Zum Inhalt der Seite

Valeria

Dämonensklavin
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Valeria - Dämonensklavin ist eine Zusammenarbeit von Azahra und abgemeldet. Unter dem Namen Azaera wollen wir unsere gemeinsame Geschichte hier neu veröffentlichen. Wir hoffen, ihr habt alle sehr viel Spaß beim Lesen ♥ Für Kritik und Verbesserungsvorschläge sind wir immer offen :3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Kapitel 2 geht in die nächste Runde ♥ Wir wünschen viel Spaß beim Lesen :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Kapitel 3 geht in die nächste Runde! Viel Spaß beim Lesen ♥ Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Es geht weiter :) Wir wünschen allen unseren Lesern viel Spaß bei den nächsten Kapitel ♥ Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ui, Gestern vergessen das Kapitel hochzuladen >____< Tut mir leid an alle unsere Leser oÔ Jedenfalls geht es weiter :) In vier Tagen wird ein komplett neues Kapitel hochgeladen, also vielleicht findet ihr Spaß daran ♥

LG
Azaera Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Es geht weiter mit "Valeria - Dämonensklavin" ♥ Ein ganz neues Kapitel, welches wir mit Spaß und Liebe zusammengestellt haben :) Auf eure Meinung würden wir uns freuen ♥

LG
Azaera Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Es geht weiter ♥ Endlich bekommt Valeria ihre Einführung in die Welt der Dämonensklaven und wird von nun an so einiges erleben ;) Wir hoffen, dass ihr uns eure Meinung hinterlasst, von daher: Finger auf die Tastatur und schreibt uns ♥

LG
Azaera Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Es geht weiter ♥ Wir freuen uns euch das neuste Kapitel "Der Rat" zu präsentieren ♥ Viel Spaß beim Lesen :3

LG
Azaera Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Viel Spaß beim Lesen ♥ So langsam wird es interessant hier und die Geschichte kommt auch voran ;) Wer mag, hinterlässt uns ein Kommi :)

LG
Azaera Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, dieses Mal ohne Vorschauf auf das nächste Kapitel, weils noch in Bearbeitung ist. Wir hoffen dennoch, euch gefällt dieses Kapitel ♥

LG
Azaera Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Nachdem letzte Woche krankheitsbedingt kein Kapitel erschienen ist, geht es jetzt endlich weiter ♥ Viel Spaß beim Lesen von 'Das wahre Gesicht des Feindes'

LG
Azaera Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Verbannt!

Mit festen Schritten ging Valeria den fensterlosen Gang entlang. An den Wänden hingen Fakeln, die den Weg nur schwach beleuchteten. In diesem Licht schimmerten weiße Flügel hervor, die am Körper angelegt waren und über den Kopf der blonden Frau ragten. Ihr langes Haar war mit weißen Federn geschmückt und ihre pupillenlosen weißen Augen wirkten voller Stolz. Um ihre Stirn lag ein goldener Reif, in dem eine weiße Feder eingefasst war. Die erste Feder, die sie als Kind verloren hatte. Dazu trug Valeria ein schmuckloses, schlichtes, graues Kleid - die Kleidung einer Verräterin.

Vor ein paar Tagen wurde im Reich der Engel ein schweres Verbrechen begangen: Valeria hatte mit verbotener, dunkler Magie jemand ihresgleichen angegriffen und beinahe getötet.

Die Engelsdame atmete tief durch, als die Tür am Ende des Ganges immer näher kam und jemand sie schon dort erwartete. Die geflügelte Frau blickte Valeria abstoßend an, als diese den Zugang zum Gerichtssaal erreichte. Sie überragte die Verräterin um mindestens zwei Köpfe und die Haut der älteren Dame war dunkel und faltig, doch ihr Gesicht wirkte durch ihre außergewöhnlichen strahlendblauen Augen jung. Das Kleid, welches aus den kostbaren goldenen Federn des Aetós, dem königlichen Adler, angefertig wurde, verriet ihren gesellschaftlichen Stand.

„Ich bin sehr enttäuscht von dir, Valeria“, tadelte die Engelsfrau sie und rümpfte die Nase.

Valeria blickte auf den Boden und gab ihrem Gegenüber den Eindruck, als würde sie das, was geschehen war, bereuen. Doch innerlich wusste sie, dass das überhaupt nicht der Fall war. Sie hatte in dem Augenblick, in dem sie die schwarze Magie angewandt hat, reine Genugtuung verspürt.

„Susanne...“, fing sie an, doch die Dunkelhäutige sah den schmächtigen und jungen Engel nur noch strenger an.

„Du wirst diesen Fehler nie wieder gut machen können“, fügte Susanne hinzu. Dann drehte sie ihr den Rücken zu und öffnete die schwere Tür, hinter der über Valerias Schicksal entschieden wurde. Mit erhobenem Haupt schritt die Angeklagte durch die Halle, in denen die Statuen der heiligen Engel Michael, Gabriel und Raphael standen. Valeria unterdrückte ein Grinsen. Ihre Heiligkeit hat sie auch nicht vor dem endgültigen Tod bewahrt, dachte sie zynisch und wandte ihren Kopf wieder nach vorne. Vor ihr stand ein riesiges Pult, an dem drei Engel saßen. Susanne, ihre Meisterin im Umgang mit Magie, hatte auf dem linken Stuhl Platz genommen. Auf dem rechten Stuhl saß ein Mann mit kurzgelockten goldenen Haaren, dessen Augen genauso irislos weiß waren wie die von Valeria. Hierbei handelte es sich um Eno, ihrem Vater, der den Spitznamen das Schwert trug. In der Mitte, zwischen den beiden, saß Seraphin. Der König der Engel und der höchste Richter des Himmels. Sein schulterlanges, weißes Haar war dünn und gut gepflegt. Seine grünen Augen waren von tiefen Falten umgeben und verrieten sein hohes Alter. Die Federn an seinem Rücken wirkten, im Gegensatz zu seinem gepflegten Aussehen, verrupft und schwach. Das Fliegen war dem König schon lange nicht mehr möglich. Als Richter trug er auch die offizielle Robe, bestehend aus den Schwanenfedern des Kyknos.

„Du weißt, warum du hier bist, Valeria“, sprach Seraphin langsam zu ihr. Seine Stimme war tief und erhaben. Valeria, die darauf verzichtete sich zu verbeugen, nickte nur knapp.

„Wie lautet deine Verteidigung?“, fragte Seraphin sie weiter, als Valeria ihm nicht antwortete.

„Er hat mich provoziert“, erwiderte sie schließlich und verschränkte die Arme vor der Brust.

Ihr Vater sog hörbar die Luft ein. „Valeria!“

„So. Henry hat dich also provoziert. Und warum greifst du ihn dann mit dunkler Magie an?“, stocherte er weiter.

Susanne meldete sich zu Wort: „Wenn ich Einspruch erheben darf: Ich habe ihr niemals Zauber dieser Art beigebracht!“

Typisch Susanne! Sie kneift den Schwanz ein, wenn es brenzlig wird, dachte sich Valeria und lächelte leicht.

Seraphin ignorierte ihre Bemerkung und fuhr fort: „Nun sag schon Valeria, warum hast du das getan?“

Die junge Engelsfrau atmete einmal tief durch, bevor sie antwortete: „Henry ist ein Idiot! Seit mehr als dreißig Jahren versucht er mir den Hof zu machen und jedes Mal lehne ich es erneut ab. Und vor ein paar Tagen hat er den Bogen überspannt, als er mich vor dem Rat gefragt hat, ob ich ihn heiraten werde. Dadurch habe ich endgültig die Fassung verloren und haben ihn, nun ja, wie soll ich sagen? Ein wenig angegriffen?“ Unschuldig zuckte die Blonde mit den Schultern. In ihren Augen war nichts verkehrt daran gewesen sich zu wehren. Auch, wenn sie wusste, dass das Benutzen von schwarzer Magie zum höchsten Verbot gehörte.

Seraphin zog leicht die Augenbrauen hoch. „Ein wenig angegriffen? Valeria, du hast ihm seine Flügel verbrannt! Und sein Gesicht! Und das mit verbotener, schwarzer Magie! Er wird niemals wieder ein richtiger Engel sein können! Geschweige denn ein Mann! Weißt du wie schlimm das für ihn sein muss?“ Den letzten Satz schrie er ihr wütend entgegen. Valeria hingegen zuckte nur mit den Schultern.

„Er ist selbst Schuld!“

„Valeria“, sprach ihr Vater nun sanft. Er sah sie aus wässerigen Augen an. „Wenn du etwas Reue zeigst, dann wird deine Bestrafung nicht so schwer ausfallen!“

Die Blondhaarige hingegen grinste nur breit. „Nein. Das sehe ich nicht ein.“ Sie wandte sich nun wieder Seraphin zu. „Ich stehe zu meiner Tat. Und ich weiß, dass die Verbannung auf solche steht. Ich bin bereit sie auf mich zunehmen.“

„Valeria! Nein! Meister Seraphin, sie meint das nicht so!“, erwiderte ihr Vater sofort und sah den höchsten Engel flehend an. „Bestraft mich an ihrer Stelle dafür!“

Seraphin hob die rechte Hand. „Valeria ist alt genug um selbst zu entscheiden was sie will. Wenn sie sich die Verbannung wünscht, anstatt uns Reue zu zeigen,  dann werde ich sie ihr gewähren.“

Eno wollte erneut für seine Tochter Partei ergreifen, doch Seraphin hatte seine Entscheidung schon getroffen. Er schnippte mit den Fingern und Valeria trat einige Schritte zurück, als sich vor ihr ein magischer Kreis aus weißem Feuer ausbreitete.

„Trete in den Kreis, Valeria.“

Sie nickte und folgte seinen Anweisungen. Vorerst waren die Flammen kalt, doch sie wusste, dass sich dies bald änderte.  Kaum stand Valeria in der Mitte des Kreises, wuchsen die Flammen empor und schlossen sie ein.  Sie wurden immer heißer und die junge Engelsfrau spürte nach und nach ihre wahre Hitze, die sich um ihren Körper wandten. Sie biss die Zähne zusammen. Sie würde nicht weinen und auch nicht nach Leibeskräften schreien, auch wenn die Schmerzen unerträglich waren. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie ihre Flügel brannten und wie die schneeweißen Federn nach und nach schwärzer wurden und zu Asche wurden. Sie stöhnte kurz auf vor Schmerzen, als die weißen Flammen nun das Fleisch an ihrem Körper berührten. Doch sie blieb standhaft und starrte in Seraphins Augen. Ein schwaches Lächeln streifte ihre Lippen. Tränen versuchten sich einen Weg an die Oberfläche zu bannen, die sie mit ihrem Willen zurückhalten konnte. Ihre Sicht verschwamm, als sie die weiteren Worte des Königs vernahm.

„Ich, Seraphin, der Herrscher des Himmels und höchster Richter, verurteile dich Valeria, Tochter von Enos, genannt das Schwert, zu einem gefallenen Engel und verbanne dich somit aus dem Himmelsreich!“

Die Flammen wuchsen höher und legten sich nun komplett über Valeria. Sie sah kurz zu ihrem Vater. In seinen Augen spiegelten sich Tränen und er schüttelte den Kopf. Dann senkte Valeria ihr Haupt und sprach leise: „Ich nehme die Verbannung an!“

Plötzlich wurde alles um Valeria herum dunkel und dann sank sie in einen tiefen Schlaf.

Das Mal der Sklaven

Die Dämonenwelt. Bevölkert von unzähligen niederen und mächtigen Wesen, die eine dunkle Seite in sich tragen. In dieser Welt lebte auch Neal, ein Dämonenmeister höheren Ranges. Im Schloss der Dämonenkönigin Lilith lebend, befand er sich in seinem kleinen, jedoch prächtigen Zimmer, welches mit Büchern vollgestopft war und nur Chaos mit sich trug. Ein kleiner Spiegel, nicht größer als eines seiner unzähligen Bücher, hing an der Wand und leuchtete. Die Neumondnacht war eingebrochen und wie jeden Monat stand der Dämonenmeister vor diesem und betrachtete sein Spiegelbild. In der Sprache der Dämonen flüsterte er ihm etwas zu und Neals Spiegelbild verschwand. Nun konnte er die Welt der Menschen beobachten. An jeder Neumondsnacht stand er vor seinem kostbaren Schatz, die Erde beobachtend. Schon seit Jahren suchte er nach einem Sklaven, einem Geschöpf, welches ihm stets treu zu Diensten stehen musste. Nur mit einem anderen Wesen an seiner Seite, ob es sich hierbei um einen Vampir, Menschen oder sonst irgendwelche Rasse handelte, konnte er die Stärke seiner dunklen Magie verstärken. Dies war nötig, um der König der Unterwelt zu werden, dieser Tag jedoch war noch meilenweit entfernt.

Wie immer durchforstete er die Menschenwelt nach einem perfekten Partner. Viele Menschen hatten zwar eine dunkle Seite, doch war sie so verkümmert, dass sie es nicht wert waren. Niemand schien ihn zu interessieren. Selbst die Nachtgeschöpfe, die neben den Dämonen, zu einer der stärksten Rassen gehörten, fand er nur langweilig und seiner nicht würdig. Wie denn auch, seine Meisterin Lilith würde das auch nie akzeptieren. Eigentlich scherte es ihn einen Dreck, was sie dachte. Nach all den Jahren der Versklavung hatte sie ihm die Freiheit geschenkt. Eine Geste, die nur selten unter Dämonen vorzufinden war. Sie hatte ihm den Thron versprochen, doch solange sie lebte, würde er nur an ihrer Seite stehen, als Dämonenmeister, der die ganze Armee befehligte. Es war zwar ein angenehmer Job, doch wenn er ehrlich war, langweilte ihn dieser auch. Es gab kaum etwas, was sein Interesse wecken konnte. Er dachte an die Ermahnung seiner Meisterin, er solle sich einen Dämon als Sklaven aussuchen. Er musste lachen. Er, der nur eine Mischung zwischen Mensch und Dämon war, wurde zu ihrem Sklaven und sie wollte, dass er sich einen Dämon aussuchte? Warum wohl? Das hatte er bis Heute noch nicht begriffen.

Plötzlich blieb Neals Aufmerksamkeit am Spiegel haften, der gerade Italien zeigte. Eine heftige Reaktion dunkler Magie zeigte ihm an, dass da irgendwer war, der seiner würdig sein könnte. Mit weiteren Wörtern in der Dämonensprache ortete er das Wesen, welches für einen kurzen Augenblick sein Interesse festhielt. Ihm blieb die Sprache weg, als er sah, um was es sich für ein Wesen handelte. Dort, am Boden liegend, mitten in einer dunklen Gasse in Rom, wo sich keine Menschenseele weit und breit befand, lag eine junge Frau. Ihre graues Kleid wies zwei Löcher am Rücken auf. Ein gefallener Engel. Das war genau das, was er suchte. Etwas exquisites, etwas, was noch niemand gesehen hatte. Obwohl Engel und Dämonen sich schon seit Anbeginn der Entstehung der Welt im Krieg gegenüberstanden, befand Neal, dass dieses zarte Wesen genau das Richtige für ihn war. Sie strömte so viel dunkle Magie aus, dass es ihm eine Gänsehaut einbrachte. Weniger als ein Dämon aber mehr als ein Mensch. Und zuviel für einen ehemaligen Engel. Entschlossen fuhr er mit der Hand über die glatte Oberfläche seiner Kostbarkeit. Wo vorher noch die Erde zu sehen war, konnte man nur noch Neal erkennen. Das Mal der Sklaven prangte in seinem Gesicht. Am Hals von Lilith gebissen worden, hatte es angefangen sich dort zu bilden, schlängelte sich seinen Hals hinauf und hinterließ ein hübsches Muster auf der rechten Gesichtshälfte. Jeder, der ihn erkannte, zollte ihm Respekt. Es war gut zu wissen, dass man sich so von den anderen Dämonen unterscheidete, die gerne die Gestalt der Menschen annahmen, um unbekümmert ein Leben auf der Erde zu verbringen. Er lächelte sein Ebenbild an und richtete sich seine zersausten, schwarzen Haare zurecht. Sein langer, dünner Pferdschwanz hing im elegant die Schultern hinunter und er befand, dass, wenn er König wurde, er ihn ablegen konnte. Vielleicht auch ein Bart, um noch unheimlicher zu wirken. Er schüttelte den Kopf. Er musste jetzt bis zum Portal schleichen. Ohne die Erlaubnis der Königin, durfte eigentlich niemand es benutzen. Schon gar nicht zwei Stunden vor seiner Schließung. Bewacht wurde es nicht, denn jeder, der Lilith auch nur annähernd kannte, wusste, wie grausam sie sein konnte. Aber das kümmerte Neal nicht sonderlich.

 

Das Portal befand sich auf einem dunklen Hügel hinter dem Schloss. In der Dämonenwelt herrschte stetig die Nacht, gemischt mit dem roten Schimmer der Feuergrenzen. Sie trennten seine Welt von der Menschenwelt. Und nur das Portal war die einzige Verbindung. Als Neal es endlich erreichte, hämmerte sein Herz lautstark gegen seine Brust. Es juckte ihn in den Fingern, denn er konnte es nicht erwarten, sie zu seiner Sklavin zu machen. Vor der leuchtenden Scheibe blieb er stehen. Er stellte sich den Ort vor, wo sich dieser gefallene Engel befand. Aber er wusste, dass das Portal nie den genauen Standpunkt anvisierte. Es blieb gerne im Verborgenen, wo die Menschen sich nicht herantrauten. Ungeduldig kletterte er durch die magische Tür und binnen wenigen Sekunden befand er sich dort, wo er hinwollte. In Rom. Jetzt musste er nur noch rasch das Mädchen finden, sie zu seiner Sklavin machen und verschwinden.

Nach einer Weile fand er sie auch. Er befand sich am Eingang einer dunklen Gasse, wo die Blonde hinter zwei großen Mülltonen lag. Sie war noch immer bewusstlos und niemand hatte ihre Präsenz gespürt. Die Menschen waren bekannt dafür ihre Umgebung zu ignorieren. Und wahrscheinlich hatten sie, sie einfach übersehen. Behutsam drehte er sie auf den Rücken und begutachtete ihr Gesicht. Es war sehr fein geschnitten und die Haut war reiner als pures Wasser. Sie sah gut aus und würde sich gut an seiner Seite machen. Grinsend stellte er sich schon vor, was sie alles erreichen konnten. Doch im gleichen Moment, indem er an seinen Ruhm dachte, öffnete sie ihre Augen. Weiß und pupillenlos waren sie und konnten einem Angst einjagen. Aber er war nicht der Typ, der vor solchen Kleinigkeiten den Schwanz einzog.

Erschrocken richtete sich die junge Frau auf und sah ihn entgeistert an. In der dunklen Gasse konnte ein Mensch nicht viel sehen, aber Neal, ausgestattet mir der besonderen Fähigkeit auch des Nachts wunderbar sehen zu können, konnte erkennen, wie verwirrt die junge Frau war. Sie krümmte ihren Rücken und schrie vor Schmerz. Flügel, die einem verbrannt wurden und wahrscheinlich nie wieder nachwachsen würden, schmerzten noch jahrelang, wenn man die wunden Stellen nicht gleich behandelte. Zumindest stand das so in seinen Büchern.

„Wer bist du?“, zischte die junge Frau aggressiv und fixierte ihn an. Es amüsierte Neal und er lächelte sie freundlich an, etwas, was er immer tat.

„Ich bin dein Retter. Der Dämonenmeister, Neal“, gab er galant zurück und verbeugte sich höflich vor ihr.

„Ich brauche keinen Retter. Sag mir nur, wo ich bin, ich komm schon alleine zurecht.“

„Wirklich nicht?“, fragte Neal sie und näherte sich ihr. Sie wich vor ihm zurück, solange, bis sie gegen eine Mauer stieß und nicht mehr weiterkonnte. Er packte sie am Arm und schmeichelte ihr weiter.

„Ich sehe du bist aber ganz verloren hier, wie ist dein Name, du hübsches Wesen?“

Wütend wirkte ihr Gesicht noch schöner, aber weniger unschuldiger. Die Entschlossenheit gefiel ihm und je mehr sie ihre wahren Seiten zeigte, umso mehr wollte er sie in seinem Besitz haben. Doch seine Gedanken wurden mit einem Schlag ins Gesicht unterbrochen.

„Ich bin Valeria, du Arschloch! Hör auf mich anzumachen, das kann ich keinen Deut ab!“

Neal rieb an seiner Wange und sah sie verwundert an. Sie hatte definitiv ihren eigenen Willen. Den würde er aber brechen, dessen war er sich sicher. Als Valeria sich zum gehen wandte, hielt er sie abermals am Arm fest. Sie holte wieder für einen Schlag aus, doch er fing ihn ohne zu zögern und mit Leichtigkeit auf.

„Ich werde dich jetzt zu meiner Sklavin machen“, grinste er und zerdrückte ihr die Faust, mit der sie ihn treffen wollte. Sie stöhnte vor Schmerz kurz auf, gab ihm aber keine Chance ihm gegenüber wehrlos zu wirken.

„Vergiss es, du Möchtegerndämon! Lass mich in Ruhe!“ Neal passte für einen ganz kurzen Moment nicht auf, was Valeria ausnutzte. Sie wehrte sich und ergriff rasch die Flucht. Er rannte ihr hinterher. Sie erreichten eine Brücke unter der sich ein Fluss befand. Noch bevor Valeria die Entscheidung treffen konnte hineinzuspringen und so zu entkommen, warf er sich auf sie und hielt sie fest. Mit einem Grinsen fuhr er seine spitzen Beißerchen aus.

„Und bitte verwechsele mich nicht mit einem Vampir!“, meinte Neal theatralisch und biss ihr in ihren Oberschenkel. Sie schrie vor Schmerzen auf und versuchte sich zu wehren, doch er war stärker als sie. Sie hatte nicht die geringste Chance gegen ihn. Er ließ sein Serum in ihr Bein fließen, was sie krampfen ließ. Unter einem lauten Schrei hatte sie keine bessere Stelle als sein Haar gefunden, um sich festzuhalten. Sowohl er, als auch sie mussten für kurze Zeit Schmerzen erleiden, aber als die Prozedur vorüber war, ließ er von ihr los. Auf der gebissenen Stelle bildete sich ein Mal, welches dem von Neal glich.

„Ab jetzt bist du mein und jeder Befehl, den ich dir gebe, wirst du ausführen müssen.“ Stolz auf seine erste Sklavin erhob er seine Brust.

„Glaubst du, dass ich dir gehorchen werde?“, fragte Valeria bissig und richtete sich mit wackeligen Beinen auf.

„Und ob du das tun wirst, meine Liebe. Wenn ich dir jetzt sage, dass du die Klappe halten sollst, dann machst du es. Ist ganz einfach, oder? Ich gebe dir einen Befehl und du führst ihn aus.“

„Ach, ja? Ich bin stärker als deine dumme, dunkle und hinterhältige Magie!“ Stöhnend stemmte sie ihre Hände an ihre Hüften. Die Ereignisse der letzten Stunden hatten sie ganz schön mitgenommen. Nicht nur ihr Rücken schmerzte, sondern auch noch ihr Bein. Doch dies hielt sie nicht davon ab sich nicht vor ihm zu verbeugen. Sie verbeugte sich vor niemandem.

„Die Art von Magie, die du seltsamerweise in Übermaß in dir hast. Und jetzt halt die Klappe! Wir müssen zum Portal, bevor es schließt!“

„Wirklich? Was glaubst du – Aah, verdammt!“ Valeria hielt sich ihr Bein und fiel wieder zu Boden.

„Was hast – Aah!“  Sie brachte es nicht fertig überhaupt noch etwas zu sagen. Die Schmerzen, die sie spürte, waren noch schlimmer als die ihrer verbrannten Flügel.

„Ich hatte dich gewarnt, Schätzchen. So und jetzt komm mit!“ Neal ging voraus und schleifte die schmerzerfüllte Valeria mit sich. Als sie die Stelle erreicht hatten, wo sich das Portal befinden sollte, fing der Dämonenmeister an zu fluchen. Das Portal hatte sich schon mittlerweile geschlossen. Die zwei Stunden waren schon vorbei. Hatte er wirklich so lange gebraucht? Er sah zum Himmel hinauf. Die Sonne bannte sich einen Weg nach oben und tauchte schon einzelne Landschaftsspitzen in einen goldenen Ton. Fluchend schlug er die Hand in die Mauer, die sich dummerweise neben ihm befand. Jetzt  mussten sie einen gottverdammten Monat auf das Portal warten. Und Lilith würde ihm dann erst Recht den Kopf abreißen.

 

Dämonenbar

Valeria hörte das klappernde Geschirr und die lauten, lallenden Rufe trotzdem durch die dicke Holztür. In ihrer Pause saß sie in einem kleinen Nebenraum auf einer leeren Holzkiste, in dem Bier, Dämonengesöff und Snacks verstaut wurden.  Genervt seufzte sie und strich sich mit der rechten Hand durch ihr blondes Haar. Ihre weißen, irislosen Augen starrten stur auf einen grauen Fleck an der Wand.

Wie konnte es nur so weit kommen?, dachte sie niedergeschlagen und fuhr über die Stelle an ihrem Bein, wo Neal ihr das Sklavenmal verpasst hatte. Sie  brannte und juckte noch immer höllisch, doch der Dämon hatte ihr verboten das Mal auch nur mit einer Feder zu streicheln. Wie Valeria ihn verachtete!

Solange er nicht in meiner Nähe ist, mache ich was ich will, dachte sie verärgert und zerknitterte den kurzen Minirock ihrer Uniform, die man ihr gegeben hatte. Seit fast drei Wochen musste sie sich tagtäglich mit ihm abgeben und das Schlimmste an der Sache war ja noch, dass er sie gezwungen hatte, in der Bar eines anderen Dämons zu arbeiten. Inmitten der Menschenwelt, in einer Uniform, die mehr entblößte als bedeckte. Ihr Dekolté war ein Blickfang und jedes Mal wenn sie nicht aufpasste, wie sie sich bückte sah man ihre Unterwäsche hervorblitzen. Die Dämonen waren nichts als lüsterne, stinkende Säufer, die jedes Mal versuchten sich an die Bedienung im Lokal ranzumachen und das so laut verkündeten, dass es einem peinlich war. Und jedesmal war sie kurz davor sich zu übergeben, wenn es sie erwischte. Einmal hatte ein Dämon sie sogar berührt und wollte sie nach draußen zerren, doch Neal war ihr glücklicherweise sofort zur Hilfe geeilt und hatte den Betrunkenen kurzerhand nidergestreckt. Einfach so! Und der Besitzer der Bar hatte sich nur wenig darum geschert. Und dann hatte Valeria zur Strafe die Überreste des Dämons beseitigen müssen. Glücklicherweise lag über der Bar ein Schutzzauber, der die Menschen von diesem Ort fernhielt. Niemand würde diese Art des Lebens überleben. Weder körperlich, noch seelisch. Sie würde trotzdem lieber Menschen bedienen, als Dämonen, die sich als solche ausgaben.

Ich könnte mich Ohrfeigen! Warum bin ich nicht einfach abgehauen?, dachte sie wütend und meinte damit ihre unsanfte Ankunft in Rom. Valeria hatte geahnt, dass sie nach ihrer Verbannung in dieser Stadt landen würde. Es war ein offenes Geheimnis, dass Rom, die Heilige Stadt, der Unterschlupf von vielen anderen verbannten Engeln war. Eigentlich hatte sie vorgehabt sich auf die Suche nach Ihresgleichen zu machen, doch Neal hatte ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht. Und jetzt saß sie hier fest, als seine Sklavin, die die Übernachtungskosten mit Arbeit bezahlen musste. 

Hoffentlich sieht mein Vater mich nicht, dachte sie bitter. Er würde sich noch mehr für mich schämen.

Ein unsanftes Klopfen riss sie aus ihren Gedanken.

„Hey Engelsschlampe! Deine Pause ist zu Ende!“

Valeria sah auf und sah ihren Gegenüber in der Tür wütend an. Mia, ein Succubus, stand in der Tür. Ihr langes violettschwarzes Haar hing ihr wirr ins Gesicht und ihre glühend gelben Augen durchbohrten die Blonde. Ihre Hörner, die leicht geschwungen aus ihrem Kopf traten, waren am Ansatz schwarz und an den Spitzen wurden sie rot. Wie sie, trug Mia die vorgeschriebene Uniform. Ihre prallen Brüste wurden nur spärlich bedeckt und ihren Minirock hatte sie soweit hochgezogen, dass man ein wenig von ihrem knackigen Po zu sehen bekam. Soweit Valeria von den anderen Arbeiterinnen in der Bar gehört hatte, war sie das Aushängeschild der Dämonenwelt, und gegen eine anständige Bezahlung ließ sie den einen oder anderen schon mal in ihr Bett. Außerdem lebte sie mit Neal unter einem Dach, war wegen eines Auftrags im Land der Menschen und arbeitete zufällig in einer Dämonenbar in Rom. Sie war also eine vollbeschäftige Frau.

„Na wird es bald? Oder willst du noch hundert Jahre Löcher in die Luft starren?!“, schrie Mia ihr nun entgegen und packte Valeria grob am Handgelenk. Wortlos ließ sich die Schmächtigere von ihr mitschleifen und wäre beinahe die Treppen in den Barraum runtergestolpert. 

„Pass auf deine Füße auf! Ich verstehe nicht, wie Neal sich so etwas als Sklavin aussuchen konnte!“,  schimpfte die Dämonin lautstark. Doch der gefallene Engel ignorierte sie. Mia stieß die Tür am Ende der Treppe kraftvoll auf und schubste Valeria grob hinein. 

„Neal!“, schrie sie. Valeria rollte nur mit den Augen, als die einduzend Augenpaare sie anstarrten, die in der Bar saßen und sich betranken. Ein dichter Nebel von Zigarettenqualm schwebte durch den Raum und trieb Valeria die Tränen in die Augen.

„Was ist denn jetzt schon wieder los?“, meldete sich Neal zu Wort, der aus einer Ecke des Raumes auf die beiden zukam. Seine Stiefelschritte ließen den Holzboden quietschen. Mia ließ Valeria los und sie warf der Dämonin einen giftigen Blick zu.

„Fang endlich an deiner Sklavin Respekt zu lehren, sonst tue ich es!“, prophezeite sie ihm.

Neal lächelte nur. „Mia … Ist es nicht unter deiner Würde, sich mit solchen Kreaturen abzugeben?“, fragte er sie schließlich.

Der Succubus kniff die Augen zusammen. „Neal!“, sagte sie warnend.

Der Dämonenmeister winkte ab. „Lass mich alleine mit ihr reden“, sprach er zu Mia. Mia stieß einen wütenden Laut aus, dann zog sie von dannen und ging wieder ihrer Arbeit nach.

„So … Du gehorchst ihr also nicht?“, fragte Neal sie nun herausfordernd und verschränkte die Arme vor der Brust.

Provozierend legte Valeria den Kopf schief: „Warum sollte ich dieser Hure gehorchen? Es reicht schon, dass ich einem Möchtegern Dämonenmeister gehorchen muss“, stellte sie klar.

Der Dämon lächelte immer noch. „Ich an deiner Stelle würde aufpassen, was du sagst. Du willst doch nicht, dass mir die Hand ausrutscht.“

Valeria lachte kurz auf. „Soll ich etwa Respekt vor dir haben? Du bist doch sogar zu blöd dir zu merken, wann sich ein Portal wieder schließt!“

Neals Züge entwischen. Blitzschnell legte er seine rechte Hand um den zierlichen Hals Valerias. Die Engelsfrau sah ihn erst verdutzt an, bevor sie den Mund zu einem stummen Schrei öffnete. Neals Druck auf ihren Hals war schwach, doch er sah ihre Todesangst in ihren Augen.

„Jetzt hör mir mal genau zu, Flügellose! Ich bin dein Meister, du bist mein Sklave! Du trägst ein Mal, das dich als mein Eigentum auszeichnet, das heißt also, du tust das, was ich dir sage. Und wenn du es nichts tust, wirst du bestraft“, flüsterte er ihr zu. Seine blutroten Augen durchbohrten sie und ein kaltes Lächeln umspielte seine Lippen. „Haben wir uns verstanden, Sklavin?“ Valeria wollte etwas erwidern, doch Neal verstärkte den Druck um ihren Hals. Die junge Engelsfrau brachte krächzend ein Ja hervor. Der Dämon warf sie von sich, sodass Valeria unsanft auf den dreckigen Holzboden landete.

„Und jetzt geh wieder an die Arbeit!“, sprach er erbost zu ihr. Ein letztes Mal sah er sie spöttisch an, dann wandte er ihr den Rücken zu und ging wieder auf seinen Platz zurück. Schnell stand Valeria auf und richtete ihre Kleidung. Sie sah sich um. Die Gäste blickten schnell weg, als der Engel sie ansah. Valeria schnaubte hochmütig, dann ging sie zum Tresen. Dort stand der Besitzer der Bar. Ein alter Dämon in Menschengestalt, der ein paar dreckige Gläser mit einem Handtuch polierte.

„Na, Valeria? Stress mit deinem Meister?“, fragte der Dämon sie und als er lächelte sah sie seinen fast zahnlosen Mund.

„Ja. Wie jeden Tag, Dan“, erwiderte sie und strich sich durch ihr blondes Haar. „Wie ich ihn hasse!“ Valeria mochte Dan dagegen. Die junge Engelsfrau hatte zwar noch nie vorher mit Dämonen zu tun gehabt, doch sie fand, dass Dan anders war als die anderen. Er verstand sie, und manchmal, wenn Neal zu scharf mit ihr redete, mahnte er ihn oft. Dan stellte das polierte Glas zurück ins Regal.

„Ach komm, Valeria! So schlimm ist er nun auch wieder nicht“, sprach er augenzwinkernd zu ihr.

Valeria zog die Augenbrauen hoch. „Du musst ihm ja nicht dienen!“

Dan nickte einem anderen Gast zu. „Apropos dienen... Es wäre nett von dir, wenn du deinen Job weitermachen würdest.“ Daraufhin stellte er ihr drei Krüge mit einem widerlichen, schwarzgrünen Gesöff hin, das fürchterlich nach Erbrochenem und Schwefel stank und Valeria die Übelkeit in die Nase steigen ließ . Mit einem widerwilligen Murren hob Valeria die drei Krüge hoch und ging zum Tisch rüber. Dort saßen drei Dämonen, die ein Kartenspiel spielten. Sie stellte ihnen die Krüge mit einem lauten Geräusch ab. Die Drei sahen auf, und grinsten.

