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Vergessenes Schicksal

von

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Kampf

Es war nicht das erste Mal, dass sie sich gegenüber standen. Doch heute gab es einen anderen Grund für ihr Aufeinandertreffen. Dieses Mal würde sich alles entscheiden. Jetzt, in diesem Moment sollte der alles entscheidende Kampf stattfinden.

Sie blickten sich gegenseitig an, schlichen wie Raubkatzen im Kreis herum und warteten darauf, dass eine der anderen den ersten Schritt machte.

Sie umgriff den Griff ihres Schwertes und betrachtete die Waffen der beiden anderen. Pfeil und Bogen – nicht gerade für den Nahkampf geeignet. Es würde kein Problem sein, diese zu besiegen. Bei der anderen sah es hingegen schon ganz anders aus. Denn an dem Gürtel um ihre Hüfte baumelte ein Beil und ihre Hand schwebte nur knapp über dieser Waffe.

Für einen kurzen Moment blickte sie zweifelnd auf ihre eigene Waffe und fragte sich, ob sie überhaupt eine Chance gegen die schwere Streitaxt hatte. Doch dann fasste sie sich wieder und lächelte kurz. Ihr Schwert würde dieses Beil schon in tausend kleine Splitter zerbersten.

„Wir müssen nicht kämpfen!“, rief die mit Pfeil und Bogen ihr zu. „Es gibt doch bestimmt einen Weg, das alles zu klären.“

Bei diesen Worten schüttelte sie ihren Kopf und rammte ihr Schwert in den asphaltierten Boden.

„Nichts können wir klären“, rief sie wütend und hob ihre Waffe. „Ich will zurück haben, was ihr mir genommen habt. Sagt mir, wie könnt ihr immer noch kämpfen?“

„Es ist das Einzige, was uns geblieben ist“, entgegnete das Mädchen mit dem Beil. „Wir leben, um zu…“

„Kämpfen?“, sprach sie verächtlich den Satz der anderen zu Ende. „Wir wissen doch gar nicht, wofür wir kämpfen sollen. Warum akzeptiert ihr das so einfach? Wie könnt ihr beide nur so naiv sein?“ Heiße Tränen tropften auf den Boden und sie wischte sie sich hastig mit dem Handrücken ab. „Da ist nichts, absolut nichts. Gebt es mir zurück!“

Und mit erhobenem Schwert und lautem Kampfschrei stürzte sie nach vorne und schlug zu. Doch die Attacke wurde von dem Beil des anderen Mädchens blockiert, welche ihre Waffe blitzschnell nach oben gehoben hatte. Enttäuscht blickte das Mädchen ihr entgegen, doch diese ignorierte es, wirbelte um ihre eigene Achse und griff erneut an.

Doch auch den nächsten Angriff wehrte das Beilmädchen gekonnt ab. Jeder ihrer Schwerthiebe wurde von dem Kriegsbeil blockiert – immer und immer wieder. Immer wilder wurden ihre Hiebe, doch es brachte nichts. Die Andere war zu stark für sie.

Sie wirbelte erneut herum, schlug nach der anderen und lenkte die Attacke dann im letzten Moment auf das Mädchen mit dem Pfeil, das die ganze Zeit über nur in der Nähe gestanden und zugesehen hatte. Und wie von ihr geplant, reagierte diese zu langsam, sodass die Spitze des Schwertes eine Stichwunde auf ihrer Wange hinterließ, aus der langsam Blut sickerte.

Sie unterbrachen den Kampf und starrten die Bogenschützin an, die sich zögernd ins Gesicht fasste und dann die in Blut getauchten Finger betrachtete.

„Es … ich spüre nichts“, erklärte sie und blickte die beiden an. „Sollte ich nicht etwas spüren?“

„Ja, solltest du!“, rief die Schwertkämpferin aus und rammte sich die Schwertspitze in den linken Fuß. Da war kein Gefühl, als der scharfe Stahl Haut, Sehnen, Muskeln und Knochen durchtrennte und der kleine Zeh vom Körper abgeschnitten wurde. Sie zuckte nicht einmal mit der Wimper.

„Aber wir spüren rein gar nichts“, erklärte die Schwertträgerin und wischte das Blut von der Schwertspitze an ihrem Rock ab. „Ich weiß ja nicht einmal, was ich fühlen soll.“

„Aber ist es nicht besser, wenn wir nichts spüren?“, fragte die mit der Streitaxt. „Wenn wir nichts spüren, können wir ewig kämpfen!“

„Wir sind also nur da um zu kämpfen? Wieso frage ich dann nach dem Warum? Wenn ich nur für das Kämpfen erschaffen wurde, warum frage ich dann nach einem Sinn?“

Die Schwertträgerin sah den beiden anderen in die Augen, doch wusste sie, dass keine der beiden ihr eine Antwort geben konnte. Sie waren nur da um zu kämpfen. Dabei wusste sie nicht einmal gegen was sie kämpfen sollte. Sie spürte rein gar nichts.

„Wieso kämpfen wir eigentlich hier?“, fragte das Mädchen mit dem Pfeil und blickte auf ihre mit Handschuhen bedeckten Finger. „Wir haben doch wirklich gar keinen Grund dafür.“

Sie trat einige Schritte nach vorne und sah zu den beiden anderen.

Tränen rannen über ihr blasses Gesicht, während sie ihre Arme vor der Brust verschränkte und ihre Fingernägel in das nackte Fleisch bohrte. Ihre Beine zitterten und sie fiel vorwärts auf die Knie. Nach Luft schnappend kauerte sie sich zusammen und wimmerte laut, während sie immer wieder unverständliche Laute von sich gab.

Während eine ihrer Hände nach dem Bogen griff, zog die andere einen Pfeil aus dem Köcher auf ihrem Rücken. Sie legte den Pfeil an die Sehne und spannte ihre Waffe.

„Warte, was hast du vor?“, rief das Mädchen mit dem Schwert und stürzte nach vorne, als sie erkannte, dass die Spitze des Pfeils auf das dritte Mädchen zeigte.

Und auch diese erkannte in welche Richtung die Waffe fliegen würde. Aus einem Reflex heraus, griff sie nach der ihren und schleuderte das Beil, als die andere ihren Pfeil abschoss. Doch dass sie eigentlich die Straßenlaterne neben ihr anvisiert hatte, realisierte sie zu spät. Und so musste das Mädchen mit ansehen, wie ihr Kriegsbeil die andere am Kopf traf und sie nach hinten warf. Sie war tot, das war den beiden sofort klar. Doch das Klong des Pfeils, der an der Straßenlaterne abprallte und nun auf sie selbst zuflog, lenkte sie wieder ab. Es verging kein Wimpernschlag, da hatte sich die Pfeilspitze schon in ihr Herz gebohrt. Auch sie stürzte zu Boden, tot noch bevor sie auf dem Asphalt aufschlug.

Geschockt schlug sie, die als Einzige noch am Leben war, ihre Hände vor dem Mund zusammen und starrte fassungslos auf die beiden leblosen Körper vor ihr.

„Das wollte ich doch nicht, das wollte ich doch nicht“, flüsterte sie immer wieder. Sie hatte doch nur eine Antwort auf ihre Fragen gewollt. Doch nie im Leben hätte sie gewollt, dass sie sie starben.

„Ich wollte nicht, dass das passiert!“, klagte sie. „Wir hätten doch Freundinnen sein können!“

Kapitel 1 - SKULD

Sie stand an der Reling und blickte auf das große, weite Meer, während der Wind ihr blondes Haar zerzauste. Der salzige Geruch des Meeres stieg ihr in die Nase und sie atmete ihn genussvoll ein. Endlich würde sie ihre Heimat wiedersehen.

„Madeline!“
 

Seufzend schlug sie das Buch wieder zu. Madeline. Was für ein schöner Name. Die Heldin in diesem Buch schien ihr ähnlich zu sein, das spürte sie einfach. Und der Name Madeline klang wirklich sehr schön. Ein Name, der zu ihr passte.

