Ziel verfehlt
Wut und Hass in ihrer reinsten Form strahlten, gebündelt durch einen einzigen Blick, quer durch die Aula und wurden dort konsequent ignoriert. Er hatte es schon wieder getan. Das Schlimmste war, dass er es nicht einmal darauf anlegte, er tat es einfach so, weil er es konnte. Deidara hätte aufschreien können. Er lernte fast jeden Tag, verbrachte Stunden über Stunden in der Stadtbibliothek und konnte auf ein breit gefächertes, über die Jahre aufgebautes Allgemeinwissen zurückgreifen, aber er war schon wieder nur der Zweitbeste. Nachdem er Biologie und Chemie abwählen konnte, hatte er eigentlich gehofft, seinen Notendurchschnitt weit genug anzuheben um zu siegen, aber dieser verfluchte Uchiha brachte es weiterhin fertig, ihn zu schlagen. Dabei wusste der Kerl nicht mal, was er mit dem Topdurchschnitt anfangen wollte. Gut, so genau hatte sich Deidara das auch noch nicht überlegt, aber er war sich sicher, eine bessere Verwendung dafür zu haben.
Die Schulglocke hallte viel zu laut durch das Gebäude und läutete eine beschwingte Aufbruchstimmung ein. Nach den Halbjahreszeugnissen gab es zwar keine Ferien, aber immerhin Schulschluss nach der dritten Stunde, was für alle Schüler, deren Zeugnis keinen Ärger mit den Eltern bedeutete, fast ein Grund zum Feiern war. Deidara würde keinen Ärger bekommen. Seine Eltern waren stolz, auf die Leistungen ihres Sohnes und nannten ihn immer liebevoll ihren kleinen Akademiker. Aber dieses überprivilegierte Schwein von einem Uchiha war einfach immer besser. Wie sollte Deidara es schaffen, zu einer Topkraft zu werden, wenn es ihm nicht einmal an der örtlichen Schule gelang, der Beste zu sein?
Langsam erhob er sich und verließ den Raum ohne jemanden anzusehen. „Scheiße, was ist denn mit Blondi los?“, hörte er Hidan fragen. „Zeugnisse“, brummte Kisame nur abwesend. „Was, hat das Streberchen mal keine Topnoten.“ Man konnte Hidans höhnisches Grinsen förmlich hören. „Vermutlich schon, aber er ist dann doch immer so“, schaltete sich nun auch Konan ein. „Ist wohl wieder nicht an Itachis Schnitt dran gekommen“, ergänzte Kisame noch. Weiter hörte er das Gespräch nicht, weil die Tür zugefallen war. Er wollte es auch gar nicht hören. Er hasste es, dass sie über ihn redeten als sei er nicht da und er hasste es, dass er sein Ziel schon wieder knapp verfehlt hatte, aber vor allem hasste er Itachi. Der Kerl machte ihn durch seine bloße Existenz lächerlich und wenn das nicht reichte, besaß er die Frechheit auch noch nach zu helfen. Er wollte etwas gegen die Wand werfen, verbrennen und anschließend die Asche in die Luft jagen.
„Na, wieder Zweiter?“ Wütend drehte er sich zu der Stimme um und brachte seine Gesichtszüge schnell wieder unter Kontrolle, jedenfalls weit genug, dass es eher wie ein Schmollen aussah. „Ja“ Eine längere Antwort traute er seiner Selbstbeherrschung nicht zu und es wäre sicher nicht vorteilhaft für seine Ziele, wenn er seinen Mathelehrer anschnauzte. Zudem war es ein äußerst engagiertes Exemplar von Lehrer, der ihm immer geholfen hatte, seit der Schulstoff außerhalb der Kenntnisse seiner Eltern angelangt war. „Kopf hoch, es gibt immer jemanden der besser ist.“ Das war genau die abgedroschene Phrase, die er von jedem zu hören bekam. Er schaute zur Seite um seinen Ärger darüber zu verbergen. „Ich hätte einen neuen Kandidaten für dich.“ Der Lehrer winkte mit einem Zettel, auf dem wohl ein weiterer Name mit Kontaktdaten und Problemfächern stand. Deidaras Eltern ging es zwar nicht schlecht, aber von Reichtum waren sie nun wirklich weit entfernt und sein Wissensdurst war nicht gerade günstig. Zwar versuchte er so viel wie möglich aus der Bücherei zu holen, aber auch deren Angebot war begrenzt und dazu kam noch das eine Hobby das er sich gönnte, die Tonfiguren, seine Kunst, sein Ausgleich. Bildung war eben auch hierzulande nicht wirklich umsonst, also verdiente Deidara sich etwas dabei, mit Nachhilfe. Er nahm den Zettel entgegen, packte ihn in seine Tasche und bedankte sich anständig für die Hilfe, bevor er sich zur Bushaltestelle aufmachte.
Seine Mitschüler hatten ihn inzwischen überholt und standen bereits in den Wartebereichen. Er konnte sich ohne Probleme zu Kisame und den Anderen stellen, denn der verfluchte Uchiha fuhr neuerdings nicht mehr Bus wie die normalen Kinder. Nein, er hatte zum achtzehnten Geburtstag ein Auto bekommen, einen fast neuen Ford Focus in mitternachtsblau. Wenn er das mit dem zehn Jahre alten Polo seiner Mutter verglich, wurde ihm ganz anders. Manche Leute bekamen auch alles geschenkt.
Das Auto stand noch da und Itachi stieg gerade ein. Von der anderen Seite der Haltestelle warf ein punkiger Mittelstufler ähnlich böse Blicke in Richtung Auto wie Deidara eben noch bei der Zeugnisvergabe. War das ein Anflug von spontanem Neid oder hatte sein Rivale auch bei den jüngeren Schülern Feinde? Nun, im Prinzip konnte es Deidara egal sein. Er kam bei seinen Freunden an. Nur kurz durchzuckte ihn wieder der Ärger, dass er sich einige davon ausgerechnet mit seinem Erzfeind teilen musste, dann drängte er den Gedanken beiseite. Er würde sein Umfeld sicher nicht diesem Arsch überlassen. Er hob die Hand zum Gruß.
