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Between Heaven and Hell

von

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It's too late

Er hatte ihn verloren.

So lange hatte er an seiner Seite gekämpft und durchgehalten, so viel hatte er für ihn getan.

Und letzten Endes hatte er sogar sein Leben gegeben.

Chris kam einfach nicht darüber hinweg, so sehr er es auch versuchte.

So sehr er auch versuchte, weiter zu machen, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, es ging einfach nicht.

Piers war tot, und er würde nie wieder zurückkommen.

Nun gab es niemanden mehr, der Chris in seine Schranken wies, niemanden mehr, der ihn wieder auf den rechten Weg brachte, wenn er von diesem abkam.

Und niemanden mehr, der sein Herz erwärmte, wenn er bei ihm war.

Chris war nun ganz allein.

Natürlich hatte er die anderen Soldaten, hatte er Claire, Jill und Leon.

Aber das war etwas Anderes, etwas vollkommen Anderes.
 

Er hatte es so spät begriffen. Im Grunde erst, als es schon zu spät gewesen war.

Piers, der ihm immer treu zur Seite gestanden hatte. Piers, der ein halbes Jahr lang nach ihm gesucht hatte, als der Rest der B.S.A.A. ihn schon aufgegeben hatte.

Piers, der selbst dann noch an seiner Seite gewesen war, als er ihn so grob behandelt hatte. Und Piers, der sich für ihn geopfert hatte, der seinen Arm und schließlich sein Leben gegeben hatte, damit Chris entkommen konnte.

Und die ganze Zeit über hatte er es einfach nicht begriffen, hatte er nicht begriffen, was dieses seltsame Gefühl in seinem Bauch bedeutet hatte, wenn Piers ihm nahe gewesen war, oder woher diese unglaublich starke Angst gekommen war, jedes Mal wenn sich der junge Scharfschütze in Gefahr befunden hatte.

Nun wusste er es. Und nun war es zu spät.
 

Chris schluckte schwer, ballte die Hände zu Fäusten und blickte anschließend auf das halb zerknüllte Abzeichen des jungen Soldaten herab. Noch immer klebte dessen Blut an diesem.

Und nun gesellten sich auch einzelne Tränen dazu.

Wie sehr wünschte Chris sich, dass Piers zurückkam, dass er ihm wenigstens noch sagen konnte, was er für ihn empfand. Dass er immer mehr gewesen war als nur sein Soldat, mehr als sein Nachfolger, mehr, als nur ein einfacher Freund.

Aber das würde nicht passieren, das wusste der Captain des Alpha-Teams ganz genau.

Und wer weiß, vielleicht hätte Piers diese Gefühle auch niemals erwidert. Vielleicht wäre Chris ihm viel zu alt gewesen. Vielleicht hätte er ihn ausgelacht und es als Scherz abgestempelt.

Aber nein… nein, so etwas hätte Piers niemals getan. Nicht er.

Das wusste Chris ganz genau.

Sein treuer Soldat würde ihn niemals auslachen, er würde…

Er würde gar nichts mehr tun, denn er war tot.

Und Tote kamen nicht zurück, es sei denn, sie hießen Albert Wesker…

Willkommen zurück

Nach einer Weile war Chris vor Erschöpfung und Trauer eingeschlafen, und so bekam er zunächst nicht mit, wie es an seiner Tür klingelte.

Erst, als dem Klingeln ein Klopfen folgte, öffnete er langsam die Augen und setzte sich ein wenig benommen auf.

Piers’ Abzeichen lag neben seinem Kopfkissen, und er griff danach, schob es in die Hosentasche und erhob sich dann ganz aus dem Bett.

„Komme schon, komme schon…“, murrte er, gähnte leise und fuhr sich kurz durch die Haare, ehe er das Schlafzimmer verließ, die Treppe hinunter ging und sich der Tür zuwandte, an der es noch immer so penetrant klopfte und klingelte.

Dann jedoch verstummte beides mit einem Mal, ehe ein dumpfer Laut erklang, gefolgt von einem leisen Stöhnen.

Chris beschleunigte seine Schritte, erreichte die Tür und öffnete diese, um zu sehen, wer da draußen war.

Es hatte geklungen, als wäre jemand zusammengebrochen, und da musste er natürlich helfen.

Sofort fiel sein Blick nach unten, und Chris’ Herz setzte für einen Moment aus, seine Augen weiteten sich, und kurz war der Soldat sicher, dass er nur träumte.

Dass er noch oben in seinem Bett lag, und dass er dort tief und fest schlief.

Aber das durfte ruhig noch eine Weile lang anhalten, denn es schien ein schöner Traum zu werden.

Vor ihm auf den Stufen zu seinem Haus lag ein junger, braunhaariger Mann.

Seine Kleidung war größtenteils zerrissen und verschmutzt, Blut klebte an dieser und der frei gelegten Haut.

Es war eigentlich unmöglich, er konnte nicht hier sein, nicht hier liegen. Das ging einfach nicht. Er war doch tot!

Und dennoch bestand kein Zweifel. Chris erkannte den jungen Soldaten, der da regungslos vor ihm auf dem Boden lag.

Aber wie konnte das sein? Er verstand es einfach nicht.

Doch eigentlich war das gerade auch völlig unwichtig, das Warum spielte nun wirklich keine Rolle.

Jetzt musste der B.S.A.A.-Captain sich erst einmal um den offenbar Bewusstlosen kümmern.

Das war das Einzige, was gerade zählte.
 

„Piers…“

Vorsichtig kniete sich Chris also neben den Gestürzten und berührte sanft seine Schulter.

Er spürte, wie sich der Körper etwas bewegte, und er konnte auch leichte Atemzüge vernehmen.

Und als er kurz etwas an dem jungen Soldaten rüttelte, schlug dieser sogar mit einem leisen Stöhnen die Augen auf und blickte müde und benommen zu seinem Captain empor.

„C-Chris…“, nuschelte er, doch der Altere schüttelte nur den Kopf und bedeutete ihm mit einer knappen Geste, nicht zu reden.

Kurz sah er sich um, dann hievte er den Scharfschützen auf die Beine und stellte fest, dass seine Kleidung vollkommen durchnässt war. Und nun fiel Chris auch auf, dass Piers’ Lippen blau waren, und dass er am ganzen Körper zitterte.

„Ich bringe dich rein, okay? Dann werden wir erst einmal deine nassen Klamotten los, holen dir eine warme Decke und kochen dir schönen heißen Tee“, entschied Chris nach einer Weile, während er sich Piers’ einen Arm um die Schulter legte und ihn so stützend in das Haus hinein brachte.

Dort schleppte er ihn erst einmal zur Couch, setzte ihn vorsichtig auf dieser ab und schloss schnell die Tür, ehe er gleich wieder zu Piers zurückkam.

‚Ein Traum, das muss ein Traum sein…’, dachte Chris die ganze Zeit über, während er den jungen Soldaten nun nachdenklich betrachtete.

Sein Blick fiel zu dessen rechter Schulter, und es dauerte einen Moment, bis er begriff, dass der Arm dort nicht einfach aufhörte, und dass er auch nicht in einer mutierten Klaue endete, sondern einfach als ganz normaler Arm weiterging und schließlich, wie es sich für einen Menschen gehörte, in eine gewöhnliche Hand mit fünf gewöhnlichen Fingern endete.

War das hier vielleicht gar kein Traum, sondern das, was in China passiert war?
 

Unsicher kaute der Braunhaarige an seiner Unterlippe herum, ehe er leise seufzte und vor dem jungen Scharfschützen in die Hocke ging.

„Was ist passiert?“, wollte er wissen und neigte etwas den Kopf zur Seite. An Piers’ Antwort würde er schon sehen, was wahr war und was nicht.

Noch während er auf diese wartete, zog Chris schon einmal die Decke her und legte sie dem Jüngeren um.

Dieser atmete dankend etwas auf, wartete, bis seine Zähne nicht mehr so klapperten, und bis sich das Schwindelgefühl, das ihn hatte zusammenbrechen lassen, ein wenig gelegt hatte, ehe er sich zurück lehnte und leicht die Augen schloss.

„Ich… ich weiß es nicht, Captain. Irgendwann bin ich aufgewacht und lag am Strand. Mein ganzer Körper schmerzte, aber ich… ich war nicht mehr mutiert, ich war… mehr oder weniger unverletzt“, antwortete Piers nun und öffnete ein Auge wieder, um zu Chris zu blicken.

„Wie lange… wie lange war ich… naja… tot?“

Nun war es Chris, der einen Moment lang schwieg, und anschließend hob er die Schultern und ließ sie etwas hilflos wieder fallen.

„Fast zwei Monate, ich… ich hatte so gehofft, dass du… dass es irgendeinen Weg geben würde…“

Der Soldat stockte, biss sich auf die Lippe und atmete zittrig durch.

China war kein Traum gewesen, und langsam wurde ihm klar, dass auch dieser Moment Realität war.

Und das bedeutete, dass sein größter Wunsch in Erfüllung gegangen war, dass Piers lebte, dass er nicht mehr alleine war.

Und vor allem bedeutete es, dass er nun doch noch die Chance bekommen würde, dem Jüngeren zu gestehen, was er für ihn empfand.
 

Aber nicht jetzt.

Nun brauchte Piers etwas Heißes zu trinken und was zu essen.

Und dann musste er sich ausruhen.

Blass war der Scharfschütze, und er wirkte ein wenig abgemagert.

Aber Chris würde ihn schon wieder aufpäppeln, das war er ihm schuldig.

Und dann würde er beim HQ anrufen und die freudige Nachricht von Piers’ Überleben verkünden.

Die würden da sicherlich Augen machen, wenn sie erfuhren, dass der Scharfschütze tatsächlich irgendwie lebend aus der Anlage gekommen war.

Und dass er es aus eigener Kraft geschafft hatte, sich bis zu Chris’ Haus zu schleppen.

„Captain? Captain, was haben Sie denn?“, fragte Piers nun etwas erschrocken und riss den Älteren damit aus seinen Gedanken.

Der junge Soldat wirkte besorgt, aber das sollte er nicht. Er war nun viel wichtiger, ihm ging es schlechter.

Und ganz abgesehen davon war Chris ja glücklich, es gab nichts zum Sorgen.

„Es ist nichts, Piers. Ich bin nur so froh, dass du wieder da bist“, erwiderte der Ältere nun ehrlich und mit einem leichten Lächeln, legte dem jungen Soldaten eine Hand auf die Schulter und erhob sich dann.

„Ruh dich ein wenig aus, während ich dir den Tee und etwas zu essen mache. Du verhungerst sicherlich schon halb“, murmelte er noch, wandte sich ab und ging zur Küche, ohne dass er Piers die Chance gab, noch irgendetwas dazu zu sagen.
 

Chris war so erleichtert, so glücklich.

Und er schwor sich, nie wieder zuzulassen, dass Piers ihn alleine ließ. Das durfte er einfach nicht.

Er musste bei ihm bleiben, für immer. Ob als Soldat oder als Freund, das spielte dabei keine Rolle, solange er Chris nur nicht noch einmal einfach so verließ.

Und damit das gewährleistet war, musste Piers sich nun einfach ganz schnell wieder erholen.

Und er, Chris, würde dafür sorgen, dass der Jüngere das auch tat, dass er nicht gleich wieder aufsprang, was bei seinem Temperament nicht verwunderlich gewesen wäre.

Nein, der Captain würde seinen Soldaten im Notfall zur Ruhe zwingen, und wenn es gar nicht anders ging, würde er ihn auch an die Couch ketten, damit er liegen blieb.

Er wollte einen solchen Verlust einfach nicht noch einmal ertragen müssen.

Für einen Moment schloss Chris die Augen und atmete tief durch, ehe er den Kühlschrank öffnete und etwas zu Trinken herausholte.

Anschließend machte er sich daran, ein paar Brote für den jungen Soldaten zu schmieren. Er sollte wieder zu Kräften kommen und sich schnell erholen.

Als er damit fertig war, kochte er noch den versprochenen Tee, damit sich Piers auch etwas aufwärmen konnte, ehe er alles auf ein kleines Tablett stellte und ins Wohnzimmer trug.

Dort angekommen, musste Chris ein wenig schmunzeln, und er stellte die Sachen erst einmal auf dem Tisch ab, ehe er den Jüngeren schweigend betrachtete.
 

Piers war eingeschlafen und auf der Couch etwas zur Seite gekippt.

Er hatte sich eng in die Decke gekuschelt und wirkte friedlich wie ein kleiner Engel.

Aber ein solcher war er ja irgendwie auch.

In Chris’ Augen war dieser junge Mann sein persönlicher Schutzengel.

Ohne Piers wäre er damals in Edonia vermutlich irgendwann an einer Alkoholvergiftung gestorben oder hätte in irgendeiner Gasse gelegen und wäre dort elendig verendet.

Und auch in China hatte der Jüngere ihn wieder gerettet.

Der B.S.A.A.-Captain verdankte Piers so unglaublich viel, eindeutig zu viel.

Er hatte es doch gar nicht verdient, dass sich jemand so sehr für ihn aufopferte.

„In Zukunft passe ich besser auf dich auf, Piers. Und ich werde gleich auf dich hören, ich werde dich nie wieder anschreien. Du warst immer der Vernünftigere von uns Beiden, und du hast so unglaublich viel für mich getan“, murmelte Chris nun seufzend, während er sich auf dem Rand der Couch niederließ und vorsichtig durch Piers’ Haare strich.

Als der Scharfschütze ein leises Seufzen von sich gab, zuckte Chris zusammen und hielt für einen Moment in der Bewegung inne, doch Piers schien seelenruhig weiter zu schlafen, und so ließ sein Captain ihn auch.

Der junge Mann brauchte die Ruhe ja immerhin, er sollte wieder fit werden.

Chris wollte sich nicht so um ihn sorgen müssen, er wollte ihn nicht so blass und erschöpft da liegen sehen. Das passte einfach nicht zu Piers.
 

Eine Weile lang blieb er nun noch da sitzen und betrachtete den schlafenden Soldaten, während er langsam in Gedanken versank.

Es war noch immer wie ein Traum, wie ein Wunder, dass Piers tatsächlich wieder hier war.

Und eigentlich war es ja auch wirklich unmöglich.

Er war mutiert gewesen, sie hatten sich so tief unter dem Wasser befunden, und dann die Explosion…

Aber vielleicht war das C-Virus stärker gewesen, als Chris angenommen hatte.

Und sie waren ja einigen BOWs begegnet, de so gut wie gar nicht zu töten gewesen waren. Einige J'avos hatten ja sogar Kopfschüsse überlebt, und ihre Köpfe waren einfach nachgewachsen oder mutiert. Von den Rasklapanje wollte Chris da gar nicht erst anfangen, geschweige denn von Haos...

Aber während ihm das alles in den Sinn kam, während er nach einer vernünftigen Erklärung für Piers’ Überleben suchte, kam ihm da auch noch ein anderer Gedanke in den Sinn.

Einer, der nicht annähernd so erfreulich war wie die Rückkehr des jungen Soldaten.

Wenn der es geschafft hatte, all das zu überleben, die Explosion, den tödlichen Druck des Wassers, die Infizierung und die Mutation…

War es dann nicht auch möglich, dass Wesker ebenfalls noch am Leben war?

Auch der war infiziert gewesen, mutiert.

Und Chris kannte die Hartnäckigkeit seines ehemaligen S.T.A.R.S.-Captains nur zu gut.

Der Blonde war so gut wie unkaputtbar gewesen, er hatte so unglaublich viel überlebt.

Gut, Feuer war seine Schwachstelle gewesen, das hatte Chris schon früh festgestellt, bei der Sache mit den Ashfords.

Und dennoch, dennoch konnte Chris sich durchaus vorstellen, dass selbst Afrika, die Lava, die Raketenwerfer, Wesker nicht endgültig vernichtet hatten.

Es war einfach so ein Gefühl, das den Braunhaarigen überkam.

Und leider konnte er sich, sofern er bei klarem Verstand war, auf sein Gefühl eigentlich immer verlassen.
 


 


 


 


 

„Captain? Sie… Sie wirken schon wieder so nachdenklich…“

Wieder war es Piers’ Stimme, die Chris aus seinen Gedanken riss, und er war ihm dafür gerade auch unheimlich dankbar.

Seufzend fuhr er sich mit einer Hand über das Gesicht, dann setzte er sich etwas weiter auf und wandte den Kopf in Piers’ Richtung.

Langsam setzte dieser sich nun auf, verzog kurz das Gesicht und schloss noch einmal die Augen.

Piers sah schon etwas besser aus als vorher. Seine Lippen waren nicht mehr blau, und auch die Blässe in seinem Gesicht war immerhin schon ein wenig zurückgegangen.

Nur die Erschöpfung war dem jungen Soldaten noch deutlich anzusehen.

„Entschuldige. Es ist nur so… ich kann es einfach noch nicht fassen, dass du lebst und hier bist“, gestand Chris leise, während er nach der Teetasse griff und dem Scharfschützen diese hin hielt.

Vorsichtig nahm dieser sie entgegen und trank ein paar Schlucke.

Heiß war der Tee nicht mehr, aber noch angenehm warm. So konnte er ihn gefahrlos trinken, aber es reichte noch, um Piers innerlich ein wenig weiter aufzuwärmen.

Schweigend trank er nun also, solange, bis die Tasse leer war, ehe er sie an Chris zurückreichte und an diesem vorbei zum Tisch sah.

Als er die Flasche Wasser entdeckte, wurde er richtig durstig, und der Anblick der liebevoll geschmierten Brote ließ seinen Magen hörbar knurren, sodass sich eine leichte Röte in sein doch noch etwas blasses Gesicht schlich.

Chris grinste daraufhin aber nur breit, dann goss er etwas Wasser in ein Glas und reichte Piers dieses nun ebenfalls.

„Aber trink langsam, es ist kalt. Und dein Magen muss sich sicherlich erst wieder an Essen und Trinken gewöhnen. Immerhin hattest du zwei Monate lang nichts davon“, mahnte der Ältere in besorgtem Ton, während er auch schon nach dem Teller mit den Broten griff.

Als Piers das Glas geleert hatte, nahm er es entgegen und stellte dem Scharfschützen nun erst einmal den Teller auf den Schoß.

Auch hier mahnte er ihn, langsam zu machen, damit er sich am Ende nicht übergab, wenn er seinen Magen überforderte. Das musste ja nun wirklich nicht sein.
 

Während Piers also aß und trank und langsam wieder zu Kräften kam, betrachtete sein Captain ihn erneut, nachdenklich und mit einem Lächeln auf den Lippen.

Zwar wirkte Piers noch immer recht erschöpft und etwas kränklich, aber in Chris’ Augen war er gerade dennoch der schönste Mann der Welt.

Er liebte ihn einfach, dagegen konnte er nichts tun, dagegen konnte auch Piers nichts tun.

Und Chris hoffte sehr, dass dieser seine Gefühle erwiderte, dass er ihn zumindest nicht abwies, wenn er sich endlich zu einem Geständnis durchringen konnte.

Aber alles zu seiner Zeit.

Nach einer Weile hatte Piers genug gegessen, damit sein Magen nicht mehr knurrte, die Wasserflasche hatte er halb geleert, und ihm war wieder halbwegs warm.

Seufzend ließ er sich nun wieder zurück sinken, dann aber schüttelte Chris den Kopf und bedeutete dem jungen Mann, sich noch einmal aufzusetzen und sich schon einmal die noch immer nassen Klamotten auszuziehen.

Diese hatte er beinahe vergessen.

Er selber verschwand kurz im Schlafzimmer, holte eine Jogginghose und ein Unterhemd und kam damit wieder zurück ins Wohnzimmer, wo Piers nun nur noch in Boxershorts bekleidet da saß.

Bei dem Anblick musste Chris sich wirklich zusammenreißen.

Er atmete tief durch, reichte Piers die Sachen und warf dessen alte Klamotten ohne Umschweife in den Müll. Sie waren ja eh vollkommen hinüber.

Als Piers nun fertig war, legte er sich wieder hin und kuschelte sich erneut in die Decke, ehe er ein leises Gähnen hören ließ, die Augen schloss und langsam wieder einschlief.

Und wieder blieb Chris bei ihm sitzen, wachte über seinen Schlaf und strich durch die kurzen braunen Haare.

Piers war wieder bei ihm, alles war gut.

Er war einfach erleichtert, ja, er war seit einer gefühlten Ewigkeit wieder richtig glücklich.

Ein Soldat vor dem Aus

Während Piers sich nun bestmöglich wieder gesund und zu Kräften schlief, kramte Chris sein Handy hervor, erhob sich und verließ das Wohnzimmer, um endlich das HQ anzurufen und zu informieren.

Immerhin mussten die ja wissen, dass Piers zurück war, dass er, sobald er wieder fit war, seinen Dienst wieder würde antreten können.

Und Chris wollte auch gleich klarstellen, dass sein Scharfschütze in kein anderes Team kommen würde.

Nein, er musste auf jeden Fall bei ihm bleiben, der Captain würde seinen Piers nicht mehr aus den Augen lassen.

Das hatte er sich ja geschworen.

Unruhig, fast etwas aufgeregt, wählte Chris also die Nummer des HQ und wartete ab, bis jemand abnahm.

Die Stimme am anderen Ende der Leitung wirkte verwirrt, was irgendwie auch klar war.

Chris hatte gerade eine Woche Urlaub, und eigentlich war ausgemacht gewesen, dass er sich die Zeit für sich nahm, und dass er sich schön von der Arbeit fernhielt.

Nun ging man vermutlich davon aus, dass er das einfach nicht geschafft hatte, und dass er unbedingt hatte anrufen müssen, um zu wissen, ob vielleicht etwas passiert war.

Dabei war der Grund ein ganz anderer, viel erfreulicherer.

Zumindest dachte Chris das in diesem Moment noch.
 

„Ich rufe nur an, weil ich gute Nachrichten habe“, meinte der Braunhaarige nun also, nachdem ihm eine diesbezügliche Frage gestellt worden war.

Er seufzte leise, lehnte sich gegen die Wand und schloss leicht die Augen.

„Es geht um den Soldaten Piers Nivans, der in Edonia und China unter meiner Führung gedient hat, und der sich anschließend mit dem C-Virus infiziert und sich geopfert hat, um mich zu retten“, erklärte Chris, ehe er tief durchatmete und versuchte, sich seine Freude und Aufregung nicht zu sehr anmerken zu lassen.

„Was ist mit diesem?“, kam natürlich die Frage von der anderen Seite, und der B.S.A.A.-Captain atmete gleich ein weiteres Mal durch, um halbwegs ruhig zu bleiben.

„Er ist am Leben, und er ist hier bei mir. Ich vermute, dass das C-Virus ihn am Leben gehalten hat. Die Mutation ist zurückgegangen, und er scheint weitestgehend unverletzt. Ich denke, dass er bald wieder seinen Dienst…“

Chris wurde allerdings jäh unterbrochen, und die Stimme des Mannes am anderen Ende der Leitung ließ den Soldaten erst einmal zusammenzucken.

Irgendwie bekam er gerade ein verdammt ungutes Gefühl in der Magengegend.

Er schluckte leicht, ließ die Augen geschlossen und betete, dass sich die Befürchtung, die sich gerade in seinen Kopf schlich, unbegründet war. Doch er wurde enttäuscht.

Zwar war die Stimme des Mannes wieder ruhiger geworden, doch sie wirkte noch immer deutlich angespannt, ernst und mahnend.

Und irgendwie wusste Chris ganz genau, was nun kommen würde.

Und genau so war es auch.
 

„Piers Nivans ist infiziert. Wie Ihrem Bericht und Ihrer Aussage soeben zu vernehmen ist, war er sogar mutiert und hat in diesem mutierten Zustand eine andere BOW bekämpft, mit übermenschlichen Kräften. Dieser Umstand macht auch den jungen Soldaten zu einer BOW. Dass er noch lebt beweist nur, dass sich das C-Virus nach wie vor in seinem Körper befindet. Wir werden ihn abholen lassen und einigen Tests unterziehen. Natürlich werden wir auch versuchen, das Virus mit einem Gegenmittel zu bekämpfen. Wir haben noch einige Antiviren auf Lager.“

Für einen Moment verstummte die Stimme, dann war ein Seufzen zu hören, ehe der Mann weiter sprach.

„Versprechen können wir jedoch nichts, das Virus in ihm ist schließlich nicht in Reinform. Sollte das Antivirus also nicht wirken, und sollten wir merken, dass das C-Virus in seinem Blut noch immer aktiv ist, werden wir keine andere Wahl haben, als Mr. Nivans zu eliminieren, denn er ist eine Gefahr für jeden hier, ebenso wie für alle anderen Menschen da draußen. Einmal mag er sich beherrscht haben und konnte Freund von Feind unterscheiden, doch es ist nicht gesagt, dass ihm das im Ernstfall auch ein weiteres Mal gelingt. Tut mir leid…“

Chris glaubte im ersten Moment, sich zu verhören, er war sicher, dass das ein schlechter Scherz sein musste, dass dieser Typ ihn verarschen wollte. Anders konnte er sich das einfach nicht vorstellen.

Wollte der Kerl ihm gerade ernsthaft sagen, dass Piers Nivans, der Piers Nivans, der sich selber heldenhaft geopfert hatte, um ihn und alle anderen zu retten, der sein eigenes Leben untergeordnet hatte, dass eben dieser Piers Nivans ein Monster war? Dass er vielleicht suspendiert, dass er möglicherweise sogar getötet werden würde?

Nein, niemals.

Wenn dieser herzlose Mistkerl glaubte, dass Chris das zulassen würde, hatte er sich aber geschnitten.

Das konnte er vergessen.
 

„Nur… über meine Leiche…“, brachte Chris zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, und er zitterte am ganzen Körper, hielt das Handy so fest, dass er es beinahe zerquetscht hätte.

Niemand tat seinem Piers weh, niemand drohte ungestraft, dessen Leben zu beenden.

Der Kerl hatte sie doch nicht mehr alle.

Piers hatte alles getan, er hatte alles geopfert für das Wohl anderer, um Haos zu besiegen und die Menschheit vor der grausamen BOW zu bewahren.

Als Held hätte man ihn feiern müssen, ihn mit offenen Armen wieder empfangen, ihn am besten gleich zum Captain befördern.

Und stattdessen stempelte man ihn nun als BOW ab, als eines dieser Monster!

Ohne noch ein weiteres Wort zu sagen, legte der Braunhaarige auf, warf sein Handy fluchend gegen die Wand und ließ sich dann selber, an die Arbeitsplatte der Küche gelehnt, zu Boden sinken.

Er konnte noch immer nicht begreifen, was er da gerade gehört hatte. Das war einfach unmöglich, das konnte und durfte nicht sein.

So sehr hatte Chris sich gefreut, dass Piers wieder da war.

Er hatte die nächsten Missionen schon vor seinem inneren Auge sehen können.

Und nach getaner Arbeit hätten sie sich dann mal zu einem Bierchen zusammengesetzt.

Und Chris hätte dem Jüngeren dann endlich seine Gefühle offenbart.

Dann wären sie vielleicht gemeinsam glücklich geworden, ein Traum wäre wahr geworden.
 

Und das HQ, dieses gottverdammte HQ, wollte ihm nun alles ruinieren.

Sie wollten ihm seinen Scharfschützen nehmen, sie wollten ihm seinen Piers nehmen.

Natürlich bestand die Hoffnung, dass das Antivirus wirkte, oder dass das C-Virus beim Erhalten von Piers’ Körper all seine Kräfte verbraucht hatte und nun nicht mehr wirklich vorhanden war.

Und an diese Hoffnungen klammerte sich Chris auch.

Aber er war auch nicht dumm. Er wusste, dass es anders kommen konnte.

Und wenn sich herausstellte, dass das Gegenmittel nicht half, weil das Virus schon zu stark war in Piers’ Blut, dann war es aus. Dann würden sie ihn abschlachten wie ein Tier, wie ein Monster.

Und ein solches war er einfach nicht.

„Piers… Das kannst du mir nicht antun, das können die mir nicht antun. Solange habe ich gehofft und gebetet, ich konnte dich nie ganz aufgeben. Und jetzt bist du hier und sollst mir… einfach wieder genommen werden? Verdammt, nein… nein, das lasse ich bestimmt nicht zu!“

Zum Ende hin war Chris’ Stimme lauter geworden, brach aber auch mit dem letzten Wort, und Tränen rannen dem Soldaten über die Wangen, Tränen der Wut und der Verzweiflung.

Was sollte er nur tun?

Er konnte Piers nicht vor der restlichen B.S.A.A. verstecken, das war unmöglich.

Aber er konnte auch nicht zulassen, dass ihn die Leute vom HQ in die Finger bekamen.

Wenn das passierte, und wenn das Ergebnis ein negatives war, dann würde er seinen Piers nie wieder sehen, dann würden sie ihn töten, noch ehe Chris auch nur ansatzweise erfahren hätte, was denn nun genau bei den Untersuchungen herausgekommen war.
 

Schweigend und geknickt erhob er sich wieder, wischte sich über die Augen und schlurfte mit hängenden Schultern ins Wohnzimmer zurück.

Dort lag der junge Soldat noch immer friedlich schlummernd, unschuldig, wie ein Kind.

Er war so mutig gewesen, so selbstlos… und so verdammt treu.

„Ich passe auf dich auf, Piers. Niemand wird dir etwas antun, das verspreche ich dir. Niemand nimmt dich mir weg“, murmelte Chris, setzte sich wieder zu ihm auf die Couch und hauchte ihm einen sanften Kuss auf die Stirn, wissend, dass sein Scharfschütze schlief, dass er das nicht mitbekam.

Ganz leicht regte Piers sich zwar, aber wie erwartet befand er sich in tiefstem Schlaf und wachte auch noch nicht wieder auf.

Er brauchte die Ruhe gerade einfach.

Er hatte gegessen und getrunken, und nun musste er einfach ein wenig schlafen und wieder Kräfte tanken, damit er bald wieder auf den Beinen war.

Und dann würden sie weitersehen, dann würde Chris schon irgendetwas einfallen.

Das musste es einfach…
 


 


 


 

Als Piers nach einigen Stunden erwachte, war es bereits Nacht, und Chris war eingeschlafen.

Er saß mittlerweile auf dem Teppich und hatte Arme und Kopf auf der Couch aufgelegt, sodass Piers direkt in sein schlafendes Gesicht geblickt hatte, als er aufgewacht war.

Von den schlechten Nachrichten, die Chris erhalten hatte, wusste der junge Soldat natürlich noch nichts.

Und sein Captain würde sich hüten, ihm davon zu berichten.

Piers musste das noch nicht wissen. Nicht, solange es sich vermeiden ließ.

Und vielleicht konnte er ja doch noch etwas erreichen, ein gutes Wort einlegen, irgendetwas tun, um das Schlimmste zu verhindern, wenn es denn soweit kommen sollte.

Seufzend blickte Piers auf Chris hinab, dann nahm er die Decke, mit der er selber die ganze Zeit über zugedeckt gewesen war, und legte seinem Captain diese über die Schultern.

„Danke, dass Sie sich um mich kümmern, Captain…“, flüsterte er und strich kurz hauchzart mit den Fingern über die Wange des Älteren.

Er mochte ihn sehr, das hatte er schon immer.

Seit er bei der B.S.A.A. und in Chris’ Team war, war es seine oberste Priorität gewesen, seinen Captain zu beschützen und ihm immer treu zur Seite zu stehen.

Und nach einer Weile war aus der einfachen Loyalität eines Soldaten gegenüber seinem Captain weitaus mehr geworden.

Freundschaft, Liebe...

Piers wusste nicht, dass er mit seinen Gefühlen nicht alleine dastand.

Er ging davon aus, dass diese Liebe einseitig war, dass Chris keinerlei Interesse an ihm hatte.

Immerhin war der Captain ganze 13 Jahre älter als er.

Sicherlich wäre es für den seltsam gewesen, eine Beziehung mit einem so jungen Mann führen.

Vor allem überhaupt mit einem Mann, das war in erster Linie das Problem.

Piers wusste, dass sein Captain auf Frauen stand.

Er wusste von Jill Valentine, und er wusste, dass diese Chris’ Freundin war. Danach hatte es zumindest immer geklungen.

So oder so war Chris also ohnehin vergeben, und so konnte Piers nur weiterhin versuchen, mit diesen offenbar einseitigen Gefühlen klar zu kommen, und einfach weiterhin treu zu seinem Captain zu stehen.
 

„Du bist wach…“

Dieses Mal war es Chris’ Stimme, die nun Piers aus seinen Gedanken riss.

Der junge Soldat zuckte leicht zusammen, blinzelte und blickte wieder zu Chris, erstarrte schlagartig, als ihm klar wurde, dass er noch immer seine Hand an dessen Wange hatte.

„Ja, ich… ich bin wach…“, murmelte er, zog die Hand weg und räusperte sich leicht.

Er machte sich schon darauf gefasst, dass Chris gleich fragen würde, was das sollte, doch das tat er nicht.

Und schnell wurde Piers klar, dass der Ältere sein Tun wohl gar nicht wirklich mitbekommen hatte.

Er blickte den Scharfschützen zwar direkt an, schien aber schon wieder vollkommen in Gedanken versunken zu sein.

Und Piers entging nicht, dass Chris dabei alles andere als glücklich wirkte.

„Captain, was ist denn los?“, fragte er also besorgt, und ohne groß nachzudenken, legte er die Hand wieder an Chris’ Wange und drehte sein Gesicht so, dass er ihm nun wirklich direkt in die Augen sehen musste.

Er konnte nur hoffen, dass Chris die leichte Röte nicht bemerkte, die sich gerade auf Piers’ Wangen legte, aber er schien Glück zu haben.

Chris’ Blick war nun direkt auf seine Augen gerichtet, und nach und nach kehrte wieder echtes Bewusstsein in diesen zurück, und Chris blinzelte leicht. Ihm wurde wohl gerade klar, dass er gerade vollkommen abwesend gewesen war.

Doch er schwieg noch und blickte den jungen Soldaten einfach nur weiter mit diesem traurigen Blick an.

Und dieser Blick versetzte Piers irgendwie einen Stich. So sollte sein Captain nicht schauen.

Er sollte fröhlich sein, er hatte doch seinen Piers wieder.

Und Gefühle hin oder her, das war doch trotzdem eine gute Nachricht.

Immerhin hatte Chris ja gesagt, er freue sich darüber, dass er wieder da war.
 

„Es ist nichts, ich… ein Albtraum, nichts weiter…“, erwiderte Chris etwas verspätet, nachdem er sich schon aufgesetzt und das Gesicht verzogen hatte, da sein Rücken ziemlich schmerzte.

Er wandte den Blick wieder ab, doch ihm entging trotzdem nicht der skeptische Ausdruck auf Piers’ Gesicht.

Er glaubte ihm nicht, natürlich nicht.

Es war immerhin Piers.

Und Piers wusste genau, wenn sein Captain log, er sah es ihm deutlich an.

„Captain, die Wahrheit bitte“, meinte der Jüngere nun ernst und verschränkte leicht die Arme.

So einfach kam der Ältere ihm nicht davon, auf keinen Fall.

Dieser schien das langsam auch zu begreifen, und ihm wurde klar, dass er gar keine Wahl hatte, als Piers die Wahrheit zu sagen.

„Nicht… nicht Captain, nicht mehr… denke ich…“, seufzte Chris also und lehnte sich müde gegen den Wohnzimmertisch.

Wie sollte er Piers nur beibringen, was man ihm wenige Stunden zuvor berichtet hatte?

Wie ihm klar machen, dass er für seine selbstlose Tat nun so bestraft werden sollte?

Schon jetzt sah Chris das traurige und enttäuschte Gesicht des Jüngeren vor sich, vielleicht würde Piers auch wütend sein, er wusste es nicht.

Auf jeden Fall würde ihn diese Nachricht erschüttern, das stand fest.
 

„Nicht mehr Captain? Heißt das, ich bin nicht mehr in Ihrem Team?“, hakte Piers nach, und im Moment klang er eher noch ziemlich verwirrt.

Aber das war ja auch noch gar nicht die wirklich schlechte Nachricht gewesen, es ging ja noch viel weiter.

„Nicht… Vielleicht… Vielleicht nicht einmal in der B.S.A.A, vielleicht nicht einmal mehr am Leben, ich… ich weiß es nicht, Piers. Ich…“

Chris schüttelte den Kopf, atmete tief durch und erzählte dem Jüngeren dann, was das HQ ihm gesagt hatte, was man mit Piers vorhatte, als was man ihn im Moment ansah.

Und dass er das niemals zulassen würde.

Während er sprach, konnte Chris deutlich sehen, wie Piers’ Blick sich verfinsterte, wie sich das Entsetzen in seine Augen schlich, gemeinsam mit einer gewissen Ungläubigkeit.

Er schien es zunächst auch für einen schlechten Scherz zu halten, doch Chris’ ernste Stimme und sein Blick machten ihm schnell klar, dass der Ältere ihm nicht einfach nur einen Schrecken einjagen wollte.

Nein, das, was Chris da sagte, war sein voller Ernst. Das war es, was das HQ plante, das war es, was sie aus ihm machten. Ein Monster, das möglicherweise vernichtet werden musste.

Hatte er dafür überlebt? Hatte er sich dafür hier bis zu diesem Haus geschleppt?

Nur, um nun doch noch zu sterben? Bestraft zu werden für all das, was er getan hatte?
 

Es war nicht so, dass Piers irgendeinen Dank erwartete, nein.

Er war selbstlos genug, um es einfach so hinzunehmen.

Ganz abgesehen davon war er damals selber sicher gewesen, zu sterben, und es war für ihn in Ordnung gewesen.

Es war seine eigene Entscheidung gewesen, unten zu bleiben, Chris in die Rettungskapsel zu stoßen und sein Entkommen zu sichern.

Er hätte auch auf den Älteren hören können und versuchen, noch etwas durchzuhalten.

Vielleicht hätte es wirklich geklappt.

Aber es war zu riskant gewesen, und letztendlich hatte sich herausgestellt, dass seine Entscheidung die richtige gewesen war.

Wäre er gemeinsam mit Chris geflohen, wären sie beide gestorben.

Immerhin hatte Haos noch gelebt und die Kapsel, in der Chris sich befunden hatte, angegriffen.

Aber das hier ging einfach zu weit, das konnte einfach nicht deren Ernst sein.

Sie wollten ihn aus der B.S.A.A. werfen, mehr noch, sie wollten ihn, wenn ein Antivirus nicht half, einfach umbringen.

Als wäre er ein Monster, das man auslöschen musste, als wäre er irgendein Schwerverbrecher, der die Todesstrafe verdient hatte.

Dabei hatte er niemandem etwas getan, im Gegenteil.

Er hatte vielleicht die gesamte Menschheit gerettet.

Wie viele Menschen mochte dieser Jake Muller getötet haben, bevor sein Blut die Welt gerettet hatte?

Und den feierte man nun als Helden, nur, weil er ein Mensch war?

Nur, weil sein Körper Antikörper gegen alle Viren beherbergte?
 

„Piers, ich… es tut mir leid. Ich wollte es dir eigentlich nicht sagen. Ich wollte versuchen, das zu verhindern. Und ich werde…“

„Schon gut, Cap… Chris…“, meinte Piers nur knapp, und er schüttelte leicht den Kopf, ehe er sich zurücklehnte und die Augen schloss.

„Dann habe ich eben für nichts und wieder nichts überlebt. Naja, wenigstens Sie konnte ich noch mal sehen“, murmelte er seufzend, wischte sich kurz unauffällig über die Augen und atmete tief durch.

War es das also gewesen?

Diese letzte kleine Hoffnung, dass das Antivirus half, konnte den jungen Soldaten irgendwie nicht mehr wirklich aufmuntern. Das reichte einfach nicht mehr aus.

Blinzelnd hob Piers den Kopf, als er aus seinen Gedanken gerissen wurde.

Chris hatte seine rechte Hand ergriffen und etwas in diese gelegt, ehe er sich wieder mit dem Rücken gegen den Tisch gelehnt hatte, seine Hand noch immer haltend.

„Du bist und bleibst mein Soldat, Piers. Mein Scharfschütze… mein Freund. Ich lasse nicht zu, dass sie dich umbringen, ich lasse nicht einmal zu, dass du suspendiert wirst“, meinte er ernst und schüttelte leicht den Kopf.

„Niemals.“

„Danke, danke für alles“, erwiderte Piers mit einem gezwungenen Lächeln, ehe er die Hand aus Chris’ Hand zog, das Abzeichen betrachtete und fest an seine Brust drückte, bevor er sich noch einmal der Müdigkeit und mit ihr einem leichten Schlaf hingab.

Ein folgenschwerer Entschluss

Während Piers nun also wieder schlief, hatte Chris genug Zeit, ein wenig nachzudenken.

Irgendetwas musste er tun, er konnte nicht einfach warten.

Die B.S.A.A. würde sich nicht sonderlich viel Zeit lassen, bis sie jemanden schickten, um Piers abzuholen.

Er musste den jungen Soldaten hier wegschaffen, so schnell wie möglich.

Irgendwo hin, wo niemand ihn so schnell fand.

Chris wusste, dass das auch ihn seinen Job kosten konnte, dass es das mit neunundneunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit auch würde, aber das war ihm egal.

Er hatte ja ohnehin in den Ruhestand gehen wollen. Und wenn es für Piers keine Möglichkeit mehr gab, zurück zu kehren, dann wollte Chris auch nicht mehr bleiben. Schon gar nicht nach dem, was das HQ da plante.

Ihm fiel Wesker wieder ein, und das, was er über diesen gedacht hatte.

Wenn er wirklich auch noch am Leben war, musste Chris das ganz schnell ändern. Dann musste er ihn endgültig vernichten.

Und das bedeutete, dass er zunächst nach Afrika und zu dem Vulkan musste. An den Ort, an dem er Wesker vor guten vier Jahren das letzte Mal begegnet war.

Natürlich würde er diesen dort nicht finden, weder wenn er lebte, noch wenn er tot war.

Aber vielleicht gab es noch irgendeine Spur, irgendeinen kleinen Hinweis, der ihm weiterhalf.

Einen Versuch war es allemal wert.

Und bei der Gelegenheit konnte er auch gleich Piers mitnehmen.

In Afrika würde er vielleicht sicher sein. Zumindest sicherer, als er es hier war.
 

Zwar bestand noch immer die Möglichkeit, dass das Antivirus half, aber daran wollte sich Chris einfach nicht klammern.

Wenn es schief ging, dann war Piers verloren, und dieses Risiko konnte er beim besten Willen nicht eingehen.

Natürlich würde er nichts tun, was Piers nicht wollte.

Wenn dieser ihn bat, es zu versuchen, dann würde er ihn lassen, auch wenn es ihm schwer fallen würde.

Aber Piers sollte seine eigenen Entscheidungen treffen, und momentan war er auch nicht sein Captain, dass er ihm irgendetwas hätte befehlen können.

Nein, im Moment waren sie einfach zwei Männer, die sich mit dem HQ anlegten. Zumindest Chris selber hatte das getan.

Und so, wie Piers reagiert hatte, ging er auch nicht davon aus, dass der Scharfschütze große Lust hatte, sich mitnehmen zu lassen.

Vielleicht gab es ja in Afrika eine Möglichkeit, an ein Antivirus heran zu kommen.

Er hatte noch immer Shevas Nummer.

Und sicherlich wurden einige Proben, zur reinen Vorsicht, auch der B.S.A.A. in Afrika überlassen.

Ebenso würde man aber, sobald das HQ erfuhr, dass Chris und Piers verschwunden waren, eine Warnung an alle Einheiten schicken.

Und dann konnte es sogar in Afrika gefährlich werden. Ganz besonders dann, wenn Chris Kontakt zu Sheva aufnahm.

Andererseits vertraute der der Jüngeren, immerhin waren sie Partner im Kampf gegen Wesker gewesen.

Und er brauchte ja nur eine kleine Probe des Antivirus, eine einzige Spritze.

Dann konnte er selber testen, ob es bei Piers wirkte.

Und wenn, dann konnte er es vielleicht doch noch einmal bei der B.S.A.A. versuchen, konnte versuchen, das HQ zu beruhigen.
 

Und wenn es nicht wirkte, dann musste er weiterhin mit Piers fliehen und einen Ort finden, der rein gar nichts mit der B.S.A.A. zu tun hatte.

Dann würden sie zunächst Wesker suchen und vernichten, falls er noch am Leben war, und anschließend würden sie komplett auswandern, irgendwo gemeinsam ein neues Leben beginnen. Und dann…

Chris schüttelte den Kopf und seufzte schwer.

Was er da überlegte war das, was er wollte.

Ein Leben gemeinsam mit Piers, als Paar.

Aber wer sagte denn, dass das auch im Interesse des jungen Soldaten lag?

Chris wusste ja nicht, ob dieser seine Gefühle erwiderte, ob er ebenfalls mit ihm zusammen sein wollte.

Klar, vermutlich wäre ihm das so oder so weitaus lieber gewesen, als von den Anderen geschnappt zu werden, dennoch würde Chris ihm kein gemeinsames Leben aufzwingen.

„Warum muss alles so schwer sein, Piers? Warum kann nicht einfach mal etwas so laufen, wie man es sich wünscht? Hätten wir das nach allem, was wir getan haben, nicht auch mal verdient? Können wir nicht…“

„Weil das Leben so ist, Chris. Es kümmert sich nicht darum, wer wie viel für wen leistet. Nehmen Sie nur mich. Ich erwarte wirklich keinen Dank, kein nichts. Aber mich als mögliches Monster abzustempeln, das ist auch nicht unbedingt fair…“

Chris zuckte zusammen, als er die Stimme des Jüngeren vernahm, und er blickte zu Piers, der sich aufgesetzt hatte und zu ihm sah.

Er hatte gar nicht bemerkt, dass der Scharfschütze wieder aufgewacht war. Erneut war Chris vollkommen in Gedanken versunken gewesen.
 

„Ja, du hast vermutlich Recht. Wir müssen das Leben nehmen, wie es ist. Und wenn es uns nicht passt, müssen wir selber versuchen, es zu ändern. Und genau das will ich nun auch tun“, murrte der Ältere, atmete tief durch und wandte sich Piers ganz zu.

„Es wird nicht lange dauern, bis das HQ einen Trupp losschickt, um dich abzuholen. Und ich… ich kann und will das um keinen Preis zulassen. Ich meine, wenn du es willst, dann… dann werde ich dich nicht…“

„Was haben Sie vor?“, unterbrach Piers den Älteren, und lächelte ihn leicht an.

„Glauben Sie mir eines, Captain. Und ja… Sie sind und bleiben mein Captain, egal, was passiert... Ich werde mich von denen nicht einfangen und behandeln lassen wie ein Tier! Also… was ist der Plan?“

Bei den Worten huschte auch über Chris’ Lippen ein leichtes Lächeln.

Genau das hatte er erwartet.

Loyalität und Vertrauen, selbst jetzt noch.

Nach Edonia, nach China, nachdem er Piers offenbart hatte, dass er vermutlich nie wieder Soldat der B.S.A.A. sein würde.

Selbst jetzt stand der junge Mann noch treu zu ihm und vertraute darauf, dass der Captain eine Lösung parat hatte.

Und dieser würde seinen Scharfschützen auf keinen Fall enttäuschen.

Der hatte so viel für ihn getan, nun war es an Chris, sich endlich dafür zu revanchieren.

Jetzt hatte er endlich die Möglichkeit dazu.
 

Er seufzte leise, fuhr sich durch die kurzen braunen Haare und lehnte sich leicht in dem Sessel zurück, auf den er sich irgendwann gesetzt hatte. Er erinnerte sich selber schon gar nicht mehr daran, das getan zu haben.

„Ich habe nachgedacht, Piers. Du hast überlebt, vermutlich durch das C-Virus. Und das, obwohl es eigentlich unmöglich war. Und das bedeutet, dass es noch Jemanden gibt, der dieses Glück vielleicht hatte. Jemanden, bei dem es mich nicht sonderlich freuen würde“, murmelte der Ältere nun und blickte Piers direkt in die Augen.

„Albert Wesker?“

„Albert Wesker“, bestätigte er mit einem leichten Nicken, beugte sich etwas nach vorne und stützte die Hänge auf die Knie.

„Bis heute, bis du bei mir aufgetaucht bist, war sich sicher, sein Leben vor vier Jahren endgültig ausgelöscht zu haben. Die Lava, die Raketenwerfer… Ich war sicher, dass selbst ein Wesker das niemals überleben könnte. Aber die Tatsache, dass selbst du noch lebst, jemand, der das Virus noch nicht so lange hatte, der eigentlich nicht in der Lage ist, es gut zu kontrollieren… Ein Gefühl sagt mir, dass auch er noch lebt…“

Kurz schwiegen sie nun beide, und Chris sah, dass Piers nachdachte, dass er völlig in diese Gedanken vertieft war, und dass er genau wusste, auf was das hier hinauslaufen sollte.

„Also… wollen Sie nach Afrika und nach Hinweisen suchen. Sie wollen Gewissheit. Und wenn er lebt, wollen Sie ihn jagen und töten, endgültig töten. Und endgültig sichergehen, sehe ich das richtig?“, hakte Piers auch schon nach, und Chris nickte daraufhin nur knapp.

„Und ich soll Sie begleiten?“

„Wenn du es willst. Ich muss dich hier wegbringen, Piers. Weit weg, irgendwo hin, wo dich die B.S.A.A. nicht so schnell findet. In Afrika ist sie zwar auch vertreten, aber dort befindet sich auch Sheva. Und ich vertraue dieser Frau. Sie wird uns helfen. Se wird dafür sorgen, dass wir dort sicher sind, solange, bis wir Gewissheit über Wesker haben. Und dann… dann könnten wir verschwinden, ganz weit weg, in irgendein Land, das kaum einer kennt. Wir könnten…“
 

In letzter Sekunde war es Chris gelungen, den Satz abzubrechen, bevor er Piers gegenüber hätte sagen können, dass er ein gemeinsames Leben mit ihm führen wollte.

Er war noch soweit, jetzt noch nicht.

Und ganz abgesehen davon, wollte er ihn auch nicht mit so einer Aussage überfallen.

Er musste das gefühlvoller und langsamer angehen.

Er musste Piers vorsichtig klar machen, dass dieser für ihn weitaus mehr war als nur ein einfacher Freund, dass er Gefühle für ihn hegte.

Und wenn Piers diese dann tatsächlich erwiderte, dann konnte Chris ihm seinen Plan noch immer kundtun.

Dann konnte er ihm noch immer sagen, dass er sein restliches Leben am liebsten mit ihm verbringen würde.

Alleine, irgendwo, wo sie Ruhe hatten. Ruhe vor der B.S.A.A., Ruhe vor dem Bioterrorismus.

Natürlich wollte Chris der Welt nicht den Rücken kehren, es würde ihm schwer fallen, den Kampf einfach zu beenden.

Aber auf der anderen Seite… hatte er nicht wirklich genug getan?

Seit so vielen Jahren bekämpfte er den Bioterrorismus schon. Und wie hatte man es ihm gedankt?

S.T.A.R.S. hatte man als Lügner dargestellt, und sie hatten alle verschwinden und fliehen müssen.

Und selbst jetzt, nach all den Jahren, die er bei der B.S.A.A. war, versuchte man immer noch, die Wahrheit zu verschweigen, sollte niemand erfahren, was da draußen wirklich vor sich ging.

Der Präsident hatte es versucht, und prompt hatte Simmons eine weitere Apokalypse eingeleitet, nur um ihn ruhig zu stellen. Und auch Carla hatte so einiges angestellt und für Verwirrung gesorgt.
 

So lange hatte Chris versucht, die Welt zu retten, alles hatte er dafür aufgegeben.

Ein normales Leben, eine mögliche Familie, eben einfach alles.

Selbst seine Schwester Claire bekam er kaum noch zu Gesicht, weil er kaum Zeit hatte.

Und Urlaub war für den Soldaten zu einem Fremdwort geworden.

Und jetzt, nach allem, was er geleistet hatte, fiel man ihm so in den Rücken und wollte ihm alles nehmen, was ihm wirklich noch etwas bedeutete?

Nicht mit ihm, nein.

Sollte sich doch jemand anders um den Bioterrorismus kümmern.

Es waren ja genug Leute da.

Und Chris wusste, dass auch Leon nicht so schnell aufhören würde. Auf den war eindeutig Verlass.

Leon… noch jemand, der alles aufgab in diesem Kampf, und auch ihm wurde es nicht gedankt.

Sie retteten Tag für Tag die Welt, und niemand bekam es mit.

Wie auch bei Piers war es bei Chris nicht so, dass er irgendeinen Dank erwartete, oder dass er als Held angesehen werden wollte, nein.

Aber vielleicht mal ein kleiner Lichtblick, mal etwas Freizeit, etwas Privatleben.

Oder einfach das Wissen, dass da draußen Leute waren, die wussten, wofür sie sich hier Tag um Tag den Arsch aufrissen.

Die wussten, welcher Gefahr sie sich bei jeder Mission aussetzten, um all diese Menschen zu retten, um ihnen ein ruhiges Leben zu ermöglichen, nur, weil irgendwelche kranken Typen einfach nicht begriffen, wie dumm es war, immer und immer wieder mit diesen verdammten Viren und Parasiten herum zu spielen.
 

Nein, Chris hatte langsam einfach die Nase voll.

Und je mehr er sich da gerade hineinsteigerte, desto klarer wurde ihm das.

Die vergangenen Missionen, Edonia und China, hatten ihm einfach den letzten Nerv geraubt.

Er wurde eben auch nicht jünger.

Und auch, wenn er gerade mal knappe 40 Jahre alt war, war das doch ein stolzes Alter für einen aktiven Soldaten, der kaum mal einen Tag Ruhe hatte.

Es konnte ihm doch also niemand verübeln, wenn er jetzt wenigstens noch ein paar Jahre in Ruhe leben wollte oder?

Nur um Piers tat es ihm leid.

Der war noch so jung und musste nun schon so unter dieser ungerechten Welt leiden.

So viele Jahre bei der B.S.A.A hätte er noch vor sich gehabt, aus ihm hätte wirklich etwas werden können. Der beste Scharfschütze war er, er hatte Talent, Potenzial, Führungsqualitäten.

Vor seinem vermeintlichen Tod hätte der junge Soldat ja Chris Nachfolge antreten sollen.

Und die Entscheidung hatte dieser nicht aus einer Laune heraus getroffen.

In Piers hatte er den idealen, den perfekten Nachfolger gesehen.

Das war auch nicht anders gewesen, als er noch nicht sein letzter Soldat gewesen war.

Piers war verdammt stur, er war eigenwillig, und vielleicht ging er manchmal auch zu weit.

Aber in allererster Linie war er zielstrebig, selbstbewusst und perfektionistisch.

Er wusste, was er wollte, er wusste, was er konnte.

Aber er bildete sich darauf nichts ein.

Und all das waren Chris’ Gründe gewesen, und viele andere kamen noch hinzu.
 

Und nun wurde ihm diese Möglichkeit genommen, die Möglichkeit, sich weiter zu entwickeln, eine Führungsposition einzunehmen, seinen Traum zu verwirklichen.

Nun würde er ein Leben auf der Flucht führen müssen.

All die Mühen, all das Training, die ganzen Jahre…

Es war alles umsonst gewesen.

Und diese Tatsache schmerzte Chris sehr. Das war so ungerecht, das hatte Piers einfach nicht verdient. Schon gar nicht er.

Der Soldat kannte niemanden, der sich so sehr für die B.S.A.A. und das Training aufgeopfert hatte, der sooft Tag und Nacht Schießen und Nahkampf geübt hatte, wie Piers.

Er wollte perfekt sein, er wollte funktionieren wie eine Maschine.

Und dennoch war er dabei immer ein Mensch geblieben, hatte die anderen Soldaten geachtet und das Team wie eine Familie angesehen.

Und obwohl er nicht einmal davor zurückgeschreckt war, sich auch mal mit seinem Captain anzulegen, wenn er es als richtig erachtete, hatte er selbst dann immer irgendwie Respekt gezeigt.

„Alles wird gut, Chris, da bin ich sicher. Ich weiß, wie blöd dieser Satz klingt, gerade im Moment, aber… Ich vertraue Ihnen, das wissen Sie oder? Ich vertraue Ihnen, und ich bin an Ihrer Seite. Wir werden herausfinden, ob Wesker lebt, wenn er es tut, schalten wir ihn endgültig aus, und dann werden wir irgendwo in Frieden leben können…“

Bei Piers’ Worten musste Chris etwas lächeln, auch, wenn dieses Lächeln seine Augen nicht wirklich erreichen wollte und eher gequält wirkte.

Es tat gut, dass Piers ihm so vertraute, dass er so optimistisch dachte, und dass er versuchte, auch seinem Captain die Hoffnung zu bewahren.
 

Aber irgendwie schmerzte es auch, schmerzte es zu wissen, dass es schon wieder Piers war, der ihn aufbaute. Dabei hatte er doch jetzt eigentlich für den Scharfschützen da sein wollen.

„Auf dich kann ich mich wirklich immer verlassen, Piers. Egal, um was es geht, du bist immer für mich da. Ohne dich… ohne dich wäre ich längst nicht mehr hier…“, murmelte Chris, senkte den Blick und ballte die Hände zu Fäusten.

Wie sollte er seine Gefühle nur länger zurückhalten?

Wie konnte er weiterhin darüber schweigen, dass er diesen jungen Mann liebte?

Es ging einfach nicht, er konnte das nicht mehr.

Alles oder nichts, was hatte er schon zu verlieren?

Und genau diese Frage half Chris, sich zu beherrschen, noch nichts zu sagen, weiter zu warten.

Er hatte durchaus etwas zu verlieren, nämlich Piers.

Wenn dieser ihn nun abwies, wenn er dann in seiner Wut, oder was auch immer er vielleicht empfand, davonlief, dann würde er dem HQ direkt in die Arme rennen.

Und das durfte auf keinen Fall passieren.

‚Wenn wir in Afrika sind, wenn er sicher ist, dann sage ich es ihm. Und wenn er dann geht, wenn er mich dann verlässt, dann muss ich damit leben, dann muss ich mich Wesker, sollte er noch leben, alleine stellen. Dann weiß ich wenigstens, dass Piers auch vor ihm sicher ist…’

Ja, so würde er es machen. So und nicht anders.

Um Piers’ Willen musste er sich jetzt einfach zusammenreißen, es ging eben nicht anders, auch, wenn es ihm schwer fiel, auch, wenn der junge Soldat ihn schon wieder mit diesem besorgten Blick seiner nussbraunen Augen ansah…

Liebe und Schmerz

Sie hatten noch eine ganze Weile lang schweigend zusammengesessen, und irgendwann war Piers doch noch einmal eingeschlafen, und auch Chris hatte sich ein wenig Ruhe gegönnt.

Der Entschluss stand fest, und der Soldat war doch erleichtert, dass Piers gleich zugesagt hatte, auch, wenn er eigentlich auch gar keine andere Entscheidung erwartet hatte.

Als würde Piers sich einfach so mitnehmen und im schlimmsten Fall umbringen lassen.

Aber ein wenig Angst war durchaus da gewesen.

Immerhin hatte der junge Soldat sich in China geopfert, um Chris und all die anderen Menschen zu retten.

Und wenn er nun eine Gefahr für eben diese Menschen war, dann wäre es vielleicht doch möglich gewesen, dass Piers sich ein weiteres Mal opferte.

Aber das tat er nicht, und das ließ Chris aufatmen.

Piers hatte tatsächlich einen kurzen Moment darüber nachgedacht, Chris zu sagen, dass es besser war, wenn er sich von der B.S.A.A. abholen ließ, wenn sie die Tests durchführten und versuchten, ihm das Antivirus zu verabreichen. Dass er sich, wenn es nicht wirkte, lieber töten ließ, als eine Gefahr für die Menschen, vor allem für ihn, zu sein.

Doch es war Chris’ Blick gewesen, der ihn letztendlich von dieser Entscheidung abgehalten hatte.

Diese Mischung aus Erleichterung und Angst. Erleichterung darüber, dass Piers wieder bei ihm war, Angst davor, dass er ihn so schnell wieder verlieren konnte.

Piers wollte das nicht. Er wollte nicht weg von Chris, er wollte nicht sterben.

Schon gar nicht, nachdem er durch irgendein Wunder eine zweite Chance erhalten hatte.
 

Er würde das Virus schon irgendwie unter Kontrolle bringen, er würde es schaffen.

Und wenn doch nicht, wenn er letzten Endes doch nicht gegen das C-Virus ankam, dann konnte er sich immer noch selber umbringen, solange er sich dann noch irgendwie kontrollieren konnte.

Denn Chris würde ihn nicht einmal dann töten, das wusste der Scharfschütze genau.

Nein, sein Captain würde sich lieber freiwillig von ihm umbringen lassen, als sein Leben zu beenden.

Das war irgendwie ja süß, aber das Wissen schmerzte auch, und es machte die ganze Sache nicht leichter.

Piers stand unter Druck.

Er musste sich um jeden Preis beherrschen, er musste gegen das Virus ankommen und durfte sich keine Schwäche erlauben. Denn das Letzte was er wollte, war Chris zu verletzen oder gar zu töten.

Er liebte ihn doch immerhin.

Und vielleicht war es an der Zeit, ihm das doch zu gestehen.

Piers war sicher, dass Chris ihn dann nicht einfach stehen lassen und gehen würde.

Auch, wenn der Ältere seine Liebe nicht erwiderte, würde er bei ihm bleiben und ihn beschützen, das wusste er ganz genau.

Das war eben einfach Chris’ Art.

Aber wenn das passierte, wenn sich herausstellte, dass der Captain nichts für ihn empfand, dann würde es nur umso schwerer für Piers werden, in seiner Nähe zu sein.

Immer bei ihm, wissend, dass er ihn nie haben konnte, so nah Chris auch bei ihm war.

Seufzend lehnte Piers sich zurück und musterte Chris, der noch immer schlief.
 

Er hatte sich diese Ruhe auf jeden Fall verdient, um im Schlaf wirkte der Soldat so verletzlich und irgendwie niedlich.

Der Scharfschütze lächelte matt, seufzte noch einmal und streckte zögernd eine Hand aus, um kurz ganz sanft über die Wange des Schlafenden zu streichen.

Als dieser sich etwas regte, stoppte Piers mitten in der Bewegung und hielt für einen Moment die Luft an.

Doch Chris wachte nicht auf. Er bewegte sich nur noch einmal ganz leicht, gab ein leises Seufzen von sich und schlief dann tief und entspannt weiter.

Der junge Soldat atmete etwas auf, lehnte sich wieder zurück und betrachtete Chris einfach weiterhin. Er fragte sich, ob dieser gerade wohl etwas träumte, und wenn, ob es ein schöner Traum war.

Ob er auch schon von ihm geträumt hatte?

Ein stummer Fluch kam über Piers’ Lippen und er murrte leise, ehe er den Kopf über sich selber schüttelte.

Er musste endlich damit aufhören, so etwas zu denken.

Das war nun wirklich nicht die richtige Zeit, um sich mit Gefühlen auseinander zu setzen. Zumindest nicht mit diesen Gefühlen.

Und er konnte Chris auch nicht einfach von diesen berichten.

Es gab nun weitaus Wichtigeres, und Chris hatte es so sicherlich schon schwer genug für ihn.

Immerhin riskierte der Captain hier gerade Kopf und Kragen, nur um ihn weg und in Sicherheit zu bringen.

Da musste er es ihm nicht noch schwerer machen, als es vermutlich ohnehin schon war.

Piers schloss nun wieder die Augen, atmete tief durch und dachte ein wenig nach.
 

Er fragte sich, was wohl passieren, was alles auf sie zukommen würde.

Selbst wenn sie in Afrika sicher waren und diese Sheva ihnen half, bedeckt zu bleiben, war da immer noch Wesker.

Wenn dieser wirklich lebte, wenn er noch dort war, würde es auf jeden Fall zu einem Kampf auf Leben und Tod kommen.

Und dieses Mal würde Chris nicht eher Ruhe geben, bis Wesker wirklich tot und am besten in Stücke gerissen vor ihm lag, das war Piers durchaus klar.

Er würde sich davon überzeugen, dass es wirklich vorbei war, und dass der Blonde nie wieder Ärger machen konnte.

Und wenn er nicht lebte?

Wenn Chris’ Sorgen unberechtigt waren und Wesker mausetot war?

Piers fragte sich, was dann sein würde?

Würden sie in Afrika bleiben oder weiterreisen?

Würden sie dann irgendwo zusammen wohnen bis sie alt waren?

Das wäre etwas gewesen, das dem jungen Soldaten durchaus sehr gefallen hätte.

Aber irgendwie glaubte er nicht, dass Chris etwas dergleichen plante.

Er wusste ja nicht, wie sehr er sich da irrte.

Eigentlich hätte alles so leicht sein können, denn sie wollten beide genau das Gleiche.

Sie liebten einander und sie wollten zusammen bleiben, wollten aufeinander aufpassen und einander beschützen.

Aber keiner von ihnen wagte es, dem Anderen eben genau das zu gestehen. Sie beide hatten Angst, dass das Gegenüber diese Gefühle nicht erwiderte.

Und so machten sie es sich komplizierter, als es eigentlich hätte sein müssen.
 


 


 


 


 

Als er leise seinen Namen hörte, blinzelte Piers leicht, und er merkte, wie er in dem Sessel etwas zusammengesunken war. Anscheinend war er irgendwann doch noch einmal eingeschlafen.

Er murrte leise, öffnete die Augen ganz und blickte direkt in Chris’ Gesicht, das sich ganz nah an seinem befand.

Unbewusst hielt der Scharfschütze die Luft an und starrte dem Älteren direkt in die braunen Augen.

„Was… was ist, Captain?“, murmelte er, beherrscht, nicht zu verlegen zu klingen.

Aber vermutlich war er ohnehin bereits knallrot angelaufen.

Er schluckte leicht und wartete ab, während Chris so nah bei ihm blieb und ihn fast ein wenig besorgt zu mustern schien.

„Du hattest wohl einen Albtraum. Du warst ziemlich unruhig, und du… du hast meinen Namen gemurmelt…“, erklärte Chris dann, während er sich leicht verlegen den Nacken rieb.

„Ziemlich… sanft…“

Er erhob sich, atmete tief durch und drehte sich dann um, wandte Piers somit den Rücken zu; eine Geste, die dieser nun ziemlich falsch verstand.

Als ihm langsam aber sicher klar wurde, dass der Traum, an den er sich in keinster Weise erinnern konnte, wohl doch nicht so schlecht gewesen war, konnte er sich auch denken, was Chris dahinter vermutete.

Und da er sich nun abwandte, war Piers sicher, dass nun erst einmal ein ziemlich langes und ungemütliches Schweigen zwischen ihnen herrschen würde.

Das musste er um jeden Preis irgendwie vermeiden.
 

„Captain, ich…“

„Ich bin nicht mehr dein Captain, Piers. Also lass das bitte. Die B.S.A.A. werden wir hinter uns lassen müssen.“, erwiderte der ältere Soldat, schärfer, als er es eigentlich beabsichtigt hatte.

Und natürlich galt seine Wut keinesfalls Piers, sondern den Mitgliedern der B.S.A.A., die ihm eben diesen wegnehmen wollten.

„Tut mir leid…“

Chris biss sich auf die Lippen und hob leicht wieder den Blick.

Piers’ Stimme klang so schuldbewusst und unsicher, dass sich alles in dem Älteren zusammenzog.

Schweigend drehte er sich um, und es wurde gleich noch schlimmer, als er den Scharfschützen nun nicht mehr nur hörte, sondern auch sah.

Er hatte sich in dem Sessel zusammengekauert und den Blick stur auf den Boden gerichtet.

Etwas Blut tropfte von seiner Lippe, weil er sich diese schon halb zerbiss, doch Piers schien das nicht einmal wirklich zu bemerken.

Er wirkte vollkommen abwesend.

Den Kopf hatte er auf die Hände gestützt, und diese krallten sich etwas in seine kurzen braunen Haare.

„Piers…“

Chris schluckte schwer, trat auf den Scharfschützen zu und ging vor dem Sessel leicht in die Hocke, ehe er die Hand ausstreckte und den Jüngeren leicht an der Schulter berührte.

Wie in Zeitlupe hob dieser den Kopf und blickte Chris mit erschreckend leeren Augen an.

Dieser Blick…

Er sah ihn nicht nur so an, weil er gerade etwas scharf angefahren worden war, da musste noch etwas anderes sein.

Da war ein Schmerz in Piers’ Augen, eine Unsicherheit, die Chris nicht verstand, die ihn aber irgendwie schmerzte, und die das Verlangen verstärkte, ihm einfach zu sagen, was er empfand, oder ihn am besten gleich zu überfallen und zu küssen.

Aber er tat es nicht, er riss sich zusammen, auch, wenn es ihm nur immer schwerer und schwerer fiel.
 

„Chris, ich… Ich bin…“, begann Piers, schluckte leicht und senkte den Blick wieder auf den Boden, während sich seine Hände zu Fäusten ballten.