Sie legte das Buch auf den Nachttisch neben dem Bett und schwang sich hoch, doch augenblicklich wurde ihr schwindlig und sie setzte sich wieder auf die Bettkante, massierte sich mit den Fingern ihre Stirn. Irgendetwas stimmte hier nicht. Sie kratzte sich am Hinterkopf und wieder fiel ihr Blick auf das Buch. Auf dem Buchrücken stand nur ein einziger Satz.
 

Wer bist du, wenn du dich nicht erinnern kannst?
 

Sich erinnern…

Madeline – so würde sie sich von nun an nennen – fragte sich, warum sie das nicht konnte. Sie war auf einmal wachgeworden, hatte das Buch in ihren Armen umklammert und einem Instinkt folgend den ersten Satz auf der Seite gelesen. Und der Name Madeline hatte sie so angesprochen, dass sie beschlossen hatte, sich von nun an so zu nennen.

Aber hätte sie nicht selbst einen eigenen Namen haben müssen? Als sie aufgewacht war, hatte sie sich gefühlt, als würde ihr etwas fehlen und sich einen Namen zu geben, schien diese Leere in ihrem Kopf irgendwie auszufüllen. Irgendwie, doch nicht komplett. Sie fühlte sich immer noch … leer.

Wieder stieg sie aus dem Bett, dieses Mal langsamer, und stützte sich mit einer Hand an der aprikosenfarbigen Wand ab. Nun sah sie sich zum ersten Mal richtig in dem Zimmer um. War es ihr Zimmer?

Es war in einem freundlichen aprikosenfarbigen Ton gestrichen, eingeräumt mit einem Schreibtisch auf dem einige Zettel und ein Federmäppchen lagen, dazu ein einfacher Kleiderschrank und ein Regal vollgestellt mit Büchern.

Neugierig ging sie darauf zu und las die Titel auf den Buchrücken.

Pippi Langstrumpf … Die Verwandlung … Wallanders erster Fall und andere Erzählungen … Andersens Märchen waren nur wenige der Titel, die ihr ins Auge sprangen und sie fragte sich, ob sie die alle wirklich schon gelesen hatte. In ihrem Kopf hatte sie keine Erinnerungen an die Geschichten. Sie strich mit den Fingern über die Buchrücken. Ja, sie hatte jedes einzelne von ihnen gelesen, da war sie sich sicher. Doch konnte sie sich nicht erklären, weshalb sie sich dann nicht mehr daran erinnern konnte. Irgendwann würde sie die Bücher wieder lesen, beschloss sie und umklammerte das Buch in ihren Händen. Jedes einzelne, schwor sie sich.

Nachdem sie noch einige Minuten lang auf das Regal geblickt hatte, wandte sie sich ab und trat nun zu dem großen Schrankspiegel. Sie war neugierig, wie sie überhaupt aussah. Ein normales Mädchen mit leicht gewellten, blonden Haaren und etwas runderem Körper. Zwar nicht dick, aber auch nicht gerade dünn. Ihre Haut war blass und die Nase fand Madeline etwas zu groß. Trotzdem, alles in allem konnte sie von sich selbst sagen, dass sie hübsch aussah. Sie warf einen Blick auf das Cover des Buches, dass ein junges Mädchen – wahrscheinlich der Hauptcharakter Madeline – gekleidet in einen roten Mantel und einem großen Sonnenhut, während ihr gelber Schal im Wind flatterte, an der Reling eines Schiffes stand. Auf dem blauen Himmel stand in großen einfachen Buchstaben
 

MADELINE, FINDE DEINEN WEG!
 

Wie ähnlich sie doch dieser Buchfigur war. Auch sie musste ihren Weg finden. Eine Erklärung dafür, wer sie war.

Sie öffnete die Schranktür und zog sich ein rotes, langärmliges Kleid an, dazu eine graue Strumpfhose und band sich schließlich ein gelbes Tuch um den Hals. Jetzt sah sie wirklich aus wie diese Madeline in dem Buch. Naja, fast jedenfalls.

Entschlossen ging sie auf die Tür zu. In diesem Raum konnte sie keine Antworten darauf finden, wer sie war. Vorsichtig öffnete sie die Tür und übertrat tief ausatmend die Grenze, die sie von der Außenwelt getrennt hatte. Der Flur war nur spärlich beleuchtet, trotzdem konnte Madeline die Fotos erkennen, die an der Wand hingen. Sie zeigten eine Frau im mittleren Alter, die die gleiche Nase wie Madeline und das gleiche blonde Haar hatte. Sie hielt ein schlafendes Baby in den Händen und Madeline fragte sich, ob sie dieses Baby war. Doch ihre Hoffnung wurde schnell zerstört, als sie die weiteren Fotos betrachtete, auf denen das Baby zu einem zehnjährigen Mädchen mit hellbraunen, langen Haaren heranwuchs. Die Bilder zeigten ihre Einschulung, den Besuch im Schwimmbad, der Urlaub in den Bergen. Eine glückliche Mutter mit ihrer glücklichen Tochter.

Doch wenn Madeline hier lebte, warum gab es dann kein Foto von ihr?

Auch wenn es warm war, so begann sie trotzdem zu frösteln. Hier schien es nichts zu geben, dass ihr dabei helfen würde, sich wieder zu erinnern. Nichts gab ihr einen Hinweis darauf, wer sie überhaupt war. Alles was sie hatte, war ein Name, von dem sie nicht einmal wusste ob es ihr richtiger Name war, und die Vermutung, dass sie gerne las. Doch mehr wusste sie nicht. Und nichts davon konnte ihr eine Antwort geben. Nichts davon gab ihr eine Identität. Seufzend drehte sie sich von den Bildern weg, als jemand an ihrem Rockzipfel zupfte.

„Wer bist du denn?“

Überrascht blickte Madeline an sich runter. Das Mädchen von den Fotos stand vor und sah mit offenem Mund und Zahnlücke neugierig zu ihr auf.

Die zweite Tür neben dem Zimmer, aus dem Madeline gekommen war, stand nun etwas offen. Von dort musste das kleine Mädchen wohl kommen. Ob sie dahinter eine Antwort finden würde? Zögernd trat sie einen Schritt auf die Tür zu, als sich diese wieder öffnete.

„Anika?“ Eine Frau trat auf den Flur und Madeline erkannte sie als die Frau von den Fotos. Die Mutter der Kleinen, die nun besorgt nach ihrer Tochter rief.

„Mama, wer ist das?“ Das Mädchen lief auf seine Mutter zu und versteckte sich hinter ihren Beinen, ließ es sich aber nicht nehmen, immer wieder neugierig mit dem Kopf hervorzugucken und sie interessiert zu beobachten.

Die Blicke der beiden Frauen trafen sich nun. Blaue Augen trafen auf blaue Augen, die abschätzend das blonde Haar und die große Nase der anderen registrierten. Mutter, schoss es Madeline durch den Kopf. Diese Ähnlichkeit konnte kein Zufall sein. Bitte, sag du mir, wer ich bin.

Doch die Augen der anderen Frau wurden nun schmaler und sie verschränkte die Arme vor der Brust. Trotz des blauen Nachthemdes, das sie trug, schien sie nun gefährlich zu wirken. Wie ein Raubtier, das sein Junges schützen wollte.

„Wer bist du?“, fragte die Frau und schob ihre Tochter mit einer Hand zurück ins Zimmer. „Wie bist du hierher gekommen? Antworte mir!“

Madeline schluckte und umklammerte das Buch enger. Nein, so redete eine Mutter nicht mit ihrer Tochter. Die warme und freundliche Stimme, mit der sie zu der kleinen Anika gesprochen hatte, war nun weg, stattdessen war sie kühl und ausdruckslos.

„Ich – ich – ich weiß nicht“, stotterte Madeline nun nervös und blinzelte hastig ein paar Tränen weg. Sie wollte nicht weinen.

„Ich habe keine Ahnung, wie du hierein gekommen bist und ich will es gerade auch nicht wissen. Trotzdem solltest du jetzt von hier verschwinden“, sprach die Frau mit ernstem Ton in der Stimme und sah Madeline kühl an. „Raus. Hier.“

Madeline ging langsam rückwärts. Warum?, schoss es ihr durch den Kopf. Warum?

