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Fallen Angel

Angels Project II
von

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Blutiges Erwachen

Als der Blick des blonden Mädchens über die Stadt schweifte, seufzte sie schwer. Von der Anhöhe, auf der sie standen, konnten sie und ihr kleiner, ungewöhnlicher Begleiter das gesamte Tal überblicken. Jedoch war es nicht der Anblick der Stadt, der sie seufzen lies. Es war die Ungewissheit, die in ihr schlummerte. Der graue Schleier des Vergessens, der all ihre Erinnerungen umhüllte und diese vor ihr verbarg. Und dieses nagende Gefühl, das sie weiterhin voran trieb, seit sie erwacht war.

 

'Seit sie erwacht war' bedeutete die Zeitspanne von wenigen Tagen. Denn nur 12 Tage zuvor hatte sie noch in einem Leichenhaufen aus Wolfskadavern gelegen, eingehüllt in ein OP-Hemd, wie es Patienten direkt vor einer Operation angezogen bekamen.

Das Hemd war mit Blut vollgesogen und ihr ganzer Körper blutverschmiert. Als ihr Kopf begriff, was ihre Augen sahen, sprang sie hastig auf und rannte einfach nur los, wobei sie beinahe auf den Kadavern ausgerutscht und den Leichenhaufen hinuntergestürzt wäre.

Ihr Weg führte sie auf den gegenüberliegenden Rand der Grube, in der sie sich befand, zu und dann schnurstracks in Richtung Zaun, den sie mit Leichtigkeit überwand. Denn, kaum dass sie abgesprungen war, hatte sie auch schon die obere Kante des 2,50 Meter hohen Zauns erfasst und sich darüber gezogen. Doch, auch wenn sie sich selbst darüber wunderte, was für ein Kinderspiel das gewesen war, lies sie sich selbst keine Zeit zum Nachdenken. Nachdenken konnte sie noch später. Jetzt wollte sie nur eines: Und zwar ganz schnell von hier weg.

Die Blonde rannte so lange, bis sie mehrere Kilometer zurückgelegt hatte und inmitten eines kleinen Wäldchens stehen blieb. Vor ihr lag ein kleiner See mit einer spiegelglatten Oberfläche, die den abendroten Himmel reflektierte. Jedoch lies sie den Anblick nicht auf sich wirken, denn noch immer zitterte sie am ganzen Körper. Vorsichtig blickte sie sich um, ehe sie langsam in das Wasser hinein watete, um das OP-Hemd auszuziehen und sich das Blut vom Körper zu waschen.

Erst, als ihr Körper wieder sauber war, stieg sie aus dem See und warf das nasse, blutrote Hemd achtlos auf den Boden.

Es störte sie kein Bisschen splitterfasernackt in einem Wald zu stehen. Und sie wusste, dass es nicht daran lag, dass gerade die Sonne hinter den Bergen verschwand. Etwas, was sie erneut einschüchterte. So sollte das Ganze nicht sein, auch das wusste sie. In einem Winkel in ihrem Kopf sprach etwas von menschlichem Schamgefühl.

Zitternd schlang die junge Frau die Arme um ihren Körper und ging in die Hocke. Es war keine Kälte, die sie zittern lies. Es waren Angst und Verwirrung.

„Verflucht noch mal!! Was ist hier nur los?! Wer... Wer oder was, zur Hölle, bin ich...?“ Auch wenn die Blonde sich an nichts konkretes erinnern konnte, so wusste sie doch, dass ein 'normaler Mensch' keine so hypersensiblen Sinne haben sollte, wie sie welche besaß. Ebenso wusste sie, dass jemand mit ihrer Statur normalerweise keinen 2,50 Meter hohen Zaun einfach so, aus dem Handgelenk heraus, überwinden und danach auch noch solch eine Strecke im Sprint zurücklegen konnte, ohne auch nur ein Bisschen aus der Puste zu sein.

Verzweifelt krallte sie die Finger ihrer einen Hand in ihr langes, blondes Haar.

Was... ist nur passiert...?“ Doch die einzige Antwort, die sie bekam, war das Rascheln eines Busches in ihrer Nähe.

Augenblicklich war das Mädchen in Hab-Acht-Stellung und starrte angespannt zu dem Gebüsch hinüber. Nur wenige Sekunden später brach ein graues, hundeartiges Wesen mit einem langen Pony auf der Stirn, Ohrringen an den übergroßen Ohren und zwei puscheligen Schwänzen durch das Dickicht und blieb abrupt vor ihr stehen. Einen Moment lang starrten sie sich einfach nur an, bis das Mädchen eine Hand auf den Boden stützte, um sich nach vorn zu beugen und die andere nach dem Wesen auszustrecken.

Nagi...“, flüsterte sie, beinahe zärtlich, den Namen des Tieres, als hätte der Wind ihn ihr zugeflüstert. Und mit einem Mal änderte sich der verunsicherte Blick des grauen Tiers zu Erleichterung, ehe er dem Mädchen kurzerhand in die Arme sprang.

„Kira!!“

 

Und seit Nagi wieder bei ihr war, gab es immer wieder Momente, in denen sie sich an einen kleinen Fetzen ihrer gemeinsamen Vergangenheit erinnern konnte. Es waren bis jetzt zwar nur Belanglosigkeiten, doch reichte ihr dies für den Anfang.

Und nun standen sie beide auf dieser Anhöhe, während Kira – mittlerweile in T-Shirt und zerrissene Jeans gekleidet – die Stadt noch immer grübelnd musterte. Das Gefühl in ihrem Innern sagte ihr, dass sie in diese Stadt gehen sollte, doch hatte sie kein Vertrauen in die Menschen. Sie war zwar selbst einer, doch irgendwie auch nicht. Wenn sie das Ganze doch nur endlich benennen könnte.

Erneut seufzte die Blonde schwer, während Nagi sich auf die Hinterbeine stellte und sich mit den Vorderpfoten an ihrem Bein abstützte.

„Geh'. Nachdenken bringt nichts. Geh' und finde mehr raus.“ Mit einem leichten Lächeln betrachtete das Mädchen ihren Begleiter, der ebenso Eingebungen hatte, wie sie selbst. Jedoch wusste sie, dank Nagi, dass bei ihnen beiden ein Unterschied bestand:

Sie selbst hatte all ihre Erinnerungen verloren, da Schmerzen und Qualen sie dazu getrieben hatten alles zu verdrängen, was bisher in ihrem Leben geschehen war.

Nagi aber hatte zeitgleich mit ihr, nach und nach, vergessen, was in ihrem gemeinsamen Leben geschehen war. So, als ob ihre beiden Gehirne irgendwie miteinander verbunden gewesen waren. Dennoch besaß er alle Erinnerungen, die vor ihrem ersten Zusammentreffen entstanden waren. Sie waren verschlossen, doch wenn Kira sich an irgendetwas erinnerte, flackerte diese Erinnerung auch in seinem eigenen Gedächtnis auf. Als wäre er dazu da, ihre Erinnerungen zu bestätigen, wenn sie sie hinterfragte.

 

Vollkommen entspannt schaute die Blonde nun in Nagis große, eisblaue Augen, ehe sie ihm sanft über den Kopf streichelte. Dann erst wandte sie sich – nun mit mehr Mut – erneut der Stadt zu.

„Na, dann lass' uns mal unsere Erinnerungen aufspüren, Nagi.“

Die Stadt

Kiras Weg führte sie direkt in die Innenstadt. Es war noch früh und die Läden hatten noch nicht lange geöffnet, dennoch liefen bereits viele Menschen umher. Doch keiner würdigte sie oder Nagi eines – wenn überhaupt – zweiten Blickes. Was bei Nagi daran lag, dass ihm eine eigenartige Magie inne wohnte. Die selbe Magie, die ihn sein Aussehen von einem normalen Wolfsjungen in das verändern lies, was er war: In ein Wesen mit zwei Schwänzen, übergroßen Ohren, an denen Ohrringe hingen und einem langen Pony auf dem Schädel. Jene Magie führte auch dazu, dass normale Menschen ihn als kleinen, grauen Hund sahen. Es sei denn, jemand beobachtete ihn zu lange, zu intensiv, da er einen Verdacht hatte. Dann konnte diese Person seine Magie durchschauen und sein wahres Aussehen erkennen. Für gewöhnlich passierte dies jedoch nicht.

 

Also machte sich Kira keine Gedanken darum, als sie die Gassen entlang wanderte und in die Schaufenster blickte. Nagi hatte ihr zwar ein T-Shirt und eine zerrissene Jeans zum Anziehen besorgt – und sie wollte gar nicht erst wissen, wie –, doch hätte sie gerne etwas anderes. Etwas ausgefalleneres. Und da fiel ihr Blick auch schon auf eine bunte Kufiya.

„So einen will ich...“, murmelte sie leise, ehe sie in die Tasche ihrer Hose griff und etwas Geld hervor holte. Denn, als Nagi ihr die Hose gebracht hatte, waren noch ein paar Euro in der Hosentasche gewesen. Und diese nahm sie jetzt, um sich den Schal – voller Vorfreude – zu kaufen.

Als sie wieder aus dem Laden kam, hatte Kira sich den Schal bereits um den Hals gewickelt und ihre Finger strichen gedankenverloren über den Stoff.

„Ich... Ich hatte viele davon... Richtig...?“ Als Kira ihre verschiedenfarbigen Augen auf Nagi richtete, sah sie, wie dessen Augen kurz den Glanz verloren, ehe er ein spöttisches „Ja, eine Menge“ von sich gab.

Zufrieden grinsend schlenderten die beiden weiter, bis Kiras Blick erneut an einem Fenster hängen blieb. Fragend legte sie den Kopf schief, ehe ihre Finger durch ihr Haar glitten.

„Mhm... Was meinst du, Nagi: Soll ich mir die Haare schneiden lassen oder nicht? Immerhin hab' ich sie immer auf der selben Länge gehalten und selbst diese Länge haben sie mittlerweile nicht mehr...“ Es waren nur Kleinigkeiten, die zurückkamen, doch freute sich ihr kleiner Begleiter sichtlich darüber, während er um sie herum sprang. Etwas, was die Blonde als stummes „Ja“ ansah und den Friseursalon betrat.

 

Es dauerte, dank der frühen Morgenstunde, nicht lange, da war Kira auch schon fertig und am Bezahlen. Immerhin hatte sie ihre Haare lediglich trocken schneiden lassen. Auf den ganzen Schnickschnack drumherum hatte sie keine Lust. Doch gerade, als sie den Schein an die Friseurin reichte, huschte ihr Blick hastig zur Fensterfront. Verwirrt schaute die Friseurin sie an.

