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A Different Kind of Love

inklusive aller Fortsetzungen
von

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Prolog

Phoenix PoV
 

Ich war ein Vollidiot. Ganz eindeutig. Kein anderer Schluss ließ mein Verhalten zu. Fakt!
 

Warum ich so denke? Sonnenklar: Nur ein Vollidiot wie ich es war konnte jahrelang seine heimliche Liebe verdrängen, ignorieren, sich einreden, da gäbe es keine Gefühle mehr. Und tief in Inneren immer noch Empfindungen für diese Person hegen.

Diese Gefühle hielten sich hartnäckig. Noch nicht einmal auszulöschen, als ich meine Traumfrau geheiratet hatte. Obwohl ich vordergründig sie geliebt hatte, waren in mir trotzdem noch diese verdammten Gefühle für jemand anderen vorhanden gewesen. Und egal wie ich mich bemühte, sie zu ignorieren, wie oft ich sie mir ausredete, sie blieben. Schöne Scheiße, nicht wahr?
 

Und dabei hatte ich manchmal wirklich gedacht, ich wäre über ihn hinweg. Ich hatte gedacht, jetzt hätte die Liebe zu meiner Frau Linsey alles andere ausgelöscht, überschrieben. Vielleicht war das eine Zeit lang tatsächlich so gewesen, doch es gab auch Zeiten, da kamen diese alten, bittersüßen Gelüste wieder hoch. Da verzehrte ich mich nur nach dieser einen Person. Es war zum Kotzen. Vor allem, wenn dir diese Person dann ständig vor der Nase herumläuft, ständig präsent ist und dir immer wieder zu nahe kommt. Die Hölle auf erden?

In gewisser Weise schon, denn dir wird immer wieder bewusst gemacht, was du so sehr willst, doch nie haben kannst. Ständig musst du daran denken, wie schön es wäre, wenn er genauso fühlen würde wie du, wenn er deine Gefühle erwidern würde. Und dann kommt die Ernüchterung. denn er fühlt nicht so. Ihr seid gute Freunde...aber mehr auch nicht.

Und wie sehr du willst, dass es mehr wird. Wie sehr es dich schmerzt im Inneren...so ein kotzerbärmlicher, ziehender Schmerz im Bauch ist das. Am liebsten würdest du dich winden vor Schmerz, dich richtig in deinem Leid suhlen, denn obwohl der Schmerz eklig ist, so ist er doch angenehm. Eine bittersüße Pein.

Ein blick von dir...und schon geht es mir wieder beschissen.

Eine Berührung von dir lässt meine Haut in Flammen aufgehen und schürt die Glut in mir.

Deine Nähe presst mir die Luft aus der Lunge, nimmt mir den Atem.

Ich verfluche mich dafür...und doch fühle ich mich mit diesem Schmerz, dieser Pein seltsam belebt und ... glücklich.

Ja ich weiß, schwachsinnig, aber es ist so. einerseits bin ich unglaublich schlecht drauf wenn es mir wieder einmal so geht, wenn diese Gefühle erneut hochkommen, andererseits bin ich innerlich glücklich...denn ich stelle mir vor, wie es wäre, wenn ich nicht so feige und du nicht so verklemmt wären. Wenn du dich auf mich einlassen würdest...und sei es nur für Sex. Denn selbst das würde mir wahrscheinlich reichen. Alles ist besser als der jetzige Zustand.
 

Doch ich verändere auch nichts an der Situation. Ganz einfach deshalb, weil ich eben zu feige bin. Ich habe zuviel Angst davor, dass du mich hassen würdest und dich von mir abgestoßen fühlen würdest. Davon abgesehen, dass ich dann höchst wahrscheinlich auch aus der Band austreten würde, wenn du dich vor mir angewidert fühlen würdest. Ich würde dir nicht mehr in die Augen sehen können, dir nicht mehr unter die Augen treten. Und dass ist es nicht wert. Denn dann würde ich auf einem Schlag nicht nur mich, sondern auch die Anderen, die besten Freunde die ich jemals hatte und haben könnte, enttäuschen.
 

Doch so kann ich auch nicht mehr lange, das spüre ich. Es ist in letzter Zeit einfach zu viel geworden. Erst die Trennung von meiner Frau, die Trennung von meiner Tochter...all das nagt an mir. Obwohl ich versuche es zu verbergen, es nicht in die Öffentlichkeit zu tragen, belastet es nicht nur mich. Eine Zeit lang habe ich diese besorgten Blicke gesehen...aus Mikes Gesicht, aus Chesters Gesicht, selbst aus deinem Gesicht.

Man, hat mich das genervt. Ich fühlte mich so schon beschissen genug, da musste es nicht noch schlimmer werden.

Und pünktlich zum Ende der einen Beziehung melden sich diese alten Gefühle mit ungeahnter Stärke und Intensität wieder zurück, die ich immer noch für dich hatte, tief in mir vergraben und verborgen.

Mir geht’s einfach nur noch beschissen.

Doch ich versuche es zu verbergen. Ich will nicht, dass sich irgendjemand um meine Probleme kümmert. Er kann mir sowieso nicht helfen. Nein, ich muss das alleine überstehen.
 

Zu dumm, dass sich diese verfluchten Gefühle in letzter Zeit auch noch bestätigt sehen.

Denn ich bin nicht mehr der Einzige in der Band, bei dem es kriselt.

Auch bei dir gibt es Stress zu Hause. Deine Freundin Vanessa, mit der du immerhin 7 Jahre zusammen warst, hat sich von dir getrennt.
 

Ich weiß, wie sehr du darunter leidest. Du lässt es uns sehen. Und wir leiden mit dir. Doch ich ganz besonders. Denn immer wenn ich dich so sehe, dann stelle ich mir vor, wie es wäre, wenn ich dich trösten könnte, wenn ich für dich da wäre. Ich würde dich nicht so leiden lassen wie diese undankbare Zicke. Doch ob du mich willst?
 

Ist das eine Chance für mich? Kann es das sein? Und soll ich sie nutzen?

Ich weiß es nicht.
 

Verdammt, warum muss ich etwas für dich empfinden. Warum nur, Rob Bourdon?

Phoenix' PoV:
 

Ich hätte mich verfluchen können für die Dummheit, die ich begangen hatte.

Am liebsten hätte ich alles rückgängig gemacht, was ich an diesem Tag versaut hatte.

Aber leider ist das unmöglich.
 

Warum ich so denke und mir das wünsche?

Tja, wenn du wüsstest, was für ein Arschloch ich heute mal wieder gewesen bin, dann würdest du aufhören dich zu wundern.
 

Und dabei begann der Tag gar nicht so schlecht. Die Sonne schien, als ich aufwachte und mich dann im Laufe des Morgens auf den Weg zum Bandmeeting machte. Unsere letzte Tour war schon einige Zeit her und es war laut Mike Zeit, sich mit dem nächsten Album zu beschäftigen.

Meiner Meinung nach hätten wir ruhig noch ein bisschen länger nichts tun zu brauchen, davon wurde unser Geld auch nicht alle, aber mit dieser Meinung stand ich vermutlich alleine da.

Denn es wagte niemand, Mike in solchen Dingen zu widersprechen. Selbst wenn sie nicht seiner Meinung waren, so unterstützen ihn Chester und Rob bedingungslos und Brad und Joe waren viel zu faul, um groß Protest einzulegen.

Typisch. Aber mir sollte es auch egal sein, schließlich hatte ich keine Lust, in einen Ein-Mann-Krieg gegen die Übermacht Shinoda wegen einer solchen Lappalie zu ziehen.
 

Meine Laune heute Morgen war dennoch im Keller, und das trotz des schönen Wetters, das jedem anderen, der sich darauf einließ, ein Lächeln auf die Lippen zauberte.

Doch mich konnte das Wetter mal kreuzweise, ich hatte ganz andere Probleme.

Vielleicht konnte man sich schon denken, was für welche.
 

Ihr ahnt es, es hing mit diesem einen Bandmitglied zusammen.

In letzter Zeit war ich wieder mal vollkommen fixiert auf diese eine Person, sodass es schon richtig krank wurde. Ich konnte an nichts anderes denken, sah ihn ständig vor mir, auch wenn ich die Augen geschlossen hatte. Sein Bild schien in meine Lider eingebrannt zu sein. Fuck, sogar wenn ich schlief, träumte ich von nichts anderem als ihm.

Weshalb ich in der Früh auch immer sauschlecht gelaunt war und abends nicht schlafen gehen wollte.
 

Und heute kam dann noch dazu, dass ich ihn tatsächlich sehen würde. Schöner Mist.

Ich wollte eigentlich gar nicht mehr an ihn denken, weil es immer so wehtat, dies zu tun. An ihn zu denken und zu wissen, das er für immer unerreichbar sein wird. Das mehr als Freundschaft nicht drin war.
 

Das Ganze schwirrte mir wieder mal ununterbrochen im Kopf herum.

Und am liebsten wollte ich vor meinen Gedanken fliehen.

Vor ihm fliehen.

Doch das funktionierte nicht, ich hatte es ja schon ausprobiert.

Damals, zu Beginn unserer steilen Karriere, als Mike mit Chester endlich einen Sänger gefunden hatte, dessen Stimme zu unserer Musik passte und sich unsere Chancen auf einen Durchbruch dadurch beträchtlich erhöht hatten, war ich geflohen.
 

Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, das ich es aushalten würde, zusammen mit den anderen die Aufnahmen für unser Album zu machen und ihn dabei die ganze Zeit und jeden Tag zu sehen.

Es war eine Zeit gewesen, in der meine Gefühle wieder einmal verstärkt aufgetreten waren und ich mich nur beschissen fühlte bei dem Gedanken, dass er für mich ein verbotenes Terrain darstellte.

Ich wollte nicht, dass die anderen ständig unter meiner schlechten Laune zu leiden hatten, die mein ständiger Begleiter war, deshalb hatte ich vorgegeben, mich erst einmal auf meine berufliche Karriere zu konzentrieren. Ich machte meinen Bachelor.
 

Aber später kam ich dann wieder zu Linkin Park zurück gekrochen.

Ich war mir nämlich bewusste geworden, das ich vor meinen Gefühlen nicht weglaufen konnte. Sie verfolgten mich auch wenn ich nicht mehr in der Nähe des Objekts meiner Begierden war.
 

Und irgendwann kam es mir fast so vor, als ob es noch schlimmer war, nicht in seiner Nähe zu sein und ständig an ihn denken zu müssen als ihn täglich zu sehen.

Letzen Endes war es ja egal, ich litt so oder so unter meinen Gefühlen. Und, obwohl ich manchmal eine leicht masochistische Ader hatte, so war sie dann doch nicht so ausgeprägt, das ich so weitermachen konnte.
 

Und zum Glück hatten mich Mike und die anderen mit offenen Armen empfangen. Wofür ich ihnen wirklich dankbar war. Denn wenn sie nur halbwegs vernünftig gewesen wären, hätten sie mir den Grund, weshalb ich die Band verlassen hatte, niemals abgekauft.
 

Ich glaubte ja manchmal, sie würden mehr wissen, es aber niemals als Thema anschneiden, aus Angst, damit Stress und Probleme in die Band zu bekommen. Und Mike war ja darauf bedacht, immer gute Stimmung herrschen zu lassen und die Wogen zu glätten. Er, der Kleber, der alles zusammenhält. Der Kleber, der Linkin Park zusammenhält. Ich wusste, dass er sich seinen Spitznamen wirklich verdient hatte.
 

Und ich verwettete die Einnahmen der letzten Tour darauf, dass er heute wieder einmal vermitteln und Probleme beseitigen musste. Meistens nach der Tour war das so. Und heute bestimmt noch mehr, da mindestens zwei von der Band äußerst schlechter Laune waren.

Einer von denen war ich.

Und der andere?
 

Nun, das war Rob. In letzter Zeit total durch den Wind, nah an Wasser gebaut und immer am Ausrasten.

Warum er in letzter Zeit so herum spann?

Nun, ich wusste es nur aus zweiter Hand. Brad, der mal kurz nach dem Ende der Tour bei Rob gewesen war, hatte mir erzählt, das unser gemeinsamer Freund von seiner langjährigen Freundin Vanessa verlassen worden war. Und der Drummer litt fürchterlich darunter.

Na gut, es war auch nicht schön, von der halbjährigen Tour zurück zukommen und sich auf zu Hause und Zeit mit seiner Liebe zu freuen, und dann macht diese kurzerhand Schluss.

Und alles nur, weil sie nicht so lange auf ihren Freund warten konnte oder wollte. Weil sie es nicht aushielt, ihn ständig weit weg zu wissen und nicht nachvollziehen zu können, was er tat.
 

Eifersüchtige Ziege. Was glaubte die eigentlich, was wir taten? Dachte sie, wir würden von einer Party zur nächsten ziehen und ständig Groupies abschleppen? Selbst wenn, sollte es ihr doch egal sein, solange Rob sie nicht betrog. Und das hatte er niemals.

Trotzdem war er sie losgeworden.
 

Aber dieses Problem schienen alle Frauen zu haben. Sowohl Mikes perfekte Anna wie auch Chesters erste Frau Samantha. Seine zweite zwar nicht…aber nun gut. Die war ja auch keine normale Frau.
 

Endlich hatte ich Mikes Haus erreicht, bei dem wir uns heute zur ersten Absprache treffen wollten.

Das sollte dann mal interessant werden.

Tief holte ich Luft und spazierte dann hinein in die Höhle des Löwen.
 

Natürlich war es nicht ohne Krach abgelaufen. Der typische Krach, nur diesmal verstärkt durch zwei besonders schlecht gelaunte Männer. Irgendwann war Mike dann geplatzt und hatte mich rausgeschickt, um wieder runter zu kommen. Chester war mitgegangen.
 

Es war aber auch ganz schön heftig gewesen. Rob mit einer Leidensmiene, die seinesgleichen suchte, murmelte ständig dunkle Flüche und beschwerte sich über diverse Missstände während der Tour, besonders über ihre Länge und unseren engen Zeitplan. Brad hatte lautstark versucht, Robs Beschwerden auszudiskutieren, wobei er meistens einer Meinung mit Joe war, der sich ebenfalls in das Streitgespräch eingemischt hatte und Robs Meinung für - gelinde gesagt - übertrieben und völlig an den Haaren herbeigezogen hielt.

Das hitzige Gespräch wurde untermalt von Chesters leicht verrückt wirkenden Kommentaren, mit denen er sich mehr und mehr auf Robs Seite stellte - jedoch war ich mir sicher, das er das nur machte, um Joe aufzuziehen. Rob, der bemerkte, dass seine Probleme gar nicht mehr im Mittelpunkt standen, wandte sich enttäuscht ab und fing mit Mike und mir ein Gespräch an - über seine Probleme mit Vanessa.

Was zu viel des Guten für mich war.

Es verletzte mich unglaublich, zu hören, wie sehr Rob seine Vanessa doch liebte und wie wenig er verstehen konnte, warum sie ihn verlassen hatte. Wie sehr er verletzt war. Und wie sehr er sich wünschte, noch mal neu anzufangen.

Hallo, was sollte denn ein Neuanfang bringen? Glaubte der wirklich, dass er seine Freundin hätte halten können?

Die Kuh hatte ihn doch gar nicht verdient und er heulte ihr so hinterher - das war ja nicht zum Aushalten.
 

Irgendwann hielt ich es auch nicht mehr aus und kommentierte wütend Robs anhaltende Flut an Berichten über sein Unglück.

„Oh Mann, jetzt hör schon auf hier rumzuheulen. Das ist ja nicht auszuhalten. Vergiss die Tussi einfach und such dir ne Neue. Dann hat das Trauerspiel hier ein Ende.“

Meine erhobene Stimme sorgte augenblicklich für Ruhe bei den anderen, sodass auch wirklich jeder der Band mich gehört hatte, vor allem, als ich meine Lautstärke in meiner Wut noch steigerte.

Mich trafen drei entsetzte und fassungslose Blicke, seitens Brad, Chester und Mike. Robs Gesichtszüge waren ihm ebenfalls entgleist, ich erkannte neben der Trauer jetzt auch Wut in ihnen.

Nur Joes Blick wollte nicht so ganz in die Runde passen, er grinste breit und konnte das Lachen kaum noch zurückhalten.
 

Im Nachhinein war mir bewusst, dass ich in jenem Moment einfach zu weit gegangen war. Mein Temperament war mit mir durchgegangen, doch das war keine Entschuldigung.

Ich hatte die anderen mit meinem unsensiblen Kommentar verstört und Rob verletzt. Ich hatte seinen Blick nicht vergessen und der war mörderisch gewesen. Würden Blicke töten können, wäre ich tot umgefallen.
 

Naja, jetzt hatte ich es bei Rob erst mal vergeigt, wofür ich mich am liebsten selber geschlagen hätte. Aber ändern konnte ich es ja auch nicht mehr.

Jetzt saß ich draußen vor Mikes Haus, neben mir saß Chester und versuchte aus mir herauszubekommen, warum ich so ausgetickt war. Bis jetzt hatte ich die Schnauze gehalten. Aber ChazyChaz würde solange bohren, bis er ein, für ihn zufrieden stellendes Ergebnis bekommen würde. Egal, wie ich mich dagegen wehrte.

