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Neue Zeiten

von

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Die Ruhe vor dem Sturm

In einer Zeit, in der sich die magische Welt erneut komplett von der Muggelwelt abgespalten hat, in der „Der, dessen Name nicht genannt werden darf“ und „Der Junge, der überlebt hat“ nur noch in den Geschichtsbüchern existieren, in der die Muggelwelt keine Fortschritte, eher Rückschritte gemacht hat, in der es einem Zaubererkind noch schwieriger gemacht wird, seiner Bestimmung zu folgen und die Regeln des Ministeriums sich wie eine Schlinge immer enger um die Hälse der Zauberer legen, in diese Zeit wurde ein völlig unbedeutendes Mädchen hinein geboren.

Auch ihre Eltern waren, wie von so vielen anderen auch, Zauberer und Hexe. Weder waren sie bekannt, noch hatten sie je irgendetwas Bedeutendes vollbracht. Und doch waren sie glückliche Leute. Einfache, glückliche Leute. Das Mädchen hätte keine besseren Eltern finden können, immerhin merkte sie in ihrem ruhigen zu Hause nichts von der chaotischen Welt vor der Tür. Sie wusste nichts davon, dass ihr Vater enterbt worden war, als er ihre Mutter geheiratet hatte. Sie wusste auch nichts davon, dass ihre Mutter eigentlich als unfruchtbar galt und es reiner Glücksfall gewesen war, dass sie mit ihr schwanger wurde und sie nur deshalb auf den Namen „Justice“ getauft worden war.

Denn alles verlief in ihrem trauten Heim harmonievoll und geregelt. Zumindest, wenn sie anwesend war. Jedoch vertraute sie darauf, dass dies auch weiterhin so war, wenn sie sich in Hogwarts befand. In der Schule, in der sie die letzten 4 Jahre verbracht hatte und nun wieder auf dem Weg dorthin war, um ein neues Schuljahr an zu treten.

 

Freudig hatte sie sich von ihren Eltern am Londoner Bahnhof King‘s Cross, auf dem Bahnsteig 9 ¾, verabschiedet, ehe sie in den Hogwarts-Express gestiegen war.

Während die Wolkendecke sich immer weiter verdichtete und es so aussah, als würde es bald einen Wolkenbruch geben, kuschelte sich das Frettchen auf ihrem Arm dichter an ihren Pullunder. Zärtlich streichelte das Mädchen das Tier, während sie langsam durch die Gänge strich und nach einem freien Abteil Ausschau hielt. Ihr Gepäck war bereits verstaut, also musste sie sich um nichts mehr Sorgen machen. Außer vielleicht darum, dass eines der anderen Kinder sie über den Haufen rannte, wenn sie nicht achtsam genug war.

 

In einem der vorderen Waggons fand sie dann endlich ein leerstehendes Abteil, das sie sich auch gleich unter den Nagel riss und sich darinnen breit machte. Sie war nun mal eine Einzelgängerin, da die meisten aus ihrem Jahrgang nicht mit ihrer stillen und verschlossenen Art zurecht kamen. Wenn sie sich bisher nur ein wenig mehr angestrengt hätten, wäre sie vielleicht bereit gewesen, sich ihnen mehr zu öffnen. Doch hatte noch niemand genug Geduld bewiesen, weshalb sie sich mit ihrer Einzelgängerrolle arrangieren musste. Denn, auch wenn ihr Leben ruhig verlief, so hatte sie in der Schule gelernt, dass man nie den falschen Personen vertrauen durfte. Und solange sie sich daran hielt, blieb ihr Leben auch weiterhin friedlich.

 

Zufrieden seufzend schloss das Mädchen ihre Augen, als sie sich in Fahrtrichtung ans Fenster setzte und lehnte die Stirn an das kühle Glas, während das Abfahrtssignal des Express ertönte. Vermutlich würde ihre Fahrt, die gleich begann, ebenso ruhig und ereignislos verlaufen, wie eh. Schmunzelnd darüber öffnete das Mädchen ihre blaugrünen Augen und beobachtete, die ersten dicken Regentropfen dabei, wie sie an die Scheibe klatschten und prompt daran hinunter liefen.

Ungeplanter Zwischenstopp

Justice schreckte aus ihrem Dämmerschlaf hoch. Sie war eingeschlafen, kaum dass der Express den Bahnhof verlassen hatte. Einen Moment lang verstand sie nicht, weshalb sie erwacht war, bis ihr das leise Murren ihres Frettchens an die Ohren drang.

„Tucker, was hast du denn…?“ Müde blinzelnd schweifte ihr Blick durch die Kabine, bis sie das aufgebrachte Tier auf der Gepäckablage gegenüber entdeckte.

„Hey! Tucker, komm da runter!“ Doch auch dieser Protest wurde von ihm ignoriert. Stattdessen ging sein Blick aus dem Fenster. So kannte sie ihr Frettchen gar nicht, für gewöhnlich lies er sich immer anlocken.

„Wie du willst, du eigensinniges Vieh, dann hol ich dich eben von dort runter…“ Seufzend stand die Rothaarige auf und strich sich eine Strähne ihres Haares hinter die Ohren. Doch kaum war sie einen Schritt auf das Tier zu gegangen, schrie es panisch auf und warf sich ihr in die Arme.

Und dann ging alles so schnell, dass Justice das Handeln unmöglich war. Denn auf einmal kreischten die Bremsen sämtlicher Waggons auf und im nächsten Moment ging ein heftiger Ruck durch den ganzen Zug. Ohne reagieren zu können, stürzte sie zu Boden. Während sie sich zwischen den Sitzbänken zusammenkauerte, achtete sie nur noch darauf, Tucker nicht los zu lassen, trotz dass um sie herum ein Ohren betäubender Lärm laut wurde.

 

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis der Hogwarts-Express endlich stand und nur noch ein beständiges, pneumatisches Zischen zu vernehmen war. Erst dann wurden vereinzelte Schluchzer und Rufe laut.

Vorsichtig setzte sich Justice auf und entließ ihr Frettchen aus ihrem Griff. Obwohl es nun um sie herum wuselte und lautstark protestierte, achtete sie nicht weiter darauf Stattdessen stand sie vorsichtig auf und tastete sich sachte ab. Abgesehen von den Schmerzen an ihrer rechten Schulter fehlte ihr nichts. Und da die Schmerzen vom Sturz kamen, ihre Bewegung jedoch nicht beeinträchtigten, vermutete sie, dass es sich lediglich um einen Bluterguss handelte. Erst, nachdem sie dies festgestellt hatte, drehte sie sich zu ihrem Frettchen um und nahm es wieder auf den Arm.

„Tucker, sei still!“ Grummelnd gehorchte das Tier, ehe es an ihr hinauf kletterte und es sich auf ihrer Schulter gemütlich machte.

„Fein. Und jetzt lass uns schauen, was hier los ist.“ Ebenso vorsichtig, wie das Mädchen eben noch aufgestanden war, öffnete sie nun die Abteiltür und spähte in das Chaos hinaus. Überall standen ihre Mitschüler herum, doch schienen auch diese nicht viel mehr als sie selbst zu wissen. Zumindest ließen sie die Gesprächsfetzen darauf schließen.

Nur kurz wanderten Justice' blaugrüne Augen aus dem Fenster, um fest zu stellen, dass sie irgendwo im nirgendwo standen und es aufgehört hatte zu regnen. Dann schaute sie kurz zu den hinteren Waggons, ehe sie sich doch auf den Weg nach vorne, zur Zugmaschine, machte. Was sich als schwieriger herausstellte, als sie gedacht hatte, da sie kaum in den Massen an Jugendlichen voran kam.

 

Doch irgendwann erreichte sie endlich eine Stelle, an der sich die anderen eng auf einer Seite des Ganges aneinander drängten und ihr somit die Chance ließen, an ihnen vorbei zu schlüpfen. Wobei sie dort auch schon schlagartig stehen bleiben musste, um nicht erneut zu stürzen. Denn hinter der Durchgangstür klaffte ein Loch. Die vorderen beiden Waggons, sowie die Zugmaschine waren entgleist und lagen kreuz und quer vor ihnen. Nur der Waggon genau vor ihr stand noch windschief auf den Gleisen, so als hätte er sich einfach geweigert, ebenfalls umzukippen.

„Oh Gott…“, hörte Justice jemanden neben sich stammeln. „Ob das irgendjemand überlebt hat…?“ Bei diesem Satz fuhr die Rothaarige schlagartig herum und suchte das Mädchen, das eben noch gesprochen hatte. Als sie ihr in die Augen sah, verengten sich ihre eigenen zu Schlitzen.

„Ihr habt nicht nachgesehen?“ Zitternd schüttelte die Jüngere den Kopf, was Justice nur dazu brachte, sich wütend abzuwenden, bevor sie doch noch etwas falsches sagen würde. Nur kurz glitt ihr Blick über den Ausstieg, der sich nun vor ihr eröffnete, dann sprang sie das kurze Stück zum anderen Waggon hinüber. Ohne weiter darüber nach zu denken, lies sie die anderen an Ort und Stelle zurück. Nachdem sie die Schiebetür einen Spalt weit aufgeschoben hatte, um sich hindurch zu zwängen, stieg sie in das neue Chaos ein.

 

In dem schräg stehenden Waggon war es vollkommen still und es kam Justice so vor, als ob die Luft elektrisiert wäre. Achtsam schob sie sich voran und stützte sich dabei an den Wänden ab, während Tucker ein unruhiges Grollen von sich gab.

Doch, lies sie sich von dem Tier nicht beunruhigen, während sie in jedes Abteil schaute.

Allerdings entdeckte sie keine Menschenseele.

Justice war sich nicht sicher, ob sie das als gutes oder schlechtes Zeichen ansehen sollte, doch redete sie sich ein, dass die Schüler aus diesem Waggon mit Sicherheit bei den anderen hinten waren. Immerhin war es nicht so schwer, von diesem zum vorherigen Waggon zu gelangen.

Also setzte sie ihren Weg fort, bis sie an das Ende dieses Wagens kam. Hier war sie dazu gezwungen, aus dem Zug aus zu steigen, da der auf der Seite liegende Waggon doch ein Stück weit entfernt lag. Also ging sie in die Hocke und sprang vorsichtig nach unten. Stolpernd kam sie auf dem nassen Kies zwischen den Gleisen auf und ihr Blick huschte in Richtung Zugmaschine. Alle drei übrigen Wägen lagen gänzlich auf der Seite, was es komplizierter machte, sie durch zu sehen. Dennoch erklomm sie den nächsten offen stehenden Eingang und zog sich bedacht ins Innere.

Doch abgesehen von gesprungenen Scheiben und durcheinander geflogenen Gegenständen war auch hier nichts zu finden. Ebenso wenig in den nächsten beiden Zugteilen.

 

Als Justice auch die Zugmaschine verlassen vorfand, sprang sie kurzerhand zurück auf die Gleise und lief grübelnd zum Rest zurück, als plötzlich neben ihr der Knall einer apparierenden Person ertönte. Noch bevor die nächsten Knalle laut wurden hatte die Rothaarige auch schon ihren Zauberstab gezückt und in Richtung der Person gerichtet, die aufgetaucht war. Jedoch lies sie diesen auch genau so schnell wieder sinken, als sie mehrere Zauberstäbe auf sich gerichtet sah.