„Willst du dich nicht zu uns gesellen?“, fragte einer von ihnen und fasste ihr mit seinen klauenartigen Händen an ihren Po.

Valeria stieg die Zornesröte ins Gesicht und verpasste dem Dämon eine Ohrfeige. „Wenn du mich noch einmal anfasst, dann hau ich dir woanders hin!“, drohte sie ihm knurrend.

Die anderen Dämonen lachten laut, während Valeria sich umdrehte und zurück zu Dan ging, der ebenso lachte.

„Ich glaube Neal wird noch viel Spaß mit dir haben.“

 

Neumond

Der eine Monat, den Neal und Valeria zusammen auf der Erde verbrachten, war recht schnell und fast problemlos verlaufen. Die Flügellose hatte ihr Schicksal zwar noch immer nicht akzeptiert, aber war sie doch gefügiger geworden. Sie wusste nun wann sie ihr vorlautes Mäulchen zu halten hatte, und sie hatte außerdem erfahren wie sie mit dunkeln Geschöpfen Umgehen musste, wenn diese wieder versuchten, ihr an den Hintern zu gehen. Doch der Funken von Valerias schwarzer Seele war noch nicht zum Vorschein gekommen. Wann der Zeitpunkt kommen mag, war dem Schwarzhaarigen noch ziemlich schleierhaft. Er wusste nur, dass er geduldig bleiben musste. Bei den einen kam die dunkle Seite schon recht früh zum Vorschein, bei anderen wiederrum dauerte es sogar Jahre. Dass sie aber vorhanden war, stand außer Frage. Meist konnte nur der Willen des Sklaven die Boshaftigkeit in ihm kontrollieren. Doch anstatt jetzt über dieses kleine Problem nachzudenken, musste Neal sich einen ordentlichen Grund ausdenken, warum er gerade einen gefallenen Engel als Sklave haben musste. Wie er  seine Meisterin Lilith kannte, würde sie ihm das nicht verzeihen. Zwar war die Verbindung seines Mals vollständig abgeklungen, doch strafen konnte sie ihn noch immer mit Hieben und Schlägen. Und eine uralte Dämonin, wie sie eine war, war außerordentlich stark und rücksichtlos. So etwas wie Empfindungen, wie Menschen sie kannten, hatte sie nicht. Wer jahrelang nur unter seinesgleichen lebte und grundsätzlich die Menschenwelt mied, wurde zu einem Schrecken. Wieder waren Neals Gedanken abgeschweift. Er schlug sich mehrmals selbst an die Wangen, um sich wieder in das Hier und Jetzt zu verfrachten. Der gutaussehende Dämonenmeister befand sich im Gästezimmer, welches der Barbesitzer Dan ihm zur Verfügung stellte und hatte sich zur Ruhe gesetzt. Valeria bediente noch immer die Kunden der Dämonenbar seines guten Freundes und würde ihn aus diesen Gründen auch nicht stören. Das, worum sich Neal am wenigsten Gedanken machen musste, war, dass die Blonde Probleme haben würde seine eigene Bar zu bewirtschaften. Und die war weitaus gefährlicher und abstoßender als Dans Bar. Doch um diese Angelegenheiten würde es sich später kümmern immer war das Portal morgen Nacht offen und Valeria und er würden durchschreiten, zurück in seine gute, alte Heimat. Mia mit eingeschlossen, denn sie hatte ihren Auftrag schon längst erledigt. Er würde seine Meisterin aufsuchen, sich vor ihr niederknien und ihre wütenden Blicke einstecken müssen. Sie würde ihn bestrafen, ganz hart bestrafen, wenn nicht auch Valeria. Doch seine Begleiterin hatte nichts mit dieser Sache zu tun und dafür würde er sich einsetzen. Selbst, wenn er manchmal ein egomanisches Arschloch war, Wesen, die in eine Sache hineingezogen wurden, an denen sie keine Schuld trugen, versuchte er rauszuhalten. So nach dem Prinzip: das geht dich nichts an. Um zwei Uhr in der Nacht befand Neal, dass für heute Schluss war. Er musste sich für die Reise zurück ins Dämonenreich vorbereiten. Valeria dürfte mittlerweile auch nicht mehr arbeiten, es sei denn, einige der angetrunkenen Gäste wollten noch weitersaufen. Aber Dan würde sie sicherlich rausschmeißen. Bestimmt.

Eine Stunde später befanden sich Neal und Valeria in der U-Bahn, wo die Lichter noch nicht angeschaltet worden waren. Es war noch zu früh für die ersten Züge, doch für die geübten Augen des Halbdämonen war das kein Problem. Wie die Augen einer Katze, huschten die seinen von einer Ecke zur anderen, bereit jeden erdenklichen, wenn auch nur zufällig vorbeilaufenden, Passanten zu zerfleischen. Auf dem Weg zum Portal durfte es keine Zeugen geben, nicht, dass sich zufälligerweise eine dieser jämmerlichen Kreaturen plötzlich in seinem Reich befand. Das wäre so ganz und gar nicht in Ordnung und sein Kopf würde die langen Treppen, die zum Dämonenschloss führten, runterrollen. Die Orks, die das Tor bewachten würden anschließend Fußball mit seinem Kopf spielen. Neal schüttelte den Kopf, wobei sein Pferdeschwanz wie eine sanfte Briese hin und her wippte, und vertrieb sich diese Gedanken. Er starrte seinen Schützling an, der nicht gerade vor Begeisterung strahlte. Sie war auch diejenige die darauf bestanden hatte, dass sie nicht mit Mia zusammen durch dieses Portal wollte. Lieber wollte sie sterben. Aus diesem Grund waren sie so früh wie nur möglich aufgebrochen – und ohne Schlaf.

„Willst du denn auf ewig hierbleiben? In dieser stinkigen, verdreckten Menschenwelt?“, fragte Neal sie sanft. Eine dieser seltenen Momente in denen er nett zu ihr war. Was aber nur die Ruhe vor dem Sturm bedeutete. Denn er hatte, um ehrlich zu sein, höllische große Angst vor seiner Meisterin und versteckte diese hinter einer freundlichen Fassade. Er konnte nur jeglich erdenkliche Folter in sein Gedächtnis zurückrufen, was ihm eine Hühnerhaut einbrachte.

„Mir wäre es lieber hierzubleiben, anstatt in deine Welt zu gehen und diese Schlampe wiederzusehen!“, meinte die Flügellose frech und sie wünschte sich, sie hätte den Mund gehalten.

„Ach ja? Bist du dir dessen sicher? Ohne meinen Schutz wirst du den ganzen Dämonen wie ein hilfloses, kleines Mäuschen ausgeliefert sein. Wenn sie wissen, dass du noch hier bist, werden sie sich über dein Fleisch hermachen und die übelsten Dinge mit dir anstellen. Besonders die krüppeligen Vierbeiner, mit ihren acht unsymetrischen Augen werden es auf dich abgesehen haben. Abschaum liebt Himmelgeschöpfe wie dich. Du bist betörend wie eine Nachtigall für sie!“, meinte er etwas barsch und riss sie am Handgelenk mit sich.

„Du kannst mich ruhig loslassen. Ich lass dich ja nicht alleine gehen. Was bleibt mir denn auch anderes übrig? So ein Besserwisser musste mir ja dieses entsetzliche Mal verabreichen!“ Wie ein aufgewühltes Kücken, quietschte die Blonde herum, als ihr bewusst wurde, dass sie ihn damit hätte verärgern können.

„Ja, ist es so entsetzlich?“ Neal funkelte Valeria richtig finster an und mit einem Mal schrie der gefallene Engel auf. Die Schmerzen, die sie ertragen musste, waren größer als alle, die sie bisher hatte. Sie hielt sich ihren Oberschenkel fest und wünschte sich, das würde aufhören, doch es gab nichts, was sie von dieser Qual befreien konnte.

„Sch-schon gut! Ich hab es ja kapiert!“, stöhnte Valeria zwischen zusammengepressten Lippen hervor. Sie hatte ihre Augen zugekniffen um die Tränen zu unterdrücken und um ihm keine Schwäche zu zeigen. Doch dadurch, hatte sie diese nur begünstigt.

„Oh, tut das sehr weh? Das tut mir aber Leid!“, gab Neal spöttisch zurück und wisch ihr eine Träne von der Wange. Er näherte sich ihr, bis an ihren Hals, wo er ihren sagenhaften Duft einsog. Vielleicht war auch das der Grund, warum er sie ausgewählt hatte. Er wusste, dass Engel göttlich rochen. Aber einen dieser Flattermänner zu erwischen war quasi unmöglich, weil sie die Erde normalerweise nie besuchten. Die Menschen und sonst jedes andere Wesen war das nicht Wert. Aber einen gefallenen Engel, der zwar nur noch einen Bruchteil dieses süßlich und verführenden Geruchs an sich kleben hatte, war durchaus eine nette Abwechslung.

„Das, was uns jetzt auf der anderen Seite dieses Portals erwartet, hat nichts mit dir zu tun. Meine Meisterin wird wütend sein und du hast besser dich klein zu halten. Solltest du auch nur kurz atmen, werden dich schlimmere Qualen als diese erwarten, glaub mir. Ich will dich verschonen, damit das klar ist! Es ist meine Entscheidung. Tu einfach so, als ob du nicht da wärest!“ Neal bäumte sich vor ihr auf und nahm eine ihrer hellblonden Strähnen zwischen Daumen und Zeigefinger. Dann ließ er sie achtlos fallen und machte sich weiter auf den Weg. Es waren nur noch wenige Meter bis zum Portal, welches sich auf den Gleisen befand. Einmal durch, verschwand es und war wieder dort, wo es sein sollte. Und dann schloss es sich am Ende des Tages wieder. Neal atmete tief ein und ballte seine Hände zu Fäusten. Er zitterte am ganzen Körper, was Valeria bemerkte.

„Alles in Ordnung mit dir?“ Fragend hob sie skeptisch eine Augenbraue.

„Sicher. Gehen wir.“ Der Halbdämon schloss kurz die Augen und durchschritt selbstbewusst das Portal. Valeria folgte ihm und wunderte sich über das angenehme Kribbeln in ihrem Körper, als sie sich sogleich das erste Mal in der Dämonenwelt befand.

Verhängnisvoller Engelsgeruch

Tipp, Tapp, Tipp, Tapp. Ungeduldig rannte die furchteinflößende Herrscherin des Dämonenreiches, Lilith, die Treppen zu ihrem königlichen Stuhl rauf und runter. Ihr langes, silbriges Haar, welches am Haaransatz leicht violett und an den Spitzen leicht bläulich schimmerte, wippte ihr elegant hinterher. Ihre gefühlslosen Augen, das eine golden und das andere weiß und blind, starrten unaufhörlich auf den Boden und ihre spitzen, schon fast überdimensionalen großen Ohren horchten bei jedem Geräusch auf. Ihre zarten Finger klammerten sich an ihre dürren Arme und ihr langer schwarzer Schwanz, an dessen Ende sich ein rotes und spitzes Dreieck befand, peitschte wütend durch die Luft. Trotz ihrer zierlichen Erscheinung war Lilith die meist gefürchtete Dämonin im Dämonenreich. Und an diesem Abend würde sie ihre ganze Macht und Wut an ihrem ehemaligen Schützling auslassen. Sie war nämlich sehr, sehr wütend. Ohne ihre Erlaubnis, hatte Neal, das Reich verlassen, auf der Suche nach einem Sklaven an seiner Seite. Hätte sie sein Verschwinden nicht sofort bemerkt, hätte sie sich wahrscheinlich keine Gedanken gemacht. Aber nachdem sie das Portal wie immer vor seinem Schließen überprüfen ließ, wusste sie, dass sich jemand ohne ihre Erlaubnis hindurchgeschlichen hatte. Und dieser Jemand konnte nur Neal sein. Ihre Theorie würde sich sowieso bestätigen lassen, wenn Neal am heutigen Abend bei ihr auftauchte. Dieses Portal war nämlich nur heute – an Neumond  – geöffnet, Und dann musste er zurück.

Tipp, Tapp, Tipp, Tapp. Auf ihren hohen Absätzen, die mit ihren Füßen und Waden verschmolzen waren, rannte sie weiterhin auf und ab. Sie konnte einfach nicht anders. Nur, wenn es ihr an Schlaf fehlte, gönnte sie sich Ruhe. Wie viele Dämonen wurden von ihr hingerichtet, nur, weil sie schlechte Laune hatte? Zu viele. Viel zu viele. Sie hatte inzwischen den Überblick darüber verloren. Seufzend fuhr sie sich durchs Haar, welches keinen Pony besaß. Sie beschloss, sich auf ihren geliebten Thron zu setzen und einfach zu warten. So lange konnte dieser Augenblick ja nicht mehr dauern. Und während sie dort saß, auf dem mit Gold verzierten Stuhl, der einer Königin würdig war, überlegte sie sich, was für ein Gesindel Neal mitbringen würde. Da er in die Menschenwelt wollte, gab es sicherlich einen Grund warum er ausgerechnet einen der Zweibeiner nehmen musste. Zumindest war sie sich sicher, dass es ein niederes Wesen war, denn die Dämonen, die ihr Leben auf der Erde verbrachten, waren nichts weiter als Abschaum; ausgestoßen aus der Gesellschaft. Und das wusste der Dämonenmeister nur allzugut. Vielleicht war es auch eine Frau, in die er sich verliebt hatte? Oder die er mit allen Mitteln haben wollte?

Was ja nicht neu ist, dachte sich Lilith und führte ihre Gedanken weiter. Außerdem wäre es nicht verwunderlich, denn viele Dämonen interessierten sich für Menschenfrauen. Dennoch vertraute die Herrscherin auf ihren Instinkt. Ihr Schützling würde sicherlich nicht gegen dieses Gesetz brechen. Dafür hatte er zu viel Stolz. Sie schüttelte ihren Kopf und lehnte ihn an ihre Hand. Nun hieß es nur noch seelenruhig abzuwarten. Und je länger ihre kostbare Zeit wegen Neal verstrich, umso größer wurde ihre Wut. Wie so oft.

Tipp, Tapp, Tipp, Tapp. Aufhorchend blickte sie hoch. Ihre Augen fixierten die geschlossene Thronsaaltür. Sie wusste, dass er auf dem Weg hierher war. Sie hörte es, konnte ihn riechen und konnte ihn fühlen. Nur noch schwach, weil das Bündnis zwischen den Beiden gebrochen war, aber immerhin etwas! Wie eine elegante Dämonin schlug sie die Beine übereinander, legte die Hände fein säuberlich auf die mit einem Dämonenlöwen verzierten Stuhllehnen und reckte ihr Kinn in die Luft. Sie würde ihn wütend ansehen, seine Erklärung beherrscht abwarten und dann Dampf ablassen. Mit einem lauten Geräusch öffnete sich die Thronsaaltür. Dank der mit eingebauten Türaufpasser – deren Namen übrigens Todd und Toth waren. Ihr kleinen Köpfe wurden jedes Mal lebendig, sobald sich jemand der Tür näherte. Und da Neal hier rein und raus durfte wie er wollte, öffneten sie ihm auch freiwillig die Tür. Obwohl der Gang von der Tür aus bis zum Thron gerade mal sechzehn Meter betrug, kam es Lilith vor, als würde Neal in Zeitlupe auf sie zukommen. Doch nach wenigen Sekunden der ewig langen Warterei, erhob sie sich von ihrem Stuhl, reckte abermals das Kinn und schaute ihren Schützling von oben herab an. Und dann kam es. Ein Geruch, den sie schon lange nicht mehr in ihrer Nase hatte. Ihre Lippen bebten, ihre Hände waren zu Fäusten geballt. Sie war kurz davor zu explodieren, doch bevor sie überhaupt etwas sagen konnte, warf sich der Dämonenmeister vor ihr auf die Knie. Und die junge Frau, die hinter ihm stand, blickte nur fragend drein. Was dachte sie sich, wer sie war? Neal bemerkte ihren Fehltritt und befahl ihr murmelnd sich niederzuknien, so wie er es tat. Die Frau mit den langen, blonden Haaren wollte etwas erwidern, doch ein Schmerz durchzuckte sie und so tat sie, wie ihr befohlen wurde. Wenigstens hatte er diese Göre unter Kontrolle.

„Werte Meisterin Lilith. Bitte verzeiht mir mein nicht angemessenes Auftauchen. Ich weiß, ich habe mich gegen Eure Ordnung wiedersetzt. Aber ich bitte Euch, hört mir zu!“, flehte Neal seine Meisterin an. Nun begannen auch Liliths Nasenflügel zu beben, doch das Einzige, was sie von sich gab, war ein Kopfnicken. Sie war geübt darin sich zu beherrschen, wenn auch nur für eine gewisse Zeit.

„Ich danke Euch, Meisterin. Nun, ich habe in meinem wundersamen Spiegel, den Ihr mir geschenkt habt, ein Wesen auf der Erde entdeckt, welches so rein ist wie der Himmel und eine so dunkle Seele hat wie ein Schwarzschwanzdämon. Ich fühlte, dass sie meine Sklavin werden sollte. Ich fühlte es, Lilith!“ Zum ersten Mal blickte der Rothaarige Lilith an. Sie entdeckte ein wenig Reue aber auch Stolz. Doch Lilith befand das nicht als Triumph.

„Sie stinkt nach Himmel, Neal!“, meinte Lilith durch zusammengepresste Zähne. Ihre Geduld war nun endgültig am Ende.

„Dieser Geruch wird bald verschwinden, Meisterin!“

„Ach ja? Glaubst du das wirklich? Hast du eine Ahnung, was du da angestellt hast? Auch, wenn sie eine Flügellose ist, man wird ihr Verschwinden auf der Erde bemerken und sie suchen! Glaubst du, wir Dämonen könnten uns auf einen Krieg mit den Engeln einlassen? Die sind doch zahlreicher und stärker als wir! Unsere Koexistenz funktioniert doch nur weil jeder sich aus dem Leben der anderen raushält! Du bist ein Nichtsnutz! Ein Versager! Ich werde dich dafür schlimmer peinigen, als ich je jemanden bestraft habe! Du wirst brennen, bis ich mir sicher bin, dass deine Narben nie wieder verheilen werden! Du wirst drei Monate ohne Nahrung in die dunkelsten Keller eingesperrt werden und deine Flügellose werde ich köpfen lassen!“ Ihre schrille Stimme hallte im großen Thronsaal wider. Valeria schluckte schwer und schloss beängstigend die Augen. Neal dagegen konnte nichts erwidern. Sie war seine Meisterin.

„Ich wollte Euch nicht verärgern, Meisterin“, flüsterte er niedergeschmettert. In dem Moment bereute er seine Entscheidung zutiefst.

„Wegen dir wird das Dämonenreich nie wieder in Frieden leben können! Du und dein Abschaum seid Schuld daran!“ Aus Liliths Ohren zischte es und Dampf stieg empor. Sie war noch lange nicht besänftigt und es gab wahrscheinlich nichts, was ihre Laune mildern konnte.

„Bitte, verschont ihn, Lilith!“ Plötzlich fing das Engelsmädchen an zu reden und Liliths Aufmerksamkeit galt nun ihr. Neal dagegen hatte sich krampfhaft umgedreht und sah sie erschrocken an. Sein Blick sagte alles.

„Und warum soll ich das, Flügellose?“, fragte Lilith mit hochgezogenen Augenbrauen und musterte sie.

„Weil...“, es schien, als hätte Valeria keine Antwort auf Liliths Frage, doch nach einem Kopfnicken und zusammengeballten Fäusten, richtete sich ihr Blick wieder auf. Das Selbstvertrauen, welches darin lag, erstaunte die Herrscherin.

„Weil es meine Schuld ist, dass Neal überhaupt in die Menschenwelt gelangt ist! Hätte ich nicht gegen das Engelsgesetz verstoßen, wäre ich auch nicht verbannt worden. Und somit hätte ich nie Neal getroffen!“

„Du bist ziemlich direkt, Flügellose! Wie ist dein Name?“ Nach einem Namen zu fragen war überhaupt nicht Liliths Angwonheit und Hoffnung schlich sich ins Gesicht des Dämonenmeisters. Vielleicht konnte er doch noch seine Sklavin ausbilden, damit sie an seiner Seite blieb?

„Valeria“, gab die Blonde zurück und starrte Lilith noch immer zielsicher an. Die Dämonin schritt die wenigen Stufen vom Thron hinunter und umkreiste Valeria. Sie nahm eine Strähne von ihrem weichen Haar in die Hand, fühlte es und lies es dann wieder los.

„Und du willst nicht, dass Neal bestraft wird?“, fragte Lilith noch einmal und Valeria schüttelte den Kopf.

„Hm, es gibt da etwas, was du tun musst, wenn du nicht willst, dass er gepeinigt und du geköpft wirst. Weißt du, dein Geruch wird dich auf ewig verfolgen, deine Freunde da oben werden dich immer zurückverfolgen können und somit bist du eine Gefahr für uns. Also brauchst du nichts weiteres zu tun als deinen Geruch loszuwerden.“ Bösartig lächelnd, wandte sich Lilith von Valeria ab und tänzelte wieder zum Thron. Schlagartig hatte sich ihre Laune gebessert, denn was normalerweise ein verbotener Akt bei den Engeln war, galt hier – in der Dämonenwelt – als überaus reizvoll und natürlich. Lilith beobachtete Neal, wie er zwischen ihr und Valeria den Blick wechselte. Natürlich verstand er nichts, denn das Thema Engel war zwischen ihnen schon immer ein Tabu gewesen. Natürlich wusste er, dass diese Wesen existierten, aber sonst war sein Wissen gleich Null.

„Was musst du tun?“, fragte Neal zögernd und näherte sich seiner Sklavin, denn sie schien auf einmal überhaupt nicht mehr begeistert zu sein. Sie reagierte auf nichts und sah nur stur zu Boden. Die Haare fielen ihr ins Gesicht, sodass Neal es nicht erkennen konnte. Doch spürte er, dank des Mals, welches sie verband, ihre Gefühle. Diese waren mit Wut und Hass gemischt, aber auch mit Angst gefüllt. Was war hier los? Neal blieb nichts anderes übrig, als sich an seine Meisterin zu wenden, die nun auf ihrem Thron saß und die beiden begnügt ansah.

„Mein kleiner Neal. Das ist doch so offensichtlich, nicht? Damit ein Engel seinen Geruch verliert, muss er seine Jungfräulichkeit verlieren!“

Schockiert sah Neal Lilith an. Er verstand nicht. Valeria musste ihre Jungfräulichkeit abgeben? Gegen ihren Willen?

„Das könnt Ihr nicht tun, Lilith!“, meinte er daraufhin und näherte sich seiner Meisterin. Obwohl Geschlechtsverkehr bei ihm an der Tagesordnung stand, so hatte er doch genug Manieren niemanden gegen seinen Willen zu entjungfern.

„Doch, das kann ich. Entweder sie verliert ihre Unschuld oder ihren Kopf. Aber ich denke sie will leben, denn der Lebenswille eines Engels ist stärker als alles andere. Auch, wenn es heißt, dass man seine Jungfräulichkeit an jemandem abgeben muss, mit dem man nicht verheiratet ist. Was übrigens da oben heißt, dass man sich gegen das Gesetz der Geflügelten stellt. Also mein Lieber, du weißt ja was zu tun ist. Frauen jeder Rasse zu vögeln muss doch ein Kinderspiel für dich sein!“ Vergnügt lachte Lilith auf. Es machte ihr Spaß einen Engel so leiden zu sehen. Sie ergötzte sich richtig an ihrer Hilflosigkeit.

„Und jetzt raus. Wenn ihr nicht bis morgen Abend miteinander geschlafen habt, dann könnt ihr euch sicher sein, dass eure Strafe auf euch zukommen wird. Und ich lasse mich nicht umstimmen!“ Mit einer abwertenden Handbewegung schickte Lilith die beiden raus. Nun war es an ihnen sich zu entscheiden.

 

 

 

Was wirst du tun?

Valeria saß starr auf einem roten Sofa,welches in Neals Schlaf- und Wohnzimmer stand. Es regte sie innerlich auf, dass ein Möchtegerndämon eine viel größeres Zimmer für sich beanspruchte als sie je eins erhalten hatte. Die Engelsfrau sah sich weiter um und entdeckte viele Pentagramme und andere okkulte Dinge aus dem Hause der schwarzen Magie. Die Blondhaarige fröstelte leicht, obwohl sie einen dicken Mantel von Neal erhalten hatte. Das Zimmer des Dämons an sich war karg eingerichtet. Neal saß auf seinem Bett und blickte auf seine Hände hinab, die er ineinander gefaltet hatte. Valeria wollte nur zu gern wissen, was in seinem Kopf vorging. Ängstlich dachte sie an Lilith zurück. Neals Meisterin. Diese Frau – dieses Wesen – war voller Kälte und Hass. Valeria erinnerte sich immer noch an die Worte, die sie ihr zugeflüstert hatte. Ein Schauer lief ihren Rücken hinab. Die Engelsfrau schlang den Mantel enger um sich. Neal regte sich nun. Aufmerksam sah Valeria ihn an.

„Nun … Was meine Meisterin sagt, ist Befehl.“

Valeria blinzelte. Der Halbdämon kletterte aus dem Bett und sah sie aus blutroten Augen fest an. Plötzlich sprang Flügellose sprang empört auf.

„Oh nein! Das wirst du nicht tun!“, zischte sie ihm wütend entgegen und schlang den Mantel abermals enger um sich. Aber Neal hörte nicht auf sie. Grob packte er sie und drückte sie zurück aufs Sofa.

„Lass das!“, schrie sie laut und kratzte ihn mitten ins Gesicht. Sie hinterließ schmale Spuren, nicht weit von seinem linken Auge enfernt. Neal knurrte. Es reichte ihm. Mit der linken Hand riss er ihr den Mantel von den Schultern, während er mit der rechten Hand ihre beiden Hände nach hinten drückte. Zum Schluss setzte sich Neal auf sie, damit sie endlich aufhörte auf ihn einzuschlagen.

„Lass mich los!“, rief sie laut und versuchte sich aufzubäumen – es war vergeblich.

„Wenn du nicht endlich aufhörst, werde ich dir sehr weh tun“, drohte er ihr nun.

Valeria sah ihn hitzig an. „Bitte … Lass mich los“, bat sie ihn nun flehend an und setzte einen lieblichen Blick auf. Ihr Meister ließ sich aber davon nicht abbringen. Mit seiner linken Hand umfasste er ihren rechten Oberschenkel.Valeria starrte ihn giftig an.

„Wehe du wagst es weiter zu gehen“, prophezeite sie ihm und ihr Kampfgeist kehrte zurück.

Neal grinste und beugte sich weiter zu ihr hinunter. „Was willst du dann tun, Sklavin? Mich etwa töten?“, flüsterte er ihr zu. Er lachte leise. „Du hast keine Chance gegen mich, Valeria. Ich könnte dich zermalmen wie einen Käfer.“

„Und warum tust du es dann nicht?“, fragte sie ihn nun und hoffte so Zeit zu schinden.

„Weil Lilith das für mich übernehmen wird.“ Neal ließ sie los und stand auf.

Valeria hob den Mantel auf und raffte ihn an sich. „Sie wird dich ebenfalls töten“, stellte die Engelsfrau klar.

„Ich kenne Lilith. Ihre Worte sind oft wie ein Tropfen kaltes Wasser auf heißem Stein.“ Der Dämon setzte sich wieder auf sein Bett und holte eine Pfeife hervor. Er entzündete sie und atmete den Geruch tief ein.

Valeria rümpfte die Nase. „Was ist das für ein Zeug?“, fragte sie ihn und begann zu husten. Es stank widerlich und der beissende Geruch erfüllte bald den ganzen Raum.

„Huumekraut“, erklärte er ihr. „Das gibt es nur in der Dämonenwelt und nicht jeder verträgt dessen Konsum.“

Valeria hustete erneut und wedelte den Rauch mit der Hand weg. „Kann ich verstehen.“

Der Halbdämon nahm einen erneuten tiefen Zug aus seiner Pfeife und stieß den Rauch genüsslich aus. „Ah … das tut gut.“

Die Engelsfrau sah ihn nun aufmerksam an. „Hast du wirklich keine Angst vor Lilith?“

„Nicht wirklich. Es gibt Schlimmeres als sie. Sie ist zwar sehr launig, doch sie beruhigt sich auch wieder so schnell wie sie ausbricht.“

„Das glaube ich eher nicht. Sie hat nicht so ausgesehen als würde sie nur Spaß machen“, sprach Valeria ihren Gedanken aus und warf sich wieder den Mantel um die Schultern. „Was wirst du nun tun, Neal? Falls sie ihre Meinung nicht ändert?“

Der Rothaarige zog abermals an seiner Pfeife, dann legte er sie zur Seite und sah Valeria an. „Dann muss ich dir eben deine Jungfräulichkeit nehmen. Ich hoffe du stellst dich nicht so an.“

Valeria riss die pupillenlosen Augen auf und starrte ihn an. „Ich hab auch noch ein Wörtchen mitzureden. Immerhin ist es mein Körper!“

„Möchtest du sterben, Flügellose?“, fragte Neal sie nun herausfordernd und seine blutroten Augen blitzten auf.

„Es gibt schlimmeres als der Tod, glaube mir“, gab sie nur flüsternd zurück.

„Ich jedenfalls finde es schon erstaunlich, dass selbst Wesen wie wir sterben können. Faszinierend, nicht?“

Valeria atmete tief durch. „Wie schon gesagt: Es gibt schlimmere Dinge als der Tod“, wiederholte sie und sah aus einem der Fenster. Die Landschaft der Dämonenwelt machte ihr ein wenig Angst. Selten hatte sie eine so trostlose Einöde gesehen.

„Ich werde morgen noch einmal mit Lilith reden“, verkündete Neal schließlich.

„Viel Glück dabei, Dämon.“
 

Neal kniete vor Liliths Thron und wirkte sehr nervös.Seine Meisterin saß auf diesem und sah ihn streng an.

„Was willst du, Neal? Solltest du nicht deiner Aufgabe nachgehen?“, fragte sie ihn und lächelte böse.

„Nein, Lilith. Ich hoffte wir könnten über Eure Entscheidung reden“, versuchte er es ruhig. Neal spürte, wie schwer ihr blindes Aufge auf ihm lag.

„Warum sollten wir darüber reden? Du weißt, was ich von dir verlange und ich werde diesen Befehl nicht widerrufen“, antwortete sie streng.

„Ich bitte Euch. Das könnt ihr nicht von mir verlangen. Ich werde diese Kreatur nicht anfassen. Mich ekelt es richtig davor!“, sprach er nun zu ihr und seine Stimme klang hart.

Die Dämonenherrscherin lachte laut auf und ihr roter Schwanz peitschte hin und her. „Kriegst du bei ihrem Anblick etwa keinen hoch? Du bist doch sonst nicht so wählerisch was deine Bettpartnerinnen angeht.“

Der Dämon knirschte mit den Zähnen. Das war wirklich eine harte Nuss, die er heute knacken musste. „Ich weiß, oh große Meisterin! Doch ich erkenne die Fehler aus meiner Vergangenheit und möchte diese nicht mehr wiederholen.“

„Ich kenne genug Dämonen die ohne zu zögern mit deiner Sklavin ins Bett springen würden, doch leider kann ich das nicht zulassen, da sie dein Eigentum ist.“ Lilith schwieg kurz. „Gut. Ich gebe dir und deiner Sklavin etwas mehr Zeit. Du hast eine Woche um sie zu entjungfern.“

Neal hob den Kopf und wollte etwas erwidern, doch Lilith machte eine Handbewegung um ihn wegzuscheuchen.

„Keine Widerrede! Das ist das erste Mal, das ich jemandem in einer Sache Aufschub gebe und es wird auch das letzte Mal sein! Ich tue das nur, weil ich sehr große Hoffnungen in dich setze.“

Der Halbdämon seufzte tief und nickte schwach. „Ja Meisterin.“

Als er den Thronsaal verließ, lehnte er sich erschöpft gegen eine Wand. Irgendwann bring ich dich um, Lilith, dachte er wütend und schlug kurz mit der Faust gegen die Wand. Er hörte ein leises Kichern.

„Solltest du nicht bei irgendeinem Freier sein, Mia?“, fragte er genervt und sah den Succubus an. Er hatte sie seit Rom nicht mehr gesehen und das waren gerade mal zwei Tage. Nun stand sie neben ihm und lächelte breit. Wie immer trug sie eines ihrer freizügigen Kleider.

„Auch eine Amüsierdame hat mal frei.“

Wahrscheinlich wollte dich niemand haben, dachte sich er gereizt. Sie war zwar eins A im Bett, doch sie konnte genauso anstrengend werden.

„Wo ist denn deine Engelschlampe?“, fragte sie ihn nun neugierig und sah ihn aus großen und gelben Augen an.

„In meinem Zimmer“, antwortete er ihr knapp. „Und dorthin werde ich nun auch gehen.“

Mia umfasste sein rechtes Handgelenk sanft. „Wie wäre es, wenn du sie rauswirfst und ich komme mit dir mit?“, flüsterte sie ihm verführerisch zu und schmiegte sich eng an ihn. Neal sah Mia ausdrucklos an. Er hielt nicht viel von ihr. Zwar hat er, wie fast jeder Dämon in seiner Welt, ein bis zwei Nächte mit ihr verbracht, doch dies war Jahre her. Sein Interesse war so schnell abgeebt, wie es gekommen war. Frauen, die leicht zu haben waren, waren in seinen Augen einfach uninteressant. Er liebte die Herausforderung. Wie eigentlich bei seiner Sklavin. Er schüttelte den Gedanken ab und drehte sich geschickt zu ihr um. Dann nahm er ihr Gesicht in seine beiden Hände und sah sie freundlich an.

„Meine liebste Mia. Es tut mir leid, so verlockend dein Angebot auch ist, ich muss es leider ablehnen. Such dir lieber jemanden, der weiß was er mit dir anfangen soll.“ Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging.

Der Succubus sah ihn wütend nach. „Frechheit!“
 

Valeria wartete geduldig auf Neal und sah ihn neugierig an, als dieser sein Zimmer betrat.