Passender Moment oder nicht, er konnte einfach nicht mehr anders.

Und diese verdammten Gefühle setzten ihm so zu, dass er egoistisch genug war, Chris nun auch noch damit zu belasten.

Mehr als ihn abweisen konnte dieser nicht.

Und wenn er das tat, dann war Piers es wenigstens los, dann hatte er es gesagt, und diese Spannung würde von ihm abfallen.

Sie würde Trauer und Enttäuschung Platz machen, aber dafür hatte er dann Sicherheit und konnte versuchen, diese zu verarbeiten.

Das war allemal besser, als so unsicher zu sein und sich die ganze Zeit über vielleicht falsche Hoffnungen zu machen.

„Was bist du, Piers?“, wollte Chris nun wissen, und wieder war seine Stimme voller Sorge, und er musterte Piers kritisch.

Hatte dieser Schmerzen? Stimmte etwas nicht? Wollte er ihm sagen, dass er es sich doch anders überlegt hatte, und dass er das Risiko nicht eingehen wollte, einmal über den ganzen Globus gejagt zu werden?

Oder…

„Ich… liebe dich…“

Chris stockte und hielt für einen Moment die Luft an, und er hatte das Gefühl, dass selbst sein Herz für einen Schlag ausgesetzt hatte.

Schweigend hockte er da, starrte den Jüngeren an und rang nach Fassung.

Das konnte Piers gerade nicht gesagt haben, das war unmöglich.
 

Der Soldat schnappte nach Luft, blinzelte leicht und stand dann ruckartig auf.

Das war genau das, was er eigentlich hatte hören, was er ja sogar selber hatte sagen wollen.

Er hätte glücklich sein müssen, er hätte Piers nun um den Hals fallen und stürmisch küssen müssen.

Aber nichts dergleichen tat er.

Stattdessen drehte Chris sich um, blickte aus dem Fenster und schloss leicht die Augen, ohne auch nur das Geringste auf Piers’ Worte zu erwidern.

Das konnte einfach nicht wahr sein, er musste träumen.

Piers liebte ihn, und er hatte den Mut gehabt, das auch zu sagen.

Und was machte er selber nun?

Er zog den Schwanz ein und wandte sich einfach ab, ohne auch nur ein Wort gesagt zu haben.

Er war einfach überrumpelt, er hatte damit schlicht und ergreifend nicht gerechnet.

Und nun hatte Chris im ersten Moment einfach panisch gehandelt.

Als er sich nun wieder umwandte, saß Piers nicht mehr im Sessel.

Er hatte sich erhoben und umgedreht und war nun auf dem Weg zur Tür.

„Wo… wo willst du hin?“, fragte Chris, und er schluckte schwer, als Piers stehen blieb, ohne sich zu ihm umzuwenden.

Unsicher starrte er auf den Rücken des Jüngeren und biss sich selber wieder auf die Lippen.

Er verletzte Piers gerade sehr, obwohl es überhaupt nicht sein musste.

Er liebte ihn doch auch, er wollte nicht, dass der Jüngere nun ging, ohne das zu wissen.

„Ich kann nicht länger hier bleiben, Chris, ich… ich kann das einfach nicht…“, murmelte der Scharfschütze, und er ließ leicht den Kopf hängen.

Irgendwie war das doch anders gelaufen, als er erwartet hatte.
 

Piers war sicher gewesen, es verarbeiten zu können, wenn er erst einmal Gewissheit hatte, doch da hatte er sich geirrt.

Ein ‚Ich dich aber nicht’ hätte ihm wohl weniger zugesetzte als diese eine Geste, als das Schweigen, mit dem Chris auf sein Geständnis geantwortet hatte.

Er ballte die Hände zu Fäusten, atmete zittrig durch und wandte sich dann doch um.

In seinen Augen schimmerte es verdächtig, aber noch kamen keine Tränen, noch schaffte der junge Soldat es, sich zusammenzureißen.

Er würde nicht weinen, nicht vor Chris. Er wollte stark sein, er wollte sich selbst jetzt noch beweisen und seinem Captain zeigen, dass er sich zusammenreißen konnte, auch, wenn dieser vor wenigen Momenten noch klar gemacht hatte, dass er nicht mehr sein Captain war.

Für Piers jedoch würde er das immer bleiben, ganz egal, was geschah.

Und er würde Chris auch immer folgen, überall hin, wenn dieser ihn darum bat.

Aber das würde er nun vermutlich nicht mehr.

Piers hatte Chris seine Gefühle gestanden, und vermutlich hatte er dadurch alles ruiniert.

Immer fester biss er sich auf die Lippen, und er konnte wieder ein wenig Blut schmecken, was ihn jedoch kaum wirklich störte.

Es war vorbei, er hatte es vermasselt.

Chris hatte ihn abgewiesen, das war mehr als deutlich gewesen. Immerhin hatte dieser nicht einmal ein einziges Wort zu seinem Geständnis gesagt.

Nun würde Piers zur B.S.A.A. gehen, das war alles was er noch tun konnte.

Nicht, weil er sich durch Chris’ Tun gleich umbringen wollte, sondern schlicht und ergreifend, weil ihn nun nichts mehr hier hielt.

Zur Flucht hatte er sich entschlossen, weil er bei seinem Captain hatte sein wollen.

Und natürlich wollte er das noch immer.

Aber er konnte das einfach nicht mehr. Nicht, wenn der Ältere ihn so abwies, das ertrug er einfach nicht.
 

„Bitte… Piers…!“

Schweigend drehte sich der junge Soldat wieder um, seufzte traurig, schüttelte leicht den Kopf und drückte die Klinke herunter, ehe er langsam die Tür aufzog.

Er musste einfach gehen.

Vielleicht würde er noch warten, bis er zur B.S.A.A. ging, vielleicht würde es ihm etwas besser gehen, wenn er eine Weile lang alleine gewesen war und nachgedacht hatte.

Aber hier bleiben konnte er nicht, nicht jetzt.

Nun musste er einfach ein paar Stunden für sich alleine sein und das verarbeiten.

Er brauchte Ruhe, er konnte Chris gerade schlicht und ergreifend nicht ansehen.

Seufzend öffnete er die Tür also ganz und setzte einen Fuß über die Schwelle, als er mehrere Geräusche vernahm und verwirrt den Blick hob.

Grelles Licht blendete ihn, Licht, das direkt auf die Tür gerichtet war, Schritte erklangen, und irgendjemand sagte, er solle stehen bleiben, die Hände heben und sich nicht rühren.

Und dann ging alles viel zu schnell.

Kräftige Hände packten Piers, noch ehe er der Aufforderung hätte nachkommen können, und zogen ihn nach draußen, mehrere Stimmen riefen etwas, und unter ihnen konnte Piers auch die Stimme seines Captains ausmachen, die seinen Namen schrie, die verlangte, dass man ihn sofort losließ, dass er sonst verdammt ungemütlich werden konnte.

Dann ertönten Schüsse, ein Keuchen war zu hören, und ein schwerer Körper ging zu Boden.

Erkennen konnte Piers nicht wirklich etwas, dazu war er noch viel zu geblendet.

Er hörte sich nur selber Chris’ Namen schreien und versuchte fast panisch, sich aus dem starken Griff zu befreien, um zu seinem Captain zu eilen, ehe irgendjemand ihm einen Schlag in den Nacken verpasste und seine Wahrnehmung ausschaltete.

Verzweifelter Rettungsversuch

Piers blinzelte ein paar Mal, und erst nach wenigen Momenten schaffte er es, die Augen ganz zu öffnen.

Sein Nacken schmerzte ziemlich, und irgendwie war dem jungen Mann auch übel.

Müde hob er den Kopf und versuchte, sich aufzusetzen, doch weit kam er bei diesem Versuch nicht.

Erst jetzt spürte er, dass seine Hände mit schweren Eisenketten an der Wand festgemacht waren, und auch um seinen Hals legte sich ein Eisenring.

Die Schmerzen kamen vermutlich eher durch diesen, als durch den Schlag, der ihm das Bewusstsein geraubt hatte.

Für einen Moment schloss Piers die Augen wieder und versuchte, sich an alles zu erinnern.

Er hatte kaum etwas gesehen, da er geblendet worden war, aber er war sicher, dass es sich bei den Männern, die plötzlich vor Chris’ Tür aufgetaucht waren, um B.S.A.A.-Soldaten gehandelt hatte.

Sie waren also schneller gewesen als erwartet.

‚Wäre ich doch nur nicht gegangen, hätte ich die Tür nicht geöffnet, dann hätte ich das hier vielleicht verhindern können. Und Chris… was ist mit Chris?’, dachte Piers verzweifelt, während er die Augen wieder öffnete und sich in dem Raum, in dem er gefangen war, etwas umsah.
 

Es war ein kleines Zimmer mit grauen Steinwänden und einer Tür, die kaum zwei Meter von dem jungen Mann entfernt war.

Und auch die anderen beiden Wände befanden sich etwa in gleicher Nähe zu ihm.

Ein quadratischer, ziemlich kleiner Raum, in dem sich nichts weiter befand als die Ketten, mit denen der Soldat festgemacht war.

Die Tür war aus massivem Metall und gab dem Raum erst recht etwas von einer alten Kerkerzelle.

Passend zu diesem Eindruck befand sich im oberen Bereich der Tür eine Art kleines Fenster, durch das man hineinsehen konnte, wenn man eine Metallplatte zur Seite schob.

Man behandelte Piers schon jetzt wie ein Monster, obwohl nicht einmal feststand, dass das Virus stärker war, oder dass das Gegenmittel nicht wirkte.

Und er bereute es, wirklich darüber nachgedacht zu haben, freiwillig her zu kommen.

Aber nun war das nicht mehr zu ändern.

Nun war er hier, und er konnte nichts mehr tun, um das Schlimmste zu verhindern.

Vielleicht hatte er Glück, vielleicht wirkte das Gegenmittel.

Und wenn nicht, würde er sterben müssen.

Dann waren die Menschen zumindest vor ihm sicher.

Aber dann gab es da draußen noch immer genug andere Infizierte, die eine Gefahr für sie waren.

Und er selber würde gegen diese dann nichts mehr ausrichten können.

Das war einfach ungerecht, und langsam wurde Piers doch ein wenig wütend.
 

Doch diese Wut wurde gleich wieder von Sorge überschattet, als er weiterhin versuchte, sich an alles zu erinnern, und als das Geräusch des stürzenden Körpers wieder in sein Gedächtnis kam. Und der Schuss.

Chris…

Sie hatten auf Chris geschossen. Und sie hatten ihn offenbar getroffen.

Piers hoffte sehr, dass sein Captain am Leben war, dass die Soldaten ihn nicht einfach umgebracht hatten.

Er hatte ihnen nichts getan, er hatte nur Piers verteidigt.

Und dafür hatten sie gleich ihre Waffen sprechen lassen.

Nun wurde Piers doch wieder wütender, während er daran dachte, und sein ganzer Körper spannte sich an.

Wie sehr er diese Soldaten doch hasste, wie sehr er sich gerade ihren Tod wünschte.

Sie alle würden dafür bezahlen, wie sie mit ihm umsprangen, und dafür, was sie seinem Chris angetan hatten.

Wenn er lebte, würde er sie schnell töten, wenn er tot war, würde jeder Einzelne von ihnen Höllenqualen erleiden müssen, das schwor der junge Soldat sich.

Leicht spannte er sich dabei an, knurrte leise und stemmte sich gegen die Ketten.

Natürlich brachte das nichts, und nur ein leichtes Knirschen war zu hören, als die Scharniere sich etwas bewegten.

Aber die Ketten saßen fest und würden nicht nachgeben. Sie waren dafür gemacht, auch starke Gefangene festzuhalten.

Vielleicht waren sie sogar stark genug, eine größere BOW ohne wirkliche Risiken an diese Wand zu binden, um sie zu untersuchen oder sonst etwas mit ihr anzustellen.

Mittlerweile war Piers bereit, der B.S.A.A. so etwas zuzutrauen.
 

Er war einfach sauer, enttäuscht, er fühlte sich verraten von dieser Organisation.

Jahrelang hatte er für die B.S.A.A. gearbeitet und sich als Soldat mehr als nur angestrengt, weil er sicher gewesen war, das Richtige zu tun.

Und das hatte er ja auch.

Er hatte an Chris’ Seite und gemeinsam mit anderen Soldaten Infizierte und BOWs vernichtet, hatte die Menschen von diesen befreit und für Ruhe gesorgt.

Und die ganze Zeit über war er sicher gewesen, dass die B.S.A.A. nur aus Helden bestand, dass sie das genaue Gegenstück zu Organisationen wie Umbrella oder Tricell war.

Aber er hatte sich offensichtlich geirrt.

Nach außen hin mochten sie wie die perfekten Helden wirken, aber auch bei der B.S.A.A. schien es Geheimnisse zu geben.

Sie kämpften perfekt gegen BOWs, sie zeigten keine Gnade. Nicht einmal dann, wenn die eigenen Leute betroffen waren.

Jede Gefahr musste gleich gebannt werden, jeder potenzielle Feind musste um jeden Preis vernichtet werden. Hier wurde kein Erbarmen gezeigt.

Im Krieg mussten eben Opfer gebracht werden, und Krieg war der Kampf gegen die Viren eindeutig.

Irgendwie konnte Piers die Entscheidung der hohen B.S.A.A.-Mitglieder ja verstehen, natürlich.

Er wollte niemanden gefährden, er wollte nicht am Ende als willenlose BOW Amok laufen.

Und es war eigentlich nur normal, dass man da sichergehen und keine Risiken eingehen wollte.

Aber man musste ihn doch nicht gleich wie ein Tier behandeln und wegsperren. Er hatte noch nichts getan, er war nicht mutiert.

Noch hatte Piers das Virus wunderbar unter Kontrolle.

Noch konnte man normal mit ihm reden, und er würde sich freiwillig den Tests unterziehen.

Das hier war einfach unnötig, und Piers verstand nicht, warum die B.S.A.A. so übertrieben vorsichtig gewesen war.

Ganz abgesehen davon, dass die Soldaten ohne zu zögern einfach auf eines der besten und wichtigsten Mitglieder geschossen hatten.
 

Piers wurde jedoch jäh aus seinen Gedanken gerissen, als er Geräusche vernahm, und im nächsten Moment öffnete sich die schwere Stahltür zu seiner kleinen Zelle.

Müde hob der junge Soldat wieder den Blick und blinzelte in den hellen Gang, der nun vor ihm erschien.

Das Zimmer war nur spärlich von einer kleinen alten Lampe beleuchtet worden, und so war Piers nun regelrecht geblendet von den Neonröhren an der weißen Decke.

Offenbar befand sich die Zelle inmitten eines Labors.

Die Wände des Ganges waren ebenso weiß wie die Decke, alles wirkte steril und irgendwie unheimlich tot.

Der Mann, der nun den Raum betrat, wirkte auf den ersten Moment wie ein Geist, da er durch seinen weißen Kittel und die weiße Hose, die er trug, mit dem Hintergrund zu verschmelzen schien.

Nur sein sonnengebräuntes Gesicht stach aus dieser weißen Masse hervor, als er den Kopf nun etwas nach vorne neigte und den jungen Mann betrachtete.

Piers hatte den Wissenschaftler bisher nur ein paar Mal flüchtig gesehen, als dieser an den Büros vorbeigelaufen war oder das HQ betreten und verlassen hatte.

In den Labors hielten die Soldaten sich ja selten auf.

Die einzige Wissenschaftlerin, die Piers durch Chris’ Erzählungen etwas besser kennen gelernt hatte, war Rebecca Chambers. Aber auch diese bekam er so gut wie nie zu Gesicht.

Er seufzte leise, verengte etwas die Augen und ließ dann einfach den Kopf hängen.

So wütend er gerade noch gewesen war, so müde und hoffnungslos wurde er nun.

Er hatte Angst um Chris, Angst um sich selber, und er konnte rein gar nichts tun.

Wenn er nun versuchte, zu fliehen, wenn er sich wehrte, sobald er losgebunden wurde, dann würde man ihn auf der Stelle umbringen.

Er war unbewaffnet, und er hatte keine Ahnung, wie man das Virus für seine eigenen Zwecke nutzte, wie man es richtig kontrollierte.

In der Einrichtung in China hatte er einfach gehandelt, ohne wirklich nachzudenken.

Sein Wunsch, Chris zu retten, war so groß gewesen, dass sein Körper einfach automatisch funktioniert und das Richtige getan hatte.

Piers wusste durchaus, wie riskant das gewesen war, doch er hatte einfach keine Wahl gehabt.
 

Nun jedoch standen die Dinge anders.

Chris war vielleicht schon tot, und selbst wenn nicht, würde er so schnell nicht zu diesem kommen.

Sein Wille war fast gebrochen, und das Virus war nicht gerade erst in seinen Körper gelangt, es war nicht so stark und aggressiv wie damals.

Der junge Soldat konnte nichts tun, als sich zu fügen und alles über sich ergehen zu lassen, was nun passieren würde.

Wenn er Glück hatte, wenn das Antivirus half, dann würde alles wieder gut werden.

Und wenn nicht, dann würde er sich darüber auch keine Gedanken mehr machen müssen. Immerhin.

Der B.S.A.A. würde er so oder so den Rücken kehren, das nahm er sich fest vor.

Natürlich gab es noch immer einige Soldaten, die Piers wichtig waren, allen voran natürlich Chris, aber das war es einfach nicht mehr wert.

Und er war ohnehin sicher, dass Chris, wenn er noch lebte, vermutlich ebenso dachte wie er.

Der Captain hatte ja ohnehin in den Ruhestand gehen wollen.

„Sie kommen für die Tests?“, hakte Piers nun nach und hob den Kopf doch wieder etwas an.

Der Wissenschaftler hatte noch kein Wort gesagt, und er hatte auch nichts getan, war keinen Schritt näher gekommen.

Er stand einfach schweigend in der kleinen Tür, die er selbst mit seinem eher schlaksigen Körper vollkommen ausfüllte.

So ein muskulöser Typ wie Chris hätte vermutlich Schwierigkeiten gehabt, überhaupt durch zu kommen.

„Hey?“, versuchte Piers es nun etwas lauter, als der Mann noch immer nicht reagiert hatte.

Dann wurde ihm mit einem Mal auch klar, warum das so war, und nun merkte Piers auch, dass es gar nicht der schlanke aber hoch gebaute Wissenschaftler war, der das Licht des Ganges nun fast wieder aussperrte, dass dieser die Tür gar nicht so sehr ausfüllte.
 

Blut rann über die Lippen des Mannes, dann folgte ein Ächzen, und im nächsten Moment kippte er vornüber, direkt vor Piers’ Füße.

Ein Messer steckte in seinem Rücken, und hinter dem Wissenschaftler stand eine weitere Gestalt, in etwa gleich groß, jedoch um einiges massiger. Nicht dick, einfach nur sehr muskulös.

„Captain…“, nuschelte Piers, und ein mattes Lächeln huschte über seine Lippen.

Er hatte keine Ahnung, wie Chris es geschafft hatte, unbemerkt hier rein zu kommen, aber das spielte auch keine Rolle.

Er war hier, er war wegen ihm hier, um ihn zu retten.

Der junge Soldat blickte auf und sah, dass das Shirt, das Chris trug, an seiner rechten Seite blutgetränkt war.

Darunter schimmerte es weißrot, vermutlich ein Verband.

Sie hatten ihn erwischt, aber er lebte. Und darüber war Piers unendlich erleichtert.

„Ich bring dich hier raus“, meinte Chris nun nur knapp, und ohne sonst etwas zu sagen.

Langsam trat er auf den Scharfschützen zu, beugte sich hinab und zog erst einmal das Messer aus dem Rücken des nun toten Wissenschaftlers, ehe er dessen Leiche nach den Schlüsseln für die Ketten abtastete.

Schnell hatte er sie gefunden, holte sie hervor und löste zuerst den Riemen um Piers’ Hals, ehe er auch seine Hände von den Ketten befreite.

Schwach kippte ihm der junge Soldat entgegen, und Chris fing ihn vorsichtig auf.

„Kannst du laufen?“, fragte er leise, und Piers erwiderte diese Frage mit einem schwachen Nicken, während er sich auch schon im gleichen Moment daran machte, irgendwie auf die Beine zu kommen.

Er wusste nicht, warum er so schlapp war, vermutete aber, dass man ihm irgendein Mittel verabreicht hatte.

Es gelang ihm, hoch zu kommen, und er musste sich nur einen Moment lang etwas auf seinen Captain stützen, als ihm ein wenig schwindelig wurde.

Dann jedoch stand Piers relativ fest auf den Beinen, und er nickte dem Älteren leicht zu.

„Danke…“, flüsterte er, was Chris jedoch nur mit einem leichten Kopfschütteln quittierte.
 

Der Soldat wandte sich um, blickte in den Gang hinaus und hielt Piers dann sein Messer hin, damit er nicht ganz unbewaffnet war.

Dankbar nahm dieser die Waffe entgegen, warf noch einen letzten Blick auf den Toten und folgte seinem Captain dann aus dem kleinen Raum heraus.

Er schwieg, wartete einfach ab und sah kurz an Chris vorbei.

Der Ältere war schon mehrmals hier unten gewesen, er kannte sich ein wenig aus.

Und Piers war nun vollkommen auf ihn angewiesen und konnte nichts weiter tun, als seinem Captain einfach zu folgen.

Aber er vertraute diesem ja ohnehin blind und würde ihm überall hin folgen.

Das letzte Gespräch kam ihm wieder in den Sinn, und erneut biss Piers sich auf die Lippen, die nun etwas trocken waren und gleich wieder zu bluten begannen.

Wie lange war er schon hier? Wie lange hatte er bewusstlos in der Zelle gesessen? Und was war noch passiert?

All diese Fragen stellte sich Piers, und keine würde Chris ihm beantworten können, bis auf die, wie lange er schon weg war.

Er stellte diese Frage dann auch gleich, erhielt aber wieder nur eine knappe Antwort.

„Zwei Tage“ lautete diese, und der Scharfschütze zuckte ganz leicht zusammen.

Chris musste wirklich wütend auf ihn sein, und Piers verstand das durchaus.

Immerhin war er so unvorsichtig gewesen, einfach zu gehen, obwohl er es besser hätte wissen müssen.

Er hatte ja keine Ahnung, dass Chris gar nicht auf ihn, sondern vielmehr auf sich selber sauer war.

Zum Einen, weil der Jüngere gegangen war, weil er selber es nicht geschafft hatte, ihm zu sagen, dass er das Gleiche empfand, zum Anderen, weil es ihm anschließend nicht gelungen war, Piers zu beschützen.

Er hatte auf ganzer Linie versagt.

Einige Minuten lang gingen sie schweigend durch den Gang, dann jedoch hielt Piers es einfach nicht mehr aus.

Er wusste, dass das nicht der richtige Moment war, und der richtige Ort schon gar nicht.

Aber sie konnten sich nicht weiter so anschweigen, und es schmerzte so sehr, wie abweisend Chris ihm gegenüber gerade war.

Er blieb stehen, atmete zittrig durch und griff dann einfach nach dem Arm des Älteren.

„Bitte…“, flüsterte er, und seine Stimme klang ungewohnt brüchig.

„Ich…“
 

Doch weiter kam er nicht.

Chris hatte ihn mit einem Mal an beiden Armen gepackt, öffnete hastig eine Tür und stieß den jungen Soldaten in den Raum dahinter, ehe er ihm folgte, die Tür zuschlug und den Jüngeren gegen die Wand drückte.

Verwirrt und fast etwas panisch starrte Piers seinen Captain an, ohne auch nur ein Wort raus zu bringen.

„Was…?“, begann er dann, doch Chris legte ihm nur einen Finger auf die Lippen und schüttelte den Kopf.

„Später…“, flüsterte er, dann verstummte er und lauschte in die Stille hinein.

Und nun verstand Piers auch, warum Chris ihn so grob und übereilt in diesen Raum gezerrt hatte.

Auf dem Gang erklangen Schritte, die langsam aber sicher näher kamen.

Vermutlich vermisste man den Wissenschaftler und ihn schon.

Immerhin hatte der Kerl ihn für die Tests abholen sollen, zumindest ging Piers davon aus.

Auf jeden Fall hatte er ihn holen sollen, und da er nicht zurückkam, suchte man natürlich nach ihm.

Vielleicht ging man davon aus, dass das Virus die Kontrolle übernommen und Piers den Mann angegriffen hatte.

Sie würden sich wundern, wenn sie den Wissenschaftler tot mit einer Stichverletzung auffanden.

Denn eine Waffe hatte Piers nicht dabei gehabt.

Man hatte ihn bis auf die Hose und das Unterhemd von Chris ausgezogen.

Und bei sich getragen hatte der junge Soldat ohnehin nichts, als er zu Chris gegangen war.

Er schwieg nun, atmete tief durch und lehnte sich ganz leicht an den Älteren.

Er konnte einfach nicht anders, er brauchte diese Nähe.

Chris’ Anwesenheit gab ihm Sicherheit und ließ ihn sich so unglaublich geborgen fühlen.

„Ganz ruhig, wir kommen hier raus. Ich versprech es dir. Dieses Mal lasse ich dich um keinen Preis zurück“, hauchte Chris in sein Ohr, was einen leichten Schauer über Piers’ Rücken fahren ließ.

Er schloss die Augen, seufzte leise und spürte mit einem Mal, wie sich Chris’ starke Arme um seinen Körper legten.

Erst anschließend bemerkte er, dass seine Beine nachgegeben hatten, und dass sein Captain ihn nun sanft aber bestimmt festhielt.

Er stand wohl doch nicht so sicher, wie er gedacht hatte.
 

„Was jetzt?“, fragte Piers leise, hob etwas den Blick und sah zu dem Älteren auf.

Sobald die anderen Wissenschaftler bemerkten, dass ihr Kollege tot und Piers verschwunden war, würden sie nach ihm suchen.

Und die Räume, die sich in diesem Gang befanden, würden sie einen nach dem anderen abklappern, das stand fest.

Im Moment befanden sie sich in einer Art Abstellkammer, die allerdings bis auf ein paar leere Gläser und Flaschen in den Regalen, sowie einen Besen und Putzeimer leer war.

Aber das brachte sie nicht wirklich weiter, es gab kein Entkommen.

Hier war nur eine einzige Tür, und die führte auf den Gang zurück.

Vermutlich würden sie kämpfen müssen, wenn sie entkommen wollten.

„Vertrau mir einfach“, erwiderte Chris, und er lächelte leicht, ehe er Piers einen sanften Kuss auf die Stirn hauchte.

Und noch eher dieser das irgendwie hatte realisieren können, hatte Chris die Tür aufgestoßen und sprang auf den Gang hinaus.

Im nächsten Moment hörte Piers erschrockene Schreie, dann Schüsse, und in der nächsten Sekunde brach auf dem Gang die Hölle los.

Wieder riefen Stimmen, dann ertönte ein Alarm, und weitere Schritte näherten sich.

Piers folgte seinem Captain nun aus dem Raum, rammte einem Wissenschaftler das Messer in den Hals, fuhr herum und brach einem weiteren Mann das Genick, als dieser sich gerade an Chris hatte heranschleichen wollen.
 

Und kurz darauf wurde seine Hand gepackt, und Chris zerrte den jungen Soldaten mit sich, hastete mit ihm durch den Gang, weg von den noch immer schießenden Wissenschaftlern, direkt auf den Notausgang zu.

Wenn sie diese Tür erst erreicht und passiert hatten, würde alles gut werden.

Dann waren sie immerhin draußen, dann konnten sie weiterlaufen, dann wären sie so gut wie in Sicherheit.

Diese Hoffnung ließ das Adrenalin in Piers’ Körper schießen, und er beschleunigte seine Schritte, sodass Chris ihn nicht mehr hinter sich her ziehen musste.

Sie kamen der rettenden Tür immer näher, das grüne Schild leuchtete und pries den Weg in die Freiheit an.

Doch sie erreichten sie nicht.

Wieder krachten Schüsse, und mit einem Mal spürte Piers, wie sich Chris’ Hand um seine löste, und nur einen kurzen Moment später brach der Ältere mit einem kraftlosen Keuchen einfach zusammen.

Erschrocken hielt der junge Soldat inne und wandte sich um, sank neben dem Gestürzten auf die Knie und rüttelte an seinen Schultern, schrie seinen Namen, bat ihn, wieder aufzuwachen und durchzuhalten, ohne dabei noch auf die Verfolger zu achten.

Aber Chris reagierte nicht.

Er lebte, er atmete, das konnte Piers deutlich erkennen, und ganz leicht regte sich der Ältere sogar.

„Komm schon…“, flüsterte der Scharfschütze noch, dann jedoch kassierte er einen weiteren Schlag, dieses Mal auf den Hinterkopf, und wieder schalteten sich seine Sinne ab, und Piers sackte neben seinem Captain zusammen.

Für die Wissenschaft?

Als Piers dieses Mal erwachte, war ihm wirklich übel, und der ganze Raum drehte sich um ihn, kaum dass er die Augen einen Spalt weit geöffnet hatte.

Er befand sich nicht wieder in der Zelle, sondern lag nun in einem hellen und großen Zimmer auf einer Art OP-Tisch, an den er auch mit Metallriemen festgeschnallt war.

Um ihn herum standen Regale an den Wänden aufgereiht, und hier und da konnte er einige Geräte ausmachen, von denen er die Hälfte aber nicht einmal kannte.

Zwei weitere Liegen standen noch in dem Raum, auch diese mit Metallriemen bestückt, und am anderen Ende des Zimmers befand sich eine große Tür mit Fenstern, durch die hindurch man in einen weiteren schneeweißen Gang blicken konnte.

Vielleicht war es aber auch der selbe Gang, in dem er sich zuvor befunden hatte, das konnte er gerade nicht so genau sagen.

In dem Raum war Piers momentan auf jeden Fall vollkommen alleine, auch von Chris fehlte jede Spur.

Er hoffte wirklich, dass es diesem gut ging, dass die Wissenschaftler und Soldaten ihn am Leben gelassen hatten.

Müde hob der junge Soldat etwas den Kopf an und stellte ein wenig erleichtert fest, dass zumindest dieser nicht wieder mit einem Metallriemen festgeschnallt war.

Er drehte den Kopf und konnte nun auch direkt neben seiner Liege einige Geräte ausmachen.

Im Gegensatz zu den anderen waren diese eingeschaltet und blinkten fröhlich vor sich hin.

Ein Piepen drang an Piers‘ Ohr, das er erst jetzt wirklich realisierte, und als er den Kopf etwas nach links drehte, erkannte er, dass eines der Geräte mit einigen Kabeln mit seinem Körper verbunden war, der, wie er auch erst jetzt begriff, vollkommen entblößt war.

Aber Piers hatte im Moment ganz andere Sorgen, als sich unwohl zu fühlen, weil er nackt war.

Was ging hier vor sich? Das war die Frage, die der junge Scharfschütze sich in allererster Linie gerade stellte.

Wäre es hier wirklich nur darum gegangen, sein Blut zu untersuchen und das Virus bestmöglich zu beseitigen, hätte man ihn doch nicht splitternackt auf einen OP-Tisch gekettet.

Und dann hätte man auch nicht mehrfach einfach auf Chris geschossen, nur, weil der seinen Soldaten verteidigte.

Chris war immerhin nicht irgendwer.

Er war eines der wichtigsten Mitglieder der B.S.A.A., er hatte schon zuvor mit S.T.A.R.S. im Raccoon Forest gegen den Bioterrorismus gekämpft.

Chris Redfield war ohne Zweifel einer der besten Soldaten, die die B.S.A.A. vorweisen konnte.

Und selbst, wenn ein solcher Soldat einen Fehler beging, noch dazu, weil er überzeugt war, das Richtige zu tun, weil er jemanden beschützte, der ihm wichtig war, erschoss man ihn doch nicht einfach gleich.
 

Irgendetwas ging hier nicht mit rechten Dingen zu, davon war Piers mittlerweile mehr als überzeugt.

Da lief etwas ganz gewaltig schief.

Aber was brachte ihm dieses Wissen? Was hatte er davon?

Chris hatte versucht, ihn zu befreien, und dieser Versuch war fehlgeschlagen.

Nun war er wieder eingesperrt, und vermutlich würde er sich bald von irgendwelchen korrupten Wissenschaftlern sonstwas antun lassen müssen.

Und Chris war vielleicht schon tot, zumindest aber sehr schwer verletzt, nachdem er nun schon ein zweites Mal angeschossen worden war.

Und der junge Soldat bezweifelte, dass man seinen Captain nun einfach hatte laufen lassen.

Wenn er noch lebte, dann musste auch Chris hier irgendwo eingesperrt sein.

Und das alles nur, weil er, Piers, so unvorsichtig gewesen war.

Er musste hier irgendwie raus kommen, und dann musste er Chris um jeden Preis retten. Das war er ihm einfach schuldig.

Die Frage war nur, wie er das anstellen sollte.

Er konnte das Virus nach wie vor nicht kontrollieren, um sich einfach zu befreien, und selbst wenn er es gekonnt hätte, wäre das Risiko zu groß gewesen, dass er die Kontrolle darüber doch wieder verlor.

Und wenn das passierte, war er Chris auch keine große Hilfe mehr. Dann brachte er ihn, wenn er ihn überhaupt fand, eher auch noch um. Und das hätte er sich niemals verziehen.

Und so blieb dem jungen Soldaten im Moment nichts anderes übrig, als hier liegen zu bleiben und zu warten.

Was auch immer man ihm antat, er würde es überstehen, er würde durchhalten.

Das musste er einfach irgendwie.

Piers konnte nur hoffen, dass man ihn anschließend wieder losmachte, und dass er nicht gleich an Ort und Stelle umgebracht wurde, wenn die Behandlung mit dem Antivirus nicht anschlug.

Falls es überhaupt das war, was hier geplant wurde. Davon war er ja irgendwie nicht mehr so wirklich überzeugt.

Denn um ein Antivirus zu testen, musste man den Patienten nicht zwingend nackt an einen Tisch ketten.

Aber Piers war nun einmal angekettet, und so war es im Grunde relativ egal, was die Wissenschaftler der B.S.A.A. mit ihm anstellen wollten.

Denn er kam so oder so nicht hier weg und konnte wirklich nur abwarten.
 

Lange musste er dann auch gar nicht mehr ausharren, denn nach wenigen Minuten öffnete sich die große Tür mit den Fenstern, die in den Gang führte, und zwei Wissenschaftler betraten den Raum, in dem der junge Soldat lag.

Er hatte keinen der beiden Männer jemals zuvor gesehen, und sie waren ihm schon auf den ersten Blick unsympathisch.

Es waren zwei recht junge Kerle, vielleicht ein paar Jahre älter als er selber, vermutlich Anfang 30, wenn überhaupt.

Sie hatten beide schwarze Haare und einen asiatischen Touch, waren dennoch hoch gewachsen.

Eigentlich waren es recht ansehnliche junge Männer, die an jeder Universität vermutlich Scharen von Frauen hinter sich gehabt hätten. Aber da war etwas in ihren Blicken, das sie trotz allem einfach unsympathisch wirken ließ.

Vielleicht war es aber auch einfach die Tatsache, dass sie hier waren, und dass das bedeutete, dass sie nichts Gutes im Schilde führten.

Oder bildete sich Piers das alles nur ein? Reagierte er vielleicht schlicht und ergreifend über, weil man eben auf Chris geschossen und ihn selber so grob verschleppt hatte?

Wenn er so darüber nachdachte, begann das alles irgendwie, ein wenig Sinn zu ergeben.

Sie hatten Angst vor ihm, natürlich.

Immerhin hatte Piers in China selber nach dem Virus gegriffen und es sich injiziert, und dann hatte er die riesige BOW Haos einfach vernichtet.

Und als wäre das noch nicht genug, war er der Einrichtung entkommen, hatte die Explosion nach dem Kampf überlebt, war nicht ertrunken, war durch den Druck unter Wasser nicht einfach gestorben, sondern wieder an Land gekommen, unmutiert, mit zwei Armen.

Und letzten Endes hatte er es sogar noch geschafft, sich irgendwie zum Haus seines Captain zu schleppen.

Die Soldaten der B.S.A.A. fürchteten sich vor ihm, das war durchaus verständlich.

Und als sie ihn in der Tür gesehen hatten, hatten sie einfach in Panik gehandelt.

Da war ja auch nicht nur Piers gewesen, nein.

Bei ihm hatte sich Captain Chris Redfield befunden, der Mann, der es mehrmals mit Albert Wesker aufgenommen, und der diesen letztendlich auch vernichtet hatte, wie momentan noch alle annahmen.

Und eben dieser Chris Redfield hatte sich auf die Seite des potentiellen Monsters gestellt und es verteidigt.

Da war es eigentlich kein Wunder, dass die Kerle im Affekt gehandelt und auf ihn geschossen hatten.
 

Und auch jetzt hatten sie das getan, was sie für richtig erachtet hatten.

Piers war ihr Gefangener gewesen. Und er hatte einfach verschwinden wollen.

Chris war in das Labor eingebrochen, hatte einen Wissenschaftler hinterrücks erstochen und den Soldaten zu befreien versucht.

Wenn man es ganz genau nahm, dann waren Chris und Piers hier die Verbrecher, nicht die anderen Mitglieder der B.S.A.A..

Und diese Erkenntnis ließ den Scharfschützen schlucken. Von dieser Seite hatte aus er das noch gar nicht betrachtet.

Er war einfach wütend und enttäuscht gewesen, weil man ihn wie ein Monster behandelte, obwohl er gerade sein Leben für die ganze Welt geopfert hatte.

Und das hatte ihn einfach so sehr genervt, dass ihm gar nicht klar gewesen war, wie sehr das C-Virus die Anderen erschreckt haben musste.

Er selber hatte ja erlebt, was es anrichten konnte, zu was es fähig war.

Und nun hatte er sich selber infiziert, hatte freiwillig einen Teil seiner Menschlichkeit aufgegeben.

Klar, er hatte das gemacht, weil er damit etwas Gutes hatte tun können.

Aber das war eben nur die eine Seite der Medaille.

Denn auch, wenn er selber der Gute, ein Held war, so galt das noch lange nicht für das C-Virus.

Denn dieses war und blieb eine Bedrohung, ganz gleich, wozu er es auch genutzt hatte.

Und die Gefahr, dass es ihn doch übernahm und zu einer BOW machte, dass er dann alles und jeden hier angriff, die war einfach zu groß, um ihn einfach laufen zu lassen.
 

„Sieh an, du bist also endlich wach. Ich dachte wirklich schon, ich hätte doch zu fest zugeschlagen…“

Die Stimme des einen Mannes riss Piers aus seinen Gedanken und ließ ihn müde wieder den Kopf heben.

Die beiden Wissenschaftler waren näher gekommen und standen nun am ‚Fußende‘ des Tisches, auf dem er lag.

„Dann können wir ja endlich anfangen, nicht wahr?“

„Anfangen womit?“,hakte Piers nach und runzelte leicht die Stirn.

Die Typen wirkten wirklich nicht so, als wollten sie ihm helfen, das Virus los zu werden. Nicht im Geringsten.

Kurz versuchte der junge Soldat noch einmal, sich gegen die Ketten zu stemmen, aber natürlich erreichte er damit auch dieses Mal nicht mehr, als dass seine Handgelenke schmerzten und etwas Blut über diese lief.

Also ließ er es wieder bleiben und ließ den Kopf auf den Tisch zurück kippen, ehe er einfach die Augen schloss.

„Dann bringt mal hinter euch, was auch immer das wird“, nuschelte er, denn eine Antwort hatte er natürlich nicht erhalten.

Der wohl Jüngere von beiden trat nun noch näher, zog eine Spritze hervor und beugte sich leicht über den Liegenden, ehe er etwas lachte, was Piers dazu veranlasste, die Augen doch wieder zu öffnen.

„Was ist denn so witzig?“, hakte er nach und verzog beim Anblick der Spritze leicht das Gesicht.

Er hatte eigentlich überhaupt keine Angst vor Spritzen, aber diese hier konnte nichts Gutes bedeuten.

Der Wissenschaftler lachte nur noch einmal, ehe er leicht mit den Schultern zuckte und beinahe etwas enttäuscht seufzte.

„Ich hatte eigentlich erwartet, dass du sturer wärst, weißt du? Zumindest hat Captain Redfield das behauptet. Der hat richtig mit dir und deinem Temperament angegeben. Er hat gemeint, du würdest uns in den Arsch treten, und dass wir uns noch umsehen würden.“

Wieder musste er lachen, und nun stimmte auch sein Kollege in dieses Lachen ein.

„Naja, zumindest sturer als er bist du ja wirklich schon mal. Schade um ihn.“
 

„Was habt ihr mit ihm gemacht!?“

Ein weiteres Mal stemmte sich Piers mit aller Kraft gegen die Ketten.

So wie die Kerle über Chris redeten, hatten sie ihn getötet.

Und der junge Soldat hoffte sehr, dass sie ihn damit einfach nur provozieren wollten, dass das nicht stimmte.

Chris durfte nicht tot sein, er konnte nicht tot sein.

Er war doch immerhin Chris Redfield. Und Chris Redfield ließ sich von nichts unterkriegen. Nicht einmal Wesker hatte das geschafft.

„Verdammt, macht mit mir, was ihr wollt. Tötet mich, foltert mich, benutzt mich für irgendwelche Experimente, aber lasst ihn…“

„Geht das Geschnulze wieder los…?“, unterbrach ihn der ältere der Beiden und schüttelte fast mitleidig den Kopf.

„Erst Redfield und nun du… Ihr habt beide eindeutig zu viele Filme gesehen und wollt nun beide den aufopferungsvollen Helden spielen, was? Aber du hast das ja eh schon hinter dir, nicht wahr? Nervt es dich eigentlich gar nicht, dass dein Captain dich so einfach aufgegeben hat? Er hätte wenigstens nach dir suchen können, findest du n…?"

Doch der Jüngere unterbrach ihn mit einem leichten Kopfschütteln und deutete dann zu der Spritze.

„Wir sollten ihn nicht so provozieren. Denk dran, er ist immer noch infiziert und gefährlich. Wir nehmen die Blutprobe, wir tun ihm etwas weh, und dann schalten wir ihn aus. Ende. Und dann geht es ab hier weg. Ich will nicht länger mit dem Typen in einem Zimmer sein als wirklich nötig…“

Die Worte verwunderten Piers nicht wirklich, sondern bestätigten eher das, was er vermutet hatte.

So cool und unverschämt diese Kerle sich auch gaben, sie hatten einfach nur Angst. Angst vor dem Virus in seinem Körper, Angst davor, dass er sie einfach angriff und tötete.
 

„Warum helft ihr mir nicht? Warum bekomme ich kein Antivirus verabreicht?“, fragte er dann, mit einem Mal gar nicht mehr wirklich wütend, sondern eher müde und enttäuscht.

Die Antwort, die er nun erhielt, überraschte den jungen Mann dann doch, sie machte ihm sogar ein wenig Angst.

„Das hast du bereits, Piers. Mehr als eine Dosis. Drei Mal hat man dir ein Antivirus gespritzt als du bewusstlos warst. Als du in dem kleinen Kerker warst, waren es zwei, und hier in dem Raum noch einmal eine Dosis. Das Zeug zeigt keinerlei Wirkung, das Virus ist immer noch da. Wir haben ja von Leuten wie Jake Muller gehört, dass sie gegen das Virus immun sind, aber eine Immunität gegen ein Antivirus? Das ist neu. Scheinbar ist das C-Virus in deinem Körper so stark, dass es selber Antikörper gegen andere Mittel entwickelt hat. Das Einzige, was wir jetzt noch wissen wollen ist, warum zum Teufel du dennoch in der Lage warst, das Virus zu kontrollieren, und warum du nicht mehr mutiert bist.“

Und ohne nun noch etwas zu sagen oder Piers die Möglichkeit zu einer Reaktion zu lassen, rammte der Typ ihm die Spritze in den Arm, gekonnt und gezielt, und sog diese mit seinem Blut auf, ehe er sich abwandte und gleich eine weitere Spritze herausholte, die dieses Mal mit einer bläulichen Substanz gefüllt war.

„Was ist das?“, murmelte der junge Soldat und beäugte die Spritze misstrauisch.

Das Serum da drin sah wirklich alles andere als ungefährlich aus. Vermutlich war es irgendein Gift, das ihn töten sollte.

Auf der anderen Seite hatten die beiden jungen Männer zuvor gemeint, sie würden ihm erst noch ein wenig weh tun, nachdem sie eine Probe genommen hatten.

Wenn es ein Gift war, würde es ihn also entweder langsam oder gar nicht töten und diente dann nur dazu, ihm Schmerzen zuzufügen.

Er musste verdammt nochmal hier weg kommen, solange sein Körper noch frei von irgendwelchen komischen Mitteln war, solange er noch alles spürte und klar denken konnte.
 

Seufzend schloss Piers die Augen, atmete tief durch und spannte die Muskeln an.

Seine Handgelenke drückten sich gegen die Metallriemen, und immer mehr Blut lief über seine Haut und tropfte auf den Tisch, das Piepen des Gerätes wurde etwas schneller und unregelmäßiger.

Ein Knirschen war zu hören, gefolgt von einem erschrockenen Keuchen und dem Klirren der Spritze, die zu Boden fiel und zerbarst.

Die beiden Wissenschaftler wichen etwas zurück, und nur einen knappen Moment später hatte Piers die Ketten gesprengt und sich aufgerichtet.

Aber das hatte er viel zu schnell getan, viel zu unbedacht.

Und so drehte sich erst einmal der ganze Raum, ehe der junge Soldat im Sitzen das Gleichgewicht verlor und von der Liege kippte, wobei er das Gerät von dem Schränkchen riss, dessen Kabel sich nun lösten, und das dadurch verstummte.

Mühsam stützte er sich ab und versuchte, wieder hoch zu kommen, doch die beiden Wissenschaftler schienen ihren ersten Schrecken überwunden zu haben und nutzten es nun aus, dass der Körper des Scharfschützen so geschwächt war.

Gemeinsam stürzten sie sich auf ihn, schlugen auf ihn ein und traten in seinen Magen, und irgendwann griff einer der Beiden nach einen Skalpell, mit dem er immer wieder auf den Jüngeren einstach.

Piers wehrte sich verbissen, doch so schwach die beiden Kerle auch ausgesehen hatten, so stark waren sie in Wirklichkeit.

Vielleicht war er selber aber auch einfach zu schwach momentan.

Immerhin war er eben erst vor Chris‘ Tür aufgetaucht, und dann hatte man ihn auch schon wieder eingefangen und niedergeschlagen.

Er hatte einfach nicht die Kraft, sich in dem Zustand gegen zwei junge Männer zu wehren. Schon gar nicht, wenn diese regelrecht wie die Raubtiere über ihn herfielen.

Er versuchte, sich auf den Rücken zu drehen, was ihm sogar gelang, und im nächsten Moment wurde ihm eine Spritze in den Nacken gerammt und ihm irgendein Serum injiziert.

Piers keuchte auf und tastete nach seinem Nacken, aber die Wissenschaftler packten seine Hände und drückten sie auf den Boden, und eine zweite Spritze folgte der ersten.

Was auch immer das für ein Zeug war, das er da abbekam, brannte höllisch, und er hatte das Gefühl, als würde sein ganzer Körper einfach explodieren wollen.

Piers‘ Blick trübte sich nach und nach, und seinen Körper spürte er, bis auf das Brennen und Kribbeln, immer weniger, er wurde richtig taub.
 

Es war aus, er konnte nichts mehr tun.

Seine Bewegungen wurden immer langsamer, und er erkannte seine Peiniger kaum noch.

Mittlerweile hatte sich unter seinem Körper eine beachtliche Blutlache gebildet, und als der eine Kerl jetzt auch noch ihm wahrsten Sinne Salz auf seine offenen Wunden streute, war es aus und vorbei.

Schmerzerfüllt schrie Piers auf, bäumte sich unter den Schmerzen auf und sackte mit einem leisen Stöhnen einfach in sich zusammen.

Sein ganzer Körper zitterte vor Schwäche, und das Blut rauschte im Kopf des jungen Soldaten, sodass er kaum noch andere Geräusche wahrnahm.

Nur die Stimme einer jungen Frau hörte er noch irgendwie, verstand aber nicht, was diese sagte.

Aber die Stimme klang laut, wütend und erschrocken zugleich, und Piers spürte, wie die Wissenschaftler von ihm abließen.

Sein Kopf sackte etwas zur Seite, und aus halb geöffneten Augen sah er, wie eine andere Gestalt auf ihn zu rannte.

Diese Gestalt rief auch irgendetwas, aber auch das konnte Piers nicht mehr verstehen.

Er konnte einfach nicht mehr, er war vollkommen am Ende.

„Piers… Piers!“, war es, was die Stimme des Mannes immer wieder rief, und der Besitzer eben dieser Stimme rüttelte mehrmals an seinen Schultern, bat ihn mit flehender Stimme, einfach durchzuhalten, und versprach, ihn weg und in Sicherheit zu bringen.

Dann wurde Piers‘ Körper in eine Decke gehüllt und hochgehoben, und ein leises Wimmern kam über seine Lippen.

„Tut mir leid. Ich bin so vorsichtig wie möglich. Ruh dich einfach etwas aus, ja? Dann wird es bald besser…“

Noch immer verstand der Scharfschütze kein Wort, aber er schloss schon ganz automatisch die Augen und ließ den Kopf gegen die Brust des Mannes kippen, der ihn auf seine Arme gehoben hatte.

Obwohl er kaum noch etwas mitbekam, wusste er ganz genau, um wen es sich handelte.

Chris war am Leben, natürlich war er das.

Und schon wieder war er da, um ihn zu beschützen, um ihn zu retten.

„Ich danke dir, Rebecca“, war der einzige Satz, den Piers halbwegs klar verstand, ehe sich sein Bewusstsein ein drittes Mal abschaltete, und er in Chris‘ Armen etwas erschlaffte.

Der erste Schritt ist geschafft

„Wo... wo sind wir…?“

Piers blinzelte leicht, öffnete die Augen und sah sich benommen um.

Von dem Labor war nichts mehr zu sehen, um ihn herum war es einfach nur dunkel.

Chris hatte ihn also tatsächlich weg gebracht, wie er es versprochen hatte. Er hatte ihn gerettet.

Mühsam versuchte der junge Soldat, sich aufzusetzen, doch bei dem Versuch verzog er das Gesicht und tastete über seinen noch immer nackten Körper.

Hier und da zierten diesen kleinere und größere Pflaster, um seinen Kopf spürte er einen Verband, und als er über seinen Bauch strich, ließ er ein leises Keuchen hören.

Ihm tat einfach alles weh, und als er hinab sah, erkannte er, dass er einen ziemlich unansehnlichen blaugrünen Fleck am Bauch hatte.

„Bleib ruhig liegen, ruh dich noch etwas aus. Wir sind in Sicherheit, weit weg vom Labor und der Stadt“, hörte er nun Chris’ Stimme, und diese klang unglaublich sanft und besorgt.

Auch in seinem Blick lag Sorge, was Piers gut erkannte, als der Ältere sich etwas über ihn beugte.

Dunkle Ringe lagen unter seinen Augen, und er wirkte ein wenig blass.

Piers fragte sich in diesem Moment, wie viel Zeit wohl vergangen war, ob Chris so lange für ihn wach gewesen war, doch dann erinnerte er sich daran, dass er selber hier ja nicht der einzige Verletzte war.

„Wie… wie geht es Ihnen?“, wollte er nun wissen, und er musterte Chris selber sichtlich besorgt.

Man hatte zwei Mal auf den Captain geschossen, das war sicherlich auch an diesem nicht spurlos vorbei gegangen, so stark und zäh er auch sein mochte.
 

Aber Chris schüttelte nur leicht den Kopf und winkte ab.

„Ist halb so wild. Ich hab Glück gehabt. Beim ersten Mal wurde kein wichtiges Organ getroffen, und im Labor war es sogar nur ein Streifschuss.“

„Und wie… wie kamen Sie frei?“

Piers musste sich irgendwie von seinen Schmerzen ablenken, und zudem interessierte ihn das ja wirklich.

Er fragte sich, wie Chris hatte frei kommen und zu ihm gelangen können, wie sie dann einfach so entkommen waren.

Vermutlich hatte Rebecca ihm geholfen; Piers hatte ja gehört, wie Chris mit dieser geredet hatte.

Und sie war es auch gewesen, die die beiden anderen Wissenschaftler davon abgehalten hatte, ihn wirklich noch zu töten.

Wieder schüttelte Chris den Kopf, dann seufzte er leise und schloss für einen Moment die Augen.

„Rebecca“, erwiderte er dann nur, wie erwartet, und lächelte matt.

„Sie hat mich in einer Abstellkammer gefunden, in die die Wissenschaftler mich gefesselt rein geworfen hatten. Als ich ihr erklärt habe, was los ist, hat sie sich sofort bereiterklärt, uns zu helfen. Ich hoffe nur, ihr geht es gut.“

Immerhin hatte die junge Frau ihnen geholfen, zu entkommen.

Und auch, wenn diese Wissenschaftler wirklich übertrieben hatten und sicherlich auch nicht ohne Ärger davon kamen, hatte sie doch etwas ‚Illegales’ getan.

Das konnte sie ihren Job oder mehr kosten.

Aber seit Raccoon City hatte sie sich geschworen, immer für Chris da zu sein, wenn er sie brauchte. Auf seine Freunde, vor allem auf Jill, Rebecca und Barry, konnte er sich blind verlassen. Und auf Piers ja auch.
 

Bei dem Vorfall im Raccoon Forest hatte Chris sich größtenteils um die damals 18-Jährige gekümmert, nachdem er sie im Spencer-Anwesen aufgefunden hatte, und hatte sie mehr oder weniger beschützt.

Und nun hatte sie sich dafür endlich mal revanchieren können.

Ganz egal, was Chris oder Piers auch getan hatten, der Captain des Alpha-Teams war ihr Freund, und Freunde ließ man nicht im Stich.

Außerdem wusste die Biochemikerin über das Bescheid, was in China passiert war, über Piers’ Opfer und Chris’ Schmerz über diesen Verlust.

Natürlich wusste sie auch, dass das Virus eine Gefahr darstellte, aber in ihren Augen war der junge Soldat ein Held, kein Monster.

Und auch, wenn sie durchaus zustimmte, dass man ihn im Auge behalten sollte, falls irgendetwas mit dem C-Virus war, so war sie doch dagegen, dass man ihn einsperrte oder gar tötete. Und Folter mit Medikamenten und Skalpellen war ja ohnehin das Allerletzte.

Nun waren Chris und Piers mit ihrer Hilfe entkommen und erst einmal in Sicherheit.

Der B.S.A.A.-Captain hatte einen der Wagen kurzgeschlossen, die vor dem HQ gestanden hatten, und mit diesem war er einen Tag und eine Nacht lang durchgefahren, und hatte nur ab und an kurz gehalten, um zu tanken oder etwas zu Essen und zu Trinken zu besorgen.

Sie hatten mittlerweile nicht nur die Stadt, sondern auch den Staat hinter sich gelassen.

Chris wollte sich mit Piers zunächst nach Alaska absetzen, aber damit würden sie noch etwas warten müssen. So oder so wollte Chris aber möglichst weit weg, zunächst jedoch ohne dabei die U.S.A. zu verlassen.

Zudem war es noch immer Sommer, wenn auch bereits später, und so würden sie es in Alaska auch von den Temperaturen her aushalten können.

Die Nächte konnten bereits eisig werden, aber da würde Chris schon die passende Unterkunft finden. Das war nun wirklich nicht das Problem.
 

Natürlich war da noch immer sein Wunsch, nach Afrika zu reisen, um nach Spuren zu suchen, die auf Wesker hinwiesen, aber da gab es momentan eindeutig Wichtigeres.

Wenn Wesker wirklich noch lebte, dann würden sie das noch früh genug erfahren. Und zwar bestand die Möglichkeit, dass sie im Vulkan irgendwelche Hinweise fanden, aber Chris’ ehemaliger Captain würde sich selber kaum noch dort aufhalten.

Da setzte er nun lieber alles daran, seinen eigenen Soldaten irgendwie in Sicherheit zu bringen, als dass er sich auf irgendwelche Wahrscheinlichkeiten stützte und riskierte, dabei erwischt zu werden, wie er nicht nur das Land, sondern auch gleich den Kontinent verließ. Denn das würde nicht gehen, ohne dass die B.S.A.A. es mitbekam.

Irgendwann würde er das Risiko eingehen, mit oder ohne Piers, je nachdem, was dieser wollte. Zwingen würde Chris ihn zu nichts.

Aber noch war einfach nicht die Zeit dazu. Noch konnte er den Scharfschützen weder diesem Risiko aussetzen, noch konnte er ihn einfach irgendwo zurücklassen.

Er war schwer verletzt, er war fast zwei Tage lang bewusstlos gewesen, und Chris hatte mehr als einmal die Befürchtung gehabt, ihn doch noch zu verlieren.

Da konnte, wollte und durfte er ihn nun einfach nicht im Stich lassen.

Außerdem wollte er auch einfach bei ihm sein.

Chris hatte nicht vergessen, wie Piers ihm wenige Tage zuvor, bevor er geschnappt worden war, seine Liebe gestanden hatte.

Und er hatte ebenso wenig vergessen, wie er selber reagiert, wie er überhaupt erst verschuldet hatte, dass Piers gegangen war.

Dieser hatte so traurig gewirkt, so enttäuscht.

Und auch, als er seinen Soldaten aus der kleinen Zelle im Labor befreit hatte, war diese Enttäuschung noch immer deutlich zu sehen gewesen, der Schmerz in seinem Blick, die Hoffnung, als er Piers in das kleine Zimmer gestoßen hatte.

Jedes Mal fühlte Chris selber einen Stich im Herzen, wenn er den Jüngeren so sah.

Jedes Mal wollte er ihm sagen, dass es keinen Grund gab, so traurig zu sein, dass er ihn doch auch liebte, mehr als alles andere.

Aber aus irgendeinem Grund konnte er das einfach nicht.

Er war ja nicht unsicher oder so. Er liebte Piers, da gab es keinen Zweifel. Und nun wusste er auch, dass seine Gefühle durchaus erwidert wurden. Noch dazu musste er nicht einmal mehr den ersten Schritt tun.

Aber nun war da Angst aufgekommen. Die Angst, Piers zu verletzen, die Angst, ihm nicht zu reichen.
 

Chris hatte versagt, und das schon so oft.

In Edonia, in China, er wurde einfach alt, das alles wurde ihm zu viel.

Doch ganz gleich, was er auch getan hatte, welchen Mist er angestellt hatte, Piers war immer an seiner Seite gewesen. Selbst dann, wenn alle anderen ihn schon aufgegeben hatten.

Er hatte so lange nach ihm gesucht und ihn zurück geholt, er hatte zu ihm gestanden, nachdem Chris ihn so angefahren hatte.

Am Ende hatte er in seiner bedingungslosen Loyalität sogar freiwillig sein Leben gegeben. Und das hatte er nur gemusst, weil Chris selber nicht aufgepasst hatte.

Er brachte diesem jungen Mann so unglaublich viel Leid, Piers musste so viel wegen ihm durchmachen. Und er hatte sich eigentlich nie wirklich darüber beschwert.

Klar sagte er Chris durchaus seine Meinung, wenn er es angebracht fand, aber mehr nicht.

Egal, was Chris auch getan und gesagt hatte, Piers hatte seinem Ärger darüber kurz Luft gemacht, und dann hatte er weiterhin treu an seiner Seite gestanden.

Und nun hatte Chris einfach Angst, dass es Piers irgendwann zu viel wurde, dass er das irgendwann nicht mehr konnte.

Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass der Jüngere ihn einfach so liebte.. Er verstand es nicht.

Was hatte er, das man toll finden konnte?

Ja, er war muskulös, er sah sicherlich nicht schlecht aus, aber das reichte doch nicht.

Irgendeiner kleinen blonden Frau vielleicht, für die nur das Aussehen zählte.

Aber doch nicht Piers.

Piers war nicht der Typ, der sich an irgendjemanden ranhängte, weil der zufällig gut aussah und stark war.

Nein, das war nun wirklich nicht seine Art.

Aber Chris hatte das Gefühl, in den letzten Jahren nicht mehr als eben das bieten zu können.

Früher war es anders gewesen, eigentlich bis zu seinem Kampf in Afrika gegen Wesker.

Und dann war Edonia gekommen.
 

Als er das erste Mal sein gesamtes Team verloren hatte, als der mutierte Finn ihn verletzt hatte, da war er zerbrochen.

Er hatte einfach nicht mehr gewollt, es hatte ihm schlicht und ergreifend gereicht.

Chris hatte sich selber als unfähig erachtet und aufgegeben.

Und wäre Piers nach diesem halben Jahr nicht in der Bar aufgetaucht und hätte ihn wieder hoch gezogen, dann wäre er nur wenige Tage später wirklich der Alkoholsucht erlegen und hätte tot in irgendeiner kleinen Gasse geendet.

Aber Piers war gekommen und hatte ihn zurück zur B.S.A.A. geholt.

Und was hatte er selber getan?

Er hatte gleich wieder versagt, und ein weiteres Mal hatte er sein gesamtes Team verloren.

Piers hatte damals durchaus Recht gehabt. Wäre Chris nicht so sehr seiner Wut zum Opfer gefallen, hätten sie einige der Tode verhindern können.

Aber statt das einzusehen, hatte er den einzigen Soldaten, der ihm noch geblieben war, angefahren und regelrecht angegriffen.

Und letztendlich hatte er auch diesen verloren.

Ja, Piers war wieder da, er hatte überlebt.

Aber das war nun wirklich nicht Chris’ Verdienst gewesen, im Gegenteil.

Leise seufzend wandte der Ältere den Blick ab und sah sich etwas in der kleinen Hütte um, in die er Piers gebracht hatte.

Auf dem Weg hatte er sie durch die Bäume eines kleinen Waldes von der Straße aus gesehen, und so hatte er kurzerhand Halt gemacht, den Wagen zwischen den Büschen und Bäumen versteckt, sich vergewissert, dass die Hütte leer war, und Piers dann hinein getragen.

Ganze zehn Stunden hatte er hier dann an seinem Schlafplatz gewacht, der aus alten Decken und Chris’ Jacke bestand, und er hatte um das Leben des Scharfschützen gebangt, hatte sich gefragt, was passieren würde, wenn er ihn nun doch noch verlor.

Er hätte damit nicht leben können, nicht noch einmal.

Vermutlich hätte er kehrt gemacht, wäre zur B.S.A.A. zurück gefahren und wäre dort solange Amok gelaufen, bis die Soldaten und Wissenschaftler ihn doch noch zur Strecke gebracht hätten.
 

Aber so sehr er diesen Leuten auch die Schuld geben wollte, wusste er doch, dass er der eigentliche Auslöser für all das gewesen war. In Edonia, in China, und auch als Piers ihm das Geständnis gemacht hatte.

So viel Kummer, so viel Schmerz, und Piers blieb noch immer bei ihm.

Nicht, dass der momentan eine wirkliche Wahl gehabt hätte, doch Chris hatte mehrmals gehört, wie der Jüngere in seiner Bewusstlosigkeit seinen Namen gemurmelt hatte.

Er konnte und durfte Piers nicht weiter so verletzen, das hatte er einfach nicht verdient.

Und es gab da doch auch gar keinen Grund zu.

Sie liebten sich beide, es waren die perfekten Voraussetzungen.

Und Chris konnte seine Gefühle auch nicht länger verbergen, schon gar nicht, wenn er Piers so nahe war.

„Piers, ich… Ich weiß, das ist vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt, und vermutlich willst du einfach nur schlafen und hast… viele Fragen, aber…“

Er räusperte sich leicht, rieb sich etwas verlegen über den Nacken und atmete dann tief durch.

„Ich… wollte mich bei dir entschuldigen. Ich hab dich sehr verletzt, und das weiß ich. Nur wegen mir bist du…“

„Hören Sie auf damit, Chris…“

Piers seufzte leise, schüttelte den Kopf und setzte sich nun doch ein kleines Stück auf, wobei er die Schmerzen nun einfach runterschluckte.

Er wollte so einen Mist einfach nicht hören.

„Ist schon gut, Captain, wirklich. Sie sind an nichts Schuld. Ich liebe Sie, Sie lieben mich eben nicht, und damit muss ich…“

„Aber das stimmt nicht, Piers. Das stimmt überhaupt nicht.“

Blinzelnd neigte der junge Soldat den Kopf zur Seite und starrte seinen Captain einen Moment lang einfach nur an.

„Soll das heißen, Sie… aber…“

Er schüttelte den Kopf, schluckte leicht und wandte etwas den Blick ab.

„Aber Sie haben sich abgewandt. Und im Labor, da… da waren Sie so abweisend, so sauer. Ich dachte…“

Doch wieder wurde Piers unterbrochen, und Chris legte einen Finger an seine Lippen, ehe er seinen Kopf etwas drehte, damit er ihn ansehen musste.

„Ja, ich war sauer. Aber doch nicht auf dich. Ich war wütend auf mich selbst, weil ich dich dazu gebracht habe, zu gehen, weil ich… einfach feige war.“
 

„Chris Redfield war feige?“

„Ich bin auch nur ein Mensch, Piers. Und du weißt, dass ich Fehler mache. Viele Fehler. Ich… Ich konnte einfach nicht glauben, dass du jemanden wie mich wirklich liebst.“

„Haben Sie es… für einen Scherz gehalten?“, murrte Piers leise und blickte seinen Captain nun wieder ein wenig verletzt an.

Doch der schüttelte schnell und fast ein wenig entsetzt den Kopf, ehe er antwortete.

„Nicht für einen Scherz, nein. Ich konnte es einfach nicht verstehen…“

Das war die Wahrheit, das war der Grund, der auch Chris erst jetzt wirklich klar geworden war.

Noch einmal seufzte er leise, dann gab er sich endlich einen Ruck, legte leicht die Arme um Piers und hauchte ihm einen sanften Kuss auf die Lippen.

Er war vorsichtig, drückte ihn nicht an sich, überfiel ihn nicht, sondern passte auf, dass er den Jüngeren nicht noch mehr verletzte.

Er würde noch Ruhe brauchen und musste sich schonen. Das Virus schien seinen Körper ein wenig zu stärken, aber von jetzt auf gleich heilten Piers’ Wunden natürlich dennoch nicht.

Aber das schien diesem gerade relativ egal zu sein, denn kaum dass Chris’ Lippen seine berührt hatten, ließ der junge Soldat jegliche Vorsicht fallen, schlang die Arme um den Älteren und erwiderte dessen Kuss leidenschaftlich.

Er war einfach überglücklich.

Chris liebte ihn, er liebte ihn tatsächlich. Und er hatte sich getraut, es ihm auch zu gestehen.

Nun würde alles gut werden, da war Piers ganz sicher.

Er hatte seinen Captain bei sich, und er würde ihn nie wieder fort lassen.

Jetzt würde er sich brav ausruhen und wieder richtig zu Kräften kommen, und auch Chris würde er zur Ruhe verdonnern. Immerhin war der auch verletzt.

Und dann, wenn es ihnen beiden besser ging, würden sie etwas warten und anschließend nach Afrika aufbrechen.

Alles war gut, alles war perfekt, endlich.

Piers drückte sich enger an Chris, seufzte gegen seine Lippen und schloss die Augen, ehe er sich nach hinten fallen ließ und den Älteren dabei automatisch mit sich zog.

Wer ist der Feind?

Ein leises Seufzen kam über Piers’ Lippen, und er öffnete langsam die Augen.

Das Erste was er spürte, war der warme Körper seines Captains, auf dessen Brust er lag, und das langsame und gleichmäßige Heben und Senken dieser.

Chris schien noch zu schlafen, und so blieb der junge Soldat ruhig liegen, hob nur den Kopf an und blickte in das friedliche Gesicht des Älteren, während er an den Vorabend zurückdachte.

Viel passiert war an sich nicht, da hatte Chris schon aufgepasst.

Dass er mehr gewollt hatte, war ihm deutlich anzusehen gewesen, aber noch deutlicher hatte man die Sorge in seinem Blick erkannt.

Er hatte Piers beinahe verloren, der Scharfschütze war verletzt und geschwächt.

Und so sehr er diesen auch voll und ganz spüren wollte, musste er sich doch zurückhalten und warten, bis es ihm besser ging, auch, wenn es Piers im Grunde ebenso wenig gepasst hatte wie ihm.

Aber wenigstens war der junge Soldat einsichtig gewesen, und er hatte sich damit zufrieden gegeben, dass es erst einmal bei ein wenig Kuscheln geblieben war.

Schön war es so oder so gewesen, und Chris war ohnehin der Meinung, dass man nicht immer gleich Sex haben musste, nur weil man sich gerade seine Liebe gestanden und eine Beziehung begonnen hatte.

Und auch Piers hatte diese einfache Nähe und Zweisamkeit sehr genossen, war dadurch auch ruhiger geworden und hatte sich sichtlich entspannt.