„Wer bist du und was suchst du hier draußen?“ Kritisch musterte Justice den Mann, der als erstes appariert war und sie ebenso von oben bis unten betrachtete.

„Justice Lorring. Ich wollte nachsehen, ob jemand verletzt ist.“ Als hätte sie den Mann mit den dunkelblonden Haaren auf etwas gestoßen, das er bis eben noch nicht bemerkt hatte, schaute dieser zu den umgestürzten Waggons hinüber. Ein langer Moment der Stille entstand, was Justice an die knisternde Stille in den umgestürzten Waggons erinnerte, ehe der Mann seine braunen Augen ihr wieder zuwandte.

„Und, Miss Lorring?“ Für einen Augenblick hatte Justice das Gefühl, dass er sie testen wollte, weshalb sie seinem Blick kurz auswich und selbst zum Zug hinüber schaute.

„Ich konnte niemanden finden.“ Da der Fremde erneut schwieg, blickte das Mädchen nun doch wieder zu ihm zurück, um fest zu stellen, dass er sie stirnrunzelnd musterte. Unbehaglich begegnete sie seinem Blick und zwang sich dazu, stand zu halten. Erneut begann sich diese eiskalte Stille aus zu breiten, doch unterbrach der Mann sie dieses Mal schneller, während er sich zu den anderen Männern um drehte, die nach ihm appariert waren.

„Leachman, Hunter, ihr seht nach, ob sich wirklich niemand mehr in den Waggons befindet. Flynt und Dearing, ihr beide kümmert euch um die Kinder.“ Er wartete kurz, bis die vier Männer sich an ihre Arbeit machten, dann wandte er sich erneut dem Mädchen zu.

„Und wir beide sollten uns erst einmal darüber unterhalten, dass man nicht durch umgestürzte Züge klettert. Vor allem nicht alleine.“ Verdutzt blinzelte Justice einige Male, ehe sie die Augenbrauen zusammenzog.

„Wie bitte? Weil ich die Einzige bin, die sich getraut hat, nach zu sehen, ob jemand verletzt ist, bekomm' ich jetzt auch noch eine Zurechtweisung?“ Prompt unterbrach der Mann sie, indem er die Hand in die Höhe hielt.

„Nein, nicht deswegen. Sondern aus dem Grund, dass du leichtsinnigerweise alleine gegangen bist. Es hätte alles mögliche passieren können. Du hättest dich verletzen können. Oder aber…“, wieder flog der Blick seiner braunen Augen zurück zum Zug. „Wenn niemand in den Waggons war… Hätte dir das selbe passieren können, wie denen, die während der Fahrt noch in diesen gesessen hatten…“ Die Stimme des Mannes war leise und nachdenklich. So, als hätte er diesen Gedanken gar nicht aussprechen wollen. Doch protestierte in diesem Moment das Frettchen auf Justice' Schulter mit keckernden Lauten, was ihn wieder zu dem Mädchen blicken lies.

„Und wage es dich ja nicht, mir das Tier als deine Rückversicherung zu verkaufen.“ Das Keckern des Tieres wurde wütender und das Mädchen musste ihm beschwichtigend eine Hand auf den Pelz legen, dass es sich wieder beruhigte.

„Shht, Tucker.“ Erst, als das Frettchen klein beigab und den Kopf beleidigt in ihre Halsbeuge legte, nahm Justice die Hand wieder runter und entgegnete den Blick des Mannes direkt.

„Wer sind Sie eigentlich?“ Ihr Misstrauen war in ihren Augen zu lesen. Doch schien dies den Fremden auf irgendeine Art und Weise zu amüsieren, denn er lächelte schief, bevor er antwortete.

„Wesley Graves, Auror.“ Kritisch verzog die Rothaarige das Gesicht, als sie ihre Vermutung bestätigt bekam, dass es sich hier um Auroren handelte. War dies nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen, dass Auroren geschickt wurden, kurz nachdem der Zug verunglückte? Seufzend lies das Mädchen den Blick sinken.

„Kann ich dann wieder zu den anderen, Mister Graves?“

„Erst, wenn du mir genau erzählt hast, was passiert ist, bis zu dem Punkt, an dem wir hier eingetroffen sind.“ Erneut seufzte Justice. Sie hatte ihre Gedanken doch selbst noch nicht geordnet, wie sollte sie ihm dann eine genaue Antwort geben? Trotzdem ergab sie sich ihrem Schicksal und erzählte, was sie gesehen und gehört hatte, seit Tucker sie geweckt hatte.

Doppelt hält besser

So, wie er es gesagt hatte, brachte der Auror Justice zurück zu ihren Mitschülern, nachdem sie ihm alles erzählt hatte. Auch wenn dies nicht sonderlich viel war, lies er sich nicht anmerken, ob es hilfreiche oder wertlose Informationen waren. Jedoch schien es ihr so, als ob er wüsste, dass sie ihm etwas verheimlicht hatte. Immerhin hatte sie ihm nichts von diesem Gefühl gesagt, dass sie verspürt hatte, als sie in den ersten Waggon geklettert war. Diese elektrisierte Luft hatte sie außen vor gelassen, da sie sich selbst nicht sicher war, ob sie es sich nicht nur eingebildet hatte. Doch alles in allem war die Rothaarige nur froh, dass er sich nichts anmerken lies und sie nicht hinterfragte. Denn so konnte sie sich selbst noch einmal Gedanken darüber machen, ohne große Schuldgefühle zu haben, da sie nichts davon erwähnt hatte.

Jedoch riss Wesley sie noch einmal aus ihren fahrigen Gedanken, bevor sie die letzten Meter zu den anderen Jugendlichen gehen konnte, die mittlerweile alle auf den Gleisen versammelt standen.

„Falls dir doch noch etwas einfällt, melde es deinem Schulleiter. Er wird es an mich oder einen meiner Kollegen weiterleiten können. Egal, wie unbedeutend es dir vielleicht vorkommen mag, vielleicht ist es für uns ja doch wichtig.“ Und schon hatte Justice jene Schuldgefühle, die sie bis eben noch guten Gewissens von sich weg geschoben hatte. Schnell wich sie dem Blick des Aurors aus.

„Das werde ich tun, Mister Graves.“ Dann schloss sie endlich zu ihren Mitschülern auf und war zum ersten Mal froh, bei diesen zu sein. Auch wenn die Gruppe verängstigt und verwirrt war, strahlte sie doch so etwas wie Schutz aus. Während ihr dieser Gedanke ein sanftes Lächeln entlockte, hörte sie, wie einer der Auroren, die Mr Graves zu den Schülern geschickt hatte, dabei war, den weiteren Ablauf zu erklären. Automatisch huschte ihr Blick zu dem Mann. Sein Gesicht war von zwei scheinbar unzähmbaren, hellbraunen Strähnen gesäumt, den Rest seiner Haare hatte er wohl durch deren Länge gerade so zu einem Zopf zusammengefasst. Trotz der chaotischen Situation strahlten seine braunen Augen etwas beruhigendes aus. Auch seine Stimme war sanft und lies auch die letzten aufgebrachten Gemüter Ruhe finden, um ihm zu zuhören.

Justice wusste nicht, ob es Flynt oder Dearing war, doch der zweite Auror war nirgends zu sehen.

„Also. Da niemand von euch mehr als ein paar blaue Flecken hat, werdet ihr schnellstmöglich nach Hogwarts gebracht. Im Moment werden Kutschen arrangiert, die euch auf direktem Wege in die Schule bringen werden. Bis diese Kutschen eintreffen, erwarten wir von euch, dass alle beisammen bleiben. Niemand verlässt die Gruppe.“ Der Mann lies einen Moment verstreichen, um sicher zu gehen, dass seine Worte auch bei jedem angekommen waren.

„Und jetzt folgt mir bitte. Ich möchte, dass ihr euch alle auf der Wiese dort einfindet.“ Justice' Blick folgte dem ausgestreckten Zeigefinger des Aurors, der neben dem Gleisbett auf ein grünes, zugewuchertes Gelände deutete, auf dem vereinzelt kleine Baumgrüppchen standen. Die Rothaarige stellte fest, dass die Wiese vollgesogen vom kürzliche Regen war, doch schien es ausnahmsweise niemanden zu stören, als sie die Grünfläche betraten. Nicht einmal die Püppchen beschwerten sich.

Justice selbst lies sich Zeit, bis sie den anderen auf die Wiese folgte. Sie überblickte lieber ihre Mitschüler und die wenigen Auroren. Da einer der Männer fehlte, der für die Schüler eingeteilt worden war, tippte das Mädchen darauf, dass dieser wohl die Kutschen organisierte, von denen der andere Auror eben gesprochen hatte. Doch interessierte sie eher, was wohl die anderen beiden Auroren, Leachman und Hunter, in den umgefallenen Waggons entdeckt hatten.

Also blieb sie am Rande der Gruppe stehen und lies ihren Blick zu den beiden und Mr Graves zurück wandern. Von hier aus konnte sie die drei gut erblicken, nur hören konnte sie diese nicht mehr. Sie sah, wie der Braunhaarige eine ausschweifende Handbewegung zum Zug machte und ungläubig den Kopf schüttelte. Daraufhin äußerte der Fremde mit den kurzen, schwarzen Haaren etwas, was Graves zum Grübeln brachte. Doch als er sich nachdenklich in ihre Richtung wandte, verließ Justice eilig ihren Spähposten und schloss doch ein paar Schritte weiter zu den anderen Schülern auf.

 

Währenddessen zerbrach sich Wesley den Kopf darüber, was seine Kollegen ihm eben eröffnet hatten. Und zwar genau das selbe, das ihm auch dieses rothaarige Mädchen erklärt hatte:

Dass es keine Anzeichen auf Personen in den umgestürzten Zugwaggons gab und ebenso wenig darauf, was mit diesen geschehen sein könnte.

Grübelnd lies er seinen Blick von den Waggons zu Justice wandern, die sich schleunigst daran machte, zum Rest der Schüler auf zu schließen. Misstrauisch beobachtete er das Mädchen einen Moment lang, ehe er doch wieder zu dem Schwarzhaarigen schaute.

„Harrison, bist du dir sicher, dass es sich um einen Missbrauch von Magie durch einen Unbefugten handelt? Ich denke kaum, dass ein Schüler das angerichtet haben kann.“ Die grauen Augen des Schwarzhaarigen schienen sich geradezu in Wesleys Seele bohren zu wollen, als er ihn anstarrte. Doch gab Harrison selbst klein bei und lies seinen Blick zur Zugmaschine wandern.

„Ich glaube kaum, dass es ein Schüler war. Dafür ist das Ausmaß zu gewaltig. Trotzdem wurde es als ein Missbrauch von Magie durch Unbefugte angezeigt.“

„Das erklärt aber nicht, warum die uns und keinen aus ihrer Abteilung hier hin schicken“, mischte sich da jedoch der Braunhaarige ein und erntete ebenfalls einen bösen Blick von Harrison.

„Manchmal frage ich mich, wie du in diesem Beruf so alt werden konntest…“ Doch noch bevor diese Unterhaltung in einen Streit ausufern konnte, mischte Wesley sich entschieden ein.