„Und?“

Neal ließ sich erschöpft auf sein Bett fallen. „Sie hat mir einen Aufschub von einer Woche gegeben.“

„Das ist nicht ihr ernst oder?“, fragte Valeria ihn und trat auf Neal zu. „Ich werde nicht mit dir schlafen!“

Neal sah sie wütend an. „Glaubst du, ich will das? Bevor sie mich umbringen lässt, tu ich es lieber selbst!“

„Ich will aber nicht!“

Wütend stand er auf und ging auf Valeria zu. „Wenn ich noch einmal so etwas aus deinem Mund höre, bringe ich dich vor Lilith um! Hast du mich verstanden?“

Valeria wollte erneut protestieren, doch sie spürte einen stechenden Schmerz in ihrem Bein und fiel zu Boden. Sie wollte schreien, doch aus ihrer Kehle drang kein Ton. Neal beachtete sie nicht weiter und legte sich wieder auf sein Bett. Welches die einzige ordentliche Schlafstelle in seinem Wohn- und Schlafzimmer war.

„Ich werde jetzt ein wenig schlafen. Und wehe du störst du mich!“

Die Kunst des Überredens

Wütend betrat Neal sein Schlafgemach. Valeria, die gerade ein Buch durchblätterte – deren Sprache sie ohnehin nicht verstand – erschrak und es fiel aufgeschlagen auf den Boden. Neal beachtete sie gar nicht. Stur ging er an ihr vorbei und warf sich wütend auf sein Bett. Er nahm ein Kissen und hielt es sich an Mund. Der Dämonenmeister fluchte in das Kissen hinein. Valeria blinzelte ein paar Mal, bis sie das Schauspiel verstand.

„Geht Lilith etwa nicht auf deinen neuen Vorschlag ein?“, fragte sie ihn nun und hob das Buch auf um es zurück ins Regal zu stellen.

„Nein. Sie hat mit nur diese eine Woche gegeben“, brachte er knurrend hervor und warf Valeria einen schiefen Blick zu, als er das Kissen beiseite gelegt hatte. Sein erster Versuch war nun drei Tage her. Und nun blieben ihnen nur noch vier Tage. Und erneut zu fragen würde so oder so nichts bringen.

Die Flügellose seufzte tief. „Na ganz toll!“

Neal sah sie zornig an. „Wenn du so schlau bist, dann geh doch selbst zu Lilith! Vielleicht kannst DU sie ja umstimmen!“, erwiderte er zynisch und setzte sich in seinem Bett auf.

„Kein Problem. Sie ist sicher im Thronsaal.“

Neals rote Augen wurden groß. „Willst du dir dein eigenes Grab schaufeln, Sklavin?“, fragte er sie nun.

„Wieso? Lilith ist eine Frau, genau wie ich. Ein Gespräch unter uns beiden könnte sie vielleicht gnädig stimmen.“

„Lilith ist eine grausame, rachsüchtige, egoistische Frau. Du hingegen … Nun ja. Ich an deiner Stelle würde es einfach lassen und dich deinem Schicksal fügen.“

„Ich entscheide selbst über mein Schicksal und nicht diese Dämonin! Es ist mein Körper, mein Leben und meine Entscheidung! Ich werde jetzt zu ihr gehen. Den Weg finde ich schon alleine, denn auf deine Hilfe kann ich sicher nicht hoffen.“

Neal wollte etwas erwidern, doch dazu kam er nicht mehr. Valeria drehte sich stur um und schlug die Tür laut ins Schloss. Im ersten Moment hatte Neal eigentlich vorgehabt Valeria mithilfe des Mals zu züchtigen, doch dann überlegte er sich es doch anders. Sollte sie ruhig selbst erleben, wie Lilith drauf war. Der Dämon strich durch sein rotes Haar. Plötzlich klopfte es an seiner Tür. Neal stand auf und öffnete diese überraschend.

„Mia. Was willst du?“, fragte er sie nüchtern.

Der Succubus lächelte verführerisch. Heute trug sie ein dunkelbraunes Kleid, welches mit einem ebenso dunklen Korsett verbunden war.

„Ich dachte mir, dass doch noch einmal mit dir reden könnte“, erklärte sie ihr Erscheinen und trat ein.

Neal schloss stirnrunzelnd die Tür.

„Ich habe Valeria gerade gesehen, wie sie durch die Gänge eilte. Darf eine Sklavin das überhaupt?“, fragte sie ihn nun und setzte sich auf Neals Sofa.

„Eigentlich nicht. Doch heute bin ich sehr großzügig.“

Mia lächelte immer noch. „Wegen letztem Mal… Es tut mir leid, dass ich so aufdringlich war, doch ich konnte einfach nicht anders. Du weißt doch selbst, dass ich eine Meisterin der Verführung bin. Alte Gewohnheiten lassen sich eben nicht einfach ablegen.“ Während sie diese Worte sprach, streichelte sie sanft Neals rechte Hand. Der Halbdämon spürte, wie sich eine Gänsehaut bildete. Aber auch was anderes regte sich. Ein Verlangen, welches er schon so lange unterdrücken musste.

„Kannst du dich noch daran erinnern, wie viele wilde, schöne Nächte wir hier verbrachten haben? Ich kann mich noch genau an jedes Detail erinnern“, flüsterte sie ihm zu. Neal schluckte schwer. Langsam begann seine steife Fassade zu bröckeln, auch, wenn er sich fest vorgenommen die Bettgeschichten auf Ewig unter Verschluss zu halten.

„Du würdest es doch bestimmt auch gut finden, wenn wir beide das wiederholen, oder?“

Der Dämonenmeister schloss kurz die Augen. Er erinnerte sich nur zu gut an die Nächte mit ihr und warf seine Meinung über Bord. Was sprach eigentlich dagegen die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen? Mia merkte an seinem Gesichtsausdruck, dass sie es geschafft hatte. Innerlich jubelte sie.

„Na gut. Aber nur dieses einmal.“

 

Valeria trat ein nachdem sie Todd und Toth anlügen musste. Sie wollten sie nämlich nicht hereinlassen und als sie meinte Neal wäre auf dem Weg und würde nachkommen, hatten sie ihr auch schon die Türen geöffnet.

„Meisterin Lilith. Ich muss mit Euch reden“, sprach sie laut und deutlich, und die Dämonenherrscherin, die mit einem Finanzberater einige Dokumente durchsah, blickte sie überrascht an.

„Du kannst gehen“, sagte sie zum Ziegendämon. Beide Frauen blickten ihm hinterher, bis er aus dem Thronsaal war. Dann wandte Lilith sich dem gefallen Engel zu: „Was fällt dir ein ohne Erlaubnis, und vor allem alleine ohne Neal, hier vor mir zu erscheinen? Obwohl ich insgeheim zugeben muss, dass mir dein Auftreten gefällt. Verbeuge dich erst einmal vor mir, dann sehen wir weiter.“

Die Engelsfrau verbeugte sich tief und ihre Nase berührte beinahe den Teppich.

„So schön! Erhebe dich“, sprach Lilith nun und lächelte zufrieden. „Was ist dein Anliegen, Flügellose?“ Die Königin der Dämonen hütete sich davor, Valeria mit ihrem Namen anzusprechen. Sklaven verdienten diese Ehre nicht. Jedenfalls solange nicht, bis der Meister den Gezeichneten freigab oder dieser sich Rang und Namen machte.

„Ich möchte mit Euch wegen Neals Auftrag reden. Mir behagt es nicht sonderlich, mich einem Dämon hinzugeben und das vor allem gegen meinen Willen! Ihr könnt das nicht von mir verlangen.“

Lilith senkte den Kopf leicht zur Seite. „Ich verstehe deine Bedenken, doch dies ist leider das Gesetz meines Reiches. Sie wurden vor Tausenden von Jahren festgelegt und ich kann sie nicht ändern. Außerdem haftet an dir der Engelsgeruch, der mir nur Ärger verschafft. Du solltest froh darüber sein, dass ich so großzügig bin und Neal ein paar Tage Aufschub gewähre. So könnt ihr beide euch besser darauf vorbereiten“, erklärte sie ihr mit einem charmanten Lächeln, mit dem sie selbst einen Berserker beruhigen konnte.

Valeria ballte die Hände zu Fäusten. Wie sie diese Frau hasste! „Ich flehe Euch an, Herrin! Ihr könnt mir das nicht antun. Ich weiß, dass ich im Unrecht stehe, aber es muss ja niemand wissen, dass ich noch Jungfrau bin. Wenn Ihr ein Herz habt, dann sieht in dieses hinein und erlöst mich von dieser Bürde“, versuchte Valeria es erneut.

In Lilith Gesicht zeigte sich eine Regung. Sie schlug die Beine übereinander und dachte ein wenig nach. Mit einem selbstsicheren Grinsen blickte sie auf die Blonde herab. Ihre Laune war auf höchstem Niveau und das nur dank der guten Finanzlage. „Nun gut. Dann will ich mal nicht so sein. Ich erlasse Neal und dir diese Bürde unter einer Bedienung.“

„Und die wäre?“, fragte Valeria freudig nach.

Liliths Lächeln wurde breiter. „Ich möchte etwas von deinem Blut. Ich habe vor Jahren gehört, dass das Blut eines Engels helfen soll, wahre Schönheit zu erlangen. Du wirst mir diesen Dienst erweisen, wenn ich ihn benötige. Damit bist du doch einverstanden, Flügellose?“

Valeria atmete tief durch. Sie würde sich später darüber Gedanken machen. Bis jetzt war sie heilfroh darüber, die drohende Gefahr abgewandt zu haben. „Gut. Ich bin einverstanden.“

Lilith nickte. „Und jetzt geh, Sklavin. Meine Geduld mit dir ist heute zu Ende.“

Valeria verneigte sich erneut tief vor ihr und bedankte sich tausendmal, auch wenn ihr dabei fast schon schlecht wurde. Dann ging sie um Neal die frohe Botschaft zu überbringen.

 

Mit beflügelten Schritten ging sie die Gänge entlang. Valeria hatte es geschafft! Die verbannte, flügellose Sklavin eines Dämonenmeisters hatte die Königin der Dämonen umstimmen können.

Bestimmt bin ich die Erste, die dass geschafft hat. Das muss ich Neal sofort unter die Nase reiben, dachte sie triumphierend und richtete noch einmal ihre Kleidung und ihr Haar, bevor sie in Neals Gemach eintrat.

„Hey Dämon! Ich hab es geschafft! Lilith hat mir aus der Hand gefressen. Du hättest mich sehen sollen. Ich – die Sklavin – habe die große Lilith überzeugt. Na, was sagst du dazu?“, rief sie laut und triumphierend durch den Raum, doch ihre gute Stimmung verpuffte, als sie in eine äußerst unangenehme Situation rutschte.

Neals schwitzender Körper lag über Mia, dessen lustvolles Stöhnen durch den Raum hallte. Der Succubus stöhnte gerade Neals Namen, als Mia auch schon die Flügellose entdeckte. Mit einem lustvollen Grinsen sah dieses Wesen den Engel an. Noch nie hatte es Mia gestört, wenn jemand dabei zusah. Valeria sah die beiden entsetzt an. Neal, der aus den Augenwinkeln bemerkte, dass jemand hereingekommen war wandte seinen Kopf nach Rechts und hatte einen kurzen Augenblick Augenkontakt mit seiner Gezeichneten. Er war so in seinem Rausch vertieft, dass er sie nicht einmal gespürt hatte. Die Flügellose drehte sich auf dem Absatz um und stürmte nach draußen, um sich zu übergeben. Der Tag war für sie heute gelaufen.

 

 

Das Band zwischen Meister und Sklave

Valeria umfasste ihr linkes Handgelenk. Sie musste auf irgendeine Art und Weise ihren Magen beruhigen. Nachdem sich die Flügellose übergeben hatte, begab sie sich an irgendeinen Ort im Dämonenschloss. Sie hatte sich mit Sicherheit verlaufen, doch das konnte der Blonden egal sein. Valeria befand sich in einem Garten. Dieser war mit hohen Mauern umgeben, deren ein Dach fehlte. Der immerdunkle Himmel über dem Dämonenreich schimmerte dunkelrot und golden und ließ kein Sonnenlicht durch. Nun ja, wahrscheinlich gab es sowas wie eine Sonne hier überhaupt nicht. Überhaupt fiel der Flügellosen auf, dass sie so rein gar nichts über das Reich der Dämonen wusste. Sowas wurde nur denen gelehrt, die eine ehrenvolle Aufgabe in der Menschenwelt zu verrichten hatten. Und sie war noch weit davon gewesen. Seufzend sah sich die Blonde um. Überall standen dunkle Bäume an denen Blüten hingen. Das Gras wirkte vertrocknet, doch als sie sich bückte und es mit der Hand fühlte, spürte sie wie weich es war. Die Landschaft wirkte trist, war aber dennoch lebendig. Valeria ging ein weiteres Stück hinein und fand einen Springbrunnen mit rotem Wasser. Ein Schauder lief ihr über den Rücken, als sie die Vermutung aufstellte, dass es sich hierbei um Blut handeln konnte. Sie vertrieb den Gedanken, indem sie sich auf eine seltsam aussehende Blume konzentrierte. Sie war schwarz und hatte orangenfarbene Kugeln in unterschiedlichen Größen an ihr hängen. Sie fasste eine dieser Blüten behutsam an, die dann runterfiel.

„Das ist das Huumekraut“, ertönte eine Stimme hinter ihr.

Erschrocken drehte sich Valeria um und blickte in das leicht gerötete Gesicht von Neal. Mit einem Mal erinnerte sie sich plötzlich wieder daran was sie erst vor Kurzem mit ansehen musste.

„Geh weg!“, spie die Flügellose wütend. Neal wusste doch, dass sie zurückkommen würde, warum musste er ihr eine derartige Show abliefern?

„Weg aus meinem eigenen Garten?“, fragte er mit einer hochgezogenen Augenbraue. Seine roten Augen fixierten Valeria.

„Ich will nur meine Ruhe!“, meinte sie daraufhin.

„Gut, die kann ich dir gerne geben. Ich will nur gesagt haben, dass es mir leidtut, dass du mich in einer dieser unangenehmen Situationen erwischt hast. Mia ist nichts weiteres als ein altes Spielzeug, welches man ab und zu mal wieder aus der Schublade herauskramt“, verteidigte sich der Dämonenmeister.

„Und ich bin dein neues Spielzeug, wie?“, fauchte sie ihn an und drehte ihm den Rücken zu.

„Nein! Glaubst du, dass wir Dämonen uns einfach aus Spaß einen Sklaven nehmen?“, fragte er etwas irritiert.

„Ja, ist doch wohl klar!“

Seufzend strich sich Neal durch sein langes, offenes Haar, welches ihm bis über die Schultern ging. „Du verstehst nichts von unseren Gesetzen, oder?“

Valeria schüttelte nur den Kopf und ging weiter. Als sie eine Bank erblickte, setzte sie sich nieder. Ihr Magen zog sich wieder zusammen, als sie an Neal und Mia dachte. Eigentlich hatte sie den Succubus nur ganz kurz wahrgenommen. Ihr Blick war mehr an Neals durchtrainiertem Körper hängen geblieben. Wenn sie jedoch an diese breiten Schultern dachte, dann löste das einen Zwiespalt in ihr aus. Einerseits fand sie das berauschend, aber andererseits nur widerwertig. Mit einem Mal musste sich der gefallene Engel schon zum zweiten Mal übergeben. Neal, der nun neben ihr saß, seufzte genervt. Er verstand nicht, wie jemand so empfindlich sein konnte.

„Was hat Lilith nun schlussendlich gesagt?“, wechselte Neal das Thema um sie von allem abzulenken.

Valeria zögerte für eine Weile, aber da es auch ihn anging, erzählte sie ihm es widerwillig: „Ich darf meine Unschuld behalten.“

„Und was fordert sie von dir?“, fragte er skeptisch.

„Nichts“, log die Blonde.

„Nichts? Ich kenne meine Meisterin mehr als gut genug um zu wissen, dass sie nie was umsonst gibt!“, bemerkte er spitz.

„Mein Blut“, flüsterte sie anschließend kaum merkbar.

Ein Schweigen brach über die beiden aus und Neal legte den Kopf in die Hände. Seine Ellbogen hatte er auf seinen Knien abgestützt.

„Nicht gut!“, meinte er ruhig, doch Valeria konnte spüren, dass Wut in ihm aufkochte. Das war das erste Mal, dass sie eine Gefühlsregung ihres Meisters vernahm. Kommt das durch das Mal zustande?, fragte sie sich.

„Warum soll das nicht gut sein?“, fragte sie ihn und legte den Kopf leicht schief, als sie ihn beobachtete.

„Es heißt, dass Engelsblut wahre Schönheit bringen kann. Andere wiederum vermuten, dass es das Leben verlängert. Doch für den Engel ist das ganz und gar kein Vorteil. Wenn du Lilith dein Blut gibst, dann wird dein Leben stetig verkürzt. Ein Tropfen reicht schon aus, um deine Lebenserwartung um ein Jahr zu kürzen. Es soll aber immer unterschiedlich sein. Aber das steht alles nur in Büchern. Ob da was Wahres dran ist, weiß ich nicht so recht. Aber das könnte einer der Gründe sein, warum ihr Engel euch von uns fernhaltet“, erklärte der Rothaarige und ballte die Fäuste zusammen. Erschrocken sah Valeria ihn an. Sie hatte definitiv nichts davon gewusst. In der Engelsschule wurde das auch nicht gelehrt. Wesen, wie sie lebten über Hunderte von Jahren, gar tausende von Jahren, doch nie wurden sie über so etwas aufgeklärt. Warum wohl? Um Panik zu vermeiden? Oder gar, damit es noch immer Gesandte gab, die sich auf der Erde niederlassen? Darüber nachdenkend, fiel ihr auf, dass Neal noch etwas zu sagen hatte. Sie spürte es regelrecht. „Es gibt da aber noch mehr?“

„Ja. Sicher gibt es das! Du bist mein Eigentum! Selbst Lilith hat nicht das Recht sich an dir zu vergreifen! Aber da du ja so unwissend bist, hast du eingewilligt. Sie hat einfach dein Unwissen genutzt, weil sie weiß, dass ich es ihr verbieten würde!“ Neal brüllte sie an. Er war gereizt und hätte seine ehemalige Meisterin am Liebsten geköpfte.

„Das heißt, selbst die Königin darf mir ohne dein Einverständnis nichts antun?“ Valeria schluckte schwer. Hätte sie das gewusst... Was sollte sie nun als Schlimmer empfinden? Die Gefahr hin, ihr Leben auf ungewisse Zeit zu verkürzen oder ihre Unschuld zu verlieren? Sterben wollte sie nicht. Sie hatte einen furchtbaren Drang zu leben und das, obwohl sie aus dem Paradies verbannt wurde.

„Nein. Solange ich nicht einverstanden bin, darf sie gar nichts! Abgesehen von den Gesetzen natürlich. Solange das Wohl des Reiches nicht auf dem Spiel steht, braucht sie meine Erlaubnis. Und die würde ich ihr nicht dann mal geben, wenn ich dich loswerden will!“

„Dieses Sklaven – Meister Bündnis... Kannst du mich darüber aufklären?“, fragte sie etwas leise. Sie war viel zu neugierig, um nicht danach zu fragen. Außerdem konnte sie sich so vom Beischlaf zwischen Mia und Neal ablenken. Nicht, dass sie nicht aufgeklärt gewesen wäre, aber es sah einfach zum Kotzen aus. Und so fühlte sie sich auch.

„Wesen mit Rang und Namen, wie ich, dürfen sich einen Sklaven aussuchen. Eigentlich ist es schon fast Gesetz einen Sklaven zu haben. Wer keinen hat, verliert ganz schnell seinen Ruf. Thronerben dagegen müssen so oder so ein anderes Wesen an ihrer Seite haben. Dieses wird nämlich späterhin als rechte Hand dienen. So wie Lilith mich auserwählt hat ihre rechte Hand zu sein. Und solange ich keinen Sklaven an meiner Seite habe, solange darf ich mit Sicherheit auch nicht König dieses Reiches werden und –“ Neal wurde durch Valerias Gekreische unterbrochen.

„Du wirst irgendwann König sein? Das ist nicht dein Ernst oder?“, verspottete sie ihn. Sie konnte sich ihn als Machthaber überhaupt nicht vorstellen. Er hielt sich doch ebenso wenig an die Gesetze wie sie selbst.

„Ja, das werde ich mit aller Wahrscheinlichkeit. Und, wenn du einen guten Ruf hast, kann es sogar sein, dass ich dich als nächste Königin erwähle. Aber nicht zwingend. Aber darüber kläre ich dich ein andermal auf“, meinte der Dämonenmeister leicht gereizt. Valeria nickte und verstand, dass sie die Klappe halten und zuhören sollte. Was ihr gegen den Strich ging, doch der Schmerz in ihrem Bein hatte ihr das deutlich gemacht. Sehr deutlich.

„Der Ruf eines Dämons oder sonst irgendwelchem dunklen Wesen zeichnet die Rangfolge ab. Ich stehe direkt unter Lilith, weil ich der Thronerbe bin. Abgesehen von mir gibt es drei verschiedene Klassen: Die Klasse der Mächtigen, die Klasse der Bürger und die Klasse der Unsichtbaren. Wer einen guten Ruf hat – und sei es nur, weil er ein guter Arbeiter ist, steigt in die Klasse der Mächtigen. Nicht so einfach, wie es sich vielleicht anhört, denn nur Lilith kann jemanden erheben. Nun, wer sich in dieser Klasse befindet, darf am monatlichen Rat teilnehmen, darf sich einen Sklaven aussuchen und darf über das einfache Volk herrschen. Diese Wesen sind sowas wie Polizisten in der Menschenwelt. Sie haben viel Macht, aber unterstehen noch immer der Königin.“ Der Rothaarige atmete einmal tief durch und streckte sich. Bevor er in seiner Erklärung weitermachte, nahm er seine Pfeife aus seinem dunkelblauen Mantel hervor und stopfte sie mit frisch getrockneten Huumekraut, welches er auch immer bei sich hatte. Dann fing er die Pfeife an und nahm einen tiefen Zug. Valeria sah ihm dabei zu und wollte noch mehr hören. Obwohl sie ihn noch vor einem Monat abgrundtief hasste, konnte sie ihm jetzt wenigstens ein wenig zuhören. Was schonmal ein Anfang war, denn ihre Klappe hielt sie noch lange nicht. Auch, wenn er ihr Meister war, so hatte er noch lange nicht das Sagen!

„Die Klasse der Bürger sind einfache Wesen, die ihrer tagtäglichen Arbeit nachgehen und sich um ihr Leben kümmern. Die Höheren kennen sie nicht und interessieren sich auch nicht sonderlich für sie. Aber es wird nach deren Wohl gehandelt. Immer. Und die Klasse der Unsichtbaren... Tja, das sind so niedere Wesen, die sind es nicht wert in einem Atemzug erwähnt zu werden. Die werden meist beim Stehlen oder sonst irgendwelchen gesetzlosen Aktivitäten ertappt und landen in die Todesschlucht. Die heißt so, weil man als Gefangener dort nie wieder rauskommt. Ist sowas wie ein Gefängnis in der Menschenwelt.“

„Und was hat das jetzt mit den Sklaven zu tun?“, fragte die Flügellose neugierig und überkreuzte ihre Beine.

„Sklaven befinden sich zwischen all diesen Klassen. Sie haben einen Sonderstatus. Sie werden weder beim Namen genannt, noch wirklich beachtet. Sie müssen das tun, was man ihnen sagt und sei es noch das Grausamste. Sie haben praktisch keine Rechte. Boxen sie sich jedoch gut durch und ihnen wird Aufmerksamkeit geschenkt, so kann es sein, dass sie eines Tages wieder frei sein werden. Dann gehören sie automatisch in die Klasse der Mächtigen. Das Ganze hört sich ganz schön fies an, aber glaub mir, Sklaven brauchen nie zu hungern und sonst geht es ihnen gut. Wer seinen Sklaven nämlich gut behandelt, der wird auch reichlich belohnt. In Form von guter Arbeit, versteht sich. Und je weniger ich das Mal benutzen muss, umso besser ist unsere Beziehung“, meinte er beiläufig und lächelte.

Das Huumekraut stank fürchterlich und Valeria hielt schon fast den Atem an. „Ich bin also nur dein Hund?“, meinte sie giftig und von einem Moment zum Anderen wollte sie ihn wieder abgrundtief hassen.

„Genau. Wenn du also brav bist und wir uns verstehen, kann es sein, dass du schneller von mir wegkommst als du denkst.“

„Und wie lange hast du gebraucht bis Lilith dich gehen lassen hat?“

„Zweihundertvierundachtzig Jahre um genau zu sein. Und ich kenne sie nun schon seit dreihundert Jahren.“ Der Dämonenmeister erhob sich und legte die Pfeife auf die Bank. Dann streckte er sich und bot Valeria seine Hand an. „Ich will dir was zeigen!“, meinte er lächelnd. Zögerlich nahm die Gefallene sein Angebot an. Er ging voraus und zog sie hinter sich her, irgendwohin, wo sie noch nie war. Aber noch immer im Garten, wie es schien, denn sie wanderten durch hohes Gestrüpp.

„Ich werde also lange bei dir sein?“, meinte sie seufzend und schüttelte den Kopf. Sie durfte nicht an sowas denken. Laut Neal ging es ihr hier besser als auf der Straße. So zumindest interpretierte sie das.

„Und warum ist dieses Mal was Besonderes?“, fragte sie nun.

„Du, als Gezeichnete, wirst von nun an fühlen, was ich fühle und ich werde fühlen, was du fühlst. Je stärker dieses Band zwischen uns wird, umso ausgeprägter werden die verschiedenen Fähigkeiten sein, die so ein Band hat.“

„Und welche sind das?“

„Wir spüren gegenseitig unsere Gefühle, wir wissen immer wo der andere ist, wir können gemeinsame Zauber entwickeln, die stärker sind als alles was wir je alleine geschafft haben und wir werden unsere eigenen Fähigkeiten entwickeln. Einige können selbst ohne Flügel fliegen, andere werden durch Körperkontakt Visionen haben. Es gibt sogar einige die ihre Gedanken untereinander austauschen können. Das, was am häufigsten vorkommt, ist das Gedankenlesen. Kann gut sein, dass das auch bei uns der Fall sein wird. So, hier sind wir nun!“ Neal machte einen Schritt zur Seite und ließ Valerias Hand los, die er schon die ganze Zeit gehalten hatte. Als sie am hinteren Ende des Gartens angekommen waren, erstreckte sich eine große, dunkle Mauer. Genau vor Valeria befand sich eine Leiter, die sie hochklettern musste. Sie blickte hinauf und fragte sich, was er ihr zeigen wollte.

„Geh nur“, forderte er sie lächelnd auf.

Zögerlich setzte sie einen Fuß auf die erste Sprosse und prüfte die Stabilität. Es schien sicher zu sein und sie kletterte die Leiter hinauf. Als sie oben ankam, blieb ihr fast der Atem weg. Diese angebliche Mauer war so breit, dass sich darauf ein weiterer Garten erstreckte. Er war zwar wesentlich kleiner als der Erste, aber hier wuchs richtiges, saftiges, grünes Gras und hier gab es auch Rosen! Valeria kam nicht mehr aus dem Staunen raus, besonders dann, als sie den Pavillon sah. So weit Valeria erkennen konnte, bestand es aus einem hellen Material, dass sie sehr an Knochen erinnerte. Von diesem ging ein beruhigendes Glühen aus.

„Schön, nicht wahr? Wenn du jetzt ganz rauf gehst, wirst du auch was anderes sehen!“, rief Neal ihr von unten zu, bevor er selbst die Leiter hinaufstieg. Valeria setzte einen Fuß auf das schöne Gras und ging geradewegs auf das zu, was sie noch nicht gesehen hatte. Sie erblickte den Dämonenhimmel, der mit diesem schönen Grün gar nicht mehr so kalt und gefährlich aussah, wie sie es sonst immer wahrnahm. Als sie hinunterblickte, sah sie die Klippen, auf denen das Schloss stand. Und dann, ganz unten, sah sie belichtete Dörfer. Es war ein schöner Ausblick. Irgendwie sah es friedlich aus.

„Das ist meine Welt“, flüsterte Neal ihr zu. „Und nun zu dem, was ich dich schon vorhin fragen wollte: Was wirst du tun? Willst du Lilith dein Blut geben, nachdem du eingewilligt hast oder willst du lieber deine Unschuld verlieren?“ Neal, der das Zwischenspiel mit Mia unterbrechen musste, war nämlich spitz auf sie. Aber das musste sie nicht wissen. Noch konnte sie es nicht fühlen, weil das Band noch zu frisch war.

„Wenn ich jetzt mit dir schlafe... Dann muss ich auch nicht mehr mein Blut abgeben, oder?“, fragte sie zögerlich.

Von Neal kam ein knappes Ja. Valeria, die unschlüssig war wie sie handeln sollte, schloss die Augen. Sie wusste einfach nicht, was sie tun sollte. Am Liebsten würde sie alles hinschmeißen, doch Lilith noch einmal um Erbarmen anflehen würde wahrscheinlich nicht mehr klappen. Sie würde das Eine oder das Andere verlangen. Sollte sie es versuchen? Oder sollte sie sich lieber entscheiden?

„Lilith wird sich sicherlich nicht von deinem Blut abbringen lassen. Du kannst es ja ruhig versuchen, aber dann wird sie wahrscheinlich nur ausrasten und grausam werden. Und wenn du leidest, werde ich mitleiden müssen. Und das nur aus reiner Unfähigkeit“, fügte der Halbdämon ihren Gedanken, die er zwar noch nicht lesen konnte aber nur vermutete, zu.

„Gut, dann bringen wir es hinter uns!“, meinte Valeria entschlossen und ballte die Fäuste zusammen.

Ich werde mich auf ewig dafür hassen!, dachte sie verbittert.

Die Unschuld eines Engels

Langsam strich Neal durch Valerias langes, blondes Haar. Seine Hände zitterten leicht. Die Flügellose war ebenso nervös und zittrig wie er. Obwohl es für den Dämonenmeister nichts Besonderes mehr war, wusste er, dass das irgendwie nicht richtig war. Seine Prinzipien warf er eigentlich nie über Bord, doch dank seiner Meisterin blieb ihm nichts anderes mehr übrig. Er wollte seine Sklavin nicht einfach so aufgeben, indem Lilith ihr Blut trank und dabei ihr Leben nahm. Er hatte all die Jahre so lange auf den passenden Sklaven gewartet und nun hatte er ihn gefunden. Sie aufgeben kam ihm dabei nicht in den Sinn. Langsam strich seine Hand über ihren Nacken und ruhte an der für ihn erotischsten Stelle. Valeria verkrampfte sich. Er spürte, wie in ihr die Angst wuchs. Sie übertrug sich auf ihn und er musste dagegen ankämpfen. Er durfte jetzt nicht kneifen. Sex war für ihn noch immer so leicht gewesen. Sofern der weibliche Part eben genau das wollte. Doch der Engel wollte nicht, auch, wenn ihre Worte ihm etwas ganz anderes vermittelten. Sanft zog der Rothaarige sie zu sich und näherte sich mit seinen Lippen den ihren. Er wahrte einen milimeterlangen Abstand und blickte in ihr Gesicht. Ihre Augen waren geschlossen und eine Träne rann ihr über die Wange. Er brachte es nicht übers Herz. Er konnte nicht.

„Mach schon endlich!“, flüsterte Valeria ihm zu. In ihrer Stimme lag Ekel und Verbitterung.

„Es ist nicht meine Art gegen den Willen einer Frau zu handeln“, hauchte er ihr auf die Lippen. Sie sahen so verführerisch aus, ganz voll und zart schimmernd.

„Uns bleibt nichts anderes übrig.“ Valeria ballte die Hände kurz zusammen und gab sich einen Ruck. Sie drückte sich gegen Neal und deren beider Lippen berührten sich. Der erste Schritt war nun gewagt und den Dämonenmeister konnte nun nichts mehr zurückhalten.

Wir müssen es tun, dachte er sich und küsste sie ganz sanft, damit sie nicht vor ihm zurückschreckte. Es war schon fast ein Kinderspiel, als Valerias Angst plötzlich abebte. Sie wusste nicht, dass Küssen so angenehm sein konnte. Als Neal etwas in die Offensive ging, gab sie sich ihm ganz hin. Das Berühren seiner Lippen war so angenehm. Sie waren hart und weich zugleich, je nachdem wie seine Lippen die ihren liebkosten. Doch plötzlich wanderten Neals Hände über ihren Körper, an Stellen, die nur sie berührte. Ein Kribbeln aber auch Angst durchfuhren sie, als er über ihren Rücken strich. Diese Gefühle wurden intensiver, als er über Hintern und Bauch strich. Seine zarten Hände wanderten nach oben, über ihre handgroßen Brüste und strichen langsam über die Schultern. Ein Feuer entfachte sich in ihr, eine Glut, die bis zu ihrem intimsten Punkt wanderte. In ihrem Kopf und Körper hatte sich plötzlich ein Schalter umgelegt, der ihre Gedanken und Handlungen benebelte. Die Nervosität stellte sich auf Ungeduld um, die Angst auf Erwartungen. Valeria war so in Neals Bann gefangen, dass sie diesen plötzlichen Wandel überhaupt nicht bemerkte. Die Steifheit erschlaffte, ihre Hände wanderten zu seinem Rücken, wo sie sich an seinen Schultern festklammerte. Langsam und bedacht, streifte er ihr schwarzes Sklavenkleid ab und ließ es zu Boden gleiten. Im Dämonenreich war es stets warm. Kälte kannten die Dämonen nicht und mochten sie auch nicht, sobald sie in der Menschenwelt waren. Für eine kleine Zwischenzeit, und wenn diese sich im persönlichen Garten eines Dämonenmeisters abspielte, war die angenehme Hitze stets Willkommen. Neal löste den heißen und innigen Kuss und blickte auf die Flügellose herab. Ihre zarten Knospen schimmerten in einem dunklen Rosaton und standen spitz von ihren perfekten Brüsten ab. Die Blonde schämte sich für diesen Anblick und für einen Moment flackerte der Gedanke des Abbrechens. Doch Neal, der genau spürte, wie sich seine Untergebene fühlte, ging schon wieder in Aktion und beugte sich dem zarten Fleisch zu. Er nahm ihre Weiblichkeit zwischen seine schmalen Fingern und massierte sie. Valeria entwich ein Keuchen und er musste grinsen. Er war nie die Sorte von Mann gewesen, der beim Liebesakt, oder davor, viele Worte übrig hatte. Er nahm eine ihrer zarten Nippel zwischen die Lippen und knabberte daran. Erregt drückte Valeria ihren Körper gegen den seinen. Nie im Leben hätte sie gedacht, dass sowas so gut tun konnte. Ihr Verstand war benebelt, sie war nicht mehr sie selbst.

