Zum Inhalt der Seite

Neko Monogatari 猫物語

Sasori X Deidara
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Haru 春

Deidara durchstreifte die Wälder, die sich an den Berghang klammerten. Hier wetzte er seine Krallen an einem Baumstamm, dort rieb er sich an einem Felsen und noch etwas weiter markierte er einen Strauch auf anderweitige Weise, um allen anderen zu zeigen, dass sie sich gefälligst nicht in seinem Revier aufzuhalten hatten, denn dieser Berg gehörte ihm. Der cremefarbene Kater liebte seinen Berg mit den schroffen Berghängen, den kräftigen Bäumen und den Serau-Herden[1]. Ihr Fleisch war herrlich saftig und er mochte das sehnige Muskelfleisch, weil er darauf schön herumkauen und den blutigen Beigeschmack erst richtig genießen konnte. Ab und an jagte Deidara auch Vögel. Fasane waren wunderbar zart, wenn da nur nicht immer die vielen Federn wären. Und manchmal wagten sich sogar schwache Menschen in sein Revier. Wenn sie nicht schnell genug Reißaus nahmen, riss er sie. Aber ihr Fleisch schmeckte langweilig fad. Meist ließ Deidara sie angeknabbert liegen. Außerdem waren sie viel zu leicht zu erlegen. Für ihn war das keine Herausforderung. Er tötete sie nur als Warnung für die anderen Menschen, dass sie nicht in sein Territorium kommen sollten.

Geschickt kletterte der Kater auf eine alte, knorrige Kiefer. Nahe des Stammes erklomm er die Äste und ließ sich schließlich relativ weit oben nieder, wo er einen herrlichen Überblick über sein Reich hatte. In dieser hauskatzengroßen Gestalt bereitete ihm das Klettern keine Mühe. Zum Jagen jedoch war seine Yôkaigestalt[2] nützlicher. Dann war er größer als die Serau und konnte sie ohne Probleme erlegen. Überdies ließen sich Menschen besser erschrecken, wenn ihnen eine Nekomata[3] in der Größe eines Panters gegenüber stand. Nur selten dagegen nutzte Deidara seine anthropoide Form, weil es einfach nicht notwendig war.

Ruhig hingen seine buschigen Schwänze hinab. Die großen Ohren waren aufmerksam aufgestellt und zuckten bei einem auffälligen Geräusch leicht. Blaugraue Katzenaugen erfassten jede noch so kleine Bewegung, selbst wenn es sich nur um ein paar Blätter handelte, die von einer Windböe getragen zu Boden schwankten. Der frische Wind trug eine Vielzahl von Gerüchen mit sich. Der Duft von Frühlingsblumen vermischte sich mit dem Geruch eines Hasen, der vor kurzem in der Nähe gewesen sein musste. Ein Fuchs hatte ihm nachgestellt und er kannte diesen Geruch. Deidara zog die Nase kraus. Das gefiel ihm nicht. In seinem Revier hatte ein anderer Jäger nichts zu suchen. Er sollte ihn vertreiben.

Sein Blick huschte zu dem Wald und den Wiesen südlich seines Berges. Der Fuchs lebte dort. Wieso war er in sein Gebiet gekommen? Bisher hatte man das Revier des jeweils anderen stets respektiert und die Grenze nie überschritten. Irgendetwas musste den Fuchs vertrieben haben. Allerdings bedeutete das nicht, dass er so gütig war und sein Reich mit ihm teilte. Der Rotpelz musste hier verschwinden und sich ein anderes Territorium suchen.

Deidara erhob sich und kletterte den Baum wieder hinab. Den Fuchs würde er leicht finden. Doch zuerst wollte er wissen, was im Süden vor sich ging. Zielstrebig trottete der Kater den Berghang hinab, sprang über einen schmalen Bachlauf, der sich zwischen den Bäumen hindurch schlängelte, und näherte sich der Grenze seines Reviers. Dort angekommen hielt er inne und griff nach seiner Magie. Der kleine Körper begann zu wachsen. Knochen knirschten, seine Haut spannte und in den Muskeln zog es unangenehm. Als die Wandlung vollendet war, schüttelte Deidara kurz seine Pfote. An dieses Gefühl würde er sich nie ganz gewöhnen. Aber in ein fremdes Revier wollte er nicht in Hauskatzengröße eindringen. Er würde sich in seiner wahren Gestalt präsentieren. Wer auch immer die Ordnung hier durcheinander gebracht hatte, sollte sehen, mit wem er sich nun auseinandersetzen musste.

Entschlossen setzte Deidara eine Pfote vor die andere und drang in den Bambushain ein. Achtsam analysierte er die neue Geräuschkulisse und nahm die fremden Gerüche in sich auf. Die hohen Bambusstängel wichen mehr und mehr Laubbäumen. Am Boden gedieh zwischen den Grashalmen weiches Moos und viele weiße Blüten reckten sich dem Sonnenlicht entgegen, das im Frühling noch durch das erst sprießende Blätterdach drang. Ein Rabe pickte im Moos und flatterte erschrocken krächzend auf einen hoch gelegenen Ast, als er die Nekomata bemerkte.

In Deidaras Nase kitzelte ein außergewöhnlicher Geruch und er hielt inne. Leicht öffnete der Kater sein Maul und sog tief die Luft ein. Sein Blick wurde starr, während er sich gänzlich auf diesen Geruch konzentrierte. Eher unbewusst rümpfte er die Nase. Der Duft war höchst interessant. Aus den einzelnen Komponenten filterte Deidara heraus, dass es sich ebenfalls um einen Kater handeln musste und zwar keinen gewöhnlichen Kater. Aber eine Nekomata war es nicht. Süßlich umschmeichelte der Geruch seine Sinne. Ein tiefes Schnurren drang aus Deidaras Kehle. Für einen Augenblick genoss er diesen faszinierenden Duft noch, dann schloss er sein Maul wieder. Er schlug die Richtung ein, aus welcher der leichte Wind den Geruch zu ihm herüber trug.

Eine winzige Lichtung tat sich vor Deidara auf. In dessen Mitte lag ein großer Felsbrocken und darauf ruhte der fremde Kater. Gemütlich hatte dieser die Vorderpfoten ausgestreckt und seinen Kopf darauf gebettet. Die Augen entspannt geschlossen genoss er die ersten warmen Sonnenstrahlen des Jahres. Das rote Fell schimmerte seidig. Deidara spürte die magische Kraft, die dem roten Kater inne wohnte. Genauso wie dieser seine Kraft spüren musste, denn mit einem Ruck schnellte der Kopf hoch und rotbraune Augen fixierten ihn. Der Kater hatte ihn nicht riechen können, weil Deidara sich gegen den Wind genähert hatte. Elegant erhob der andere Kater sich und sprang vom Felsen herab. Dessen Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Aufmerksam glitt Deidaras Blick über den hübschen Kater. Er war ungefähr so groß wie er selbst und an der straffen Körperhaltung und dem gesträubten Nackenfell konnte er ablesen, dass dem anderen sein Eindringen nicht gefiel und er nun gereizt war.

Deidara verharrte. Die Ohren waren aufmerksam aufgerichtet. Bei diesem Yôkai musste es sich um eine Bakeneko[4] handeln. Deswegen roch und spürte er eine gewisse Ähnlichkeit zu sich selbst. Warum der rote Kater wohl das Revier des Fuchses okkupiert hatte?

Die graublauen Augen blieben wachsam auf den anderen gerichtet, als dieser sich unendlich langsam parallel zu ihm bewegte und ihm dabei beständig seine Breitseite zeigte. Er kam Deidara mit keinem Schritt näher, sondern umrundete ihn und hielt schließlich inne. Langsam öffnete der andere Kater das Maul einen Spalt breit, um seinen Geruch aufzunehmen. Interessiert beobachtete Deidara, wie sich allmählich das aufgerichtete Nackenfell glättete und sich die angespannte Haltung ein wenig lockerte. Als der rote Kater sein Maul schloss, öffneten sich seine Augen wieder richtig.

Gemächlich setzte Deidara sich hin. Von dem anderen Kater ging vorerst keine Gefahr aus. Er erkannte kein Anzeichen von Aggressivität mehr, was sich aber auch schnell wieder ändern konnte. Allerdings interessierte ihn nach wie vor, warum die Bakeneko hierhergekommen war. Demnach machte er sich erneut seine Magie zu Nutze und nahm seine menschenähnliche Gestalt an, denn nur in dieser anthropoiden Form war er in der Lage Sätze zu formulieren. Unangenehm verschoben sich die Knochen in seinem Leib und sein Fell zog sich in seine Haut zurück. Langes, cremefarbenes Haar wuchs über seine Schulter bis zur Taille.
 

Sasori musterte den Kater, der in sein neues Revier eingedrungen war. Der Fremde war gut, er hatte ihn erst bemerkt, als er seine magische Kraft spüren konnte. Und nun machte er von selbiger Gebrauch. Nach wenigen Herzschlägen saß der andere Kater in seiner menschenähnlichen Gestalt im Gras und schob die zerzauste Mähne über seine Schultern. Die Katzenohren zuckten kurz, ehe sich die blaugrauen Augen wieder auf ihn richteten. Statt Fell bedeckte nun ein elfenbeinfarbener Yukata seinen Körper. Verschlungene Ranken mit herzförmigen Blättern und roten Beeren verteilten sich unregelmäßig auf dem Stoff. Wo trieb der sich denn rum, wenn er in dieser Gestalt unterwegs war? Der Yukata hing an den Ärmeln und am unteren Saum in Fetzen. Manche Risse waren so tief, dass sie bis fast zur Mitte des Oberschenkels reichten. Der Stoff wurde auf seiner Hüfte von einem roten Obi zusammengehalten, sodass man ihn wohl einigermaßen bekleidet nennen konnte. Unter den zerrissenen Ärmeln lugte die ein oder andere Narbe hervor. Ruhig lagen die beiden Schwänze im Gras. Nur hin und wieder zuckte eine Schwanzspitze leicht. Seine ganze Erscheinung wies deutlich darauf hin, dass er sich schon sehr lange in der Wildnis aufhielt. Zudem roch Sasori nichts an ihm, was auch nur entfernt auf Menschen hindeutete. Für so ein ungepflegtes Vieh bot er einen recht attraktiven Anblick, wenn man etwas übrig hatte für die eher raue Schönheit.