Er brauchte die Ruhe, und Chris hatte sie ihm gönnen wollen, natürlich.

Er sorgte sich sehr um den Jüngeren, und nach wie vor war er der Meinung, überhaupt erst schuld an dessen Zustand zu sein.

Wegen ihm war er gegangen, weil er so sinnlos feige gewesen war.

Und statt sauer zu sein, hatte sich Piers dann auch noch ausgerechnet um ihn gesorgt.

Aber nun war ja alles gut.

Nun hatte auch Chris sich endlich überwunden, nun waren sie zusammen, und er würde nicht zulassen, dass irgendjemand oder irgendetwas sie jemals wieder trennte, um keinen Preis.

Sie würden der B.S.A.A, entkommen, sie würden, sollte er noch leben, Wesker endgültig vernichten, und dann würden sie sich zurückziehen und in Ruhe ein gemeinsames Leben führen.

Das war es, was Chris wollte, und jetzt wusste er, dass Piers sich genau das Gleiche wünschte wie sein Captain.
 

Doch dieser machte sich im Moment keine Gedanken darüber, sondern schlief noch, wie der Jüngere es vermutet hatte.

Auch Chris war nicht ganz ungeschoren davon gekommen. Zwei Mal hatten sie auf ihn geschossen, und auch als man ihn in die kleine Kammer geworfen hatte, war man nicht unbedingt sanft mit ihm umgegangen.

Ihm ging es weitaus besser als Piers, aber gut war doch etwas Anderes.

Und so gönnte sich auch der Captain die wohlverdiente Ruhe, und hier in der Hütte würde man sie so bald auch sicherlich nicht finden. Darum würde Rebecca sich schon kümmern.

Begeistert war Chris von deren Vorschlag nicht gewesen, aber in Anbetracht der Umstände hatte er gar keine andere Wahl gehabt, als zuzusagen.

Sie waren auf ihre Hilfe einfach angewiesen, sie hatten nichts mehr bis auf den gestohlenen Wagen und Chris’ Handy, das man ihm zum Glück nicht abgenommen hatte.

Piers hatte ja nicht einmal Kleidung, und auch die von Chris sah alles andere als gut aus.

Aus diesem Grund wollte er hier auch noch ein wenig warten, und nach einer Weile würde er Rebecca kontaktieren und ihr mitteilen, wo sie waren, damit sie ihnen Kleidung und etwas Essen und Trinken bringen konnte.

Das würden sie brauchen, vor allem Piers, damit dieser wieder richtig zu Kräften kommen konnte.

Und sobald sie ein paar Vorräte hatten und gestärkt waren, würden sie aufbrechen.

Benzin sollte Rebecca noch mitbringen, daran musste Chris auch noch denken.

Der Weg bis zur Grenze war noch weit, und dann würde es mit einer Fähre weiter gehen.

Wenn sie erst einmal in Alaska angekommen waren, konnten sie zumindest ein klein wenig aufatmen.

Die B.S.A.A. war dort nicht stationiert, und man würde die Beiden dort auch kaum vermuten.

Rebecca gab ihnen Rückendeckung, und so konnten Chris und Piers den nötigen Abstand gewinnen.

Ein paar Tage, vielleicht auch ein, zwei Wochen, würden sie dort verbringen müssen, ehe sich die Situation soweit beruhigt hatte, dass sie es wagen konnten, Land und Kontinent zu verlassen.

Und dann ging es an die Suche nach Albert Wesker oder dem, was vielleicht noch von ihm übrig war.
 

Aber im Moment dachte Piers an nichts davon.

Er betrachtete einfach seinen schlafenden Captain, stützte sich etwas hoch und hauchte ihm einen sanften Kuss auf die Wange.

Als der Ältere sich daraufhin regte, hielt der junge Soldat inne, blinzelte leicht und biss sich auf die Lippen, als Chris nun auch die Augen öffnete.

Er hatte ihn eigentlich nicht wecken wollen, Chris sollte ruhig noch ein wenig schlafen, das brauchte er sicher.

Aber der Captain erwachte mit einem Lächeln, als er Piers erblickte, und gleich schlang er die Arme um seinen Scharfschützen und zog ihn wieder an sich heran.

„Guten Morgen…“, hauchte er ihm ins Ohr und küsste ihn anschließend sanft auf die Lippen.

„Morgen, Captain. Ich wollte… dich nicht wecken, tut mir leid“, flüsterte Piers dann leise, doch Chris schüttelte nur den Kopf.

„Schon gut. Wenn du mich auf dese Art weckst… kannst du das meinetwegen auch mitten in der Nacht tun, wann immer du magst“, erwiderte der Ältere nun grinsend und strich dabei über Piers’ Wange.

Ja, daran konnte er sich durchaus gewöhnen, das gefiel ihm sehr.

Er mochte Piers schon lange, und er hatte durchaus gemerkt, dass von dem Scharfschützen mehr ausging als nur Respekt.

Aber er hatte sich nie getraut, etwas zu sagen, auch, weil es für ihn als Captain übel hätte ausgehen können.

Nun im Nachhinein schämte sich Chris jedoch dafür.

Er hätte schon viel früher zu seinen Gefühlen stehen sollen, schon damals vor Edonia.

Vielleicht wäre dann alles anders gewesen. Besser.

Vielleicht wäre er dann nach Piers’ vermeintlichem Tod aber auch vollends zerbrochen.

So wie es nun war, war es, ob gut oder schlecht, das spielte keine Rolle.

Sie waren zusammen, und das war auf jeden Fall etwas Gutes.

Chris würde seinen Piers nie wieder gehen lassen, er würde nun immer für ihn da sein, so, wie der Scharfschütze immer für ihn da gewesen war.

Das hatte er sich nun schon mehrmals geschworen, seit der Jüngere wieder da war, und er würde sich daran halten, würde sich zusammenreißen und würde alles dafür tun, dass Piers mit ihm ein wundervolles Leben führen konnte.

Denn das hatte dieser sich auf jeden Fall verdient.
 

„Ist… alles in Ordnung, Chris?“, hörte dieser nun die Stimme des jungen Soldaten, und er blinzelte leicht und sah zu ihm hoch.

Die braunen Augen des Jüngeren waren direkt auf seine gerichtet, und Besorgnis lag in seinem Blick.

„Vielleicht solltest du doch noch etwas schlafen…“

„Nein, mir geht es gut, keine Sorge. Ich hab nur nachgedacht. Über… uns…“

„Keine schlechten Gedanken, hoffe ich“, murmelte Piers leise und neigte den Kopf zur anderen Seite, während er sich wieder etwas hoch stemmte und sich neben Chris abstützte.

Dieser lachte jedoch nur und schüttelte wieder den Kopf.

„Ganz und gar nicht, nein. Nur gute Gedanken, natürlich. Ich hab mich gefragt, was wir machen wollen, wenn all das vorbei ist. Wo wir dann hin gehen, wie und wo wir wohnen werden.“

Er grinste leicht, als Piers bei diesen Worten errötete, hob eine Hand an und legte diese an die Wange des Jüngeren.

„Nur weil es im Moment nicht sonderlich gut aussieht, sehe ich nicht gleich schwarz für die Zukunft. Immerhin habe ich dich hier. Da muss einfach alles gut werden.“

Und bei diesen Worten errötete Piers nur noch mehr, murrte leise und wandte den Blick ab.

Chris’ Worte waren ja richtig süß, und er musste zugeben, dass er selber nicht wirklich anders dachte.

Sie waren zusammen, und sie waren erst einmal entkommen.

Irgendwie würden sie es schon schaffen, irgendwie würde schon alles gut werden. Aber eine Frage brannte Piers auf der Zunge, eine, die ihn doch beunruhigte.

„Chris, ich… ich sehe es nicht anders als du, aber… aber ich verstehe einfach nicht, warum das alles. Ich meine… so kenne ich die B.S.A.A. nicht. Ich hätte nie gedacht, dass…“

Er verstummte, als der Captain ihm einen Finger an die Lippen legte und den Kopf schüttelte.

„Es ist, wie es ist. Ich kann es auch nicht begreifen, aber… im Moment bringt es nichts, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Rebecca wird sich etwas umhören, und vielleicht… vielleicht klärt sich das alles auf, und…“

Doch nun war es Piers, der den Älteren unterbrach.

„Du verstehst nicht ganz, was ich damit sagen will, Chris. Ich… Ich habe das Gefühl, dass nicht die B.S.A.A. das Problem ist. Vielleicht red ich mir das einfach nur ein, aber…“

„Du denkst, jemand hat sich eingeschlichen und manipuliert uns?“

„Ja…“
 

Für einige Momente herrschte Schweigen zwischen den beiden Männern, und auf Chris’ Stirn bildeten sich tiefe Furchen.

Die ganze Zeit über hatten sie einen gewissen Hass der B.S.A.A. gegenüber empfunden, während sie das Verhalten auch etwas hatten verstehen können.

Aber auf die Idee, ein Fremder könnte irgendwie hinter alledem stecken, waren sie bis zu diesem Moment noch nicht gekommen.

Nun aber hatte Piers genau diese Vermutung ausgesprochen, und der B.S.A.A.-Captain musste zugeben, dass es gar nicht einmal so abwegig war.

Wesker hatte sich damals ja auch in die S.T.A.R.S. eingeschlichen und hatte dort sein Spiel mit ihnen allen getrieben.

Warum also sollte nicht auch jemand anders auf diese Idee kommen?

Aber diese Tatsache beunruhigte Chris sehr, und er entschied, Rebecca so schnell wie möglich anzurufen.

Zum Einen, um um die Versorgung zu bitten, die sie brauchten, zum Anderen, um sie über Piers’ Vermutung zu informieren.

„Vielleicht hast du Recht. Vielleicht ist es wirklich so, dass sich irgendjemand bei uns rein geschlichen hat. Wie damals bei S.T.A.R.S.. Hoffen wir dann nur, dass wir es nicht erneut mit einem Gegner wie Wesker zu tun haben. Schon gar nicht, wenn der auch noch lebt“, murmelte Chris seufzend und schüttelt den Kopf.

Eigentlich hatte er sehr optimistisch in die nahe Zukunft gesehen.

Bald würde Ruhe einkehren, man würde die Jagd nach ihnen abblasen, und sie konnten sich erst einmal ein wenig in Alaska erholen.

Aber so?

Wenn der wahre Feind wirklich nicht die B.S.A.A. war, dann war auch diese nichts weiter als ein Opfer, dann mussten sie ihren Kollegen helfen.

Ja, fast schon hoffte Chris, dass Piers’ Befürchtung stimmte.

Er wollte sein gutes Bild von der B.S.A.A. nicht verlieren. Und abgesehen davon würde sein Co-Captain so auch noch immer eine glorreiche Zukunft vor sch haben.

Dann würde man ihnen, was seine Infizierung anging, vielleicht doch noch helfen können, ohne Piers gleich einzusperren und wie ein Monster zu behandeln.
 

„Pass auf. Du ruhst dich jetzt noch ein wenig aus. Und keine Widerworte. Ich ruf Rebecca an, erzähl ihr von unserer Vermutung und bitte sie, uns schnell etwas Verpflegung zukommen zu lassen. Dann bleiben wir noch ein wenig hier und warten ab, wie sich die Lage entwickelt. Wenn du Recht hast… dann können wir nicht einfach verschwinden, dann müssen wir das auch gar nicht. Wenn sich aber herausstellt, dass wir uns all die Jahre in der B.S.A.A. geirrt haben… Dann werden wir augenblicklich verschwinden und dem eigentlichen Plan folgen.“

Chris seufzte erneut, musterte den Jüngeren und dachte etwas nach.

Eigentlich wollt er, dass Piers hier blieb, dass er sich richtig erholte, dass er einfach in Sicherheit war.

Aber er wusste, dass das unmöglich war.

Piers war ihm schon immer treu gefolgt und hatte ihm immer zur Seite gestanden. Und vor allem jetzt würde sich das nicht ändern.

Und Chris wollte auch gar nicht alleine gehen, ebenso wenig wie er wollte, dass Piers alleine hier blieb.

Dieser runzelte nun nur die Stirn, wollte erst protestieren und ließ es dann doch.

„Na gut, ich ruhe mich noch etwas aus. Aber wehe, du haust ab. Du weißt, dass ich dann nicht ruhig liegen bleiben würde“, murmelte er, küsste seinen Captain kurz sanft und drehte ihm dann den Rücken zu, um sich wieder, so gut das eben ging, in Chris’ Jacke zu kuscheln.

Das war ja alles, was er hatte, aber selbst so, nackt und nur mit einer Jacke bekleidet, würde er noch los gehen, um Chris zu finden, sollte der auf dumme Gedanken kommen.

Aber irgendwie wusste Piers, dass er sich da gerade keine Sorgen zu machen brauchte.

Chris war stur, aber er war nicht dumm, ganz im Gegenteil.

Zudem würde er seinen geliebten Scharfschützen niemals einfach alleine hier zurück lassen, wissend, dass der sich in jedem erdenklichen Zustand aufmachen würde, um ihn zu suchen.

Mit diesem Wissen und einem leichten Lächeln auf den Lippen, sank Piers langsam aber sicher in einen leichten Schlaf, während Chris ihm noch einmal durch die kurzen Haare strich, ehe er sich leise entfernte, sein Handy schnappte und sich daran machte, Rebecca anzurufen.
 

Die Biochemikerin war nicht überrascht, als ihr Handy klingelte, und als sie sah, dass es Chris war, der sie da anrief.

Erleichtert, von ihm zu hören, fragte sie gleich nach, wie es Piers und ihm denn ginge.

Sie war froh, dass soweit wohl alles in Ordnung war, dass sich der junge Soldat nicht mehr in Lebensgefahr befand, dass er durchgehalten hatte und wieder zu Kräften gekommen war.

Das, was Chris als nächstes sagte, überraschte Rebecca allerdings doch.

Auch, wenn sie irgendwie erleichtert war.

„Das heißt, wir suchen nach einer Art zweitem Wesker?“, hakte sie nach, seufzte leise und knabberte an dem Ende des Stifts, den sie gerade in der Hand hielt.

Seufzend beugte sie sich vor, legte den Stift weg, klappte die Unterlagen, die sie gerade bearbeitet hatte, zu und lauschte den weiteren Worten ihres Freundes.

„Möglich, ja. Hoffen wir, er ist nicht ganz so clever und hartnäckig wie Wesker. Rebecca… sei bitte vorsichtig, egal, was du tust. Noch sieht es nicht so aus, als würde sich Piers’ Vermutung bestätigen. Sonst hätte die B.S.A.A. schon längst begonnen, die eigenen Reihen zu überprüfen. Es sei denn…“

„Es sei denn, wir haben es mit jemandem zu tun, der noch gefährlicher als Wesker ist. Mit jemandem, über den einige hier Bescheid wissen und vor dem sie Angst haben."

„Richtig…“

Kurz herrschte Schweigen, dann war von Chris ein Seufzen zu vernehmen, ehe es kurz wieder still war.

„Tu mir einen Gefallen. Bring uns etwas Verpflegung, Essen Trinken, Piers braucht neue Verbände und etwas zum Anziehen. Und bring uns etwas Sprit mit. Dann kehrst du zurück und verhältst dich weiterhin unauffällig. Versuch vorsichtig, irgendetwas herauszufinden. Wenn du was weißt, dann gib uns Bescheid. Wir werden sofort kommen, wenn sich herausstellt, dass es wirklich ein Fremder ist. Wenn nicht… müssen wir weiter fliehen.“

Wieder war es still, und Chris spürte, dass Rebecca ihm am liebsten widersprochen hätte. Dass sie wollte, dass Piers und er verschwanden und sich in Sicherheit brachten.

Aber die Jüngere kannte Chris, und sie wusste, dass sie damit, sowohl bei ihm als auch bei seinem Vize, gegen eine Wand aus Stahl anrennen würde.

„Okay, mach ich. Ich beeile mich. Seid vorsichtig. Ein Trupp ist noch immer unterwegs und auf der Suche.“

„Dann sei du auch vorsichtig, Rebecca. Lass dich nicht erwischen.“

„Mach ich nicht, keine Sorge. Bis später.“

Mit diesen Worten legte die junge Frau auf, fuhr sich durch die kurzen Haare und machte sich daran, die Dinge zusammen zu suchen, die Chris angefordert hatte, während dieser das Handy wieder weg packte, sich selber zu Piers legte und den Schlafenden mit einem leichten Lächeln im Gesicht einfach ein wenig beobachtete.

Auf alte Freunde ist Verlass

Es war nicht gerade leicht gewesen, aber irgendwie hatte Rebecca es geschafft, alles zu finden, was Chris ‚bestellt‘ hatte, und die Sachen ungesehen zur Tiefgarage zu bringen und dort in ihrem Wagen zu verfrachten.

Nachdem Chris und Piers geflohen waren, war im HQ erst einmal die Hölle ausgebrochen.

Zum Einen waren mehrere Gruppen losgezogen, um die Flüchtigen einzufangen, zum Anderen hatte man sich die beiden Wissenschaftler vorgenommen, die eindeutig übertrieben hatten.

Es war offensichtlich niemals geplant gewesen, Piers zu töten, zumindest nicht auf diese Art und Weise.

Auch Rebecca hatte man nicht einfach gehen lassen, aber sie war mit einer Abmahnung davon gekommen, weil sie sich gut hatte herausreden können.

Dass sie Chris und Piers zur Flucht verholfen hatte, wusste eigentlich niemand wirklich. Was man wusste, war, dass sie Piers geholfen hatte, als die Wissenschaftler ihn gefoltert hatten.

Man machte es der jungen Frau also an sich nur zum Vorwurf, dass sie die Flucht der beiden Soldaten anschließend nicht verhindert hatte.

Aber das war ihr egal, damit konnte sie leben, eine Strafe hatte nicht zu fürchten, und man hielt sie nun auch nicht penibel unter Beobachtung.

So konnte sie sich nun wunderbar ungestört ihrer Aufgabe widmen, ihrem Freund und dessen Scharfschützen zu helfen.

Kurz ging sie noch einmal die Sachen durch, um zu sehen, ob sie auch wirklich nichts vergessen hatte.

Sie wollte nicht auf halbem Weg zurück müssen, oder am Ende noch einmal ganz hin und her fahren, weil sie etwas vergessen hatte.

Nicht, weil ihr das zu nervig gewesen wäre, sondern weil sie Chris und Piers nicht ewig warten lassen wollte. Sie brauchten die Sachen dringend. Vor allem das Essen und das Trinken, welches Rebecca sich aus der Kantine besorgt hatte.

Klamotten hatte sie aus den Spinden von Chris und Piers genommen, um sichergehen zu können, dass das, was sie mitbrachte, auch passte. Und sie wollte auch nicht einen ganzen Sack Kleider mitschleppen.

So hatten die beiden Soldaten die Klamotten, die ihnen auch gehörten und passten.
 

Sie waren sicherlich nicht sauer, dass Rebecca dafür die Schlösser hatte aufbrechen müssen.

Benzin hatte sie sich aus der Abstellkammer gemopst, und aus dem Krankenzimmer hatte sie noch ein paar Schmerzmittel, fiebersenkende Mittel und zwei Decken mitgenommen, nur für den Fall.

Besser, sie hatten zu viel als zu wenig.

Als sie sicher war, alles zu haben, schlug sie den Kofferraum zu, blickte sich noch einmal um, um sicher zu gehen, dass wirklich niemand sie beobachtete, und stieg dann in den Wagen, ließ den Motor an und atmete noch einmal tief durch, ehe sie das Auto aus ihrer Parklücke setzte, zum Tor fuhr und dieses mit ihrer ID-Card öffnete.

Die wenigen Sekunden, die es dauerte, bis das Tor offen war, kamen ihr wie eine Ewigkeit vor, und sie ertappte sich dabei, wie sie für diese kurze Zeitspanne den Atem anhielt.

Endlich konnte sie aus der Tiefgarage heraus fahren und ihren Wagen auf die Straße lenken.

Niemand war zu sehen, es blieb ruhig und friedlich.

Ein paar Geräusche waren aus dem Inneren des Gebäudes zu hören, jedoch nichts, was Rebecca hätte beunruhigen müssen, nichts, das in irgendeiner Art und Weise ihr galt.

Und es war auch nicht verdächtig, dass sie nun weg fuhr, denn sie hätte ohnehin Feierabend gehabt, sodass sie sich auch da keine Sorgen zu machen brauchte.

Sie atmete wieder auf, als sie das HQ hinter sich gelassen hatte und auf die Hauptstraße kam, die nach wenigen hundert Metern auf den Highway führen würde.

Aufpassen musste Rebecca trotz allem, ein Trupp war noch immer unterwegs, und diesem wollte sie weder begegnen, noch wollte sie ihn zu Chris und Piers führen.
 

Nach wenigen Minuten hatte Rebecca den Highway dann auch erreicht und beschleunigte ihren Wagen ein wenig.

Sie gab nicht Vollgas, aber viel hätte die eher alte Kiste ohnehin nicht hergegeben.

Ihr Auto war nichts Besonderes, ein recht alter Ford Fiesta, für sie aber vollkommen ausreichend.

Warum sollte sie sich als alleinstehende Frau auch irgendeine Luxuskarre, einen Geländewagen oder gar einen Van zulegen?

Nein, ein Kleinwagen reichte da vollkommen aus, und sollte sie jemals Familie haben, würde sie eben weitersehen.

Nun aber tat ihr Ford das, was er tun sollte, was er genau so gut konnte wie jedes andere Auto auch.

Er fuhr ohne Probleme und würde sie schnell und unversehrt zu ihrem alten Freund bringen.

Seufzend blickte Rebecca nach vorne und achtete auf die Straße, die sich vor ihr erstreckte.

Es war schon wieder fast dunkel, und es war genau die Tageszeit, zu der man besonders gut auf wilde Tiere achten musste.

Gerade hier am Highway, der ein ganzes Stück lang an einem Wald entlangführte.

Irgendwo in diesem Wald, in einer verlassenen Hütte, hielten sich auch Chris und Piers auf, und Rebecca hatte sich brav die Koordinaten notiert, die Chris ihr gegeben hatte.

Eine Adresse hatte das kleine Holzhaus ja nicht, und eine Bescheidung der Umgebung hätte auch nicht viel gebracht, immerhin wäre ein 'da zwischen den Bäumen' nicht sonderlich vielsagend gewesen.

So aber hatte die Biochemikerin einen genauen Punkt, den sie ansteuern konnte, und ihr Navi führte sie brav und willig zu diesem.
 

Dennoch dauerte es noch eine ganze Weile, bis Rebecca die Stelle gefunden hatte, an der Chris die Straße verlassen und den gestohlenen Wagen versteckt hatte.

Es war schneller dunkel geworden als angenommen, und Rebecca hatte ganze drei Mal wenden müssen, trotz der Koordinaten, weil sie den kleinen Feldweg, den Chris genommen hatte, in der Dunkelheit nicht gesehen hatte.

Endlich aber hatte sie ihn dann doch bemerkt und ihr Auto auf diesen gelenkt, ehe sie ihn am Ende des doch recht kurzen Weges geparkt hatte, auch ein wenig zwischen den Bäumen verborgen, damit man ihn von der Straße aus nicht gleich sah.

Rebecca stellte den Motor ab, stieg aus und öffnete den Kofferraum, aus dem sie nun die Sachen holte, ehe sie ihn etwas umständlich wieder schloss, den Wagen absperrte und versuchte, auf ihr Handy zu blicken, das sich auf dem Haufen Sachen befand, die sie auf den Armen trug.

Irgendwie gelang es ihr, und sie schaute, in welche Richtung sie nun gehen musste.

Im Hellen sah man die kleine Hütte bereits von der Straße aus, nun aber wurde sie von den dunklen Schatten des späten Abends fast vollkommen verschluckt.

Vorsichtig, weil das Gleiche auch für den unebenen Boden galt, tastete sich Rebecca voran und passte auf, nicht über irgendwelche Wurzeln zu stolpern oder auf nassen Blättern auszurutschen.

Bald sah sie die kleine Hütte dann auch schon und atmete innerlich etwas auf.

Sie wollte gerade weitergehen, als sie einige Meter hinter sich ein Rascheln vernahm.

Im ersten Moment dachte sie, es könne ein Tier sein, doch dann erkannte sie ein Licht, eines, das eindeutig von einer Taschenlampe stammte.

'Scheiße...', dachte die junge Frau verzweifelt, denn sie war sicher, dass man sie doch verfolgt und nun gefunden hatte, dass sie die Soldaten direkt zu Chris und Piers geführt hatte.

Das durfte einfach nicht sein, das konnte nicht...

"Rebecca!?"

Beim Klang der dunklen Stimme, die ihren Namen rief, zuckte sie leicht zusammen, und vor Erleichterung und Überraschung hätte sie fast die Sachen fallen lassen.

Stattdessen drückte sie diese aber noch enger an sich, damit sie nicht wirklich noch herunterfielen, und wandte sich um, um auf den Mann zu warten, der auf sie zukam.

Sie erkannte ihn schon von weitem, auch wenn der Strahl seiner Taschenlampe größtenteils von den Schatten verschluckt wurde.

Aber dieses bärtige Gesicht, die große und muskulöse Gestalt würde sie überall erkennen.
 

"Was machst du hier, Barry? Wie bist du hergekommen, wie...?", murmelte Rebecca statt einer Begrüßung, als der Ältere nach einer Weile endlich bei ihr angekommen war und das Licht der Taschenlampe ausschaltete.

"Hab über ein paar Umwege gehört, was mit Chris und diesem... Piers passiert ist", erklärte er seufzend und zuckte leicht mit den Schultern.

"Dann habe ich versucht, dich zu erreichen, Chris zu erreichen, Jill zu erreichen, aber nichts. Irgendwie schien mein Handy einfach keinen Empfang zu bekommen. Also bin ich kurzerhand direkt zum HQ gefahren und hab gerade noch gesehen, wie du aus der Tiefgarage raus bist."

"Und hast dir gedacht, du folgst mir einfach mal."

Rebecca schüttelte den Kopf und atmete tief durch.

"Du hast mich zu Tode erschreckt mit deiner Taschenlampe. Ich dachte schon, die Soldaten, die hinter Chris und Piers her sind, hätten mich verfolgt..."

Sie war so verdammt erleichtert, dass dem nicht so war, dass sie hier jemanden vor sich hatte, dem sie vertrauen konnte, der vielleicht auch helfen konnte, der es aber auf jeden Fall versuchen würde.

"Was genau ist denn jetzt eigentlich...", begann Barry dann noch, aber die Jüngere schüttelte den Kopf und deutete mit diesem dann zu der kleinen Hütten.

"Erst mal da rein, Chris und Piers warten auf die Sachen hier, und dann erzähl ich dir alles, das, was ich eben weiß...", erwiderte sie, wandte sich ab und führte Barry die wenigen Meter zur Hütte, an der sie brav anklopfte und mit einem gerufenen 'Chris' zeigte, dass sie es war.
 

Es dauerte nur wenige Sekunden, bis aus dem Inneren der Hütte Geräusche zu hören waren.

Eine Stimme erklang, eindeutig die von Chris, dann folgten Schritte, und schon wurde die Tür geöffnet, und Chris' Kopf lugte durch den Spalt, den er erst einmal nur auf gemacht hatte.

Nicht, dass er Rebecca misstraute, aber man wusste ja nie.

Es war durchaus möglich, dass man sie geschnappt hatte und sie zwang, Chris und Piers aus der Hütte zu locken.

Aber Chris wusste auch, dass Rebecca lieber sterben würde, als so etwas zu tun.

Dennoch war und blieb er vorsichtig, denn sie waren einfach zu weit gekommen, um nun doch noch geschnappt zu werden.

Erleichtert stellte der Braunhaarige fest, dass es wirklich nur Rebecca war, und seine Augen weiteten sich etwas, als er erkannte, dass diese doch nicht ganz so alleine war, wie er angenommen hatte.

"Barry?", hakte er nach, in einem Tonfall, als hätte er einen Geist gesehen,

Nicht, dass Chris sich nicht freute, seinen alten Freund und Kameraden wieder zu sehen, und wie er sich freute!

Aber er hatte damit überhaupt nicht gerechnet, natürlich nicht.

Sein Blick wanderte zu Rebecca, und diese hob etwas hilflos die Schultern, um zu zeigen, dass sie in keinster Weise dahinter steckte.

Chris schüttelte nur den Kopf, nach wie vor verwirrt, dann aber bedeutete er den Beiden, rein zu kommen, zeigte ihnen aber mit einer knappen Geste, dass sie leise sein sollten.

"Piers schläft noch, und das soll er auch noch ein wenig tun. Er hat die Ruhe nach wie vor bitter nötig", fügte der B.S.A.A.-Captain seiner Geste noch hinzu, ehe er die Tür hinter Rebecca und Barry schloss und Ersterer die Sachen abnahm.

"Nochmal danke, dass du uns das alles gebracht hast. Ich weiß gar nicht, wie ich..."

Doch Rebecca schüttelte schnell den Kopf und bedeutete Chris, nicht weiter zu reden.

"Dafür sind Freunde da oder? Ich lass dich sicher nicht im Stich, schon gar nicht bei sowas. Was meinst du wohl, warum Barry hier ist?", fügte sie dann noch hinzu und deutete mit einem leichten Nicken zu dem Bärtigen, dem sich Chris nun auch endlich einmal richtig zuwandte.

Noch immer verwirrt, und vor allem überwältigt, schüttelte er den Kopf, begrüßte Barry noch einmal persönlich und umarmte ihn kurz freundschaftlich.

Er wusste, dass auch Barry viel durchgemacht hatte, dass die Zeit zwischen Raccoon und jetzt auch nicht immer die rosigste gewesen war für ihn.

Mit einem kurzen Blick fragte Chris stumm, ob Barry über das reden wollte, was ihm bisher passiert war, doch dieser schüttelte nur leicht den Kopf.

Nicht, dass er Chris seine Sorgen nicht hätte mitteilen können, aber momentan war wirklich nicht der passende Zeitpunkt. Nun waren Chris und Piers wichtig, nicht er selber.

Da war ohnehin nichts mehr zu ändern, was geschehen war, war geschehen.

Aber den beiden Soldaten konnten sie noch helfen, also sollten sie sich erst einmal darum kümmern.
 

"Ich hab gehört, was passiert ist. Zumindest... im Groben und Ganzen", erklärte Barry dann, warum er Rebecca hierher gefolgt war.

Dass er niemanden hatte erreichen können, weil sein Handy im denkbar schlechtesten Moment die Lust verloren hatte, vernünftig zu funktionieren, und dass er so entschieden hatte, einfach mal direkt zur B.S.A.A. zu fahren, wo er Rebecca gerade beim Verlassen der Tiefgarage beobachtet hatte.

"Da konnte ich natürlich nicht einfach tatenlos rumsitzen und bin ihr gefolgt. Ich sehe das genau wie Rebecca. Wir sind Freunde, und Freunde sind füreinander da. Ganz egal, was ihr auch immer getan habt, was dein Soldat getan haben soll, ich steh hinter dir, darauf kannst du dich verlassen. Hab ja eh noch einiges gut zu machen, und..."

Doch nun war es Chris, der Barry am Weiterreden hinderte.

Dass der ausgerechnet jetzt damit kommen musste.

"Du hast nichts gut zu machen, das weißt du ganz genau. Was passiert ist, ist passiert, und du hattest damals keine andere Wahl. Wir alle sind auf Wesker reingefallen. Und hätte er mich mit Claire erpresst... ich hätte vermutlich nicht anders gehandelt."

Und damit war das Thema für Chris erledigt.

Er lächelte matt, atmete tief durch und bedeutete Barry und Rebecca dann, sich hin zu setzen.

Leider konnte er ihnen nur den Boden anbieten, auf den er ein paar alte Kissen gelegt hatte, denn Stühle gab es hier nicht, es gab überhaupt keine Möbel in der kleinen Hütte.

Er wartete, bis die Beiden seiner Aufforderung nachgekommen waren, stellte eine der Flaschen, die Rebecca mitgebracht hatte, zwischen sie auf den Boden, damit sich alle drei daran bedienen konnten, und begann dann, zu erzählen, was genau passiert war, und hier und da warf Rebecca ein paar Infos ein, die sie anschließend bei der B.S.A.A. hatte aufschnappen können.

Dies ist kein Lebewohl

Eine ganze Weile lang hatten Chris, Rebecca und Barry zusammengesessen und sich unterhalten.

Anfangs war es nur um das gegangen, was Chris und Piers widerfahren war, dann hatten sie das Thema gewechselt und letztendlich über alles Mögliche geredet, was ihnen so in den Sinn gekommen war.

Rebecca hatte gemerkt, wie gut es Chris tat, einfach mal über ein paar belanglose Dinge zu reden.

Es hatte ihm geholfen, die momentane Situation zumindest für ein paar Minuten zu verdrängen, ein wenig abzuschalten.

Und das war etwas gewesen, das der B.S.A.A.-Captain bitter nötig gehabt hatte.

Als Barry und Rebecca gekommen waren, war Chris angespannt gewesen, nervös, er hatte irgendwie krank ausgesehen, ganz blass und mit Augenringen.

Doch im Laufe der Unterhaltung war er, zumindest als sie das aktuelle Thema abgeschlossen hatten, nach und nach aufgetaut.

Er hatte gelacht, hatte Witze erzählt, er war für einige Minuten wieder der Chris gewesen, den sie beide kannten.

Und das hatte sowohl Barry als auch Rebecca sehr gut gefallen.

Vor allem, weil sie wussten, wie bald die Stimmung des Soldaten wieder kippen würde.

Für ein paar Stunden hatten sie ihn ablenken, hatte er abschalten können, doch schon bald würde sich das wieder ändern.

Piers und er würden verschwinden müssen, ganz gleich, wer nun wirklich hinter alledem steckte.

Das war etwas, das Rebecca und Barry entschieden hatten, als Chris irgendwann mitten unter dem Gespräch einfach eingeschlafen war.

Aber er war ja auch angeschlagen, er war erschöpft, weil er sich die ganze Zeit über um Piers gekümmert hatte.

Chris hatte sich ein wenig Ruhe verdient, und die anderen Beiden hatten sich anschließend noch etwas leiser unterhalten, da auch Piers noch immer nicht aufgewacht war.

Barry hatte versprochen, Rebecca dabei zu helfen, herauszufinden, ob wirklich die B.S.A.A. der Feind war, oder ob jemand anders dahinter steckte.

Für Chris und Piers war es das Beste, wenn sie so bald wie möglich verschwanden und sich, wie Chris es geplant hatte, erst einmal nach Alaska absetzten, bis die Lage sich beruhigt hatte.

Rebecca würde ihnen Bescheid geben, und dann konnten sie nach Afrika, um nach möglichen Spuren von Wesker zu suchen.
 

Als Barry gehört hatte, dass Chris davon ausging, ihr ehemaliger S.T.A.R.S.-Captain könnte noch leben, hatte er für einen Moment geglaubt, sich verhört zu haben, oder dass Chris einen schlechten Scherz mit ihm trieb.

Aber schnell war ihm klar geworden, wie ernst der Jüngere seine Worte gemeint hatte.

Und die Begründung, die er dafür geliefert hatte, hatte auch mehr als plausibel geklungen.

Das T-Virus mochte nicht ganz so starke regenerative Fähigkeiten haben wie sie das C-Virus aufgewiesen hatte, aber auch Wesker war nicht all zu leicht zu vernichten gewesen.

Er hatte den Angriff des Tyrant überlebt und war damals entkommen, er hatte den Sturz mit Jill aus dem Fenster hoch auf einer Klippe überlebt.

Und das alles sicherlich nicht, weil er einen guten Schutzengel hatte, sondern schlicht und ergreifend, weil er infiziert gewesen war.

Da war es durchaus denkbar, dass er selbst jetzt noch lebte, auch, wenn Barry sehr hoffte, dass Chris sich irrte.

Wesker war ihr aller Feind, und vor allem Barry hätte sich liebend gerne noch einmal an ihm gerächt, doch allen voran war es Chris, für den Wesker der größte Erzfeind war, und anders herum war es nicht anders.

Rebecca hatte nie wieder mit dem Blonden zu tun gehabt, das Gleiche galt für Barry.

Chris jedoch war Wesker noch mehrere Male begegnet.

Und so verstand der Älteste im Raum durchaus, dass Chris darauf bestand, Derjenige zu sein, der sich auf die Suche machte, um herauszufinden, ob Wesker wirklich noch am Leben war.

Und dass er seinen Soldaten dabei bei sich haben wollte, war auch nachvollziehbar.

Weder Rebecca noch Barry wussten zu diesem Zeitpunkt, was da zwischen den beiden Soldaten lief, auch, wenn zumindest Rebecca da so eine leichte Vermutung hatte.

Sie hatte gesehen, wie Chris im Labor zu Piers geeilt war, wie sanft er mit ihm umgegangen war, wie liebevoll und angsterfüllt er ihn angesprochen und zum Durchhalten angefleht hatte.

Ja, Chris hatte sich schon immer sehr für seine Freunde aufgeopfert, aber hier war es doch etwas anderes gewesen.

Aber Rebecca sagte nichts dazu, nicht, solange Chris oder Piers das Thema nicht selber anschnitten.
 

Leicht streckte die junge Frau sich und versuchte gerade, auf andere Gedanken zu kommen, als sie Geräusche vernahm, die aus einer Richtung stammten, in der sich weder Barry noch der schlafende Chris befanden.

Die junge Frau hob den Kopf und bemerkte, dass Piers erwacht war und sich erhoben hatte.

Zumindest versuchte er, sich zu erheben, doch seine Beine versagten ihm den Dienst, und so ließ er sich vorsichtig wieder auf sein Nachtlager sinken.

"Ganz langsam, nichts überstürzen, das bekommt deinem Kreislauf nicht."

Rebecca war aufgestanden und hatte sich zu dem Scharfschützen begeben, ein Sandwich und eine Wasserflasche in der Hand.

Mit diesen Sachen ließ sie sich nun neben den Decken nieder, erstarrte dann aber kurz, räusperte sich und legte die Sachen schnell ab, ehe sie sich noch einmal erhob, umwandte und die Anziehsachen holte, die sie für Piers mitgebracht hatte.

Schweigend hielt sie dem Jüngsten diese hin und drehte sich dann um, damit sich Piers in Ruhe anziehen konnte.

Momentan wurde sein Körper ja nur von Chris' Jacke und einer viel zu kleinen und dünnen Decke bedeckt.

Geduldig wartete Rebecca, bis Piers ihr bedeutete, dass sie sich wieder umdrehen konnte.

Er hatte sich seine Hose und ein ärmelloses Shirt übergezogen, die Jacke, die dazu gehörte, hatte er neben sich auf den Boden gelegt. Für diese war ihm gerade viel zu warm, was sicherlich daran lag, dass er etwas Fieber hatte.

Und als hätte Rebecca das erahnen können, hielt sie Piers nun noch zwei Tabletten hin, als dieser nach der Wasserflasche griff.

„Fiebersenkende Mittel und eine Schmerztablette. Sicherlich nicht verkehrt“, erklärte Rebecca und lächelte leicht.

„Wie geht’s dir jetzt?“

Nachdenklich musterte sie den Soldaten, als dieser nun ein paar Schlucke trank und die Tabletten einnahm.

Verglichen mit dem Augenblick, in dem sie ihn im Labor auf dem Boden hatte liegen sehen, sah Piers schon wieder viel besser aus, aber man sah deutlich, dass er noch nicht wieder ganz bei Kräften war.

Er war blass, und das Fieber schien ihm ein wenig zuzusetzen.

Aber er würde überleben und wieder ganz auf die Beine kommen. Und das war das Wichtigste.
 

„Etwas besser… Viel besser, würde ich sogar behaupten…“

Wenn man bedachte, in welchem Zustand er gewesen war, als Chris ihn mit Rebeccas Hilfe aus dem B.S.A.A.-Labor geschafft hatte, ging es ihm mittlerweile wieder blendend.

Klar, ein wenig schlapp war er noch, das würde wohl auch noch ein wenig anhalten.

Die Wissenschaftler hatten ihm einiges an Zeug injiziert, sie hatten ihm mit den Skalpellen übel zugesetzt.

Und auch das Antivirus, das er in dreifacher Dosis erhalten hatte, machte sich bemerkbar.

Er war noch immer infiziert, das spürte Piers deutlich, aber das Virus regte sich nicht.

Während der Folter im Labor hatte er gespürt, wie das C-Virus aktiv geworden war, wie es ihm Kraft verliehen und versucht hatte, die Wunden, die ihm zugefügt worden waren, sofort wieder zu schließen.

Aber dieses Gefühl hatte bald nachgelassen, das Virus war ruhig geworden.

Piers war sicher, dass es ihm längst besser gehen würde, hätte das Virus noch seine alte Kraft behalten. Dann hätte es seine Wunden geheilt, die Giftstoffe aus seinem Körper verbannt und diesen gestärkt.

So aber würde sich der junge Soldat wohl noch eine ganze Weile gedulden müssen, bis es ihm wieder wirklich gut ging.

Er seufzte einmal leise auf, atmete tief durch und schraubte die Flasche wieder zu, die er in nur zwei Zügen fast gänzlich geleert hatte.

Er war wie ausgetrocknet gewesen, er hatte nicht mehr wirklich etwas getrunken, seit sie hier waren.

Ein oder zwei Flaschen hatte Chris aus dem Labor mitnehmen können, aber viel war das nicht gewesen, nicht für zwei erwachsene, angeschlagene Männer.

Nun aber fühlte sich der Scharfschütze gleich besser, und als er das Sandwich zur Hand nahm, meldete sich auch gleich sein Magen mit einem leisen Knurren, und er biss recht herzhaft in das weiche Toastbrot.

Er gehörte eigentlich zu den Leuten, die mit der ursprünglichen Brotauswahl dieses Landes nicht viel anfangen konnten, die gerne bereit waren, etwas mehr Geld auszugeben, um richtiges Vollkornbrot zu kaufen. Das war gesund und machte satt.

Doch im Moment kam Piers dieses Sandwich, dieses einfache, billig belegte Weißbrot, wie ein Festmahl vor.

Erstaunlich schnell hatte er es verdrückt, wobei er jedoch nicht geschlungen hatte. Nicht, dass er sich am Ende noch übergab, weil er seinen Magen überforderte.
 


 


 


 


 


 

Während Piers gegessen und getrunken und sich ein wenig mit Rebecca unterhalten hatte, war auch Chris wieder aufgewacht.

Ein leises Gähnen war zu vernehmen, dann streckte sich der Brünette leicht und verzog etwas das Gesicht.

Er war im Sitzen, an die Wand gelehnt, eingeschlafen, und dementsprechend schmerzte sein Rücken nun.

Aber das war schnell vergessen, als sein Blick auf Piers fiel, der nun, nachdem er sich etwas gestärkt hatte, schon gleich wieder viel gesünder wirkte.

Sein Blick schien ein wenig getrübt, vermutlich durch das Fieber, aber ansonsten wirkte Piers fitter als Chris es eigentlich erwartet hatte.

Noch einmal streckte er sich leicht, dann stand er auf und trat auf das Nachtlager seines Liebsten zu.

Am liebsten hätte er ihn nun umarmt und geküsst, aber in Anbetracht der Umstände ließ er das lieber erst einmal.

Rebecca und Barry sollten ja keinen Herzinfarkt erleiden.

So wünschte Chris dem Jüngeren nur einen guten Morgen, fragte ihn, wie es ihm ging, und ließ sich dann von Rebecca zum Essen und Trinken bewegen, nachdem er sich vergewissert hatte, dass Piers sich deutlich besser fühlte.

Auch Chris gönnte sich nun also ein kurzes Frühstück, und er merkte, dass er noch viel mehr hätte verdrücken können.

Aber er hielt sich zurück, denn die Vorräte, die Rebecca ihnen mitgebracht hatte, mussten nun eine Weile lang reichen.

Als er fertig war, drückte die junge Biochemikerin ihm einen Umschlag in die Hand, den Chris mit gerunzelter Stirn musterte.

„Was ist das?“, hakte er nach, doch Rebecca bedeutete ihm nur mit einem leichten Kopfschütteln, ihn einfach zu öffnen.

Chris tat, wie ihm geheißen, und als er den Umschlag geöffnet und den Inhalt herausgenommen hatte, starrte er diesen einfach nur an.

Er hielt gerade sicherlich 3000 Dollar in der Hand, wenn nicht sogar mehr.

„Was zum…?“, murmelte er, doch wieder schüttelte die Jüngere nur den Kopf.

„Sag nichts… Ihr werdet verschwinden, heute oder morgen. Euch nach Alaska absetzen, wie du es geplant hast. Barry und ich kümmern uns um alles hier, egal, ob die B.S.A.A. nun wirklich der Feind ist, oder ob doch jemand Fremdes dahinter steckt.“

„Aber…“

„Kein Aber, Chris. Es wird noch dauern, bis Piers wieder ganz fit ist, und auch du brauchst noch ein wenig Ruhe. In eurem Zustand erreicht ihr so nicht mehr, als dass ihr am Ende beide drauf geht. Und das ist nicht Sinn der Sache. Und jetzt mit euren Kreditkarten Geld abzuheben oder direkt mit ihnen zu bezahlen, ist zu gefährlich. “
 

Leise seufzend betrachtete Chris noch einmal die Scheine, dann steckte er sie in den Umschlag zurück und legte ihn beiseite, ehe er Rebecca wieder ansah.

Er wollte ihr widersprechen, wollte ihr sagen, dass sie das nicht verlangen konnte, aber er musste zugeben, dass sie Recht hatte.

Piers brauchte noch Ruhe, viel Ruhe, um wieder ganz auf die Beine zu kommen.

Weder hätte er ihn mitnehmen können, wenn es zu irgendeinem Kampf gekommen wäre, noch hätte er ihn dazu bringen können, in der Hütte zu bleiben.

Und erreicht hätten in der Tat weder er selbst, noch der Jüngere etwas.

Rebecca wurde nicht gejagt, und Barry würde man im Moment gar nicht mit ihnen in Verbindung bringen.

Für diese Beiden war es am leichtesten, an Informationen zu kommen, herauszufinden, was wirklich los war, und dagegen anzugehen.

Also seufzte er nur noch einmal, atmete tief durch und nickte dann.

„Na schön, meinetwegen. Aber passt auf euch auf. Und wenn irgendwas ist, wenn ihr irgendetwas herausfindet… Dann gebt ihr uns sofort Bescheid, verstanden?“

Nun waren es Barry und Rebecca, die beide brav nickten und sich natürlich sofort damit einverstanden gaben. Anders hatten sie es auch gar nicht geplant.

„Dann ist das jetzt wohl ein Abschied, hm? Da sieht man sich nach all der Zeit mal richtig wieder, und dann sowas…“

Barry klang sichtlich enttäuscht, aber er wusste, dass es nicht zu ändern war.

Rebecca und er hatten nun einiges zu tun hier, und Chris und Piers mussten sich auf den Weg machen, bevor doch noch jemand dahinter kam, wohin sie geflohen waren, oder wohin sie noch wollten.

„Aber nicht für immer. Je nachdem, wie sich alles aufklärt, kommen wir früher oder später zurück. Los werdet ihr mich nicht, und ich kann euch versichern, Piers ist genau so stur und zäh wie ich. Wenn nicht noch sturer und zäher“, erwiderte Chris, und bei den Worten musste er doch ein wenig grinsen.

Er hatte sie allerdings durchaus ernst gemeint.

Piers und er waren ein perfektes Team, und sie waren sich in vielen Punkten ähnlich. Und wenn Chris wieder irgendwelche Dummheiten anstellen wollte, konnte er sich darauf verlassen, dass Piers ihn daran hindern würde.

Er liebte diesen Mann, und er vertraute ihm blind. Und anders herum war es ja ganz genau so.
 

„Wann werdet ihr aufbrechen? Heute noch?“, wollte Rebecca nun wissen, und dabei sah sie nachdenklich zu Piers, der nur leicht mit den Schultern zuckte.

Ihm war es relativ egal, diese Entscheidung würde er Chris überlassen.

Dieser musterte seinen Liebsten kurz, horchte in sich selber hinein und schüttelte dann leicht den Kopf.

„Nicht vor morgen früh, denke ich. Diesen Tag und die kommende Nacht gönnen wir uns noch. Und am frühen Morgen werden wir dann aufbrechen. Wir werden uns erst einmal noch ein wenig stärken. Ich denke… melden können wir uns jedoch erst, wenn wir uns in irgendeiner Stadt weit weg von hier befinden, in der wir eine kurze Pause riskieren können. Mein Handy wird sich im Laufe des Tages verabschieden, und Strom gibt es hier in der Hütte ja nicht. Aber ich verspreche, euch sofort anzurufen, wenn wir eine solche Stadt erreicht, und eine Möglichkeit gefunden haben, mein Handy wieder aufzuladen.“

Chris wusste ja, dass sich Barry und Rebecca so lange um ihn und Piers sorgen würden, bis sie sich bei ihnen gemeldet hatten, bis sie ihnen versichert hatten, dass alles in Ordnung war.

„Und ihr fahrt nun beide nach Hause?“

„Ich denke schon, ja. Ich hab ja heute frei, und ich denke, ich werde mich ein wenig hinlegen und schlafen. Ich war jetzt die ganze Nacht wach.“

„Ich hab da nichts Anderes geplant. Ab nach Hause und ein wenig hinlegen. Und dann werden wir uns an die Arbeit machen, denke ich. Nach allem, was ihr mir so erzählt habt… sollten wir wirklich nicht zu viel Zeit verlieren. Das hier ist eine verdammt ernste Angelegenheit.“

„Ist sie. Und darum werden wir sie so schnell wie möglich aus der Welt schaffen. Ein paar Stunden schlafen, und heute Abend treffen wir uns irgendwo. Dann gehen wir das alles noch mal Stück für Stück durch. Irgendwo muss es einen Hinweis geben, irgendetwas, das uns weiterhilft, das uns einen Hint darauf gibt, wer wirklich dahinter steckt…“

Zumindest war es das, was Rebecca hoffte. Denn sonst wusste sie auch nicht mehr weiter.
 

Nachdem alles besprochen und beschlossen war, wurde es Zeit für den Abschied.

Keiner von ihnen sagte Lebewohl, sie alle glaubten daran, dass sie das irgendwie hinbekommen würden, dass alles gut werden würde.

Sie mussten optimistisch bleiben, um mit vollem Tatendrang an die Sache heran zu gehen.

Chris bedankte sich noch einmal für die Hilfe und das Geld, und er versprach, es zurück zu zahlen, wenn er wieder da war, was Rebecca nur mit einem finsteren Blick und einem drohend erhobenen Zeigefinger quittierte.

„Wehe dir…“, murrte sie nur, ehe sie Chris zum Abschied umarmte und das Gleiche anschließend bei Piers tat.

Auch Barry verabschiedete sich von den Beiden, dann verließen Rebecca und er das Haus und machten sich auf den Weg zurück zu ihren Autos.

Chris schloss hinter ihnen die Tür, lehnte sich leicht gegen diese und schloss für einen Moment die Augen, öffnete sie aber wieder, als er spürte, wie sich ein warmer Körper an seinen schmiegte, und sich Piers‘ Arme sanft um ihn legten.

Seufzend schloss Chris die Augen wieder und erwiderte die sanfte Umarmung des Jüngeren.

Diese Nähe tat unglaublich gut, sie half, sich ein wenig zu entspannen und doch optimistisch auf das zu schauen, was kommen würde.

Sie waren zusammen, das war das Wichtigste, so schnulzig das auch klingen mochte.

Aber sie würden einander Kraft geben, sich gegenseitig Mut machen und einander unterstützen, so gut es nur ging.

Chris würde dafür sorgen, dass Piers sich noch ein wenig schonte, dass er sich nicht überanstrengte, und Piers würde ihn oben halten, würde dafür sorgen, dass er, ganz gleich, was auch passieren mochte, nicht wieder so abstürzte wie damals in Edonia.

Und wenn all das hier vorbei war, dann würden sie weitersehen.

Wenn die B.S.A.A. nicht der Feind war, würden sie es dort noch einmal versuchen, vielleicht nahm man sie beide wieder auf.

Wenn nicht, oder wenn sie eben doch der Feind war, dann würden sie sich irgendwo, weit, weit entfernt von hier, ein schönes Leben machen.

So oder so, Chris würde nicht zulassen, dass irgendjemand oder irgendetwas ihm seine gemeinsame Zukunft mit Piers ruinierte.

Aufbruch in den Norden

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Auf großer Fahrt

Die Fahrt nach Oregon war weitestgehend ruhig verlaufen.

Ab und an hatten Chris und Piers kurze Pausen eingelegt, um sich ein wenig auszuruhen, um Vorräte nachzukaufen und um zu tanken.

Die meiste Zeit über hatten sie beide geschwiegen, hingen ihren Gedanken nach und konzentrierten sich auf die Umgebung.

Als sie nach einer Weile das Gefühl bekommen hatten, verfolgt zu werden, hatte Piers darauf bestanden, dass sie den Rest des Weges ohne weitere Pausen zurücklegten und sich mit dem Fahren abwechselten.

Chris beharrte zwar darauf, dass der junge Soldat Ruhe brauchte, doch dessen Argument, dass ihm die auch nichts mehr brachte, wenn man sie erst einmal geschnappt hatte, hatte den Captain recht schnell zum Schweigen gebracht.

So saß nun Piers am Steuer, während Chris in seinem Sitz ein wenig zusammengesunken war und schlief.

Er hatte sich die Ruhe verdient, und den Weg nach Oregon fand Piers auch so.

Ein Navi hatten sie nicht in dem Wagen, aber er war ja durchaus in der Lage, Straßenschilder zu lesen.

Und ein Fremder war er hier auch nicht unbedingt.

Natürlich kannte er nicht jeden Winkel der USA, aber die wichtigsten Verbindungsstraßen zwischen den einzelnen Staaten kannte er durchaus.

Von Oregon aus hatten sie eigentlich mit einer Fähre nach Alaska übersetzen wollen, doch zum Einen ergab sich hier das Problem, dass von dort aus keine ablegte, zum Anderen waren sie mittlerweile sicher, dass jemand von der B.S.A.A. sie verfolgte.

Sie hätten so oder so nicht die Zeit gehabt, dort anzuhalten, ein Ticket zu kaufen und auf eine Fähre zu warten.

Ganz abgesehen davon, dass sie auf einer solchen völlig gefangen gewesen wären.
 

So blieb ihnen nichts anderes übrig, als Oregon als einen weiteren Tank-Zwischenstopp zu nutzen und mit dem Auto weiter nach Alaska zu fahren.

50 Stunden würde es in etwa dauern, wie Piers es sich im Kopf errechnet hatte.

Eine lange Zeit, doch das eigentliche Problem war, dass sie nun doch durch Kanada würden fahren mussten, etwas, das sie eigentlich hatten vermeiden wollen.

Aber letzten Endes war es eigentlich vollkommen egal, wo ihre Route sie entlang führte.

Wenn es ihnen nicht gelang, ihre Verfolger abzuschütteln, waren sie ohnehin verloren, da konnte auch Alaska sie nicht retten.

Irgendetwas musste ihnen einfallen, denn fest stand, dass die Leute der B.S.A.A., oder zu wem auch immer sie wirklich gehörten, nicht einfach freiwillig von ihnen ablassen würden.
 

Müde warf Piers einen kurzen Blick in den Rückspiegel, in dem er vereinzelte Lichter anderer Autos ausmachen konnte, alle in recht großem Abstand.

Es war wieder später Abend, fast schon mitten in der Nacht, und sie waren kurz davor, die Grenze zwischen Nevada und Oregon zu überqueren.

Natürlich hätten sie auch eine ganz andere Route nehmen können, hätten schon längst die Grenze zu Kanada passiert haben können, aber dieser kleine Umweg half ihnen vielleicht, die Verfolger los zu werden.

Je länger sie unterwegs waren, desto mehr Chancen ergaben sich.

Auch die Anderen mussten irgendwann tanken, daran führte kein Weg vorbei, auch sie mussten irgendwann die Fahrer wechseln.

Und solche Gelegenheiten nutzten Chris und Piers immer wieder, um ein wenig Abstand zwischen sich und die Verfolger zu bringen.

Momentan war von diesen nichts zu sehen, und so bog Piers nach einer Weile vom Highway auf eine kleinere Straße ab, die sie an einer Tankstelle vorbei nach Oregon führen würde.

Kurz tanken und etwas zu Trinken kaufen, und dann würde die Fahrt weiter gehen.

An der Küste entlang, mit Blick auf den Pazifik, einen Weg, den Piers sehr gerne fuhr, wenn er in dieser Gegend unterwegs war.

Mit ein Grund, warum er diese eher ungewöhnliche Route gewählt hatte.

Er kannte sich hier aus, wusste von einigen Nebenstraßen, von Schleichwegen, die die Anderen möglicherweise nicht kannten.

Wenn er sie irgendwo abhängen konnte, dann hier.

Und so müde er auch war, musste er sich nun zusammenreißen.

Denn hier war es besser, wenn er selber fuhr, statt Chris dauernd zu sagen, wo er lang sollte.

Und wach hätte er so oder so bleiben müssen.

Da konnte er auch gleich fahren, das machte dann kaum noch einen Unterschied.
 

Nun aber lenkte er den Wagen erst einmal zur Tankstelle, um ihn dort aufzutanken.

Langsam wurde es wirklich ein wenig eng mit dem Sprit.

Dadurch, dass Piers die ganze Zeit über eher darauf geachtet hatte, ob die Verfolger ihnen noch auf der Spur waren, hatte er die Tankanzeige völlig vergessen.

Er stellte den Motor ab, blickte kurz zu Chris und entschied sich, diesen einfach weiterhin schlafen zu lassen.

So leise wie möglich stieg der junge Soldat also aus, schloss die Tür und machte sich daran, das Auto zu betanken.

Es war vollkommen still, und auch das kleine Tankstellenhäuschen war dunkel und verlassen.

Als Piers fertig war, zog er Chris‘ Kreditkarte hervor und steckte sie in den dafür vorgesehenen Schlitz an der Zapfsäule.

Dadurch, dass sie oftmals nachts tankten, hatten sie keine andere Wahl gehabt, als die Karte doch zu benutzen.

Sie hatten jedoch abgemacht, das letzte Mal irgendwo in Oregon nachts zu tanken, und zuzusehen, dass sie es von da an nur noch zu Zeiten taten, zu denen die Tankstellen noch geöffnet hatten, damit sich ihre Spur hier bestmöglich verlor.

Als er fertig war, steckte der junge Soldat die Karte wieder weg, wandte sich von der Zapfsäule und dem Wagen ab und begab sich zu einem Automaten, der neben dem Gebäude stand.

Der Kaffee aus solchen Automaten schmeckte zwar meist alles andere als gut, aber das war in diesem Moment vollkommen egal.

Piers brauchte das Koffein, um sich weiterhin wach halten zu können.

Er bestückte den Automaten also mit ein paar 25 Cent Münzen, drückte auf den Knopf, der ihm gewöhnlichen schwarzen Kaffee auswählte, und wartete, bis der Becher sich mit der heißen Flüssigkeit gefüllt hatte.

Kurz schloss der Scharfschütze die Augen und unterdrückte ein Gähnen, dann nahm er den Becher an sich, schnappte sich einen Deckel aus einer Ablage, die an den Automaten angebracht war, und verschloss den Becher mit dem dampfenden schwarzen Inhalt.

Kurz nippte er schon einmal daran, ehe er sich wieder umwandte und zum Wagen zurückkehrte.

Dort angekommen, öffnete Piers die Tür leise wieder, stellte den Becher in der Halterung ab und ließ sich auf den Fahrersitz fallen.

Die Tür wurde wieder geschlossen, der Motor angelassen, und der junge Soldat warf einen Blick auf die digitale Uhr am Armaturenbrett.

Es war bereits halb 2, später, als er eigentlich angenommen hatte.

Wieder unterdrückte er ein Gähnen, schnallte sich an und nahm erst einmal einen weiteren Schluck von seinem Kaffee, ehe er die Tankstelle wieder verließ.
 

Und nach einigen weiteren Meilen hatten sie Oregon dann endlich erreicht.

Piers atmete ein wenig auf und trank erneut etwas von seinem Kaffee.

Jetzt mussten sie nur noch diesen Staat und Washington durchqueren, und dann würden sie direkt nach Vancouver kommen.

Nur noch durch zwei kanadische Staaten, und schon waren sie in Alaska.

Wenn man es so hörte, klang das nach einem richtig kurzen Weg, dabei trennten sie nun, durch die kleinen Umwege, noch immer gute 50 Stunden von ihrem Ziel, je nachdem, wie gut sie voran kamen.

Denn trotz ihrer Verfolger hielt sich Piers bestmöglich an die vorgegebenen Geschwindigkeitsbegrenzungen.

Die Polizei im Nacken war das Letzte, was sie nun gebrauchen konnten.

Und auch wenn Chris mit Fahren dran war, handelte dieser nicht anders.

Sie mussten vorsichtig sein, mussten sich an alle Verkehrsregeln halten, damit das Gesetz ihnen am Ende nicht noch einen Strich durch die Rechnung machte.

Sie hatten so eindeutig schon genug Sorgen.

Ein Verfolger reichte ihnen, und bisher war es schon schwer genug gewesen, diesem irgendwie zu entkommen.

Keine unnötigen Risiken eingehen, das war momentan die Devise.
 

Ein leises Geräusch neben sich ließ Piers etwas zusammenzucken, und er wandte den Blick kurz seinem Captain zu, der langsam wieder aus seinem Schlaf zu erwachen schien.

„Guten Morgen“, hauchte er und lächelte leicht, als der Ältere etwas verschlafen zu ihm blickte.

„Morgen… Wo sind wir?“, fragte dieser nun, richtete sich etwas auf und warf einen Blick aus dem Fenster, prüfend, ob ihm hier irgendetwas bekannt vorkam.

„Gerade in Oregon angekommen. Ich habe vorhin noch einmal getankt, von den Verfolgern ist seit einigen Meilen nichts mehr zu sehen.“

Wieder unterdrückte Piers ein leises Gähnen und tastete mit der einen Hand nach dem Kaffeebecher.

„Sicher, dass ich nicht übernehmen soll?“

„Ganz sicher.“

Piers nickte leicht, griff nach dem Becher und leerte diesen nun in einem kräftigen Zug.

Heiß war der Kaffee nicht mehr, aber auch noch nicht so kalt, dass er ungenießbar war.

Überhaupt hatte er besser geschmeckt, als Piers eigentlich angenommen hatte.

Er stellte den Becher wieder weg, atmete tief durch und konzentrierte sich wieder auf die Straße, wobei er versuchte, den Blick, den Chris ihm zuwarf, zu ignorieren.

Er merkte deutlich, wie skeptisch dieser ihn ansah, und auch, dass Sorge in seinen Augen lag.
 

Piers hatte sich gut erholt, seit sein Captain ihn aus dem Labor gerettet hatte, doch vollkommen fit war er nach wie vor nicht.

Und Chris‘ Meinung nach setzte er sich hier einer Anstrengung aus, die zu viel für ihn war.

Aber er kannte seinen Scharfschützen, er wusste, dass er gegen dessen Dickkopf nicht ankam.

Und ebenso wusste er, dass Piers vernünftig war, dass er seine Grenzen kannte.

Und er würde auch Chris niemals in Gefahr bringen, er würde Bescheid sagen, wenn er wirklich nicht mehr konnte.

Piers wirkte auch nicht geschwächt oder so, als würde er gleich zusammenbrechen, sondern einfach nur müde.

Und dennoch war sein Blick konzentriert auf die Straße gerichtet, dennoch hielt er den Wagen vollkommen ruhig.

Der beste Fahrer der B.S.A.A., das war er zweifellos.

Und so ließ Chris ihn einfach und wandte den Blick endlich von ihm ab und wieder dem Fenster zu.

Viel sah man draußen nicht, nur einige Lichter die an ihnen vorbei huschten, oder eben sie an den Lichtern.

Hier und da waren einzelne Menschen unterwegs, doch es war nicht zu vergleichen mit den Nächten in Städten wie New York oder Las Vegas.

Momentan befanden sie sich auf einer Straße, die durch Florence führte, wie Chris an einem Schild erkannte, das sie gerade passierten.

Einen gewaltigen Umweg hatte Piers da ausgesucht, aber vielleicht war das wirklich die beste Idee.

Außerdem hatte man hier einen so schönen Blick auf den Pazifischen Ozean.
 

Chris dachte kurz nach und sah dabei weiterhin auf das Meer hinaus, das zu Piers' Seite hin in der Dunkelheit lag.

Wenn sie auf dieser Straße blieben, auf der 101, dann würden sie Washington irgendwo hinter Bridgeton erreichen, und mussten zuvor nur noch den Columbia-River überqueren.

Er dachte wieder an Piers‘ Worte, als sie entschieden hatten, mit dem Auto zu fahren, da eine Fähre nicht in Frage gekommen war.

„Grob geschätzt… 50 Stunden, wenn wir den kürzesten Weg nehmen. Und mit den Verfolgern, die uns momentan offensichtlich am Hintern kleben… kann es auch noch weitaus länger dauern.“

Und auf der Strecke, die Piers hier ausgesucht hatte, würde es das auch ganz sicher.

Chris machte ihm wegen der Wahl der Route keinerlei Vorwürfe, nein.

Piers wusste, was er tat, Piers kannte sich hier aus, der Captain verließ sich da voll und ganz auf ihn.

Es ärgerte ihn nur, dass sie so lange unterwegs waren.

Einmal kurz hatte er sich auf dem bisherigen Weg von einer Telefonzelle aus bei Rebecca melden können, aber das war auch schon wieder mindestens einen Tag her, vielleicht sogar zwei.

Sie fuhren hier kreuz und quer durch die USA, Haken schlagend wie ein Kaninchen auf der Flucht.

Aber ihnen blieb kaum eine Wahl, wenn sie die Leute der B.S.A.A. spätestens an der kanadischen Grenze abgehängt haben wollten.
 

Chris sah nun doch wieder zu Piers und musterte diesen nachdenklich.

Bald würde alles besser werden, das redeten sie sich beide ein, und doch wussten sie, dass es bis zu diesem Besser noch ein langer Weg war.

In Alaska würden sie sich ein wenig erholen können, doch an den Umständen änderte das erst einmal rein gar nichts.

Da war noch immer das Problem mit der B.S.A.A., um das sich Barry und Rebecca momentan kümmerten, so gut sie es eben konnten.

Dann stand noch immer die Frage im Raum, ob Wesker noch am Leben war oder nicht.

Im Moment fürchteten sie das nur aufgrund eines schlechten Gefühls, das Chris plagte.

Und irgendwie glaubte er mittlerweile, dass das nicht genug war.

Auf der anderen Seite hatten Piers und er ohnehin nichts Besseres zu tun.

Zurück konnten sie so bald nicht, und weder Rebecca noch Barry hätten zugelassen, dass sie sich wieder in Gefahr begaben, weil sie ihnen helfen wollten.

So konnten sie ihre Zeit auch nutzen und nach Afrika reisen, um sich einfach zu vergewissern, um ganz sicher zu gehen, dass Wesker wirklich tot war.

‚Als würde es Sicherheit bedeuten, nur, weil wir dort nichts finden. Mach dir nichts vor, Chris. Wenn er wirklich noch lebt, könnte er überall sein, und du würdest ihn nicht finden. Wesker weiß sich zu verstecken, er wird dir kaum in die Arme laufen. Und wenn doch, dann wird nicht er es sein, der als Toter endet…‘

Diese Gedanken gefielen dem B.S.A.A.-Captain überhaupt nicht, aber er wusste, dass sie wahr waren.

Gegen Wesker hatte er keine Chance, und das Gleiche galt für Piers.

Albert Wesker war ein Monster mit übermenschlichen Kräften, und sein Körper beherbergte mehr als ein Virus, er wusste mit seiner Macht umzugehen.

In Afrika hatte Chris unverschämtes Glück gehabt.

Und zu diesem Glück einen riesigen Vulkan und einen Helikopter mit zwei Raketenwerfern.

Und wenn Wesker wirklich noch lebte, hatte nicht einmal das gereicht, um ihn zu töten.

Was würde dann ausreichen?
 


 

„Chris…?“

Der Soldat zuckte leicht zusammen und hob den Blick an, wobei er dem des Jüngeren begegnete.

Der hatte den Wagen an den Straßenrand gefahren und angehalten.

Wie lange standen sie hier schon? Warum standen sie hier?

„Alles in Ordnung, keine Sorge. Ich war nur in Gedanken.“, versicherte Chris schnell und rang sich zu einem leichten Lächeln durch.

„Ich wollte eigentlich fragen, ob du… nicht doch übernehmen willst, aber du scheinst…“

„Natürlich kann ich übernehmen. Mir geht es gut, wirklich“, betonte Chris noch einmal, und damit sagte er ja auch die Wahrheit.

Ihn hatten nur düstere Gedanken geplagt, nichts weiter.

Das war nichts, weshalb Piers sich hätte Sorgen machen müssen.