 

 

Seufzend richtete sich Valeria auf. Ihr Körper war durch und durch von Schweiß getränkt und ihre Beine fühlten sich mehr als zittrig an. Zwischen ihren Beinen schmerzte es höllisch und sie fühlte sich schmutzig. Noch vor einigen Augenblicken, bevor er in sie eingedrungen war, hatte sie sich wunderbar gefühlt. Dann, als der Schmerz eintrat, als das Jungfernhäutchen zeriss, hatte sie aufgeschrieen. Sie hatte abbrechen wollen, doch sie wusste auch, dass es kein Zurück mehr gab. Bevor er kam, hatte er seine Männlichkeit aus ihr gezogen und sich über ihr ergossen. Mit seinen Kleidern hatte er alles abgewischt und sich entschuldigt. Valeria hatte jedoch nur den Kopf geschüttelt und war aufgestanden. Als sie endlich wieder sie selbst war, schämte sie sich für das, was sie getan und empfunden hatte. Neal lag am Boden und musterte sie, während sie sich anzog. Das Mal sah hübsch an ihrem Bein aus, fand er. Dieses erstreckte sich von ihrem Oberschenkel bis hin zu ihrem Venushügel. Auf ihrem Rücken blitzten die Überreste verbrannerte Engelsflügel auf. Mit einem Satz war er hoch. Er schmiegte sich von hinten an sie, drückte sie an sich. Valeria verharrte in ihrer Bewegung und hielt den Atem an.

„Es ist doch vorbei, was willst du?“, fuhr sie ihn bissig an und zog den Rock etwas weiter hoch.

„Ich wollte nur wissen, wie es sich anfühlt, wenn deine verlorenen Flügel sich an mich schmiegen“, gab er ehrlich zurück.

„Und?“, fragte sie ihn nun etwas bissig.

„Es hat etwas Trauriges an sich.“

Valeria antwortete ihm nicht. Warum sollte sie ihm sagen, dass sie ihr Schmerzen bereiteten? Warum sollte sie ihm überhaupt etwas verraten?

„Warum haben sie dir das angetan?“, fragte er nun.

„Weil ich mich nicht an die Regeln gehalten habe. Weil ich schwarze Magie benutzt habe.“

„Und das ist üblich bei Engeln?“

„Nein. Es gibt nur sehr wenige, die eine ungeahnte Magie in sich beherbergen.“ Und sie war eine dieser Wenigen. Und sie hatte von der verbotenen Magie gebrauch gemacht.

„Und deshalb bist du nun hier.“ Neal ließ sie los und half ihr das Kleid hochzuziehen. Er zog den Reißverschluss hoch, der sich seitlich an ihrem Körper befand.

„Und jetzt soll ich glücklich sein?“ Sie drehte sich zu ihm um. Als er in Valerias Gesicht sah, erkannte er eine Mischung zwischen Wut, Trauer und Scham. So viele Gefühle im Gesicht eines Wesens hatte er noch nie gesehen. Diese Empfindungen breiteten sich nun auch in seinem Herzen aus.

„Bist du das denn?“

Valeria schüttelte den Kopf und drehte sich um. Nachdem sie ihre abgenutzten Schuhe anhatte, ließ sie ihren Meister alleine. Obwohl die Beiden sich jetzt so Nahe gewesen waren, fühlte er die Distanz, die sich zwischen ihnen festgenagt hatte. Seufzend ließ er sich zu Boden fallen und legte den Kopf in die Hände. Er hatte nun den Befehl seiner Meisterin befolgt. Es war großartig gewesen, aber um einen hohen Preis. War er den bereit zu zahlen? Die eine Seite stimmte ihm zu und die andere wehrte sich dagegen. Er lehnte sich zurück und griff nach seiner Hose in die er schlüpfte. Kaum, dass er seinen Mantel zwischen den Händen hielt, nahm er ein entsetzliches Schreien wahr. Er rannte in Richtung Leiter, wo der Weg nach unten führte. Von Weitem sah er Valeria, die auf dem Boden lag und in einer schwarzen Aura umhüllt war. Panik machte sich im Dämonenmeister breit.

Der dunkle Traum

Valeria nahm nur am Rande wahr, dass Neal zu ihr hinabstürmte. Seine roten Augen sahen sie bestürzt an.

„Valeria? Was ist mit dir?“ In Neals Frage schwang ein Hauch von Sorge mit. Valeria wollte etwas sagen, doch sie schaffte es nicht. Ihre Stimme war nur ein krächzen. Sie spürte, wie ihr Körper immer schwächer wurde. Etwas zerrte an ihren Kräften – an ihrem Geist. Und sie hatte keine Kraft mehr um sich dagegen zu wehren.

„Valeria!“, versuchte es Neal erneut und hob sie leicht hoch. Schmerzvoll verzog sie das Gesicht. Der Halbdämon tastete ihre rechte Schulter ab. Erneut konnte man ihr den Schmerz im Gesicht ablesen.

„Gebrochen“, stellte er klar fest. Er sah Valeria ins Gesicht. Ihre hellen Augen waren glasig, fast so, als hätte sie Fieber. Noch immer wurde Valeria von der dunklen Aura umgeben. Diese konnte Neal nichts antun, denn seine Seele war so schwarz wie die Nacht selbst. Doch da Valeria kein dunkles Wesen war, verletzte diese Aura sie. Neal schluckte.

„Ich bringe dich hier weg“, flüsterte er ihr leise zu. Dann verlor sie das Bewusstsein.

 

„Wie konnte das passieren, Neal?!“ Lillith schrie ihn mit diesen Worten an. Neal befand sich in ihrem Thronsaal, wie ein treuer Diener, verbeugend. Sein Blick war fest auf die Stufen des Thrones gerichtet. Er spürte förmlich Lilliths Zorn den sie auf ihn niederprasseln ließ wie leichter Regen.

„Es ist einfach passiert, Meisterin. Ihr wolltet doch, dass ich mich mit ihr vereine?“, stellte er nun die Gegenfrage, und wirkte ein wenig trotzig dabei. Als er einen lauten Knall hörte, verschwand dieser Anflug so schnell, wie er gekommen war. Lillith hatte eine schwarze Magiekugel über Neals Kopf explodieren lassen. Das blinde Auge sah ihn erbost an.

„Natürlich wollte ich das! Ich erinnere mich an die Befehle, die ich erteile!“ Ihr Blick wurde eine Spur weicher. „Neal, was hast du mit Valeria gemacht?“

Der Halbdämon grummelte. Er hasste es, wenn er sich verbeugen musste! „Soll ich Euch alle Einzelheiten aufsagen?“

Lillith seufzte genervt. „Nein, hergott nochmal! Ich möchte nicht wissen, wie ihr es getrieben habt.“

Er verkniff sich ein Grinsen.

„Deine schwarze Seele hat diesen Zustand ausgelöst! Nur wegen dir, wird sie nun für unbestimmte Zeit so leiden müssen. Das könnte einen erheblichen Schaden hinterlassen! Und, wenn sie zu nichts mehr zu gebrauchen ist, weißt du selbst, was das für Konsequenzen auf sich zieht!“

„Ich weiß“, antwortete er brav. Seine Stimme klang gleichgültig. Gegenüber Lillith musste er so tun, als würde ihn das Wohl von Valeria nicht interessieren. Sie mochte es nicht, wenn einer ihrer Untertanen einem Sklaven eine Sonderbehandlung gab. Außerdem, sollte Valerias Seele zu viel Schaden nehmen... Er schluckte. Er mochte nicht daran denken. Eine verstörte Seele war schlimmer als eine, die aus dem Gleichgewicht war.

„Nun, da du dir ja deine Fehler bewusst bist, möchte ich nun gerne von dir wissen, wie du nun gedenkst vorzugehen. Möchtest du etwa warten bis Valeria aus ihrem ‘dunklen Traum‘ erwacht?“

Neal schloss kurz die Augen. „Nein. Immerhin brauche ich sie; als meine Sklavin.“

Lillith nickte überschwänglich. „Das verlange ich auch von dir! Da du als mein Berater sowieso Privilegien besitzt, die niemand anderes hat, liegt meine ganze Hoffnung in dir, dass du Valeria zu einer fabelhaften Sklavin erziehen wirst! Immerhin hast du sie ja gegen meinen Willen zu deiner rechten Hand gemacht. Und ich will nicht, dass dieser ganze Stress umsonst ist.“

„Ja, ich weiß dies, Lillith, und ich danke Euch dafür. Ich und Valeria werden Euch nicht enttäuschen.“

 

Es war dunkel, kalt und feucht, so fühlte es sich zumindest in ihrem Kopf an. Valeria konnte sich nicht bewegen. Sie spürte nichts außer dem dumpfen, immer wiederkehrenden Schmerz der sie fest in seinen Klauen hielt. Sie fühlte sich hilflos wie schon seit langem nicht mehr. Sie dachte daran zurück, als sie sich das letzte Mal so gefühlt hatte... Verschwommene Bilder erschienen vor ihrem inneren Auge. Erst waren sie hell, dann gleißend, bevor sie Konturen und Details erkennen konnte. Valeria sah an sich hinab. Ihre Füße waren nackt, dennoch fühlten sie sich auf dem alabasterfarbenen Marmor nicht kalt an. Sie war im Himmel, das wurde ihr sofort klar. Sie trug ein knielanges, weißes Kleid. Sie rannte auf einen Brunnen zu, der in der Mitte des großen, blumenübersäten Platzes lag. Erschrocken strich sie über ihr Gesicht. Sie war wieder in ihren zwölfjährigen Körper zurückgekehrt! Ihr blondes Haar lag auf ihren Schultern und ihr Pony wurde mit einer weißen Blumenspange zurückgehalten, so, dass er ihr nicht andauernd ins Gesicht fiel. Vorsichtig berührte sie das kalte Wasser und spritzte es sich zaghaft ins Gesicht. Sie erwachte nicht aus ihrem Traum; etwas was Valeria erneut vor Angst erschaudern ließ.

„Valeria.“

Die kleine Engelsfrau zuckte zusammen, als sie eine ihr bekannte Stimme hörte. Sie war sanft, doch Valeria spürte den harschen Unterton in ihrer Stimme. Wie lange war es her, als sie diese Stimme zum letzten Mal hörte? Valeria drehte sich langsam um. Ihre Mutter stand vor ihr. Sie war das genaue Ebenbild von Valeria, bis auf ihre Augen: diese waren schwarz wie die Nacht; sehr ungewöhnlich für einen Engel. Valerias Mutter, Catrin, trug eine weiße Rüstung aus edlem Metall, das im sanften Sonnlicht goldfarben schimmerte. Auf ihrer rechten Hüftseite befand sich ein Schwert, dessen Scheide ebenfalls schimmerte. Catrins Gesicht war ebenmäßig und strahlte vor Schönheit. Valeria senkte ihren Blick; sie konnte ihrer Mutter nie lange ins Gesicht sehen. Jedes Mal blendete ihre Schönheit sie.

„Valeria, was machst du hier?“, fragte sie ihre Tochter und ging auf Valeria zu. Die Flügel ihrer Mutter waren eingeklappt, weswegen man sie nicht sah, während sie auf ihre Tochter zuging. Valeria tat es ihr gleich.

„Ich wollte dich noch einmal sehen, bevor du gehst“, gestand sie ihrer Mutter und schämte sich, als sie diese Worte über ihre Lippen brachte.

Catrin kniete sich zu ihrer Tochter hinunter. „Valeria, du weißt doch, dass ich wiederkomme.“

Das Engelskind schluckte schwer, als sich Tränen in ihren Augen anbahnten. „Das weiß ich Mutter, aber bist du wieder da bist, kann das Monate, gar Jahre, dauern.“

Catrin sah ihre Tochter wehmütig an, aber nur für einen Augenblick. Danach wurde ihr Blick ausdrucklos. „Valeria! Du bist ein starkes, kluges Mädchen. Du brauchst keine Angst zu haben. Es ist eine Mission wie jede andere. Ich komme wieder, dass verspreche ich dir.“ Dann wandte sich ihre Mutter von ihr ab und sah zu einem männlichen Engel rüber, der ihr zunickte.

„Wir müssen aufbrechen, Herrin.“

Catrin sah noch einmal ihre Tochter an. „Ich komme wieder, Valeria. Es wird alles gut.“ Dann ging sie endgültig auf ein großes, silbernes Tor zu, dass sich am Ende des Platzes befand.

„Mutter, warte!“, schrie Valeria ihr nach, doch Catrin blickte nicht zurück. Das Tor öffnete sich und sanftes Sonnenlicht schlug ihr und ihren drei Gefährten entgegen.

„Mama!“ Valeria rannte auf sie zu, doch ein paar starke Hände hielten sie zurück. Es war ihr Vater, Eno.

„MAMA!“ Tränen rannten ihre Wangen hinab und tropften auf den weißen Marmor. Die Tür schloss sich mit einem dumpfen Knall, als das Sonnenlicht ihre Mutter und die anderen Engel umschloss. Erschöpft sank Valeria in den Armen ihres Vaters zusammen.

 

Du hast gelogen, all die Jahre lang. Du bist nie zurückgekommen. Du hast mich angelogen! Du hast gesagt, alles wird gut! Nichts wurde gut! Nichts wird je gut sein!

 

Valeria erwachte plötzlich. Ihre Augen schmerzten und starrten starr an die kahle Decke. Sie befand sich einem kleinen Zimmer und lag in einem weichen Bett. Sie erkannte, dass es Neals Bett war. Vorsichtig wollte sie sich aufrichten, doch Neals Stimme hinderte sie daran: „Bleib liegen.“

Der gefallene Engel sah ihn überrascht an. Neals Gesicht war blass, er sah nicht gut aus.

„Wie lange habe ich geschlafen?“, fragte sie ihn und fasste sich an den Kopf. Ihr war übel. Die Folgen ihres Sturzes machten sich erst jetzt bemerkbar.

„Drei Tage. Eigentlich dachte ich, dass der Zustand länger anhalten würde.“

„Was war mit mir los?“, bohrte sie nun nach.

Neal räusperte sich: „Du warst in einem ´dunklen Traum`, wie wir Dämonen das nennen. Dies ist eine Sicherheitsmaßnahme deines Körpers, wenn dieser mit zu vieler schwarzen Magie in Berührung kommt. Was aber nur bei Wesen vorkommt, die eine reine Seite haben. Geschieht dies, schaltet er ab. Es funktioniert wie mit einem dieser menschlichen, technischen Geräte. Überhitzen diese, schalten sie sich ab, bevor sie durchbrennen. Verstehst du?“ Dass aber eventuelle Schäden bleiben konnten, hielt er zurück. Solange er keine Anzeichen entdeckte, bestand auch kein Anlass dazu.

Valeria  atmete tief ein und aus, dann nickte sie.  „Wie konnte das passieren?“

„Während wir den Akt vollzogen hatten muss ein Teil meiner schwarzen Magie auf deinen Körper übergegriffen haben. Den Rest habe ich dir ja soeben erklärt.“

Valeria spürte, wie ihr Mageninhalt sich einen Weg nach oben bahnte. Sie drehte sich weg und übergab sich direkt auf den kalten Steinboden. Nur wenige Milimeter neben Neals kostbaren Teppich aus Dämonenkatzenhaar. Neal verzog angewidert das Gesicht. Als Valerias Magen leer war, richtete sie sich wieder auf.

„Warum hast du mir nicht gesagt, dass das passieren kann?“, zischte sie ihm nun wütend zu.

„Ich dachte, es sei nicht wichtig, und außerdem; so schlimm ist es nun auch wieder nicht.“

Valeria knirschte mit den Zähnen. „Natürlich ist es nicht wichtig, es geht ja nur um meine Gesundheit, richtig?“

Neal murrte etwas. Er stand auf. „Ich gehe wieder. Da du wieder wach bist, kann ich meiner regulären Arbeit wieder nachgehen.“

„Hast du dir überhaupt Sorgen um mich gemacht?“, fragte sie ihn nun.

Der Dämonenmeister blieb stehen und sah sie misstrauisch an. „Nein, warum sollte ich mir auch Sorgen um dich machen? Du bist eine Sklavin; ein Ding, dass austauschbar ist.“ Nach diesen Worten ging er und die Tür fiel zu. Valeria schnaubte wütend und sah auf den Boden, wo die Reste ihres letzten Essens lagen.

„Wie immer ist von dir keine Hilfe zu erwarten, Neal“, murmelte sie und ließ sich rücklings aufs Bett fallen, wo sie die Augen schloss und an ihre Mutter dachte.

Erziehungsbedürftig

Die ganze Nacht über war Neal mit seinen Gedanken woanders. Trotz der vielen Arbeit, die auf seinen Schultern lastete, dachte er immerzu an seine Sklavin. Er musste gut auf sie aufpassen, denn ein weiterer Dunkler Traum würde ihrer Seele nur schaden. Außerdem durfte er sich nicht anmerken lassen, dass er sich um sie sorgte. Seufzend nahm er das Trinkgeld von der hübschen Dunkelhäutigen entgegen, die mit aller Macht versuchte den Dämonenmeister um den Finger zu wickeln.

„Du bist ein sehr hübscher Vampir, Carra, doch leider ist mir heute nicht nach Spaß zumute. Lilith ist nicht gerade von meiner Arbeit angetan und droht mir die schrecklichsten Qualen, wenn ich mich weiter aus dem Geschäft zurückziehe. Ich hoffe, du kannst das verstehen?“, fragte er die kleine Dunkelhäutige, die ihn aus goldenen Augen erregt anstarrte. Als seine Worte in ihr Gehör drangen, zogen sich ihre Mundwinkel nach unten und sie seufzte.

„Ein anderes Mal, ja? Versprich es mir!“, bettelte sie und zeigte dabei ihr verführerischtes Lächeln. Ihre Fangzähne blitzten kurz auf und Neal wusste was es bedeutete, wenn diese sich in sein Fleisch gruben. Für ihn war es die höchste Ekstase während seines Höhepunktes Blut abgesaugt zu bekommen. Doch an diesem Abend war ihm jegliche Lust vergangen. Was nur an Valeria lag.

„Gut, ein ander Mal. Aber jetzt lass mich bitte arbeiten, ja? Liliths Zorn kann richtig unheimlich sein. Wir beide wissen, wovon ich spreche!“

Carra nickte kurz und verschwand dann mit einem Lächeln. Sie hatte sich in denen wenigen Sekunden, wo sie sich von Neal abgewandt hatte, schon einen anderen geangelt. Dieser Vampir ließ nie etwas anbrennen. Manchmal war sie sogar aufdringlicher als Mia.

 

Der Morgen brach langsam an und nach getaner Arbeit schlenderte Neal in Richtung Palast. Als er die riesigen Tore erreichte, die von hässlichen, grünen Orks bewacht wurden, atmete er einmal tief ein und ging, ohne nach Luft zu schnappen, an ihnen vorbei. Ihr Geruch war dermaßen ungenießbar, dass einem die Übelkeit überkam. Besonders zur Schlafenszeit schienen sie umso mehr zu stinken.

„Guten Morgen, Meister Neal!“, gaben die großgewachsenen Kreaturen von sich und Neal nickte ihnen nur höflich zu. Er verschwand so eilig es ging ins Innere des Gebäudes und holte tief Luft ein. Er musste dringend mit Lilith über die Wächter sprechen. Das hielt keine Dämon aus, befand er. Vor seiner Zimmertür blieb Neal stehen. Den heutigen Tag über hatte er Valeria nicht zu Gesicht bekommen, da er die ganze Zeit unterwegs war. Es kam ihm sogar gelegen, denn der gefallene Engel sprach kein Wort mehr mit ihm. Dies ging nun schon seit vier Tagen so und er konnte nichts an dieser Situation ändern. Sie schlief sogar freiwillig auf dem alten, ausgenutzten Sofa, welches der Dämonenmeister nun schon über einem Jahr zu ersetzen versuchte. Doch die mangelnde Zeit erlaubte es ihm nicht. Heute Abend war es wieder so. Valeria lag auf dem Sofa, hatte sich in die Decke eingekuschelt und schlief tief und fest. Normalerweise, wenn er zurück kam versuchte sie das Bett für sich zu beanspruchen und er gewann den Kampf gegen sie. Doch heute, wie die letzten Tage, war dem nicht so. Der Rothaarige ging auf sie zu und begutachtete sie eine Weile. Er war ziemlich hart zu ihr gewesen, aber so war es wohl am Besten. Lilith duldete einfach keine freundschaftlichen Beziehungen zu einem Sklaven. Immerhin waren diese im Rang untergeordnet. Und das natürlich nur Offiziell, denn man konnte nicht immer ein Auge auf jeden werfen. Seufzend schlüpfte Neal aus seinen Kleidern und schmiss sie achtlos zu Boden. Nur im Boxershort bekleidet, stieg er ins Bett und warf die Decke über sich. Seine Augen fielen rasch zu und das letzte, woran er dachte, war, dass es schön wäre, jemand anderes neben sich liegen zu haben.

 

„Ihr habt mich rufen lassen?“ Neal verbeugte sich tief vor seiner Meisterin und wartete auf ihr Zeichen, damit er sich erheben konnte. Valeria stand mit etwas Abstand hinter ihm und tat ihm alles nach. Sie war nicht besser gelaunt als gestern und gab sich auch nicht die Mühe dies zu verbergen.

„Nun, da du deine Sklavin schon eine Weile bei dir hast, du meiner Bitte nachgegangen bist und sich kein weiterer Vorfall ereignet hat, denke ich, dass es an der Zeit wird, ihr Erziehungsstunden zu geben. Naiche wird sie mit offenen Armen empfangen. Bald ist die Ratsitzung und da sollte sie wissen, wie sie sich unter Höhergestellten zu benehmen hat,“, meinte Lilith knapp und warf ihr langes Haar zurück.

„Ja, Meisterin. Wann sollen ihre Stunden anfangen?“, fragte der Dämonenmeister müde. Das würde bedeuten, dass er sie noch weniger sah, als im Augenblick. Er verstand nur nicht, warum ihm das so gegen den Strich ging!

„Sofort! Naiche wartet am Blutbrunnen auf dich. Alles Weitere kannst du mit ihm besprechen!“ Mit einer lässigen Handbewegung gab sie ihm zu verstehen, dass er gehen durfte. Neal richtete sich auf, ebenso wie Valeria, und verbeugte sich vor ihr, dann verschwand er aus dem Thronsaal.

 

„Die monatliche Ratsitzung...“, murmelte Neal gedankenverloren und schlenderte hinaus in die Dämonenwelt. Diese Sitzung war in weniger als zehn Tagen, nämlich am Ende jedes Monates. Und dann wurde das langweiligste Zeug diskutiert. Darüber musste er Valeria auch noch unterrichten. Doch im Augenblick galt es ihr Manieren beizubringen. Sie passierten die Orks, die sie mit einer höflichen, grunzenden Kopfbewegung begrüßten und setzten ihren Weg fort, nachdem beide großzügig nach Luft geschnappt hatten. Valeria hatte einige Fragen auf der Zunge, doch sie hatte sich fest geschworen nur dann mit Neal zu sprechen, wenn dieser sich entschuldigt hatte. Sie war wütend auf ihn und sie ließ es in allen Punkten raus.

Sie kamen nach einem Fußmarsch von fünfzehn Minuten am Blutbrunnen an, wo Naiche wartete. Der jungaussehende Schattenelf erwartete die beiden schon ganz geduldig. Seine blauen Augen durchbohrten Valeria und sie zuckte leicht zusammen. Neal blieb einige Meter von Naiche stehen, lächelte aber nicht. Der gefallene Engel konnte eine Feindseeligkeit zwischen den beiden ausmachen, die beide mit einem gespielten Lächeln runterschluckten. Dies machte sie erst recht neugierig, doch sie wagte nicht nachzufragen um schon am ersten Tag ein schlechtes Licht auf sich zu werfen. Den Wesen der Dämonenwelt war nämlich nicht über den Weg zu trauen.

„Guten Morgen, Neal!“, meinte Naicha fröhlich und verbeugte sich, wie es die Rangordnung verlangte. Sein gewelltes dunkelblaues Haar, welches er nach hinten frisiert hatte, sah heute besonders ölig aus. Viele weibliche Dämonen liebten solche schmierigen Haaren. Aus welchen Gründen auch immer. Neal rümpfte die Nase und unterdrückte seine Gedanken. „Morgen, Naicha. Hier ist meine Sklavin. Bringe ihr alles bei, was du schon vielen anderen beigebracht hast. Wann soll ich sie abholen?“, fragte er gelangweilt und blickte dabei den Schattenelf verhasst an. Nur zu gerne würde der Halbdämon ihm die Klinge durch die Kehle rammen.

„Die ersten Stunden werden bis zu Mittag reichen. Somit kann ich beurteilen ob sie lernfähig ist oder nicht“, meinte Valerias Lehrer lässig. Die Blonde ließ sich diese Worte nicht entgehen und schnappte nach Luft.

„Wie bitte? Glaubst du etwa, ich sei nicht lernfähig?“, fuhr sie den Elfen mit der leicht schwarzen Haut an.

„Ein loses Mundwerk hat sie ja schon. Ich denke, da wird viel Arbeit nötig sein. Aber was soll man da sagen? So der Meister, so der Sklave!“ Naicha grinste wissend und musterte dabei den Dämonenmeister, der seine Hände zu Fäusten ballte.

Er hasste ihn! Am Liebsten würde er ihm einen Schlag mitten ins Gesicht verpassen. Noch mit etwas schwarzer Magie verstärkt, damit es auch richig wehtat. Doch stattdessen sagte er: „Nun, du bist ja die härteren Fälle gewohnt, von daher überlasse ich sie in deiner Obhut.“ Er drehte sich auf dem Absatz um und ließ seine Sklavin mit ihm alleine. Die Gefallene blickte ihrem Meister eine Weile lang hinterher und sammelte noch mehr Wut. Wie konnte er einfach gehen!? Sie fand es nicht angebracht, dass dieser sich nicht einmal verabschiedete! Er ließ sie einfach mit einem Unbekannten mitten im Nirgendwo stehen. Neben einem riesigen Brunnen, aus dem Blut quoll, war weit und breit nichts anderes zu sehen. Der ausgetrocknete Boden ließ kein Leben gedeihen und, wenn hier und da ein paar Bäume standen, dann waren die ausgedörrt und schwarz wie die Nacht. Nur etwas weiter weg erkannte sie die Umrisse eines Gebirges, die des Palastes und die einer Stadt. Es war, als wäre hier eine Art Treffpunkt, sollte man in eine bestimmte Richtung wollen.

„Gut. Dann stelle ich mich einmal vor: Ich bin Naicha, Schattenelf hohen Ranges, aber noch immer Neal untergeordnet und von heute an dein Lehrer. Wie ist dein Name, Sklavin?“ Er verschränkte die Arme ineinander und umrundete sie um sie besser begutachten zu können.

„Valeria!“, gab sie trotzig zurück und hob ein wenig das Kinn um ihm zu zeigen, dass sie nicht unter Kontrolle zu bringen war. Doch ihre Haltung schien ihn wenig zu kümmern.

„Valeria... Sehr interessanter Name. Lilith hat mir erzählt, dass ich mich einem gefallenen Engel annehmen werde. Du stinkst gar nicht nach einem. Vielmehr riechst du so, als wärest du schon lange eine von uns!“, bemerkte er spitz und blieb wieder vor ihr stehen.

„Nur, weil ich nicht nach Himmel rieche, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht zur dessen Bewohnerin gehöre!“

„Aber das ist nun passé, Sklavin! Von heute an wirst du dich Regel fügen müssen, ob es dir passt oder nicht. Für jede Regel, die du verletzt, werde ich dir Hiebe austeilen. Und glaube mir, ich verschone dich nicht!“ Lächelnd zauberte sich der Elf eine Peitsche mit kleinen Dornen herbei. Valerias Blick weitete sich und sie musste schlucken, als sie das Werzkeug anblickte. Sie konnte den Schmerz jetzt schon spüren. Aber sie wollte standhaft bleiben und sich nicht wie eine Sklavin behandeln lassen. Immerhin wurde sie unfreiwillig in diesen Status gebracht. Und um Neal noch mehr Schande zu bereiten, würde sie alles in Kauf tun. Nur damit sie ihrer Wut freien Lauf lassen konnte.

„Na, dann fangen wir an!“

 

„Und du lässt dir das gefallen?“

Neal sah auf und warf Mia einen argwöhnischen Blick zu. Er hatte nicht bemerkt, dass sie in sein Arbeitszimmer gestürmt war. Wie immer war sie sehr aufreizend gewesen in ihrer Kleiderwahl: Ein viel zu engeschnittenes, rotes Top mit einer eingenähten Goldkette, eine schwarze Lederhose, die knapp unter ihrer Hüfte den Anfang nahm und hohe, gleichfarbige High Heels. Ihr Haar trug sie offen. Dem Dämon entging nicht, dass sie stark nach dem beliebtesten Parfüm der Dämonenwelt roch. Neal seufzte und richtete sich ein wenig auf seinem Schreibplatz auf.

„Was soll ich mir gefallen lassen?“, fragte er sie und streckte sich. Er war müde. Am liebsten würde er sich hinlegen, doch wenn Lillith dahinter kam, dass er lieber faulenzte statt zu arbeiten, würde sie ihrer Wut freien Lauf lassen.

„Dass Naicha Valeria unterrichtet! Wieso lässt du dir das gefallen? Du hasst ihn sosehr, Neal. Hast du keine Angst, dass er sie gegen dich ausspielt? Zuzutrauen wäre es ihm.“ Mia verschränkte die Arme so vor der Brust, dass ihre Brustwarzen sich an ihrem Top abzeichneten. Neal dagegen sah ihr strikt ins Gesicht. Mia würde sich nicht ändern …

„Natürlich gefällt es mir nicht, aber was soll ich tun? Lillith ist im Augenblick nicht gut auf mich zu sprechen, wie du weißt. Ich werde mich sicher nicht gegen ihre Entscheidung stellen. Mein Kopf würde schneller rollen als mir lieb ist. Und außerdem: Valeria tut die Erziehung durch Naicha sicher gut. Er hat bis jetzt alle zu höflichen, zuvorkommenden Wesen erzogen“, erklärte er ihr und rümpfte die Nase.

Mia begann laut aufzulachen. „Ha! Du glaubst doch nicht selbst an deine eigenen Worte?! Neal, willst du mich veralbern?“

Neal massierte sich die Schläfen. War Mias Stimme schon immer so schrill? „Mia, komm runter. Was regst du dich überhaupt so darüber auf? Valeria ist MEINE Sklavin. Misch dich nicht ständig in meine Angelegenheiten ein.“ Er wandte sich nun von ihr ab und widmete sich wieder seiner Arbeit, die aus unzähligen, losen Pergamentblättern bestand, zu.

Mia schnaubte. Sie drehte sich um und ging zur Tür. Dort aber verharrte sie. Über die rechte Schulter sah sie ihn an. „Neal. Ich mag dich, und daher mache ich mir Sorgen um dich. Naicha war nicht gut für dich; er wird es für Valeria auch nicht sein.“ Dann ging sie endgültig. Die Tür fiel ins Schloss und Neal sank in sich zusammen. Der Dämonenmeister war mit seinem Latein am Ende.

Warum kannst du nicht die Klappe halten!?

 

Valeria hatte die Lippen zu einem verbissen Lächeln verkrampft. Sie saß am Brunnenrand und sah Naicha gehorsam an. Die Peitsche in seinen Händen machte sie leicht mulmig.

Ich will nicht wissen wie es ist sie auf meiner Haut zu spüren.

Naicha entging nicht der Blick, dem sie seiner ‚Waffe‘ ab und zu zuwarf. Der Erzieher wartete nur darauf endlich Angst in ihren Augen zu sehen. Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg.

„Nun, Valeria. Du warst heute eine sehr geduldige Schülerin. Ein wenig Schade darum. Zu gerne hätte ich meine Peitsche an dir ausprobiert.“ Um seinen Worten Druck zu machen, tätschelte der Elf  sein Schmerzwerkzeug.

Sieht fast so aus, als würde er seine Geliebte betatschen, dachte Valeria und begann unwillkürlich zu grinsen. Naicha entging dies nicht. Eine steile Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen.

„Hast du mir etwas zu sagen, Valeria?“

Die Sklavin sah ihn verwundert an. „Nein. Ich wüsste nichts … Herr.“ Das letzte Wort sprach sie langgezogen aus; spöttisch. Naicha ließ die Peitsche vorschnellen und streifte Valerias rechten Arm. Die Sklavin biss die Zähne zusammen, als die spitzen Zacken sich in ihr Fleisch gruben. Die Wunde brannte wie Feuer und sofort quoll Blut. Es tropfte auf ihr schlichtes, weißes Kleid, welches die rote Flüssigkeit sofort aufsog und einen irritierenden Fleck hinterließ. Die Flügellose spürte, wie ihre Wangen heiß wurden und Tränen des Schmerzes sich ihren Weg nach oben bannten. Doch schnell schloss sie die Augen; sie würde nicht vor dem Schattenelf weinen!

„Du hast eine Regel vergessen, Valeria: Lüge mich nicht an!“, sprach Naicha hart zu ihr und in seinem Gesicht zeigte sich kein Spur von Mitleid. Die Peitsche hatte er wieder zusammengerollt. Valeria wunderte sich plötzlich, warum an deren Dornen kein einziger Tropfen Blut zurückgeblieben war. Sie fragte sich, ob sein Machtwerkzeug sich am Blut anderer ergötzte. Doch ihre Gedanken wurden von einer vertrauten Stimme unterbrochen und sie drehte sich um.

„Valeria!“ Neal trat auf die beiden zu. Sein Gesicht zeigte keine Regung. Seine Augen hingegen sprachen Bände. Diese starrten Valeria entsetzt an. „Was hast du getan?“, fragte er sie zischend.

„Ich war ungehorsam“, antwortete sie ihm und klang dabei nicht gerade unterwürfig. Neal sah nun Naicha an.