„Bist du unterwegs in ein Wurmloch gefallen?“, scherzte Kisame. Es war also nicht unbemerkt geblieben, dass er als erster den Raum verlassen hatte, aber als letzter bei den Haltestellen ankam. „Hab einen neuen Nachhilfeschüler bekommen, un.“, grummelte er. Normalerweise war Deidara deutlich fröhlicher und umgänglicher, aber über Zeugnisvergaben hing immer eine unsichtbare Regenwolke, außerdem war es wie im Februar üblich, ätzend kalt und Deidara hasste Kälte. Frost rangierte auf seiner Liste der meist gehassten Dinge wirklich nur knapp unter Itachi, und dass auch nur weil Schnee und Kälte die Zeit der Eintöpfe ankündigte und Eintöpfe einfach nur ein Geschenk des Himmels waren.
„Er ist im Moment einfach nicht gut drauf“, murmelte Kisame. Fingen die schon wieder an? Ja, er war nicht gut drauf, aber das würde sicher nicht besser, wenn man ständig in der dritten Person über ihn redete. „Kann ich verstehen, muss echt hart sein so was.“ Schön, das wenigstens Konan verstand, wie es nervt immer am Ziel vorbei zu schießen. „Würd mich auch voll abspacken, so'n Drecksblag als Bruder.“ Halt, nein, er war Einzelkind. Was hatte er jetzt wieder verpasst? Überrascht blickte er auf und wartete darauf, dass ein Name oder eine sonstige Erklärung fiel. Doch als seine Freunde sahen, dass sie seine Aufmerksamkeit hatten, verfielen sie in betretenes Schweigen. Es gab eigentlich nur ein Thema, dass seine Freunde nicht vor ihm ansprechen wollten und das war Itachi. Als wenn einer wie der Probleme hätte. Der machte sich doch höchstens selbst irgendwelche Pseudoprobleme.
Deidara betrat die Wohnung seiner Familie. Er machte sich nicht die Mühe einen Gruß zu rufen, seine Eltern waren um die Zeit noch lange nicht von der Arbeit zurück. Er warf den Schlüssel in die frühlingshafte Schlüsselschale auf dem Sideboard. Diesmal zuckte er ob des scheußlichen Geräuschs nicht zusammen, er hatte sich mittlerweile daran gewöhnt. Deidara verstand trotzdem nicht, was seine Mutter sich bei dem Kauf gedacht hatte. Metallgegenstände in Glasgefäße zu werfen konnte von der Natur nicht gewollt sein, sonst würde es weniger disharmonisch klingen.
War es zu früh um etwas zu essen? Er verstand nicht warum man nach den Zeugnissen so früh nach Hause gehen durfte. So etwas brachte seinen ganzen Tagesablauf durcheinander. Hausaufgaben gab es natürlich auch nicht und mit seinen Freunden würde er sich erst nachmittags treffen, wenn sie ihren nicht arbeitenden Müttern die Zeugnisse gezeigt und das entsprechende Lob oder eine Standpauke bekommen hatten, gefolgt von einem Mittagessen. Deidaras Mutter arbeitete als Bürokauffrau und würde nicht vor fünf zuhause sein, also sollte er sich ein Brot schmieren und das Zeugnis auf dem Küchentisch deponieren, dass sie nicht warten musste bis er zurück war.
Der erste Bissen des Sandwiches war gerade genommen, da klingelte auch schon Deidaras Handy, ein älteres Android Model. Er fischte es aus seiner Schultasche und nahm ab ohne auf das Display zu schauen.
„Danke, danke, danke!“, tönte es in sein Ohr. Deidara hatte den Bissen noch nicht ganz verschluckt, weshalb die Antwort etwas unverständlich ausfiel, aber zumindest hatte er seinen letzten verbliebenen Nachhilfeschüler erkannt. Die anderen Beiden hatten vor Weihnachten aufgrund guter Klausuren aufgehört. Es war nur zu gut, dass er jetzt wieder einen neuen Schüler bekam.
„Meine Mutter ist begeistert von dem Zeugnis.“ Verdammt, er würde sich gern mehr für seinen Schüler freuen, aber er hatte ein ganz schlechtes Gefühl, was als nächstes kommen würde. „Ähm, na ja, es ist nur...“ Ein verlegenes Schweigen drang durch das Telefon bis Geräusche durch die Leitung klangen, als würde es von jemand anderes gegriffen und schon hörte er den freundlichen Singsang einer Frau im mittleren Alter: „Ich muss ihnen wirklich sehr danken, sie haben meinem Sohn sehr geholfen, aber ich denke, dass er jetzt allein mitkommt.“ Deidara unterdrückte ein Aufseufzen. Den Jungen hatte er seit über einem Jahr und er war wirklich froh, dass die Nachhilfe angeschlagen war, aber er hatte eigentlich vorgehabt, sich von den nächsten Unterrichtsstunden das Stochastikbuch zu kaufen, das laut Rezensionen die beste und umfangreichste Einführung in dieses Thema war. Er schluckte sein Brot runter. „Das freut mich zu hören.“ Deidara hoffte inständig, dass man seine Enttäuschung nicht all zu deutlich hören konnte. „Ja, mich auch. Vielen Dank noch mal, wir werden Sie weiterempfehlen.“ Eine Reaktion wurde nicht einmal abgewartet, bevor sie auflegte.
Er sollte nach dem Brot direkt den neuen Jungen anrufen. Er würde sich weniger Sorgen machen, wenn er wenigstens einen festen Schüler hatte. Deidara spülte das Brot mit etwas Chaitee runter. Er hatte das Teetrinken irgendwann angefangen, während er versucht hatte hinter das Geheimnis von Itachis schier grenzenloser Konzentration und Ruhe zu kommen. Das Geheimnis hatte er nicht ergründet, aber der Tee war geblieben, obgleich Deidara häufig darüber nachdachte auf Kaffee umzusteigen. Jedes Mal wenn er alleine Tee trank, war er gezwungen sich daran zu erinnern, dass er sich diese Angewohnheit bei seinem Erzfeind abgeschaut hatte. Andererseits war Kaffee nicht gerade gesund und es wäre besser erst gar nicht damit anzufangen und schon gar nicht wegen Itachi.