Hoffentlich musste er sich mit dem Kater nicht herumschlagen. Sasori war froh, die lästigen Dorfbewohner los zu sein. Jahrelang hatte er unerkannt unter ihnen gelebt und sich von ihnen füttern lassen. Es war bequem gewesen. Außerdem hatte die alte Frau ihm auch oft gebratene Fleisch- und Fischhappen oder eine andere Leckerei gegeben. Ja, in dem Dorf hatte es sich recht gut gelebt. Die dummen Menschen waren der Meinung gewesen, er hielte die Mäuse und Ratten fern, dabei hatten die kleinen Nager sich wegen seiner bloßen Anwesenheit nicht zum Dorf gewagt. Nur die lauten Kinder waren nervig. Manchmal waren sie ihm hinterhergerannt, weil sie mit ihm spielen wollten. Dann hatte er sie böse angefaucht und gekratzt. In der darauffolgenden Nacht hatte er sich einen Spaß daraus gemacht, einen der verstorbenen Dörfler aus seinem Grab auferstehen zu lassen. Genährt von Sasoris Magie war er durch das Dorf gewankt und hatte die Kinder, die zu neugierig gewesen waren, zu Tode erschreckt. Sie waren selbst schuld. Hätten sie ihn in Ruhe in der Sonne dösen lassen und ihn nicht durch das Dorf gejagt, nur weil sie mit ihm spielen wollten, hätte er ihnen diesen Schrecken erspart.

Doch die alte Frau war im letzten Winter gestorben. Wann die Menschen misstrauisch geworden waren, wusste er nicht, aber irgendwann wollten sie ihm den Schwanz kupieren, um sicher zu gehen, dass er kein Yôkai war. Was für eine Unverfrorenheit! Sasori hatte daraufhin beschlossen, dem Dorf den Rücken zu kehren. Aber zuerst hatte er ihnen noch eine Lektion in Sachen Angst erteilt. An unsichtbaren Fäden hatte er die toten Dorfbewohner aus ihren Gräbern gerissen und die Lebenden angreifen lassen. Das Schauspiel war amüsant gewesen, wie verzweifelt die Männer mit ihren Bauerngerätschaften auf die Toten eingeprügelt hatten, obwohl diese doch nichts mehr fühlten und sich davon nicht beeindrucken ließen. In dem Dorf waren nur Leichen zurückgeblieben, als er es verlassen hatte. Man sollte nie den Zorn eines Yôkai wecken.

Das Glück war aus seiner Seite. Nach wenigen Wochen hatte Sasori diesen Wald hier gefunden und der Fuchs war vor ihm geflohen, nachdem er ihm mit seiner krallenbewährten Pranke gedroht hatte. Dem kleinen Rotpelz war bewusst gewesen, dass er schwere Verletzungen von einem Hieb davongetragen hätte.

Nun tat sich allerdings die Frage auf, was er mit dem cremefarbenen Kater machen sollte. Dieses neugierige Funkeln in den Augen des anderen ließ Sasori ahnen, dass der Kater nicht so schnell wieder verschwinden würde wie er hoffte. Wenigstens klebte der Menschengestank endlich nicht mehr an seinem roten Fell, sodass keine leidigen Fragen zu diesem Thema fallen würden.

„Du hast den Fuchs in mein Revier gescheucht“, sprach die Nekomata mit tiefer Stimme. „Wieso hast du dir ausgerechnet dieses Gebiet ausgesucht, hm?“ Sasoris Ohren zuckten leicht. Dieser Wilde hatte auch noch einen Sprachfehler. Und das war von nun an sein Nachbar? Na wunderbar. Sollte er sich die Mühe machen und verwandeln, um ihm antworten zu können? Sasori zog die Nase kraus, dann gebrauchte er doch seine Magie.
 

Interessiert beobachtete Deidara die Verwandlung des anderen Katers. Die Katzenohren waren umgeben von kurzem Haar. Das Fell gab makellose, helle Haut preis. Auf dem blütenweißen Yukata wuchsen junge Bambusstängel mit stilisierten Blättern empor. Ein grüner Obi sorgte dafür, dass der Stoff nicht aufklaffte. In einer eleganten Bewegung pendelte der rote Schwanz von einer Seite zur anderen, doch Deidara ignorierte den Hinweis auf die leichte Gereiztheit seines Gegenübers. Der Kater sah selbst in dieser eher schwachen Gestalt noch immer sehr hübsch aus. Stolz war das Kinn erhoben und der Blick aus den rotbraunen Augen zeigte eine gewisse Arroganz. Deidara kam unweigerlich in den Sinn, dass er nicht in den Wald gehörte, sondern als Herrscher in eine Burg.

„Dann verjag ihn“, erwiderte der rote Kater zwar ruhig, doch auch in der ansonsten angenehmen Stimme schwang die Überheblichkeit mit, die seiner ganzen Erscheinung anhaftete. Der andere ließ ihn nicht aus den Augen, während er seine Frage beantwortete. „Es gefällt mir hier. Verziehst du dich jetzt in dein Revier zurück oder muss ich nachhelfen?“ Starr blieben die rotbraunen Augen auf ihn gerichtet. Die Pupillen waren nur noch schmale Schlitze.

Deidara grinste. Der andere fühlte sich ihm überlegen und wollte ihn von seinem Grund und Boden vertreiben. Deidara erhob sich und näherte sich dem fremden Kater langsam. Es war nicht primär sein Ziel, ihn zum Angriff zu provozieren, aber er war neugierig und würde nicht mit zurückgelegten Ohren das Weite suchen.

Als nur noch wenige Meter zwischen ihnen lagen, drang ein warnendes Knurren aus der Kehle des roten Katers. Deidara hielt inne. Noch ein Schritt näher und der andere griff ihn an. Die Grenze würde er nicht überschreiten, aber er wollte noch etwas wissen. „Und wie heißt du, hm?“ Wissbegierig waren seine Ohren aufgestellt und er wartete auf eine Antwort.

Der rote Kater zog die Nase kraus. „Verschwindest du, wenn du deine Antwort hast?“ Er wollte ihn schnell loswerden. Dabei durfte er nicht vergessen, dass sie nun Nachbarn waren. Und die Bakeneko war weitaus interessanter als ein kleiner Fuchs, der mit Glück mal einen Hasen fing und sich ansonsten von Nagetieren, Aas und allerhand Kleingetier ernährte.

„Meinetwegen, hm“, stimmte Deidara schmunzelnd zu. In Gedanken fügte er ein Vorerst an. Oh, sie würden sich wiedersehen. Das stand für die Nekomata fest. Der rote Kater weckte seine Neugier.

„Sasori.“ Kaum hatte der andere seinen Namen genannt, peitsche sein Schwanz ungeduldig durch die Luft. Deidara hatte, was er wollte, für heute. Demnach wich er langsam zurück, seine Lippen formten sich aber erneut zu einem Grinsen. „Ich bin Deidara, hm.“

Sasori fauchte. „Interessiert mich nicht. Verschwinde!“ Der rote Kater wandelte sich zurück in seine Yôkaiform und hob drohend die rechte Vorderpfote. Deidara sollte sich besser endlich zurückziehen. „Wir sehen uns, hm“, sagte er noch amüsiert, bevor auch er seine Yôkaigestalt wieder annahm und ihm den Rücken kehrte. Eher unbewusst schüttelte er seine Hinterpfote im Gehen. Die Verwandlungen blieben einfach unangenehm.

Vergnügt lief Deidara zwischen den Bäumen hindurch, nahm denselben Weg, den er gekommen war und hielt erst an der Grenze zu seinem Territorium an. Der Kater drehte sich halb und sah über seine Schulter auf Sasoris Wald zurück. Sie würden sich wiedersehen! Aber jetzt wollte er den Fuchs vertreiben. Deidara reckte seine Nase in den Wind und rannte los. Er liebte die Jagd.
 

Sasoris Schwanz peitschte noch immer aggressiv durch die Luft. Der andere Kater sollte nicht auf die Idee kommen, wieder in sein Revier einzudringen. Dieser Wilde brachte seine Ruhe durcheinander. Er wollte nur ein Plätzchen, wo er in Frieden leben konnte. Es gab in diesem Wald genug Wild zum Erlegen und einen klaren See, in dem er baden gehen konnte. Eine Höhle zwischen den Wurzeln eines Baumes diente ihm als Versteck. Ein wenig schade war es, dass er sich nicht mehr füttern lassen konnte, aber nicht allzu tragisch. Die Jagd war ein notwendiges Übel, welches er problemlos zu bewältigen in der Lage war. Und den Rest der Zeit konnte er mit ausgiebiger Fellpflege und einem entspannenden Sonnenbad verbringen. Keine Kinder mehr, die ihn aus dem Schlaf schreckten und ihn zur Flucht auf einen hohen Baum zwangen, weil sie sonst schmerzhaft an seinem Schwanz zogen oder zu grob seine empfindlichen Ohren anfassten. Das war herrlich.

Allmählich beruhigte Sasori sich wieder und schlug den Weg zum See ein. Noch immer meinte er den Duft von Deidara riechen zu können. Sein Geruch entsprach seinem Äußeren. So wild wie er aussah, so schnupperte er auch, herb und nach Erde, Gräsern und einer Spur Seraublut von seiner letzten Mahlzeit. Der Kater war offensichtlich eher ein Jäger, der größere Beute bevorzugte. Sasori mochte Hasen gern, vor allem wegen des zarten Fleisches. Und wenn er schon jagte, sollte es ihm auch Vergnügen bereiten. Hasen waren schnelle Läufer und rannten im Zickzack, um zu entkommen. Aber er war genauso flink und wendig. Und er war erfahren in der Hasenjagd. Das einzig Lästige daran war, stundenlang auf der Lauer zu liegen und warten zu müssen, bis sich die Langohren zeigten und einer nah genug an ihn heran gekommen war, um angreifen zu können. Deswegen war das Menschendorf recht bequem gewesen. Er ließ sich füttern und musste nicht warten, bis sich ein Beutetier zeigte.

Sasori trat aus dem Wald und überwand die wenigen Meter zum See. Am Ufer setzte er sich und tauchte seine Zunge in das klare Wasser. Kühl rann es seine Kehle hinab. Als er genug getrunken hatte, trottete er am Ufer entlang und sprang auf einen großen Stein, der ein paar Schritt weit ins Wasser hinein reichte. Der Stein war angenehm warm unter seinen Pfoten. Gemütlich streckte Sasori sich aus und legte seinen Kopf auf die Pfoten. Aufmerksam wanderte sein Blick über die Wasseroberfläche. Ab und an schwammen Fische nahe an seinem Felsen vorbei. Seine nächste Mahlzeit würde aus Fisch bestehen, beschloss der rote Kater. Der war auch schön zart und weich.
 

Deidara überschritt in den folgenden Wochen absichtlich hin und wieder die Grenze zu Sasoris Revier. Weit drang er nie ein, da er die Nerven des leicht reizbaren Katers nicht zu sehr strapazieren wollte. Doch der andere kam ihm stets entgegen, um ihn wieder in sein eigenes Territorium zurück zu scheuchen. Allmählich schien daraus ein Spiel zu werden. Deidara trottete ein paar Schritte und hielt inne, bewegte sich erst wieder, wenn Sasori sich knurrend näherte, um ihn weiter zu treiben. Sobald er an ihrer Grenze angelangt war, wandte Sasori sich ab und verschwand zwischen den hohen Bambusstängeln. Deidara machte dieses Spiel Spaß. Dennoch fragte er sich, wie er den roten Kater milde stimmen konnte. Nachdenklich betrachtete er von seinem Beobachtungsplatz auf der knorrigen Kiefer den Wald. Sasoris bevorzugte Beute war Fisch und Hase. Er hatte es an ihm gerochen. Dann würde er ihm wohl mal ein kleines Geschenk machen. Einen See gab es in seinem Revier nicht und der Bach verlief zu steil den Hang hinab, um Fischen ein angenehmes Lebensreich darbieten zu können. Aber einen Hasen konnte er fangen.