„Bitte, ich ...“, setzte sie an, doch dann verstummte sie sofort wieder. Sie hatte doch selbst keine Antwort auf die Frage, wer sie war und wie sie überhaupt hierhergekommen war. Alles, was sie wusste, war dass sie in dem Zimmer aufgewacht war. Das Zimmer!

Ja, dort würde es Antworten geben. Wenn die Frau das Zimmer sah, die Sachen, die ihrer Tochter zu groß und ihr selbst zu groß waren und das Bett, indem Madeline gelegen hatte, dann würde sie sich bestimmt irgendwie erinnern. Oder etwas anderes. Es war einen Versuch wert.

„Bitte, geh in das Zimmer“, bat sie flehend und deutete mit der Hand zur Wand hin. „Bitte!“

„In welches Zimmer?“, fragte die Frau jedoch verwundert und schüttelte leicht den Kopf, so als fragte sie sich, ob Madeline verrückt war. Nun, vielleicht war sie das ja auch, dachte sie amüsiert. „Da ist nur eins.“

Irritiert blickte Madeline an die Wand und keuchte entsetzt auf. Die braune Tür, mit eingeschnitzter Holzmaserung, die vor wenigen Sekunden noch da gewesen war, war mit einem Mal verschwunden. Sie stolperte nach vorne, hämmerte gegen die weiße Wand, strich über diese und versuchte irgendwie einen Hinweis darauf zu finden, dass vor wenigen Augenblicken noch eine Tür dort gewesen war.

„Das darf nicht wahr sein“, flüsterte sie immer wieder entsetzt, bis die Fremde ihr ihre Hand auf die Schulter legte und sie sanft, aber bestimmt von der Wand wegzog.

„Du solltest jetzt wirklich gehen“, verlangte sie von ihr. „Geh, bevor ich die Polizei rufen werde. Und wenn ich dich das nächste Mal hier erwischen sollte, dann sehe ich mich gezwungen, die Polizei zu rufen, das ist dir klar, oder?“

Madeline nickte abwesend und ging den Flur entlang. Sie spürte den neugierigen Blick der kleinen Anika und den kühlen Blick der Mutter. In ihren Händen umklammerte sie das Buch und kurz bevor sie die Haustür erreichte, blieb sie stehen.

„Darf ich es behalten?“, fragte sie und drehte sich um, hielt den Roman hoch. „Bitte, ich – ich möchte es gerne behalten.“

Anikas Mutter blickte auf das Buch in Madelines Händen und ihr Blick änderte sich, beinahe so, als würde sie sich an etwas erinnern. Sie wirkte irritiert und für einen Moment sah sie Madeline beinahe liebevoll an. Doch dann fasste sie sich wieder.

„Ich habe das Buch nie gesehen“, erklärte sie, doch Zweifel schwangen in ihrer Stimme. „Also behalte es ruhig.“

„D-danke“, stotterte Madeline und ging dann aus dem Haus, das Buch fest an ihre Brust gepresst. Sie verließ das Haus ohne ein weiteres Wort zu sagen, ging den kleinen Vorgarten entlang, der durch einen weißen Lattenzaun von den anderen Gärten getrennt war. Ihre Füße trugen sie fort, die Straße entlang, die noch halb am Schlafen war. Das Licht der Sonne war noch nicht hell und die ersten Frühlingsblumen reckten ihre Köpfe gen Himmel. Doch Madeline beachtete die idyllische Szenerie gar nicht. Sie setzte einen Fuß vor den anderen ohne darauf zu achten, an welchen Ort ihre Füße sie trugen.

Sie begegnete keinem Menschen auf ihrem Weg und irgendwie war Madeline darüber auch ganz froh. Sie wollte mit niemandem reden, denn niemand konnte ihr eine Antwort geben. Das hatte sie nun erkannt.

Sie war alleine.

„Oh, entschuldige!“ Jemand lief beinahe gegen sie und überrascht blickte sie in das Antlitz einer jungen Frau, etwa in ihrem Alter. Ihr dunkles Haar hing wirr und ungekämmt von ihrem Kopf, der Pullover den sie trug, war ihr viel zu groß und rutschte immer wieder von ihren Schultern. Die graue Hose hatte Löcher und schien ihr zudem etwas zu eng zu sitzen. Doch noch bevor Madeline etwas sagen konnte, war die Fremde an ihr vorbeigehuscht und rannte die Straße hinunter. Verwundert blickte sie ihr nach. Sie war barfuß gewesen, fiel ihr auf und für einen kurzen Augenblick fragte sie sich, ob sie ihr hinterherlaufen sollte. Doch dann verwarf sie den Gedanken wieder. Sie wusste ja nicht einmal, in welche Richtung die Andere gelaufen war und überhaupt, wie konnte Madeline ihr helfen, wenn sie sich nicht einmal selbst helfen konnte?

Auf einer Bank nahm sie Platz – sie war nass vom Regen, doch das störte sie nicht – und schlug das Buch auf. Der Roman hatte ihr einen Namen gegeben, vielleicht konnte er ihr ja noch mehr geben.
 


 

Als die Dämmerung eingebrochen war, klappte Madeline seufzend das Buch zu. Madeline, die Heldin der Geschichte, hatte durch einen Unfall ihr Gedächtnis verloren. Alles, was sie hatte, war ein Wickeltuch, in das ihr Name gestickt war und eine Adresse, die auf einem Taschentuch gestanden hatte. Zusammen mit ihrer Pflegerin, in die sie sich im Laufe der Geschichte zu verlieben begann, machte sie sich auf den Weg zu der Adresse um mehr über ihre Herkunft herauszufinden. Am Ende fand sie ihre Eltern wieder und versöhnte sich auch wieder mit ihren beiden besten Freundinnen, die Schuld an ihrer Amnesie hatten, da beide nicht mit Madelines Sexualität klargekommen waren. Der Roman war ziemlich schnulzig, aber aus irgendeinem Grund mochte sie die Geschichte. Diese Madeline hatte ein Happy End bekommen. Betrübt blickte sie in den klaren Himmel und fragte sich, ob das Schicksal auch für sie ein Happy End vorgesehen hatte.

Seufzend betrachtete sie ihre Hände und stellte fest, dass sie an ihrem linken Daumen eine Narbe hatte. Verwundert blickte sie auf ihren Finger und fragte sich, wie sie sich diese Verletzung zugezogen hatte. Erschrocken stöhnte sie auf, als dunkle Blitze in ihrem Kopf aufleuchteten und sie sich fühlte, als würde jemand einen Presslufthammer gegen ihre Schädeldecke drücken. Sie wollte schreien, doch kein Laut kam über ihre Lippen. Verzweifelt presste sie das Buch an ihre Brust und wippte vor Schmerzen auf und ab. Lass es aufhören, flehte sie stumm und drückte das Buch – ihr einziger Halt – immer fester an ihren Körper. Sie wollte diese Schmerzen nicht mehr spüren. Sie wollte diese Leere nicht mehr spüren. Sie wollte gar nichts mehr spüren.

So plötzlich wie der Schmerz gekommen war, so plötzlich verschwand er auch wieder. Schwer atmend lag Madeline auf dem Boden und versuchte sich wieder aufzurappeln. Nur mit Mühe konnte sie sich wieder auf die Bank hochziehen. Eine junge Frau, die vorbeikam und ihr ihre Hilfe anbieten wollte, schickte sie mit barscher Stimme wieder weg. Sie wollte keine Hilfe.

Endlich nach einer halben Ewigkeit hatte sie es wieder nach oben geschafft. Und mit einem Mal wusste sie wieder, an welchem Ort sie eine Antwort kriegen würde. Zitternd und doch entschlossen stolperte sie vorwärts, umklammerte den Gegenstand in ihrer Hand, der sie stützte, wenn sie zu Boden stürzte und ihr wieder aufhalf. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam sie endlich an. Die Nacht war angebrochen und die Straße lag so ruhig vor ihr wie heute Morgen. Das Ganze kam ihr so unwirklich vor. Kaum zu glauben, dass sie vor wenigen Stunden noch hier gewesen war.