Der Zettel landete auf dem Tisch. Gut eine Handynummer. Er fühle sich immer wie ein Verräter, wenn er Eltern anrief und sagte: „Ich habe gehört ihr Kind hat Probleme in Mathematik und Englisch.“ Diesmal stand nicht mal ein Fach dabei, also war es wohl wieder jemand, der komplett aufgehört hatte zu lernen, ein Problemkind. Vielleicht konnte er Termine für zwei Tage die Woche ausmachen, das würde seinen Buchwünschen enorm weiterhelfen.
Nach einigen Klingelzeichen kam endlich ein misstrauischer Gruß. Deidara versuchte freundlich zu klingen: „Hallo, Herr Schmidt hat mir deine Nummer gegeben, er meinte du hättest Interesse an Nachhilfe.“ Hatte er gerade vergessen sich vorzustellen? Er hasste diese Gespräche, es machte ihn immer nervös mit Leuten zu telefonieren, die er nicht kannte. Deidara setzte gerade an, seinen Namen doch noch zu nennen, als eine wütende Stimme einsetzte: „Was hat dieser überengagierte Vollpfosten für ein Problem? Ich will keine Nachhilfe. Nicht jetzt und auch sonst nicht!“ Ja, definitiv ein besonders schwerer Fall von Problemkind. Aber so leicht würde er sein Stochastikbuch nicht aufgeben. Selbst wenn er bei ihm zuhause vorbeigehen und mit seinen Eltern sprechen müsste.
Die Stimme am anderen Ende wurde etwas ruhiger, klang aber weiterhin abfällig. „Mal interessehalber, welchen Depp hat der Kerl denn auf mich angesetzt?“ „Gar keinen, sondern mich, Deidara“, sprach er betont ruhig in das Telefon. Das war nicht der erste schwierige Schüler, den er hatte und ihm war klar, dass er sich auf keinen Fall provozieren lassen durfte. Zum wiederholten Mal fragte er sich, warum ihm das nur in solchen Fällen so gut gelang. Itachi brachte ihn durch seine bloße Existenz auf die Palme, aber mit solchen Querulanten hatte er nie ein Problem gehabt. Stille folgte auf der anderen Seite. War der Junge wirklich so leicht aus dem Konzept zu bringen? „Kannst du heute noch vorbei kommen?“ Der Kleine hatte aber massive Stimmungsschwankungen, oder hatte er neuerdings Fans in den jüngeren Jahrgangsstufen? „Heute hab ich schon was vor.“ Er würde Kisame sicher nicht absagen, bloß weil ein Zehntklässler nach den Zeugnissen Notenpanik bekam. So dringend brauchte er das Geld auch nicht und es würde keinen Unterschied machen, ob sie diese oder nächste Woche anfingen. „Aber morgen hast du Zeit, oder“, seine Stimme klang mittlerweile gar nicht mehr überheblich, aber Nachhilfe an einem Samstag? Deidara hatte zwar tatsächlich erst abends etwas vor, dennoch fand er die plötzliche Eile befremdlich. Trotzdem sagte er zu, machte einen Termin für den frühen Nachmittag aus und lies sich die Adresse geben. Von dort aus war es kaum fünf Minuten zu Kisame, wenn er eine lange Unterrichtszeit schaffte, könnte er direkt zu der kleinen Party gehen.
„Und wieder ein gekriegt?“, erkundigte sich Kisame, nachdem sie die Bestellung aufgegeben hatten. Deidara drehte den Kopf zur Seite und schaute aus dem Fenster des kleinen, kettenunabhängigen Burgerladens. Er wusste genau wozu diese Art von Gespräch führen würde und er hatte absolut keine Lust darüber zu reden, also blieb er seinem Kumpel eine Antwort schuldig. „Ich verstehe wirklich nicht was du gegen Itachis gute Noten hast“, fuhr er fort, als würde er nicht genau wissen, wie ungern Deidara über Itachi sprach, aber es brachte ja nichts und dieses Unverständnis, das sein bester Freund seiner Position nach all den Jahren immer noch entgegen brachte, ging ihm tierisch auf die Nerven. „Ich habe nichts gegen Itachis gute Noten!“, blaffte er. „Ich habe etwas dagegen, dass meine Noten nicht besser sind.“ Kisame verdrehte die Augen. „Außerdem versteh ich eh nicht, wie er das macht. Der Vollidiot kann ja nicht mal Männlein und Weiblein auseinander halten.“ Es war eine alte Geschichte, aber er ärgerte sich immer noch darüber. „Über ein Jahr waren wir schon in der gleichen Klasse und plötzlich fällt ihm nichts Besseres ein als erstaunt vor der ganzen Klasse festzustellen, dass ich gar kein Mädchen bin.“ Deidara ahmte dabei den gespielten Unschuldston nach, den Itachi damals in seiner Erinnerung angeschlagen hatte. Vermutlich war es eher sein typisch monotones Geschwafel, dass wusste er selbst, aber er hasste ihn trotzdem dafür. Sie waren damals gerade in der sechsten Klasse gewesen und alle Mitschüler hatten gelacht, selbst Kisame bis ihm auffiel, dass er seinen Freund davon abhalten sollte etwas Dummes zu tun. Kisame seufzte. „Ich sage dir dazu nur das, was du eigentlich schon lange weißt. Es war ein Scherz. Ein dummer Scherz, aber er war elf.“ Er bedachte Deidara mit einem Blick der sagte: „Du weißt doch wie die dummen, kleinen Kinder sind.“ Irgendwie hatte er ja auch recht, aber andererseits war die Szene ja nicht der Grund dafür, dass Deidara ihn hasste. Es war einfach nur der Tropfen der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Davor war die Stimmung zwischen den Beiden auch schon angespannt gewesen, aber danach konnte man sie wirklich nicht mehr gemeinsam in einen Raum lassen.
Die Getränke wurden auf den Tisch gestellt und Beide lächelten die Bedienung höflich an, ein niedliches Mädchen höchstens zwei Jahre älter. Deidara war allerdings nicht in der Stimmung zu flirten, wollte sich aber nicht die Gelegenheit entgehen lassen das Thema zu wechseln. „Naruto hat die Nachhilfestunden gecancelt. Das Zeugnis war wohl diesmal recht gut.“ Kisame warf ihm einen mitleidigen Blick zu. Er kannte Deidaras Lehrnwahn und die dazugehörigen Bücher nur zu gut und wusste, dass es der letzte Schüler war, den er noch im Fundus hatte. „Nimm's nicht so schwer, nach den Zeugnissen werden die Eltern panisch. Da bekommst du sicher bald Nachschub. Was ist denn dem mit dem von dem Zettel?“ Deidara konnte sich ein gequältes Grinsen nicht verkneifen. „Hab ich schon angerufen, un.“ „Fehlinformation?“ Eine berechtigte Frage. So etwas kam schon mal vor. Wenn die Kinder wollten, aber die Eltern nicht, oder umgekehrt, oder man es sich anders überlegt hatte. Manchmal war auch einfach ein anderer Nachhilfelehrer schneller. „Ein absolutes Psychokind“, erklärte Deidara. „erst will er gar nicht und flucht rum und plötzlich soll ich am besten sofort vorbei kommen.“ „Na was für ein Spaß“, lachte Kisame. „und wer ist dieser Inbegriff von Stringenz?“
Deidara kramte den Zettel aus der Hosentasche. Namen waren nicht seine Stärke. „Uhm, Sasuke aus der Zehnten.“ Kisames Augäpfel machten vielversprechende Versuche die Augenhöhlen zu verlassen um über den Tisch zu kugeln, bevor dieser in schallendes Gelächter ausbrach. Deidara war gelinde gesagt überrascht und äußerst skeptisch was diese Reaktion bedeuten mochte. Als der Lachanfall langsam in ein wissendes Grinsen überging, ohne das Kisame zu einer Erklärung ansetzen wollte, warf Deidara ein wütendes „Was?“ über den Tisch. Kisame gluckste noch einmal und erklärte mit amüsiertem Unterton: „Nichts.“ Deidara ließ den Blickkontakt nicht abbrechen und funkelte seinen besten Freund wütend an, so dass sich Kisame doch noch zu einer kleinen Erklärung überreden lies. „Na ja, da hast du echt ein Psychokind erwischt. Halt mich bloß auf dem Laufenden.“ Das waren ja super Aussichten.
Erste Stunde
Schnee und Kälte hatten während des kleinen Marsches an Deidaras Laune gezerrt. Er konnte es kaum erwarten, um die letzte Ecke zu biegen um sein, aller Wahrscheinlichkeit nach beheiztes Ziel in Sichtweite zu haben. Warum musste es jetzt auch unbedingt noch zu schneien anfangen? Bei solchem Wetter zog er jedes Psychokind einem Spaziergang vor. Die Themen für die zehnte Klasse hatte er griffbereit im Kopf, da er aus der Stufe schon einige Schüler hatte. Zur Sicherheit befanden sich auch Bücher und Übungsblätter für verschiedene Fächer in seinem Rucksack. Schreibzeug war auch dabei. Deidara hatte es heute Vormittag bestimmt zehn Mal überprüft. Gerade bei der ersten Stunde musste man Souveränität zeigen. Das beruhigte die Eltern und hielt den Schüler von dummen Gedanken ab. Außerdem steckte noch ein legerer Pulli im Rucksack. Gerade für die Eltern hatte er das typische Musterschüleroutfit gewählt, ein Hemd unter einem schlichten Pullover, dazu eine Jeans und eine einfache Winterjacke, mehr wäre übertrieben und würde nach Verkleidung schreien. Aber so wollte er natürlich nicht auf Kisames Party, also musste noch ein modisches Exemplar mit. Umziehen könnte er sich bei Kisame, das hatte er schon oft so gemacht.
Die letzte Ecke war umrundet, nun musste er nur noch die Hausnummer finden. Die Wohngegend hier war gehoben und die Häuser groß. Kisames Familie wohnte noch in einem der kleineren Exemplare und das war Deidara anfangs schon wie ein Schloss vorgekommen. Als das Haus seines besten Freundes schon in Sichtweite war, fand Deidara endlich die richtige Hausnummer. Geschützt von der sorgfältig gestutzten Hecke und einigen hohen Bäumen, konnte man nur durch das schmiedeeiserne Tor einen Blick auf das Haus werfen, das am Ende einer lächerlich langen Einfahrt stand. Deidara blieb vor dem Tor stehen und starrte das Haus an. Obwohl er regelmäßig nur ein paar Meter weiter zu Besuch war, hatte er dieses Anwesen bislang nie bemerkt. Gut, hier gab es natürlich auch viele andere schöne Häuser, die nicht so versteckt waren und es lag so oder so nicht in seiner Natur fremde Häuser anzugaffen. Er war kein Experte für Architektur, aber er vermutete, das dies nicht mehr nur als Haus galt, sondern schon in die Kategorie Villa fiel.
Deidara untersuchte den Bereich um das Tor. Mit derartigen Bauten, hatte er noch nie zu tun, aber in amerikanischen Filmen war bei solchen Häusern die Klingel immer schon am Tor. Es war zwar nicht seine Art, sich auf derart unzuverlässige Quellen zu berufen, aber er wollte auch nicht von einer Meute Wachhunde zerfleischst werden oder gleich am ersten Tag von den Eltern als unmanierlicher Pöbel wahrgenommen werden. Eine Klingel konnte er nirgends finden, auch keinen Briefkasten oder sonstige Knöpfe. Auf Hollywood war wirklich kein Verlass. Während er noch darüber nachdachte, ob er einfach durch das Tor gehen könnte, ging dieses begleitet von einem elektrischen Surren auf. Deidara fielen umgehend mehrere Hollywood Referenzen zu diesem Auftakt ein und erschreckend viele davon kamen aus dem Horror-Genre. In seinem Kopf hallte Kisames Stimme, die immer wieder rief „Psychokind“. Deidara schüttelte den Kopf um die Gedanken los zu werden. Er sollte weniger fernsehen und aufhören so einen Quatsch zu denken. Er würde jetzt da rein gehen, es schön warm haben, ruhig bleiben, während er sich mit dem Problemkind rumschlug und um ein paar Euro reicher wieder gehen.
Wieder gefestigt ging er los. An der Tür wartete bereits der punkige Mittelstufler, den er gestern auf dem Parkplatz bemerkt hatte. Trotz Eis und Schnee trug er tatsächlich ein knappes, ärmelloses, schwarzes Hemd zu ungesund eng aussehenden Röhrenjeans und lehnte in einer lässigen „Scheiß-Egal“-Haltung am Türrahmen. Deidara wurde von oben bist unten gemustert, bevor der Junge ohne eine Begrüßung seine Einschätzung kund tat: „Auf dem Schulhof siehst du cooler aus.“ Innerlich grummelte Deidara, er war hier als Nachhilfelehrer und nicht als Model engagiert, außerdem war ihm vollkommen klar, dass er so nicht übermäßig cool aussah. „Auf dem Schulhof, muss ich auch keine besorgten Eltern überzeugen, dass ich ein guter Umgang bin“, konterte er. Der Kleine legte ein dezentes Lächeln auf, bei dem es Deidara eiskalt den Rücken runter lief. Hinter diesem Lächeln steckte ein Plan, von dem er nur hoffen konnte, dass er lediglich eine Randfigur darstellte. „Mach dir keine Sorgen, mein Vater arbeitet auch an den Wochenenden und Mutter ist auf irgendeiner Sitzung, wie immer“, erklärte Sasuke und winkte seinen neuen Lehrer rein. Deidara wunderte sich, dass er zuerst auf den Teil mit der Coolness angesprungen war. Der Junge wusste wer er war, wie er auf dem Schulhof aussah und weiß Gott was noch, obgleich Deidara von seiner Existenz nie Notiz genommen hatte. Er hatte nie darüber nachgedacht, ob oder wie er von Schülern, die er nicht kannte wahrgenommen würde. Wahrscheinlich hatte einfach einer seiner Klassenkameraden mal von seinem Nachhilfelehrer gesprochen, aus der aktuellen zehnten Klasse, hatte er schon ein paar unterrichtet.
Deidara folgte seinem neuen Schüler die Treppe rauf und versuchte nicht zu offensichtlich die Einrichtung zu begaffen. Die kleine Eingangshalle, war zwar nichts gegen die Luxusdomizile, die schon mal im Fernsehen gezeigt wurden, aber definitiv eine gediegene Variante. Die geschwungene Treppe führte auch tatsächlich in einen Flur, der zum Teil offen war und Blick auf die kleine Halle bot.
Ein paar Türen von dem Aussichtspunkt entfernt, offenbarte sich ihm auch gleich in eine Punk-Gedenkstätte, tapeziert mit gerahmten Postern von halb bekleideten Punk und Rock Legenden, was er als Zeichen nahm, dass sie das Zimmer seines neuen Schülers erreicht hatten. Als er durch die Tür trat, war ihm als würde er vor eine unsichtbare Wand laufen. Er hatte sich ja den ganzen Weg über auf die mollige Wärme einer beheizten Behausung gefreut, aber das hier kam eher einer Sauna, als einem Jugendzimmer gleich. Jetzt war ihm auch klar, wie der Junge bei dem Wetter in derart knappen Klamotten rumlaufen konnte.
Immerhin gab es einen großen Schreibtisch an dem man gut zu zweit arbeiten könnte, wäre er nicht überfüllt mit allem möglichen Krimskrams, der prinzipiell absolut nichts auf einem Schreibtisch zu suchen hat. Das Model in Deidaras Zimmer war etwas kleiner, wenn auch vor allem aus Platzmangel, dennoch war dort mehr Platz zum Arbeiten. Sasuke schien seine Gedanken zu erraten und stopfte leicht mürrisch wahllos Gegenstände vom Schreibtisch in eine Dekotruhe, die er nach kurzem Zögern nicht auf den Schreibtisch, sondern daneben stellte. So war es brav, der Junge würde vielleicht doch nur halb so schwierig wie erwartet.
Deidara öffnete seinen Rucksack und räumte ein paar Schreibutelsielien ordentlich auf den Tisch. „Welche Fächer bereiten dir denn besondere Probleme?“ Sasuke ließ sich eher ungraziös in einen der beiden Schreibtischstühle fallen und machte ein nachdenkliches Gesicht. „Du würdest wohl behaupten alle.“ Innerlich seufzte Deidara auf, eigentlich hatte er damit gerechnet.
Nach einer ernüchternden Bestandsaufnahme von Sasukes Leistungen, hatte man sich darauf geeinigt, sich auf die Hauptfächer zu konzentrieren und ein mal die Woche eine Stunde für Nebenfächer einzuräumen. Für den heutigen Tag konzentrierten sie sich auf Mathematik, aber der Schwarzhaarige hatte sich unter Protest dazu überreden lassen, seine Filme und Serien von nun an mit englischer Tonspur, ohne Untertitel zu gucken. Das würde zwar nicht gleich gute Noten bringen, aber das Grundverständnis der Sprache fördern. Nach einer Stunde in der Welt der Formeln, in der Deidara klar geworden war, dass Sasukes schlechte Noten tatsächlich nur in der Weigerung zu lernen oder sich sonst am Unterricht zu beteiligen, begründet lagen, klebte sein weißes Hemd unter dem Pullover förmlich an seiner Haut. Es war eindeutig viel zu warm in dem Raum. Selbst nachdem er die obersten Knöpfe seines Hemds geöffnet hatte, konnte er keinen wirklichen Unterschied spüren. Er gab sich wirklich Mühe und der Nachhilfeunterricht lief entgegen der Psychokindprognosen erstaunlich harmonisch ab, aber bei dieser Hitze fiel es schwer zu denken.
Deidara murmelte ein „Ich hoffe es stört dich nicht“ und zog den Pullover über den Kopf. Eigentlich sollte er sich eine derartige Blöße nicht geben, aber diese Hitze hielt man einfach nicht aus. „Nein, ist wirklich etwas warm hier“, antwortete Sasuke mit einem deutlichen Schmunzeln. Der kleine Problemfall hatte wohl eine etwas schräge Vorstellung von Wärme. In diesem Raum war es nicht etwas warm, sondern richtig heiß. Aber da Deidara hier zu Gast war und die ruhige Atmosphäre, die bei diesem Jungen sicher stimmungsabhängig war, nicht gefährden wollte, quittierte er das nur mit einem gequälten Lächeln. Sasukes Lächeln bekam eine schwer interpretierbare Note, als er leise aber deutlich hinzufügte: „Es stört mich auch nicht, wenn du das Hemd auch ausziehst.“ Deidara schaute sein Gegenüber entgeistert an, der wie um seine Aussage zu unterstreichen nun sein Hemd zu Boden gleiten ließ, ohne dabei seinen Nachhilfelehrer aus den Augen zu lassen.
In Deidaras Gedanken fügten sich verschiedene Verhaltensauffälligkeiten seines Gegenübers neu zusammen. Die Weigerung Nachhilfe zu nehmen, bis gesagt wurde, dass er der Lehrer sein würde, gesellte sich zu dem knappen Outfit, der Begutachtung seines Auftretens und der ungewöhnlichen Hitze in diesem Raum. Hatte der Junge nicht auch extra erwähnt, dass seine Eltern nicht da waren? Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Sobald dieses Missverständnis beseitigt wäre, würde der Unterricht sicher noch viel schlimmer, als Deidara es sich in seinen dunkelsten Psychokind-Fantasien ausgemalt hatte. Er würde sich von seinem Stochastikbuch verabschieden müssen und den Nachhilfeunterricht abbrechen. Dann würde man ihn vermutlich fragen, warum er zum ersten Mal einen Schüler abgelehnt hatte. Wenn er es schaffte Kisame diese Geschichte zu erzählen, könnten sie sicher gemeinsam einen Grund ausarbeiten, der für beide Seiten weniger peinlich ist. Aber ganz sicher war er sich nicht, ob er es schaffen würde selbst seinem besten Freund davon zu berichten. Er konnte Kisames Lachen fast hören und das würde ihm sicher nicht helfen über so was zu reden. Er konnte es ja selbst in Gedanken nur als „so was“ umschreiben.
In diesem Moment brach Sasuke in schallendes Gelächter aus. „Du solltest mal dein Gesicht sehen, zum schießen“, brachte er mit Tränen in den Augen hervor. „'tschuldige die Vorlage musste ich einfach nutzen. Das Heizventil hier ist einfach kaputt. Ich hol mal was kaltes zu Trinken, bei der Hitze kann man ja kaum arbeiten.“ Damit verschwand er immer noch lachend aus dem Raum. Deidara starrte ihm nur hinterher. Wäre er nicht der Leidtragende dieses Scherzes und darauf angewiesen sich ein gewisses Maß an Autorität als Nachhilfelehrer zu wahren, wäre er vielleicht sogar gewillt den Witz lustig zu finden. Hektisch versuchte er seine Gedanken zu ordnen, die den Scherz noch nicht erkannt hatten und weiter die Geschehnisse der letzten Stunde auf mögliche Annäherungsversuche analysierten. Der Kleine hatte ihn wirklich eiskalt erwischt. Aber wenigstens musste er jetzt niemandem davon berichten, nichtmal Kisame.
Von Unten hörte er entfernt aufgebrachte Stimmen. Es war also doch noch jemand nach Hause gekommen. Hoffentlich war es irgendein alltäglicher Ärger, den Kinder mit Sasukes Problempotential ständig hatten. Wenn gerade die Frage aufkam, warum er halbnackt Nachhilfeunterricht bekam, würde Deidara auch unter Berücksichtigung der defekten Heizung keinen guten Start mit den Eltern haben. Die Tür öffnete sich und sein äußerst gutgelaunter Schüler balancierte geschickt ein Tablett mit Wasser und Cola in den Raum, während er mit dem Fuß die Tür auch gleich wieder zuschob. Deidara lehnte sich in seinem Stuhl zurück, als Sasuke sich über ihn beugte um die Getränke auf dem Schreibtisch abzustellen. In dem Moment wurde die Tür mit Gewalt aufgerissen und ein überaus wütender Itachi blickte auf die Szene.
Kisame saß auf dem Boden seines Zimmers und langweilte sich. Vorbereitungen für die kleine Party am Abend brauchte er nicht treffen. Er hatte in weiser Voraussicht bereits am Vortag alles besorgt und ein wenig aufgeräumt, denn selbst wenn Diedara heute noch nicht rausfinden sollte, wessen Bruder er nun unterrichtet, würde er sicher direkt zum Reden vorbeikommen. Er selbst hatte schon einige der pubertären Aktionen live mitbekommen und jede Menge Schreckensgeschichten von Itachi gehört, wenn der mal wieder kurz vorm Verzweifeln stand. Von daher war er äußerst gespannt wie Deidara auf den Jungen und seine Strapazen reagieren würde. Wenn er einen ausreichenden Einblick in Sasukes Verhalten erhalten könnte, bevor er erfährt, dass es Itachis Bruder ist, würde er vielleicht auch etwas mehr Verständnis zeigen, oder wenigstens von der lächerlichen Vorstellung über Itachis perfektes, problemfreies Leben Abstand nehmen. Zudem würde es natürlich eine unheimlich interessante Geschichte geben, auch wenn er ein wenig Mitleid mit seinem Freund hatte. Wenn er geahnt hätte, dass Sasuke sich zu Nachhilfe überreden lassen würde, hätte er vielleicht sogar selbst nachgeholfen, die Beiden eher aufeinander treffen zu lassen. Itachi hatte sich ja oft genug beschwert, dass der Junge die Nachhilfelehrer nicht mal nah genug an sich ranlässt um sie zu vergraulen. Im Grunde war er überrascht, das Deidara nicht längst völlig verstört vor seiner Tür stand. Klar hielt er sein Temperament bei den Schülern im Zaum und zeigte eine Geduld, die man ihm sonst nicht zutrauen würde, aber er war schon eine doppelte Schulstunde drüben. Hatte er sich geirrt und Deidara war danach doch direkt nach Hause gegangen?
Kisame nahm sein Handy zur Hand und starrte auf das Display. Weder eine SMS noch ein entgangener Anruf wurden angezeigt. Könnte er es wagen, Deidara einfach anzurufen? Sollte er tatsächlich noch in der Nachhilfestunde sein, wolle er nicht stören, aber dann hätte Deidara sein Handy vermutlich auch stumm geschaltet. Der Entschluss einen Anruf zu starten, war gerade gefasst, als das Schicksal zuschlug und dem Telefon seinen Klingelton entlockte. Es war allerdings nicht Deidara, der ihn anrief, sondern Itachi. Das war wirklich ein seltsamer Zufall.
Kisame nahm den Anruf an und wollte sich melden, aber diese Zeit wurde ihm nicht gewährt.
„Dieses Schwein! Dieser verfluchte Dreckskerl!“
„Äh, was...“
„Bislang habe ich mich zurück gehalten, aber wenn diese Mistratte das noch einmal tut...“
Ein wütendes Schnaufen drang durch die Leitung und untermalte die offene Drohung. Kisame hatte Itachi schon lange nicht mehr so wütend erlebt. Das letzte Mal war er so ausgerastet, als er Sasuke beim Rauchen erwischt hatte. Kisame war zwar davon ausgegangen, dass Itachi nicht begeistert wäre, dass er Deidara wissentlich mit seinem Bruder in Kontakt gelassen hatte und ihn nicht einmal gewarnt hatte, aber mit einer derart heftigen Reaktion hätte nicht gerechnet. Was war schon dabei, wenn Deidara ihm Nachhilfe gab.
„Jetzt beruhig' dich mal, Itachi. Deidara weiß, was er tut, der hat echt Erfahrung. Sasuke lernt sicher was dabei.“
„Der macht das doch nur um mich zu ärgern!“
„Quatsch, Deidara wusste nicht mal, dass er dein Bruder ist.“
„Warte mal, du wusstest davon?“
Itachi wirkte als würde er am liebsten, durch den Hörer greifen, um ihn zu erwürgen. Kisame sollte ihn beruhigen, bevor Itachi einfiel, dass er nur ein paar Häuser weiter wohnte. An sich hatte er mit diesem Gespräch gerechnet. Nicht ganz so früh und deutlich weniger spannungsgeladen, aber er hatte damit gerechnet.
„Ja, habe ich. Deidara hat mir gestern von davon erzählt und dass heute das erste Treffen ist. Du weißt, dass er das Geld braucht, er wird Sasuke schon nichts schlimmes antun.“
„Wenn du gleich sagst, ich soll mich nicht über das Gestöhne wundern, das sei ganz normal, komme ich dir rüber!“
Der Junge hielt ja wirklich nichts aus. Das er überhaupt schon Zeit hatte sich über die Nachhilfe zu beschweren. Dabei hatte er sich doch selbst dazu entschieden.
„Sekunde, er nimmt meinem Bruder dafür auch noch Geld ab?“
„Natürlich, er ist doch nicht die Heilsarmee.“
In dem Moment klingelte es an der Tür. Kisame hatte eine vage Ahnung, wer sich da spontan entschieden hatte ihn zu besuchen und wollte sicher nicht, dass Deidara sich in das Gespräch einmischte. Andererseits, konnte er seinen Freund auch schlecht draußen stehen lassen.
„Warte mal, Itachi, ich muss kurz zur Tür“, sagte er hastig ins Telefon, bevor er das Gespräch auf stumm schaltete und das Handy auf den Schreibtisch legte. Er würde Deidara einfach so lange in die Küche setzen. Er hatte ihn zwar erwartet, aber prinzipiell kam er trotzdem unangekündigt und würde damit leben müssen mal etwas warten zu können. Als er Deidara in der Tür stehen sah, fiel es ihm nicht schwer eine überraschte Miene aufzusetzen. Hatte er sich mit Itachi geprügelt? Auf jeden Fall sah der Blonde ziemlich gerupft aus und stand schwer keuchend bei Minusgraden im verschwitzten, halboffenen Hemd vor seiner Tür. Die Geschichte wäre sicher spannend, wenn er nicht das beengende Gefühl hätte, dass seine beiden besten Freunde gerade ziemlich sauer auf ihn waren. Für einen kurzen Moment vergaß Kisame das offene Gespräch auf seinem Schreibtisch und brachte ein „Was ist denn mit dir passiert?“ hervor. Deidara warf ihm einen grummelnden Blick zu, der verriet, dass er vielleicht doch nicht auf ihn sauer war. „Später, kann ich vielleicht hier duschen?“ Es lag wohl an seinem schlechten Gewissen, dass er die doch eher ungewöhnliche Bitte ohne jegliche Stichelei annahm und Deidara sofort ins Bad führte. Das würde ihm auch wunderbar die Zeit zu telefonieren verschaffen.
Er stürmte wieder in sein Zimmer und hoffte, dass Itachi noch nicht aufgelegt hatte, um zu ihm rüber zu kommen. Er achtete ja sonst schon darauf die beiden nicht gleichzeitig einzuladen, aber im Moment wäre das wohl noch ungünstiger als sonst. Itachi war nach wie vor am Telefon. In der Pause schien seine Wut Verzweiflung gewichen zu sein.
„Warum tut er das und ausgerechnet mit Deidara?“
„Hey, er ist echt gut, vielleicht sogar der Beste.“
„Oh, nimmst du seine Leistungen auch in Anspruch?“, ein leicht schnippischer Ton, hatte sich in Itachis Worte geschlichen.
„Quatsch, wir sind Freunde, mir hilft er auch so.“
Stille drang durch die Leitung. Kisame hatte nie darüber nachgedacht, ob Itachi beleidigt wäre, wenn er Deidara bei schulischen Sachen um Hilfe bat. Erklären war nicht gerade seine Stärke, während Deidara einiges an Übung darin hatte.
„Hey, tut mir Leid, wenn du deswegen Beleidigt bist. Ich hätte dich wohl auch mal fragen sollen.“
„Was, nein! Schon okay, das wusste ich einfach nicht. Kein Wunder, dass du ihn nicht aufgeben willst.“
„Das ist wirklich nicht der Grund, weshalb wir befreundet sind“, gab Kisame genervt zurück. „Es ist einfach ein netter Nebeneffekt und wie gesagt, Deidara kann das echt gut.“
„So genau wollte ich es eigentlich nicht wissen.“
„Wäre es dir wirklich lieber, er würde sich jemand anderes suchen?“
„Es wäre mir lieber, er würde das gar nicht machen!“
„Ich dachte du willst, dass er endlich Nachhilfe nimmt?“
„Nein, will ich... Nachhilfe?“
„Ja, Nachhilfe. Was denn sonst?“
„Klar, Sasuke meine auch, sie hätten ja nur Mathe gelernt, aber ich sag dir eins: Ich hab es gesehen und das sah nicht nach Nachhilfe aus.“
Die Dusche hatte wirklich gut getan. Deidara stieg in seine Hose. Das verschwitzte Hemd wollte er nicht wieder anziehen, was ihn daran erinnerte, dass er es noch irgendwie schaffen musste an seine Sachen zu kommen, die in Sasukes Zimmer verblieben waren. Itachi hatte ihn einfach unter wüsten Beschimpfungen rausgeschmissen. Er war so überrumpelt von dem Wutausbruch im Speziellen und Itachis Erscheinen im Allgemeinen, dass er sich nichtmal gewehrt hatte. Und ehe er sich versah, stand er ohne Jacke im Schnee und versuchte zu begreifen, was gerade passiert war. Er hatte ja schon oft versucht seinen Rivalen aus der Fassung zu bringen, aber so hatte er ihn noch nie erlebt. Er ging in Kisames Zimmer, und ließ sich ungraziös in einen der Sitzsäcke fallen. Dann wandte er sich an Kisame, der an seinem Schreibtisch saß und ihn nachdenklich musterte: „Sasuke ist Itachis Bruder, oder?“ Kisame schien wirklich tiefsinnige Gedanken zu haben und wäre Deidara gerade nicht mit dem ein oder anderen dringenden Problem beschäftigt, würde er dem sofort auf den Grund gehen, aber jetzt musste er Prioritäten setzen.
„Ja, Sasuke ist Itachis jüngerer Bruder“, antwortete Kisame doch noch. „Wo ist deine Jacke und dein anderes Zeug?“ Auch wenn Deidara vorhatte diese Frage durchaus noch zu beantworten, wollte er seinen Prioritätenplan nicht durcheinanderbringen lassen. „Warum hast du nichts gesagt? Du hast es doch sofort gewusst, als ich dir gestern von dem neuen Schüler erzählt hab.“ Kisame wich seinem Blick aus. Deidara wusste nicht, was er davon halten sollte. Kisame war nicht perfekt und es war nicht das erste Mal, dass er eine Information des Abenteuers wegen, weggelassen hatte, aber sonst hatte er sich nie dafür geschämt, sondern mit der unglaublichen Planung sofort angegeben, sobald man ihn erwischt hatte.
„Du wusstest wirklich nicht, dass sie verwand sind, oder?“, fragte Kisame kleinlaut. Deidara hatte ein dumpfes Gefühl in der Magengegend. Die Stimmung in diesem Raum gefiel ihm nicht. Es war die Art von beklemmender Stimmung, die sich vor großen Geständnissen ausbreitete, die eine Freundschaft zerstören konnten. Er wusste, dass er ruhig und vorsichtig reagieren sollte, aber die Situation machte ihn nervös. „Wenn ich das gewusst hätte, würd' ich wohl kaum fragen“, blaffte er daher bissiger, als gewollt zurück. Kisame schien nachzudenken und plötzlich wich der betretene Ausdruck einer entschlossenen Miene. „Ich steh hinter dir“, verkündete er ernst. „Ich hätte es dir sagen sollen, wobei es ja eigentlich keinen Unterschied macht. Du lässt dich ja von Itachi eh nicht von deinem Weg abbringen und er wird sich schon irgendwann damit abfinden.“
Deidara konnte nicht anders, als seinen Kumpel vollkommen perplex anzustarren. An irgendeiner Stelle, war dieses Gespräch ohne ihn abgebogen und er wusste beim besten Willen nicht mehr worum es hier ging. Er wollte gerade nachfragen, als es an der Tür läutete. „Ich mach mal eben auf“, flötete er strahlend und rauschte auch schon aus dem Zimmer. Deidara musste gleich unbedingt in Erfahrung bringen, welches weltbewegende Problem sie gelöst hatten, das bei seinem Freund eine derartige Erleichterung auslöste.
Kaum zwei Minuten später kam Kisame mit einem sich neugierig umsehenden Sasuke im Schlepptau wieder ins Zimmer. Mit einem schiefen Grinsen blieb der Blick des Jüngesten an Deidaras freiem Oberkörper hängen. „Ich denke, ich hab hier was, das du sehnlich vermisst hast“, verkündete er und hielt Deidaras ordentlich gepackten Rucksack hoch. „Ah Danke, ich war schon am überlegen, wie ich den wiederbekomme“, scherzte Deidara. „Das nächste Mal sollte ich wohl aufpassen, dass mein Bruder nicht da ist“, schlug Sasuke mit amüsiertem Unterton vor. Deidara rollte mit den Augen. „Wäre vermutlich das Beste“, gab Deidara mit einem Lachen zurück.
In dem Moment ging erneut die Türglocke. Kisame schaute auf die Uhr und stöhnte. „Schon so spät, ich glaub die Ersten kommen“, kündigte er an. Sasuke schaute auch kurz auf die Uhr und verabschiedete sich. Kisame brachte ihn zur Tür und kam mit Konan wieder. Nachdem Konans tadelnder Blick Deidaras Brust gestreift hate, machte er sich auch endlich daran, seinen Pullover aus dem Rucksack zu kramen. Ihr Gespräch müssten sie wohl verschieben.