„Hey! Kriegt euch wieder ein! Wir sind hier, weil sie uns hier hin geschickt haben, da es sich um einen Unfall mit Schülern aus Hogwarts handelt. Es geht hier in erster Linie darum, dass wir uns einen Überblick verschaffen und ein Auge auf die Kinder haben. Vorerst kann es uns egal sein, ob und wann die Magische Strafverfolgung sich dazu bequemt, hier her zu kommen.“ Kaum hatte Wesley diese Worte zu Ende gesprochen, hallte auch schon der Knall eines Apparierzaubers wider und er drehte den Kopf in diese Richtung. Wie erwartet war es Flynt, der mit seinen wippenden, blonden Löckchen auf sie zu kam.

„Das mit den Kutschen ist geregelt, Wes.“ Knapp nickte der Älteste der Runde, als er zumindest diese positive Aussage vernahm.

„Und was ist nun mit dem Zug?“ Wie zu erwarten war, schaffte es Flynt mal wieder, kaum dass er etwas gutes von sich gegeben hatte, etwas dummes zu sagen, was Wesley seufzen lies, wegen der Gewissheit, dass Harrison dies so sah.

„Der liegt auf der Seite, siehst du doch selbst.“ Die Ungewissheit darüber, was genau geschehen war und wohin die Schüler, die in diesen Abteilen gesessen hatten, so spurlos verschwunden waren, ließen Harrisons reizbare Seite hervortreten.

Beschwichtigend hob Wesley die Hände in die Höhe.

„Jetzt reicht es aber! Wenn du an irgendwem deine Laune auslassen willst, Harrison, dann geh ein paar Schwarzmagier jagen! Oder tu endlich, was man von dir verlangt, und kümmere dich um die Kinder!“ Doch da es dem Anführer der Truppe langsam zu bunt wurde und er keine Lust auf unnötige Diskussionen hatte, wandte er sich kurzerhand ab und machte sich nun selbst daran, die Waggons und dann die Gleise zu untersuchen. Vielleicht fand er ja etwas, was den anderen verborgen geblieben war.

 

Inzwischen hatte Justice endlich das Zwillingspärchen aus ihrem Jahrgang entdeckt. Auch die beiden standen ein wenig abseits von den anderen, doch wirkten sie weniger durcheinander als der Rest. Sie standen beieinander und wechselten immer wieder verstohlene Blicke, während sie zwischen den einzelnen Auroren und dem Zug hin und her schauten. Doch als sie Justice entdeckten, hielten sie abrupt inne und starrten sie an. Unwillkürlich blieb nun auch die Rothaarige stehen, die sich unbewusst in die Richtung der Zwillinge bewegt hatte. Jedoch schien das die beiden Blonden auch noch zu ermutigen, zu ihr zu kommen. Denn sie warfen nur schnell noch einen Blick zurück zu dem Auror, der ein Auge auf die anderen Schüler hatte, dann eilten sie auch schon zu ihr hinüber und zogen sie noch etwas weiter von den anderen weg.

Du hast mit dem Auror geredet.“

Ja, du warst vorne in den umgefallenen Waggons.“

Was hast du ihm gesagt?“

Was hast du da vorne gesehen?“ Verdutzt blinzelte Justice einige Male und schaute zwischen Zachary und Zoe hin und her, die sie im Flüsterton überfielen.

„Ich-…“

Ksht!“, zischte Zoe sie direkt an und schaute sich hektisch um.

Die dürfen zwar alles essen, aber nicht alles wissen.“ Zachary liebte alte Muggelsprichwörter und gab sie immer zum günstigsten Zeitpunkt preis.

Und nun sag: Was hast du dem Auror erzählt?“ Justice konnte Zoes Ungeduld in deren grünen Augen lesen, weshalb sie sich damit abfand, dass sie den beiden zumindest eine Kleinigkeit erzählen musste, um ihre Ruhe zu bekommen.

Ich habe ihm nur das erzählt, was ich gesehen habe: Nämlich nichts. Ich weiß nicht, wie es zu dem Unfall gekommen ist und ich weiß auch nicht, warum niemand in den vorderen Waggons war, als ich nachgesehen hab.“

Wie? Da war niemand?“ Auf Zacharys Frage hin schüttelte Justice nur leicht den Kopf und machte einen Schritt zurück, wobei sie mit dem Fuß an die Wurzel eines Baumes stieß und inne hielt.

Es war niemand in den vorderen Zugabteilen.“ Wiederholte die Rothaarige dann, als sie endlich wieder etwas mehr Freiraum hatte. Grübelnd schauten sich die Zwillinge kurz an, ehe sie einen Blick auf die anderen Schüler warfen.

Die Vertrauensschüler sollten im ersten Waggon sitzen…“

Doch wenn sie nicht dort waren und auch nicht hier, bei den anderen, sind…“ Erneut traf sich der Blick der beiden.

Wohin sind sie dann verschwunden?“

Ungeahnte Hindernisse

Sidney war froh darüber, dass die organisierten Kutschen doch recht zeitnah eintrafen und die Schüler endlich von hier weg brachten. Zumal es danach aussah, als würde es bald erneut regnen. Und auf nasse, durchgefrorene Kinder hatte er wahrlich keine Lust, wenn er hier einen Job zu erledigen hatte. Ein Job, der ihm auf eine gewisse Art und Weise Angst machte. Denn, wer oder was konnte so viele Schüler einfach spurlos verschwinden lassen? Die ganze Sache gefiel ihm nicht und es störte ihn, dass er so lange durch die Kinder davon abgehalten wurde, sich den Tatort an zu schauen.

Und während er so darüber nach grübelte und dabei zu sah, wie die Kinder in die Kutschen verfrachtet wurden, ertönte eine leise, helle Stimme neben ihm.

Bei dem zaghaften „Daddy...?“ waren all seine Sorgen für den Moment wie weggeblasen. Mit einem sanften Lächeln drehte er sich zu dem Mädchen um, dessen blonde Locken wirr in alle Richtungen ab standen. Sie hatte ihre kinnlange Frisur nach dem Unfall wohl nicht ganz unter Kontrolle bringen können.

„Was ist, mein Schatz?“ Sachte streichelte er ihr ein paar Locken aus dem Gesicht. Doch lies sich das Mädchen von dieser Geste nicht ablenken und fixierte stattdessen die Augen des Älteren.

„Daddy, du wirst die anderen doch wiederbringen, oder?“ Natürlich hatte sie das unruhige Geraune von den verschwundenen Schülern aus den vorderen Waggons bereits mitbekommen.

„Natürlich, Lindsey. Und wenn ich es nicht bin, wird es einer meiner Kollegen sein.“ Einen Moment lang schwieg die Kleine, ehe sie nickte.

„Und jetzt los. Du wirst so schon zu spät zu deiner Einschulung kommen, dann versuch zumindest als eine der Ersten da zu sein.“ Mit einem weiteren Nicken wandte sich Lindsey ab und ging zwei Schritte, ehe sie inne hielt und sich erneut zu ihrem Vater umdrehte.

„Daddy, pass' auf dich auf.“ Und schon hatte sie Sidney zurück gelassen und war in das bunte Treiben eingetaucht, das sich um die Kutschen herum gebildet hatte.

„Sie ist tapfer“, ertönte in diesem Moment Dales Stimme, während dieser ihm eine Hand auf die Schulter legte. Nur kurz musterte Sidney den Jüngeren, ehe sein Blick wieder zurück zu den Kutschen glitt.

„Und ich könnte nicht stolzer auf sie sein.“ Ein trauriges Lächeln umspielte Sidneys Lippen, als er doch endlich den Blick von den Kutschen und deren außergewöhnlichen Zugtiere nehmen konnte. Er wusste, dass er die Thestrale nur deshalb sehen konnte, weil seine Frau in seinen Armen ihre letzten Atemzüge getan hatte. Seither hatte er jedoch das Gefühl, Thyra und diese Wesen verband etwas.

„Nun geh schon, Sid. Ich kann deinen Platz hier gerne übernehmen. Und solange kannst du dich an den Waggons austoben.“

„Ich heiße nicht Lyle, dass ich mich irgendwo dran austoben müsste.“ Dale hatte das geschafft, was er erreichen wollte. Nämlich, dass Sidneys trauriger Gesichtsausdruck wieder etwas fröhlicher wurde. Und Lyles protestierendes „Hey, das hab ich gehört!“ lies dessen Grinsen nur noch etwas breiter werden, während er endlich zu Wesley hinüber ging. Dort, wo er schon die ganze Zeit hingehen wollte.

 

Als Wesley ein Geräusch hörte, hob er den Blick an und griff aus Reflex nach seinem Zauberstab. Doch lies er diesen stecken, als er Sidney entdeckte, der gerade zu ihm in den umgekippten Waggon der Vertrauensschüler kletterte. Einen Moment lang herrschte Stille zwischen den beiden Männern, bis der Truppenführer nickte und sich wieder dem Abteil zu wandte.

„Deiner Tochter geht es gut?“ Auch wenn es so wirkte, als ob Wesley die Frage nur nebenbei gestellt hatte, so wusste Sidney doch, dass ihm die Antwort wichtig war. Trotz dass er sich die Antwort bereits daraus zusammenreimen konnte, dass der andere sich zu ihm gesellte.

„Ihr geht es gut“, bestätigte der Mann mit den hellbraunen Haaren also, ehe er neben seinem Kollegen in die Hocke ging.

„Und, was hast du bisher gefunden, Wes?“ Da die Stille, die sich plötzlich zwischen ihnen ausbreitete, selbst Sidney zum Grübeln brachte, hob er den Blick zu seinem Gegenüber an. Dieser gereizte Ausdruck in Wesleys Augen hatte nichts gutes zu bedeuten.

„Nicht viel. Um nicht zu sagen: Gar nichts.“ Sichtlich frustriert stand der Ältere auf und drehte sich einmal im Kreis, um das Innere des Waggons zu überblicken.

„Es ist, als ob niemand jemals diesen oder einen der anderen Waggons, geschweige denn die Lok, in den letzten Stunden betreten hätte. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, außer die schwache Signatur dieses Mädchens, Justice Lorring, das hier drinnen nach Verletzten gesehen hat.“ Sidneys Blick überflog das Chaos, ehe er eine nachdenkliche Miene aufsetzte und seinen Zauberstab zwischen den Fingern drehte.

„Also ist das unmöglich das Werk eines oder mehrerer Schüler.“ Er nickte kurz, um sich selbst zu bestätigen, während er auf seiner Unterlippe herum kaute und seinem Zauberstab dabei zu sah, wie sein Aufspürungszauber wirkte.

„Um so viele Menschen zu entführen und dann auch noch ungesehen zu verschwinden, muss es ein-... Nein. Es müssen mehrere mächtige Zauberer gewesen sein. Ich kann keinen genauen Zauber ausfindig machen. Hmm...“ Der Braunhaarige legte den Kopf leicht schief, als er seinen Zauber unterbrach und einen anderen Aufspürungszauber anwandte. Kritisch zog er die Augenbrauen zusammen.

„Hier sind so viele verschiedene Zauber, dass ich weder Anfang noch Ende eines Zaubers aufspüren kann. Es ist schon schwer genug, überhaupt einen Zauber hier heraus zu filtern. Die haben sich wirklich alle Mühe gegeben, hier sämtliche Zauber drauf zu legen, die es gibt. Und selbst meine Kenntnisse überschreiten diese Zauber bei Weitem.“

Auch wenn Wesley von dieser Aussage überrascht war, lies er es sich nicht anmerken. Er hatte zwar gehofft, dass Sidney einen Durchblick hätte und hier etwas aufspüren würde, was ihm verborgen geblieben war, doch war das, was er entdeckt hatte, durchaus enttäuschend. Der Jüngere war im Aufspüren von Zaubern bisweilen die begabteste Person, die er kannte. Und dass ausgerechnet er von den Zaubern hier überfordert war, hatte nichts gutes zu bedeuten.

Sidney beendete seinen Zauber kopfschüttelnd und stand auf, wobei sein Blick mehr kritisch als enttäuscht war.

„Wenn ich nichts herausfinden kann, Wes, dann sollten wir diese elenden Spürhunde her holen, damit sie auch noch das letzte Fünkchen Magie aus den Garnituren in ihre Bestandteile zerlegen können.“ Man konnte ihnen beiden ansehen, wie wenig sie von diesem Vorschlag hielten. Jedoch mussten sie sich beide eingestehen, dass sie keine andere Wahl hatten.

„Ja, du hast Recht, Sid. Dann werdet ihr ein Auge auf den Schauplatz haben und ich mache mich auf den Weg ins Ministerium, um diese-... Die Spürhunde davon zu überzeugen, dass wir auf ihre Hilfe angewiesen sind. Die werden sich bestimmt sehr darüber freuen...“ Mürrisch wandte der Truppenführer sich ab und stieg aus dem Waggon, ehe er sich nach London apparierte.

 

Seufzend folgte Sidney ihm aus dem Zug. Kurz überblickte er die Wiese, auf der nur noch vereinzelt Kinder dabei waren, in die letzten Kutschen zu steigen. Dann ging er zu Lyle und Dale hinüber, die etwas abseits von ihrem griesgrämigen Kollegen standen. Er brauchte gar nicht zu fragen, warum sie Abstand hielten, da er sich schon denken konnte, dass Harrisons Laune ebenso am Tiefpunkt war, wie seine eigene. Also lies er den Schwarzhaarigen links liegen und blieb bei seinen anderen beiden Kollegen stehen.

„Wes ist zurück nach London appariert, oder?“ Die grünen Augen des Mannes lagen mit unentschlossenem Ausdruck auf Sidney, als dieser bei ihnen an kam. Da er jedoch nur ein Nicken zur Antwort bekam, verfinsterte sich Dales Miene schlagartig.

„Das heißt also, dass du nichts herausfinden konntest und er dieses überhebliche Pack von Spürhunden hier her holen muss.“ Eines hatten Wesley und Dale gemeinsam, und zwar, dass sie bei dem Namen der Einsatztruppe zum Aufspüren und unschädlich machen von hochgradig gefährlicher und verbotener Magie, den Spürhunden, beinahe würgreiz bekamen.

„Oh nein! Sag, dass das nicht wahr ist, Sid!“ Doch konnte er Lyle diesen Gefallen nicht tun.

„Glaub mir, Lyle, es wäre mir auch lieber, wenn wir die nicht mit einbeziehen müssten. Doch, so wie es aussieht, sind wir dieses Mal wirklich auf sie angewiesen.“ Seufzend schüttelte Sidney den Kopf und steckte die Hände in seine Manteltaschen, als es anfing zu nieseln. Als er den Blick wieder anhob, sah er, dass sich Harrison mittlerweile ebenfalls zu ihnen gesellt hatte, um dem Gesprächsthema zu folgen. Also fuhr er nahtlos fort, wo er stehen geblieben war.

„Die Zauber, die dort drinnen gewirkt wurden, sind zu komplex, als dass ich sie kurzerhand aufschlüsseln könnte. Wahrscheinlich können nur die Spürhunde mit dem magischen Chaos dort drinnen etwas anfangen und in absehbarer Zeit Ordnung schaffen, damit wir endlich unseren Job machen können. Ich möchte die verschwunden Kinder nämlich nicht gerne, länger als nötig, einer Gefahr ausgesetzt lassen, die wir nicht einmal kennen.“

Die Spürhunde

Es schüttete bereits seit Stunden wie aus Eimern, sodass auch der aufgegangene Mond die Umgebung nicht erhellen konnte, als die Spürhunde endlich ihre Suche für einen Moment unterbrachen. Währenddessen hatten sich die Auroren in einen der leerstehenden Zugwaggons zurückgezogen und warteten nur darauf, dass sie endlich neue Informationen bekamen.

Doch als der Truppenführer der Spürhunde den Waggon betrat und dabei entdeckte, wie einige von ihnen herumlungerten, verzog er angewidert das Gesicht. Trotzdem hielt er sich dieses Mal nicht damit auf, sich darüber aus zu lassen, sondern ging direkt zum wichtigen Teil über.

„Wer von euch hat die Wägen als erstes betreten?“, kam es ruppig von dem Schwarzhaarigen, dessen lange, wellige Haare im Moment zu einem Zopf im Nacken zusammengefasst waren. Kurz blickten sich Harrison und Dale an, ehe Wesley antwortete.

„Keiner von uns. Wieso?“ Misstrauen lag in Wesleys Blick, der auf einer Sitzbank saß und die Hände ineinander gefaltet hatte. Während sich Stille über sie senkte, blickten sich die Truppenführer finster an, bis der Spürhund endlich nachgab.

„Das hier ist kein Spiel, Graves. Ich muss wissen, wer die Waggons als erstes betreten hat“, knurrte der Mann gereizt, doch wirkte der Auror weiterhin unbeeindruckt.

„Und ich fragte, wieso du das wissen willst, Donovan.“ Leise fluchte Alister auf Kituhwa, der Sprache seiner Vorfahren, den Cherokee, bevor er den Älteren finster anfunkelte.

„Irgendjemand hat den Auslöser beim Betreten der Waggons betätigt. Durch diesen Auslösezauber haben sich die anderen Zauber ineinander verwoben, was es äußerst schwierig macht, sie wieder zu entwirren. Doch geht es nicht darum. Es geht darum, dass wir bereits einige äußerst gefährliche Zauber entdeckt haben und zu befürchten ist, dass der Auslösezauber ebenfalls nicht ungefährlich sein könnte. Vielleicht war er wirklich nur ein Auslöser, doch ich, an eurer Stelle, würde nicht darauf vertrauen.“ Während der Schwarzhaarige sprach, wandte der Truppenführer der Auroren den Blick missmutig gen Boden.

„Es war eine Schülerin, die nach Verletzten sehen wollte. Sie hat vor unserem Eintreffen die Waggons betreten.“ Wesleys braune Augen huschten zurück zu Alister.

„Bringt sie her, damit ich sie mir ansehen kann.“ Kaum war dieser Satz gesprochen, hatte sich der Spürhund umgedreht und war wieder zu seiner Truppe zurück gegangen. Währenddessen hob der Auror mit den dunkelblonden Haaren seinen Blick wieder an und musterte seine Gefolgsleute.

„Ihr habt ihn gehört.“

 

Die Kutschen waren bis vor das Schloss gefahren und hatten die Kinder dort abgesetzt, ehe die Lehrer sie in Grüppchen hineingeführt hatten. Während des Abendessens hatte man immer wieder versichert, dass man sich um das Geschehene kümmern würde und sich keiner der Schüler mehr als nötig darüber Gedanken machen müsse. Dennoch lies Justice dieses elektrostatische Kribbeln nicht mehr in Frieden. Ständig dachte sie daran. Und wenn es ganz still um sie herum war, kam es ihr sogar so vor, als könnte sie diese Spannung in der Luft noch immer spüren. Das musste alles nur Einbildung sein, anders konnte sie es sich nicht erklären. Trotzdem machte es sie nervös, wenn sich ihr die Härchen auf den Armen und im Nacken aufstellten.

Um diesen Gedanken zumindest für den Moment zu vergessen, warf sich Justice auf ihr Bett und streckte den Arm darüber hinweg, um den Käfig ihres Frettchens zu öffnen. Hastig kletterte das Tier aus der Tür und sprang zu ihr auf die Matratze. Lächelnd warf die Rothaarige das Tier spielerisch mit der Hand um.

„Bei uns ist doch alles in Ordnung, oder, Tucker?“ Natürlich bekam das Mädchen keine Antwort. Doch, dass das Tier so unbeschwert mit ihrer Hand spielte, beruhigte sie ungemein. Und somit konnte sie sich an diesem Abend zum ersten Mal entspannt auf ihr Bett legen und dem Frettchen zu sehen, das sich mittlerweile in ihre Armbeuge kuschelte und ihr sanft in die Hand biss.

 

Allerdings hielt diese Ruhe nicht lange. Denn kaum hatte Tucker sich dazu entschlossen, sich in Justice' Armen zusammen zu rollen und zu schlafen, drang Tumult aus dem Gemeinschaftsraum an ihre Ohren. Das Mädchen zählte im Stillen bis 20, ehe sie seufzte und das Frettchen in den Käfig zurück setzte. Erst nachdem sie die Käfigtür ordentlich verschlossen hatte, machte sie sich auf den Weg nach unten, um heraus zu finden, was los war.

Glücklicherweise musste sie einfach nur den Raum betreten, um das Gesprächsthema sofort zu erfahren. Also blieb sie kurz am Treppenabsatz stehen, um zu lauschen.

„Und ich sag' dir, dass das diese Kerle von vorhin waren!“

„Und wieso, bitte, sollten die Auroren jetzt hier sein?“

„Genau, so ganz ohne die anderen!“

„Moment! Oder, glaubt ihr etwa, dass...“ Kopfschüttelnd wandte Justice sich von der Unterhaltung der Gruppe ab. Sie wusste schon, worauf dieses „Moment!“ hinauslaufen würde und das wollte sie so gar nicht hören. Deshalb ging sie einfach an ihren Mitschülern vorbei und wollte sich eigentlich auf einen der freien Sessel vor den Kamin setzen. Nur für den Fall, dass es doch noch aufschlussreichere Informationen geben würde. Doch wurde sie von diesem Vorhaben abgehalten, als die Zwillinge sie bei den Armen packten und sie von den anderen weg zogen.

Haben wir dich endlich!“, kam es unisono von den Blonden, als sie sich vor Justice stellten, nachdem sie in einer Ecke des Raumes stehen geblieben waren.

Du machst es einem aber auch unmöglich, dich zu finden!“, brummte da auch schon Zoe. Mit skeptisch hochgezogener Augenbraue betrachtete Justice das Mädchen, ehe sie die Augen verdrehte.

„Du-...“

Ksht!“ Und, wie schon einmal an diesem Tag, wurde Justice prompt von Zoe zum Schweigen gebracht und nonverbal darauf hin gewiesen, dass sie zu flüstern hatte.