Zwei junge Frauen standen vor ihr. Sie erkannte die eine, als diejenige, die in sie gelaufen war und die andere, war die, die ihr vorhin aufhelfen wollte. Etwas an ihnen schien ihr vertraut und sie umklammerte die Waffe in ihren Händen noch fester.

Das Schwert, das eigentlich ihr Buch war. Die Klinge würde ihr im Kampf beistehen, sowie schon immer. Ihr rotes Kleid flatterte im Wind, während sie langsam auf die beiden anderen zuging.

Sie würde sich zurückholen, was man ihr genommen hatte.

Kapitel 2 - VERDANDI

Es war als hätte man eine Zigarette auf einem Foto ausgedrückt und zurück blieb nur ein Brandloch, das eine Erinnerung halb zerstört hatte. Dieses Gefühl der Unvollständigkeit begleitete Sigyn schon die ganze Zeit, doch jetzt hatte sie keine Zeit sich um dieses Problem zu kümmern. Es gab ein anderes Problem.

Dieses Problem stand in Form einer riesigen, schemenhaften Babypuppe vor ihr, das mit seiner Hand immer wieder nach ihr schlug und dabei laut lachte. So, als wäre das Ganze nur ein Spiel. Für Sigyn jedoch war das alles andere als ein Spiel und sie wich flink der Hand der Schattenpuppe aus, die immer wieder erbarmungslos nach ihr ausschlug, so wie eine Fliege von einer Fliegenklatsche verfolgt wurde.

Angestrengt dachte sie nach, um eine Möglichkeit zum Gegenangriff zufinden. Ihre einzige Waffe, ein Köcher voll mit Pfeilen, welcher sich zwar auf unerklärliche Weise immer selbst auffüllte, war nicht gerade für den Nahkampf geeignet. Und wenn sie immer wieder den Schlägen ausweichen musste, würde sie keine Möglichkeit finden, einen Pfeil abzuschießen.

Wieder wich sie der herabsausenden Hand aus und stolperte dabei über eine freiliegende Wurzel eines nahestehenden Baumes. Ihr rechter Fuß verfing sich und als sie ihn hektisch herausziehen wollte, knackte es auf einmal. Ein stechender Schmerz durchfuhr Sigyn, als sie versuchte aufzutreten. Dem nächsten Schlag des Schattenmonsters konnte sie nicht mehr ausweichen und so wurde sie mehrere Meter durch die Luft geschleudert. Hart prallte sie auf das feuchte Gras und war dankbar, dass der Regen heute Morgen den Boden wenigstens etwas aufgeweicht hatte. Doch sie hatte keine Zeit sich auszuruhen, denn das Monster griff erneut an. Und es verfehlte sie nur knapp, denn in letzter Sekunde rollte sich Sigyn nach links. Doch dem nächsten Schlag konnte sie nicht mehr ausweichen, das wurde ihr klar, als sie die herabsausende Hand kommen sah. Ängstlich kniff sie ihre Augen zusammen und drehte den Kopf zur Seite. War das ihr Ende?

„Platz da!“ Eine laute Stimme drang an ihr Ohr und sie spürte, wie etwas an ihr vorbeisauste. Neugierig öffnete sie wieder ihre Augen und sah, wie sich eine junge Frau mit langen, blonden Haaren einen erbitterten Kampf gegen das Monster lieferte.

Fassungslos sah Sigyn ihr dabei zu, wie ihr Schwert die Hand der Puppe durchtrennte. Diese fiel zu Boden und verdampfte, so als wäre sie nie dagewesen.

„Du bist dran.“ Neben sie trat eine weitere junge Frau, an deren braunem Fransenrock ein mit Ornamenten verziertes Beil baumelte. Sie beugte sich runter zu Sigyn und betrachtete ihren verletzten Fuß. „Kannst du aufstehen?“, fragte sie besorgt.

Sigyn schüttelte den Kopf und die Andere seufzte leicht genervt.

„Du musst aufstehen“, erwiderte sie. „Komm, ich werde dir helfen. Es ist dein Monster und du weißt, was das heißt. Nur du kannst es vernichten!“

Sigyn kratzte sich an der Narbe an ihrem Fuß und versuchte erneut aufzustehen. Die Fremde half ihr auf und reichte ihr einen Pfeil aus dem Köcher.

Währenddessen kämpfte die andere Frau immer noch gegen das Monster. Und im Moment sah es schlecht für sie aus, denn mit einem gezielten Hieb schlug die Puppe ihr das Schwert aus der Hand. Eilig machte sie einen Satz nach hinten.

„Los, du musst jetzt schießen!“, rief sie ihr zu. „Schieß jetzt!“

Das ließ sich Sigyn nicht zweimal sagen. Entschlossen legte sie den Pfeil an die Sehne ihres Bogens und richtete die Spitze auf den Kopf des Monsters. Ruhig atmete sie ein, spannte den Bogen … und ließ beim Ausatmen los.

Er fand sein Ziel, er fand immer sein Ziel. Erbarmungslos bohrte sich der Pfeil in den Kopf der Schattenpuppe und ein grelles Licht sorgte dafür, dass sich das Monster auflöste. Erschöpft sank Sigyn wieder zu Boden und blickte dankbar zu ihren beiden Retterinnen.

„Danke“, meinte sie und lächelte. „Ihr seid auch Magisk jente?“

Die beiden nickten.

„Seit wann bist du eine“, fragte die junge Frau und schob ihr Schwert zurück in die Scheide.

„Ich weiß nicht“, erklärte Sigyn seufzend. „Ich bin es einfach schon immer gewesen. Jedenfalls seitdem ich mich erinnern kann.“

„Sollen wir deine Wunde heilen?“, fragte die Andere und schob ihr langes Haar aus dem Gesicht. „Es kämpft sich schlecht mit einem humpelnden Fuß.“

Sigyn nickte. „Dürfte ich vorher noch bitte eure Namen erfahren?“
 


 

Als würde man eine Zigarette auf einem Foto ausdrücken. Das Einzige, was zurückblieb war ein dunkles Brandloch. Sigyn kratzte sich am Kopf und fragte sich, wie sie hierhergekommen war. Sie befand sich im Park, saß auf dem Gras gegen eine Eiche gelehnt. Das Letzte an das sie sich erinnern konnte, war wie sie den Park betreten hatte.

Es raschelte in dem Baum über ihr und sie blickte nach oben. Zwei kleine Mädchen kletterten in den Ästen umher. Für einen kurzen Moment schien Sigyn die Szene bekannt vorzukommen. Schemenhafte Bilder schwebten in ihrem Kopf, und sie streckte ihre Hand aus um sie zu fassen, doch wie Wasser rannen sie durch ihre Finger. Verwirrt schüttelte Sigyn ihren Kopf und atmete tief aus. Bestimmt irrte sie sich. Es gab viele Kinder, die auf diesen Baum kletterten. Bestimmt hatte sie schon öfters irgendwen dort klettern sehen.

Seufzend stand sie auf, nickte den beiden Mädchen zu, von denen eines eine Puppe mit sich trug.

„Pass auf dich auf“, rief Sigyn ihr zu. „Deine Puppe könnte herunterfallen.“

Das kleine Mädchen blickte nachdenklich auf ihr Spielzeug, nickte dann überzeugt und kletterte wieder nach unten.

„Bleib ja hier sitzen, hörst du Lisa?“, ermahnte sie die Puppe, die sie auf Sigyns alten Sitzplatz setzte, ehe sie wieder nach oben zu ihrer Freundin kletterte.

Sigyn lächelte und drehte sich dann um, während hinter ihr das Lachen der Kinder erklang. Wie schön es doch war, noch Kind zu sein. Man verbrachte den ganzen Tag mit Spielen und Nichts tun. Manchmal sehnte sich Sigyn nach dieser Zeit zurück. Die Zeit, die ihr so unklar erschien und an die sie sich nur noch bruchstückhaft erinnerte. Wie zum Beispiel der Tag an dem sie mit ihrer Mutter auf dem Rummel gewesen war. Sie wusste nur noch, dass sie ein Kuscheltier gewonnen hatte. Doch an mehr konnte sie sich nicht erinnern. Ihre Mutter hatte damals so lange gespielt, bis sie den Plüschhund gewonnen hatte. Selbst an sein Aussehen konnte sie sich nicht mehr erinnern. Nur noch an den Tomatenfleck unter dem linken Auge. Doch mehr wusste sie nicht mehr.

