keine Muster.“

„Ihr macht Muster?“, wollten Spencer und Luna gleichzeitig wissen.

„Ja.“

„Echt jetzt?“, erkundigte sich der Riese verwirrt, „wer will so etwas?“

„Die unterschiedlichsten Personen. Wir haben vorne an unserer Kasse ein Buch mit möglichen Desings.“

„Sachen gibt‘s...“

„Ist eure Arbeit hier eigentlich zeitlich begrenzt?“, fragte Luna, während sie ihrer Tätigkeit weiter nachging.

„Natürlich...du hast heute jedoch noch alle Zeit der Welt.“

„Rein hypothetisch...wie lange dürfte ich jetzt dafür brauchen?“

„Eine gute halbe Stunde. Je nachdem wie schmerzempfindlich dein Kunde ist.“

„Was ist deine Lieblingsaufgabe hier auf der Arbeit?“, wollte Spencer plötzlich wissen.

„Das hier. Ich sehe Menschen gerne leiden...“, grinste sie breit, „Scherz beiseite. Allerdings habe ich hier meine Ruhe, kann also gewisser Maßen sogar abschalten...“

„Dann kannst du mir bei Gelegenheit mal eins deiner Lieblingsmuster machen“, grinste der Riese neckisch.

Luna hielt bei diesem Satz kurz in ihrer Bewegung inne und musste erst verarbeiten, dass Spencer einen auf verliebt machte. Insofern man das als verliebt bezeichnen konnte...

„Natürlich kann ich das machen. Sogar hier gleich im Anschluss, wenn du möchtest?“

„Wir haben ja Zeit“, gestand er, „Luna kann dann schon mal Tala holen für die Maniküre…?“

„Klar kann ich das...“, murmelte diese und versuchte erneut, ihr Kopfkino zu unterdrücken.

„Ich habe auch schon die optimale Stelle dafür“, zwinkerte Amanda ihm zu und blickte vielsagend an ihm herunter, „oder kriegst du jetzt kalte Füße?“

„Wieso sollte ich jetzt kalte Füße bekommen?“

„Dein Blick...er sprach Bände!“

„Nein, alles gut. Können wir machen.“

Erneut hielt Luna inne und war über Amanda und Spencers Umgang sichtlich überrumpelt. Sie hatte es schwer, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, während in ihrem Kopf gewisse Bilder spukten. Kopfkino deluxe hallo!

Nachdem sie mit seinem Oberkörper fertig war ließ sie Amanda einen prüfenden Blick darauf werfen.

„In Ordnung. Jetzt nur noch die Lotion auftragen, damit es keine Hautirritationen gibt und die letzten Reste vom Wax entfernt werden. Dann bist du auch schon fertig.“

Luna griff nach der Flasche, schraubte den Verschluss ab und guckte mit großen Augen zu der Frau, welche ihr gegenüber stand und reichte ihr die Lotion. Amanda nahm sie mit leicht verwirrten Blick entgegen, zuckte mit den Schultern und begann damit, Spencers leicht geröteten Oberkörper damit einzureiben. Als sie mit ihren Fingerkuppen über seine ausgeprägten Muskeln glitt spürte sie, wie ihr am ganzen Körper plötzlich ganz warm wurde und ihr die Röte erneut ins Gesicht schoss. Zum Glück hatte sie ein gut deckendes Make up aufgetragen.

„Nicht zu viel und nicht zu wenig...gleichmäßig verteilen.“

„Das riecht gut! Ist das Wacholderbeere?“

„Du hast eine gute Nase“, lobte Amanda das Mädchen und grinste leicht, „diese benutzen wir hauptsächlich bei Männern. Bei Frauen nehmen wir ehr so was wie Lavendel oder Rosenduft. Hast du an dieser Stelle noch irgendwelche Fragen?“

„Spontan keine. Du hast mir alles toll erklärt, Amanda.“

Die Frau lächelte dankend und verkündete Luna, dass sie jetzt Tala holen könnte. Er hatte sich dazu bereit erklärt, dass seine Freundin ihm eine Maniküre machen durfte.

„Dann wünsch ich euch beiden noch eine schönen Zeit“, winkte Luna ihnen zu, „quäl ihn nicht zu sehr!“

„Ich werde mich beherrschen...denke ich.“

Spencer warf ihr augenblicklich einen prüfenden Blick zu, welcher Amanda erneut zum Kichern brachte. Sie warteten kurz, bis sie die Ladentüre hörten, dann waren sie völlig alleine.

„Nun zu dir“, grinste das Mädchen vielversprechend und ließ den Handschuh erneut schnalzen, „welches Muster hätten wir denn gerne?“

Spencer musste lachen, als er Amanda so vor sich stehen sah, dann wurde seine Miene ernster, sogar ein wenig unsicher.

„Ich möchte dich nur gleich vorwarnen...bei mir sieht es da unten etwas...anders...aus, als du es vielleicht schon woanders gesehen hast...“

„Glaub mir“, lachte sie selbstsicher, „ich habe...schon einiges gesehen. Du kannst mich also nicht überraschen.“

Der Junge schluckte schwerfällig, ließ sie jedoch machen und beobachtete dabei Amandas Gesicht. Mit einem beinahe schon gierigen Grinsen zog sie seine Hose nach unten, unterdessen bemühte er sich, ruhig weiter zu atmen.

„Keine Angst...ich werde auch zärtlich zu deinem ‚kleinen Kumpel‘ sein...“, kicherte Amanda und stoppte plötzlich, ihre Augen weiteten sich aufs Maximum und ihr Atem wurde unregelmäßig.

„Ich habe dir doch gesagt, dass es bei mir anders aussieht“, schmollte Spencer niedergeschlagen und verspürte, wie die Scham in ihm hochstieg.

„Ähm...ja...“, stimmte die Frau ihm zu, „ich muss mich wohl berichtigen...“

„Es tut mir so leid...“

„Das muss es nicht. Wobei ich zugeben muss, dass du und dein...ähm...‘großer Kumpel‘ mich kurz überwältigt habt...“

Amanda nickte anerkennend und zog den Werkzeugwagen an sich heran, während sie kurz nach Luft rang und sich Wind zufächerte.

„Ehrlich! Ich war...lediglich...sprachlos.“

Spencer legte beschämt die Hände vors Gesicht und murmelte etwas auf russisch, bevor er tief seufzte und selber an sich runter blickte. Als Amanda seinen Blick bemerkte tätschelte sie seine Schulter fürsorglich und schielte verstohlen auf seinen Intimbereich.

„Sag mir nur eins, bevor wir anfangen...“, raunte sie und guckte den Jungen wieder ins Gesicht, „beißt...er…?“

„Oh bitte!“, lachte Spencer schallend, „mach dich nicht lächerlich!“

„Ich mein es ernst! Er sieht...gefährlich aus...“

Spencer grunzte amüsiert und bedankte sich bei Amanda, dass sie ihm die Nervosität genommen hatte.

„Gern. Das ist schließlich mein Job, als deine Freundin.“

Die beiden sahen sich für einen Moment lang zweifelnd an, bevor sie grinsten.

„Hört es sich für dich auch so komisch an?“

„Ehr ungewohnt...“, gestand Amanda und prüfte das Wax, „es ist schon eine Weile her, dass ich so genannt wurde.“

Sie schmierte die warme Masse auf die dafür vorgesehene Stelle und wartete kurz, dann zog die Frau Spencers Haut straff und entfernte das Wax mit einem schnellen „ratsch!“.

„Und?“

„Es zwickt...“

„Es...zwickt? Echt jetzt?“

„Ja.“

„Cool...endlich mal einer, der nicht vor Schmerzen stirbt.“

„Musste jeder deiner...‘Freunde‘ da durch?“

„Klar“, scherzte sie, „ich musste doch vorher schon prüfen, ob sie ihren Mann stehen könnten...warte. Das hört sich sogar für mich falsch an. Vergiss, was ich gesagt habe!“

„Und?“, grinste er verlegen, „habe ich bestanden?“

„Habe ich dir nicht gerade gesagt, dass du es wieder vergessen sollst?“

„Wie denn? Deine Hand ist nur wenige Zentimeter von meinem Penis entfernt!“

„Penis…? PENIS?! Junge das ist eine Waffe! Wenn er steht, dann kannst du ihn als Knüppel benutzen!“

Spencer grinste mitgenommen, während Amanda ihrer Arbeit immer noch belustigt fluchend nachging. Nach einer weiteren halben Stunde waren sie fertig. Die Frau holte einen Handspiegel, worauf Spencer irritiert zeigte.

„Willst du es nicht sehen?“, erkundigte sie sich.

„Ich weiß, wie er aussieht. Neuer Haarschnitt hin oder her.“

„Oh glaub mir!“, lachte sie, „du wirst ihn nicht wieder erkennen!“

Amanda richtete den Spiegel so aus, dass Spencer ihr Werk doch begutachten konnte.

„Um Himmels Willen!“, rief er verwundert aus und hob seine Augenbrauen, „wieso ist er…?“

„Noch größer? Weil du ihn das erste Mal komplett kahl siehst.“

Erschrocken legte der Junge eine Hand auf seinen Mund, damit sie ihn nicht breit grinsen sehen konnte. Amanda zog ihre Handschuhe aus und räumte ihr Zeug auf, während er sich aufsetzte und wieder anzog. Mit prüfenden Blicken beobachtete Spencer die Frau, welche ihm gerade noch so nahe gekommen war und wahrscheinlich sogar noch näher kommen würde und musste schmunzeln.

„Wie fühlst du dich?“, erkundigte sich Amanda professionell und legte wieder ihren Schmuck an.

„Nackt.“

Sie kicherte.

„Der Stoff fühlt sich komisch an...soll das so sein?“

„Das vergeht nach zwei Tagen wieder. Aber ich muss dich loben! So viel Schmerz auf einmal und steckst es einfach weg, wie einen Mückenstich.“

„Da müsste ich mich direkt mal bei Boris bedanken...“, murmelte er, während Amanda die Tür zur Kabine öffnete.

„Bitte was?“

„Ach nichts. Nur laut gedacht...“. winkte er desinteressiert ab und folgte ihr, „was machen wir als nächstes? Mani und Pedi? Augenbrauen zupfen und Wimpern färben?“

„Du kennst dich verdammt gut aus, dafür, dass du noch nie in eine Kosmetikstudio warst!“

„Luna. Sie macht das alles zu Hause selber und dadurch bekommen wir mehr davon mit, als uns wahrscheinlich lieb ist. Oh! Wie heißt dieses graugrüne Zeugs, welches ihr euch immer ins Gesicht schmiert?“

Amanda guckte ihn für einen Moment lang verwundert an, dann grinste sie und griff neben sich ins Regal, um einen Tiegel heraus zu holen.

„Eine Maske.“

Sie öffnete das Döschen und zeigte Spencer den Inhalt. Er roch daran und nickte eifrig.

„Das ist das Zeug! Das ist Bombe!“

„Soll ich mich jetzt freuen, oder wundern, dass du darauf stehst?“, grinste sie breit und stellte den Tiegel wieder zurück.

In diesem Moment kamen auch Luna und Tala ins Studio. Sie warfen den beiden misstrauische Blicke zu, während Amanda das Pärchen auf seinen Platz zuwies.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~*
 

Mirka wuselte wie von der Tarantel gestochen von einem Raum in den nächsten, ein Klemmbrett mit einer Checkliste in Händen und überprüfte, dass alles an seinem Platz stand. Die Hochzeit war in weniger als 10 Tagen, somit kam auch sie mit jedem Tag den Herzinfarkt ein wenig näher.

„Sie übernimmt sich noch“, bemerkte Kais Großmutter an ihren Enkel gerichtet, als die beiden dem Mädchen von der Brüstung des oberen Stockwerks zusahen, „du solltest ihr ein wenig Last abnehmen!“

„Das würde ich ja...aber sie hat mir diesen irren Blick zugeworfen...“, gestand der Junge und zweifelte an sich selber.

„Du musst dich mehr durchsetzen, Kai. Sonst wird sie dir irgendwann noch auf der Nase herumtanzen“, belächelte Odette ihre Aussage und beobachtete, wie das Gesicht ihres Enkels immer zweifelnder wurde.

Der Junge lehnte sich auf das Geländer und folgte Mirka mit seinen Blicken, das Mädchen schob immer wieder etwas zurecht, zupfte hier und dort an einem Vorhang und raufte sich die Haare. Kai schmerzte es zusehen zu müssen, wie sich seine Verlobte immer mehr rein steigerte und beschloss ihr unter die Arme zu greifen, egal was sie ihm an den Kopf schmeißen würde. Wort wörtlich.

„Du bleibst hier…!“, mahnte plötzlich eine zweite Stimme, genau in dem Moment, als sich der Junge vom Geländer abstieß, um seiner Verlobten zur Hilfe zu eilen.

Odette und Kai wandten sich synchron zu Voltaire um, welcher die Szenerie ebenfalls von weiter hinten begutachtet hatte.

„Kein Hiwatari hat sich je die Blöße gegeben eine Hochzeit zu arrangieren! Wofür gibt es schließlich das Personal dafür?“, brummte der Mann und guckte herablassend ins untere Stockwerk.

„Wir leben aber nicht mehr im 16. Jahrhundert...“, erwiderte Kai, „was ist deiner Meinung nach so falsch daran, seiner Frau zu helfen?“

„Noch ist sie nicht deine Frau.“

Odette warf einen verzweifelten Blick zwischen Kai und Voltaire, während sich die beiden immer noch finster an stierten, als plötzlich aus unterer Ebene ein klirrendes Geräusch zu ihnen drang. Einer der Angestellten hatte Vase aus Kristallglas fallen lassen und starrte jetzt wie vom Blitz getroffen auf die Brüstung, von wo aus die drei Hiwataris seinen Blick erwiderten.