Zu aller erst: Hör endlich auf, mich auszu-ksh-ten! Und außerdem, Zoe, teilen wir uns den selben Schlafsaal. Wenn du also vorhattest, mich zu finden, warum hast du dann nicht dort nachgesehen?“ Einen Moment lang schaute die Blonde verdutzt, ehe ihr Bruder anfing zu grinsen.

Ich hab's dir ja gesagt, Zoe! Aber, nein, man hört ja nicht auf seinen Bruder!“

Was daran liegt, dass du der unwissende, kleine Bruder bist! Also sei still!“ Ungeduldig verschränkte Justice die Arme vor der Brust und betrachtete die zwei streitenden Blondschöpfe einen Augenblick lang, ehe sie sich räusperte.

Wenn es nur darum ging, wo ich mich aufhalte, habt ihr das ja geklärt. Dann kann ich ja jetzt wieder dorthin zurück gehen.“ Jedoch ließen die beiden sie nicht einen einzigen Schritt in Richtung Treppe machen.

Darum ging es nicht.“

Ja, doch, schon, ein Bisschen, aber nicht direkt.“

Es ging uns eher darum, was Darcy eben erzählt hat. Sie meint, sie hätte die Auroren unten gesehen, wie sie zum Büro des Direktors gegangen sind.“ Auch wenn Zachary sich in diese Aussage hineinsteigerte, als wäre es etwas wirklich wichtiges, schaute Justice nur kritisch und zuckte mit den Achseln.

Das hab ich gehört, als ich die Treppe runter kam. Und was ist daran jetzt so toll, dass ihr mich aufsuchen müsst?“ Auf der Stelle erntete die Rothaarige die bösen Blicke der Zwillinge, bevor Zoe sie belehrte, was daran so „toll“ war.

Denkst du denn nicht nach, Justice? Du hast als einzige mit ihnen geredet! Also, richtig geredet, nicht nur ihre Anweisungen befolgt, so wie es alle anderen gemacht haben!“

Ich glaube der Theorie, die die dort hinten gerade aufstellen, kein Stück!“

Und deswegen denken wir, dass die wegen dir hier sind! Irgendetwas muss da dran sein! Vielleicht glauben sie ja, dass du damit etwas zu tun hast!“ Erneut wollte Justice mit den Augen rollen, doch verkniff sie es sich dieses Mal.

Ich frage mich, ob ihr zu viel Fernsehen schaut, wenn ihr Ferien habt. Solche Verschwörungstheorien fallen doch keinem normalen Menschen ein.“ Als sich Stille zwischen den Dreien ausbreitete, wusste Justice bereits, dass sie, in den Augen der Zwillinge, etwas ganz dummes gesagt hatte.

Hey! Wir gucken zwar TV, wenn wir daheim sind, doch heißt das noch lange nicht, dass wir irgendwie verblödet sind!“

Außerdem solltest du mal daran denken, dass wir keine normalen Menschen sind. Wir sind Zauberer, schon vergessen?“ Irgendwie verspürte die Rothaarige den inneren Drang dazu, ihren Kopf gegen die Wand zu hauen, doch hielt sie das verstummende Getuschel der anderen im Raum davon ab. Kopfschüttelnd schaute sie an den Zwillingen vorbei, während diese sich umdrehten, und entdeckte tatsächlich die Auroren von den Bahngleisen. Auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte, so wurde ihr doch mulmig zu mute, als sie die fünf sah. Hatten die Zwillinge vielleicht doch Recht?

Ich sag's ja, die kommen, um dich zu holen.“

Halt die Klappe, Zachary!“ Erst, als Wesley in ihre Richtung schaute, war sich Justice sicher, dass der Junge recht behielt. Und so machte sie unwillkürlich einen Schritt zurück, was das blonde Doppelpack heftig zusammen zucken lies, als hätten sie einen elektrischen Schlag bekommen. Verdutzt blinzelten sie zu Justice hinüber, die erschrocken die Augen aufgerissen hatte und sie anstarrte.

„Was, zur Hölle, war das?“, entfuhr es dem Jungen erschrocken, gerade, als die Erwachsenen hinter ihnen ankamen.

„Was, zur Hölle, war was?“ Wesleys Blick war schneidender, als ein Messer, während er zwischen den Dreien hin und her schaute. Doch schüttelte Zoe da nur heftig ihren Kopf, bevor sie zu ihm auf sah.

„Nichts. Es war nichts.“ Erklärte sie mit felsenfester Überzeugung. Sie war nicht darauf aus, dass Justice oder sie und ihr Bruder noch mehr Ärger bekamen, als es so schon den Anschein hatte. Eine Weile betrachtete Wesley das Mädchen einfach nur stumm, bis er nachgab und zu Justice schaute.

„Gut. Wenn nichts war, dürfen wir uns doch sicherlich kurz eure Freundin ausleihen oder?“ Da es sich keines der Kinder wagte, einen Widerspruch zu erheben, nickte Wesley nur in Richtung Ausgang und Justice folgte zaghaft.

Das war ihr alles ganz und gar nicht geheuer.

 

Die Auroren warteten, bis das Gemälde hinter ihnen den Eingang zum Gryffindor Gemeinschaftsraum verschlossen hatte, ehe sie sich endlich an das nichtsahnende Mädchen wandten. Selbstverständlich war es der Truppenführer, der das Wort ergriff, während sie die Treppen hinunter stiegen.

„Wir haben bereits alles mit deinem Schulleiter abgeklärt, Justice. Er weiß, dass wir dich nur kurz mit nehmen müssen. Es ist zu deiner eigenen Sicherheit und dir wird nichts passieren. Vermutlich ist es aber nur falscher Alarm.“ Mit misstrauischem Blick schloss das Mädchen zu dem Mann auf.

Was soll nur falscher Alarm sein, Mister Graves?“ Wesley wich Justice' Blick kurzerhand aus, als er hinaus auf den Innenhof trat und in den Himmel schaute. Es schüttete immer noch wie aus Kübeln, doch zeigte sich in der Ferne, dass die Wolkendecke langsam aufriss. Vermutlich würde es in den nächsten Stunden endlich aufklaren und dieser Wolkenbruch ein Ende haben.

„Wenn es nur falscher Alarm ist, dann brauchst du dir darüber keine Gedanken zu machen. Falls es doch etwas Ernsteres sein sollte, wirst du es erfahren, sobald Flynt dich abgesetzt hat.“ Eigentlich wollte die Rothaarige protestieren, doch verwirrte sie das Ende des Satzes ein wenig, weshalb sie fragend zu den anderen schaute. Sie erinnerte sich, dass Flynt entweder der Mann mit dem Zopf oder der mit den blonden Locken sein musste, weshalb sie beide kurz musterte. Sie wirkten angespannt und doch vertrauenswürdiger, als der Schwarzhaarige, der hinter ihnen her trottete. Erst jetzt wurde ihr klar, dass die fünf Auroren um sie herum aufgestellt waren, als wären sie ihr Geleitschutz. Unwillkürlich schluckte das Mädchen hart, ehe sie sich einen Schritt zurück fallen lies.

„Und wohin gehen wir?“, fragte sie dann doch entmutigt.

„Zurück zum Hogwarts-Express.“ Und schon blieben alle stehen. Justice begriff erst, dass sie den Bereich verlassen haben mussten, in dem man nicht apparieren konnte, als der Mann mit den blonden Locken zu ihr kam und ihr die Hand hin hielt. Das war also Flynt.

„Bist du schon ein Mal appariert?“ Kleinlaut schüttelte das Mädchen den Kopf und schaute unsicher in seine vertrauensvollen, bernsteinfarbenen Augen.

„Du brauchst keine Angst davor zu haben, ich beherrsche das Seit-an-Seit-Apparieren. Ich werde dich unbeschadet hin und wieder zurück bringen. Nur... Sollte ich dich wohl darauf hinweisen, dass dir danach vermutlich schlecht sein wird. Das tut mir jetzt schon Leid.“ In Lyles Augen war echte Reue zu erkennen, was Justice ein wenig aufbaute, sodass sie seinen dargebotenen Arm ergriff.

„Ich werd's schon überleben. Immerhin appariert Ihr auch ständig und lebt noch.“ Ein Grinsen zeigte sich auf den Zügen des Aurors.

„Irgendwann gewöhnt man sich eben ans Apparieren. Na dann, auf geht’s.“ Und mit einem „Plopp“ waren die beiden disappariert.

Ungewollte Verbundenheit

Lyle hatte nicht zu viel versprochen, als er gesagt hatte, ihr würde nach dem Apparieren schlecht sein. Denn kaum waren sie angekommen, hatte sich Justice von ihm los gerissen, um sich zu übergeben. Und zum ersten Mal in ihrem Leben war sie froh, dass es so stark regnen konnte.

Mit einem entschuldigenden Lächeln kam der Blonde zu ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter.

„Geht's wieder?“ Nachdem das Mädchen einige Male tief durch geatmet hatte, wagte sie es sich sogar, wieder zu dem Mann auf zu sehen. Und erneut erblickte sie diese reuevollen Augen, was sie lächeln lies.

„Geht schon, danke...“, ihre Stimme war leise, sodass nur er sie hören konnte. Und erneut bewirkten ihre Worte, dass er zufrieden grinste.

„Gut. Dann schauen wir zu, dass die Angelegenheit hier schnell erledigt wird. Komm.“ Während die beiden sich auf den Weg zu dem Zugwaggon machten, in dem die Auroren vor Kurzem noch auf ihre Informationen gewartet hatten, bemerkte Justice, dass alle schon im Waggon saßen. Außer Wesley. Sie sah, dass die umgefallenen Waggons wieder aufgerichtet worden waren, jedoch konnte sie den Anführer der Truppe nirgends entdecken. Doch bevor sie darüber nachdenken konnte, wo er wohl stecken mochte, reichte ihr Lyle die Hand, um ihr hinauf zu helfen. Ohne zu zögern ergriff sie die ausgestreckte Hand des Mannes und lies sich helfen, als auch schon Schritte hinter ihr ertönten. Automatisch wandte sich Justice zu den Schritten um und entdeckte Wesley, der mit einem fremden Mann auf sie zu kam. Ein Mann, der ihr auf der Stelle unheimlich war, weshalb sie einen Schritt zurück machte und dabei an Lyle stieß. Stützend legte dieser ihr direkt die Hand auf die Schulter.

„Ist sie das?“ Die Stimme des Schwarzhaarigen war genau so bissig, wie es sein Aussehen war.

„Natürlich, oder würden wir einen Unbeteiligten unnötigerweise hier hin bringen?“ Auch Lyles Stimme nahm langsam einen bissigen Unterton an, weshalb Justice sich am liebsten klein gemacht hätte.

„Ich kann es nicht bezweifeln.“ Als Alister vor Justice stehen blieb, huschten seine grünbraunen Augen zu erst in das Gesicht des eingeschüchterten Mädchens, ehe sie über ihren Körper hinweg glitten und sie von oben bis unten musterten. Am liebsten hätte sie sich unter seinem Blick gewunden, weil sie das Gefühl hatte, jeder seiner Blicke wäre ein Messerstich. Doch blieb sie standhaft, während sie sich gegen Lyles Hand presste. Und genau an dieser Hand blieb sein Blick auch hängen, ehe er hastig zu dem Auror auf schaute und ihn anblaffte.

„Finger weg! Oder willst du ebenfalls was abbekommen, falls der Fluch sie erwischt hat?“ Unwillkürlich zuckten Lyle und Justice gleichermaßen zusammen, blieben jedoch an Ort und Stelle stehen. Verunsichert wanderte der Blick des Blonden zu seinem Vorgesetzten.

„Lyle, tu was er sagt.“ Doch waren es weniger die Worte, als die Schärfe in Wesleys Blick, die ihn gehorchen ließen und Justice somit ihre Stütze nahmen. Verängstigt schlang das Mädchen die Arme um ihren Oberkörper und schaute von unten her zu dem Schwarzhaarigen auf.

„Und jetzt tu endlich, wofür du da bist, Donovan.“ Dieses Mal war es Wesleys Stimme, die mürrisch wurde, weshalb Justice nun völlig entmutigt den Kopf hängen lies.

Sie hatte doch nichts falsches getan! Immerhin hatte Wesley sie vorhin auch nur ermahnt, weil sie alleine nachsehen gegangen war. Und, was für einen Fluch sollte sie denn abbekommen haben? Oder, hatte das vielleicht mit dieser seltsamen, elektrostatisch geladenen Luft zu tun?

 

Prompt wurde Justice aus ihren wirren Gedanken gerissen, als sie ein elektrischer Schlag durchzuckte. Doch schrie nicht nur sie aus Reflex auf, sondern auch Lyle, der sich abseits von den anderen hin gestellt hatte.

„Verdammt, was war das?“ Verwirrt blickte der Blonde zu Justice, die sich, ebenso wie er, den linken Oberarm rieb. Dann erst warfen beide einen ungläubigen Blick auf den Zauberstab, der vor Justice' Oberarm, in der Luft, verharrte.

Was hast du da eben gemacht?“ Plötzlich war Lyles Stimmung auf 180, doch konnte er gerade mal zwei Schritte auf den Spürhund zu machen, ehe Dale ihm in die Arme fiel und ihn zurück hielt. Verdutzt schaute der Braunhaarige zwischen den anderen hin und her. So hatte er Lyle nur sehr selten gesehen und dazu hatte es bisher einiges gebraucht, um ihn so wütend zu machen.

Wesley tat wohl das einzig richtige, das er in dieser Situation tun konnte: Er packte Alister an der Schulter und stieß ihn kurzerhand vor die Tür, ehe er ihm nach draußen folgte.

 

„Okay, Donovan, erkläre mir, was da eben passiert ist.“ Wesleys Stimme war unglaublich ruhig, als er vor dem Spürhund stehen blieb.

„Das wüsste ich selbst nur zu gerne. Es war ein ganz einfacher Aufspürzauber, mehr nicht. Ich kann sie nicht verletzt haben.“

„Und was ist mit Flynt?“ Alisters Blick ging durch den Regen, zurück zum Waggon, wobei sich seine Augen zu Schlitzen verengten.

„Ich habe ihm gesagt, er soll sie nicht anfassen. Was auch immer das für ein Fluch ist, er hat ihn jetzt auch. Und vielleicht auch Hunter.“ Wesley ballte die Hände zu Fäusten und wartete einen Augenblick ab, ehe er auf den Schwarzhaarigen zu ging und ihn am Kragen packte.

Wenn du nicht willst, dass ich dich in Stücke reiße, dann finde heraus, was das für ein Fluch ist, Donovan. Und zwar schleunigst!“, kaum waren diese Worte aus Wesley heraus, stieß er den Jüngeren auch schon wieder von sich weg, ehe er zurück in das Abteil stieg, in dem die anderen warteten.

 

Misstrauisch flog Lyles Blick zum Einstieg, als Wesley, gefolgt von Alister, den Zug betrat. Er war zwar nicht mehr wütend, dafür hatte Dale gesorgt, dennoch schien etwas in ihm zu wollen, dass er Justice vor dem Spürhund beschützte.

„Donovan wird weiter nach dem Fluch suchen, der ihr anlastet. Und du, Flynt, wirst brav stillsitzen, verstanden?“ Lyles Blick huschte zwischen Wesleys todernsten und Justice' erschrockenen Blicken hin und her, als wüsste er nicht, wem er gehorchen sollte. Bis Justice schlussendlich, schuldbewusst, den Blick gen Boden wandte und somit die Entscheidung gefällt war.

Wesleys Wort war Gesetz.

Als Dale ihn auf die Sitzbank drückte, zitterte der Blonde vor lauter Anspannung wie Espenlaub. Dennoch lies er es gehorsam zu, solange er einen Blick auf das Mädchen haben konnte.

 

Alister derweil hatte Justice angeordnet, sich auf einen freien Sitzplatz zu setzen, ehe er erneut den Zauberstab auf sie richtete. Abermals schoss ein elektrisierender Schlag durch sie hindurch, doch zuckte sie dieses Mal nur heftig zusammen.

Und Dale hatte im selben Moment alle Hände voll zu tun, damit Lyle auf seinem Platz blieb.

Während der Spürhund seinen Aufspürzauber immer weiter verfeinerte und abänderte, durchfuhr Justice ein warmer, Übelkeit erregender Schauder, bei dem sie sich auf der Bank weiter zusammen kauerte. Doch versuchte sie, so gut es ging, dem negativen Gefühl stand zu halten.

Bis Lyle seinen Kollegen ruckartig beiseite stieß und auf das Mädchen zu sprang, um sie auf zu fangen, da sie ihr Durchhaltevermögen weit überschätzt hatte. Als er Justice in seinen Armen hatte, starrte er nur verunsichert zu Alister hinauf, blieb aber still. Er wusste, dass irgendetwas ganz und gar falsch lief, weshalb er sich nicht traute, auch nur einen Ton zu sagen. Doch jetzt, wo er das Mädchen im Arm hatte und genauestens wusste, dass der Spürhund seinen Zauber unterbrochen hatte, war sein Kopf wieder vollkommen frei. Plötzlich war er wieder vollständig er selbst. Abgesehen davon, dass er die Rothaarige am liebsten nicht mehr losgelassen hätte.

Donovan...!“ Erschrocken zuckte Lyle zusammen, als er die Tonlage in Wesleys Stimme wahrnahm. Und so wandte er schleunigst seinen Blick an den Truppenführer, als dieser mit großen Schritten auf sie zu kam. Doch als er die Wut in dessen Augen erkannte, duckte er sich reflexartig weg, während Wesley nach Alisters Mantelrever griff.

 

Erneut hatte Wesley den Jüngeren beim Kragen gepackt und zog ihn an sich heran.

Was. War. Das?“, seine Stimme war ein gefährliches Hauchen, doch zeigte sich der Angesprochene äußerst unbeeindruckt. Stattdessen schlug er die Hand des Aurors von sich und nahm einen Schritt Abstand, während er auf Kituhwa fluchte.

„Woher soll ich das wissen? Wenn ich nicht die Gelegenheit habe, meinen Zauber zu Ende zu führen, werde ich auch nicht schlauer daraus, was hier geschieht!“ Wütend starrten sich die Truppenführer an, doch wollte dieses Mal keiner der beiden klein beigeben.

„Sollte das passieren?“

„Nein! Das liegt an dem Fluch! Vermutlich so etwas wie eine Sicherung, damit man ihn nicht so einfach entfernen kann!“ Erneut herrschte eine gefährliche Stille zwischen den beiden Männern, bis Wesley sie abermals durchbrach.

„Dann solltest du dir etwas anderes ausdenken, wie du den Fluch knacken kannst. Denn ich kann für nichts garantieren, wenn so etwas noch einmal passieren sollte.“ Womit jedem in dem Abteil bewusst war, dass er einen Angriff durch sich selbst nur an zweiter Stelle meinte. Vor allem Anderen meinte er damit, dass er für Lyles Verhalten, das durch den Fluch beeinflusst wurde, nicht garantieren konnte. Und genau aus diesem Grund zuckte der Blonde auch zusammen, als er die Worte seines Anführers vernahm.

Er war ja nicht darauf aus, so zu handeln, wie er es eben getan hatte. Außerdem verwirrte ihn das Ganze auch. Doch hatten alle Anwesenden bereits begriffen, dass niemand etwas im Moment dagegen unternehmen konnte.

Das Haus in Shenley

Noch immer herrschte eine eisige Stille in dem Zugabteil, als Justice die Augen wieder öffnete. Erschrocken wich sie vor der Person zurück, die sie im Arm hielt, und blickte sich verwirrt in der Runde um. Alle Augen waren auf sie gerichtet, wobei sie erleichtert feststellte, dass sie diesen Donovan nirgends entdecken konnte. Erst nach dieser Erkenntnis huschten ihre Augen wieder zu der Person zurück, die sie festgehalten hatte. Es war Flynt. Und, auch wenn er lächelte, wirkte er ein wenig verstört.

„Was... ist passiert?“ Verunsichert suchte sie Augenkontakt mit Wesley, der am Einstieg stand und nun wieder dem leichter gewordenen Regen zu sah.

„Du bist ohnmächtig geworden“, stellte der Älteste im Raum fest, wobei er weiterhin nach draußen schaute. Eine Antwort, die das Mädchen zum Nachgrübeln brachte. Nicht nur, weil sie ohnmächtig geworden war, sondern auch deswegen, weil der Mann ihrem Blick auswich. Doch, bevor sie in Gedanken auf einen Nenner kommen konnte, kam Wesley nun doch zu ihr hinüber.

„Was genau ist passiert, als du heute Nachmittag die vorderen Zugwaggons betreten hast?“ Überrascht hob Justice ihren Blick zu dem Mann an, ehe ihre Augen wieder schuldbewusst gen Boden wanderten.

„Ich hatte das Gefühl, dass die Luft elektrostatisch geladen wäre. Aber ich dachte, ich hätte mir das nur eingebildet. Aber...“

„Aber was?“ Wesleys Stimme hatte eine sanftere Nuance angenommen, als er vor ihr ebenfalls in die Hocke ging. Unsicher huschten ihre blaugrünen Augen zu ihm hin.

„Ich hatte seitdem immer wieder das Gefühl, als ob die Luft statisch geladen wäre. Meistens, wenn ich alleine war. Und dann...“ Justice war verängstigt und versuchte, in alledem eine Antwort zu finden, weshalb der Truppenführer geduldig schwieg, während sie mit sich selbst haderte.

„Als Mister Flynt diesen... Na ja... Elektrischen Schlag vorhin auch gespürt hat, wurde mir etwas klar. Mister Donovan hat gesagt, er soll mich nicht anfassen. Und die Zwillinge haben vorhin auch etwas gespürt, als ich mich unwohl gefühlt habe... Die beiden haben mich auch direkt, nachdem ich mit Ihnen gesprochen hatte, von den anderen weg gezogen, damit sie erfahren, was ich Ihnen erzählt habe. Beide haben mich angefasst. Und wenn dieser... Fluch... dadurch übertragen wird, dann sind auch die Zwillinge betroffen.“ Wesley hatte schon am Mittag bemerkt, dass das Mädchen nicht auf den Kopf gefallen war. Doch dass er selbst noch nicht soweit gedacht hatte, lies ihn selbstkritisch drein blicken.

„Hat dich noch jemand berührt?“ Kurz dachte das Mädchen nach, ehe sie ihren Kopf schüttelte. Während Wesley wieder aufstand, wanderten seine Augen zu Dale hinüber.

„Dank dir können wir ausschließen, dass sich der Fluch von Zweite auf Dritte übertragen lässt. Oder du bist immun, was ich bezweifle. Also holst du, zusammen mit Sidney, diese Zwillinge. Außerdem übergebt ihr dem Leiter das hier.“ Seine Hand verschwand in seiner Manteltasche, ehe er ein gefaltetes Papier daraus hervor holte. Während er darauf gewartet hatte, dass Justice wieder erwachen würde, hatte er ein Schreiben an den Schulleiter von Hogwarts verfasst. In diesem schilderte er die missliche und ungewisse Lage mit dem Fluch und erklärte, weshalb es zu heikel war, das Mädchen im Moment wieder zurück an die Schule zu schicken.

„Bringt sie dann nach Shenley.“ Ohne zu zögern machten die beiden sich auf den Weg, nachdem Sidney den Brief eingesteckt hatte.

„Und du, Lyle, bringst sie zusammen mit Harrison dorthin. Ich selbst werde erst einmal dem Ministerium einen Besuch abstatten, ehe ich nachkomme.“ Wesley wartete gerade so lange, bis die Angesprochenen genickt hatten, dann verließ er den Waggon um zu Apparieren.

 

Als Sidney und Dale an diesem Tag erneut im Büro des Schulleiters von Hogwarts eintrafen, dauerte es um einiges länger, als beim ersten Mal, ihn von ihren guten Absichten zu überzeugen. Immerhin hatten sie es, nach einer gefühlten Ewigkeit, geschafft und betraten nun endlich das Krankenzimmer der Schule.

Natürlich hatte der Leiter einen verständlichen Grund, auf sie sauer zu sein, wenn die Zwillinge, kaum dass Justice verschwunden war, das Bewusstsein verloren hatten. Wenigstens war den beiden sonst nichts passiert und sie waren nur unter Beobachtung länger an die Krankenstation gefesselt worden, als sie wollten.

Doch kaum hatten die Auroren das Zimmer betreten, waren die beiden auch schon auf den Beinen und kamen auf sie zu.

„Wo ist Justice?“

„Was habt ihr mit ihr gemacht?“ Vier grüne Augen stierten wütend zu den Männern auf und Dale hob beschwichtigend die Hände.

„Sie ist bei uns. Und wenn ihr wissen wollt, wie es ihr geht, dann müsst ihr einfach nur mitkommen.“ Doch wurde dem Braunhaarigen schnell klar, dass sein Satz ein Fehler war, als er das Misstrauen der beiden in deren Augen sah.

„Als ob wir mit euch kommen würden!“

„Wieso sollten wir euch trauen?“ Langsam schob sich Sidney in das Blickfeld der Kinder und versuchte sie nonverbal davon zu überzeugen, dass er keine Bedrohung darstellte.

„Justice geht es gut. Doch, wie ihr schon gemerkt habt, ist etwas, euch betreffend, schief gelaufen. Das liegt daran, dass Justice einen Fluch abbekommen hat, der euch irgendwie an sie bindet, seit ihr sie berührt habt. Und, nur um sicher zu gehen, dass die Wirkung auf euch nichts schlimmeres hervorruft, möchten wir euch beide mit zu ihr nehmen. Außerdem würde es ihr sicher helfen, wenn jemand Bekanntes um sie herum wäre, solange sie nicht zurück nach Hogwarts kann.“ Zacharys böser Blick brachte den Mann dazu, doch noch ein „Der Fluch wird durch Berührung übertragen und solange er auf ihr lastet, ist es zu gefährlich, sie unter andere zu lassen“ hinzuzufügen, ehe er sah, dass die beiden ihm anscheinend glaubten.

„Wenn der Fluch durch Berührung übertragen wird...“, fing Zoe dann jedoch etwas verunsichert an, ehe ihr Bruder erschrocken den Blick an sie wandte.

„Was ist dann mit ihrem Frettchen? Oh Gott, das Tier muss tausend Tode in seinem Käfig sterben!“ Und noch bevor die beiden Auroren schnell genug reagieren konnten, waren die blonden Zwillinge auch schon aus der Tür und die nächstgelegene Treppe hinauf gestürzt.

Seufzend folgten die beiden Männer den Kindern.

 

Es war nicht schwer, den Schlafsaal der Mädchen des 5. Jahrgangs zu finden, denn kaum hatten Dale und Sidney den Gryffindorturm betreten, drang auch schon Tumult an ihre Ohren. Sie brauchten dem Krach nur zu folgen, dann standen sie auch schon in der offenen Tür des Schlafraums und sahen, wie Zoe mit dem Frettchen zu kämpfen hatte.

„Hörst du wohl auf, mich zu beißen, du Mistvieh! Ich will dir doch nur helfen!“ Von dem Frettchen kam wütendes Gefauche, während es sich in Zoes Händen wand und drauf und dran war, ihr erneut in die Finger zu beißen. Dale legte neugierig den Kopf schief, während Sidney den Raum betrat. Vorsichtig näherte er sich den beiden und beugte sich leicht zu ihnen hinunter, wobei sein Blick auf dem Tier lag.

„Wenn du zu Justice willst, musst du dich benehmen.“ Für den Bruchteil einer Sekunde hielt das Frettchen inne und starrte den Auror an, ehe es wieder wütende Töne von sich gab. Schulterzuckend richtete Sidney sich wieder auf und zückte seinen Zauberstab.

„Einen Versuch war es wert. Nun ja, dann hilft eben doch nur ein Zauber.“ Und im nächsten Moment sackte das Tier schlaff in Zoes Händen zusammen, was diese misstrauisch den Blick heben lies.

„Es schläft nur ein paar Minuten, mehr nicht. Also, komm. Außer du willst, dass es dir wieder die Arme zerkratzt, wenn es aufwacht.“ Kritisch zog das Mädchen die Augenbrauen zusammen, ehe es das Tier sanft in den Arm nahm und sich eine dicke Weste griff. Ebenso hatte sie Justice eine Weste und deren geliebte Umhängetasche mitgenommen, da diese ja ohne irgendwelche Sachen mitgenommen worden war. Und, vielleicht half dem Frettchen ja der Geruch, der an der Weste haftete, dass es nicht ganz so wütend wurde, wenn es zu früh erwachen sollte.

Dann erst folgte sie den beiden Männern nach unten, wo ihr Bruder, ebenfalls dicker bekleidet, auf sie wartete. Er hasste den Zauber, der Jungs daran hinderte, die Treppen zu den Mädchenschlafräumen zu betreten. Anscheinend jedoch wirkte er nicht bei Erwachsenen, wie Zachary nun feststellte. Oder es lag einfach an deren Sonderstellung, so wie es bei Lehrern der Fall war. Jedoch wollte er sich im Moment nicht weiter damit beschäftigen, weshalb er den Auroren einfach stumm folgte, nachdem er sich neben seiner Schwester eingereiht hatte.

 

Kaum waren die vier appariert, musste Dale sich beeilen, Zoe die Westen, die Tasche und das Frettchen abzunehmen, da diese sich, ebenso wie ihr Bruder, übergeben musste. Erst, als die beiden sich wieder gefangen hatten, ließen sich die Kinder mit misstrauischen Blicken zu einem kleinen Haus führen. Es sah genauso aus, wie die meisten Häuser in der Straße:

Kurz gemähter Rasen, eine akkurat gestutzte Hecke hinter einem roten Lattenzaun, rote Außenfassade in Backsteinoptik, weiße Fensterrahmen und Tür und ein mit dunkelgrauen Ziegeln gedecktes Dach.

Doch fühlten die Zwillinge sich instinktiv beobachtet, als sie das Grundstück betraten. Während die beiden noch damit beschäftigt waren, sich verstohlen umzublicken, betrat Dale ohne zu klingeln das Haus. Als die Kinder das bemerkten, folgten sie ihm auf der Stelle, ehe Sidney noch die Tür verschließen konnte.

Nur kurz huschten die Blicke der Blonden durch den Eingangsbereich, bis sie Justice im Nebenzimmer entdeckten. Ohne darüber nach zu denken, stürzten die beiden auf sie zu und warfen sich ihr um den Hals, womit sie die Rothaarige beinahe vom Sofa warfen. Überrumpelt lies sie zu, dass die beiden sie begutachten und lies sich von Zoe noch ein Mal überschwänglich umarmen, ehe sie endlich den Blick zur gegenüberliegenden Couch schweifen lassen konnte. Auf dieser hatte Dale nämlich etwas abgelegt. Und als sie das Fellknäuel, nebst ihrer Weste und Tasche auf dem Polster liegen sah, war sie erleichtert.

„Ihr... habt Tucker mitgebracht.“ Unterbrach sie den ständigen Frageschwall der Blonden, der darin bestand, zu erfahren, wie es ihr ging und was passiert war. Nur wenige Sekunden vergingen, da hatte das Tier auch schon murrend die Augen geöffnet, sich geschüttelt und war erschrocken aufgesprungen. Doch als es sein Frauchen entdeckte, glättete es schnurstracks sein Fell und sprang, über den Tisch hinweg, auf Justice' Schoß. Lächelnd lies sie dieses Mal den Überfall über sich ergehen, bis Tucker sich beruhigt hatte.

 

In der Zwischenzeit hatte Lyle die Zwillinge misstrauisch begutachtet, während er in einem Sessel, schräg gegenüber von Justice, saß. Immerhin hatte sein Körper ihm dieses Mal die Chance gelassen, selbst zu entscheiden, ob er den Kindern trauen konnte oder nicht. Und, auch wenn Justice etwas abweisend ihnen gegenüber war, so schien sie nichts gegen ihr Auftauchen zu haben. Also lehnte er sich einfach wieder in seinem Sessel zurück und beobachtete die drei weiter, während Justice endlich die Fragen der Zwillinge beantwortete.

„Mir geht es gut. Und nein, sie haben mir nichts gemacht.“

„Bist du dir sicher?“

„Wir sind uns sicher, dass irgendwas passiert ist! Also lüg' uns nicht an!“

„Ja, ich bin mir sicher“, kam es unbehaglich von der Rothaarigen, während sie den Blicken der beiden auswich.

„Und was war das dann vorhin? Ich hab genau gespürt, dass dir was passiert ist!“

„Genau!“ Da Zachary und Zoe nicht nachgaben, seufzte Justice leise.

„Ich bin nur ohnmächtig geworden, mehr nicht...“ Ihr Murmeln war kaum zu verstehen. Doch als die Blicke der Zwillinge sich nun trafen, schien beiden etwas klar zu werden. Weswegen ihre Worte dieses Mal gewählter und nicht mehr so aufgebracht waren.

„Egal, was mit dir passiert, es passiert uns auch“, kam es von dem Mädchen, wobei Justice reuevoll den Blick anhob.

„Jetzt schau nicht so. Es ist okay, solange es dir gut geht.“ Die Rothaarige konnte sich keinen Reim daraus machen, weshalb Zachary sie so aufbauend anlächelte. Nachdem den beiden sowieso klar war, dass sie ihre Schmerzen spüren konnten. Da ihr Verhältnis zueinander bisher eine recht kühle Bekanntschaft gewesen war, war es ihr wirklich unerklärlich. Sie müssten doch sauer auf sie sein. Doch das waren sie nicht. Sie waren einfach nur besorgt und froh, sie wohlauf zu sehen.

„Hmm... Du siehst fertig aus und es ist schon spät“, merkte Zoe dann plötzlich an und riss sie aus ihren Gedanken.

„Du gehörst ins Bett, Justice.“ Als Justice sah, dass Lyle auf Zacharys Aussage hin nickte, war es wohl beschlossene Sache.

„Morgen wird ein anstrengender Tag. Also ruht euch aus.“ Und somit wurden sie kurzerhand in zwei hergerichtete Zimmer gebracht, sodass Zachary nicht mit den Mädchen in einem Zimmer schlief, Justice jedoch nicht alleine bleiben musste.

In der Dunkelheit der Nacht

Es war schon weit nach Mitternacht, als Wesley das Haus in Shenley betrat. Der Regen hatte schon vor langem aufgehört. Lediglich die großen Pfützen auf den Gehwegen erinnerten noch an die sintflutartigen Regengüsse des vorangegangenen Abends. Der zunehmende Mond stand bereits tief am Himmel, was den Auror darauf schließen lies, dass er mehr als genug Zeit im Ministerium verbracht hatte. Bald würde die Sonne aufgehen. Und bis dahin hatte er noch viel mit seinem Team zu bereden.

Also betrat er kurzerhand das erleuchtete Wohnzimmer und überblickte die Runde: Harrison saß in einem Lesesessel in einer Ecke des Raumes und hob direkt den Blick vom Buch an, welches er in Händen hielt. Dale und Sidney saßen jeweils auf einem der Sessel, welche an die kurzen Seiten des Wohnzimmertisches heran gezogen worden waren, damit sie besser Karten spielen konnten. Auch diese beiden unterbrachen kommentarlos ihr Spiel, als Wesley den Raum betrat. Nur Lyle lag, zusammengerollt, auf der Couch und dämmerte noch immer vor sich hin. Es dauerte einen Moment, bis er bemerkte, dass sich die Geräusche im Raum geändert hatten und er schließlich die Augen blinzelnd öffnete.Während er sich dann langsam aufsetzte, rieb er sich müde den Schlaf aus den Augen.

Da somit alle wach und anwesend waren, setzte sich Wesley auf das freie Sofa, das ebenfalls am Wohnzimmertisch stand, und wartete nur kurz, bis Harrison sich ebenfalls zu ihnen gesellte.

„Das Ministerium hat sich dafür entschieden, dass wir weiterhin Babysitter spielen werden“, fing der Älteste nun also an zu erzählen. „Sie denken, dass der Anschlag auf den Hogwarts-Express und dieser Fluch alleine uns gegolten haben. Wer auch immer das geplant hat, muss davon ausgegangen sein, dass wir die Ersten sein würden, die die Unfallstelle betreten werden. Vermutlich haben sie nicht damit gerechnet, dass ein Kind nach Verletzten schauen würde.“

„Dieser Anschlag war gegen uns gerichtet?“ Harrisons Miene verfinsterte sich noch um ein Vielfaches, als Wesley zustimmend nickte.

„Zumindest geht das Ministerium davon aus.“

„Dann müssen die aber gewusst haben, dass alle Teams, außer unserem, auf Außeneinsätze sind“, kam es nun von Dale, den diese Information sichtlich beunruhigte.

„Wir müssen davon ausgehen, dass es so ist. Es wird bereits geprüft, ob es sich um eine Sicherheitslücke handelt. Doch bezweifle ich, dass sie etwas finden werden. Zumindest nicht auf die Schnelle.“

„Wenn dieser Anschlag an uns gerichtet war, wieso sollen wir dann gleichzeitig noch auf die Kinder aufpassen?“ Für einen Moment lagen alle Blicke auf Sidney, bis Wesley die Stille mit seiner Antwort durchbrach.

„Glaub' mir, Sid, diese Unterredung habe ich lange und ausführlich geführt. Das Ministerium ist davon überzeugt, dass wir die Gefahren dieses Fluches wissen sollten. Und da Lyle ebenfalls von dem Fluch betroffen ist und wir uns noch unsicher sind, wie genau er sich auf ihn persönlich auswirkt, ist es sicherer, die Kinder in unserer Obhut zu lassen. Oder er müsste rund um die Uhr in ihrer Nähe sein, sobald wir sie zurück nach Hogwarts schicken. Außerdem wissen wir noch nicht, ob sich der Fluch weiter verbreitet, als bisher. Und es wäre fatal, wenn wir das Mädchen so an die Schule zurück ließen. Außerdem, falls es eine Sicherheitslücke in unserem System gibt, dann können wir es nicht riskieren, die Kinder in die Obhut eines anderen zu übergeben.“

„Lass' mich raten, Wes, die wollen bestimmt auch noch, dass wir ganz zufällig darüber stolpern, wie man den Fluch bricht?“ Dales Stimme war belegt, was Wesley die Augen leicht verengen lies. Doch war davon nichts in seiner Stimme zu erkennen, als er ihm antwortete.

„So in etwa könnte man das sagen. Entweder wir finden zufällig heraus, wie genau der Fluch funktioniert und wie man ihn brechen kann oder die Kinder sind die Köder für dieses feige Pack.“ Wütend richteten sich Lyles bernsteinfarbene Augen auf den Truppenführer.

„Das ist nicht dein Ernst!“ Kurzerhand verwarf er diesen Satz mit einem Kopfschütteln wieder, ehe er ebenso wütend fortfuhr. „Das ist nicht deren Ernst! Das sind Kinder und keine verdammten Köder!“ Doch da der Blonde wusste, dass ihm die Antwort nicht gefallen würde, stand er fluchend auf und ging hinter der Couch auf und ab.

„Lyle, mir geht es da nicht anders, als dir. Doch du weißt-...“ Prompt wurde Wesley von dem Jüngeren unterbrochen.

„Ja, ja! Es ist ein Befehl von ganz oben.“ Die anderen beobachteten den Jüngsten missmutig dabei, wie er eine Weile im Raum auf und ab tigerte, bis er schließlich stehen blieb und zweifelnd in Wesleys Augen blickte.

Es ist nur... Ich weiß nicht, ob ich mich darüber aufrege, weil es gegen meine Prinzipien verstößt oder ob es mehr an dem Fluch liegt...“, seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und gab jedem Anwesenden einen Einblick in seinen unsteten Gemütszustand.

Doch noch bevor jemand darauf eine Antwort geben konnte, wurde Lyle schwarz vor Augen. Erschrocken blinzelte er dagegen an, während er die Finger in seinen Haaren vergrub und den Kopf schüttelte.

Was zum...?“, kam es keuchend von ihm, während er langsam zurück taumelte. Dennoch half all das Blinzeln nichts. Es blieb schwarz vor seine Augen und um ihn herum totenstill, weshalb der Blonde verzweifelt die Augen zusammenkniff.

 

Augenblicklich war Dale auf den Beinen, als Lyle sich plötzlich noch seltsamer benahm, als er es eh schon tat.

„Lyle! Was ist los? Hey, Lyle!“ Doch, trotz dass der Braunhaarige ihn berührte, reagierte der Angesprochene nicht darauf. Es schien so, als ob er ihn weder hören noch spüren konnte. Dennoch sprach er weiter auf seinen Freund ein, während er ihn bei den Oberarmen packte, damit er nicht doch noch stürzte. Taumeln tat er ja bereits.

„Ganz ruhig, Lyle. Setz' dich hin. Ich bin da. Ich bin bei dir.“ Vorsichtig half er dem Blonden, sich auf den Boden zu setzen, während dessen Beine vor Zittern unter ihm nachzugeben drohten.

„Alles ist gut, Lyle. Alles ist gut.“ Langsam aber sicher befiel Dale eine vage Angst, weshalb er unsicher zu den anderen hinüber schaute, die sich nicht zu ihnen heran trauten. Lediglich Wesley hatte sich in der Zwischenzeit langsam genähert, blieb jedoch zwei Schritte auf Abstand.

„Es... ist doch alles gut...?“ Dales Blick traf den des Truppenführers, der diesen auch unbefangen entgegnete.

„Wir müssen abwarten, dann wissen wir es.“ Da er damit Dales Frage beantwortet hatte, schaute er kurz zu Sidney hinüber, ehe er in Richtung Treppe nickte.

„Und du schaust oben nach den Kindern.“ Ohne zu zögern stand Sidney auf und befolgte den Befehl, an den er bis eben noch gar nicht gedacht hatte.

 

Kaum war der Auror die Stufen oben und hatte die Tür zum Schlafzimmer der Mädchen geöffnet, hörte er, wie Lyle ein erschrockenes „Au!“ von sich gab. Nur kurz schaute er zurück zur Treppe und lauschte der verwirrten Frage von Lyle, ob jemand ihn geschlagen hätte, ehe er das Licht anknipste, da zeitgleich auch aus dem Rauminneren ein „Aua“ zu vernehmen gewesen war.

Doch als sein Blick zu den Mädchen ging, legte er nur einen Moment fragend den Kopf schief. Immerhin kniete Zoe mit einem Bein auf Justice' Bett und stützte sich mit einer Hand neben deren Kopf ab. Die andere Hand verharrte zitternd in der Luft. Justice wiederum hielt sich die Wange und blinzelte verstört zu der Blonden auf. Jedoch kam er nicht zum Fragen, was passiert war, denn da wurde er auch schon von dem anderen Zwilling aus dem Türrahmen gestoßen.

„Alter, Zoe! Hast du sie noch alle? Weißt du, wie weh das getan hat?“

„Ja, verdammt, das weiß ich! Was hätte ich deiner Meinung nach denn sonst tun sollen?“ Mit wütendem Blick und Tränen in den Augen stand das Mädchen auf und wankte einen Schritt vorwärts, ehe ihr Bruder sie abfing und stützte.

„Darf ich fragen, was passiert ist?“, unterbrach der Auror vor der Tür dann endlich das Streitthema, das er noch nicht so recht verstand, und erntete dafür zwei befremdende Blicke aus giftgrünen Augen. Zumindest so lange, bis Justice vorsichtig aufstand und sich, zusammen mit ihrem Frettchen, an den Zwillingen vorbei schob. Nur langsam wagte sie es sich, die Hand von ihrer geröteten Wange zu nehmen, während sie in die sanften, braunen Augen des Mannes schaute. Sie zitterte leicht und schien sich unwohl zu fühlen.

„Können wir runter gehen? Bitte.“ Das war zwar keine Antwort auf seine Frage, doch war das Mädchen bisher nicht gerade unkooperativ gewesen. Also nickte der Mann kurzerhand und ging beiseite.

„Selbstverständlich.“ Es dauerte nur einen Augenblick, bis die Zwillinge der Rothaarigen nach unten folgten und Sidney das Licht im Zimmer wieder löschen konnte.

Was auch immer eben passiert war, er erhoffte sich, dass er im Wohnzimmer eine Antwort darauf bekommen würde.



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