Dieser musterte seinen Liebsten noch einmal kritisch, dann aber seufzte er leise, nickte und schnallte sich ab, um aus zu steigen und mit Chris den Platz zu tauschen.

Er war sicher gewesen, sich noch zusammenreißen zu können, doch auf den letzten Meilen hatte die Müdigkeit ihn völlig übermannt, und er wollte nicht riskieren, beim Fahren einzuschlafen und den Wagen gegen den nächstbesten Baum zu setzen.

Von den Verfolgern war seit Stunden nichts mehr zu sehen, und so konnten sie es riskieren, den Staat ohne große Schleichwege zu durchqueren.

Und die Straße, auf der sie sich befanden, führte fast bis zum Ende mehr oder weniger gerade an der Küste entlang.

Und auch Chris war ja durchaus in der Lage, Schilder zu lesen.
 

So war es also nach wenigen Minuten der Captain, der das Auto wieder auf die Straße lenkte und weiter über diese fuhr, während Piers es sich nun auf dem Beifahrersitz bequem machte.

Es dauerte nur wenige Sekunden, dann waren ihm die Augen auch schon zugefallen, und er war eingeschlafen, noch ehe Chris wieder vernünftig Gas gegeben hatte.

Lächelnd blickte dieser zu seinem Soldaten, dem er die Ruhe mehr als gönnte.

Er sollte sich ausruhen und nicht überanstrengen.

Chris war sehr froh, dass Piers sich dazu entschieden hatte, nicht weiter zu fahren, sondern ihm das Steuer zu überlassen.

Es hätte sonst wirklich böse enden können.

Und das war das Letzte, was sie beide wollten.

Immerhin wollten sie gemeinsam und heile in Alaska ankommen, und auch auf das Auto mussten sie aufpassen, denn ohne dieses waren sie so gut wie verloren, wenn sie nicht zufällig ein anderes fanden, dass sie mal eben kurzschließen konnten.

Nein, es war besser, wenn sie sich an und an abwechselten, und die paar Sekunden, die sie dadurch verloren, machten den Kohl sich nicht fett.

Ein Unfall konnte alles ruinieren, ganz gleich, wie gut sie bisher auch entkommen waren, und das Risiko durften sie auf keinen Fall eingehen.
 


 


 


 


 


 

Die restliche Fahrt durch Oregon verlief aber zum Glück ebenso ruhig wie zuvor.

Nach etwas mehr als drei Stunden hatten sie die Brücke über den Columbia River passiert und waren in den Bundesstaat Washington eingefahren.

Nun mussten sie nur noch bis zur kanadischen Grenze und Kanada dann im Westen durchqueren, um nach Alaska zu gelangen.

Von der Grenze aus bis zur Stadt Wasilla, die Chris anpeilte, würden es dann noch einmal in etwa vier Stunden Fahrt sein.

Nun waren es also noch knapp unter 50 Stunden, bis sie ihr endgültiges Ziel erreicht hatten.

Das waren mehr als zwei Tage. Zwei Tage, in denen noch einiges passieren konnte.

Aber auch das waren Gedanken, die der B.S.A.A.-Captain verdrängte.

Es würde nichts passieren, sie würden problemlos nach Alaska kommen, die Verfolger würden die Spur gänzlich verlieren, und dann hatten sie erst einmal Ruhe.

Kurz fiel sein Blick auf Piers, der noch immer tief und fest schlief, und ein Lächeln huschte über Chris‘ Lippen.

Nein, nichts würde sie jetzt mehr aufhalten, das würde er auf keinen Fall zulassen.

Nicht, nachdem sie soweit gekommen waren.

Der Ältere beschleunigte den Wagen ein wenig und fuhr durch die verlassenen Straßen des Staates.

Wenn er sich das im Kopf richtig ausrechnete, waren es noch etwa viereinhalb Stunden, bis sie die USA erst einmal verlassen würden.

Knappe zwei Tage würden sie dann also durch Kanada fahren, und schließlich würden sie an der Grenze zu Alaska wieder in die vereinigten Staaten überwechseln.

Etwas mehr als 40 Stunden vollkommene Sicherheit, wenn man es so wollte.

Vielleicht sollten sie doch dort bleiben…

Wieder wanderte Chris‘ Blick von der Straße zu seinem Scharfschützen.

Blass war dieser, wie er fand, und er atmete in seinem tiefen Schlaf etwas schwer. Die Reise war anstrengend, für sie beide.

Kanada hatte er meiden wollen, wegen der Grenze, aber nun ging das ja ohnehin nicht mehr.

Und da Kanada nur geographisch zu Amerika gehörte, würde die B.S.A.A. dort nicht all zu viel ausrichten können.

In weniger als fünf Stunden hatten sie die Grenze erreicht.

Wenn sie dann noch ein wenig länger fuhren, vielleicht bis zum Mittag, dann hatten sie die USA ein ganzes Stück hinter sich gelassen.

„Ich werde dir diese lange Reise nicht antun, Piers. Du brauchst Ruhe, richtige Ruhe, du brauchst ein Bett. Und ich habe auch keine Lust mehr, noch ewig durch die Gegend zu gurken. Außerdem müssen wir uns bei Rebecca melden.“, sprach er zu dem Schlafenden, ehe er sich wieder auf den Weg konzentrierte.
 

Ja, so würden sie es machen, das war das Sinnvollste.

In Kanada waren sie vielleicht sicherer als in Alaska, zumindest aber genau so sicher.

Und sie würden sich knappe zwei Tage Fahrt sparen, wenn sie dort blieben.

Die US-Dollar von Rebecca waren schnell in kanadische Dollar umgetauscht, das war ja nun wirklich nicht das Thema.

Und ob sie ihre weitere Reise per Flugzeug nun von Alaska oder Kanada aus fortsetzten, war auch vollkommen egal.

Im Moment zählte ohnehin nur, dass sie sich irgendwo zurückziehen und sich ausruhen konnten, in einem Bett, richtig schlafen.

Alleine bei dem Gedanken daran wurde Chris schon wieder müde, riss sich jedoch zusammen.

Er war seit nicht einmal vier Stunden wach, da konnte er jetzt nicht schon wieder an schlafen denken.

Dieses Privileg war nun erst einmal Piers vorbehalten.

Kurz nach der kanadischen Grenze konnten sie vielleicht noch einmal tauschen, wenn der junge Soldat sich dann fit genug fühlte, und wenn er selber dann doch zu müde war.

Jetzt mussten sie aber erst einmal die restlichen Meilen USA hinter sich bringen, und im Moment brauchte der Jüngere die Ruhe ohnehin deutlich mehr als Chris.

Er konnte nicht einmal sagen, ob Piers nur schlief oder sogar ohnmächtig war, und wieder wurde der Soldat etwas besorgter.

Das alles war einfach zu viel.

Wohlverdiente Ruhe

Da Piers eigentlich die ganze Zeit über geschlafen hatte, bis auf kurze Momente, in denen er halbwegs wach gewesen war, hatte Chris entschieden, auch den Rest der Strecke noch zu fahren.

All zu weit war es ja an sich nicht mehr, und der junge Soldat sollte sich die nötige Ruhe gönnen.

Chris selber war noch fit genug, und so lenkte er den Wagen weiter über die fast leere Straße, hatte irgendwann, nach ein paar weiteren Stunden, die Grenze erreicht und diese nach wenigen Minuten überquert.

Der Blick des Soldaten fiel zu dem Jüngeren, der im Moment wieder schlief und den Kopf leicht gegen die Scheibe gelehnt hatte.

Chris hoffte noch immer sehr, dass Piers mit seiner Vermutung vielleicht richtig lag, dass auch die B.S.A.A. nur ein Opfer war, dass sich alles klärte, und dass es für den jungen Scharfschützen vielleicht doch noch einen Weg zurück gab.

Ob er selber nach alledem zurückkehren würde, wusste er noch nicht.

Schon damals hatte er in den Ruhestand gehen wollen, und nun, da Piers wieder da war, konnte er das vielleicht auch, wenn alles gut ging.

Auf der anderen Seite wollte Chris Piers, nun da sie endlich ein Paar waren, auch nicht alleine lassen.
 

Aber das alles war nichts, worüber sie sich in diesem Moment Gedanken machen sollten.

Jetzt waren sie erst einmal ‚auf der Flucht‘ vor der B.S.A.A. oder denjenigen, die wirklich hinter alledem steckten.

Sie mussten sich erst einmal zurückziehen, Piers musste sich ganz erholen, und dann würden sie abwarten, was Rebecca und Barry ihnen sagen konnten.

Und je nachdem, was bei dieser Sache herauskam, würden sie dann entscheiden, was weiter zu tun war.

Vor allem Piers sollte sich in der Zwischenzeit so wenig wie möglich mit der ganzen Sache beschäftigen müssen, er hatte wahrlich genug durchgemacht.

Und Chris würde dafür sorgen, dass sein Liebster die nächsten Tage, Wochen, Monate, einfach die nächste Zeit, so gut es ging genießen konnte.

Er würde sich nun nach einem Hotel, Motel, einer Pension oder irgendetwas in der Art umsehen, erst einmal für ein, zwei Wochen ein Zimmer oder ein Appartement buchen und dann die nötigsten Dinge für diese Zeit einkaufen.

Und anschließend würde Chris sich etwas einfallen lassen, um Piers und sich selbst bestmöglich abzulenken.
 

„Wir schaffen das alles schon…“, murmelte der Ältere vor sich hin, seufzte leise und lenkte den Wagen in eine Seitenstraße, als er ein hell erleuchtetes Neonschild bemerkte, das auf ein Motel hinwies.

Ein kleineres Schild darunter wies darauf hin, dass noch etwas frei war, und so entschied er, dort sein Glück zu versuchen.

Es waren nur wenige hundert Meter, da sah Chris schon das eher kleine Gebäude, lenkte das Auto auf den Parkplatz und schaltete den Motor aus.

Kurz sah er wieder zu Piers, entschied sich aber dazu, diesen erst einmal schlafen zu lassen, bis alles sicher geklärt war.

Nicht, dass er ihn nun weckte, mit hinein zerrte, nur um festzustellen, dass es hier nichts Passendes für sie gab.

Das musste ja nicht sein.

Und so hell erleuchtet wie es hier war, ging Chris auch nicht davon aus, dass irgendjemand sich an dem Wagen zu schaffen machen würde, um Piers zu entführen.

Also legte Chris den Wagenschlüssel neben den Schaltknüppel, hauchte dem Jüngeren einen leichten Kuss auf die Wange und schloss dann, so leise es ging, die Fahrertür, um sich auf den Weg in das Gebäude zu machen.

Im ersten Moment fürchtete er, dass niemand an der Rezeption sei, und als ihm die Uhr, die hinter dem Tresen an der Wand hing, auffiel, wurde ihm klar, dass das auch nicht weiter verwunderlich gewesen wäre.

Es war gerade einmal vier Uhr morgens; nicht unbedingt die Zeit, zu der man irgendwo eincheckte.

Doch sie hatten Glück, und kaum dass Chris eine kleine Klingel betätigt hatte, waren Schritte zu hören, und ein älterer Herr kam auf ihn zu und musterte ihn mit gerunzelter Stirn.

Anscheinend war es auch hier nicht unbedingt normal, um diese Zeit aufzutauchen und einchecken zu wollen.

Und irgendwie tat es Chris auch leid, diesen Herren nun zu stören, auch, wenn dieser offenbar noch arbeitete und nicht schlief.

Aus dem Hinterzimmer drang jedenfalls angenehmer Kaffeeduft zu ihnen, und Chris spürte, wie er selber langsam doch richtig müde wurde, und Hunger bekam er auch.
 

„Es tut mir leid, dass ich so spät… oder früh… hier auftauche, aber…“

Chris deutete mit einem Kopfnicken nach draußen, wo der Wagen stand, in dem Piers noch immer zu schlafen schien.

„Mein Freund und ich waren die ganze Nacht unterwegs und sind ziemlich müde. Ich habe das Schild an der Straße gesehen und wollte fragen, ob Sie für ein paar Tage noch etwas frei hätten…“

Innerlich betete der Soldat schon fast, und er sah hoffnungsvoll auf das kleine Buch, das der Mann ihm gegenüber aufschlug.

Wenn er selber sich die Einträge so ansah, wirkte der Laden ziemlich leer, und tatsächlich tippte der alte Herr nach wenigen auf eine freie Stelle und nickte leicht, was Chris ein wenig aufatmen ließ.

„Ein Appartement haben wir tatsächlich noch. Es ist nicht das größte, reicht für zwei Leute aber vollkommen aus. Küche, Bad, Sie haben hier sogar Internet. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen das Appartement für die nächsten ein, zwei Wochen reservieren. Auf welchen Namen?“

Nun atmete Chris völlig auf, und er war sehr froh, dass sie so schnell etwas gefunden hatten, und noch dazu etwas Besseres als die üblichen Motelzimmer. Und sie durften es für längere Zeit nutzen. Perfekt.

Dass das hier ein Reinfall war und man sie in eine Gammelbude stecken würde, befürchtete er bei dem, was das Haus bisher vom Anblick her versprochen hatte, nicht, und so nannte er dem Mann seinen Namen, legte ihm das Geld bar auf die Theke und ließ sich dann den Schlüssel geben.

Kurz zeigte ihm der nette alte Herr noch, dass er die Treppe in das obere Stockwerk nehmen und dann links abbiegen musste, den Gang einmal ganz durch, um zum Appartement zu gelangen.

Chris bedankte sich, wandte sich ab und ging nach draußen zum Wagen, in dem Piers noch immer so saß, wie er ihn dort zurückgelassen hatte.

Der Soldat öffnete die Tür, rüttelte etwas an Piers‘ Schulter und strich sanft über dessen Wange, ehe der Jüngere endlich die Augen aufschlug.

Etwas verwirrt sah er seinen Captain an, doch der erklärte ihm schnell, was er gefunden hatte und hielt ihm den Schlüssel mit einem etwas stolzen Grinsen vor die Nase.

Er bemerkte die Erleichterung in Piers‘ Blick und lächelte leicht, als er den Schlüssel erst einmal weg steckte und nach Piers‘ Hand griff, um diesem aus dem Wagen zu helfen.

Etwas schlapp schien der Scharfschütze noch zu sein, denn der fiel Chris erst einmal halb entgegen, hielt sich dann aber auf den Beinen und nahm sogar eine der Taschen, ehe er den Älteren in das Gebäude begleitete.

Der Mann von zuvor war wieder in sein Hinterzimmerchen verschwunden, und noch immer hing der Duft von Kaffee in der Luft.
 

Schnell waren sie oben angekommen und hatten die Tür gefunden, die zu ihrem Appartement führte.

Chris öffnete diese, schob sie auf, schaltete das Licht an und blieb erst einmal überrascht stehen.

Vieles hatte er bei den Worten des Alten erwartet, aber nicht das, was sich ihnen hier bot.

Bei der Größe des Zimmers konnte man meinen, dass sie gerade das halbe Motel bezogen hatten.

Er hätte hier mit seinem gesamten ehemaligen Team einziehen können, so viel Platz gab es. Und das bei dem Preis...

Und auch Piers staunte nicht schlecht, als sein Captain den Raum betreten und ihm somit auch etwas Platz gemacht hatte.

Rechts von der Tür stand eine Couch vor einem Tisch, und an der Wand hing ein riesiger Flachbildfernseher, an beiden Seiten von Regalen und jeweils einem Schrank eingesäumt. Hinter diesem ‚Wohnzimmer‘ führte ein breiter Durchgang in das Schlafzimmer, in dem zwei große Doppelbetten standen, ebenso wie ein riesiger Spiegelschrank.

Von dort aus ging eine Tür ins Badezimmer, und links von der Eingangstür befand sich hinter einer Nische die geräumige Küche.

Die nächsten zwei Wochen würden sie also in einem angenehmen Luxus verbringen können, und als Chris die Taschen ins Schlafzimmer gestellt hatte, bemerkte er, dass es hier sogar einen Balkon gab.

„Nicht schlecht…“, murmelte er zufrieden und schob den Vorhang etwas beiseite.

Von hier oben hatte er sogar einen wunderbaren Blick auf das Auto.

Alles fiel ihm hierfür als Bezeichnung ein, Motel gehörte aber definitiv nicht dazu.

Aber er würde sich ganz bestimmt nicht beschweren.
 

Auch Piers hatte das Appartement nun ganz betreten, schloss die Tür und sperrte sie ab, ehe er sich kurz die Küche ansah, dann zu Chris ins Schlafzimmer ging, die Tasche abstellte und einen Blick in das Bad warf.

Es war hell, wie der Rest des Appartements, sehr sauber und mit separater Dusche und Badewanne.

Es gab noch eine weitere Tür, und als Piers diese öffnete, sah er, dass sich dahinter die Toilette befand, abgetrennt vom Rest des Badezimmers.

„Da hast du wirklich was verdammt Tolles gefunden“, musste der junge Soldat gestehen, und er trat von hinten an Chris heran, legte die Arme um ihn und lehnte den Kopf an seinen Rücken.

Sie hatten es geschafft, die hatten die USA verlassen, waren in Kanada, hatten die Verfolger abgehängt und erst einmal eine Bleibe gefunden.

Langsam fiel ein wenig der Spannung von Piers ab, und er bemerkte, wie müde er trotz allem war, obwohl er die letzten Stunden über geschlafen hatte.

Leicht schloss er die Augen, und er spürte, wie Chris sich herumdrehte und die Umarmung erwiderte, wie er ihn sanft festhielt und ihm einen Kuss auf die Stirn hauchte.

Der Jüngere konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, und irgendwie war ihn sogar etwas schwindelig. Lange würde er sicherlich nicht mehr wach bleiben können.
 

Dennoch war Piers in diesem Moment einfach nur glücklich.

Er war bei Chris, sie waren der B.S.A.A. entkommen, sie hatten endlich ein wenig Ruhe.

Ganz gleich, was die Zukunft auch bringen würde, ob er zurück konnte oder nicht, es spielte keine Rolle.

Diese Gedanken waren schnulzig, das wusste Piers, aber auch das störte ihn nicht.

Solange sein Captain bei ihm war, war alles in Ordnung. Und er wusste, dass es diesem ganz genau so ging.

Doch ebenso wusste er, was sich Chris für ihn wünschte; nämlich, dass alles gut ging und er zur B.S.A.A. zurück konnte.

Aber Piers war nicht sicher, ob er das selber auch wollte.

Dass Chris ihn damals rekrutiert hatte, hatte seinem Kämpfen, seinem Soldatsein einen Sinn gegeben, und dafür war Piers mehr als dankbar.

Aber in den letzten Jahren hatte er viel Leid erlebt, Leid, das er natürlich bekämpfen wollte, das aber auch an ihm nicht spurlos vorbeigegangen war.

Und vor allem hatte er Chris richtig kennenlernen können, hatte er gesehen, was die letzten Jahre diesem angetan hatten.

Der junge Soldat wusste, dass sein Captain, wenn er selber wieder zurückkehrte, mit ihm kommen würde.

Und das war etwas, das Piers nicht zulassen konnte.

Chris hatte genug durchgemacht, genug gelitten, er sollte sich seine wohlverdiente Ruhe gönnen.

Und wenn er selber dafür seinen Beruf als Soldat an den Nagel hängen musste, dann war das eben so.

Das hieß ja nicht, dass sie in Zukunft einfach zu Hause rum sitzen würden, wenn es erneut irgendwelche Ausbrüche gab.

Sie würden nach wie vor gegen den Bioterrorismus kämpfen, da konnten sie vermutlich beide nicht anders.
 

„Wollen wir uns etwas hinlegen?“, riss Chris den Jüngeren nach einigen Momenten aus dessen Gedanken, und dieser hob den Blick, sah seinen Captain an und nickte leicht.

Jetzt wollte er ohnehin nicht mehr über all das nachdenken.

Er war müde, richtig erschöpft, und auch das Schwindelgefühl wollte sich noch nicht so richtig legen.

Noch immer war er angeschlagen, und das wusste Piers auch.

Er hatte verdammtes Glück gehabt, die Taten der Wissenschaftler überlebt zu habe, und ihm war klar, dass es noch einige Tage dauern konnte, bis er wieder ganz fit war.

Aber Chris würde sich, wie bisher, gut um ihn kümmern, und Piers selber würde vorsichtig sein und sich, so gut es ging, ausruhen.

Und damit würde er nun gleich beginnen.

Er spürte, wie Chris sich in Bewegung setzte und ihn dabei bestimmt in Richtung des einen Doppelbettes schob.

Dort angekommen, drückte Chris Piers sanft in eine sitzende Position und beugte sich hinab, um ihn zu küssen, während er begann, mit den Händen unter Piers‘ Oberteil zu fahren und dieses hoch zu schieben.

Kurz löste Chris sich, um Piers das Shirt über den Kopf zu ziehen, dann drückte er ihn ganz nach unten, zog sich das eigene Oberteil aus und beugte sich wieder über den Jüngeren, der ihn mit leicht schräg gelegtem Kopf ansah.

„Was wird das, Captain? Ich dachte, wir wollten uns hinlegen?“

„Wir liegen doch“, erwiderte Chris mit einem leichten Grinsen, ließ sich dann neben Piers ganz auf das Bett sinken und schlang die Arme um den schlanken jungen Mann.

Deutlich konnte er noch dessen Muskeln spüren, aber an Fett war da überhaupt nichts zu finden, noch weniger als es vor alledem schon der Fall gewesen war.

„Morgen werde ich uns was Vernünftiges kochen. Du brauchst dringend mehr auf den Rippen“, murmelte der Ältere und kuschelte sich etwas an seinen Liebsten.

Noch immer sorgte er sich sehr um diesen, denn ihm entging nicht, dass Piers sich fitter gab als er eigentlich war.

Oder war er selber einfach überbesorgt?

„Also, was hältst du davon, Piers? Piers…?“

Verwundert hob Chris den Kopf, als er keine Antwort erhielt, und er sah, dass Piers die Augen geschlossen hatte und ganz ruhig und gleichmäßig atmete.
 

Mit einem leichten Grinsen schüttelte der B.S.A.A.-Captain den Kopf, seufzte leise und erhob sich noch einmal, um dem Schlafenden und sich selber die Hosen auszuziehen, das Licht aus zu machen und sich eben im Bad ein klein wenig frisch zu machen, ehe er wieder zum Bett ging, Piers zudeckte und sich dann wieder neben ihn legte, sich ankuschelte und den Scharfschützen betrachtete.

Am nächsten Tag würden sie auf jeden Fall einkaufen müssen, für den angebrochenen Tag hatten sie noch genug Essen und Trinken, und nun würden sie eh erst einmal ein paar Stunden schlafen.

Vor allem Piers hatte das nötig, und auch an Chris waren die vergangenen Tage nicht spurlos vorbei gegangen.

Er war ebenfalls verletzt worden, und auch die Fahrt war anstrengender gewesen, als man vielleicht meinen mochte.

Einkaufen und Rebecca anrufen, das war erst einmal das Wichtigste.

Und bei dem Gedanken erhob sich Chris leise ein weiteres Mal, kramte im Dunkeln sein Ladekabel heraus, tastete nach seinem Handy und steckte dieses an, ehe er sich erneut ins Bett legte, jedoch nicht ohne im Kopf noch einmal durchzugehen, ob er nicht doch noch etwas vergessen hatte.

Erst als er sicher war, dass es das erst einmal gewesen war, machte es sich Chris wieder bequem, legte einen Arm um den Schlafenden und schloss nun ebenfalls die Augen.

Es dauerte nur wenige Minuten, bis er durch den ruhigen Atem und den gleichmäßigen Herzschlag des Jüngeren ebenfalls eingeschlafen war.

Auferstanden von den Toten?

Die ganze Nacht über schliefen Chris und Piers tief und fest und ließen sich durch nichts stören.

Und sie wurden auch nicht gestört.

Allem Anschein nach hatten es die Verfolger aufgegeben, hatten die Spur verloren oder einfach keine Lust mehr.

Zumindest war es das, was Chris hoffte, und nicht, wie er tief in sich noch immer befürchtete, dass sie einfach einen passenden Moment abwarteten.

Sie würden vorsichtig sein müssen, das war dem Soldaten durchaus bewusst, und er hatte auch nicht vor, sich einzureden, dass sie nun vollkommen sicher waren.

Möglicherweise hatte er die Verfolger mit seiner Tat geradewegs her gelockt, aber vielleicht war das auch gar nicht so dumm wie es im ersten Moment klang.

Vielleicht konnten sie mit diesen Kerlen fertig werden und sich dann nach einer neuen Unterkunft umsehen.

Aber alles zu seiner Zeit, nun war erst einmal ein wenig Ruhe angesagt, Vorsicht hin oder her.

Wenigstens sein Handy musste der Captain nicht aufgeben, denn dieses war ihm damals direkt von der B.S.A.A. gestellt worden und konnte mit keiner bekannten Technik geortet werden, Anrufe waren nicht zurück zu verfolgen. Eine Vorsichtsmaßnahme, die ihnen nun endlich einmal wirklich zugute kam.

Denn so musste er immerhin den Kontakt zu Barry und Rebecca nicht abbrechen.

„Captain…?“
 

Leicht zuckte Chris zusammen und hob den Kopf an, als er die Stimme des jungen Soldaten vernahm.

Noch immer nannte dieser ihn Captain, trotz allem, was geschehen war.

Ganz abgesehen davon, dass er nicht mehr Captain bei der B.S.A.A. war, waren sie ein Paar, und von seinem Liebsten so angesprochen zu werden, fühlte sich merkwürdig an.

Auf der anderen Seite legte Piers immer eine bestimmte Betonung in diese Ansprache, das hatte er schon immer getan.

Er sagte das ‚Captain‘ auf eine Weise, wie es sonst niemand tat. Oder bildete er sich das nur ein?

Der Ältere schüttelte den Kopf, verdrängte diese Gedanken und lächelte leicht, damit Piers sich nicht noch mehr Sorgen machte als es ohnehin schon den Anschein hatte.

Sie hatten am Morgen gemeinsam ein Frühstück zubereitet, mit allem, was sie noch dabei gehabt hatten.

Und dieses vertilgten sie nun restlos, denn sie hatten nach der langen Reise beide ziemlichen Hunger.

Chris jedoch versank immer wieder in Gedanken, Gedanken, die er sich im Moment eigentlich gar nicht machen wollte. Und Piers entging das natürlich nicht.

„Es ist alles in Ordnung. Ich war nur in Gedanken“, erwiderte Chris dann auch ehrlich, und er zerknüllte das Papier des Müsliriegels, den er eben gegessen hatte.

Bis auf eine Flasche Wasser befanden sich nun nur noch leere Verpackungen auf dem Tisch, und noch immer war Chris nicht wirklich satt.

Aber ein paar Riegel und pappige Sandwiches reichten einem so muskulösen Mann wie ihm natürlich nicht aus, schon gar nicht, wenn man die letzten Tage durchgehend nichts anderes gegessen hatte.

Zudem hatte er den Großteil des Essens Piers gelassen, der es im Moment so oder so weitaus nötiger hatte als er selber.

Der junge Soldat musste wieder richtig zu Kräften kommen, und durch das Essen bekam er nun einmal die nötige Energie.

Und sie würden an diesem Tag ja ohnehin noch einkaufen gehen, das hatten sie schon am Vorabend geplant.

Zumindest hatte Chris das, und er ging nicht davon aus, dass Piers irgendetwas dagegen hatte.
 

„Worüber denkst du nach? Über… die Verfolger?“

Piers griff nach der Flasche, trank ein paar Schlucke und reichte sie dann an Chris weiter, ehe er sich etwas zurück lehnte und mit der Verpackung eines Sandwich spielte, während er auf die Antwort seines Liebsten wartete.

Dieser nickte nur und ließ ein leises Seufzen hören.

Piers war klar, wie sehr auch Chris das alles mitnahm, ihn ganz besonders.

Fast seit Anfang an war dieser bei der B.S.A.A., hatte den Leuten vertraut, hatte sich für sie alle eingesetzt, für jedes einzelne Team, für jeden einzelnen Soldaten.

Zwei seiner engsten und ältesten Freunde halfen ihnen, und wenn etwas schief lief, konnten sie nichts für diese tun.

Dann musste er sich noch um Piers kümmern, während sie beide, nur wegen eben diesem Piers, verfolgt wurden.

Chris sah das natürlich anders, er gab sich den Großteil der Schuld an alledem.

Aber Piers selber wusste, dass er der Infizierte hier wer, Derjenige, dem diese Verfolgung in erster Linie galt.

Da konnte Chris sagen, was er wollte, diesen traf keine Schuld.

Noch immer fragte der junge Soldat sich, ob wirklich die B.S.A.A. hinter alledem steckte, und je mehr er darüber nachdachte, desto sicherer war er eigentlich, dass dem nicht so war.

Nach all den Jahren, warum ausgerechnet jetzt?

Das ergab einfach keinen Sinn.

Zumindest nicht dann, wenn nicht irgendwer sonst seine Finger im Spiel hatte.

Auf der anderen Seite fragte er sich, warum, wenn es so war, niemand bei der B.S.A.A. etwas zu unternehmen schien, warum niemand sich auf ihre Seite stellte oder ihnen unbemerkt Bescheid sagte.

Wer auch immer das alles eingefädelt hatte, wer auch immer dahinter steckte, wusste verdammt gut, was er da tat und hatte alles fest im Griff.

Und wenn er da so an Chris‘ Erzählungen dachte, fiel ihm durchaus eine Person ein, die, wenn sie noch am Leben war, perfekt in dieses Bild gepasst hätte.
 

„Selber auch in Gedanken?“

„Ja, sieht ganz so aus…“

Dieses Mal war es Piers gewesen, der etwas zusammengezuckt war, als der Ältere ihn angesprochen hatte.

Sie hatten doch entspannen wollen, die Tatsache genießen, dass sie erst einmal mehr oder weniger in Sicherheit waren.

Und stattdessen schienen sie nun beide diesen düsteren Gedanken nachzuhängen.

Aber verwunderlich war das nicht.

Sich zu entspannen war unter solchen Umständen leichter gesagt als getan, das wussten sie beide.

Sie hatten Angst, gefunden zu werden, Angst, dass Barry und Rebecca etwas passierte.

Und vor allem hatten sie Angst, dass es wirklich einfach die B.S.A.A. war, die nicht das war, was sie immer zu sein schien.

Sie klammerten sich beide an diese Hoffnung eines Verräters, oder daran, dass jemand von außerhalb seine Finger im Spiel hatte.

Aber wie wussten auch beide ganz genau, dass bisher nichts, aber auch rein gar nichts, darauf hinwies. Ganz im Gegenteil.

So, wie die Situation im Moment war, sah es nun einmal ganz so aus, als hätten sie die letzten Jahre eindeutig den falschen Leuten vertraut.

Und dennoch konnten sie das nicht verstehen, denn auf der anderen Seite hatte die B.S.A.A. die ganze Zeit über den Bioterrorismus bekämpft und die Menschen gerettet.

Es passte alles einfach nicht zusammen, wie man es auch drehte und wendete, und die einzige Möglichkeit, herauszufinden, wer nun wirklich der Verantwortliche war, war die, weiter nach Informationen zu suchen und sich in Geduld zu üben.
 

„Was hältst du davon, wenn wir uns nach dem Essen eine erfrischende Dusche gönnen und uns anschließend mal nach ein paar Geschäften umsehen? Wir haben die Vorräte, die Rebecca uns mitgegeben hat, vollkommen aufgebraucht, und ich denke, neue Kleidung kann auch nicht schaden“, schlug Chris nach einer Weile dann einfach vor, um sie beide von diesen düsteren Gedanken abzulenken.

Im Moment konnten sie hier ohnehin nicht mehr tun, als aufzupassen, nicht doch noch erwischt zu werden.

Er würde gleich als erstes Rebecca anrufen und informieren, dass sie heile angekommen waren, dann würden sie duschen gehen und anschließend den Marsch in die Stadt antreten.

Etwas Bewegung tat ihnen sicherlich gut, und die frische Luft ohnehin, nachdem sie die letzten Tage fast durchgehend im Auto verbracht hatten.

Und da Piers auf diese Vorschläge hin nickte und sich erhob, um den Müll weg zu räumen, stand auch Chris auf, ging in das Schlafzimmer und griff nach seinem Handy, um sich bei Rebecca zu melden.

Vielleicht hatte diese ja auch schon ein paar Neuigkeiten, die sie ihnen mitteilen konnte.

Chris löste also das Mobiltelefon von dem Stecker, trat ans Fenster und schob den Vorhang zur Seite, um das Fenster zu öffnen.

Etwas stickig war es in dem Raum, und der Captain wollte das gerne ändern.

Er hatte gerade den Vorhang weg geschoben und streckte die Hand nach dem Fenstergriff aus, als er auf der Straße unten einen Schemen ausmachte; einen Mann, der einfach nur da stand und sich nicht bewegte.

Leicht runzelte Chris die Stirn, öffnete das Fenster, dessen Glas ein wenig unklar war, um die Person genauer erkennen zu können, und hielt dann mitten in der Bewegung inne.

Fassungslos starrte er zu der Gestalt, die da unten stand, und deren Mund sich zu einem leichten Grinsen verzog, einem Grinsen, das Chris niemals in seinem ganzen Leben vergessen würde.

Der Mann machte ein paar Schritte auf das Gebäude zu, hielt kurz inne und hob dann den Kopf an und blickte nun genau zu Chris. Zumindest war davon auszugehen, denn wie immer versperrte die schwarze Sonnenbrille den direkten Blick auf die Augen des Blonden.

„Wesker…“
 


 


 


 


 

„Chris, ist alles in Ordnung?“

Noch deutlicher als zuvor am Tisch zuckte der Ältere zusammen und fuhr herum, als er eine Stimme vernahm, die ihn ansprach.

Erst nach und nach realisierte er, dass es Piers war, und dann bemerkte er auch, dass er sein Handy nicht mehr in der Hand hielt, sondern dass dieses zu Boden gefallen war.

„Du bist so blass, was ist passiert? Ist irgendetwas mit Rebecca und Barry?“, fragte Piers weiter und neigte leicht den Kopf zur Seite, als Chris nicht antwortete, sondern sich umdrehte und aus dem halb geöffneten Fenster blickte.

Auch Piers folgte seinem Blick und sah auf die nun wieder leere Straße hinab.

„Ist da irgendwas?“, wollte er wissen, während er den Blick wieder abwandte und erneut zu seinem Liebsten sah.

„Chris…?!“

Noch immer hatte dieser keinen Ton gesagt, schüttelte jetzt auch nur leicht den Kopf und fuhr sich müde durch die Haare, ehe er sich bückte und sein Handy aufhob, das zum Glück unversehrt war.

„Es ist nichts. Ich dachte nur, ich hätte jemanden gesehen, ich…“

„Wesker?“

Bei der Erwähnung des Namen zuckte der Soldat erneut zusammen, seufzte leise und ließ sich auf die Bettkante sinken, atmete tief durch und nickte dann leicht.

„Draußen auf der Straße. Es war, als wüsste er ganz genau, dass wir hier sein würden…“

„Das heißt, er lebt also wirklich. Und statt dass wir ihn finden, hat er uns gefunden. Früher als uns lieb war.“

Doch Chris schüttelte nur den Kopf und sah den Jüngeren unsicher an.

Er war sicher, Wesker gesehen zu haben, sicher, dass dieser seinen Blick sogar erwidert hatte.

Aber auf der anderen Seite war er irgendwie auch doch nicht ganz so sicher.

Und Wesker war ja auch einfach wieder verschwunden.

Vielleicht hatte er ihn sich nur eingebildet, weil er sich so viele Gedanken machte, weil er nach allem, was passiert war, einfach noch zu durcheinander war.

Vielleicht…

Vielleicht war er aber auch wirklich da, und wenn dem so war, durften sie das nicht auf die leichte Schulter nehmen.
 

Seufzend trat Piers noch einmal an das Fenster heran und ließ seinen Blick über die Straße schweifen.

Zwei Autos fuhren an dem Motel vorbei, auf der gegenüberliegenden Straßenseite öffnete sich eine Tür, und eine Frau trat heraus, ging zum Briefkasten, holte Post und machte sich wieder auf den Weg zurück in das Haus.

Ansonsten blieb es ruhig, von jemandem, der aussah wie Wesker, war nichts zu sehen.

Aber das musste nichts heißen, und das wusste auch Piers.

Er selber hatte diesen Mann niemals kennen gelernt, er war der B.S.A.A. beigetreten, nachdem Chris ihn bereits getötet hatte. Oder eben gedacht hatte, ihn getötet zu haben.

Aber er wusste über Wesker, was er wissen musste.

Dass er einst in Raccoon City Captain des Alpha Teams bei S.T.A.R.S. gewesen war, dass Chris zu ihm aufgesehen hatte.

Dass Wesker gleichzeitig für Umbrella gearbeitet hatte und an mehr als einem Virus mit beteiligt gewesen war.

Dass er infiziert war und deshalb den Vorfall damals im Raccoon Forest überlebt hatte, obwohl er von dem Tyrant regelrecht aufgespießt worden war.

Und Piers wusste, was in Afrika geschehen war, was für eine Heldentat Chris dort vollbracht hatte.

Auch, wenn diese möglicherweise umsonst gewesen war.

„Was würde Jake wohl sagen, wenn er erfährt, dass sein Vater vielleicht noch am Leben ist?“, murmelte der Scharfschütze nachdenklich, während er sich etwas auf dem Fensterbrett abstützte und für einen Moment die Augen schloss.

Der frische Wind, der durch das Fenster wehte, war sehr angenehm und machte ihn noch ein wenig wacher.

Seit Chris ihm bei sich zu Hause offenbart hatte, dass die Möglichkeit bestand, dass Wesker noch leben könnte, hatte Piers sich aus irgendeinem Grund diese Frage gestellt.

Jake war alles andere als begeistert gewesen, als Chris ihm gestanden hatte, dass er Derjenige gewesen war, der Wesker getötet hatte.

Ja, Jake war sogar bereits gewesen, den Älteren zu töten.

Aber er hatte es nicht getan, und seinem Blick hatte Piers deutlich ansehen können, dass die gegebenen Umstände nicht der einzige Grund gewesen waren.

Jake hatte von Wesker gewusst, und somit hatte er vermutlich auch gewusst, was dieser getan hatte.

Jake war nicht einfach sauer gewesen, weil Chris ihm seinen Vater genommen hatte, nein.

Vermutlich hätte er selber gerne die Möglichkeit gehabt, ihm eines Tages gegenüber zu treten.
 

„Am besten ist es, wenn er nie davon erfährt…“

„Warum?“

Piers drehte sich bei Chris‘ Worten wieder herum und lehnte sich nun mit dem Rücken gegen die Wand, während er seinen Liebsten fragend ansah.

„Weil wir ihn, sollte ich mich nicht geirrt haben und er wirklich leben, erneut, und dieses Mal richtig, töten werden. Und ganz gleich, wie Jake auch immer zu Wesker stehen mag… muss er das nicht unbedingt mitbekommen. Er wird ihn niemals kennen lernen, und das ist auch am besten so. Wir sollten keine unnötigen Risiken eingehen.“

„Vermutlich hast du Recht. Wenn er es erfährt, wird er ihn sehen wollen, egal aus welchem Grund. Und das wird die ganze Sache nicht leichter machen für uns.“

„Ganz abgesehen davon, dass Jake sich in große Gefahr begeben würde. Ich bin sicher, dass er Wesker gegenüber nicht sonderlich freundschaftlich gesinnt ist, aber anders als sein Vater ist er kein Monster. Wesker würde keine Sekunde lang zögern, Jake zu töten, selbst wenn er wüsste, dass dieser sein Sohn ist.“

Leicht neigte Piers den Kopf und schloss erneut leicht die Augen, ehe er den Blick wieder Chris zuwandte.

„Denkst du, er weiß es? Dass er einen Sohn hat, meine ich.“

Auf die Frage hin schwieg Chris einen Moment lang, dann zuckte er mit den Schultern und schüttelte anschließend den Kopf.

„Ehrlich gesagt, denke ich das nicht, nein. Denn wenn er es wüsste… hätten wir Jake niemals kennen gelernt, und wenn, dann als Feind, als BOW, als was auch immer… Hätte Wesker es gewusst, hätte er alles daran gesetzt, diesen Jungen für seine Zwecke nutzen zu können, glaub mir…“
 

Und Piers glaubte ihm, ohne jeden Zweifel.

Chris hatte diesen Mann gekannt, zumindest war er davon ausgegangen, ihn zu kennen.

Und nachdem Wesker sich als Verräter und Monster offenbart hatte, war er ihm noch mehrere Male begegnet.

Wenn einer diesen Mann auch nur im Geringsten einschätzen konnte, dann war es Chris, wenn einer diesen Mann vernichten konnte, auch dann war das Chris.

Und Piers würde ihm in diesem Kampf zur Seite stehen, das würde er sich niemals ausreden lassen.

Ganz gleich, was genau mit der B.S.A.A. geschehen war, ganz gleich, ob er selber als tot gegolten hatte, Piers sah sich nach wie vor als Chris‘ Soldat an.

Und ganz abgesehen davon war er dessen Freund, und niemals würde er zulassen, dass diesem etwas geschah, das hatte er ja in China schon mehr als deutlich bewiesen.

Jederzeit würde er die gleiche Entscheidung wie damals erneut treffen, keine Sekunde lang würde er zögern.

„Wir schaffen das schon, Chris. Wenn er wirklich hier ist und weiß, wo wir sind… dann sparen wir uns immerhin die anstrengende Suche in Afrika. Und vielleicht steckt er ja sogar hinter alledem. Dann schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe. So oder so…“

Er löste sich von der Wand, trat auf Chris zu und legte sanft eine Hand an seine Wange.

„So oder so dürfen wir den Kopf nicht hängen lassen. Du hast ihn einmal vernichtet, dann schaffst du es auch ein zweites Mal. Und dieses Mal stellen wir sicher, dass es endgültig ist. Und jetzt… Jetzt vergessen wir das, denn zu ändern ist es ohnehin nicht, wenn er wirklich da ist. Wir gehen jetzt duschen, wie du es vorgeschlagen hast, dann gehen wir einkaufen, dann kochen wir uns was Feines… Und dann sehen wir weiter, okay?“

Mit den Worten hauchte Piers dem Älteren einen Kuss auf die Lippen, zog ihn dann hoch und sanft aber bestimmt mit sich in Richtung Bad.

Er würde seinem Captain diese düsteren Gedanken schon austreiben, und er hatte da auch schon eine kleine Idee, wie er das anstellen würde.

Von Lust und Liebe

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Fragen und Zweifel

Der gemeinsame Einkauf war ruhig verlaufen, und Chris und Piers kamen nach einiger Zeit mit prall gefüllten Tüten ins Motel zurück.

Ohne Auto hätten sie diesen Einkauf nicht tätigen können, und als sie endlich alles im Zimmer abgeladen hatten, wurde ihnen klar, dass sie maßlos übertrieben hatten.

Etwas grinsend sah Piers seinem Captain dabei zu, wie dieser versuchte, das Gekaufte irgendwie im Kühlschrank und den anderen Küchenschränken zu verstauen.

Es gelang halbwegs, und sie entschieden, das, was nicht mehr gepasst hatte, an diesem und am nächsten Tag zu essen.

Sie hatten ohnehin beide Hunger und konnten von daher auch gleich mit dem Kochen beginnen.

Während Chris sich daran machte, aus den übrig gebliebenen Sachen etwas zusammenzusuchen, das passte, und einige Dinge mit denen im Kühlschrank austauschte, verließ Piers die kleine Küche erst einmal, um im Nebenzimmer ein wenig durchzulüften.

Er öffnete das große Fenster und blickte durch dieses auf den Parkplatz.

Das hier war wirklich kein Motel, wie er sie eigentlich kannte.

Die meisten bestanden oft nur aus einem Zimmer mit Bett und einem kleinen Bad.

Das hier war im Grunde schon eher so etwas wie ein Appartementhaus.

Aber weder er noch Chris würden sich darüber beschweren. Ganz im Gegenteil.

Mit dieser Unterkunft hatten sie verdammt großes Glück gehabt.

Kurz atmete der junge Soldat tief durch, dann wandte er sich wieder von dem Fenster ab, um seinem Liebsten in der Küche zu helfen.

Der sollte ja nicht alles alleine machen müssen.
 

Als Piers die Küche betrat, hatte der Ältere bereits alles vorbereitet und offenbar entschieden, dass er Lust auf Reis mit Fleisch, Sauce und Gemüse hatte.

Etwas, zu dem Piers sicherlich nicht nein sagte, ganz abgesehen davon, dass sie eben das essen mussten, was partout nicht mehr in den Kühlschrank hatte passen wollen.

Und das frische Fleisch wollten sie auch nicht zwingend bis zum nächsten Tag draußen stehen lassen.

Der Scharfschütze nahm sich also ein Messer zur Hand und begann damit, das Gemüse klein zu schneiden und in einen kleinen Topf zu geben, während Chris den Reis aufsetzte und sich anschließend dem Fleisch widmete.

Schweigend standen sie nebeneinander und kümmerten sich um das Zubereiten des Essens, ehe der Ältere das Fleisch in die Pfanne gab, sich Piers zuwandte und von hinten die Arme um diesen schlang.

Etwas verdutzt sah der junge Soldat auf, und ein Lächeln huschte über seine Lippen.

Er nahm ein Stück Karotte und fütterte seinen Captain damit, dann stellte er den Topf mit dem Gemüse ebenfalls auf den Herd und drehte sich zu seinem Liebsten um, um sich etwas an ihn zu lehnen.
 

Es war schön, mit Chris hier zu sein, und er war so unendlich froh, dass sie nun zusammen waren.

Schreckliche Umstände hatten dazu geführt, dass sie sich getraut hatten, einander ihre Gefühle zu gestehen, und dennoch mussten sie für eben diese Umstände dankbar sein.

Und selbst mit dem Wissen, in was das enden würde, hätte Piers alles noch einmal genau so gemacht.

Er hätte höchstens versucht, zu verhindern, dass Chris verletzt wurde.

So, wie dieser anders herum ebenfalls versucht hätte, das zu verhindern.

So waren sie eben, sie wollten immer das Beste für den Anderen.

Chris hatte sich immer als Vater des Teams gefühlt, und außerhalb der Arbeit war Piers ihm immer besonders wichtig gewesen. Während der Missionen musste er natürlich auf alle Teammitglieder gleichermaßen Acht geben.

Und Piers hatte eben seine Aufgabe darin gesehen, auf seinen Captain aufzupassen, immer für ihn da zu sein und ihn notfalls auch mal in die Schranken zu weisen. Etwas, das sich sonst kaum einer der Soldaten wagte.

Und dass Chris jemanden brauchte, der auch mal auf ihn aufpasste, hatte sich bei den Missionen in Edonia und China ja nur zu deutlich gezeigt.

„Du bist so anhänglich heute, Chris. Nicht, dass uns am Ende noch das Essen anbrennt“, murmelte der Jüngere leise, und ein Grinsen huschte über seine Lippen.

Nicht nur Chris war anhänglich, Piers selber ging es da nicht anders.

Er war eigentlich immer eher der Distanzierte gewesen, der sich in erster Linie auf seine Aufgaben konzentriert hatte, doch seit er mit Chris zusammen war, hatte er das Bedürfnis, immer bei diesem zu sein.

An sich hatte er dieses Bedürfnis auch zuvor schon gehabt, doch er hatte sich das nicht anmerken lassen.

Nun aber durfte er das, und er tat es auch.

Und dadurch merkte Piers, wie sehr er sich eigentlich schon immer nach dem Älteren gesehnt hatte.

Fast war ihm das ein wenig peinlich, und es kam ihm auch etwas schnulzig vor, aber irgendwie war dem jungen Soldaten das auch vollkommen egal.

Chris schien ja nichts dagegen zu haben. Im Gegenteil schien ihm das zu gefallen.

Also konnte Piers weiterhin sein wie er war, und wenn er seinem Captain doch mal auf die Nerven gehen sollte, würde dieser ihm das schon sagen.
 

„Das bin ich wohl“, erwiderte der Ältere nun aber nur, und er legte die Arme enger um Piers und drückte diesen sanft an sich.

„Ich hoffe doch, du hast nichts dagegen. Und keine Sorge, das Essen vergesse ich währenddessen schon nicht.“

Wie auch der Jüngere hatte Chris doch ziemlichen Hunger, und so würde er sich hüten, zuzulassen, dass ihnen das Essen anbrannte.

Und bei dem Duft, der langsam aufstieg, wäre es ohnehin eher schwierig gewesen, das zu vergessen.

Sein Magen knurrte sogar schon leise, was dem Jüngeren erneut ein leichtes Grinsen entlockte.

Es fiel ihm schwer, sich von seinem Captain zu lösen, und dennoch tat er es nun.

Nach dem Essen hatten sie noch genug Zeit füreinander. Hier hatten sie ja an sich nichts zu tun.

Die nächsten Tage würden sie einfach nur abwarten und hoffen, dass niemand ihnen bis hierher gefolgt war.

Und um Wesker mussten sie sich auch noch kümmern.

Piers wusste nicht, ob dieser nun wirklich hier war oder nicht, ob Chris sich das nach alledem nicht vielleicht nur eingebildet hatte.

Aber zuzutrauen war es ihm, dass er die Ereignisse in Afrika überlebt hatte, und deshalb mussten sie vorsichtig sein.

Wenn der Captain sich am Ende nur geirrt hatte, umso besser, wenn nicht, mussten sie es schaffen, den Blonden ein für allemal zu vernichten.

Etwas, das sicherlich nicht leicht werden würde, wenn nicht einmal Lava und Panzerfäuste ihm etwas hatten anhaben können.

Aber ihnen blieb ja kaum eine Wahl.

Wesker würde sie nicht einfach in Ruhe lassen, schon gar nicht seinen Erzfeind Chris.

Und selbst wenn er das aus unerfindlichen Gründen doch tun sollte, schwebte der Rest der Welt trotzdem in großer Gefahr.

Wesker war verrückt, skrupellos, ein Mann, der vor nichts zurückschreckte, um seine Ziele zu erreichen.

Und nach alledem, was geschehen war, nachdem er bisher im Grunde durchgehend versagt hatte, war er mit Sicherheit auf Rache aus.

Von seinem Labor in Afrika war mittlerweile nichts mehr übrig, und sicherlich würde Jakes Vater nicht sofort zuschlagen können.

Und das war der einzige Vorteil, den sie hatten, eine Chance, die sie um jeden Preis nutzen mussten.

Wenn Wesker noch am Leben war, mussten sie ihn in der Zeit erwischen, in der er damit beschäftigt war, sich darum zu kümmern, alles bestmöglich wieder aufzubauen.

Falls das sein Plan war, und falls er das in den letzten Jahren nicht doch schon längst getan hatte.

Auch das war etwas, das Chris und Piers nicht wussten.
 

Wesker hatte sich eigentlich immer der gleichen Thematik gewidmet: Der Biochemie.

Als Forscher bei Umbrella und Tricell, und auch, als er einfach nur noch sein eigenes Ding durchgezogen hatte nach seinem Mord an Spencer.

Wesker wollte das zu Ende bringen, was der alte Mann begonnen hatte und die Menschheit wie sie war auslöschen, um eine neue und bessere Rasse zu erschaffen.

Und ganz abgesehen davon faszinierten ihn die Viren und die BOWs, die aus ihnen erschaffen werden konnten.

Groteske Wesen, wie damals schon der Tyrant, hatten es ihm angetan und waren etwas, das ihm mehr als nur gefiel.

Niemand konnte in diesen kranken Verstand hineinsehen, um das nachzuvollziehen, aber das war auch gar nicht nötig.

Piers war Wesker niemals persönlich begegnet, aber das, was er über ihn gelesen und von Chris gehört hatte, reichte, um sich ein Bild von dem Blonden zu machen und ihn als völlig gestört abzustempeln.

Als völlig gestört und mindestens ebenso gefährlich.

Dieses ganze Virenzeug interessierte ihn ja nicht einfach nur, er hatte sich im Laufe der Zeit offenbar auch alles selber verabreicht, was er irgendwie in die Finger hatte bekommen können.

Und es war klar, was sein Interesse nun geweckt hatte: Das C-Virus.

War das der Grund, aus dem Wesker hier war?

Alles, was mit dem Virus zu tun hatte, war vernichtet worden, bis auf ein paar Daten, die nötig gewesen waren, um aus Jakes Blut ein Gegenmittel herstellen zu können.

Die Toten waren restlos verbrannt worden, die, die man noch hatte retten können, waren dank des Antivirus völlig frei von Spuren des C-Virus.

Bis auf eine Ausnahme, und das war Piers.

Natürlich befand sich auch in Jakes Blut eine geringe Menge des Virus, aber diese war durch die Antikörper längst ‚verunreinigt‘.

Ganz abgesehen davon war es recht wahrscheinlich, dass Wesker nichts von der Existenz seines Sohnes wusste.

Und wenn doch, war ihm klar, dass er mit dessen Blut bei seiner Forschung nicht sonderlich viel erreichen würde.
 

Je länger Pier darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass er eigentlich nicht den geringsten Zweifel daran hegte, dass Chris‘ Erzfeind noch am Leben war.

Es war einfach so ein Gefühl, und sein Gefühl trog ihn selten.

Ganz abgesehen davon vertraute Piers seinem Liebsten und dem, was der gesehen hatte, auch, wenn es nur für einen so kurzen Moment gewesen war.

Leicht drehte er den Kopf und blickte durch die offene Küchentür schräg rüber ins Schlafzimmer, durch dessen Fenster Chris den Älteren gesehen hatte.

Eines verstand der junge Soldat noch nicht so ganz.

Warum war Wesker her gekommen und hatte sich unten einfach auf die Straße gestellt, ganz offenbar mit dem Plan, sich Chris zu zeigen?

Wollte er den Braunhaarigen damit verhöhnen? Wollte er ihm Angst machen, ihn verwirren?

Piers wusste, dass Wesker ein Mann gewesen war, der sich gerne überschätzt hatte, ein Mann, der voller Selbstbewusstsein, Stolz und Hohn gewesen war.

Es wäre also nicht weiter verwunderlich gewesen, wenn das wirklich der Grund gewesen war.

Und dennoch konnte Piers das irgendwie nicht glauben.

Ein Gefühl sagte ihm, dass noch etwas Anderes dahinter steckte.

Und auch, dass Wesker durchaus etwas mit dem zu tun hatte, was bei der B.S.A.A. vor sich ging. Wie sehr er sich bei den letzten Gedanken doch irrte...
 

„Piers…? Piers, was hast du? Du bist ganz blass…“, hörte der Jüngere nun Chris‘ Stimme, die ihn aus seinen Gedanken riss, und wie schon vor einigen Tagen in der kleinen Abstellkammer des Labors, spürte er, wie der Griff des Älteren sich verfestigt hatte und ihn stützte.

Piers hatte dieses Mal gar nicht gemerkt, wie seine Beine langsam aber sicher nachgegeben hatten und ihm den Dienst versagen wollten.

„Mir geht’s gut, nur ein leichtes Schwindelgefühl“, erwiderte der Scharfschütze, und er atmete tief durch, ehe er etwas die Schultern straffte und sich wieder ganz aufrecht hinstellte.

Es würde noch eine Weile dauern, bis sein Körper die Ereignisse der letzten Tage ganz überstanden hatte, und es wunderte ihn, dass das C-Virus nicht mehr zur Heilung beitragen konnte.

Es hatte seinen Körper doch sogar nach der Explosion des Ölfelds im Meer heilen können, warum tat es sich nun so schwer?

Aber eigentlich war dem jungen Scharfschützen klar, dass es in erster Linie an den Mitteln lag, die er im Körper hatte, und vermutlich wirkte auch das Antivirus in gewisser Weise doch ein wenig und minderte die Wirkung des C-Virus.

Er würde sich also doch noch ein wenig Ruhe gönnen müssen, auch wenn ihm das ganz und gar nicht passte.

Aber das Letzte was er wollte war, Chris ausgerechnet jetzt noch mehr Sorgen zu bereiten. Das musste nun wirklich nicht sein.

Piers atmete noch einmal durch, dann blickte er seinem Liebsten direkt in die Augen und machte ihm mit einem leichten Nicken klar, dass wirklich alles in Ordnung war.

Dennoch drückte der Ältere ihn bestimmt auf einen der Stühle, sah ihn kurz streng an und kümmerte sich dann wieder um das Essen.
 

Auch in Chris‘ Kopf spukten noch immer die gleichen Fragen herum, die sich auch Piers stellte.

Ob er das, was er geglaubt hatte, zu sehen, auch wirklich gesehen hatte.

Wenn ja, warum Wesker hier war, was er wollte, was sie nun tun sollten.

Er musste auf jeden Fall Barry und Rebecca davon berichten, dass sie sich zumindest auf die Möglichkeit einstellen sollten, dass Wesker wieder da war.

Er hatte ihnen ja vor der Abreise schon berichtet, dass er es für möglich hielt, dass der Blonde noch am Leben war, doch nun war es noch wahrscheinlicher geworden.

Falls er es sich eben nicht wirklich einfach nur eingebildet hatte.

Chris selber war sich da nämlich gar nicht ganz so sicher wie Piers.

Er hatte die ganze Zeit über über seinen Erzfeind nachgedacht, schon seit sein Soldat lebend vor seiner Tür aufgetaucht war.

Er hatte diesem und Rebecca und Barry gesagt, was in seinem Kopf vorging, und auch auf dem Weg hierher hatten ihn seine düsteren Gedanken nicht mehr wirklich losgelassen.

Er war übermüdet gewesen, ihn hatten so viele Sorgen gequält…

In solch einem Zustand und in solchen Situationen sah man eben manchmal Dinge, die gar nicht da waren.

Und er hatte Wesker ja auch nur für einen ganz kurzen Moment gesehen.

Kaum dass er wieder hingeschaut hatte, war da auf der Straße nichts mehr gewesen. Und Piers hatte den Blonden überhaupt nicht gesehen.

Auf der anderen Seite sagte eine Stimme in Chris‘ Kopf, dass er einfach nicht wollte, dass es wahr war.

Wenn Wesker lebte, wurde ihre momentane Situation nur noch komplizierter.

Und wie Piers wusste auch er, was das Interesse des Blonden als erstes auf sich ziehen würde.

Und das bedeutete, dass der junge Soldat dann in doppelter Gefahr war.

Gejagt von den eigenen Leuten und von Wesker.

Und das durfte einfach nicht wahr sein, das durfte es nicht.
 

Chris atmete nun selber tief durch, schüttelte die Gedanken erst einmal ab, so gut es eben ging, und gab das Essen in Schüsseln, die er anschließend auf den Tisch stellte.

Schnell waren noch zwei Teller, Gläser und Besteck aus den Schränken und Schubladen geholt, und schon saß Chris seinem Liebsten gegenüber und tat beiden etwas zu Essen auf, ehe er ihnen auch noch etwas zu Trinken einschenkte.

Dann aßen sie schweigend, und immer wieder warf der B.S.A.A.-Captain dem Jüngeren kritische Blicke zu.

Piers war blass, und es ging ihm sicherlich schlechter als er sich anmerken ließ.

Chris gefiel das gar nicht, er wollte nicht, dass Piers ihm etwas vormachte, auch wenn er wusste, dass dieser ihm einfach keine Sorgen bereiten wollte.

Aber er hatte ihm doch auch versprochen, immer ehrlich zu sagen, wenn etwas war.

Dennoch sagte der Ältere nichts, sondern aß in Ruhe weiter, lehnte sich kurz zurück, als er fertig war, und räumte dann alles weg, als auch Piers das Essen beendet hatte.

Noch immer schwieg er, und nun war wieder von Piers ein Seufzen zu hören, ehe dieser sich erhob und an seinen Captain heran trat.

„Du bist sauer oder?“

„Ich bin besorgt“, erwiderte Chris kopfschüttelnd auf die Frage des Soldaten, und er seufzte selber leise auf.

„Ich will dich um keinen Preis verlieren. Dir wurde so schon genug angetan, du bist noch immer angeschlagen, die B.S.A.A. ist auf der Suche nach dir und…“

„Und vielleicht auch Wesker, ich weiß. Aber es ist nicht zu ändern, Chris. Ganz gleich, wie sehr du auch versuchst, es zu verdrängen oder mich zu beschützen. Wenn Wesker lebt und von dem Virus in meinem Blut weiß, dann wird er kommen. Und du wirst alleine keine Chance haben. Ich weiß, dass ich stur bin und mir nicht anmerken lassen will, wie schlapp ich wirklich noch bin, aber das liegt unter Anderem auch daran, dass ich ebenso wenig wirkliche Ruhe finden könnte wie du. Ich kann mich nicht einfach hinlegen und schlafen, um wieder ganz fit zu werden, während so viel in meinem Kopf herum spukt…“
 

Und das war Chris natürlich klar.

Wie Piers es schon angesprochen hatte, ging es ihm selber da auch nicht anders.

Er sorgte sich so sehr um den Jüngeren, aber die Tatsache, dass er die Dinge, wie sie waren, nicht ändern konnte, machte es keinesfalls besser. Im Gegenteil.

Er wusste, dass er Piers nicht beschützen konnte, er wusste, dass dieser ihn niemals alleine würde kämpfen lassen.

Und genau das war es, was den Captain am meisten zu schaffen machte, was ihm solche Angst bereitete.

Da war eine Stimme, eine, die anders war, als die innere Stimme, die ihn vor Wesker warnte.

Eine düstere Stimme, die sich in seinem Kopf festgesetzt hatte, und die ihm immer wieder sagte, dass er doch ganz genau wusste, wie das hier enden würde.

Dass Piers das gar nicht überleben konnte, dass er ihn verlieren würde.

Und dass er, Chris Redfield, Schuld daran war.

Weil er Wesker nicht hatte vernichten können, weil er Piers hatte gehen lassen, nachdem dieser ihm seine Gefühle gestanden hatte.

Weil er schon in China versagt hatte und überhaupt erst zugelassen hatte, dass Piers sich infizierte.

Diese Situation war einzig und allein aus Fehlern entstanden, die er gemacht hatte.

Dass er all das doch gar nicht hatte wissen können, dass er sein Bestes getan hatte, und dass er Piers niemals von seinen Entscheidungen hätte abbringen können, das waren Gedanken, die diese böse Stimme einfach nicht zuließ.
 

„Lass uns… Lass uns dennoch einfach erst mal wieder ins Bett gehen. Du brauchst Ruhe, du brauchst Schlaf. Und irgendwann wird er kommen, wenn du dich hinlegst. Und ich werd dich nicht aus den Augen lassen“, murmelte Chris, nachdem es ihm irgendwie gelungen war, die Stimme erst einmal abzuschalten.

Zeit zum Schlafen war es gerade zwar überhaupt nicht, aber Piers sollte in seinem Zustand im Moment nichts Anderes tun, ob es diesem nun passte oder nicht.

Und anders als erwartet, ergab sich der junge Soldat dieser Aufforderung mit einem leisen Seufzen, und er nickte nur knapp, ehe er sich von Chris zurück ins Schlafzimmer führen ließ.

Der Ältere hatte noch eine der Wasserflaschen mitgenommen, und er zog nun aus einer der Einkaufstüten ein Unterhemd und Shorts, die er Piers hinlegte, damit dieser sich erst einmal umziehen konnte.

Er selber tat es dem Jüngeren gleich und warf die anderen Sachen einfach auf den Boden.

Dann streckte Chris sich leicht, ließ sich aufs Bett fallen und wartete, bis Piers ebenfalls lag, um sanft einen Arm um diesen zu legen und ihn an sich heran zu ziehen.

„Versuch wenigstens, zu schlafen. Bitte…“, murmelte er und hauchte dem Jüngeren einen sanften Kuss auf die etwas warme Stirn.

Fieber hatte Piers noch nicht, aber wenn er wollte, dass das so blieb, musste er nun auf seinen Captain hören.

Brav schloss er auch die Augen, kuschelte sich noch etwas mehr an seinen Liebsten, und noch ehe er selber noch irgendetwas hätte sagen können, war er auch schon in tiefen Schlaf gefallen, von dem er nach und nach in eine leichte Ohnmacht zu gleiten schien.

Ein tödlicher Beweis

Als Piers am nächsten Morgen erwachte, war er selber nicht nur darüber erstaunt, überhaupt eingeschlafen zu sein, sondern auch darüber, dass er offenbar den ganzen vorherigen Tag durch geschlafen hatte, und nicht nur das, sondern anschließend auch noch die komplette Nacht.

Etwas verwirrt blinzelte er an die Decke hoch, dann sah er neben sich und bemerkte, dass die andere Seite des Bettes leer war.

Er gähnte ganz leise, setzte sich auf und rieb sich erst einmal den etwas verspannten Nacken, ehe er vorsichtig aufstand.

Schwindelig war dem jungen Soldaten nicht mehr, schlapp fühlte er sich auch nicht, und so atmete er doch ein wenig auf.

Kurz streckte Piers sich noch, gähnte ein weiteres Mal verhalten und schüttelte dann murrend den Kopf, ehe er sich anzog und das Schlafzimmer verließ, um Chris zu suchen, der hier ja irgendwo sein musste.

Vielleicht im Bad oder in der Küche.

Die Küche passierte er als erstes, und so blickte Piers kurz hinein, konnte seinen Liebsten aber nicht entdecken.

Also ging er weiter, steuerte das Bad an und hielt dort wie versteinert inne.

Es dauerte einen Moment, bis er begriff, was er hier sah, und einen weiteren, bis seine Starre sich endlich gelöst hatte.

Kaum dass das geschehen war, hastete er die paar Schritte weiter und ließ sich auf die Knie fallen, neben Chris, der regungslos in der Badezimmertür lag.

"Chris...? Chris!", rief er verzweifelt und rüttelte an seiner Schulter, ohne auch nur die geringste Reaktion zu erhalten.

Immer panischer werdend und mit zitternder Hand tastete Piers nach dem Hals des Älteren und drückte zwei Finger gegen die Hauptschlagader.

Im ersten Moment spürte er nichts, und da blieb sein eigenes Herz beinahe stehen.

Dann jedoch konnte er ein ganz leichtes und langsames Pochen ausmachen, und ein ganz klein wenig atmete der junge Soldat auf.

Schnell hatte er Chris nun auf den Rücken gedreht, vorsichtig, falls dieser verletzt war.

Piers wusste ja nicht, was passiert war und sah nur, dass sein Captain bewusstlos hier lag.
 

Als dieser nun auf dem Rücken lag und sein Kopf etwas zur Seite gesackt war, drehte Piers diesen wieder gerade und hielt sein Ohr über das Gesicht des Älteren.

Nichts...

Dieses Mal half es nichts, ein wenig zu warten, es kamen keine Atemzüge über Chris' Lippen.

"Scheiße...", murmelte Piers, der einfach völlig verzweifelt und überfordert war.

Warum zum Teufel war Chris zusammengebrochen? Warum atmete er einfach so nicht mehr?

Irgendetwas stimmte hier doch nicht.

Während er den Kopf des Älteren überstreckte, dessen Mund öffnete und ihm die Nase zu hielt, um ihn zu beatmen, ließ er den Blick zu Chris' rechter Hüfte wandern, wo ihn die Schüsse damals beide getroffen hatten.

Aber da war nichts weiter zu sehen als die Narben der fast verheilten Wunden.

Es sah nicht danach aus, als hätte er eine Blutvergiftung bekommen, oder als seien diese Verletzungen in sonstiger Art und Weise am Zustand des B.S.A.A.-Captains schuld.

Piers schüttelte den Kopf und versuchte, sich irgendwie zu beruhigen, atmete tief durch und beugte sich dann hinab, um Chris zu beatmen, damit dessen Herz nicht doch noch zu schlagen aufhörte. Wer wusste schon, wie lange der Brünette hier schon lag?

Immer wieder beugte sich der junge Soldat zur Atemspende hinab und vergewisserte sich jedes Mal mit einem kurzen Blick, dass Chris' Brust sich hob und senkte, dass die Luft auch wirklich dahin ging, wo sie hin sollte.

Mehrere Minuten lang führte Piers die Prozedur fort, bis ihm irgendwann schon langsam schwindelig wurde.

Erreicht hatte er noch nichts, zumindest blieb Chris' Brustkorb nun wieder gesenkt, als der Jüngere nichts mehr tat, aber immerhin schien sein Herz wieder etwas kräftiger zu schlagen.

Kurz löste Piers sich, stand auf und schnappte sich das Handy des Älteren, auf dem er zitternd die 911 eingab. Wenigstens war es hier die gleiche Notrufnummer wie in den USA.
 

Ungeduldig wartete Piers ab, und als sich endlich jemand meldete, musste der den Scharfschützen erst einmal bremsen, als dieser fast panisch zu berichten begann.

Er hatte einfach eine so verdammte Angst um seinen Liebsten, und er wollte die Beatmung auch nicht länger unterbrechen als wirklich nötig.

Und in seiner Panik kam er auch nicht auf die Idee, über das Telefon des Zimmers an der Rezeption um Hilfe zu bitten, sodass er wenigstens nicht mehr alleine gewesen wäre.