Der Elf zuckte mit den Schultern. „Du weißt doch: Strafen sind erlaubt.“

Der Halbdämon nuschelte irgendetwas, dann wandte er sich Valeria zu. Provisorisch riss er einen Stofffetzen von ihrem Kleid ab und verband damit die blutende Wunde. Er wusste was diese Dornen alles anrichten konnten und es war an der Zeit seine Sklavin für ein und alle Mal aufzukären. Doch vorerst mussten sie hier weg. Er streckte ihr die rechte Hand entgegen. „Komm mit.“

Ein Nichts

Valeria hielt immer noch Neals rechte Hand umschlossen, als sie durch die Gänge des Palastes eilten.  Die Flügellose war ruhig, ungewöhnlich ruhig wie er fand. Ihre Hand war kalt und schlaff. Auch ihre Schritte waren zögernd. Er hatte das Gefühl, dass sie nur widerwillig mit ihm ging. Der Dämonenmeister biss sich auf die Unterlippe. Er war wütend auf Naicha. Obwohl ihm von Anfang an klar war, dass dies so kommen würde, hatte er nicht wirklich damit gerechnet, dass der Schattenelf sie schon in ihrer ersten Stunde bestrafte. Doch Naicha war unberechenbar und tat stets das, was ihm in den Sinn kam. Neal öffnete mit seiner freien Hand die Tür zu seinem Gemach. Dort steuerte er auf sein Bett zu, auf das er Valeria sanft lotste.  Die Sklavin wirkte wie in eine Starre versetzt. Ihr Blick war leer.

„Valeria?“, fragte er sie vorsichtig und ging vor ihr in die Knie. Er nahm ihre Hände in seine und streichelte diese sanft. „Valeria?“, fragte er sie erneut und seine Stimme klang nun harsch. Plötzlich kam wieder Leben in die Jüngere. Ihre Augen blickten nun direkt in sein Gesicht.

„Was ist passiert?“, fragte sie ihn und schüttelte fassungslos den Kopf. Neal verstand; sie stand unter Schock.

„Naicha hat dich mit seiner Peitsche verletzt. Die Wunde sieht bösartig aus und blutet stark, doch sie wird gut verheilen.“ Dabei zeigte er auf den roten Fleck, der durch den provisorischen Verband sickerte. Valeria löste ihre Hände aus seinen und betastete den in blutgetränkten Stoff.

„Oh Gott!“

Neal lächelte schief. „Es sieht wirklich schlimmer aus als es ist.“ Nach diesen Worten stand er auf und steuerte auf seinen Schreibtisch zu. Aus der Schublade holte er ein kleines hölzernes Kästchen hervor. Mit diesem ging er zu Valeria und auf dem Bett öffnete er es. In diesem lagen mehrere Verbände, eine kleines Gefäß mit einer klaren Flüssigkeit, Watte und ein Klebemittel. Valeria beobachtete Neal aufmerksam.

„Ich verbinde dich jetzt richtig“, erklärte er ihr mit einem galanten Lächeln. Mit einem kleinen Messer trennte er den Verband von ihrem Arm und ließ ihn auf den Boden sinken. Valeria besah sich die Wunde und verzog das Gesicht. Es sah hässlich aus, aber Neal hatte Recht, sie war nicht besonders schlimm. Dann nahm er ein Stück Watte und das Gefäß heraus. Er tunkte ein Ende der Watte in den Behälter, bevor er damit über Valerias Wunde strich. Schlagartig verkrampfte sie sich und umklammerte instinktiv Neals linken Oberarm. Es schmerzte höllisch. Neal hob seine linke Augenbraue.

„Was hast du?“

„Es brennt wie Feuer! Was ist das?“, antwortete Valeria ihm und unterdrückte einen Fluch.

Neal grinste. „Das ist eine desinfizierende Lösung. Sie ist dafür da, dass deine Wunde sich nicht verunreinigt. Wenn sie sich nämlich entzündet, dann könnte es sein, dass man dir den Arm entfernen muss“, erklärte er ihr und wiederholte die Prozedur noch einmal. Diesmal fluchte Valeria und Neal räusperte sich.

„Tut mir leid“, nuschelte Valeria die Entschuldigung.

„Kennst du so etwas in deinem Himmel nicht?“, wechselte Neal nun das Thema.

„Nein. Bei uns gibt es auch nicht so etwas wie Krankheiten. Selten verletzen wir uns, daher haben wir kaum Möglichkeiten bei solchen Vorfällen zu reagieren“, erklärte sie ihm.

„Außer mit Verbannung“, fügte Neal hinzu und seine roten Augen durchbohrten sie.

Valeria wandte ihren Blick von ihm ab. „Es war ein Versehen.“

„Ein Schwerwiegendes.“

Valeria rollte mit den Augen. Sie wollte nicht mehr darüber reden!

„Wir haben auch einen Rat, so wie ihr“, fing Neal nun an, „Er kümmerte sich alles.“

„Gibt es auch solche Fälle wie mich unter den Dämonen?“

Neal schüttelte den Kopf und legte, zu Valerias Glück, das Wattestück zur Seite und schmierte eine weiße Paste auf ihre Wunde. Ein kühlendes Gefühl breitete sich in Valerias Arm aus und sie wurde urplötzlich müde. „Nicht direkt. Der Rat behandelt mehr Probleme die die ganze Gemeinschaft angeht. Wie zum Beispiel die Lebensmittelverteilung, das Beschaffen neuer Wohnungen für die Dämonen und ihre Sklaven, Geldprobleme und noch viele andere Dinge“, erklärte er ihr und verpackte inzwischen die Wunde unter dem Verband. Als er fertig war, schnitt er den Verband ab und verknotete das Ende. „Fertig.“

Valeria betrachtete das Werk. „Danke.“

Neal stand auf und räumte das Kästchen wieder weg.

„Wie viele Mitglieder gibt es in diesem Rat?“, fragte sie nun neugierig. Der Dämonenmeister lächelte. „Vielleicht solltest du Naicha fragen, immerhin ist er ja von nun an dein Lehrer.“

Valeria schnaubte. „Genau. Ich werde ihn fragen, nachdem er mich verletzt hat.“

„Was ist überhaupt passiert?“, fragte der Dämon nun neugierig. Er wusste immer noch nicht, was zwischen ihr und Naicha passiert war.

„Ich war ein wenig … frech?“, versuchte sie das richtige Wort zu finden. Neal überraschte dies nicht wirklich. Er hatte auch nicht erwartet, dass sie sich in ihrer ersten Unterrichtsstunde vorbildlich verhielt.

„Warst du frech oder frech?“, fragte er sie und betonte die Wörter unterschiedlich.

„Eher das Zweite“, gestand sie und lächelte schwach.

„Typisch. Ich hoffe, du hast deine Lektion gelernt. Naicha ist kein so gutmütiges Wesen wie ich. Du solltest ihn nicht zu oft reizen.“

Valeria wollte etwas antworten, aber sie begann lautstark zu gähnen und rieb sich müde die Augen.

„Leg dich hin. Es war ein harter Tag für dich.“

Valeria wollte nicht schlafen, immerhin war es ja noch hell draußen! Doch Neal hatte Recht, der Tag heute war nicht gerade leicht gewesen. Sie hörte auf, gegen den Drang anzukämpfen die Augen offen zu lassen und schlief dann in Neals Bett ein.

 

Naicha zog die Augenbrauen hoch. „Du möchtest mehr über den Rat erfahren?“, fragte er sie und spielte geistabwesend mit seiner Peitsche.

Valeria, die am Rand des Brunnens saß, nickte. „Ja. Das möchte ich.“

Naicha legte den Kopf leicht schief. „Es ist schwer das zu erklären. Du solltest dir den Rat lieber selbst ansehen.“

Valeria rümpfte die Nase. Von wegen Naicha würde ihr die Fragen beantworten!

„Ich kann dir aber etwas anderes erklären, wenn du willst“, sprach der Schattenelf nun zu ihr.

Valeria nickte schließlich. Besser als nichts.

Naicha räusperte sich: „Es gibt vier verschiedene Ränge unter den Sklaven: Rang Null, Rang Eins, Rang Zwei, Rang Drei und Rang Vier. Weißt du davon?“

„Nein. Neal hat zwar so etwas erwähnt, doch er ist nicht genauer darauf eingegangen.“

Der Elf hob die Stimme und begann: „Rang Null ist das, was du verkörperst: Ein Nichts und Niemand.“ Dabei sah er Valeria spöttisch an. Die Engelsfrau aber hielt seinem Blick stand. Sie wusste was sie war, das brauchte er ihr nicht zu sagen.

„Rang Eins trägt den Namen ‚Niederes Wesen‘. Du wirst offiziell als Sklavin anerkannt und darfst nicht mehr mit deinem Namen angesprochen werden, egal ob es deinMeister ist oder nicht. Dazu darfst du dir mit deinem Meister zusammen einen Edelstein aussuchen, der deine dunklen Fähigkeiten fördern soll. Rang Zwei bedeutet, dass du eine Bürgerliche bist. Du genießt mehr Privilegien und dein Meister darf dir teure Kleidung schenken. Die natürlich seinen Geschmack trifft. Bei  Rang Drei wird man dich als Mächtiges Wesen bezeichnen. Du darfst ohne Neal überall hin und auch niedere Sklaven gehorchen dir. Rang Vier  ist der Höchste von allen. Du bist dadurch eine Königliche und kannst dir von nun auch selbst einen Sklaven zulegen. Du kannst die Freiheit erhalten, wenn Neal dies wünscht und alles, was du von ihm erlernt hast, darfst du an andere weitergeben.“

Valeria hatte ihm aufmerksam zugehört. „Welchen Rang bekleidet Ihr?“, fragte sie ihn nun direkt.

Naicha lächelte böse. „Rang Vier. Aber ich wurde schon vor langer, langer Zeit freigestellt.“

Eigentlich hätte sie sich das denken können. Naicha lächelte immer noch.

„Wie kann ich auf Rang Eins aufsteigen?“

Naicha grinste nun. „Das kommt ganz darauf an, wie du dich anstellst. Wenn du mir gehorchst und alles tust was Neal von dir verlangt, dann lass ich dich aufsteigen.“

„Hört sich ganz einfach an.“

Der Elf verkniff sich nun ein Lachen. „Ich werde es dir nicht leicht machen, Himmelsbrut.“

Valeria nahm plötzlich Hufschritte war und vergaß Naichas harte Worte. Ein Pferd hier im Dämonenreich? Ihr Kopf schnellte nach links und sie starrte die Wesen mit großen Augen an. Der Mann hatte rote Augen, genau wie Neal. Sein Oberkörper war nackt und war leicht gebräunt. Sein braunes Haar reichte knapp auf seine Schultern. Doch als Valeria an ihm hinunter blickte, erschrak sie. Statt Beine hatte der Mann zwei lange, ziegenbockartige Beine, die mit hellbraunem Fell bedeckt waren. Hinter ihm eilte seine Sklavin, die Bücher trug. Wie ihr Meister, hatte sie ziegenbockartige Beine, die jedoch Kirschblütenrosa waren. Sie trug nur ein  pinkes Bustier an dem Ketten runterhingen. Ihre Hüften waren mit silbernem Schmuck bedeckt und am Bauchnabel erkannte Valeria ihr Sklavenmal, welches wie eine Sonne aussah. Sie hatte ebenso rote Augen wie ihr Meister und kurzgeschnittene, kirschblütenrosafarbene Haare. Sie wirkte sehr ernst. Die Hufen klackerten als sie auf Naicha zurannten. Das männliche Wesen sah gehetzt aus. Er verneigte sich schnell vor dem Elf. Die Frau tat es ihm gleich.

„Was gibt es, Manoha?“, fragte dieser ihn unbeeindruckt. Valeria starrte ihn immer noch an. Was war das nur für ein Wesen?

„Herr, Meisterin Lilith beruft den Rat früher ein als vereinbart. Ihr sollt bitte mit mir mitkommen“, sprach Manoha und seine Augen huschten zwischen ihm und Valeria hin und her.

Naicha nickte. „Gut. Ich komme.“ Naicha wandte sich nun Valeria zu. „Das ist Manoha, ein Satyr. Er ist ebenfalls im Rat. Und das ist seine Sklavin, Amalthea. Sie beinhaltet den dritten Rang, also hast du ihr zu gehorschen! Sag Neal Bescheid, dass er mir nachkommen soll“, befahl er Valeria bevor er Manoha folgte. Die Satyre blickten Valeria kurz an, erkannten welchem Rang sie zugehörte und beachteten sie weiter nicht. Sie drehten ihr den Rücken zu und ließen die Engelsfrau alleine zurück.

Der Rat


 

Kapitel 13 – Der Rat
 

 

 

Die Unruhe, die im Versammlungsraum herrschte, war kaum zu übersehen und zu hören. Valeria saß mit Neal direkt neben Lilith, deren Schwanz wild hin- und herpeitschte. Der blonde Engel umsah sich und fühlte sich nicht wohl bei der Ratssitzung. Neal fühlte ihr Unbehagen und beugte sich flüsternd zu ihr: „Beruhige dich, alles wird gut. Das Einzige, was du tun musst ist, aufzuschreiben, was hier gesagt wird. Eigentlich musst du nur das aufschreiben, was mir zufällt. Die anderen Sklaven werden das genauso machen. Dich beachtet niemand!“

Als ob dies die Engelsdame beruhigen würde. Sie seufzte und starrte das weiße Pergament an. Neben diesem lag ein zugeschraubtes Fässchen, in welchem sich Tinte befand. Eine Schreibfeder, die eindeutig von einem Engel stammte, lag daneben und wirkten schon so abgenutzt, dass Valeria kaum noch die Federn erkennen konnte. Unter dem Tisch aus schwarzem Holz ballte Valeria ihre Hände zusammen. Sie wusste schon im voraus, dass sie Ärger bekam. Immerhin konnte sie nur in Engelsschrift schreiben. Die Schrift der Dämonen hatte sie nämlich noch nicht erlernt. Seufzend legte Neal eine Hand auf ihre Schulter und lenkte sie ab.

„Du willst sicherlich wissen wer all diese Leute sind, nicht?“, fragte er und nickte kaum merklich in die Runde hinein.

„J-Ja...“, flüsterte Valeria und blickte kurz zu Naicha, der auf der anderen Seite neben Lilith saß und nachdenklich die Hände zusammenfaltete. Sie wunderte sich, warum er keinen Sklaven besaß.

„Nun, die Frau neben dir“, dabei deutete Neal auf die schräge Frau in Grün neben Valeria, „Heißt Carmela. Sie ist Chitangas Sklavin, Rang Zwei. Hüte dich vor dem Kürbiskopf, denn sie kann furchtbar unheimlich werden.“ Wie aufs Stichwort kicherte Chitanga in einer viel zu schrillen Stimme. Neal nannte sie Kürbiskopf, weil sie praktisch einer war. Ihre Haare waren zu einem kurzen Bob geschnitten und Knallorange. Mittig, oben am Kopf wuchs ein grüner Stängel, an dem ein Blatt umherflatterte. Ihre Augen waren ebenso Orange und  die Pupille nur ein winziger kleiner Punkt. Zudem quoll Blut aus ihnen heraus. Unheimlich. Die Kleidung war in passenden Farben gehalten: Orange und Schwarz. Ein Rock der der Kürbisfrau bis knapp unter den Hintern reichte. Dazu trug sie orange Pumps mit niedrigen Absätzen. In Valerias Kopf spuckte das Wort ‚Witzfigur‘ herum und sie riss sich zusammen, um nicht zu grinsen. Doch wenn Neal sie schon warnte, hielt sie sich lieber zurück. Da sah ihre Sklavin meilenweit besser aus: Grasgrüne und gestylte Haare, mit gelben Strähnen durchzogen, wo ein Teil der Haare zu einem Strudel am Kopf geformt waren, apfelgrüne Augen, ein Kleid, das so steif war, dass es quasi halb über den Tisch guckte. Gut, dass dieses zur Hälfte durchsichtig war, ansonsten würde sie nichts mehr sehen. Dazu trug sie grüne Pumps mit spitzen Schleifen. Seufzend blickte Valeria ihren Meister an.

„Und welche Funktion haben sie im Rat?“, fragte sie nun um sich von ihrem Aussehen abzulenken.

„Sie kümmern sich um die Lebensmittelindustrie. Das heißt, sie sorgen dafür, dass das Dämonreich mit genug Lebensmittel versorgt wird. Ein Teil davon müssen wir uns nämlich aus der Menschenwelt beschaffen, da unsere Erde ziemlich unfruchtbar ist. Nur die wenigsten Stellen eignen sich zum Ackerbau“, erklärte Neal ihr. „Neben den Frauen sitzt Manoha, der Satyr, mit seiner Sklavin Amalthea, Rang 3.“

„Ja, ich weiß. Ich habe sie vorhin getroffen. Am Blutbrunnen, als Naicha mich unterrichtete. Ich war ganz schön erschrocken! Solche Wesen habe ich noch nie gesehen!“

„Beruhige dich! Es gibt noch ganz andere Arten von Dämonen. Einige haben einen Fischschwanz, andere wiederrum einen Löwenkopf. Daran musst du dich gewöhnen.“ Neal sah sie ernst an und sein Kopf wanderte durch die kleine, unruhige Menge. Er wusste, das noch einer fehlte und er wusste, dass dieser sich mal wieder verspätete. Er war, wie immer, ein Tollpatsch.

„Und welche Position haben sie im Rat?“, fragte Valeria nun und schielte zu Amalthea rüber, die starr auf die Blätter vor ihr blickte.

„Sie kümmern sich um das Wohl des Landes. Das heißt, sie schlichten Bürgerkriege oder befreien unser Reich vom Abschaum. Und glaub mir, auch, wenn sie furchtbar höflich und freundlich sind, sie nehmen ihre Aufgabe sehr ernst. Sie werden unter den Bürgern die ‚Blutwache‘ genannt. Ich glaube, das sagt schon alles.“

Valeria nickte hastig. Sie wandte ihren Kopf von den Satyren ab und blickte auf ihr Blatt hinab. Als sie schon die nächste Fragen stellen wollte, wurde die große Tür aufgeschlagen und ein junger Mann kam mit einem Stapel an Blättern hereingestolpert. Er sah aus wie ein Asiate, so wie die Menschen sie bezeichneten. Sein Haar war kurz, aber etwas länger bei der linken Gesichtshälfte, welche seine mandelförmigen Augen verdeckten.

„E-Entschuldigung, Herrin! Der Rat kam so unerwartet, ich musste alles einsammeln und suchen und - “

„Schon gut, Ping! Setz dich bitte, damit wir endlich anfangen können!“, meinte Lilith gähnend und richtete sich auf. Gerade als sie die Sitzung anfangen wollte, quietschte es zu ihrer Rechten.

„Oh mein Gott! Sind die niedlich!“ Valeria war aufgesprungen und begutachtete gerade einen der drei Pinguine, die an ihr vorbeiwatschelten. Alle drei trugen, wie Ping, Papierstapel mit sich. Als sie Valeria erblickten sahen sie sie aus großen Kulleraugen an und marschierten dann weiter. Valeria setzte sich wieder hin und lächelte verlegen. Alle Augen waren auf sie gerichtet und Neal schlug sich die Hand ins Gesicht.

„Valeria!“, zischte er. Nun hatte er sich eindeutig blamiert. Genau das war passiert, was er eigentlich verhindern wollte.

„Na, das nenne ich mal eine Sklavin! Wohl ein Neuling, was, Neal?“ Chitanga kicherte und ihre schrille Stimme hallte schrecklich in seinem Kopf wider. Lilith blickte Valeria so finster an, dass die Engelsfrau sich am liebsten versteckt hätte. Die kleinen Pinguine quietschten vergnügt auf dem Tisch herum.

„Meisterin Lilith, wenn Ihr gestattet, werde ich Neals Sklavin eine Lektion erteilen!“ Naicha meldete sich zu Wort. Erst jetzt verstand die Blonde warum er überhaupt dazugerufen wurde. Um sie zu bestrafen, sollte sie irgendetwas falsch machen.

Alter Sadist!, dachte sie wütend.

„Gut, aber schnell. Ich will endlich anfangen!“

Der Schattenelf grinste böse und erhob sich. Wie ein Gentleman schritt er zu ihr hinüber und zückte aus dem Nichts seine geliebte Peitsche hervor. Als Valeria die spitzen Dornen erblickte wich ihr jegliche Farbe aus dem Gesicht. Jeder schaute gebannt zu. Bis auf Neal. Er wollte sich das nicht antun und blickte weg. Naicha holte aus und traf Valerias Gesicht. Über ihre Wange bildete sich eine Linie, aus der Blut tropfte. Sie biss sich auf die Lippen um keine Schwäche zu zeigen. Sie hatte es wohl nicht anders verdient, denn sie hatte ihrem Meister Schande bereitet. Was sie dieses Leben als Sklavin hasste! Sie wünschte sich, sie hätte auf ihren Vater gehört und Reue gezeigt. Dann wäre sie jetzt nicht hier um sich das hier gefallen zu lassen, doch dafür war es nun zu spät. Die anderen Ratsmitglieder johlten kurz auf, fassten sich aber sogleich wieder.

„Gut. Und wehe du beschmutzt den Boden!“, meinte Lilith streng und eröffnete dann die Ratssitzung.

„Ratmitglieder, wir haben uns heute bei der sechshundertunddreiundzwanzigsten Ratssitzung versammelt um etwas ganz Wichtiges zu besprechen. Wie ihr alle wisst, wurde der Rat zwei Wochen früher einberufen, weil ein Notfall vorliegt. Ich hoffe, ihr hört alle gut zu, damit wir gemäß darüber entscheiden können. Ping, fang bitte an!“

Der Pinguinbuttler, wie Valeria ihn von nun an nannte, suchte nach dem richtigen Dokument, welches er aber nicht fand. Einer seiner Pinguinhelfer brachte es ihm letzendlich. Valeria wollte kichern, doch der Schmerz in ihrer Wange erinnerte sie an die folgenden Strafen. Sie musste nur diese verdammten Viecher ignorieren, und das war nicht gerade leicht.

Ping räusperte sich: „Nun, vor fünf Tagen wurde eine handvoll verdächtiger Personen gesichtet. Die Identitäten dieser Dämonen ist noch unbekannt. Wir haben ein fähiges Team losgeschickt, doch es ist nicht wie vereinbart zurückgekommen. Wir müssen davon ausgehen, dass sie nicht mehr am Leben sind. Sie haben sich im Westen des Landes niedergelassen. Eine wirkliche Bedrohung für die Bewohner dieser Gegend sind sie nicht, doch höre ich, dass sie ständig Unfug machen. Laut einigen Bewohnern aus Schlangenzahn stiehlt diese Bande Essen und verteilt es an die Armen. Angeblich stellen sie noch andere Dinge an, die den Armen zugutekommen. Doch ohne genauere Informationen können wir nicht mehr dazu sagen. Aus diesem Grund schlage ich vor, ein fähigeres Team zusammenzustellen um diese Eindringlinge festzunehmen und zu befragen. Das Ansehen unserer Königin wird sehr unter diesen Aktionen leiden und eine rechtmäßige Strafe sollte ihnen zugeteilt werden.“ Die kleinen Pinguine standen mit ihren kleinen Füßchen auf dem Tisch und mimten das ganze Szenario nach. Niemand beachtete sie, bis auf Valeria, die ständig losprusten wollte. Glücklicherweise konnte sie sich noch einfangen, als Neal ihr über das Mal Schmerzen zufügte. Sie sah ihren Meister verbittert an, doch erhielt keinerlei Reaktion von ihm.

Warum ausgerechnet ich?, dachte sie sich und biss sich auf die Unterlippe.

„Wen gedenkt Ihr loszuschicken, Ping?“ Manoha erhob sich und seine muskulöse Brust trat zum Vorschein. Valeria bemerkte den Blick seiner Sklavin, die ihn anschmachtete. Sie fragte sich, ob da mehr war. Doch sie verwarf den Gedanken wieder schnell, weil sie das überhaupt nichts anging. Stattdessen konzentrierte sie sich auf ihr Pergament und lauschte angestrengt das Gespräch.

„Normalerweise sind meine Sklavin und ich für diese Aufgabe zuständig, doch ich bin der Meinung, darüber sollte der Rat entscheiden. Ebenso, was mit diesen Eindringlingen geschieht. Das Wohl der Dorfbewohner von Schlangenzahn steht hier auf dem Spiel!“ Die kleinen Pinguine quietschten im Takt und Valeria konnte sich ein Kichern nicht unterdrücken. Prompt richteten sich alle Blicke auf den Engel. Hitze stieg in ihre Wangen und sie verkrampfte sich.

„Die Eindringlinge erhalten ihre gerechte Strafe: Sie werden dem Rang der Niederen Wesen zugeteilt und in die Dämonengruft verbannt!“, meinte Lilith scharf.

„Aber diese ‚Eindringlinge‘ stehlen doch nur um es an die Armen zu verteilen!“, griff Valeria nun ein. Neal starrte sie mit offenem Mund an. Wie konnte sie es nur wagen, ihre Stimme zu erheben?!

„Was?“, zischte sie und zuckte mit den Schultern. „Bei uns im Himmelsreich dürfen wir unsere Meinung sagen! Außerdem, wer etwas Übles tut um eine gute Tat zu begehen, dem wird ein Auge zugedrückt. So ist das bei uns!“

„Sklavin! Wer hat dir erlaubt zu sprechen?!“ Chitanga war aufgesprungen und ihre Stimme schellte durch den Raum. Ein Schauder durchzog die Engelsfrau, sodass ihr die Härchen überall abstanden. Die Kürbisfrau blickte sie aus bedrohlichen Augen an, dann wandte sie sich an Neal: „Du solltest sie unter Kontrolle haben, Neal! Wir erwarten alle mehr von dir. Wenn du deine Himmelsbrut nicht zähmen kannst, müssen wir wohl oder übel jemand anderes zum König ernennen, sollte Lilith ihren Platz aufgeben müssen!“

„Ich lebe noch, Chitanga! Hör auf so zu sprechen!“ Die empörte Lilith richtete sich auf und peitschte wild mit ihrem Schwanz hin und her. Der Rat kannte sich schon zu lange, sodass die Ränge schon lange nicht mehr wirklich von Bedeutung waren. Jeder sprach von dem anderen, als sei jeder der beste Freund.

„Ich werde sie bestrafen, Lilith!“, meinte Naicha entzückt.

„Aber bitte nachher! Ich will diese Sitzung endlich beenden.“

„Wie Ihr wünscht!“, lächelte der Schattenelf zufrieden und setzte sich wieder an seinen Platz. Er faltete die Hände ineinander und blickte Valeria freudig an. Die Blonde seufzte und bereute es, ihre Meinung gesagt zu haben. Aber so war ihre Natur nun einmal. Neal dagegen war verärgert und ließ ihr seine Wut spüren. Das Mal an ihrem Bein brannte höllisch und sie musste den Schmerz mit all ihrer Kraft unterdrücken um nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

„Gut. Kommen wir zum Thema zurück. Die Gesetze verlangen, dass diese Bande zu Niederen Wesen eingestuft wird. Egal, ob sie durch ihre Taten Gutes tut“, dabei blickte Lilith kurz auf Valeria, deren Blick vor Schmerz flatterte, „Ich werde Neal und seine Sklavin für diesen Auftrag empfehlen. Ich denke, dass es an der Zeit ist, dass die beiden sich als Team beweisen. Wer dafür ist, hebt die Hand.“

Die Dämonin blickte in die Runde. Bis auf Chitanga und ihre Sklavin, hoben alle die Hand.

„Gut, somit steht fest: Neal wird sich dieser Aufgabe annehmen. Ihr habt zwei Wochen Zeit um diese Bande gefangen zu nehmen. Ich werde euch Kehinde und Apyio zur Verfügung stellen. Außerdem wird Naicha euch begleiten, damit Valeria auch weiterhin ihre Erziehung erhält! In zwei Wochen wird der Rat sich erneut versammeln. Die Sitzung ist nun somit beendet!“

Doch auch, wenn Lilith der Meinung war, die Sitzung war zu Ende, meldete sich Ping noch einmal kurz zu Wort: „Meisterin Lilith, Ihr braucht die Wolfsdämonengeschwister und Naicha nicht zu schicken. Ich habe schon alles in die Wege geleitet!“

Die Augenbrauen der Dämonenkönigin schnellten nach oben. „Was meinst du damit, dass du alles in die Wege geleitet hast?“ Der Zorn in ihrer Stimme war kaum zu überhören. Sie mochte es nicht, wenn man ohne ihres Wissens Dinge selbst regelt.

„Nun, ich...“, stammelte Ping und die kleinen Pinguine sahen ihn fies grinsend an, „... habe dem Anführer dieser Bande einen Brief geschickt.“

„Und was hast du ihm geschrieben? Er soll sich freiwillig ergeben?“ Sie lachte kurz auf und alle Ratsmitglieder zuckten zusammen.

„Nein, das hätte natürlich keinen Sinn. Ich habe sie um eine Möglichkeit gebeten die Situation zu erklären, bevor sie eskaliert. Unnötiges Blutvergießen würde – “

„Schweig!“, herrschte Lilith ihn an. „Was glaubst du, was du dir erlauben kannst?! Ich werde dir wegen deinem Eigenhandeln eine Strafe auferlegen, die du nie in deinem Leben vergessen wirst!“ Wütend richtete sich die Dämonin auf und verließ ohne ein weiteres Wort den Ratsraum. Die Mitglieder starrten ihre alle hinterher. Nur die Pinguine kicherten ihren Meister an. Und während jeder anfing seine Sachen zu packen und über Pings Vergehen zu diskutieren, ließ Neal erschöpft den Kopf und seine Hände sinken und begann zu stöhnen. Das konnte einfach nicht wahr sein! Er warf Valeria einen hasserfüllten Blick zu. Das Gesicht der Blonden waren verzehrt: Eine Mischung aus gequältem Lächeln und Schmerz.

„Dafür wirst du bluten, Sklavin!“, zischte er zornig in ihre Richtung.

Im Feindesland

Kapitel 14 - Im Feindesland

 

 

Die Orkwache verzog ärgerlich das Gesicht, als sie die vier Dämonen erblickte, die vor ihm standen. Drei von ihnen trugen einfache Reisekleidung: Dunkles, abgewetztes Leder und löchrige Waldstiefel. Nur einer von ihnen, der Größte von allen, der um zwei Köpfe überragte, trug edle, kostbare Kleidung. Der Dämon lächelte breit, während die anderen finster dreinblickten. Die Augen des Dämons waren von einem satten, dunklen Grün; Ungewöhnlich für das dunkle Volk. Sein weißblondes Haar trug er als Pferdeschwanz, der bis zu seinem Hintern hinabfiel.

„Name?“, schnauzte der Ork und blickte sie missbiligend an.

„Mein Name ist Faré, dies sind meine Begleiter Chou, Rock und Igor. Mein Herr schickt mich um den Dämonenmeister Neal abzuholen, um ihm sicheres Geleit in unser Lager zu gewähren“, erklärte der wortgewandte Dämon und zeigte der Wache einen Brief. Der Ork entriss ihm das Schriftstück und las es mit einem Grunzen durch. Unten waren Königin Liliths Siegel, sowie Pings Unterschrift, eingeprägt.

Der Ork kratze sich am Kopf. „Ich werd` mal nachfragen“, sagte er schließlich und verschwand im Palast. Die zweite Wache, die in einem kleinen Häuschen saß, beobachtete die fremden Dämonen aufmerksam.

„Glaubt Ihr, sie lassen uns so einfach rein, Ashwaht?“, fragte einer der Dämonen leise und sah dabei Faré an. Dieser warf ihm einen vernichtenden Blick zu.

„Ich habe dir vorher schon gesagt, dass du mich nicht so nennen sollst! Mein Name ist Faré“, zischte er ihm wütend zu. Der Söldner nickte mehrmals.

„Verzeiht mir, Herr.“

Kurze Zeit später kehrte der Ork mit guten Nachrichten zurück.

„Passieren“, war die knappe Antwort. Faré verkniff sich ein Grinsen und die vier Dämonen durchschritten das Palasttor. Kaum standen sie in dem dunklen, gepflegten und gepflasterten Hof, trat ein Schattenelf auf sie zu. Faré schluckte, als er Naicha erkannte. Der Dämon hatte Angst, dass der Elf ihn erkannte, doch diesen Gedanken verwarf er sofort wieder. Er hatte sein Aussehen mit einem komplizierten und nicht verfolgbaren Zauber verändert; Der Elf würde niemals Ashwaht hinter dieser Fassade vermuten.

„Ich soll Euch zu Königin Lilith begleiten“, erklärte Naicha sein Erscheinen. Der Schattenelf sah die vier Dämonen spöttisch an. Faré erkannte in seinen dunklen Augen seine noch immer vorhandene Arroganz.

„Dann bringt uns zu ihr!“, forderte der Blondhaarige fröhlich. Naicha sah ihn noch missbilligend an, bevor er sich umdrehte und das Gespann aus Dämonen ihm folgte.

 

Lilith betrachtete die vier Dämonen argwöhnisch. Sie alle strahlten eines aus: Unterster Abschaum! Keiner von ihnen zeigte Würde oder Stolz. Diese Dämonen waren genau das, was Lilith verabscheute und auszuradieren versuchte.

„Ihr seid schnell. Ich habe mit Eurer Ankunft nicht vor morgen Abend gerechnet“, erklärte Lilith und setzte ein gespieltes Lächeln auf, während sie die rechte Hand unruhig auf der Thronlehne tanzen ließ. Der Anführer der Gruppe, Faré, verneigte sich vor der Dämonenherrscherin.

„Euer Brief war sehr dringend, deswegen eilten wir so schnell wie wir nur konnten zu Euch.“

„Pah, dringend!? Wenn’s nach mir ginge, wäret Ihr schon lange hingerichtet worden. Aber mein lieber Ping musste ja alles auf diplomatische Art und Weise regeln. Nur etwas für ein so unzivilisiertes Volk wie das der Menschen! In meinen Augen ist dieser Brief jedenfalls nicht dringend. Von daher würde ich Euch raten diesen Papierfetzen nicht mehr zu erwähnen. Leider muss ich aber augenblicklich auf dessen Inhalt zurückgreifen. Seid Ihr Euch dieser Untersuchung bewusst? Eure Sicherheit steht auf dem Spiel!“

Faré lächelte; Es war ein ehrliches Lächeln. „Keineswegs. Mein Herr versteht es, dass wir unter Eurem Volke für viel Verwirrung gesorgt haben. Er entschuldigt sich dafür, aber Ihr müsst auch die Situation der Armen verstehen. Ihr kümmert Euch nicht gerade viel um sie, daher haben wir es uns zur Aufgabe gemacht sie zu unterstützen.“

Lilith schürzte die Lippen. Ihre nächsten Worte wählte sie mit bedacht. Zwar hatte sie nichts gegen einen kleinen Streit, doch war es ihre Pflicht als Herrscherin diesen Dämonen eine Chance zu geben, damit sie sich beweisen konnten.