Sie lächelte, während sie in dieser bruchstückhaften Erinnerung schwebte. Damals, war ihre Mutter noch gesund gewesen. Doch dann brach die Krankheit aus. Diese Krankheit, die ihre Mutter langsam von Innen heraus auffraß. Sah man ihre Mutter, so würde man nicht denken, dass sie krank war. Sie war so ein lebensfroher und offener Mensch. Einzig und allein Sigyn wusste, wie sehr diese Krankheit sie doch mitnahm. Und das war der Grund dafür, dass sie Medizin studierte. Sie würde Ärztin werden und dann einen Weg finden, diese Krankheit ihrer Mutter zu besiegen.

Sigyn verließ den Park und machte sich auf den Weg nach Hause. Sie musste noch den Aufsatz über Amnesie fertig schreiben. Aus ihr unerklärlichen Gründen bereitete ihr dieses Thema Schwierigkeiten. Möglicherweise lag es ja daran, dass sie sich momentan selbst so fühlte, als würde ihr Gehirn wie ein Sieb sein, durch das ihre Erinnerungen wie Wasser durch tropften. Vielleicht sollte sie sich einweisen lassen, dachte Sigyn ironisch.

Sie lachte laut und erntete dafür missbilligende Blicke von vorübergehenden Passanten. Eine junge Frau, die auf einer Bank saß und in ein dickes Buch vertieft war, schnalzte genervt mit der Zunge und schüttelte genervt ihren Kopf. Verwundert betrachtete Sigyn die Frau, deren blondes Haar ihr wie ein Vorhang ins Gesicht fiel. Wieso wurde sie das Gefühl nicht los, diese Frau schon einmal irgendwo gesehen zu haben?

Doch sie konnte ihr Gesicht nirgendwo zuordnen. Eilig ging Sigyn weiter. Es bereitete ihr Kopfschmerzen darüber nachzudenken.

Endlich erreichte sie ihr Zuhause. In ihrer Tasche kramte sie nach dem Schlüssel und schloss die Tür auf. Schon im Flur duftete es nach herrlichem Köttbullar und sie lächelte vor Freude. Köttbullar war ihrer beider Lieblingsgericht.

Sie schlüpfte aus den Schuhen, hängte ihre Jacke auf und ging dann zur Küche. Ihre Mutter freute sich bestimmt, wenn sie den Nachttisch vorbereitete. Hinten im Schrank lag noch eine Tüte Vanillepudding. Lächelnd öffnete Sigyn die Tür und entdeckte ihre Mutter, die vornübergebeugt vor der Spüle stand. Sigyn stürzte nach vorne, als sie das Blut entdeckte, welches am Kinn ihrer Mutter klebte.

Sie würde alles tun, um ihre Mutter zu retten, schoss es ihr durch den Kopf.

Wie eine Zigarette, die man auf einem Foto ausdrückte, bis nur noch ein dunkles Brandloch an dieser Stelle übrig blieb. Doch dieses Mal war es so, als würde jemand ein Feuerzeug an das Foto halten und dieses verbrennen, bis nur noch ein Haufen Asche übrig war.

Kapitel 3 - URD

Heute würde es zum letzten Mal schneien.

Sie lief gebückt durch die Menschenmenge, die sich vor dem Konzerthaus versammelt hatten und darauf warteten, dass die Türen sich endlich öffnen würden. Sie waren in ihre dicken Anoraks eingemummelt, die Schals eng um die Hälse gebunden und Mützen bedeckten ihre Köpfe. Alles, um sich so warm wie nur möglich zu halten. Trotzdem zitterten viele vor Kälte.

Sie selbst trug nur ein einfaches blumenbesticktes Kopftuch und über ihrem langen grauschwarz karierten Kleid eine dunkelblaue Schürze. Ihre Holzschuhe klackerten bei jedem ihrer Schritte. Ihre Kleidung war alles andere als winterfest und bestimmt hätte man ihr sofort eine Decke gebracht und sie ins Warme geholt, wenn man sie entdeckt hätte. Doch niemand sah die alte Frau, die langsam auf den Hintereingang zuging. Außerdem wurden gerade endlich die Türen geöffnet und die Menschen strömten auf das Gebäude zu. Hinein in die lang ersehnte Wärme.

Und obwohl sie inmitten durch die Menge ging und niemand sie sehen konnte, lief niemand durch sie hindurch. Automatisch machten sie einen Bogen um sie, sobald sie sich ihr näherten.

Sie jedoch schlug den Schotterweg ein, der um das Gebäude herum führte und folgte diesem. Auf der Rückseite öffnete sich die Tür, als sie sich dieser näherte und ein junger Mann trat heraus, eine Schachtel Zigaretten in der Hand. Sie schlich sich an ihm vorbei, als er gerade nach seinem Feuerzeug suchte und erhöhte ihr Tempo in dem erwärmten Gang. Es tat gut, aus der Kälte herauszukommen. Ein Lächeln bildete sich auf dem mit Falten durchzogenen Gesicht, während sie den Mann darüber fluchen hörte, dass es ihm wohl anscheinend nicht gelang, die Zigarette anzuzünden.

Es war so leicht, sich irgendwo einzuschleichen, wenn man nur wusste, wann sich wo welche Türen öffneten. Und so war ihr auch klar, dass die nächste Tür, auf die sie zusteuerte, offen stand. Und jemand würde dafür nachher noch gewaltigen Ärger kriegen.

Nun drangen die ersten Töne eines Cellos an ihr Ohr und sie trat zu dem großen Vorhang, schob ihn ein Stück zur Seite und guckte nach draußen.

Aus dem kleinen Versteck hinter der Bühne konnte sie sehen, wie voll der Saal geworden war – kein einziger Platz war mehr frei. Und alle Augenpaare waren auf die junge Frau gerichtet, die vorne auf der Bühne in einem bodenlangen, mintgrünen Kleid stand, neben ihr eine Frau im gleichen Alter die auf einem Hocker saß und ihr Cello stimmte. Als sie fertig war, nickte sie der Anderen zu, die dann einen Schritt nach vorne trat und den ersten Ton anstimmte.

Mit glockenheller Stimme, die gar nicht zu der Frau mit dem Kurzhaarschnitt und dem knabenhaften Körper passte, sang sie

Nachdem sie eine Weile dem sanften Gesang gelauscht hatte, drehte sich die alte Frau langsam um und machte sich auf den Weg zu ihrem Umkleideraum. Mit ihrem Tempo würde sie ankommen, wenn die junge Frau das Konzert beendet hatte.
 


 

„Also, wir sehen uns dann morgen!“

Sie winkte ihrer Freundin noch mal zum Abschied, dann betrat sie die Umkleide. Das wehleidige Piepsen drang augenblicklich an ihr Ohr, als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte. Suchend sah sie sich im dem kleinen Zimmer um, in dem nur ein großer cremefarbener Schminktisch mit einem Hocker im gleichen Farbton davor. Etwas schräg rechts vor dem großen roten Teppich stand ein großer Sessel, über den sie vorhin ihre Kleidung geworfen hatte. Das Fenster hatte sie vor dem Auftritt noch einmal geöffnet, damit später frische Luft im Raum war.

Und von dort kam das Piepsen, bemerkte sie. Eilig ging sie darauf zu und entdeckte draußen auf dem Fensterbrett einen kleinen braungefiederten Vogel, dessen Flügel in einem merkwürdigen Winkel von seinem Körper abstand. Flehend blickten die kleinen, dunklen Knopfaugen an, während sie vorsichtig das kleine Flugtier in die Hand nahm. Es musste wohl gegen die Scheibe geflogen sein und sich dabei verletzt haben.

„Er wird sterben!“

Vor Schreck hätte sie beinahe den Vogel fallen gelassen. Sie drehte sich um und entdeckte inmitten des Raumes eine alte Frau – eine uralte Frau. Ihr Gesicht war mit tiefen Falten durchzogen, auf ihren Händen waren dunkle Altersflecken abgebildet und ihr schneeweißes Haar hing wirr und lose auf ihren Schultern. Mit glasig blauen Augen blickte sie Elenor durchdringend an, sodass diese einen Schritt zurück wich und gegen die Wand stieß.