„Soviel zum Personal...“, brummte Voltaire verärgert, „diese Vase war übrigens aus dem 16. Jahrhundert!“

Kai seufzte tief und rieb sich mit einer Hand seinen Nasenrücken, inzwischen war sein Großvater die Treppe runter gegangen und stauchte den jungen Mann zusammen. Als Voltaire immer lauter und wütender wurde drehte es Kai regelrecht den Magen um und er ging zwei Schritte vom Geländer weg.

„Es geht dir also immer noch so an die Nieren…?“

Der Junge schreckte auf und drehte sich zu seinem Vater um, welcher plötzlich hinter ihm erschienen war und ihn bedrückt ansah.

„Wundert es dich…?“

„Im Moment wundert mich hier gar nichts mehr...“, gestand Daniellé und atmete schwerfällig.

Just in diesem Augenblick eilte Mirka die Treppe zu ihnen hoch und packte Kai am Ärmel.

„Dein Großvater macht diesen armen Jungen gerade so fertig, dass er mit den Nerven am Ende ist…! Kannst du da nichts dagegen tun?“, flehte sie ihn an.

Kai warf ihr einen vielsagenden Blick zu: „Und da kommst du ausgerechnet zu mir?“

Mirka verstand seine Andeutung und lies die Schultern niedergeschlagen sinken, während Daniellé und Odette sich einen traurigen Blick zuwarfen. Voltaires Stimme nahm noch mehr an Lautstärke und Erniedrigungen zu, da entschied sich das Mädchen, selbst etwas unternehmen zu müssen.

Mit entschlossener Miene drehte sie sich auf ihren Fersen um und ging die ersten Meter, als sie plötzlich am Handgelenk gepackt und zurück gehalten wurde. Sie blickte Kai ungläubig an, welcher sie wortlos wieder zu sich zog und den Kopf schüttelte.

„Echt jetzt? Keiner von euch?“, wollte sie aufgebracht wissen.

„Er ist nun mal der Herr dieses Landsitzes...er hat das Sagen“, bemerkte Odette betrübt.

„Aber, wir müssen doch…!“

„Nein! Wir müssen gar nichts...“, entgegnete Kai und sah sie niedergeschlagen an, „wir können nicht...“

Er ließ ihre Hand los und blickte fast schon beschämt zur Seite, Mirka konnte seine Wut und den Schmerz über seine Hilflosigkeit an seiner restlichen Körperhaltung sehen. Sie trat an ihren Verlobten heran und legte mitfühlend eine Hand auf seinen Oberarm, woraufhin er sein Gesicht wieder ihr zuwandte.

„Es tut mir leid...“, raunte sie auf russisch.

Kai seufzte schwer und beobachtete, wie Voltaire inzwischen wieder die Treppe hochgekommen war und Mirka einen vielsagenden Blick in den Rücken warf. Augenblicklich legte der Junge den Arm schützend um das Mädchen und funkelte seinen Großvater herausfordernd an. Voltaire hielt in seiner Bewegung inne, während die Luft um die beiden zu knistern begonnen hatte. Der Herr des Hauses plusterte seine Brust auf und zog die Mundwinkel noch mehr nach unten, um seinem Gesamtbild noch mehr Ausdruck zu verleihen.

„Kai…?“, flüsterte Mirka kaum hörbar, als sie bemerkte, dass ihr Verlobter immer angespannter wurde.

„Nicht bewegen...“, antwortete er auf russisch, da er wusste, dass sein Großvater diese Sprache nicht verstand.

Es vergingen einige Sekunden, welche sich für Kai wie eine Ewigkeit anfühlten indem er versuchte den Blicken seines Verwandten stand zu halten. Schließlich lächelte der Junge, nein, er kicherte schon fast.

„Entschuldigt uns bitte...“, meinte er mit einem gespielten Anflug von Euphorie, „aber meine Verlobte und ich haben noch ein paar Vorkehrungen zu treffen.“

Seine Finger griffen sich in Mirkas und so gingen sie zusammen die Treppe wieder unter, jedoch nicht, bevor Kai seinen Großvater einen triumphierenden Grinser zuwerfen konnte. Dieser schnappte hastig nach Luft, da er mit so einer Aktion nun gar nicht gerechnet hatte und wollte seinem Enkel schon etwas zurufen, doch da legte Daniellé bereits seine Hand auf dessen Schulter.

„Na komm, Vater...wir messen mal kurz deinen Blutdruck, bevor er durch die Decke geht.“

„Er benimmt sich wie ein trotziges Kleinkind!“, fauchte der alte Mann und sein Kopf lief rot an vor Wut.

„Ich finde es sehr zuvorkommend von ihm, dass er Mirka helfen möchte“, bemerkte Odette mit einem leichten Schmunzeln und sah ihrem Enkel lange nach, bis er und das Mädchen in den Salon verschwunden waren, „das zeigt uns doch eigentlich, dass er eine sehr gute Erziehung genossen hat.“

Voltaires Augen quollen beinahe schon aus ihren Höhlen hervor, als er die Worte seiner eigenen Frau verarbeitet hatte. Daniellé versteckte sein selbstgefälliges Grinsen hinter seiner Faust und tat so, als ob er sich räuspern müsste. Er vermerkte sich gedanklich, dass er seiner Mutter für diese simplen, dennoch sehr effektiven Worte einen großen Blumenstrauß kaufen würde.
 

„...findest du nicht auch, dass sie die Vorhänge sehr elegant aufgehängt haben?“, fragte Kai an Mirka gewandt, während sie durch den Salon in Richtung Terrasse schlenderten.

Das Mädchen warf ihm einen ungläubigen Blick zu, ließ sich jedoch wortlos mitziehen, bis sie endlich an der frischen Luft waren, wo sich Kai sofort auf das Geländer stützte und tief durchatmete. Sie beobachtete die Szenerie unschlüssig darüber, ob sie ernsthaft Mitleid mit ihm haben sollte, oder ob er simulierte. Nein, dachte sie schlussendlich, Kai war nicht der Typ dazu...er hatte das nicht nötig.

„Es...tut mir leid...“, murmelte er plötzlich, „ich hätte dich fast in etwas mit reingezogen, wofür du gar nichts kannst...“

„Es muss dir nichts leid tun.“

„Doch. Ich hätte beinahe mein Versprechen gebrochen!“

„Meinst du dieses Versprechen, welches du mir gegeben hast, als wir Kinder waren? Das du auf mich aufpassen würdest…?“

Der Junge drehte sich zu ihr um, sein Gesicht war von tiefer Trauer überzogen, so dass es Mirka einen stechenden Schmerz versetzte. Er bedeutete ihr, dass sie zu ihm an die Brüstung kommen sollte und das tat sie auch.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~*
 

Der Geruch köstlichen Essens drang in ihre Nase, während Mirka an der Hand ihrer Mutter durch den großen Garten geführt wurde. Die farbenfrohen Blumen standen gerade in voller Pracht, Schmetterlinge flogen glücklich durch die Gegend und das Mädchen wünschte sich, so einen fangen zu dürfen.

„Mama! Guck mal!“

„Die sind schön, nicht wahr?“

Sie blieben an einem Rosenbusch stehen und Mirka fragte die Frau, ob sie eine pflücken durfte.

„Da fragen wir später mal nach...lass uns erst mal Hallo sagen.“

„Wer sind diese vielen Leute?“

„Das sind Freunde.“

„Haben wir wirklich so viele Freunde, Mama?“

„Natürlich!“

Die Menschen, an denen sie vorbei gingen standen alle in prunkvollen Kleidern und Anzügen da und unterhielten sich angeregt, während Mirka mit ihrer Mutter zu der steinernen Treppe ging, wo sie eine Frau begrüßten.

„Hiltrud!“, rief Mirkas Mutter und winkte der Frau.

„Ah...da seid ihr ja!“, grüßte diese zurück und gab beiden einen Kuss auf die Wange, „wie war euer Flug?“

„Oh! Fabelhaft. Zum Glück lässt sich die junge Lady hier leicht beschäftigen...“

„Wie geht es dir, Mirka?“, erkundigte sich Hiltrud und beugte sich zu dem Mädchen runter.

„Dein Kleid ist hübsch!“

„Danke. Deines aber auch!

Das Mädchen grinste verlegen und gab sich in eine angemessene Position, damit alle ihr neues Klein begutachten konnten.

„Du kannst jetzt spielen gehen“, meinte Mirkas Mutter und ließ ihre Hand los, „pass aber bitte auf deine Sachen auf, okay?“

„Warte! Bevor sie sich im Garten verirrt...“, unterbrach Trudie die beiden und winkte einen Jungen zu sich, „Mirka? Das ist mein Sohn, Kai. Er kennt diesen Garten, wie seine Westentasche! Er wird auf dich aufpassen.“

Sofort streckte der Junge Mirka seine Hand entgegen und sie ergriff sie. Er hatte große Kulleraugen und seine Haare standen frech in sämtliche Richtungen.

„Habt viel Spaß ihr zwei!“

Kaum hatten ihre Mütter die Worte ausgesprochen, rannten die Kinder auch schon Hand in Hand los. Kai achtete darauf, dass er nicht zu schnell war für sie mit ihren glatten Schuhen, immer wieder warf er ihr einen prüfenden Blick über die Schulter zu, ob sie noch rennen konnte. An einem seichten See angekommen, welcher im Schatten einer majestätischen Trauerweide stand machten beide halt. Kai grinste das Mädchen breit an und holte ein Stück Brot aus seiner Hosentasche, welches er Mirka reichte.

„Wieso soll ich Brot essen, wenn es dort drüben Obst und Eis gibt?“, fragte sie ihn ungläubig.

Augenblick ließ der Junge niedergeschlagen seine Schultern sinken, ging ein Stück in Richtung des Seeufers und winkte sie dann zu sich. Mirka zögerte kurz, folgte Kai dann doch und hockte sich neben ihn ins Gras.

„...und...was machen wir jetzt?“

„Wir warten.“

„Das klingt aber langweilig!“, beschwerte sich das Mädchen und stand wieder auf.

Noch bevor sie weggehen konnte griff Kai nach ihrer Hand und zog sie erneut zu sich runter, und zeigte auf die Wasseroberfläche. Aufgeregt zupfte er von dem Brot viele kleine Stücke ab, während Mirka bereits ein leises Fiepsen vernehmen konnte.

„Oh!“, jauchzten die beiden Kinder fröhlich, als eine Familie Graugänse mit drei Küken auf sie zuschwamm.

Sofort nahm Mirka die Brotkrümel entgegen, welche ihr Kai erneut reichte und schmiss sie den Tieren zu, welche gierig danach pickten.

„Die sind ja süüüüüß!“

„Das sind Graugänse. Mein Papa hat mir erzählt, dass sie ein Leben lang zusammen bleiben“, erklärte Kai und warf ebenfalls Brot.

„Die Eltern sind aber ganz schön groß...“, gestand Mirka verunsichert und rutschte zurück.

Eine der Graugänse schlug zur Demonstration mit den Flügeln, was das Mädchen nur noch mehr einschüchterte. Kai grinste und reichte ihr seine Hand.

„Die tun dir nichts. Komm wieder her, oder willst du die Küken verschrecken?“

„Was, wenn sie mich beißen wollen?“

„Die beißen nicht.“

Mirka wich erneut zurück, als die Graugänse nun auf dem Gras liefen und nach dem Brot pickten. Sie warf dem Jungen einen ängstlichen Blick zu.

„Du versprichst mir, dass sie mich nicht beißen?“

„Das kann ich dir nicht versprechen“, gestand er nüchtern, „aber ich verspreche dir, dass ich auf dich aufpassen werde!“

„Wirklich versprochen?“

„Ich verspreche dir, dass ich es verspreche!“

Schüchtern griff Mirka nach Kais Hand und setzte sich wieder neben ihm aufs Gras, wo sie beobachtete, wie der Junge die Tiere weiter fütterte.

Kapitel 30

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 31

„...das waren die wichtigsten Nachrichten für heute und nun wechseln wir zu meiner Kollegin mit dem Wetter! Ines? Was hast du für uns?“, strahlte der Moderator in die Kamera, sodass Luna beinahe schon Angst bekam.

„Kaum zu glauben, dass es schon Anfang November ist, aber dieses Wochenende ist perfekt für alle Motorradfahrer! Holt eure Maschinen ein letztes Mal für dieses Jahr heraus und genießt das Wetter, denn es wird vorerst das letzte schöne Wochenende sein!“

„Dann weiß ich jetzt schon, wer die nächsten zwei Tage definitiv nicht zuhause sein wird“, kicherte Spencer von der Kücheninsel aus und blickte ebenfalls kurz auf den Fernseher, „Tala ist seit wir von der Meisterschaft zurückgekommen sind nicht mehr gefahren.“

Luna warf dem Riesen einen Schmollmund zu: „Glaubst du wirklich, dass er gleich ein ganzes Wochenende wegbleiben wird?“

„Wenn es das letzte Mal für dieses Jahr sein sollte, wo er seine Maschine fahren kann dann ja.“

„Ein Glück muss ich am Wochenende arbeiten...“, seufzte Luna und ließ sich in die Sofakissen sinken.

Spencer kicherte bei diesem Anblick auf und schüttelte den Kopf.

„Hast du später mit Amanda nicht dein erstes offizielles Date?“, lenkte Luna vom Thema ab.

„Ja das habe ich“, erwiderte Spencer angespannt und seufzte, „wir gehen ins Kino.“

„Aw...in eine romantische Komödie?“

„Alien vs. Predator 5.“

Luna hielt sprachlos inne und guckte Spencer mit großen Augen an.

„Was ist?“

„Hast du dir den Film ausgesucht oder sie?“

„Ich habe mir aus dem aktuellen Filmprogramm die drei interessantesten rausgesucht und habe ihr die endgültige Wahl gelassen.“

„Was waren die anderen beiden Filme?“

Spencer legte den Kochlöffel beiseite und überlegte kurz.