Von der Idee begeistert verließ Deidara seinen Ast und verwandelte sich am Boden in seine Yôkaiform. Gezielt trottete Deidara einen seiner Pfade entlang. Achtsam näherte er sich den Felsspalten am Hang, von denen er wusste, dass die Hasen dort ihre Verstecke hatten. Die Dämmerung setzte bald ein, sodass der cremefarbene Kater auch nicht allzu lange warten musste, bis sich die ersten Hasen zeigten. Still lag er unter ein paar dicht stehenden Sträuchern. Als Beute wählte er einen noch nicht ganz ausgewachsenen Hasen aus, welcher sich arglos seinem Versteck näherte. Unerfahrene Jungtiere waren so leicht zu erbeuten und ihr Fleisch war herrlich zart. Allerdings mochte er dann doch einen jungen Serau lieber.

Deidara machte sich bereit und sammelte seine Kraft in den Hinterbeinen. Jeder Muskel in seinem Körper war gespannt, bereit loszuschlagen. Und dann sprang er zwischen den Sträuchern hervor. Die ausgefahrenen Krallen gruben sich in weiches Fell und tief in die Haut des jungen Langohrs. Dieses hatte ihn zwar noch gesehen, doch für ein Ausweichmanöver war es zu spät gewesen. Deidaras Kiefer schlossen sich kraftvoll um das Genick und hielt den zappelnden Hasen fest. Während er wartete, dass der Tod einsetzte, lauschte er auf seine Umgebung. Die anderen Hasen waren weggerannt und hatten sich in ihren Felsspalten verkrochen.

Deidara festigte seinen Biss und es knackte leise. Augenblicklich verebbte die Gegenwehr seiner Beute und er ließ sie los. Zufrieden betrachtete er sein Geschenk. Das musste Sasori doch gefallen. Deidara packte den toten Hasen im Genick und trug ihn fort.

Die Sonne war bereits hinter dem Horizont verschwunden, als er die Grenze überquerte und in Sasoris Territorium eindrang. Wie immer dauerte es nicht lange und der andere Kater stellte sich ihm in den Weg mit aufgestelltem Nackenfell und schmalen Augen. Deidara legte seine Beute ab. Dann drehte er sich einfach wieder um und trat ausnahmsweise einmal freiwillig den Rückzug aus Sasoris Revier an. Immerhin wollte er ihm eine Freude machen.
 

Irritiert sah Sasori dem cremefarbenen Kater nach. Das war… unerwartet. So schnell war Deidara noch nie gegangen und schon gar nicht freiwillig. Jedes Mal musste er knurrend hinter ihm her laufen und ihn in sein eigenes Gebiet zurück treiben. Sasori hatte immer das Gefühl gehabt, die Nekomata wollte ihn ärgern.

Seine Augen richteten sich auf den toten Hasen. Immer wieder hatte er Deidara aus seinem Revier vertrieben und jetzt machte dieser ihm ein Geschenk? Langsam näherte er sich dem Langohr und schnupperte daran. Ein gesundes Jungtier, noch nicht ganz ausgewachsen. Vermutlich war der kleine Hase zu unvorsichtig gewesen. Leise schnurrte der rote Kater. Dieses Geschenk gefiel ihm. Nun musste er heute nicht mehr jagen gehen. Sasori schlug seine Zähne in den Hals des Hasen und hob ihn hoch. Zügig schritt er durch den Wald zu seinem großen Felsbrocken auf der Lichtung. Sein Geschenk legte er im Gras neben dem Felsen ab, wollte er seinen Ruheplatz nicht mit Blut und Innereien besudeln. Genüsslich begann er zu fressen. Der Hase war herrlich zart. Ja, er mochte das Geschenk wirklich sehr. Vielleicht sollte er das nächste Mal ein bisschen netter zu Deidara sein…
 

_________________________________________________

[1]japanische Serau: Ziegenartige Säugetierart.

[2]Yôkai: höherer Dämon in der japanischen Mythologie.

[3]Nekomata: japanisch 猫股 oder 猫又; von japanisch neko „Katze“ und mata „Gabelung“ oder „gegabelt“; vollständig also „Gegabelte Katze“. Fiktives Wesen aus der japanischen Mythologie, das sich aus einer Hauskatze entwickeln kann, aber auch wild in bestimmten Bergregionen Japans und Chinas hausen soll. Sie gehört nach dem Volksglauben zur Gruppe der höheren Dämonen, den Yōkai. Besonderes Erkennungsmerkmal sind die zwei Schwänze. Die Nekomata gilt als bösartig und besitzt schwarzmagische Fähigkeiten.

[4]Bakeneko: japanisch 化け猫 ‚Monsterkatze‘, ‚Katzenmonster‘, seltener Kaibyō (jap. 怪猫 ‚Geisterkatze‘). Fiktives Wesen der japanischen Mythologie. Sie ist ein Katzendämon aus der Gruppe der Yōkai und gilt als Verwandte der Nekomata. Bakeneko werden als bösartig beschrieben, besitzen schwarzmagische Fähigkeiten und gelten, wie die Nekomata, als das Gegenstück zur Glück bringenden Maneki-neko („Winke-Katze“).

Natsu 夏

Allmählich hielt der Sommer Einzug ins Land und Sasori war doch milde erstaunt, wie hartnäckig Deidara blieb. Nach dem Geschenk ließ er den cremefarbenen Kater ab und an in seiner Nähe. Dann lag der andere nicht weit von ihm, entweder neben seinem Felsen, auf dem er sich sonnte, oder aber ein paar Meter entfernt im Schatten so wie er selbst, wenn die Hitze zu groß wurde. Oft genug jagte Sasori ihn dennoch von seinem Territorium. Sie waren nur Nachbarn und wegen einem Geschenk musste er nun wirklich nicht übertrieben nett zu ihm sein.

Allerdings brachte Deidara ihm nun öfters ein Geschenk. Meistens kam er mit einem Hasen oder einem Wildkaninchen. Manchmal auch mit einem Fasan. Zugegeben, Sasori gefiel es, nicht jagen zu müssen. Demnach nahm er die Geschenke gern an. Im Gegenzug duldete er die Nähe des anderen Katers. Aber er sollte bloß nicht übermütig werden! Deidara gurrte sogar schon zur Begrüßung. Hoffentlich wurde er nicht noch anhänglicher. Sasori brauchte seinen Freiraum. Wenn ihm Deidaras Gegenwart zu viel wurde, zeigte er ihm das unmissverständlich mit peitschendem Schwanz und einem ungeduldigen Knurren. Meist verstand der Kater und zog sich dann ohne dieses dämliches Fange-Spiel in sein Revier zurück.

Gemütlich lag Sasori unter einem Baum, der reichlich Schatten spendete, und widmete sich seiner Fellpflege, als seine Ohren ein weit entferntes Brüllen auffingen, welches vom Berg herüber wehte. Er hielt inne und lauschte. Noch ein Brüllen. Das klang nach einem tobenden Bären. Was ging denn in Deidaras Revier vor sich? Der rote Kater zog die Nase kraus. Das ging ihn nichts an. Die Nekomata war wehrhaft genug, um ihr Reich vor Eindringlingen zu schützen. Dem verzweifelten Brüllen des Bären zufolge war der cremefarbene Kater auch erfolgreich. Sasori wandte sich wieder seinem Fell zu und leckte sorgfältig darüber. Nachdem er sich von den Ohren bis zur Schwanzspitze gepflegt fühlte, streckte er sich gähnend und nahm seine Hauskatzengestalt an, um besser auf den Baum klettern zu können. Auf einem großen Ast machte er es sich gemütlich. Den Kopf auf seine Pfoten gebettet döste Sasori. Das war das einzig Sinnvolle bei der Mittagshitze.

Die Sonne neigte sich allmählich dem Horizont entgegen, da weckte ein Geruch den roten Kater auf. Seine Sinne waren augenblicklich hellwach. Sasori öffnete sein Maul und hob den Kopf leicht. Tief sog er den Geruch ein. Blut. Deidaras Blut. Er hatte den Kater einmal gekratzt und Sasori vergaß niemals einen bestimmten Geruch. Hatte der andere sich mit dem Bären übernommen? Langsam setzte Sasori sich auf und sah in die Richtung, aus welcher der Wind den Geruch des Blutes zu ihm trug. Deidara hatte ihm so viele Geschenke gemacht und seine einzige Gegenleistung war gewesen, dass er ihn nicht verjagt hatte. Vielleicht sollte er mal schauen, ob der Kater noch lebte.

Sasori sprang elegant vom Baum und wandelte in seine Yôkaigestalt zurück. Kurz schüttelte er die Pfote, dann trottete er zum Bambushain. An ihrer Grenze verharrte er für einige Herzschläge. Eigentlich hatte er diese Grenze nie überschreiten wollen. Sasori würde nur kurz schauen, ob Deidara noch am Leben war, mehr nicht! Entschlossen lief er weiter. Überall roch es hier nach dem anderen Kater und obwohl Sasori dessen Duft als recht angenehm empfand, fühlte er sich in dem fremden Revier unwohl. Es war einfach nicht sein Reich. Zielsicher führte seine Nase ihn durch das fremde Gebiet dem Blutgeruch entgegen. Sasori erklomm mühelos einen Hang und erkannte am Fuße einer knorrigen Kiefer die Nekomata. Zusammengerollt lag er im Schatten, die Schwänze um seinen Körper gelegt und schien zu schlafen. Doch Sasori hörte ein leises Schnurren. Das helle Fell war an der rechten Schulter bis zur Pfote hinab verklebt vom Blut. Deidara musste es ziemlich schlecht gehen, wenn er sogar schnurrte, um sich zu beruhigen. Aber er lebte. Sasori überlegte, ob er wieder gehen sollte. In der hintersten Ecke seines Geistes meldete sich so etwas wie sein Gewissen, was ihm ein ärgerliches Knurren entlockte.

Das leise Schnurren riss ab. Alarmiert hoben sich Deidaras Lider. Sasori sah ihm an, dass er Zeit brauchte, bis er ihn richtig fokussieren konnte. Abwartend lag der Blick aus den graublauen Augen auf ihm. Deutlich konnte er die Erschöpfung darin lesen. Sasori sollte sich wenigstens kurz um ihn kümmern. Aber nur als Gegenleistung für Deidaras Geschenke.