„Wer bist du?“, fragte sie und versuchte die Furcht in ihrer Stimme zu unterdrücken. Immerhin war das doch nur eine alte Frau, an der es absolut nichts Gefährliches gab. Und trotzdem war die Alte ihr nicht geheuer.

„Der Vogel wird sterben“, wiederholte die Fremde ihren Satz und ignorierte Elenors Frage. „Du solltest ihn töten, sonst quält er sich nur!“

Elenor schluckte und blickte auf den kleinen Vogel in ihren Händen, der nur noch schwach vor sich hin piepste. Sie kannte sich nicht mit Tieren aus, aber möglicherweise log diese Frau ja auch. Wenn sie ihn nur schnell genug zu einem Tierarzt brachte, würde er es bestimmt retten können.

„Bis du bei einem Tierarzt angekommen bist, ist es schon zu spät.“ Irrte Elenor sich oder las diese Alte ihre Gedanken? Nein, das war lächerlich. Und doch, der Blick der Fremden ließ sie nicht los, war ihr nicht geheuer. Schon, dass sie einfach so wie aus dem Nichts in der Umkleide aufgetaucht war, ohne dass Elenor nichts davon mitgekriegt hatte, war unheimlich.

„Du weißt genau, dass du ihn nicht mehr retten kannst“, erklärte die alte Frau kühl und dieser Satz ließ bei ihr einen Geduldsfaden reißen. Entschlossen machte sie einen Schritt nach vorne. Sie würde sich nicht von einer verrückten Alten einschüchtern lassen.

„Wenn du mir nichts anderes zu sagen hast, was suchst du dann hier?“, fragte sie verärgert.

Und bei diesen Worten lächelte die Alte und um ihre Mundwinkel bildeten sich noch Falten.

„Nun, weil ich dir ein Angebot machen will“, erklärte sie ihr. „Was würdest du aufgeben, damit du den Vogel retten kannst?“

„Aufgeben?“

Elenor blickte verwundert auf. Ihr braunes Haar fiel ihr ins Gesicht und sie klemmte sich die Strähnen eilig hinters Ohr. Diese Alte war wirklich komplett durchgedreht. Was sollte sie denn aufgeben wollen?

„Du musst etwas aufgeben wollen, um den Vogel retten zu können“, erklärte die Frau und blickte sie mit wachsamen Blick an. „Da das Leben des Vogels recht klein ist, reicht auch etwas Kleines als Bezahlung. Was willst du opfern?“

Elenor wurde an diese ganzen Bücher erinnert, die ihre Freundin so gerne las über griechische Mythen und Opfergaben. Sollte sie etwa ein anderes Leben opfern?

Die Alte lachte und wieder zuckte Elenor zusammen. Sie konnte keine Gedanken lesen. So etwas gab es nicht, oder?

„Was soll ich aufgeben?“, fragte sie zögernd und bei dieser Frage lächelte die Alte wohl wissend. So, als hätte sie von Anfang an gewusst, das Elenor diese Frage stellen würde.

„Eine Erinnerung“, gab die Fremde nun zur Antwort. „Irgendeine Erinnerung von dir, die dir die Kraft gibt, dem Vogel sein Leben zu retten. Es gibt nur einen einzigen Haken an der ganzen Sache. Es muss eine Erinnerung sein, die du mit dem Tier verbindest.“

„Aber es gibt nur eine Erinnerung, die mich mit dem Vogel verbindet“, erkannte Elenor. „Das hier!“

„Also willst du diese Erinnerung aufgeben?“ Die Alte hob fragend eine ihrer dünnen Augenbrauen hoch. „Ich kann dir die Macht verleihen, Leben zu retten. Willst du das?“

Nachdenklich blickte Elenor auf den kleinen Vogel, der sie flehend anblickte. So als würde er wollen, dass sie dieses Angebot – so skurril es auch klang – annahm. Entschlossen blickte sie wieder auf und nickte dann.

„Lösch die letzten Minuten von dem, was hier geschehen ist!“, sprach sie mit lauter, klarer Stimme und die Alte war in Windeseile bei ihr und ritzte mit ihrem langen Daumennagel – ihr war gar nicht aufgefallen, dass dieser so lang war – einen kurzen Schnitt in ihre Unterlippe.

„Autsch.“ Elenor schmeckte Blut auf der Zunge. „Was sollte das denn?“

„Nun, Blut ist nun mal die beste Möglichkeit, um einen Vertrag zu besiegeln“, erwiderte die alte Frau und blies über ihren Daumennagel. Aus dem Tropfen Blut, der durch die Luft flog, entstand ein riesiger, schwarz gefiederter Raubvogel, der kreischend mit seinem Schnabel nach ihr piekte.

„Was – was ist das?“, rief sie schockiert aus und hob schützend die Arme vor ihr Gesicht um sich zu schützen.

„Die dunkle Seite einer Erinnerung“, rief die Alte ihr zu. „Du musst sie bekämpfen, wenn du nicht sterben willst!“

Drei Nornen


 

„Wie leicht man seine Freunde doch vergessen kann.“

„So leicht kann man seine Freunde doch vergessen.“

„Kann man seine Freunde so leicht vergessen?“
 

Sie kicherten, die drei uralten Frauen, die Rücken an Rücken saßen, während vor ihnen jeweils ein Spinnrad stand, mit dem sie immer wieder Fäden sponnen. Fäden, die sich mit denen der anderen beiden Frauen verbanden und von ihnen trennten. Fast schien es als würden die Fäden ein Eigenleben führen, so schnell wie sie durch die Finger der Frauen über das Spinnrad glitten. Wer die drei Frauen bei ihrer Arbeit beobachten konnte, würde diesen Anblick nie mehr vergessen – war es kein Wunder, schließlich würde derjenige bei diesem Anblick auf der Stelle tot umfallen. Niemand durfte sehen, was hier geschah.
 

„So wie es aussieht, hat niemand unsere Wette gewonnen.“

„Niemand von uns hat unsere Wette gewonnen.“

„Und wer hat jetzt unsere Wette gewonnen?“
 

Doch es war sowieso unmöglich, dass ein Sterblicher diese Höhle jemals betreten würde. Sie war umgeben von mächtigen Schutzzaubern und lag inmitten eines ewig tosenden Meeres umkreist von spitzen und todbringenden Felsen. Doch sobald das Wasser in die Höhle floss, wurde es ruhig und bewegungslos. Die Höhle war ein Ort der Stille, der Bewegungslosigkeit, der vollkommenen Ruhe. Nur die drei Frauen an ihrem Spinnrad waren das einzig Lebendige an diesem Ort, auch wenn ihre wenigen und seltenen Bewegungen kaum zu erkennen waren. Die Fäden, die sie sponnen, führten ins Wasser und wenn eine der alten Weiber eine bestimmte Bewegung machten, würden sie das sehen, was sie in den Faden eingesponnen hatten.

Das Schicksal, das Leben eines jeden Lebewesen auf der Welt. Sie sponnen es aus ihren eigenen langen, schneeweißen Haaren, die auf magische Weise nie zu wachsen aufhörten. Doch kam es vor, dass sie die Strähne mit einer alten, rostigen Schere abschnitten und der Faden ins Wasser fiel um dort auf Nimmerwiedersehen versank.
 

„Sie können sich nun an gar nichts mehr erinnern.“

„An nichts können sie sich nun noch erinnern.“

„An was sie sich nun noch erinnern können?“
 

Die Kleinste von ihnen schwenkte ihren Fuß und das Wasser änderte sich. Es wurde dunkler, schemenhafte Gestalten tauchten an der Oberfläche auf, die sich langsam wieder beruhigte. Nun zeigte das Wasser einen langen, weißen Flur, durch den zwei kräftige Männer eine junge Frau schleppten. Sie hing leblos in ihren Armen, rührte sich nicht, wenn man sie ansprach.
 