„Ihr wisst wie man spricht, Faré. Habt Ihr eine hohe Ausbildung genossen und treibt Euch nur versehentlich auf der falschen Seite herum?“

Der hübsche Dämon, wie Lilith fand, lächelte. „Ich habe einige Zeit hier an diesem Hof verbracht, daher kenne ich mich mit den Gepflogenheiten in adeligen Kreisen aus. Nicht alle Unteren sind unhöfliche Bauern.“

Die Herrscherin nickte ihm zu. „Ihr habt am Hofe gelebt? Wie lange?“

„Es ist lange her. Ich war damals noch ein Kind, als meine Mutter und ich hier fortgingen. An Euch erinnere ich mich aber noch, Mylady. Und an Euren Vorgänger. Habt Ihr inzwischen seinen Mörder gefunden? Es heißt, dass man ihn mit dem grausamsten Gift, das es überhaupt gibt, beseitigt hat, stimmt das?“

Die Dämonin lächelte. „Einem Giftmörder ist sein Anschlag nur schwer nachzuweisen, dass wisst Ihr. Bis heute haben wir keine Ahnung wer der Mörder unseres geliebten Königs Draco ist.“

„Ihr wart sicher erfreut darüber, als ihr den Thron bekommen habt“, sprach Fáré nun zu ihr.

„Nun ja, die Trauer über seinen Tod war nicht gerade groß“, erklärte Lilith ihm.

„Das habe ich mir schon gedacht. Meine Mutter hat mir oft erzählt, dass Ihr und Draco nicht gerade gute Freunde wart.“

Lilith sah ihn nun ernst an. „Wer war Eure Mutter?“

„Eine einfache Zofe im Dienste einer Schattenpriesterin. Da Ihr die Priester nach König Dracos Tod habt gehen lassen, gingen meine Mutter und ich mit ihr mit. Ihr kennt sie bestimmt nicht; Sie war nur eine von vielen.“

Plötzlich wurde die Tür geöffnet und Neal kam herein. Fáré und seine Männer drehten sich zum Dämonenmeister um. Er war alleine, was der Dämon sehr schade fand. Zugern hätte er Neals Sklavin gesehen. Es hatte sich sogar bis zu den äußeren Provinzen rumgesprochen, dass er sich eine verbannte Engelsfrau als Dienerin genommen hatte. Faré verneigte sich vor Neal. Der Dämonenmeister beachtete die vier fremden Wesen nicht und steuerte zielstrebig auf Lilith zu.

„Ihr habt mich rufen lassen, Meisterin?“ Neal machte eine knappe Verbeugung vor ihr.

„Diese Männer hier werden dich und deine Sklavin in ihr Lager begleiten. Sie werden euch alles zeigen und erklären. Danach wirst du mir Bericht erstatten und sobald wir diesen Schritt  hinter uns haben, werden wir diesen Barbaren eine Strafe auferlegen, die sie niemals vergessen werden.“ Ihr Lachen schallte durch den großen Thronsaal.

Neal nickte ihr zu, dann besah er sich die vier Dämonen genauer. Drei von ihnen waren gewöhnlich: Schwarze Haare, rote Augen und abgenutzte Kleidung, doch der Vierte unter ihnen war etwas Besonderes. Neal blickte ihn länger an, als er eigentlich vorhatte. Er wusste nicht woher, aber sein Gesicht kam ihm bekannt vor. Doch solche besonderen Dämonen wie ihn vergaß er nicht. „Gut. Wann werden wir aufbrechen?“

„So schnell wie Ihr packen könnt. Wir wollen nicht allzulange an diesem Ort verweilen; Ihr versteht.“ Der rothaarige Dämon nickte erneut.

„Wartet draußen auf uns.“

 

Valeria saß gelangweilt in Neals Zimmer und mühte sich mit einem Buch, welches in Dämonenschrift verfasst war, ab. Neal zwang sie dazu, jede Seite abzuschreiben, damit sie die Sprache endlich beherrschte. Der Dämon war nicht begeistert gewesen, als er ihren Bericht in Engelschrift gesehen hatte. Er war immer noch sauer auf sie(; Immerhin war sein Ansehen im Rat drastisch gesunken, und das dank Valerias Geschrei und ihrer frechen Zunge. Daraus resultierte, dass er nun verpflichtet war mit ihr in die äußersten Provinzen zu reisen. Ein Umstand, den er sie jeden Tag spüren ließ. Die Flügellose seufzte tief, blätterte auf die nächste Seite um und begann dort den ersten Absatz abzuschreiben. Die Feder kratze über das Pergament und inzwischen schmerzte Valerias rechte Hand sehr. Sie konnte kaum noch die Feder halten. Die Tür ging auf und Neal trat herein. Valeria sah nicht auf; Sie widmete sich einfach weiter ihrer Schreibarbeit. Doch Neal hinderte sie daran. Er klappte das Buch zu und entriss Valeria die Feder. Die Sklavin sah überrascht zu ihm auf.

„Was ist?“

„Pack deine Sachen. Wir werden abgeholt“, war seine kurze Erklärung, als er die Feder beiseitelegte, zu seiner Truhe eilte und dort zwei Umhängetaschen aus Leder hervorholte. Valeria sah ihn blinzelnd an.

„Sachen? Mit Verlaub, ich habe keine Sachen“, sagte sie stirnrunzelnd.

Neal seufzte tief. „Na gut, dann nimmst du nur Lebensmittel mit“, sagte er schließlich , packte ein paar Bücher ein und gab Valeria die, die sie mit frischen Lebensmitteln aus dem Kühlschrank füllte.

„Warum brechen wir so überstürzt auf?“, fragte sie ihn nun.

„Der Anführer ist der Meinung, wir könnten uns verlaufen. Deswegen hat er ein paar Söldner geschickt“, erwiderte er genervt.  Als seine Tasche voll war, hängte er sich diese um und verließ das Zimmer. Valeria folgte ihm. Leise schloss sie die Tür und ging mit ihm aus dem Schloss hinaus.

Draußen im Hof warteten schon vier ungeduldige Dämonen. Als sie Valeria sahen, grinsten drei von ihnen anzüglich; Nur der Größte von ihnen musterte Valeria neugierig. Seine jadegrünen Augen nahmen sie gefangen und Valeria starrte ihn gebannt an. Sie war nicht in der Lage sich zu bewegen. Ein Wind kam auf und spielte mit ihrem langen, blonden Haar. Neal bemerkte wie Faré und Valeria sich ansahen. Er schnipste mit seinen Fingern vor ihrem Gesicht. Dies holte die Engelsdame in die Wirklichkeit zurück.

„Dies ist Valeria, meine Sklavin“, stellte Neal sie monoton vor. „Sie gehorcht mir und tut alles, was ich von ihr verlange. Keiner von euch wird mit ihr sprechen, wenn ich es nicht erlaube! Sollte einer von euch gegen diese Regel verstoßen wird er meinen Zorn spüren.“

Die vier Dämonen sahen sich an und grinsten hämisch. „Ich fürchte, dass wir diese Regel nicht akzeptieren werden, Dämonenmeister.“ Der Anführer verschränkte die Arme vor der Brust.

Neal blinzelte mehrmals. „Wie bitte?! Ihr wisst, dass Königin Lilith euch Schutz bietet, solange diese Untersuchung durchgeführt wird. Ihr habt also meinen Befehlen zu gehorchen wenn ihr noch nicht sterben wollt.“

Faré grinste immer noch. „Ihr nehmt Euch ziemlich viel raus, Dämonenmeister. Ich an Eurer Stelle würde mich nicht so in Sicherheit wiegen. Wir werden uns bald in ein Land begeben, in dem ihr unsere Feinde seid. Ihr solltet also den Mund halten wenn Euch das Leben lieb ist.“ Die Dämonen wandten sich alle gleichzeitig ab und verließen den Burghof.

Neal knurrte, sparte sich aber den nächsten Kommentar. Die beiden folgten stumm dem Dämonentrupp. Valeria warf einen letzten Blick auf das imposante Dämonenschloss und atmete tief durch. Endlich konnte sie, wenn auch nur für kurze Zeit, dieses Loch verlassen! Nun konnte sie mehr von der Dämonenwelt sehen, von der sie so wenig kannte. Die junge Frau sah sich um. Das Land war karg und wirkte tot. Die Schönheit aus dem Himmelsreich vermisste sie schrecklich. Schnell schüttelte sie den Kopf. Das Himmelsreich war weit weg und sie würde es niemals wieder betreten können; Sie musste sich endlich mit ihrem neuen Leben abfinden.

 

Gegen Abend kam die Reisegruppe bei einem alten und zerfallenen Gutshof an. Einer der Dämonen ging vor und untersuchte das Haus nach etwaigen Untermietern. Bald darauf kam dieser zurück.

„Es ist niemand dort drin. Wir können hier in Ruhe nächtigen.“

Valeria seufzte und streckte sich. Ihre Beine schmerzten. Soweit sie sich erinnerte, war es das erste Mal in ihrem Leben, dass sie so viel gelaufen war. Sie lehnte sich an ein zerfallenes Mauerstück und begann dort ihre Füße zu massieren. Durch das Kribbeln wurde der Schmerz verdrängt und sie stöhnte kurz zufrieden auf. Wie gut das doch tat! Doch dieser Zustand hielt nicht lange an, denn Neal kam auf sie zu und entriss ihr die Umhängetasche.

„Sammle Feuerholz und mach was zu essen. Ich hab Hunger!“, herrschte er sie an und seine blutroten Augen funkelten.

Valeria öffnete den Mund um zu widersprechen, doch dann schloss sie ihn wieder. „In Ordnung, Meister“, knurrte sie und begann im zerfallenen Hof nach Holz zu suchen. Als sie einen Stapel beisammen hatte, ging sie ins Innere des Gutshofes. Um dort hinein zu gelangen, stieg sie über mehrere heruntergefallene Deckenbalken, eine umgestürzte Säule und riesige Steine. Dabei stolperte sie ab und zu und konnte sich jedes Mal gerade noch fangen. Als sie in der – was davon noch übrigen geblieben war – Küche stand, sah sie sich um. Ein Teil der Küchenwand war eingerissen und begrub das ganze Mobiliar unter sich. Überall waren Dreck und Staub. Die Flügellose konnte kaum einen Platz finden, der bequem und sauber aussah. Die vier Dämonen derweilen machten sich daran den Boden der Küche von Steinen zu säubern und den Platz ein wenig gemütlicher zu machen. Einer von ihnen entdeckte sogar eine Feuerstelle. Mit einem Nicken forderte er Valeria auf, das Feuerholz dort abzulegen. Sie gehorschte und der Dämon entfachte mit einem stummen Zauber die Kochstelle.

„Danke“, richtete Valeria an ihn und lächelte. Der fremde Dämon lächelte schwach zurück und entblößte sein lückenhaftes Gebiss bevor er sich von ihr abwandte und seinen Kameraden half. Sie sah ihm gedankenverloren nach. Sie fand, dass er gar nicht so furchteinflößend aussah. Der Dämon war kaltgeschoren und seine großen Hörner bedeckten was seinen ganzen Kopf. Er trug sogar Schmuck am rechten Horn.

„Rock ist nicht sehr gesprächig“, erklärte Faré ihr. Der Anführer der Söldnergruppe stand neben ihr. „Seit man ihm vor zwanzig Jahren die Zunge rausgeschnitten hat, kann man einen Plausch mit ihm vergessen.“

Valeria sah ihn erschrocken an. „Die Zunge rausgeschnitten? Das ist ja barbarisch!“

Faré lachte. „Nun, sogesehen hatte er es ja verdient. Immerhin wollte er wichtige Informationen weitergeben. Und seit diesem Vorfall ist er auch viel sanfter geworden. Nicht so wie Igor und Chou.“ Er deutete auf seine anderen beiden Gefährten. „Igor ist selbst sehr stumm, aber wenns drauf ankommt, kann man sich auf ihn verlassen! Außerdem hört er wirklich alles! Aber das ist bei seinem Volk ganz normal. Man erkennt schon an den großen Ohren, dass er was drauf hat.“ Faré zwinkerte ihr zu. Die Engelsfrau riskierte einen Blick auf Igor und stimmte dem Anführer zu; Igor hatte tatsächlich große Ohren, die spitz nach oben verliefen und einen Knick hatten. Sie vermutete, dass Igor auch deswegen die Haare zu einem hochgesteckten Pferdeschwanz trug. Zusätzlich waren seine Haare seitlich kurzgeschoren, was ihm etwas gefährliches gab.

„Und was mit der Dämonin? Chou, nehme ich an?“, fragte Valeria neugierig. Auch sie trug die Haare hochgesteckt. Sie hatte zwei Zöpfe, mit pinken Ringen in den Haaren, die sie stark an Hörner erinnerte. Vorne trug sie einen sehr kurzen Pony, der ihr jedoch seitlich bis übers Kinn ging. Das Markanteste jedoch war, dass Chou zwei Schmetterlingsflügel auf dem Rücken hatte. Die verbrannten Stellen an ihrem Rücken, die nur noch hässliche Narben waren, schmerzten plötzlich sehr und sie wünschte sich auch wieder fliegen zu können. So langsam vermisste sie das Gefühl der Freiheit.

„Chou ist sehr eigenwillig. Sie ist eine hervorragende Nahkämpferin und glaub mir, ihr willst du nicht in die Quere kommen. Es heißt, dass sie schon über tausend Dämonen auf dem Gewissen hat. Aber das sind nur Gerüchte, denen ich keinen Glauben schenke!“ Während er sprach nahm er einen verbeulten Eisentopf  von einem Hacken an der Wand und hängte ihn über die Feuerstelle. „Was gibt es?“, fragte er sie plötzlich und reichte ihr einen Eimer Wasser, den er aus dem Brunnen, hinter dem verlassenen Hof, hatte. Valeria runzelte die Stirn. „Wollt Ihr mir helfen zu kochen?“

Faré nickte und holte die Umhängetasche hervor, die Neal ihr vorhin abgenommen hatte. Er öffnete diese und begann darin zu kramen. Er holte ein paar Karotten, Kartoffeln, Kräuter und Zwiebeln hervor.

„Sieht nach Eintopf aus. Was sagt Ihr?“

„Eigentlich dürft Ihr nicht mit mir sprechen. Ihr wisst doch, mein Meister kann sehr wütend werden.“

Der Blondhaarige winkte ab. „Macht Euch darüber keine Sorgen. Die Regeln Eures Meisters interessieren mich nicht. Sobald wir im Lager der Dunklen Ritter sind, werdet Ihr merken, dass Euer Meister dort kein freies Spiel haben wird.“

Dunkle Ritter? Ist das der Name Eurer Gemeinschaft?“

Faré nickte. „Diesen Namen habe ich mir ausgedacht“, erwiderte er mit Stolz.

„Sehr kreativ“, pflichtete Valeria ihm bei. Die beiden widmeten sich nun dem Eintopf und die Sklavin gestand sich, dass sie schon seit langem nicht mehr so viel Spaß hatte, wie heute. Doch dieser wurde unterbrochen, als Neal eintrat. Der Dämonenmeister sah die beiden wütend an.

„Habe ich Euch nicht verboten, mit meiner Dienerin zu sprechen?!“, herrschte er Faré zornig an.

Faré drehte sich leicht zu ihm. In der Rechten hielt er einen Löffel und hielt ihn dem Dämonenmeister entgegen. „Möchtet Ihr probieren?“, fragte er ihn stattdessen. Doch Neal schlug ihm die Hand weg. Valeria zuckte zusammen, als der Löffel mit einem Klirren auf den Steinboden aufschlug. Die drei Dämonen, die etwas abseits auf dem Boden hockten, begannen zu lachen.

„Steht sofort auf und entfernt Euch von meiner Sklavin!“, zischte Neal ihn nun an. Der Dämonenmeister war stocksauer und konnte seine Wut nur noch schwer zähmen. Er warf Valeria einen Blick zu, und sofort begann ihr Mal zu schmerzen. Valeria fasste an ihr Bein und verzog das Gesicht. Faré bemerkte dies. Der Dämon stand auf, wischte sich den Staub von der Hose und stellte sich vor Neal auf.

„Ihr solltet Eure Wut nicht auf Valeria übertragen. Sie hat mich gewarnt, dass Ihr zornig sein werdet, doch ich hätte nicht gedacht, dass Ihr Euch so gehen lasst.“

Neals blutrote Augen loderten vor Hass. „Wenn Ihr während der Reise auch nur noch einen Blick in ihre Richtung werft, dann töte ich Euch!“, drohte er ihm und seine Stimme zitterte vor Wut. Neal hörte das Geräusch einer Klinge hinter sich, die aus der Scheide gezogen wurde. Einer der anderen Dämonen war aufgestanden und stand mit gezücktem Schwert hinter ihm.

„Ihr solltet aufpassen was ihr sagt, Dämonenmeister. Ihr seid hier im Feindesland; Hütet Eure Zunge oder es wird Euch genauso ergehen wie unserem Kumpel Rock“, drohte der Mann ihm.

Faré hob die Hand. „Senke dein Schwert, Igor.“

Igor gehorschte, doch sein Blick war weiterhin drohend auf Neal gerichtet.

„Igor hat Recht, Neal. Ihr seid hier im Feindesland. Valeria werde ich nichts tun. Sie ist genauso ein armes Ding wie die Armen in diesem Gebiet. Euch aber rate ich: Benehmt Euch in diesem Land, sonst werdet Ihr es nicht mehr lebendig verlassen. Meinem Anführer ist es egal unter welchem Schutz Ihr steht, und mir auch.“

„Wer ist Euer Anführer?“, fragte Neal ihn gefasst.

Faré lächelte und die drei Dämonen lachten dreckig. „Sein Name ist Ashwaht. Und Ihr werdet ihn bald kennenlernen.“ Faré wandte sich Valeria mit einem Lächeln zu. „Und nun wollen wir endlich etwas zu uns nehmen! Ich habe einen Bärenhunger.“

„Ashwaht...“, murmelte Neal, während die anderen gerade dabei waren sich auf die fertige Mahlzeit zu stürzen. Er versprach sich diesen Namen zu merken und wie ein zukünftiger Herrscher zu handeln. Zudem war er fest davon überzeugt Liliths Wünsche zu berücksichtigen. Und auch, wenn Faré ihm drohte; Er war noch immer Neal, der Dämonenmeister. Und diesen Namen gab man ihm einst nicht umsonst.

 

 

Der Tag, an dem er sein Lächeln verlor

„Wir haben das Lager der Dunklen Ritter bald erreicht“, meinte die Dämonin Chou trocken. Sie sah Faré durchdringlich an. Beide hatten sich etwas von ihrer Raststätte entfernt um über die nächsten Schritte zu diskutieren.

„Ich weiß. Ich frage mich nur, ob es eine gute Idee ist mich als Ashwaht zu zeigen. Ich denke nicht, dass er so dumm ist...“ Faré biss sich auf die Unterlippe und überlegte, was die beste Entscheidung war.

„Glaubt Ihr, er wird es merken? Ich denke nicht. Seit drei Tagen sind wir unterwegs und das Einzige, was ihn bis jetzt beschäftigt hat, ist, dass Ihr einen guten Umgang mit Valeria habt. Ihr hättet sein Gesicht sehen sollen, als Valeria meinte, Ihr seid ein viel besserer Dämon als er. Ich denke, er wird Euch nur als Oberbefehlshaber einer niederen Bande sehen.“

„Du bist sehr hilfreich Chou. Deine Beobachtungsgabe ist wie immer exzellent. Ich wusste, warum ich dich mitgenommen habe. Sobald wir am Höhleneingang sind, werde ich nach Innen verschwinden und Ashwaht ‚rufen‘. In der Zwischenzeit passt du auf sie auf. Du weißt, dass mein Tarnungszauber etwas Zeit kostet. Ashwaht wird nur einen kurzen Auftritt haben, glaub mir, meine Liebe!“

Chou nickte und verbeugte sich vor Faré. Sie breitete ihre Flügel aus und drückte sich vom Boden ab um in den morgendlichen Himmel zu fliegen. Derweilen kehrte Faré zu den anderen zurück. Neal, dessen Laune sich von Tag zu Tag verschlechterte, schimpfte gerade Valeria an, weil sie Essen über eines seiner Bücher verschüttet hatte.

„Aber Neal, müsst Ihr so harsch mit ihr sein? Es gibt doch keinen Grund sie für so eine Nichtigkeit zu bestrafen!“ Faré hob das mit Nudeln überschüttete Buch auf und sprach einen stummen Zauber. Im Nu war es wieder sauber. „Außerdem müsst Ihr doch am besten wissen, dass man alles mit einem Zauber wieder in Ordnung bringen kann.“

„Ihr habt kein Recht mir zu sagen, was ich tun soll! Es geht hier um das Prinzip! Sie soll einfach besser aufpassen!“ Neal war so miesgelaunt wie noch nie. Seine Wut richtete sich für jeden noch so kleinen Anlass auf Valeria und das, seit er den Blick zwischen seiner Sklavin und diesem Dämonen gesehen hatte.

„E-Es tut mir wirklich leid, Neal, ich – “, stotterte Valeria in Tränen, doch Neal beachtete sie gar nicht. Der gefallene Engel fühlte sich schlecht. Sie hatte gedacht, dass es gut tun würde mal außerhalb der Schlossmauern zu sein, doch im Grunde war es schlimmer. Was auch immer Neal gegen sie hatte, es schlauchte sie. Faré überreichte dem Dämonenmeister das Buch, der es ihm aus der Hand riss und in die Tasche stopfte. Wieder einmal richtete er seine Wut gegen Valeria und ihr Bein schmerzte. Ihre Hände umklammerten instinktiv die schmerzende Stelle. Verzweifelt blickte sie zu Faré hoch, der nur den Kopf schüttelte.

„Räum auf, ich will aufbrechen!“, befahl er seiner Sklavin. Anschließend richtete er sich auf und entfernte sich von den Dämonen und dem Engel. Valeria gehorchte ihrem Meister und räumte alles weg. Der Schmerz in ihrem Bein ließ nach, aber der Hass, den sie gegen Neal sammelte, stärkte sich immer mehr. Sie hatte von Anfang an gewusst, dass er ein Arschloch war!

Neal setzte sich auf einen der großen Felsen am Rande des Hügels. Sein Blick schweifte über die Stadt unter ihm; Schlangenzahn. Der Dämonenmeister vergrub sein Gesicht in seinen Händen und seufzte. Er wusste selbst nicht, warum er so schlecht drauf war. Vielleicht war er eifersüchtig auf das, was zwischen Valeria und Faré war? Immerhin schien sie in seiner Nähe viel glücklicher zu sein. Sie lachten und redeten ganz normal miteinander. Und eigentlich sollte es umgekehrt sein. Er wollte ein ganz normales Verhältnis zu ihr aufbauen. Sie nicht nur als seine Sklavin sehen, sondern auch als seinen Schützling. Das erinnerte ihn an die Anfänge mit Lilith. Damals, ja, damals war er auch noch glücklich. Er dachte gerne an diese Zeit zurück, die er stets zu verdrängen versuchte...

 

„Ihr habt mich rufen lassen, Meisterin?“ Neal, deutlich ein paar Jahre jünger, verbeugte sich tief vor seiner Meisterin, Lilith.

„Ja, Neal. Du bist schon so viele Jahre an meiner Seite, hast mir stets treu gedient und wir haben auch vieles zusammen durchgemacht. Ich denke, ich werde dich zum vierten Rang erheben; dem Königlichen Rang. Du wirst aber trotzdem noch eine Weile an meiner Seite bleiben. Solange, bis ich den Thron bestiegen habe. Dann gebe ich dir die Erlaubnis frei zu sein.“ Lilith spielte mit ihrem kurzen, silbrigen Haar und blickte Neal gedankenverloren an.

„A-Aber Meisterin! Das ist doch zu viel der Ehre! Ich weiß wirklich nicht, womit ich das verdient habe!“ Froh über die Tatsache, dass Lilith ihm so viel Vertrauen schenkte, machte es dem Sklaven doch etwas aus. Zu wissen, dass er bald nicht mehr an Lilith gebunden war, brach ihm das Herz.

„Es kann noch Ewigkeiten dauern bis ich den Thron besteige, Neal! Und solange mein Vater über den Trhon herrscht, solange werden wir zusammenbleiben. Du brauchst nichts zu befürchten!“ Lilith lächelte ihren Schützling sanft an. Sie berührte das Haarband, welches Neal ihr geschenkt hatte. „Weißt du, egal wie sehr ich dich mag, ich will dich nicht auf Ewig an mich binden. Ich will, dass du eines Tages selbst einen Sklaven hast und verstehst, was für ein besonderes Band daraus resultieren kann. Und ich weiß, auch, wenn wir eines Tages nicht mehr verbunden sind, so bin ich mir sicher, dass du trotzdem an meiner Seite bleibst!“

„Das verspreche ich Euch, Meisterin!“ Lächelnd verbeugte sich Neal vor ihr. Er war stolz der Tochter des Königs dienen zu dürfen. Und er wusste, sie würde eines Tages eine genauso gute Herrscherin werden wie ihr Vater.

„Gut. Ich muss mich noch umziehen. Mein Vater erwartet mich. Wenn du willst, treffen wir uns nachher in deinem Garten?“ Sie zwinkerte ihm zu und nahm Neals Lächeln als ein Ja an. Dann verschwand sie in ihr Gemach und ließ ihn alleine zurück.

Neal zog sich an seinen Lieblingsplatz, seinem Garten, zurück. Den hatte Lilith ihm als Dank für ihre Rettung geschenkt. Er dachte noch gerne zurück an die Entführung seiner Meisterin. Ihr Vater hatte sich nicht sonderlich um diese Umstände gekümmert, weshalb er Neal diese Aufgabe überließ. Und glücklicherweise war er noch rechtzeitig gekommen. Der Rothaarige wanderte durch das prächtige Grün, welches nicht überall im Dämonenreich aufzufinden war. Er legte sich auf die Bank und betrachtete den immeroten Himmel. Seufzend kreuzte er seine Arme hinter seinem Kopf und überlegte sich, ob er ihr die Wahrheit sagen sollte. Er wusste, dass die Liebe zwischen Sklave und Meister verboten war. Ironischerweise der Geschlechtsverkehr nicht. Was im Dämonenreich eh als Vergnügen galt. Für einen Augenblick schloss er die Augen und driftete bald ab, bis Lilith neben ihm stand und ihn an der Nase zog.

„Hey! Was soll das?“, rief Neal erschrocken und als er seine Meisterin erblickte, entschuldigte er sich rasch.

„Du kannst doch nicht einfach ein Nickerchen halten!“, meinte Lilith neckend und setzte sich neben ihn, als er sich aufrichtete.

„Und, was wollte Euer Vater?“, fragte er anschließend und sah der Dämonin dabei in die Augen.

„Ich darf den Thron erst besteigen, wenn ich geheiratet habe. Er hat mir eine handvoll Kandidaten vorgeschlagen, doch keiner von denen hat mir gefallen. Als ich ihm das sagte, ist er ausgerastet und meinte, ich sei eine verwöhnte Göre und solle mich gefälligst an die Regeln halten. Ich habe versucht dagegen standzuhalten, doch schlussendlich werde ich all diese Dämonen in zwei Wochen auf dem königlichen Ball kennenlernen. Als ich deren Bilder sah... Neal, glaub mir, die sehen alle schrecklich aus! Würdest du gerne im Bett eines Tintenfischdämons liegen? Soweit ich weiß, müssen die ständig feucht gehalten werden! Das ist ja wiederlich!“

„Ihr seid selbst eine Dämonin und findet andere Dämonen wiederlich? Nun ja, ich als Halbdämon würde jedenfalls nicht mit so einem Fischkopf ins Bett steigen. Obwohl Sex mit so einem Dämonen ist doch bestimmt interessant... All diese Tentakel, und als Frau wird man dann wirklich befriedigt und - “

„Ich will nichts mehr hören, danke. Schon alleine der Gedanke daran ekelt mich an. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich tun soll. Ich will nicht heiraten. Zumindest niemand, den mein Vater aussucht!“ Lilith blickte nach oben und seufzte. Sie wollte den Thron besteigen, war sogar ganz willig das Erbe ihres Vaters anzunehmen, aber nicht unter seinen Bedingungen.

„Was würdet Ihr davon halten, wenn Ihr mit mir flieht? Irgendwohin, wo die Regeln Eures Vaters Euch nichts anhaben können.“

Für einen Augenblick sah Lilith ihn verblüfft an, dann fasste sie sich wieder. „Der Gedanke ist nett, aber mein Platz ist hier.“

„Und wenn ich Euch sage, dass ich Euch liebe? Würde das Eure Meinung ändern?“ Die Worte, die er schon solange versuchte zu formulieren, kamen ihm plötzlich so leicht über die Lippen. Er wollte auch nicht, dass sie mit irgendwem vermählt wurde.

„Das geht nicht, Neal. Eine Liebe zwischen Meister und Sklave ist verboten!“ Die Dämonin richtete sich auf und glättete ihr blaues Kleid. Sie lächelte verlegen und ein roter Schimmer breitete sich auf ihren Wangen aus.

„Das sagt Ihr! Wir könnten wirklich alles geheimhalten. Ich bin mir sicher, wir sind nicht die ersten und – “

Lilith näherte sich ihm und legte ihm einen Finger auf den Mund. „Ich liebe dich doch auch, Neal, aber wenn mein Vater das herausbekommt... Ich will nicht daran denken, was er dir alles antun würde... Mein Herz würde in diesem Moment zerspringen...“

„Bitte. Gebt uns eine Chance. Ihr sagt doch selbst, Ihr liebt mich. Mein Herz schlägt schon so lange für Euch, und mit jedem Tag, der vergeht, droht es zu zersprengen...“

Lilith wandte sich wieder von ihm ab und schloss die Augen. Neal starrte ihren Rücken an. Seine Hände zitterten, denn am liebsten hätte er sie augenblicklich umgedreht und sie geküsst. Leidenschaftlich und sehnsüchtig.

„I-Ich weiß nicht... Wenn das herauskommt... Eine Liebe zwischen Meister und Sklave ist nicht umsonst verboten, das weißt du.“

„Bitte, Lilith. Gebt uns eine Chance. Ihr könntet das Band, welches zwischen uns besteht auch einfach auflösen, das würde das Verbot aufheben...“

„Und mein Vater wird mich trotzdem dafür hassen? Du weißt doch, dass er jemanden deiner Herkunft niemals akzeptieren würde!“ Lilith‘s Schwanz peitschte hin und her und sie drehte sich wieder um. „Aber andererseits... Wir können es gerne versuchen, aber dann müssen wir aufpassen, dass niemand, aber auch wirklich niemand etwas merkt. Versprichst du mir das? Ich will nicht, dass dir etwas passiert. Ich will nicht das verlieren, was mir am wichtigsten ist. Ich habe schon meine Mutter verloren und ich will nicht noch einen geliebten Menschen durch eine Dummheit verlieren...“

Erleichtert und glücklich zugleich, nickte Neal mit einem breiten Lächeln. Er streckte Lilith die Hand entgegen, die sie zögerlich annahm. Dann führte er sie zur Mauer hinüber und ließ sie hinaufklettern.

„Ich wusste nicht, dass es hier auch noch etwas gibt!“, meinte sie überrascht und blickte zu ihm herunter.

„Ich habe das selbst gemacht. Das soll unser Platz sein. Niemand wird uns hier sehen können, das verspreche ich Euch!“ Neal folgte ihr die Leiter hinauf und als sie das Pavillon erreichten, blickte er der Dämonin lange in die Augen.

„Ich liebe Euch, Lilith“, flüsterte er und lächelte sie an.

„Ich dich auch, Neal.“ Sie nahm seinen Kuss entgegen und tausende von Schmetterlingen breiteten sich in seinem Magen aus.

 

Eine Träne entwich dem Dämonenmeister. Mit seinem Ärmel wischte er sie rasch weg. Sollte jemand zu ihm kommen, so wollte er sich nicht in einem schwachen Moment zeigen. Ja, damals hatte er noch gelacht, war glücklich. Weitere Erinnerungen zogen an ihm vorbei wie ein wehendes Blatt im Wind.

 

„Ich konnte meinen eigenen Augen kaum trauen, Lilith!“ König Dracos Stimme bebte vor Wut; bereit in jedem Augenblick zu explodieren.

„V-Vater! Bitte! Es ist nicht so wie du denkst. Zwischen Neal und mir ist nichts!“, beschwor die junge Lilith. Sie blickte verzweifelt zu ihrem Sklaven rüber, der so tief am Boden kniete wie eine zertrampelte Kakerlake neben deren Artgenossen.

„König Draco! Ich schwöre auf meine Pflicht als Sklaven; Zwischen mir und Eurer geliebten Tochter ist nichts!“ Die Lügen, die beide verzweifelt aufrecht erhalten mussten, halfen nichts. Am liebsten hätte Neal alles rückgängig gemacht. Er hätte sie nicht in ihrem Gemach küssen dürfen, sie an sich ziehen, weil er nach ihrer Liebe gierte. Sonst kam eigentlich nie jemand niemand Lilith besuchen. Aber es war am gleichen Tag an dem sie ihren Gemahl aussuchen musste. Und Draco wollte ihr persönlich ein Kleid bringen, welches er für angemessen hielt. Und dann hatte er beide gesehen. Nun standen sie hier, beide tief verbeugt und den Tränen nahe.

„Ich wusste schon immer, dass du Abschaum bist, Halbling! Wage es ja nicht noch irgendetwas zu sagen. Du hast das Herz meiner Tochter besudelt! Es vergiftet und sie zu dem gemacht, was sie ist!“ Draco wandte sich wieder an Lilith, die sich auf die Unterlippe biss, „Ich bin maßlos von dir enttäuscht! In drei Stunden treffen unsere Gäste ein und, das, was ich da gesehen habe... Kein Wunder, dass du nicht heiraten willst! Sobald dein Sklave von hier weg ist, werde ich dir die Leviten lesen. Du wirst endlich deine verdiente Erziehung erhalten!“

„A-Aber V-Vater! Du kannst mir doch nicht meinen Sklaven wegnehmen! Es ist alles meine Schuld, ja? Wirklich, nur meine alleine! Verschone ihn! Ich wollte mich nur für heute Abend vorbereiten, auf meinen Gemahl, den ich mir aussuchen wollte und – “

„GENUG!“, schrie König Draco.