„Ehm... Ihr Wechselgeld...“

Passt schon...“, brummte die Blonde jedoch nur, ehe sie den Laden schnellen Schrittes verließ.

Irgendetwas hatte sich eben in ihrem Inneren schmerzlich zusammengezogen. Und da sie Nagi nirgends entdecken konnte, musste dies der Grund dafür sein, weshalb sie gerade am liebsten in Panik verfallen würde.

Er hat hier gewartet... Genau hier...“, murmelte die Blonde leise, während ihr Blick hin und her glitt. Überall liefen Menschen umher. Niemand beachtete sie. Niemand beeilte sich mehr als nötig. Genau so, wie sich alle bereits bei ihrer Ankunft in der Stadt verhalten hatten. Doch nirgends war auch nur ein Härchen von Nagi zu sehen.

Verdammt... Verdammt, verdammt, verdammt!“ Ein weiteres Mal schaute sich das Mädchen gehetzt um.

Nichts.

Allmählich bekam Kira doch Panik. Was, wenn jemand ihn entführt hatte? Doch, warum? Nagi war besonders, ja. Aber das konnte niemand sehen. Oder aber... Hatte vielleicht jemand Verdacht geschöpft und es herausgefunden?

Kiras Kehle entrang sich ein verzweifeltes Knurren, ehe ein plötzlicher Kopfschmerz sie an die nächste Hauswand wanken lies.

 

Vor ihren inneren Augen sah sie ein Labor. Sie fing den Geruch von kaltem Stahl und Desinfektionsmitteln auf. Dann war es so, als ob sie einen langen Flur in diesem Labor entlang ging. Als sie einen Raum betrat, wurde ihr Blick von einem Winseln zu einigen Käfigen gelockt. In diesen Käfigen lagen Welpen. Wolfswelpen. Alle hingen an irgendwelchen Geräten und Schläuchen die sie mit irgendwelchen Flüssigkeiten versorgten. Manche waren sogar fixiert, damit sie sich nicht von den Kabeln und Schläuchen befreien konnten.

Schlagartig wechselte das Bild und sie sah einen toten Welpen. Unglaublich lange schien sie ihn anzustarren, ehe das Bild verschwamm und sie den Leichenhaufen vor sich sah, in dem sie erwacht war.

 

Als sie sich wieder fing, blinzelte Kira heftig. Es waren nur wenige Augenblicke verstrichen, in denen diese Bilder und Eindrücke in ihren Erinnerungen auf sie eingeprasselt waren, was sie an den umher stehenden und laufenden Leuten erkannte. Außerdem stand sie noch auf beiden Beinen und war nicht aus den Latschen gekippt.

'Sie werden an ihm herum experimentieren... Sie werden ihn zugrunde richten...'

Langsam wich der Schock über diese Erinnerung unsäglicher Wut und das Mädchen entschied sich instinktiv für eine Richtung, die ihr Gefühl ihr riet.

Dann rannte sie los.

Der Fremde

Während Kira rannte, schaute sie in jede noch so kleine Gasse, um den Entführer und Nagi ja nicht zu übersehen.

Konnte sie den Entführer überhaupt finden? War sie in die richtige Richtung gelaufen oder entfernte sie sich nur immer weiter von ihm? Hatte sie überhaupt eine reelle Chance, Nagi zu befreien? Oder war bereits alles zu spät, da ihre Angst sie zu lange gelähmt hatte?

Erneut kroch Panik in ihr hoch, da diese negativen Fragen in ihrem Kopf kein Ende fanden. Jedoch rang sie die Angst nieder und blieb abrupt stehen.

 

Die Umgebung hatte sich verändert. Sie war aus der Innenstadt raus und nun in einem heruntergekommenen Hafengebiet, das keinesfalls zum Wohnen genutzt wurde. Denn, um sie herum standen zahlreiche rostige Container und teilweise eingefallene Lagerhäuser. Alles schien so, als hätte man diesen Teil der Stadt überstürzt verlassen und dann einfach vergessen, dass es ihn noch gab.

Kritisch huschte Kiras Blick umher, während sie in der Luft schnupperte.

 

War da nicht etwas...?

Ein Geruch, den sie in der Stadt als unwichtig deklariert hatte...

Was war das für ein Geruch...?

 

Mit wachsamem Blick folgte die Blonde dem Geruch zu einem alten Auto. Als sie die Hand zum testen auf die Motorhaube des rostigen Kombis legte, fühlte sie, dass diese noch warm war. Im selben Moment entdeckte sie ein schwarzes Rinnsal zu ihren Füßen und ging in die Hocke, um die Finger hinein zu tunken und daran zu schnuppern. Einen Moment lang hielt sie mit misstrauischem Blick inne, dann roch sie noch einmal an ihren Fingern und anschließend an dem verdreckten Auto selbst.

Das war es gewesen!

Dieser beißende Geruch des verdreckten Autos zusammen mit dem Geruch des ranzigen Öls hatte sie hier her geführt. Auch wenn sie diese Gerüche beim Verlassen des Friseursalons als zur Stadt gehörig abgetan hatte, so hatte sie unterbewusst doch gewusst, dass sie ihnen folgen musste.

Erneut entrang sich ihrer Kehle ein Knurren. Jedoch stockte es sofort wieder, als sie ein metallenes Rasseln hörte. Auf der Stelle machte Kira sich noch kleiner und lauschte dem Geschehen.

Eine metallene Kette die rasselnd um etwas herum gelegt wurde und mit einem klickenden Vorhängeschloss fixiert wurde, ein paar Schritte die gedämpft näher kamen, eine schwere Tür, die in ihren Scharnieren quietschte, während sie geöffnet und anschließend wieder geschlossen wurde, dann das Klimpern von Schlüsseln, ehe der richtige Schüssel gefunden und die Tür verschlossen wurde. Als sie dann hörte, dass die Person sich eine Zigarette mit einem mechanischen Feuerzeug anzündete, löste sie sich aus ihrer starren Haltung und schlich sich geduckt um den Kombi herum, bis sie um die hintere Ecke spähen konnte.

Dort stand ein junger Mann, Mitte 20, mit braunen, mittellangen Haaren. Er lehnte an der Containertür und tippte auf einem Handy herum, während er an seiner Zigarette zog. Skeptisch verzog die Blonde das Gesicht. Etwas in ihr sagte ihr, dass sie die richtige Person vor sich hatte. So unschuldig dieser Kerl auch aussah, das war Nagis Entführer.

Also stand sie kurzerhand auf und ging zielstrebig auf ihn zu.

 

Erst, als Kira bereits die Hälfte der Distanz zwischen sich und dem Mann hinter sich gebracht hatte, bemerkte er sie und zuckte so heftig zusammen, dass ihm die Zigarette aus der Hand fiel. Mit geweiteten Augen starrte er die Blonde an, ehe er sich wieder fing und sein Handy in die Hosentasche gleiten lies.

„Das hier ist ein Privatgelände. Du hast hier gar nichts zu suchen. Verschwinde lieber, oder ich rufe die Polizei.“ Mit schief gelegtem Kopf blieb das Mädchen stehen und musterte ihren Gegenüber erneut. Er schien sie nicht mit Nagi in Verbindung zu bringen, sonst würde er nicht so gelassen bleiben. Er schien sie nicht einmal als Gefahr an zu sehen.

Großer Fehler...

Kiras Augen verengten sich, während sie die Zähne zeigte.

„Tja, juckt mich reichlich wenig. Ich bin hier, weil du etwas hast, was mir gehört.“ Nun schien der Kerl doch endlich nachzudenken, denn seine Gelassenheit bröckelte ein wenig. Jedoch überspielte er diese Blöße mit einem unschuldigen Grinsen.

„Was sollte ich denn von dir haben? Ich hab dich noch nie zuvor gesehen.“

„Gut möglich, wenn man den Blick auf etwas anderes gerichtet hat, dass man mich übersieht. Aber ich bin nicht blöd, also lässt du es besser sein, mich verarschen zu wollen. Gib' ihn einfach wieder her und ich verschwinde wieder so schnell, wie ich gekommen bin.“ Auch wenn sie es vorerst auf die nette Art versuchte, so sah man ihrem eiskalten Blick doch an, dass sie nicht zögern würde, ihm etwas anzutun, wenn er nicht kooperieren sollte. Trotzdem spielte der Mann weiter den Dummen.

„Was? Wen soll ich wieder her geben? Du bist doch völlig verrückt. Ich ruf jetzt die Polizei“, bei diesen Worten griff er in seine Hosentasche, um sein Handy erneut hervor zu holen. Doch war Kira schneller. Noch bevor er das Mobiltelefon entsperrt hatte, hatte die Blonde ihre Hand an seiner Kehle und ihn gegen die Containertür gepresst. Knurrend starrte sie ihm in die weit aufgerissenen grauen Augen.

„Du sperrst diese Tür besser selbst auf, bevor ich dir die Kehle raus reiße...“ hauchte sie ihm knurrend entgegen, während er verzweifelt nach Luft rang und versuchte, sich aus ihrem Griff zu befreien. Das Handy war achtlos zu Boden gefallen.

„Los!“ Noch bevor er sich erneut herausreden konnte, schüttelte Kira den Braunhaarigen heftig.

„O... Okay...“ Die gekeuchte Antwort rettete ihn davor, noch ein Mal durchgerüttelt zu werden und so lies die Blonde, immer noch knurrend, von ihm ab. Nach Luft schnappend hielt der Mann sich erst einen Moment lang den Hals, ehe er nach seinem Schlüsselbund griff und die Tür aufschloss. Kaum hatte er dies getan, wirbelte er zu Kira herum. Und da durchzuckte sie auch schon ein heftiger Stromschlag und sie ging zu Boden. Verschwommen nahm sie noch wahr, dass der Braunhaarige sich über sie beugte und ihr ins Gesicht grinste.

„Tja, ich weiß zwar noch nicht, was du bist, aber anscheinend bist du weitaus mehr als nur ein Mensch, Blondie. Wie nett von dir, dich selbst auszuliefern.“

Und dann wurde alles schwarz um sie herum.

Der Käfig

Als Kira wieder erwachte, schmerzten ihre Muskeln, ihre Haut kribbelte unangenehm und durch die Schmerzen in ihrer Brust hatte sie das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Ihr rasendes Herz trieb ihr den Schweiß auf die Stirn, als sie sich wimmernd auf den Rücken rollte und zitternd die Finger in Brusthöhe in ihr Shirt krallte.

Was war passiert? Und wo war sie? Warum war es so dunkel um sie herum? So kalt?