Piers war eigwentlich ein konzentrierter Soldat, der immer perfekt mitdachte und niemals etwas überstürzte.

Aber wenn es um Chris ging, um den Mann, den er über alles liebte, wenn es um dessen Leben ging, dann änderte sich das schlagartig, und die Angst breitete sich vollkommen aus.

Aber irgendwie gelang es dem Mann am anderen Ende der Leitung doch, den Soldaten zu verstehen, und er versprach, dass sofort ein Rettungswagen losgeschickt werden würde.

Ohne es selber wirklich mitzubekommen, bedankte sich Piers sogar noch, dann legte er auf, warf das Handy einfach auf den Boden und wandte sich wieder seinem Liebsten zu, der unverändert dort lag.
 

Chris' Puls war wieder schwächer geworden, aber noch schlug sein Herz tapfer und stur weiter, wofür Piers endlos dankbar war.

Dieser beugte sich nun wieder über den Älteren und begann die Prozedur von zuvor erneut.

Wieder vergingen einige Minuten, in denen Chris aus eigener Kraft keinen einzigen Atemzug tat.

Immer breiter machte sich die Angst in Piers, denn er wusste, dass das nichts Gutes bedeuten konnte.

Dennoch hörte er nicht auf, denn so lange Chris' Herz schlug, und so lange er den Körper und somit auch das Hirn des Älteren mit Sauerstoff versorgte, so lange bestand noch Hoffnung.

Und deshalb machte er weiter, auch wenn sich bereits alles drehte, auch wenn Chris noch in keinster Weise reagiert hatte und einfach nur teilnahmslos auf dem Boden lag.

Er musste durchhalten, er musste wieder atmen und wieder aufwachen. Das musste er einfach.

Was sollte Piers denn nur ohne seinen Captain tun?

Gerade nachdem ihm eine zweite Chance gegeben wurde, da durfte ihn der Ältere jetzt nicht einfach verlassen.
 

Doch für einen Moment schien es, als würde genau das passieren.

Piers machte noch einmal eine kurze Pause, damit er nicht selber durch Sauerstoffmangel zusammenbrach, und während dieser Pause überprüfte er wieder den Puls des Älteren, den er nun jedoch nicht mehr spüren konnte.

Die aufkommende Panik irgendwie weiterhin verdrängend, legte Piers den Kopf auf Chris' reglose Brust und lauschte, doch auch hier konnte er keinen Herzschlag mehr ausmachen.

Ohne zu zögern platzierte er die Hände an der richtigen Stelle auf der Brust des Älteren und begann mit der Herzmassage.

Immer wieder wechselte er diese nun mit der Atemspende ab, verstärkte den regelmäßigen Druck noch etwas und betete innerlich, dass Chris stark war und kämpfte, dass sein Herz wieder zu schlagen begann, dass er ihn hier nicht alleine ließ.

Es dauerte eine ganze Weile und mehrere Zyklen aus Herzdruckmassage und Beatmung, bis zumindest Erstere endlich anschlug und Chris' Herz schwach und unregelmäßig wieder zu schlagen begann.

Atmen wollte der B.S.A.A.-Captain aus irgendeinem Grund aber noch immer nicht, und so beugte sich Piers erneut zur Atemspende herab, um ihn vielleicht doch wieder dazu zu bringen.
 

Immer weiter machte er, und endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, hörte er die Sirenen des nahenden Rettungswagen.

Erneut musste er sich für einen kurzen Moment von Chris lösen, und er eilte zur Tür des Appartements, um diese zu öffnen.

Kaum hatte er das getan, hielt auch schon der Rettungswagen auf dem Parkplatz, und drei Männer stiegen aus.

Einer von ihnen eilte direkt auf das Haus zu und die Treppe hoch, die anderen Beiden mussten noch ein paar Utensilien aus dem Wagen holen, ehe sie dem ersten Mann folgten.

Piers ließ sie alle hinein und hielt sich gezwungenermaßen etwas im Hintergrund, um ihnen nicht im Weg zu sein.

Die beiden Ärzte, die noch die Erste-Hilfe-Koffer geholt hatten, kümmerten sich gleich um den Patienten, und der Dritte wandte sich an Piers, um zu erfahren, was geschehen war.

Doch der Scharfschütze konnte ihm keine Antwort geben.

Nicht nur, weil seine Stimme immer wieder versagte, sondern auch, weil er es einfach nicht wusste.

Er war aufgewacht, aufgestanden, hatte Chris gesucht, und der hatte einfach dort gelegen, regungslos, ohne zu atmen, und irgendwann hatte auch sein Herz kurzzeitig einfach ausgesetzt.

Piers wusste von keiner Krankheit, die dafür hätte verantwortlich sein können, die Verletzungen waren auch nicht schuld daran gewesen, und sonst fiel ihm einfach nichts ein.

Somit sagte er dem Arzt das, was er wusste. Er erwähnte die Verletzungen trotzdem, einfach, um nichts auszulassen, und er erwähnte auch, dass die letzten Tage zwar sehr anstrengend gewesen waren, dass sein Captain aber eigentlich immer kerngesund gewesen war.

Immer wieder überlegte er, um auch ja nichts auszulassen, das vielleicht doch noch wichtig sein konnte, aber ihm fiel nach einer Weile nichts mehr ein.

Also bedankte der Arzt sich für die Informationen, von denen er sich das notiert hatte, das wichtig war, ehe er sich seinen Kollegen zu wandte, die Chris bereits auf eine Trage verfrachtet hatten und ihn manuell mit einem Gerät weiter beatmeten.
 

Mit trübem Blick sah Piers seinen Captain an, und er musste sich wirklich zusammenreißen, keine Tränen zu vergießen.

Noch war Chris am Leben, noch bestand Hoffnung, und so lange das der Fall war, würde er nicht weinen, das durfte er einfach nicht. Er durfte seinen Liebsten nicht aufgeben.

"Wollen Sie uns ins Krankenhaus begleiten?", riss eine Stimme ihn aus den Gedanken, und Piers nickte leicht, ehe er den Ärzten, die die Trage nun angehoben hatten, folgte, nachdem er mir noch schnell Chris' Handy von Boden aufgehoben hatte.

Er schloss die Tür ab, atmete noch einmal tief durch und ging dann nach draußen und zum Krankenwagen, in den er hinten zu seinem Captain und den beiden Ärzten einstieg, um sich neben einem von ihnen auf die kleine Sitzbank sinken zu lassen.

Und da ihm in diesem Moment egal war, was die Männer denken mochten, griff er nach der Hand des Bewusstlosen, drückte sie leicht und hielt sie die ganze Fahrt über fest.

Er wollte Chris zeigen, dass er da war, dass er ihn nicht aufgab. Und er wollte, dass der Ältere das wusste, und dass er für ihn kämpfte, dass er ihn auf keinen Fall alleine ließ.

Das durfte der Ältere einfach nicht.
 


 


 


 


 


 

Nachdem sie beim Krankenhaus angekommen waren, hatten die Ärzte die Trage mit Chris aus dem Wagen gehoben und in das Gebäude geschoben, wo es geradewegs in die Notaufnahme ging.

Piers musste nun allerdings draußen auf dem Gang warten, auf dem er ruhelos auf- und abging.

Was, wenn Chris starb?

Was, wenn er ihn nun für immer verlassen würde?

Piers wusste nicht, was er dann tun sollte.

Ihm kam in den Sinn, einfach wieder zurück in die USA zu fahren und dort die B.S.A.A. aufzumischen, doch er wusste, dass er das niemals überleben würde. Und das musste er, für Chris. Das wäre er ihm dann auf jeden Fall schuldig.

Aber alleine hier bleiben wollte er auch nicht, und alleine nach Wesker zu suchen, das war auch nicht unbedingt die beste Idee.

Vielleicht konnte er aber Barry und Rebecca um Hilfe bitten, und dann...

'Reiß dich zusammen, verdammt nochmal. Noch ist Chris nicht tot, noch besteht Hoffnung. Er wird durchkommen. Er wird durchkommen, und wir können das alles zusammen tun. Zusammen Wesker bezwingen, zusammen...'

Eine Stimme riss ihn aus den Gedanken, und Piers hielt in seinem unruhigen Gehen inne und hob leicht den Kopf, die Angst stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.

"Mr. Nivans? Mr. Redfields Zustand ist weitestgehend stabil. Für den Moment zumindest", berichtete der Arzt, der auf ihn zugekommen war, und er blickte den jungen Soldaten ernst an, dem klar war, dass diese Worte noch keinen wirklichen Anlass zur Erleichterung gaben.

"Für den Moment? Was ist mit ihm?"

Der Arzt schüttelte ernst den Kopf und ließ ein leises Seufzen hören.

"In seinem Körper haben wir ein starkes, uns momentan noch unbekanntes Gift gefunden. Zunächst hielten wir es für eine Art Virus, aber es ist keines. Sein Blut wird untersucht, und wir versuchen, herauszufinden, um was für ein Gift es sich handelt, damit wir ein Gegenmittel herstellen können. Aber wir können nicht sicher sagen... ob wir es rechtzeitig schaffen werden."

"Kann ich zu ihm?"

Piers versuchte, sich seine Gefühle nicht zu sehr anmerken zu lassen, er versuchte, zu verbergen, wie sehr die Worte des Arztes seine Angst wieder geschürt hatten.

"Das dürfen Sie. Aber ich bezweifle, dass Mr. Redfield all zu bald aufwachen wird."
 

Der Arzt führte den jungen Soldaten also in das Zimmer der Notaufnahme, in dem Chris auf einem Bett lag, angeschlossen an diverse Geräte, die seinen Puls und seinen Blutdruck sowie noch ein paar andere Werte aufzeichneten, während ein anderes ihn immer wieder beatmete.

Offenbar schaffte Chris das noch immer nicht alleine.

Dieser Anblick war einfach so falsch, so unwirklich, dass es Piers schwer fiel, das wirklich zu realisieren.

Und dennoch wusste er, dass es echt war und leider nicht einfach nur ein böser Traum.

Schweigend trat er an das Bett heran, zog sich einen Stuhl her, der daneben stand, und setzte sich auf diesen, ehe er sich seinem Liebsten zu wandte.

Chris war so blass und wirkte so angreifbar und schwach, ein vollkommen ungewohnter und erschreckender Anblick.

Wieder griff der junge Soldat nach seiner Hand, wobei er gut auf die Infusionsnadel aufpasste, die in dem Handrücken des Captain steckte.

"Du musst aufwachen, Chris. Du musst unbedingt wieder aufwachen, hörst du? Was soll ich denn ohne dich machen? Gerade jetzt..."

Piers biss sich auf Lippen, atmete tief durch und schüttelte den Kopf.

Das war einfach nicht fair.

Aber vor allem war das einfach nicht möglich.

Wie sollte Chris sich vergiftet haben?

Er hatte nichts gegessen, das Piers nicht auch gegessen hatte, ganz abgesehen davon, dass sie alles selber zubereitet hatten.

Dann waren sie auch nicht angegriffen worden, Chris hatte sich nirgendwo verletzt.

Und wenn es irgendein unbekanntes Gift war, konnte es auch nicht mehr von den Schusswunden stammen.

Selbst, wenn die Soldaten vergiftete Munition benutzt hätten, was eh schon unsinnig war, hätte dieses Gift, selbst wenn es eines war, das langsam wirkte, schon längst Wirkung gezeigt. Das alles war immerhin gut zwei Wochen her, und...
 

"Piers..?"

Der junge Soldat schrak auf und zuckte merklich zusammen.

Es dauerte einen Moment, bis er begriff, dass er sich diese Stimme nicht nur eingebildet hatte, und dass er eine halbe Ewigkeit lang in seinen Gedanken versunken gewesen war.

Er wandte seinen Blick wieder Chris zu und sah, dass dieser die Augen ein Stück weit geöffnet hatte. Aber sie waren trüb und schienen ihn nur sehr verschwommen wahrzunehmen.

"Ich bin hier, Chris", erwiderte der Jüngere leise, und er drückte seine Hand etwas fester.

"Was ist...?", begann Chris, doch Piers schüttelte nur den Kopf.

"Nicht jetzt, nicht reden. Du... du musst dich ausruhen, okay?"

Der junge Soldat erinnerte sich an das, was der Arzt gesagt hatte. Dass sie versuchen würden, das Gift zu identifizieren, um dann ein Gegenmittel herzustellen.

Und dass sie nicht wussten, ob es rechtzeitig gelingen würde.

Chris musste seine Kräfte schonen, er musste durchhalten, solange es nur ging.

Leise berichtete Piers dem Älteren davon, wie er ihn leblos auf dem Fußboden gefunden hatte, dass sein Puls schwach gewesen war, und dass er nicht mehr geatmet hatte, dass er ihn fast verloren hätte, da auch sein Herz eine Zeit lang aufgegeben hatte.

Dann fuhr er fort, dem Älteren das mit dem Gift zu erzählen, und irgendwie wirkte Chris nicht gerade überrascht. Was Piers aber erst einmal ignorierte.

"Du musst dich schonen, hörst du? Die Ärzte werden ein Gegenmittel herstellen, und so lange musst du durchhalten, Chris. Du darfst mich nicht alleine lassen..."

Seine Hand drückte die des Älteren noch fester, aber er passte noch immer auf die Infusion auf.

Ein leises Seufzen kam über Chris' Lippen, und er hob schwach die andere Hand, um sie auf die des Jüngeren zu legen.

Er selber wusste, dass er nicht mehr so lange durchhalten würde.

Er spürte die Schwäche, die ihn immer mehr übermannte, er spürte, dass ihm das Atmen wieder schwerer fiel, und ebenso spürte er, dass sich ein stechender Schmerz durch seinen gesamten Körper zu ziehen begann.

Ein Schmerz, der sich langsam in Richtung seines Herzens zog, und das unter diesem zweifellos nachgeben würde.
 

"Piers, wenn ich tot bin, dann musst du..."

"Hör auf! Hör auf, das zu sagen!", schrie der junge Soldat förmlich, und nun konnte er einzelne Tränen einfach nicht mehr zurückhalten.

Sein Körper begann zu zittern, und er biss sich so fest auf die Lippen, dass diese zu bluten begannen.

"Damals musste ich dich gehen lassen, und nun... nun musst du mich gehen lassen", murmelte Chris leise, und er merkte, wie seine Stimme immer mehr versagte.

Lange hielt er wirklich nicht mehr durch.

"Das kann ich nicht. Das kann ich einfach nicht, Chris."

"Doch, das kannst du. Und das musst du...", erwiderte der Captain nun, und er schüttelte schwach den Kopf.

"Danach wirst du dir den Wagen schnappen und mit diesem... mit diesem zurück in die USA fahren. Du wirst zu Rebecca und Barry gehen und..."

Er musste eine kurze Pause einlegen, rang etwas angestrengt nach Luft und fuhr dann noch etwas leiser fort.

"Und du wirst ihnen sagen, dass kein Zweifel mehr besteht, dass Wesker lebt. Und dann... müsst ihr ihn finden und endgültig töten. Hast du gehört?"

Schweigend saß Piers da und versuchte, zu begreifen, was Chris ihm da gerade sagte.

Wesker lebte.

Wenn Chris das so sehr glaubte, dann musste er hinter alledem stecken.

Und das konnte nur eines bedeuten...

"Er war im Motel...", brachte Piers stockend hervor, und sein Gesicht wurde nun fast so bleich wie das seines Captain.

Dieser nickte nur knapp, und als Piers näher darauf eingehen wollte, bedeutete er ihm, nichts mehr dazu zu sagen.

Das zu erklären, hätte seine Kräfte überstiegen, und er wollte nun nicht auch noch eine Diskussion mit Piers anfangen, warum er diesen nicht geweckt hatte.

Er hatte es versucht, doch die Schwäche hatte den jungen Soldaten offenbar wieder in eine leichte Bewusstlosigkeit fallen lassen.

Und hätte Chris ihm nun davon berichtet, hätte der Jüngere sich Vorwürfe gemacht, die keinesfalls berechtigt gewesen wären.

Ganz abgesehen davon, dass Chris einfach nur froh gewesen war, dass der Blonde Piers verschont hatte.

Und so ließ er es sein und sparte seinen letzten Atem lieber für etwas weitaus Wichtigeres auf.
 

Noch immer hielt Piers seine Hand, und Chris' andere lag nach wie vor auf der des jungen Scharfschützen.

Immer trüber wurde der Blick des Älteren, und dem Piepen des Gerätes nach zu urteilen, das seine Herzaktivitäten aufzeichnete, wurde auch sein Puls wieder langsamer und schwächer.

"Bitte...", hauchte Piers verzweifelt, und er griff nun auch nach der anderen Hand, die auf seiner lag, als könne er Chris irgendwie am Leben erhalten, indem er ihn einfach festhielt.

"Ich liebe dich, Piers. Ich liebe... dich über alles..."

"Ich... ich weiß... ich dich doch auch,Chris... Und ich kann nicht, ich kann nicht ohne.... Chris...?!"

Erstarrt blickte Piers auf seinen Liebsten hinab, als dessen eine Hand sich unter seiner löste und zur Seite rutschte, um auf seinem Brustkorb liegen zu bleiben, der sich nun gesenkt hatte, ohne sich erneut aus eigener Kraft wieder zu heben.

Fast im gleichen Moment sackte Chris' Kopf zur Seite weg, und der trübe Blick seiner noch halb geöffneten Augen ging direkt durch Piers hindurch, ohne diesen noch zu sehen.

Aber erst der durchgezogene Piepton, der wirklich klar machte, dass das Herz des Brünetten ausgesetzt hatte, ließ das alles wirklich in Piers' Bewusstsein sickern.

Und dennoch bekam er kaum mit, wie die Ärzte in den Raum gehastet kamen, und versuchten, Chris zu reanimieren.

Irgendwer packte den Jüngeren und zog ihn aus dem Zimmer, hinaus in den Gang, wo man schließlich die Tür vor seiner Nase zu schlug und ihn erst einmal stehen ließ.

Tod eines Helden

Die Zeit, die Piers draußen auf dem Gang warten musste, kam ihm wie eine Ewigkeit vor.

Alles um ihn herum verschwamm irgendwie, und selbst die Geräusche schienen einfach zu verstummen.

Für einen Moment verwandelte sich der weiße, helle Gang des Krankenhauses wieder in das Labor der B.S.A.A., und ein Schauer lief dem jungen Soldaten über den Rücken.

Dann kehrte er in die Realität zurück, und mit seinem Bewusstsein kehrten auch die anderen Menschen und die Geräusche wieder.

Er hatte selber gar nicht mitbekommen, wie er sich irgendwann auf eine Bank gesetzt hatte, und dort saß er nun, die Arme auf die Beine gestützt, das Gesicht in den Händen vergraben und versuchend, sich noch einen letzten Funken Hoffnung zu bewahren.

Wesker war am Leben, Wesker war im Motel gewesen, direkt vor seiner Nase, und er hatte es nicht einmal mitbekommen.

Vorwürfe machte sich Piers so oder so, ob Chris nun näher auf das Thema hatte eingehen wollen oder nicht.

Er hatte versagt, er hatte seinem Liebsten nicht helfen können.

Und wäre er nur ein paar Momente später aufgewacht, hätte er gar nichts mehr tun können.

Aber selbst so war es offenbar zu spät gewesen.
 

Leicht hob Piers den Kopf, als sich ihm Schritte näherten, und alleine der Blick des Arztes reichte aus, um zu wissen, welche Nachricht er ihm überbringen würde.

Der junge Scharfschütze hatte das Gefühl, als würde sein eigenes Herz sich zusammenziehen und nicht mehr schlagen wollen, und ein dicker Kloß machte sich in seinem Hals breit.

"Kann ich...", begann er, atmete zittrig durch und erhob sich langsam, wobei er das Gefühl hatte, dass seine Beine ihm den Dienst versagen wollten.

"Darf ich... mich verabschieden...?"

Der Arzt nickte leicht, und Piers erkannte echtes Mitleid in seinem Blick.

Er machte diesem Mann keine Vorwürfe, er wusste, dass er und seine Kollegen getan hatten, was sie konnten. Sie waren auch nur Menschen und konnten keine Wunder vollbringen.

Gegen das Gift wäre nur ein Gegenmittel angekommen, und die Zeit hatte einfach nicht gereicht, um ein solches herzustellen.

Piers war da nicht wie die panischen Leute in Filmen, die plötzlich die Ärzte anfielen und ihnen die Schuld an einfach allem gaben. Er wusste es besser.

Der Mann begleitete ihn noch bis zur Tür der Notaufnahme, bei der Piers erst einmal einfach stehen blieb und doch zögerte, ob er da wirklich rein wollte.

Natürlich war er es Chris schuldig, sich wenigstens noch einmal richtig zu verabschieden, aber wenn er nun dort rein ging und seinen toten Captain sah... Dann machte es das alles so endgültig.

Und das ertrug der junge Mann irgendwie nicht.

"Wenn Sie nicht wollen oder nicht können..."

"Doch, doch, es geht schon...", unterbrach Piers den Arzt dann jedoch, atmete noch einmal tieg durch und öffnete die Tür, trat in den Raum und an das Bett heran.

Chris war von den ganzen Geräten gelöst worden, und die Decke hatte man bis über seine Hüfte hoch gezogen, sodass Piers nur sein Gesicht, die Schultern und einen Teil seines Oberkörpers sehen konnte.

Etwas zögerlich näherte er sich weiter und ließ sich dann wieder auf den Stuhl sinken, auf dem er zuvor schon gesessen hatte.

Wieder ergriff er die Hand des Älteren, und bei deren Kälte schauderte er merklich.
 

Eine Weile lang saß Piers einfach da und blickte in das bleiche Gesicht seines Liebsten.

Noch immer konnte er nicht fassen, dass dieser tot war, wirklich tot, und dass er nie mehr zurück kommen würde.

Chris hatte kein Virus im Körper, das ihm helfen konnte, er war einfach nur ein Mensch.

Ein Mensch, der Piers so unendlich glücklich gemacht hatte, und der ihn nun mindestens genau so unglücklich machte.

Leicht hob Piers die Hand des Älteren an und hauchte einen leichten Kuss auf den Handrücken, in dem zuvor noch die Nadel der Infusion gesteckt hatte.

Dann griff er in seine Jackentasche und zog sein altes Abzeichen raus, das Chris ihm damals zu Hause in die Hand gedrückt hatte.

Dieses legte er nun in die Handfläche des Älteren, ehe er diese sanft wieder sinken ließ und auf dem Bett ablegte.

Schließlich erhob der junge Soldat sich wieder von dem Stuhl, beugte sich hinab und hauchte seinem Captain einen kurzen Kuss auf die Stirn.

"Ich werd' dich niemals vergessen, Chris. Niemals...", flüsterte er, schluckte schwer und wandte sich dann schweren Herzens von dem Toten ab, um den Raum wieder zu verlassen.

Je länger er blieb, desto schwerer wurde es, und er musste nun loslassen können, auch wenn alles in ihm dabei zerreißen wollte.
 

Draußen angekommen, schloss er die Tür, lehnte sich dagegen und versuchte, ruhig zu atmen und nicht zu weinen.

Er war es Chris schuldig, nun stark zu bleiben und weiter zu machen, wie dieser es damals auch nach seinem vermeintlichen Tod getan hatte.

Der Arzt kam noch einmal zu ihm und bat Piers, ihn kurz zu begleiten, da noch einiges an Papierkram erledigt werden musste.

Das dauerte einige Minuten, und als alles erledigt war, verließ der Soldat das Krankenhaus endgültig, ging die Straße entlang und blickte hinauf in den sonnenklaren Himmel.

So oft hatte er sich darüber beschwert, dass das Wetter in Filmen auf magische Weise immer zur Situation passte, und nun wünschte er sich selber Regen, um seine Gefühle zu verdeutlichen und die nun doch wieder aufkommenden Tränen weg zu waschen.

Sein Blick fiel auf Chris'' Handy, das er hatte mitnehmen dürfen, und so rief er sich erst einmal ein Taxi, das ihn zurück zum Motel bringen sollte.

Nach wenigen Minuten kam dieses auch und brachte den jungen Mann zurück.
 


 


 


 


 


 

Schweigend saß Piers auf dem großen Doppelbett und starrte einfach nur die Wand an.

Ihm war kalt, obwohl es eigentlich angenehm warm war, und er fühlte sich so unendlich einsam und leer.

Das Handy hatte er in der Hand, da er eigentlich Rebecca hatte anrufen wollen, aber noch konnte er das nicht, noch konnte er das alles nicht genug begreifen, und seine Stimme würde ohnehin nur versagen.

Und so wartete er noch ein paar Minuten, aus denen schließlich eine Stunde wurde, dann zwei, drei...

Und langsam wurde Piers klar, dass er es nicht noch länger aufschieben konnte.

Er musste Rebecca anrufen, damit sie und Barry Bescheid wussten.

Dann würde er auch noch ein paar andere Kontakte aus der Liste kontaktieren müssen, allen voran Jill und Claire.

Ja, er würde Claire sagen müssen, dass ihr Bruder gestorben war, dass er ihn letztendlich doch nicht hatte beschützen können. Dabei hatte er es ihr doch versprochen. Er hatte versprochen, auf Chris aufzupassen.
 

"Chris? Chris, was gibt es? Bist du da?"

Rebeccas Stimme riss Piers aus seinen Gedanken, und er hatte gar nicht mitbekommen, dass er die Nummer der Älteren bereits gewählt hatte.

"Nein, hier... hier ist Piers, ich..."

Er stockte, biss sich auf die Lippen und atmete zittrig durch, als ihm wieder die Tränen in die Augen schossen.

"Chris... Chris ist tot. Wesker lebt, er... er hat..."

Wie erwartet, versagte dem Soldaten die Stimme, und er schloss die Augen, konzentrierte sich darauf, nicht wirklich zu weinen oder das Handy einfach fallen zu lassen.

Zunächst war Schweigen die einzige Antwort, dann ertönte Rebeccas Stimme wieder, und Piers konnte hören, dass sie nicht stark genug gewesen war, gegen das Verlangen anzukämpfen.

Rebeccas Stimme zitterte, und immer wieder unterbrach ein Schluchzen ihre Worte.

Sie sagte, dass es ihr leid tat, dass sie wusste, wie unendlich viel Chris ihm bedeutet hatte, dass der Verlust auch sie schmerzte, und dass sie wolle, dass Piers wieder zurück kam, dass er nicht alleine sein sollte.

Aber sie machte ihm keinerlei Vorwürfe, wie er es erwartet hatte. Dafür machte er sich selber vermutlich schon genug für alle zusammen.

"Ich werde zurück kommen. Morgen... Morgen werde ich los fahren", versprach er ihr, dann redeten sie noch kurz, ehe sie sich verabschiedeten und auflegten.
 

Nun musste Piers Claire anrufen, denn eigentlich hätte sie es schon als Erste erfahren sollen.

Aber irgendwie hatte er sich davor gedrückt, weil ihm allein der Gedanke an ihre Reaktion unglaublich weh tat. Immerhin war Chris ihr Bruder gewesen.

Er suchte im Telefonbuch des Handys nach ihrem Namen, atmete tief durch und wählte die Nummer, die dort gespeichert war.

Es tutete eine ganze Weile lang, und als Piers schon dachte, dass sie nicht rangehen würde und auflegen wollte, ertönte doch eine ihm bekannte Stimme.

"Chris, endlich meldest du dich mal. Irgendwann bekommst du noch richtig Ärger von mir. Weißt du das? Ich hab dir gesagt..."

"Hier ist nicht Chris. Hier ist Piers. Piers Nivans...", unterbrach der junge Soldat die Ältere mit belegter Stimme, und mit einem Mal wurde es still am anderen Ende der Leitung, wie auch schon zuvor bei Rebecca.

Doch bei Claire lag das vermutlich auch daran, dass sie gerade von einem vermeintlich Toten angerufen worden war.

Aber darauf ging sie nicht einmal ein, sicherlich hatte Piers' Stimme klar gemacht, dass etwas Schlimmes passiert war.

"Was ist mit Chris?", fragte Claire leise, und ihr wiederum war nun deutlich anzuhören, dass sie es ganz genau wusste, dass ein Gefühl ihr sagte, was geschehen war, warum Piers und nicht ihr Bruder sie angerufen hatte.

"Es tut mir leid", erwiderte er leise und senkte den Blick, auch wenn Claire das nicht sehen konnte.

Dann berichtete ihr, dass Chris gestorben war, dass man ihn vergiftet hatte, doch ihr gegenüber erwähnte er Wesker nicht.

Er wusste, dass Chris gewollt hätte, dass seine Schwester in Sicherheit ist und sich nicht Hals über Kopf auf machte, seinen Mörder zu finden. Schon gar nicht, wenn dieser Albert Wesker hieß.

Und so behauptete er, nicht zu wissen, wer es getan hatte, auch wenn es dem jungen Soldaten leid tat, Claire belügen zu müssen. Aber es war besser so.
 

Auch mit ihr redete Piers nun noch eine Weile, und als er ihr sagte, wie leid es ihm tat, dass er versagt hatte, erwiderte sie, dass er aufhören sollte, einen solchen Unsinn zu reden, dass er nichts dafür konnte, und dass er schon mehr als genug für seinen Captain getan hatte.

Sie sagte ihm, dass Chris sie nach der Sache in China angerufen hatte, dass sie ein sehr langes und ausführliches Gespräch geführt hatten.

Wie oft Piers' Name dabei gefallen war, und das immer nur gemeinsam mit Lob und Anerkennung.

Dass Chris so unglaublich viel von ihm gehalten hatte, und dass sein vermeintlicher Tod ihm fast das Herz gebrochen hatte.

Nun waren sie bei diesem Thema angelangt, und so berichtete nun Piers ihr, wie er wohl überlebt hatte, wie Chris nun immer für ihn da war, wie er ihn gerettet hatte.

Und nach kurzem Zögern berichtete er Claire auch von ihrer Beziehung.

Wenn jemand die Wahrheit darüber erfahren sollte, dann war sie es.

Doch anders als erwartet, wurde Claire nun nicht wütend oder reagierte angeekelt, sondern sie schien sich zu freuen.

So sehr sie das in ihrer Trauer eben konnte.

"Ich bin froh, dass er am Ende wenigstens glücklich war, dass er bei einem Menschen war, den er so sehr liebte, und der ihn eben so sehr liebte", erwiderte sie, und Piers hörte, wie sie sich kurz die Nase schnäuzte, wofür sie sich anschließend entschuldigte, warum auch immer.

Einige Minuten sprachen sie noch miteinander, dann wollte Claire ein wenig für sich sein, versprach aber, sich ab und an mal bei ihm zu melden.

Piers war darüber angenehm überrascht, verabschiedete sich und legte auf.

Wieder fiel sein Blick auf die Wand, und er wischte sich ein paar Tränen weg, ehe er sich daran machte, Jill anzurufen und nach ihr noch einige weitere Leute von Chris' Kontaktliste. Zumindest die Leute, die sein Captain im Laufe der Zeit wenigstens mal erwähnt hatte.
 

Noch immer war das alles so unwirklich.

Am Vortag hatten sie noch gemeinsam geduscht und waren sich so nahe gewesen.

Am Abend hatten sie gekocht und miteinander gegessen, und auch, wenn Piers einen kleinen Schwächeanfall gehabt hatte und ab und an düstere Gedanken zu Wesker gehuscht waren, den Chris draußen gesehen hatte, so war der Tag doch wundervoll gewesen.

Und nun würde es einen solchen Tag nie wieder geben, es war für immer vorbei.

Gerade hatten sie noch nebeneinander im Bett gelegen, eng aneinander gekuschelt, und nun war Chris für immer fort.

Hätten sie schon am Vortag etwas wegen Wesker unternehmen sollen?

Hätten sie überhaupt etwas tun können?

Das waren die Fragen, die Piers sich immer wieder stellte.

Es war unklar, ob das irgendetwas gebracht hätte, und so oder so waren die Geschehnisse nun nicht mehr zu ändern.

Er hatte den Leuten von Chris' Kontaktliste, die er hatte erreichen können, Bescheid gegeben, nun hing das Handy am Ladekabel, und die Taschen waren gepackt mit allem, was sie gemeinsam gekauft hatten, bis auf die Sachen, die sich noch im Kühlschrank befanden.

Selbst die Kleidung von Chris hatte er mit eingepackt, weil er einfach noch nicht bereit war, diese weg zu werfen. Bis er sich dazu durchringen konnte, würde es noch etwas dauern.

Am nächsten Tag würde er wie versprochen zurück zu Rebecca und Barry fahren, zumindest würde er sich da auf den Weg machen, die Reise an sich würde länger als einen Tag dauern.

Und dann würden sie sich gemeinsam um den Rest kümmern. Um Wesker und die Sache mit der B.S.A.A..
 

Doch was, wenn das alles vorbei war? Was sollte er dann tun?

Eigentlich hatte Piers sich dann mit Chris zurückziehen wollen, damit sie in aller Ruhe und in Frieden ein gemeinsames Leben führen konnten.

Das hatten sie ja beide gewollt.

Aber nun gab es nichts mehr, was ihn irgendwie antrieb, keinen Ort, an den er konnte, oder an den er wirklich wollte.

Er würde alleine bleiben, bis an sein Lebensende. Er wollte niemanden außer Chris. Ganz gleich, wie schnulzig und kitschig diese Einstellung wirken mochte, so war es nun einmal.

Aber vielleicht würde sein Leben auch gar nicht mehr so lange dauern, immerhin plante er, sich gemeinsam mit den Anderen Wesker zu stellen.

Möglicherweise würde dieser seinem Leben ja ein Ende bereiten, oder die Soldaten der B.S.A.A..

Nicht, dass Piers es darauf anlegte, nein.

Er hatte sich geschworen, für Chris so lange durchzuhalten wie es nur ging.

Dieser war damals stark gewesen, war nicht wieder abgesunken, sondern hatte weiter gemacht, war seinem Job als Captain weiterhin nachgegangen, auch wenn es ihm ohne Piers sicherlich nicht leicht gefallen war.

In seinem Gedenken hatte er das getan, und dafür wollte und musste Piers sich nun revanchieren, das musste er einfach.
 

Ein leises Seufzen kam dem jungen Soldaten über die Lippen, und er schlurfte in die Küche, um sich noch kurz ein Brot zu schmieren und etwas zu trinken, ehe er sich auf den Weg ins Bad machte, vor dem er innehielt, als er für einen Moment wieder Chris' leblosen Körper dort liegen sah.

Der Scharfschütze atmete tief durch, betrat das Bad, putzte Zähne, ging auf die Toilette, wusch sich und ging anschließend ins Bett.

Er wusste nicht, ob er wirklich schlafen konnte, aber er musste es versuchen.

Ab dem nächsten Tag hatte er eine ziemlich lange Fahrt vor sich, für die er fit sein wollte.

Er hatte keine Lust, sein Leben selber zu beenden, weil er vor Müdigkeit einen Unfall baute.

Also legte er sich hin, schloss die Augen und versuchte, irgendwie Ruhe zu finden.

Es dauerte eine ganze Weile, bis Piers wirklich einschlafen konnte, und kaum war ihm das gelungen, begannen die Albträume.

Immer wieder sah er Chris vor sich, wie er auf dem Boden lag, dann die Szene im Krankenhaus, als er kurz aufgewacht war, nur, um wenige Momente später für immer von ihm zu gehen.

Mehrmals schrak Piers in der Nacht schweißgebadet und schwer atmend auf, mehr als einmal mit Tränen in den Augen.

Irgendwann mitten in der Nacht, als es schon fast auf den frühen Morgen zuging, hatte das endlich ein Ende, als Piers' Körper und Bewusstsein alledem nicht mehr wirklich standhielten.

Erneut war er durch einen Albtraum aufgeschreckt, doch dieses Mal fielen ihm die Augen einfach wieder zu, und er sackte kraftlos in sich zusammen, seine Sinne schalteten sich ab, und Piers wurde, wenn auch unfreiwillig, endlich ein traumloser und tiefer Schlaf gegönnt, aus dem er erst am späten Vormittag wieder erwachen würde.

Leichenraub im hohen Norden

Knappe zwei Tage hatte Piers für den Rückweg gebraucht, deutlich weniger als auf dem Weg nach Kanada, als sie einen Umweg genommen und einige Stopps eingelegt hatten.

Dieses Mal hatte sich der Soldat für den kürzesten Weg entschieden und war bis auf ein, zwei kleine Tank- und Kaffeepausen durchgefahren.

Geschlafen hatte er überhaupt nicht und sich stattdessen nur mit dem Koffein wach gehalten, das er sich mit dem Kaffee gefühlt literweise reingekippt hatte.

Auch an Geschwindigkeitsbegrenzungen hatte sich Piers, vor allem nachts, nur sehr bedingt gehalten.

Alles war ihm egal gewesen, wenn sie ihn geschnappt hätten, wäre es eben so gewesen.

Auch wenn er am Vortag noch geschworen hatte, für Chris stark zu sein, für ihn durchzuhalten, nun hatte sich einiges in ihm geändert.

Der Verlust, die Trauer und die Wut waren über Nacht einer unendlichen Gleichgültigkeit gewichen.

Natürlich war diese an sich nicht echt, natürlich war ihm Chris' Tod nicht egal, ganz im Gegenteil.

Aber die Ereignisse des Vortages und die Albträume, die ihn letztlich bis in die Besinnungslosigkeit getrieben hatten, hinterließen ihre Spuren, und so musste sich sein Bewusstsein schützen und baute diese Mauer aus Gleichgültigkeit auf, um den Tod dieses geliebten Menschen besser zu verkraften, und um Piers die Möglichkeit zu geben, wirklich weiter zu machen und durchzuhalten.
 

Mit quietschenden Reifen lenkte Piers den Ford um die letzte Kurve und auf den Parkplatz, der sich vor dem Haus befand, in dem Rebecca ihre Wohnung hatte.

Einige Stunden zuvor hatte er sie noch angerufen und ihr mitgeteilt, wann er in etwa da sein würde, und bei dieser Gelegenheit hatte die Biochemikerin ihm ihre Adresse genannt, damit er gleich zu ihr fahren konnte.

Und sie hatte sich auch vorgenommen, ihn erst einmal nicht wieder gehen zu lassen.

Piers in diesem Zustand alleine zu lassen, wäre viel zu riskant gewesen.

Ihr war klar, dass er nun unberechenbar sein musste, und dass in seinem Kopf so vieles herumspukte, dass er schnell selber den Überblick und die Kontrolle verlieren konnte.

Und Rebecca bezweifelte, dass so etwas gut enden würde.

Wenn Piers am Ende einfach allein los rannte, um Wesker zu bekämpfen, oder wenn er gar einfach ins HQ eindrang, dann war niemandem geholfen, außer vielleicht dem Feind.

Und bisher hatten sie über diesen leider noch gar nichts herausfinden können.

Nein, sie mussten nun einen kühlen Kopf bewahren, in Ruhe planen und zusammenhalten.

Ganz abgesehen davon, dass sie um Chris' Willen alles daran setzen musste, Piers da lebend durch zu bringen.

Sie war sicher, dass es Chris' letzter Wunsch gewesen wäre, dass Piers, dass sie alle, das hier überstanden.

Doch ihr war ebenso klar, dass Piers selber ein Stück seines Lebenswillen verloren hatte als Chris gestorben war.

Dieser Mann war alles gewesen, was ihm noch geblieben war, als selbst die B.S.A.A. ihnen so grausam den Rücken gekehrt hatte.

Freunde schien Piers außerhalb der Arbeit nicht wirklich gehabt zu haben, da diese sein Leben gewesen war und er ihr alle Zeit gewidmet hatte.

Und selbst sie und Barry waren für ihn ja so etwas wie Fremde, er kannte sie nur durch Chris, und selbst das nur flüchtig.
 

Piers stellte den Motor ab, wartete noch einen kurzen Moment und stieg dann aus, nahm aber erst einmal nur das Nötigste mit, den Rest ließ er im Wagen.

Kurz blickte er auf das Handy, stellte fest, dass er den Zeitplan verdammt gut eingehalten hatte, und ging dann zur Tür, neben der er nach Rebeccas Klingel suchte, sie fand und mehrmals kurz drückte.

Lange musste er nicht warten, bis ein leises Geräusch von der Tür erklang, mit dem sich das Schloss öffnete, sodass er sie aufschieben konnte.

Zweiter Stock, hatte sie gesagt.

Also machte Piers sich über das Treppenhaus auf den Weg nach oben und sah auch schon, wie Rebecca den Kopf zur Tür raus streckte und winkend die Hand hob.

Ein Lächeln lag auf ihren Lippen, doch dem jungen Soldaten entging nicht, dass dieses ihre Augen nicht erreichte.

Auch wenn sie vermutlich wirklich froh war, ihn zu sehen, so nagte der Verlust doch sehr an ihr.

Chris war einer ihrer besten Freunde gewesen, den sie ja immerhin auch schon seit Raccoon City gekannt hatte.

Und Piers erinnerte sich, wie die Ältere bei dem Telefonat, bei dem er ihr von Chris' Tod berichtet hatte, geweint hatte und sich immer wieder hatte unterbrechen müssen.

Auch ihm selber hatte seine Stimme mehrmals den Dienst versagt, und die Tränen hatte er auch nur sehr selten wirklich zurückhalten können.

Doch seit dem letzten Albtraum, seit dieser ihm die Besinnung geraubt und ihn ruhig hatte schlafen lassen, hatte er keine Tränen mehr vergossen.

Mit dem Aufwachen war die Gleichgültigkeit gekommen, und auch jetzt konnten Rebecca und Barry, der sich zur Jüngeren an die Tür gesellt hatte, die erschreckende Leere in den Augen des Scharfschützen sehen.
 

Dieser begrüßte beide nur sehr knapp, ehe er die Wohnung betrat, die beiden Taschen, die er mit hoch genommen hatte, einfach fallen ließ und sich nur kurz in der geräumigen und sauberen Wohnung umsah.

Dann wandte er sich wie in Zeitlupe um und sah noch einmal zu den Beiden, die etwas hilflos dort standen und nicht wirklich wussten, was sie nun sagen oder tun sollten.

Und in diesem Moment änderte sich etwas.

Eine gewisse Anspannung fiel von Piers ab, nun, da er wieder hier war, da er Rebecca und Barry wieder sah.

Und die Müdigkeit, die er mit dem Koffein bekämpft hatte, übermannte ihn, überflutete ihn regelrecht, und die Beine des jungen Soldaten wurden zu Pudding, zitterten und wollten einfach nachgeben.

Schnell hatte Barry die Lage erfasst und war bei Piers, um diesen zu stützen, als dessen Beine ihm wirklich den Dienst versagten.

Besinnungslos sackte der junge Mann in den kräftigen Armen des Älteren zusammen, der ihn mühelos hoch hob und anschließend auf der Couch ablegte.

"Hol eine Schüssel mit kaltem Wasser und ein Tuch", wandte sich der bärtige Mann Rebecca zu, die sofort nickte und dieser Aufforderung nachkam.

Das alles war deutlich zu viel gewesen für Piers, und die Ältere hatte richtig Mitleid mit ihm. Ja, sie vermisste Chris auch, natürlich. Doch sie wusste, dass es der Scharfschütze war, der unter dem Verlust gerade am meisten zu leiden hatte.

Es war wohl nur eine Frage der Zeit gewesen, bis das alles über ihn herein brach und ihn umhaute.
 

Barry sah auf den jungen Mann hinab, und auch er war keinesfalls verwundert darüber, dass Piers ihnen nun zusammengebrochen war.

Es war so viel passiert, so vieles, das seinen Körper und seinen Geist belastet hatte.

Der Tod seines Liebsten hatte ihn völlig kaputt gemacht, und Barry konnte sich auch ausrechnen, dass Piers, so schnell wie er nun hier gewesen war, mindestens zwei Tage am Stück ohne Schlaf durchgefahren sein musste.

Da war es ein Wunder, dass er überhaupt lebend hier angekommen war.

Dankend nahm der Ältere die Schüssel mit dem Tuch entgegen als Rebecca ihm beides brachte, stellte die Schale auf dem kleinen Wohnzimmertisch ab und wrang das Tuch ein wenig aus, ehe er es Piers auf die etwas warme Stirn legte.

Ein ganz leises Stöhnen war die Reaktion darauf, doch ansonsten blieb der junge Soldat vollkommen ruhig liegen.

Er sollte sich nun erst einmal richtig ausruhen und schlafen. So lange, bis er wieder munter war und aus eigenem Antrieb aufwachte.

Sie durften nicht vergessen, dass nicht nur Chris' Tod ihn belastete.

Knapp zwei Wochen zuvor war er im Labor der B.S.A.A. gewesen.

Und dadurch, dass sie bisher kaum wirklich Ruhe gehabt hatten, hatte er sich von diesen Ereignissen natürlich auch noch nicht richtig erholen können.

Im Moment kam das alles zusammen, und so war es gut, dass Piers nun wieder hier bei ihnen war und nicht mehr alleine in Kanada, wo niemand ihm hätte helfen können.
 


 


 


 


 

Fast fünf Stunden vergingen nun, in denen der junge Soldat einfach da lag wie ein Komapatient, ohne sich zu regen, ohne auch nur den geringsten Laut von sich zu geben.

Immer wieder wechselten Rebecca oder Barry das Tuch aus und überprüften seine Temperatur und seinen Zustand.

Wenigstens schien Piers Glück im Unglück zu haben und schlicht und ergreifend einen Schwächeanfall erlitten zu haben.

Seine Stirn war zwar warm, aber er hatte kein Fieber und schien auch sonst nicht krank zu werden, was bei all den Strapazen nicht verwunderlich gewesen wäre.

Stattdessen schien der Scharfschütze nun sogar langsam wieder zu Kräften zu kommen, denn er bewegte nach diesen fünf Stunden langsam die Finger und schlug mit einem leisen Stöhnen sogar die Augen auf.

Sofort waren Barry und Rebecca bei ihm und beugten sich über ihn, schwiegen aber noch und ließen ihn erst einmal richtig wach werden.

Sie wollten ihn ja nicht gleich überfallen.

"Gehts dir besser?", fragte Barry dann nach einigen Momenten, als Piers die Augen endlich ganz geöffnet und sein Blick sich geklärt hatte.

Ein schwaches Nicken war die Antwort, und der Jüngere hob eine Hand an und tastete nach dem Tuch auf seiner Stirn.

Da war er kaum wieder hier, und schon bereitete er den Beiden Arbeit. So war das nun wirklich nicht geplant gewesen.
 

Aber Piers erkannte in den Gesichtern der beiden Älteren, dass sie ihm keinesfalls böse waren.

Da war eigentlich nur Sorge und eine gewisse Erleichterung darüber, dass er wieder aufgewacht war.

Als er sich jedoch aufsetzen wollte, schüttelte Rebecca streng den Kopf und drückte ihn sanft wieder in eine liegende Position zurück.

"Du bleibst noch etwas liegen. Dein Kreislauf ist gerade sicherlich nicht der Beste, und nach den Strapazen der letzten Tage brauchst du Ruhe, ob es dir gefällt oder nicht."

"Aber wir müssen..."

"Wir müssen erst einmal gar nichts", unterbrach ihn Barry mit ernster aber sanfter Stimme und schüttelte den Kopf.

"In deinem Zustand brichst du uns nur wieder irgendwann zusammen, und damit ist auch niemandem geholfen. Außerdem können wir so oder so nicht einfach blindlings los stürmen, um Wesker zu jagen oder das HQ zu infiltrieren. Wobei wir da ohnehin vorsichtig sein müssen. Nach dem, was wir bisher raus gefunden haben, scheint es wirklich so, als würde jemand anderes dahinter stecken."

"Wesker?", hakte Piers nach, und er blickte den Älteren fragend an, der daraufhin nur mit den Schultern zuckte.

"Möglich, ja. Aber Beweise haben wir dafür noch keine. Außer der Tatsache, dass wir außer Wesker bisher keinen wirklich Verdächtigen haben, aber das muss ja nichts heißen..."

Er seufzte leise, fuhr sich über das Gesicht und schüttelte den Kopf.

Das alles wurde irgendwie nur immer komplizierter, und statt irgendeinem Ziel näher zu kommen, schienen sie sich immer weiter von einem solchen zu entfernen.

Sie machten keine Fortschritte, sondern räumten eher Verluste ein.
 

"Ich habe nicht aufgepasst, ich hätte...",begann Piers, als er sah, wie sich Barrys Gesicht verfinsterte und sich Trauer hineinmischte, als seine Gedanken offenbar wieder zu einem anderen Thema wanderten.

"Red keinen Unsinn, Junge", murrte der Bärtige jedoch nur und schüttelte den Kopf.

Piers konnte nichts für das, was passiert war.

Es spielte keine Rolle, ob er geschlafen hatte oder nicht, ob er bewusstlos gewesen war oder sonst was.

Selbst wach hätte er kaum etwas ausrichten können; Wesker war ihnen einen Schritt voraus gewesen.

Weder Barry noch Rebecca machten dem Jüngeren in irgendeiner Art und Weise Vorwürfe. Dazu gab es einfach keinen Grund.

Und genau das sagte die Biochemikerin ihm nun auch, in sanftem aber bestimmtem Ton.

"Piers... Du hättest das nicht verhindern können. Ja, vielleicht hättest du es ein paar Minuten früher mitbekommen, aber dann hätte Wesker dich nur eigenhändig ausgeschaltet. Er hätte nicht zugelassen, dass du Chris hilfst..."

Und Piers wusste, dass die Ältere damit Recht hatte, natürlich wusste er das.

Und er bildete sich auch nicht ein, gegen Wesker bestehen zu können.

Aber dennoch machte er sich Vorwürfe, weil er da gewesen war. Weil er da gewesen war und das alles nicht einmal mitbekommen hatte.

Weil er nicht auf Chris gehört und sich schon viel eher ausgeruht hatte,weil er nicht ganz ehrlich gewesen war, was seinen eigenen Zustand anging.
 

Aber nun war es zu spät, und auch Selbstvorwürfe änderten an dem, was geschehen war, rein gar nichts mehr.

Ebenso sinnlos war es, sich hinter einer Maske aus Gleichgültigkeit zu verbergen, um weniger Schmerz zu empfinden.

Das war zudem Chris gegenüber mehr als nur unfair.

"Ich weiß, dass der einzig wahre Schuldige Wesker ist. Und aus dem Grund... Aus dem Grund will ich ihn so schnell wie möglich finden und mit meinen eigenen Händen töten", murmelte Piers nach einer Weile, und seine Stimme war härter und kälter geworden.

Dieser Mistkerl musste ein für allemal vernichtet werden, und das so schnell wie möglich.

Nicht nur, weil er Chris getötet hatte, sondern auch, weil Piers ein ungutes Gefühl überkam.

Er konnte es sich nicht erklären, er wusste nicht, woher es kam, aber es bereitete ihm Magenschmerzen und eine Art Schwindelgefühl.

Aber dieses Schwindelgefühl kam vermutlich immer noch von seinem Schwächeanfall.

Dennoch sagte ihm eine Stimme, dass Wesker noch lange nicht fertig war, dass er etwas plante.

Dass er etwas plante, das ihm, Piers, keinesfalls gefallen würde, und dass er vermutlich schon dabei war, diesen Plan in die Tat umzusetzen.

Und in dem Moment, in dem Piers sich fragte, wie er auf solch bescheuerte Ideen kam, da er sicherlich kein Hellseher war oder plötzlich Visionen bekam, hörte er einen entsetzten Ausruf von Rebecca, die den Raum kurz verlassen hatte, um etwas zu Trinken für den jungen Soldaten zu holen, und die nun zurück kam, die Flasche in der einen Hand und eine Zeitung in der anderen.

"Hört euch das an!", rief sie, als sie die Flasche abgestellt und sich etwas auf die Armlehne der Couch gesetzt hatte.

Kurz räusperte sie sich, dann blickte sie auf die Zeitung und schüttelte den Kopf.

"Also: 'In Victoria, der Hauptstadt der kanadischen Provinz British Columbia, ereignete sich am Samstagabend ein seltsamer Vorfall, der noch immer ungeklärt ist. Im Glengarry Hospital verschwand die Leiche eines Amerikaners, der am folgenden Tag zum Bestatter überwiesen werden sollte, spurlos. Die Polizei hat keinerlei Hinweise darauf, wie es zu diesem mysteriösen Verschwinden kommen konnte.' Der Name des Mannes wird in dem Artikel nicht erwähnt, aber es wird geschrieben, dass er Ende 30 gewesen sein muss und am Tag zuvor eingewiesen worden war. Das ist jetzt also drei Tage her und trifft somit genau auf den Tag zu, an dem Chris gestorben ist..."
 

Rebeccas Stimme war zum Ende hin leiser geworden, und sie ließ die Zeitung sinken, um zu Piers zu sehen, der mit einem Mal leichenblass geworden war und für einen Moment so wirkte, als würde er einfach wieder ohnmächtig werden.

"Es passt alles, und... auch das Krankenhaus ist das, in das er gebracht wurde. Denkst du.."

Er schüttelte den Kopf und atmete tief durch, als ihm für einen Moment wirklich übel wurde.

Kaum einer schaffte es unbemerkt in den Keller eines Krankenhauses, um mal eben eine Leiche zu stehlen. Irgendwem musste so etwas auffallen.

Es sei denn, man war zum Einen sehr geübt darin und hatte zum Anderen die finanziellen Mittel, so etwas im Notfall ganz schnell unter den Tisch fallen zu lassen.

Und Piers fiel nur eine einzige Person ein, bei der es auch nur annähernd Sinn ergeben hätte, Chris' toten Körper aus dem Krankenhaus zu entwenden.

Und trotzdem wollte das nicht so richtig in seinen Kopf, trotzdem verstand er nicht, welchem Zweck das dienen sollte.

Wäre Chris infiziert gewesen mit einem Virus, das Wesker noch nicht kannte, dann hätte er es aus der Sicht des Blonden verstanden.

Aber so war Chris' Leichnam für diesen doch vollkommen wertlos, er konnte mit ihm überhaupt nichts anfangen.

Diente das alles nur dazu, ihn, Piers, zu provozieren?

Um ihn unvorsichtig werden zu lassen, damit er in eine Falle tappte?

Wenn ja, hatte Wesker Pech gehabt.

Wäre Piers alleine gewesen, hätte das funktioniert, so aber waren Barry und Rebecca da, um ihn von irgendwelchen Dummheiten abzuhalten.
 

"Warum sollte Wesker Chris' Leiche mitnehmen? Ich meine... was bringt ihm die Leiche eines gewöhnlichen Menschen?", fragte auch Rebecca nun, und sie schauderte leicht und bekam eine deutliche Gänsehaut.

Und auch Barry war etwas blasser geworden und hatte die Stirn in Falten gelegt, was ihn nur noch älter wirken ließ als er ohnehin schon war.

Auch für ihn ergab das alles keinen Sinn.

Andererseits handelte es sich um Albert Wesker, bei dem musste man immer vorsichtig sein.

Man durfte diesen Mann auf keinen Fall unterschätzen.

"Ganz gleich welchen Grund er hat, es kann kein guter sein. Und leider muss ich Piers nun zustimmen, dass es das Beste ist, sich so bald wie möglich auf die Suche zu machen. Mit einer Leiche im Gepäck kommt auch ein Wesker nicht sonderlich weit. Ich gehe also davon aus, dass er sich noch immer in Kanada befindet, vermutlich noch immer in British Columbia. Wenn er irgendetwas mit Chris vorhat, wird er sich darum relativ schnell kümmern wollenn und kann es sich mit einem toten Körper nicht leisten, sonderlich weit zu reisen..."

Ihm war anzuhören, dass er sich selber zusammenreißen musste, sich nicht von seinen Gefühlen übermannen zu lassen, aber er schaffte es, ruhig und gefasst zu klingen.
 

Rebecca und Piers schwiegen einen Moment, und schließlich nickte die Biochemikerin und seufzte leise.

"Du hast Recht. Jetzt noch lange zu planen, würde uns zu viel Zeit kosten. Zeit, die wir nicht haben. Und wir können nicht zulassen, dass dieser Verrückte irgendetwas mit Chris anstellt. Sowas ist einfach widerlich. Bist du denn fit genug?", wandte sie sich schließlich an Piers und legte etwas unsicher den Kopf schief.

Doch der junge Scharfschütze nickte nur knapp und setzte sich nun doch etwas auf.

Kurz wurde ihm etwas schwindelig, aber das legte sich auch gleich wieder, und so machte er sich daran, vorsichtig ganz aufzustehen.

Nichts drehte sich, und ihm wurde auch nicht übel, seine Beine trugen ihn vollkommen sicher.

Diese wortlose Antwort schien den beiden Älteren zu reichen, und so nickten sie beide noch einmal, ehe sie sich daran machten, ein paar Sachen zusammenzusuchen, ehe Barry kurz zu sich nach Hause fuhr, um ihnen noch Waffen zu besorgen.

Als Rebecca und Piers fertig waren, gingen sie nach draußen zum Parkplatz vor dem Haus, auf den Barry just in dem Moment mit einem geräumigen und recht neuen Jeep fuhr.

Er winkte den beiden zu, sie verstauten ihre Sachen und stiegen ein, und schon ging es ein weiteres Mal gen Norden.

Die Falle ist gestellt

Während der Fahrt schwieg Piers und blickte eine Weile lang einfach aus dem Fenster, ehe er die Augen schloss und doch noch mal etwas schlief.

Wenn sie sich nun daran machten, Wesker zu suchen und zu bekämpfen, brauchten sie all ihre Kräfte.

Und etwas angeschlagen war der junge Soldat ja doch noch.

Die letzten Tage waren mehr als anstrengend gewesen, und erst vor wenigen Stunden war er bei Rebecca in der Wohnung wieder zusammengeklappt.

Da war er lieber vorsichtig und erholte sich noch ein wenig.

Er wollte seinen Captain und Liebsten um jeden Preis rächen, und dazu musste er vollkommen fit sein.

Erst als sie nach mehreren Stunden anhielten, um zu tanken und sich kurz die Beine zu vertreten, schlug der junge Soldat wieder die Augen auf, aber auch nur, weil Rebecca die hintere Tür geöffnet hatte und sich leicht zu ihm beugte.

"Alles okay?", fragte die Ältere, als Piers seine Sinne wieder gesammelt hatte, und dieser nickte leicht und setzte sich etwas aufrechter hin.

Dann drückte ihm Rebecca eine Flasche Wasser in die Hand und bewegte ihn dazu, ein paar kräftige Schlucke aus dieser zu nehmen.

Als Piers der Aufforderung nachgekommen war und etwas getrunken hatte, legte er die Flasche zur Seite, schnallte sich ab und stieg vorsichtig und langsam aus.

Seine Beine trugen ihn sicher, und der Scharfschütze atmete doch ein wenig auf.
 

Er ging ein wenig auf dem Rastplatz umher, der an die Tankstelle grenzte, und sah sich dort um.

Nur ein paar Trucks standen hier und ein, zwei normale Autos, deren Fahrer er jedoch nirgendwo ausmachen konnte.

Es war mitten in der Nacht, aber dennoch hatte Piers erwartet, dass die Tankstelle belebter sein würde.

Sein Weg führte ihn an den beiden Autos vorbei zum Shop, doch er betrat diesen nicht, sondern wandte sich dem Automaten daneben zu und holte sich an diesem einen Kaffee.

Irgendwie konnte er momentan nicht ohne.

Mit dem heißen Pappbecher wandte er sich wieder ab und ging noch einmal ein paar Schritte über den Platz.

Die kühle Nachtluft tat gut und belebte ein wenig die Geister, was von dem Koffein im Kaffee gut unterstützt wurde.

Als er den Becher geleert hatte, warf Piers ihn in den Mülleimer, ging kurz um das Gebäude herum zur Kundentoilette, lief anschließend noch einmal ein paar Meter und machte sich dann wieder auf den Weg zurück zu Barrys Jeep, an dem Rebecca bereits wartete, ebenfalls mit einem Kaffeebecher bewaffnet.

Dann gesellte sich nach wenigen Momenten auch Barry wieder zu ihnen, öffnete den Wagen und verstaute die Tüte mit Getränken und Snacks, ehe er einstieg und den Motor anließ, damit sie weiter fahren konnten.
 

Die kleine Gruppe wollte ja keine Zeit verlieren, weshalb sie an sich nur sehr wenige Pausen einlegten.

Die an der Tankstelle war mit die längste gewesen und die einzige, bei der sie alle ausgestiegen waren, um sich kurz die Beine zu vertreten und frische Luft zu schnappen.

Stattdessen wechselten sich Barry und Rebecca mit dem Fahren ab, so wie es damals auch Chris und Piers auf ihrer Fahrt dorthin getan hatten.

Bei diesen Erinnerungen verfinsterten sich Piers' Gedanken wieder, und er atmete zittrig durch, drückte den Kopf gegen die Rückenlehne und schloss wieder die Augen.

Er vermisste Chris so sehr, er wusste nicht, ob er über diesen Verlust jemals hinweg kommen würde.

Jede Sekunde lang dachte er an den Älteren, und wenn diese Gedanken mit bestimmten Ereignissen verbunden waren, wurde es nur umso schlimmer, so, wie nun gerade auch.

Und das Wissen, dass Wesker irgendetwas mit Chris' toten Körper anstellte, dass er ihm nicht einmal im Tod Ruhe ließ, machte es auch nicht unbedingt besser.

Piers' Hass auf den Blonden wuchs nur immer weiter, und niemand würde ihn davon abhalten können, diesem seinen Hass auch deutlich zu demonstrieren, wenn sie sich begegneten.

Und das würden sie sicherlich schon bald.
 

Der junge Soldat merkte gar nicht, wie er mit diesen Gedanken wieder weg dämmerte, und sein Kopf kippte seitlich etwas gegen die Scheibe.

Kurz blickte Rebecca etwas erschrocken nach hinten, weil sie fürchtete, Piers hätte das Bewusstsein verloren, doch sie sah, dass dieser ruhig atmete und entspannt wirkte.

Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, und sie wandte sich wieder nach vorne und blickte auf die leere Straße vor ihnen.

Keine zwei Stunden würde es mehr dauern, bis sie die Provinz British Columbia wieder erreicht hatten.

Im Moment fuhr Barry, und so entschied die Biochemikerin, selber auch noch mal ein wenig die Augen zu schließen.

Die Ruhe, die in dem Wagen herrschte, verleitete dazu, und sie wusste, dass Barry sie sicher ans Ziel bringen würde.

Er selber hatte zuvor erst etwas geschlafen und war nun vollkommen fit und ausgeruht, sodass die Jüngere sich das nun ruhig die letzten Kilometer gönnen sollte. Das Navi sagte ihm ja, wo er lang musste, und selbst wenn es aus irgendeinem Grund ausfallen sollte, konnte er immer noch den Straßenschildern folgen.

Der Älteste ließ den beiden Jüngeren nun also ihre Ruhe und konzentrierte sich voll und ganz auf die Straße vor ihnen.
 


 


 


 


 


 


 

Nach etwas mehr als zwei Stunden hatten sie dann Victoria erreicht, die Stadt, in der Chris und Piers sich zuvor befunden hatten.

Der junge Soldat war wenige Minuten zuvor wieder aufgewacht und hatte Barry gebeten, das Motel anzusteuern, in dem er ein paar Tage mit seinem Liebsten gewohnt hatte.

Etwas unschlüssig hatte der Bärtige genickt, denn ihm war klar, dass es Piers nicht leicht fallen würde, dieses Gebäude wieder zu betreten.

Aber sie mussten Wesker finden, und wenn sie das nicht schafften, dann mussten sie zulassen, dass dieser sie fand.

Und Piers hatte das Gefühl, dass dieses Motel dafür der am besten geeignete Ort war.

Also fuhr Barry den Parkplatz an, parkte den Wagen und stellte den Motor ab, ehe er sich an Rebecca wandte, um diese zu wecken.

Etwas verwirrt blinzelte die junge Frau das Gebäude an, und als sie Piers' Blick im Rückspiegel begegnete, wusste sie, wo sie sich befanden.

"Bist du sicher?", hakte sie nach, was der Jüngere nur mit einem knappen Nicken erwiderte.

Er konnte jetzt nicht nur nach seinen Gefühlen gehen, es gab einfach weitaus Wichtigeres.

Jetzt galt es, Wesker zu finden und sich diesem zu stellen, und da war es am besten, wenn sie sich an einem Ort befanden, den auch der Blonde mit ihnen verband.

Also zuckte die Rothaarige nur mit den Schultern, nickte dann und stieg aus, ehe sie den Kofferraum öffnete, um die Sachen heraus zu holen.
 

Piers wandte sich schon einmal von dem Wagen ab, den die anderen Beiden ausräumten, und ging in das Gebäude hinein.

Etwas verwirrt blickte der Mann an der Rezeption ihn an, und Piers fiel ein, dass er ja gar nicht ausgecheckt hatte.

Das Zimmer stand ihnen noch länger als eine Woche zur Verfügung, aber er hätte ja wenigstens Bescheid geben können, dass er es nicht mehr nutzen wollte oder musste.

Nun aber kam es ihm ganz gelegen, dass das Zimmer noch auf Chris' Namen angemeldet war und sich der Mann an ihn erinnerte.

Kurz erklärte der junge Soldat, dass der Mann, mit dem er zuvor eingecheckt hatte, früher hatte abreisen müssen als geplant, dass er selber das Zimmer aber gerne weiterhin nutzen würde, jedoch mit zwei weiteren Leuten.

Für die dritte Person würden sie natürlich extra zahlen.

Kurz zögerte der Alte, dann aber nickte er seufzend und berechnete für die dritte Person einen erstaunlich günstigen Aufschlag, den Piers bereitwillig zahlte.

Ihm wurde noch ein weiterer Schlüssel in die Hand gedrückt, dann wandte der junge Soldat sich Barry und Rebecca zu, die das Gebäude bereits betreten hatten.

Gemeinsam gingen sie nun die Treppe hinauf und den Gang entlang zu dem Appartement, das Chris und er zuvor schon bewohnt hatten.
 

Der junge Soldat hatte die Tür aufgeschlossen und trat in das Zimmer hinein, in dem er nun erst einmal stehen blieb.

Sein Blick schweifte über die Couch hinweg zur Badezimmertür, und wieder sah er für einen kurzen Moment Chris dort liegen.

Er fühlte sich zu dem Moment zurückversetzt, in dem er seinen Captain dort gefunden hatte.

Er war erstarrt gewesen, und nie da gewesene Angst hatte sich in ihm breit gemacht.

Die kurze Sekunde, in der er nicht mal den Puls des Älteren hatte spüren können, hatte ihm die Kehle zugeschnürt.

Und als dessen Herz dann wirklich ausgesetzt hatte...

"Piers?", riss ihn eine Stimme aus seinen düsteren Gedanken, und das Bild verblasste, und der junge Soldat sah nur noch den leeren Durchgang der Tür, die ins Bad führte.

"Es ist nichts", murmelte er, fuhr sich durch die kurzen Haare und schüttelte den Kopf.

Er musste sich nun zusammenreißen, musste Ruhe bewahren.

Er durfte sich nicht zu sehr darauf versteifen, dass die Sache mit Wesker zu etwas sehr Persönlichem geworden war, auch wenn er wusste, dass es der Blonde durchaus auf ihn abgesehen hatte.

Er hätte Chris auch einfach schnell töten können, er hätte ihn problemlos gleich ausschalten können. Und er hätte auch dessen Liebsten töten können.

Aber das hatte er nicht getan. Sicherlich wollte er Piers leiden sehen, wollte er ihn aus der Reserve locken und ihn rasend machen.

Und verdammt, das hatte er auf jeden Fall geschafft.
 

"Was hältst du davon, wenn du dich noch ein wenig ausruhst, während wir noch etwas richtiges zu Essen besorgen und versuchen, an Informationen über Weskers Aufenthaltsort zu kommen? Wir haben zwar noch ein paar Snacks, aber auf Dauer sind die auch nicht das Wahre", schlug Barry nun vor, und er packte Piers an den Schultern und schob ihn vor sich her in das Schlafzimmer, wo er ihn auf das Bett drückte und die kleine Tüte mit den Snacks auf den Nachttisch daneben stellte.

Er wusste, dass der Jüngere in diesem Bett sicherlich keine Ruhe fand, aber er empfand es als sinnvoller als ihn mitzunehmen.

Ob Piers das selber zugab oder nicht, er war noch angeschlagen, er brauchte die Ruhe.

Und hier im Motelzimmer war er nun einmal am besten aufgehoben.

Zögerlich nickte der Jüngere dann sogar und ließ sich mit einem leisen Seufzen zurück sinken.

Auch er hatte geglaubt, hier keine Ruhe zu finden, in dem Bett, das irgendwie noch immer nach Chris roch.

Aber es vergingen nur wenige Sekunden, bis ihm die Augen schon ganz automatisch zu fielen und seine Sinne sich einfach verabschiedeten.

Er verlor nicht wirklich das Bewusstsein, sank aber in einen tiefen Schlaf, in dem ihn nichts so leicht stören konnte.