„Sie hat überlebt“, [[CODE=4]] „Doch ob sie es wirklich wollte?“

„Sei nicht albern. Schwester“, meinte die, die zu ihrer Rechten saß. „Ein Leben ohne Erinnerungen würde niemand haben wollen.“

„Aber sie wussten worauf sie sich einlassen“, entgegnete die Dritte im Bunde. „Wir haben es ihnen doch gesagt.“

Sie schnipste mit dem Finger und die Szene im Wasser änderte sich. Wieder zeigten sie die junge Frau, die schreiend vor zwei Leichen lag. Sie stolperte auf die beiden jungen Frauen zu, schüttelte an ihnen, schrie sie an, doch wieder aufzuwachen. Doch nichts dergleichen geschah. Ein Pfeil steckte tief in der Brust der einen, während die andere eine Wunde am Kopf hatte, unweit von ihr lag ein Beil, an dem Blut klebte. Hier hatte ein schrecklicher Kampf stattgefunden.

Das Schreien der Überlebenden weckte die Nachbarschaft und in den Häusern gingen die ersten Lichter an. Eine Frau – mit dem gleichen blonden Haar – trat nach draußen und rief laut, was denn dieser Krach zu bedeuten hätte. Doch als sie die beiden Leichen entdeckte, wurde sie blass im Gesicht – was aufgrund ihres hellen Teints kaum auffiel – und eilte ins Haus zurück. Sie würde einen Notruf absetzen, denn wenige Minuten später kamen Krankenwagen und Polizei mit Blaulicht und Sirene angefahren. Während die Polizisten die Straße absperrten und andere die beiden Leichen untersuchten, gingen zwei Männer auf das dritte Mädchen zu, sprachen beruhigend auf sie ein. Als sie die beiden Männer entdeckte, erschrak sie und stolperte nach hinten. Doch ihre Flucht wurde unterbrochen, als sie gegen einen Gartenzaun prallte. Zu schwach um aufzustehen und einfach davonzulaufen, konnte sie nichts anderes tun, als sich von den Männern abführen zu lassen.
 

Es war eine Wette gewesen, die den drei alten Spinnerinnen in den Sinn gekommen war. Nach Jahrtausenden des ewigen Spinnraddrehens war ihnen – plump gesagt – langweilig geworden. Und so hatten sie eine Wette abgeschlossen. Diejenige, deren Schützling zuletzt ihre ganzen Erinnerungen verlieren würde, hätte dann gewonnen.
 

„Leider konnten wir nicht wissen, dass sie gleichzeitig ihre letzte Erinnerung verlieren.“

„Wir konnten nicht wissen, dass sie gleichzeitig ihre letzte Erinnerung verlieren würden.“

„Konnten wir wissen, dass sie gleichzeitig ihre Erinnerung verlieren würden?“
 

Sie hatten drei junge Frauen gewählt. Studentinnen, die ihr ganzes Leben noch vor sich gehabt hatte. Junge Menschen, voll von Energie, denen sie magische Kräfte übertrugen. Magie, die einen Preis forderte. Denn jedes Mal, wenn sie auf magische Weise ein Leben retteten, mussten sie dafür eine Erinnerung einbüßen. Der erste Kuss – die Mutter, die einem Abends Gutenachtgeschichten vorlas – das Plätzchenbacken mit den Großeltern – alles wurde nach und nach gelöscht. Solange, bis nichts mehr übrig war.

Bis sie nur noch ein leeres Selbst waren.

Die Dritte schürzte mit den Lippen und die Oberfläche des Wassers zeigte nun wieder die junge Frau, die mit einem Arzt, vermutlich einem Psychologen in einem Raum saß. Der Arzt stellte ihr Fragen, doch sie antwortete auf keine einzige. Ihr Blick war leer, regelrecht tot. Nach einer Weile gab der Mann es auf und rief zwei weitere Männer in den Raum, die die junge Frau zurück auf ihr Zimmer bringen würden.
 

Weil sie nichts zu ihrer Verteidigung sagte, würde man sie wegen Mordes und unterlassener Hilfeleistung einsperren. Der Arzt würde es nur noch schaffen, einen lebenslangen Aufenthalt in der geschlossenen Anstalt zu erzwingen, anstelle eines Gefängnisaufenthaltes, der für eine junge und labile Frau wie sie definitiv nicht dazu beitragen würde, dass sie wieder normal wurde. Diese dummen Menschen konnten nicht ahnen, dass nichts dieser armen Gestalt noch helfen konnten. Sie war gebrochen, und keine Therapie würde sie wieder richten. Sie würde ihr Leben in der Anstalt verbringen. Auch wenn dieses Leben nicht mehr lange existieren würde.
 

Das letzte Bild, das das Wasser zeigte, war wieder die junge Frau. Sie lag in einem roten Kleid auf einer einfachen Liege und riss Seiten aus dem Buch, das niemand ihr wegnehmen durfte, ohne dass sie laut zu schreien anfing. Langsam, beinahe schon liebevoll riss sie Seite für Seite aus dem Buch, zerknüllte sie und warf sie schließlich auf den Boden. Schließlich war nur noch eine Seite übrig, auf die ihre Tränen tropften und die Schrift nur noch schwer lesbar wurde. Doch sie wusste, was dort stand. Sie würde es nie vergessen.
 

Madeline lächelte und atmete tief ein. „Kommt her“, sagte sie zu den beiden Mädchen, die nach vorne traten und sie an der Hand nahmen. „Ist es nicht herrlich, dass wir wieder Freundinnen sind? Wisst ihr, tief in meinem Herzen habe ich euch nie vergessen können!“
 

Für unsere allerliebste Freundin,

Sigyn Elenor
 



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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Von:  traumherz
2014-10-11T14:35:03+00:00 11.10.2014 16:35
Soo … und damit bin ich nun auch schon beim Epilog angekommen. Noch einmal eine große Entschuldigung dafür, dass ich das erst jetzt gebührend kommentiert habe x.x Wie gesagt, es ging bei mir leider wirklich nicht früher.

Hach … die Nornen. Die sind einfach einer meiner Lieblingsaspekte an der nordischen Mythologie (und auch generell in anderen Mythologien ihre Gegenstücke, zum Beispiel die Parzen). Ich finde die einfach total interessant :) Deshalb freue ich mich immer noch total darüber, dass du die Geschichte mit ihnen verbunden hast.

Und ich finde den Epilog auch wirklich gelungen. Er rundet die ganze Geschichte noch einmal sehr gut ab und man erkennt dann auch endgültig die Zusammenhänge sehr viel besser. Ich mag auch einfach insgesamt diese Idee, dass sie das Retten von Leben anderer mit eigenen Erinnerungen bezahlen mussten. Man unterschätzt das irgendwie so schnell, wenn es nur eine kleine Sache ist. Ich würde mir auch denken »wow, wenn ich ein Leben retten könnte und nur mit einer Erinnerung bezahlen müsste, das wäre doch echt super«. Aber so einfach ist es ja nicht, denn wenn man wirklich alle Erinnerungen verloren hat … ja, das ist wirklich schrecklich.

Immerhin hat es ja auch dazu geführt, dass die Freundinnen einander vergessen haben und dass zwei von ihnen tot sind … und die dritte innerlich ja eigentlich auch. Ich fand auch das Ende sehr eindringlich mit der Inschrift in dem Buch.

Also abschließend kann ich nur sagen, dass es eine sehr gelungene Geschichte ist, über die ich mich schon damals sehr gefreut habe und die ich jetzt auch sehr gerne noch einmal gelesen habe. Vielen, vielen Dank dafür!

Ganz liebe Grüße,
traumherz
Von:  traumherz
2014-10-11T14:26:53+00:00 11.10.2014 16:26
Und da kommt mein nächster Kommentar :)

Erst einmal: Hach, Cello! Es sind echt Kleinigkeiten, die mich schon total glücklich machen. Celli sind einfach so wunderschöne Instrumente … hach. Einfach nur schöööön :)
Und hach … das mit dem Vogel ist wirklich traurig. Ich kann sie so gut verstehen, dass sie dem armen Tier gerne helfen möchte. Und dass sie diesen Pakt eingeht … okay, es hat mich ein bisschen überrascht, dass sie der Alten so schnell Glauben schenkt. Aber davon mal abgesehen habe ich daran nichts zu beanstanden oder so. Ich finde es auf jeden Fall toll, dass sie sich dazu entschließt – auch wenn es natürlich echt bedrückend ist, wenn man weiß, worauf es hinausläuft x_x
Vor dem Hintergrund des Endes dieses Kapitels ergibt jetzt natürlich auch wieder das mit der Puppe im zweiten Kapitel wieder viel mehr Sinn für mich – das hatte ich nur leider vergessen, als ich den Kommentar zum zweiten Kapitel geschrieben hatte, haha xD
Aber ich finde es schön, dass eine der Nornen hier direkt in Erscheinung tritt. Das macht die ganze Geschichte irgendwie noch einmal viel runder.
Und die Sache mit der dunklen Seite einer Erinnerung finde ich auch wirklich toll. Ist eine gute Idee! Nicht einfach so ein random-Gegner, sondern eben was mit einem nachvollziehbaren Hintergrund, finde ich :) Gefällt mir – immer noch – sehr gut.
Von:  traumherz
2014-10-11T14:16:36+00:00 11.10.2014 16:16
Aloha!

Beim zweiten Kapitel bin ich schon vom Einstieg restlos begeistert (auch wenn mir der vom ersten Kapitel ja schon sehr gut gefallen hatte). Aber yay, Action! Okay, im ersten Satz noch nicht, aber den finde ich auch wirklich toll formuliert. Der Kampf hat mir wirklich gut gefallen. Wie die anderen zwei ihr zur Hilfe geeilt sind, hat die drei Charaktere hier auch noch mal toll miteinander verbunden und ich mag aber auch die Idee, dass es Sigyns Monster ist und sie es deshalb selbst besiegen muss.
Das mit der Puppe im Park hat mich dann aber sehr nachdenklich gestimmt. Ich glaube ohne den Epilog wäre ich hier dann davon ausgegangen dass sich die drei alles vielleicht nur einbilden xD Einfach weil hier so die Puppe erwähnt wird und sie vorher gegen eine Schattenpuppe gekämpft hat und mein Hirn hat daraus gestrickt »hey, was ist, wenn sie gar nicht wirklich kämpfen? Was ist, wenn das alles nur in ihren Köpfen geschieht?« Okay, ich glaube, ich schreibe verworrenes Zeug xD Aber ich erinnere mich auf jeden Fall noch an den Epilog und was da so drin stand, deshalb denke ich, dass meine Theorie hier sehr absurd ist. Aber ich schreibe gerne einfach mal auf was für Gedanken mir so durch den Kopf strömen beim Lesen xD
Übrigens mag ich generell diese schwedische Atmosphäre in der Geschichte. Köttbullar, die Namen der Mädchen, ein Teil der Bücher aus dem ersten Kapitel, der Ausdruck »magisk jente« - echt schön :) Sind so Kleinigkeiten, die ich einfach super finde, weil sie eine Geschichte einfach lebhafter und authentischer machen. (Und für mich als Skandinavien-Liebhaberin ja sowieso genau das Richtige :D)
Generell war mir Sigyn irgendwie auch total sympathisch. Einfach ihr Wunsch, Medizin zu studieren, um ihrer Mutter helfen zu können … das fand ich total schön und ich konnte es wirklich gut nachvollziehen.
Das Ende war dann ziemlich bedrückend ._. Aber so mag ich das ja! Also ist das keineswegs eine Kritik! :)
Von:  traumherz
2014-10-11T13:57:57+00:00 11.10.2014 15:57
Hi, ich wieder xD

Der Einstieg in das erste Kapitel hat mir auch wirklich gut gefallen, mit der Protagonistin – Madeline – die sich nicht erinnern kann und sich kurzerhand erst einmal nach einem Buchcharakter benennt.

Ich stelle es mir ja echt schrecklich vor, sich nicht erinnern zu können. Und dann auch noch einfach so mitten in einem Haus aufzuwachen, in dem man sich fremd fühlt und niemand da, den man fragen kann x.x

Generell finde ich das Kapitel (wie auch die anderen) sehr toll geschrieben. Allerdings muss ich gestehen, dass mich das mit der Mutter und Anika ein bisschen verwirrt hatte bzw. ich mir nicht sicher war (und auch beim nochmaligen Lesen nicht zu 100% sicher bin), ob ich es richtig verstanden habe. Ist »Madeline« (also die ohne Gedächtnis) quasi das zukünftige Ich von Anika? Ich hatte es nun so interpretiert, weil Skuld ja die Norne der Zukunft ist und weil es durch die Ähnlichkeit von Mutter und Tochter so wirkte etc., aber ich war mir halt nicht zu 100% sicher x.x Und wollte es im ausführlichen Kommentar dann noch nachfragen xD Ich hoffe, ich blamiere mich jetzt nicht indem ich irgendwas Offensichtliches total falsch verstanden habe xD Aber ich wollte noch nachgefragt haben :)
Aber auf jeden Fall liest sich das Kapitel (auch beim wiederholten Lesen) wirklich toll und interessant :) Und sie tut mir echt Leid, weil sie sich nicht erinnert x.x
Und sorry für mein doofes Nachfragen … aber manchmal stehe ich etwas auf dem Schlauch xD
Aber auf jeden Fall sehr toll!
Und das Ende des Kapitels gefällt mir auch total <3
Von:  traumherz
2014-10-11T13:40:56+00:00 11.10.2014 15:40
Hey,

erst einmal möchte ich mich aufrichtig bei dir entschuldigen, dass ich erst jetzt kommentiere. Bei mir ist in den letzten Monaten gesundheitlich, familiär und auch unitechnisch so Einiges drunter und drüber gegangen und völlig aus dem Ruder gelaufen. Ich hatte deine wundervolle Geschichte nicht vergessen, aber ich musste mich bei vielen Dingen ein bisschen zurückziehen und habe es daher auch nicht geschafft, dir eher einen Kommentar zu schreiben. Vergessen hatte ich es wie gesagt nicht, aber es ging leider einfach nicht früher. Ich weiß, dass ich das jetzt sehr, sehr spät nachhole, aber man sagt ja besser spät als nie. Ich hoffe, du bist mir nicht allzu böse – ich habe es nur einfach nicht früher auf die Reihe bekommen.

Ich wollte die tolle Geschichte dafür auch unbedingt noch einmal lesen, aber auch das hätte ich früher einfach nicht wirklich hinbekommen. Und ich wollte dir auch keinen lieblosen »hey, tolle Story«-Kommentar hinknallen. Dafür hat sie mir zu gut gefallen.

Erst einmal noch mal zum Gesamtkonzept: Ich war – und bin immer noch – völlig begeistert! Ich hatte gar nicht da mit gerechnet, etwas in Richtung Magical Girls zu bekommen und dann noch so super an die nordische Mythologie angelehnt. Echt toll!

Schon der Prolog hat mich total mitgerissen und das schon ab den ersten paar Sätzen. Ich meine, hey, Waffen *-* Und dann auch noch Pfeil und Bogen sowie ein Schwert – perfekt! Mir gefällt gut, dass der Prolog direkt Spannung aufbaut, weil man sich eben fragt, was es mit dieser ganzen Situation hier auf sich hat. Ich fand es sehr beklemmend und irgendwie auch heftig, dass die drei einfach so gar nichts mehr gespürt haben. Aber das hat mir nur umso besser gefallen – das macht das ganze beim Lesen irgendwie noch intensiver, finde ich :)
Ich muss gestehen, dass ich – das fällt mir gerade auch wieder auf – den Prolog zwar auch ein wenig verwirrend fand, doch das finde ich auch nicht schlimm, denn ich weiß ja noch, dass sich später alles aufklärt und ich mag es auch, wenn man Geschichten hat, bei denen man ein bisschen was zum Nachdenken und Miträtseln hat. Insofern hat mir das auch schon damals ziemlich gut gefallen.

Und dass zwei von dreien am Ende des Prologs dann tot sind, finde ich auch eindringlich und man fiebert nur umso mehr der Auflösung entgegen, finde ich :) Also ein echt klasse Auftakt für diese schöne Wichtelgeschichte. Danke noch einmal vielmals dafür!


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