Erst, als die Blonde allmählich wieder etwas besser Luft bekam und die Schmerzen soweit nachließen, setzte sie sich zitternd auf und schaute sich um, erkannte jedoch nur die Gitterstäbe, die sich rings um sie herum schlossen. Sie steckte in einem Käfig, in welchem sie sich gerade mal aufsetzen konnte. Am liebsten hätte sie erneut gewimmert, da jede Bewegung höllische Schmerzen auslöste, doch biss sie die Zähne zusammen und versuchte sich weiter zu orientieren. Zu orientieren und zu erinnern.

Doch, erst nach einem schier endlosen Moment traf sie die Erinnerung wie ein Schlag: Sie hatte den Entführer von Nagi gefunden. Und dieser harmlos aussehende Kerl hatte sie mit Elektrizität niedergestreckt. Sie war ihm in die Falle gegangen ohne es zu ahnen. Und nun musste sie sich wohl in diesem Container befinden.

Ein verzweifeltes Knurren entrang sich ihrer Kehle. Wie hatte sie sich nur so täuschen lassen können?

 

Doch riss sie da ein leises Geräusch aus ihren Gedanken. Ein schwaches Winseln.

Hastig ruckte ihr Kopf in Richtung des Winselns und sie versuchte etwas in dieser Finsternis zu erkennen. Und es dauerte nur einen Moment, da machte sie auch schon die Umrisse eines kleinen Käfigs aus. Darinnen lag etwas, zusammengerollt. Es schien zu zittern. Sein Atem ging flach und sie hatte das quälende Gefühl, dass jeder Atemzug der letzte gewesen wäre, da der nächste unendlich lange auf sich warten lies.

Nagi...“, wisperte sie den Namen und war sich sicher, dass sie richtig lag. Das Tier in diesem Käfig, kaum mehr als eine Armlänge von ihr entfernt, musste ihr kleiner Begleiter sein. Nur einen Augenblick lang starrte sie noch auf den Körper, dann riss sie sich zusammen und musterte ihre Gitterstäbe. Es gab keine Schwachstellen, die sie erkennen konnte. Nur Spuren, dass unzählige Tiere bereits verzweifelt versucht hatten, aus diesem Käfig zu entkommen.

Ihr Blick blieb an dem Schloss hängen. Ein solch massives Vorhängeschloss hatte sie noch nie zuvor gesehen. Wäre es ein einfaches gewesen, hätte sie es mit Sicherheit aufbrechen können. Aber dieses hier...

Vor Verzweiflung fing die Blonde leise an zu winseln, während sie nun doch nach dem Schloss tastete. Unbeholfen zog sie daran, doch bewegte es sich nicht. Also wandte sie sich doch den Gitterstäben zu und rüttelte kraftlos an ihnen. An jedem Stab einzeln. Einer nach dem anderen. Sie musste ruhig bleiben und durfte sich nicht aus der Fassung bringen lassen. Bestimmt war einer locker. Irgendeiner. Nur ein einziger...

Ihr Winseln wurde lauter, als sich an den Stäben nicht das kleinste Bisschen rütteln lies.

Ki... ra...“ Nur ein leises Hauchen und doch vernahm die Angesprochene es sofort und fuhr zu dem kleinen Wesen herum.

„Nagi!“ Für einen Moment trat Stille zwischen den beiden ein, doch drehte das kleine Kerlchen dann den Kopf in ihre Richtung.

„Kira...“, seine Stimme klang weinerlich, als er versuchte, aufzustehen.

„Bleib' liegen! Nagi! Hörst du mir zu? Bleib' liegen, hab' ich gesagt!“ Nachdrücklich knurrte das Mädchen, woraufhin sich der Graue wieder entkräftet zu Boden sinken lies und angestrengt schnaufte.

„Ganz ruhig, mein Kleiner. Bleib' einfach liegen. Ich finde schon einen Weg, wie wir hier raus kommen.“ Mit neu gefasstem Mut richtete die Blonde ihren Blick erneut auf den Käfig, als Nagi sich zu Wort meldete.

„Das... Das Halsband... muss... weg...“ Als ob man sie geschlagen hätte, zuckte Kira zusammen und starrte zu Nagi hinüber. Dann erst tastete sie unsicher nach ihrem eigenen Hals: Nichts.

Verwirrt glitt ihre rechte Hand an ihr linkes Handgelenk. Dort fand sie das gesuchte Band, das dort nicht hingehörte. Mit einem wütenden Knurren zerrte sie daran herum, bis es sich schlussendlich mit einem reißenden Geräusch und dem Gefühl, als hätte man ihr hunderte Widerhaken aus der Haut gezogen, von ihrem Handgelenk löste. Ein schmerzvolles Keuchen entrang sich ihrer Kehle, als ihr erneut kurz schwarz vor Augen wurde. Jedoch stürzte sie nicht, da sie sich an den Gitterstäben festhielt.

„Kira...!“

„Bleib'... liegen...!“ Langsam rutschte das Mädchen an den Stäben nach unten und kauerte sich auf dem Boden zusammen. Mit verschleiertem Blick versuchte sie den anderen Käfig zu fixieren.

In diesem Band mussten Nadeln eingelassen gewesen sein. Ein Mittel, das sie schwächte. Und eines, dass sich erst freisetzte, wenn man es entfernen wollte. Etwas, das sie unweigerlich erneut ausschaltete.

Zittrig holte die Blonde tief Luft.

„Alles... wird gut... Ich hol' dich... hier raus... Ich... Ich muss mich... nur... etwas... ausruhen... Nur... ein... Bisschen...“ Das erneute, gewimmerte „Kira“ nahm sie schon gar nicht mehr wahr, als sie schon wieder das Bewusstsein verlor.

Knifflige Lage

Das Geräusch des Automotors, als der alte Kombi vor dem Container vor fuhr, riss Kira blitzschnell aus dem Schlaf. Dieses Mal kamen die Erinnerungen im Moment des Erwachens wieder und so huschte ihr Blick zuerst zu dem anderen Käfig. Es dauerte einen unglaublich langen Moment, bis sich ihre Augen wieder an die Dunkelheit gewöhnt hatten und sie das schlaffe Fellknäuel erkannte. Einen grauenhaften Augenblick lang dachte sie, er würde nicht mehr atmen, doch dann hob sich langsam sein Brustkorb und auch sie selbst atmete wieder aus.

Was auch immer diese Nadeln in Nagis Blutbahn pumpten, es setzte ihm unheimlich zu.

Doch hatte die Blonde keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, denn in diesem Moment wurde die Tür aufgesperrt. Hastig schnappte das Mädchen sich das Armband und rutschte an die Rückwand des Käfigs. Er durfte nicht auf Anhieb erkennen dass sie das Armband nicht mehr um hatte, also stemmte sie die Arme hinter sich in den Boden, sodass er sie nicht direkt erblicken konnte.

 

Und da betrat er auch schon den Container. Kaum war er drinnen, knipste er den Lichtschalter an und verriegelte die Tür von innen. Während er sich den Käfigen zu wandte, legte er eine Laptoptasche auf einem Schreibtisch ab. Sein Blick ruhte eine Weile prüfend auf Nagi, dann erst musterte er Kira eindringlich.

„Du scheinst den Stromschlag ja problemlos überlebt zu haben. Ich dachte eigentlich, ich hätte den Elektroschocker ein wenig zu hoch eingestellt.“ Triumphierend grinste der Braunhaarige, als er auf den Käfig zu ging und eine Armlänge entfernt von ihr stehen blieb.

„Ich weiß zwar immer noch nicht, wer und was du bist und warum dich bisher noch niemand vermisst, aber das ändert nichts daran, dass ich den Bonus für dich ebenfalls einkassiere.“ Irritiert blinzelte Kira ihm entgegen.

„Was meinst du damit?“ Sein Grinsen wurde breiter und allmählich sah er doch nicht mehr so harmlos aus. Langsam aber sicher sah er verdammt gerissen und gefährlich aus, was Kira erschaudernd feststellte.

„Das wirst du erfahren, wenn sie euch abholen. Du musst nicht mehr lange warten, versprochen.“ Erneut erschauderte die Blonde, während der Mann sich umdrehte und den Laptop aus seiner Tasche hervor holte. Ohne sie weiter zu beobachten klappte er diesen auf dem Schreibtisch auf und setzte sich selbst auf den Stuhl davor.

Verunsichert ging ihr Blick wieder zu Nagi, doch lag dieser noch immer genau so reglos da, wie zuvor. Was sollte sie jetzt tun? Sie konnte schlecht warten, bis diese ominösen Typen auftauchten und sie abholen wollten. Aber, wenn er davon Wind bekommen sollte, dass sie dabei war, sich zu befreien, würde er sie erneut auf die Bretter schicken. Und darauf konnte sie wirklich verzichten.

Wobei...

 

Mit skeptischem Blick holte sie das Armband hervor und betrachtete es im kalten Neonlicht. Die zahllosen, hauchdünnen Nädelchen funkelten im Licht geradezu. An manchen hatte sich an den Spitzen ein farbloser Tropfen gebildet. Vermutlich war dies das Mittel, das ihr die Kraft geraubt hatte und periodisch herausquoll. Immerhin war das Armband dick genug, um einen Vorratsspeicher darin zu verbergen.

Nachdenklich kaute die Blonde auf ihrer Unterlippe herum. Dann hob sie jedoch entschlossen den Blick an und trat mit voller Wucht gegen die Käfigtür. Überrascht zuckte der Mann zusammen und lies seinen Laptop links liegen, als er sich zu ihr umwandte.

„Was soll das werden? Ich denke, du bist lange genug wach, um begriffen zu haben, dass du aus diesem Käfig nicht raus kommst.“ Doch, anstatt ihn zu beachten, trat die Blonde einfach erneut gegen die Gitterstäbe.

„Hey! Lass' das sein!“ Als er aufstand, zog der Braunhaarige einen Stab aus einer Gürteltasche. Ein Stab, der sich wie ein Teleskopstock auseinander ziehen lies. Nur kurz huschte Kiras Blick zu dem Stock, da erkannte sie auch schon, dass er kurz genug war, dass sie ihn erwischen konnte, wenn er an sie heran kommen wollte. Also tat sie so, also ignorierte sie ihn weiter und trat unbeirrt auf das Gitter ein.

Nur noch ein kleines Stück...

Und kaum war der Mann in Reichweite, zog die Blonde die Beine zurück und stürzte nach vorn, um ihm das Armband, mit den Nadeln voran, ins weiche Fleisch seines Unterarms zu drücken.

Erschrocken keuchte der Braunhaarige auf und versuchte zurück zu weichen, doch hielt Kira ihn entschlossen fest. Ebenso hielt sie mit der anderen Hand seinen Stab, an dem wohl wieder ein Elektroschocker angebracht war, von sich fern.

 

Und dann ging alles recht schnell: Der Mann wankte, lies den Stab los und stürzte keuchend zu Boden, als ihn die Kraft verließ. Kira wiederum hielt ihn weiterhin fest, damit sie problemlos an seine Schlüssel heran kam, die er in seiner Hosentasche hatte. Kaum hatte sie diese in der Hand, lies sie ihn los und sperrte das Schloss auf. Und kaum war die Tür offen, sprang sie aus dem Käfig und eilte zu Nagi. Auch dieser Käfig war schnell entriegelt und sie hatte ihren kleinen Freund in den Armen. Er zitterte wie Espenlaub und seine Haut war eiskalt. Auch sein Atem ging noch immer sehr flach. Außerdem reagierte er nicht einmal darauf, dass sie ihn hochnahm. Panik stieg in der Blonden auf, während sie das graue Wesen an sich drückte, um es ein wenig zu wärmen.

Das Armband hatte sie selbst beim Entfernen ziemlich hart getroffen, weshalb sie befürchtete, dass Nagi das Entfernen des Halsbandes womöglich umbringen könnte, wenn sein Zustand so blieb. Verzweifelt schaute sie sich auf dem Schreibtisch und der Werkbank daneben um. Irgendetwas musste es doch geben, um Nagi zu helfen. Da fiel ihr Blick auf den Laptop. Die Benutzeroberfläche leuchtete ihr ermutigend entgegen und so ergriff sie die externe Maus und öffnete den Ordner mit den Dokumenten. Kurz Überflog sie die Ordnernamen und entschied sich für den mit der Aufschrift „Gifte“. Eine Datei mit dem Namen „Halsbänder“ war auch schnell gefunden, doch dauerte das durchsuchen des mehrere hundert Seiten langen Dokumentes länger als erhofft. Sie verstand vieles nicht, anderes wiederum war mit ausführlichen Zeichnungen erklärt. Doch als sie schließlich gelesen hatte, was bei einer versehentlichen Selbstanwendung als Gegenmittel zu verwenden sei, um das Mittel zu neutralisieren, war sie auch schon wieder auf den Beinen.

Während sie Nagi mit der einen Hand festhielt, öffnete sie mit der anderen die Schranktüren unter der Werkbank und entdeckte dort tatsächlich mehrere verschiedene Vorratsgläser voll Flüssigkeiten, die sich in Farbe und Konsistenz alle stark ähnelten. Glücklicherweise waren alle beschriftet und so fand sie auch das Gegenmittel sofort. Behutsam legte sie den Grauen nun auf die Werkbank. Doch als sie mit zitternden Fingern eine frische Spritze auspackte und diese mit der Flüssigkeit aufzog, stockte sie einen Moment lang und blickte auf das Fellbündel hinab.

Oh, Nagi... Es wird alles wieder gut...“, sprach sie sich selbst den Mut zu, den sie brauchte, ehe sie die Spritze in seinen Hinterlauf pikste und die Flüssigkeit dann behutsam leerte. Als sie damit fertig war, zog sie die Nadel heraus und lies sie einfach zu Boden fallen.

Oh, bitte, lass' das Zeug wirken...“ Zitternd legte die Blonde ihre Stirn an die des Grauen und streichelte mit der freien Hand sanft über seinen Rücken.

 

Es verging nicht viel Zeit, bis Nagi plötzlich zuckte. Überrascht hob Kira den Blick an und schaute in die müden, eisblauen Augen ihres Freundes.

Nagi...“, flüsterte sie liebevoll seinen Namen und streichelte seinen Kopf, der noch immer ein wenig benommen wankte.

„Halt' still, ich mach' dir das Halsband ab. Keine Angst, dir kann nichts mehr passieren.“ Beruhigend gab die Blonde Nagi einen Kuss auf die Stirn, ehe sie eine Schere von einer Wandhalterung herunter nahm. Vorsichtig schob sie eine Klinge zwischen Haut und Halsband hindurch, was Nagi ergeben zu lies. Und mit einem Schnipp war das Band durchtrennt. Doch als Kira das Halsband nun von seinem Hals zog, wimmerte der Graue laut vor Schmerzen.

„Tut mir Leid, Nagi... Es tut weh, aber das Zeug kann dir nichts mehr anhaben...“ Als es endlich vorbei war, lies sie das Band einfach zu Boden fallen, während sie eine Bandage aus dem Werkzeugschrank holte. Sachte legte sie ihm diese um und nahm das kleine Wesen danach behutsam auf den Arm, wo er sich auch sofort zitternd an sie drängte. Sanft gab sie ihm erneut einen Kuss auf die Stirn und wandte sich endlich der Tür zu.

Ohne weiteres war der Riegel aufgesprungen und sie beide endlich wieder in Freiheit. Doch wollte Kira die zurückgewonnene Freiheit noch nicht genießen, da sie das Herannahen eines Fahrzeuges hörte. Also huschte sie um den Container herum und verschwand im Dunkeln der Nacht. Gerade rechtzeitig, sodass die eintreffenden Personen nichts von ihr zu Gesicht bekommen konnten.

Ohne Worte

Als Kira erwachte, schlief Nagi noch immer in ihren Armen zusammengerollt. Der Wald um sie herum war ruhig, nur vereinzelt fingen bereits ein paar Vögel zu zwitschern an. Als sie die Augen von dem grauen Fellbündel nahm und in den Himmel schaute, den sie zwischen den Baumkronen hindurch entdecken konnte, erkannte sie, dass die Sonne bald aufgehen würde. Langsam verfärbte sich das dunkle Nachtblau über lila Töne zu Rosa. Bald würde der Himmel in Orange und Gold getaucht werden und auch der Wald erwachen.

Seufzend senkte sie wieder den Blick und schaute nun in zwei eisblaue Augen. Ein sanftes Lächeln legte sich auf Kiras Lippen.

Guten Morgen, Nagi“, wisperte sie leise, was seine Ohren zucken lies. Jedoch entgegnete er ihren Gruß nicht. Stattdessen bewegte sich seine Nase leicht, während er die Gerüche um sich herum zuordnete. Erst dann, als er sich wirklich sicher zu fühlen schien, kuschelte er sich tiefer in ihre Arme. Automatisch festigte die Blonde ihren Griff.

„Wie geht es dir?“ Als Antwort bekam sie jedoch nur ein Nicken. Besorgt musterte sie das kleine Fellknäuel und blickte ihm tief in die Augen.

„Es ist lange her, dass du nicht mehr mit mir geredet hast. Hat er dir solche Angst gemacht?“ Augenblicklich wich der Kleine ihrem Blick aus, was sie in ihrer Annahme bestätigte. Tröstend schmiegte Kira ihre Wange an Nagis Kopf.

„Ich lass' nicht zu, dass so was noch einmal passiert, Nagi.“ Auch wenn sie sich sicher war, dass sie dieses Versprechen nicht zu hundert Prozent geben konnte, wollte sie es doch versuchen.

Nagi hätte sonst-etwas passieren können und das nur, weil sie nicht aufgepasst hatte.

Wer wusste schon, was beim nächsten Mal passieren würde. Würde sie ihn rechtzeitig finden? Oder würde sie zu spät kommen? Und, selbst wenn sie rechtzeitig kam, wie konnte sie nur davon ausgehen, dass sie beim nächsten Mal wieder so viel Glück haben würde? Dieser Kerl würde jetzt darauf gefasst sein. Er würde sich einen besseren Plan fürs nächste Mal überlegen. Etwas effektiveres.

 

Nagis Pfote schlug ihr zwar sanft aber so unerwartet ins Gesicht, dass Kira heftig zusammen zuckte und aus ihren Gedanken gerissen wurde. Nur, um von einem Augenpaar angestarrt zu werden, das sie ihrer Gedanken wegen strafen wollte. Diesen Blick zu deuten war etwas, dass sie schon automatisch konnte. So, als hätte sie dies ihr Leben lang getan.

„Entschuldige. Ich denk' schon nicht mehr dran“, auf ihre Lippen legte sich ein ergebenes Lächeln, ehe sie Nagi einen Kuss auf die Nase hauchte.

„Was hältst du von essen?“ Neugierig legte der Kleine den Kopf schief.

„Du weißt, ich kann nicht jagen“, die Blonde betrachtete eine ihrer Hände, so als wäre diese nicht zu ihrem Körper gehörig. „Aber ich will dich nicht wieder der Gefahr aussetzen, dass dich jemand in die Finger bekommt.“ Augenblicklich senkte Nagi die Schnauze ein wenig und legte die Ohren an. „Ich weiß also nicht, wie ich das am besten anstellen soll. Soll ich in die Stadt und dich hier alleine lassen? Oder soll ich dich mitnehmen und dann dort vor dem Laden lassen? Mir gefällt beides nicht.“ Nagis leises Schnauben schloss sich ihrer Aussage an.

„Also, mein Kleiner? Ich weiß, dass das jetzt recht ungünstig für dich ist, aber du musst das entscheiden“, während sie sprach, lies Kira den Grauen los und setzte sich auf. Erschrocken blickte dieser sie jedoch an und machte sich auf der Stelle klein.

„Nagi, es hilft dir nichts, dich zu verstecken. Du musst das jetzt entscheiden. Ich lass' dir gerne noch Zeit, bis wir am Waldrand sind. Aber, dann will ich eine Entscheidung hören.“ Zitternd blickte er zu ihr auf, als die Blonde aufstand und sich streckte. Dann bückte sie sich jedoch noch einmal und nahm das Häufchen Elend auf den Arm, wo er sich direkt in ihre Halsbeuge schmiegte.

 

Kira war in der letzten Nacht weit in den Wald hinein gelaufen, um ungewollten Besuch zu entgehen, weshalb es eine gute Weile dauerte, bis sie endlich auf den Waldrand stieß. Mittlerweile müssten die üblichen Supermärkte bereits geöffnet haben, da war sie sich sicher.

„So, mein Kleiner“ das Mädchen ging in die Hocke und setzte Nagi vor sich ab. „Wie hast du dich entschieden? Mitkommen oder hier bleiben?“ Ängstlich blickten die eisblauen Augen sie an, während er noch immer versuchte, sie zu einer Entscheidung zu bewegen. Jedoch zog die Blonde in diesem Moment misstrauisch die Augenbrauen zusammen und schaute zu einem Busch in ihrer Nähe. Als es dann im Dickicht raschelte, da etwas vor ihrem Blick floh, wollte Nagi sich panisch in ihre Arme flüchten. Doch war Kira zeitgleich mit ihm aufgesprungen.

Etwas stimmte hier nicht...

Knurrend lies sie den Blick wandern, doch war das, was sie eben noch beobachtet hatte, bereits außer Reichweite. Dennoch schnupperte sie aufmerksam in der Luft, um die Witterung auf zu nehmen.

Der Geruch war wild und wölfisch und doch irgendwie anders. Nicht ganz so anders wie ihr eigener, aber doch anders als es für einen gewöhnlichen Wolfsgeruch sein sollte. Irritiert legte die Blonde den Kopf schief und suchte noch einmal mit Blicken ihre Umgebung ab. Dann schnaubte sie missbilligend und nahm ihren kleinen Begleiter wieder auf den Arm.

„Du kommst mit mir“, beschloss sie kurzerhand und stapfte dann los, in Richtung Stadt.

 

An diesem Tag betrat Kira die Stadt von einer anderen Richtung aus. Ebenfalls ging sie nicht so tief hinein, als dass sie wieder in die Einkaufspassage gelangen würde. Sie hielt sich lieber in den Randbezirken auf, in denen sich auch die meisten größeren Geschäfte ansiedelten. Jedoch blieb sie mit skeptischem Blick vor einem Supermarkt stehen und lies den Blick über den Parkplatz wandern, ehe sie das Gesicht verzog.

„Mist...“ Fragend hob Nagi den Blick an und zuckte mit den Ohren.

„Ich hab' der Friseurin gestern – oder war das schon vorgestern? – mein ganzes Restgeld überlassen. Daran hab' ich noch gar nicht gedacht. Ich hab' gar kein Geld, um was zu kaufen.“ Unbehaglich schaute das Mädchen sich um und setzte sich dann seufzend auf einen großen, dekorativ hingelegten Felsbrocken. Doch stupste sie da Nagis Nase feucht und kalt ins Gesicht, ehe er von ihrem Schoß sprang und hinter sie tapste. Als er wieder vor ihr ankam, hatte er zwei große Blätter im Maul, die wohl von einem der umher stehenden Bäume abgefallen waren. Nun war es an Kira, fragend den Kopf schief zu legen.

„Was willst du denn damit?“ Mit einem spöttischen Schnauben legte der Graue die Blätter auf den Boden und stellte eine Pfote darauf. Man konnte ihm ansehen, dass er sich anstrengte, doch was genau er tat, war für Kira nicht ersichtlich. Bis das Grün der Blätter sich verfärbte und die Form sich änderte. Und sie schlussendlich wie echte Geldscheine aussahen.

Erschrocken riss die Blonde die Augen auf, blickte sich hastig um und dann wieder zurück zu Nagi.

„Wie, zur Hölle, hast du das gemacht?“ Sein arroganter Blick zeigte ihr, dass sie die Antwort darauf wissen musste. Und so war es auch.

„Du verwendest deine Magie für so etwas? Bist du verrückt? Du kannst doch nicht einfach mit deiner Magie Geld herstellen! So was ist illegal! Na ja... Glaub' ich zumindest...“ Ein wenig enttäuscht wich Nagi ihrem Blick aus, was Kira erneut seufzen lies.

„Bleibt das Geld echtes Geld?“ Überrascht, ob ihrer Neugierde, wandte er seinen Blick wieder zu ihr. Doch schüttelte Nagi dann den Kopf.

„Aber es hält eine Weile.“ Mit einem langsamen Nicken bestätigte er ihre Feststellung.

„Woher weißt du das?“ Nagi verdrehte die Augen mit einem erneuten Anflug von Arroganz.

„Du hast das schon öfter gemacht! Nagi! Wie kannst du nur!“ Als der Graue nun wieder in ihr Gesicht sah, konnte er ihr schiefes Grinsen sehen, was ihn dazu brachte, leicht zu wedeln. Erst dann glitt Kira von dem Stein und ging vor ihm in die Hocke, ehe sie den Kleinen auf ihren Schoß nahm und das Geld aufhob, bevor es wegwehen konnte.

„Du kleiner Gauner. Manchmal frag' ich mich echt, wer dir solchen Unfug beigebracht hat. Ich war's jedenfalls nicht, da bin ich mir sicher.“ Kichernd stupste sie Nagi mit dem Finger auf die Nase und setzte ihn wieder auf den Boden.

„Wartest du hier auf mich? Ich bin gleich zurück.“ Und mit diesen Worten schlenderte sie auch schon zur automatischen Eingangstür des Discounters.

Neues Territorium

Der Trick mit dem gefälschten Geld funktionierte problemlos, weshalb sich Kira so langsam sogar daran gewöhnte. Auch wenn sie immer noch ein schlechtes Gewissen beschlich, wenn sie es verwendete. Doch, da sie nicht eigenhändig jagen konnte, musste sie Essen kaufen. Und ein paar andere Klamotten waren dann auch irgendwann auf die Liste des Nötigsten gewandert. Nun saß die Blonde also in neuen Kleidern am Waldrand und schaute auf die Stadt hinunter.

„Nagi, wir müssen hier langsam weg. Wir sind schon viel zu lange hier.“ Eindringlich betrachtete der Graue seine Gegenüber, lies dann jedoch den Kopf hängen. Er schien etwas gegen das Weiterziehen zu haben.

„Wir benutzen Falschgeld, irgendwann wird das mit mir in Verbindung gebracht und dann haben wir die Polizei – oder schlimmeres – am Hals. Wir sollten am besten gleich aufbrechen.“ Ein Ton des Unmuts kam von dem kleinen Wolf, als Kira aufstand und sich ausgiebig streckte.

„Na komm, mein Kleiner. Suchen wir uns eine neue Bleibe.“ Und mit diesen Worten machten die beiden sich dann doch auf den Weg in eine neue Stadt.

 

Erst zum späten Abend erreichten die beiden die nächste Großstadt, wobei sie den Großteil der Dörfer und Städte dazwischen links liegen gelassen hatten. Es musste sie nicht jeder sehen und ihren Weg verraten. Doch nun saßen sie inmitten eines Feldes, fernab der Landstraßen, und betrachteten die bereits erleuchtete Stadt vor sich.

„Na, was hältst du davon, dass wir ein wenig hier bleiben? Diese Stadt ist größer, als die letzte. Hier können wir auch länger unentdeckt mit deinem Geld zahlen.“ Nagi schnaufte lange durch, dann streckte er sich auf Kiras Schoß in die Höhe und schmiegte seinen Kopf an ihr Gesicht, um sein Einverständnis zu geben.

„Also gut. Aber erst morgen. Suchen wir uns für die Nacht erst einmal ein Plätzchen.“ Womit sie ihren Weg erneut in einigem Abstand um die Stadt herum fortsetzten, bis sie schließlich ein kleines Wäldchen erreichten. Witternd blieb Kira zwischen den ersten Bäumen stehen, während Nagi den Boden inspizierte.

„Wölfe?“ Nagi schüttelte den Kopf und tapste dann ein paar Schritte in den Wald. Auch, wenn er noch nicht wieder mit Kira sprach, zeigte ihr dieses Verhalten doch, dass seine Angst langsam nachließ. Etwas, das die Blonde glücklich machte, weshalb sie ihn vorausgehen lies, bis er einen geeigneten Übernachtungsort gefunden hatte.

 

Den darauf folgenden Tag verbrachten die beiden damit, die Stadt auszukundschaften und sich einen Stadtplan zu organisieren. Währenddessen war Kira auch eine heruntergekommene Kneipe ins Auge gefallen, die sie im Dunkeln ansteuerte. Nagi schnaufte abwertend, was die Blonde nur die Augenbraue anheben lies.

„Wenn dir meine Informationsbeschaffung nicht gefällt, dann musst du im Wald bleiben.“ Erneut schnaufte der Graue, während er neben ihr die Bar betrat. Von innen wirkte sie gleich um ein gutes Stück heruntergekommener, als es von außen den Anschein hatte, doch schien gerade das der Grund zu sein, warum Hunde erlaubt waren. Recht zufrieden wegen dieses Umstandes bahnte sich die Blonde ihren Weg an den Tresen und setzte sich dort auf einen Barhocker. Es dauerte einen Moment, bis der Barkeeper sie bediente und ihr ein Radler brachte, doch störte sie das kein Bisschen. Sie brauchte sowieso noch einen Moment, sich wieder an die Gesellschaft von so vielen Menschen zu gewöhnen, denn der Laden schien sehr beliebt unter den Säufern zu sein.

Während sie nun also an ihrem Bier nippte, lauschte sie den Gesprächen im ganzen Raum, sondierte und konzentrierte sich mal mehr auf diese Unterhaltung, dann auf jene. Die Mehrheit der Anwesenden bestand aus Männern und diese unterhielten sich über den üblichen Stadtklatsch, manche krummen Dinger wie Wilderei – sie musste sich dringend einen anderen Schlafplatz als den hiesigen Wald suchen! –, Frauenprobleme und sie gaben viel angeberisches Männergeschwätz von sich. Doch hatte sich die Falschgeldsache anscheinend noch nicht verbreitet, zumindest sprach niemand darüber. Immerhin etwas gutes was sie so erfuhr, wenn der Rest auch eigentlich belanglos war.

Mit einem leichten Grinsen leerte die Blonde ihr Glas und wollte eigentlich wieder verschwinden, als ein Mann die Kneipe betrat und sich eilig an einen Tisch in einer Ecke setzte. Kurz musterte sie den Blonden mit seinem 3-Tage-Bart und seinen braunhaarigen Gegenüber, der an dem Tisch auf ihn gewartet hatte, dann drehte sie sich wieder nach vorne und orderte mit einer Handbewegung ein weiteres Getränk. Ihr feines Gehör war derweil ganz auf die beiden Männer gerichtet.

„Du wirst es nicht glauben, was ich vorhin mitbekommen habe.“

„Wenn du mich schon extra hier her bestellst, dann sollte es etwas wirklich gutes sein.“ Das leise Rascheln von Kleidung deutete darauf hin, dass der Mann sich wohl verstohlen im Raum umschaute.

„Ich bin da schon länger an der Sache dran, das weißt du doch. Der leitende Wissenschaftler scheint mir langsam zu vertrauen.“

„Du meinst diesen Anderson?“

„Genau der. Er hat mir vorhin wichtige Akten in die Hand gedrückt. Ich sollte sie zur Verwaltung bringen, damit diese sie weitergeben können. Jedenfalls waren das Berichte über die Versuchsobjekte. Hier, ich hab gleich ein paar Fotos gemacht.“ Kiras Finger zuckten kurz, ehe sie das Glas mit diesen fester umklammerte und den Kopf leicht schüttelte, da sie ein leichter Kopfschmerz in die Schläfe stach. Sie war selbst ein Versuchsobjekt gewesen, doch glaubte sie kaum, dass diese beiden Kerle über eines dieser besagten Laboratorien redeten. Unwillkürlich fasste Kira mit der freien Hand unter ihre Haare und strich über ihren Haaransatz im Nacken, unter dem ein ID-Code in ihre Haut eintätowiert worden war.

„Ich pack's nicht. Du hast wirklich Recht gehabt.“ Gerade, als sich die Blonde umdrehen wollte, stellte sich Nagi auf seine Hinterbeine und legte die Vorderpfoten an ihren Oberschenkel. Seine durchdringenden blauen Augen befahlen ihr stumm, sich am Riemen zu reißen und weiter unauffällig zu zuhören, also widmete sie sich wieder verbissen ihrem Bier.

„Die experimentieren an Wölfen herum.“ Und da war es mit ihrer Selbstbeherrschung zu Ende und sie verschluckte sich laut hustend an ihrem Bier.

Nur ein Wort

Mit ihrem panischen Hustenanfall unterbrach Kira nun die meisten Anwesenden in ihren Gesprächen, während Nagi besorgt um ihre Beine herum lief und wortlos winselte.

„Hey, Kleines, du solltest den Mund nicht so voll nehmen, wenn du es nicht schlucken kannst“, lachte ein Mann direkt neben ihr. Kira konnte seinen Blick auf sich spüren, während sie noch immer nach Luft rang und gegen die Tränen in ihren Augen anblinzelte. Nur kamen jetzt auch noch erneute Kopfschmerzen dazu, da der Mann es gewagt hatte, sie Kleines zu nennen. Diese Anrede hatte etwas in ihr losgetreten, das sie nicht erfassen konnte, sie jedoch augenblicklich wütend machte. Und, als er es auch noch wagte sie an zu fassen, war Schluss mit lustig. Kurzerhand packte sie den Arm des Mannes, der sich um ihre Taille gelegt hatte, und verdrehte diesen beim Aufstehen. Jedoch zuckte sie im nächsten Moment erschrocken zurück und stolperte über Nagi, ehe sie auf dem engen Durchgang zwischen Tischen und Barhockern stehen blieb. Ihre verschiedenfarbigen Augen fixierten den braunhaarigen Mann, dessen Schläfen bereits ergraut waren und der sie mit gefährlichen, dunklen Augen musterte.

Was...?“ Ein Anflug von Angst lag in ihrem Blick und schien den Mann um einiges selbstzufriedener zu stimmen. Dass ein Großteil der Gespräche nun wieder anlief, als wäre nichts passiert, realisierte die Blonde nur so nebenbei. Ihre Aufmerksamkeit galt dem Fremden, der etwas ganz anderes war, als sein Aussehen zeigte: Er war kein normaler Mensch.

„Du brauchst nur mit mir mitkommen, wenn du darauf eine Antwort willst, Kleines“, kam es gönnerhaft von dem Fremden und führte bei Kira zu erneutem Kopfstechen, weshalb sie heftig den Kopf schüttelte.

„Lass' mich einfach in Ruhe, verstanden?“ Auch, wenn alles in ihr nach sofortiger Flucht schrie, so richtete sie sich doch gerade auf und griff in ihre Hosentasche, um einen Schein daraus hervor zu ziehen. Auch wenn sie sich zum Bezahlen erneut an dem breit gebauten Kerl vorbeischieben musste, so tat sie das, um das Geld auf den Tresen zu legen. Doch spielte der Mann nicht mit und griff in dem Moment nach ihren Arm, als sie diesen wieder zu sich zurück ziehen wollte. Erschrocken versuchte Kira zurück zu weichen, doch kam sie nicht weit, da sein Griff einer Schraubzwinge ähnelte. Kurz entschlossen holte die Blonde da aus und schlug dem Größeren mit ihrer freien Hand ins Gesicht.

„Lass' mich in Ruhe, hab' ich gesagt!“ Jedoch schien der Schlag dem Fremden nichts aus zu machen, da das boshafte Grinsen nicht von seinen Lippen wich. Etwas, was die Blonde in einen weiteren Anflug von Panik versetzte und ihren Fluchtreflex ankurbelte. Kurzerhand zog sie nun das Knie in die Höhe und rammte es ihrem Gegenüber zwischen die Beine, wohl wissend, dass dies Wirkung zeigen würde. Noch bevor er auf den Schmerz reagieren konnte, trat sie ihn dann von sich. Doch bevor jemand das Geschehen wirklich erfassen konnte, war sie auch schon über ihn hinweggesetzt und aus der Tür hinaus, dicht gefolgt von Nagi.

„Kira, er kommt.“

„Ich weiß.“ So, wie sie es erwartet hatte, kam die Blonde kaum an die nächste Wegkreuzung, da hatte sie der Mann auch schon wieder eingeholt und hinderte sie mit seinem stählernen Griff an der weiteren Flucht.

„Verdammt. Was willst du von mir?“ Wieder musterten die dunklen Augen des Anderen sie bedrohlich.

„Ich will so einiges, Kleines“ und wieder zuckte die Blonde bei dem Wort schmerzlich zusammen. „Wer bist du? Was bist du?“ Mit einer ruckartigen Bewegung wirbelte er die Kleinere herum, sodass ihr Rücken an seine Brust stieß, und strich ihre Haare im Nacken zur Seite, um auf das zu sehen, was sie selbst nur wenige Minuten zuvor noch berührt hatte. Überrascht sog er die Luft bei dieser Entdeckung zwischen den Zähnen ein und sein Griff wurde fester.

Angels Project!“ Nagis Aufstand zu ihren Füßen wechselte von panisch zu wütend, als er sich nun mit einem tollen Knurren in die Wade des Fremden verbiss und dessen Griff Kira erneut frei gab. Jedoch fuhr diese auf der Stelle wieder zu dem Mann herum und rammte ihm mit ganzer Kraft ihre Faust ins Gesicht. Was dieses Mal sogar direkt Wirkung zeigte, da der Mann zurück torkelte. Doch ruhte die Blonde sich auf diesem Erfolg nicht aus und holte auch direkt ein weiteres Mal aus, um ihn mit einem gezielten Tritt in den Solarplexus auf den Boden zu schicken. Erst als der Kerl, nach Luft ringend, am Boden lag, stellte sie sich über ihn und drückte ihm ihre Stiefelsohle an die Kehle.

„Du verfluchter Bastard! Ich weiß zwar nicht, was du bist, aber ich sag dir eins:Unterschätz' mich nicht! Also, was weißt du über mich?“ Als er eine Hand bewegen wollte, stürzte sich Nagi direkt drauf und verbiss sich in dieser. Fluchend zwang sich der Mann dazu, still zu halten.

„Du Miststück bist eines der entlaufenen Versuchsobjekte von damals. Sie werden sich sicher freuen, zu erfahren, dass du noch lebst.“ Kiras Augen weiteten sich und sie musste erneut mit einem Anflug von Kopfstechen kämpfen, was der am Boden Liegende ausnutzte. Denn schon hatte er Nagi gegen die nächste Hauswand geschleudert und Kiras Bein von sich geschlagen, sodass diese ins Straucheln kam. Und schon standen sich beide wieder gegenüber, ohne dass einer von ihnen die Oberhand hatte. Knurrend packten sich die Kontrahenten gegenseitig an den Armen.

„Sie werden es nicht erfahren!“

„Ich werde dich eigenhändig dort hin schleifen!“ Innerhalb weniger Augenblicke wandelte sich die Situation zu einer ausgeprägten Rauferei, in der Kira ebenso austeilte wie einsteckte. Erst, als die beiden am Boden rangelten, schaffte es die Blonde schließlich, für einen Moment die Oberhand zu gewinnen. Und im nächsten Moment hing Nagi dem Gegner auch schon an der Kehle und hauchte diesem gezielt das Lebenslicht aus. Doch erst nachdem ein langer Moment verstrichen war, lies Kira den Mann endlich los und stand langsam auf.

Sollte sie nicht schockiert darüber sein, dass er tot war? Sie war es nicht und das irritierte sie ein wenig. Doch wollte sie sich nicht damit aufhalten, stattdessen machte sie einen Schritt nach hinten, die Augen aufmerksam auf den Leichnam gerichtet, und war gerade dabei sich um zu drehen und zu verschwinden, als Nagi ein tiefes Grollen ausstieß.

Verdammt, hatte sie jemand beobachtet?

Erschrocken fuhr die Blonde herum und starrte einem Mann entgegen, der den Anschein machte, als ob er eine Waffe hinter dem Rücken hervor ziehen wollte, falls sie eine falsche Bewegung machen würde. Kiras verschiedenfarbige Augen weiteten sich und sie stolperte wieder einen Schritt auf den Toten zu, wobei sich Nagi sofort zwischen sie und den Fremden stellte. Doch nahm dieser die Hand von der vermeintlichen Waffe und präsentierte ihr beide Handflächen:

Keep calm. Alles okay.“

Freund oder Feind?

Die Worte des Mannes wurden von einem starken, amerikanischen Akzent begleitet, was Kira sichtlich verwirrte, während sie den Fremden in dem Zwielicht der Gasse musterte. Er hatte aschig braune, halblange Haare, die ihm wirr in die Augen fielen und einen – mindestens! – 5-Tage-Bart im Gesicht. Hinter seinen Haaren blitzten ihr aufmerksame, graue Augen entgegen, die das Geschehene wohl bereits genauestens analysiert hatten. Unter seinem schwarzen Mantel trug der Mann ein weinrotes Hemd und sie konnte den Geruch von Zigaretten an ihm riechen. Doch wieso blieb er einfach dort stehen und schien auf eine Reaktion von ihr zu warten? Was würde er tun, wenn sie falsch reagierte? Doch noch die Waffe zücken, die er unter dem Mantel versteckte und die sie ganz genau wittern konnte?

„Gehören Sie zu dem?“ Ihre Stimme klang verunsicherter, als sie es geplant hatte, doch schien genau das den Fremden zufriedener zu stimmen.

No. Ich gehöre nicht zu ihm. I had chased him“, er seufzte. „He wasn't a good guy.“ Ja, das hatte Kira selbst zu spüren bekommen. Langsam kam der Mann auf sie zu, was Nagi verunsichert an Kiras Seite zurückweichen lies.

„Hm... Du hast ihn ausgeschaltet. Ich würde sagen, you've acted in self-defense.“ Langsam nahm er die Hände runter und steckte diese in seine Manteltaschen. Augenscheinlich war Kira für den Moment zu sehr von dem Auftreten des Mannes überfordert, als dass sie seine englischen Worte wirklich begriff.

We have to call the police.

„Nein!“

Huh? Ich werde für dich aussagen, falls du davor Angst hast. Nothing will happen to you or your dog. Euch passiert nichts.“ Erst jetzt realisierte die Blonde langsam, dass es nicht ihr an den Kragen gehen würde, sondern Nagi. Er hatte zu gebissen. Heftig schüttelte sie den Kopf.

„Ich... Ich kann nicht zur Polizei. Bitte. Please. No police.“ Überrascht blinzelte ihr Gegenüber.

As I said: Everything is okay. Keine Angst.“ Erneut schüttelte Kira den Kopf und suchte reflexartig die Umgebung nach Fluchtmöglichkeiten ab. Etwas, was dem Fremden nicht unbemerkt blieb.

Fine. I won't call the police now, but... Verrate mir eins: Wieso?“

„Das... kann ich nicht sagen... Sorry...“ Die Situation verunsicherte Kiras Gegenüber ebenso, weshalb er sich am Kopf kratzte und danach mit den Schultern zuckte.

Fine. Then... Wie heißt du? My name's Liam. You don't have to fear me.

„Ki-...“ mit einem drohenden Knurren wurde Kira von Nagi unterbrochen und sie biss die Zähne feste zusammen. Sie hatte gerade eben gar nicht daran gedacht, dass ihr richtiger Name ein Fehler sein könnte. Doch hatte sie das Gefühl, dass sie ohne das Preisgeben eines Namens nicht von hier fliehen konnte, also musste sie sich etwas einfallen lassen. Da erinnerte sie sich an ein Wort, das er zuvor genannt hatte und das sie recht passend für sich fand:

„Chaser.“ Ungläubig blinzelte der Fremde und zog seine rechte Hand aus der Manteltasche, um sie ihr entgegen zu strecken.

Okay, Chaser. But I have to tell the police, what happened. Ich werde ihnen sagen, dass er eine blonde Frau belästigt hat. Als ich aus der Bar kam, war er bereits tot und die Frau nicht mehr zu finden. I guess, her dog protected her.“ Nun war es an Kira, ungläubig drein zu schauen. Wieso verteidigte er sie, obwohl er sie nicht kannte und genau wusste, dass sie ihn mit ihrem Namen angelogen hatte? Als der Mann ihr noch immer die Hand entgegen streckte, ergriff sie diese zögerlich. Kurz hielt er ihre Hand bestimmt fest, ehe er Kira frei gab und ihr aus dem Weg trat.

You always meet twice, Chaser.“ Doch lies sich die Blonde die zurückgewonnene Freiheit nicht wieder nehmen und nahm schleunigst die Beine in die Hand, um die Stadt endlich zu verlassen.

 

Erst als sie an ihrem Ruheplatz im Wald ankamen blieben Kira und Nagi endlich stehen und verschnauften einen Augenblick lang. Sie standen sich gegenüber und starrten sich eine Weile einfach nur schweigend an, bis sie beide in erleichtertes Gelächter ausbrachen und sich auf dem weichen Gras auf der kleinen Lichtung nieder ließen.

„Oh Gott, ich dachte, der Kerl nimmt uns fest.“ Der Graue schmuste sich auf Kiras Schoß und schüttelte leicht den Kopf.

„Es wundert mich, dass er es nicht getan hat. Er hat gesehen, was passiert ist. Okay, ich habe ihn

Geschlossene Akten

Die Aufregung der vergangenen Nacht lies die beiden bis zum Mittag durch schlafen. Als Kira erwachte, grub Nagi gerade einen ihrer Vorräte aus und brachte ihn zu ihr.

„Guten morgen“, gähnte sie dem Grauen müde zu und streckte sich in alle Richtungen, bevor auch sie sich über ihr Frühstück – bestehend aus Fleischwürsten – her machte. Erst, als sie beide gesättigt waren und Nagi den restlichen Proviant wieder versteckt hatte, stand die Blonde schließlich auf.

„Ich werde dieses Labor suchen. Vielleicht ist es ja nur ein Zufall, dass sie hier an Wölfen herum experimentieren.“ Besorgt strich Nagi um Kiras Beine herum.

Nein.“

„Doch. Ich weiß, dass es gefährlich ist. Aber das ist die einzige Möglichkeit herauszufinden, was die dort drinnen anstellen. Außerdem wissen wir ja, dass man mich nicht so schnell aus dem Weg räumen kann...“ Bei diesen Worten lief die Blonde schließlich los, in die Richtung, die sie noch nicht ausgekundschaftet hatten. Denn nur dort irgendwo konnte das Labor stecken.

„Sie werden dir weh tun.“

„Nicht, wenn sie mich nicht kriegen.“

„Aber...“

„Gut. Ich werde ihnen nicht gleich auf's Dach steigen, okay? Ich werde nur schauen, ob ich etwas über uns herausfinde. Ich muss endlich wissen, was genau wir sind. Was dieses Angels Project ist, von dem der Kerl gesprochen hat.“ Mit einem dumpfen Gefühl im Kopf ging Kira weiter.

 

Erst, als sie tatsächlich an ein umzäuntes Gebäude kamen, blieb die Blonde stehen und setzte sich dann einfach im Schneidersitz in den Schatten eines nahestehenden Baumes. Hier war der Wald lichter und auch die restliche Strecke zum Zaun übersichtlich frei. Nagi tänzelte unruhig von einer Pfote auf die andere.

„Sie werden dich sehen.“ Mit verschränkten Armen betrachtete die Blonde das Gebilde vor sich und legte mal den Kopf in die eine Richtung schief, dann in die andere.

„Nein“, sprach sie nach einer Weile dann langsam aus, während ihre Augen einen Punkt fixierten und sie mit dem Finger auf diese Stelle deutete. „Dort hinten gibt es ein Zeitfenster, in dem sich die Kameras nicht treffen. Mir bleibt genug Zeit, über den Zaun zu klettern und an das Gebäude heran zu kommen.“ Kurz hielt die Blonde inne, verfolgte dann ihren Weg mit dem Finger weiter und zog die Stirn dabei kraus, als sich etwas in ihren Gedanken regte. „Dort werde ich rein gehen, als wäre es für mich das normalste der Welt. Dann werde ich den Gang dahinter bis... ungefähr da hin verfolgen und mir in der Umkleide etwas passendes heraussuchen.“ Überrascht blickte der Graue zu ihr auf.

„Woher weißt du, dass dort die Umkleideräume sind?“ Seine Schwänze zuckten unruhig hin und her, während seine großen Ohren sich auf das Gebäude und die einsame Straße davor richteten.

„So war es in dem Labor, aus dem ich komme. Und auch in einem anderen.... zwei anderen...“ Kritisch verzog Kira ihr Gesicht und schüttelte dann den Kopf, um sich nicht zu intensiv auf ihre sich anbahnende Erinnerung zu konzentrieren. Sie wollte ihr Hirn nicht überfordern und einen Ausfall dessen heraufbeschwören. „Ich komme nicht ganz darauf, aber die Labore sind im Grundriss immer so ziemlich gleich aufgebaut.“ Fasziniert betrachtete Nagi seine Gegenüber, ehe er aufstand und sich an sie schmiegte.

„Ich passe schon auf mich auf, keine Angst. Mir wird nichts passieren. Ich bin bald wieder da.“ Und mit diesen Worten stand die Blonde auch schon auf und eilte auf den Zaun zu. Sie passte den Moment genauestens ab, um über den Zaun zu steigen, und verfolgte ihren Plan bis hin zu den Umkleideräumen ohne Umschweife. In der Frauenumkleide probierte sie mehrere Spinde durch, bis sie einen fand, in dem sich ein weißer Laborkittel befand. Nachdem sie ihre Hose als unwürdig eingestuft hatte, schnappte sie sich auch noch eine zu große, weiße Hose und zog diese kurzerhand über ihre eigene, ehe sie den Gürtel darüber fest zog und den knielangen Kittel zu knöpfte. Ein kurzer Blick in den Spiegel verriet ihr, dass sie im groben Ganzen überzeugend wirkte, doch musste sie noch etwas mit ihren Haaren machen. Zwei Spinde später fand sie ein verloren wirkendes Haargummi, mit welchem sie ihre Haare tief im Nacken zusammen band und auch noch eine Lesebrille mit schwacher Sehstärke, die sie sich auf die Nase schob. Kurz blinzelte die Blonde irritiert, dann zog sie die Gläser wieder ein Stück herunter, sodass sie über den Rand schauen konnte.

„Na dann, auf in den Kampf“, brummelte sie leise vor sich hin, als sie schließlich den Raum, mit einem Klemmbrett in der Hand, verließ und schnellen Schrittes den Gang entlang schritt. Irgendetwas in ihr riet ihr, dass sie beschäftigt aussehen sollte und laufen musste, als ob sie unter Strom stünde. Also befolgte sie ihren eigenen Rat, linste nur schnell im Vorbeigehen auf die Raumschilder und blieb dann schließlich vor einer Tür stehen, deren Aufschrift „Labor3“ lautete. Da ihr jemand auf dem Gang entgegen kam, nahm sie das Klemmbrett hoch und blätterte durch die leeren Blätter, als würde sie etwas nachlesen, bis der Angestellte um eine Ecke bog und aus ihrem Sichtfeld verschwand. Und im nächsten Moment huschte sie auch schon durch die Labortür, hinein in einen sterilen Raum, der nur so von Desinfektionsmitteln und halb überdeckten anderen Gerüchen stank. Unwillkürlich schüttelte die Blonde sich und atmete flacher, da der beißende Geruch sie in der Lunge kratzte. Dann schlich sie sich durch den Raum und betrachtete alles kleinlichst und überprüfte jede Schublade und jeden Schrank, was sich darin befand: Apparaturen, Instrumente, Besteck, mit Flüssigkeiten befüllte braune Glasflaschen, leere Käfige und Aktenschränke an den Wänden und einen Schreibtisch, auf dem ein Mac stand. Nur kurz hielt die junge Frau inne, dann warf sie sich auf den Bürostuhl und tippte die Maus an, damit der Rechner erwachte.