 

Neal seufzte. Eine weitere Träne tropfte auf den Boden. Er schloss die Augen und rief weitere Erinnerungen herbei.

 

Was dann passierte, ging so schnell; Sein massiver Körper hatte sich erhoben und ihr eine so saftige Ohrfeige verpasst, dass sie durch die ganze Halle schallte. Daraufhin ordnete er den Wachen Neal in den Kerker einzusperren.

Jahrelang, er hatte schon aufgehört sie zu zählen, verbrachte er seine Zeit in einem dreckigen Schlupfloch, mit zauberfesten Gittern und fensterlosen Wänden. Wegen guten Benehmens wurde er früher entlassen. Seine Wut gegen König Draco hatte sich in dieser Zeit gestaut und er hatte folglich einen Plan geschmiedet; ihn zu vergiften! Alles klappte reibungslos und niemand kam hinter seine Fassade. An dem Tag, an dem Lilith gekrönt wurde, entschied er sich ihr noch einmal seine Gefühle preiszugeben.

„Ich liebe Euch noch immer, Meisterin“, gestand der Halbdämon mit Schmetterlingen im Bauch.

Hochnäsig blickte Lilith ihn an, setzte sich auf ihren neuen Thron und überschlug die Beine. Sie strich mit zärtlichen Berührungen über die Thronlehnen, lächelte leicht und sah dann zu Neal auf, der sie verliebt und mit Erwartungen ansah.

„Ich denke, es wird an der Zeit das Band zwischen uns zu lösen; Ich werde dir hiermit offiziell die Freiheit schenken. Von heute an bist du ein Freilebender und kannst dir auch deinen eigenen Sklaven anschaffen. Ich bedanke mich für all die Jahren, in denen du in meinen Diensten standest. Ich würde mich natürlich freuen, wenn du weiterhin in meinen Diensten stehen bleibst; als Berater.“

Ein starkes, magisches Gefühl durchfloss Neals Körper. Das Mal in seinem Gesicht kribbelte leicht, bis es höllisch brannte und sich alles plötzlich eiskalt fühlte. Er fühlte, wie die Verbindung zwischen den beiden gekappt wurde. Doch anstatt sich befreit zu fühlen, fühlte er sich alleine und elend. Doch diese Gefühle schiebte er erst einmal beiseite, denn nun, endlich, nach all den Jahren, konnte er an ihrer Seite sein; Als ihr Gemahl. Sicheren Schrittes ging er auf sie zu, kniete vor ihr und zog einen Ring heraus, den er vor Wochen gekauft hatte und hielt ihr ihn in einer dunkelroten Schachtel hin.

„Lilith, willst du meine Frau werden?“

Sie blickte auf ihren ehemaligen Sklaven hinab, hob die Augenbrauen und fing plötzlich an laut zu lachen. Verwirrt sah Neal sie an.

„Vergiss es Neal. Ich werde nie einen Halbdämonen wie dich heiraten! Verschwinde jetzt, bevor ich dich köpfen lasse!“

Ihre harten Worte trafen den Halbdämonen so sehr, dass sein Herz zersprang und er sein Lächeln und seine Hoffnung verlor.

Neal holte eine kleine Schachtel aus seiner Reisetasche heraus. Den Ring, den er Lilith damals schenken wollte, trug er immer bei sich. Er hatte es nie übers Herz bringen können ihn wegzuwerfen. Noch immer strahlte er die Schönheit von damals aus; markant war die Rose, die mit dunkelroten Edelsteinen besetzt war. Jeweils rechts und links formten sich zwei Halbkreise, die mit silbernen Edelsteinen bedeckt waren. In Gedanken verloren spielte er mit dem Licht und dem Ring, bis er gestört wurde.

 „Faré will aufbrechen. Ihr sollt Euch zu uns gesellen!“ Igor stand hinter Neal und sah an ihm vorbei. Der Dämonenmeister nickte nur, steckte den Ring wieder ein und folgte ihm zurück zu den anderen. Als er Valeria erblickte, wie sie lachte und glücklich war, haftete sein Blick wieder am Boden. Die Wunde seines Herzens war noch lange nicht geheilt. Und irgendwie schaffte Valeria es seine tiefsten Erinnerungen zurückzuholen. Aber egal wie es um die beiden stand, er würde die Fehler, die er in der Vergangenheit beging, nicht mehr wiederholen. Valeria war nur seine Sklavin. Mehr nicht.

Das wahre Gesicht des Feindes

Die Gefährten wanderten stumm den Trampelpfad entlang, während die Dämonensonne erbarmungslos hinabprallte. Valeria seufzte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sie sah mit großen Augen zu den gewaltigen Bergen hinauf. Die dunkelbraune Gesteinswand erhob sich dem Himmel entgegen; hier und da sah Valeria sogar knochige Bäume, die unerbittlich ihre Wurzeln in die Berge geschlagen hatten.

„Und dort ist das Lager?“, fragte sie an Faré gerichtet. Dieser nickte.

„Jap. Ein schönes Versteck nicht wahr?“

„Ihr wohnt in den Bergen?“, fragte Neal mit hochgezogenen Augenbrauen. Faré und seine Kumpanen lachten.

„Nein, wir  Wir wohnen an den Ausläufern des Berges.“ Faré grinste und sprach weiter: „Im Berg; Ihr seid ja witzig.“

Neal grummelte etwas vor sich hin und Valeria spürte die Wut, die in jeder Faser seines Körpers floss. Die Sklavin brachte ein gequältes Lächeln zusammen.  Plötzlich  blieb Faré stehen. Valeria und Neal sahen ihn aufmerksam an.

„Schlagt ihn nieder“, waren seine kurzen Worte. Bevor einer der beiden überhaupt reagieren konnte, war es schon geschehen. Rock hob seine mächtige Faust und gab Neal eine gewaltige Kopfnuss. Der Dämon sank sofort bewusstlos zusammen. Valeria schrie einen spitzen Schrei aus. Sie schlug die Hände vors Gesicht.

„Warum macht Ihr das?!“, wandte sie sich panisch an Faré. Dieser grinste gehässig.

„Fesselt sie und verbindet ihr die Augen.“ Grob wurde Valeria von Rock gepackt. Hilflos sah sie Faré an, als das Muskelpacket ihr mit Fesseln die Hände nach hinten band.

„Faré, ich habe Euch vertraut!“, schrie sie ihn wütend an und versuchte sich aus Rocks festem Griff zu lösen. Doch der ließ sich davon nicht beeindrucken.

„Tut mir leid, Valeria. Aber es geht nicht anders. Ihr beide habt schon viel zu viel gesehen; ihr könntet eine ganze Armee herschicken und uns vernichten. Nun, nicht direkt Ihr, aber Euer Meister würde dies sicher tun.“

Faré wandte sich von ihr ab, als Rock Valeria mit einem dreckigen Stoffstück die Augen verband. Der Geruch von Schweiß breitete sich von diesem aus und der Engel zog angewidert die Nase nach oben.

„Vorwärts! Rock, du hältst sie fest; ich möchte nicht, dass Valeria hinfällt. Und du Igor, trägst Neal.“

 

Gelangweilt blickte er über die unzähligen Zelte, die am Ausläufer des Gebirges standen. Gezielt bewegte sich Faré durch den verwinkelten Zeltwald und blieb vor einem großem, Purpurschwarzenem stehen, das mit goldenen Stickereien verziert war. Der Dämon konnte sich gut vorstellen, dass es für die Näherinnen sehr schwer gewesen sein musste den dünnen Stoff nicht mit ihren Nadeln zu zerreißen. Er würde sich nachher bei ihnen bedanken, immerhin haben sie ihre Arbeit innerhalb kürzester Zeit vollbracht; von seinem Aufbruch bis zur Wiederkehr. Faré blieb mit seinem Gefolge vor dem Zelt stehen. Wenige Sekunden später schlug Chou die Zeltplane zur Seite und trat auf Faré zu. Sie verbeugte sich leicht vor ihm.

„Da seid Ihr ja“, sprach sie zu ihm und lächelte böse. Dann erblickte sie Valeria und Neal; ihr böses Lächeln wurde zu einem Grinsen als sie den bewusstlosen Dämonenmeister und seine gefesselte Sklavin sah. Die Schmetterlingsdämonin schüttelte den Kopf. „Warum habt Ihr ihr die Augen verbunden, Ashwath?“, sprach sie tadelnd zu Faré.

„Wir wollen doch nicht, dass sie Neal sagt, wie man in unser Versteck gelangt“, antwortete er und warf Valeria einen Blick über die Schultern zu. Diese wurde immer noch von Rock festgehalten. „Entferne ihr die Augenbinde“, befahl er dem großen Dämon. Er tat wie ihm geheißen und erlöste Valeria von ihrer Blindheit. Als allererstes atmete sie tief ein, froh darüber diesen stinkigen Verband loszuwerden, dann kniff sie die Augen zusammen; das Sonnenlicht schien ihr genau ins Gesicht. Rock stopfte die dreckige Stoffbinde in seine Hosentasche und klopfte Valeria entschuldigend auf die linke Schulter. Die Engelsfrau sah ihn misstrauisch an, als sich ihr Augenlicht wieder normalisierte.

„Wo ist Faré?“, fragte sie ihn sofort. Rock blinzelte mit den Augen und zeigte dann auf den fremden Mann, der neben Chou stand. Valeria sah den Mann an, dann wieder zu Rock und dann wieder zum Fremden. „Willst du mich verarschen?! Wo ist Faré!? Er hat kein recht Neal einfach so zusammenzuschlagen und mich zu fesseln!“, schrie sie nun wütend und ihre hellen, irislosen Augen funkelten den Hünen an. Dieser ließ sich aber nicht davon beeindrucken. Er zuckte nur mit den Schultern. Die anderen Dämonen grinsten sich nur gegenseitig an; Valeria verstand nicht was an der Situation so witzig war! Der fremde Mann vor ihr räusperte sich. Valeria sah ihn sich nun genau an und sie schluckte schwer; seine Augen, sie waren genauso jadegrün wie die von Faré! Sein Haar dagegen war nicht weißblond sondern rabenschwarz und mit einigen blutroten Haarsträhnen versehen. Dieses hatte er sich, wie Neal, zu einem Pferdeschwanz gebunden. In seinem rechten Ohr blitzte ein goldener Ohrstecker auf, der mit einem Rubin versehen war. Die Kleidung, die der Mann trug, ähnelte ebenso der von Neal. Sie hätten beide Brüder sein können, hätte sogenannter Faré nicht markantere Gesichtszüge gehabt. Während Valeria den Mann aus großen Augen musterte, ließ dieser sich das über sich ergehen.

„Mein Name ist Ashwaht, Valeria. Du kennst mich aber unter dem Namen Faré“, erklärte er ihr und lächelte sie an. Dabei blitzten zwei spitze Eckzähne auf.

„Ihr lügt! Ihr seid niemals Faré! Was habt Ihr mit ihm gemacht?“, warf sie ihm wütend vor und baute sich vor dem Dämon namens Ashwaht auf. Sie fühlte, dass beide nicht eine Person sein konnten! Einfach die Aura, die Faré ausstrahlte und die, die Ashwaht nun ausstrahlte.

„Ich bin Faré, auch wenn man es nicht  sofort sieht. In der Außenwelt umhüllt mich ein Schutzzauber, der mein wahres Äußeres vor den anderen verbirgt. Sobald ich mich aber der Grenze hier nähere, verwandle ich mich zurück. Auch habe ich mir einen anderen Namen zugelegt, wenn ich dieses Gebiet hier verlasse. Ich bin nämlich sehr bekannt“, erklärte er ihr augenzwinkernd. Valeria musterte ihn erneut. Diese Erklärung befriedigte sie nicht wirklich, aber sie hörte sich dennoch sehr plausibel an. Sie hat schon einige seltsame Sachen hier in dieser Welt gesehen und gehört; es passte alles zusammen.

„W-Warum habt Ihr uns angelogen?“, fragte sie ihn nun. Valeria fühlte sich nun schwer enttäuscht von ihm. Sie hatte ihm vertraut und mochte ihn sehr, wie hatte er ihr das nur antun können? Plötzlich vernahm sie ein Stöhnen hinter sich. Neal erwachte langsam wieder zum Leben. Der Dämon fasste sich an den Kopf.

„Lass mich runter“, nuschelte er und Igor ließ ihn, wie einen schweren Sack, zu Boden fallen. Erneut stöhnte er auf, dann übergab er sich. Igor wandte sich angeekelt von ihm ab. Rock und Chou grinsten hämisch, während Ashwaht ruhig da stand und wartete, bis Neal damit fertig war, seinen Mageninhalt auf dem Boden seines Gebietes auszuleeren. Valeria wandte sich ebenfalls von diesem Schauspiel ab. Innerlich jedoch kicherte sie, schadenfroh darüber. Als Neals Magen endlich Ruhe fand, wischte er sich mit seinem linken Ärmel über den Mund. Dann hob er den Blick und sah Ashwaht an. Sein Gesicht wurde noch bleicher. Während Neal ihn entgeistert anstarrte, blieb das Gesicht seines Gegenübers ausdruckslos.

„Im Namen der Hölle: Was machst du hier?!“, zischte Neal ihm wütend zu. Mit wackeligen Beinen stand er auf und klammerte sich wie ein Kind an Valeria fest. Die junge Frau hatte Schwierigkeiten nicht umzukippen; ihr Meister war nicht gerade leicht.

„Dies ist mein Zuhause hier. Was dagegen? Nachdem man mich ja entfernt hat, musste ich mir ja ein neue Bleibe suchen. Und die habe ich hier gefunden. Eigentlich müsste ich dir und Lilith dafür danken; wegen euch beiden habe ich auch neue Freunde gefunden und ein ehrenwertes Ziel.“

Neal knurrte. Am liebsten würde er sich auf ihn stürzen, doch sein geschwächter Zustand machte ihm dies unmöglich! „Ich finde es immer noch schade, dass der Rat dich damals nicht köpfen ließ! Verbannung, ha! Das hat dich trotzdem nicht abgehalten uns alle mit faulen Tricks zu täuschen.“

„Die Verbannung ist schon knapp zweihundert Jahre her; sie ist also verjährt. Du müsstest dich doch gut mit den Regeln auskennen, mein Lieber. Und zur Täuschung: Glaubst du Lilith hätte mich in diesem Aufzug zu ihr gelassen?“

„Nein, natürlich nicht! Sie hätte dich sofort verjagt“, gestand der Dämon ihm.

Chou räusperte sich. „Ashwaht, Ihr habt noch einen Termin“, flüsterte sie ihm zu. Der Dämon schlug die Hände zusammen.

„Nun ich muss euch beide nun bitten mich zu verlassen. Ich werde euch morgen Abend zum Essen rufen lassen. Rock, Igor bringt sie in eines der Gästezelte. Sorgt dafür, dass sie alles bekommen was sie wollen; doch sollte einer versuchen von ihnen zu fliehen, dann verfahrt mit ihnen wie üblich.“ Nach diesen Worten wurden Neal und Valeria von den beiden anderen Dämonen gepackt und weggebracht. Valeria drehte sich noch einmal zu Ashwaht um und sah ihn finster an.

 

Neal lag erschöpft auf seinem Feldbett und seufzte tief. Nach einer kurzen Katzenwäsche hatten die beiden es sich in ihrer neuen Unterkunft gemütlich gemacht. Neal musste zugeben, dass er niemals so einen Luxus in einem Zelt erwartet hätte. Es war mit auf einem großen, blutroten Teppich ausgelegt und in  der Mitte war eine Kuhle, in der sich eine Feuerstelle befand. An der linken Wand des Zeltes stand ein großer, feinausgearbeiteter Tisch mit mehreren Stühlen. Zwei große schwarze Truhen standen am Fußende von jedem Feldbett; das einzige Unluxuriöse hier. Valeria saß ebenfalls auf ihrem Feldbett, hatte die Beine angezogen und den Kopf auf die Knie gelegt.

„Woher kennst du Ashwaht“, fragte sie ihn ohne den Blick von der gegenüberliegenden Zeltwand abzuwenden.

„Ashwaht ist so etwas wie Liliths Bruder.“

„Wie kann er so etwas wie ihr Bruder sein?“, bohrte sie neugierig nach.

„Liliths Vater, Draco, hatte mehrere Mätressen; Ashwaht ist der Bastard von einer von ihnen. Er hat ihn jahrelang verschwiegen, doch als er sah wie sein ungeliebtes Balg zu einem gehorsamen, intelligenten und vor allem höflichen Mann wurde, bekannte er sich zu ihm. Draco zeigte seinem Sohn alles. Jahrelang wurde gemunkelt, dass er anstatt von Lilith über das Dämonenreich einmal herrschen würde. Doch es kam alles anderes. Ashwaht beging Verrat und Draco verbannte ihn, nachdem Lilith und ich ihm dessen Geheimnis  verraten haben. Ich an seiner Stelle hätte ihn sofort getötet, doch er liebte wohl Ashwaht viel zu sehr um ihm so etwas anzutun.“

„Und was hat Ashwaht genau getan?“

„Das geht dich nichts an, Valeria.“ Die junge Frau seufzte niedergeschlagen. Langsam hatte sie es satt, dass der Dämon ihr so wenig verriet. „Du solltest Ashwaht nicht vertrauen, Valeria. Er wird dir nur wehtun.“

Sie horchte auf. „Wie meinst du das?“

Neal stand auf und ging auf seine Sklavin zu. „Ashwaht ist nicht so wie Faré. Das ist seine Maske, die er den Feinden gegenüber zeigt. Er beherrscht sie perfekt, Valeria. Du solltest Faré sofort vergessen.“

Sie runzelte die Stirn. „Warum können Faré und Ashwaht nicht dieselbe Person sein?“, fragte sie ihn herausfordernd. Neal setzte sich neben sie auf das Feldbett und seufzte niedergeschlagen. Es tat ihm weh, wie sehr seine Sklavin an diesem Nichtsnutz hing. Er legte seine rechte Hand auf ihre Linke. Die Berührung ließ sie kurz zusammenzucken.

„Ich kenne Ashwaht. Vertraue mir und dir wird nichts passieren.“ Der Dämonenmeister begann ihre Hand sanft zu streicheln. Valeria sog scharf die Luft ein. Sie wollte nicht, dass er sie berührte!

„Valeria.“

Neal ließ sofort ihre Hand los, als er Chous Stimme vernahm. Sie stand vor den beiden und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. „Meister Ashwaht möchte dich sehen. Alleine.“

 

An Kerzen verbrennt man sich

Zögerlich stand Valeria auf. Sie warf Neal einen letzten Blick zu, bevor sie Chou folgte. Als die beiden Frauen das Zelt verließen, bemerkte der Engel sofort, dass etwas nicht stimmte. Das Lager war nämlich wie ausgestorben. Es war sogar so ruhig, dass man das Zirpen der Grillen hören konnte. „Was ist hier los?“, fragte Valeria die Schmetterlingsdämonin argwöhnisch. „Sie sind alle beim Festmahl; es findet an einem Ort statt, der Euch und Eurem Meister verwehrt ist.“ – „Und wohin bringt Ihr mich?“, fragte Valeria erneut und wurde immer unruhiger. Was hatte die Dämonin mit ihr vor? Chou jedoch schwieg eisern.

Sie steuerte stattdessen auf ein hohes, rotes Zelt zu. Chou schlug die Zeltplane zur Seite und ließ Valeria eintreten. Die junge Engelsfrau blinzelte, als sie in das Gesicht einer anderen Sklavin blickte sah, die dort anscheinend auf sie wartete. „Herrin.“ Die Sklavin verneigte sich tief vor Valeria. Mit erstauntem Gesicht starrte der Engel ihr Gegenüber an und musste innerlich zugeben, dass ihr das gefiel. Doch anstatt darauf einzugehen, blickte sie sich erst einmal um.  Diese stand immer noch im Zelteingang und sah sich um. Das Zelt war groß und hell. Sie sah entdeckte eine große, gusseiserne Wanne unter der sich ein brennender Stapel Feuerholz befand und somit das Wasser aufheizte. In der linken Ecke des Zelte stand ein kunstvollverzierter Paravent daneben ein großer Schminktisch. Auf dem Raumteiler lag ein Kleid in den Farben des Sonnenuntergangs.

„Warum Herrin?“, fragte Valeria die Sklavin verwirrt, als ihr Blick bei der Magd hängen blieb. Die Sklavin sah sie plötzlich betroffen an. „Soll ich Euch Mylady nennen? Wäre Euch dies lieber?“ „Ich...ähm...Ich...“, stotterte sie nur und nickte. Mylady war ihr lieber. 

Chou gab ihr dann plötzlich einen Stoß in die Rippen. „Ashwaht möchte mit Euch zu Abend speisen, deswegen werdet Ihr jetzt gebadet, geschminkt und bekommt ein Kleid, dass diesem Abend würdig ist“, erklärte sie ihr und lächelt Valeria zum ersten Mal freundlich an. „Was ist mit Neal?“ Chou runzelte abrupt die Stirn. „Was soll schon mit dem Dämonenmeister sein? Er bekommt einen Brotlaib und einen Krug Wasser; dies muss ihm genügen.“ Valeria wollte erneut etwas sagen, doch Chou schnitt ihr das Wort ab. „Nichts da! Ihr werdet das hier jetzt genießen. Sobald Ihr fertig seid, werde ich Euch wieder abholen.“ Ohne ein weiteres Wort verließ Chou das Zelt. Valeria sah hilfesuchend zu der Sklavin. „Wenn Ihr mir folgen würdet, Mylady?“

                                                                     

Ashwaht strich gedankenverloren mit seinem Zeigefinger über den Rand seines Weinglases. Er saß an einem langen, stabilen Glastisch und wartete. Alles war perfekt; sein Zelt war extra aufgeräumt worden, seine Köche hatten nur die edelsten Zutaten für das Abendessen verwendet und sogar der Wein war aus der Hauptstadt des Dämonenreiches eigens für ihn angeliefert worden. Alles war bereit, nur seine Gesellschaft fehlte ihm.

Hinter ihm stand Rock, er diente als Leibwächter. Der stumme Hüne stand wie ein Mahnmal hinter dem Anführer. 

Nach einer Weile des stummen Wartens erschien Valeria.  Ashwaht blinzelte, als er sie sah. Valerias langes, blondes Haar war kunstvoll nach oben gesteckt und einige ihrer Strähnen fielen auf ihre nackten Schultern herunter. Das Kleid schmiegte sich perfekt an ihren Körper und die eingearbeiteten Perlen leuchteten im Kerzenlicht leicht.

Valerias Gesicht war dezent geschminkt. Dem Dämon gefiel ihr Antlitz sehr. Er stand auf und verbeugte sich übertrieben vor ihr. „Mylady.“ Valeria errötet und setzte sich auf den freien Stuhl, der am anderen Ende des Tisches stand. Die Engelsfrau ließ ihren Blick schweifen während sich Ashwaht wieder auf seinem Platz begab. „Möchtest du Wein?“, fragte er sie unverfroren und nickte Rock zu. Ein Nein hätte er in diesem Falle nie akzeptiert. Niemand würde ihm je etwas abschlagen. Das war bei ihm Gesetz. Rock, der an diesem Abend der Leibwächter war, trat  an den Tisch, nahm die Weinflasche und schenkte etwas davon in Valerias Glas ein. Diese musterte das Getränk skeptisch. „Es ist nicht giftig.“ Ashwaht trank selbst aus seinem Glas und unterstrich somit seine Worte. Zögerlich tat Valeria es nach. Sie musste zugeben, dass er nicht süß aber sehr fruchtig-herb schmeckte.

„Wieso bin ich hier?“, fragte sie ihn direkt und fixierte ihn fest. Der Dämon setzte sein Glas ab und begann, mit dem Siegelring seiner linken Hand, zu spielen. „Ich dachte, ich tue dir etwas Gutes, und lade dich zum Essen ein“, gestand er ihr und wirkte über diese Frage leicht entrüstet. „Und warum wurde Neal nicht eingeladen?“, fragte sie weiter und verschränkte die Arme vor der Brust. Die Engelsfrau sah ihn herausfordern aus. „Wie du sicher schon bemerkt hast, mögen Neal und ich uns nicht besonders. Ich dachte daher, dass wir diesen Abend lieber alleine verbringen.“ Valeria zog die Augenbrauen hoch. „Ich danke Euch für die Einladung, aber mir ist es nicht recht, dass ich alleine mit Euch speisen soll“, sprach sie zu ihm. „Valeria, egal was Neal über mich erzählt hat, es stimmt nicht. Ich habe mich geändert“, sagte er plötzlich. Die junge Frau schnaubte. „Wie kommt Ihr darauf, dass mir Neal etwas über Euch erzählt hat?“ Ashwaht lächelte schief. „Ich kenne Neal länger als du, Valeria. Er wird dir sicher etwas über mich erzählt haben, doch egal was es auch war, du musst mir glauben, ich bin nicht mehr so wie vor ein paar hundert Jahren.“ Sie sah ihn prüfend an. Sollte sie ihm glauben? Was war, wenn er sie anlog? Sie kannte Ashwaht so gut wie gar nicht, er konnte ihr das Blaue vom Himmel erzählen. Aber andererseits … warum sollte er sie anlügen? Ashwaht hatte doch gar keinen Grund dazu! Valeria schloss kurz die Augen und überlegte. Neal war nicht hier, er konnte als keinen ihrer Schritte überwachen. „Gut. Heute Abend werde ich Euch vertrauen, Ashwaht. Ich hoffe, Ihr enttäuscht mich nicht.“

 

Neal saß grummelt in seinem Zelt und starrte wütenden auf den silbernen Teller, den ihm ein Diener gebracht hatte. Auf diesem lag ein Kante Schwarzbrot, die schon hier und da einige Schimmelstellen hatte. Neben ihm, auf einem kleinen Tisch, stand ein verbeulter Kupferkrug mit Wasser. Der Dämonenmeister sah dort skeptisch hin. Das Wasser sah leicht gelblich aus. Er wurde es definitiv nicht trinken. Den Teller mit dem Brot warf er achtlos auf den Boden. Durch den Krach, den der Teller verursachte, kam eine junge Dienerin herein. Sie sah Neal vorsichtig an. „Stimmt etwas nicht, Herr?“, fragte sie unterwürfig. Neal funkelte sie aus blutroten Augen an. „Das fragst du noch? Dein Anführer lässt mir Essen bringen, dass ich nicht mal meiner Sklavin geben würde! Und wo wir gerade dabei sind: WO IST SIE!!“ Die Dienerin zuckte zusammen und blickte starr auf den Boden. „Ich weiß nicht, Herr.“ Der Dämon stand blitzschnell auf. Er packte die Dienerin an den Haaren und zog ihren Kopf ruckartig nach oben. Sie sah ihn aus angsterfüllten Augen an. „WO IST SIE!?“, fragte er sie erneut und er beugte sich tief zu ihr hinab. „Sag es mir!“

 

Valeria stellte das Weinglas kichernd ab. „Und dann ist er selbst in den Zuber gefallen“, schloss Ashwaht seine Erzählung ab und die Flügellose brach in schallendes Gelächter aus. Ashwaht unterdrückte sein Lachen. Valeria traten die Tränen in die Augen und sie holte japsend nach Luft. „Schluss jetzt! Wenn ich noch eine Geschichte über den Sklaven Neal höre, dann falle ich vor Lachen tot um“, gestand sie ihm und wischte sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln. Ihr Gegenüber lächelte leicht. „Das wollen wir ja nicht, aber ich hätte noch eine sehr tolle Geschichte auf Lager. Zum Beispiel als er die Ställe ausmisten müsste, weil er vergessen hatte, Lilith Kleid zum Schneider zubringen. Auf dem Ball ist ihr dann jemand draufgestiegen, und das viel zu weite Kleid rutschte ihr vom Körper.“ Valeria unterdrückte es, erneut laut loszulachen. Ihre Schultern bebten. „Aufhören…bitte“, flehte sie fast schon.

„Hat dir Neal nie etwas darüber erzählt?“ – „Nein. Er hat mit mir noch nie über derartiges gesprochen“, gestand sie ihm und ihre fröhliche Stimmung war mit einem Mal verpufft. „Neal erzählt mir selten etwas über sich.“ Der Dämon fixierte sie aus jadegrünen Augen. „Nun, Neal hat nicht gerade eine berauschende Vergangenheit. Ein wenig kann ich verstehen, dass er daher nicht viel über sich erzählt. Möchtest du mehr über ihn wissen?“ Valeria nickte zögerlich und nahm einen erneuten Schluck aus ihrem Weinglas. Ihre Wangen waren inzwischen vom Alkohol gerötet. Rock goss wieder einmal Wein in das Glas und stellte die Flasche auf dem Tisch ab. „Rock, lass uns alleine“, befahl Ashwaht. Der Hüne nickte und verschwand aus dem Zelt. „Wieso willst du mehr über Neal wissen?“, hakte der Anführer nun nach. „Er ist mein Meister. Ich möchte über ihn in Erfahrung bringen, damit ich es ihm recht machen kann“, erklärte sie ihm bitter. Ashwaht runzelte die Stirn. „Ist das wirklich alles?“ – „Ja, natürlich.“ Der Dämon stand auf und ging auf Valeria zu. Er blieb hinter ihr stehen und strich ihr über den Nacken. Valerias Nackenhaare stellten sich dabei auf. „Neal ist mein Meister, ich möchte ihn, da ich seine Sklavin, mit Stolz erfüllen. Doch wie soll ich das bewerkstelligen, wenn ich kaum etwas über ihn weiß.“ Die junge Frau spürte, wie Ashwaht seine Hand zu ihrer rechten Schulter wandern ließ. Er begann diese sanft zu massieren. „Warum fragst du ihn nicht einfach?“, hauchte er ihr zu. Valeria lachte auf. Ashwahts linke, freie Hand, schmiegte sich nun an ihre Wange. „Er würde mich auslachen und sagen, dass mich das nichts angeht. Neal würde mir aus freien Stücken nie etwas über sich verraten.“ Der Dämon hörte auf ihre rechte Schulter zu massieren, und hob ihr Kinn leicht an. Die beiden sahen sich direkt in die Augen. „Ich würde dir alles über mich erzählen“, flüsterte er ihr zu, bevor er sie küsste.

Valeria sah ihn überrascht an, wehrte sich aber nicht dagegen. Ashwahts Lippen waren weich und warm. Ihr gefiel es und sie öffnete freiwillig ihren Mund, als Ashwaht mit seiner Zunge über ihre Lippen strich.

Das Gefühl, welches sich in ihrem Körper ausbreitete, war stärker als es damals bei Neal gewesen war. Sie spürte sogar ein richtiges Verlangen.

Ein wildes Zungenspiel begann und Valeria bemerkte nicht, dass der Dämon begann, ihr das Kleid bis auf die Ellenbogen auszuziehen. Ohne den Kuss zu unterbrechen, ließ Ashwaht seine beiden Hände zu ihren Brüsten wandern. Valeria stöhnte auf als Ashwaht begann diese sanft zu kneten. „Stop!“

Ashwaht ließ von ihr ab und drehte sich um. Neal stand im Zelteingang und sah den Dämon fassungslos an. Seine Augen sahen ihn verhasst an. Valeria drehte sich ebenfalls zu ihm und sah ihn entgeistert an. „Was fällt dir ein?!“ Diese Worte waren an Ashwaht gerichtet. Dieser sah Neal unschuldig an. „Was denn? Ich mache doch gar nichts“, erwiderte dieser. Valeria zog ihr Kleid wieder hoch und sah beschämend zu Boden. Was hatte sie sich dabei nur gedacht?!

Der Dämonenmeister würdigte sie immer noch keines Blickes. „Warum fasst du mein Eigentum an?!“ Ashwaht kratze sich am Kopf. „Dein Eigentum? Sie ist nur deine Sklavin, Neal. Sie ist kein Ding, dass du in eine Ecke stellen kannst.“ Wütend ging Neal auf ihm zu. Er baute sich vor dem Anführer auf. „Wenn du sie noch einmal anfasst, dann bringe ich dich um!“ Jetzt erst sah er Valeria an. „Komm mit“, zischte er ihr zu. Dabei spürte sie, wie sich Neals Wut auf ihr Mahl übertrug. Sie verzog schmerzerfüllt das Gesicht und unterdrückte einen Schmerzensschrei. Neal packte Valeria an der rechten Hand und verließ mit ihr das Zelt. Ashwaht sah den beiden nach und schüttelte den Kopf. „Verdammt.“

 

„Neal, bitte! Lass es mich erklären!“, versuchte es Valeria bettelnd und Tränen traten ihr in die Augen, als der Dämon sie quer durchs Lager schleppte. „Neal, bitte!“ Er aber ignorierte sie, vorerst. Als die beiden in ihrem Zelt ankamen, ließ Neal die Sklavin los. „Neal…es tut mir leid. Ich wollte das nicht!“, versuchte sie es erneut, doch er hob die rechte Hand und sie schwieg. „Warum tust du mir das an?“, fragte er sie. Seine Stimme war tonlos. „Neal…-“ Der Dämon drehte sich zu ihr um. Seine Augen loderten vor Wut und sie bildete sich ein, ein paar Tränen aufblitzen gesehen zu haben. „Warum tust du das!“, schrie er sie nun an. „Warum?! Hast du eine Ahnung wie sehr du mir damit wehtust!“ Valeria zuckte zusammen. Die Engelsfrau schwieg. Sie biss sich auf die Unterlippe. „Ashwaht ist einer der schmierigsten, hinterhältigsten Dämonen die es in der Dämonenwelt gibt und du bietest dich ihm an! Du gehörst mir, Valeria! Ich bin der Einzige der dich anfassen darf!“ Valeria wollte etwas erwidern, doch Neal schnitt ihr das Wort ab. „Ausziehen, sofort.“

 

Valeria wollte etwas erwidern, doch Neal schnitt ihr das Wort ab, indem er sie heftig küsste. Er packte sie grob am Hinterkopf und zwang sie quasi seinen Kuss zu erwidern. Die Engelsfrau versuchte sich zu wehren, doch sie war machtlos. Zudem strömten hunderttausende von Gefühlen auf sie ein. Wut, Trauer, Hass... Und Zuneigung. Neben dem ganzen Schmerz, welcher sie durch das Mal begleitete, fühlte sie auch ein angenehmes Kribbeln. Dann, plötzlich ließ Neal von ihr los und sah ihr in die Augen.