Der rote Kater kam langsam näher und begann beruhigend zu schnurren, um Deidara zu zeigen, dass er nichts Böses wollte. Unter den Augen des anderen betrachtete er die Verletzungen eingehend. Wie viele Stunden mochten seit dem Kampf vergangen sein? Und noch immer sickerte an manchen Stellen Blut durch das Fell. Sasori setzte sich dicht neben Deidara und begann das Fell zu säubern und an den Wundränder entlang zu lecken. Immerhin wurde durch die Blutung jeder Schmutz aus der Wunde gespült. Hoffentlich versiegte selbige bald gänzlich. Ansonsten wurde es für den cremefarbenen Kater kritisch. Das Schnurren hielt Sasori aufrecht. Deidara schloss seine Augen schließlich wieder und nahm seine Bemühungen an.

Mit der Reinigung schließlich fertig sah er auf den anderen Kater hinab. Sein Schnurren verstummte und nur Augenblicke später setzte das von Deidara wieder ein. Und was sollte er nun mit ihm machen? Deidara konnte nicht einfach hier liegen bleiben. Sein Blutgeruch war bis über die Grenzen seines Reviers zu erschnuppern. Das wäre der perfekte Zeitpunkt, um ihn zu töten und sein Territorium zu übernehmen. Deidara war schwach und konnte sich kaum wehren. Die Selbstversorgung wurde mit der Verletzung auch nahezu unmöglich. Die Wunde würde Zeit brauchen, um weit genug zu verheilen, dass der Kater wieder aktiv jagen konnte. Sasori zog abermals die Nase kraus. Wirklich hervorragend! Hätte Deidara den Bären denn nicht anders vertreiben können? Ohne sich von ihm so schwer verletzen zu lassen? Nun hatte er den cremefarbenen Kater am Hals. Einfach liegen lassen konnte er ihn nicht. Nicht, nachdem Deidara ihm immer wieder so leckere Geschenke gemacht hatte.

Schließlich griff der rote Kater nach seiner Magie und nahm seine anthropoide Gestalt an. „Deidara, verwandel dich“, forderte er ihn ungeduldig auf. In seiner Yôkaiform war der Kater zu groß, um ihn durch die Gegend zu schleppen. Sasori spürte, wie Deidara seiner Aufforderung nachkam. Seiner Meinung nach verlief die Verwandlung viel zu langsam. Es war ein weiteres Zeichen der Erschöpfung. Zufrieden betrachtete Sasori die nun kleine Nekomata. Der Rothaarige schob seine Yukataärmel zurück und nahm das Katerchen behutsam auf die Arme. Ein leises Jammern drang an seine Ohren.

„Jammer nicht. Zeig mir lieber, wo dein Versteck ist“, brummte Sasori und sah auf das Fellbündel in seinen Armen hinab. Wollte Deidara ihn ärgern? Er sollte ihm die Richtung zu seinem Versteck zeigen und nicht gleich noch mal diesen jammernden Laut ausstoßen. Sasori achtete darauf, dass er nicht an seine Verletzung kam. Deidara war doch selbst schuld, wenn er nicht wusste, wie man gegen einen Bären kämpfte, ohne eine Verletzung davon zu tragen. Aber er schien noch relativ jung zu sein für eine Nekomata. Da mangelte es wohl eindeutig an Erfahrung. „Jammer noch mal und ich lass dich fallen“, schwor er dem Katerchen. Ein mattes Fauchen brachte Deidara noch zustande. Warnend sah Sasori auf ihn hinab.

Der cremefarbene Kater schaute nun starr nach Osten. Sasori folgte dem Blick und ahnte, wo ihn diese Richtung hinführte. Deidara war clever, wenn er sein Versteck an einem der Berghänge hatte. Dort oben war der Überblick gut. Genervt setzte Sasori sich in Bewegung. Wieso half er ihm überhaupt? Deidara war durch seinen eigenen Übermut verletzt. Sollte er die Konsequenzen ertragen! Aber… der rote Kater konnte ihn nicht einfach seinem Schicksal überlassen. Die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass der andere den Sommer ohne Hilfe nicht überleben würde. Sasoris spärlich vorhandenes Gewissen würde an ihm nagen, überließe er ihn nach den schmackhaften Geschenken sich selbst, die ihm das leidige Jagen erspart hatten.

Deidaras Geruch wurde zunehmend intensiver und bot ihm weitere Hinweise, welchen Weg Sasori einschlagen musste. Bald fand er eine Spalte im Fels, die gerade breit genug war, um sich in der Yôkaigestalt hindurch zu zwängen. In der menschenähnlichen Form musste er sich ducken. Hinter dem Eingang verharrte er, damit seine Augen sich an das Dunkel gewöhnen konnten. Allmählich erkannte er in den Schatten eine Höhle, deren schräge Decke sich weiter hinten mit dem Boden vereinte. Dort lag jede Menge trockenes Laub, Gräser und auch Stofffetzen. Deidara verjagte sicherlich die Menschen aus seinem Gebiet so wie er selbst. Ein Mensch, der zu langsam war, starb. Und dann konnte man nützliche Dinge wie die Kleidung, die er trug, für das eigene Nest mitnehmen. Sasori überwand den geringen Abstand zu Deidaras Lager und legte ihn in der großen Kuhle ab. Er wirkte nun ein wenig verloren in dem riesigen Haufen, der auf seine Yôkaigestalt abgestimmt war.

Deidara brauchte etwas zu trinken. Der rote Kater wandte sich zum Ausgang und schon hörte er ein trauriges Mauzen hinter sich. Genervt zuckte Sasoris Schwanz. „Bin gleich wieder da“, brummte er und verließ die Höhle. In der Nähe hörte er das Plätschern eines Bergbaches. Eilig schritt er dem Geräusch entgegen. Schon bald stand er vor einem Bach, der sich über viele Jahrtausende hinweg in den Stein gegraben hatte. Herrlich klar lud das Wasser zum Baden ein… wäre der Bach nur etwas größer. Als ausgewachsene Bakeneko konnte er bestenfalls seine Pfoten in das kühle Nass tauchen. Dabei mochte er ein erfrischendes Bad sehr gern. Aber Sasori war auch nicht für sein privates Vergnügen hergekommen. Suchend blickte er sich um und brach schließlich ein Stück Rinde von einem alten Baum. Er tauchte sie in den Bach. Vorsichtig trug er die gewölbte Rinde mit der klaren Flüssigkeit zurück zur Höhle.
 

Leises Schnurren drang beharrlich aus Deidaras Kehle. Es beruhigte ihn und half ihm, die Schmerzen besser zu ertragen, die sich von seiner Schulter bis fast zur Pfote hinab in ihn fraßen. Noch nie hatte er sich so schwach gefühlt. Am Ende wollten ihn seine Pfoten nicht mehr tragen und er hatte sich unter der Kiefer hingelegt. Der Kater war erleichtert gewesen, als Sasori zu ihm gekommen war und sich um ihn kümmerte. Alleine wäre er nicht weit gekommen. Denn als der andere ihn hochgenommen hatte, war ihm durch die Bewegung bereits schwindlig geworden. Für eine weitere Verwandlung war er ebenfalls zu schwach, das spürte er. Den Bären hatte er wohl unterschätzt. Dabei war er ihm so behäbig vorgekommen. Deidara wollte ihn doch nur aus seinem Revier vertreiben. Warum musste der Bär sich auch so stur stellen. Und dann war der Gegenangriff des anderen Jägers erstaunlich schnell erfolgt. So leicht ließ er sich jedoch nicht töten, wie der Bär bemerkt hatte. Denn dieser war schwer verletzt geflohen. Deidara ging davon aus, dass er die tiefen Bisse nahe seiner Kehle nicht überlebte. Und würde Sasori ihm nun nicht helfen, würde er vielleicht auch sterben. Mit der Pfote konnte er nicht jagen. Momentan war er sogar zu schwach, um aus eigener Kraft zu laufen. Was Sasori nur dazu bewogen hatte, die Grenze zu seinem Revier zu überschreiten und sich seiner anzunehmen? Seine Fragen mussten warten, denn eine weitere Verwandlung konnte Deidara momentan nicht durchführen.

Deidara hörte Schritte am Eingang seiner Höhle und hob müde die Augenlider. Sasori kam zurück und setzte sich neben ihn, hielt ihm eine gewölbte Rinde hin. Darin war klares Wasser. Der cremefarbene Kater musste sich anstrengen, den Kopf weit genug zu heben, um aus der Höhlung trinken zu können. Das kalte Wasser rann erfrischend seine Kehle hinab und schien einen belebenden Effekt zu haben. Jedenfalls fühlte er sich anschließend ein bisschen besser. Erschöpft legte Deidara den Kopf wieder auf die gesunde Pfote und schloss seine Augen. Er wollte einfach nur schlafen.

Er spürte, dass der rote Kater von seiner Magie Gebrauch machte. Leise raschelten die trockenen Blätter und Gräser, als die Bakeneko sich dicht neben ihn in die Mulde seines Nestes legte. Wenige Herzschläge später glitt die raue Zunge Sasoris durch sein Fell und begann ihn zu säubern. Da dieser nun wieder schnurrte, erstarb sein eigenes allmählich. Recht schnell driftete Deidaras Bewusstsein nun in den Schlaf ab.
 

Gründlich glitt Sasoris Zunge durch das helle Fell. Wenn er sich schon um diesen übermütigen Kater kümmerte, dann richtig. Und er war doch recht zufrieden, als er fertig war. Das Fell war nicht mehr zerzaust. So sah Deidara doch gleich ein bisschen besser aus, wäre da nicht die Verletzung. Aber sie hatte endlich aufgehört zu bluten. Solange der andere sich die nächsten Tage nicht groß bewegte, konnte die Wunde gut verheilen.

Deidara war inzwischen eingeschlafen. Sein Atem ging tief und gleichmäßig. Stoisch blickte er auf die kleine Gestalt hinab. Deidara war nun gezwungen, seinem Körper genug Ruhe zu gönnen. In einer sanften Rundung legte Sasori seinen Schwanz um das Katerchen. Morgen musste er jagen gehen, damit Deidara etwas zu Futtern hatte. Schließlich brauchte dieser Nahrung, um wieder zu Kräften zu kommen. Wehe, der cremefarbene Kater wusste seine Freundlichkeit nicht zu schätzen! Sasori hatte sich schon lange nicht mehr um jemand anderen Gedanken gemacht.

Kurz zuckten seine Ohren, dann legte er seinen Kopf auf den Vorderpfoten ab und schloss ebenfalls die Augen. Doch Sasori schlief nicht. Sein Geist glitt nur in einen leichten Dämmerzustand, aus dem er jederzeit sofort erwachen konnte, sobald sich etwas in seiner Umgebung änderte. Beständig ließ er sein Schnurren erklingen. Es war nun nicht mehr nur für Deidara, sondern auch für seine aufgewühlten Nerven. Sasori lebte schon so lange alleine. Die Menschen aus dem Dorf zählten für ihn nicht als Gesellschaft. Sie hatten lediglich einen Zweck erfüllt. Und nun musste er sich wieder mit einem anderen Kater auseinandersetzen. Der Einzelgänger brauchte Zeit, um damit zurecht zu kommen.
 

Deidara schlief in den folgenden Tagen viel und bewegte sich nur selten. Mal hob er den Kopf, um etwas Wasser aus der gewölbten Rinde zu trinken, dann fraß er von den Fleischhappen, die Sasori ihm aus der Beute riss, und er kuschelte sich an den warmen Körper des anderen Katers, wenn er sich neben ihn legte. Deidara war erstaunt, wie gut Sasori ihn versorgte. Er könnte das tote Tier einfach neben ihm fallen lassen, aber er riss kleine Fleischstückchen heraus und legte sie ihm vor die Pfoten. Regelmäßig verlangte er, dass Deidara von dem Wasser trank. Und so sauber war er vermutlich noch nie gewesen. Sasori verwendete wirklich viel Zeit dafür, sich und nun auch sein Fell zu pflegen. Aber er fühlte sich sehr wohl und konnte die Schmerzen recht gut verdrängen. Es tat unendlich gut, umsorgt zu werden. Außerdem gefiel es ihm, dass ihre Gerüche sich miteinander vermischten. Der rote Kater roch bald vertrauter, weil sein eigener Geruch an ihm haftete sowie dessen Duft an ihm klebte.

Allmählich wurde Deidara aber langweilig. Sein Körper brauchte nicht mehr so viel Schlaf, um sich zu erholen und die Verletzung heilte gut. Er könnte sich vor den Höhleneingang legen und dort die Vögel in den Bäumen beobachten. Graublaue Katzenaugen erfassten Sasori, der neben ihm ruhte. Gegen ein klein wenig Bewegung konnte der rote Kater eigentlich nichts einwenden. Deidara würde vorsichtig sein, damit er die Verletzung nicht verschlimmerte.

Sanft stemmte er seine Pfoten in das Laub, um sich behutsam zu erheben, dabei kein Gewicht auf seine verletzte Pfote legend. Bevor er sich jedoch gänzlich aufgerichtet hatte, drückte eine schwere Vorderpfote ihn wieder runter. Warnend knurrte Sasori. Ein mürrisches Schnaufen war seine Antwort. In seiner kleinen Gestalt konnte Deidara ihm überhaupt nichts entgegensetzen, selbst wenn er im Vollbesitz seiner Kräfte gewesen wäre. Aber ihm war langweilig. Und wenn Sasori ihm verbot aufzustehen, musste er sich um ihn kümmern.

Deidara drehte seinen Kopf leicht und rieb sich an dem Vorderbein des roten Katers. Aufforderndes Mauzen drang aus seiner Kehle. Nach ein paar Augenblicken hielt er inne und betrachtete das entspannt wirkende Gesicht. Sasori ignorierte ihn. Der cremefarbene Kater drehte sich mehr auf die Seite und begann an Sasoris Bein zu knabbern. Ihm war bewusst, dass der andere mit Zuneigungsgesten ein paar Probleme hatte. Wenn er ihn nicht gerade putzte, versuchte er sich diesen Gesten zu entziehen. Leider klappte das nicht sehr gut, da er ihn offensichtlich nicht sterben lassen wollte. Er musste sich Deidara also aussetzen und dieser mochte Sasori. Daher zeigte er ihm seine Zuneigung, ob er wollte oder nicht.

Ein weiteres leises Knurren wurde von seinen Ohren aufgefangen. Aber das hielt ihn nicht auf. Deidara begann zu schnurren. Das Knabbern setzte er fort, welches er nur unterbrach, um seinen Kopf an Sasoris Bein zu reiben. Endlich öffneten sich die braunen Augen. Durchdringend sahen sie ihn an. Deidara mauzte und stieß mit dem Kopf gegen das Vorderbein.

Sasoris Ohren zuckten. Genervt sah er ihn an, ehe er sich langsam aufsetzte und die Pfote von ihm runternahm. Der rote Kater beugte sich zu ihm hinab und begann mit der Zunge sein Fell zu richten. Zufrieden gurrte Deidara, hatte er nun die Aufmerksamkeit, die er wollte. Sasori beschäftigte ihn. Er streckte sich gemütlich und ließ sich putzen. Währenddessen schnurrte er wohlig vor sich hin.
 

Einige Wochen später trottete Sasori durch Deidaras Gebiet seinem eigenen Reich entgegen. Der cremefarbene Kater an seiner Seite hinkte noch leicht, aber ansonsten ging es ihm wieder verflucht gut. Er hatte inzwischen seine Yôkaiform angenommen. Sasori mochte ihn in dieser Gestalt lieber. Manchmal hatte er aufpassen müssen, dass der kleine Kater nicht unter ihm begraben wurde, wenn er sich in dessen Nest umgedreht hatte.

In den letzten Wochen waren seine Streifzüge ab und an länger gewesen, um zu überprüfen, dass niemand sein Territorium okkupierte. Nun freute er sich, endlich wieder auf seinem Felsen liegen und Deidara vertreiben zu können, wenn er zu aufdringlich wurde. Der Kater war eine richtige Plage. Er brauchte so viel Aufmerksamkeit. Und je besser es ihm ging, desto häufiger erwischte ihn dabei, wie er an ihm knabberte und schmusen wollte. Dabei war es doch schon mehr als ausreichend, dass er ihn geputzt hatte. Das hatte Deidara auch dringend nötig gehabt. In den letzten Wochen war er immer schön gepflegt gewesen. Es war nur fraglich, wie lange das so blieb, jetzt, wo der Kater wieder für sich selbst verantwortlich sein würde.

An der Grenze hielt Sasori inne und sah zu Deidara. Er sollte ihm nicht folgen. Der rote Kater brauchte endlich etwas Ruhe und Zeit für sich selbst. Jeden Tag bei Deidara zu sein, war unglaublich anstrengend für ihn. Noch nie war er sonderlich gesellig gewesen. Auch als er noch mit San umhergestreift war, hatte er sich manchmal tagelang von ihm entfernt und war allein durch die Wälder gewandert. Er brauchte das. Außerdem musste er endlich nicht mehr für zwei jagen gehen. Für ihn war es eine Qual gewesen, jagte er doch so ungern.

Der cremefarbene Kater kam näher und rieb schon wieder seinen Kopf an ihm. Dieses Mal traf es seine Schulter. Erstaunlicherweise drehte Deidara sich dann um. Die beiden Schwänze streiften wie zufällig unter seinem Kinn entlang. Deidara drehte seinen Kopf halb. Ein frecher Blick traf ihn. Dann trottete er artig zurück.

Erleichtert sah Sasori ihm nach. Er hatte schon befürchtet, er müsse ihm auf schmerzhafte Weise klar machen, dass er ihm nicht ständig folgen musste, nur weil er ihn gesund gepflegt hatte. Langsam wandte der rote Kater sich seinem Territorium zu und tauchte in den vertrauten Bambushain ein. Es tat so gut, wieder allein zu sein, in seinem eigenen Gebiet. Endlich konnte er auch wieder Fische fangen. In den vergangen Wochen war das nicht möglich gewesen, war der Weg von Deidaras Höhle bis zu seinem Teich sehr weit und da hätte er nicht noch Zeit mit Fischen verbringen können. So lange hatte er den übermütigen Kater nicht allein lassen wollen. Wer wusste, auf was für dumme Ideen er sonst noch gekommen wäre. Sasori hoffte nur, dass Deidara aus dem Kampf gegen den Bären gelernt hatte. Ein anderes Mal hatte er vielleicht weniger Glück. Ein kleiner Teil in ihm fand den Gedanken schade, würde der cremefarbene Kater wegen seines eigenen Übermutes sterben. Wenn er nicht gerade aufdringlich wurde, war er eigentlich eine ganz angenehme Gesellschaft. Vielleicht hatte er sich aber inzwischen auch nur an ihn gewöhnt.

Aki 秋

Deidara folgte ihm schon seit einer Weile. Der rote Kater hörte das leise Rascheln von Gras hinter sich. Es war ertragbar für ihn, wenn der andere alle paar Tage vorbei kam, aber er musste ihm nun nicht auch noch nachlaufen. Genervt zuckte seine Schwanzspitze. Schließlich blieb Sasori ruckartig stehen und sah aus zusammengekniffenen Augen über die Schulter. Von seiner leicht aggressiven Haltung ließ der cremefarbene Kater sich jedoch nicht beeindrucken. Er kam näher und stupste schließlich sanft gegen seine Nase. Aus Reflex zog er selbige kraus. Jetzt tauschten sie schon Zuneigungsgesten aus? Was hatte er verpasst? Im Frühling hatte Deidara sich noch von seinen Abwehrreaktionen beeindrucken lassen. Doch seitdem er ihn gesund gepflegt hatte, ignorierte er seine Warnungen meistens einfach. So wie jetzt. Noch bevor er ihn anknurren konnte, rieb Deidara den Kopf an seiner Schulter und begann zu schnurren. Dieser verdammte Kater wusste genau, was er sich erlauben konnte. Erst hatte er ihn mit Futter gelockt und seitdem sie sich ein paar Wochen das Lager geteilt hatten, sorgte Deidara dafür, dass ihre Gerüche weiterhin vermischt blieben. Natürlich reagierte Sasori weniger aggressiv auf den anderen Kater, weil er vertrauter roch, nämlich auch nach ihm selbst. So übermütig Deidara war, einfältig war er nicht.

Allerdings änderte dies nichts an der Tatsache, dass er den cremefarbenen Kater nicht mit in ein Menschendorf nehmen wollte. Und das musste er ihm nun klar machen. Sasori wandelte in seine anthropoide Gestalt, wofür er einen fragenden Blick erntete. „Geh zurück.“

Deidara setzte sich hin. Die Ohren waren aufmerksam auf ihn gerichtet. Genervt seufzte Sasori. Nun stellte sich der Kater auch noch stur. „Du kannst nicht mitkommen“, gab er als kurze Erklärung ab. Offensichtlich war dieser Kommentar der Anstoß für Deidaras Verwandlung. Denn kurz darauf erhob er sich in seiner menschenähnlichen Form. Unruhig betrachteten ihn die graublauen Katzenaugen. „Du willst weggehen, hm?“, fragte er. Der Blick, der ihn nun traf, war herzerweichend.

„Mach kein Theater. Ich komme wieder.“

Deidaras Ohren zuckten leicht. „Wo willst du denn hin, hm?“ Neugier sprang ihm entgegen. Das fehlte ihm noch. „Geht dich nichts an“, brummte Sasori und wandte sich ab. Zügig schritt er weiter. Und wieder war Deidara ihm auf den Fersen. Nach ein paar Augenblicken hielt der Rotschopf erneut inne, inzwischen deutlich gereizt. „Zum letzten Mal, geh zurück!“

Scheinbar völlig entspannt kratzte der Hellhaarige sich am Ohr. „Sag mir erst, wo du hinwillst, hm“, forderte er mit einem dreisten Grinsen. Zornig peitschte Sasoris Schwanz. Der Blick aus den graublauen Augen verdeutlichte, dass er nicht einfach nachgeben würde. Erklärte er ihm, wo er hinwollte, hatte er vielleicht eine kleine Chance, dass Deidara umkehren würde. Schwieg er, kam er ihm nach.

Unwillig gab Sasori nach. „Ich gehe ins Dorf.“ Damit war das Thema für ihn erledigt und er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen Weg. Erneut drang das Geräusch von Schritten an seine Ohren. Deidara folgte ihm immer noch. Harsch ruckte er zu ihm herum. Ein warnendes Knurren verließ seine Kehle. Frech grinste der Hellhaarige ihn an. „Ich hab nicht gesagt, dass ich zurückgehe, wenn du mir sagst, wo du hinwillst, hm.“

Ungeduldig peitschte Sasoris Schwanz hin und her. „Was willst du in einem Dorf? Du würdest nicht mal bis hinein kommen, da würdest du dich schon selbst verraten.“ Abschätzend betrachtete er Deidara, der nun empört schien. „Woher willst du das denn wissen, hm?“ Herausforderung lag in der Stimme des anderen.

Langsam wanderte Sasoris Blick an ihm hinab und wieder hinauf. „Sieh dich doch mal an. In dem zerfetzten Yukata fällst du auf. Abgesehen davon wage ich zu bezweifeln, dass du deine Gestalt komplett einem Menschen angleichen kannst.“ Der Rotschopf reckte sein Kinn. Deidara war jung. Es würde ihn nicht wundern, wenn er sein Revier noch nie verlassen hatte. Die Nekomata zeichnete sich durch ihre ungestüme Art und den zur Schau getragenen Stolz aus. Es war schwer vorstellbar, dass Deidara sich in Aussehen und Verhalten an eine niedere Lebensform anpassen konnte, um unter ihnen zu wandeln. Denn das musste er, wollte er den ein oder anderen Vorteil eines Menschendorfes ausnutzen. Man könnte natürlich auch in der Yôkaigestalt in ein Dorf spazieren. Aber früher oder später würde ein selbsternannter Dämonenjäger auftauchen und das Übel bekämpfen wollen. Manche von denen waren durchaus fähig, einen Yôkai umzubringen. Davon wusste Deidara bestimmt auch nichts.

Selbiger zog die Nase kraus. „Willst du behaupten, ich könne meine Magie nicht richtig anwenden, hm?“ Er schnaufte und konzentrierte sich. Tatsächlich gelang es dem Hellhaarigen eine Illusion um sich zu schaffen, die seine Katzenohren und die Schwänze verbarg. Die zuvor geschlitzten Pupillen wirkten nun vollkommen menschlich. Aber das reichte nicht. „Der Yukata“, erinnerte Sasori den übermütigen Kater.

Mürrisch schaute Deidara an sich hinab und nur einen Augenblick später verhüllte die Illusion auch dieses aufsehenerregende Detail, sodass der Yukata sauber erschien und bis zu seinen Knöcheln reichte. Anscheinend war er doch mächtig genug, solche Illusionen anwenden zu können. Der Rotschopf zog eine Augenbraue hoch. „Du kannst trotzdem nicht mitkommen“, beharrte er.

„Warum nicht? Ich sehe doch jetzt aus wie ein Mensch, hm.“ Wieso musste Deidara immer widersprechen oder sich ihm widersetzen? „Wie oft warst du schon in einem Menschendorf?“ Der Hellhaarige öffnete seinen Mund und wollte antworten, aber Sasori schnitt ihm harsch das Wort ab. „Du brauchst es nicht sagen. Ich weiß es. Niemals!“

An Aufgeben dachte der andere Kater allerdings wohl nicht. „Na und?“, maulte er. „Dann sehe ich es mir eben an, hm.“

Tief atmete Sasori durch, ehe er sich zu einer einigermaßen ruhigen Reaktion durchrang. Er war versucht, diese Diskussion mit körperlicher Gewalt zu lösen. Aber vermutlich müsste er Deidara töten, damit dieser ihm nicht folgte. Und das war Verschwendung seiner Zeit. Dann hätte er sich das Gesundpflegen auch sparen können. „Du hast keine Ahnung, wie du dich unter Menschen benehmen musst, um nicht aufzufallen.“

Ein Schulterzucken leitete die lapidare Antwort des Katers ein. „Dann zeigst du es mir eben, hm.“ Wer war er denn bitte? Deidaras Meister? „Such dir jemand anderen“, brummte er unwillig. Als er sich nun von Deidara abwandte, schwor er sich, kein weiteres Mal stehen zu bleiben, um ihn zum Umkehren zu bewegen. Seine Ohren zuckten ärgerlich. Der Hellhaarige kam ihm unbeirrt nach. Sasori beschloss ihn zu ignorieren. In einem geeigneten Moment würde er Deidaras Unerfahrenheit ausnutzen und ihn abschütteln.

Während sie durch den Wald liefen, schloss selbiger langsam zu ihm auf und schritt schließlich neben ihm her. Eine Weile herrschte Schweigen zwischen ihnen. „Ich habe aber niemanden sonst, hm.“ Die Worte waren leise und so ernst, wie er Deidara noch nie erlebt hatte. Das überraschte ihn. Nach außen zeigte er keine Regung, aber das Bekenntnis fachte eine Reihe von Überlegungen an. Wie lange lebte der andere Kater schon alleine? War er vielleicht noch nie in einem Menschendorf gewesen, weil er niemanden gehabt hatte, der ihn das richtige Verhalten hätte lehren können? Was war mit seiner Mutter geschehen? Hatte man diese auch getötet, als er noch jung genug gewesen war, um ohne Schutz einem möglichen frühen Tod ausgeliefert zu sein? Hätte San den Rotschopf nicht mit sich genommen, wer weiß, ob er heute noch leben würde. Vielleicht sollte er ihn doch nicht abhängen.
 

Da Sasori nicht weiter versuchte, ihn zurück zu schicken, ging Deidara davon aus, dass er ihn begleiten durfte. Bisher hatte ihn das Leben der Menschen nie interessiert und auch jetzt hegte er kein gesteigertes Interesse daran, doch er wollte gern wissen, was den anderen Kater in ein Menschendorf lockte. Sasori machte auf ihn nicht den Eindruck, dass ihm sonderlich viel an diesen schwachen Wesen lag. Aber irgendwas musste es geben, wenn er in ein Dorf wollte.

Nahe des Waldrandes verbarg auch der Rotschopf mittels einer Illusion die letzten charakteristischen Merkmale, die ihn als Bakeneko zu erkennen gaben. Der Anblick war für Deidara ungewohnt. Denn nun fehlten die Ohren und der Schwanz, um den Gemütszustand seines Gegenübers präzise abzulesen.

Die Bäume wichen gänzlich zurück und eine weitläufige Wiese breitete sich vor ihnen aus. Sie hatten nun auch Sasoris Revier verlassen. So weit war er noch nie von seinem Reich weg gewesen. In weiter Ferne erkannte Deidara etwas Ungewöhnliches. Darauf hielt Sasori zu. War das solch ein Menschendorf? „Du tust genau, was ich sage, klar?“ Sasoris Stimme duldete keinen Widerspruch. Leise brummte der Hellhaarige. „Meinetwegen, hm.“ Ein durchdringender Seitenblick traf ihn. „Das ist wichtig. Wenn sie dich erkennen, werden sie vielleicht einen Dämonenjäger auf dich hetzen.“ Fragend sah Deidara den anderen Kater an. „Dämonenjäger, hm?“, wiederholte er zweifelnd. So etwas gab es?

Ein kaum merkliches Nicken folgte. „Das sind zwar nur Menschen, doch sie haben spezielle Ausbildungen, was sie für uns gefährlich macht.“ Ein ungläubiges Lachen entwich Deidara. „Menschen sind so schwach. Sie können uns nichts anhaben, hm.“ Jedoch glaubte er selbst nicht an seine eigenen Worte. Er fühlte sich unangenehm an den Tod seiner Mutter erinnert. Eines Tages hatte sie ihn plötzlich gedrängt, sich zu verstecken und zu warten, bis sie ihn holte. Das letzte, was er von seiner Mutter gehört hatte, war ein markerschütterndes Schreien. Deidara hatte sie gesucht und schließlich ihre Leiche gefunden. Der Geruch von Mensch hatte an ihr gehaftet. Für den jungen Kater war unverständlich gewesen, wie ein Mensch diese Stärke hatte aufbringen können. Seine Mutter war ihm unbesiegbar erschienen, bis zu jenem Tag. Die Wochen danach hatten ihn hart getroffen, kannte er noch nicht alle Jagdtricks. Vieles hatte er mit der Zeit und angetrieben vom nagenden Hunger durch allerhand missglückte Versuche selbst herausgefunden. Vermutlich war es einfach nur Glück, dass er noch am Leben war.

„Du bist noch nie einem Dämonenjäger begegnet. Das sind nicht solche Menschen wie die, die du in deinem Territorium bisher umgebracht hast.“ Ernst sah ihn Sasori an. „Und genau deswegen ist es klüger, sich die Menschen, die du umbringst oder verjagst, vorher genau anzusehen. Im besten Fall hinterlässt man keine Überlebenden. Tote können deine Anwesenheit nicht an den Falschen ausplaudern. Einen Dämonenjäger sollte man dagegen nur angreifen, wenn man sicher ist, dass er anschließend auch tot sein wird.“

Es war ungewohnt, Sasori so viel am Stück reden zu hören. Aber der Inhalt seiner Worte entlockte ihm ein leises Schnurren. „Du machst dir Sorgen um mich, hm.“ Aufmerksam betrachtete er das Profil des anderen Katers. Missmutig zog dieser die Nase kraus. „Übertreib es nicht. Es ist erschreckend, wie wenig zu weißt.“

Da war er schon wieder, dieser überhebliche Blick. Sasori nahm ihn nicht wirklich ernst. Deidara verdrehte die Augen. „Ist ja gut, hm.“ Bisher hatte er ja auch überlebt. Und so schwer konnte es doch nicht sein, zwischen den Menschen nicht weiter aufzufallen. Allerdings störte ihn der Gedanke etwas, sich an ihr Verhalten anpassen zu müssen. Er war kein schwacher Mensch und wollte auch nicht als solcher gesehen werden. Deidara war stolz darauf, was er war.

Allmählich schälten sich klar abgrenzbare Umrisse des Dorfes aus der Umgebung. Diese Menschen konnten anscheinend eine Art Behausung bauen, auch wenn die Gestelle seltsam aussahen. Ein weiterer Gedanke stahl sich in seinen Geist. „Du bist schon öfters Dämonenjägern begegnet, hm?“, fragte er Sasori. So wie er darüber gesprochen hatte, schien er bereits mehrere Erfahrungen mit dieser Sorte Mensch gesammelt zu haben.

Ein knappes Nicken erhielt er als Antwort. Doch das reichte dem Hellhaarigen nicht. „Haben sie jemanden umgebracht, der dir wichtig war, hm?“ Sasoris ruhige Miene verhärtete sich und er schaute nun hartnäckig geradeaus. Aber er schien nicht verbal reagieren zu wollen. Gerade wollte Deidara weiter bohren, als der Rotschopf sich doch entschied, ihm zumindest eine kurze Erklärung zu liefern. „Meine Mutter und San.“ Sie hatten ganz offensichtlich etwas gemeinsam. Sasoris Mutter war also auch von einem Menschen umgebracht worden. Aber wer war der andere? „San, hm?“ Anhand des Namens konnte man wenig herausfiltern. Es war nicht einmal sicher, ob es sich dabei um ein Weibchen oder ein Männchen handelte.

Sie stießen auf einen breiten Weg, der zum Dorf führte und dem sie nun folgten. Während er Sasori Zeit ließ mit der Antwort, sah er kurz zurück. Menschen waren doch wirklich dumm. Derart breite Wege machten es viel zu leicht, ihr Dorf zu finden. Ganz zu schweigen davon, dass man es über große Distanz sehen konnte. Warum verbargen sie sich nicht besser? Menschen waren wie Hasen oder Serau Beutetiere. Aber selbst Mäuse schienen intelligenter zu sein als die Menschen. Kein Beutetier präsentierte seine Behausung derart offensichtlich.

„Mein Partner.“ Deidaras Kopf ruckte wieder zu Sasori. Mit neuem Interesse musterte er den roten Kater. So unzugänglich wie er sich gab, hätte er nicht erwartet, dass Sasori einen Partner gehabt hatte. Zudem schien er an Weibchen kein Interesse zu haben, andernfalls hätte er kein Männchen zu seinem Partner gewählt. Deidara selbst hatte bisher keinen Kontakt zu anderen Yôkai gehabt. Vielleicht hatte Sasori recht und er wusste wirklich wenig.

„Warum hast du dir keine Partnerin gesucht, hm?“, fragte er ahnungslos. Er bekam das Gefühl, dass es noch vieles gab, was seine Mutter ihn nicht mehr hatte lehren können. Damals war er noch zu jung für sexuelle Triebe gewesen. Ungehalten fauchte Sasori. „Warum sollte ich mir ein Weibchen suchen? Um sie tagelang zu umgarnen, nur damit sie mir nach der Paarung ihre Pranken in die Nase schlägt, wenn ich nicht schnell genug zurückweiche? Ich verzichte.“ Abfällig schnaufte der Rotschopf. Verwirrt schaute Deidara den anderen an. „Wieso tun Weibchen so etwas, hm?“

Sasori schnaufte genervt. „Erklär ich dir ein anderes Mal. Sei jetzt still.“ Mit einer leichten Kopfbewegung deutete er nach vorn und Deidaras Protest verstummte, bevor er über seine Lippen kommen konnte. Sie hatten das Dorf fast erreicht. Natürlich verstand er, dass es nun klüger war, nicht über Themen zu sprechen, die sie verraten könnten. Aber er wollte definitiv noch wissen, was es mit dieser Andeutung auf sich hatte. Nun war aber erst einmal dieses Menschendorf interessanter. Sie passierten die ersten Behausungen, welche er neugierig musterte. Die Menschen benutzten dafür Holz und getrocknete Gräser. Trotzdem blieb die Form in seinen Augen merkwürdig. Unruhe erfasste ihn, weil überall Menschen umher liefen und der Geruch selbiger setzte sich hartnäckig in seiner Nase fest. Eher unbewusst näherte er sich Sasori, um Körperkontakt aufzubauen. Die vielen fremden Gerüche, die ungewohnte Umgebung und das Gefühl, in das Gebiet der Menschen eingedrungen zu sein, machten ihm Angst.
 

Genervt sah Sasori zu dem anderen Kater. Musste er ihm jetzt so nahe kommen? Eigentlich wollte er ihn zurecht weisen, aber die geweiteten Pupillen und der starrende Blick hinderten ihn daran. Sasori wusste, wie er die Körpersprache in der anthropoiden Gestalt lesen musste. Kurz huschte sein Blick hinab. An Deidaras Unterarm erkannte er die feinen aufgerichteten Härchen. Das leise Knurren unterstützte seine Vermutung noch. Deidara hatte Angst. Warum hatte er ihn nur mitgenommen? Ach ja, der Hellhaarige war ihm eigensinniger Weise gefolgt. Und nun musste er verhindern, dass der junge Kater in Panik verfiel und ihre Tarnung zerstörte. Bestimmt griff er nach seiner Hand. „Beruhige dich“, murmelte er so leise, dass nur Deidara ihn hören konnte. „Dir droht keine Gefahr, solange du dich nicht selbst verrätst. Wir sind hier zwar im Revier der Menschen, aber bei ihnen ist das verschwommen. Du darfst nicht ohne Erlaubnis in ihre Häuser gehen. Die Straße und den Markt kann jeder benutzen.“ Sasori wusste, wie Deidara sich fühlte, hatte er sich ähnlich verhalten, als San ihm zum ersten Mal ein Menschendorf gezeigt hatte.

Während er mit dem Großteil seiner Sinne auf den Hellhaarigen achtete, stahl er einem vom Sake angeheiterten Mann den Geldbeutel, der mit einer Frau am Arm nah an ihm vorbei lief. Er war zu abgelenkt, um zu bemerken, dass man ihn gerade bestohlen hatte. Seelenruhig schob Sasori den kleinen Beutel in seinen Yukata und registrierte zu seiner Zufriedenheit, dass Deidara sich ein wenig beruhigte. Der starrende Blick ließ langsam nach.

Die Menschen in dem Dorf feierten anscheinend ein Matsuri[5], was im Herbst nicht ungewöhnlich war und für sie ein glücklicher Zufall. Denn die Menschen waren ausgelassen und unvorsichtig. Sicherlich beehrten auch einige Menschen aus den umliegenden Siedlungen das Dorf mit ihrem Besuch, weswegen Deidara und er nicht weiter auffielen. Außerdem konnten sie an einem der kleinen Stände Essen kaufen und genau das war sein Ziel. Die Menschen mochten in seinen Augen niedere Kreaturen sein, aber sie hatten auch leckeres Speisen. Unauffällig schnupperte Sasori und zog Deidara zu einem der Stände, die neben kostenlosem Wasser auch Milch anboten. Normalerweise tranken Menschen selten die Milch ihrer Rinder, aber es kam vor, dass sie zu besonderen Anlässen die weiße Flüssigkeit zu sich nahmen. Der Rotschopf mochte Milch. Während der Zeit, die er in dem Menschendorf verbracht hatte, war er oft in den Genuss gekommen. Doch seit er wieder in der Wildnis lebte, gab es für ihn keine Gelegenheit mehr. Es sei denn, er besorgte sich die Milch in einem Dorf so wie jetzt.

Sasori gab der Frau ein paar Münzen und sie füllte die weiße Milch in zwei Schalen. Eine davon reichte er Deidara, der seine Angst nun völlig zu vergessen schien und an dem Inhalt der Schale schnupperte. Kaum hörbar zischte Sasori. „Trink“, murrte er. Deidara durfte nicht vergessen, wo er hier war. Wenn er schnuppern wollte, musste er das so tun, dass man ihn dabei nicht erwischte. Sasori entzog dem Hellhaarigen nun auch seine Hand, schien der andere Kater sich inzwischen einigermaßen gefasst zu haben. Gemächlich trank er aus seiner Schale. Der weiche, erfrischende Geschmack benetzte seine Zunge. Genüsslich leckte der Rotschopf sich über die Lippen. Für einen Augenblick schloss er seine Lider, um den Geschmack zu genießen. Die Milch war herrlich. Ein Schnurren erlaubte er sich jedoch nicht.

Das leise Schnurren neben ihm riss ihn dafür aus seiner Entspannung. Deidara vergaß schon wieder, wo er war. „Deidara“, murmelte er warnend und der Laut des Wohlgefallens erstarb augenblicklich. „Die Milch ist lecker, hm.“ Ermahnend betrachtete er den Hellhaarigen. „Das weiß ich, aber vergiss nicht, was ich dir erklärt habe.“

Das war das zweite Mal Augenverdrehen an einem Tag. „Jaaa, Danna, hm“, murrte Deidara vor sich hin und trank den Rest seiner Milch. Steil wanderte eine Augenbraue in die Höhe. Danna? Hörbar stieß er die Luft aus und stellte die Schale auf die Abstellfläche des Standes zurück. Was hatte er sich nur eingebrockt.

Als der Hellhaarige auch endlich seine Schale geleert hatte, schlenderte Sasori mit ihm weiter. Nach wie vor hielt Deidara sich dicht bei ihm, aber er musterte seine Umgebung nun mit gewisser Neugier. Die feiernden Menschen, die gemeinsam sangen und tanzten, beieinander saßen und aßen, waren für das Katerchen ein neuer Anblick. Dennoch blieb das einzige, was Sasori wichtig war, die Nahrung. An einem anderen Stand kaufte der Rotschopf geräucherte Fische. Erst jetzt fiel Deidara bewusst auf, dass er die Münzen gegen etwas Essbares eintauschte.

„Waf ifft daf?“, fragte er mit vollem Mund und deutete auf den Beutel, den Sasori soeben in seinem Yukata verstaute. Deidara strapazierte heute seine Nerven wieder einmal über alle Maßen. „Schluck deinen Fisch runter, bevor du sprichst.“

Der andere Kater beeilte sich nun zu kauen und sprach wieder, sobald er geschluckt hatte. „Was ist das, hm?“ Auf eine Antwort musste er jedoch warten, denn Sasori ließ sich beim Essen nicht hetzen. „Geld. Man tauscht es gegen etwas anderes. Allerdings hat alles einen anderen Wert. Je wertvoller, desto mehr Geld muss man tauschen.“ So würde Deidara wohl am ehesten verstehen. Sasori hatte wenig Lust, sich noch weiter ausfragen zu lassen. Zumindest schien er mit dieser Erklärung zufrieden zu sein, denn er wandte sich seinem Fisch wieder zu. Lange ließ er dem Rotschopf aber keine Ruhe. „Wo hast du das her, hm?“ Genervt sah er Deidara an, der seinem Blick beharrlich Stand hielt. „Einem anderen in einem unaufmerksamen Moment abgenommen“, murmelte er leise, damit nur Deidara seine Worte hörte. Amüsiert funkelten die graublauen Augen.

Sasori setzte sich langsam in Bewegung, während er an seinem Fisch knabberte. Wie nicht anders zu erwarten war, folgte Deidara ihm. Sie mussten wenigstens so tun, als seien sie etwas an dem Matsuri interessiert, um keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen. Demnach ließ er seinen Blick über die Tanzenden schweifen und blieb auch für einige Momente stehen, scheinbar um einem der Sänger zuzuhören. Er war froh, dass der helle Kater ihn einfach nachahmte und zur Abwechslung keine Fragen stellte. Schließlich verharrte Deidara an einem der Stände und schaute zu dem Fleisch, welches über dem Feuer briet. „Sasori, kann ich das probieren, hm?“, fragte er. Angesprochener rümpfte die Nase. Das war Wildschwein. Ihm war sowohl Geruch als auch Geschmack zu streng, aber da er Deidaras Vorlieben kannte, verwunderte ihn die Bitte nicht. Also bezahlte er für ihn und der Kater bekam eine Portion Wildschweinfleisch. „Pass auf, das ist…“ Und schon erklang ein wehleidiges Jammern, weil Deidara sich die Zunge verbrannt hatte. „…heiß“, beendete Sasori seine Warnung. „Lass es etwas abkühlen.“

Ein anklagender Blick traf ihn. „Das hättest du mir vorher sagen können, hm.“ Unbeeindruckt zuckte der Rotschopf mit den Schultern. „Wollte ich.“ Wäre Deidara in manch anderem auch so schnell wie er in das Fleisch gebissen hatte, wäre er leichter zu ertragen. Mit einer kleinen Geste bedeutete er dem Hellhaarigen, ihm zu folgen. „Los, wir gehen.“ Für Sasori gab es nichts Interessantes mehr. Er war nur wegen der Nahrung hierhergekommen, die er in der Wildnis nicht bekam. Da seine Bedürfnisse für die nächsten Monate gestillt waren, hielt ihn nichts mehr in dem Menschendorf.

Gemächlich schritten sie den Weg entlang, an den Hütten vorbei und ließen das Dorf hinter sich. Aus den Augenwinkeln beobachtete Sasori den jungen Kater, der immer wieder prüfend sein Fleisch antippte und schließlich vorsichtig daran knabberte. Es schien nun weit genug abgekühlt zu sein, denn nach wenigen Augenblicken vergrub Deidara seine Zähne wie gewohnt in dem herzhaften Fleisch.
 

Genüsslich leckte Deidara sich über die Finger. Das Wildschweinfleisch war köstlich gewesen. Er hatte sich auch kein weiteres Mal die Zunge daran verbrannt. Aber warmes Fleisch war auch appetitlich, stellte er fest. Dieser Ausflug ins Menschendorf war ziemlich interessant gewesen, vor allem wegen den leckeren Speisen. Aber wirklich wohl fühlte er sich erst wieder, als sie die Grenze zu Sasoris Revier überschritten. Der Rotschopf ließ seine Illusion nun fallen. Es tat gut, wieder die vertrauten Katzenmerkmale zu sehen.

„Sasori“, begann der Hellhaarige, während er seine eigene Illusion auflöste. Er wollte gern noch etwas wissen und der heutige Tag drängte diese Frage erneut an die Oberfläche, weil der Rotschopf sich derart ausgiebig um ihn gekümmert hatte. „Wieso hast du mir geholfen, nachdem der Bär mich verletzt hat, hm?“ Es passte nicht so recht in Sasoris sonstiges Verhaltensmuster. Wartend betrachtete er den älteren Kater, doch dieser griff nach seiner Magie, wandelte in seine Yôkaigestalt und sprang zwischen den Bäumen hindurch. „Glaubst du, du kommst mir so davon, hm?“, fragte Deidara unwirsch und wechselte ebenfalls in die Yôkaiform. Eilig rannte er ihm nach. Er wollte doch nur eine Antwort. Das war seiner Meinung nach nicht zu viel verlangt. Aber Sasori war flink. Bevor er ihn auch nur ansatzweise einholen konnte, war er bei seinem Felsen angelangt und schaute ihn aus zu Schlitzen verengten Augen und mit wild peitschendem Schwanz an.

Sasoris ganze Haltung sagte ihm, dass er heute nur noch eine nonverbale Reaktion erhalten würde und zwar eine der rabiaten Sorte, wenn er sich nicht in sein Territorium zurückzog. Der cremefarbene Kater schnaufte, dann gab er gezwungenermaßen nach und trottete Richtung Bambushain. Eigentlich sollte er inzwischen daran gewöhnt sein, dass Sasori gern allein war. Deidara hatte nur gehofft, dass er ihm vielleicht eine Antwort gab, weil sie heute auf recht privater Ebene miteinander gesprochen hatten. Doch anscheinend war seine Frage für den anderen zu persönlich.

Manchmal war der Umgang mit dem roten Kater wirklich nicht einfach. Der Gedanke, dass Sasori bereits einen Partner gehabt hatte, war eigenartig. Deidara erinnerte sich daran, was er ihm vorhin über die Weibchen erzählt hatte. Vielleicht war Sasori sensibler als er zugab, wenn ihn das Paarungsverhalten der Weibchen störte. Allerdings klang es auch für ihn nicht sonderlich angenehm, einem Schlag ausweichen zu müssen. Warum machten Weibchen das? Sasori war ihm definitiv die ein oder andere Erklärung schuldig. Er konnte ihn doch nicht mit halben Informationen sitzen lassen.
 

______________________________________________________________
 

[5]Matsuri: sind japanische Volksfeste. Sie unterscheiden sich durch regionale Besonderheiten und stehen oft im Zusammenhang mit dem örtlichen Shintō-Schrein oder buddhistischen Tempel. Matsuri sind ausgelassene Feste, die aus dem Jahresablauf der Bauern entstanden sind. Es gibt kein landesweites Matsuri in ganz Japan, aber charakteristisch sind Frühlingsfeste zur Zeit der Kirschblüte und herbstliche Feste, die im Zusammenhang mit der Reisernte stehen. Mit den Matsuri verbunden sind Tanz, Musik, Sake-Gelage und Essen. Höhepunkt ist der festliche Umzug von Mikoshi-Schreinen.

Fuyu 冬

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hoffe, das erste Kapitel hat euch gefallen. Ich recherchiere schon wieder fleißig alles und obwohl ich mit Katzen aufgewachsen bin, habe ich trotzdem noch neue Informationen gefunden, die ich nicht wusste :3 Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (7)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Wisteria
2017-01-24T15:01:10+00:00 24.01.2017 16:01
Coole FF!
Tolle Idee, gut umgesetzt!
LG
Antwort von:  Bambusbesen
24.01.2017 16:19
Vielen Dank :D Freut mich, dass sie dir gefällt:3
LG
Von:  Kari06
2015-12-13T01:14:44+00:00 13.12.2015 02:14
So bin gerade über deine Geschichte gestolpert und hab mir gedacht das ist vielleicht die richtige Gute-Nacht-Geschichte. Wie sich herausgestellt hat hatte ich da recht :)

Die Story ist wirklich schön und der Schreibstil sehr angenehm zu lesen. Eigentlich bin ich kein Fan von dem Pairing aber hier finde ich es sehr harmonisch.

Würde mich wirklich freuen wenn es irgendwann eine Fortsetzung geben sollte und du mir dann Bescheid gibst.

LG
Antwort von:  Bambusbesen
13.12.2015 21:12
Hallo^^
es freut mich, dass du meine Geschichte gefunden hast und sie dir auch so gut gefallen hat :D Ein besonderes Lob ist es für mich, da du kein Fan des Pairings bist :3
Irgendwann kommt die Fortsetzung vielleicht, wenn ich mit den ganzen anderen angefangenen Geschichten fertig bin. Ich habe mich ein wenig verzettelt, leider ^^"

LG
Von: AomaSade
2014-09-18T08:25:04+00:00 18.09.2014 10:25
Hallo Deianeira,

ich bin nicht so der Sasori-und-Deidara-Fan, aber ich liebe Katzen und mag Fantasiegeschichten. Jetzt bin ich froh, deine Geschichte doch gelesen zu haben. Ich hatte vorher lange überlegt. Du hast einen großartigen Schreibstil. Wie du deine Charaktere beschreibst, ihr Handeln, ihre Gedanken und Empfindungen - einfach toll. Ich konnte nicht aufhören zu lesen. Über eine Fortsetzung deiner FF würde ich mich sehr freuen. In der Zwischenzeit schaue ich bei deinen anderen veröffentlichten Geschichten vorbei.

Liebe Grüße
AomaSade
Antwort von:  Bambusbesen
30.11.2014 12:29
Hallo :3

ich frage mich gerade, wieso ich auf deinen Kommentar noch nicht geantwortet habe, Schande über mich X_X
Jedenfalls vielen vielen Dank! Ich bin wirklich sehr froh, dass du doch reingeschaut hast und dass es dir so gut gefällt :3 Ich bin auch sicher, irgendwann noch eine Fortsetzung zu schreiben (und diese wird auch besser als meine bisherigen Fortsetzungen, die alle eher schlecht sind).
Ich wünsch dir dann mal viel Spaß mit meinen anderen Geschichten, vielleicht gefällt dir davon ja auch etwas :)

Liebe Grüße,
Deianeira
Von:  Shanti
2014-09-11T20:41:02+00:00 11.09.2014 22:41
Abend

die ff ist super gewesen xD
ja bitte schreib einen zweiten teil.
Die beiden könnten ja zum beispiel noch andere yokai treffen oder so xD

lg
shanti
Antwort von:  Bambusbesen
18.09.2014 09:56
Hallo :3
vielen Dank :) Mal sehen, ich möchte definitiv irgendwann einen zweiten Teil schreiben. Eine Idee hab ich auch schon, aber ich werd mir deine mal notieren. Vielleicht fällt mir dazu später noch was ein ;3

Liebe Grüße,
Deianeira
Von:  Shanti
2014-08-25T15:54:37+00:00 25.08.2014 17:54
Abend

omg wie süß die beiden sind xD
ich hoffe das die beiden sich bald näher kommen

lg
shanti
Antwort von:  Bambusbesen
09.09.2014 00:26
Hey:3
vielen Dank für deinen Kommi und ja, tun sie im vierten Kapitel ;§
Von:  Kikichan
2014-08-04T20:26:37+00:00 04.08.2014 22:26
Huhu^^ bin gerade über deine FF "gestolpert" :)
Ich find sie echt gut. Z.b das du die Begriffe erklärst und sie nicht die ganze Zeit in der Menschengestalt rum laufen.
Auch das sie sich nicht von Anfang an mochten.
Freue mich schon auf das nächste Kapitel^^
Lieben Gruß Kikichan
Antwort von:  Bambusbesen
24.08.2014 00:16
Hey:3
freut mich, dass es dir gefällt :D

Liebe Grüße, Deianeira
Von:  Shanti
2014-08-04T05:57:25+00:00 04.08.2014 07:57
Morgenn

also ich muss sagen die ff finde ich super
die beiden als karter habe ich noch nicht gelesen xD

weiter so
lg
shanti
Antwort von:  Bambusbesen
04.08.2014 11:55
Hallo :3

vielen Dank, das freut mich, dass es dir so gut gefällt :3

Liebe Grüße :3


Zurück