So bekam er gar nicht mehr mit, wie Rebecca und Barry das Zimmer nach einer Weile verließen, um ihrem Vorhaben nachzugehen.
 


 


 


 


 


 

Und ebenso wenig bemerkte Piers, dass sich kaum eine Stunde später eine andere Person Zutritt zu dem Motelzimmer verschaffte.

Wie sie das tat, würde auf ewig ihr Geheimnis bleiben.

Wie ein schwarzer Schatten huschte die Gestalt durch das Zimmer, leise wie ein Ninja.

Ein kurzer Blick zu Piers verriet ihr, dass dieser rein gar nichts mitbekam, und dass sich das auch so bald nicht ändern würde.

Eine behandschuhte Hand griff in eine Manteltasche und zog einen Zettel heraus, den sie neben der Snacktüte auf dem Nachttisch platzierte.

Es war eine Nachricht an den jungen Soldaten, die diesem verraten sollte, wo der Feind sich aufhielt, und wie er dort hin kam.

Und dort stand auch, dass der Blonde eine Überraschung für Piers bereit hielt, die diesem den Atem und die Sprache verschlagen würde.

Als die Nachricht platziert war, blickte die Gestalt noch einmal zu Piers, runzelte die Stirn und beugte sich hinab.

Der Scharfschütze war so still gewesen, dass der Eindringling für einen Moment befürchtet hatte, er könnte gestorben sein.

Aber der junge Mann atmete, und so wandte sich die Gestalt zufrieden wieder ab.

Ein toter Piers hätte den ganzen Plan zunichte gemacht, aber so konnte alles noch funktionieren, wie es sollte.
 

Ein kurzer Lichtschein des Mondes fiel in das Motelzimmer und huschte über das blasse Gesicht und die blonden Haare des Einbrechers, streifte die dunkle Sonnenbrille und die schmalen Lippen, die zu einem siegessicheren Grinsen verzogen waren.

Noch lief alles nach Plan, und sicherlich würde das auch so bleiben.

Der erste Teil war, wenn auch mit leichten Komplikationen, geglückt, und der zweite schien auch ein Erfolg zu werden.

Piers würde der Wegbeschreibung der Nachricht folgen, und sicherlich würde er nicht auf seine Begleiter warten, die draußen ohnehin gerade auf falsche Fährten gelockt wurden.

Wesker hatte auch jetzt noch genug Kontakte, die er für seine Pläne benutzen konnte.

Ja, der junge Soldat würde kommen und ihn finden, und er würde nicht nur Wesker begegnen.

Und dann würde ein sehr interessanter Kampf beginnen, bei dem der Blonde nur zusehen musste, ohne sich selber die Finger schmutzig zu machen.

Lange würde er vermutlich nicht dauern, aber das spielte keine Rolle.

Dieser Kampf diente nicht nur zu seiner Unterhaltung, sondern er konnte auch sehen, wie erfolgreich seine Forschung war, die er die letzten vier Jahre betrieben hatte, und die er mit der Beschaffung des C-Virus hoffentlich hatte perfektionieren können.

Natürlich hatte er bereits Proben von diesem und war nicht auf Piers' Blut angewiesen.

Lange würde Wesker nicht mehr warten müssen, um zu erfahren, wie das alles ausgehen würde.

Ein letzter Blick zu Piers, dann wandte Chris' Erzfeind sich wieder ab, verließ das Zimmer, schloss die Tür und machte sich wieder auf zu dem Ort, an dem er Piers erwarten würde, und an dem auch die Überraschung für diesen bereit stand.

Schon einmal hatte er einen ähnlichen Plan verfolgt, der leider schief gegangen war, da Chris ihm wieder mal einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte.

Doch nun würde alles gut gehen, das musste es einfach.

Eine gelungene Überraschung

Schweigend stand Piers vor den Gebäuden der Stadt, zu der ihn die Beschreibung auf dem Zettel geführt hatte.

Ihm war klar, wer diese Botschaft verfasst hatte, und wie von Wesker nicht anders erwartet, war der junge Soldat los geeilt, ohne auf Barry und Rebecca zu warten.

Er ließ den Blick schweifen und runzelte leicht die Stirn.

Er hatte gehört, dass es in der Zeit, zu der Chris, Merah und er zur Marhawa Academy gerufen worden waren, auch auf dem amerikanischen Kontinent einen Zwischenfall mit einem Virus gegeben hatte.

Dabei war eine gesamte Stadt in einem Feuer zerstört worden.

Piers hatte nicht gewusst, dass es sich dabei um eine kanadische Stadt gehandelt hatte, aber nun hatte sich das geändert.

Es war, als würde man eine Geisterstadt betreten.

Die Gebäude waren allesamt verkohlt, einige eingestürzt, andere standen noch, überall war Asche zu sehen.

Die Szenerie hätte geradewegs aus einem Horrorfilm stammen können.

Leicht schauderte der junge Soldat, dann setzte er einen Fuß vor den anderen und ignorierte die Asche, die unter seinen Schuhen aufgewirbelt wurde.

Irgendwo hier musste sich Wesker befinden, und diesem würde er nun klar machen, dass der sich mit dem Falschen angelegt hatte.

Eine Stimme in Piers' Kopf warnte ihn zwar, dass das eine verdammt dumme Idee war, und dass er nicht den Hauch einer Chance hatte, doch diese Stimme ignorierte der Brünette gekonnt.
 

Der Hass, der sich in Piers breit gemacht hatte, war stärker als seine Vernunft, stärker als jedes andere Gefühl.

Nur der Verlust nagte in etwa genau so sehr an ihm, und beides zusammen ließ ihn handeln, ohne wirklich darüber nachzudenken.

Unter normalen Umständen wäre er niemals alleine los geeilt, um sich dem Blonden zu stellen, doch so hatten ihn seine Beine schon fast automatisch hierher geführt.

Er hatte wie in Trance einen Bus bestiegen, war wieder ausgestiegen, gelaufen, mit dem Taxi gefahren, erneut gelaufen, und nun war er hier in dieser verbrannten Stadt.

Der junge Soldat sah sich um, ging weiter und lauschte genau, ob er irgendetwas hören konnte, was sich verdächtig anhörte.

Trotz allem nutzte er seine Sinne noch richtig, ein Funken Verstand war ihm geblieben.

Keiner der stark genug war, ihn vor Wesker zu warnen, aber einer, der ausreichte, um ihn doch zumindest ein wenig vorsichtig sein zu lassen.
 

Aber im Moment sah es so aus, als hätte er sich das auch sparen können.

So verlassen diese Stadt wirkte, so verlassen schien sie auch wirklich zu sein.

Es war und blieb alles still, und wenn Piers in die zerstörten Fenster blickte, war keine Menschenseele zu sehen.

Der junge Soldat überlegte, ob er sich vielleicht in der Stadt geirrt hatte, aber das konnte eigentlich nicht sein.

Die Wegbeschreibung war recht genau gewesen, und auch die Hintergrundgeschichte passte zu dem, was er hier sah.

Das hier war ohne jeden Zweifel die Stadt, in die Wesker ihn hatte locken wollen.

Natürlich war es eine Falle, das war Piers von Anfang an klar gewesen.

Aber trotz allem war er davon ausgegangen, dass Wesker hier sein würde.

Er konnte sich nicht vorstellen, dass der Blonde hier einfach eine Bombe oder dergleichen zur Begrüßung platzierte.

Nein, so wie Chris diesen Mann geschildert hatte, machte der sich zwar ungern selber die Hände schmutzig, genoss seinen Triumph aber auch.

Also ging der Scharfschütze weiter, denn aufgeben wollte er noch lange nicht.

Er war nun einmal auf Rache aus und würde nicht eher Ruhe geben, bis er diese bekommen hatte.

Wesker hatte seinen Liebsten getötet, und als wäre das nicht schon genug gewesen, hatte er dessen Leiche auch noch aus dem Krankenhaus entwendet.

Und damit ging der ehemalige S.T.A.R.S.-Captain mehr als nur zu weit.

Piers atmete noch einmal tief durch und wollte sich gerade daran machen, eine der Ruinen zu untersuchen, falls sich dort irgendetwas fand, als er doch noch Schritte vernahm.

Er wandte den Blick nach vorne und erstarrte mitten in der Bewegung.

Mit Wesker hatte er ja gerechnet, er war sicher gewesen, dass dieser hier sein würde, und das war er auch, doch der Blonde war nicht alleine gekommen.

Eine weitere Person befand sich neben ihm, eine, die überhaupt hier nicht sein konnte.
 

"Captain..."

Für einen Moment stand der junge Soldat einfach nur da, wie versteinert, unfähig, irgendetwas zu tun.

Es konnte nicht sein, und doch sah er es mit seinen eigenen Augen.

Neben Wesker stand kein Geringerer als Chris Redfield, und dieser war vollkommen lebendig.

Seine Augen waren braun und sahen Piers direkt an, kein rot-oranges Leuchten, keine milchige Verfärbung oder irgendetwas, das auf eine Infizierung hingedeutet hätte.

Und dennoch schien der Captain seinen Scharfschützen gar nicht zu erkennen, zumindest zeigte er bei dessen Auftauchen keinerlei Reaktion.

Piers erinnerte sich, was Chris über seine ehemalige Partnerin, Jill Valentine, erzählt hatte.

Wesker war es mit irgendeinem Mittel gelungen, sie unter seine Kontrolle zu bringen und für sich kämpfen zu lassen.

Vermutlich hatte er das Gleiche nun auch mit Chris selber vor.

Dennoch verstand der junge Soldat nicht, wie sein Liebster noch am Leben sein konnte, wie das möglich war.

Wesker war alles zuzutrauen, ja. Und der hatte den toten Chris ja auch aus dem Krankenhaus entführt.

Aber ohne die Hilfe eines Virus oder irgendeiner ähnlichen Substanz konnte auch ein Albert Wesker niemanden wieder lebendig machen.

Und selbst so wäre der Soldat doch nichts weiter als eine Art Zombie gewesen.
 

"Wie er leibt und lebt. Und ja, du hast richtig gehört, Piers. Er lebt. Ich hatte dir eine Überraschung versprochen. Und ich denke... sie ist mir durchaus gelungen."

Ein leises Lachen kam über Weskers Lippen, die sich zu einem schmalen Strich verzogen hatten.

Er war sich seines Sieges mehr als sicher, das konnte man ihm deutlich ansehen, auch ohne seine Augen dabei erkennen zu müssen, die sich wie immer hinter dunklen Brillengläsern verbargen.

Chris hatte mal gesagt, der Blonde hätte immer eine Sonnenbrille getragen, und er habe sich zu S.T.A.R.S.-Zeiten gefragt, ob sein damaliger Captain sie wenigstens zum Schlafen abnahm.

Aber Piers dachte momentan nicht im Geringsten über Weskers Faible für Sonnenbrillen nach, er hatte ganz andere Sorgen.

Wesker hatte die Hand gelöst, die er zuvor auf Chris' Schulter gelegt hatte, und der Soldat hob leicht den Kopf.

Piers hatte sich offenbar geirrt, im Blick des Älteren lag durchaus Erkennen.

Wieder sah er seinen Scharfschützen direkt an, und nun konnte man sogar Gefühlsregungen in seinem Blick erkennen.

Aber da war keine Liebe, keine Freude, nichts, das Piers erwartet hätte.

Es war Wut, vielleicht sogar so etwas wie Hass, das in Chris' Blick zu sehen war, als der Soldat nun ein paar Schritte nach vorne machte, stehen blieb und eine Pistole aus einem Holster zog.

Selbst wenn er gewollt hätte, Piers hätte nichts tun können.

Er erhob doch nicht die Waffe gegen den eigenen Captain, gegen seinen Freund, gegen den Mann, den er über alles liebte.

Chris selber schien das allerdings ganz anders zu sehen, und Piers war schon bereit, mit dem Leben abzuschließen, als ausgerechnet Wesker den Soldaten aufhielt.

"Ist das wirklich dein Ernst, Chris? Ist das nicht viel zu langweilig?"

Leicht runzelte der Blonde die Stirn und neigte den Kopf, als Chris seine Waffe zog und diese auf Piers richtete.

Ein Schuss und der Junge war tot, dafür hatte sich Wesker all die Mühe nicht gemacht.

Er wollte doch etwas zu sehen bekommen, wollte sich amüsieren.

Chris Redfield hatte immer und immer wieder seine Pläne ruiniert, und nun war seine Zeit der Rache gekommen.

Und diese wollte Wesker voll und ganz genießen können.

Wenn Chris nun einfach abdrückte, war ja alles schon nach wenigen Sekunden vorbei, und niemand würde leiden.
 

Piers hatte nicht damit gerechnet, doch tatsächlich zögerte sein Captain und ließ die Waffe sinken, steckte sie dann sogar wieder weg und zog stattdessen sein Kampfmesser.

Gegen dieses würde sich der Scharfschütze deutlich länger wehren können, und dennoch war er verloren.

Er konnte seinem Liebsten nicht das Wasser reichen, nicht auf Dauer.

Und ganz abgesehen davon konnte und wollte er diesen nicht verletzen.

Chris' Blick jedoch zeigte deutlich, dass er selber keinerlei Hemmungen hatte.

Zwar war der junge Soldat noch immer unsicher, ob Chris wirklich so lebendig war, oder zumindest so menschlich, wie er wirkte, doch so lange er da nicht sicher sein konnte, wollte er auch kein Risiko eingehen.

Nicht, wenn die Chance bestand, dass sein geliebter Captain doch noch irgendwie zu retten war.

Und so musste ihm irgendetwas einfallen, den Älteren aufzuhalten, ohne diesen dabei zu verletzen oder gar zu töten.

Aber wie sollte er das anstellen, wenn Chris selber bereit war, ihn ohne zu zögern zu töten?

Ja, dank Wesker wurde ihm nun mehr Zeit verschafft, aber auf Dauer würde das vermutlich auch nichts bringen.

Piers' einzige Hoffnung lag darin, dass er mit seiner Vermutung Recht hatte, dass es sich um ein ähnliches Mittel wie damals bei Jill handelte.

Dann musste er nur herausfinden, wie er die Zufuhr kappen und Chris wieder zur Besinnung bringen konnte.
 

Dieser ging nun wieder weiter, das Messer sicher in der Hand und deutlich machend, dass er ganz genau wusste, wie er damit umzugehen hatte.

Und dass dem so war, hatte Piers mehr als einmal selber mit ansehen dürfen.

Ab und war es ihm im Training gelungen, seinen Captain zu bezwingen, doch da waren sie beide unbewaffnet gewesen, und meistens war es noch immer der Ältere, der solche Trainingskämpfe für sich entschied.

Im Schießen hatte er keine Chance gegen Piers, so gut er selber auch war, und das hatte er auch bereitwillig eingesehen.

Chris hatte sich nie etwas auf sein Können eingebildet, und es war auch nicht so, dass er auf Piers' Fähigkeiten neidisch gewesen wäre, ganz im Gegenteil.

Er war immer stolz gewesen und froh, dass er einen so talentierten Soldaten zur B.S.A.A. geholt hatte.

Nicht, dass er die anderen als weniger talentiert erachtete, aber Piers war trotz allem immer etwas Besonderes gewesen.

Und nun war der Zeitpunkt gekommen, an dem dieser das vielleicht nutzen konnte und musste, an dem es wirklich darauf ankam, wie gut er wirklich war.

Er musste Chris hinhalten, so lange wie möglich. Mindestens so lange, bis es ihm gelungen war, den Älteren wieder zur Vernunft zu bringen.

Es hieß ja immer, dass nichts so stark war wie die Liebe.

Nun galt es herauszufinden, ob an diesem Gerücht wirklich was dran war, oder ob das nur billiges 'Schnulzgerede' war.
 

Piers hatte Angst vor dem, was sich ihm offenbaren würde, Angst davor, wie sein Leben enden würde.

Er fürchtete sich nicht vor dem Tod, natürlich nicht.

Er hatte diesem bereits sehr tief in die Augen gesehen, war bereit gewesen, sich für seinen Captain zu opfern.

Wenn er starb, dann war es eben so, aber es kam darauf an, wie es endete.

Das Letzte was er wollte war, durch die Hand seines Liebsten sterben zu müssen.

Hätte das Virus die Kontrolle übernommen, oder würde es das noch tun, dann war das etwas Anderes, dann würde er Chris sogar selber darum bitten, sein Leben zu beenden, wenn er dazu noch in der Lage war.

Aber nicht so, nicht, wenn der Captain es selber nicht einmal mitbekam und nur tat, weil Wesker seine kranken Spielchen mit ihnen spielte.

Aber Piers musste sich nun konzentrieren, er musste aufpassen.

Seine Gedanken durften sich jetzt nicht um seinen eigenen möglichen Tod drehen, sondern darum, wie er eben diesen verhindern konnte, und wie es ihm gleichzeitig gelang, seinen Captain zu retten und wieder zu dem zu machen, der er wirklich war.

Falls das überhaupt möglich war.
 

Auch das war ein Gedanke, der die ganze Zeit über in Piers' Kopf herumspukte.

Was, wenn es sich hier um etwas anderes handelte als das Mittel, das Wesker für Jill genutzt hatte? Um etwas vollkommen anderes?

Chris trug ähnliche Sachen, wie er sie in der Bar in Edonia getragen hatte, als Piers ihn nach einem halben Jahr dort gefunden hatte.

Den gleichen dunklen Pullover, eine sehr ähnliche Hose, nur die Jacke fehlte.

So war schwer zu erkennen, ob sich irgendein Gegenstand an dem Körper des Mannes befand.

Bei Jill war es damals mehr als gut sichtbar gewesen, wie Chris ihm erzählt hatte.

Und es hatte sich bei dem Gerät auch um nichts all zu Großes gehandelt.

Chris steckte nicht in einem hautengen Anzug, bei dem irgendetwas offenlag.

Und Piers bezweifelte, dass sein Captain es im Kampf zulassen würde, dass er ihn in aller Ruhe abtastete.

Und was, wenn Wesker sich hier auch nicht auf irgendein Gerät verlassen hatte, sondern sich irgendein Mittel direkt in Chris' Körper befand und nicht so leicht zu entfernen war?

Und was, wenn man das Mittel zwar entfernen konnte, der Soldat dann aber einfach wieder tot zusammenbrach? Davor hatte der Jüngere am meisten Angst.
 

Doch musste sich nun zusammenreißen, so oder so.

Seine Gedanken schweiften immer weiter ab, und wenn er nicht aufpasste, wurde ihm das noch zum Verhängnis.

Aus irgendeinem Grund schien Chris noch immer zu warten, und das war vermutlich Piers' Glück.

Er schüttelte den Kopf, verfluchte sich innerlich selber und wich einige Schritte zurück.

Er selbst hatte nur eine Pistole dabei, und diese würde er nicht nutzen können.

Natürlich hätte er versuchen können, Wesker zu erwischen, aber dazu würde der junge Soldat sicherlich nicht kommen.

Nein, der Blonde würde sich aus dem Kampf raus halten, und das war für Piers auch besser so.

Ja, er wollte seine Rache, aber nun gab es erst einmal Wichtigeres.

Um Wesker konnte er, konnten sie, verbesserte er sich in Gedanken, sich auch später noch kümmern.

Nun zählte einzig und allein, den Kampf gegen Chris lange genug zu bestehen, und dieser griff nun auch endlich an.

Neue Hoffnung

Chris hatte sich entschieden anzugreifen, und Piers gelang es in letzter Sekunde, diesem Angriff auszuweichen.

Er selber wusste, dass der Captain schneller war als sein durch die Muskeln doch recht massiger Körper vermuten ließ.

Piers kannte Chris' Art, zu kämpfen, hatte beobachtet, wie der sich bewegte und angriff.

Aber niemals hätte er gedacht, dass ihm dieses Wissen jemals auf eine solche Art von Nutzen sein würde.

Eigentlich hatte er den Älteren nur so genau beobachtet, um von ihm lernen zu können, um sich einiges selber ab zu schauen und somit noch besser zu werden.

Nun aber musste er das Wissen nutzen, um es gegen seinen Liebsten anzuwenden, um ihn hin zu halten und zu bezwingen.

Leicht würde das trotz allem nicht werden, egal, wie gut er aufgepasst hatte.

Chris war noch immer der Stärkere, und ganz abgesehen davon war er Derjenige mit der Waffe.

Und als Piers' Blick erneut auf das Messer fiel, wünschte er sich fast, Chris wäre doch bei der Pistole geblieben.

Ein feuchter Schimmer lag auf der Waffe, vermutlich irgendein Gift.
 

Es war vermutlich nicht tödlich, Piers hatte ja mitbekommen, dass Wesker es langweilig gefunden hätte, wäre es zu schnell gegangen.

Somit würde das Zeug ihn vermutlich lähmen, langsamer machen, ihm Schmerzen zufügen.

Vielleicht war es ähnlich wie die Mittel, die man ihm im Labor der B.S.A.A. verabreicht hatte.

Oder es machte irgendetwas mit dem Virus.

Vielleicht wurde es dadurch unterdrückt... oder 'aktiviert'?

Wesker hätte es mit Sicherheit lustig gefunden, wäre Piers mutiert, hätte die Kontrolle verloren und seinen geliebten Captain in Stücke gerissen.

Nun musste er nur umso mehr aufpassen.

Bisher hatte Piers gedacht, er könnte es sich leisten, ab und an leicht von dem Messer erwischt zu werden, doch da hatte er sich ganz offenbar geirrt.

Auch wenn das Zeug auf der Klinge ihn nicht töten würde, irgendetwas Übles würde es anrichten, das stand außer Frage.

Und was auch immer es war, es würde sein Vorhaben erschweren, vielleicht sogar unmöglich machen.
 

"Chris..."?, murmelte der junge Soldat, als der Ältere ihn wieder angriff und versuchte, den Scharfschützen zu packen.

Chris selber hatte noch kein Wort gesagt, er wirkte an sich wirklich wie eine leere Hülle.

Und doch war da nach wie vor Leben in seinen Augen, regte sich da irgendetwas an Emotionen.

Der junge Soldat versuchte, sich unter dem Ausweichen ins Gedächtnis zu rufen, was genau ihm der Captain über den Vorfall mit Jill erzählt hatte.

So wie er sich erinnerte, hatte sie damals vollkommen unter Weskers Einfluss gestanden und keinerlei Erkennen und Reaktion gezeigt.

Aber sie war noch da gewesen, und Chris hatte sie erreichen können.

Aber offenbar handelte es sich hier doch um ein anderes Mittel als damals, und das war eigentlich auch kein Wunder.

Wesker war nicht dumm, er würde Chris mit nichts manipulieren, das Jahre zuvor schon versagt hatte.

Nein, entweder hatte er das alte Mittel verbessert oder etwas ganz Neues kreiert.

Und vielleicht, und dieser Gedanke versetzte Piers erneut einen heftigen Stich, war dieses Mittel auch verantwortlich dafür, dass Chris lebte.

Was, wenn es seine Wirkung verlor und der Soldat einfach tot umfiel?

Einmal hatte Piers ihn sterben sehen, ein weiteres Mal, vor allem in so kurzer Zeit, würde er das nicht ertragen.
 

Chris jedoch reagierte noch immer rein gar nicht auf Piers, es war, als würde er ihn nicht hören, als würde er nicht wahrnehmen, gegen wen er da kämpfte.

Und vermutlich war es auch genau so.

Immer wieder hieb er mit dem Messer nach dem Jüngeren, der im Moment noch nichts weiter tat, als den Angriffen auszuweichen und seinen Blick bei Gelegenheit über Chris' Körper wandern zu lassen.

Aber da er so nichts finden konnte, musste er versuchen, doch in die Offensive über zugehen.

Der Scharfschütze wartete einen weiteren Angriff ab, packte Chris' Hand und verdrehte sie so, dass der Ältere das Messer fallen lassen musste.

Wie erwartet war Chris schnell und hartnäckig, und beinahe hätte er es geschafft, Piers das Messer bei dessen Versuch in den Arm zu rammen.

Aber der Jüngere hatte Glück, und sein Vorhaben gelang.

In der Sekunde, in der Chris die Waffe fallen ließ und das Gesicht verzog, riss Piers ihn von den Füßen und versuchte, ihn auf dem Boden zu halten.

Er wusste, dass er das nicht lange schaffen würde, aber das wollte er auch nicht.

Das hier diente nur dazu, den Körper des Älteren abzutasten, um zu sehen, ob sich da nicht doch irgendein Gerät befand.
 

"Ich mache es dir gerne leichter, Piers. Du wirst nichts finden!"

Für einen Moment war der Scharfschütze von Weskers belustigter Stimme abgelenkt, und das nutzte nun wiederum Chris, der die Arme hob und Piers grob von sich stieß.

Erschrocken keuchte dieser auf, rollte sich ab und sprang wieder auf die Beine.

Und als er zu Chris blickte, hatte dieser sein Messer schon wieder aufgehoben.

Verdammt, war der Captain schnell, zu schnell für Piers' Geschmack.

Aber er glaubte den Worten des Blonden, glaubte ihm, dass er bei Chris kein Gerät verwendet hatte, dass das Mittel in seinen Körper leitete.

Und das machte die ganze Sache nicht unbedingt leichter.

Chris hatte es damals geschafft, Jill von dem Teil zu befreien, das sie mit dem Mittel versorgte, und dieses hatte an Wirkung verloren, sodass sie wieder zu sich gekommen war.

Aber wenn es kein Gerät gab, was sollte Piers dann tun?

Das Mittel, das Wesker dieses mal nutzte, schien nicht immer wieder aufs Neue verabreicht zu werden, es schien lange zu wirken.

Denn Piers bezweifelte, dass der Blonde das Risiko einging, dass Chris mitten im Kampf wieder zu Sinnen kam.

Er hatte sich offenbar große Mühe gegeben, Chris zu entführen, ihn unter seine Kontrolle zu bringen und dafür zu sorgen, dass Piers zu ihnen kam.

Jemand, der sich so viel Mühe gab, und der so genau arbeitete wie Wesker, wollte, dass sein Plan funktionierte.

Einer von ihnen sollte hier sterben, und es war ganz offensichtlich, dass Wesker Piers im Visier hatte.
 

Die Gedanken im Kopf des jungen Soldaten überschlugen sich.

Was auch immer das für ein Mittel war, das sich da in Chris ' Körper befand, er konnte es aus diesem nicht entfernen.

Und so konnte er nur versuchen, ihn irgendwie anders zu erreichen.

Aber was konnten Worte und Gefühle schon gegen irgendwelche Mittel ausrichten?

Das hier war kein Film, das war die Realität.

Natürlich gab es Fälle, in denen Bewusstlose Worte aufnahmen und irgendwie unbewusst verstanden, aber das war etwas anderes.

Der Captain war ja nicht einfach bewusstlos, er stand unter dem Einfluss irgendeiner... Droge, wenn man es so nennen wollte.

Und gegen Drogen halfen Worte bekanntlich wenig.

Aber vielleicht wirkte das Mittel nicht ewig, vielleicht ging Wesker davon aus, dass der Kampf bald vorbei war.

Wenn Piers es also schaffte, eine lange Zeit durchzuhalten, konnte er die Wirkung dieser Droge vielleicht ausklingen lassen.

Und möglicherweise gelang es ihm dann, seinen Liebsten zu erreichen und wieder zur Vernunft zu bringen.
 

Aber das alles war leichter gesagt als getan.

Chris griff immer wieder an, mit dem Messer und mit bloßen Fäusten.

Und Piers selber konnte nach wie vor nichts weiter tun, als diesen Angriffen irgendwie auszuweichen.

Ab und an verpasste er dem Älteren einen Hieb in den Magen, gegen den Arm, ins Gesicht, aber er landete keinen Treffer, der Chris hätte ausschalten können.

Er hatte überlegt, zu versuchen, seinen Liebsten einfach außer Gefecht zu setzen, aber vermutlich würde sich dann Wesker in den Kampf einmischen, und damit war auch nichts gewonnen.

Aber würde er das nicht auch tun, wenn die Wirkung des Mittels tatsächlich nachließ?

Piers wurde klar, dass er nur verlieren konnte, ganz gleich, was er auch tat.

Egal, wie das mit Chris endete, da war immer noch Albert Wesker, der sicherlich nicht einfach gehen würde, wenn er merkte, dass sein Plan nicht aufging.

Und wenn Piers Chris gewähren ließ?

Wenn er sich bereitwillig von diesem töten ließ?

Nein, das brachte sie auch nicht weiter.

Dann starb er eben selber, und Wesker würde den Captain wieder mitnehmen und am Ende noch auf die Anderen loslassen.

Piers musste einsehen, dass er es schlicht und ergreifend vermasselt hatte.

Hätte er doch nur auf Barry und Rebecca gewartet.

Gemeinsam hätten sie vielleicht eine Chance gehabt.

Sie hätten Wesker vermutlich nicht töten können, aber es wäre ihnen eventuell gelungen, Chris aus dessen Fängen zu befreien.
 

Aber wie hätte Piers auch ahnen sollen, dass der Blonde seinen Liebsten mitgebracht hatte?

Sie hatten Chris für tot gehalten, keiner hätte so etwas jemals erwartet, ganz gleich, was sie Albert Wesker auch alles zutrauten.

Und ganz abgesehen davon war der junge Soldat so in Rage gewesen, dass er einfach nicht hatte klar denken können.

Kaum dass er die Nachricht gelesen und festgestellt hatte, dass Barry und Rebecca noch unterwegs waren, hatte er sich eine der Waffen geschnappt und sich auf den Weg gemacht.

Einzig und allein der Gedanke an Rache hatte sich in seinem Kopf befunden, und von diesem Gedanken hatte er sich leiten lassen.

Ein Fehler, wie er sich nun eingestehen musste, aber für diese Erkenntnis war es zu spät.

Piers hatte versagt, und nun würde er wohl sterben, und Chris hatte er endgültig in dessen Verderben geführt.

Niemals würde der ihm die Schuld an alledem geben, das wusste Piers.

Viel eher hätte der Captain sich selber Vorwürfe gemacht.

Aber auch der konnte doch nichts dafür. Ganz im Gegenteil.

Chris sich Wesker entgegen gestellt, als der in der Nacht in das Motelzimmer eingedrungen war.

Er hatte Piers beschützt und es auf sich genommen, vergiftet und getötet zu werden.

Für ihn hatte nur gezählt, dass sein Scharfschütze in Sicherheit war.

Genau so wie Piers sich zuvor in China bereitwillig geopfert hatte, damit sein Captain entkommen konnte.

Und nun war Chris' Opfer vollkommen umsonst gewesen, Piers hatte alles ruiniert.

Chris hatte sich vermutlich darauf verlassen, dass Piers wie immer der Vernünftigere war, und dass er die Sache mit Verstand angehen würde.

Auf der anderen Seite wusste Chris doch, wie sehr Piers ihn liebte, wie sehr sein Tod ihn mitnehmen würde...
 

"Verzeih mir, Chris...", murmelte Piers nun, als er wieder einigen Angriffen ausgewichen war und plötzlich eine Hauswand im Rücken spürte.

Er war durch all diese wirren Gedanken gar nicht ganz bei der Sache und hatte nicht einmal gemerkt, wie sein Captain ihn immer weiter in die Ecke gedrängt hatte.

Er wollte nicht aufgeben, er durfte nicht aufgeben.

Aber er hatte auch keine wirkliche Hoffnung mehr, hier noch irgendetwas zu erreichen.

Chris schien die Worte auch gar nicht zu registrieren, sondern holte einfach mit dem Messer aus und wollte es dem jungen Soldaten in die Brust rammen, um diesen Kampf ein für allemal zu beenden.

"Chris!"

Für den Bruchteil einer Sekunde hielt der Soldat nun doch inne, und in seinem Blick änderte sich etwas.

das Erkennen wurde deutlicher, Hass und Wut schienen zu verfliegen.

Dieses kleine Zeichen genügte Piers, auch wenn der Moment so schnell wieder vorbei war.

Er packte Chris' Hand, die sich nun wieder in Bewegung gesetzt hatte, und versuchte, den Älteren von seinem Angriff abzuhalten.

Aber er schaffte es nicht mehr, er war noch zu schwach.

Zu viel war in den letzten zwei Wochen geschehen, zu viel, das an seinen Kräften gezehrt hatte.

Bisher hatte er sich in diesem Kampf gut geschlagen, aber nun war Piers' Grenze erreicht.

Langsam aber sicher näherte sich die giftige Klinge seiner Brust, und Piers spürte, wie sie sein Oberteil durchdrang und seine Haut berührte.
 

Es war aus, er konnte einfach nicht mehr.

Dieser Angriff würde sitzen, und er würde Piers kampfunfähig machen.

Selbst wenn er diese Verletzung überlebte, würde er zu viel Blut verlieren, um noch weiter kämpfen zu können, und das Gift würde sein Übriges tun.

Ein letztes Mal versuchte der junge Soldat, Chris' Hand zurück zu drücken, doch der Ältere hatte viel mehr Kraft und stand nun auch wieder vollkommen unter dem Einfluss des Mittels.

Und so dauerte es nur noch wenige Sekunden, bis der stechende Schmerz kam und die Klinge des Messers Piers' Brust in Herzhöhe durchbohrte.

Der Scharfschütze keuchte auf, die Hände, die die des Älteren noch immer hielten, zitterten, und Blut tränkte sein Oberteil und rann in einem dünnen Rinnsal über seine Lippe und sein Kinn.

Piers' Blick flackerte, und er spürte, wie seine Beine nachgaben.

Reflexartig hielt er sich an Chris fest und blickte diesem ein letztes Mal in die Augen.

Und als er diese sah, huschte ein Lächeln über seine zitternden Lippen.

Entsetzen hatte sich in Chris' Blick gemischt, Entsetzen und eine deutliche Ungläubigkeit, Verwirrung, Angst...

Er hatte es geschafft, Chris war wieder er selbst.

Und er würde sich nun kaum einfach wieder von Wesker mitnehmen lassen, das stand außer Frage.

"Chris, mach... mach ihn fertig...", nuschelte der Jüngere, und das Blutrinnsal, das aus seinem Mund kam, wurde breiter, seine Beine knickten einfach ein, und Piers sackte endgültig in sich zusammen.
 

"Piers.. Piers!"

Entsetzt starrte Chris den jungen Mann an, den er nun erschrocken auffing, und mit dem er langsam zu Boden sank.

Wie hatte er das nur tun können?

Wie hatte er den Mann, den er über alles liebte, so eiskalt abstechen können?

Chris erinnerte sich an jede Sekunde des Kampfes, er hatte alles mitbekommen, ohne selber Herr seiner Taten gewesen zu sein.

Ein dicker Kloß machte sich in seinem Hals breit, und es fiel Chris schwer, die aufkommenden Tränen zu verdrängen, als er in das bleiche Gesicht des jungen Soldaten blickte.

Piers hatte die Augen geschlossen und regte sich nicht mehr, aber noch war er am Leben.

Und vielleicht...

Chris' Blick fiel auf das Messer, aber er zögerte und entschied, es in der Wunde stecken zu lassen.

Da war zwar noch immer das Gift, aber das hatte Piers nun ohnehin schon im Körper.

Und wenn er die Klinge raus zog, verblutete der Scharfschütze in Sekundenschnelle.

Vorsichtig drehte der Captain seinen Liebsten nun auf die Seite, damit dieser nicht an seinem Blut erstickte, und hauchte ihm einen sanften Kuss auf die Stirn.

Dann erhob er sich, und ein leises Knurren kam über seine Lippen, als er mit einem Mal schallendes Gelächter vernahm.

Ruckartig drehte der Soldat sich zu Wesker um, und dessen Lachen verstummte schlagartig , als er die Augen des Jüngeren bemerkte.

Ein rötlicher Schimmer lag in ihnen, und es fühlte sich an, als würde Chris' Blick ihn durchbohren können.
 

Natürlich hatte Wesker den Soldaten infiziert, wie sonst hätte er ihn ins Leben zurück holen sollen?

Aber es war nur eine geringe Dosis des C-Virus gewesen, eine, die sich gar nicht so stark hätte auswirken dürfen, eine, die gerade einmal hatte ausreichen sollen, um Chris' Herz wieder zum Schlagen zu bringen.

Dann hatte er, wie Piers es vermutet hatte, das Mittel, das er einst für Jill genutzt hatte, vollkommen neu entwickelt, sodass eine Dosis alle paar Stunden ausreichte.

Sein Zeitplan war offenbar nicht ganz aufgegangen, und scheinbar war auch an dieser ganzen Gefühlssache irgendetwas dran.

Aber das alles spielte keine Rolle.

Piers würde sterben, und mit Chris hier wurde Wesker doch locker fertig, der kommende Kampf würde eine Frage von Sekunden sein, da war er sich vollkommen sicher.

Diese kleine Virusmenge würde nicht ausreichen, Chris stark genug zu machen, und auch die Wut und die Trauer würden niemals ausreichen.

Wesker selber hatte mehr als ein Virus im Körper, und er hatte jahrelange Erfahrung im Umgang mit diesen.

Chris würde sich nun sein eigenes Grab schaufeln, aber vermutlich wollte er genau das.

Er hatte seinen Liebsten verloren, hatte ihn selber umgebracht.

Natürlich wollte er ihm nun folgen, und Wesker würde ihm seinen Wunsch dieses Mal nur zu gerne erfüllen.

Er hatte lange genug mit Chris gespielt, und gebracht hatte ihm das reichlich wenig.

Damit war nun Schluss.

Das Virus erwacht

Wesker wirkte so selbstsicher und arrogant wie eh und je. Es schien so, als würde er Chris nicht einmal in diesem Zustand ernst nehmen.

Aber so ganz stimmte das nicht, der Blonde nahm seinen Gegner ernst.

Chris war infiziert, genau wie er selber. Und auch, wenn der Jüngere das Virus nicht so zu nutzen wusste wie er selber und die Dosis eine sehr geringe war, wollte er dessen Kraft nicht unterschätzen.

In einem Bericht der B.S.A.A. hatte er gelesen, was vor einiger Zeit wirklich in China geschehen war, wie Piers Haos vernichtet hatte, wie die ganze Anlage, die so tief im Meer gelegen hatte, in die Luft geflogen war.

Und der junge Soldat hatte überlebt, das Virus hatte ihn gerettet.

Dieses C-Virus war mächtiger als Wesker angenommen hatte, und er selber verfügte noch nicht darüber.

Er hatte Chris infiziert und war sicher gewesen, dass alles nach Plan laufen würde, aber leider hatte er sich geirrt.

Dieser verdammte Redfield war seiner Kontrolle tatsächlich in letzter Sekunde entkommen, und das auch noch wegen dieser schnulzigen Liebe zu seinem Scharfschützen. Das war ja wirklich wie in einem billigen Film gewesen.

Und Wesker ärgerte das alles maßlos, auch wenn er sich das nicht anmerken ließ.

Chris sollte nicht denken, er hätte die Oberhand und seinen ehemaligen Captain verunsichert.
 

Und das dachte Chris auch nicht, nicht im Geringsten.

Auf ihn wirkte der Blonde tatsächlich so, als würde ihn das alles überhaupt nicht interessieren.

Ja, er wirkte sogar beinahe so, als hätte er mit einem solchen Verlauf gerechnet.

Sicherlich gefiel es ihm, dass Chris am Ende doch noch wieder er selbst geworden war und Piers nun so leiden sehen musste, mit dem Wissen, dass er selber daran schuld war.

Verdammt, dieser Wesker machte ihn immer wahnsinniger, der Hass wuchs immer weiter an.

Er war zu weit gegangen, und das schon so oft.

Aber das hier brachte das Fass wirklich zum Überlaufen.

Die Sache mit Jill hatte Chris damals schon so fertig gemacht. Erst hatte er gedacht, sie wäre tot, und dann hatte sie überlebt und unter Weskers Kontrolle gestanden. Er hatte gegen seine Partnerin und Freundin kämpfen müssen.

Damals allerdings war er selber bei klarem Verstand gewesen, und Jill hatte es nicht geschafft, ihm wirklich etwas anzutun.

Alles war gut ausgegangen.

Aber nun?

Nun war er Derjenige gewesen, der unter Weskers Kontrolle gestanden hatte.

Und im Gegensatz zu Jill hatte er jemanden ernsthaft verletzt.

Nicht nur irgendwen, sondern seinen Freund. Den Menschen, der ihm am wichtigsten war, und für den er immer hatte da sein wollen.

So oft hatte Chris sich vorgenommen, sich bei Piers zu revanchieren für das, was dieser in Edonia und China für ihn getan hatte.

Doch stattdessen trieb er den Jüngeren hier noch eigenhändig in den Tod.

Er hätte sich wirklich einfach zur Ruhe setzen sollen, nichts mehr anrühren, das irgendwie mit der B.S.A.A. zu tun hatte und Wesker Wesker sein lassen.

Er packte das alles einfach nicht mehr.

Nach allem, was in den letzten Jahren geschehen war, wurde es Chris schlicht und ergreifend zu viel.
 

Das war auch der eigentliche Grund gewesen, aus dem er entschieden hatte, die Waffe niederzulegen und Piers seinen Posten als Captain anzuvertrauen.

Der Junge hatte das Zeug dazu, mehr als das.

Und er selber brauchte einfach Ruhe und Abstand, seine Psyche brauchte das vor allem.

Besonders Edonia und China hatten ihm gezeigt, wie nah ihm das alles ging. Zu nah.

Er ließ sich zu sehr von seinen Emotionen einnehmen und konnte dann nicht mehr wirklich klar denken.

Hätte er damals von Anfang an auf Piers gehört... hätte er den mutierten Finn sofort angegriffen oder wäre geflohen...

Und auch in China...

Piers hatte Recht gehabt, sie hätten einige der Tode verhindern können. Vielleicht nicht alle, aber einige.

Aber er hatte versagt, und er hatte es selber viel zu spät begriffen.

Und schließlich war es Piers gewesen, der Chris' Fehler wieder hatte gutmachen müssen.

Ja, er lebte, irgendwie war das noch einmal gut ausgegangen, aber zunächst hatte es anders ausgesehen.

Piers war für tot erklärt worden, und Chris hatte einem leeren Grab sein Herz ausgeschüttet, seinen Vorwürfen und seinem Schmerz Luft gemacht.

Und erst da hatte er so richtig begriffen, was er da wirklich alles angerichtet hatte.

Und dennoch hatte er weiter machen müssen, um Piers' Willen hatte er stark sein müssen.
 

Und diese Stärke war es, die ihn auch jetzt oben hielt.

Dieses Wissen, dass Piers nicht wollen würde, dass er aufgab und in Selbstmitleid versank.

Nicht noch einmal.

Dieses Mal würde er dagegen ankämpfen.

Er würde stark bleiben, Wesker vernichten, ihn zumindest vertreiben, und dann würde er sich um Piers kümmern.

Denn dieser würde hier nicht sterben, das ließ Chris nicht zu.

der junge Soldat war stur und zäh, und zudem war er noch immer infiziert, auch wenn das Gift an dem Messer das Virus einzudämmen schien.

Trotzdem würde Piers kämpfen und den Tod erneut bezwingen. Das hatte er bisher immer geschafft, und das würde er auch jetzt tun. Das musste er einfach.

Sie würden hier beide lebend raus kommen, und dann würde dieser ganze Mist ein Ende finden. Ein gutes Ende. Daran glaubte Chris. Daran musste er glauben, um seine Kraft zu behalten.
 

"Was ist? Bist du im Stehen eingeschlafen, Chris~?"

Das leise Lachen und die gehässigen Worte des Blonden rissen den Soldaten aus seinen Gedanken.

Er musste sich jetzt auf diesen Kampf konzentrieren, das war das Wichtigste. Alles andere hatte Zeit, alles andere kam danach. Danach würde er genug Ruhe haben, um über all diese Dinge nachzudenken. Und das mit der B.S.A.A. hatte sich vermutlich ohnehin erledigt, wenn auch leider ebenfalls für Piers.

Andererseits...

Sie wussten noch immer nicht, was wirklich passiert war, ob nicht doch Wesker dahinter steckte. Oder noch jemand anders.

Aber der Blonde würde diese Frage kaum beantworten, wenn er sie nun stellte, das war Chris durchaus klar.

Und auch wenn sie es zu diesem Zeitpunkt nicht wussten und ohnehin kaum geglaubt hätten: Er konnte diese Frage nicht einmal beantworten.
 

"Nein, keine Sorge, Wesker. Ich bin voll und ganz da", erwiderte Chris mit einem leisen Knurren und riss sich nun endlich zusammen.

Keine Ablenkungen mehr, kein Abschweifen, nichts...

Er musste sich nun vollkommen darauf konzentrieren, Wesker los zu werden.

Chris glaubte nicht, dass er diesen würde töten können, so sehr überschätzte er sich nicht.

Er wusste, dass Wesker die Viren in seinem Blut beherrschte, und auch, dass der Blonde mindestens ebenso gut trainiert war wie er selber.

Im Moment war er vermutlich noch besser in Form als Chris.

Denn der war zuvor tot gewesen und nur durch das Virus wieder am Leben.

Ein Virus, das er selber in keinster Weise im Griff hatte, und von dem er nicht wusste, ob es nicht doch irgendwann die Oberhand gewann und ihn mutieren ließ.

Der Soldat musste Wesker einfach nur los werden, ihn vertreiben, irgendwie.

Er hatte nicht unendlich viel Zeit, Piers schwebte in Lebensgefahr. Und das nicht zum ersten Mal, und vor allem wieder, weil er, Chris, nicht gut genug aufgepasst hatte.

Als er zugelassen hatte, dass Wesker ihn vergiftete und tötete, hatte er gedacht, Piers wäre dann sicher.

Aber ihm hätte klar sein müssen, dass dieser Wesker suchen würde, sobald ihm klar wurde, dass er dahinter steckte.

Und ebenso hätte er wissen müssen, dass Wesker sich nicht einfach damit zufrieden gab, ihn getötet zu haben.

Nein, Wesker hatte Blut geleckt und wollte Chris nicht mehr einfach töten, sondern ihn leiden sehen.

Und das war etwas, das er gerade verdammt gut schaffte, etwas, das ihm immer und immer wieder gelang.

Es war leicht, Chris seelische Schmerzen zuzufügen, vermutlich leichter, als ihn umzubringen.

Der Soldat nahm sich vieles zu sehr zu Herzen, setzte sich immer für andere ein und machte sich enorm schnell Vorwürfe. Gerade die jüngsten Ereignisse hatten das gezeigt. Sie hatten ihn beinahe endgültig gebrochen.

Und Wesker schien das begriffen zu haben. Ihm schien klar zu sein, dass er Chris immer einen Schritt voraus sein würde, auch wenn dieser ihm immer und immer wieder entkam.

Aber selbst wenn Chris ihn nun vertrieb, würde sich daran nichts ändern.

Wesker würde ihm irgendwann erneut gegenüberstehen. Und er würde wieder einen Weg finden, ihm zu schaden, ihn irgendwann ganz zu brechen.

Es gab zu viele Menschen, die Chris wichtig waren, und nun gab es einen, der ihm so viel bedeutete, wie bisher nur seine eigene Schwester.

Kurz hatte Chris darüber nachgedacht, ob es für Piers sicherer war, wenn er sich von ihm fernhielt, aber diese Idee hatte er schnell wieder verworfen.

Das hätte überhaupt nichts gebracht und alles eher nur noch schlimmer gemacht.

Nein, er musste einfach stark bleiben, musste immer daran denken, dass er nicht alleine war, und dass er alles ertragen konnte, wenn es sein musste.
 

"Sicher, dass du nicht eingeschlafen bist, Chris?"

Verdammt, er hatte sich doch wieder ablenken lassen.

Dabei hatte Chris sich doch vorgenommen, sich nun voll und ganz auf diesen Kampf zu konzentrieren.

Er schauderte, als ihm bewusst wurde, wie oft Wesker ihn in der Zeit schon einfach hätte angreifen und töten können.

Aber der Blonde schien das hier regelrecht zu genießen und hatte offenbar gar kein Interesse daran, es all zu bald enden zu lassen.

Er wollte Chris noch nicht von seinem Leiden erlösen.

'Na warte, deine Überheblichkeit wird dir schon noch vergehen', dachte der Soldat verbittert, und er entschied sich, die Sache nun ein für allemal zu beenden.

Für Piers, und für all die anderen Menschen, die wegen Wesker leiden mussten.

Und auch für sich selber, um endlich Frieden mit sich schließen zu können, um endlich in der Lage zu sein, mit diesem Kapitel abzuschließen.

Und so stürmte er los, die Augen wieder rot, den Mund fast zu einer Grimasse verzerrt.

Noch einmal würde Wesker ihn nicht hereinlegen, noch einmal würde er nicht mit dem Leben davon kommen.

Damit war nun Schluss, heute würde es enden.
 

Aber Chris schien in diesem Zustand selber einfach nur überheblich zu sein und gar nicht mehr richtig nach zu denken.

Er war einfach los gestürmt und hatte sich auf Wesker stürzen wollen, der diesem Angriff jedoch seelenruhig auswich.

Meinte Chris das etwa ernst?

War das alles, was er aus dem Virus herausholen konnte? Einfach nur lächerlich.

Mit einem müden Seufzen fing der Blonde Chris' nächsten Angriff ab, indem er einfach den Arm ausstreckte und den Jüngeren in seine geballte Faust rennen ließ.

Ein Ächzen kam über Chris' Lippen, und seine Augen verdrehten sich nach innen.

Für einen kurzen Moment sah es so aus, als wäre das der kürzeste Kampf seines Lebens gewesen, doch da schlug das Virus in seinem Blut endlich zu.

Wesker spürte schon, wie der Körper des Jüngeren an Spannung verlor und in sich zusammensacken wollte, als mit einem Mal die Kraft in diesen zurück kehrte.

Ein Knurren war zu hören, Chris hob den Blick und packte Weskers Arm, dessen Faust noch immer seinen Brustkorb berührte, gegen den er geschlagen hatte.

"Was zum...?", begann der Blonde, doch weiter kam er schon gar nicht mehr.

Ehe er es sich versah, lag er auf dem Boden, Chris wie ein tollwütiges Tier über sich.

Das Grinsen des Brünetten konnte einem das Blut in den Adern gefrieren lassen, und in dem Moment war es vermutlich gut, dass Piers bewusstlos war und das nicht mit ansehen musste.

Sein Captain war zwar nicht mutiert, dennoch hatte das Virus eine Art Monster aus ihm gemacht.
 

Auch Wesker schien langsam zu begreifen, dass sein Plan vollkommen nach hinten losgegangen war, denn das Grinsen gefror ihm, und für einen Moment machte sich so etwas wie Angst in seinem Blick breit.

Dann aber schien der Blonde sich wieder daran zu erinnern, wer er war, und dass Chris trotz all seiner Kraft keine Ahnung hatte, wie er das Virus nutzen musste.

Nein, dieses benutzte ihn.

Und verdammt, eigentlich war das noch viel schlimmer, denn so war der B.S.A.A.-Captain vollkommen unberechenbar und konnte sogar Wesker gefährlich werden.

Denn der spürte deutlich, wie mächtig das Virus in Chris war, trotz der geringen Dosis, und auch, wie viel Kraft dessen Körper aufbrachte.

Er selber versuchte schon mit Leibeskräften, den Jüngeren von sich zu drücken, aber dieser zuckte dabei nicht einmal mit der Wimper.

"Das ist dein Ende, Wesker", säuselte er stattdessen nur, und die Stimme schien überhaupt nicht mehr die von Chris zu sein, es wirkte, als hätte das Virus eine vollkommen eigene Persönlichkeit entwickelt.

Und trotz seiner misslichen Lage musste Wesker zugeben, dass das außerordentlich interessant war.

Er war und blieb eben Wissenschaftler und konnte nicht einmal im Angesicht des beinahe sicheren Todes aus seiner Haut heraus.

Aber nein, sterben würde er nicht. Nicht hier und heute, das konnte Chris vergessen.

Wieder stemmte er sich gegen diesen, doch statt endlich abzulassen, holte der Soldat mit einer Hand aus und schlug seinem ehemaligen Captain mit voller Wucht ins Gesicht.

Wesker hörte, wie das Glas seiner Sonnenbrille brach und sich die Splitter in seine Haut und sein linkes Auge bohrten.

Wenn er nicht aufpasste, dann...
 

"Langsam reicht es mir wirklich!", knurrte nun der Blonde, spannte seinen Körper an und schaffte es endlich, Chris kraftvoll von sich zu stoßen.

Zwar kam der Jüngere sofort wieder auf die Beine, aber auch Wesker hatte sich im selben Moment erhoben.

Blut quoll aus seinem linken Auge und rann über seine Wange, um dann von seinem Kinn auf den Boden zu tropfen.

Das rechte Auge glühte wieder in dem typischen feuerähnlichen Farbton, den der Viruscocktail in seinem Blut ihm verlieh.

Es wäre doch gelacht gewesen, wenn Chris ihn nun wirklich vernichtete.

Geschlagen von seinem eigenen Experiment, das kam überhaupt nicht in Frage, das wäre mehr als erbärmlich gewesen.

Aber das würde auch nicht passieren, da war sich der Blonde nun sicher.

Denn auch, wenn der Jüngere verdammt stark war, er hatte alles von dieser Stärke wenige Sekunden zuvor gezeigt.

Eine unglaubliche Kraft, aber begrenzt.

Und sein Körper war schwach durch den Tod zuvor, das Virus neu.

Wesker war ihm überlegen, und er würde all seine Vorteile nutzen, um Chris dadurch auszuschalten.

Eigentlich hatte er ihn hier und jetzt nicht töten wollen, aber ihm blieb vermutlich gar keine andere Wahl, wenn er selber lebend davon kommen wollte.

Und vielleicht konnte er seinen toten Körper ja noch einmal nutzen.

Und dabei konnte er Piers ja auch gleich mitnehmen. Vielleicht sogar in lebendigem Zustand. Lange hielt der allerdings sicher nicht mehr durch.

Nun, möglicherweise konnte Wesker ja doch ein kleines Spiel aus der Sache machen und versuchen, es zu schaffen, Chris zu töten, bevor Piers seinen letzten Atemzug tat.

Gegen die Zeit

Aus Weskers Plan, Chris in einer bestimmten Zeit zu besiegen, schien nicht sonderlich viel zu werden.

Auch, wenn er nach wie vor sicher war, selber keine Niederlage zu erleiden, musste er doch zugeben, dass der Jüngere stärker und vor allem ausdauernder war, als er erwartet hatte.

Chris hatte wider alle Erwartungen doch noch nicht sein gesamtes Potenzial gezeigt, und selbst jetzt, nach mehr als 15 Minuten, schien er noch kein bisschen außer Atem zu sein.

Natürlich war auch Wesker noch gut in Form, aber er hatte doch schon etwas nachgelassen.

Virus hin oder her, der Blutverlust und der Schmerz in seinem Auge machten auch ihm zu schaffen, ebenso wie das dadurch deutlich eingeschränkte Blickfeld.

Es würde heilen, er würde wieder sehen können, aber das konnte noch eine ganze Weile dauern.

Und egal wie schnell er auch war, den ein oder anderen Hieb seitens Chris hatte er kassieren müssen.

Doch zum Glück war auch dieser in der letzten Viertelstunde nicht ganz unverletzt geblieben, auch er war mehrmals von dem Blonden getroffen worden.

Allerdings schien Chris das nicht einmal richtig zu bemerken.

Es war, als hätte sich sein eigentliches Bewusstsein vollkommen ausgeschaltet, und als würden weder sein Geist, noch sein Körper noch irgendetwas von dem mitbekommen, was hier geschah.

Das war verdammt schlecht, denn so konnte Wesker nicht darauf hoffen, seinen Kontrahenten irgendwie ablenken zu können, zum Beispiel mit Piers, der immer noch in einigen Metern Entfernung auf dem Boden lag.

Nein, nicht einmal für den würde sich Chris in diesem Zustand interessieren, und so blieb Wesker nichts, als das hier einzig und allein über die Stärke zu regeln.

Irgendwann würde Chris' Körper schwächeln, und er selber musste einfach nur ein paar Sekunden länger durchhalten.
 

Aber auch Chris hatte nicht vor, diesen Kampf zu verlieren, und es war in der Tat so, dass er sich voll und ganz dem neuen Virus in seinem Blut hingegeben hatte.

Anfangs hatte er versucht, es unter Kontrolle zu halten, es für seine Zwecke zu nutzen, doch sein Hass und seine Sorge, seine Verzweiflung... das alles hatte ihn schwach gemacht und dem Virus Nahrung geboten, genug, um die Kontrolle zu übernehmen.

Für diesen Kampf war das gut, es erhöhte Chris' Chancen, doch für alles, was danach kam, würde es verhängnisvoll sein, wenn es ihm nicht gelang, irgendwie wieder zu sich zu kommen.

Und nun war kein Piers da, der versuchen konnte, ihn zu erreichen und ihn wieder zur Vernunft zu bringen, nun blieb nur zu hoffen, dass die negativen Gefühle irgendwann soweit zurück gingen, dass Chris' Verstand wieder zum Vorschein kam und gegen das Virus angehen konnte.

Denn sonst würde er nicht nur Wesker vernichten, sondern anschließend auch Piers, und dann würde er auf alles los gehen, das sich bewegte, so lange, bis man seinem Leben erneut ein Ende setzte. Und das konnte dauern, so hartnäckig wie er gerade war.

Schmerzen spürte er in der Tat keine, und sein Körper schien so voller Adrenalin zu sein, dass er auch keine Schwäche empfinden konnte.

Wesker hatte ihn gut erwischt, nicht nur mit seinem ersten Schlag gegen seine Brust, der ihm schon zwei Rippen gebrochen hatte.

Ein weiterer Schlag war gegen seinen Hals gerichtet gewesen und hatte dort deutliche Spuren hinterlassen, seine Lunge vermutlich ein wenig gequetscht.

Dann ein Schlag gegen seinen rechten Arm, der durch diesen hätte brechen müssen. Aber selbst wenn das passiert war, schien Chris davon überhaupt nichts zu merken.

Wäre das Virus in diesem Moment aus seinem Körper verschwunden und hätte sich in Rauch aufgelöst, wäre Chris vermutlich augenblicklich tot umgefallen.

So aber sah man ihm nicht einmal ansatzweise an, dass der Blonde ihn überhaupt schon einmal getroffen hatte.

Etwas, das diesem in keinster Weise in den Kram passte.
 

Wesker hatte eigentlich Besseres zu tun, als sich den lieben langen Tag mit Chris herum zu schlagen.

Er würde diesen Kampf irgendwann gewinnen, über Kurz oder Lang wäre es sein Körper, der mehr Energie aufwies.

Chris spürte zwar nichts, aber er war auch nicht zur Maschine geworden. Er war sterblich, und er würde nach einer Weile zusammenklappen.

Aber Wesker wollte nicht ewig hier warten und dieses sinnlose... Gekloppe fortführen.

Für gewöhnlich hätte es ihm Spaß gemacht, Chris so lange zu bekämpfen, bis einer von ihnen zusammenbrach, doch das brachte nur etwas, wenn sein Gegner auch wirklich Chris war, wenn auch wirklich Chris es war, der verlor, und wenn dieser seine Niederlage mitbekam.

So kämpfte der Blonde gegen eine leere Hülle, der es vollkommen gleichgültig war, wenn sie verlor. Dann würde sie einfach umfallen, und damit hatte es sich dann.

Nein, so brachte das einfach nichts, so machte es ihm selber auch keinen Spaß.

Dieser Kampf würde fortgesetzt werden, Wesker würde nicht darauf verzichten.

Aber jetzt war es besser, wenn er sich erst einmal zurück zog und sich um seine eigenen Wunden kümmerte.

Aber er wollte gerne wenigstens Piers mitnehmen, nicht ganz mit leeren Händen gehen.

Allerdings bezweifelte er, dass Chris das so einfach zulassen würde.

Nicht, weil diesem gerade etwas an seinem Liebsten lag und er ihn beschützen wollte, sondern schlicht und ergreifend deshalb, weil Chris durch das Virus nichts anderes als Kämpfen im Sinn hatte.

Es war vermutlich so schon schwer genug, hier weg zu kommen.

Andererseits...
 

Ein Grinsen huschte über Weskers Lippen, und erneut wich er einem Angriff des Jüngeren geschickt aus, fuhr herum und versuchte seinerseits, Chris zu packen, was natürlich auch nicht gelang.

Doch das alles war jetzt nur noch ein Spiel, es diente nur zur Ablenkung, um den eigentlichen Plan im Kopf zu perfektionieren.

Wenn er floh, folgte Chris ihm, das stand außer Frage.

Der Kerl wollte kämpfen, er hatte Blut geleckt.

So konnte Wesker ihn von Piers weg locken und versuchen, Chris währenddessen abzuhängen.

Wenn er das geschafft hatte, kehrte er zurück und schnappte sich den Scharfschützen, bevor Chris es bemerkte.

Dann verschwand Wesker, und ihm konnte egal sein, was Chris danach mit den anderen Menschen anstellte.

Ja, dieser Plan konnte nur funktionieren.

Und so machte sich der Blonde auch gleich daran, ihn in die Tat umzusetzen.

Er wich noch einmal aus, dann fuhr er herum und trat die Flucht an.

Doch erneut hatte Wesker den Soldaten unterschätzt, denn dieser war schneller als er erwartet hatte, und egal, wie verletzt er eigentlich auch war, sein Körper funktionierte noch immer perfekt.

Schon nach einem einzelnen kurzen Atemzug hatte Chris seinem ehemaligen Captain den Weg abgeschnitten, war nun sogar vor ihm und holte mit der flachen Hand aus.
 

Die nächsten Sekunden spielten sich wie in Zeitlupe in Weskers Kopf ab.

Für einen kurzen Moment hatte er wieder die Szene vor Augen, wie er bei Spencer stand, den Blick auf den alten, knochigen Mann gerichtet. Dann war seine Hand vorgeschnellt, und er hatte sie durch den mageren Brustkorb gerammt.

Und genau das schien Chris jetzt auch bei ihm vorzuhaben. Und wenn er das schaffte, dann war es aus.

Wieder einmal musste Wesker sich eingestehen, dass er sich geirrt und Chris unterschätzt hatte. Und wieder einmal brachte ihn das an den Rand des Todes, dieses Mal vielleicht sogar über diesen hinaus.

Aber was sollte er tun? Er konnte nicht mehr ausweichen, es war zu spät.

Erstaunlich, wie viele Gedanken man innerhalb weniger Sekunden haben konnte.

Und dann war er auch schon da, der Schmerz, der wie ein Blitz durch seinen Körper fuhr...

Nein, er blieb aus, da war überhaupt nichts.

Wesker schlug das rechte Auge auf, das er für einen Moment geschlossen hatte, und er blinzelte leicht, als er sah, dass Chris regungslos vor ihm stand.

Seine Fingerspitzen berührten Weskers Hemd nur hauchzart, und ein Zittern ging durch den Arm, an dem diese Hand hing.

Wesker ließ den Blick weiter wandern und sah, dass sich dieses leichte Zittern durch den gesamten muskulösen Körper seines Erzfeindes zog.

Es war, wie der Ältere es sich schon die ganze Zeit über gedacht hatte.

Auch, wenn Chris an sich nichts spürte, galt das nicht für seinen Körper.

Es war der eines Menschen, und ein Mensch hatte seine Grenzen.

Natürlich galt das auch für den Blonden, aber der wusste im Gegensatz zu Chris, wie man das Virus nicht nur zum Draufhauen nutzte, sondern auch, um sich zu heilen und wieder Kraft zu tanken.

Und das war etwas, das das Virus bei Chris nicht tat. Es gab ihm Kraft, um zu Kämpfen, es nahm ihm den Schmerz und die Willenskraft, sodass ihm alles egal war, aber es dachte gar nicht daran, ihn zu heilen.
 

Aber Wesker brach nicht in Jubel aus, nicht einmal in innerlichen.

Er hatte verdammtes Glück gehabt, und das wusste er auch.

Eine Sekunde später, und Chris hätte ihn durchbohrt.

In seinem momentanen Zustand, in dem der Blonde ohnehin schon angeschlagen war, hätte er das vielleicht nicht überlebt.

Zumindest aber hätte auch sein Körper erst einmal aufgegeben, und er wäre zusammengebrochen.

Und wenn Chris sich selber noch auf den Beinen hätte halten können, hätte er seinem Erzfeind den Rest gegeben.

Wesker spürte, wie auch durch seinen Körper ein leichtes Zittern ging, und er wich ein wenig zurück.

Es war knapp gewesen, verdammt knapp, und das in einer Situation wie dieser.

Es hatte alles so gut geklappt, es hatte perfekt gewirkt.

Chris hatte auf das Mittel reagiert wie erhofft, und er hatte sogar beinahe seinen Liebsten erledigt.

Dann hatte Wesker sogar noch Zeuge werden dürfen, wie das Virus in Chris' Blut erwachte.

Und genau das wäre ihm am Ende beinahe zum Verhängnis geworden.

Die Wut über sich selber übertrumpfte für einen Moment sogar den Hass auf den Jüngeren.

Wesker musste hier weg, und es war scheißegal, ob er Piers dabei mitnahm oder nicht.

Chris war zwar geschwächt, aber er stand noch immer, er brach einfach nicht zusammen, und langsam schien sein Körper sich sogar wieder bewegen zu können.

Der Blonde wollte und durfte nichts mehr riskieren, er musste sich diese vorübergehende Niederlage eingestehen.

Mit einem stummen Fluch auf den Lippen wandte er sich also ab und verschwand, dieses Mal ohne dass Chris ihn aufhielt.
 

Dieser stand noch immer dort, als wäre er eine Statue, durch die ein stetes Zittern lief.

Langsam ließ er die Hand sinken, die er vorher ausgestreckt hatte, um Wesker zu durchbohren.

Dann, mit einem Mal, als hätte jemand bei einem Film wieder auf Play gedrückt, geriet wieder Bewegung in den Körper, die jedoch nur darin bestand, dass dieser nun endlich auf die Verletzungen und die Schwäche reagierte und zusammenbrach.

Wie ein Kartenhaus sank er in sich zusammen und blieb auf dem Boden liegen, regungslos, bleich und fast wie tot.

Aber er lebte.

Und als hätte das Virus erst jetzt begriffen, was es so alles konnte, begann es nun sogar, seinen Wirt langsam zu heilen.

Es dauerte, und Chris war anzusehen, dass er trotz offensichtlicher Bewusstlosigkeit noch etwas spürte und große Schmerzen hatte.

Mehrere Rippen waren gebrochen, die Lunge gequetscht, und überhaupt hatte der Soldat seinem Körper mehr abverlangt, als dieser ihm hatte bieten können.

Er war völlig energieleer und würde eine Weile brauchen, um wieder genug Kraft zu haben, in wachem Zustand zu funktionieren.

Aber diese Zeit hatte Chris ja nun auch, denn Wesker würde nicht so schnell wieder kommen.

Für Piers konnte es eng werden, aber der war stur wie kein Zweiter und schaffte es sicherlich, noch ein wenig länger am Leben zu bleiben.

Und selbst wenn Chris wach gewesen wäre und sich hätte bewegen können, hätte er dem jungen Soldaten ohnehin kaum helfen können.

Und da blieb ja so oder so noch die Frage, was überhaupt erwachen würde.

Chris selber oder wieder die leere, vom Virus kontrollierte Hülle...
 


 


 


 


 


 


 

Es dauerte fast eine Stunde, bis diese Frage endlich beantwortet wurde.

Eigentlich eine sehr kurze Zeit, bedachte man, was Chris seinem Körper abverlangt hatte.

Aber das Virus hatte schließlich auch seine heilenden Fähigkeiten offenbart, und da es nach dem Kampf nichts anderes mehr zu tun hatte, hatte es sich voll und ganz darauf konzentrieren können.

Langsam regte sich der Soldat wieder, zaghaft, als hätte er vergessen, wie sein Körper funktionierte.

Ein leises Stöhnen kam über seine Lippen, dann schlug Chris die Augen auf und blinzelte ein paar Mal, um seine Sicht wieder klar zu bekommen.

Es war bereits dunkel, aber schon im Kampf gegen Wesker war der Abend hereingebrochen.

der Kampf....

Nur dumpf erinnerte sich Chris an diesen, und ihm wurde klar, dass er ihn nicht wirklich selber geführt hatte.

Kurz wartete der Brünette, bis sich der leichte Schwindel gelegt hatte, dann setzte er sich auf und sah sich um.

Von Wesker fehlte jede Spur.

Ein paar Meter entfernt lagen die Reste der Brille in einer kleinen Blutlache, doch sonst zeugte nichts mehr davon, dass der Blonde überhaupt hier gewesen war.

Brummend stemmte sich Chris hoch, strauchelte etwas und stützte sich an einer der Häuserruinen ab.

Wesker war entkommen, aber er würde nicht für immer weg bleiben, das wusste der B.S.A.A.-Captain ganz genau.

Aber als er sich erneut umsah, fiel ihm wieder ein, dass Wesker gerade eigentlich seine geringste Sorge hätte sein müssen.
 

"Piers!"

So schnell ihn seine noch müden Beine trugen, eilte Chris zu dem Scharfschützen und starrte einen Moment lang einfach nur auf diesen hinab, schon mit dem Schlimmsten rechnend.

Aber Piers war noch immer am Leben.

Er war blass, und sein Atem ging stoßweise und schwach, aber immerhin hatte er durchgehalten.

"Piers...?", murmelte der Ältere, und er sank neben seinem Freund auf die Knie.

Nur kurz öffnete dieser die Augen, die ihm aber gleich wieder zu fielen.

Er hatte trotz allem schon zu viel Blut verloren, auch wenn das Messer die Wunde ein wenig verschloss, und das Gift an der Klinge tat sein Übriges.

Es war nicht in der Lage, ihn zu töten, aber es beeinflusste das Virus und hielt dieses davon ab, die Wunden des Scharfschützen zu heilen.

Leise fluchend zog Chris das Messer aus der Wunde, damit es nicht noch mehr Schaden anrichtete, wenn er Piers bewegte, schob die Arme unter den Körper des Jüngeren und hob diesen vorsichtig hoch, während er versuchte, dabei mit einer Hand irgendwie die Blutung zu stoppen.

Als Piers das alles mit einem leisen Keuchen quittierte, biss der Ältere sich auf die Lippen und versuchte, noch vorsichtiger zu sein.

Schnell sah er sich in der Straße um und steuerte eines der verkohlten und verlassenen Häuser an. Eines, das nicht so aussah, als könnte es jeden Moment einfach einstürzen.

Nach wenigen Minuten hatte Chris eine halbwegs saubere Stelle auf dem Boden gefunden, und er ließ Piers sanft wieder runter, zog die Jacke aus und legte diese unter den Kopf des mittlerweile Bewusstlosen.
 

Piers' Zustand schien sich von Sekunde zu Sekunde zu verschlechtern.

Trotz des Fiebers, das langsam aufkam, war er leichenblass, und seine Atmung hatte sich in ein angestrengtes Keuchen verwandelt.

Immer wieder ging ein leichtes Zittern durch seinen Körper, und Piers drehte den Kopf hin und her, da er Hitze und Schmerz trotz der Bewusstlosigkeit zu spüren schien.

Ab und an öffnete er auch mal kurz die Augen, doch in diesen Momenten schien er nicht einmal wirklich wach zu sein, und sie fielen ihm auch jedes Mal nach wenigen Sekunden wieder zu.

"Halt durch...", murmelte Chris leise, und er redete sanft auf den Jüngeren ein, in der Hoffnung, dass dieser ihn hörte und sich etwas beruhigte.

Er konnte hier überhaupt nichts tun.

Kurz stand er auf und sah sich um, ob er irgendwo Wasser auftreiben konnte, aber weder gab es irgendwo eine Flasche, noch eine Leitung mit fließend Wasser.

So konnte er nicht einmal versuchen, das Fieber des jungen Mannes irgendwie zu senken.

Alles was er tun konnte war, mit Piers zu reden und sein eigenes Oberteil auszuziehen, um aus diesem einen provisorischen Verband zu machen.

Er zog auch Piers vorsichtig das Shirt aus, dann legte er den Verband stramm um dessen Brustkorb, verknotete ihn irgendwie an der Seite und ließ Piers sanft wieder zu Boden gleiten.
 

Er starb.

Wenn Chris nicht irgendetwas einfiel, wenn er nicht irgendetwas tat, würde Piers nicht mehr lange durchhalten.

Immer heißer wurde seine Stirn, auf der sich bereits ein deutlicher Schweißfilm gebildet hatte.

Der junge Soldat wurde auch immer unruhiger, und mittlerweile wand er sich leicht und murmelte immer wieder leise und unverständliche Worte.

Das stetig ansteigende Fieber machte ihm zu schaffen, und auch den ungewöhnlich hohen Blutverlust schien er kaum zu verkraften.

Gerne hätte Chris seinem Liebsten etwas von seinem eigenen Blut gegeben, aber ohne einen sauberen, dünnen Schlauch oder eine Spritze konnte er das nicht.

Er konnte wirklich überhaupt nichts tun.

Wieder versagte der Captain auf ganzer Linie.

Wenn Rebecca doch nur hier gewesen wäre, aber auch die hätte ohne irgendwelche Utensilien nichts tun können.

Zwar hatte sie unter S.T.A.R.S. als Sanitäterin gedient und kannte sich nach wie vor auf dem Gebiet aus, aber sie konnte auch keine Wunder vollbringen.

Und trotzdem... Vielleicht konnten sie Piers gemeinsam weg bringen und wenigstens so lange am Leben halten, bis sie einen Arzt fanden.

Woher Chris wusste, dass die Jüngere in der Nähe war, konnte er nicht sagen, aber irgendwie sagte ihm ein Gefühl, dass es so war, und dieses hatte ja auch Recht.

Also nahm er sein Handy zur Hand, das Piers bei sich getragen hatte, und wählte die Nummer der Biochemikerin, während er besorgt auf seinen Liebsten hinab blickte.

Alles wird gut?

Rebecca hielt sich das Handy ans Ohr und starrte ungläubig zu Barry, der mit einer Einkaufstüte und einem Sixpack Wasser in den Händen vor ihr stand und etwas den Kopf zur Seite geneigt hatte.

Als das Handy der Biochemikerin geklingelt hatte, war sie davon ausgegangen, dass es Piers war, der fragte, wann sie zurückkamen, doch da hatte sie sich geirrt.

Natürlich war Chris' Nummer auf dem Display erschienen, doch sie wusste, dass der Scharfschütze das Handy seines Captain bei sich trug, und so hatte sie auch mit dessen Stimme gerechnet, und nicht mit der, die sie nun stattdessen zu hören bekam.

„C…Chris?!“, hakte Rebecca nun nach, und bei diesem Namen hätte Barry beinahe die Sachen fallen lassen.

Schnell verstaute er sie im Kofferraum des Jeeps, ehe er sich zu der Jüngeren gesellte und diese unsicher und abwartend ansah.

„Aber du… du bist doch…“

Die Rothaarige stand einfach nur da und versuchte, zu begreifen, was hier gerade passierte.

Chris war tot, er war gestorben, das hatte Piers ihnen doch mitgeteilt. Und seine Leiche…

Natürlich… Sie war ja gestohlen worden, sehr wahrscheinlich von Wesker, und so langsam wurde Rebecca klar, was in etwa passiert sein musste.

„Wo ist Piers?“, hakte sie nun nach, noch ehe Chris die ganze Situation hätte erklären können.

Sie hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache, und so hatte die Erklärung erst einmal Zeit.

Chris war am Leben, das wusste sie nun, und alles andere war erst einmal egal.

„Er… er ist schwer verletzt“, hörte die junge Frau nun Chris‘ Stimme, und ihr Blick wurde ernster, während sie Barry, der ihr gegenüber stand, musterte.

Das Handy hatte sie mittlerweile auf Lautsprecher gestellt, und so konnte der Ältere das Gespräch mit anhören.

„Ich... ich erkläre euch alles später, aber jetzt… jetzt brauchen wir Hilfe…“

Schweigend lauschte Rebecca der beinahe ängstlichen Stimme des Soldaten, und ihr wurde klar, wie schlimm es um Piers stehen musste.

Sie wusste nicht, warum er verletzt war, was geschehen war, aber das war auch erst einmal egal. Sie mussten den beiden Männern helfen.

„Wo seid ihr?“, wollte die Rothaarige also wissen, und als Chris ihr die Koordinaten genannt hatte, machten sich Rebecca und Barry direkt mit dem Wagen auf den Weg zu der kleinen ausgebrannten Stadt.
 

Es dauerte etwa eine halbe Stunde, bis die Zwei sie erreicht hatten, und Rebecca stieg aus dem Jeep und blickte sich um.

Es war wirklich wie in einer Geisterstadt, alles verkohlt, alles voller Asche, und keine Menschenseele zu sehen.

Die Biochemikerin schauderte leicht, und ein Blick zu Barry verriet ihr, dass auch ihn dieser Anblick nicht kalt ließ.

Sie hatten schon vieles erlebt, schon viele schlimme Dinge gesehen, aber es gab immer irgendetwas Neues.

Zudem erinnerte eine so niedergebrannte Stadt zu sehr an die Sprengung von Raccoon City vor gut 15 Jahren.

Sie waren zwar selber zu dem Zeitpunkt schon lange nicht mehr vor Ort oder auch nur in der Nähe gewesen, dennoch war die Information nicht spurlos an ihnen vorbei gegangen.

Umbrella hatte gesiegt und so gut wie alle Spuren beseitigen können, und sie hatten keinerlei Beweise mehr für die Untaten des Pharma-Unternehmens gehabt.

Alles war anscheinend umsonst gewesen.

Rebecca verdrängte diese Erinnerungen und entfernte sich langsam von dem Wagen, um die Straße entlang zu gehen.

Staub und Asche waren aufgewirbelt worden, und einige Fußspuren waren halbwegs zu erkennen.

Sie führten zu einem der Häuser, und es schien noch relativ fest und sicher zu stehen.

„Chris und Piers sind vermutlich da drin“, murmelte der Ältere nun, und er steckte eine Pistole in das Holster an seinem Gürtel, ehe er den Jeep abschloss und der Rothaarigen folgte.

Ganz ohne Waffe würde er hier nicht rum laufen.

Zwar wussten sie noch nicht genau, was passiert war, aber Barry hatte da so eine Vermutung.

Chris lebte wieder, Piers war schwer verletzt, das alles war sicherlich nicht einfach so passiert.

Da war es besser, er hatte eine Waffe dabei, mit der er sich im Notfall verteidigen konnte, gegen wen oder was auch immer.
 

„Chris?“, rief Rebecca nun möglichst leise, als sie das Haus vorsichtig betreten hatten, und sie ging vorsichtig ein paar Schritte und sah sich etwas um.

„Wir sind hier…“, kam es ebenso leise zurück, und die Rothaarige und Barry folgten der Stimme ins ehemalige Wohnzimmer des Hauses, wo der Soldat neben seinem Liebsten kniete und mit müdem Blick aufsah.

Chris sah alles andere als gut aus, aber in der Tat quicklebendig.

Piers hingegen wirkte eher wie tot, so still wie er da auf dem Boden lag.

Das Winden hatte schon vor einer ganzen Weile aufgehört, und in der letzten halben Stunde hatte sich der Scharfschütze so gut wie gar nicht mehr bewegt.

Er lebte und atmete, allerdings nur sehr schwach, und auch das Fieber schien noch um keinen Grad gesunken zu sein.

Es sah alles andere als gut aus, das war auch den beiden Neuankömmlingen auf den ersten Blick klar.

„Was ist passiert?“, wollte nun Barry wissen, und er trat auf Chris und Piers zu und ließ sich ebenfalls in die Hocke sinken, ehe er eine Hand an die Stirn des jungen Mannes legte.

Sie war glühend heiß, und Piers ließ ein ganz leises Stöhnen hören. Zumindest reagierte er also noch irgendwie.

Etwas überrascht sah Chris bei der Frage nun auf, und er wunderte sich, dass keiner der Beiden etwas dazu sagte, dass er noch lebte.

Die Frage am Telefon hatte er natürlich gehört, gemerkt, wie überrascht und verwirrt Rebecca gewesen war. Aber dabei war es auch geblieben.

Vermutlich sorgten sich auch Barry und Jüngere gerade einfach um Piers und hatten entschieden, alles andere später zu klären.
 

Und das war vermutlich auch die beste Entscheidung.

Chris ging es gut, bis auf eine leichte Müdigkeit und die Sorge um seinen Freund, und sie hatten später noch genug Zeit, über Wesker und die Infizierung zu reden.

Und darüber, dass er selber schuld daran war, dass der junge Soldat so hier lag und vielleicht nie wieder aufwachen würde…

Der Brünette biss sich auf die Lippen und ballte die Hände zu Fäusten, während er versuchte, nicht in Tränen auszubrechen.

„Wesker…“, murmelte er schließlich doch, und Chris sackte im Sitzen etwas zusammen und wirkte nun wie ein Häufchen Elend.

„Er… er hat mich… er hat mich infiziert, darum lebe ich noch… wieder…“, murmelte er, und er stockte immer wieder und musste sich wirklich zusammenreißen, nicht doch vor den Beiden zu weinen.

„Ich bin… schuld…“

Wieder das Stocken, und nun rannen doch einzelne Tränen über Chris‘ Wangen, und er wandte den Blick ab und starrte wieder auf Piers hinab.

„Ich hab ihn angegriffen, ich konnte nichts dagegen machen. Und ich hab ihm… mein Messer in die Brust gerammt…“

Der Soldat verstummte, seufzte schwer und strich sanft über Piers‘ kalte Wange.

„Wesker hat das Messer vergiftet, und das Gift unterdrückt Piers‘ Virus. Ich… ich hab keine Ahnung, was wir tun sollen…“

„Er braucht erst einmal Blut. Blut und fiebersenkende Mittel“, erwiderte Rebecca nun, und sie ging auf Chris‘ Schuldgeständnis gar nicht ein. Auch dazu war später noch genug Zeit. Piers‘ Leben war nun erst einmal wichtiger.

„Im Auto müssten einige Medikamente sein, für Notfälle. Und ich hätte sicherlich auch die ein oder andere Spritze dabei. Auch für… Notfälle…“

Etwas verlegen zuckte die Biochemikerin mit den Schultern und lächelte leicht.

„Ich bin eben, was ich bin. Barry mit Blutgruppe A, und du mit 0, Chris, ihr könnt Piers beide spenden, nicht wahr? Er hat auch Blutgruppe A?“

Chris nickte leicht, und er sah Rebecca und Barry dankbar an.

Schon wieder halfen die Beiden ihnen. Sie waren offenbar extra zu Piers nach Kanada gekommen, um heraus zu finden, was passiert war, und nun waren sie auch in diese kleine Stadt gekommen, um sich um den Verwundeten zu kümmern. Wie hatte er solche Freunde nur verdient?

Ganz stimmte das natürlich nicht, aber der Soldat wusste nicht, wie viel Zeit vergangen und was wirklich passiert war nach seinem Tod.

„Kopf hoch, er wird schon wieder“, brummte Barry nun, ehe er sich erhob und das Haus verließ, um ein paar Sachen aus dem Auto zu holen.
 

Nur weniger Minuten später saßen sie alle Drei wieder um Piers versammelt und hatten alles, was sie brauchten.

Barry hatte den gesamten Notfallkoffer aus dem Auto mitgebracht, mit Verbänden, einer Wärmedecke und einigen Schmerzmitteln und fiebersenkenden Tabletten, während Rebecca nun zwei Spritzen auspackte und diese erst einmal desinfizierte. Fehlte ja gerade noch, dass einer der Männer hier eine Blutvergiftung oder so bekam.

„Wir müssen ihm zuerst die Medikamente einflößen, wie machen wir das am besten?“, fragte die Rothaarige nun, nachdem sie die Spritzen gereinigt und auf ein sauberes Tuch aus dem Verbandskasten gelegt hatte.

Chis hatte Piers in der Zwischenzeit einen richtigen Verband angelegt, und der B.S.A.A.-Captain wirkte noch besorgter, weil der Jüngere mittlerweile so gar nicht mehr reagierte.

„Ich mache das schon“, murmelte er, und er nahm die Tablette entgegen, die Barry ihm hinhielt.

Er nahm sie selber in den Mund, beugte sich über Piers und verabreichte ihm das Medikament nun so, vorsichtig, damit der junge Mann nicht daran erstickte.

Irgendwie gelang es dem Soldaten, seinen Liebsten dazu zu bringen, die Tablette zu schlucken, und er atmete etwas auf, während er sich wieder von dem Bewusstlosen löste.

Es würde nun etwas dauern, bis die fiebersenkenden Mittel wirkten, und Chris hoffte, dass es Piers danach etwas besser ging.

Jetzt mussten sie ihm nur noch etwas Blut geben.

Natürlich wäre das alles viel einfacher gewesen, wenn sie den Jüngsten einfach in den Jeep verladen und zu einem Krankenhaus gebracht hätten, aber das war zu riskant.

Chris und Piers waren immer noch immer mit dem C-Virus infiziert, und auch wenn das Gift das Virus bei dem Scharfschützen unterdrückte, konnte jederzeit etwas damit passieren.

Zudem waren sie alle Drei sicher, dass Wesker noch irgendwo da draußen war.

Sie brachten also auch andere Menschen in Gefahr, wenn er am Ende beschloss, das Krankenhaus einfach anzugreifen.
 

Nachdem Piers nun den sauberen Verband um seinen Brustkorb hatte, und ihm auch die Tablette eingeflößt worden war, konnten sie sich endlich um die Bluttransfusion kümmern.

Natürlich würde das nicht so professionell klappen wie im Krankenhaus, aber sie mussten eben mit dem klarkommen, was sie hier hatten.

Rebecca begann als erstes, Barry etwas Blut zu entnehmen, welches sie dann Piers spritzte, und nach einer Weile bedeutete sie dem Älteren, sich etwas auszuruhen, während sie sich nun daran machte, Chris‘ Blut zu nehmen, um den Verlust des Scharfschützen auszugleichen.

Es dauerte etwas, schließlich hatten sie nur diese kleinen Spritzen, doch schließlich kehrte ein wenig Farbe in Piers‘ Gesicht zurück, und Chris ließ sich erschöpft zurück sinken.

Es sah erst so aus, als würde sich der junge Soldat nun wirklich erholen können, und sein Captain wollte gerade etwas die Augen schließen, als Piers mit einem Mal begann, sich zu verkrampfen und sich doch wieder etwas zu winden.

„Piers!“, rief der Brünette erschrocken, und er beugte sich über seinen Liebsten und starrte diesen einfach nur panisch an.

„Was… was ist denn…?“

„Das Virus“, murmelte Rebecca leise, und sie fluchte kurz etwas, ehe sie sich ebenfalls über Piers beugte und versuchte, diesen irgendwie fest zu halten.

„Du hast gesagt, dass das Gift an dem Messer das Virus in Piers‘ Körper blockiert. Aber mit deiner Dosis wurde diese Blockade aufgehoben. Ich habe ehrlich gesagt gehofft, dass das passieren würde, und dass wir das Gift so neutralisieren können, aber offenbar lief das nicht ganz nach Plan…“

Die Rothaarige schüttelte den Kopf und presste die Lippen zusammen, als der junge Soldat begann, sich mit aller Kraft gegen ihren Griff zu stemmen.

Aber er schien dabei nicht einmal wach zu sein. Die Augen hatte er noch immer geschlossen, und Schweiß stand auf seiner fieberheißen Stirn.

„Komm schon, Piers“, murmelte Rebecca, und sie fluchte erneut und versuchte weiterhin, den Jüngeren fest zu halten. Sie wusste, dass das bei Krämpfen eigentlich nicht gut war, aber das hier war eine ungewöhnliche Situation, die mit normalen Krämpfen nichts zu tun hatte. Und sie konnte nicht riskieren, dass der Verletzte sich noch selber weh tat oder plötzlich einfach aufsprang.
 

Eine ganze Weile versuchte die Biochemikerin nun also, den Bewusstlosen irgendwie unten zu halten, und nach und nach wurde er ruhiger, ehe er schließlich einfach in sich zusammensackte und wieder vollkommen still liegen blieb. Fast schon etwas zu still für Rebeccas Geschmack.

Vorsichtig nahm sie Piers‘ linke Hand und drückte die Finger gegen sein Handgelenk, ehe sie sich etwas über sein Gesicht beugte und für einen Moment die Augen schloss.

„Er… er atmet nicht mehr“, murmelte die Rothaarige schließlich leise, und sie schluckte schwer, einzelne Tränen bahnten sich ihren Weg über ihre Wangen.

„Ich… ich wollte nicht…“

Doch Chris schüttelte nur den Kopf und bedeutete ihr, zu schweigen und sich nicht selber die Schuld zu geben, ehe er sich über das Gesicht seines Liebsten beugte, dessen Kopf überstreckte, ihm die Nase zu hielt und begann, ihn zu beatmen.

Piers‘ Herz schlug noch, und so sah der Brünette es gar nicht ein, jetzt einfach aufzugeben.

Und wenn überhaupt, war er selber schuld. Er hatte Piers die Verletzung zugefügt, er war dafür verantwortlich, dass der Jüngere hier lag, schwer verwundet und fiebernd.

Nicht Rebecca. Sie hatte nur helfen wollen und hatte gehofft, mit Chris‘ Virusanteil das Gift im Körper des Jüngeren verdrängen zu können. Und offenbar hatte das ja auch geklappt.

Dass dieser Versuch eine solche Auswirkung haben würde, hatte doch keiner von ihnen ahnen können. Wie auch?

Und Chris hätte ja auch einfach ablehnen können und sagen, dass er es zu riskant fand, Piers sein virushaltiges Blut zu geben. Aber das hatte er nicht. Nein, er selber hatte nicht einmal daran gedacht, er hatte das vollkommen verdrängt.

Und sie wussten ja nicht einmal, was nun überhaupt wirklich passiert war, was Piers so schwächte und die Krämpfe und den anschließenden Atemstillstand verursacht hatte.

„Komm schon…“, murmelte Chris nun leise, als er sich für einen kurzen Moment von Piers‘ Lippen gelöst hatte, um selber etwas durch zu atmen.

Das Virus hatte ihn vollkommen geheilt, dennoch war der B.S.A.A.-Captain noch immer etwas erschöpft, und die ganze Sache zerrte an seinen Nerven.

Er fluchte nun selber leise, ehe er sich wieder hinab beugte und weiterhin versuchte, seinen Liebsten dazu zu bringen, wieder aus eigener Kraft Luft zu holen.

Rebecca hielt noch immer Piers‘ Hand und fühlte an seinem Handgelenk den schwachen Puls, während Barry Chris nun bedeutete, sich ablösen zu lassen, um wieder etwas zu Atem zu kommen.

Der Soldat zögerte erst, doch Barrys strenger Blick überzeugte ihn schließlich, und so ließ er den Älteren seinen Platz einnehmen und mit der Beatmung fortfahren.
 

Mehrere Minuten versuchten die beiden Männer nun, Piers wieder zum Atmen zu bringen, und die Atmosphäre in dem Raum war angespannt, die Luft beinahe greifbar.

„Komm schon, komm schon…“, murmelte Chris immer wieder, und er hatte nun die andere Hand des jungen Soldaten genommen und drückte diese sanft.

Er wollte Piers zeigen, dass er da war, dass alles gut werden würde.

Vielleicht half das ja irgendwie. Er musste einfach daran glauben, wenigstens, um sich selber etwas zu beruhigen.

Piers durfte nicht sterben, nicht so, nicht hier, nicht jetzt.

Nach allem, was geschehen war, nachdem sie nun endlich wieder zusammen waren, beide am Leben, trotz Wesker, trotz des seltsamen Verhaltens der B.S.A.A..

Nein, so durfte es auf keinen Fall enden. Das war einfach nicht fair.

Chris hatte sich mittlerweile regelrecht in die Hand des Jüngeren gekrallt, und er hielt sie so fest, dass er sie beinahe zerquetschte. Aber der Scharfschütze bekam das ja ohnehin nicht mit.

Immer noch beatmete Barry den jungen Mann, doch nun löste er sich kurz und fluchte nun ebenfalls leise, so wie Rebecca und Chris schon vor ihm, ehe er eine Hand auf Piers‘ Brustkorb legte.

Ganz schwach und langsam hob und senkte dieser sich, aber das war besser als nichts. Es war immerhin eine Reaktion. Der junge Soldat atmete wieder, und er zeigte, dass er noch immer kämpfte und nicht einfach aufgab.

„Wir müssen ihn hier weg bringen“, meinte der Älteste schließlich ernst, nachdem er Piers‘ Atmung noch etwas unterstützt hatte.

Der Scharfschütze schaffte es nun, halbwegs selber Luft zu bekommen, und das mussten sie nutzen.

Sie konnten nicht hier bleiben, das war zu riskant.

Und auch wenn sie Piers nicht zu einem Arzt bringen konnten, so doch vielleicht wenigstens zum Motel zurück.

Natürlich konnte Wesker ihnen auch dort auflauern, aber hier in diesem verlassenen Städtchen waren sie vermutlich ebenso wenig sicher vor ihm.

Da war es dann doch besser, den Verwundeten an einen Ort zu bringen, an dem sie notfalls doch schnell Hilfe holen konnten.

Denn Gefahr hin oder her, sie würden Piers auf keinen Fall sterben lassen.
 


 


 


 

Es hatte gut zwei Stunden gedauert, bis die Vier wieder beim Motel angekommen waren, und der Mann am Empfang sah ihnen nur stirnrunzelnd nach, als die Gäste den Bewusstlosen herein trugen.

Nur kurz erklärte Rebecca dem Typen, dass sie einen Unfall gehabt hatten, dass es aber halb so wild sei und erst einmal kein Arzt nötig war.

Natürlich war im Grunde jedes einzelne Wort gelogen, aber sie konnte diesem Mann ja schlecht die Wahrheit erzählen.

„Mein einer Freund ist mit einem Zombievirus infiziert und hat unter der Kontrolle des Virus seinen festen Freund abgestochen. Die sind übrigens beide infiziert, aber wir kümmern uns darum“, war ja nun wirklich nichts, was man einfach so raus posaunen sollte.

Da blieb die Rothaarige lieber bei der Geschichte mit dem Unfall.

Da wurden weniger Fragen gestellt, und es würde auch nicht plötzlich die Polizei vor der Tür stehen.

Sie hoffte nur sehr, dass sie den Fremden jetzt nicht in die Sache mit hineingezogen hatten. Es wäre nicht fair gewesen, wenn Wesker ihn nun tötete oder sonst was mit ihm anstellte. Er hatte mit der ganzen Sache nichts zu tun.

Nach dem kurzen Gespräch und einer kleinen Extrazahlung für den nun vierten Gast, folgte Rebecca den Anderen schließlich in das Motelzimmer, wo Chris und Barry Piers bereits auf dem großen Doppelbett abgelegt hatten.

„Wie geht es ihm?“, fragte sie leise, ehe sie die Tür abschloss und zu den Dreien ans Bett heran trat.

„Er lebt. Viel mehr können wir momentan vermutlich nicht erwarten“, erwiderte Barry, und er ließ sich seufzend auf die Bettkante sinken und betrachtete den Bewusstlosen nachdenklich.

„Als ihr los gefahren seid, um der B.S.A.A. zu entkommen, hätte ich niemals gedacht, dass das alles so sehr ausarten würde. Wesker, dein Tod, jetzt bist du infiziert… das ist wirklich 'ne ganze Menge.“

Und damit hatte Barry nun das Thema angesprochen, das sie bisher im Grunde gemieden hatten.

Zwar hatte Chris grob erklärt, dass Wesker ihn infiziert hatte, und von seinem Tod, Wesker und dem Gift hatte Piers ja bereits berichtet, bevor er zu ihnen nach Amerika zurück gefahren war.

Nun jedoch schien etwas Zeit zu sein, um das alles etwas genauer zu erklären.
 

Chris setzte sich nun zu dem Älteren auf die Bettkante, und Rebecca ließ sich im Schneidersitz vor ihnen auf den Boden sinken.

„Wesker kam nachts zu uns in Zimmer“, begann der Soldat nun, während er nach Piers‘ Hand griff, und diese wieder festhielt, um seinen Herzschlag im Auge behalten zu können.

„Er hat mich vergiftet, und… Piers hat mich wohl ins Krankenhaus gebracht, wo ich dann… ihr wisst schon…“

Er sprach es nicht laut aus, senkte den Blick und atmete tief durch, ehe er fort fuhr.

„Irgendwann bin ich wieder aufgewacht, in einer Art Labor. Keine Ahnung, wie ich dorthin gekommen bin. Ich weiß, dass ich nicht ich selbst war, aber ich kann mich dennoch an alles erinnern. An Wesker, und wie er mich dann mitgenommen hat in diese verbrannte Stadt. Da war Piers. Ich habe ihn erkannt, aber ich konnte nicht auf ihn reagieren. Ich hatte keinerlei Kontrolle über meinen Körper…“

Er stockte, schüttelte den Kopf und musste ein weiteres Mal tief durchatmen.

„Wesker wollte, dass ich Piers angreife, also habe ich es getan. Ich habe alles getan, was er wollte, mein Körper hat ihm voll und ganz gehorcht. Und dann… Dann habe ich Piers das Messer in die Brust gerammt… und bin wieder zu mir gekommen…“

Wieder verstummte der Brünette, und er drehte sich leicht, um zu seinem Liebsten zu sehen, der noch immer so blass und regungslos da lag.

Vorsichtig ließ Chris Piers‘ Hand los und stand auf, um ihm ein kaltes und nasses Tuch zu bringen, während er weiter erzählte.

„In dem Moment… war ich wieder ich selbst. Und als ich begriff, was ich getan hatte, habe ich dem Virus freie Hand gelassen. Ich habe gegen Wesker gekämpft, das weiß ich noch. Und ich hatte eine Chance, aber irgendwann habe ich einfach schlapp gemacht. Ich bin nur ein Mensch, und mein Körper kennt das Virus noch nicht so wirklich. Wesker ist abgehauen, ich habe Piers in das Haus gebracht, und dann… naja, dann habe ich euch angerufen.“

Der B.S.A.A.-Captain beendete die Erzählung, legte Piers das kalte Tuch auf die fieberheiße Stirn und strich erneut sanft über die Wange des Jüngeren.

Die Tablette schien noch nicht wirklich zu wirken, aber zumindest atmete der Scharfschütze nun wieder ganz aus eigener Kraft.

Vielleicht würde ja doch noch alles gut werden…

Notlösung

Sie hatten noch eine ganze Weile zusammen so da gesessen, und Rebecca und Barry hatten nun auch davon berichtet, wie Piers nach Chris' Tod zu ihnen gefahren war, und was sie über die aktuelle Lage der B.S.A.A. herausgefunden hatten.

Es war nicht viel, aber es sah in der Tat so aus, als würde jemand von außerhalb die B.S.A.A. kontrollieren und unterwandern.

Nichts jedoch deutete daraufhin, dass es sich bei dieser Person um Wesker handelte.

Es schien, als gäbe es tatsächlich noch einen weiteren Feind, was die ganze Sache nicht unbedingt leichter machte.

Und noch immer war nicht klar, warum niemand von der B.S.A.A. selbst etwas zu unternehmen schien, warum man sich nicht mit ihnen in Verbindung gesetzt hatte. Abgesehen von den Versuchen, an Piers ran zu kommen.

Bei diesen Gedanken wanderte Chris' Blick wieder zu dem Jüngeren, und ein trauriges Seufzen kam über seine Lippen.

Das alles war wirklich nicht fair, das hatte Piers nicht verdient.

Wieso wurde er so sehr für seine Heldentat bestraft?

Warum konnte es nicht einmal wirklich gut für den jungen Soldaten laufen?

Als sie her gekommen waren, hatte Chris gehofft, dass ihnen nun wirklich einige Tage Ruhe blieben, um gemeinsam ein wenig die Zeit zu genießen und sich noch etwas näher zu kommen.

Doch daraus war nichts geworden, und nun musste der Ältere ein weiteres Mal um das Leben seines Freundes bangen.
 

Seit Rebecca und Barry zu ihnen in die verbrannte Stadt gekommen waren und Piers zu atmen aufgehört hatte, hatte sich der junge Soldat nicht mehr gerührt.

Er lebte, und mittlerweile atmete er auch wieder halbwegs kräftig und regelmäßig, doch er befand sich in tiefster Bewusstlosigkeit, und das Fieber hielt sich konstant und schwächte ihn immer weiter.

Chris wusste einfach nicht, was er tun sollte.

Wesker war ihnen immer einen Schritt voraus, und obwohl er sie alle schon längst hätte töten können, hatte er sich dazu entschieden, weiterhin nur seine Spielchen mit ihnen zu treiben.

Konnten sie ihn überhaupt jemals bezwingen?

Oder war es ohnehin vollkommen unmöglich und schlauer, einfach vor dem Blonden weg zu laufen?

Aber wohin?

Die B.S.A.A. hatten sie auf dem Weg nach Kanada abschütteln können, Wesker jedoch hatte sie selbst hier gefunden.

Nein, es gab kein Entkommen, nicht vor ihm.

Und nun schienen sie es auch noch mit einem weiteren Feind zu tun haben, einem, der vermutlich ebenso schlimm und gefährlich war wie der ehemalige S.T.A.R.S.-Captain.

Noch einmal seufzte Chris, und er drückte die Hand des Bewusstlosen, die er nun wieder in seine eigene genommen hatte.

Auf Rebecca und Barry achtete er nicht wirklich, und die Beiden saßen auch nicht mehr bei ihnen, sondern hatten sich daran gemacht, ihren Einkauf zu holen und in der Küche in Kühlschrank und co. zu verteilen.

Gleich würden sie erst einmal etwas Leckeres kochen, das tat ihnen allen gut, und mit etwas im Magen würde es ihnen gleich besser gehen.

Natürlich waren Angst, Sorge und Unsicherheit dadurch nicht einfach verschwunden, aber vielleicht konnten sie sich dann etwas überlegen.

Irgendetwas mussten sie doch tun können.

Ob es möglich war, Jill zu kontaktieren?

Aus irgendeinem Grund hatte keiner von ihnen bisher daran gedacht.

Es war alles so schnell gegangen, dass nie wirklich Zeit gewesen war, weitere Hilfe dazu zu holen.

Und als Chris und Piers nach Alaska gefahren waren, hatten Rebecca und Barry ohne die Erlaubnis des Soldaten auch nicht einfach irgendwem alles erzählen wollen. Nicht einmal Jill, wenn Chris es nicht selber wollte.
 

Doch nun standen die Dinge ein wenig anders, und sie kamen alleine einfach nicht weiter.

Chris war infiziert, Wesker war wieder da, und Piers hatte durch das Gift und das Virus in seinem eigenen Körper schwer zu kämpfen.

Wenn sie ihn nun doch in ein Krankenhaus brachten, fanden die Ärzte heraus, was mit ihm los war, und dann würde man ihn unter Quarantäne stellen und im schlimmsten Fall in die USA zurück bringen.

Das war also noch immer zu riskant.

Doch wenn sie nichts taten, wenn sie dem Scharfschützen nicht halfen...

Dann würde er sterben.

Und auch, wenn niemand von ihnen das bisher laut ausgesprochen hatte, wussten sie es doch alle.

Es sah alles andere als gut aus für Piers.

Er brauchte Hilfe. Hilfe, die sie ihm nicht bieten konnten.

Aber selbst wenn sie Jill kontaktierten, und diese ihnen ihre Hilfe zusagte...

Bis sie hier sein konnte, war es vermutlich ohnehin längst zu spät.

Sie konnten versuchen, in ein Krankenhaus einzubrechen, unbemerkt irgendwie rein zu kommen, aber ohne zu wissen, was für ein Gift Wesker benutzt hatte, brachte auch das reichlich wenig.

Und wenn das Virus doch alleine gegen dieses Gift ankam, so wie Rebecca es gehofft hatte?

Irgendetwas war ja eindeutig passiert.

Das Virus und das Gift hatten reagiert, nur nicht ganz so, wie sie es eigentlich gehofft hatten.

Dauerte es vielleicht einfach ein wenig?

Sollten sie abwarten und einfach darauf vertrauen, dass Piers schon stark genug sein würde?

Und wenn er es nicht war? Wenn sie durch das Warten wertvolle Zeit verschwendeten?

Der Körper des jungen Soldaten war geschwächt, nicht nur von der Verletzung und von Weskers Gift.

Nach wie vor waren die Ereignisse im Labor der B.S.A.A. nicht allzu lange her.

Dazu war die Trauer um Chris gekommen, die psychische Belastung, das zwanghafte Wachhalten mit literweise Kaffee, als Piers sich auf den Weg zu Barry und Rebecca gemacht hatte.

Und nun hatte Chris ihm ein Messer mit Gift in die Brust gerammt.

Es war ein Wunder, dass Piers das wirklich überlebt hatte, und vermutlich verdankte er das einzig und allein dem C-Virus in seinem Körper.

Doch selbst mit der Dosis, die er durch Chris' Blut dazu bekommen hatte, schien das Virus nicht viel zu tun, und auch die Wunde machte noch keine Anstalten, wirklich zu heilen.

Der feste Verband stoppte die Blutung ein wenig, doch man sah bereits eine leicht rote Verfärbung des sonst weißen Stoffs.
 

Piers würde nicht mehr lange durchhalten, und es gab nichts, was sie dagegen tun konnten.

Warum passierte das alles?

Hatten sie noch nicht genug gelitten? Hatten sie noch nicht genug getan?

Wieder stellte sich Chris all diese Fragen, und er fragte sich auch, warum gerade sie in dieses Leben gestolpert waren.

Normaler Krieg war eine Sache. Grausam, aber verkraftbar.

Aber was er damals im Raccoon Forest erlebt hatte, das war schlimmer gewesen als jedes gewöhnliche Schlachtfeld.

Zombies, BOWs, mutierte Hunde, das war etwas, das man sich am Lagerfeuer erzählte, um einander Angst zu machen.

Aber doch nichts, das man wirklich erlebte.

Aber sie hatten es erlebt, und das war erst der Anfang gewesen.

Mittlerweile hatte Chris Kreaturen gesehen, die sich andere Menschen nicht einmal in ihren schlimmsten Albträumen vorstellen konnten.

Und das, obwohl mittlerweile sehr viele Menschen mehr oder weniger Bescheid wussten.

Was man in Tall Oaks oder Edonia noch halbwegs hatte verbergen können, war in China ans Licht gekommen.

Zu groß war der Ausbruch gewesen, zu viele Menschen hatten es miterlebt.

Und einige hatten es, zum Glück, auch überlebt.

Aber es waren nicht viele gewesen, und wenn er an Leons Worte dachte, daran, wie viele tote Menschen alleine er genannt hatte...

Sie hatten so viele nicht retten können, so viele waren gestorben, weil irgendwelche verrückten Menschen meinten, Gott spielen zu müssen.

Ob es nun ein Wesker war, irgendwelche Ashfords, ein Simmons oder eine Carla, es machte keinen Unterschied.

Sie waren alle gleich, vollkommen gestört und nicht mehr zu retten.

Wie hatte es jemals so weit kommen können?

Damals hatten sie gedacht, der Ausbruch in Raccoon City wäre schlimm gewesen. Wie naiv sie doch gewesen waren.

Selbst Afrika war nichts gewesen im Vergleich zu dem, was sie zuletzt erlebt hatten.

Nun herrschte zwar halbwegs Ruhe, und es gab keine weiteren Ausbrüche, dafür hatte irgendjemand die B.S.A.A. infiltriert, und Wesker war wieder aufgetaucht.

Ob das nun wirklich besser war, musste wohl jeder für sich selbst entscheiden.

Die Frage war ja auch, was Derjenige erreichen wollte, der sich da eingeschlichen hatte.

War er wirklich nur hinter Piers her?

Hatte er etwas Bestimmtes vor, oder wollte er einfach nur seine Macht demonstrieren?

Und wie passte Wesker in dieses Bild?
 

"Chris? Es gibt Essen", riss ihn nun Rebeccas Stimme aus den Gedanken, und der Soldat hob den Kopf und blinzelte leicht.

Er war vollkommen weg gewesen, voll und ganz in seine düsteren Gedanken vertieft.

Er bemerkte, wie besorgt ihn die Jüngere ansah, aber zum Glück sagte sie nichts dazu, sondern wandte sich wieder ab und deckte den Tisch fertig, auf den Barry nun das Essen stellte.

Es gab Nudeln mit Sauce und verschiedenem Gemüse, dazu Fleischklöße.

Ein recht deftiges Essen, das auf jeden Fall satt machen würde.

Und die Vitamine im Gemüse konnten sicherlich auch nicht schaden.

Eigentlich hatte Chris gar keinen Hunger. Wobei... Hunger schon, nur überhaupt keinen Appetit, und er fühlte sich nicht wohl dabei, von Piers' Seite zu weichen.

Was, wenn in der Zwischenzeit...

"Hier", war da nun wieder Rebeccas Stimme, und die Biochemikerin stand erneut vor Chris und hielt diesem einen gefüllten Teller hin.

Ihr war klar, dass er Ältere jetzt nicht weg gehen und sich zu ihnen setzen würde, nicht, wenn das bedeutete, den Bewusstlosen aus den Augen zu lassen.

Und so musste sie ihm das Essen eben ans Bett bringen, damit er wenigstens überhaupt etwas aß.

"Gewöhn dich aber nicht dran", meinte die Rothaarige mit einem leichten Grinsen, ehe sie sich selbst wieder zu Barry an den Tisch begab.

Schweigend blickte Chris auf den Teller hinab, den Rebecca ihm gegeben hatte, und erneut fragte er sich, womit er nur so gute Freunde verdient hatte.

War das vielleicht ein kleiner Dank für alles, was sie bisher getan hatten?

Aber dann hätte dieser Dank besser Piers gelten sollen, Piers ganz allein.

Warum konnte das Virus ihn nicht einfach wieder gesund machen?

Ob es half, wenn er noch etwas Blut von dem Älteren bekam?

Nein, bei der letzten Dosis hatte er die Krämpfe bekommen und zu atmen aufgehört, das Risiko war zu groß, dass das noch einmal passierte und sie Piers dieses Mal nicht mehr helfen konnten.

Aber was sollten sie dann tun?

Chris konnte nicht einfach hier sitzen und abwarten, während der Mann, den er über alles liebte, so um sein Leben kämpfte.

Seufzend stocherte der Captain mit der Gabel in den Nudeln herum, bekam aber einfach keinen Bissen weiter.

Er wollte nicht, dass Rebecca und Barry sich jetzt auch noch um ihn sorgten, aber er konnte einfach nicht essen. Nicht jetzt.

Sie hatten eine Mikrowelle in dem Appartement, da konnte er sich die Portion notfalls später noch einmal warm machen.

Das war ja kein Problem.

Also stellte er den Teller erst einmal auf das Nachtkästchen und drehte sich dann wieder zu Piers um, dem er vorsichtig über die Wange strich.

Sie war noch immer so heiß, und mittlerweile war die Blässe verschwunden, und die Wangen es Bewusstlosen waren durch das Fieber nun etwas gerötet, was nicht unbedingt besser war.
 

Sein Zustand schien sich überhaupt nicht zu bessern, ganz im Gegenteil.

Zwar lebte und atmete der junge Soldat noch, aber sein Puls war schwach, und das Heben und Senken seiner Brust kaum zu erahnen.

"Es reicht. Wir müssen etwas tun, irgendwas!", schrie Chris nun schon fast, und Rebecca und Barry zuckten am Tisch richtig zusammen bei seiner lauten Stimme.

"Und was?", erwiderte der Älteste, und seine Stimme war kälter als er beabsichtigt hatte, sodass die Rothaarige ihm kurz einen mahnenden Blick zuwarf.

Die Nerven lagen eben nicht nur bei Chris blank.

"Chris, wir verstehen dich ja", erwiderte die Jüngere nun, und sie erhob sich und trat auf den Soldaten zu, der da saß wie ein Häufchen Elend, mal wieder.

"Aber was sollen wir denn tun? Wesker fragen, was er für ein Gift benutzt hat? Piers in ein Krankenhaus bringen und riskieren, dass man ihn da weg sperrt?"

"Dann wäre er wenigstens am Leben..."

Chris' Stimme war leise und schwach, und als er den Blick hob, um Rebecca anzusehen, wirkten seine Augen richtig leer.

"Ich will einfach, dass er lebt, er darf nicht sterben. Nicht so, nicht jetzt, das hat er nicht verdient..."

Tränen rannen bei den Worten über Chris' Wangen, und Rebecca ging vor dem Sitzenden leicht in die Hocke und sah ihn seufzend an.

"Ich weiß. Keiner von uns will, dass Piers stirbt. Und wir werden das auch nicht einfach zulassen. Aber blindlings los stürmen bringt auch nichts. Das solltest du doch am besten wissen."
 

Rebecca wusste, dass diese Worte hart waren, und dass Chris klar war, dass sie auf Edonia und China anspielte, besonders auf China, als Chris bei seinem Rachefeldzug sein gesamtes Team verloren hatte.

Aber ebenso wusste sie, dass diese Worte sitzen würden, und dass der Ältere so zur Vernunft kommen würde.

Er wollte so etwas nicht noch einmal erleben, und er würde seine Freunde nicht in Gefahr bringen, weil er ohne nachzudenken los rannte, um irgendeine Rettung für Piers zu finden.

Er sollte nicht sterben, nein, aber so hart es auch klingen mochte, durfte Chris Piers' Leben nicht über ihrer aller Leben stellen.

Und das war dem B.S.A.A.-Captain auch klar.

Er wollte nicht Barrys oder Rebeccas Leben riskieren, um Piers' zu retten, das wäre falsch gewesen, und das hätte er sich auch niemals verziehen.

Seine Angst um den Jüngeren war nur so groß, und Chris machte sich so unglaubliche Vorwürfe.

Natürlich konnte er nichts dafür, dass Wesker ihn infiziert hatte, aber er fühlte sich so schwach und hilflos.

Piers hatte damals so gut mit dem Virus umgehen können, er hatte seinem Captain das Leben gerettet.

Und als er nun selber infiziert gewesen war? Da hatte er seinen Freund beinahe getötet.

Beinahe... Vorausgesetzt, er gab nicht doch noch auf und starb.

Chris hätte sich das niemals verziehen, und noch einmal hätte er nicht stark bleiben können.

Wenn Piers nun sein Leben ließ, dann würde dessen Captain absinken, und nichts würde ihn dieses Mal wieder hochziehen können.

Nichts und niemand...
 

"Ch...Chris..s..", riss ihn erneut eine Stimme aus seinen Gedanken, und der Brünette starrte auf Piers hinab, der die Augen halb geöffnet hatte und ihn mit erschreckend leerem Blick ansah.

Viel Leben war in diesem nicht mehr zu erkennen, und dem Älteren schnürte es die Kehle zu.

"Nicht reden", flüsterte er, und er ergriff die Hand, die der Jüngere nach ihm ausstreckte.

So musste sich Piers also gefühlt haben, als er im Krankenhaus an Chris' Bett gesessen hatte, bevor dieser gestorben war.

Was, wenn Piers nun auch...

Der Brünette verdrängte diesen Gedanken und konzentrierte sich ganz auf den jungen Mann, der zu ihm aufsah.

Erstaunlicher Weise hatte Piers tatsächlich auf seinen Captain gehört und schwieg nun, zog die Hand des Älteren aber ein wenig runter und lehnte die kochend heiße Wange gegen diese.

"Warte, ich hole dir ein neues Tuch", murmelte Chris, doch Piers hielt seine Hand mit erstaunlicher Kraft fest und schüttelte den Kopf.

"Bleib", hauchte er, während er langsam wieder die Augen schloss.

Weder das Tuch, noch die Tablette hatten bisher etwas gebracht, warum sich also die Mühe machen, das Stück Stoff auszuwechseln?

Da sollte Chris lieber bei ihm bleiben und diese kühle Hand an seiner Wange lassen.

Das war angenehm, und die Nähe beruhigte Piers ein wenig.

Er wusste, dass er ohne Hilfe nicht überleben würde, dich irgendwie machte ihm das gar nichts aus.

Um Chris tat es ihm leid, weil er diesen allein lassen würde, doch Rebecca und Barry würden sich sicherlich gut um ihn kümmern.
 

"Hey... Nicht schlapp machen", hörte Piers die Stimme seines Liebsten besorgt flüstern, und mühsam öffnete er wieder die Augen.

Ihm war so heiß, so unglaublich heiß, und er hatte das Gefühl, einfach nicht mehr atmen zu können.

Etwas röchelnd rang er nach Luft, und durch die Geräusche waren nun auch Rebecca und Barry wieder zum Bett gekommen, und die Rothaarige biss sich etwas auf die Lippen, als sie Piers so sah.

"Wir haben keine Wahl", murmelte sie, und sie wandte den Blick ab, als der Jüngste immer angestrengter röchelte, die Augen fast schon etwas panisch aufgerissen.

"Wir müssen ihn ins Krankenhaus bringen, oder er überlebt die nächsten Stunden nicht..."

Es schien, als hätten sie wirklich keine andere Wahl mehr.

Chris wollte nicht, dass Piers nun starb, und auch, wenn sie ein großes Risiko eingingen, musste es nun wohl sein.

Und er hatte es selber zuvor ja gesagt und durchaus auch so gemeint.

Wenn man Piers einsperrte, würden sie schon einen Weg finden, ihn zu befreien, solange er dann wenigstens am Leben war.

Also atmete der Soldat tief durch, nickte leicht und hob den nun wieder Bewusstlosen vorsichtig auf seine Arme.

Piers atmete noch, aber nur stockend und sehr schwach, es war eher ein Jappsen nach Luft als irgendetwas anderes.

Rebecca öffnete nun die Tür, und Barry schnappte sich sein Handy, um den Weg zum nächsten Krankenhaus raus zu suchen.

Es war das gleiche, in dem auch Chris zuvor gelegen hatte.
 

Als sie schließlich in Barrys Jeep saßen, sagte der Ältere Rebecca die Richtung an, in die sie mussten, und sie nickte nur leicht, ehe sie den Motor startete und den Wagen vom Parkplatz lenkte.

Sie trat ordentlich aufs Gas, fuhr dabei aber dennoch vorsichtig. Schließlich wollte sie keinen Unfall bauen, ebenso wenig aber wertvolle Zeit verlieren.

Ihr Blick fiel kurz in den Rückspiegel, und sie schloss die Finger fester um das Lenkrad.

Piers lag schwer atmend in Chris' Armen, die Augen halb geöffnet, ohne jedoch wirklich bei Bewusstsein zu sein.

Er sah alles andere als gut aus und schien nur immer schwächer zu werden.

Die Rothaarige trat das Gaspedal noch etwas weiter durch, den mahnenden Blick ignorierend, den Barry ihr zuwarf.

Sie würde sein Auto schon nicht schrotten, sie konnte fahren. Und Piers lief nun einmal die Zeit davon.

Mit quietschenden Reifen bog sie um eine Kurve und raste die Straße entlang, fuhr durch einen Kreisverkehr, dann noch einige hundert Meter weiter und bog schließlich in den Weg ein, der zum Krankenhaus führte.

Der Wagen kam zum Stillstand, und fast im gleichen Moment stieß Chris die Tür auf und stieg aus, hob Piers wieder auf seine Arme und lief los, direkt auf die Tür der Notaufnahme zu, ohne auf Barry oder Rebecca zu warten.
 

"Halt durch, halt durch...", murmelte er immer wieder, und er trat durch die automatische Tür, sah sich um und erblickte zwei Ärzte, die auch ihn und Piers sofort bemerkt hatten.

Und man musste kein Fachmann sein, um zu sehen, dass es dem jungen Mann in Chris' Armen alles andere als gut ging.

Der eine Arzt lief los und zum Empfang der Notaufnahme, während der andere eine freie Liege zu den Neuankömmlingen schob und dem Soldaten half, den Bewusstlosen auf dieser ab zu legen.

"Was ist passiert?", wollte er wissen, während er mit einer kleinen Lampe in Piers' Augen leuchtete und seine Hand nahm, um am Handgelenk seinen Puls zu prüfen.

"Ich, er..."

Chris zitterte leicht, und er musste sich zusammenreißen, nicht vollkommen in Panik zu geraten.

"Er wurde verletzt, ein Messer wurde ihm in die Brust gerammt. Mit.. mit Gift dran..."

Der Brünette wusste ganz genau, dass man ihn weiter ausfragen würde, und dass sie sicherlich auch die Polizei einschalten mussten.

Was sollte er dann tun?

Zugeben, dass er selber auf Piers eingestochen hatte?

Er konnte die Situation kaum wahrheitsgemäß erklären.

Oder doch?

Konnte er es riskieren, Wesker zu erwähnen, und das, was wirklich passiert war?

Und wenn, würde man ihm überhaupt glauben?

"Bleiben Sie bitte hier und warten Sie gleich, wir haben noch einige Fragen", meinte der Arzt dann auch nur, wie Chris es erwartet hatte, und er Captain schluckte leicht, überlegte immer noch, was er sagen sollte.

Ihm war nicht wohl dabei, Ärzte und Polizisten zu belügen.
 

Doch erst einmal wurden seine Gedanken ohnehin wieder abgelenkt, als der Arzt nun noch nach Piers' Blutgruppe und Versicherungsnummer fragte.

Es war Glück, dass Chris beides wusste, und er nannte die Blutgruppe und die Nummer, während er auf seinen Liebsten hinab sah.

Immer diese ganzen Fragen, immer diese unnötige Zeitverschwendung, die über Leben und Tod eines Menschen entscheiden konnte.

"Helfen Sie ihm, bitte...", flehte Chris, und er verstand einfach nicht, warum diese ganzen Formalitäten nicht warten konnten.

Was, wenn jemand nicht versichert war? Ließ man solche Leute dann einfach sterben? War die Welt wirklich so grausam?

Chris schüttelte sich innerlich bei diesen Gedanken, und er war froh, dass sie dank ihrer Arbeit bei der B.S.A.A. gut versichert waren.

Wirklich zu helfen schien diese Tatsache gerade aber nicht, denn noch immer stand die Liege mit Piers einfach hier rum, und der Arzt war zu seinem Kollegen an den Empfang gegangen, um irgendwas mit diesem zu besprechen.

Das war doch wohl ein schlechter Scherz oder?

"Verdammt, helfen Sie ihm endlich!", schrie Chris nun förmlich, und er stapfte auf die beiden Ärzte zu, die ihn etwas unsicher, aber auch beinahe genervt ansahen.

"Es muss alles seine Richtigkeit haben", meinte der eine Arzt nur, und Chris knurrte nun regelrecht, und er packte den Kerl am Kragen und drückte ihn mit dem Rücken gegen den Empfangsschalter.

"Ich sagte, Sie sollen ihm helfen. Ist das so schwer zu begreifen?!"
 

Doch noch ehe der Soldat dem Arzt wirklich etwas hätte antun können, hatten Rebecca und Barry das Gebäude betreten, und die Jüngere blickte erschrocken zu der Szene, die sich da vor ihnen abspielte, und ihr Blick wanderte von Chris und den Ärzten zu Piers, der auf der Liege lag, und auch ihr Blick wurde nun wütend.

Sie hatten durchaus gehört, was Chris gefordert hatte, so laut wie er gewesen war.

"Was ist das Problem?", mischte Barry sich nun ein, und die Rothaarige nutzte die kleine Ablenkung und ging zu dem jungen Soldaten.

Eine Krankenschwester kam gerade vorbei, und Rebecca zeigte ihr ihren Ausweis des Alexander Instituts und bat um ein freies Zimmer, um sich um den neuen Patienten kümmern zu können.

Etwas verwirrt und überfordert gewährte die Schwester Rebecca Zutritt zu einem der Behandlungsräume, und die Biochemikerin grinste leicht und versuchte, Chris und Barry ein unauffälliges Zeichen zu geben.

Wenn die Ärzte meinten, hier wertvolle Zeit verschwenden zu müssen, würde sie sich eben erst einmal selber um Piers kümmern.

Das gab zwar im Nachhinein sicherlich Ärger, aber das war immer noch besser als den jungen Mann einfach sterben zu lassen.

Und vielleicht würde sie mit ihrem Ausweis und ein paar gut gewählten Worten sogar überzeugend genug sein, dass man sie gewähren ließ.

Einen Versuch war es allemal wert.
 

Rebecca schob die Liege mit Piers nun in den Raum und stellte sie an der Wand ab, ehe sie die Bremse aktivierte, damit das Teil nicht einfach irgendwann davon rollte.

"Dann wollen wir mal sehen. Ich bin sicher, dass ich mit den passenden Utensilien schon rausfinde, was Wesker dir angetan hat", murmelte die Rothaarige vor sich hin, und sie wuselte durch den Raum und nahm sich alles, was sie brauchte, ehe sie zur Liege zurück kehrte und die Sachen auf einem Tischchen daneben ablegte.

Vorsichtig band sie nun Piers' Oberarm ab und nahm ihm schließlich vorsichtig etwas Blut ab.

Wenn sie nun schon alles da hatte, um es richtig zu machen, dann wollte sie das auch tun.

Sie tupfte die Stelle ab, an der sie die Spritze angesetzt hatte und klebte ein Pflaster darauf, nachdem sie den Gurt wieder entfernt hatte.

Irgendwie musste Rebecca diese Probe ins Labor bekommen, und das war vermutlich das Schwierigste an der ganzen Sache.

Aber auch da würde sie sich schon etwas einfallen lassen.

Jetzt würde sie sich erst einmal um die Verletzung kümmern und darum, dass Piers wieder besser atmen konnte.

Das Gift zu analysieren brachte auch nichts, wenn der Jüngere nun einfach erstickte oder doch noch verblutete.

Das war nun wirklich nicht der Plan. Sie waren ja schließlich hier, um ihn zu retten. Und genau das hatte Rebecca nun auch vor.
 

Sie atmete einmal tief durch, dann zog sie schon mal einige Geräte an die Liege heran, legte Piers eine Sauerstoffmaske an, und begann vorsichtig, den Verband von seinem Brustkorb zu lösen.

Die Wunde sah gar nicht gut aus, und Rebecca verzog etwas das Gesicht.

Man erkannte an den Wundrändern eine deutliche Verfärbung, die ganz offensichtlich von dem Gift stammte, und ein wenig schien sich die Verletzung auch entzündet zu haben.

Ganz vorsichtig begann die Biochemikerin nun also, die Wunde zu säubern und zu desinfizieren, so gut es eben ging, bevor sie sich daran machte, sie vernünftig zu vernähen.

Die Blutung stoppte endgültig, und Rebecca säuberte und desinfizierte die vernähte Wunde nun noch einmal, bevor sie Piers einen neuen und sauberen Verband anlegte.

Der Jüngere hatte sich die ganze Zeit über kein einziges Mal geregt und auch keinen Laut von sich gegeben, und die Rothaarige blickte ihn deutlich besorgt an.

Hoffentlich kam ihre Hilfe nicht zu spät.

Sie drückte die Finger gegen Piers' Hals und atmete etwas auf, als sie einen schwachen, aber halbwegs regelmäßigen Puls spürte.

Nur das Atmen schien dem jungen Soldaten noch immer Probleme zu bereiten, man sah, dass die Maske schwach und unregelmäßig beschlug.

Wenn es so nicht reichte, musste Rebecca den Bewusstlosen an ein richtiges Beatmungsgerät anschließen.

Aber sie hoffte, dass er noch ein bisschen Kraft aufbringen und so durchhalten konnte.

Mit allem soweit fertig, schloss die Biochemikerin Piers nun noch an einige Geräte an, die seinen Zustand überwachten und es ihr leichter machten, den Überblick zu behalten.

So musste sie nicht selber alle paar Sekunden panisch nach dem Puls des Jüngeren tasten.
 

Es war mittlerweile einiges an Zeit vergangen, und Rebecca fragte sich, warum noch niemand zu ihr gekommen war.

Ob Chris und Barry noch immer mit den Ärzten diskutierten?

Sie wollte sich gerade der Tür zuwenden und nachsehen, als diese mit einem Mal auf gestoßen wurde, und einer der Ärzte den Raum betrat.

Der Kerl sah wirklich alles andere als begeistert aus, und die Rothaarige setzte ihr überzeugendstes Lächeln auf, während sie aufgefordert wurde, ihr Tun zu erklären.

Und wie zu erwarten, drohte der Kerl sogar mit der Polizei.

Was die beiden Männer ihm wohl erzählt hatten?

Hoffentlich nichts, das ihren Plänen widersprach.

Rebecca trat auf den Mann zu und holte wieder ihren Ausweis hervor, den sie dem Arzt nun hin hielt.

Die Fähigkeiten einer Frau wie Ada Wong wären hier hilfreich gewesen, aber sie bekam das schon irgendwie hin.

"Das hier ist eine offizielle Angelegenheit, für eine Studie von höchster Wichtigkeit", erklärte die Rothaarige nun, wobei sie so ernst und offiziell wie möglich klang.

Ihr Blick fiel zu Piers, und sie verschränkte leicht die Arme.

"Er ist infiziert, und wir müssen uns darum kümmern, heraus zu finden, um was für ein Virus es sich handelt, um es zu neutralisieren. Am besten, ohne diesen Mann dabei sterben zu lassen. Es besteht jedoch kein Grund zur Sorge. Es ist nicht ansteckend."

Der Arzt musterte Rebecca etwas unschlüssig, ehe auch sein Blick zu Piers fiel, und er leicht die Stirn runzelte.

"Warum haben Sie..."

"Das nicht gleich gesagt?", unterbrach die Biochemikerin den Arzt, und sie schüttelte nur leicht den Kopf.

Je mehr sie sagte, desto weniger konnte er fragen.

"Durch das emotionale Auftreten von Mr. Redfield lief das alles nicht ganz nach Plan, und ich wollte keine Zeit verlieren. Ich entschuldige mich dafür."
 

Rebecca hatte etwas den Kopf gesenkt, und sie betete innerlich, dass der Arzt ihr glaubte.

Wenn nicht, hatten sie ein ernsthaftes Problem, denn dann würde man wirklich die Polizei rufen, und Piers würden sie nicht mehr helfen können.

Doch der Arzt schien der Rothaarigen tatsächlich zu glauben, und er blickte nochmal auf ihren Ausweis hinab, den er noch immer in der Hand hielt.

"Darf ich?", hakte Rebecca nun nach, und sie streckte die Hand nach ihrem Ausweis aus.

Es war am besten, den Kerl jetzt erst einmal von diesem ab zu lenken und dafür zu sorgen, dass er wieder seiner Arbeit nachging.

Und das schien auch tatsächlich zu klappen.

"Natürlich, ähm, Professor Chambers", antwortete der Arzt, mit einem Mal erstaunlich höflich, und er reichte der Jüngeren den Ausweis zurück.

"Entschuldigung, ich störe nicht weiter..."

Etwas verwirrt sah Rebecca dem Mann nach, als dieser den Raum verließ, und mit einem erleichterten Seufzen drehte sie sich wieder zu Piers, schloss die Augen und atmete ein paar Mal tief durch.

"Das ist ja gerade nochmal gut gegangen."

Sie wollte sich gar nicht ausmalen, was passiert wäre, hätte der Typ ihr letztendlich doch nicht geglaubt.

Aber das hatte er, und nun blieb nur zu hoffen, dass er nicht nachforschte und das Institut oder die B.S.A.A. anrief.

Denn dann konnte diese Sache noch immer ganz schnell nach hinten losgehen.

Aber darum mussten sie sich notfalls später kümmern.

Jetzt galt es erst einmal, das Gift zu identifizieren und Piers wieder gesund zu machen.

Alles andere würden sie dann regeln, wenn es soweit war.

Hoffentlich...

Vom Pech verfolgt

Kaum war der Arzt gegangen, hatten Chris und Barry das Zimmer betreten, und Rebecca sah etwas auf und musterte die beiden Männer.

Chris wirkte ziemlich angespannt, aber das war ja auch wirklich kein Wunder.

Er sorgte sich sehr um Piers und war wütend, weil man diesem nicht gleich geholfen hatte.

Ohne Rebeccas Eingreifen hätte der junge Mann vielleicht selbst jetzt noch da draußen auf dem Gang gelegen.

„Danke…“, murmelte der Brünette leise, als er auf die Liege zu gegangen war und auf seinen Liebsten hinab geblickt hatte.

Rebecca hatte sich in der Zeit wirklich gut um den Scharfschützen gekümmert, und nun blieb nur zu hoffen, dass dieser sich endlich etwas erholen konnte.

Aber da war ja noch immer das Gift, das sie analysieren mussten.

Bisher hatte Rebecca den Arzt überzeugen können, und Chris hatte sich zwar noch etwas aufgemuckt, sich von Barry dann aber schließlich beruhigen lassen, sodass die Beiden am Empfang nichts mehr gesagt hatten, was Rebeccas Plan irgendwie gefährden konnte.

Vielleicht würde man sie tatsachlich ins Labor lassen, aber es konnte auch genauso gut sein, dass sie ihr Glück damit überstrapazierten.

Auf der anderen Seite war es ja nicht so, dass sie wirklich eine Wahl hatten.

Die Wunde war vernäht, und durch den zusätzlichen Sauerstoff konnte Piers wieder halbwegs atmen, aber er war noch lange nicht außer Gefahr.

Das Fieber war noch immer recht hoch, und der junge Soldat hatte das Bewusstsein noch nicht wiedererlangt.

Nein, er brauchte nach wie vor Hilfe, sein Körper konnte noch immer aufgeben.

„Wir müssen sein Blut untersuchen lassen, aber dazu muss ich ins Labor“, murmelte Rebecca nun, und sie drehte nachdenklich die Spritze mit Piers‘ Blut in der Hand.

„Meinst du, man lässt dich?“

„Bisher war ich sehr überzeugend, und der Arzt denkt, das hier wäre etwas Offizielles. Ich habe ihm auch gesagt, dass Piers infiziert ist, und dass wir angeblich herausfinden müssen, um was für ein Virus es sich handelt, also denke ich… Ja, ich denke, man wird mich ins Labor lassen.“

Chris neigte etwas den Kopf, und er seufzte leise auf.

„Dann hoffen wir mal, dass uns das Glück noch ein wenig hold bleibt.“

So richtig konnte er daran allerdings noch nicht glauben, nicht nach allem, was bisher geschehen war.
 

Rebecca atmete noch einmal tief durch, und sie versicherte Chris und Barry, dass alles gut werden würde, auch wenn sie selber ebenso wenig Hoffnung hatte.

Ein ungutes Gefühl beschlich sie, aber vielleicht war das auch einfach nur die Nervosität.

Sie hoffte so sehr, dass alles gut ging.

Und da es nichts brachte, sich noch mehr Gedanken zu machen und es hinaus zu zögern, straffte die Rothaarige etwas die Schultern und verließ schließlich das Zimmer.

Tatsachlich gewährte der Arzt ihr Zutritt zum Labor, jedoch nur unter Aufsicht.

Da würden die Leute am Ende vermutlich ziemlich doof gucken, wenn sich herausstellte, dass es hier um gar kein Virus ging.

Auf der anderen Seite würde die Blutanalyse natürlich auch das C-Virus aufzeigen, und Rebecca konnte ja jederzeit behaupten, ebenso überrascht zu sein, was das Gift anging.

Sie hoffte ohnehin einfach nur, dass man Piers nicht hier behielt, sobald sie das Virus erkannten.

Würden sie es überhaupt erkennen?

Von was für einem Virus ging man hier aus?

So etwas wie Grippe, oder ahnte irgendwer hier, um was es wirklich ging?

Naja, Rebecca würde es ja bald sehen.

Es gab jetzt kein Zurück mehr, und sie wollte ja auch wissen, was es war, das dem jungen Soldaten so zusetzte, was für ein Gift in der Lage war, das Virus so sehr zu schwächen.

Sie bezweifelte, dass diese Schwäche noch immer an den Antikörpern lag, die man Piers in dem Labor der B.S.A.A. verabreicht hatte.

Und wenn doch? Wenn das Zeug letztendlich doch gewirkt hatte?

Verdammt, es brachte nichts, sich über Wenns und Abers den Kopf zu zerbrechen.

Rebecca würde das Blut analysieren, und dann würde sie ja sehen, was nun Sache war.

Sie musste aufhören, Piers‘ wertvolle Lebenszeit zu verschwenden.

Wenn der da oben starb, weil sie hier versuchte, Detektivin zu spielen, verzieh sie sich das niemals.
 

Die Rothaarige schüttelte den Kopf über sich selbst und wollte gerade die Blutprobe in einen kleinen Behälter geben, als mit einem Mal ein ohrenbetäubender Knall zu hören war.

Im nächsten Moment wurde es gleißend hell und heiß, noch lauter, und irgendetwas streifte Rebecca mit einer solchen Wucht am Arm, dass sie zur Seite gestoßen wurde und mit einem keuchenden Laut auf dem Boden aufschlug.

Stimmen wurden laut, irgendjemand schrie etwas, neben Rebecca ging irgendetwas zu Boden, mit einem lauten Rumsen.

Eine Menge Staub wurde aufgewirbelt, und die Biochemikerin hustete ein paar Mal, ehe sie blinzelnd die Augen öffnete und sich etwas auf die Seite drehte.

Neben ihr war ein Balken zu Boden gekracht, und ein Arm lugte unter diesem hervor.

Benommen und mit schmerzverzerrtem Gesicht rappelte die Rothaarige sich auf, und sie erstarrte, als sie nun das gesamte Ausmaß der vorherigen Geräusche erkannte.

Von dem Labor war kaum noch etwas übrig.

Überall lagen Trümmer und Möbel verstreut, die Decke war eingestürzt und gab den Blick auf die darüber liegende Etage frei.

Rebecca wurde langsam klar, was für ein verdammtes Glück sie gehabt hatte. Um sie herum war kaum noch freie Fläche, und wäre sie nur ein paar Zentimeter weiter zu Boden gegangen, wäre sie jetzt nicht mehr am Leben gewesen.

„Oh mein Gott…“

Sie schüttelte den Kopf, atmete tief durch und bahnte sich einen Weg durch die Trümmer.

Irgendwie musste sie nach oben kommen, zu Piers und den anderen Beiden.

Noch immer waren Stimmen zu hören, und Schritte, schnelle und panische Schritte.

Noch einmal knallte es, und da, wo Rebecca zuvor gestanden hatte, krachte nun ebenfalls die Decke ein, und mit dieser die halbe darüber liegende Etage.
 

Mehrere Betten, Rollstühle und sonstige Gegenstände fielen nun ins Labor, und Rebecca machte einen Satz zur Seite, als einer der Ärzte vor ihr herunter fiel und von einem Trümmerteil regelrecht aufgespießt wurde.

Die Rothaarige schlug sich die Hände vor den Mund und taumelte etwas zurück, stolperte über einen weiteren Körper und fiel selber wieder hin.

Das war ein wahrer Albtraum, und sie spürte, wie noch immer Bewegung durch das Gebäude ging.

Es war noch lange nicht damit fertig, einzustürzen, und hier im Keller war Rebecca am denkbar schlechtesten Ort.

Bisher hatte sie Glück gehabt, da musste ein riesiger Schutzengel über ihr schweben. Aber wer wusste schon, wie lange dieser noch da sein würde.

Und was war mit den Anderen?

Waren sie in Ordnung? Lagen sie irgendwo unter den Trümmern begraben?

Hier unten schien außer ihr schonmal niemand mehr am Leben zu sein.

Etwas mühsam stemmte die Biochemikerin sich wieder hoch, und sie lehnte sich kurz gegen eine Wand, schloss für einen Moment die Augen und atmete ein paar Mal tief durch, ehe sie versuchte, irgendwie zum Treppenhaus zu kommen.

Auch hier war einiges eingestürzt, und einen normalen Weg nach oben gab es nicht mehr.

Wenn man ein wenig kletterte, konnte man es aber in die Überreste der oberen Etagen schaffen.

Also machte sich Rebecca daran, sich an den Trümmern hoch zu ziehen, denn hier unten bleiben kam nicht in Frage.

Es rumorte, Staub rieselte von der Decke, und die Rothaarige schrie etwas auf, als wenige Meter neben ihr der Fahrtsuhl hinab sauste und mit ohrenbetäubendem Lärm unten aufschlug.

Einige der Trümmer drohten, ein zu stürzen, und mit einem Mal trat Rebeccas Fuß ins Leere, und sie riss die Augen auf, wissend, dass es nun mit ihr vorbei sein würde.
 

Doch mit einem Mal packte eine kräftige Hand nach ihrer und zog Rebecca nach oben.

Keuchend ließ sie sich auf die Knie sinken, und es dauerte einen Moment, bis sie begriffen hatte, dass sie nicht tot war.

Vorsichtig hob die Rothaarige den Kopf an und erkannte Chris, der sie besorgt musterte.

„Das war knapp.“

Ja, das hatte sie auch bemerkt.

„Danke“, murmelte Rebecca leise und mit etwas zitternder Stimme, und sie ließ sich von dem Älteren auf die Beine ziehen.

Hier oben sah es kaum besser aus als unten im Labor, und an einer Seite des Gebäudes fehlte die komplette Außenwand.

„Wo ist Barry? Und… und Piers?“

An Chris‘ Gesichtsausdruck erkannte sie, dass etwas Schlimmes passiert sein musste.

„Sind sie…?"

Rebecca wagte gar nicht, ihre Befürchtung auszusprechen.

„Barry ist ins untere Stockwerk gestürzt, als die Explosion den Boden im Gang hat einstürzen lassen. Ich wollte einen Weg nach unten suchen, und dann…“

„Dann hast du mich gefunden…“

Und dafür war Rebecca unendlich dankbar.

Ohne Chris wäre sie runter gestürzt und hätte sich vermutlich alle Knochen gebrochen. Oder sie wäre ebenso durchbohrt worden wie der arme Arzt zuvor.

„Und Piers? Was ist mit ihm?“

Die Rothaarige hatte Angst vor der Antwort.

So geschwächt wie Piers gewesen war, war es nur logisch, dass er…

„Er ist verschwunden…“

Das war nicht die Antwort, die Rebecca erwartet hatte, aber es war zumindest besser als ein „Er ist tot“.

Dennoch beunruhigte sie Chris‘ Aussage.

„Wie?“, wollte sie nun wissen, aber der Ältere schien darauf keine wirkliche Antwort zu haben.

„Ich habe gesehen, wie Barry abgestürzt ist, und als ich mich umgedreht und wieder ins Zimmer geschaut habe… war das Bett leer…“
 

Das war wirklich nicht gut, und da Piers in seinem Zustand sicher nicht einfach aufgestanden und weg gerannt war, noch dazu ohne seinen Captain, war klar, was passiert sein musste.

Und Chris hatte erwähnt, dass das Bett leer gewesen war, und nicht ebenfalls verschwunden. Und das bedeutete, dass Piers, anders als Barry, nicht einfach in die Etage darunter gefallen war.

„Was… was machen wir jetzt?“, fragte Rebecca leise, auch wenn sie die Antwort eigentlich schon kannte.

„Wir versuchen, Barry zu finden und zu retten, und danach müssen wir herausfinden, wo Piers ist.“

Die Jüngere nickte nur knapp und sah zu den Trümmern, über die sie hoch geklettert war.

Hier ging es nicht mehr runter, und selbst wenn, war das Labor komplett verschüttet und vom Rest des Kellers abgeschottet. Also mussten sie einen anderen Weg finden, und der Brünette wandte sich auch gleich um und ging vor.

Rebecca war durchaus überrascht, wie ruhig Chris war, aber sie wusste, dass das nach außen hin einfach nur so wirkte.

Innerlich musste der Soldat vollkommen aufgewühlt sein und fast krank vor Sorge um Barry und Piers.

Und der Biochemikerin ging es da ja nicht anders.

Aber im Moment brachte es nun einmal auch nichts, in Panik zu geraten und sich verrückt zu machen.

Zumal in dieser Situation jeder kleine Fehltritt ihren Tod bedeuten konnte.

Denn noch immer stürzten hier und da Teile des Krankenhauses ein, und immer wieder zuckte Rebecca zusammen, wenn Staub von den Resten der Decke auf sie hinab rieselte oder es doch wieder irgendwo knallte.

Irgendwann waren sie bei dem Zimmer angekommen, in dem Piers gelegen hatte, und wo Barry in die untere Etage gestürzt war.

Sie fanden hier tatsachlich einen halbwegs sicheren Weg nach unten, wieder über einige Trümmer, und gelangten so in den Keller, wo sie sich suchend nach dem Ältesten umsahen.

Es war dunkel, Strom schien es keinen mehr zu geben, und eine Menge Staub und Rauch hingen in der Luft und machten das Atmen zur Qual.

Doch weder Chris, noch Rebecca dachten daran, einfach zu gehen und Barry hier zurück zu lassen.
 

Und tatsachlich zahlte sich ihre Hartnäckigkeit nach einer Weile des Suchens aus.

Sie hatten den Älteren endlich entdeckt und waren mit wenigen Schritten bei ihm.

Barry lag unter mehreren Trümmern begraben, Blut lief aus einer Platzwunde an seinem Kopf und in einem dünnen Rinnsal über seine Lippen.

Aber er war am Leben.

"Oh Gott...", hauchte Rebecca, und sie trat vorsichtig näher, passte dabei aber auf, kein Trümmerteil zu bewegen. Sie wollte den Mann nicht noch weiter verletzten.

"Barry... Hörst du mich? Lebst du noch?", fragte sie nun leise, und die Rothaarige atmete etwas auf, als der Angesprochene die Augen aufschlug und zu ihnen sah.

"So halbwegs", brummte er, und er verzog leicht das Gesicht.

Ja, Barry war am Leben, aber er würde hier nicht so einfach weg kommen.

Der Sturz war nicht ohne gewesen, und die Trümmer hatten ihn ziemlich gut eingeklemmt.

Zudem konnte er seine Beine überhaupt nicht mehr spüren, was sicherlich auch kein gutes Zeichen war.

Aber besser so als tot zu sein.

"Wo ist Piers? Geht's ihm gut?"

Trotz seiner eigenen Schmerzen sorgte er sich natürlich um den Jüngsten, und die Explosion hatte diesem sicherlich auch nicht gut getan.

Doch Chris wandte nur den Blick ab, und Rebecca kaute leicht auf ihrer Unterlippe herum.

"Er... Er ist verschwunden."

"Verschüttet?"

"Es sieht nicht danach auch. Eher... Entführt. Zumindest vermute ich das", murmelte Chris nun, und er sah doch wieder zu den Beiden und musterte seinen alten Freund besorgt.

"Wie auch immer, erstmal sollten wir dich..."

Doch Barry unterbrach den Brünetten mit einem leichten Kopfschütteln, und er versuchte, ein paar Mal tief durch zu atmen.

Mittlerweile hatte er die Lage halbwegs analysieren können.

Er würde überleben, vorausgesetzt, es stürzten nicht noch mehr Trümmer auf ihn. Aber er war zumindest nicht tödlich verwundet, und so durften die anderen Beiden nun nicht ihre Zeit mit ihm verschwenden.

In der Ferne hörte man bereits, wie sich Sirenen näherten, und bald würde jemand kommen und ihm helfen. Und bestimmt lebten auch noch einige der Ärzte hier.

"Geht, ich komme klar. Scheint, als wären bereits Krankenwagen von woanders auf dem Weg", meinte Barry deshalb auch direkt, und er seufzte leise und versuchte, sich so wenig wie möglich zu bewegen.

Er machte sich keine Sorgen um sich selbst, er packte das schon. Es ärgerte ihn nur, dass er nun vermutlich eine ganze Weile lang nicht mehr würde helfen können.

"Bist du sicher? Einer von uns könnte...", begann Chris, doch Barry ließ ihn mit einem leisen Murren verstummen.

"Ihr müsst Piers finden. Wenn Wesker hinter alledem steckt, hat der sicherlich nichts Gutes vor, und der Junge ist immer noch angeschlagen." Außerdem konnte das Gebäude noch weiter einstürzen, und würde dann auch Chris und Rebecca unter sich begraben. Und das wollte Barry auf keinen Fall.

Der Jüngere senkte leicht den Blick, und ihm war anzusehen, dass es ihm ganz und gar nicht gefiel, den Verwundeten hier zurück zu lassen.

Doch der hatte Recht, vor allem, was Wesker betraf. Und wer sonst sollte das hier verursacht haben? Es war genauso gekommen, wie sie die ganze Zeit über befürchtet hatten. Wie viele Menschen waren hier wohl verletzt worden oder gar gestorben, wegen ihnen?

Aber Chris schüttelte diese Gedanken erst einmal ab und wandte sich wieder dem Älteren zu.

Eine Ambulanz war bereits auf dem Weg hierher, und sie selber konnten Barry gerade ohnehin kaum helfen, nicht, ohne weitere Verletzungen zu riskieren.

Und er wirkte auch nicht so, als würde er gleich einfach tot zusammenbrechen. Der Mann war zäh, und er würde das schon überleben.

"Na schön", gab Chris schließlich nach, und er ließ den Blick kurz durch den Keller des Krankenhauses wandern, oder zumindest durch das, was von diesem übrig war.

Das war eine ziemlich heftige Explosion gewesen, und Rebecca und er hatten verdammtes Glück gehabt.

Die Jüngere hatte ein paar Kratzer und eine leichte Beule an der Stirn abbekommen, und ihr Arm schmerzte ein wenig, was jedoch zu ertragen war. Der Soldat selber war ebenfalls mit einem etwas schmerzenden Arm und einigen Prellungen davon gekommen.

Durch seine Sorge um Barry und Piers spürte Chris die Schmerzen aber ohnehin so gut wie gar nicht.
 

Noch immer etwas unsicher, und alles andere als begeistert über die Entscheidung des Älteren, wandte Chris sich ab und atmete einmal tief durch.

Hoffentlich wurde Barry nicht noch ganz verschüttet, hoffentlich kam er lebend hier raus.

Aber nun musste er selber sich erst einmal darum kümmern, dass er Rebecca aus dem Krankenhaus raus brachte.

Sie nahmen wieder den Weg über die Trümmer nach oben, und wieder zog Chris die Jüngere vorsichtig auf die Beine.

Er merkte, dass sie kurz etwas strauchelte, und sein Blick wurde ein wenig besorgter.

Rebecca war blass. Nicht, dass sie sich den Kopf doch ernsthaft verletzt hatte?

Kurzerhand schnappte der Ältere sich die Rothaarige und hob sie auf seine Arme, was Rebecca mit einem erschrockenen Quietschen quittierte.

„Chris, lass… lass mich runter“, murrte sie, doch der Soldat achtete gar nicht auf ihre Proteste.

Er bahnte sich einen Weg durch die Trümmer und schaffte es tatsächlich, relativ schnell voran zu kommen.

Sie kamen zum Ausgang, und dort waren bereits Sanitäter anwesend, die sich um die Leute kümmerten, die es schon aus dem Krankenhaus heraus geschafft hatten.

Es waren so wenige, und Chris fragte sich, wie viele tot waren, und wie viele irgendwo eingeklemmt oder verschüttet, so wie Barry.

Sanft ließ der Brünette Rebecca nun runter, und er wollte einen der Sanitäter ansprechen, der gerade in das Gebäude rein wollte.

Doch noch ehe Chris etwas hätte sagen, oder der Andere einen Schritt hätte machen können, stürzte das Krankenhaus mit einem Mal endgültig ein, wie ein Kartenhaus, das jemand einfach mit der Hand vom Tisch gefegt hatte, und mit einem weiteren, ohrenbetäubenden Knall.

Vollkommen erstarrt blickte Chris zu den Trümmern, und Rebecca griff nach seiner Hand und hielt diese ganz fest.
 

Passierte das gerade wirklich?

Waren sie so sehr vom Pech verfolgt, dass alles schief ging, das nur irgendwie schief gehen konnte?

Barry war nun vermutlich verloren, Piers entführt, und all diese Menschen…

Der Soldat bemerkte gar nicht, wie seine Beine nachgaben, hörte nicht, wie Rebecca seinen Namen schrie.

Das alles war gerade einfach zu viel für ihn.

Der Arm schmerzte mit einem Mal doch mehr als gedacht, und etwas Blut lief von der rechten Schulter und der Stirn des Brünetten, der nun einfach zusammenbrach.

Sofort waren zwei der überlebenden Ärzte bei ihm und kümmerten sich um den Bewusstlosen.

Rebecca stand einfach nur da, starrte auf Chris hinab, und sah dann wieder zu den Trümmern, von denen nun immer mehr Flammen und Rauch aufstiegen.

Eine weitere Explosion erklang mit einem Mal, als das Feuer einige Mittel im Labor erreicht hatte, und wieder wurde es gleißend hell und heiß. Wenn zuvor noch irgendwer in diesem Gebäude gelebt hatte, war von ihm jetzt nur noch Schutt und Asche übrig.

Tränen rannen über Rebeccas Wangen, und die Biochemikerin ließ sich zitternd zu Boden sinken.

Es war ihre Schuld.

Sie hatte vorgeschlagen, Piers doch ins Krankenhaus zu bringen.

Sie hatten doch gewusst, was für ein Risiko das war.

Natürlich hatte Wesker sie beobachtet, und natürlich hatte er nicht zugelassen, dass nun alles glatt lief.

Nein, noch bevor Rebecca die Blutprobe hatte untersuchen können, war bereits das halbe Krankenhaus in die Luft geflogen.

Piers war verschwunden, Barry war sehr wahrscheinlich tot, und mit ihm so viele andere Menschen, die sie in diese Sache mit hinein gezogen hatten.

Und das nur, weil sie so egoistisch gewesen waren und Piers einfach nicht hatten sterben lassen wollen.

Dem Scharfschützen machte Rebecca keine Vorwürfe, er konnte nichts dafür.

Und sie wusste, dass er selber lieber freiwillig gestorben wäre, als das hier zu riskieren.

Doch nun war das, was geschehen war, ohnehin nicht mehr ändern, und vielleicht war Piers auch schon tot, und das alles war vollkommen umsonst gewesen…

Und nun einmal anders herum

Aber Piers war nicht tot. Immer noch geschwächt und vergiftet, dem Tod vermutlich näher als dem Leben, doch noch hatte er die Schwelle nicht überschritten.

Und langsam kam er sogar wieder zu sich.

Müde hob der Scharfschütze den Kopf an und verzog leicht das Gesicht.

Alles drehte sich, und sein ganzer Körper schmerzte.

Er versuchte, sich zu bewegen, doch wie schon im Labor der B.S.A.A. war er mit Eisenketten an die Wand gefesselt.

Der Raum, in dem Piers sich dieses Mal befand, war jedoch recht groß und hell erleuchtet.

So hell, dass es den jungen Soldaten schon richtig blendete und ihm nun zusätzlich auch noch Kopfschmerzen bereitete.

Was war passiert? Warum war er hier?

Piers erinnerte sich nur verschwommen daran, wie Chris ihm das Messer in die Brust gerammt hatte.

Er war zusammengebrochen und nur selten mal für ein paar Momente wach gewesen.

Dann das Motelzimmer... Er erinnerte sich, wie er kurz mit Chris gesprochen hatte. Und dann hatte er einfach keine Luft mehr bekommen.

Dass die Anderen mit ihm ins Krankenhaus gefahren waren, wusste er nicht, davon hatte Piers gar nichts mehr mitbekommen.

Er konnte es sich jedoch denken und ging im ersten Moment davon aus, dass man das Virus entdeckt und ihn geschnappt hatte.

Und geschnappt hatte man ihn ja auch, allerdings nicht für das Virus.

Und als der junge Soldat nun noch einmal etwas den Kopf anhob und ein paar Mal blinzelte, erkannte er, wie jemand den Raum betrat und auf ihn zu ging.

Es kostete Piers große Mühe, sich wach zu halten.

Ihm war noch immer so unglaublich heiß, und am liebsten hätte er sich einfach seiner Schwäche hingegeben.

Aber als er Wesker nun erkannte, wusste der junge Soldat, dass er nicht wieder abdriften durfte.
 

"Du bist also wach. Ich bin beeindruckt", sagte die Stimme des Blonden, und er trat nun ganz auf Piers zu und legte eine Hand unter sein Kinn, um den Kopf anzuheben, den der Jüngere nun trotzdem erst einmal wieder gesenkt hatte.

Ja, wach war er, irgendwie.

Aber offensichtlich trotz seiner Sturheit und des Versuchs, sich auch weiterhin wach zu halten, kaum ansprechbar.

Das Gift wirkte besser als gedacht.

Der ehemalige S.T.A.R.S.-Captain musste zugeben, dass er eine Weile lang befürchtet hatte, dass das verbesserte C-Virus in Piers' Körper zu stark sein könnte und in der Lage sein würde, das Gift abzuwehren.

Aber das war nicht der Fall gewesen.

Offensichtlich gab es noch etwas anderes, das den Körper des Soldaten schwächte, und das war dem Blonden zugute gekommen.

Nachdenklich blickte er nun in die halb geöffneten Augen des jungen Mannes, und obwohl in diesen kaum Leben zu sein schien, blickten sie den Älteren doch erschreckend kalt und stur an.

Selbst so halb tot war Piers also offensichtlich noch immer Piers.

Aber auch das würde nicht mehr lange so bleiben.

Weskers letzter Plan war schiefgelaufen, und Chris war seiner Kontrolle entkommen.

Das war ärgerlich gewesen.

Doch mittlerweile hatte der Blonde seine Niederlage überwunden und sich einen neuen Plan zurechtgelegt.

Natürlich hatte er die Anderen beobachtet, und natürlich war auch er es gewesen, der das Krankenhaus hatte sprengen lassen.

Erst war das alles ein wenig unpraktisch gelaufen. Piers war von Professor Chambers in eines der Behandlungszimmer gebracht worden, obwohl die Ärzte sie hinhalten sollten, und die Sprengung selbst war auch nicht ganz so verlaufen wie geplant, aber letztendlich war der Plan doch aufgegangen.

Und eigentlich war es Wesker auch egal gewesen, ob nun irgendjemand überlebte oder nicht, oder ob das Krankenhaus am Ende noch immer stand.

Er war nur an Piers interessiert gewesen.
 

Und Piers hatte er bekommen.

Und er musste sich nicht einmal selber um seine Verletzungen kümmern.

Das hatte Rebecca bereits für ihn erledigt.

Zugegeben, auch tot hätte der Jüngere dem Blonden noch von Nutzen sein können, aber so ging es doch deutlich einfacher.

Trotz der letzten Niederlage, und trotz seines eigentlichen Plans, Chris nächstes Mal endgültig auszuschalten, war Wesker doch noch immer das gleiche "Spielkind" wie zuvor.

Schon lange hätte er es beenden können, Chris töten und dann einfach seines Weges gehen.

Aber das reichte ihm nun einmal schon lange nicht mehr.

Und auch, wenn der letzte Kampf ihn beinahe getötet hätte, war der Blonde nun erst recht angespornt und wollte Chris leiden sehen.

Und wie konnte er das besser als mit dessen liebsten Soldaten?

Natürlich hatte Wesker bemerkt, was zwischen den Beiden lief. Das hatte er schon vor seinem letzten Kampf gegen Chris gewusst. Darum hatte er den Soldaten ja überhaupt mit dem Virus reanimiert und unter seine Kontrolle gebracht.

Es war fehlgeschlagen, in jeder Hinsicht.

Chris war seiner Kontrolle entkommen, und Piers hatte überlebt. Gerade so zwar nur, aber dennoch.

Und so musste sich der Blonde nun also etwas anderes einfallen lassen.

Er hatte Chris und die Anderen beobachtet, und diese hatten sich ihm regelrecht in die Arme geworfen, obwohl sie es eigentlich besser gewusst hatten.

Wie praktisch.

Nun hatte er sich Piers schnappen können, und dessen Captain hatte das nicht einmal wirklich mitbekommen.

Aber er würde schon noch was mitbekommen. Mitbekommen, was Weskers neuer Plan war.
 

"Was... Willst du...?", hörte der Blonde nun Piers' schwache Stimme, und er sah den jungen Soldaten wieder an.

Hartnäckig war er wirklich, das musste man ihm lassen.

Aber seine Kräfte schwanden schon wieder, und sein Blick flackerte merklich.

Wurde Zeit, dass Wesker ihm das Gegengift verabreichte.

Wenn Piers schon am Leben war, sollte er das auch bleiben. So war es leichter, den Plan in die Tat umzusetzen, wenn der ehemalige S.T.A.R.S.-Captain den Jungen nicht erst noch reanimieren musste.

"Das wirst du schon noch früh genug sehen", erwiderte der Ältere nur, und er ließ von Piers' Kinn ab und erhob sich.

Das Gegengift musste er nur eben holen, und auch das Mittel, das er nun plante, dem Soldaten zu injizieren, war bereits fertig und wartete nur darauf, benutzt zu werden.

Wesker hatte es nur kurz testen können, und natürlich konnte etwas schiefgehen.

Aber wenn Piers am Ende doch starb, dann war das eben so.

Auch der Tod des Scharfschützen würde Chris leiden lassen und dessem ehemaligen Captain Genugtuung schenken.

Und wenn die Wirkung nachließ, dann spielte das auch keine Rolle.

Hauptsache, Wesker wurde zwischenzeitlich eine gute Show geboten.

Und davon war er überzeugt.

Chris liebte diesen jungen Mann über alles, und wenn dieser...

Ein leises Lachen kam über die Lippen des Blonden, und er griff nach den beiden Spritzen, in denen sich das Gegengift und das neue Mittel befanden.

Ganz gleich, wie das alles auch ausging, es würde sich auf jeden Fall lohnen.
 

Er kehrte zu Piers zurück und beugte sich hinab, um dessen Kopf nun an den Haaren ein wenig hoch zu ziehen.

Der Soldat hatte die Augen noch immer geöffnet, und diese bewegten sich sogar und versuchten, den Blonden zu fixieren, was allerdings nicht so richtig zu klappen schien.

"Keine Sorge. Gleich ist es vorbei", flüsterte Wesker, und er rammte Piers die Spritze mit dem Gegenmittel in den Nacken.

Der junge Soldat ließ ein leises Keuchen hören, und erneut flackerte sein Blick, klärte sich aber wieder, und der Fieberschimmer schien nach und nach tatsächlich zu verschwinden. Das Mittel wirkte, und das erstaunlich schnell.

Piers sah schon wieder viel lebendiger aus, und als er nun erneut Weskers Blick suchte, erkannte er den Älteren sogar, wenn auch noch immer ein wenig verschwommen.

Aber Piers gefiel das ganz und gar nicht.

Ihm wäre es lieber gewesen, einfach wieder das Bewusstsein zu verlieren und gar nichts mehr mitbekommen zu müssen, so sehr er bisher auch versucht hatte, das zu vermeiden.

Wesker plante sicher nichts Gutes, und er hatte den Jüngeren sicherlich auch nicht einfach aus Spaß an der Freude von dem Gift befreit, oder weil er ein guter Mensch war.

Nein, da steckte mehr dahinter, das war klar.

Noch einmal fragte Piers, was der Blonde von ihm wollte, doch er erhielt noch immer keine wirkliche Antwort.

Müde stemmte er sich gegen die Ketten, in der Hoffnung, das Virus würde ihn nun wieder ein wenig stärken, so ohne das Gift, aber auch das brachte überhaupt nichts.

Der Scharfschütze konnte wirklich nichts anders tun, als einfach ab zu warten.
 

Er musste aber auch gar nicht mehr lange warten, denn Wesker war heute gnädig und ließ den jungen Mann nicht länger zappeln.

Die leere Spritze hatte er achtlos zur Seite geworfen, und nun nahm er die andere zur Hand, in der sich eine zähe bläuliche Substanz befand.

Gesund sah das Zeug definitiv nicht aus, und Piers spannte sich etwas an.

Was auch immer das war, er war sicher, dass er es nicht in seinem Körper haben wollte.

Vor allem nicht, wenn es irgendein Mittel von Wesker war.

Aber was sollte er tun?

Der Brünette konnte sich nicht bewegen, er war an die Wand gekettet, und auch, wenn er nicht mehr vergiftet war, war er trotzdem nicht im Vollbesitz seiner Kräfte.

Er konnte nur abwarten, und hoffen, dass das Zeug ihn nicht umbrachte.

Aber davon ging Piers eigentlich auch nicht aus. Hätte Wesker seinen Tod gewollt, hätte er es sich viel einfacher gemacht.

Aber was wollte er dann?

Der junge Soldat keuchte erschrocken auf, als der Ältere ihm die Spritze mit einem Mal, ohne jegliche Vorwarnung, direkt in die Brust rammte, mitten in die frisch vernähte Wunde.

Sofort zog sich ein Brennen durch Piers' gesamten Körper, und er krümmte sich zusammen, schloss die Augen und schrie schmerzerfüllt auf, stemmte sich so sehr gegen die Ketten, dass diese knarzten und sich beinahe doch aus der Wand lösten.

Was zum Teufel war das für ein Mittel?

Es war unangenehm, der ganze Körper fühlte sich an, als würde er brennen, und dem Scharfschützen wurde richtig schwindelig, was er bemerkte, obwohl er die Augen geschlossen hatte.

Noch einmal keuchte Piers leise, und mit einem Mal riss er schreiend die Augen auf und spannte sich noch einmal merklich an, ehe er einfach zusammensackte, regungslos in den Ketten hingen blieb und keinen Laut mehr von sich gab.
 

Wesker hob eine Augenbraue und wartete einen Moment ab, doch als sich Piers noch immer nicht rührte, packte er wieder an dessen Kinn und hob seinen Kopf an.

Die Augen des Jüngeren waren halb geöffnet, wirkten jedoch trüb und leer, und als der Blonde nun mit der anderen Hand nach Piers' Puls tastete, konnte er keinen spüren.

"Offenbar doch nicht ganz so hartnäckig, was? Zu schade...", murmelte Wesker, und gerade, als er wieder von dem jungen Soldaten abgelassen hatte, war ein kurzes Röcheln zu hören, ehe der Brünette hustend Luft holte und versuchte, ein paar Mal tief durch zu atmen.

"Sieh an..."

Da wollte ihm wohl jemand beweisen, dass er durchaus hartnäckig war. Umso besser.

Für Piers selber wäre es aber vermutlich angenehmer gewesen, er wäre tot geblieben und hätte sich all diesen Quälen einfach entzogen.

Aber der Junge war offenbar wirklich zu stur, und selbst wenn es für ihn am besten gewesen wäre, wollte er einfach nicht sterben.

Aber gut, Wesker würde sich jetzt bestimmt nicht beschweren.

Es schien also doch alles nach Plan zu laufen, und als er den Jüngeren nun ansprach, hob dieser wieder leicht den Kopf und blickte den Blonden an, wütend, aber auch wieder mit deutlicher Schwäche im Blick.

Das Mittel, das er nun im Körper hatte, ähnelten dem, das Wesker auch Chris verabreicht hatte.

Doch es war stärker, und zudem würde es das Virus im Körper des Jüngeren bewusst stärken und aktivieren, wann immer der Blonde es wollte, Reste des Antivirus hin oder her.

Der Scharfschütze war gerade so etwas wie eine ferngesteuerte Kampfmaschine, die einzig und allein Weskers Befehlen gehorchen würde, ob er es wollte oder nicht.

Wenn der ehemalige S.T.A.R.S.-Captain es nicht schaffte, dass Chris Piers' tötete, dann gelang es ihm vielleicht anders herum.

Der Jüngere konnte mutieren und vollends die Kontrolle verlieren.

Und darauf baute Wesker.
 

Jetzt aber musste Piers sich erst einmal etwas ausruhen.

Schließlich war der ganze Plan ja umsonst, wenn der Junge doch noch an seiner Schwäche zugrunde ging.

Das wäre dann äußerst ärgerlich gewesen.

Also löste der Blonde Piers von den Ketten, und der junge Soldat kippte ihm einfach nur erschöpft entgegen.

Zwar versuchte er, sich irgendwie zu wehren, aber dazu hatte er noch nicht die Kraft.

"Ganz ruhig. Dir wird nichts mehr passieren", säuselte der Ältere, und er zog den Scharfschützen auf die Beine und schleifte ihn mit sich zu einer Liege, die an der gegenüberliegenden Wand stand.

Er drückte Piers auf diese und kettete ihn wieder fest, um nicht das Risiko einzugehen, dass der Brünette sich doch noch aufrappelte und aus den Staub machte.

Wesker wollte erst sichergehen, dass auch wirklich alles geklappt hatte.

"Chris wird mich finden und dich endgültig vernichten", zischte der Jüngere, und Wesker lachte nur leise auf und wandte sich seinem Gefangenen wieder zu.

"Wird er das, ja? Vielleicht habe ich es ja genau darauf angelegt."

Piers estarrte, und ein Hauch von Angst war in seinen Augen zu erkennen.

Hatte er es also endlich begriffen.

Es war eine Falle, genau die Gleiche, die der Blonde zuvor Chris gestellt hatte.

Das mochte etwas langweilig wirken, aber Wesker hasste es, wenn ein Plan fehlschlug. Und nun versuchte er eben, den vorherigen weiter zu perfektionieren.

Piers war definitiv das bessere Testsubjekt für diesen Versuch.

Geschwächt, infiziert, und stur wie kein Zweiter.

Wenn es mit jemandem klappte, dann mit ihm.

Vorausgesetzt, es war am Ende nicht genau diese Sturheit, die wieder alles zunichte machte.

Denn das konnte durchaus passieren und wäre dann wirklich mehr als ärgerlich gewesen.

Aber jetzt war es ohnehin zu spät, den Plan noch großartig zu ändern.
 

Ja, jetzt konnte Wesker nur noch darauf warten, dass Chris ihn fand, und es bestand kein Zweifel daran, dass dieser das würde.

Der Blonde hatte es seinem Erzfeind extra leicht gemacht.

Etwas dauern würde es, denn Wesker brauchte ja auch ein wenig Zeit, um Piers "vorzubereiten".

Aber er ging ohnehin davon aus, dass Chris und Rebecca erst einmal eine Pause brauchten.

Sie hatten überlebt, und darüber war der Blonde sehr froh.

Wäre Chris gestorben, hätte das alles hier keinen Sinn gehabt. Zumindest hätte der ehemalige S.T.A.R.S.-Captain dann erst einmal wieder einiges an Zeit verschwenden müssen, um den Jüngeren ins Leben zurück zu holen.

Wenn er schon so einen tollen Plan ausheckte, wollte er den auch ausführen.

Und das konnte er ja nun auch, das Glück schien ausnahmsweise doch mal auf seiner Seite zu stehen.

Aber Wesker wusste, wie schnell sich das ändern konnte.

Ja, er durfte seine alten Fehler nicht wiederholen, nicht noch einmal. Wenn dieses Mal etwas schief ging, musste er Chris töten, ob es nun Spaß machte oder nicht, spielte dann keine Rolle mehr.

Sonst konnte es wirklich noch richtig übel für den Blonden enden.

Das war diesem durchaus bewusst.

Und dann wäre wirklich alles umsonst gewesen.
 

Seufzend sah Wesker auf den nun wieder bewusstlosen Soldaten hinab, und er ließ seinen Blick über die Wunde in dessen Brust wandern.

Sie war fest vernäht, Rebecca hatte gute Arbeit geleistet, doch bei einem Kampf konnte sie durchaus wieder aufgehen, was einen deutlichen Nachteil für Piers bedeutet hätte.

Wesker wusste zwar immer noch nicht so genau, wessen Sieg er sich nun wünschte, und ob er Chris nicht lieber selber töten wollte, aber er hatte sich entschieden, nicht mehr allzu wählerisch zu sein.

Bisher waren seine Pläne recht präzise gewesen.

Chris vergiften, damit Piers leidet, Chris kontrollieren und Piers töten lassen, damit der Ältere leidet.

Und beide Male war das vollkommen nach hinten losgegangen.

Und deshalb würde der Blonde dem Schicksal nun seinen freien Lauf lassen.

Ganz gleich, wer siegte, Denjenigen würde Wesker dann selber vernichten.

So musste er sich die Hände nicht allzu schmutzig machen, und der Gewinner würde vermutlich so geschwächt sein, dass es leichtes Spiel wurde.
 

Tötete Chris seinen Liebsten, würde ihn das daran zerbrechen lassen.

Und gewann Piers, so stand dessen Virus immer noch unter der Kontrolle des ehemaligen S.T.A.R.S.-Captain.

Wenn der wollte, konnte er den Soldaten sogar dazu bringen, sich einfach selber zu töten.

Oder er konnte ihn auf andere Menschen hetzen.

Barry Burton hatte den Vorfall im Krankenhaus sicher nicht überlebt, aber Rebecca schon.

So konnte er Piers mit ihr anfangen lassen, wenn er gegen seinen Captain gewann.

Der Blonde musste zugeben, dass es eine Schande war, sie zu töten.

Sie war eine verdammt clevere Frau, die schon in jungen Jahren viel erreicht hatte.

Und an Weskers Seite hätte sie noch so vieles mehr erreichen können.

Aber er wusste, dass das niemals passieren würde, und dass ohnehin bereits ein anderer Mann ein Auge auf sie geworfen hatte.

Aus anderen Gründen, und auch er würde sie niemals bekommen, nicht freiwillig.

Wesker war das allerdings auch alles relativ egal.

Sollte der Kerl machen, was er wollte, mit Rebecca oder sonst wem, solange er ihm nicht in die Quere kam.

Bisher war das nicht passiert, und dieser Mann war sogar ganz nützlich gewesen.

Von ihm hatte der ehemalige S.T.A.R.S.-Captain das Gift und das passende Gegenmittel erhalten.

Für das Zeug hatte er einen recht stolzen Preis bezahlt, aber das war es absolut wert gewesen.

Ein kurzes Vergnügen, aber lohnend.

Wofür kämpfen wir?

Rebecca blickte zu den Trümmern, die nun nach und nach gelöscht worden waren, sodass sich zumindest die Flammen und der Rauch weitestgehend verzogen hatten.

Um sie herum unterhielten sich Menschen, leise, andächtig, viele mit Tränen in den Augen, und einige saßen oder standen einfach nur da, ohne etwas zu sagen oder zu tun, und lagen sich teilweise auch weinend in den Armen.

Es war so surreal.

Bei allem, was sie schon erlebt hatten, war das hier doch etwas ganz Anderes.

Das war kein Virus-Ausbruch, das war kein Krieg, keine Apokalypse...

Hier hatte einfach nur ein verrückter Mann ein Krankenhaus in die Luft gejagt, weil ihm offensichtlich nicht gefiel, dass eine kleine Gruppe von Menschen versucht hatte, das Leben eines Freundes zu retten.

Barry und all diese Unschuldigen waren vermutlich tot, weil Wesker unzufrieden gewesen war, weil er Piers hatte haben wollen, weil sein verdammter, kranker Plan nicht aufgegangen war.

Wie konnte ein Mensch nur zu so etwas werden, zu einem Monster, das die Menschheit so sehr verachtete, zu so einem schrecklichen Wesen, vollgepumpt mit irgendwelchen Viren...?
 

"Rebecca? Rebecca Chambers?"

Die Biochemikerin blickte auf, wischte sich eine einzelne Träne von der Wange und blinzelte dann leicht, als sie den Mann erkannte, der sie da ansprach.

Ein einziges Mal waren sie sich begegnet, und das war schon so viele Jahre her, kurz nachdem all dieser Mist begonnen hatte.

Der Mann trat auf sie zu, die dunkelblonden Haare gingen ihm bis zum Kinn und hatten, im Gegensatz zu früher, doch einiges an Farbintensität verloren.

Jeans, bequeme Schuhe, eine Lederjacke und Biker-Handschuhe kleideten den Special Agent, ein praktisches Outfit, das gleichzeitig wirklich Stil hatte.

Es stand ihm verdammt gut, wie Rebecca zugeben musste.

Nicht, dass sie Interesse an Leon hatte, nein.

Sie kannten sich ja kaum.

Aber er sah gut aus, so gut, wie es dieses anstrengende Leben eben zuließ.

Denn auch ihm war bei näherer Betrachtung anzusehen, was er durchgemacht hatte.

Ein Dreitage-Bart, der nicht ganz so perfekt gepflegt war, wie er es hätte sein können, zierte Leons Gesicht, und er hatte leichte Augenringe, sein Blick wirkte müde und etwas trüb, als hätte er seit Tagen nicht mehr richtig geschlafen.

Alles in allem wirkte der Agent, als hätte er mal dringend Urlaub nötig.

Aber das traf vermutlich auf sie alle zu.
 

"Was machst du hier?", fragte Rebecca nun, als Leon neben ihr stand und seinen Blick ebenfalls über die Trümmer schweifen ließ.

"Ich bin nach Kanada gekommen, nachdem ich einen etwas seltsamen Zeitungsartikel gelesen hatte. Über einen Leichenraub... Hunnigan hat mich dann plötzlich überstürzt angerufen und gesagt, ich solle sofort zu diesem Krankenhaus kommen. Es ging um irgendeinen Infizierten, und sie fürchteten, dass es durch die Explosion zu einem Ausbruch kommen könnte..."

"Oh Gott..."

Rebecca schloss die Augen, schüttelte den Kopf und sah den Älteren entschuldigend an.

"Ich glaube... Da gab es ein kleines Missverständnis..."

"Missverständnis?"

"Naja, wir haben Piers..."

"Piers Nivans? Der... Der tote Soldat Piers Nivans? Was...?"

Der Rothaarigen wurde langsam klar, dass Leon ja überhaupt keine Ahnung hatte von dem, was in den letzten Wochen passiert war.

Dass Piers wieder lebte, ebenso wie Wesker, und dass irgendjemand seine kranken Spielchen mit der B.S.A.A. spielte. Ebenso wenig, dass Chris infiziert war.

Und Barry wohl tot...

"Ich denke... Das alles erkläre ich dir besser in einer ruhigen Minute und an einem schöneren Ort als hier", entschied die Biochemikerin schließlich, und sie wandte den Blick von den Trümmern ab und dem Krankenwagen zu, in den man Chris, auf eine Trage gebettet, geschoben hatte.

Sein Arm und die Schulter hatten ziemlich was abbekommen, waren von einigen Glasscherben getroffen worden, von denen noch immer Splitter in der Haut steckten, und eine leichte Platzwunde zierte seine Stirn.

Alles in allem hatten sie beide wirklich Glück im Unglück gehabt. Vor allem Rebecca.

Das hätte auch alles ganz anders ausgehen können.

Ein paar Minuten später... Und sie wären nun tot und mit Barry unter all diesen Trümmern begraben.
 

"Das ist ja Chris", entfuhr es dem dunkelblonden Mann nun, als er Rebeccas Blick gefolgt war und ebenfalls zu dem Krankenwagen sah.

Der Artikel hatte ihn stutzig gemacht, da die Beschreibung des Toten auf den Soldaten gepasst hatte, und so war er los geeilt, um sich über alles zu informieren.

Aber offensichtlich war Chris noch am Leben. Das war gut.

"Was ist hier passiert?"

Und nun hatte Rebecca eigentlich gar keine andere Wahl mehr, als Leon zumindest eine kurze Zusammenfassung von den jüngsten Ereignissen zu geben.

Genauere Einzelheiten konnte sie ihm später noch erzählen, nun ging es einfach darum, ihn wenigstens schonmal grob einzuweihen.

Der Special Agent hörte der Jüngeren zu, und sein Blick wurde ernst, für einen kurzen Moment wirkte er bestimmt zehn Jahre älter, und nicht mehr so, als wäre er etwa Mitte 30.

"Das mit eurem Freund... Tut mir leid", meinte er ehrlich, und er seufzte schwer, als Rebecca sich nun einige Tränen von den Wangen wischen musste.

Leon kannte den Schmerz, jemanden zu verlieren.

Als er geglaubt hatte, Ada wäre tot, war in ihm alles zerbrochen.

Sie hatte gelebt, und die ganze Sache hatte sich aufgeklärt, aber dennoch...

Es war ein Schmerz gewesen, der schlimmer war als jede Verletzung, die er sich im Laufe der Zeit zugezogen hatte.

Da warf Leon sich lieber noch zehn Mal vor die Spionin, als dass er das noch einmal erleben wollte.
 

Und selbst Chris hier so zu sehen, einen Mann, mit dem er eher selten zu tun hatte, und den er in erster Linie über dessen Schwester kannte, schmerzte.

Es konnte sie alle erwischen, jederzeit, ohne Vorwarnung.

Sie waren nur Menschen, das durften sie nicht vergessen.

Es gab kein zwingendes Happy End, ihnen war kein glorreicher Abgang garantiert, wenn es irgendwann einmal mit ihnen vorbei ging.

Nein, während eines einzigen Atemzugs konnte ihr Leben zu Ende sein, ob von einer BOW im Kampf geschlagen, oder von einem Auto überfahren, alles war möglich.

Der Tod machte auch vor ihnen nicht Halt.

Und immer wieder wurde ihnen das vor Augen geführt.

Grob war Rebeccas Zusammenfassung gewesen, aber sie hatte alle wichtigen Ereignisse erwähnt, und dazu gehörte natürlich auch der vorübergehende Tod des B.S.A.A.-Captain, sodass sich sich zumindest die Sache mit dem Zeitungsartikel nun aufklärte.

In Edonia und China hatte es zudem sein ganzes Team erwischt, wie Leon wusste, und auch wenn Piers zumindest wieder am Leben war, hatte auch er dem Sensenmann mehr als einmal beinahe die Hand gereicht.

Es wurde nicht leichter, und sie wurden nicht jünger.

Dabei waren sie alle nun wirklich nicht alt. Aer wenn man all diese Jahre gegen einen solchen Feind kämpfte, gegen Kreaturen, die man sonst nur aus Filmen oder Albträumen kannte, alterte man wohl, vor allem innerlich, schneller als einem lieb war.

Es zerrte an den Nerven, und immer wieder und wieder fragte man sich, ob das alles überhaupt noch einen Sinn hatte, ob es jemals ein Ende geben würde, eine Welt ohne BOWs.

Die Antwort war ihnen eigentlich von Anfang an klar gewesen, und sie lautete nein.

Es würde immer Verrückte geben, machthungrige Menschen, jene mit Geld, jene mit der gewünschten Ware.

Niemals würde sich das ändern, nicht, solange diese Biowaffen irgendwem nutzen.

Und wann sollte der Tag kommen, an dem das nicht mehr so war?

Wie konnte es einen solchen Tag überhaupt geben?

Gar nicht. Wieder eine klare Antwort.
 

Wofür kämpften sie überhaupt?

Für das Hier und Jetzt, für die nahe Zukunft, für die Hoffnung, dass wenigstens eine Zeit lang Frieden herrschte und die Menschen ohne Furcht leben konnten?

Ob es das alles wirklich wert war, musste wohl jeder für sich selbst wissen.

Doch mittlerweile konnten Menschen wie Leon oder Chris gar nicht mehr aufhören.

Sie steckten zu tief in alledem drin, es gab kein Zurück, schon lange nicht mehr.

Auch wenn den Agenten immer wieder Albträume plagten, wenn er den Tag fürchtete, an dem seine Freunde nicht mehr am Leben waren, an dem Ada, Claire, Sherry oder Chris aufgebahrt vor ihm lagen, konnte er nicht einfach zu Hause sitzen und nichts tun.

Nach Tall Oaks und China war er tatsächlich kurz davor gewesen, aufzugeben und alles an den Nagel zu hängen.

So viele Menschen waren gestorben, für nichts und wieder nichts.

Nur das Wissen, dass ohne ihr Eingreifen, ohne ihre Hilfe, noch weitaus mehr Menschen gestorben wären, hatte Leon die Kraft gegeben, weiter zu machen.

Denn ganz gleich, was auch passierte, sie waren da, um es immer und immer wieder zumindest ein wenig einzudämmen, um wenigstens ein paar Menschen zu retten.

Es war schwer. Schwer zu akzeptieren, dass nicht jeder gerettet werden konnte.

Und dass auch nicht jeder gerettet werden wollte.
 

Man sollte meinen, dass man sich irgendwann an all das gewöhnte und abstumpfte, aber dem war nicht so.

Man wurde routinierter, ja, natürlich. Man sammelte Erfahrung und wurde besser in dem, was man tat.

Doch leichter und angenehmer konnte das alles vermutlich nur werden, wenn man bereit war, seine Menschlichkeit aufzugeben.

Für jeden anderen war es eher so, dass es Mal um Mal schlimmer wurde.

Wenn man sein gesamtes Team verlor, wenn man eine ganze Stadt nicht hatte retten können, dann machte das etwas mit einem, das nie wieder weg ging, etwas, das man nie wieder vergaß.

Es veränderte einen Menschen, und man begann, an sich und seinen Entscheidungen zu zweifeln.

Mit Anfang 20, als frisch gebackener Polizist, war Leon naiv durch die Welt gegangen, daran glaubend, dass er die Welt jetzt besser machen konnte, weil er für das Gesetz arbeitete, weil er für Gerechtigkeit stand, und weil alle seine Kollegen das sicherlich ebenso sahen.

Mittlerweile wusste der Special Agent es besser.

Es war scheißegal, was man tat. Jeder war käuflich. Der beste Polizist konnte zum Monster werden, die kleinkriminelle Kellnerin von nebenan konnte die Welt retten.

Die Einstellung zählte, sonst nichts.

Und nur, weil man für das Gesetz arbeitete, hieß das noch lange nicht, dass man irgendwas zu sagen hatte.

Geld regiert die Welt, so war es schon in Raccoon City gewesen, und so würde es auch in Zukunft immer sein.

Und solange es dabei blieb, war nun einmal keine Änderung in Sicht.
 

Der dunkelblonde Mann trat auf den Krankenwagen zu und blickte zu Chris, der zumindest das Bewusstsein wiedererlangt hatte und nun mit einem Verband um Arm und Schulter auf der Liege saß.

Als er Leon erkannte, legte sich ein leichtes und müdes Lächeln auf seine Lippen, und er hob die Hand des unversehrten Arms, um ihm kurz zu zu winken.

Die letzte Begegnung war keine allzu schöne gewesen, aber nachdem sich alles aufgeklärt hatte, und sie von Carla erfahren hatten, war Chris klar geworden, dass sie beide einfach hinters Licht geführt worden waren.

Sie alle hatten geglaubt, Ada vor sich zu haben, und während die echte Ada in diesem Fall nichts Schlimmes getan hatte, war Carla für so vieles verantwortlich gewesen.

Aber wie hatte Leon das wissen sollen?

Eigentlich hätte es ihnen auffallen müssen, und gerade Chris ärgerte sich, dass er diesen deutlichen Unterschied zwischen den beiden Fragen nicht bemerkt hatte. Er war blind vor Wut gewesen und hatte auf so etwas gar nicht mehr geachtet.

Aber letztendlich war er einfach nur froh, dass Leon den Tod von Ada Wong doch nicht betrauern musste.

Der Soldat hatte es an seiner Stimme gehört, als er ihm die Nachricht von ihrem vermeintlichen Tod überbracht hatte.

Er wusste nicht, was zwischen den Beiden lief, ob da etwas lief, aber ihm war klar gewesen, dass Ada dem Special Agent durchaus etwas bedeutete.

Und so war Chris froh gewesen, dass am Ende alles eine halbwegs gute Wendung genommen hatte, und dass Leon ganz offensichtlich keine Massenmörderin hatte beschützen wollen.
 

"Leon, was... Was macht du denn hier?", fragte nun auch Chris, und der Jüngere berichtete ihm von dem Artikel und Hunnigans Anruf, und davon, dass Rebecca ihn bereits grob aufgeklärt hatte.

"Tut mir leid, dass du offenbar umsonst extra aufgebrochen bist..."

Aber Leon schüttelte nur den Kopf und ließ ein leises Seufzen hören, ehe er etwas die Arme verschränkte.

"Umsonst würde ich nicht sagen", erwiderte er und lächelte leicht.

"Wenn ich schonmal hier bin, kann ich euch auch genau so gut helfen. Ich selber bin Wesker zwar niemals wirklich persönlich begegnet, aber nach allem, was ich weiß, kommt es nicht in Frage, ihn am Leben zu lassen. Und dieser Piers... Er scheint ein verdammt loyaler Soldat zu sein. Wenn dir soviel an ihm liegt... Kann ich nicht einfach gehen und nichts tun. Und Hunnigan kann vielleicht etwas über das Geschehen bei der B.S.A.A. herausfinden."

Kurz errötete Chris etwas, und sein Blick wanderte zu Rebecca, die mit den Schultern zuckte und dem Soldaten mit einem leichten Kopfschütteln und einem fragenden Blick zu verstehen gab, dass sie nichts von ihrer Beziehung erzählt hatte.

"Rebecca hat mir erzählt, was passiert ist, und auch wenn sie das Offensichtliche nicht angesprochen hat, bin ich durchaus in der Lage, eins und eins zusammen zu zählen", erwiderte Leon nur mit einem leichten Grinsen, ehe er die verschenkten Arme wieder löste.

"Ganz davon abgesehen spielt es auch keine Rolle, ob ihr euch nun liebt oder nicht. Er ist entführt worden, und wir müssen ihn retten. Denn abgesehen davon, dass wir nicht wollen, dass er stirbt... Ist er in Weskers Händen eine Gefahr für uns alle."

Und auch wenn die Worte des Special Agent vielleicht grausam klangen, und sich alles in Chris zusammenzog, wusste er natürlich, dass der Jüngere Recht hatte.

Wesker hatte genug Möglichkeiten, Piers unter seine Kontrolle zu bringen und ihn als perfekte Biowaffe zu nutzen.

Und wenn der Scharfschütze Derjenige war, der keine Skrupel kannte, dann waren sie verloren.

Chris hatte ihn beinahe getötet, als er unter Weskers Kontrolle gestanden hatte, und er war nur ein Mensch, das Virus hatte zu dem Zeitpunkt nicht einmal irgendwie geholfen.

Doch Piers konnte mutieren, konnte die Macht nutzen, die er schon gegen Haos genutzt hatte.

Und wenn er das tat, gab es kein Entkommen, dann konnten auch Chris, Leon und Rebecca gemeinsam nichts gegen ihn ausrichten. Schon gar nicht, wenn sich Wesker schließlich noch selber einmischte.
 

"Dann sollten wir uns sofort auf den Weg machen", murmelte Chris nun, und er wollte sich gerade erheben, als Rebecca und Leon gemeinsam die Hände auf seine Schultern legten und ihn wieder zurück drückten.

"Nichts da, Chris. Du bist verletzt, du bist umgekippt, und du wirst jetzt sicher nicht einfach rum spazieren. Damit ist niemandem geholfen."

"Aber..."

"Rebecca hat Recht, Chris. Wenn du so geschwächt bist, wenn du, kaum dass wir Piers gefunden haben, einfach wieder zusammenbrichst, dann retten wir ihn damit auch nicht. Ich sag's wie es ist... Wenn Wesker Piers töten will, ist er bereits tot. Wen nicht, wird er in ein paar Stunden auch noch leben."

"Und wenn Wesker ihn infizieren will, dann haben wir eh keine Chance", fügte Rebecca Leons Worden nun hinzu, und sie senkte leicht den Blick und nahm ihre Hände von Chris' verletzter Schulter.

Sie hatte zuvor ganz vergessen, dass sie diese besser nicht hätte anfassen sollen, aber der Soldat hatte keine Miene verzogen. Vermutlich hatte man ihm eine ganze Ladung Schmerzmittel verabreicht.

Und durch diese war er vermutlich auch im Glauben, einfach aufspringen und weitermachen zu können.

Aber das war nicht so, und verletzt waren sie nun einmal wirklich niemanden eine Hilfe.

Zudem entsprachen Leons Worte der Wahrheit.

Wollte Wesker Piers töten, kamen sie ohnehin zu spät, ganz egal, wie sehr sie sich auch beeilt hätten.

Da war es besser, wenn sie sich nun noch ein wenig ausruhten und ganz zu Kräften kamen.

Auch die Biochemikerin war angeschlagen, und der Arzt, der nun noch einmal nach Chris sah, bestand darauf, sich endlich auch um ihre Verletzungen zu kümmern.
 

Zu den Krankenwagen und den Autos der Feuerwehr hatte sich nun auch die Polizei gesellt, und Rebecca wurde klar, dass ohnehin erst einmal eine kleine Fragerunde anstand, bevor man sie überhaupt gehen ließ.

Was sollten sie den Polizisten sagen?

Die Wahrheit? Sollten sie von Wesker berichten? Dass sie glaubten, dass er hinter alledem steckte?

Wieder stand die Frage im Raum, ob man ihnen glauben würde.

Und selbst wenn... Nahm man sie mit, als Zeugen? Weil sie offensichtlich mehr wussten, als sie zugaben?

Von den Ärzten, die sie am Empfang zuerst getroffen hatten, war nichts mehr zu sehen, und die Rothaarige war sicher, dass auch diese etwas mit der ganzen Nummer zu tun hatten.

Sie bezweifelte, dass Wesker selber vor Ort gewesen war und die Sprengung durchgeführt hatte.

Dieses Risiko war er sicher nicht eingegangen. Da war es leichter, sich irgendwelche Leute zu schnappen, sie zu erpressen oder zu bezahlen, und diese die Drecksarbeit machen zu lassen.

Mit Erpressung kannte sich der Blonde ja aus.

Ein Mensch, den er so geködert und dazu gebracht hatte, ihm zu helfen, lag nun unter den Trümmern begraben, und Rebeccas Hass auf Wesker wuchs immer weiter an.

Barry hatte das nicht verdient, er hatte das verdammt nochmal nicht verdient.

Er hatte doch Familie, warum musste es da ausgerechnet ihn treffen?

Die Jüngere musste zugeben, dass sie jederzeit bereit gewesen wäre, mit ihm zu tauschen und an seiner Stelle dort zu liegen, doch das war nun einmal nicht möglich.
 

Mittlerweile hatten die Feuerwehrleute einige Menschen aus den Trümmern geborgen, und tatsächlich hatten ein paar von ihnen wie durch ein Wunder überlebt.

Doch es waren wenige, und die meisten Opfer konnten nur noch tot geborgen werden.

Unter ihnen auch Barry Burton, wie die Drei feststellen mussten, und sie hatten es ja bereits befürchtet.

Es hatte lange gedauert, ihn aus dem Keller zu befreien, und ein Teil seines Kopfes war verbrannt, sein Gesicht kaum noch zu erkennen. Der linke Arm war am Ellbogen abgetrennt, und überall war einfach nur Blut.

Selbst Leon, der sich nicht daran erinnerte, Barry überhaupt mal persönlich getroffen zu haben, schluckte bei dessen Anblick, als zwei Feuerwehrmänner ihn, nur wenige Meter von ihrem Krankenwagen entfernt, auf dem Boden ablegten.

Der Kopf des Älteren fiel zur Seite, und als der Blick seiner toten Augen direkt auf sie traf, schrie Rebecca auf und warf sich schluchzend in Leons Arme, der diese etwas überfordert um sie legte und sanft über den Rücken der Biochemikerin strich.

Chris wandte schluckend den Blick ab, und die Hand des unversehrten Arms ballte sich zur Faust, während der B.S.A.A.-Captain versuchte, die aufkommenden Tränen zurück zu halten.

Das konnte doch alles nicht wahr sein.

Warum war das passiert?

Warum hatte es ausgerechnet Barry treffen müssen? Hatte Wesker ihm nicht damals schon genug angetan?

Natürlich wusste Chris, dass es der Blonde nicht direkt auf den Familienvater abgesehen hatte, dass er einfach nur Kollateralschaden gewesen war.

Und dennoch...

Das alles hätte nicht passieren dürfen.

Wären sie doch nur im Motel geblieben, hätten sie darauf vertraut, dass Piers durchhielt...

Dann wäre dieser nun nicht entführt, und Barry nicht getötet worden.

Doch nun war es zu spät, und Chris schien nur wieder einmal alle Menschen um sich herum zu verlieren.

Wozu nahmen sie das alles überhaupt noch auf sich?



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Kommentare zu dieser Fanfic (38)
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Von:  Kripii
2021-04-21T18:07:37+00:00 21.04.2021 20:07
Hallöchen,
sehe ich da richtig, Ein neues Kapitel?! Ich freu mich ^-^
Da ich mittlerweile aber ein bisschen den Faden verloren hab, habe ich das Kapitel noch nicht gelesen und erstmal wieder von vorne angefangen xD

Ich hoffe dir geht es gut in dieser schwierigen Zeit und schön gesund bleiben ^-^

Ganz liebe Grüße Kripii
Antwort von:  Lady_Red-Herb
22.04.2021 00:32
Oh mein Gott. Omg... OMG..
Wow...
Ich bin gerade total überrascht.
Ich hätte nie im Leben damit gerechnet, dass du echt noch Interesse an der Story hast o.o
Vielen, vielen Dank. <3

Ich wollte mich auch nochmal an ein paar alte Kapitel setzen.
Ein bisschen was habe ich schon bearbeitet, aber noch lange nicht alles.
Und mit neuen Resi Kenntnissen in den Jahren, da neue Sachen raus kamen, hab ich auch ein paar neue Ideen bekommen. Hehe
Antwort von:  Lady_Red-Herb
22.04.2021 00:32
Und ich hoffe natürlich, dass bei dir auch alles gut ist :3
Antwort von:  Kripii
22.04.2021 14:35
Doch natürlich, eine gute Story darf man nicht aus den Augen verlieren <3
Und von den Beiden gibt es leider ja nicht so viele, weswegen ich auch die Jahre über immer mal wieder nachgeguckt hab ob ein neues Kapitel online ist. Ich wäre zwar benachrichtig worden aber man weiß ja nie. :D

Es ist echt Wahnsinn wie viel Zeit schon vergangen ist und bald kommt ja schon Resi 8 o.o

Ja, bei mir ist alles gut :3 Und ich freue mich total wieder eine Abendlektüre zu haben, Dankeschön <3

Ganz liebe Grüße Kripii
Antwort von:  Lady_Red-Herb
22.04.2021 16:15
Hehe, das freut mich wirklich sehr. Tut mir leid, dass es solange gedauert hat. Bei der anderen Story mit den Beiden geht ja momentan auch nichts. Ich hasse es, wenn man gleichzeitig so viele Ideen und so wenige hat ^^". Und ja, Resi 8... Ich werde 7 und Village in meinen Stories aber ignorieren xD Vendetta darf mit einfließen, auch wenn die Charaktere da einfach scheiße und gruselig aussahen. Die Story war nice. Und bald kommt ja auch Infinite Darkness.
Von:  Kripii
2016-06-25T17:28:35+00:00 25.06.2016 19:28
Hey,
ich bin gerade so mega happy das du wieder ein Kapitel hochgeladen hast und ich weiter lesen kann :)
Die Geschichte ist für mich schon wie ein richtiges Buch, mach weiter so ^-^

Ganz liebe Grüße Kripii ^-^
Antwort von:  Lady_Red-Herb
25.06.2016 19:30
Awww, vielen lieben Dank für den netten Kommentar :)
Ich bin auch froh, dass ich endlich wieder dazu kam und hoffe, dass ich nun wieder regelmäßiger schreiben und hochladen kann.
Von:  Leaf-Phantomhive
2015-11-01T21:05:26+00:00 01.11.2015 22:05
Gomenesai!!!!
Ich bin ne schlechte Kommi Geberin.
Ich wollte immer machen aber JETZT.
Aber ich kann nur sagen ich mag deine Geschichte immer mehr.
Und ich bin immer total gespannt darauf wie es weiter geht.
Vor allem da ich selbst nicht in die Puschen komm endlich weiter zu schreiben.
Gomenesai noch mal.
Freu mich schon wie sau wenns weiter geht.
Lg Riley
Antwort von:  Lady_Red-Herb
01.11.2015 23:17
Ach, ist doch okay.
Freu mich, dass du wieder was schreibst.
Und vor allem, dass dir die FF immer noch gefällt ^-^
Werde bald weiter schreiben, das nächste Kapitel ist schon in Arbeit :)
Von:  NadiTwombly
2015-06-29T10:20:00+00:00 29.06.2015 12:20
ich will weiter lesen T_____________T ich hab die ff heute gefunden und musste weinen bei der FF!! Bitte schreib schnell weiter ich will so genre mehr mit den beiden lesen Q_Q <3
Antwort von:  Lady_Red-Herb
29.06.2015 16:16
Ahhhh, es tut mir leid. ;-;
In letzter Zeit kam ich einfach zu nichts...
Ich werde versuchen, so bald wie möglich das nächste Kapitel zu beginnen!
Und freut mich, dass sie dir wohl gefällt. :)
Von:  Leaf-Phantomhive
2015-04-03T22:17:22+00:00 04.04.2015 00:17
Ich erspare dir jetzt mal ein Kommi zu beiden Teilen zu schreiben.
Was mir als erstes in den Sinn kam. "Hatte Chris was mit Wesker?" Das wäre nochmal ne ganz neuer Aspekt. Frag mich aber bitte nicht wie ich darauf komm.
Die beiden haben auf jedenfall noch so ein paar Moment verdient. (Also die wo sie nicht unbedingt Sex haben. Aber halt mal abschalten können)
Antwort von:  Lady_Red-Herb
15.04.2015 10:09
Ne, hatte er sicher nicht xD
Wobei ich sagen muss, ich mag manchmal das Pairing, allerdings bei beiden nut mit den jungen Versionen aus dem 1er ^^
An sich mag ich, und das muss ich zugeben, Chris nicht xDDD
Aber ich schreibe verdammt gerne Fanfics, in denen er vorkommt o.o
Und ich liebe eben das pairing Chris/Piers. ._.

Und ja, das stimmt.
Und da werden noch einige folgen, mit und ohne irgendwelche Liebeleien xD
Von:  Leaf-Phantomhive
2015-04-03T22:06:36+00:00 04.04.2015 00:06
Okay ich bin verwirrt hat Chris jetzt Hallus oder so? Oder ist Wesker wirklich zurück?
Das mit dem Handy haste ja tricky gelöst. Lang lebe die Technik.
Wäre cool wen Jake auftauch vor allem da er ja jetzt den besten GUTEN Einfluss Namens Cerry hat.
Antwort von:  Lady_Red-Herb
15.04.2015 10:07
Hehe, das war der Plan. :P
Obwohlalles danach eigentlich klar zeigt, wie es aussieht ^^
Und ja, nachdem du das gemeint hattest, musste ich mir was einfallen lassen xD
Ja, Sherry hatte einen guten Einfluss auf ihn, aber ich weiß nicht, ob ich die zwei hier auftauchen lasse.
ich wollte nicht so viele Charas auftreten lassen, eigentlich war es mit Rebecca und Barry schon zu viel des Guten xD
Nur Einer war neben Chris und Piers eben noch geplant ^^
Von:  Leaf-Phantomhive
2015-03-29T21:42:58+00:00 29.03.2015 23:42
Ich bin echt mal gespannt von wem die beiden verfolgt werden.
Ich hätte im Hotel Bar bezahlt und unter Falschen Namen.
Ich kann mir nicht vorstellen das Piers seinen Job als Soldat jemals aufgeben kann. Man kann sich Piers nicht in ne 08 15 Job vorstellen.
Chris schaff dir ein neues Handy an. Das wird noch böse enden.

Antwort von:  Lady_Red-Herb
29.03.2015 23:54
Wird sich alles noch zeigen ^^

Und ja, das wäre in der tat besser gewesen.
Aber in kanada fühlen sie sich so unglaublich sicher~

Ich weiß nicht, käme drauf an.
Aber diesen kampf werden sie beide wohl niemals aufgeben, ob bei der BSAA oder sonst wo, etwas Ähnliches werden sie immer machen, bis sie es nicht mehr können ^^

Maybe~ ;)
Von:  Leaf-Phantomhive
2015-03-29T21:33:55+00:00 29.03.2015 23:33
Eine Fähre is vielleicht nicht die beste Idee vor allem weil ich die Dinger immer als Schwimmende Gefängnisse ansehe.
Hört sich ja Idyllisch an wenn die beiden nicht verfolgt werden würden.
Nur noch durch 2 Staaten is ne Katzensprung.
Dickköpfigkeit und Vernunft sind manchmal Welten auseinander.
Ich würde nicht Fliegen is viel zu unsicher.

Antwort von:  Lady_Red-Herb
29.03.2015 23:51
Jup, ich sehe das ja nicht anders. xD
Darum haben sie das ja auch nicht gemacht ^^

Und klar, darf es auch mal sein xD
Zumindest mal ein wenig ruhiger.

Und naja, kommt drauf an.
Es gibt kleine Staaten, bei denen es in der Tat schnell gehen würde. :P

Beim Fliegen muss man vor allem den Pass vorzeigen, und das wäre schon das erste Problem xD
Von:  Leaf-Phantomhive
2015-03-29T19:49:20+00:00 29.03.2015 21:49
AHH ich mag die Beiden. Also Rebecca und Barry.
Neuerster Werbeslogan "Scheiß auf den Schutzengel, Hauptsache du bist infiziert"
Wie gern würd ich mit Rebecca tauschen ^^
Sanchwitches und Snicker können leben retten.
Piers is zu stur zum sterben vor allem in FFs
Bahamas soll schön sein um die Zeit vor allem wenn man sich verstecken will.

Antwort von:  Lady_Red-Herb
29.03.2015 21:56
Ja, ich auch.
Ich mag sie alle xD

Ahja xDD

Natürlich.
Das, was sich am besten hält und gleichzeitig Energie gibt. Das sind Schokoriegel und Müsliriegel ^^

Und ja, das ist er.
Vor allem bei mir.
Zumindest... auf Dauer... xDDD

Ja, mag sein, mag sein.
Aber hier steht das Ziel ja fest. ;)
Von:  Leaf-Phantomhive
2015-03-29T19:34:15+00:00 29.03.2015 21:34
Nicht zu töten auf diese Art und Weise ich hät die vor mein "Persönliches Kriegsgericht" gestellt.
Ich seh es bildlich vor mir "Hey hab eure Sachen dabei, sorgt hab eure SchRänke dafür zerstört"^^
Ernsthaft Ford ich bin ja eher der VW oder Chevrolet Fan^^
Das wäre mal ne Beschreibung "Wir sind hier und da sind ganz viel Bäume oh und Sträucher"
Okay Barry is ja auch so ne Nummer für sich. Aber es geht halt nichts über wahre Freundschaft^^

Antwort von:  Lady_Red-Herb
29.03.2015 21:41
Ich muss zugeben, dein Kommentar verwirrt mich gerade ein wenig xD

Naja, irgendwas musste Rebecca ja tun, und ich denke nicht, dass Chris und Piers sich da bei ihr beschweren würden xD

Chevys find ich super, aber ich geh hier nicht danach, welches Auto mir am besten gefallen würde, sonst hätten sie den besten Lamborghini bekommen, den ich hätte auftreiben können xD

Ja, und genau deshalb gabs dann doch lieber Koordinaten. :P

Ich mag Barry ^-^
Bin froh, dass er in Revelations 2 auch endlich mal wieder vorkam. :)


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