„Warum, Valeria? Ist er so viel besser als ich?“ Seine Augen blickten ins Leere, dann brach er in sich zusammen und er zeigte sich von einer Seite, die Valeria noch nie an ihm gesehen hatte; er weinte. 

 

 

Eine heimliche Nachricht


 

Das leise Zirpen der Grillen kündigte die Nacht an, in der Valeria einfach keinen Schlaf fand. Sie drehte sich immer wieder auf die andere Seite, doch sobald sie auf die leere Stelle in Neals Bett starrte, zog sich ihr Magen zusammen. Nachdem dieser sich nämlich bei ihr ausgeweint hatte, war er aufgestanden und gegangen. Seitdem hat sie ihn nicht mehr gesehen. In ihrem Kopf war ein großes Durcheinander. Als sie bei Ashwaht war, hatte sie etwas ausgesprochen, was sie für unmöglich hielt. Nach all der Zeit mit Neal, hatte sie sich mit ihrem Schicksal als Sklavin abgefunden, und sogar den Gedanken gemocht, ihm eine gute Untergebene zu sein. Eigentlich behandelte er sie ja nicht schlecht, es war in den letzten Tagen nur wegen Ashwaht so schlimm geworden. Seufzend drehte sich der junge Engel auf den Rücken und starrte die Zeltdecke an. Wo war ihr Wille geblieben sich den Dämonen zu widersetzen? Einfach verschwunden? Plötzlich kam ihr ein Gedanke: Suchte ihr Vater schon nach ihr? Oder waren die Engel noch immer im Glauben sie sei auf der Erde?
 

„So kann das doch nichts werden!“ Valeria drehte sich wieder um, starrte nun die Zeltwand an und schloss ganz fest ihre Augen in der Hoffnung, der Schlaf möge kommen...

 

„Aufstehen!“ Jemand riss Valeria die warme Bettdecke weg. Verschlafen blickte sie in die blutroten Augen von Neal, der sie grimmig anstarrte.

„A-Aber es ist doch noch so früh...“, murmelte sie und versuchte sich die Decke zurückzuerobern, doch der Dämonenmeister weigerte sich.

„Wir haben noch eine Menge zu erledigen!“, meinte Neal nun etwas sanfter und drehte sich um. „Zieh dich an und dann gehen wir. Ashwaht wird uns heute nach Schlangenzahn begleiten, damit wir mit eigenen Augen sehen können, was sie so treiben!“

„Schon gut, schon gut. Ich steh ja auf!“ Übelst gelaunt richtete sich Valeria auf und wechselte ihre Kleidung. Sie hoffte, Neal würde es wagen sie anzublicken, doch er tat es nicht. Stattdessen kaute er auf einer Brotscheibe rum, die sein Frühstück sein sollte. Die blonde Frau musterte Neal dabei und seufzte. Wengistens war er wieder ganz der Alte, wenn auch nicht so, wie sie ihn haben wollte.

„Wie lange bleiben wir überhaupt hier?“, wollte sie nun wissen und nahm neben ihm Platz, wo sie auch nach einem Stück Brot griff.

„Nicht mehr als eine Woche. Wir beobachten ihre Aktivitäten und ihr Verhalten, dann ziehen wir uns zurück und statten Lilith Bericht. Sie kann sich dann um den Rest kümmern.“

„Gut. Von mir aus.“ Die Enttäuschung, die in ihrer Stimme lag, war nicht zu überhören, trotzdem blieb Neal ganz gelassen.

„ Schön. Du bist ja fertig, also lass uns gehen.“ Ohne Weiteres richtete er sich auf und verließ das Zelt. Hastig eilte Valeria ihm nach. Draußen begegneten sie Igor und Chou, die schon auf die beiden warteten. Sie führten sie zu Ashwahts Zelt und gaben den beiden mit einer Geste zu verstehen, dass sie warten sollten. Chou trat ein und kam wenige Sekunden später wieder raus.

„Meister Ashwaht wird euch nun empfangen.“ Sie hielt die Plane hoch und mit grimmigen Blick traten der Dämonenmeister und seine Sklavin ein.

„Schön, dass ihr so früh gekommen seid!“, meinte Ashwaht leicht lächelnd. Das Gewand, welches er heute trug, war noch edler als das von Gestern. Neal warf ihm böse Blicke zu, die sein Gegenüber nur ignorierte. Valeria dagegen errötete und blickte so schnell wie möglich weg. Ihr war die Situation doch etwas unangenehm. Leicht lächelte sie. Ihr Herz raste wie verrückt und sie konnte sich die Situation nicht erklären. Trotz der Tatsache, dass Neal sehr erbost über das war, was Gestern passiert war.

„Heute werden wir dann nach Schlangenzahn gehen, wie?“, fragte Neal bissig und trat wieder aus dem Zelt. Valeria folgte ihm, wie es sich gehörte, als Ashwaht ihr einen Zettel zusteckte. Sie sah ihn aus großen Augen an. Hastig blickte sie zu Neal, ob er diese bemerkte , dann erst steckte sie den Papierfetzen in ihr Dekolleté Ashwaht lächelte sie an und verließ ebenso das Zelt. Valerias Herz klopfte so heftig, dass sie alles um sich herum vergaß. Voller Neugierde und Nervosität wollte sie lesen, was es mit dem Zettel auf sich hatte, doch solange sie nicht alleine war, war ihr das unmöglich. Sie würde sich also was überlegen müssen. So sehr ihre Neugierde auch stieg, es ging einfach nicht. Und es musste auch unaufällig sein. Valeria gesellte sich zu Neal und Ashwaht. Letzter tat so, als würde er sie nicht sehen.

„Am schnellsten kommen wir nach Schlangenzahn, wenn wir unsere Kutsche nehmen. Neal, Ihr werdet mit mir und Valeria mitkommen, Chou, Igor und Rock werden uns mit einer anderen folgen. Rock wartet bereits auf uns am Lagerausgang. Ich hoffe, Ihr seid vorbereitet“, meinte der Anführer der Dunklen Ritter geduldig.

„Natürlich bin ich vorbereitet, Ashwaht. Ich kann es kaum erwarten deinen Kopf hängen zu sehen“, murmelte er, was aber niemand mitbekam.

 

„Hier ist Schlangenzahn. Die Bewohner hier sind ziemlich zwiegespalten. Einerseits verehren uns die Armen, weil wir ihnen eine Überlebensmöglichkeit anbieten. Andererseits verachten uns die Reichen, weil wir sie bestehlen. Das Resultat jedoch ist, dass es den ärmeren Bewohnern Schlangenzahns besser geht, die Reichen aber trotzdem reich bleiben. So einfach ist das. Wir versuchen diese Stadt zu retten. Natürlich weiß ich, dass Lilith über so etwas nicht erfreut ist, aber sie kann mir, ehrlich gesagt, gestohlen bleiben!“

„Mir war schon klar, dass dich das nicht besonders interessiert!“, gestand Neal kühl und sah sich um. Das Volk war wie jedes Dämonenvolk sein musste; es arbeitete, verkaufte, amüsierte sich. Nichts besonderes. Keine auffällige Armut. Entweder übetrieb Ashwaht oder aber sie waren noch nicht am richtigen Ort. „Trotzdem sehe ich hier keine Armut“, sprach Neal seinen Gedanken nun laut aus.

„Natürlich nicht. Sie befinden sich alle am Ende des Dorfes, abgeschieden und dorthin verbannt. Im Augenblick kursiert das Gerücht herum, dass sich unter ihnen eine sehr ansteckbare Krankheit verbreitet hat. Deswegen brauchen sie Heilkräuter, die sie sich aber nicht leisten können. Meine Männer sind schon dabei diese zu organisieren. Wir werden Euch unverzüglich dorthin bringen. Sicherheitshalber wird Eure Sklavin hierbleiben. Wir wollen ja nicht, dass sie krank wird!“

Neal bedachte Ashwaht mit einem finsteren Blick, nickte ihm jedoch widerwillig zu. Ihm war  nicht wohl bei dem Gedanken, Valeria könnte etwas passieren.

„Chou, du wirst bei Valeria bleiben bis wir zurück sind. Es wird auch nicht lange dauern!“, befahl ihr Anführer und sie nickte. Mit diesen Worten verschwanden Neal, Ashwaht und dessen Gefolge in Richtung Westen der Stadt. Erleichtert atmete Valeria auf. Jetzt konnte sie den Zettel in aller Ruhe lesen.

„Können wir uns irgendwo niederlassen?“, fragte Valeria die Schmetterlingsdämonin zaghaft.

Diese schüttelte den Kopf. „Nein, wir bleiben genau hier!“

Seufzend verdrehte Valeria genervt die Augen. Da ihr nichts anderes übrig blieb, setzte sie sich auf den Boden um zu warten. Dabei zog sie heimlich den Papierfetzen aus ihrem Dekolté und faltete ihn auseinander. Erst jetzt bemerkte sie, wie zittrig ihre Hände waren. Chou beobachtete sie nicht einmal, sie blickte einfach starr hinaus und wartete. Das war eine gute Gelegenheit befand der junge Engel.

„Ich weiß, dass du es auch gespürt hast. Wenn du mich wiedersehen willst, dann treffen wir uns heute um Mitternacht in meinem Zelt. Ashwaht.“

 

Das Abendmahl durften Valeria und Neal zusammen verbringen. Das Mahl war dieses Mal etwas üppiger , wenn auch nicht so schmackhaft wie der Dämonenmeister es gewohnt war. Währenddessen erzählte er ihr, was er alles bei den Armen herausgefunden hatte. Doch Valeria hörte ihm nicht wirklich zu. Ihre Gedanken kreisten um diese Nacht. Sie war sich unschlüssig, ob sie hingehen sollte oder nicht. Irgendwie juckte es sie in den Fingern. Sie musste gestehen, dass das, was sie mit Ashwaht gestern hatte, wunderschön gewesen war.

„Valeria? Hörst du mir überhaupt zu? Valeria?“ Neal fuchtelte mit seiner Hand vor ihren Augen hin und her, bis er ihre Aufmerksamkeit hatte.

„Äh, ja, natürlich!“, log die Blonde und lächelte verlegen.

Mit scharfem Blick musterte er sie, ließ es dann dabei und redete einfach weiter: „Nun ja, ich hab dann einen der Armen gefragt, wie es zu dieser Armut kommen konnte. Und weißt du, was er mir geantwortet hat?“

Valeria schüttelte höflich den Kopf und tat so, als würde sie ihm zuhören. Doch ihre Gedanken drifteten einfach immer wieder ab.

„Der hat dann einfach gegrinst und gesagt, dass er zu faul zum Arbeiten ist! Wie unverschämt! Und Ashwaht hilft solchen primitiven Dämonen! Wenn ich Lilith das unter die Nase binde, dann wird sie so wirklich ausrasten und aus Ashwaht wird Dämonenbrei!“

„Stimmt, das ist wirklich nicht in Ordnung“, murmelte Valeria und erhob sich. „Ich lege mich hin. Ich hab schon seit vorhin große Kopfschmerzen. Schlaf gut, ja?“ Ohne auch nur auf ein weiteres Wort von Neal zu warten, legte sich Valeria mitsamt ihrer Kleider ins Bett. Sie drehte sich zur Zeltwand, sodass ihr Meister ihr Gesicht nicht sehen konnte und tat so, als würde sie versuchen zu schlafen. Seufzend richtete auch Neal sich auf und deckte den Tisch ab. Das schmutzige Geschirr legte er auf einen Haufen und stellte dieses vor das Zelt, so, wie es sich gehörte. Da ihm nichts anderes übrig blieb, legte auch er sich hin. Der Dämonenmeister hatte ja nicht mal ein Buch, mit dem er sich die Zeit vertreiben konnte. Zweifel überkamen ihn plötzlich. Er fand, dass Valeria sich sehr, sehr seltsam benahm. Er konnte sich aber nicht erklären warum. Sie hatte den ganzen Tag, nicht eigenartig gewirkt. Ihm war nur aufgefallen, dass sie oft mit dem Kopf wo anders zu schein schien. Doch anstatt sich noch mehr Gedanken darüber zu machen, löschte er das Kerzenlicht auf dem kleinen Nachttisch, welches neben dem Bett stand und schloss die Augen. Der Tag hatte ihn doch mehr geschwächt, als er zugab.

 

Es kam ihm vor als hätte er nur kurz geschlafen. Als wäre er wirklich nur eingenickt. Er hörte wie Valeria aus dem Bett stieg. Ein erleichtertes Knarren drang von dem schon so alten Feldbett, als wäre es froh endlich das Gewicht des Engels nicht mehr tragen zu müssen. Auf Zehenspitzen schlich Valeria sich an Neal vorbei. Er hörte jede einzelne Bewegung und jedes einzelne Flattern ihres Kleides. Für einen kurzen Moment blieb der blonde Engel neben ihm stehen. Doch Neal rührte sich nicht. Er tat einfach so, als würde er weiterschlafen.

„Tut mir leid“, flüsterte Valeria plötzlich und verschwand hastig aus dem Zelt.

Als Neal sicher war, dass sie verschwunden war, seufzte er und richtete sich auf. Gedankenverloren starrte er auf den Zeltausgang.

„Bin ich wirklich so schlimm, dass du schon des Nachts vor mir flüchten musst?“, murmelte Neal traurig. Der Dämon wusste ganz genau, wohin sie ging. Warum nur, war er nicht früher darauf gekommen?! Vielleicht war er wirklich zu streng mit ihr, weshalb sie dies nun tat. Aber, wenn er ehrlich war, tat er es doch nur um sie zu schützen. Doch Neal wusste, dass er ihr das unmöglich sagen konnte. Sie würde nach dem »Warum« fragen, und er müsste ihr dann wohl oder übel die Wahrheit sagen. Und davor hatte er mehr Angst, als vor ihrer Reaktion.

„Valeria... Er wird dir doch nur dein Herz brechen. Dafür siehst du ihr einfach zu ähnlich...“

Auf der Suche

Angewidert sah Susanne sich um. Sie hasste diese Welt, die ganz so anders war als die, aus der sie stammte. Das Dämonenreich  war einfach nur geschmacklos und trist. Überall war karges, totes Land, schwarze Bäume, ausgetrocknete Flüsse und die Wege zwischen den Dörfern und Städten waren so zertreten, dass man sie kaum erkennen konnte. Susanne zog den Mantel, den sie trug, enger um ihren Körper um sich damit vor den Blicken der anderen Dämonen abzuschirmen. Zwar hatte die Engelsfrau alles getan, damit man sie nicht erkannte, aber sie ging gerne auf Nummer sicher. Ihre dunkle Hautfarbe war ihr in der Dämonenwelt sehr hilfreich, wo doch so viele Wesen selbst dunkle Gestalten waren. Dennoch musste sie ihr silbernes Haar schwarz färben und auf Kinnlänge kürzen. Ein wenig trauerte Susanne ihrer langen Haarpracht nach, doch um in die Dämonenwelt unterzutauchen, war dies ein nötiger Schritt gewesen. Susanne seufzte. Sie verstand immer noch nicht, warum  sie sich hat breitschlagen lassen. Valerias Vater, Eno, hatte sie quasi dazu gedrängt das Engelsreich zu verlassen,  damit sie nach seiner Tochter suchte.

Eno selbst konnte dieser Aufgabe nicht nachkommen, da es Seraphin ihm verbat den Himmel zu verlassen.  Susanne schloss die Augen und erinnerte sich:

„Ich  bitte Euch, Susanne. Ihr seid die Einzige, die meine Tochter finden  kann! Ihr wisst selbst, dass der König mir verbietet zu gehen, aber Ihr hingegen könnt Euch frei bewegen und hingehen wohin Ihr wollt! Bitte, tut mir diesen Gefallen! “ Eno hatte sie aus seinen irislosen Augen flehend angesehen und  Rutschte schon fast auf den Knien vor ihr auf dem Boden. Seit seine geliebte Tochter fort war, war er nicht mehr derselbe. Er trank viel und häufig, auch hatte er schon viel an Gewicht verloren. Er war nur noch die Hälfte desjenigen Mannes, der er damals war. Die Falten um seine Augen hatten zugenommen und der Engelsmann beteiligte sich nur noch selten am Leben im Himmel. Susanne ahnte seine Gedanken; würde er den Mut dazu aufbringen, würde er sich selbst Schaden zufügen, gar ein Verbrechen begehen, nur damit er wiedermit seiner geliebten Tochter vereint sein konnte. Die Engelsfrau seufzte.

„Warum sollte ich Euch helfen? Eure Tochter hat Schande über mich und meine Arbeit als Heilerin gebracht! Sie hätte wissen müssen, dass durch ihr Fehlverhalten auch ich Probleme mit dem König bekomme“, sagte sie nur und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust.

Eno sah sie verzweifelt an. „Susanne, Ihr wisst doch, dass dies ein Unfall war! Valeria war von Sinnen, sie wusste nicht, dass sie Euch damit ebenfalls Schaden würde. Ich bitte Euch erneut, helft doch meiner unruhigen Seele! hilft mir zu wissen, wo meine Tochter ist. Ich kann mit dieser Ungewissheit einfach nicht mehr Leben. Ich möchte doch nur wissen, wo sie ist, was sie macht und wie es ihr geht. Bitte, tut mir diesen Gefallen!  Ich verspreche Euch, Ihr werdet dafür reichlich belohnt! Sagt mir, was Euer Herz begehrt und ich werde alles in die Wege leiten.“

Susanne sah ihn lange an. Sie würde alles von ihm bekommen? Eno war reich, und, er hatte viel Macht.  An Reichtum mangelt es ihr als Heilerin nicht. Die Gabe des Heilens war rar und wurde demensprechend belohnt. Macht war ihr jedoch ein Fremdwort. Sich diese anzueignen wär jedenfalls kluger Schachzug. Gedanklich wusste Susanne, dass Valeria sich nicht mehr in der Menschenwelt  befand, doch das konnte sie  ihrem Gegenüber keineswegs verraten!  Würde er Valerias Aufenthaltsort in Erfahrung bringen, würde er auf der Stelle Selbstmord begehen. Die Heilerin grübelte. Sie musste  dies also geschickt  einfädeln...

„Gut, ich werde nach Eurer Tochter sehen, Eno. Ich werde mich nach ihrem Wohl und ihren Taten erkundigen, aber das ist auch alles, was ich für Euch tun werde. Seit Ihr damit einverstanden?“ Enos Augen glänzten regelrecht, als er ihre Worte vernahm. Ohne zu zögern fuhr Susanne gleich fort:

„Allerdings, unter einer Bedienung: Ich möchte, dass Ihr mich zu eurer Frau macht und das noch bevor ich den Himmel verlasse.“

Der Engelsmann sah sie leicht  entsetzt an. „ Seid Ihr noch bei Sinnen?! Ihr wisst doch, dass ich meiner Frau bis über den Tod hinaus die ewige Treue geschworen habe!“

Susanne grinste. „Nun, jeder Erwachsene im Himmelsreich weiß genau, dass Eure Frau nicht gerade die Treuste war. Weiß Valeria eigentlich davon? Ich könnte es ihr erzählen, sollte ich sie antreffen!“ Eno sog scharf die Luft ein. Er saß in der Falle! Der Engel  war der Meinung gewesen, dass über diese Sache schon längst Gras gewachsen war, doch wie es aussah, hatte er sich gewaltig geirrt. Susanne bohrte in einer Wunde, die nach all den Jahren noch immer nicht verheilt war. Die Schmach, die ihm seine Frau damit bereitet hatte, verfolgte  ihn noch bis heute und Eno verstand nun, dass  es kein entkommen mehr gab. Er schloss die Augen und seufzte. „Gut, ich werde Euch  zur Frau nehmen, aber Ihr versprecht mir, dass Ihr Euch nach der Hochzeit sofort auf die Suche nach meiner Tochter macht?“

Susanne verneigte sich leicht vor Eno.

„Natürlich.“

 

Die Engelsfrau  befand sich inzwischen in einem Gasthof und wärmte sich dort auf. Widerwillig aß sie den Brei, den sie bei der Schankmagd bestellt hatte. Susanne wollte gar nicht wissen was dort alles drin war, sie aß, ohne auch nur einen Blick auf das Gematsche zu werfen. Schmecken tat es noch halbwegs. Als sie fertig war, lehnte sie sich zurück und seufzte. Es war schon später Nachmittag und sie war müde. Schon seit vier Tagen wanderte sie durch die Einöde des Dämonenreiches, Richtung Schloss. Sie hatte  in Erfahrung gebracht, dass Valeria nun die Sklavin eines Dämonenmeisters war. Susanne verzog kurz die Mundwinkel.

Eine große Ehre für dieses Miststück, dachte sie wütend und sah auf den goldenen Ring, den sie an der rechten Hand trug.  Grinsend stellte sich Susanne Valerias Gesicht vor, wenn sie ihr die glückliche Nachricht über die Vermählung von ihr und Eno überbrachte. Diese Göre würde sowas von ausrasten! Die Engelsfrau kicherte in sich hinein. Nach ihrem Bezahlen stand sie auf und verließ das Gasthaus, das mitten in der Einöde stand, und sehr seltsam wirkte. Sie wandte ihren Blick nach rechts. Dort stand der Palast der Dämonenkönigin. Zwar hatte sie das Gebäude vorher schon gesehen, aber sie staunte immer noch darüber, wie imposant es war. Selbst der Palast des Engelskönigs war nicht so protzig wie dieser. Susanne strich ihren Mantel glatt und machte sich auf den Weg. Die letzten Kilometer würde sie gewiss auch noch schaffen.

Gegen Abend kam sie an. Draußen standen zwei widerlich aussehende Orks,  die sie zuerst keines Blickes würdigten, und sich lautstark weiterunterhielten, welches Material nun das Beste für Orkfüße war.

„Ich sag´s dir: Rinderleder! Ich schwöre dir, dass Rinderleder das Beste ist, was deine Füße jemals erleben werden!“

Der andere sah ihn skeptisch an und wischte sich den Rotz an seinem dreckigen Hemd  ab. „Pah! Rinderleder! Du spinnst doch! Weißt du was besser ist? Die Haut eines Satyrs! Sehr schwer zu bekommen, aber ich sag´s dir, etwas  Hochwertigeres gibt es nicht!“ Zur Unterstützung seiner Worte klopfte er mit seinem Speer gegen seine Schuhe.

Der zweite Ork sah diesen  naserümpfend an. „Satyrhaut? Du bist doch wahnsinnig! Lass das bloß nicht Manoha hören, der rasiert dir den Schädel.“

Bevor sein Artgenosse zu Wort kam, räusperte Susanne sich. Sie wollte nicht noch mehr banales Geschwätz hören.

„Entschuldigt, ehrenwerte Wachen, aber würdet ihr mich durchlassen? Ich habe ein wichtiges Gespräch mit einem eurer Dämonenmeister“, sprach sie und ließ dabei ihren ganzen Charme spielen. Die zwei Orks sahen sie an.

„Du bist nicht von hier, he?“, fragte der eine und beäugte sie wie ein Stück rohes Fleisch.

„Nein. Ich komme aus einer entfernten Provinz.“

„Was willst du dann hier? Und zu wem willste?“

Susanne lächelte. „Ich bin hier, weil ich meinen alten Freund Neal besuchen will! Es ist schon sehr lange her, dass wir uns gesehen haben“, erklärte sie den beiden.

„Hast du ´ne Genehmigung dafür?“, fragte einer der Orks. Susannes  Lächeln wurde noch breiter, innerlich aber kochte sie vor Wut. Diese Kreaturen waren doch nicht so dumm, wie sie zuerst  angenommen hatte!

„Nun,  eigentlich sollte es ein Überraschungsbesuch werden. Daher habe ich keine Genehmigung,  aber ich denke, ihr könntet doch ein Auge zudrücken? Was meint ihr?“

Die beiden Orks drehten ihr den Rücken zu und tuschelten. Nach einer ganzen Weile drehten sie sich  wieder zu ihr um.

„Passieren!  Aber, wenn jemand fragt; du suchst Arbeit im Palast, deswegen wurdest du durchgelassen“, erklärte einer der beiden und schien darüber nicht erfreut zu sein.

Die Engelsfrau verneigte sich. „Ich danke euch beiden.“

Neugierig sah sich Susanne im Schloss um. Sie hatte es geschafft! Sie hatte schon geglaubt, dass die beiden Orks  ihr keinen Eintritt gewähren würden, doch sie dankte dem Herrn im Himmel, dass dem nicht so war. Am meisten aber machte sich Susanne über ihren Engelsgeruch  sorgen.  Dank eines Zaubers wurde dieser zwar verschleiert, doch wie lange dieser so komplizierte Zauber andauerte, war der Dunkelhäutigen ungewiss.  Sie wünschte sich, er möge noch eine Weile wirken. Sie konnte ihn zwar erneut weben, dennoch raubte er ihr jegliche Kräfte und schwächte sie mehr als ihr lieb war. Zumals sie sich hier im Reich des Feindes befand. Ein schwacher Moment könnte ihr Leben aufs Spiel setzen. Und dieses Risiko wollte sie nicht eingehen. Sie hatte ja noch so vieles vor; immerhin war sie frisch vermählt und ein einflussreicher Engel geworden. Ihre neu gewonnene Macht musste sie ja noch auskosten!

Susanne ging  wahrlos durchs Schloss und sah sich überall um. Niemand beachtete sie, so, als wäre sie unsichtbar. Dieser Umstand überraschte sie. Im Himmel fallen Fremde sofort auf, aber hier  werden sie einfach ignoriert. Susanne kam nach einiger Zeit in einen Trakt, in dem sich wohl die Wohnräume befanden. Neugierig versuchte sie ein paar Türen zu öffnen, aber alle waren verschlossen. Die Engelsfrau murmelte einen Zauber um die Türen zu öffnen, doch dieser erzielte seine Wirkung nicht. Sie runzelte die Stirn und seufzte frustriert auf.

„Was machst du da?“

Susanne zuckte zusammen und drehte sich um. Hinter ihr stand eine Dämonin, die man im Himmel wohl als `traumgeborene Sünde´ bezeichnen würde.

„Ich suche jemanden“, antwortete Susanne wahrheitsgemäß und wiederstand dem Blick der Dämonin.

Diese musterte die fremde Frau. „Mein Name ist Mia, und deiner? Wen suchst du?“, fragte sie barsch und ihr Augen fixierten Susanne unaufhörlich.

„Ich suche Neal, er ist ein alter Bekannter von mir. Kannst du mir sagen wo er ist?“, fragte Susanne sie. Die Engelsfrau musste zugeben, dass die Dämonin ziemlich  dominant wirkte. Sie wagte es nicht, sie lange anzulügen.

Mia zog die Stirn kraus. „Neal ist auf einer Reise. Es kann länger dauern, bis er wiederkommt. Woher kommst du?“

„Aus einer weit entfernten Provinz am Ende des Dämonenreiches.“

Mia musterte sie immer noch. „Komm mit mir. Ich bringe dich zu jemanden, der sich um die kümmern wird, bis Neal erscheint.“

Innerlich atmete Susanne erleichtert auf. Ihre Identität war noch nicht aufgeflogen. Es war nur eine Frage der Zeit; und solange sie nicht dieses Miststück von Mia loswurde...


Nachwort zu diesem Kapitel:
KAPITEL 2: DAS MAL DER SKLAVEN wird am 25.03.2013 hochgeladen.

[...]Noch bevor Valeria die Entscheidung treffen konnte hineinzuspringen und so zu entkommen, warf er sich auf sie und hielt sie fest. Mit einem Grinsen fuhr er seine spitzen Beißerchen aus.
„Und bitte verwechsele mich nicht mit einem Vampir!“, meinte Neal theatralisch und biss ihr in ihren Oberschenkel.[...]
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
KAPITEL 3: DÄMONENBAR wird am 25.03.2013 hochgeladen

[...]Provozierend legte Valeria den Kopf schief: „Warum sollte ich dieser Hure gehorchen? Es reicht schon, dass ich einem Möchtegern Dämonenmeister gehorchen muss“, stellte sie klar.
Der Dämon lächelte immer noch. „Ich an deiner Stelle würde aufpassen, was du sagst. Du willst doch nicht, dass mir die Hand ausrutscht.“
Valeria lachte kurz auf. „Soll ich etwa Respekt vor dir haben? Du bist doch sogar zu blöd dir zu merken, wann sich ein Portal wieder schließt!“
Neals Züge entwischen. Blitzschnell legte er seine rechte Hand um den zierlichen Hals Valerias. Die Engelsfrau sah ihn erst verdutzt an, bevor sie den Mund zu einem stummen Schrei öffnete.[...]
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
KAPITEL 4: NEUMOND wird am 01.04.2013 hochgeladen

[...]„Das, was uns jetzt auf der anderen Seite dieses Portals erwartet, hat nichts mit dir zu tun. Meine Meisterin wird wütend sein und du hast besser dich klein zu halten. Solltest du auch nur kurz atmen, werden dich schlimmere Qualen als diese erwarten, glaub mir. Ich will dich verschonen, damit das klar ist! Es ist meine Entscheidung. Tu einfach so, als ob du nicht da wärest!“ Neal bäumte sich vor ihr auf und nahm eine ihrer hellblonden Strähnen zwischen Daumen und Zeigefinger.[...] Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Kapitel 5: Verhängnisvoller Engelsgeruch wird am 01.04.2013 hochgeladen

[...]„Sie stinkt nach Himmel, Neal!“, meinte Lilith durch zusammengepresste Zähne. Ihre Geduld war nun endgültig am Ende.
„Dieser Geruch wird bald verschwinden, Meisterin!“[...]
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Kapitel 6: Was wirst du tun? wird am 01.04.2013 hochgeladen

[...]„Das ist nicht ihr ernst oder?“, fragte Valeria ihn und trat auf Neal zu. „Ich werde nicht mit dir schlafen!“
Neal sah sie wütend an. „Glaubst du, ich will das? Bevor sie mich umbringen lässt, tu ich es lieber selbst!“
„Ich will aber nicht!“[...]
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Kapitel 7: Die Kunst des Überredens wird am 13.04.2013 hochgeladen

[...]„Hey Dämon! Ich hab es geschafft! Lilith hat mir aus der Hand gefressen. Du hättest mich sehen sollen. Ich – die Sklavin – habe die große Lilith überzeugt. Na, was sagst du dazu?“, rief sie laut und triumphierend durch den Raum, doch ihre gute Stimmung verpuffte, als sie in eine äußerst unangenehme Situation rutschte.
Neals schwitzender Körper lag über Mia, dessen lustvolles Stöhnen durch den Raum hallte.[...]
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Kapitel 8: Das Band zwischen Meister und Sklave erscheint am 13.04.2013

[...]„Und was fordert sie von dir?“, fragte er skeptisch.
„Nichts“, log die Blonde.
„Nichts? Ich kenne meine Meisterin mehr als gut genug um zu wissen, dass sie nie was umsonst gibt!“, bemerkte er spitz.[...]
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Kapitel 9: Die Unschuld eines Engels erscheint am 13.04.2013

[...]„Mach schon endlich!“, flüsterte Valeria ihm zu. In ihrer Stimme lag Ekel und Verbitterung.
„Es ist nicht meine Art gegen den Willen einer Frau zu handeln“, hauchte er ihr auf die Lippen. Sie sahen so verführerisch aus, ganz voll und zart schimmernd.
„Uns bleibt nichts anderes übrig.“[...]
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Kapitel 10: Der dunkle Traum erscheint am 16.04.2013

[...]„Wie konnte das passieren, Neal?!“ Lillith schrie ihn mit diesen Worten an. Neal befand sich in ihrem Thronsaal, wie ein treuer Diener, verbeugend. Sein Blick war fest auf die Stufen des Thrones gerichtet. Er spürte förmlich Lilliths Zorn den sie auf ihn niederprasseln ließ wie leichter Regen.
„Es ist einfach passiert, Meisterin. Ihr wolltet doch, dass ich mich mit ihr vereine?“, stellte er nun die Gegenfrage, und wirkte ein wenig trotzig dabei.[...]
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Kapitel 11: Erziehungsbedürftig erscheint am 20.04.2013

[...]„Aber das ist nun passé, Sklavin! Von heute an wirst du dich Regel fügen müssen, ob es dir passt oder nicht. Für jede Regel, die du verletzt, werde ich dir Hiebe austeilen. Und glaube mir, ich verschone dich nicht!“ Lächelnd zauberte sich der Elf eine Peitsche mit kleinen Dornen herbei.[...] Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Kapitel 12: Ein Nichts erscheint am 27.04.2013

[...]„Ich war ein wenig … frech?“, versuchte sie das richtige Wort zu finden. Neal überraschte dies nicht wirklich. Er hatte auch nicht erwartet, dass sie sich in ihrer ersten Unterrichtsstunde vorbildlich verhielt.
„Warst du frech oder frech?“, fragte er sie und betonte die Wörter unterschiedlich.
„Eher das Zweite“, gestand sie und lächelte schwach.
„Typisch. Ich hoffe, du hast deine Lektion gelernt. Naicha ist kein so gutmütiges Wesen wie ich. Du solltest ihn nicht zu oft reizen.“[...]
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Kapitel 13: Der Rat erscheint am 04.05.2013

[...]„E-Entschuldigung, Herrin! Der Rat kam so unerwartet, ich musste alles einsammeln und suchen und - “
„Schon gut, Ping! Setz dich bitte, damit wir endlich anfangen können!“, meinte Lilith gähnend und richtete sich auf. Gerade als sie die Sitzung anfangen wollte, quietschte es zu ihrer Rechten.[...]
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Kapitel 14: Im Feindesland erscheint am 11.05.2013

[...]Seine jadegrünen Augen nahmen sie gefangen und Valeria starrte ihn gebannt an. Sie war nicht in der Lage sich zu bewegen. Ein Wind kam auf und spielte mit ihrem langen, blonden Haar. Neal bemerkte wie Faré und Valeria sich ansahen. Er schnipste mit seinen Fingern vor ihrem Gesicht. Dies holte die Engelsdame in die Wirklichkeit zurück.[...] Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Kapitel 15: Der Tag an dem er sein Lächeln verlor

[...]Neal setzte sich auf einen der großen Felsen am Rande des Hügels. Sein Blick schweifte über die Stadt unter ihm; Schlangenzahn. Der Dämonenmeister vergrub sein Gesicht in seinen Händen und seufzte. Er wusste selbst nicht, warum er so schlecht drauf war. Vielleicht war er eifersüchtig auf das, was zwischen Valeria und Faré war?[...] Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück