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Wenn der Frühling beginnt

One-shot Sammlung zu Bucky Barnes/ Wintersoldier
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So, hier mal was ganz anderes... Komplett anzeigen

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James Barnes?

Wenn der Frühling beginnt…
 

Es war schwer in einen Spiegel zu blicken, wenn der Mann, der einem entgegen sah, ein Fremder war. Braunes Haar, das zu lang war, hing ihm ins Gesicht, und er wusste nicht, weshalb er es hatte wachsen lassen. Hatte das einen Grund, oder war es nur Faulheit gewesen? Er sah Narben und wusste nicht, woher er sie hatte. Bis auf den gebrochenen Arm, der mittlerweile fast ausgeheilt war, wie er dazu gekommen war, dass wusste er noch zu gut.

Und letztlich die Metallkonstruktion, die er anstelle eines linken Armes trug. Natürlich wusste er auch nicht sicher, woher diese kam, wobei er sich doch an dunkle Szenen erinnerte, die ihm hin und wieder unkontrolliert durch den Geist zogen. Da war Schnee gewesen, Kälte, die ihm in die Glieder gefahren war und Schmerzen, so grausame Schmerzen. Ein blutiger Stumpf, wo eigentlich ein Arm hätte sein sollen…

Nachdenklich blickte er auf seine linke Hand, die in einem Lederhandschuh steckte und ballte sie zur Faust, während er tief durchatmete.

Heute war ein großer Tag, dachte er nur, während seine blauen Augen die Fassade des Smithsonian Museum entlang wanderten.

Ein gewaltiges Gebäude mit seinen Steinsäulen am Eingang und dem grauen Steinen, die das Gebäude monumental erscheinen ließ. Ruhigen Schrittes ging er die Steintreppe hinauf, kramte einige zerknüllte Dollarscheine aus der Hosentasche und kaufte sich eine Eintrittskarte. Wie ein ganz normaler, mit seinem Drei-Tage-Bart etwas verratzt aussehender Mann in den späten Zwanzigern.

Er musste nicht lange anstehen bis er an der Reihe war, der lächelnden Kassiererin dann nur die Karte aus der Hand nahm und ohne ein Wort weiterging.

Nach den jüngsten Ereignissen waren alle öffentlichen Gebäude mit Metalldetektoren ausgestattet, durch die die Besucher geschleust wurden und überall war eine verstärkte Polizeipräsenz bemerkbar.
 

Die Schleuse passierte er ohne Probleme, egal was für ein Metall es war, aus dem sein Arm bestand, offenkundig reagierten die Detektoren nicht darauf, ebenso wenig wie auf das Messer, das er bei sich trug. Interessant.

Während er langsam durch die Halle schritt, entdeckte er das gewaltiges Skelett eines Dinosauriers - was fairerweise gesagt auch nicht schwer gewesen war, immerhin stand es mitten in der Eingangshalle und ihm somit im Weg.

Unauffällig verschmolz er in der Besuchermasse und gelangte so schließlich zur Sonderausstellung des großen Captain America und seiner Handlanger des zweiten Weltkrieges.

Von den Wänden grinste ihn sein letzter Auftrag an, der wohl immer noch lebte, wenn ihn nicht eine Lungenentzündung dahin gerafft hatte. Aber Steve Rogers interessierte ihn nur am Rande. Dieser Mann mit dem aufrechten Blick, hatte ihn Freund genannt, ein Begriff mit dem er wirklich nichts anzufangen wusste. Wichtiger war jedoch gewesen, dass er ihm einen Namen gegeben hatte.

“Dein Name ist James Buchanan Barnes. Du kennst mich schon dein ganzes Leben…“

Nun Fakt war, er kannte ihn nicht!

Aber er gab auch zu, dass das nicht viel hieß. Er wusste immerhin auch nicht mehr, was passiert war ehe er an jenem Tag den Auftrag erhielt, den Kerl im blauen Anzug aufzuhalten – mit allen erforderlichen Mitteln. Er kannte sich selbst nur als Wintersoldier, was alles andere als ein Name war, soweit war selbst er schon gekommen. Jedes Wesen hatte einen Namen, und vielleicht wäre es leichter, wenn er seinen wieder kennen würde.

Dennoch war da ein kurzer Moment gewesen, ein kurzer Augenblick der Vertrautheit, die ihn zum Zweifeln gebracht hatte.

“Ich steh’ das mit dir durch…“

Irgendwas,… Irgendwas hatte dieser Satz bewirkt, irgendwas schmerzlich vertrautes, doch so sehr er auch nachdachte, es hatte einfach keinen Sinn gegeben. Nur so ein undefinierbares Gefühl in seiner Brust. Ein Gefühl, dass dazu geführt hatte, dass er diesen Captain doch noch aus dem Wasser gezogen hatte, ehe er den Ort verließ mit ungewissem Ziel.

Durch alte Zeitungen, die er mal hier oder dort gefunden hatte, hatte er von dieser Ausstellung erfahren. Vielleicht würde er hier Antworten finden, oder zumindest mal die richtigen Fragen.
 

Er erfuhr, von Bildschirmen die überall im Raum verteilt waren, wie aus einem schwächlichen Jüngling, der berühmte Captain America wurde.

Er sah alte Uniformen an Puppen, aufgereiht dastehend und darüber die Gesichter einer Gruppe, die sich die Invaders nannten. Und ja, der eine Kerl ähnelte wirklich dem Typen, den er in dem Badezimmerspiegel seines billigen Motels am Stadtrand gesehen hatte.

Er ging weiter, bis er an einer Wand stand, und dort die Geschichte des einzigen Mitgliedes der Invaders fand, der seine Mission nicht überlebt hatte. War er also mit einem Toten verwechselt worden?

Er las die Zeilen, die über das Leben dieses Bucky geschrieben waren. Viel gab es wohl nicht über den Kerl zu berichten.

Er war Soldat gewesen - klar was hatten Zivilisten auch bei Militäroperationen zu suchen?

Scharfschütze – das hieß seiner Ansicht nach oft nur, dass einer von drei Schüssen auch sein Ziel traf.

Er war 28 Jahre gewesen als er starb. Keine Frau. Keine Kinder.

James Buchanan Barnes, Kindheitsfreund des berühmten Captain Americas. Des Captains der nach 70 Jahren wieder unter den Lebenden weilte.

Er sah alte Fernsehaufzeichnungen, in denen sein Spiegelbild mit dem Kindheitsfreund wohl Witze machte. Es war leider ohne Ton, daher konnte er letztlich auch nur raten.

Was gab es noch wissenswertes?

Bucky starb auf einer Mission - gut, mochte schlimmeres geben als das.

Ein Schneesturm hatte es unmöglich gemacht, die Leiche zu bergen, nur ein abgerissener linker Arm…war gefunden… worden… sein Arm…

Unwillkürlich hob er seine linke Hand, ehe er wieder auf das Bildnis Bucky Barnes starrte.

Also doch?

Letztlich...

Es würde Sinn geben. Ein neuer Arm, weil der Alte weg gewesen war. Der Schnee, die flüchtige Erinnerung an ein Labor…

„Also wirklich… James Barnes.“ murmelte er nur leise.

James hatte nicht den Hauch einer Ahnung, wie es jetzt weiter gehen sollte. Aber er hatte nun zumindest seinen Namen wieder gefunden. Es war nicht viel, aber es war zumindest mal ein kleiner Schritt näher am Frühling.

Ein vergessenes Wochenende (Teil 1/3)

Ein vergessenes Wochenende
 

Prolog:
 

Wütend wurde der Telefonhörer auf den Apparat geknallt, ehe beides von einem Fluch begleitet, gegen die gegenüberliegende Wand des Büros geschleudert wurde. Der Krach lockte den Sekretär Owen Boil an, der zaghaft seinen Kopf zur Tür hereinstreckte.

„He-Herr Baum, ist etwas passiert?“ fragte der hagere Sekretär verlegen, ehe der strenge Blick seines Chefs auf ihm ruhte. In der Stille des kleinen Büros, schien dieses noch weiter zu schrumpfen, ehe der Junge schluckte und erneut ansetzte. „Ich m-meine, kann ich etwas für Sie tun, Chef?“

„Hören Sie auf zu stammeln, Owen.“ knurrte Erwin Baum nur. Sein Stuhl quietschte energisch über den Linoleumboden, als er aufstand.

„Verzeihung.“ Mit einer betont aufrechten Haltung sah der Angesprochene auf Baum, der die Lippen wütend auf einander gepresst hatte, und mit festem Schritt auf und ab ging. Dieser ignorierte den Sekretär erstmal, aber Owen war mittlerweile schlau genug den Raum nicht zu verlassen, ehe er dazu aufgefordert werden würde.

Nach kurzer Zeit blieb Baum vor dem kleinen Fenster stehen, dass ihm in einiger Entfernung einen Blick auf den Moskwa ermöglichte, der bereits an den Ufern zu gefrieren begann. Moskau im beginnenden Winter war ungemütlich, Gift für seine alten Knochen, und das wurde von Tag zu Tag schlimmer.

„Veranlassen Sie, dass er geweckt wird.“ knurrte Baum schließlich und wand den Blick vom Fenster ab und richtete ihn auf Owen. Der junge Sekretär zuckte sichtlich zusammen. „Ja, aber… der Doktor meinte…“

„Seien Sie still!“, fiel der ältere Baum ihm ungehalten ins Wort. „Hat Ihnen Ihre Mutter vergessen beizubringen, dass man Befehlen aufführt, anstatt Sie zu hinterfragen?“

„Ja, ähm, ich meine natürlich nein. Ich… Ich werde alles Nötige veranlassen. Heil Hydra.“

Hastig schloss sich die Türe hinter dem Jungen und Baum setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch. Er musste Zola anrufen, und…

„Verdammt!“ aufgebracht schlug er mit der Faust auf den Tisch. „Owen, besorgen Sie mir gefälligst ein neues Telefon!“
 

Kapitel 1: Erwacht
 

Schmerzen. Brennende Luft in den Lungen. Ein Körper, der nicht gehorchte. Stimmen, weit entfernt. Zischende Geräusche, dumpfes Schlagen. Kälte in seinen Gliedern.

Er konnte die Augen nicht schließlich, nicht einmal als gleißenden Licht auf sie traf. Verschwand, wieder kam.

Nur langsam begann sich sein Brustkorb zu bewegen, jede Muskelbewegung von einem knackenden Geräusch begleitet. Die Luft, die mechanisch in ihn gepumpt und wieder hinausgezogen wurde, schien immer noch zu brennen. Die Schmerzen nahmen zu, je tiefer und voller sie in seine Lungen drang. Er versuchte zu schreien, aber er konnte weder Mund noch Zunge bewegen.

Ganz langsam wandelte sich das gleißende Licht und er konnte andere schemenhafte Personen erkennen. Sie sahen auf ihn herab. Panik beschlich ihn, umso mehr, da er sich immer noch nicht bewegen konnte. Lediglich die Finger seiner linken Hand ließen sich mittlerweile leicht bewegen.

Eine weiße Gestalt beugte sich näher zu ihm, blendete ihn erneut mit einem kleinen Ding.

Es wurden Worte an ihn gerichtet, doch er verstand nur Silben, und selbst die nur Bruchstückhaft.
 

„Rufen Sie Baum an.“ wandte sich die Mann im Arztkittel zufrieden an Boil, der unruhig nehmen ihm stand, und zögerlich auf den aufgebahrten Mann sah, der mit blicklosen blauen Augen an die Decke starrte. Der Herzmonitor gab nur unregelmäßig Geräusche von sich, mit unnatürlich langen Pausen dazwischen. Die Lungenmaschine presste mühsam Sauerstoff in den starren Körper, der vor knapp einer Stunde aus der Kryostase geholt worden war.

„Sagen Sie ihm, dass alles planmäßig verläuft. Der Soldier sollte in knapp einer Stunde wieder zu Bewusstsein kommen. In knapp drei Stunden kann seine neue Programmierung eingeleitet werden.“

Boil sah zu, wie ein weiterer Apparat in das kleine Labor gerollt wurde, bestückt mit einer Maschine, die er noch nie zuvor gesehen hatte.

„Was ist das?“ fragte der junge Mann, während er mit großen Augen die Maschine bestaunte. Er hatte drei Jahre Medizin studiert, bevor er aus persönlichen Gründen die Universität hatte verlassen müssen und bei Erwin Baum und Hydra eine neue Heimat gefunden hatte. Aber solch ein Ding hatte er noch nie gesehen.

Der Arzt sah kurz zu dem Sekretär ehe er sich wieder dem Patienten zuwandte. „Ein Wärmetauscher. Sein Blut fängt langsam wieder an zu fließen. Aktuell noch sehr zäh. Wir pumpen es aus der Aorta ab und zwar hier“, mit einem Stift markierte er eine Stelle unterhalb des vierten Rippenbogens,“ und führen es etwa fünf Zentimeter tiefer wieder zu. Das Gerät erwärmt es schrittweise bei jedem Durchlauf um etwa drei Grad. Dadurch taut das Muskelgewebe schneller auf und sein Körper kann anfangen das zerstörte Gewebe, das bei dem Einfrieren entstanden ist, zu reparieren. Standardprozedur.“

„Es hieß, dass die Kryostase ohne Schäden verläuft.“ hakte Boil neugierig nach und brachte den Arzt zum Lachen.

„Weit gefehlt. Wasser dehnt sich beim Gefrieren aus. Und zerreißt, was es umschließt. Er heilt nur schneller als normale Menschen, deswegen überlebt er. Aus keinem anderen Grund. Ein faszinierendes Objekt, nicht wahr? Es wird interessant sein zu sehen, wann er nicht mehr aufwacht, wenn wir ihn auftauen.“

Für Owen war schwer zu sagen, was genau für den Knoten in seinem Mager verantwortlich war. Der starre Körper, in den langsam wieder Leben floss, oder diese perverse Begeisterung, die der Doc ausstrahlte. Nein, er selbst stapelte da wirklich bedeutend lieber Ordner und tippte Briefe ab.

Ein vergessenes Wochenende (Teil 2/3)

Wach
 

Samstag, 28. Oktober

5.51 Uhr

Moskau
 

Leise, eisig und stetig blies der Wind um die engstehenden Häuserfassaden. Eine feine Schneeschicht lag auf dem Boden, durchbrochen von den Abdrücken der einzelnen Menschen, die eilig durch die Straßen huschten. Vereinzelt fuhr ein Auto vorbei. Ein Hund bellte.

All diese Dinge registrierte er, aber sie alle waren unwichtig.

Wichtig war lediglich der Mann, der gegenüber des Hauses lebte, auf dessen Dach er sich nun befand. Major Maksim Andrejewitch Schukow. Katholik, geschieden, 47 Jahre alt, alleinlebender Kriegsveteran und ein Verräter. Das war alles, was er über seinen Auftrag wusste, und es war auch alles, was er wissen musste. Wer und wo und wann – der Rest war gleichgültig für ihn.

Sobald sich gegenüber eine Bewegung ausmachen ließ, entsicherte er die Schusswaffe, die er mitgebracht hatte und legte sie an. Mit ruhigen Bewegungen, die routiniert erfolgten, wie ein Raucher, der sich eine Zigarette drehte, suchte und fand er sein Ziel.

Im Fadenkreuz konnte er erkennen, dass sich hinter den zugezogenen Vorhängen jemand bewegte. Schwere Vorhänge, der zunehmende Wind und die dicken Scheiben, machten den Schuss schwer, aber nicht unmöglich.

Sein Atem war ruhig, als der Finger sich um den Abzug legte. Ein sauberer Schuss war alles was er brauchte. Sein Herz schlug als er einatmete, sein Herz schlug beim ausatmen erneut. Zwischen den folgendem Schlag würde er abdrücken.

Der Schatten näherte sich dem Fenster, zog die Vorhänge auf und erweiterte so sein Sichtfeld.

Aber das dort war nicht Schukow.

Enttäuscht nahm er den Finger wieder vom Abzug. Durch den Sucher des Gewehrs konnte er den Mann genauer erkennen. Blondes Haar, schlaksig. Bestenfalls zwanzig.

Ihm war gesagt worden, dass sein Ziel alleine leben würde. Wer war das also dort in der Wohnung? Kurz erwog er sein weiteres Vorgehen. Im Grunde gab es zwei Optionen: entweder er würde hier weiterhin warten, oder es musste jemand erkunden was los war.

Er selbst war Soldat, er hatte gelernt, dass es manchmal erforderlich war zu warten, im Verborgenen auszuharren, bis dieser eine, der perfekte Zeitpunkt gekommen war.

Andererseits war es manchmal auch erforderlich, Fragen zu stellen.
 

Den grünen Bademantel fester zuziehend rieb sich Tomek die klammen Hände, während er durch die geräumige Wohnung ging, Vorhänge aufzog und prüfend die Hand auf die Heizkörper legte. Sie waren warm, aber nicht heiß. Noch war es zu früh um den Hausverwalter diesbezüglich anzurufen, aber das musste dringend noch erledigt werden, ehe es noch kälter wurde.

Tomek Wolk war kein anspruchsvoller Mann. Aber wenn er das Wochenende schon bei seinem Liebhaber zu Gast war und versprochen hatte ihn rundum zu verwöhnen, war es nicht zuviel verlangt es warm haben zu wollen.

Das Klopfen an der Tür unterbrach seine Wanderung und Tomek beeilte sich zur Wohnungstür zu kommen. An einem Wandspiegel fuhr er mit den Fingern noch kurz durch seine blondgelockten Haare, die Maksim so gefielen, und zog den Bademantel etwas auseinander, ehe er mit einem lasziven Lächeln öffnete.

„Hast du deinen Schlüssel…?“ Der Rest des Satzes schwand, ebenso wie sein kokettes Lächeln von seinem hübschen Gesicht. Verlegen richtete Tomek wieder seinen Mantel, während er den Mann musterte, der vor seiner Türe stand.

Sein erster Gedanke war sexy Typ, der zweite jedoch war gefährlicher Typ. Der Mann war ihm unbekannt, das Alter war schwer zu schätzen, Mitte zwanzig vielleicht. Ein weiter Mantel verhüllte seine Gestalt aber er schien kräftig zu sein.

„Maksim Andrejewitch Schukow.“ Die Stimme war so dunkel und kalt, wie die ganze Gestalt und irgendwie hatte der junge Wolk kein gutes Gefühl bei der Sache hier. „Ist es nicht etwas früh für einen Besuch?“ missmutig verschränkte der Blonde die Arme vor der Brust und hob in einer trotzig anmutenden Geste das Kinn.

„Maksim Schukow“, wiederholte der Fremde seine Frage. „Wo ist er?“

„Wer will das wissen?“

Doch statt zu antworten, legte der Fremde den Kopf zur Seite und packte den Junge an der Kehle schob ihn so ins innere der Wohnung. Überrumpelt packte Tomek panisch nach dem Arm und versuchte sich aus dem Würgegriff zu befreien. Aber die Haut, die er unter den Lederhandschuhen erahnte, war hart wie Stahl und gab nicht mal einen Millimeter nach, egal wie sehr er versuchte seine Finger hineinzukrallen. Im nächsten Moment spürte er auch schon eine Wand im Rücken, verlor den Boden unter den Füßen als er etwas hochgeschoben wurde, und so diesem Verrückten vollkommen ausgeliefert war.

Er sah schreckgeweitet in die eisblauen Augen des Eindringlings, ehe er nur noch auf die Klinge starren konnte, die sich nun keinen Zentimeter von seiner Pupille entfernt befand.

„Bitte.“ wimmerte der Junge ängstlich.

„Schukow.“

„Ich weiß nicht wo er ist. Ich schwöre bei Gott, ich weiß es nicht.“ Die Stimme Tomeks überschlug sich beinahe, als er weitersprach. „Er war nicht im Bett als ich aufstand. Ich dachte, er holt Frühstück oder ist spazieren. Das… macht er manchmal, wenn er nicht schlafen kann. Bitte…“

Irgendwie schien der Fremde mit dieser Antwort nicht zufrieden zu sein, und er spürte wie der Griff um seinen Hals zunahm und ihm fast vollständig die Luft abschnürte.

„Er.. ist sicher… gleich wieder da. Er hat einen… wichtigen… Termin heute.“ Damit hatte er wohl das Interesse des Eindringlings geweckt, denn der Griff wurde etwas lockerer, zumindest konnte er nun etwas besser Luft holen.

„Wer und Warum?“

„Ich weiß ni…, ich… Janus! Ja, ich hab gehört, dass es ein gewisser Janus sei. Mehr weiß ich nicht, ich schwöre ich weiß es nicht, ich schwöre, dass ist alles…“

Tomek ließ sich an der Wand hinabsinken, als der Griff mit einem Mal weg war, und er sich hustend die eigene Kehle hielt.

Der Fremde schritt durch den Raum auf den dunkeln Schreibtisch zu. Er hob ein Foto an und betrachtete es, ehe er sich umwand und die Wohnung wieder verließ. „Er kommt nicht wieder.“
 

Als er kurze Zeit später wieder in der Basis war, wurde er von einem aufgebrachten Erwin Baum angeschnauzt, nachdem er seinen Einsatzbericht abgegeben hatte. Er war recht kurz gewesen. Er sah ruhig zu Baum und wenn er es so bedachte, hatte er diesen Mann noch nie normal sprechen erlebt. Zumindest nicht in der kurzen Zeit, die er ihn kannte.

„Also lebt Schukow noch!“

Nun, wenn ihm niemand zuvor gekommen war, was er für Recht unwahrscheinlich hielt, war davon auszugehen, dass Schukow lebte. Warum diese schlichte Tatsache allerdings laut ausgesprochen werden musste, entzog sich wirklich seinem Verständnis.

Als der Soldier weiterhin nur stur schwieg, stand Baum schnaubend auf und begann mit angewidertem Gesicht umherzugehen. „Das Schukow ein Verräter ist, ist schlimm genug, aber auch noch derartig abartig veranlagt?! Der Mann in seiner Wohnung, wie war sein Name?“

„Ich habe nicht gefragt.“ antwortete der Braunhaarige ruhig.

„Sie haben nicht…? Haben sie wenigstens die Leiche beseitigt?“

„Nein.“

„Was?“ Theatralisch warf Baum die Arme in die Luft, ehe er sich drohend vor dem Soldier aufbaute. „Weshalb nicht?“

„Es gibt keine Leiche. Der Auftrag ist Schukow und nicht…“ Eine schallende Ohrfeige unterbrach ihn. „Idiot!“
 


 

Samstag, 28. Oktober

11.02 Uhr

Moskau
 

Janus hatte sich nach einiger Recherche als ein Codename entpuppt, der von S.H.I.E.L.D., einem der zahllosen Geheimdienste der Vereinigten Staaten von Amerika, genutzt wurde um Personen auszuschleusen. Die Amerikaner setzten bei solchen Aktionen auf möglichst kleine Teams, die Zielperson und nicht mehr als zwei Agenten.

Die Kontakte seiner Auftraggeber hatten über die Mautstationen eine Sichtung Schukows verzeichnet. Vor knapp einer Stunde wurde er in Jelez gesehen, knapp 4 Stunden von seiner Wohnung entfernt.

Mit einem grimmigen Lächeln beschleunigte er das Motorrad und raste weiter Richtung Süden. So etwas war im persönlich lieber. Er hatte seine Befehle und die Ausführung war ihm überlassen. Nicht mehr für jeden Schritt Rechenschaft ablegen zu müssen, bis er mit einem bestätigten Tod der Zielperson zurück käme.
 


 

Samstag, 28. Oktober

16.56 Uhr

Droskova, etwa 100 km westlich von Jelez
 

Eisige Luft und etwas Schnee folgte ihm, als er die kleine Gaststube betrat. Er war sehr gut voran gekommen, aber der einsetzende Schneesturm hatte es erforderlich gemacht, eine Pause zu machen. Es war ärgerlich, aber Schukow lief ihm ja nicht davon. Also streng gesehen schon, aber er war auf der richtigen Spur und hegte keinen Zweifel daran, dass er ihn erwischen würde.

Außerdem hatte er Hunger, gewaltigen Hunger um genau zu sein.

Hatte das Gebäude von außen schäbig gewirkt, setzte der Eindruck sich nur bedingt drinnen fort. Der Gastraum war fast ausschließlich aus Holz, Zigarettenqualm machte die Luft dick und schwer, die vermutlich mal weißen Lampenschirme waren gelb. In einer Ecke hing ein Fernseher, der ein Fußballspiel übertrug, während ein kleines Kofferradio russische Volksmusik verbreitete, was der Wirtin zu gefallen schien, so wie sie ihre Hüften und Schultern im Takt verhalten kreisen ließ.

Er suchte sich eine ruhige Ecke und setzte sich an einen der Tische, den Rücken zur Wand hatte er so den kompletten Raum im Überblick.
 

Keine Viertelstunde später hatte er eine dampfende Schüssel dicker Kartoffelsuppe, etwas Brot und Bier auf dem Tisch. Nichts davon hatte er bestellt, aber die Suppe roch gut, dicke Wurstscheiben, allerlei Gemüse und sämig gekochte Kartoffeln machten die Entscheidung leicht zum Löffel zu greifen, und es sich schmecken zu lassen.

Während er bereits die zweite Portion aß, füllte sich die Stube zunehmend mit immer mehr Menschen, dick eingepackt und nass von draußen, oder trocken, aus den oberen Räumen. Gästezimmer, die bei solch einem Wetter schnell belegt waren, wie ihm die Wirtin zugeraunt hatte. Ein für ihn unwichtiger Hinweis, da er nicht vorhatte so lange hier zu bleiben.

Neugierig sah er erst wieder auf, als mit einem Mal ein Raunen durch die Wirtsstube zog. Der Grund dafür war eine junge, rothaarige Frau, die nun mit einer Schüssel seinen Tisch ansteuerte. Sie trug dicke, warme Kleidung, die sich eng um ihren schlanken Körper schmiegte. Nicht zu eng als das die Leute würden Anstoß nehmen, aber eng genug, dass auch seine Augen kurz bewundernd auf ihr lagen, ehe er sich wieder der Suppe widmete.

„Hast du noch Platz für mich, Kamerad?“ Die Stimme der Frau, die ihn nun lächelnd ansah war warm und dunkel, in der Art, die einem Mann an alles und nichts denken lassen konnte. Nicht das er sich von so was sonderlich beeindrucken ließ, aber er war ja auch noch nicht tot. Wie gesagt, Schukow rannte ihm metaphorisch gesehen nicht weg und wenn das schlechte Wetter ihn schon festsetzte, sprach ja nichts dagegen, dass er da wenigstens ansehnliche Gesellschaft bekam.

Er saß alleine an seinem Ecktisch und deutete daher brummend auf die freien Plätze, sollte sie sich doch einen davon aussuchen.
 

Sie entschied sich für den Platz zu seiner linken, wohl um ebenso den Raum einsehen zu können.

„Du kommst nicht von hier?“ fragte sie dann nach einer Weile, schob ihren leeren Teller etwas zu Seite und lehnte sich etwas vor.

„Nein.“

Sie nickte leicht, ehe sie schmunzelte. Der Kerl sah nett aus, kräftig, etwas düster, alles Dinge die ihr für einen kleinen Flirt zusagten. Nur war er nicht gerade der gesprächigste, aber alles war besser als Volksmusik oder ein Fußballspiel.

„Also auf der Durchreise?“ – „Ja.“

„Hat der Durchreisende einen Namen?“ Sie konnte sehen, wie der Angesprochene kurz überlegte, ehe er langsam meinte: „Vielleicht.“

Ja, nein, vielleicht – dass versprach eine sehr einseitige Unterhaltung zu werde, was sie kurz schmollen ließ. „Verheiratet oder Schwul?“

Mit dieser Frage entlockte sie ihm zumindest mal eine Reaktion in Form von einem ihr zugewandten Blick aus großen, blauen Augen. Sie sah zuckenden Mundwinkel, ehe er trocken und mit einem leichten Seufzen in der Stimme entgegnete: „Lediglich schüchtern.“

Knappe zwei recht amüsante Stunden später, stand sie wieder auf, lächelte ihn an und verabschiedete sich mit den Worten, dass es nett wäre, wenn sie sich mal wieder sähen.
 

Das liebliche Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht, als sich die Wirtsstube verlassen hatte. Viel erfahren hatte sie nichts, eher gesagt gar nichts und das missfiel ihr. Hatte sie erst nur ein Gefühl gehabt verfolgt zu werden, hatte es sich nur verstärkt. Vermutlich hatte sie gerade mit einem feindlichen Agenten ihre Suppe gegessen. Irgendwo schade, denn unter anderen Umständen…, aber die Pflicht ging klar vor.

„Ziehen Sie sich wieder an.“ meinte sie dann ruhig zu dem älteren Mann, der bereits in seinem Bett lag. „Wir müssen weiter, sofort.“

„Bei diesem Wetter? Nein, ohne mich.“ erwiderte er trotzig wie ein kleines Kind.

„Ich sagte sofort, es sei denn sie gedenken in einem billigen Fremdenzimmer zu sterben!“
 

Unten in der Stube hörte er zu, wie die Männer zu reden anfingen, sobald sich das Mädchen, Tamila wie sie sich mit einem Tonfall vorgestellt hatte, der keinen Zweifel daran ließ, dass das nicht ihr wahrer Name war, in die oberen Räume zurückzog. Es war das übliche Geschwafel, davon dass sich der Kerl, der sich Boris nannte, Halbglatze und Pickel im Gesicht, sicher war, dass ER mit ihr hochgegangen wäre, zum Aufwärmen. Es folgte das normale Bestätigen, oder in Zweifelziehen von seinen Freunden, was letztlich in einer ausgegebenen Runde Vodka endete. Prahlerei und derbe Witze, die sogar ihm ein Schmunzeln entlockte, folgten auch weiterhin.

Scheinbar war Tamila auch erst vor kurzem hier gelandet, zusammen mit ihrem Mann. Hier, wurde er stutzig, wandte sich nun aufmerksamer geworden wieder der Gruppe zu. Welcher Mann ließ seine Frau alleine in eine Umgebung, die voller betrunkener Kerle war, in einer Gegend, die nicht gerade so harmlos erschien, wie sie es wohl war? Welche Frau täte derart selbstsicher alleine? Nur eine, die nichts befürchtete.

Irgendwie kam es ihm merkwürdig vor, als ob er irgendwas übersah.
 

Er hatte gerade bezahlt, als das Durchstarten eines Motors es schließlich war, das ihn aufspringen ließ und die Wirtschaft verlassen. Er sah noch Rücklichter, die im dichten Schneetreiben viel zu schnell auf die Schnellstraße abbogen. Fluchtend wandte er sich ab und stapfte zu seinem Motorrad, dass zu schräg auf der Seite lag, beide Reifen zerstochen und platt. So ein verfluchter Mist!
 

Grüblerisch kehrte er zur Straße zurück und sah wie die Lichter des Wagens endgültig verschwanden, während er überlegte, wie er jetzt am schnellsten hinterher käme. Lautes Humpen hinter ihm ließ ihn den Kopf drehen, als eine Art Militärjeep mit quietschenden Reifen knapp vor ihm zu stehen kam. Perfekt!

Mit lautem Fluchen, riss der Fahrer die Türe auf und kam auf ihn zugestürmt, das Gesicht hochrot vor Zorn. Was ihm den einfalle, mitten auf der Straße rumzulungern.

Ohne darauf einzugehen, zog er eine automatische Pistole aus der Innentasche seiner Jacke und streckte den Fahren mit einem gezielten Kopfschuss nieder, ehe er mit zwei weiteren Schüssen auch den Beifahrer getötet hatte. Für lange Diskussionen hatte er jetzt wahrlich keine Zeit. Mit seinem Metallarm riss der die Beifahrertür aus der Verankerung und zerrte den leblosen Körper auf die Straße, ehe er sich hinter das Lenkrad schob und den Motor startete. Der Tank war erfreulicherweise fast randvoll, also musste er sich in der Hinsicht keine Gedanken machen.

Dieses Mal jedoch war es sehr viel schwerer aufzuholen. Der starke Schneefall machte die Sicht schwer und nun musste Schukow, dass er verfolgt wurde.

So zog es sich fast bis nach Mitternacht, ehe er das flüchtende Auto mit dem Jeep rammen konnte. Einmal, zweimal, dreimal, bis es aus der Spur brach, einen Baum seitlich schrammte und die Böschung runterrauschte, mitten in einen eisigen See, wo der Wagen langsam immer tiefer sank.

Ein vergessenes Wochenende (Teil 3/3)


 

Sonntag, 29. Oktober

0.32 Uhr

Ein ganzes Stück weiter westlich von Droskova
 

Die Sicht war mehr als nur bescheiden. Der schlimmste Sturm schien vorbei zu sein, aber die Wolkendecke war dicht und der Schneefall unablässig. Die Rücklichter des Wagens, der rasch immer tiefer sank waren noch zu erkennen, aber von den Personen, die sich in diesem Auto befunden hatten, war nichts zu erkennen. Es war natürlich gut möglich, dass sie bereits tot waren. Sowas konnte schnell passieren. Eine Gehirnerschütterung durch einen ungünstigen Aufprall gegen die Scheibe oder das Lenkrad, darauf eine kurze Bewusstlosigkeit. Tja, so schnell konnte man aktuell ertrinken.

Es mochte eine gute und plausible Theorie sein, aber es blieb etwas zu dünn, um alleine damit den Rückweg anzutreten.

Mit einem tiefen Seufzen rieb er sich kurz die Schläfe, ehe er seine Jacke auszog und in die Fahrerkabine legte, die Schusswaffen legte er dazu, ehe er den Schlüssel abzog und ich die Hosentasche stopfte. Als er sich wieder Richtung Fluss wandte, war von seinen Flüchtlingen immer noch nichts zu sehen.

Ein tiefes Durchatmen folgte, ehe er sich die kleine Büschung überwindend in das eisige Wasser begab und mit einer kleinen Taschenlampe, die er sich zwischen die Lippen geklemmt hatte, und dem Frack nachtauchte.

Schnell war es erreicht, die Rückscheibe war zerbrochen und der Innenraum, von dem Wasser mal abgesehen war leer. Wo zum Teufel waren die Zwei?

Mit kraftvollen Bewegungen tauchte er wieder auf, zog sich die Böschung in Richtung seines Jeeps hoch, nur um dort dann in den Lauf seiner eigenen Waffe zu blicken.
 

Die dicke Jacke, die sie im Innenraum gefunden hatte, fest um ihren frierenden Körper geschlungen, die nassen Haare aus dem Gesicht gestrichen, musterte sie den triefenden Mann vor sich. Hatte er sich verändert, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte? Im Wirtshaus hatte er sie nicht erkannt, was ihrem Herzen einen kleinen Stich versetzt hatte, aber es war wie es eben war.

„Die Schlüssel.“ forderte Tamila dann mit ruhiger Stimme.

Die Waffe lag ruhig in ihrer Hand, und ihr Blick war kalt als sie fortfuhr. „Ich kenne deine Tricks James, versuch es also erst gar nicht.“

Trotz des Schnees sah sie, wie sich seine Brauen kurz verwundert zusammenzogen. „James?“

Jedes Aufwallen von Mitgefühl erstickte sie im Keim, wie sie es von klein auf eingebläut bekommen hatte. Er erinnerte sich nicht an sie, dieses Mal hatten sie ihm offenkundig sogar die Erinnerung an den eigenen Namen verwehrt. Aber das war seine Sache. Das hier war ihre Mission. Und es war seine, die er befreit von jedem Gewissen erfüllen würde.

„Wo ist Schukow?“ fragte James dann, während er die Schlüssel aus seiner nassen Hosentasche fischte und an zwei Fingern hochhielt.

Einen Moment war es ruhig zwischen Ihnen, während jeder sein weiteres Vorgehen durchdachte. Tamila käme ohne den Wagen von hier nicht weg und würde, durchnässt wie sie war, die Nacht wohl kaum unbeschadet überstehen. James hingegen war nicht weniger nass, aber er kam mit der Kälte besser zurecht, er zitterte nicht einmal. „Ich weiß es nicht. Aber wenn alles nach Plan läuft, sitzt er bereits in einem Reisebus zurück Richtung Moskau, von da mit dem Zug weiter nach Westen. Im Gegensatz zu uns beiden, hat er Droskova nie verlassen.“

„Eine Finte.“ kommentierte er seufzend und warf ihr die Schlüssel entgegen, die sie mit der freien Hand sicher fing. Dann ging alles sehr schnell.

Ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit und James machte einen Satz nach vorne, der gelöste Schuss schien sein Ziel verfehlt zu haben, denn er riss sie ohne langsamer zu werden von den Beinen und schlug ihr die Waffe aus der Hand.

Kurz verharrten sie aufeinander, einen unwirklichen Moment lang in einem seltsamen Gefühl gefangen, ehe ein harter Tritt in die Weichteile dazuführte, dass ihm die Luft wegblieb und Tamila sich befreien konnte. Im Aufstehen fischte sie die Schlüssel aus dem Schnee und hechtete zum Wagen. Doch keine drei Schritt weggekommen, riss ein fester Griff um den Knöchel sie wieder in den Schnee. Dieses Mal darauf gefasst, drehte sie sich noch im Fall, den Schwung nutzend um sich aus dem Griff zu befreien.

Im schwachen Licht sah sie kurz den blanken Stahl eines Messers reflektieren, ehe sie hörte, wie er erneut auf die zuhastete. Die Sicht war schlecht, so dass es antrainierte Reflexe und Bewegungen waren, die sie instinktiv leiteten. Es war ein Kampf, der an eine sorgsam einstudierte, brutale Choreographie erinnerte.

Letztlich konnte sie einen Ausfallschritt nutzen um sich auf seinen Rücken zuziehen und ihm die Fäuste gegen die Schläfe zu schlagen. Die kurze elektrische Entladung, ihrer mit entsprechender Elektronik versehenen Handschuhe, führte zu einer kurzen Bewusstlosigkeit des Wintersoldiers. Tamila wusste, dass sie nicht lange anhalten würde, also suchte und fand sie die Schlüssel und eilte zum Wagen.

Der Motor startete beim zweiten Versuch und im Scheinwerferlicht sah sie seine bewusstlose Gestalt im Schnee liegen, und die Blutspuren. Hatte sie ihn doch erwischt gehabt?

Während die Heizung langsam den Innenraum erwärmte, saß sie immer noch mit laufendem Motor im Wagen und sah den Mann an, der ihr fast die Kehle aufgeschlitzt hätte.

Es war ein Fehler, dachte sie nur, als sie die Jacke auszog und aus dem Seitenfenster warf. Ein Fehler ohne Zweifel, aber auch wenn James nicht mehr wusste wer sie war, so wusste sie doch wer er war. Und manchmal reichte das, um einen Anderen nicht erfrieren zu lassen.

Einen Gang einlegend setzte sie den Wagen etwas zurück, ehe sie wieder auf die Straße bog und wegfuhr, ohne noch mal zurück zu sehen.
 

Als er sich wieder rührte, war er bereits von einer Schneeschicht bedeckt, die von ihm abfiel als er sich aufsetzte. Ein stechender Schmerz in seiner rechten Seite ließ ihn kurz keuchen, Seine Hand war feucht und blutig als er sie von der schmerzenden Stelle wegzog. Aber der Blutverlust konnte bei der Kälte nicht so schlimm sein. Der Wagen war weg, was ihn nicht sonderlich überraschte. Wobei die Wehrhaftigkeit Tamilas hatte sich dann doch als die größere Überraschung entpuppt an diesem Tag. James zog sich auf die Beine und entdeckte im Schnee seine Jacke.

Nach einem kräftigen Ausschütteln zog er sie über und atmete den zarten Geruch von Maiglöckchen ein, die ihn vage an den Frühling denken ließ.

Mit diesem Gedanken machte er sich zu Fuß auf den Weg in die nächste Stadt.
 

Sonntag, 29. Oktober

18.59 Uhr

Zentralbahnhof Moskau
 

Menschen in dicken Mänteln drängten sich dicht aneinander vorbei. Es herrschte ein allgemeines Stimmengewirr, Kinder lachten oder weinten, während unverständliche Nachrichten über Lautsprecher verbreitet wurden.

Maksim Schukow zog den Gürte seines Filzmantels etwas fester, ehe er die Fahrkarte aus der Tasche zog und den Bahnsteig mit den abgedruckten Angaben kontrollierte. Er zog seine Brille auf und war dabei mit einem zufriedenen Brummen, seine Tasche zu greifen, als er von hinten angerempelt wurde und sich nur knapp auf den Beinen halten konnte. Doch ehe er dazu kam sich lautstark zu beschweren, eilte ein junger Mann an ihm vorbei, einige Entschuldigungen haspelnd und eifrig bemüht, die zu Boden gefallene Brille aufzuheben.

Schukow brummte noch einige tadelnde Bemerkungen, die jedoch aufgrund des sichtlichen Bedauerns nur kurz ausfielen. Nach einer weiteren Entschuldigung war der Bursche dann auch schon in der Menge verschwunden und Schukow betrat das Schlafabteil und zog sich in seine reservierte Kabine zurück. Wie instruiert verschloss er die Kabine und steckte seine Fahrkarte für den Schaffner gut sichtbar an die Türe, nachdem der zug sich mit einem Ruck in Bewegung gesetzt hatte, ehe er seinen Mantel und die Schuhe abstreifte, und sich auf die schmale Koje ausstreckte. Noch einige Stunden und er würde dieses Land und damit Hydra hinter sich haben. Sicher im Schutz des Westens würde er nach und nach sein Wissen verkaufen und ein reicher Mann werden. Er wusste es zwar noch nicht, aber schon den folgenden Halt des Zuges, würde er nicht mehr lebend erreichen.
 


 

Sonntag, 29. Oktober

22.17 Uhr

Moskau
 

Unbehaglich knetete sich Owen Boil seine klammen Finger, während er dem Doc über die Schulter schaute, der den Einfrierungsprozess sorgsam überwachte.

„Herr Baum ist mit dem Ergebnis zufrieden, wie man hört.“ Begann der Mediziner dann unerwartet ein Gespräch mit dem Sekretär Baums.

„Ja-ja.“, nickte dieser leicht, „Die örtliche Polizeistation hat den Tod der Zielperson bestätigt. Er war in einer verriegelten Schlafkabine entdeckt worden, kurz vor der Grenze. Verblutet wie es scheint.“

Ein heiteres Kichern war von Seiten des Docs zu hören. „Ja, ein kleiner Stich in den Rücken und es gibt weder Zeugen noch einen Verdächtigen. Man braucht nur ein etwas längere Nadel und einen strammen Gürtel und alles weitere erledigt sich fast von selbst. Zu töten ist eine Kunstform, glauben Sie mir Owen, eine wahre Kunst.“

„Apropos Verdächtiger. Sagen Sie Doc, wie bekommen Sie ihn dazu, dass er zurück in die Kryostasekammer geht?“

„Wir löschen unmittelbar vorher sein Gedächtnis, wissen sie. Dann folgt er brav wie ein Kätzchen. Sein Geist schläft und er bekommt nichts mehr mit, bis wir ihn wieder wecken.“

„Er schläft also?“ fragte Boil unbehaglich und sah in die blauen Augen, die ihn leblos anstarrten, von weißem Raureif überzogen.

So ganz stimmte es nicht, denn als die eisige Kälte dieses Mal von ihm Besitz ergriff, und die Welt zu existieren aufhörte, träumte er dieses mal einen kurzen Traum. Von einer Nixe, mit leuchtendem roten Haar, die nach Frühling roch…

Nachbarsjunge

Nachbarsjunge
 

In die Wohnung über uns war ne neue Familie gezogen. Mum hatte gesagt, dass die Familie einen Sohn habe, ungefähr in meinem Alter und daher jemand zum Spielen für mich. Sie hatte gelächelt und meine blöde Schwester dabei im Arm gehalten. Becca war mir auch so angekündigt worden. James, hatten Mum und Daddy zu mir gesagt, als sie sich eines Tages zu mir gesetzt hatten, stell dir vor, in einem knappen halben Jahr hast du einen kleinen Bruder, oder eine kleine Schwester. Ist das nicht toll? Du wirst ein toller großer Bruder sein, und jemanden zum Spielen haben.

Mit meinen sieben Jahren war ich natürlich schon fast erwachsen, und daher sicher, dass ich der weltbeste großer Bruder aller Zeiten werden würde. Es lief nicht alles nach Plan, was eindeutig die Schuld meiner Schwester war. Schlimm genug das Rebecca ein Mädchen war, und Mum sich geweigert hatte sie umzutauschen, wie ich ihr geraten hatte, aber die war auch noch total nervig. Wenn sie nicht schrie, dann pennte sie. Mal ehrlich, was sollte ich denn damit anfangen? Da hätte ich gleich alleine bleiben können, denn zum Spielen taugte sie nicht, und Mum und Daddy hatten nur noch Augen für sie!

Da war die Aussicht auf jemanden der bei mir im Haus lebte, und nicht wie Jack und Tom im nächsten Block, natürlich nicht schlecht. Wenn uns nur ne Treppe trennte, dann musste ich auch nicht vorm Dunkel werden heim und so.
 

Daddy kannte unseren neuen Nachbarn wohl, denn er half mit Kisten in das Haus zu schleppen, Mum hatte belegte Brote zur Mittagszeit gemacht, mich ermahnt nett zu sein – dabei war die Einzige, die sich nicht benehmen konnte, eh Becca – und war mit uns die Treppe hoch gegangen und hatte geklingelt.

Eine Frau hatte die Türe aufgemacht, blondes Haar und ein nettes Lächeln, und hatte uns reingelassen. Schien nett zu sein, auch wenn sie viel zu begeistert von meiner sabbernden Schwester war. Ich würde nie verstehen, was Erwachsene an einem Baby so toll fanden. Wie gesagt die waren laut, nervend und konnten noch nicht mal einen Ball fangen. Ich hatte es mit viel gutem Willen mal probiert, aber Becca hatte ja total versagt!

Unsere Nachbarin, die sich mir als Mrs Rogers vorgestellt hatte ging mit meiner Mum in die Küche und kam kurz darauf mit einem anderen Jungen an der Hand zurück. Sie ging neben ihm in die Hocke, legte ihre Wange an Seine und ich wurde aus zweimal zwei Augen angeschaut.

„Schau mal Steve“, hörte ich sie dann sagen, „und das hier ist der Sohn von Mr und Mrs Barnes. Du weißt ja, die Barnes wohnen unter uns nicht wahr?“ Der Junge nickte und fand diese Situation wohl auch nicht so toll, wie ich gerade. Er war blond wie Mrs Rogers es auch war. Fast einen Kopf kleiner als ich, aber ich war ja auch schon total groß für mein Alter, der Größte in meiner Klasse sogar.
 

„Ich bin James.“ meinte ich nur und sah diesen Steve zweifelnd an. Kurz huschte mein Blick zu meiner Schwester und ich fand, dass ich wahrlich nicht wählerisch sein durfte. „Magst du Baseball?“

Wir waren uns in diesem Moment alle im Klaren darüber, dass von seiner Antwort unser künftiges Verhältnis abhängen würde.

„Ja, total. Ich hab sogar eine unterschriebene Baseballkarte von Babe Ruth.(1)“ erzählte mir Steve dann aufgeregt und seine blauen Augen leuchteten als er sich beim Sprechen fast verhaspelte.

Babe Ruth also, ja doch, dass könnte funktionieren. Becca wusste nicht mal wer Babe Ruth war!

„Ich hab unten auch ne Menge Karten. Soll ich sie dir zeigen?“ bot ich dann an. Steve sah seine Mum fragend an, die nickte nur, gab Steve einen Kuss auf die Wange – hehe, der war ja noch voll das Baby – ehe sie ihm viel Spaß wünschte.

Steve hatte meinen belustigend Blick wohl gesehen, denn voll verlegen rieb er sich die Wange. „Mum~“ brummte er nur unwillig.

„Aber ihr bleibt in der Wohnung, ja Bucky?“

Anklagend sah ich meine Mutter nur an: „Mum!“ Herrgott, musste das denn jetzt sein?

Hocherhobenen Kopfes verließ ich nur die Wohnung, ignorierte das belustige Lachen meiner Mutter und ging eine Etage weiter runter.

Steve hätte ich fast vergessen, bis dieser zu mir aufschloss. „Also dann Bucky, ja?“ wollte er dann nur von mir wissen, und ich hörte seinen Spott in der Stimme direkt.

„Nein, ich heiße James.“ stellte ich dann nur klar und ließ Steve mit in unsere Wohnung. „Aber Bucky Barnes klingt doch echt krass.“
 

Eigentlich war dieser Steve Rogers ganz in Ordnung. Nun ich will ehrlich sein, das Gelbe vom Ei war er nicht. Er fing bestenfalls nur zwei von fünf Bällen, hatte Null Kondition, aber wenigstens war er sonst ganz okay. Er teilte seine Hausaufgaben mit mir, dafür sorgte ich dafür, dass er sein Milchgeld behalten durfte in der Schule. Also meistens.

Leider ließ er sich trotz aller kreativen Drohungen nicht davon abbringen, mich weiterhin Bucky zu nennen. Etwas, dass sich keine zwei Wochen später bereits die restliche Klasse angewöhnt hatte, besonders Jack und Tom, diese Mitläufer! Ich mochte das nicht. Aber ertappte ich mich dann doch dabei, dass ich irgendwann ganz selbstverständlich darauf reagierte. Mist.
 

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(1) George Herman „Babe“ Ruth Jr. (* 6. Februar 1895 als Georg Hermann Ehrhardt Ruth in Baltimore, Maryland; † 16. August 1948 in New York City, New York) war ein US-amerikanischer Baseballspieler deutscher Herkunft. Er gilt als einer der bedeutendsten Baseballer in der Geschichte dieses Sports.

Seine sportliche Karriere dauerte von 1914 bis 1935, und er schaffte es, eines der Nationalidole der USA zu werden. Er war einer der ersten fünf Spieler, die 1936 in die Baseball Hall of Fame gewählt wurden. Sein 714-Home-Run-Rekord sollte 39 Jahre lang bestehen, bis er 1974 von Hank Aaron gebrochen wurde. Er war der erste Spieler, dem es gelang, 60 Home Runs in einer Saison zu schlagen (1927). Dieser Rekord bestand 34 Jahre, bis er 1961 von Roger Maris übertroffen wurde.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Babe_Ruth (stand 10/2014)

Winter Widow – Gefesselt

Es gab Tage und Missionen, die wie am Schnürchen liefen. Minutiös geplant und abgestimmt, ging man ungesehen rein und kam ungesehen wieder raus. Ohne Zeugen, ohne einen abgefeuerten Schuss – einfach perfekt von Anfang bis Ende.

Tja, und dann gab es Missionen wie diese hier, bei denen irgendwie überhaupt nichts wie geplant geklappt hatte.

Griesgrämig zerrte James Barnes an den dicken Metallbändern, die seinen rechten Arm an den massiven Stuhl fesselten, ebenso wie seine Beine. Der Stuhl schien aus einem nicht leitenden Metall zu bestehen, denn der elektrische Störsender, der seinen linken Arm komplett unbrauchbar machte, entfaltete seine Wirkung nur auf dem Roboterarm, an dem er angebracht worden war.

„Verdammt.“ murrte der Braunhaarige nur, begleitet von einigen Flüchen, als sich nichts an der Stabilität seiner Fesseln änderte.

„Hmmm~“, brummte es nur schwach aus der anderen Seite des verwinkelten Raumes. „Ich mag es, wenn du anfängst auf Russisch zu fluchen. Was ist denn passiert?“

Seine blauen Augen wanderten augenblicklich zu seiner Begleiterin, die ebenso wie er gefesselt auf einem Stuhl saß, den Rücken zu ihm gewandt. Im Gegensatz zu ihm, saß sie auf einem Holzstuhl, war dafür aber wesentlich ausführlicher als er selbst mit einigen Seilen und Plastikbänder auf selbigen eingeschnürt worden.

Der Raum selber war dennoch recht klein, daher lag die Vermutung nahe, dass es sich hier um einen Abstellraum handeln musste. Das künstliche Licht flackerte in unregelmäßigen Abständen, das Brummen der Klimaanlage war hörbar. Es gab kein Fenster, nur die verriegelte Türe rechts von ihm.

„Wir sind in die Falle gelaufen.“ fasste James es kurz zusammen. „Narkosegas vermute ich.“

Er konnte beobachten, wie sie ihren Kopf hörbar ausatmend in den Nacken legte. Ihre roten Haare, die sie ihm zuliebe wieder in dicken Locken trug, hatten sich aus der Spange gelöst und hingen ihr nun bis auf Schulterhöhe hinab. „Daher mein schwerer Kopf.“ antwortete sie mit einem freudlosen Lachen. „Was sonst noch?“

James überlegte kurz, ehe er antwortete: „Ich scheine erwartet worden zu sein, wenn ich mir das hier so ansehe. Bei dir mussten sie improvisieren. Die Waffen haben sie uns abgenommen, und eine Patrouille müsste jeden Moment wieder auftauchen. Zwei Mann, jedes Mal kommen andere.“
 

Wie aufs Stichwort öffnete sich keine Minute später die Türe und zwei Uniformierte betraten arrogant den Raum. Ohne den WinterSoldier und seinen griesgrämigen Blick zu beachten, traten die Zwei um die Ecke zu der Frau, die ihren Kopf wieder nach vorne hatte fallen lassen.

„Das ist also die berühmte Black Widow?“ meinte einer der Zwei und zog ihren Kopf an den Haaren zurück um ihr ins Gesicht sehen zu können. Der andere Kerl leckte sich anzüglich über die Lippen, als er noch näher an sie herantrat und sich an ihrem Arm rieb. „Für ’ne heiße Nacht würde ich ihren Biss riskieren, also, wenn sie noch die Kraft hätte zu beißen, sobald ich mit ihr fertig wäre.“

„Gott, ist das ein ekelhafter Gedanke.“ meinte Barnes nur sichtlich angewidert und verzog das Gesicht. „Hast du was zu sagen, Gringo?“ fuhr ihn dann nur der Typ an, der Natasha an den Haaren gepackt hatte, und baute sich breitbeinig vor ihm auf, eine Halbautomatik auf seinen Kopf gerichtet.

Ungerührt musterte James den Kerl, seine kurzen schwarzen Haare, die an den Seiten schon grau wurden, den massiven Körperbau und die schweren Stiefel, ehe er ihn in die Augen blickte, die einen regelmäßigen Alkoholkonsum offenbarten.

„Ich sagte, dass mir bei der bloßen Vorstellung daran, dass auch nur einer von Euch sie anfasst, das große Kotzen kommt.“ wiederholte der Gefesselte nur langsam und deutlich. Er sah wie der Wachmann das Gesicht angepisst verzog und bereits mit der Waffe ausholte um sie ihm gegen die Schläfe zu schlagen, als ein plötzlicher Schmerzeslaut aus der anderen Ecke des Raumes ihn unterbrach. Der andere Mann, krümmte sich vor Schmerzen, während Natasha ihren Stuhl gerade mit voller Wucht gegen die Wand schlug, und das Holz krachend splitterte. Die Arme noch auf dem Rücken gefesselt, verpasste die dem Kerl vor sich einen derartigen Tritt in die Weichteile, dass dessen Familienplanung sich bis auf weiteres erstmal erledigt haben dürfte. Konnte einem fast Leid tun, dachte James nur, als er sah, dass der Getretene die Hände in seinen Schritt presste und sich auf dem Boden krümmte.

Der Wachmann, der bei ihm gestanden hatte, erwachte aus seiner kurzen Starre und richtete die Waffe auf die Frau, die sie ihm jedoch aus der Hand trat. Es folgten weitere Tritte, und wenig später, lagen ihre Schenkel um seinen Hals und schnürten ihm die Luft ab, bis er bewusstlos in sich zusammen sackte.

Sichtlich zufrieden richtete sich Natalia wieder auf und blies sich eine Strähne aus den Augen, ehe sie sich zu ihm umdrehte und zufrieden lächelte. Nur um dem erst noch wimmerten Mann am Boden noch einen beherzten Tritt gegen die Schläfe zu verpassen., bis auch der sich in eine friedliche Ohnmacht rettete.
 

„Habe ich dir eigentlich schon gesagt, dass ich es echt liebe, dir bei der Arbeit zuzusehen, Solnischko*?“ meinte Barnes dann nur mit einem ehrlichen Schmunzeln ihm Gesicht. Das war natürlich nicht das Einzige, was er an der Russin schätzte. Egal ob jetzt Natalia Romanova, oder Natasha Romanoff, oder wie sich sonst auch immer aktuell nennen mochte, immer war sie eine Frau, die mit tödlicher Eleganz ihre Gegner niederzuringen mochte. Schneller, kraftvoller und effektiver, als man ihrer doch recht schmalen Gestalt zutrauen mochte, wenn man sie nur sah. Zudem welche Frau sah mit großkalibrigen Waffen in den Händen nicht scharf aus?

In seinem Leben gab es zwei Menschen, die behaupteten ihn zu kennen: Steve Rogers und seine Nat hier. Wenn er die Wahl hatte, zog er ihre Gesellschaft um Längen vor, was auch – aber nicht nur – an der Tatsache lag, dass sie eine faszinierende Frau war und er kein Problem damit hatte zuzugeben, ihr restlos verfallen zu sein. Rogers gegenüber wäre ein solches Verhalten, besonders aus solchen Gründen, bedenklich gewesen.

Fakt war einfach, dass sie beide schon einiges hinter sich hatten, nicht gerade nur Gutes, und im Grunde waren sie beide ziemlich kaputt. Wunderbar jedoch war, dass sie, wenn sie zusammen waren, irgendwie weniger kaputt zu seinen schienen. Nat war nur noch Nat, ohne Täuschung oder Betrug. Er selbst jedoch, konnte nur noch James sein, ohne sich mit Bucky befassen zu müssen, der für ihn immer noch ein Name war. Ein Leben an das er sich nicht mehr erinnerte. Eine Person, die Roger immer noch in ihm zu finden hoffte, was jede ihrer Begegnungen ziemlich unangenehm für James machte.
 

„Ach“, unterbrach die Russin dann seine Gedanken als sie langsam näher zu ihm kam, „gestern hast du mir noch erklärt, es zu lieben mir beim Baden zuzusehen.“

Da diese Aussage ja nicht weniger richtig war, nickte er mit einem leichten Schulterzucken nur, während sie immer näher kam und sich schließlich breitbeinig auf seinem Schoß niederließ, ihre schönen Brüste, die noch fest in dem Ledersuit eingepackt waren, ihm lockend entgegenstreckte. „Letzte Woche hingegen, hast du es geliebt neben mir einzuschlafen und aufwachen zu dürfen. Vor zwei Monaten, liebtest du es, wenn ich backe. Weißt du James, für einen knallharten und eiskalten Profikiller, gebrauchst du das Wort Liebe doch sehr inflationär.“

Da ihn der gerade präsentierte Anblick zugegeben etwas ablenkte, musste er einen Moment überlegen, ehe er leise antwortete: „Zu meiner Verteidigung Nat, dass vor zwei Monaten galt nicht dir, sondern den Keksen. Außerdem baue ich darauf, dass mein Ruf mir insoweit vorauseilt, dass dir eh keiner glauben würde, wenn du es jemanden erzählen solltest.“

Eine skeptisch gehobene Braue war ihre Antwort dazu, ehe sie schmunzelte.
 

„Weißt du Nat, der Auftrag verlief bisher nicht so rund, aber das hier, ist echt interessant.“ gab er dann zu. Den Reiz an kleinen Fesselspielchen hatte er klar unterschätzt, wie er einräumen musste, denn gegen seine Erwartung, machte ihn das jetzt und hier unleugbar an.

„Wir haben einen Auftrag James.“ erinnerte sie ihn nur, und schob ihren Oberkörper noch ein Stück dichter an ihn heran. „Schon, aber was wenn…“ – „Das Messer. Nur das Messer.“

Leider hatte sie im Moment Recht, aber aufgeschoben war sicher nicht vergessen, nahm er sich fest vor, als er mit den Zähnen den Reißverschluss ihres Suit etwas weiter öffnete und einen wohligen Laut nicht unterdrücken konnte, als er mit der Zunge nach der kleinen Klinge angelte, die sich zwischen ihrem Busen und dem Steg des BHs befand. Schließlich schaffte er es, die schmale Klinge, etwa drei Zentimeter lang und einen breit mit den Zähnen zu fassen und zog sie vorsichtig hinaus.

Die Russin stand dann auf und drehte ihm den Rücken zu, damit sie gemeinsam die oberen Seile durchtrennen konnten.

„Das grenzt echt schon an Folter.“ moserte der WinterSolder nur zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, als die Agentin sich dann noch etwas vorüberbeugte, und die Arme hoch streckte, damit er leichter an die Seile an den Handgelenken kommen konnte.

Als diese dann zu Boden fielen, richtete sie sich auf und ließ ihre angespannten Schultern etwas kreisen. „Viel besser.“ strahlte sie nur und nahm ihm das Messerchen ab und schob es zurück in ihren Ausschnitt, ehe sie den Reißverschluss hochzog.
 

James beobachtete wie sie ein paar Schritte ging, die Schusswaffen einsteckte und die Wachmänner mit den größeren Seilabschnitten zusammenband. „So, im Grunde reicht es schon, wenn du das Ding hier entfernst Nat, den Rest schaffe ich dann alleine.“ Im sicheren Wissen, dass sie nun ihm helfen würde sich zu befreien, deutete er mit dem Kopf auf seinen linken Metallarm, der nutzlos hinab hing.

„Gut zu wissen.“ meinte sie nur gelassen und schlenderte dann in Richtung Tür. „Natalia?“ meinte er nur nachdrücklicher als sie allen ernstes durch die Tür ging. „Das ist jetzt echt nicht witzig, Nat!“ rief er dann nur mit unterdrückter Wut und zerrte erneut an seinen Fesseln, jedoch nach wie vor erfolglos, während die Russin aus seinem Blickfeld verschwand.
 

Festgesetzt blieb ihm dann nur zuwarten, und er hasste es abgrundtief untätig warten zu müssen! Besonders als er nach und nach vereinzelte Schüsse hörte und hier und da Leute durch den Gang rannten.

Und was tat er? Rumhocken und frustriert mit den Fingern gegen die Armlehne trommeln. Was für ein beschissener Tag war das doch!

Eine gefühlte Ewigkeit später tauchte Natasha wieder auf. Etwas Russ auf der Wange lehnte sie entspannt gegen den Türrahmen. „Hallo Süßer, hast du mich vermisst?“

„Ich bin stinksauer, dass ist dir hoffentlich klar!“ stellte er nur beleidigt fest.

Gemächlich schlenderte sie näher, und ließ sich wieder auf seinem Schoß nieder, fuhr mit den Fingern durch seine langen Haare, ehe sie ihre Arme locker auf seinen Schultern liegen ließ.

„Wie auch immer, ich bin hier um über deine Freilassung zu verhandeln.“

„Verhandeln?“ echote der braunhaarige Mann nur.

„Ja, du weißt schon: Ich sage was ich will, und sobald du zustimmst, mach ich dich los.“ bot Natasha dann großzügig an und malte mit ihren Fingerspitzen kleine Kreise auf seinen Nacken.

„Wir sind hier in einer feindlichen Einrichtung, das ist kaum der richtige Ort um über irgendetwas mit mir verhandeln zu wollen.“ entgegnete er nur wenig angetan von ihrer Idee.

Die Russin schien kurz zu überlegen, ehe sie nachdenklich den Kopf schüttelte. „Nein, es ist sogar der perfekte Ort dafür.“

Missmutig starrte James ihr nur in das schöne Gesicht, ehe er hörbar ausatmete. „Was willst du?“

„Kommendes Wochenende wird daheim das Ballett „Der Nussknacker“ live aufgeführt. Ich will, dass du da begeistert mit mir hingehst. Betonung liegt auf Begeistert. Kein rummaulen, keine scharfen Waffen und keinen mp3-Player dieses Mal!“ forderte sie dann.

„Wir waren diesen Monat schon in so ’nem Ballett Nat. Außerdem habe ich den ‚Nussknacker’ bereits live in Aktion gesehen.“ schickte er nur mit einem Kopfnicken in Richtung des Wachmannes hinterher, dessen Nüssen hatten daran glauben müssen.

Die Rothaarige blickte nur ebenfalls zu dem Wachmann und grinste. „Ja, und so ähnlich wird es auch dir gehen, wenn du es noch mal wagst während einer Vorstellung einzuschlafen.“

Gut, dass war natürlich eine Drohung, die ein Mann ernst nahm. “Stolzer Preis dafür, dass du nur einen kleinen Störsender entfernst.“ stellte er dann grüblerisch fest.

„Findest du? Nun, vielleicht bin ich ja bereit noch etwas nachzubessern. Du hattest nämlich Recht James, dass hier ist äußerst… interessant.“ Mit diesen Worten zog sie langsam ihren Reißverschluss bis zur Taille auf und erlaubte ihm so einen unverhohlenen Blick auf ihr ihren Busen. „Die schweren Geschütze also.“ konstatierte er nur. „Wir könnten hier aber jederzeit von weiteren Sicherheitskräften überrascht werden, Solnischko.“

„Wir“, säuselte sie dann nur verführerisch in sein Ohr, „könnten uns auch einfach beeilen. Also, haben wir einen Deal?“

Ohne ihn aus den Augen zu lassen, zog sie den Ledersuit erst von ihrer rechten Schulter, dann von der linken. Noch war sie faktisch angezogen, aber man brauchte keine Fantasie um zu schlussfolgern wie das hier weiter gehen würde. „Wir haben so was von einem Deal!“ stimmte er dann nur umgehend zu.

Ihre Hände fuhren wieder in seine Haare und zogen seinen Kopf daran nach hinten, während sie sich dicht an ihn schmiegte. „Ich leibe wes Geschäfte mit dir zu machen.“ hauchte sie noch, ehe sie ihn leidenschaftlich küsste.
 

Es gab Tage und Missionen, die wie am Schnürchen liefen. Minutiös geplant und abgestimmt, ging man ungesehen rein und kam ungesehen wieder raus. Ohne Zeugen, ohne einen abgefeuerten Schuss – einfach perfekt von Anfang bis Ende.

Tja, und dann gab es Missionen wie diese hier, bei denen irgendwie überhaupt nichts wie geplant geklappt hatte. Es waren gerade diese Missionen, an die sich James stets mit einem warmen Gefühl erinnern würde.
 

*) Solnischko = russ. für „Kleine Sonne“


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, dass war mein Versuch einen kleinen Thriller zu schreiben.
Hat es Euch ein wenig gefallen?
Das Genre ist neu für mich gewesen, von daher bin ich - wie immer - über hilfreiche Kritik mehr als dankbar.
Danke fürs Lesen.

Weiter geht es mit einer Episode aus der Kindheit von Bucky und Steve... Komplett anzeigen

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