„Ich kann dir die Titel nicht mehr sagen...“, murmelte er, „aber eines davon war auf jeden Fall als Romantikdrama abgestempelt.“

„Und da sucht sie sich ein galaktisches Gemetzel aus? Die Frau ist krass unterwegs!“, staunte Luna.

„Die Frau möchte mit mir zusammen sein...das ist krass genug!“

„Ich gönn es dir, Spencer“, strahlte Luna.

„Würde ich nicht wissen, dass es lieb von dir gemeint ist, dann könnte man glatt das Gegenteil raushören“, stutzte der Riese, schmunzelte jedoch.

„Es ist lieb gemeint!“

„Das weiß ich doch.“

„Wann geht‘s los?“

„Wir gehen um 9 etwas trinken und danach ins Kino.“

„...und dann knallst du sie richtig?“, erkundigte sich Bryan, welcher gerade in die Küche gekommen war.

Spencer und Luna warfen ihm einen vielsagenden Blick zu, doch der Junge grinste breit über beide Wangen.

„...tust du doch, oder…?“

„Er ist ein guter Junge“, nickte Spencer Luna zu, welche schon eine plumpe Bemerkung machen wollte, „manchmal etwas neben der Spur aber ein guter Junge...“

„Ich weiß“, seufzte das Mädchen und legte den Kopf schief.

„Wer geht heute Abend mit mir trinken?“, warf Bryan freudig in die Runde und lehnte sich auf die Kücheninsel.

„Schon wieder?“

„Was heißt hier schon wieder?!“, erwiderte der Junge empört.

„Wir waren doch erst letztes Wochenende...meine Leber streikt immer noch!“

„Du bist ein Mädchen, das ist was anderes.“

„Glaube ich nicht...“

„Doch es liegt daran.“

„Ich bin schon verhindert“, wehrte Spencer gleich ab, als Bryan ihm einen sehnsüchtigen Blick zuwarf.

„Du bist auf einer Mission“, erwiderte der silberhaarige Junge und hob seine Hände wie zum Gebet, „denn du wirst heute gefickt.“

„Bezweifle ich.“

„Das hoffe ich!“, rief Bryan empört.

Tala trat fröhlich vor sich her pfeifend in die Küche und guckte zwischen seiner Freundin und Bryan hin und her.

„Was hoffen wir?“, erkundigte er sich und legte seinen Helm auf die Kücheninsel.

„Das Spencer heute endlich ein Mann wird!“, strahlte Bryan und erntete einen vielsagenden Blick von Luna und dem Riesen.

„Ach ja“, erinnerte sich der Rotschopf, „heute ist ja das erste offizielle Date. Aufgeregt?“

„Aufgeregt? Ich kann seinen Ständer bis hier hin sehen!“, lachte Bryan.

„Hast du ihm Kaffee gegeben?“, fragte Tala an Spencer, während er den anderen Jungen nicht aus seinem Sichtfeld ließ.

„Nein. Ich nicht.“

Die beiden Jungen blickten zu Luna, welche sofort energisch mit dem Kopf schüttelte.

„Er sucht jemanden, der sich heute mit ihm betrinkt“, wehrte sie ab.

„Ah...“, gab Tala von sich, „es ist wieder mal soweit...“

„Du gehst doch sicherlich mit, oder Tala?“, flehte Bryan und hüpfte aufgeregt von einem Fuß auf den anderen.

„Sorry. Ich bin gerade dabei meine Tasche zu packen und dann bin ich für zwei Tage mit meinem Motorrad unterwegs. Frag doch...“

„Ich werde Kai selbst dann nicht fragen, wenn er der letzte Mensch auf Erden wäre! Lieber gehe ich alleine!“

„Eigentlich wollte ich Mirka vorschlagen…?“

„Spinnst du? Ich will saufen gehen und nicht unter den Tisch gesoffen werden!“

Luna guckte verblüfft durch die Runde, war sich nicht ganz sicher, ob sie das gehörte auch richtig vernommen hatte.

„Mirka? Solojow Mirka, Kais Frau?“

Tala, Spencer und Bryan nickten stumm mit einem vielsagenden Blick.

„Ihr verarscht mich?!“

„Wir wünschten, es wäre so...“

„Nicht euer Ernst!“

„Wenn es dieser kleine Kampfzwerg darauf anlegt, dann könnte sie die ganze rote Armee unter den Tisch trinken...“, murmelte Bryan und warf sich seine Jacke über, bevor er aus der Wohnung schlenderte.

„Ich mach mich ebenfalls auf den Weg“, grinste Tala und gab Luna einen Kuss auf die Wange, „die Maschine ruft schon nach mir!“

„Fahr vorsichtig!“, rief ihm das Mädchen noch hinterher, dann sah sie wieder zum Riesen, „er hat mich nicht mal gefragt, ob ich mitfahren möchte...“

„Klar hat er das nicht!“, lachte Spencer auf, „weil er weiß, dass du Motorräder hasst!“

„Wann habe ich…?“

„Gleich am Anfang, als du bei uns eingezogen bist.“

„Niemand merkt sich so eine Nebensache!“

„Du kannst nicht von Tala erwarten, dass er jeden Tag was mit dir unternimmt oder Zeit für dich hat. Gönn ihm dieses eine Wochenende, Luna...außerdem...hasst du nicht Motorrad fahren?“

„Es geht ums Prinzip!“, beschwerte sie sich gekünstelt.

„Dann frag ihn halt, warum er dich nicht gefragt hat.“

Luna seufzte tief, dann blickte sie Tala entgegen, welcher erneut in die Küche kam um sich richtig zu verabschieden. Er bemerkte ihren sehnlichen Blick und grinste.

„Ich bin spätestens Montag Abend wieder da.“

„Alles klar...“, schmollte das Mädchen.

„Dir liegt doch was auf der Zunge?“

„Warum du mich nicht gefragt hast, ob ich mitfahren will.“

„Weil ich weiß, dass du Motorradfahren hasst.“

Spencer verkniff sich sein breites Grinsen, indem er sich auf die Lippe biss, als Luna ihm einen bösen Blick zuwarf.

„Habe...ich was verpasst?“, wollte Tala verunsichert wissen, doch seine beiden Mitbewohner schüttelten wortlos die Köpfe, ohne den Blick voneinander zu nehmen.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~*
 

Selbst für einen Freitag Abend war die Kneipe gerammelt voll, als Bryan durch die Tür trat und sich zielstrebig zur Theke begab und setzte. Er winkte der Bedienung zu, während er seine Jacke von den Schultern gleiten ließ.

„Hi! Was darf‘s denn sein?“

Der Junge warf ihr einen schon fast erschrockenen Blick zu.

„Oh, hi Bryan!“, grüßte die Frau ihn und stellte sofort einen kurzen hin, „Wodka, richtig?“

„Ähm...danke?“, zögerte er kurz und blickte auf das kleine Glas.

„Kein Problem“, grinste sie, „lass ihn dir schmecken. Geht auf mich!“

Ulrike wandte sich kurz weg, um einen anderen Kunden zu bedienen, als Bryan ungläubig am Wodka roch. Vorsichtig steckte er seine Zungenspitze in die Flüssigkeit.

„Ist das ein neuer Brauch einen Shot zu trinken?“, kicherte Ulrike und stand erneut vor dem Jungen, „oder ist das so ein Russending?“

Bryan hielt in seiner Bewegung inne und sah zu ihr auf. Die junge Frau grinste in ihre Faust hinein, während er schnell den Kurzen kippte. Hoffentlich war da nichts drin…

„Noch einen?“

„Erst mal nicht“, wehrte er ab und blickte die Theke runter, „bist du heute die einzige Bedienung hier?“

„Soll ich dir lieber meinen schwulen Kollegen holen?“, hinterfragte sie dezent gereizt.

„Ähm nein...“

„Seit wann sind Wir denn so zurückhaltend?“

„Bin ich doch gar nicht!“

„Warst du letztes Mal schon, als deine Kollegen hier mit dir was trinken waren...“

„Da...da...hatte ich einen...schlechten Tag...“, murmelte Bryan.

„Was du nicht sagst.“

„Hast du nicht noch andere zu bedienen?“

„Im Moment warte ich auf deine Bestellung. Alle anderen sind versorgt.“

„Ach so!“

„Nur deswegen stehe ich auch direkt vor dir.“

„Oh...“, gab der junge sichtlich verlegen von sich, „ähm...“

„Du hast doch nicht etwa wirklich gedacht, dass ich…?“

Als Ulrike in Bryans grüne Augen blickte bemerkte sie jedoch, dass er genau das gedacht hatte. Das Mädchen versuchte ein herzhaftes Lachen zu unterdrücken und biss sich auf den Zeigefinger, konnte sich ein überaus deutliches Kichern nicht verkneifen.

„Sorry!“, jauchzte Ulrike schließlich und wedelte sich Luft zu, damit die Tränen schnell wieder trocknen konnten, „but not sorry! Du warst echt gut, Bryan...aber SO gut nun auch wieder nicht!“

„Autsch“, war alles was er von sich gab.

Damit hatte er jetzt wirklich nicht gerechnet, dass eine Frau in ihm lesen konnte wie in einem offenen Buch!

„Sogar Luna hat besser geküsst als du.“

„Ich wollte dich ja auch nicht küssen.“

„Und trotzdem hast du es...oder irre ich mich?“

„Ein...vielleicht zweimal.“

„Ach komm, dass war viel, viel öfters. Du weißt es genauso wie ich.“

Da hatte Ulrike mal wieder Recht, dennoch war Bryans Ego und Stolz viel zu groß um ihr zu zustimmen. Also zuckte er unwissend mit den Schultern und bestellte sich nun endlich ein Bier.

Das Mädchen brachte es ihm und stellte ebenfalls einen Teller mit Snacks dazu.

„Danke, aber ich habe jetzt noch keinen Hunger.“

„Du nicht. Ich schon!“, kicherte sie und warf sich gleich eine ganze Hand in den Mund und kaute hastig, „wenn man wie ich neben dem Studium noch zwei Jobs hat um sich die Miete und Strom leisten zu können, dann kann man sich nicht immer was zum Essen leisten beziehungsweise vergisst es vor der Schicht einfach im Kühlschrank.“

„Du hast nichts zu essen?!“

„Doch. Gestern kam Lohn also bin ich gleich einkaufen gegangen, aber da ich lieber noch 5 Minuten länger schlafen wollte habe ich natürlich verschlafen und mein Essen ihm Kühlschrank vergessen.“

„Also isst du deinen Kunden sie Snacks weg?“, bemerkte Bryan belustigt.

„Ich teile mit euch“, verbesserte sie ihn und nahm sich gleich noch eine Hand voll.

Bryan nahm einen kräftigen Schluck seines Bieres, stellte die Flasche wieder ab und stopfte sich ebenfalls eine Hand voller Snacks in den Mund. Sie schmeckten staubig und trocken, dennoch irgendwie gut und verlangten nach mehr.

„Gar nicht mal so schlecht“, nickte er Ulrike zu und kaute darauf herum.

„Wart nur, wenn du mehr intus hast, dann schmecken die Dinger echt geil!“, versprach das Mädchen.

„Worauf warten wir dann noch? Trinken wir den Laden gleich mal leer!“
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~*
 

„...und hast du die Szene gesehen, als die Frau von dem Alien verschleppt wurde?“, fragte Amanda aufgeregt und schob sich Popcorn in den Mund, „das war der Hammer!“

„Der Film hat dir also gefallen?“

„Auf jeden! Das war seit langem wieder mal ein guter Film!“

Spencer setzte ein triumphierendes Lächeln auf und schlenderte mit seiner Begleitung die Straße entlang. Bis hierhin war alles gut gelaufen, Amanda war nicht zu aufdringlich gewesen und er hatte sich bemüht, ihr wenigstens ein paar Gefühle entgegen zu bringen. Sie hatte darauf bestanden die Getränke zu bezahlen, also hatte Spencer das Popcorn und die Karten übernommen.

„Wie viel Uhr haben wir?“, erkundigte sich die junge Frau und knabberte erneut an ihrem Snack.

„Viertel vor eins.“

„Was? Echt schon so spät? Schade...“

„Warum? Musst du um ein Uhr zu Hause sein um deine Katze zu füttern?“, scherzte der Riese.

„Ja klar. Punkt eins kriegt sie Futter ansonsten ist sie ungenießbar“, kicherte Amanda, „nein ich war am Überlegen, ob wir zum Abschied noch irgendwo einen Absacker trinken gehen...“

„Musst du morgen früh nicht raus zur Arbeit?“

„Schon...“, gestand Amanda und schmunzelte verlegen, „aber mein erster Kunde kommt ja erst um halb 10. Ich habe also noch ein wenig Zeit.“

„Sehr gut! Dann hab ich da den perfekten Laden für uns“, grinste Spencer selbstsicher und nickte Amanda zu, „kommst du?“
 

Eine halbe Stunde später standen beide vor einer Tür, welche Amanda vorher noch nie aufgefallen war. Sie konnte nirgends ein Schild sehen, welches verriet, wo sie sich befanden, da klopfte Spencer auch schon kräftig gegen die Tür. Er guckte über seine Schulter zu ihr und grinste. Der Spion wurde zur Seite geschoben und jemand blickte nach draußen.

„Da?“, fragte der Mann düster.

Amanda wich einen Schritt zurück, während der Riese sich mit einem Arm gegen die Tür lehnte und auf russisch sprach, kurz darauf ging sie auf. Natürlich mit einem quietschenden Geräusch, welches dem Mädchen einen gewaltigen Schauer über den Rücken jagte. Spencer wandte sich erneut zu ihr um und reichte ihr die Hand.

„Wenn du mich vergewaltigen willst hätte eine dunkle Gasse es auch getan“, murmelte die junge Frau und klammerte sich an seinen Arm, unterdessen gingen sie einen langen dunklen Flur entlang.

„Wenn ich dich vergewaltigen hätte wollen“, begann Spencer trocken, „dann hätte ich es einfach gemacht.“

„Stimmt auch wieder...wer wäre schon so lebensmüde, um sich gegen dich zu stellen?“, scherzte sie unsicher.

Der Riese schob einen schweren Vorhang zur Seite und legte damit einen Raum frei, welchen Amanda hier als letztes erwartet hätte. Überall standen kleine Tische mit Stühlen herum, in der hinteren Ecke stand ein schweres rotes Samtsofa und alles wurde von mehreren kleinen Lampen erhellt.

„Wow...“, raunte die Frau und drehte sich einmal komplett, damit sie auch wirklich alles gesehen hatte.

„Sprachlos?“, kicherte der Riese vor ihr.

„Allerdings. Ich habe jetzt ehr so was wie eine alte Schlachthalle erwartet...aber nicht das hier.“

„Wieso denken alle immer an Schlachthallen, wenn Russen sie mit zu ihren Treffpunkten nehmen?“

Er schob einen Stuhl zurück, so dass Amanda sich setzten konnte und nahm ebenfalls Platz. Während sie immer noch mit großen Augen umher guckte bestellte Spencer ihnen Getränke und beobachtete den eingeschüchterten Blick seiner Begleitung.

„Und...das hier...ist nur für Russen?“

„...und deren Begleitung. Allein wärst du hier nie reingekommen.“

„Alleine wäre mir diese Tür nie aufgefallen! Und ich bin hier schon oft vorbeigelaufen!“

„Dann hast du ja richtig Glück, dass ich dich hierhin mitgenommen habe“, grinste der Riese.

Die Bedienung brachte ihre Getränke und ein kleines Tablett mit herrlich duftenden Keksen. Amanda blickte der Frau, welche gerade alles gebracht hatte lange nach.

„Kennst du sie?“, fragte Spencer und nahm einen Schluck Tee.

„Nein. Aber sie war unglaublich hübsch!“

Neugierig roch Amanda an dem Glas und sah überrascht auf.

„Tee?“

„Ja. Draußen wird‘s langsam kalt. Und der hier wärmt von innen.“

„Was außer Tee ist denn da noch drinnen?“, erkundigte sich das Mädchen und grinste Spencer über den Rand ihres Getränkes hinweg an.

„Das ist ein Geheimnis.“

Sie roch erneut dran und nippte sogar.

„Herrlich!“, schwärmte sie schließlich und nippte erneut, „oh der ist lecker!“

„Freut mich. Und du hast deinen Absacker.“

Amanda prostete Spencer mit einem breiten Grinsen zu.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~*
 

Mirka erhob behutsam ihre Augenlider und bemerkte, dass sich ihr Mann eng von hinten an sie gekuschelt hatte. Sein Arm schlang sich regelrecht um ihren Bauch, sein Gesicht hatte er in ihre Schulter vergraben. Zufrieden grinste das Mädchen und legte den Kopf wieder ins Kissen zurück.

Als sie gelassen seufzte und die mollige Wärme Kais genoss sprang der Wecker auf sieben Uhr und gab sein schrilles Piepen von sich.

„Ernsthaft?!“, beschwerte sich Mirka und drückte sofort auf den Ausschaltknopf, „du bist wach, nicht wahr…?“

„Schon eine Weile.“

Mirka drehte sich in seiner Umarmung mit den Gesicht zu Kais und drückte ihm einen Kuss auf die Nase.

„Guten Morgen.“

„Guten Morgen“, erwiderte er und blinzelte, „soll ich dir einen Tee machen?“

„Du sollst noch ein wenig liegen bleiben...“

Kai schmunzelte: „Nur ‚liegen‘ bleiben?“

„Verdammt“, kicherte Mirka, „was hat mich verraten?“

„Oh bitte. Als ob du dich noch verraten müsstest...“

Das Mädchen blies gespielt die Backen auf und warf ihrem Mann einen vielsagenden Blick zu, welcher diesen jedoch nur noch mehr schmunzeln ließ.

„Noch fünf Minuten kuscheln“, gurrte Mirka und rollte sich wie eine Katze in Kais Armen zusammen.

„In Ordnung.“

Entspannt horchte sie seinem Herzschlag, dem Rasseln seiner Lungen bei jedem Atemzug und dem Knistern der Daunenbettwäsche, wenn einer von beiden sich bewegte.

„Wollen wir heute nicht einfach im Bett liegenbleiben, Filme schauen, Pizza bestellen und zwischendurch immer wieder Sex haben?“, schlug Mirka erwartungsvoll vor, während Kai ein Lachen unterdrückte.

„Wenn du dann morgen anstatt meiner auf die Arbeit gehst und weiter mit der Firma XY verhandeln möchtest, nebenbei die Akten zum aktuellen Asiamarkt prüfen und den Mitarbeitern diverse Dokumente abzeichnen kannst, dann gerne.“

„Muss ich bei den Dokumenten auf den Inhalt achten, bevor ich sie unterzeichne?“

„Natürlich...“, gähnte Kai und legte sein Kinn auf ihren Kopf.

„Ne...ich steh grad nicht so auf lesen...“, erwiderte Mirka und kicherte, „aber wenn du mir schon deine Arbeit überlassen würdest, dann kann sie ja gar nicht so schwer sein...“

„Danke für‘s Gespräch...“

Mit einem ächzenden Seufzer setzte sich Kai im Bett auf und rieb sich die Augen, streckte sich genüsslich und schlug dann die Decke zurück.

„Kai...“, gurrte das Mädchen sehnsüchtig und wälzte sich auf die andere Seite.

„Es tut mir sehr leid, aber ich habe heute einige Besorgungen zu machen, welche nicht auf sich warten lassen.“

„Ich weiß“, seufzte Mirka und legte grinsend den Kopf schief, „ich würde mich auch beeilen!“

Neckisch fuhr sie sich mit ihrem Zeigefinger über die Lippen bis zum Kinn, den Hals entlang runter zum Schlüsselbein bis er endlich am Ansatz der Brüste angekommen war.

„Glaubst du wirklich, dass ich so schnell herumzukriegen bin?“

„Ich weiß nicht...“, raunte das Mädchen und streichelte langsam über die Wölbung ihrer Brust, „funktioniert es denn?“

„Nein“, antwortete Kai zwei Sekunden zu langsam.

„Du hast gezögert“, grinste seine Frau.

Ihr Mann lachte hell auf, schüttelte jedoch den Kopf und verschwand im Badezimmer.

Kai stütze sich mit dem linken Arm an der weiß gekachelten Wand der Dusche ab und ließ das kalte Wasser über seinen Kopf strömen. Es half alles nichts. Er drehte das Wasser wieder auf eine angenehmere Temperatur und strich von seinem Oberkörper langsam abwärts. Kai erinnerte sich an die Hitze, welche ihm gerade noch durch die Leisten gezogen war, als seine Frau sich vor ihm berührt hatte. Der Gedanke an Mirka ließ seine Lust ins Unermessliche wachsen und löste in Kai einen unerträglichen Druck aus. Schwer atmend blieb der Junge noch etwas unter der Dusche stehen. Seine Knie fühlten sich an wie Pudding und er hatte das Bedürfnis nach der Nähe seiner Frau, welche er auf dem Bett hatte sitzen lassen.

„Verdammt!“, keuchte Kai, als er bemerkte, wie sein Penis hart wurde und zu pulsieren begann.

Augenblicklich wurde der Duschvorhang beiseite gerissen und der Junge erschrak fürchterlich.

„Oh mein Gott Mirka!!“

Das Mädchen sah an ihm herab und grinste: „Hab ich euch gestört?“

Er warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu und zog den Vorhang wieder zu.

„Ich wusste gar nicht, dass du schüchtern bist, Kai“, grinste Mirka und trug am Spiegel ihr Make up auf.

„Mach dich nicht lächerlich!“, beschwerte sich ihr Mann.

„Ach ja? Wer versteckt sich denn gerade in der Dusche mit hochrotem Gesicht?“

Kai schon den Vorhang wieder ruckartig zur Seite: „Ich bin nicht rot!“

„Oh und wie! Du glühst ja richtig“, lachte sie hell auf.

Der Junge gab irgendwelche genervten Grummelgeräusche von sich, zog den Vorhang wieder zu und seifte sich ein.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~*
 

„Ah...“, stöhnte Bryan und hielt sich die Hände vor die Augen, „mein Kopf...“

„Dafür, dass du ein Russe bist verträgst du aber verdammt wenig Alkohol“, kicherte eine Frauenstimme.

Der Junge schreckte hoch und guckte in Ulrikes hellbraune Augen. Das Mädchen war eben ins Zimmer gekommen und reichte ihm ein Glas Orangensaft. Mit zusammen gezogenen Augenbrauen nahm er es entgegen und sah sich um. Er war definitiv nicht zu Hause. Nicht in seinem Bett.

„Hast du mich abgeschleppt?“, fragte er zögernd und nippte am Glas.

„Vielleicht“, grinste sie und zog den Rollo langsam nach oben, „aber du scheinst genug getrunken zu haben, dass du dich nicht mehr erinnerst?“

„So viel habe ich doch gar nicht…?“

Ulrike warf Bryan einen vielsagenden Blick zu und nickte nur mit gespitzten Lippen. Der Junge rieb sich die Stirn und schlug die Decke zurück.

„Ich bin...wo sind meine Hosen?!“

Hastig blickte er sich im Zimmer um und erkannte seine Kleidung, welche über einen Stuhl hing.

„Wir hatten also doch Sex!“

„Ich habe nichts verneint“, grinste sie noch breiter und warf ihm das Bündel Klamotten aufs Bett, „das nächste Mal bitte mit weniger Gewimmer...und dafür mit mehr Schwanz.“

„Ich...WAS?!“

„Du warst sehr...“, überlegte Ulrike und legte seufzend den Kopf schief, „emotional…?“

„Ich habe nicht geheult!“

„Da stehen immer noch die Taschentücher.“

„Die wirst du gebraucht haben!“

„Ähm...nein. Würdest du nun endlich deinen Astralkörper aus meinem Bett bewegen? Ich muss gleich los.“

„Heute ist Samstag!“, beschwerte sich Bryan und hievte seinen müden und geschlauchten Körper von der Matratze, „wo musst du denn an einem Samstag Morgen hin?“

„Äh...es ist Samstag Nachmittag“, berichtete sie ihn, „und ich muss noch einkaufen gehen, meine Wäsche waschen und in knapp drei Stunden wieder auf Arbeit. Ach ja und irgendwo dazwischen muss ich für meine Semesterarbeit Zeit zum lernen finden.“

Der Russe warf ihr einen zweifelnden Blick zu, während er seinen Gürtel schloss und die Socken lieblos über die Füße striff. Das Mädchen schob ihn dezent zur Seite und schlug die Bettdecke auf.

„...und mein Bett darf ich nebenbei auch frisch überziehen...“

„Willst du mir damit sagen, dass ich stinke?“

„Nicht du, sondern das Bett.“

„Ja aber ich war da drinnen gelegen und habe geschlafen!“

„Nicht nur du.“

„Wir...oh mein Gott...“

„Was?“

„Ich habe mit einer Frau in einem Bett geschlafen...“, murmelte Bryan fassungslos und hielt sich den Kopf.

„Geht für dich jetzt die Welt unter?“

„Du hast ja keine Ahnung!“

„Wie machst du es denn sonst mit one night stands?“

Ich schmeiß sie raus, nachdem wir es die ganze Nacht getrieben haben! Kannst du dich nicht mehr erinnern?!“

Ulrike rollte kurz mit den Augen. Diese hellbraunen Augen…

„Beim letzten Mal hatten wir nicht die ganze Nacht Sex, sondern lediglich 25 Minuten. Du warst betrunken und ich hatte am nächsten Tag Vorlesung. Und heute hatten wir genauso lange Sex. Und du warst ebenfalls wieder betrunken...und du bist sogar noch eingepennt, während du noch in mir warst.“

„Erzähl doch nicht so einen Schwachkopf!“

„Schwachsinn wenn dann.“

„Egal!“, beschwerte sich Bryan und hob abwehrend seine Hände in die Luft, „das muss definitiv an dir liegen, dass es so kurz war.“

„Ah...natürlich...wie konnte ich nur vergessen, dass es immer an der Frau liegt, wenn es beim Mann nicht klappt?“

„Ist so!“

„Junge ich habe dir sogar einen geblasen, weil du wie hast du es genannt?...ach ja! Du hattest ‚Startschwierigkeiten‘!“

„Davon wüsste ich! Vom einen wie vom anderen.“

„Hattest du überhaupt schon mal nüchtern Sex?“

„Hast du immer nüchtern?“

„Auf jeden Fall öfters wie du.“

Bryan ging brummend aus dem Zimmer und fand sich in einem kleinen Flur wieder, wo er seine Schuhe anzog.

„Ich wette mit dir, dass du ohne Alkohol gar keinen Geschlechtsverkehr haben kannst“, neckte Ulrike und lehnte sich mit einer Hand gegen die Türklinke, „stimmt‘s oder hab ich Recht?“

„Keinen was?“, wollte Bryan genervt wissen.

„Geschlechtsverkehr? Sex?“

„Bäh das klingt ja voll eklig.“

„Oh glaub mir! Das war es auch letzte Nacht!“

Die beiden warfen sich einen herausfordernden Blick zu. Die Luft knisterte und keiner wich auch nur einen Millimeter zurück.

„Wette angenommen“, raunte Bryan, „heute Abend Baby...da vögel ich dir das Hirn zu den Ohren raus!“

Ulrike machte bei dem Vergleich eine angewiderte Mine.

„...dann sehen wir ja, ob ich Recht habe oder nicht!“

„Ich muss heute Abend arbeiten“, wehrte sie ab.

„Ich weiß wo du arbeitest.“

„Nüchter du erst mal gescheit aus“, meinte das Mädchen und öffnete die Wohnungstür, „und irgendwann werden wir es wiederholen.“

„Ich komme heute Abend!“, versicherte Bryan stolz und ging aus der Wohnung.

„Ja aber sicher nicht mit oder in mir“, grinste Ulrike schelmisch und schloss die Tür.

„Du wirst es kommen sehen!“, rief Bryan von außen, dann ging er die Treppen runter.

Erneut machte das Mädchen bei dem Vergleich eine angewiderte Mimik.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~*
 

„...und? Geht es Dranzer wieder besser? Kein Schnupfen mehr?“, grinste Mirka neckisch, als ihr Mann aus dem Laden kam.

Kai sah sie verwirrt groß an, während ihr Grinsen nur noch breiter wurde. Als er nach guten 20 Sekunden immer noch so guckte lachte Mirka hell auf und tätschelte seine Schulter.

„Das war ein Witz!“

„Soweit bin ich mitgekommen...“, gestand er und war dabei, sich seinen BeyBlade in die Hosentasche zu stecken.

„Oh nein! Du hast eine neue Hose an und dein Dranzer würde sie nur ausbeulen!“

Erneut hielt der Junge inne und sah seine Frau nun noch größer an.

„Soll ich ihn in der Hand durch die Stadt tragen, so dass ihn jeder klauen könnte?“

„Du könntest ihn mir geben“, schlug sie nüchtern vor und öffnete ihre Handtasche.

„Ich...soll dir...meinen unbezahlbaren Blade in deine Handtasche anvertrauen...habe ich das richtig verstanden?“

„Klar, wieso denn nicht?“

Kai warf ihr einen zwielichtigen Blick zu und zögerte, während sie nur die Augen verdrehte und eine Hand in die Hüfte stemmte.

„Kai...wir sind mittlerweile verheiratet! Du kannst mir also jetzt auch offiziell vertrauen!“, tadelte sie ihn, jedoch mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht.

„Was heißt hier ‚offiziell‘?“

„...außerdem gehört mir jetzt eh die Hälfte von all deinen Sachen!“, lachte Mirka hell auf.

Augenblicklich setzte der Junge eine entsetzte Miene auf und starrte seine immer noch breit grinsende Frau ungläubig an. Mirka hielt sich mittlerweile den Bauch vor lauter Kichern und wandte sich von ihm ab, da sein Gesichtsausdruck sie nur noch mehr zum Lachen verleitete.

„Jetzt weißt du, wie der Hase ab sofort läuft“, grinste sie und legte behutsam eine Hand auf seinen Arm.

„Ich merk‘s...außerdem läuft der Hase nicht. Er hoppelt“, grummelte Kai, reichte Mirka jedoch zu ihrer großen Überraschung seinen Dranzer.

„Echt jetzt? Du gibst ihn mir?!“

„Wie du schon gesagt hast“, bemerkte er, „du bist jetzt meine Frau. Das heißt, du bist neben meinem Vater eine der wenigen Personen, denen ich blind vertraue.“

Während Kai seinen BeyBlade in einer fließenden Bewegung in Mirkas Tasche gleiten ließ stammelte das Mädchen immer noch irgendetwas unverständliches vor sich her. Er warf ihr einen vielsagenden Blick zu, als sie sich gerade am wieder fangen war.

„D...danke…?“

Jetzt musste Kai grinsen. Er sah kurz auf und wies Mirka an, hier kurz auf ihn zu warten und verschwand in einem Laden.

„Hat er das jetzt wirklich gemacht?“, fragte sie an sich selber gerichtet und fühlte an der Außenseite ihrer Handtasche die leichte Wölbung.

Sofort stieg ein Gefühl in ihr hoch, was andere als Stolz definieren würden, doch Mirka rang immer noch mit dem Atmen, während Kai sogleich wieder neben ihr auftauchte. Er bemerkte ihr blasses Gesicht und machte eine mitfühlende Miene.

„Du wolltest es so“, bemerkte er.

„Ich hätte nie gedacht...“, stotterte sie und drehte langsam den Kopf in seine Richtung, „dass du das wirklich machst! Dranzer ist dein wertvollster Besitz!“

Kai lächelte kaum sichtbar und küsste sie auf die Wange, als er flüsterte: „Er wurde von etwas noch viel wertvollerem abgelöst...“

„Jetzt übertreibst du aber...“, beschwerte sie sich und lief augenblicklich rot an.

„Keineswegs“, bemerkte Kai schon fast fürsorglich und reichte ihr ein braunes Bündel.

„Dankeschön, Kai...“, gab sie verzückt von sich und nahm den eingepackten Blumenstrauß entgegen, „womit habe ich das denn verdient?“

„Als Entschuldigung“, gestand er, „wir hatten die letzten Wochen wenig Zeit füreinander...“

„Oh...“, schmollte sie, „aber das wusste ich doch...“

Der Junge legte behutsam einen Arm um sie, während die beiden ein Stück weiter gingen. Nach ein paar Minuten löste Kai seinen Arm von ihr und meinte, dass er noch etwas zu erledigen hätte und fragte, ob sie mitwollte.

„Ich möchte die kleinen gern ins Wasser stellen“, grinste sie.

„Die...kleinen?“

Mirka hob den Strauß hoch und Kai verstand. Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und lächelte.

„Soll ich den Chauffeur für dich rufen lassen?“

„Nein...wenn ich zu Fuß gehe, dann komme ich direkt an diesem schnuckeligen Einrichtungsgeschäft vorbei, wo es die schöne Kristallglasvase gibt. Außerdem ist es heute so ein schöner sonniger Tag. Den möchte ich genießen.“

„Dann sehen wir uns wieder zu Hause...pass auf dich auf!“

„Dranzer ist bei mir“, zwinkerte das Mädchen und zeigte auf seine Handtasche, „er wird auf mich Acht geben!“

Kai warf ihrer Tasche einen prüfenden Blick zu, doch dann nickte er zufrieden und ging. Mirka wartete noch kurz, bis ihr Mann aus ihrem Blickfeld verschwunden war, dann öffnete sie die Verpackung ein Stück und inhalierte genüsslich den intensiven Duft der Rosen, bevor sie ebenfalls weiter ging.

Als Abkürzung gedacht schlug sie einen Haken und schlenderte quer über den Marktplatz, guckte mal hier und dort, ob ihr etwas ins Auge fiel. Gerade, als sie schon beinah wieder am Ende des Platzes angekommen war machte Mirka Halt, griff in ihre Tasche und holte Dranzer heraus. Jetzt wo sie die Zeit hatte ihn sich genauer anzusehen fiel ihr auf, dass der Blade schwerer war, als gedacht. Seine Farbe funkelte in der Wintersonne königsblau und der Bit leuchtete kurz auf, nachdem Mirka mit dem Finger darüber gestrichen hatte.

„Hallo, Dranzer“, lächelte sie ruhig und hielt den BeyBlade näher an ihr Gesicht, „wir beide wurden uns noch gar nicht richtig vorgestellt!“

Erneut leuchtete der Bit ein wenig auf und das Mädchen grinste noch mehr.

„Es freut mich auch, deine Bekanntschaft zu machen. Und ich verspreche dir, dass ich mich gut um Kai kümmern werde...naja zumindest so gut, wie er es zulässt. Du kennst ihn ja schließlich auch...unseren Dickkopf!“

Mirka hätte schwören können, dass sie für den Bruchteil einer Sekunde im geistigen Auge Dranzer in seiner vollen Pracht vor sich gesehen hatte; lächelnd! Schnell blickte das Mädchen sich um, hoffend, dass sie niemand bei ihrem Selbstgespräch beobachtet hatte und zuckte mit den Schultern. Sie musste sich das eben wirklich eingebildet haben…

Gerade in dem Moment, als sie Kais BeyBlade wieder in ihre Tasche gleiten lassen wollte stieß Mirka mit jemanden zusammen.

„Es tut mir so unendlich leid!“, entschuldigte sich das Mädchen sofort und sah zu demjenigen auf.

„Ah...Frau Hiwatari...“, bemerkte Adrian mit einem gewissen Unterton und blickte auf die linke Hand des Mädchen herab...genau dort hin, wo sich Dranzer befand.

Sie grinste verlegen und klemmte sich eine Haarsträhne hinters Ohr, während ihre Hand um Dranzer sofort fester zugriff.

„Ja“, grinste sie, „ich habe mich immer noch nicht so richtig daran gewöhnt...“

„Komisch. Das arrogante Getue sowie dein Göttergatte hattest du schon vorher drauf.“

Mirka blickte Adrian mit ihren großen Augen sichtlich verwirrt an, sie hatte überhaupt keine Antwort darauf parat gehabt.

„Na? Hat‘s dir jetzt die Sprache verschlagen?“

Sie öffnete ihren Mund um etwas zu erwidern, doch da viel ihr der Junge erneut ins Wort.

„Ja genau diese Haltung kannst du ab sofort beibehalten, wenn wir uns wieder sehen!“, lachte er gehässig und trat näher an sie heran, „damit du mir auch ja nicht vergisst, dass du trotz deiner Hochzeit mit Kai immer unter mir stehen wirst!“

„Du spinnst doch...“, raunte Mirka und funkelte ihn böse an, während sie bemerkte, dass Dranzer in ihrer Hand immer wärmer wurde.

Konnte das wirklich sein? Nein...nein das musste sie sich einbilden!

„Tu ich das? Oder ist dir gerade einfach nur bewusst geworden, dass ich Recht habe?“

Mirka presste ihre Lippen fest aufeinander und unterdrückte ein Schluchzen, als Adrian plötzlich nach ihrer linken Hand griff und so feste zulangte, dass sie ihre Finger öffnete. Mit wutentbrannten Funkeln in ihren Augen stierte sie ihn an, in der Hoffnung, dass er es mit der Angst kriegen würde...leider vergebens.

„Och ein Geschenk für mich? Das wäre doch nicht nötig gewesen“, grinste er schief und steckte Dranzer in seine Hosentasche, „den brauchst du nicht mehr!“

„NEIN!“, rief Mirka erschrocken aus, „das ist nicht deins!“

„Nun ja...jetzt gehört es mir!“

Mit diesen Worten wandte sich Adrian ab und verschwand in der Menschenmasse. Mirka starrte ihm noch lange Zeit nach, unterdessen spielten sich in ihrem Kopf mehrere Szenarien ab, wie sie ihrem Ehemann am besten und vor allem schonendsten erklären könnte, dass sein unbezahlbarer BeyBlade nun bei Adrian Dejeaun war…

Nachdem sie zu keiner brauchbaren Lösung gekommen war und ihr Gehirn nur noch auf Dauer Error lief fiel ihr der Blumenstrauß aus der Hand und zu Boden.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„Bin wieder da!“, verkündete Kai, als er die Wohnungstür aufschloss und in den Flur trat, „Mirka? Ya doma.“

Stille. Der Junge horchte mit angehaltenem Atem, ob er sie vielleicht doch irgendwo hören konnte, doch das tat er nicht. Sonst sprang sie ihn auch gleich immer an den Hals, wenn er wieder nach Hause kam...war sie also noch unterwegs? Kai ging schultern zuckend in die offene Küche und bemerkte dort die Handtasche seiner Frau. Jetzt stutzte er und blickte sich um. Sie war nirgends zu sehen und aus dem Badezimmer waren auch keine Geräusche zu hören.

„Mirka…?“

Nichts. Sie musste aber hier sein, dachte sich der Junge. Sie würde niemals ohne ihre Tasche aus der Wohnung gehen! Das Ding klebte förmlich an ihr. Sofort fiel ihm auf, dass seine Frau weder die Kristallglasvase noch die Rosen aufgestellt hatte. Sonst präsentiere sie diese immer sofort voller Stolz...doch diesmal...

„Vielleicht hat sie sich auch hingelegt...ich bin besser leise...“, raunte Kai an sich selbst gerichtet und ging auf Zehenspitzen Richtung Schlafzimmer, „es war ein langer Tag für sie gewesen...“

Als er dort die Türe wie in Zeitlupe öffnete, um durch einen kleinen Schlitz rein spähen zu können erblickte er das Mädchen auf dem Bett sitzend.

„Ach...du bist ja doch schon hier!“, bemerkte er sichtlich erleichtert und ging ins Zimmer.

Sie erwiderte jedoch nichts. Ihr Gesicht war zum Fenster hin gerichtet, so dass Kai ihre Mimik nicht sehen konnte. Allerdings dachte sich der Junge nichts dabei und ging gemütlich zum Kleiderschrank, wo er die Tür aufschob und seine Jacke aufhing.

„Ich war schon überrascht, da du die Rosen noch nicht aufgestellt hattest...“, erzählte er und knöpfte sein Hemd auf, „die werden mich wohl diesmal in meinem Arbeitszimmer begrüßen, hm?“

Wieder nichts. Kai hielt inne und horchte erneut. Dann nickte er schief grinsend. So war das also…sie spielte wieder ihr Spiel.

„Ich weiß ja, dass es dir riesigen Spaß macht, mich zu imitieren...aber die heutige Vorstellung ist bis jetzt deine Beste!“, lobte er sie und schob die Schranktür wieder zu, wodurch er durch den Spiegel direkt in Mirkas Gesicht sehen konnte.

Ihre Augen waren rot und dick aufgequollen, ihre Mascara verlaufen und dicke Tränen kullerten immer noch stumm über ihre Wangen. Sofort drehte sich Kai erschrocken zu ihr um und schnellte zu ihr ans Bett, wo er auf seine Knie ging und ihr Gesicht sanft zwischen seine Hände nahm, sodass sie ihn anblicken musste.

„Mirka! Ist dir was passiert? Hat dir jemand wehgetan?“, wollte er wissen und blickte ihr tief in die Augen.

Erst jetzt erwiderte sie seinen Blick richtig, presste die Lippen fest aufeinander und zuckte zwischen zwei Schluchzern zusammen. Kai war in diesem Moment völlig hilflos und peinigte sich gedanklich selber, dass er sie hatte alleine gehen lassen, als seine Frau die Nase kräftig hochzog und wimmernde Geräusche von sich gab.

„Was ist passiert…?“, wiederholte Kai, diesmal ruhiger und nahm neben ihr auf dem Bett Platz, während seine Hand zärtlich ihren Kopf streichelte, „du weißt, dass du mir alles sagen kannst...“

„Es...ich...“, begann das Mädchen stotternd und krallte sich in seine Schulter.

„Sch...ich bin ja da...“, versuchte Kai sie zu beruhigen.

„Kai...“, weinte das Mädchen, „es tut mir so leid…!“

„Nichts hat dir leid zu tun...“

„Ich habe es nicht verdient...deine Frau zu sein…!“

„Aber wie kommst du denn da drauf?“, fragte der Junge und sah sie erschrocken an.

„Er...ist...weg...“, wimmerte sie und presste die Augen beschämt zusammen.

Kai hielt ruckartig inne und sog scharf die Luft ein, da er genau in diesem Moment so eine Eingebung hatte. Oh...nein…, fuhr es ihm durch den Kopf.

„Mirka...“, begann er und war sich nicht sicher, ob er die Antwort hören wollte, „wer...ist...weg…?“

Augenblicklich schlug das Mädchen ihre Hände vors Gesicht und begann damit, bitterlich zu weinen und selbst auf russisch konnte Kai sie in diesem Zustand nicht verstehen. Er hielt ein Weile Inne, seufzte schwer und versuchte erneut seine Frau zu beruhigen.

„Schatz“, begann er, „ich möchte dir wirklich helfen...aber wenn du nicht langsam...“

Mirka nahm ihre Hände wieder runter und sah Kai mit einem Blick an, welchen er noch nie an ihr gesehen hatte und sich in diesem Moment sogleich wünschte ihn nie wieder sehen zu müssen.

„Ich konnte nicht auf deinen BeyBlade aufpassen“, gestand sie.

Sofort machte Kai ein schmerzverzerrtes Gesicht und stöhnte leise, während er versuchte keinen völligen Nervenzusammenbruch zu bekommen. Er rieb sich kurz die Schläfen und guckte in Mirkas immer noch ernstes Gesicht.

„Okay...wo hast du ihn verloren…?“

„Er hat ihn einfach mitgenommen“, wimmerte seine Frau und bekam erneut feuchte Augen.

„Er…?“

„Adrian...Adrian hat Dranzer...“

Kapitel 32

Als Luna Amanda fröhlich vor sich hersummen sah musste sie breit grinsen und stupste die junge Frau vorsichtig an.

„Und…?“, grinste Luna breit, „wie war euer ‚erstes Date‘ denn so?“

„Es war schön“, musste Amanda sich zurückhalten, „doch...es war wirklich sehr schön!“

„Das freut mich! Und...wie...war...‘es‘…?“

Amanda zuckte kurz zusammen, dieser kleine fiese Stich inmitten der Brust pochte noch eine Weile, bis die junge Frau schlussendlich seufzte und leicht lächelte.

„Oh, wir haben nicht miteinander geschlafen“, winkte sie leicht ab.

„Wieso nicht? Ist das nicht mehr der krönende Abschluss? Macht man das heute anders?“

„Spencer ist...“, meinte die Frau und suchte nach den richtigen Worten.

„Ein Riese? Ein Muskelpaket?“

„Er ist sensibel.“

Luna unterdrückte ein helles Auflachen, während Amanda ihre Miene kaum verzog. Talas Freundin räusperte sich und machte eine entschuldigende Geste.

„Es tut mir leid...aber ich sehe Spencer nun mal nicht so...wie du...“

„Er ist sicherlich auch ein sehr guter Kumpel.“

„Ja.“

Die beiden Frauen sahen durch das Schaufenster nach draußen und bemerkten, dass es schon wieder dunkel geworden war. Sie seufzten tief.

„Er hat mich in diese kleine Teestube mitgenommen, welche angeblich nur für ihre Landsleute gedacht ist...und deren ‚gute‘ Freunde“, schwärmte Amanda plötzlich, „warst du da schon mal mit Tala?“

„Äh...nein?“, entgegnete Luna beinahe schon entsetzt.

Sie würde später mit ihrem Freund ein Machtwort sprechen müssen.

„Oh.“

„Ich glaube ich habe mit dem Rotschopf ein Hühnchen zu rupfen, wenn er wieder da ist...“, grummelte Luna gespielt, tippte jedoch vielsagend mit dem Zeigefinger auf die Empfangstheke.

„Er ist unterwegs? BeyBlade Match?“

„Letzte Motorradtour für dieses Jahr.“

„Oh, er ist ein Biker?“, kicherte Amanda.

„Ehr ein Rennfahrer. Er liebt schnelle Fahrzeuge, egal ob 4 oder 2 Räder.“

„Er passt sicherlich auf sich auf.“

„Das dachte ich auch, als er auf die letzte Meisterschaft gefahren war...zurück kam er mit einer mittelschweren Gehirnerschütterung und mehreren geprellten Rippen.“

„Autsch...“

Luna nickte zustimmend und presste die Lippen aufeinander.

„Aber...jetzt geht es ihm doch wieder gut.“

„Natürlich. Er ist wieder ganz der alte. Er kann sich mit dem Motorrad austoben, solange kein neues Turnier ansteht.“

„Russen sind nicht so einfach, hm?“, bemerkte Amanda lächelnd, „und trotzdem haben wir uns welche rausgesucht.“

„Dann sind wir wahrscheinlich auch nicht so einfach.“

Die beiden Frauen lächelten sich gegenseitig an, als die Ladentür aufging und ein Kunde herein kam. Amanda entschied, dass sie sich um ihn kümmern würde und Luna um 19 Uhr Feierabend machen könnte, was zirka noch 15 Minuten waren. Dezent gelangweilt lehnte sich das Mädchen gegen die Theke, während sie ihre Kollegin in der Kabine schaffen hören konnte.

„Wie gerne würde ich bei dir und Spencer Mäuschen spielen, wenn es endlich soweit ist...“, murmelte sie kleinlaut und blickte nach draußen.

Urplötzlich schossen ihr diverse Bilder in den Kopf und formten pikante Szenen in einem gedämmten Licht, welche Luna einen Schauer über den Rücken jagten.

„Kopfkino! Kopfkino! Kopfkino!“

Während sie versuchte sich die Gänsehaut weg zu reiben sprang die Ladentür erneut auf. Och ne, dachte sich Luna, gleich hätte ich einfach gehen können!

Sie wandte sich um und guckte Tala mit großen Augen an.

„Hallo, Schatz“, grinste er über beide Wangen und hielt ihr einen kleinen Strauß Rosen entgegen.

„Äh...hi?“, stotterte das Mädchen, während es von seinem Freund feste umarmt wurde, „ich dachte du kommst morgen Abend erst wieder?“

„Es war doch kälter als gedacht“, beschwerte sich Tala dezent.

„Du bist Russe“, bemerkte sie skeptisch, „sind solche Temperaturen für dich nicht ehr...sommerlich?“

„Der Begriff, welcher dir eben nicht einfallen wollte nennt sich unter anderem auch ‚angenehm‘“, grinste der Rotschopf und überreichte ihr die Rosen, „außerdem habe ich dich vermisst...“

„Oh...du bist so süß!“, quietschte Luna schon fast und umklammerte Talas Hals und roch nebenbei an den Rosen, „die duften herrlich!“

„Das freut mich“, grinste der Russe und küsste ihr Ohr, „wann hast du Feierabend?“

„Gleich.“

„Nicht solange du mir diese Szene hier erklärt hast, junge Dame!“, ertönte plötzlich eine Frauenstimme aus dem Nichts.

Tala und Luna wandten sich erschrocken zum Eingang des Studios um, wo die Frau im Mantel stand, beide Hände in die Hüften gestemmt und das Paar voller Strenge anfunkelte.

„Oh Gott die schon wieder...“, bemerkte Tala, als er Elke, die Chefin des Ladens erkannte.

„MAMA?“, rief Luna erschrocken aus.

„MAMA?“, wiederholte der Chef der Blitzkrieg Boys im selben Tonfall, „willst du mich verarschen?!“

„So sehen wir uns also wieder...“, meinte Elke herablassend zu Tala, während sie näher an die beiden herantrat, „ich habe dir doch gesagt, dass man sich immer zwei Mal sieht.“

Luna wich einen ehrfürchtigen Schritt zurück und hielt sich an der Theke fest, Tala hingegen blieb eiskalt stehen und funkelte die Frau düster an.

„Da sieht und hört man von dir ein Jahr lang nichts und plötzlich stehst du in meinem Laden vor mir.“

Luna erwiderte nichts, sie war zu einer Salzsäule erstarrt und guckte auf ihre Hände.

„Das habe ich erwartet...wie der Vater! Lieber nichts sagen und hoffen, dass es gleich wieder vorbei ist“, lachte Elke hell auf und nahm Lunas Gesicht in ihre Hand, „sehr schön...du hast das ganze Metallzeug entfernt...“

„Fassen Sie sie nicht an“, fauchte Tala gefährlich leise und schob sich zwischen Mutter und Tochter.

„WIE BITTE?“

„Luna hat Ihnen nichts zu sagen!“

„WAS BILDEST DU DIR EIN, WER DU BIST?!“

Amanda trat soeben vorsichtig aus der Kabine und sah die Szene mit großen Augen an.

„Elke…?“, fragte sie und blickte alle nacheinander an, „was ist denn hier los…?“
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

„...du hast WAS?!“, rief Lucielle entsetzt durch das Zimmer, als ihr Bruder stolz dasitzend die Geschichte erzählt hatte, wie er an Kais Dranzer in seiner Hand gekommen war, „bist du jetzt vollkommen irre?“

„Warum?“, zuckte er lässig mit den Schultern, „so wertvoll kann das Ding doch gar nicht sein, wenn er es diesem Kampfzwerg überlassen hat...aus welchem Material besteht das Teil überhaupt?“

„Adrian...“, seufzte Lucy schwerfällig und fasste sich mit einer Hand an die Stirn, „bist du dir eigentlich im Klaren, was genau du da angestellt hast? Welchen Sturm du damit freigesetzt hast?!“

„Wieso Sturm? Jetzt mach dich nicht lächerlich! Dieser abgebrochene Meter wurde von mir so eingeschüchtert, dass die sich gar nicht traut ihrem Macker zu sagen, dass ich sein Spielzeug habe!“

„DU HAST WAS?!“

„Du wiederholst dich...“

„OH MEIN GOTT!“, stöhnte sie und raufte sich die Haare, „Junge...du bist jetzt schon so was von erledigt!“

„Er wird nicht kommen...“

„Oh glaub mir! Kai wird kommen! Und weißt du auch warum?“

„Bitte. Klär mich auf“, winkte Adrian seiner Schwester hochmütig zu.

„Fehler Nummer eins: du hast ihn an seinem Geburtstag bloßstellen wollen, nur weil er einen Abend zuvor etwas zu tief ins Glas geguckt hat, was, wie wir wissen bei dir regelmäßig passiert. Fehler Nummer zwei: du hast Kai an seiner Hochzeit dumm angemacht, aufgrund dass du schon wieder zu viel getrunken hattest, was Punkt eins nur noch mehr unterstreicht. Fehler Nummer drei: du hast dir seinen Blade unter den Nagel gerissen, welcher sozusagen unbezahlbar ist...dennoch! Diese drei Fehler sind NICHTS, hörst du? NICHTS im Vergleich zu deinem allergrößten Vergehen, welcher dir letztendlich das Genick brechen wird!“

Adrian guckte sie schief an und neigte seinen Kopf ein wenig zur Seite, als seine Schwester sich zu ihm vorbeugte und tief in seine Augen blickte.

„Du...hast...seine Frau bedroht...“, flüsterte Lucielle, „glaub mir...Kai Hiwatari wird kommen...und wenn es soweit ist, dann möchte ich nicht in deiner Haut stecken, Bruder.“

Adrian winkte lässig ab und machte diverse Bemerkungen, welche Lucy dazu brachten, ihre Augen zu verdrehen und „armer Trottel“ zu sagen, bevor sie das Zimmer ihres Bruders verließ. Der Junge betrachtete Dranzer nun genauer und drehte ihn in sämtliche Richtungen, so dass er den Blade aus jedem Winkel begutachten konnte. Er hätte nie gedacht, dass er in Echt so schwer in der Hand lag, im TV sahen diese Kreiseldinger immer so klein und leicht aus, dass Adrian sichtlich überrascht war. Sofort fühle er, wie ein durchdringendes Gefühl der Unbesiegbarkeit ihn durchströmte, zusätzliches Adrenalin wurde in seinen Körper gepumpt, sodass der Junge im ersten Augenblick gar nicht bemerkte, dass der BeyBlade langsam heiß wurde. Erst, nachdem er einen stechenden Schmerz verspürte ließ Adrian Dranzer aus seiner Hand auf seinen Schreibtisch rollen, wo der Blade nach kurzem Kullern zum Liegen kam. Adrian guckte ungläubig auf seine Hand nieder, dann wieder auf Dranzer, erneut auf seine Hand, welche immer noch schmerzte, jedoch keine Brandwunden aufwies.

„Du kleines...“, fluchte er, während es an seiner Tür klopfte, „ich bin beschäftigt!“

Kurze Stille, dann klopfte es erneut, während Adrian irgendetwas vor sich her brummte. Nach dem dritten Klopfen sagte er verärgert, dass er nicht da wäre und holte aus seiner Schublade einen Schraubenzieher, womit er auf den Blade zeigte.

„Wir beide sind noch lange nicht fertig...“, raunte Lucys Bruder und tippte zwei Mal mit der Spitze seines Werkzeugs auf Dranzer, bevor er ihn erneut in die Hand nahm.

Mit einem ohrenbetäubenden Knall wurde Adrians Zimmertür aus den Angeln und Schloss gerissen und ging mit einem lauten Rums zu Boden, während der Junge mit weit aufgerissenen Augen ungläubig dabei zusah. Im nächsten Moment trat Kai Hiwatari auf die Holzplatte, blieb in ihrer Mitte stehen und stemmte lässig beide Hände in die Hüfte, unterdessen sprach sein Blick schon jetzt Bände.

„Klopf, klopf“, meinte Kai bedrohlich ruhig und blickte auf Adrians Hände, in der einen lag sein Blade und in der anderen ein Schraubenzieher, „an deiner Stelle würde ich das lieber nicht tun.“

„Kai…?“, hauchte Adrian völlig benommen und guckte sein Gegenüber immer noch mit großen Augen an.

„Anwesend.“

„Das seh ich...“, murmelte der Rotschopf und ließ augenblicklich Dranzer aus seiner Hand auf seinen Tisch kullern, „es...es...ist nicht das...wonach es aussieht, Kai!“

Sofort griff Dranzers Besitzer nach ihm und steckte den BeyBlade in die dafür vorgesehene Tasche, dann verschränkte der Junge die Arme vor seiner Brust und funkelte Adrian mit einem Blick an, worauf sogar die Finsternis neidisch geworden wäre.

„Willst du mir nicht irgendetwas erzählen…?“

„Nein!“, schoss das Wort eilig aus dessen Mund, weshalb Kai ungläubig die Augenbrauen hob.

„Das ging fiel zu schnell. Versuch es noch mal...“

„Ich weiß von nichts!“

Kai seufzte schwer und fragte sein Gegenüber ein letztes Mal und als er wieder ebenfalls sofort verneinte schnellte Kais Hand nach vorne und packte Adrian am Kragen seines Oberteils und zog ihn so nah an sich heran, dass sich ihre Nasen schon beinahe berührten.

„Bist...du...dir...da...auch...ganz...sicher…?“, fauchte Hiwatari gefährlich leise.

„Alter! Ich will echt keinen Stress anfangen!“, wehrte Adrian ab und griff nach Kais Handgelenken.

„Das hättest du dir überlegen sollen, BEVOR du meine Frau anfasst!“

„War doch nur ein Missverständnis, Kai!“

„Missverständnis? Missverständnis?! Ich konnte vorhin immer noch deine dreckigen Abdrücke an ihrer Hand sehen! Welche Definition von Missverständnis hast du überhaupt?!“

„Kein Grund gleich zu schreien...“, meckerte Adrian kleinlaut und zog den Kopf zwischen seinen Schultern ein.

„ICH BIN WÜTEND!“

„Das hör ich...“

„JUNGS!“, rief Adrians Vater laut aus und erschien im Türrahmen, „Schluss jetzt!“

„Er hat angefangen!“, bemerkte sein Sohn und zeigte sofort mit dem Finger auf Kai.

„AUSEINANDER!“

Pierre packte jeden der beiden Jungen am Arm und zog sie voneinander weg und warf beiden einen herausfordernden Blick zu.

„Wie alt seit ihr? Zehn?!“

„Er hat mich angefasst!“

„RUHE JETZT!“

Adrian zog seinen Arm auf den Griffen seines Vaters und guckte Kai böse an, welcher hingegen ein Pokerface aufgesetzt hatte.

„Ich weiß ganz genau was du getan hast, junger Mann und ich bin der Meinung, dass Kai hier vollkommen richtig gehandelt hat“, brummte Pierre.

„WAS?!“

„...allerdings ist das hier mein Haus. Und unsere Familien sind gut befreundet...also möchte ich dich bitten, jetzt wieder zu deiner Frau zu gehen und dich um sie zu kümmern.“

Kai blickte Pierre vielsagend an, sagte jedoch nichts. Er wandte sich ab, ohne Adrian noch ein mal anzusehen und ging schließlich die Treppen runter und aus dem Haus.

Pierres Sohn atmete tief durch: „Oh man...beinahe hätte der mir eine verpasst…!“

Sein Satz wurde von einer schallenden Ohrfeige unterbrochen, welche Adrian sein Gleichgewicht verlieren ließ, so dass er auf der Kante seines Bettes landete.

„IST DIR EIGENTLICH KLAR, WAS DU GETAN HAST?!“

Mit einer langsamen Bewegung striff Adrian über die pochende heiße Stelle in seinem Gesicht und spürte, wie die dicken Tränen in seinen Augen hoch quollen. Er biss sich heftig auf die Unterlippe, damit sie nicht über seine Wangen rannten, sondern gleich im Augenwinkel versiegten.

„Ich bin seit meiner frühen Jugend mit Daniellé Hiwatari befreundet...eng befreundet! Seine Familie und unsere haben äußerst zuvorkommende Geschäfte gemacht und das werden wir auch wieder...und ich setze das alles nicht wegen eines ungezogenen und trotzigen Bengels wie dir aufs Spiel!“

„Schön, dass du eben noch bemerkt hast, dass dieser Bengel zu deiner Familie gehört...“, gab Adrian kleinlaut von sich.

„Sieh mich gefälligst an, wenn du mit mir sprichst!“

Der Junge ließ die Augen hoch zu seinem Vater wandern und guckte ihn herausfordernd an. Pierre seufzte tief bei diesem Anblick und rieb sich die Stirn.

„Ich weiß nicht, was und wann es mit dir passiert ist, doch du hast dich sehr verändert, Adrian...und das nicht zu deinem Besten. Wenn du in diesem Clan bleiben willst wäre genau jetzt der richtige Zeitpunkt für eine 180° Drehung...“

„Vielleicht will ich ja gar nicht zu diesem bescheuerten Clan gehören...“, schmollte der Junge und stand auf.

Sein Vater hatte diesen Spruch erwartet und atmete tief ein, bevor er zur Seite trat und den Weg zur Tür frei machte.

„Dann ist es wohl jetzt soweit, dass sich unsere Wege hier trennen...“

„Du schmeißt mich raus?!“

„Ich mache gar nichts. Ich möchte dich dadurch nur wissen lassen, dass ich, egal wie deine Entscheidung auch sein mag, dir nicht im Weg stehen werde. Nur bedenke...solltest du jetzt gehen...dann schließen sich die Türen meines Hauses für dich. Für immer.“
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~**~*~*
 

„Mir ist kotzübel...“, raunte Luna und bemühte sich wieder ruhiger zu atmen, während Tala neben ihr in die Hocke ging und vorsichtig ihren Oberschenkel streichelte.

Die beiden waren vor einer halben Stunde aus dem Kosmetikstudio in Richtung Bushaltestelle gegangen, als plötzlich Lunas Beine nachgegeben hatten und sie sich auf den eiskalten Bordstein niederließ. Ihre Hände zitterten, ihr Gesicht war blasser als Talas und ihre Atmung ging unregelmäßig.

„Es ist gleich vorbei...“, murmelte der Junge und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, „wir sind bald zu Hause...“

„...gleich passiert‘s...“

„Tief durchatmen!“

Luna riss den Kopf gen Nacken und zog die kalte Novemberluft tief in ihre Lungen, so dass es schon beinahe schmerzte. Sie behielt diese kurz inne und atmete in einem einigermaßen gleichmäßigen Zug wieder aus. Tala nickte zufrieden und reichte seiner Freundin die Hand zum aufhelfen.

„Siehst du? Schon besser, richtig?“

Luna blickte ihn argwöhnisch an, zeigte jedoch den Daumen nach oben. In diesem Moment fuhr der Bus an die Haltestelle und öffnete seine Türen. Die beiden stiegen ein und suchten nach freien Sitzplätzen.

„DA IST TALA VON DEN BLITZKRIEG BOYS!!!“, rief plötzlich ein Mädchen von weiter hinten aus dem Bus und gleich darauf gilften ihre Freundinnen mit ihr und rannten auf den Jungen zu.

Da das Verkehrsmittel gerade am Anfahren war kamen die Mädchen mit mehr Schwung bei Tala an, als gedacht und stürzten wortwörtlich auf ihn. Luna wusste nicht, ob sie bei diesem Anblick, welcher beinhaltete, dass ihr Freund unter vier Mädchen lag lachen oder sich beschweren sollte. Erst als der Rotschopf sich ächzend wieder in die Freiheit schob musste seine Freundin dann doch breit schmunzeln.

„Wir wollen ein Foto mit dir!“

„Wir wollen ein Autogramm!“

„NEIN! ICH WILL BEIDES!“

Die Teenies hüpften aufgeregt um den Chef der Blitzkrieg Boys herum, zogen an seiner Jacke, fassten ihn an den Armen und eine drückte sich sogar gegen ihn.

„Ähm...Ladies...“, mischte sich Luna dann doch zögerlich ein.

„Gibst du mir deine Nummer, Tala? Ja?“

Der Rotschopf warf Luna ein hilfloses Lächeln zu, während er versuchte eines der Mädchen von seiner Jacke loszukriegen.

„Du siehst dezent überfordert aus“, scherzte Luna und stemmte die Hände in die Hüften, „soll ich dir helfen, oder kommst du alleine klar?“

Tala guckte sie ungläubig an, genau in diesem Moment stoppte der Bus an der nächsten Haltestelle und die Türen öffneten sich.

„Oh...nein...Nein! Nein! NEIN! LUNA! Du haust nicht schon wieder ab!“

Sie winkte ihrem Freund noch einmal zu, bevor sie aus dem öffentlichen Verkehrsmittel ausstieg und in Richtung Wohnung lief. Nach ein paar Metern wurde die abrupt zum Stehen gebracht, als sie jemand am Handgelenk packte und daran zog.

„Willst du mich verarschen?“, fauchte Tala wütend.

Luna sah ihn nur groß an, sagte aber nichts.

„Hey! Ich rede mit dir!“

„Ich...“, stammelte das Mädchen und senkte den Blick.

„Ich höre?“

Wieder kam von Luna keine brauchbare Antwort.

„Luna! Ich will wissen was das sollte?!“

„Es...tut mir...leid...“

Tala seufzte schwerfällig und ließ ihre Hand los.

„Du kannst nicht immer einfach abhauen, wenn ein paar Fans mich oder die Jungs überrennen...“

Er blickte ihr ins Gesicht und seufzte erneut.

„...es...ist nur bei mir so...richtig?“

„...ja...“

„Oh, Mädchen...“

Tala nahm seine Freundin in den Arm und drückte sie feste an sich.

„Ich habe dich davor gewarnt, dass so was passieren wird...“

„Ich weiß.“

„...und du hast dir nichts dabei gedacht...richtig?“

„Richtig.“

„Oh Luna...“, hauchte Tala und streichelte ihren Rücken, „heute war alles zu viel...lass uns nach Hause gehen.“
 

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In der Bar war es gerammelt voll, als Bryan eintrat und in Richtung Theke schlenderte. Er nahm Platz und wartete fünf Minuten geduldig darauf, das Ulrike zu ihm kommen würde. Nachdem er allerdings drei Mal ihre Kollegen abweisen musste und sie den Russen immer noch ignorierte lehnte sich Bryan über die Ablage und gröhlte durch den Raum.

„Ey! Serviermaus! Hier wartet Kundschaft!“

Das Mädchen blickte ihn fassungslos an, verschränkte die Arme über der Brust und ging zu ihm rüber.

„Musst du so schreien?“, tadelte sie ihn.

„Du bist nicht gekommen. Zu mir. Heute. Noch nicht“, grinste der Junge breit.

„Wir haben hier auch anderes Personal.“

„Schon. Aber das sind Männer...und eine verdammt hässliche Tussi. Nichts gegen sie. Aber nein.“

„Du verlangst also nach mir, weil ich hübsch bin?“

„Ähm...wir hatten guten Sex.“

„Ähm...nein?“

„Doch!“

„Du bist nach dem dritten Stoß auf mir eingepennt. Das kann für dich kaum guter Sex gewesen sein!“

„Deswegen bin ich ja heute Abend wieder hier um dich vom Gegenteil zu überzeugen“, grinste Bryan noch breiter, „Baby wenn ich auch Höchstleistung laufe, dann wirst du mich nie wieder vergessen können!“

„Wegen meinem vollgesabberten Kissen oder der Syphilis, die du mir verpasst?“

„Syphi...was?“

„Hast du in der Schule nicht aufgepasst, als es um Aufklärung ging?“

„Ähm...“

„Oder hast du deinen Eltern nie zugehört, als sie mit dir darüber reden wollten??“

„Ähm...also...ähm...“

„Was denn plötzlich los? Wo ist dieser selbstsichere Kerl hin, der meinte er vögelt mir meinen Horizont weiter?“

Bryan guckte Ulrike mit seinen grünen Augen leicht niedergeschlagen an, ließ den Blick kurz durch die Räumlichkeiten schweifen und entschied dann, dass es das Beste wäre einfach zu gehen.

„Oh ja“, „rief ihm die Frau hinterher, „genau das mach ich auch immer, wenn man mich vor vollendete Tatsachen gestellt hat!“

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„...nach dem heutigen Tag brauche ich definitiv einen Drink!“, atmete Amanda schwerfällig und schloss den Laden ab.

„Bin dabei!“

Die Frau zuckte fürchterlich zusammen und guckte den Riesen über ihre Schulter hinweg düster an.

„Sorry...“, entschuldigte er sich, „ich hab vergessen, wie schreckhaft du bist...ich mach es nie wieder.“

„Jetzt brauche ich schon zwei Drinks!“

„Bin trotzdem dabei!“, grinste Spencer.

„Gern“, lächelte sie jetzt deutlich entspannter und die beiden gingen in die Bar, wo sie sich wieder getroffen hatten.

„Theke oder Tisch?“

„Tisch.“

Amanda und Spencer nahmen Platz und gleich darauf kam die Bedienung zu ihnen.

„Hi!“, grüßte der Riese und lächelte, „du bist doch eine Bekannte von Bryan oder?“

„Sag ihm einen schönen Gruß von mir“, bemerkte Ulrike dezent genervt, „er braucht sich bei mir nicht mehr blicken lassen.“

Augenblicklich verfinsterte sich Spencers Gesichtsausdruck und er sog scharf die Luft ein.

„Hat er dir wehgetan?“

„Nein.“

„Hat er deine Wohnung verwüstet?“

„Äh...nein? Macht er sowas?“

„Gelegentlich.“

Ulrike schüttelte den Kopf.

„Okay…? Was hat er dann angestellt?“

„Zuerst hat er durch den kompletten Raum nach mir gerufen, dann hat er mich angebaggert und dann ist er einfach gegangen.“

Spencer zog die Augenbrauen stutzig zusammen, während sogar Amanda sich wunderte.

„Das klingt aber gar nicht nach Bryan...“, bemerkte Spencers Begleitung.

„Ich habe ihn lediglich den Wind aus dem Segel genommen...“

„Ja aber da geht er nicht einfach, sondern gibt Konter“, überlegte der Riese, „um was ging es denn?“

„Geschlechtskrankheiten“, bemerkte Ulrike trocken.

„Damit hat sich die Frage erübrigt, ob ich hier etwas esse...“, grinste Amanda niedergeschlagen und klappte die Speisekarte wieder zu.

„...das ist komisch...“

„Nein...widerlich!“

„Ich meine Bryan. Er läuft lieber Gefahr etwas falsches zu sagen, als gar nichts zu sagen...“

„Vielleicht hatte er einen schlechten Tag?“

„Darf...ich eure Bestellung schon mal aufnehmen…?“, erkundigte sich Ulrike und klickerte mit ihrem Kuli, „mein Chef guckt schon hier rüber...“

Amanda und Spencer gaben ihre Getränke auf. Nachdem Ulrike wieder an die Bar gegangen war legte Spencer stutzend einen Finger an den Mund und grübelte weiter. Bei diesem Anblick biss sich Amanda auf die Unterlippe und ließ ihrem Kopfkino freien Lauf. Ab und zu zuckten ihre Mundwinkel noch weiter nach oben und Spucke sammelte sich im Überfluss in ihrem Mund, als Ulrike die Getränke brachte und Amanda sich beinahe daran verschluckte.

„Darf ich dich fragen, was du zu Bryan gesagt hast, damit er gegangen ist?“, fragte Spencer vorsichtig, während das Mädchen bereits wieder am Gehen war.

„Ich habe ihn gefragt, ob er in der Schule und bei seinen Eltern nicht zugehört hatte, als es um das Thema Verhütung ging. Das war es auch schon.“

„Uiuiuiuiuiuiui“, machte der Riese plötzlich und kniff schmerzerfüllt die Augen zusammen, „hättest du ihn nicht einfach schlagen können?“

„Ich darf Gästen gegenüber nicht handgreiflich werden.“

„Natürlich. Aber hättest du ihn nicht einfach schlagen können?“

„Wieso? Hat er die Schule geschwänzt und ein schlechtes Verhältnis zu seinen Eltern? Das ist nämlich für mich keine Entschuldigung, jeder hier trägt sein Päckchen!“

„Wir waren nie in einer Schule und Bryan ist mit sechs Jahren von zu Hause abgehauen, nachdem sein Vater ihn mehrmals die Nase gebrochen hatte...und einige Rippen...den Unterarm...“, bemerkte Spencer ruhig und blickte zu Ulrike auf.

Diese hielt in ihrer Bewegung inne und auch Amanda blickte erschrocken auf.

„Wir wurden von einem gewissen Mann namens Boris Balkov in einer Abtei großgezogen und darauf trainiert, rücksicht- und furchtlose Blader zu werden. Bei Bryan setzte er noch einen obendrauf und machte regelrecht eine Waffe aus ihm. Keine Gefühle, keine Gnade.“

Die beiden Frauen blickten Spencer ausdruckslos an. Wussten nicht, ob sie einfach nur Mitleid haben sollten oder blankes Entsetzen.

„...deswegen sei ihm nicht böse...wenn er heute noch etwas...darauf reagiert...“, bat Spencer und belächelte die Situation.
 

*~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~**~*~* *~*~* *~*~* *~*~* *~*~*
 

Tala goss das heiße Wasser in beide Tassen und stellte sie auf die Theke, wo Luna dagegen lehnte und immer noch wie drei Tage Regenwetter guckte. Sie nickte dankend und löffelte sich Zucker in ihre Tasse, während Tala seinen Teebeutel im Wasser auf und absenkte.

„Nun...“, begann er und entfernte den Beutel, „lass uns jetzt in Ruhe darüber reden, wie du mich heute beinahe wieder hättest stehen lassen wollten...“

„Da gibt es nichts zu reden.“

„Ach nein?“, grinste er genervt, „meinst du ernsthaft, dass die Situation mit deinem ‚es war einfach zu viel für mich‘ einfach abgetan ist?“

„Es war ja nicht so, als hätte man dich überfallen.“

„Nein. Zumindest nicht in so einer Art.“

„Was hätte ich denn dann tun sollen? Dich einfach wegziehen, so dass die Mädchen auf mich losgegangen wären?“

„Du möchtest meine Freundin sein. Du BIST meine Freundin. Verhalte dich demnächst bitte auch so...“, bemerkte er und nippte an seinem Tee.

„Reicht es dir nicht, dass wir Händchenhaltend durch die Öffentlichkeit gehen?“

„Wann gehen wir denn bitte so durch die Öffentlichkeit?“

Luna hielt inne. Tala hatte sie eiskalt ertappt. Sie waren seit sie zusammen waren noch nie Händchenhaltend durch die Stadt gegangen.

„Ich...“, begann das Mädchen und guckte in ihren Tee.

„Du hast Angst. Warum kann ich irgendwie nachvollziehen, aber genau davor hatte ich dich die ganze Zeit gewarnt.“

„Hast du.“

„Dachtest du, dass sowas nie passieren würde?“

„Ich hatte es gehofft, ja.“

Tala seufzte und rieb sich die Schläfen. In diesem Moment wurde die Wohnungstür aufgeschmissen, wieder zugeknallt und Bryan stand in der Küche.

„Bin gleich wieder weg...“, murmelte er und nahm sich eine Flasche Wodka aus dem Kühlschrank.

So schnell wie er aufgetaucht war war er auch schon wieder in seinem Zimmer verschwunden. Tala und Luna guckten noch eine Weile auf den Flur, bis sie diverse Fernsehgeräusche aus seinem Zimmer hören konnten.

„Wie hättest du denn an meiner Stelle reagiert?“, wollte der Rotschopf schließlich wissen, „wenn ich einfach gegangen wäre.“

„In der selben Situation?“

„Selbe Situation.“

Luna blickte dem Jungen direkt in die Augen, völlig ausdruckslos, so dass sich Tala auf die schlimmste Antwort gefasst machte.

„Ich wäre ebenfalls gegangen.“

„Nach Hause?“

„Jupp. Dort hätte ich meine Sachen gepackt, zumindest die wichtigsten und wäre gegangen.“

„Du...hättest mich...also verlassen?“

„Erstmal. Ja.“

Tala hob beide Augenbrauen und legte sein Kinn auf seine Hand.

„Dann sag mir doch, warum ich es nicht genauso machen sollte?“

„Weil du mich liebst.“

Augenblicklich schnellte seine Hand, worauf er gerade noch sein Kinn gestützt hatte auf die Ablagefläche der Theke und seine Augen weiteten sich. Nicht erschrocken oder entsetzt, sie wurden einfach nur groß.

„Du liebst mich also nicht?“

„Doch! Das tu ich.“

„Aber…?“, seine Stimme wurde plötzlich herausfordernder.

„Ich...ich bin einfach ein anderer Charakter als du! Außerdem bist du der Mann, normalerweise müsstest du mich beschützen!“

„Hör bloß auf mit diesem Emanzipationsscheiß! Wir beide haben oft genug miteinander gerungen, so dass ich aus erster Hand sagen kann, dass du ordentlich Kraft hast!“

„Es geht mir ums Prinzip, Tala!“

„Welches Prinzip bitte? Dass das du mich einfach alleine inmitten von liebeshungrigen Teenies stehen lassen kannst und ich nicht?“

Luna raufte sich die Haare und ging ein paar Schritte von der Kochinsel weg, während Tala sie genau beobachtete.

„Ich kann nicht mehr als ‚Entschuldigung‘ sagen!“, beschwerte sich das Mädchen, „oder kommt es glaubwürdiger rüber, wenn ich es auf russisch sage?“

„Das macht keinen Unterschied.“

„Aber du glaubst mir nicht!“

„Weil du es bereits zum zweiten Mal fertig gebracht hast, Luna!“

„Es tut mir doch leid! Wie oft soll ich es dir denn noch sagen?“, fragte das Mädchen allmählich verzweifelt.

„Deswegen brauchst du nicht gleich zu weinen.“

„Ich weine aber!“, beschwerte sie sich mit lauter werdender Stimme, „als wäre es nicht schon nervenaufreibend genug für mich gewesen, dass ich heute meiner Mutter über den Weg laufe und das auch noch in ihrem Laden, wo ich zufälligerweise eine Teilzeitstelle habe!“

„Die du übrigens freiwillig angenommen hast...“

„Ohne das Wissen, dass es ihr Laden ist!“

Luna schluchzte laut auf und ging auf den Balkon, wo sie sich eine Nervenzigarette anbrannte. Tala blieb in der Küche stehen und seufzte zittrig, bevor er einen zu tiefen Schluck seines noch heißen Tees nahm.

Kapitel 33

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Staffelfinale

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Kommentare zu dieser Fanfic (6)

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Von:  XxKumoxX
2019-03-03T20:39:38+00:00 03.03.2019 21:39
Schön, dass du eine reifere Geschichte mit den Beyblade-Charakteren schreibst!^^
Nur ich habe gerade den 1.Teil gelesen und finde es sehr traurig, dass das mit Tala und Rachel auseinander gegangen ist und auch noch so grausam... Die beiden waren ja das Hauptpaar des 1. Teils und da war Tala auch der richtige Vater von Hanna... :'(
Darf ich fragen, warum du dich dazu entschieden hast, Rachel und Tala auseinander zu reißen?
Antwort von:  nataschl91
10.03.2019 04:47
Hallo Kumo,

es freut mich sehr, dass dir meine Geschichte gut gefallen hat, auch wenn sie dich an manchen Passagen sehr traurig gestimmt hat.
Leider ist es so, dass in vielen Serien, Geschichten und Filmen die Paare, welche man als perfekt empfindet nicht immer halten und so ist es auch hier geschehen. Klar Tala und Rachel waren für viele das Paar schlecht hin, dennoch sind sie leider in der Fortsetzung getrennte Wege gegangen.

Hoffentlich bleibst du mir trotzdem weiterhin ein treuer Leser <3

Liebe Grüße
Von:  Okami-Yuriy
2018-11-27T14:26:36+00:00 27.11.2018 15:26
Es hat sich gelohnt zu Warten <3 ^^ habe die Story nochmal gesamt durchgelesen und finde sie echt gelungen :3 Großes Lob
Ich muss sagen manchmal war ich vom Handlungsablauf etwas verwirrt, aber im großen und Ganzen hat es mir richtig gut gefallen^^ Ich freue mich schon nochmehr von dir Lesen zu können :)

LG Okami-Yuriy
Antwort von:  nataschl91
16.02.2019 17:00
Hi :)
erstmal danke für das Lob geht runter wie Öl <3
inwiefern warst du denn verwirrt ? hoffe das es bei der Fortsetzung nicht mehr so sein wird ;)
hoffentlich bleibst du mir auch in der 3. Staffel ein treuer Leser ;)

LG Midnight
Von:  Bryan_Chan
2018-10-13T14:22:35+00:00 13.10.2018 16:22
Also ich finde die Storyline echt cool.
Wie du schreibst liest sich sehr angenehm und abwechslungsreich :))
Auch die Beschreibung der Chars is total gut gelungen. Vor allem stockt die Geschichte zu keinem Zeitpunkt.
Bin gespannt wie es weitergeht!!
Hoffe das bald noch ein Paar Kapitel nachfolgen☺
Freue mich drauf!!
Antwort von:  nataschl91
30.10.2018 00:33
Hallo,

es freut mich, dass ich immer noch treue Leser habe auch wenn mal eine Zeit lang nichts kommt ^^
natürlich bemühe ich mich, euch weiterhin mit neuem Kontent zu versorgen ;)
schön das es dir bis hierhin gefällt!! Hoffentlich bleibt es auch so ;)
Von:  Okami-Yuriy
2018-01-22T12:24:35+00:00 22.01.2018 13:24
Ich mag deine Schreibweise echt gern^^ hab auch wieder viel geschmunzelt :3 hoffe geht bald weiter bin gespannt ^^
LG
Antwort von:  nataschl91
08.02.2018 06:03
servus ^^
heute muss dein glückstag sein denn es gibt gleich 2 neue kapitel ^^
viiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiel spaß
Von:  Okami-Yuriy
2017-06-10T21:04:56+00:00 10.06.2017 23:04
Der Fanfic gefällt mir echt gut ^^ ich hoffe du schreibst bald weiter :)
Was würde ich nicht alles tun um in Lunas Haut zu stecken <3

LG ^^
Von:  Bryan_Chan
2015-02-18T20:27:10+00:00 18.02.2015 21:27
Wow, cooles Kapitel, freu mich voll auf die Fortsetzung ...
Sau stark wie du Bryan darstellst... es is ziemlich selten dass Bryan nicht als kleines "flauschiges Kätzchen" dargestellt wird, .... bin schon auf die anderen gespannt ;)))
Lg


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