Als er jedoch ein Passwort verlangte, hielt die Blonde kurz inne. Nachdenklich lies sie ihren Blick durch den Raum wandern, dann versuchte sie sich an den Schreibtischschubladen, in denen allerhand Kram herum flog, ebenso wie Papiere, die jemand wohl als „nicht so wichtig“ abgetan hatte, aber kein Passwort. Immer noch grübelnd hob Kira die Maus an und drehte diese um: Nichts. Dann tat sie das selbe mit der Tastatur und: Bingo! Das Passwort war auf die Unterseite dieser aufgeklebt. Mit einem kritischen Lächeln im Gesicht tippte die Blonde das Passwort ab und entsperrte den PC.

„Das war ja einfach...“ So, als hätte sie das schon einmal gemacht, klickte die Frau sich durch die Ordner, bis sie zu den „Weltweiten Projekten“ kam. Dort überflog sie ihr unbekannte Projektnamen, bis sie schließlich an die mit „Closed“ gekennzeichneten Ordner kam. Auch diese überflog sie, ehe sie mit den Augen wieder einige Zeilen nach oben sprang und ehrfurchtsvoll den Ordner mit dem Namen „Closed – Angels Project“ anklickte.

Am liebsten hätte Kira sich die ganzen Dateien ausgedruckt, um sie später in Ruhe durch zu lesen, doch war ihr das nicht möglich. So überflog sie einfach das, was sie für wichtig erachtete, im Schnelldurchlauf. Es war nicht viel, das hängen blieb, jedoch genug, dass es ihr stechende Kopfschmerzen bereitete. Trotzdem versuchte sie weiter zu lesen.

„Hm? Warum schwärzen die in solchen Berichten etwas? Ich dachte, das wäre ein weltweites Projekt, keines, das sie vor den anderen Ländern verheimlichen müssten...? --- AP-312-001 – Kira, hah, das bin ja ich... 21 Jahre alt, bei Projektbeitritt... Ich würde mal behaupten, ich sehe auch jetzt nicht viel älter aus, oder? Sehr vielversprechend... --- Geflohen... --- Wurde mit der --- aufgegriffen... Himmel! Was soll dieses dumme Schwärzen? --- Erneuter Ausbruch... --- Hatte sie Unterstützung? --- Ja...? Ich glaube, da war wer... Aber kein Mensch... Irgendwer hat mich gerufen... Wer war das...? Egal, weiter... Hä? 7 Jahre später? Erneutes Ergreifen von AP-312-001 inklusive 4 Welpen... --- Tests beweisen, dass es sich bei NG-276-067 um AP-312-001 handelt... --- NG steht wohl für Neue Generation, wenn ich das richtig raus lese... Zeigt einen rasanten Gestaltwandel... Seit der letzten Begegnung muss etwas das Werwolfgen aktiviert haben... Bitte, was? Gestaltwandel? Werwolfgen?“ Ungläubig starrte Kira ihre Handfläche an und begriff, wieso sie dieses Gefühl besaß, in diesem Körper irgendwie falsch zu sein. „Ich bin ein Wolf...“ Während sie die Hand zur Faust ballte, las sie bereits weiter:

Jemand muss ihr zur Flucht mit den Welpen und TO-234-044 verholfen haben... TO? Test Objekt, ah. Was? 18 Jahre später, euer ernst? Was war denn davor? Ihr habt ja fast 2 Seiten geschwärzt! --- Keine äußerlichen Alterungsanzeichen. --- Unsterblichkeit widerlegt. --- Erst nach vielen Versuchen ist es uns gelungen, ein Gift zu finden, das AP-312-001 tötet... Moment! Das ist doch erst vor einigen Monaten gewesen. Das... kann nicht sein... Die haben gedacht, ich wäre tot... Und dann bin ich dort doch wieder aufgewacht... Himmel, was haben die mit mir gemacht...? Bin ich wirklich... unsterblich? Bin ich seit fast 30 Jahren nicht gealtert?“ Während sich Kiras Gedanken überschlugen und mit Erinnerungen verbanden, die bisher weggesperrt gewesen waren, schloss die Blonde mit ein paar Tastenkürzeln sämtliche geöffneten Fenster und zwang den Mac wieder in seinen Standby-Modus, ehe sie aufstand und leicht torkelte. Kopfschüttelnd stützte sie sich auf dem Schreibtisch ab und kniff ein Auge zusammen, um das Doppeltsehen zu unterbinden.

„Okay... Gut... Ich habe einige Informationen, die mir gefehlt haben... Kann ich die bitte draußen verwerten...?“ Doch schien ihr Gehirn von diesem Vorschlag nicht überzeugt zu sein und so ging die Blonde, unter einem Anfall höllischer Kopfschmerzen, zu Boden als ihre Knie unter ihr nachgaben.

Unerwartete Hilfe

Als die Blonde wieder erwachte, lag sie auf einem stationären Bett und hatte einen kalten, nassen Lappen auf der Stirn. Irritiert hob sie den Lappen von ihrem Kopf, ehe sie sich langsam aufsetzte und mit den Augen nach der Person suchte, die sich ebenfalls in dem Raum befand. Es war der Mann mit den Informationen, den sie am Vorabend in der Bar gesehen hatte und er saß nun hier an der gegenüberliegenden Wand gelehnt, während seine Augen sie aufmerksam betrachteten. Die Entfernung war zu gering, als dass er sicher vor ihr war, doch schien ihn das nicht zu beunruhigen.

„Na, wieder wach?“ Misstrauisch huschte ihr Blick zur Tür, dann wieder zu dem blonden Mann mit dem 3-Tage-Bart zurück.

„Vielleicht solltest du noch nicht gleich los rennen, bevor du wieder zusammen klappst. Ich weiß, dass du so schnell wie möglich von hier verschwinden willst, aber warte noch einen Moment, okay?“ Mürrisch knautschte sie den Lumpen zusammen und hob leicht eine Augenbraue an, während sie sich langsam aufrichtete.

„Wieso? Soll ich etwa warten, bis die Wachen mich einsammeln?“ Ein spöttisches Grinsen legte sich auf die Lippen ihres Gegenübers.

„Du warst lange genug ausgeknockt, dass ich dich locker hätte ausliefern können, wenn ich gewollt hätte. Aber das wollte ich nicht. Ich verdanke dir mein Leben.“ Musternd wanderten die blauen Augen über ihren Körper, bis sie schließlich wieder an ihren verschiedenfarbigen Augen hängen blieben. „Du bist definitiv die von gestern, die den Werwolf ausgeschaltet hat. Wärt ihr nicht aneinander geraten, hätte er mich umgebracht, weil ich streng geheime Informationen weitergegeben habe. Er war mit Sicherheit auf mich angesetzt worden, aber du hast ihn umgebracht.“ Langsam änderte der Mann seine Haltung und verlor nun sein lässiges Auftreten gänzlich.

„Ich habe mir deinen ID-Code angesehen, ich weiß jetzt, dass du eigentlich für tot gehalten wirst.“ Knurrend sprang Kira auf, doch hob der Blonde hastig seine Hände zur Abwehr, noch bevor sie ihn anfassen konnte.

„Ganz ruhig, ich verrate dich schon nicht. Deine Andersartigkeit hat mir mein Leben gerettet, weil der Fänger so auf dich aufmerksam geworden ist, verstehst du? Außerdem bin ich nicht auf deren Seite.“ Ein wenig verunsichert ging die Frau in dem kleinen Raum auf und ab.

„Aber... Wieso?“

„Weil ich gegen ihre Experimente bin. Ich will diese Organisation zu Fall bringen. Und ich bin da nicht der einzige. Und du? Was suchst du hier?“

Informationen“, war ihre einzige, geflüsterte Antwort, als sie nun endlich wieder vor dem Mann stehen blieb und ihn misstrauisch musterte. Nach einem Augenblick schien er zu verstehen.

„Du erinnerst dich nicht?“ Nachdenklich gingen die blauen Augen des Fremden durch den Raum, während sich Falten auf seiner Stirn bildeten. „Ich gehe mal davon aus, dass du deine Akte bereits selbst gecheckt hast. Leider kann ich dir nicht mehr sagen, als in diesen Berichten steht, die diese Deppen ja so sorgfältig geschwärzt haben...“ Schnaubend lies sich Kira plump auf die Liege fallen und stützte sich auf den Händen nach hinten ab.

„Dann lass mich einfach gehen, das werde ich schon noch selbst herausfinden.“ Überrascht blinzelte ihr der Mann entgegen.

„Hältst du es nicht für besser, wenn du dich einfach von diesen Einrichtungen fern hältst? Immerhin haben sie dich schon mehrfach wieder eingefangen. Und, wenn sie jetzt herausfinden, dass du noch lebst, dann wirst du hier nicht mehr heraus kommen.“ Erneut knurrte die Blonde leise.

„Ich will meine Erinnerungen zurück. Und wenn das nur so geht, dann muss ich eben jedes einzelne Labor auf den Kopf stellen, bis ich alles wieder habe. Außerdem... Sollen diese abnormalen Versuche endlich ein Ende nehmen. Oder denkst du, dass Unsterblichkeit eine tolle Fähigkeit ist? Ich wollte sterben und kann es nicht. Oh Gott! Ich wollte sterben! Ich bin zuletzt freiwillig zu denen zurück gekommen, damit sie mich umbringen!“ Überrascht starrten sich die beiden einen Moment lang an, ehe der Mann den Kopf schüttelte.

„Ich weiß ja nicht, ob das dumm oder mutig ist.“ Spöttisch lachte Kira auf:

„Oh, ich auch nicht.“ Nach einem weiteren Moment der Stille schaute der Fremde auf seine Armbanduhr und nickte dann leicht.

„So, die Mittagspause ist nun lange genug um, dass du jetzt nicht mehr jedem Nachzügler in die Arme laufen solltest. Am besten solltest du jetzt gehen und nicht wieder zurück kommen.“ Kurz zögerte die Blonde, dann stand sie jedoch auf und ging auf die Tür zu. Mit der Hand auf der Klinke blieb sie jedoch noch einmal stehen und ihr Blick traf direkt auf den des Mannes.

„Wie heißt du eigentlich?“ Das Lächeln, das sich auf seine Lippen legte, wirkte ehrlich.

„Dayne.“

„Danke, dass du mir geholfen hast. Falls wir uns je wiedersehen, kannst du mich gerne Kira nennen.“ Noch während der Mann die Hand zum Gruß erhob, eilte Kira aus dem Zimmer und verschwand ungesehen von dem Gelände, so wie sie gekommen war.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Nightwolf089
2018-04-05T20:43:31+00:00 05.04.2018 22:43
Hey,
Deine Geschichte lässt sich richtig gut lesen. hoffe du schreibst noch an dieser Geschichte weiter. Bin gespannt darauf wie es mit Kira und Nagi weiter geht.
Lg Shira


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