„Also Dave, ich versteh dich echt nicht. Warum bist du nur so ausgerastet?“, fragte Chaz mich mit Verwunderung in der Stimme.

„Ich war halt wütend, da sind mir die Sicherungen durchgeknallt.“, murmelte ich unbestimmt.

„Oh ja, da hast du Recht.“ Chester feixte. „Und wie die dir durchgegangen sind. Das war echt Oskarreif. Aber ich würde gerne mal den Grund für deine schlechte Laune hören. Gibt’s denn einen?“, fragte mich der Sänger mit neugierigem Blick. Als ich nicht antwortete, zuckte er mit den Achseln und meinte dann mit leiser Stimme:

„Also wirklich Feenux, mir kannst du’s ruhig erzählen. Bei Mike kommst du nicht so schnell davon. Und vielleicht kann ich dir helfen, dir den Rücken freihalten und so…“

Auch hierauf gab ich keine Reaktion, doch Chesters Argumente zogen so langsam bei mir, denn er hatte Recht. Mike gegenüber konnte ich mich nicht so leicht herausreden, für den würde ich eine hieb- und stichfeste Ausrede brauchen.

„Kannst du dich nicht mal mit deinen eigenen Problemen beschäftigen?“, schlug ich ihm wenig überzeugend vor.

„Könnte ich - wenn ich welche hätte. Aber so sind du und der daraus resultierende Ärger in der Band mein einziges Problem“, konterte Chester.

Genervt verdrehte ich die Augen.

Der Sänger versuchte einen erneuten Vorstoß, diesmal konfrontierte er mich mit seiner Theorie bezüglich meines Ausrasters.

„Dich hat das alles wieder an deine Exfrau erinnert, hab ich Recht? Schließlich hat sie dich auch aus dem Grund verlassen, weshalb Vanessa mit Rob Schluss gemacht hat…“

Okay, hier lag Chester eindeutig daneben. Und das gleich mehrmals.

Denn weder hatte Linsay mit mir Schluss gemacht - ich hatte unsere Beziehung beendet - noch war dies der Grund meines - ähm - bissigen Kommentars. Aber die Wahrheit war für die Ohren unseres emotional etwas labilen Sängers vermutlich nicht geeignet. Aber bevor er von solchem Humbug ausging, wollte ich ihn zumindest korrigieren.

„Nein, das hat nichts mit Linsay zu tun. Sie ist Geschichte. Und ich bin froh, das es so ist.“

Weil ich eigentlich jemand anderen liebte, aber das wusste Chaz nicht, da er mich zweifelnd anschaute.

„Ach, und das soll stimmen?“, hakte er nochmals nach.

„Ja, das stimmt.“, meinte ich genervt. Konnte der mich nicht mal in Ruhe lassen? Was sollte das hier noch werden? Doch Chester versuchte weiter einen Grund für mein seltsames Verhalten zu finden. Laut nachdenkend, ließ er mich an seinen Gedankengängen teilhaben.

„Aber was ist es dann? Und du kannst mir nicht erzählen, dass es keinen gibt. Dafür kenne ich dich mittlerweile gut genug. So ne schlechte Laune wie heute…da steckt mehr dahinter.“

„Oh man, Chaz, jetzt hör schon auf. Ist ja nicht auszuhalten, da zuzuhören.“, warf ich ihm verärgert an den Kopf mit den festen Absichten, ihn zu verletzten und damit still zu stellen.

War ich ein Arschloch? Das war ne rhetorische Frage. Die antwort weiß ich selber.

Dummerweise ließ sich Chester aber nicht von mir den Tag und die Laune verderben. Er äußerte stattdessen den nächsten - nicht ganz so blödsinnigen Verdacht.

„Also wirklich, so wie du auf Robs Tussi rumgehackt hast, könnte man fast meinen, du willst was von ihm.“

Oh ja, Chester, ins Schwarze getroffen. Scheiße, gottverdammte Scheiße. Mir wurde eiskalt trotz des warmen Tages und ich rührte mich nicht mehr. Sogar den Atem hielt ich an und betete: bitte, lass ihn nur so dahergeredet haben. Bitte, lass ihn schnell weiterreden.

Doch den Gefallen tat man mir nicht. Der Sänger bemerkte, dass etwas mit mir nicht stimmte. Das ich plötzlich keinen Finger mehr rührte. Das ich stocksteif dasaß und die Sekunden zählte.

Das Gehirn des Sängers verarbeitete die Informationen einige Zeit lang, dann fragte er mich entgeistert: „Ne jetzt, oder?“

Ich gab immer noch keine Reaktion von mir, blieb mucksmäuschenstill sitzen. Auf die Frage des Sängers reagierte ich auch nicht. Am liebsten hätte ich sie ja abgestritten, mit aller Kraft, aller Vehemenz. Doch ich wollte nicht lügen. Nicht bei meinen besten Freunden. Es reichte schon, dass ich mich selber belog.

„Och nee, Phoenix, sag mir, dass das nicht stimmt.“, wollte Chester jetzt von mir wissen. Dass der Kerl nicht mal still sein konnte, nein, er musste immer weiter darauf herumreiten. Und ich konnte nicht mal was dagegen sagen, denn jedes Wort hätte mich verraten. Obwohl - ich verriet mich genauso, wenn ich nichts sagte.

„Jetzt komm schon, sag, dass das nicht stimmt.“ Gab der immer noch nicht Ruhe? Na schön, sollte er seine Antwort bekommen. Schlimmer konnte es ja fast nicht mehr werden.

„Nein, das kann ich nicht, denn es stimmt.“, fauchte ich wütend wie eine Raubkatze.

Chester schien mir immer noch nicht zu glauben, er fragte tatsächlich noch einmal: „Fuck, echt jetzt?“

Jawohl, Kopf trifft Tischplatte! Stand der nur auf dem Schlauch oder was war das hier? Er war doch sonst nicht so schwer von Begriff. Innerlich stöhnte ich auf.

„Ja, echt jetzt. Und, bist du jetzt zufrieden?“

Einerseits seltsam befreit, dass ich endlich mit jemanden offen darüber sprechen konnte, andererseits komplett von meiner Geistesgestörtheit überzeugt, das tatsächlich hier vor Chester zuzugeben.

Der war übrigens total von den Socken. Er fing an, total hysterisch zu Lachen. Und hörte sogleich nicht wieder damit auf.

Mir wurde das schon leicht unheimlich, hoffentlich tickte der Sänger nicht auch noch aus.

Dass mein Geständnis so eine Wirkung auf ihn haben würde, hatte ich nicht gedacht.

Schließlich wurde es mir zu bunt und ich meldete mich, in einer kurzen Pause des lauten Gelächters, während Chester Atem holte, zu Wort.

„Reicht’s jetzt auch mal wieder? Ich finde das echt nicht witzig und auch nicht zum Lachen!“

Meine kaum verhohlene Wut schien auch, zu dem immer noch lachenden Chester durchgedrungen zu sein, denn er konnte zumindest kurz antworten, bevor er weiterlachte.

„Nein, das ist es auch nicht. Aber das gerade das…“ Und weiter ging es. Ich verstand echt nicht, worüber er immer noch lachte. So langsam kam ich mir etwas verarscht vor. Meine Stirn furchte sich - ein Zeichen meiner auflodernden Wut.

Doch auch davon ließ sich der Sänger nicht beeindrucken und so sah ich mit verdrehten Augen in den Himmel, um ihm zu verdeutlichen, wie kindisch das war - wie kindisch er war.

Irgendwann - nach einer gefühlten Ewigkeit beruhigte sich Chester dann endlich wieder und meinte heiser vom vielen Lachen:

„Es tut mir ja Leid, aber das ist so unglaublich, da musste ich echt Lachen. Ich hatte das mit Rob nur so in den Raum geworfen, eben weil es total unrealistisch ist. Da hätte ich noch eher erwartet, das du was mit seiner Ex hättest, als das du wirklich auf ihn stehst.“

Wahnsinnig toller Einwurf von dir Chester. Und das: „Das ist wirklich kein Scherz?“ hättest du dir so was von sparen können!

„Nein, das ist nichts als die Wahrheit.“, meinte ich verstimmt.

Darauf herrschte eine Weile Ruhe - Rekord für jemanden, der sonst am laufenden Band quasselte.

„Oh…na ja, das ist wirklich hart. Da kann ich dich sogar ein bisschen verstehen. Aber glaubst du wirklich dass Rob…also das er…“, druckste Chester herum. Obwohl er das Wort nicht aussprach, wusste ich, was er meinte. War ja auch nicht so schwer zu erraten.

„Nein, natürlich ist er das nicht. Er ist nicht schwul. Er hatte ne Freundin, der er immer noch nachheult.“, meinte ich genervt.

Zum Teil überspielte ich damit meine Bitterkeit, die sich immer einstellte, wenn ich mich mit diesem leidigen Thema befasste.

„Naja…du weißt es nicht hundertprozentig. Es kann auch sein, das er bisexuell ist, wie…“, sprach Chester langsam. Das brachte mich noch mehr auf. Er sollte meine Hoffnungen nicht noch nähren, hinterher waren sie wieder vergebens.

„Erzähl nicht so’n Scheiß, du weißt, das es nicht stimmt.“, unterbrach ich seine Worte mit harter Stimme.

„Hmm, ja, du hast wohl recht.“, pflichtete er mir - jetzt noch langsamer - bei.

„Toll! Echt klasse! Und was soll ich jetzt machen?“, wollte ich von dem Sänger wissen, der Sarkasmus in meiner Stimme war nicht zu überhören.

Aber einen wirklich guten Ratschlag bekam ich nicht - hätte mich auch gewundert.

„Schlag ihn dir aus’m Kopf, das ist das Beste, schätz’ ich mal.“, bekam ich zu hören. Was für ein lausiger Ratschlag - auf den war ich schon viel früher ohne fremde Hilfe gekommen. Und taugen tat er gar nichts - das hatte ich ja schon austesten können.

„Als ob das funktionieren würde.“, murmelte ich bitter.

Eine Weile war es still. Ich dachte nach und hoffte, Chaz würde es ebenfalls machen.

Schließlich kam von ihm eine harmlos gestellte Frage.

„Wie lange geht das schon so?“
 

Recht allgemein, dennoch wusste ich was er meinte.

„Weiß nicht…“ Chester sah mich abwartend und gleichzeitig irgendwie alarmiert an „irgendwie schon immer. Mal mehr, mal weniger. Jetzt gerade mehr.“

„Aber…deine Frau? War das nicht deine absolute Traumfrau? Das war so überzeugend!“

Chester klappte die Kinnlade herunter. Ich verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Ja, jetzt werde ich dein schönes, gerades Weltbild zerstören, armer Chazy. Und es tut mir jetzt schon Leid.

„Ja, ich habe behauptet, es wäre meine Traumfrau. Und vielleicht hat es für ne Weile gestimmt. Aber trotzdem…trotzdem hatte ich noch Gefühle für …Rob. Und deshalb habe ich auch mit ihr Schluss gemacht. Ich konnte nicht mehr mit all den Lügen leben. Ich weiß, ich bin echt so ein Arschloch als Mensch. Die arme Linsay tut mir so was von Leid, wenn ich so drüber nachdenke, war ich ein absolutes Ekel.“

„Oje…das ist hart.“, meinte der Sänger nach einer Weile, die er wohl gebraucht hatte, um all das zu verkraften.

„Wem sagst du das?“, flüsterte ich traurig.

„Hmm…also wenn ich es jetzt so sehe, hast du drei Möglichkeiten. Erstens: Du versuchst so wie bisher auch weiterzumachen, behältst das ganze für dich und vergräbst deine Gefühle.“

Mit einem Blick auf mein finsteres Gesicht verwarf er aber diesen Vorschlag sofort wieder.

„Ist vielleicht keine gute Idee, bedenkt man, zu was das heute geführt hat. Also Möglichkeit Nummer zwei: Du haust ab, steigst aus der Band aus und vergisst Rob.“

„Funktioniert auch nicht, hab ich schon ausprobiert. Als ich meinen Bachelor gemacht hab, weißt du noch?“, klärte ich Chester auf, der große Augen machte und dann „Ah! Das war also der wirkliche Grund, weshalb du damals weg bist!“ ausrief.

„Nun gut, damit bleibt nur drittens: Du versuchst dein Glück bei Rob.“, war sein abschließender Vorschlag.

„Aber sonst ist noch alles sauber? Wie soll das denn funktionieren?“, fragte ich den Sänger aufgebracht, der nur mit den Schultern zuckte und meinte: „Das weiß ich auch nicht so genau. Versuch du dich erst mal wieder mit dem Drummer zu vertragen. Alles andere ergibt sich.“

„Klasse! Einfach klasse!“ Ich flüchtete mich mal wieder in den Sarkasmus.

Schließlich bemerkte Chester noch etwas, das es tatsächlich vermochte, meine Laune wieder anzuheben.

„Ich überleg mir noch was, solange wie du versuchst, dich mit Rob zu versöhnen. Und wir sollten auch nicht unbedingt mit den anderen darüber sprechen.“

Wow, mich wunderte, das er von selber draufgekommen war, dass es besser war, still zu sein. Vielleicht hatte ich Chaz bisher unterschätzt.

„Echt? Das würdest du machen?“, fragte ich ihn verwundert.

„Na klar, wozu bin ich sonst da!“, grinste der Sänger und umarmte mich kurz herzlich. Ich war so perplex, das ich mich nicht rührte. Chester lachte darüber.

„Jetzt komm wieder rein, wir müssen uns was ausdenken, wie wir die anderen beruhigen. Und wie wir deinen - ähm - Ausraster erklären.“

Mit diesen Worten verschwand der schlanke Sänger grinsend wieder im Haus und ich folge ihm langsamen Schrittes.

Jetzt musste ich mich erst einmal bei Rob entschuldigen - das würde mir schon schwer genug fallen, aber es musste sein.

Phoenix’ PoV:
 

Man sollte der Liste meiner Charaktereigenschaften feige und verweichlicht hinzufügen. Zusammen mit größenwahnsinnig und taktlos würde mich das sehr gut beschreiben, besser als jede anderen vier Wörter.
 

Ja, ich weiß, ich war mal wieder ziemlich seltsam drauf, das lag aber an der beschissenen Situation im Allgemeinen und meinem kopflosen und blöden Verhalten im speziellen.

Jetzt musste ich die von mir versalzte Suppe auslöffeln.

Was hieß, ich musste mich bei Rob entschuldigen. Ziemlich doof, da ich mir sicher war das er a) meine überstürzte und völlig übertriebene Aktion nicht verstehen konnte; b) sehr verletzt war und mir garantiert nicht so schnell verzeihen konnte und c) ich mal wieder lügen musste, um den Grund für meinen hitzigen Ausspruch zu verharmlosen.
 

Tja, aber was sein musste, musste sein. Wenigstens hatte ich jetzt Chester auf meiner Seite, da er die Wahrheit über meine verworrenen Gefühle kannte und mir versprochen hatte, mir zu helfen.

Wie auch immer diese Hilfe aussehen sollte.
 

Doch das sollte ich sogleich herausfinden.

Ob ich aber danach noch froh darüber war, das er mir geholfen hatte?

Manchmal war Chesters Hilfe nicht so hilfreich.

Ein Paradox, ich weiß.

Aber was sollte man davon halten, wenn er mithilfe einer uralten und fürchterlich danebengegriffenen Lüge eine beinahe weniger unglaubliche Wahrheit zu verschleiern versuchte?

Zumindest war das mein Eindruck. Aber mein Urteil war in letzter Zeit etwas unzuverlässig geworden. Lag vermutlich an der Tatsache, das ich zu den wenigsten Zeitpunkten klare Gedanken fassen konnte, da in meinem Kopf immer eine Person herumschwirrte.

Diese Person hatte sich da mal wieder richtig breit gemacht. Und leider nicht nur dort.

Ironie des Schicksals, das ich gerade diese Person verletzt hatte.
 

Und so war ich mit dem festen Vorsatz, mich bei Rob - denn um niemand anderen handelte es sich ja - für meinen boshaften Kommentar zu entschuldigen, hinter Chester in Mikes Haus gegangen.

Zielstrebig lief mein Vordermann in die Richtung, in der er die anderen der Band vermutete, wurde allerdings von Mike, dem Besitzer dieser bescheidenen Hütte - ich flüchtete mich schon wieder in den Sarkasmus, den Mikes Haus war alles andere als eine ‚Hütte’ - abgefangen.

Misstrauen stand auf seinem Gesicht und er richtete seine finster dreinschauenden Augen auf mich.

Womit hatte ich das denn verdient? Ach ja richtig, ich hatte die nicht vorhandene Harmonie in der Band endgültig zerstört. Dank mir herrschte jetzt ‚High Voltage’.

Mikes Stimme klang müde aber auch autoritär, als er auf mein seltsames Verhalten zurückkam.

„Was war das vorhin, Dave? Den Kommentar hättest du dir echt sparen können. Das war so was von…“

Genervt unterbrach ich ihn: „fies von mir, ich weiß das selber.“

„Eigentlich wollte ich ‚unhöflich sagen’, aber das trifft es auch. Aber wenn du es selber weißt, warum hast du es dann überhaupt gemacht? Du hättest doch wissen müssen, wie verletzend das ist. Du bist doch sonst nicht so…jedenfalls kaum.“

Der Emcee verbesserte sich hastig und sah mich dann wieder so anklagend an.

Tja Mike, was soll ich dazu noch sagen.

Es waren berechtigte Fragen. Aber die Antwort musste ich dir schuldig bleiben. Schon schlimm genug, das ChazyChaz mein kleines großes Geheimnis mit einer Leichtigkeit erraten hatte, aber Mike durfte es nicht wissen. Denn dann hätte ich es gleich vor der ganzen Band laut verkünden können. Inklusive vor Rob.

Und nach so einem Geständnis blieb mir vermutlich nur noch eine Sache übrig. Nämlich meine Sachen zu packen und zu verschwinden. Am besten vom Erdboden.

Nein danke, so eilig hatte ich es doch nicht mit dem Ausstieg aus Linkin Park.

Doch wie Mike abspeisen? Ich gab es zu, ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte Angst davor, dass Mike mir meine Lügen nicht glauben würde.

Zum Glück sprang Chester stellvertretend ein. Mit etwas seltsamen Mitteln lenkte er die Aufmerksamkeit seines besten Freundes und Seelengefährten von mir auf sich.

Er zog Mike einfach an dem Hemd zu sich und ergriff seinen Arm.

Mikes Kopf schoss herum und sein verwundertes ‚Chaz?’ bestätigte einen langen, in mir wachsenden Verdacht.

Doch als ich die Worte des Sängers vernahm, vergas ich alles andere und starrte ihn nur entgeistert an. Zum Glück sah Mike nicht zu mir. Der würde sonst höchstwahrscheinlich an Chester so aufrichtig klingenden Worten zweifeln.

„Phoenix hat gestern ein Anruf von Linsay bekommen und sie hat ihn ziemlich zur Schnecke gemacht. Er hat’s mir gerade erzählt.“

Ich staunte wirklich nicht schlecht, als ich da seine Worte vernahm. Ich hatte nicht gedacht, dass der so unschuldig wirkende Sänger, der es ja faustdick hinter den Ohren hatte, so gut lügen konnte. Keine Reaktion, keine Betonung wies das eben Gesagte als Lüge auf. Doch es sollte noch besser kommen.

„Sie wollte wohl noch mehr Geld von ihm haben und hat ihm die Hölle heiß gemacht. Unter anderem hat sie ihm die Ohren voll geheult, einen auf reumütig gemacht, bevor sie dann mit ihrer Forderung nach mehr Cash rausgerückt ist.“

Spann der jetzt völlig? Das klang ja wie aus einem schlechten Beziehungsfilm. Mike konnte das doch unmöglich glauben! Oder doch?

„Nachdem Phoe sie abgewimmelt hatte, war er natürlich verfickt schlecht drauf. Und heute Morgen hat sie noch einen Versuch gestartet. Und als dann Rob heute hier so seiner Vanessa hinterher geheult hat, ist ihm einfach der Kragen geplatzt, weil ihn das an sein eigenes Scheiß-Unglück mit Linsay erinnert hat. Verstehst du?“

Der Sänger warf mir bei seinem letzten Worten einen nachdenklichen Blick zu, der mich daran erinnerte, besser nicht so überrascht zu wirken, sondern so zu tun, als ob das gerade nichts als die Wahrheit war. Neugierig war ich schon, ob der Emcee das so einfach schluckte. Und wie Chester es ausschließen wollte, das diese Lüge, Reihe bei Brad, Joe und Rob machte.

Oh Gott, Rob! Wenn er das erfuhr…das durfte nicht passieren. Auf keinen Fall.

Aber er würde es sowieso nie glauben, da er wusste, wie ich zu Linsay stand.

Oje oje…wenn da Chesters schlauer Plan mal nicht aufflog.

Mike sah mich nun auch nachdenklich an.

„Hmm…aber ich glaube nicht, dass Rob deswegen weniger sauer ist. Vielleicht solltest du mal mit ihm reden. Und mit den anderen beiden auch. Die sind nämlich ebenfalls ziemlich verwirrt.“

„Aber Mike…glaubst du wirklich, das Phoenix das jetzt tun sollte? Ich meine, so wie er grad drauf ist…“

Chester dämpfte seine Stimme auf ein beinahe unhörbares Flüstern. Ich bekam trotzdem mit, was er Mike zuwisperte.

Am liebsten hätte ich ihn dafür geschlagen, dass er sich gerade so verhielt wie meine Mutter. Was hatte der nur manchmal für Anwandlungen? Mike konnte ihn doch nie und nimmer ernst nehmen.

Oder doch?

Moment, hatte ich mich da gerade verguckt oder hatte Chester Mike zugeblinzelt?

Was machte der da nur? Irgendwie wollte ich das plötzlich alles gar nicht mehr so genau sehen, ich befürchtete, zu viele Informationen mitzubekommen.

Zu meiner großen Verwunderung aber stimmte Mike nickend dem Sänger zu und wand sich dann wieder mir zu.

„Ich denke, es ist besser, wenn wir für heute das Treffen für beendet erklären. Du und Rob, ihr seid einfach zu sehr neben der Spur. Aber ich denke es ist trotzdem besser, wenn du dich bei Rob…“

Hier unterbrach ich den Emcee ungeduldig und beendete den angefangenen Satz selbständig:

„…entschuldigst, ja, ich weiß! Das werde ich machen, keine Angst. Aber nicht vor den anderen. Und nicht heute.“
 

Innerlich atmete ich auf. Das war sie, die Chance auf Flucht.

Endlich von hier verschwinden, vergessen, was ich für Mist gebaut hatte…zumindest für eine kurze Weile.

Dabei sollte mir ein wenig Alkohol behilflich sein, meinen gesamten Ärger in ihm zu ertränken.

Ja, das erschien mir gerade als sehr gute Idee.

Und doch drehte ich mich halb um, nickte Mike und Chester zum Abschied kurz zu und murmelte ein leises: „Sagt den anderen, das ich grad im Stress bin. Ich bin nicht sauer auf sie.“

Auf Chesters warnenden Blick hin schob ich noch ein „Ich regle das mit Rob noch.“, nach, um ihn zu beruhigen.

Und dann trat ich hinaus aus Mikes Haus, schlug die Tür hinter mir zu und atmete tief durch.
 

Endlich raus da.

Wurde Zeit.

So viel wie ich heute verbockt hatte, würde der Tag bestimmt noch so weitergehen und das konnte ich mir wirklich nicht leisten.

Und obwohl ich ChazyChaz am liebsten kräftig dafür ins Gebet genommen hätte, was er für Mist über mich zu Mike gesagt hatte, so froh war ich doch darüber, das er mir die Chance gegeben hatte, ohne weitere Lügen mich bei Mike herausmanövrieren zu können.

Wenigsten um unseren Emcee musste ich mir keine Gedanken mehr machen.

Wenn man also ein Resümee über diesen verdammten Tag zog, kam man zu keinem guten Ergebnis.

Es hatte einfach zu viele, überraschende und unbeabsichtigte Wendungen gegeben heute.

Rob war verletzt durch meine gemeinen Worte, die anderen der Band verstanden nicht, warum ich so ausgerastete war, Chester kannte als einziger die ganze schöne Wahrheit und Mike war jetzt der Auffassung, ich hätte Stress mit meiner Exfrau.

Na, wenn das mal nicht früher oder später in noch größeren Ärger münden würde…

Aber das sollte mir jetzt erst mal so ziemlich egal sein, jetzt würde ich meine gesamten Probleme beiseite schieben und etwas Whisky trinken. Das erschien mir nämlich als das einzig Richtige in dieser verzwickten Situation.

Und für die nächsten Tage wollte ich keine Menschenseele sehen, erst recht niemanden von meinen Freunden.

Ich musste erst einmal verdauen, was geschehen war und mir einen Plan zurechtlegen, wie ich am Besten da wieder raus kam.
 

Drei Tage später hatte ich keinen Plan, dafür aber Besuch.

Ich war gerade dabei gewesen, meine Gitarre neu zu stimmen - denn auch wenn ich in der Band Bass spielte, so beherrschte ich auch noch andere Instrumente - neben der Gitarre auch noch Cello und Geige.

Doch das Läuten meiner Türklingel riss mich aus der Arbeit und als ich leise fluchend durch den Spion schaute, stand der richtige Gitarrist vor meiner Tür - Brad.

Was wollte der denn hier?

Mit einem unguten Gefühl im Bauch öffnete ich ihm die Tür, begrüßte ihn kurz und bat ihn herein.

Den üblichen Smalltalk schnell hinter uns lassend setzte sich Brad mir gegenüber und sah mir zu, wie ich meine vorhin unterbrochene Tätigkeit fortsetzte.

Eine Weile konnte er sich zurückhalten, dann fing er an, mich zu bemängeln.

Ich hatte schon damit gerechnet und richtete mich auf, sah von meinem Instrument zu ihm und stellte die obligatorische Frage:

„Weswegen bist du hier?“
 

Brad druckste derweil etwas herum, sein Blick wanderte einmal durch das Zimmer, bis er wieder von meinen Augen eingefangen wurde, die ihn immer noch hart und abwartend anblitzten. Bevor der Gitarrist aber endlich ein Wort herausbekam, musste ich ihn noch mal drängen:

„Nun red schon. Ich hab keine Lust auf Smalltalk, komm zur Sache!“
 

„Ähm…es geht um Rob.“, brachte Brad nun endlich heraus.

Ich hatte fast laut aufgelacht, als ich das hörte, bestätigten sich so doch sämtliche meiner Vorahnungen. Mal sehen, was Brad für einen Vorschlag für mich parat hatte. Ich tippte ja auf so was wie…

„Du musst dich bei ihm entschuldigen. Unbedingt.“

Ja, genau, so was.

„Und warum muss ich das ‚unbedingt’?“, fragte ich Brad und legte die Gitarre beiseite. Ich würde sie später noch stimmen können, im Moment erschien mir das Gespräch hier wichtiger.

Brad ließ ein wenig Zeit verstreichen, bis er tief durchatmete und weiter sprach.

„Du hast ihn ja nicht gesehen. Aber er war so am Ende nach deinem echt heftigen Ausspruch.“

Ich wandte mich innerlich vor Schmerz, als ich das hörte. Mittlerweile wusste ich ja, wie sehr ich ihm wehgetan hatte, mussten die mir das trotzdem immer und immer wieder unter die Nase reiben?

„Mann, ich werd mich schon noch bei ihm entschuldigen. Jetzt mach nicht so einen Stress. Ich hab vielleicht auch ein paar Probleme.“, rutschte mir noch heraus, am liebsten hätte ich mir die Hand vor den Mund geschlagen, als ich vernahm, was ich da gesagt hatte. Verdammt noch mal, denk das nächste Mal nach bevor du was sagst; schimpfte ich mit mir selber.

Brad sah mich irritiert an, doch auf mein energisches Kopfschütteln ging er nicht mehr auf das Thema ein und erzählte dann - was für ein Themensprung - etwas über einen neuen Club, in dem er gestern und vorgestern gewesen war.

Ich entschied, dass das Thema nun doch zu den langweiligen Themen gehörte und zog die Gitarre wieder zu mir, um fortzufahren, sie zu stimmen. Brads Gerede hörte ich nur noch mit halbem Ohr zu, ignorierte ihn fast.

Erst als er Robs und meinen Namen in einem Satz erwähnte, horchte ich alarmiert wieder auf.

„Was ist mit mir?“ …und Rob?

Doch Letzteres dachte ich nur, zu verräterisch wäre diese Frage sonst.

Brad sah mich verwundert an und erklärte:

„Das ist eine gute Idee, um euch zu versöhnen. Rob und du, ihr geht mal zusammen in dem Club feiern, vergesst eure Probleme mit den Weibern und lernt vielleicht jemand neues kennen.“
 

Also, ich entschied spontan, dass dieser Gedanke nicht gut war. Schon dass wir jemanden neues kennen lernen konnten, machte aus dem gut gemeinten Vorschlag von Brad eine sehr schlechte Idee.

„Ich denke das nicht, Rob wird wohl kaum jetzt feiern gehen und ich hab ehrlich gesagt auch keine Lust.“, teilte ich Brad meine Bedenken mit, der das wohl jetzt auch einsah, denn er nickte bedächtig.

„Vermutlich hast du Recht.“

„Ganz gewiss hab ich das.“, schloss ich ab und spielte ein paar Akkorde auf der gestimmten Gitarre.

Es klang gut, und so legte ich sie beiseite und sah den Gitarristen an.

Eine Weile passierte gar nichts, dann erhob sich Brad mit den Worten, es wäre wohl besser, er würde nun gehen.
 

Ich nickte nur abwesend, war ich in Gedanken doch bereits wieder bei Rob.

Das der nicht einen Tag, eine Stunde nicht in meinem Kopf herumspukte.

Ich hörte Brad nicht zu, als ich ihn zur Tür geleitete und murmelte einen kurzen Abschiedsgruß, dann schloss ich die Tür hinter ihm und sank daran herunter.

So langsam sollte ich wirklich zu dem Drummer gehen und mich bei ihm entschuldigen.

Wenn ich eine Chance bei ihm haben wollte, sollte ich sämtliche verletzten Gefühle vorher aus dem Weg räumen.

Und wer weiß, wenn ich ihm zeigte, das ich für ihn da war, jetzt, wo er so im Liebeskummer ertrank ohne seine Vanessa, vielleicht würde er mich dann auch mit anderen Augen sehen.

Vielleicht.
 

Es blieb nicht bei einem Besuch.

Eigentlich hätte ich es mir denken können.

Gut, eigentlich hatte ich damit gerechnet, das Chester bei mir aufkreuzen würde, doch offensichtlich lag ich diesmal daneben.

Es war Mike, den ich im Türspion erkannte, zwei Tage, nachdem ich so überraschenden Besuch von Brad bekommen hatte.

Was der hier wollte?

Ich schätzte, der Grund seines Erscheinens war derselbe wie der von Brads Besuch.

Das würde interessant werden.

Phoenix’ PoV
 

Mike Shinoda, seines Zeichens Emcee von Linkin Park, war von sich überzeugt, dass es ohne ihn den Bach runter gehen würde mit der Band. Und da hatte er vermutlich auch Recht.

Denn ohne ihn, den Kleber, der alles zusammenhielt, würde sich garantiert nach einem Streit niemand mehr mit dem anderen versöhnen, dazu waren alle viel zu stolz oder zu stur.

Davon abgesehen war es ja Mike, der den Löwenanteil der Lyrics schreib, die Songs komponierte und mit die meiste Bühnenpräsenz zeigte.

Auch kam er am besten mit der Presse und den Fans zurecht.
 

Doch das Meiste war nur Schein.

Mike kam nur so gut mit unseren Fans klar, weil er stets seine Rolle spielte - die des netten, freundlichen Kerls.

Vielleicht war er tatsächlich nett und freundlich - doch nur solange, wie man das tat, was er wollte.

Er hatte schon etwas Diktatorisches an sich.

Seine Ziele verfolgte er verbissen und rücksichtslos - und das oberste Ziel war es, mit Linkin Park erfolgreiche Musik zu machen.

An erster Stelle stand dabei der Ruf der Band - sowie sein Ruf.

Nichts befleckte seinen Namen als Ausnahmekünstler - Musiker und Zeichner.

Er machte schon ein wenig einen auf ‚fucking perfect’.

Es hatte noch nie Eskapaden in seinem Leben gegeben - ganz im Gegensatz zu Chester, unserem Sänger, der schon einiges erlebt hatte in seinem jungen Leben. Und nicht nur Gutes.

Nein, bei Mike war alles harmonisch, und so wie es sein sollte verlaufen. Auch jetzt legte er großen Wert darauf, dass es immer vorwärts ging - deshalb stürzte er sich öfters in immense Arbeit und nötigte auch dem Rest der Band diese auf.

Doch im Gegensatz zu der Öffentlichkeit, wo er als toleranter und wunderbarer Freund erschien, war es in der Realität nicht ganz so. Mike war nämlich fürchterlich intolerant, wenn es um seine Musik ging. Wehe, wenn wir nicht mit ihm an einem Strang zogen oder gar eine ganz andere Meinung hatten wie er. Passierte aber sehr selten.

Denn ein wenig hatten wir schon Angst vor dem Emcee, der wirklich böse werden konnte, wenn es nicht so lief wie er es wollte.

Denn Mike wütend zu erleben, war kein Vergnügen.
 

Wie gesagt, Mike war nicht so perfekt, wie er sich immer gab. Doch an die Öffentlichkeit drang nichts von seinem wahren Wesen. Er verstand es, den Medien einen anderen, besseren Menschen vorzugaukeln.

Dazu passte auch, das er eine harmonische Ehe führte, einen kleinen Sohn hatte, den er ach so abgöttisch liebte.

Ob bei ihm zu Hause es ähnlich lief wie in der Band, wusste ich nicht. Es stand mir auch nicht zu, darüber zu urteilen.
 

Warum mir das gerade durch den Kopf jagte?

Weil ich - ungern zugegeben, aber wahr - mich ein wenig vor Mikes Besuch fürchtete. Was er hier wollte, konnte ich mir denken.

Es galt, Unstimmigkeiten in der Band zu beseitigen, konnten wir doch nur erfolgreich funktionieren, wenn wir zusammen hielten und Eintracht bei uns herrschte.

Dumm nur, dass es zwischen mir und Rob grad nicht so ganz klappen wollte mit der Eintracht.

Und ich weigerte mich immer noch, mich bei ihm zu entschuldigen.

Nenn es Feigheit, aber so war es nun mal.

Brad hatte es nicht fertig gebracht, mich davon zu überzeugen, zu Rob zu gehen - zumindest nicht sofort, denn früher oder später musste ich wirklich.

Aber im Moment drückte ich mich noch davor, zu groß war meine Angst vor Robs Reaktionen. Außerdem war mir noch kein überzeugender Plan eingefallen, mit dem ich meinen Ausraster logisch und nachvollziehbar erklären konnte.

Und die Wahrheit, die selbst bei dem sehr aufgeschlossenen Chester für Lachsalven und Unverständnis gesorgt hatte, kam nicht in Frage.
 

Ich begrüßte den Halbjapaner kurz und ließ ihn in meine Wohnung eintreten. Wie selbstverständlich stiefelte er in mein Wohnzimmer, er war schon ein paar Mal hier gewesen und kannte sich mittlerweile aus.

Ich hatte schon an Autorität verloren, als ich Mike folgte und - da er mein Sofa belegt hatte - mich auf einen Stuhl im Gegenüber setzte.

Mike kam sofort zur Sache - anders als jeder andere, der zumindest um den Schein zu wahren, ein wenig Smalltalk redete.

Nicht so Mike - er hasste es, wenn man um den heißen Brei drum herum redete. Er kam lieber gleich zur Sache und verpackte sein Anliegen in präzise Worte.

Eigentlich war mir das auch lieber, ich bevorzugte es, schnell zur Sache zu kommen. Doch ich gab wenigstens noch den Anschein von Höflichkeit, während der Emcee das nicht nötig hatte.

„Gestern habe ich mit Chester, Brad und Rob an ein paar neuen Songs gearbeitet. Ich habe auf Robs Bitte darauf verzichtet, dich mit dazuzuholen. Wir haben dich gestern auch nicht wirklich gebraucht, Joe auch nicht, zumal der gerade mit seiner Frau in Urlaub gefahren ist.“

Irritiert blickte ich Mike an, war ich doch sehr überrascht über das, was er da sagte.

Joe war im Urlaub?

Wieso denn das? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Mike das so einfach zugelassen hatte, da er doch jetzt an unserem neuen Album arbeiten wollte. Und da brauchte er jeden aus der Band.

Schon schlimm genug, das sie mich außen vor gelassen hatten. Mike hatte mit seinen wenigen Worten mal wieder die kaum verheilte Wunde aufgerissen. Vor allem die Betonung darauf, dass er nur wegen Robs Bitte mich ausgeschlossen hatte - das tat schon sehr weh. Ich fühlte mich verletzt aber auch ein wenig verarscht von den anderen - vor allem von Mike.

Machte er das absichtlich?

Wenn er damit vorgehabt hatte, mich zu brechen - nun, das war ein guter Anfang.

Finster sah ich den Schwarzhaarigen an, als der als wäre nichts gewesen, weiter sprach.

„Allerdings sind wir nicht wirklich weit gekommen, das hat vor allem an Rob gelegen.“

Mikes Augen lagen nachdenklich auf mir, in ihnen erkannte ich aber auch ein wenig Unsicherheit. Ich konnte mir denken, warum.

Er fürchtete vermutlich, wir würden auseinander brechen. Rob war in letzter Zeit ein seelisches Wrack, zusätzlich herrschte zwischen ihm und mir Funkstille.

Mike musste sich wirklich große Sorgen um die Zukunft von Linkin Park machen, ansonsten wäre er nicht hier.

„Was…was war mit Rob?“, fragte ich mit leicht zitternder Stimme.

Zum Glück schenkte der Emcee mir nicht so viel Beachtung als das es ihm aufgefallen wäre. Er antwortete eindringlich:

„Er ist am Durchdrehen. Das mit seiner Freundin geht ihm sehr nahe. Er hat ihr vertraut und sie geliebt und sie verlässt ihn aufgrund von nichtigen Gründen, die darauf schließen lassen, dass sie ihm nie wirklich vertraut hat. So etwas verletzt einen ganz schön. Und dann kommst du noch und musst in dieser Wunde bohren, sie noch weiter aufreißen und richtig Salz hineinstreunen.“

Ruckartig stand ich auf, unterbrach Mikes Rede mit einer harschen Handbewegung und lief im Zimmer umher.

Mike hatte ja keine Ahnung, wie sehr mich seine Worte aufgewühlt hatten. Mittlerweile erschien es mir unmöglich, ruhig zu Hause herumzusitzen, während Rob so litt.

Ich musste ihm helfen, verdammt.

Sofort. Oder ich würde verrückt werden, mich selber quälen.

Ich musste zu ihm.

Ja, jetzt hatten sie mich soweit.

Brad hatte es nicht geschafft, aber für den Emcee war das ein Kinderspiel. Er setzte es sauber durch und benötigte noch nicht mal lange dafür. Ob er von meiner Schwäche wusste?

Wenn nicht, war er wirklich gut.

Wenn doch, war er ein sadistisches Schwein.
 

Fluchend erwidere ich ein „Ist ja gut, hab schon verstanden. Ich mach mich gleich auf den Weg zu Rob. Werd zusehen, das ich diese Scheiße aus dem Weg räume und ihn ein bisschen aus seiner depressiven Laune raushole.“

Obwohl ich sehr nuschelte, verstand der Emcee mich und nickte mir zufrieden zu. Genau das, was er hören wollte.

Seine Arbeit hier war getan, und sie war leicht. Mir ein schlechtes Gewissen zu schenken, so dass ich von alleine darauf komme, aus dieser unerträglichen Situation herauszukommen. Und das war’s dann. Jetzt konnte er wieder gehen, an seinen Songs arbeiten und heute Abend kontrollieren, ob ich tatsächlich in gewünschter Weise gehandelt hatte.

Wobei ich noch bezweifelte, das er selbst anrufen würde, ich vermutete eher, das er Chester hiervon erzählen würde und der Sänger, der zuweilen Mikes verlängerter Arm war, würde sich dann bei mir erkundigen. Und dann würde die Quasselstrippe Bennington natürlich all das in Erfahrung gebrachte an seinen besten Freund weitergeben.

Information eingeholt. Mission abgeschlossen.

So oder so ähnlich würde das vermutlich laufen.

Wenn Mike etwas war, dann vorhersehbar. Und Chesters Verhalten war meist auch ziemlich berechenbar.
 

Aber mir sollte das gerade so ziemlich egal sein, wie aufgezogen huschte ich durch die Wohnung, suchte mir ein paar passende Klamotten zusammen, verabschiedete Mike, sprang unter die Dusche. In der Reihenfolge.

Ich war ja eigentlich wenig eitel, doch im Moment zählte alles. Auch, wie ich aussah. Je besser, desto größer die Chance…

Ach, zügle dich mal, David Farrell. Solche Gedanken sind hier gerade so was von fehl am Platz.

Einen prüfenden Blick in den Spiegel werfend befand ich, dass ich besser aussah als auf den meisten Pressefotos. Und sowieso besser als auf den meisten Konzerten.

Verwaschene, graue Baggys, dunkles T-Shirt, ein offenes, hellgraues, Hemd mit Karomuster. Die Sonnenbrille ließ ich weg, da ich wusste, dass Rob sie nicht mochte. Außerdem wäre mein Style sonst vermutlich nah am Shinoda-Style dran, war er aber sowieso.

Naja, was soll’s, Mike hatte wenigstens jetzt ein wenig Sinn für Stil bekommen.

Sogar meinen roten Bart stutzte ich etwas, wenn auch nicht viel.

So war ich fast zufrieden mit mir, konnte aber letzten Endes nichts mehr an mir verbessern und machte mich, bevor ich es mir doch noch anders überlegen konnte, auf den Weg zu Rob.

Mein armes Auto tat mir jetzt schon leid.
 

Eine halbe Stunde später hatte ich mich mit meinem schwarzen 7er BMW durch die Stadt geschlagen.

Dabei zeigte sich mal wieder, dass die Karre echt von guter Qualität war, da sie mir schon mehrere Jahre treue Dienste leistete. Und meistens bekam der BMW dabei meine Launen zu spüren.

So wie heute: meine Nervosität ließ mich ständig mit dem Gas spielen, mit quietschenden Reifen anfahren und öfters mal auf dem Lenkrad herumtrommeln.

Dass der BMW noch nie gestreikt hatte, zeigte nur, dass er sein Geld wert war - für den höllischen Preis musste er mit mir, flegelhaftem Autofahrer klarkommen.

Doch nun musste ich wohl oder übel raus aus der Karre klettern, obwohl es mit meinem Mut schon wieder vorbei war und ich am liebsten gleich den Rückweg angetreten wäre.

Scheiße, jetzt reiß dich mal zusammen, Farrell!

Das wäre doch gelacht, wenn du das nicht hinbekommen würdest. Und noch so einen Besuch von Shinoda, der mir dann garantiert die Hölle heiß machen würde, wollte ich nicht.

Dann also rein ins Vergnügen.

Missmutig stand ich dann vor Robs Tür, den Finger an der Klingel, doch gedrückt hatte ich sie noch nicht.

Ich überlegte kurz, ob es sich lohnen würde, einen Plan zurechtzulegen, wie ich vorgehen sollte, entschied mich dann aber dagegen.

Nein, spontan war besser, zumal ich mich sowieso nie an meine ausgearbeiteten Pläne hielt und alles durcheinander warf.

Mich überwindend drückte ich den Klingelknopf und spürte, wie sich die Schlagzahl meines Herzens erhöhte.

Verdammter Mist!

Warum war ich nur so nervös? Das war doch lächerlich.

Ich war lächerlich.

Aber das war mir ja schon vorher klar gewesen.

Um mich zu beruhigen, zählte ich meine Herzschläge mit.

Leider beschäftigte das mich nicht ausreichend, sodass sich zwischendurch immer wieder so freche Gedanken in meinem Kopf herumflogen wie: ‚Wer weiß, ob er überhaupt da ist.’; ‚Vielleicht macht er nicht auf.’; ‚Vielleicht hat er dich gesehen und will dir nicht aufmachen.’; ‚Vielleicht ist er nicht in der Lage dazu, aufzumachen.’; ‚Vielleicht liegt er tot in seiner Wohnung, hat sich umgebracht wegen seiner Exfreundin.’.

Panik stieg in mir auf. Schon wollte ich noch mal klingeln und an die Tür klopfen, da hörte ich von drinnen ein Geräusch.

Rob lebte also.

Oder es war sein Mörder, der gerade mit den Beweistücken floh.

Schluss jetzt.

Ab sofort werden keine Krimis und Thriller mehr geguckt, die haben einen schlechten Einfluss auf dich.

Vor allem was für Schwachsinn da in meinem Kopf herumgeisterte - total an den Haaren herbeigezogen.

Es kam mir so unwirklich vor, dass ich tatsächlich gerade Angst gehabt hatte, Rob würde nicht mehr leben.

Noch unwirklicher, als er nach 457 Herzschlägen die Tür öffnete und mich ansah.

Ich war vor Schock erstmal still - er aber auch.

So herrschte Schweigen zwischen uns - peinliches Schweigen.

Bis ich endlich wieder meine Sinne beisammen hatte und die Stille brach.

„Rob. Ich wollte…mit dir reden. Wegen meinem dummen Kommentar vor ein paar Tagen…wollte mich entschuldigen…“, stotterte ich herum.

Oh Mann, was für ein Idiot ich doch bin. Ich konnte noch nicht einmal einen ordentlichen Satz formulieren. Wie schäbig.

Rob sah mich zweifelnd an, dann fragte er mich:

„Wie kommst du plötzlich zu diesem Schluss? Nach - wie viel Tage waren das - ganzen 5 Tagen kommst du hier an. Und das soll ich dir glauben?“
 

Donnerwetter, der war mal sauer. Das war doch eigentlich gar nicht typisch für den Drummer.

Ein Beweis mehr, wie mies es ihm gehen musste.

Obwohl er ja ganz annehmbar aussah. Aber gut, ich war ja parteiisch. Für mich würde Rob immer gut aussehen.

Klar, er hatte rot geränderte Augen und Schatten darunter, ein Zeichen für häufiges Weinen oder Schlaflosigkeit. Oder beides zusammen.

Seine Klamotten waren ordentlich - ganz normale Baggys und eine schwarze Stoffjacke - doch seine Haut schien blass, beinahe durchsichtig aus und seine brauen Haare fielen wild durcheinander. Und seine Brille fehlte. Warum auch immer.

Doch davon angesehen sah er gut aus. Wie immer.

Ich sagte doch, dass ich parteiisch war? Gut.

„Was meinst du damit?“, fragte ich vorsichtig nach.

Bevor Rob mir antwortete, trat er beiseite und knurrte ein kurzes „Komm rein“, dem ich Folge leistete.

Er geleitete mich in sein Wohnzimmer zur Couch.

Da ich bereits einmal hier war, kannte ich seine Wohnung. Umso mehr wunderte ich mich darüber, dass sie offensichtlich etwas in Chaos geraten war.

Von Rob war ich eine saubere, ordentliche Wohnung gewöhnt und nicht so was hier. Da lagen Klamotten auf dem Boden, Weinflaschen standen auf dem Tisch rum mitsamt schmutzigen und sauberen Gläsern, und Staub schien auch seit einer Woche nicht mehr gewischt worden sein.

Oh je, Rob ließ sich wirklich gehen.

Der riesenhafte Drummer setzte sich neben mich auf die Couch und murmelte düster ein paar Flüche.

Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Einerseits bestürzt über Robs Zustand, freute ich mich, dass er hier neben mir saß. Neben mir. Vielleicht würde er mir verzeihen. Ganz sicher würde er das. Er musste einfach.

„Mike hat dich doch sicherlich bearbeitet, sonst wärst du nicht hier.“, teilte mir Rob seine Theorie über mein Erscheinen mit.

Und hatte sogar Recht. Zumal es nicht nur Mike gewesen war. Brad hatte sein Glück ja auch versucht.

„Ähm ja, das stimmt wohl.“, murmelte ich leise und geknickt.

„Aber das heißt nicht, dass ich es nicht aufrichtig meine. Es tut mir wirklich Leid. Ich hab mich wie ein Arsch verhalten. Das war echt scheiße von mir. Ich hätte mir denken können, wie sehr du an Vanessa gehangen hast und wie sehr es dich trifft, das sie dich verlassen hat.“, meinte ich leise zu ihm.

Rob antwortete erst mal gar nicht, dann ergriff er ein Rotweinglas und trank einen Schluck.

Das Glas wieder abstellend sprach er dann:

„Das hättest du dir tatsächlich denken können. Schließlich hattest du auch das Problem mit deiner Frau.“

Wieder Pause. Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Also sagte ich - nichts.

Rob brach das Schweigen.

„Denkst du, es geht vorüber?“

Seine Stimme wisperte die Frage nur, leise und traurig.

Ich schlang meinen Arm um seine Schulter, ungeachtet meiner verrückt spielenden Gefühle und flüsterte ein:

„Ja, es geht vorbei. Ganz bestimmt.“

Rob erwiderte nichts mehr darauf, war ruhig.

Irgendwann sprach er dann die mich erlösenden Worte.

„Ich verzeihe dir. Ist schon scheiße gewesen, aber ich will keinen Streit zwischen uns.“

Mein Herz machte darauf einen Sprung und ich fühlte mich unglaublich befreit, wie als würden Felsbrocken von meiner Seele stürzen. Ein gutes Gefühl.

Als ich mich gerade fragte, ob ich wieder gehen sollte, schlug Rob mir etwas anderes vor:

„Wenn du einmal hier bist, kannst du auch noch dableiben und was mit mir trinken.“

„Was?“

Hatte ich mich gerade verhört? Rob trank sonst nicht so viel, vor allem nicht bei Problemen. Er war nicht der Typ, der seine Probleme im Alkohol ertränkte. Das waren mehr Chester, Brad und ich. Mike auch manchmal. Joe selten. Doch Rob nie. Sollte er jetzt auch darauf gekommen sein?

„Was trinken. Mit mir. Ist das beste Rezept gegen Liebeskummer, kannst du mir glauben.“, erklärte mir der Drummer und leerte wie als Veranschaulichung seiner Worte das Rotweinglas.

Doch das was er da sagte, stimmte nicht wirklich. Hatte ich schließlich selber schon ausprobiert. Doch trotzdem bejahte ich, schon allein deswegen, um den Drummer davon abzuhalten, zu viel zu trinken. Ich selber hatte vor nichts zu trinken - schließlich stand mein BMW vor dem Haus und ich hatte nicht vor, nach Hause zu laufen.

Doch wenn Rob unbedingt was trinken wollte…ich hatte vor, ihn erst wenn es kritisch wurde, zu stoppen.

Und selber würde ich so tun, als ob ich mit ihm trinken würde.

Ich brauchte jetzt meine gesamte Aufmerksamkeit, nicht, dass ich mich verplapperte oder etwas Wichtiges nicht mitbekam.
 

Doch Robs Gespräch drehte sich hauptsächlich um seinen Verlust und wie er sich jetzt fühlte.

Er war jemand, der sich immer ganz und total band. Kein Wunder, das Vanessa - mittlerweile hasste ich sie - eine so riesige Lücke bei ihm hinterließ und er entsprechend klagte.

Ich nahm mich zusammen, um nicht wieder genervt zu klingen. Rob konnte jetzt keine sarkastischen Bemerkungen von mir gebrauchen. Dazu war er gerade zu verstört.

Auch wenn ich es als übertrieben fand, wie er ihr nachtrauerte - das hatte sie nicht verdient, dass sich Rob wegen ihr selbst zerstörte.

Und genau das sagte ich ihm auch.

Meine Hand auf seinem Arm sprach ich leise und eindringlich:

„Du musst irgendwann aber auch rauskommen aus deinem Loch. Das kann nicht so weitergehen. Du machst dich selbst kaputt.“

Rob ließ die Worte auf sich wirken, bevor er nickte und mich dann mit schmerzerfülltem Blick ansah, bei dem auch in mir flammende Schmerzen erwachten.

Sein Blick war die pure Hölle für mich, litt ich doch jede Sekunde unter dem Anblick dieser braunen, wunderschönen Augen mehr.

Seine Schatten unter den Augen, durch das künstliche Licht der Deckenlampe noch stärker betont, lassen ihn älter wirken als er ist. Trauriger, aber auch weiser. Und immer noch schön. Ja, ich fand ihn schön. Perfekt. Absolut anbetungswürdig.

So ein Blödsinn. Mein Gehirn verabschiedete sich gerade von der Logik, und das ganz ohne Alkohol.

Ein vorbeihuschendes Lichter von einem fahrenden Auto - vermutlich ein Polizei- oder Krankenwagen - erleuchten die Dunkelheit der inzwischen angebrochenen Nacht und lassen ein kurzen Lichteffekt auf Robs unnatürlich blasser Wange erscheinen.

Als er dann mit tiefer, in meinen Knochen vibrierender Stimme sprach, war ich kurzzeitig erschrocken, so hatte mich der Moment gefesselt.

„Aber wie, Dave, wie? Andauernd muss ich an sie denken. Alles hier erinnert mich an sie. Ich kann nicht vergessen.“

Ich dachte kurz nach, bevor ich einen vagen Vorschlag machte:

„Du musst hier raus, ganz einfach. Am besten, in ein Hotel oder zu einem Freund. Dann kommst du besser über sie hinweg.“

„Nein…kein Hotel. Nicht schon wieder. Die hatte ich zur Genüge als wir auf Tour waren.“, murmelte Rob leise und niedergeschlagen.

Eine Weile herrschte Stille, dann hob er die Lider und sah mich mit ein wenig neuer Energie an.

„Kann ich nicht so lange bei dir wohnen? Bitte! Du hast doch ein freies Gästezimmer.“

Mir blieb die Spucke weg. Meine Gedanken rasten wild durcheinander, meine Emotionen spielten verrückt. Am liebsten wäre ich ihm um den Hals gefallen und hätte sofort zugestimmt, doch den Impuls unterdrückte ich.

Vielleicht wäre es besser, er würde nicht gerade bei mir einziehen - wenn auch nur vorübergehend.

Aber wie das Rob erklären?

Er sah mich abwartend an und versicherte mir, als ich immer noch nicht antwortete, dass ich ihn kaum bemerken würde, so unsichtbar wie er sich machen würde.

Nur, das das nicht funktionieren würde. Meine innere Stimme flüsterte mir zu, dass ich Rob sehr wohl immer bemerken würde. Ganz einfach, weil ich auf ihn geeicht war.

Meine inneren Dämonen jubilierten, drängten mich dazu, den Vorschlag anzunehmen. Gefährlich würde das werden, soviel war sicher.

Ich würde mich stark zusammen reißen müssen, um mich nicht zu verraten.

Aber vielleicht war gerade das meine Chance?

Wie konnte ich die ungenutzt verstreichen lassen?

Wer nicht wagt, kann nicht gewinnen?

Also sprach ich das aus, was ich wollte:

„Okay, du kannst erst mal mit zu mir kommen.“

Phoenix’ PoV:
 

Eigentlich hatte ich mir denken können, dass das heute noch in einer Katastrophe enden würde.

Aber ich hatte es nicht sehen wollen. Hatte beide Augen fest vor der Wahrheit verschlossen und hing in Gedanken einer Utopie, einer Scheinwahrheit nach.

Warum sollte es denn nur kompliziert werden? Rob hätte ganz normal in meinem Gästezimmer schlafen können, am Morgen mit mir frühstücken, wir hätten uns über belanglose Dinge unterhalten, so wie Freunde das halt machten.

Aber Rob machte es einem schwer, ein guter Freund zu sein.

Ständig lief ich Gefahr, ihm zu viel von meiner Zuneigung zu zeigen. Er forderte von mir zu viel Zuneigung. Letzten Endes würde ich mich noch verraten, indem ich mich verplapperte oder ihm zu nahe kam.

Das durfte auf keinem Fall passieren - ich konnte mir nicht ansatzweise vorstellen, wie der Drummer dann reagiert hätte.

Und so zügelte ich mich, ging etwas mehr auf Distanz.

Dumm nur, das ich so wiederum Gefahr lief, zu kühl und zu gleichgültig zu reagieren. Ich wollte ja für Rob da sein.

Doch was war das Richtige?
 

Diese Frage stellte ich mir, nachdem ich mitten in der Nacht aus einem kurzen, leichten Schlaf hochfuhr weil ich einen markerschütternden Schrei vernommen hatte.

Orientierungslos wusste ich nicht sofort, was nun los war. Wer hatte da geschrieen? Hatte ich mir das eingebildet? Zu viele Horrorfilme geguckt?

Aber ich mochte gar keine Horrorstreifen, mied sie wenn möglich.

War ich jetzt in einem gelandet?

Oder träumte ich noch.

Doch nein - da war er wieder: jetzt leiser, hörte ich einen wimmernden Schrei aus - dem Gästezimmer.

Und da wusste ich plötzlich, wer da geschrieen hatte.

Rob.

Was zur Hölle ging da vor sich?

Ich glaubte, noch nie zuvor so schnell aus dem Bett gekommen zu sein, so schnell wie ich jetzt aufsprang.

Ohne Schuhe, nur mit meiner Shorts bekleidet, eilte ich im Dunklen durch die Wohnung und erreichte das Zimmer, in dem der Drummer schlief.

Kurz stockte ich, dann drückte ich die Klinke herunter und trat ein.

Meine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt und durch den transparenten Vorhang vorm Fenster fiel das Licht der Straße hinein und beleuchtete das Zimmer ausreichend.

Ich sah genug - um mich von meinen Schreckensszenarien, die sich alle um Robs qualvollen Tod drehten, zu befreien.

Der dunkelhaarige Drummer saß auf dem breiten Bett, kerzengerade aufgerichtet und hielt sich an der Decke fest.

Sein Blick stierte durch die Dunkelheit und traf mich, als ich in den Schein des durch das Fenster hereingelassenen Lichtes trat.

Seine Stimme zitterte leicht, als er murmelte:

„Ach, du bist das, Phoenix.“

Vorsichtig trat ich näher an das Bett und sah ihn unsicher an.

„Ich hab einen Schrei gehört. Was ist los bei dir?“

Rob antwortete nicht sofort auf meine in sanften Ton gestellte Frage.

Er wandte den Blick ab und als ich seine nackten Schultern in Augenschein nahm, erkannte ich, dass nicht nur seine Stimme zitterte.

Er zitterte am ganzen Körper.

Auf seiner Haut glänzte im Schummerlicht Schweiß.

Wer oder was hatte ihn so bewegt, so erschreckt, so verstört?

Ein Albtraum?

Eine Erinnerung?

Langsam ließ ich mich neben ihm auf der Bettkante nieder und ergriff langsam seine zitternde Hand.

Leise murmelte ich beruhigende Worte.

„Ganz ruhig, alles ist in Ordnung. Ich bin hier. Beruhige dich wieder.“

Das Übliche halt.

Oh Mann, war ich unbeholfen in dieser Situation. Ich konnte einfach keine Menschen gut trösten. Und bei Rob versagte ich noch aus einem anderen Grund.

Wenigstens schien Rob nicht abgeneigt von meiner Nähe zu sein, denn er lehnte sich gegen meinen Arm und blickte mich im diffusen Licht an.

Sein Gesicht lag im Schatten, nur sein Profil konnte ich erkennen. Doch auch das reichte, um ihn als schön zu finden.

Ich verpasste meinen Gedanken mental einen Maulkorb und konzentrierte mich wieder auf das hier und jetzt - auf Robs stockende Antwort.

„Ich dachte…ich dachte, das wäre real gewesen. Der Traum. Er schien so unglaublich real. Ich kann das fast nicht glauben. Träume ich wirklich nicht?“

Seine Stimme zitterte immer noch und trotz das er sehr leise sprach, hörte ich die Angst heraus. Seine letzte Frage klang so unglaublich hilflos, dass ich schlucken musste.

Meine Stimme hatte Ähnlichkeit mit Schleifpapier, als ich darauf eine Antwort ansetzte.

„Nein, du träumst nicht mehr. Aber warum hast du geschrieen? War der Traum so schlimm?“

Rob wartete erneut bevor er weiter sprach. Ein Schauder fuhr über seinen nackten Rücken, ich erkannte es aus den Augenwinkeln. Doch wenigstens hatte seine kalte Hand aufgehört zu zittern.

Ich hätte ihn ja gerne in den Arm genommen, doch ich hatte die Tatsache nicht vergessen, dass wir beide oben herum nichts anhatten.

Doch Rob war so durch den Wind, dass er das wohl völlig beiseite schob - oder es kratzte ihn in jenem Moment nicht.

Denn als er sich mir zuwandte, zog er die Hand kurz unter meiner weg und legte dann seinen Kopf auf meine Schulter.

Ich hielt vor Schreck den Atem an, als ich Robs Haut an meiner Spürte. Das fühlte sich so gut an, dass mir ebenfalls ein Schauder über den Rücken lief - aber vor Erregung.

Zum Glück bemerkte der Drummer das nicht, sondern sprach in seiner leisen und tiefen Stimme weiter.

„Erst war es ein schöner Traum - eine alte Erinnerung. Ich war mit Vanessa im Park. Sie hatte gelächelt. Ich dachte, sie wäre glücklich. Aber dann…“

Er Stockte, zitterte wieder stärker.

Ich fuhr beruhigend mit der Hand über seinen Rücken, streichelte ihn langsam auf und ab.

Es war mir egal, wie das wohl aussehen musste. Rob ging es schlecht und ich musste ihm beistehen.

Wenn wir nicht beide fast unbekleidet wären, gäbe es an dieser Szene auch nichts Merkwürdiges oder Zweifelhaftes.

Dann wären wir nur zwei Freunde, die sich gegenseitig trösteten.

„Was war dann, Rob? Willst du es nicht sagen? Das musst du nicht, weißt du…“, flüsterte ich ihm sanft zu, ich musste nicht mehr laut sprechen, da sein Ohr in unmittelbarer Nähe von meinem Mund war. Ich konnte schon den Geruch seiner Haare vernehmen, konnte das Haarshampo erraten. Es roch auf alle Fälle gut, sehr männlich und irgendwie machte es mich scharf.

Unpassende Zeit. Unpassender Ort. Unpassende Welt.

Langsam sog ich den Geruch ein, nahm ihn richtig auf, badete darin, genoss ihn.

Unbemerkt von Rob, der vermutlich längst nicht so ruhig dagesessen hätte, wen er wüsste, was ich da dachte.

„Ich muss es aber erzählen…ich hab Angst, der Traum kommt sonst wieder. Er war schrecklich…“ murmelte er leise und traurig.

Mein Herz durchzuckte ein spitzer Schmerz, als ich seine Worte vernahm.

Oh Rob, wie gerne würde ich alle Sorgen und Ängste von dir nehmen und dich glücklich machen. Du hattest es nicht verdient, so zu leiden.

„Dann erzähl.“, forderte ich ihn leise auf, fuhr fort, seinen Rücken zu streicheln und spürte die Gänsehaut, die sich unter meinen Fingern gebildet hatte.

Vor Kälte?

Schon wollte ich aufhören und die Decke um ihn ziehen, da flüsterte er ein kurzes „Hör nicht auf.“, so leise, das ich schon an meinem Verstand zweifelte, ob der Drummer das wirklich gesagt hatte oder ob es nicht meiner allzu lebhaften Fantasie entsprungen war. Doch ich richtete mich nach der Bitte - und Rob sprach nach einer kurzen Pause weiter.

„Da war plötzlich ein See. Und Vanessa stand am Ufer. Sie…sie sagte…“

Ein erneutes Zittern von Rob. Er fing lautlos an zu schluchzen.

Und ich musste mich zusammenreißen, um es ihm nicht nachzutun. Es tat so verdammt weh, ihn leiden zu sehen. Ich spürte geradezu, wie sich Messer in mein Herz fraßen und es bluten ließen.

„Sie sagte mir, dass sie mir nicht mehr vertrauen könnte. Und sie wollte mir nicht glauben, als ich zu ihr meinte, ich würde sie lieben - nur sie - und sie niemals betrügen. Aber dann ist sie ins Wasser gegangen und hat zu mir gesagt…sie wüsste es besser…sie habe mich gesehen, wie ich sie betrogen hätte…und sie wollte nicht mehr leben, solange so ein Lügner wie ich leben würde. Und dann ist sie im See verschwunden. Weg. Fort. Wegen mir. Tot.“

Nach dem letzten Wort spürte ich, wie sich Robs stilles Weinen verstärkte. Ich spürte das Zittern, das sich von seinen Schultern und seinem Kopf auf mich übertrug. Meine Arme schlangen sich um ihn, sollten ihn beruhigen. Zusammen mit meinen geflüsterten Worten.

Verdammt, ich verabscheute solche Situationen.

Wann würde Rob endlich nicht mehr unter dieser Vanessa leiden? Mittlerweile hatte ich übel Lust dazu, sie zu foltern und zu vierteilen. Was sie meinem Freund angetan hatte, war wirklich unbeschreiblich.

Doch meine Wut verrauchte so plötzlich, wie sie gekommen war und ich fragte Rob nach einer ganzen Weile:

„Aber das ist doch in Wirklichkeit nicht so gewesen, als sie mit dir Schluss gemacht hatte, oder?“

„Nein…das nicht. Aber…warum muss ich trotzdem ständig so ein Mist träumen?“, fragte mich der Drummer anklagend.

Weil du dich zu sehr mit ihr beschäftigst.

Aber das sagte ich ihm nicht, hatte ich doch zu viel Angst davor, Rob erneut zu verletzen.

„Das wird aufhören, da bin ich mir sicher. Eines Tages hast du sie fast vergessen.“, murmelte ich unbestimmt.

„Ich will nicht noch mal von ihr träumen. Ich halte das nicht aus, immer aus solch furchtbaren Träumen aufzuwachen und dann…bin ich allein und weiß, ich werde es bleiben. Ich hab sie verloren.“

Rob klang schon wieder so unglaublich traurig, dass sich mir das Herz verkrampfte. Ich erwiderte nichts, weil ich nichts dazu sagen konnte.

Eine ganze Weile saßen wir nur da, auf dem breiten Bett und schwiegen.

Meine Gedanken drifteten ins Chaos ab, wurden unbestimmt. Erst durch Robs Worte wurde ich zurück in die Realität geholt.

„Kannst du nicht…die Nacht hier bleiben? Bei mir?“

Ich erstarrte.

Konnte nicht glauben, was ich da gerade gehört hatte.

Hatte Rob das wirklich gesagt?

Er hatte wohl vor, mich heute bis zum Äußersten zu treiben.

Konnte er sich nicht denken, was seine Worte in mir auslösten?

Welche Gewalt an Gefühlen sie heraufbeschworen?

Wie schwer es jetzt für mich war, mich zu beherrschen und mit nicht anmerken zu lassen, wie aufgepeitscht ich war?

Die wilden Gefühle, die in mir aufschäumten wie Wellen einer stürmischen See drängte ich zurück, verschloss sie in meinem klopfenden Herzen. Ich konnte nicht glauben, dass Rob es noch nicht gehört hatte und bemerkt hatte, wie schnell es schlug. Gut, sein Kopf lag auf meiner rechten Schulter und das Herz war ja bekanntermaßen links, aber dennoch konnte ich nicht glauben, dass er es nicht vernahm.

Das wilde Flattern und Klopfen meines verräterischen Herz.

Ich rang mich zu einer Antwort durch, obwohl ich im Moment lieber die Beine in die Hand genommen hätte und mich aus dem Staub gemacht hätte.

„Ähmm…bist du sicher, das das so eine gute Idee ist?“, brachte ich unsicher heraus.

Ich kämpfte verbissen mit mir - auf der einen Seite mein Gewissen, das mir riet, schleunigst zu verschwinden, weil das, was Rob da von mir forderte, nicht das war, das man von seinem besten Freund fordern konnte.

Wirklich nicht? Nun, es war grenzwertig.

Vielleicht wäre es aber auch etwas anderes, wenn ich nicht so empfinden würde, wie ich nun mal für ihn empfand. Doch ich wollte ihn - begehrte ihn - liebte ihn.

Und das war der Grund, weshalb ich nicht zulassen durfte, was mein unwissender, verzweifelter Freund von mir verlangte.

Doch eine andere Seite flüsterte mir etwas anderes zu.

Warum sollte ich Rob verletzen, indem ich seine Bitte ablehnte?

Ich konnte so zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: einerseits war ich für Rob da, ein guter Freund, der ihn tröstete und seinen Kummer und sein Leid teilte - und andererseits konnte ich ihm so nahe sein diese Nacht.

Ja, ich konnte meine Gefühle schüren - die mich glücklich machenden ebenso wie die bittersüßen, schmerzenden Gefühle.

Wenn ich mir das so durch den kopf gehen ließ, tendierte ich immer mehr zu der letzten Lösung.

Vielleicht war es nicht das moralisch richtige - doch was war schon Moral in dieser Welt?

Rob würde nicht merken, dass ich ihn ausnutzte - er wusste nichts von meinen Gefühlen und würde es vermutlich auch nie. Er würde denken, dass ich ihm als Freund helfen wollte, beistehen wollte. Er würde nicht wissen, dass ich es auch aus Eigennutz tat.

Mein letzter Skrupel erlosch, als Rob mir heiser ein nochmaliges „Bitte“, entgegenflüsterte.

„Okay…dann rutsch ein bisschen rüber, sonst lieg ich bald unten auf dem Fußboden.“, meinte ich zu ihm, spürte, wie er von mir verschwand und hörte das Rascheln der Decke.

Seufzend zog ich sie ein Stück zu mir und schlüpfte darunter. Ich sah aus Prinzip nicht zu ihm, sondern legte mich nur so hin, das ich geradeso auf dem Bett lag und wenn ich mich umdrehte, nicht herunterfallen würde. Mein Blick sondierte die Zimmerdecke.

Dann raschelte es erneut und ich bemerkte, dass sich die Matratze leicht neben mir absenkte.

„Danke. Das bedeutet mir viel.“, brummte Rob in mein Ohr, seine angenehme, tiefe Stimme vibrierte in mir.

Ich zuckte zusammen, als er mir so nahe war. Mein Kiefer war zusammengepresst vor Anspannung, als ich ein „Ist schon gut“, heraus quetschte.

Dann zuckte ich nochmals zusammen, denn der Drummer hatte ganz leicht meinen Arm gestreift und dann meine Hand ergriffen. Er drückte sie mit seiner kühlen Hand und bescherte mir einen wohlig warmen Schauder.

„Gute Nacht, Feenux!“, murmelte er.

„Gute Nacht.“, erwiderte ich mit wackeliger Stimme, in der sich meine Unsicherheit und Anspannung widerspiegelte.

Ich vernahm Robs leisen Atem, ein Geräusch, das mich sofort faszinierte. Darauf konzentrierend vergaß ich bald, wo ich war, mit wem ich hier war. Dieses gleichmäßige Geräusch zog mich immer tiefer in einen Zustand, in dem der Schlaf nicht mehr weit entfernt war. Und so schlief ich tatsächlich ein, Robs Hand noch immer auf meiner.

Meine letzte einigermaßen ruhige Nacht.

Am nächsten morgen sollte mich der Schlag treffen.

Robs PoV:
 

Wie tief konnte man fallen?

Eine Frage, die ich mir in letzter Zeit öfter stellte. Doch noch nie hatte ich sie mir über mich stellen müssen.

Meine wilden Zeiten lagen hinter mir: Ich war vernünftiger geworden. Auch langweiliger, aber ich brauchte keine aufregenden Erlebnisse mehr. Ich bekam ja auch mit einer vernünftigen Lebenseinstellung genug Aufregung, Abenteuer und Erlebnisse.

Tourstress, verrückte Fans, stalkende Paparazzi, aufgedrehte Freunde. Dann auch noch den Ärger und Kummer mit Vanessa, die mich verlassen hatte.

Nein, ich hatte genug um die Ohren, genug Probleme für zwei Leben.

Warum schaffte ich mir dann noch ein Problem?

Warum benutzte ich einen meiner Freunde auf solch widerwärtige Art?

Warum war ich so ein Ekel?

Ich konnte keine vernünftige Antwort darauf geben.

Ich war gefallen, gefallen auf das niedrigste Niveau.
 

Alles fing damit an, dass ich an jenem Morgen aufwachte…
 

…und feststellte, das ich nicht bei mir zu Hause war. Die Umgebung war mir unbekannt, im trüben Morgenlicht erkannte ich nicht, wo ich mich befand.

Doch wo war ich?

Und warum war ich hier?

Und warum war Vanessa…hier stockten meine Gedanken. Die Realität holte mich ein. Und mit ihr kamen Antworten auf meine Fragen. Doch es wurden auch neue Fragen aufgeworfen.

Vanessa war weg - und ich allein, wieder.

In meiner Wohnung war dieser Umstand so allgegenwärtig gewesen, dass ich geflohen war. Geflohen zu einem meiner besten Freunde. Zu Phoenix.

Und ich lag in dem Bett in seinem Gästezimmer.

Soweit waren die Fragen nach dem ‚Wo’ und ‚Warum’ geklärt. Doch was mir immer noch schleierhaft war, warum ich mich so gut fühlte. Warm, behütet von dem Arm, der sich um meinen Oberkörper geschlungen hatte. Wessen Arm?

Vanessa schied aus…und da ich mich in Daves Wohnung befand konnte es sich nur um - ich wandte meinen Kopf in einer blitzartigen Bewegung um, erhaschte einen Blick auf rötliches Haar und das zufriedene Gesicht des Bassisten, spürte überdeutlich seine Nähe, seine Berührung nicht nur am Oberkörper sondern auch den ganzen Rücken entlang und nahm seinen männlichen Geruch war - genau, Dave handeln.

Was um alles in der Welt machte er hier?

Mein angeschlagenes Gedächtnis förderte mit der Zeit noch andere Informationen zu Tage.

Ich erinnerte mich an meinen Albtraum - ich war mal wieder aus dem Schlaf geschreckt, hatte laut geschrien und damit sicherlich den nichts ahnenden und ruhig schlummernden Dave seinerseits aus dem Schlaf geholt.

Denn er war ja sogleich zu mir gekommen, fast aufgewühlt wie ich es in jenem Moment gewesen war. Aber es hatte mich auch beruhigt, dass er bei mir gewesen war, mit mir geredet und mich getröstet hatte.

Und ich hatte mir nicht viel dabei gedacht, als ich von Dave gefordert hatte, mich in der Nacht nicht wieder allein zu lassen. Ich hatte ihn einfach gebeten, bei mir zu bleiben. Und er hatte eingewilligt.

Doch wann in der Nacht hatte er den Arm um mich geschlungen und sich an mich gekuschelt?

Seltsamerweise tröstete mich diese halbe Umarmung auf eine altbekannte Weise. Ich fühlte mich geborgen, wusste, dass da jemand da war, der mich beschützte. Trotz der Tatsache, dass ich in der Nacht die Bettdecke weggestrampelt hatte und sie nun nur noch meine Füße bedeckte und mir somit eigentlich ja kalt sein müsste, spürte ich nur die Wärme, die von dem Bassisten ausging und sich auf mich übertrug. Eine Wärme, die ganz und gar angenehm war. Zufrieden seufzte ich und schloss noch einmal die Augen, konzentrierte mich einzig darauf, was ich fühlte.

Das Gefühl in mir ließ sich schwer beschreiben. Ich war auf eine Art fast schwerelos, befand mich komplett in der Schwebe.

Die Wärme an meinem Rücken war nicht unangenehm, das zarte Kratzen von Phoenix Bart nicht verstörend.

Es störte mich nicht, dass es Phoenix war, der mir so nahe war - eigentlich sollte es mich ja befremden. Doch so ausgehungert nach Trost, Nähe und Zuneigung wie ich war, schob ich meine Zweifel weit weg und ließ mich nur auf den positiven Effekt ein.

Vanessa sowie alle anderen Probleme, die mich sonst beschäftigten und mir die Stimmung in den Keller drückten, den Tag verhagelten sowie mich zu einem unerträglichen, zu nah an Wasser gebauten Zeitgenossen machten, waren aus meinem Kopf verschwunden.

Vielleicht lag das daran, dass ich seit langem wieder einmal so was wie Zuneigung erfuhr.

Auch wenn diese Zuneigung mehr als zweifelhaft war. Doch ich konnte mir gut vorstellen, dass David immer noch unter dem Verlust seiner Frau, die sich vor weniger als einem halben Jahr von ihm getrennt hatte, litt und mich im Schlaf mit ihr verwechselt hatte.

Aber was sollte es, der Effekt auf mich war derselbe: Ich genoss die warme Umarmung, die Nähe, die Zweisamkeit. Bestimmt würde Dave das auch so sehen. Dann war ich halt sein Linsay-Ersatz, er war vermutlich auch nichts anderes als mein Vanessa-Ersatz.

Damit nutzen wir beide diese Situation auf unsere Art aus.

Dass ich Phoenix damit Unrecht tat, konnte ich ja nicht wissen.
 

Ich wusste im Nachhinein nicht, warum ich den schönen Moment zerstören musste. Ich hätte ruhig so liegen bleiben können, an Dave gekuschelt und vor mich hinträumend.

Doch leider ergriff irgendetwas Besitz von mir und trieb mich zu nicht nachvollziehbaren Handlungen.

Später sollte ich sie schrecklich bereuen.
 

Langsam befreite ich mich aus Daves Armen, der Bassist schlief ruhig weiter. Da ich ihn auch nicht wecken wollte, drehte ich mich nur zu ihm und betrachtete sein entspanntes Gesicht.

Seine Nasenflügel bewegten sich ganz sacht, als er ein- und ausatmete. Ein Bild der Zufriedenheit.

Ich bemerkte nicht sofort, dass sich meine Hand selbständig machte und langsam über Phoenix nackte Oberarme strich.

Mein Kopf meldete seinen Dienst ab, ich verhielt mich wider jegliche Logik, verhielt mich wider meiner Moralvorstellungen.

Aber ich genoss es.

Irrationalerweise genoss ich es tatsächlich.
 

Meine Hand berührte sanft die weiche, warme Haut des Bassisten, fuhr die angedeuteten Muskelstränge nach, die ich sonst nie zu Gesicht bekam. Dann wanderte sie weiter, meine Finger erkundeten seinen Rücken, seine Seite, ertasteten die leichten Andeutungen seiner Rippen. Meine Hand schien zu brennen, als ich über seine Haut fuhr, dennoch konnte ich es nicht lassen. Ich war wie in Trance, unfähig, mein Verhalten zu steuern.

Meine Finger wanderten weiter, mein Blick folgte ihnen, dabei gerieten Phoenix’ Augen außerhalb meines Blickfeldes. Ich bekam so auch nicht mit, dass der Bassist nicht mehr schlief sondern mich und mein Tun erstaunt beobachtete.

Meine Hand strich über sein Bein, über die Gänsehaut. Ich war neugierig, ob sie verschwinden würde durch meine Berührung. Die Wärme meiner Handfläche ließ die aufgestellten Härchen tatsächlich sich wieder niederlegen. Doch nur kurze Zeit. Denn als ich die Innenseite seines Beines berührte, zuckte seine Haut und die vorwitzigen Härchen stellten sich in einer Windeseile wieder auf.

Meine Hand reizte diese sehr empfindliche Stelle weiter, ich vernahm Phoenix lauter und harscher gehenden Atem, was mich zusätzlich antrieb. Bis ich seine empfindlichste Stelle, noch verborgen unter dem Stoff seiner Shorts streifte.

Die Reaktion kam sogleich und unmissverständlich.

Ein Teil von mir war erschrocken und so nahm ich die Hand weg, bevor sich der andere Teil von mir einschaltete, der da weitermachen wollte, wo ich aufgehört hatte.

Phoenix warme Hand erfasste mein Handgelenk, stoppte mich im Hochzucken und führte meine Hand wieder zu seinem Oberschenkel.

Phoenix Stimme, bis zu einem heiseren Flüstern reduziert, wisperte mir zu:

„Hör nicht auf. Wenn es dir gefällt, mach weiter.“ Sein warmer Atem traf mein Gesicht und ich spürte seine andere Hand an meiner Schulter.
 

„Gefällt es dir denn?“, flüsterte ich zurück, als meine Finger langsam unter den Saum seiner Shorts wanderten. Phoenix Seufzen klang verdächtig nach ‚ja’, und so hielt ich mich nicht länger zurück.

Warum meldeten sich in mir keine Zweifel, warum kam mein Gewissen nicht zu Wort?

Ich vermisste irgendetwas: vermutlich eine leise Stimme im Kopf, die mir zu schreien sollte, dass ich sofort aufhören musste. Dass es gefährlich und dumm war, was ich hier tat. Dass ich dabei war, einen verhängnisvollen Fehler zu begehen. Dass ich nicht ganz bei Trost war, hier einfach weiter zu machen.

Doch nichts dergleichen geschah. Meine Hand verselbständigte sich noch mehr, umfasste Phoenix bestes Stück und bewegte sich rhythmisch auf und ab.

Das heisere Stöhnen ganz in der Nähe meiner Ohren heizte mich noch mehr an, ich erhöhte das Tempo.

Die Hand meines Freundes krallte sich in meine Schulter, hinterließ einen kurzen, leichten Schmerz.

Doch ich achtete nicht darauf, war wie in einem Rausch.

Kam erst wieder zu mir, als Dave mit einem letzten Stöhnen kam. Er stöhnte meinen Namen, was mich auf grausame Weise wieder in die Realität zurückholte.

Meine Hand zuckte zurück, meine Gesichtszüge entglitten.

Ich realisierte, was ich gerade getan hatte. Ich hatte es Phoenix gerade ‚besorgt’. Meinem Freund und Kollegen, wen man es so nennen wollte.

Einem Mann.

Ich spürte das heraufsteigende Schamgefühl, wollte mich am liebsten sofort verkrümeln, von hier verschwinden.

Es fühlte sich falsch an, was ich getan hatte. Meine Hand schien zu glühen, ich fühlte mich schrecklich.

Der Wunsch die Zeit zurück zu drehen, wuchs in mir.

Vor allem, als ich in Phoenix Gesicht sah.

Verschiedenste Emotionen schienen darüber zu flackern, Erstaunen gefolgt von Entsetzen, Scham gefolgt von etwas Undefinierbarem. Seine braunen Augen visierten mich an, ließen nicht zu, dass ich weg sah.

„Warum hast du das gerade getan?“, fragte er mich mit bebender Stimme.

„Ich…weiß nicht.“, brachte ich stockend heraus. Sein Blick verursachte Schmerzen. Ich wurde mir immer mehr bewusst, was für einen fatalen Fehler ich gerade begangen hatte und verwünschte mich dafür. Was war nur mit mir los? Sehnte ich mich nun so stark nach Liebe und Zuneigung, dass ich sogar einen meiner besten Freunde dafür ausnutzte? Was für ein Scheusal war ich nur?

Wie tief war ich gefallen?

Phoenix leise Stimme riss mich aus meinen Gedankenstrudel, als er mir nochmals die gleiche Frage stellte:

„Warum, warum nur hast du das gemacht?“
 

Die Betonung lag sehr stark auf dem ‚Warum’, sein Blick wurde drängend, bittend, sehnsüchtig. Fast so, als ob er eine bestimmte Antwort hören wollte. Doch ich fühlte mich durch seinen so verletzlichen Blick noch schlechter, sodass ich nicht mehr nachdachte, sondern nur meine wirren Gedanken aussprach.

„Es tut mir so Leid. Ich wollte das nicht. Ich…könnte ich die Zeit zurückdrehen, ich hätte es nie getan. Es war ein furchtbarer Fehler…“

Ich verstummte, als Daves Blick stumpf und traurig wurde.

„Ein Fehler also…“, murmelte er niedergeschlagen.

„Ich…oh, es tut mir so Leid…was kann ich nur tun“, murmelte ich durcheinander.

„Quäl dich nicht. Du kannst nichts mehr verändern. Es ist schon in Ordnung.“, meinte Phoenix leise zu mir, bevor er aufstand und aus dem Zimmer verschwand.

Ich blieb liegen, zumindest einen Moment.

Verfluchte meine Aktion.

Warum musste ich mir das gute Verhältnis mit Dave nur so zerstören? Warum hatte ich das nur getan? Warum hatte ich ihn so benutzt? Warum ihn so verletzt?

Ich tat doch sonst nie so etwas. Hatte mich noch nie einer der zahlreichen willigen Frauen hingegeben, bloß weil ich etwas Spaß haben könnte. Ich wollte keinen Spaß ohne Gefühle. Fand das falsch.

Warum hatte ich dann das jetzt mit Dave veranstaltet? Das widersprach doch völlig meiner Lebenseinstellung! Abgesehen davon, das ich nicht schwul war und auch nie sein würde, weil ich Homosexualität generell ablehnte - zumindest für mich, war Phoenix immer noch einer meiner Freunde und Bandmitglied von Linkin Park. Ich durfte es mir gar nicht mit ihm verderben, weil es auf die Band zurückschlagen würde. Unsere Freundschaft hatte uns bis jetzt immer zusammen gehalten. Und jetzt? Hatte ich diese kostbare Gabe zerstört.

Warum? Warum nur?

Was hatte von mir nur Besitz ergriffen?

Ich fand keine Antwort.

Jetzt hatte ich noch mehr Probleme dazu bekommen.

Phoenix PoV:
 

Ich neigte ja normalerweise nicht zu selbst zerstörerischen Verhalten, doch heute Morgen hatte ich übel Lust dazu, meine Sorgen allesamt in schottischen Whiskey zu ersäufen. Oder in jedem anderen alkoholischen Getränk.

Verdammt, was musste auch alles furchtbar schief laufen in letzter Zeit. Ich hatte das Gefühl, jeder Tag ließ das Chaos in und um mich noch katastrophaler werden. Jeder Tag schien sich der Wunsch, die Zeit zurück zu drehen, noch zu verstärken.

Verdammt, verdammt, verdammt.

Meine Hand war schon drauf und dran, die Flasche mit dem hochprozentigen, alkoholischen Getränk zu ergreifen, da fiel mir ein, dass das vielleicht keine so gute Idee war, schon früh am Morgen mit dem Trinken anzufangen.

Genervt drehte ich mich herum, um unter die Dusche zu springen. Rob war zum Glück schon vor einer halben Stunde aufgebrochen, man konnte auch sagen, er war geflüchtet.

Rob…argh, da war der Auslöser des ganzen Schlamassels.

Was hatte ich mich auch dazu hinreißen lassen, ihn hier bei mir schlafen zu lassen. Bloß weil er seine gottverdammte Exfreundin nicht aus dem Kopf bekam. Sollte er doch zusehen, wo er unterkam. Diese ganze Liebeskummersache fraß ihn noch auf. Und mich verschluckte sie zusätzlich. Wie ein großes, schwarzes Loch.

Fuck! Merkte man, dass ich sauer auf den Drummer war? Oh ja, das war ich auch. Und wie. Doch noch viel mehr Wut hatte ich auf mich.

Ich hatte mich wie ein Idiot benommen. Wie ein nach Sex ausgehungerter Lüstling. Ich hatte mir von Rob einen runter holen lassen. Von Rob! Einem Mann! Meinem besten Freund!

Verdammt noch eins, ich kam heute aus dem Fluchen nicht mehr heraus.

Das Schlimmste an dieser Situation war, dass ich ihn noch dazu angestiftet hatte, weiter zu machen. Er hatte aufhören wollen und wäre nie von selbst soweit gegangen, doch ich hatte ihn noch extra dazu aufgefordert.

Was er jetzt von mir denken musste, wollte ich mir lieber nicht vorstellen. Es konnte gut möglich sein, dass er bald herausbekommen würde, dass ich ihn heimlich begehrte. Oder schlimmer, er dachte, ich hätte ihn nur dazu benutzt, meine Bedürfnisse zu befriedigen.

Aber eigentlich war es auch egal, was er von mir dachte. Wirklich interessant war nur, was ich von ihm dachte. Warum hatte er überhaupt damit angefangen?

Ich hätte mich ja liebend gern der schönen Illusion hingegeben, er hätte es getan, weil er mich ebenfalls begehrte. Doch das war mehr als schwachsinnig zu glauben. Viel wahrscheinlicher war es anzunehmen, Rob habe einfach auch seine langen, auf Eis gelegenen Begierden befriedigen wollen. So seine Begierde nach körperlicher Nähe. Und leider war in diesem Moment niemand außer mir in der Nähe gewesen. Schöne Scheiße, er hatte mich wunderbar benutzt. Und ich hatte es noch genossen. So sehr genossen, dass ich mich jeglichem gesunden Menschenverstandes entledigte. Warum sonst hatte ich ihn mehrmals gefragt, was der Grund für sein Handeln war. Ich hatte eine bestimmte Antwort hören wollen. Die ich natürlich nicht zu Ohr bekommen hatte.

Stattdessen war Rob wieder zu sich gekommen und hatte den ‚riesigen Fehler’ erkannt. Ja, für ihn es war ein Fehler gewesen. Doch diese Erkenntnis schmerzte am meisten. Denn sie bestätigte insgeheim meine Befürchtungen, dass Rob niemals etwas auf sexueller Ebene von mir wollen würde.

Doch jetzt stand diese Situation zwischen uns und versaute mir den Tag. Vermutlich auch mein restliches Leben. Verdammt noch mal!

Ich verbot mir, noch länger über ihn nachzudenken.

Stattdessen sollte ich mir lieber einen Plan überlegen, wie ich Rob in Zukunft aus dem Weg gehen könnte. Was eigentlich unmöglich war. Wir spielten schließlich zusammen in einer Band und waren bis gestern noch die besten Freunde gewesen.

Ha, bis gestern? Eher bis heute morgen.

Aber verdammt, wem machte ich hier etwas vor? Es war unmöglich, Rob aus dem Weg zu gehen. Wir sollten das demnächst noch einmal ausgiebig besprechen und dann ad acta legen. So tun, als wäre es nie passiert. Und meine Gefühle…die sollte ich auch vergessen. Mitsamt den utopischen Vorstellungen, Rob könne etwas für mich empfinden.

Wie ich das hinkriegen sollte, war mir immer noch ein Rätsel. Denn es war unmöglich.

Zusammenfassend betrachtet, war das ein Haufen unlösbarer Probleme, die da vor mir standen.

Doch von zu viel Nachdenken bekam ich nur Kopfschmerzen, weswegen ich das wirklich lassen sollte.

Doch wie bekommt man den Kopf am besten frei? Mit Ablenkung, guter Ablenkung. Irgendwas, das meinen Kopf so beschäftigt, dass alles andere im Hintergrund verschwindet.

Sollte ich das Computerspiel, das mir Joe letztens dagelassen hatte mal ausprobieren? Warum nicht, es sollte ja ganz gut sein, glaubte man dem DJ und der Fachpresse, die sich mit Lob geradezu überschlagen hatte.

Die Idee gefiel mir und so schob ich die DVD ins Laufwerk um das Game zu installieren und anzuspielen. Es war tatsächlich sehr gut, ich vergaß bald alles um mich herum, die Zeit genauso wie meinen leeren Magen. Erst als mein Blackberry sich bemerkbar machte schreckte ich aus dem Game hoch und mein suchender Blick versuchte das Phone zu lokalisieren.

Als ich es entdeckte - es lag auf dem Fußboden, wie um alles in der Welt war es dorthin gekommen? - Berührte mein Finger kurz die Pause-Taste, woraufhin das Bild einfror.

Auf dem Bildschirm erkannte ich Chesters Namens und stöhnte innerlich auf. Was würde der wohl von mir wollen? Etwas Gutes sicherlich nicht. Vielleicht wusste er von Rob, was geschehen war? Unwahrscheinlich, dass Rob darüber geredet hätte, aber man konnte ja nie wissen. Äußerst misstrauisch meldete ich mich.

-Mike meinte, wenn ihr zwei euch wieder eingekriegt habt, können wir heute gefahrlos ein Bandmeeting ansetzen. Heute Nachmittag im Studio, damit du Bescheid weißt.-

„Was? Warum jetzt so plötzlich?“, stieß ich völlig überrumpelt aus.

-Warum denn nicht?- kam es nur von dem Sänger.

Also, dafür fielen mir mehrere Gründe ein, der größte bestand aus Rob. Doch wenn ich das zu Chester sagen würde, dann wüsste es sofort auch Mike, dass der Streit - oder was auch immer er dachte was das zwischen mir und Rob sein sollte - noch nicht beendet war. Und dann würde Mike mich erneut in die Mangel nehmen, worauf ich absolut keine Lust hatte. Also schön die Klappe halten und Zähne zusammenbeißen. Das überstehst du schon, Phoe.

„Na schön, wann soll ich dort sein?“, knurrte ich missgelaunt in das Handy. Chester ließ sich von meinem düsteren Tonfall nicht beeinflussen, er teilte mir fröhlich die Uhrzeit mit und schob dann ein Quietschvergnügtes: ‚Wir sollten dann auch noch mal über Rob reden.’, nach, das meine Laune am absoluten Nullpunkt ankommen ließ. Doch bevor ich eine bissige Erwiderung loswerden konnte, hatte Chaz schon aufgelegt.

Na toll, das sollte heute wirklich noch ein wunderbarer Tag werden.
 


 

Wie konnte der Kerl nur so verspannt dasitzen? Das musste doch wehtun auf Dauer. Angefangen von den zusammengepressten Kiefer über die komplett steife Sitzhaltung, den durchgedrückten rücken bis zu den verkrampften Fäusten. Rob litt. Und das war alles nur unsere Schuld. Traurig wandte ich mich ab, ich konnte mir das nicht mehr ansehen. Mir ging es beim bloßen Zusehen mieser und mieser. Das würde ich auf Dauer nicht durchhalten. Ich musste etwas ändern und je schneller, desto besser.

Mit Rob reden, darum kam ich nicht herum. Nochmals und diesmal nichts als die Wahrheit. Vermutlich war ich nicht mehr in der Lage zu lügen. Mein Herz schmerzte und jeder Gedanke an Rob fühlte sich an als ob man mir einen Dolch in der Brust herumdrehte. Ein ekliger Schmerz, unangenehm bis zum Geht-nicht-mehr. Und vermutlich fühlte sich Rob genauso unwohl hier in meiner Gegenwart, ich sah es ihm an. Was hatten wir beide nur verpfuscht. Alles. Unsere gesamte unbefangene Freundschaft war zerstört.
 

Mike musste sich wundern, weshalb der Drummer und der Bassist beide mit den Gedanken mehr als abwesend waren. Zum Glück sprach er uns nicht darauf an, aber Chesters warnende Blicke durchbohrten mich des Öfteren. Ich schluckte schuldbewusst. Das würde ein längeres Gespräch werden. Auch Brad runzelte die Stirn und versuchte aus Rob herauszubekommen, warum er so schweigsam war. Joe’s Versuch, die Stimmung mit ein paar schmutzigen Witzen aufzuheitern schlug fehl und am Ende brach Mike das Meeting ab. Endlich. Schneller als ich gucken konnte war Rob hinausgeflüchtet. Die verwunderten Blicke Brads, Joes, Mikes und mir folgten ihm. Das tat weh mit anzusehen. Chester schaltete schneller als wir anderen, mit einem letzten finsteren Blick, mit dem er mich bedachte, stürmte er dem Drummer hinterher. Mike wollte ihm etwas hinter herrufen, doch ich erregte seine Aufmerksamkeit, als ich aufstand und ebenfalls gehen wollte.

„Dave, was ist hier los?“

Ich unterdrückte einen ertappten Gesichtsausdruck und drehte mich bemüht gleichgültig zu ihm um.

„Was soll den los sein?“, fragte ich unschuldig. Schwerer Fehler, Mike ging nicht darauf ein.

„Das zieht nicht. Was ist los?“, wollte Mike mit verstärkter Wut in seiner Stimme wissen.

„Mike, bitte, nicht jetzt. Ich weiß selber nicht so genau, was los ist.“, versuchte ich den aufgebrachten Emcee zu beruhigen. Brad und Joe warfen sich Blicke zu, die zwischen Unwohlsein und Verwirrung variierten.

„Ich glaube, ich geh jetzt besser.“, murmelte der Gitarist und wollte sich an mir herausdrücken, doch Mike hielt ihn auf.

„Warte Brad, wir wollten doch noch die Riffs durchspielen und überarbeiten.“ Brad sah den Emcee mit Unverständnis im Gesicht an, dann wanderte sein Blick zu mir.

Das war die Chance zum Entkommen. Nichts wie weg jetzt.

„Dann macht das doch, ich geh jetzt Chester hinterher.“, meinte ich schnell und flüchtete dann aus dem Raum. Gefolgt von Joe, den die Neugierde ergriffen hatte. Es war aber auch eine zu seltsame Situation gewesen gerade. Kein Wunder, das Joe genauso interessiert war wie Mike. Verdammt noch mal, wann würde ich endlich Ruhe haben vor diesem Haufen Idioten, die sich beste Freunde nannten? Wer solche Freunde hatte brauchte wirklich keine Feinde.

Aber ich mochte sie ja wirklich, auch wenn sie zum Teil echt nervten. So wie jetzt zum Beispiel. Obwohl ich großes Glück hatte, Chester entkommen zu sein. Der würde mich garantiert später richtig ausquetschen.

Doch jetzt hatte ich erstmal Joe am Hals.

Und den loszuwerden ohne ihn zu verletzen sollte auch nicht ganz leicht werden. Am besten versuchte ich es…mit der Wahrheit? Klang viel versprechend, vor allem, da ich so wenigstens um ein schlechtes Gewissen herumkam.

„Joe…bitte sei mir nicht böse, aber ich brauch jetzt mal Zeit für mich alleine. Mir geht’s beschissen.“, meinte ich zu ihm und blieb kurz stehen, was ihn ebenfalls zum anhalten zwang.

„Was ist nur los, Phoe? In letzter Zeit benimmst du dich wirklich seltsam.“, stellte er fest und blickte mich ernst an. Ich war schon wieder am rumfluchen. Wenn schon Joe sich Sorgen um mich machte…

Dann benahm ich mich wirklich vie zu auffällig. Aber was sollte ich nur machen? Ich war kein guter Schauspieler, wenn ich schlecht drauf war dann sah man das auch. Und ich war schlecht drauf.

„Bitte Joe. Lass es sein. Ich sag’s dir irgendwann mal. Aber jetzt nicht.“ Mit einer hastigen Bewegung wandte ich mich von ihm ab und steuerte in Höchstgeschwindigkeit meinen BMW an. Weg, nur weg, damit ich unbemerkt zusammenbrechen konnte.

Erst als sich die Tür hinter mir schloss und ich den Kopf auf das Lenkrad gelegt hatte, brachen die heißen Tränen aus mir heraus.

Phoenix’ PoV:
 

Gleißende Blitze zuckten über den dunklen Himmel. Sie erhellten fast im Sekundentakt mein Zimmer, mal mehr, mal weniger. Mal schneller hintereinander, mal mit größeren Pausen. Es blitzte schon eine geschlagene Stunde lang ohne das auch nur ein leises Donnern zu vernehmen war. Ohne dass ein Regentropfen vom Himmel fiel.

Ein wirklich unheimliches Wetter. Das würde wohl wieder zu Waldbränden führen.
 

Ich stand an Fenster, betrachtete die Kraft der Natur, die sich frei entfaltete, in keinerlei Bahnen gelenkt war. Einfach nur wild. Einfach nur unvorhersehbar. Einfach nur verwirrend und aufwühlend für den Betrachter. In dem Falle mich. Und das, wo ich mich im Innern so aufgewühlt fühlte, vergleichbar mit einem sturmgepeitschten Meer.

Meine Gedanken kreisten ununterbrochen. Wenn ich versuchte, auch nur eine Sekunde lang an nichts zu denken, landeten meine verräterischen Gedanken wieder bei ihm und dem dazugehörigen Schlamassel.

Aber was sollte ich nur tun, um es wieder in gemäßigte Bahnen lenken zu können? Es war wie das Schauspiel da draußen. Unkontrollierte Blitze durchzucken mein Leben. Ungelenkte Impulse, Ereignisse, Situationen, Begegnungen. Ich hatte keinen Einfluss mehr darauf. Selbst mein treuloser Körper hatte sich verselbständigt. Er gehorchte nicht länger mir, sondern seinem neuen Herr und Meister. In meinem Falle war das Rob. Bastard. Einfach die Kontrolle über meinen Körper und meinen Kopf zu übernehmen.

Mein Leben glich der widerspenstigen Wildheit der Natur da draußen. Blitze ohne Donner und Regen. Gefühle ohne Vernunft und bar jeder Logik. Und ohne Chance auf Erwiderung. Chester hatte Recht gehabt. Nur ich Idiot musste ja an so etwas wie ein Wunder glauben.
 

Wenn man nun schon an den Teufel dachte, machte der sich auch sogleich bemerkbar. Mein BlackBerry vibrierte. Eine Sekunde lang, dann spielte es einen meiner Lieblingssongs. Den ich nicht mehr hören konnte. Der Nebeneffekt davon war, dass ich so schnell wie möglich den Anruf annahm, da ich mich nicht mehr diesem quälenden Song und den damit verbundenen Erinnerungen aussetzen wollte.
 

„Farrel.“

-„Ich weiß, wer du bist. Warum hätte ich sonst deine Nummer gewählt?“-

Natürlich war es Chester. Wer auch sonst rief mich mitten in der Nacht - es war bereits halb eins - an und meldete sich dann in dieser Art und Weise. Er hatte es ja heute Vormittag bereits angedroht, das er mit mir reden wollte - über Rob.

Und nach Robs überstürzter Flucht und meinem seltsamen ablehnenden Verhalten ihm und den anderen gegenüber hatte ich bestimmt zusätzlich Misstrauen geerntet. Chester war Rob ja hinterher gestürmt. Vielleicht hatte er mit ihm darüber geredet. Über sein und mein abnormes Verhalten und unsere kollektive schlechte Laune. Vielleicht hatte Rob etwas gesagt. Über seinen Fehler.

„Was ist los, Chester? Hast du mich nur angerufen, um mich zu nerven?“, fragte ich ihn etwas gereizt.

-„Wie kommst du denn auf so etwas Abwegiges? Eigentlich hatte ich vorgehabt, dir etwas Interessantes zu erzählen und dich auch etwas zu fragen.“-

Chester tat so, als wäre er empört. Er schauspielerte aber so schlecht, dass ich noch nicht einmal darüber schmunzeln konnte.

„Und du willst sicher erst etwas wissen, bevor du deine unglaublichen Erkenntnisse mit mir teilst?“ Heftiger Sarkasmus schwang in meiner Stimme mit. Der Sänger ignorierte den Unterton und gab sich betont fröhlich und unwissend.

-„Ach, weißt du, ausnahmsweise hast du da Recht. Ja, ich will tatsächlich erst etwas wissen. Zum Bestätigen meiner Thesen, wenn du so willst.“-

„Ich hab ein Vetorecht.“, knurrte ich sogleich. Ich konnte mir sehr, sehr gut vorstellen, über was mich der Anrufer ausquetschen wollte.

Chester knurrte ebenfalls, als er mir ein Veto zustand.

-„Aber nur eins.“-, setzte er nach.

Ich gab meine Zustimmung. „Also, was willst du wissen? Machs bitte kurz, ich will noch schlafen.“

Ein Grummeln antwortete mir, dann erklang die reine Stimme erneut und setzte mir bereits mit der ersten Frage die Pistole auf die Brust. Sprichwörtlich.
 

-„Hast du mir Rob geschlafen?“-

„Was? Hast du was gekifft, Chaz?“. Meine Empörung klang fast echt. In Wahrheit schlotterten mir die Knie davor, ihm die Wahrheit sagen zu müssen.

Chester gab sich betont geduldig, als er sich wiederholte.

-„Nein, hab ich nicht. Ich bin im vollen Besitz meiner geistigen Kräfte. Aber ich werde kiffen, wenn du mit ‚Ja’ antwortest. Also, noch mal: Hast du mit Rob…“-

„Nein, habe ich nicht.“, unterbrach ich ihn, froh darüber, ihn nicht direkt belügen zu müssen.

-„Was war dann letzte Nacht?“-

„Ich…woher weißt du das…das mit letzter Nacht? Was …was hat Rob gesagt?“, stotterte ich vor Angst.

Chester lachte. Sein helles, glockenreines Lachen. Ich konnte es nicht mehr hören.
 

-„Ach, Phoe…Rob hat mir nichts gesagt. Nur, das er letzte Nacht Mist gebaut hat und er es gerne rückgängig gemacht hätte. Und da dachte ich halt…“-

„Hör auf zu Denken.“, stieß ich mit Erleichterung in der Stimme aus. Rob hatte also nichts zu dem neugierigen Sänger gesagt. Mein Glück. Damit konnte ich bestimmen, was Chester erfahren würde. Am besten nicht viel. Doch damit würde der sich nie zufrieden geben.
 

-„Was war denn nun?“-, quengelte Chester. Ich konnte mir gut vorstellen, wie er dabei eine Schnute zog, bei der Mike schwach geworden wäre. Dumm nur, dass ich ihn nicht sehen konnte und auch wenn ich dieser visuellen Waffe ausgesetzt wäre, nie darauf reagierte.
 

„Willst du es wirklich wissen?“, fragte ich erschöpft. Ich wollte zwar am liebsten alles vergessen, es verdrängen und nie wieder daran erinnert werden, aber ich hatte es satt, alleine an diesem unlösbaren Problem zu arbeiten. Vielleicht fiel Chester tatsächlich etwas ein. Immerhin hatte er manchmal wirklich Geistesblitze. Wie in dem Moment, als er spielend den wahren Grund für meine schlechte Laune erraten hatte.
 

Chester brüllte mir fast ein ‚Ja’ ins Ohr, sodass ich erschrocken das BlackBerry von meinem Kopf riss. Leise seufzte ich, schaltete auf Lautsprecher um und sprach dann leise:

„Ich hab den Mist gebaut. Aber Rob hat den größeren verzapft. Wir sind beide so am Arsch.“ Kurze Pause, in der Chester ungeduldig seufzte. Dann setzte ich meine Erklärung fort. Ich ließ nichts aus. Ich erzählte ihm alles. Angefangen von Brads und Mikes Besuch bei mir, der Entschuldigung bei Rob, seinem Problem mit Vanessa und das er die Nacht bei mir übernachten wollte. Ich erzählte davon, wie er mitten in der Nacht geschrieen hatte und ich davon wach geworden war. Dass ich dann zu ihm gegangen war und ihn getröstet hatte, neben ihm eingeschlafen war. Und was dann am Morgen geschehen war…auch das erfuhr Chester von mir. Ich redete mir alles von der Seele, fühlte mich aber nur minimal besser.
 

Chester holte tief Luft, als ich geendet hatte und murmelte einen Fluch.

-„Fuck. Das ist ja echt krass.“-

„Was du nicht sagst.“, pflichtete ich ihm bei. Schweigen trat ein, jeder hing seinen Gedanken nach. Heilsames Schweigen. Schweigen, auf das nur eine Besserung folgen konnte. Eine Lösung von Chester, die mir alle Probleme vom Hals schaffte. Darauf hoffte ich.
 

Doch ich wurde von Chester enttäuscht. Jemand anderes sollte heute meine verfahrene Situation lockern, sie auf andere Bahnen lenken. Dieser jemand klingelte gerade in dem Moment an meiner Tür, als Chester zu einer Antwort ansetzen wollte.

Da ich auf Lautsprecher geschalten hatte, hörte er die Türklingel natürlich auch.

-„War das gerade bei dir? Wer will den so spät noch was dort?“-, wollte er sofort wissen. Gar nicht neugierig.

„Still, Chaz. Ich gucke grad nach.“, sprach ich in mein BlackBerry und näherte mich meiner Tür. Sah durch den Spion und kippte fast aus den Latschen. Da draußen stand - Rob. Unglaublich. Ein zweiter Blick, um ganz sicherzugehen, dass ich mich nicht verguckt hatte. Es konnte ja durchaus sein, das mir meine müden Augen einen Streich gespielt hatten und ich nun schon Wunschbilder in die Realität projizierte. Doch Rob blieb. Er war tatsächlich da. Ich wollte im Erdboden versinken.
 

Doch bevor ich das tun konnte, musste ich den ebenfall an meinem nächtlichen Besucher interessierten Sänger loswerden. Wobei das vermutlich das leichteste in dieser Nacht sein würde. Ich wunderte mich nur, warum er hier war. Hatte Chester ihn bearbeitet? Einen furchtbaren Verdacht im Hinterkopf zog ich zischend Luft in meine Lungen.

„Chaz, du Arschloch. Weißt du überhaupt was du getan hast?“, fauchte ich ihn an. Der Sänger schaltete relativ schnell, offenbar konnte er sich denken, wer da vor meiner Tür stand.

-„Es ist Rob, hab ich Recht?“- Seine Stimme klang dünn, seine gute Laune schien er verloren zu haben. Ich bejahte dumpf, meine Kehle war zugeschnürt und brennender Schmerz breitete sich in mir aus. Ich bedauerte, das ich heute nicht hatte schlafen können und deshalb noch wach war. Doch vorzugeben, ich würde nicht hören kam nicht in Frage. So ein Feigling war ich dann doch nicht. Lieber schnauzte ich den Sänger an, was er da für Mist fabriziert hatte. Diesmal jedoch leiser, um meine Worte nicht durch die Tür dringen zu lassen.

-„Ich hab ihm nur gesagt, dass er seinen Mist vielleicht selber aus der Welt räumen sollte. Vielleicht solltest du ihm erst einmal zuhören. Und erzähl mir morgen alles. Hörst du. Alles! Ich will alles wissen. Viel Glück.“- Damit legte er auf. Verdammter Bastard. Ich bekam richtige Lust, ihn mal gründlich den Kopf zu waschen. Doch das würde ich auch noch morgen erledigen können. Jetzt sollte ich mich dem Problem Rob draußen vor der Tür widmen.
 

Ich atmete noch mal tief durch und öffnete meine Wohnungstür. Im Halbdunkel des Flurs stand der Drummer, sein Gesicht lag im Schatten, den die Flurbeleuchtung warf. Ich erkannte seinen Gesichtsausdruck nicht genau, konnte mir aber gut vorstellen, dass er bedrückt aussah. Das signalisierte mir seine ganze Körperhaltung. Gesenkter Kopf, herabgesunkene Schultern, keinerlei Körperspannung. Ich sah vermutlich ebenso aus, also straffte ich mich etwas und ließ Rob, der stumm wie ein Fisch war, ohne ein weiteres Wort ein. Ganz automatisch steuerte den Raum an, in dem ich gerade auch noch am Fenster gestanden hatte - mein Arbeitszimmer.

Auch Rob blieb am Fenster stehen, sah hinaus auf den dunkelvioletten Himmel, über den lautlose Blitze zuckten. Er atmete leise aus, ich vernahm ein kurzes Seufzen. Rob machte keine Anstalten, sich herum zu drehen, sodass mir verwehrt blieb, in sein Gesicht zu sehen. Nicht, dass ich viel erkannt hätte, denn das Licht war überall in meiner Wohnung ausgestellt. Ich mochte diese Dunkelheit, weil man so gut das Geschehen draußen beobachten konnte.
 

Schließlich setzte ich zum Reden an, wurde aber von dem Drummer jäh unterbrochen.

„Hör mal, Chester hatte gerade angerufen…“

„Dave, widere ich dich an?“

„Was?“ Ich war erschrocken über seinen ernsten Tonfall und über die Worte, die ich im ersten Moment nicht verstehen konnte. In welchen Bezug setzte er diese Worte? Waren sie etwa auf unsere Aktion heute Morgen bezogen?

„Nein. Das könnte ich nie.“, murmelte ich, in ebenso ernsten Tonfall wie Rob. Und es entsprach der Wahrheit. Nichts war gelogen. Ich hoffte nur, auch Rob könnte diese Frage mit derselben Äußerung beantworten. Darauf hoffte ich wirklich. Aber ich traute mich nicht, sie zu stellen. Doch Rob fuhr fort und beantwortete sie, ohne das ich etwas sagen musste.
 

„Ich auch nicht.“ Seine Stimme verklang im Raum. Langsam trat ich einen Schritt auf ihn zu und legte meine Hand auf seine herabgesunkene Schulter. Da er nicht zusammenzuckte, musste er damit gerechnet haben. Das bestärkte mich, ihm eine Frage zu stellen.

„Bereust du es immer noch, was heute früh passiert ist?“ Meine Stimme zitterte, ich hauchte die letzten Worte nur noch heraus durch meine zugeschnürte Kehle. Dann hielt ich unbewusst die Luft an. Ein Blitz zuckte über den Himmel, beleuchtete mein Gesicht und Robs Silhouette. Die Luft schien sich immer mehr aufzuladen, ich konnte die Elektrizität beinahe auf meinen Lippen schmecken. Was natürlich großer Schwachsinn war. Aber ich empfand in jenem Moment so.

Rob räusperte sich, ließ dann den Kopf hängen und flüsterte, voller Angst spielte er an seinem scheinbar hellgrauen Shirt herum.

„Ich weiß nicht. Ich weiß gar nichts mehr. Einerseits ja. Auf alle Fälle. Ich würde es nie wieder tun. Es war falsch. Aus den falschen Gründen. Falsche Motive. Du warst der Falsche dafür. Ich habe unsere Freundschaft belastet. Und das war falsch.“ Ziemlich viel falsch in seiner Erwiderung. Beinahe schon so viel, das seine Glaubwürdigkeit darunter litt. Mit immer noch angehaltenem Atem lauschte ich seiner tiefen, bedrückt klingenden Stimme.

„Aber andererseits…ach, ich weiß wirklich nicht mehr, was ich machen soll. Was ich fühlen soll. Es ist alles so verrückt. Alles so kaputt. Die Welt ist ein Chaos. Und jetzt ist sie in noch mehr Scherben zerbrochen.“ Er stockte. Auch er wusste also nicht, was er FÜHLEN sollte. Was konnte das bedeuten? Gab es da etwas, das meinen Hoffungen Aufwind bringen konnte?

Weil ich nicht wusste, was ich nun erwidern konnte, äußerte ich eine Idee, die mir einfach so durch den Kopf gespuckt war.

„Du solltest auch mal ein paar Lyrics schreiben, das klang gerade wirklich gut.“ Rob lachte kurz auf, schüttelte dann jedoch den Kopf und fragte unsicher zurück: „Meinst du?“

Ich bejahte und trat näher an ihn heran, legte meinen anderen Arm um ihn und blickte über seine Schulter nach draußen, wo immer noch vereinzelte Blitze den Himmel der Dunkelheit entrissen.
 

Ich spürte kurzzeitig Anspannung in Rob, doch dann entspannten sich seine Muskeln wieder.

„Was sollen wir denn nur tun?“ Hilflosigkeit schwang in der stimme des Drummers mit, seine Verzweiflung ging mir unter die Haut.

Gerade wollte ich ihn mit beruhigenden Worten Trost spenden, da sprach er traurig weiter.

„Ich bin so unglaublich zwiegespalten. Es gibt gar nichts, was mir noch Halt geben kann. Für nichts scheint es eine akzeptable Lösung geben. Ich weiß einfach nichts mehr. Ich würde so gerne…aber ich sollte nicht. Es wird mir untersagt. Es läuft meiner Überzeugung entgegen. Ich sollte wirklich darauf hören. Mich wieder auf den richtigen Weg begeben. Und ich werde es auch so machen…“ Er verstummte. Ich hatte seiner verworrenen Ausführung gelauscht, doch zuweilen konnte ich ihn nicht verstehen. Einen anderen Teil wiederum wollte ich verstehen. Doch ich konnte mir nicht sicher sein, ob ich ihn richtig interpretierte.
 

„Was würdest du denn gerne tun?“, fragte ich leise nach.

„Ich…“ Rob stotterte, pausierte. Ich drückte ihn an mich, wollte ihm Kraft geben.

„Ich…halte mich nicht für verrückt oder so. Ich weiß, das kling irre.“

„Red schon. Ich halte dich nicht für verrückt oder irre. Ich verspreche es dir.“, bestärkte ich ihn. Rob löste sich ais meinen Griff, drehte sich zu mir um und überbrückte den entstandenen Abstand wieder. Sein Gesicht war nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt, als er mich innerhalb von Sekunden in den Himmel beförderte. Und auch gleich wieder zurück. Harte Landung.

„Ich würde es wiederholen wollen. Nur anders. Diesmal richtig. Von Anfang an. Mit allem, was dazugehört. Mit dir. Ah, jetzt habe ich dich doch erschreckt.“

Nein, nicht erschreckt. In mir tobte alles vor Glück und Freude, ein Teil wollte Rob auf der Stelle küssen und dann aufs Bett zerren um…nun ja. In meinen kühnsten Träumen hätte ich nicht erwartet, dass so etwas von ihm kam. Es war unglaublich. Und deshalb war es natürlich nicht ohne Beschränkung zu genießen.
 

Ich hatte den Einwand nicht vergessen, als ich mich nicht rühren konnte. Einzig ein „Tu es doch einfach Rob. Tu, was du willst. Ich will es auch.“ Konnte ich flüstern.

Robs Haare berührten meine Wangen, als er seinen Kopf schüttelte.

„Oh Gott, Phoe. Das kann ich nicht.“ Schnell trat er einen Schritt zurück und stand mit dem Rücken am Fenster.

„Ich…das muss aufhören. Das ist falsch. Denk doch nur nach. Wie käme denn das? Wir würden unsere Freundschaft zerstören, die Band auseinander bringen. Was die anderen denken würden. Und was wir für einen schlechten Ruf in der Presse bekommen würden. Nein, das geht einfach nicht. Zumal ich das nicht darf.“
 

Es donnerte, zur gleichen Zeit begannen Regentropfen vom Himmel zu fallen, erst langsam, dann stärker und schneller. Das Gewitter war endlich über uns angekommen.

„Ach toll, Rob. Lieber sich nach allen anderen richten als mal ein bisschen Arsch in der Hose zu haben und zu seinen Neigungen stehen.“, fuhr ich ihn an. Ich war zornig. Verständlich. Da dachte ich, heute würden sich sämtliche meiner Wünsche erfüllen und dann das. Es hätte mich gar nicht so geärgert, wenn ich nicht mein Ziel beinahe erreicht hätte. Es war so nahe gewesen. Verlockend nahe. Und dann noch diese zwei Wörter: ‚Mit dir.’ Das war es, was zum allumfassenden Glück noch gefehlt hatte, denn es bestätigte alle meine Hoffnungen und Sehnsüchte. Himmlisch.
 

Und nun war ich wieder auf den harten Erdboden aufgeschlagen. Rob hatte mich erst mit seinen Schwingen in den Himmel getragen und mich dann brutal hinab gestoßen. Mein Innerstes tat entsetzlich weh.

So zornig war ich, dass ich ihm Unrecht tat. Ich verletzte ihn absichtlich. So war ich halt. Ein Arschloch.
 

Rob zuckte bei dem Wort ‚Neigungen’ zusammen. Er verzog gequält sein

Gesicht. Ja, das musste wehtun. Sich selbst eingestehen zu können, das man auf Männer stand. Das man sich nach etwas Neuem sehnte. Etwas Ungewohntem.

Doch je eher er sich damit abfand, desto besser. Für ihn ebenso wie für mich.
 

Blöd nur, das Rob überhaupt keine Anstalten dazu machte, das akzeptieren zu wollen. Nein, er schien es eher so zu sein, als wolle er es sogleich wieder in sich verschließen und nie wieder herauskommen zu lassen. Und ich würde es akzeptieren müssen. Er wusste ja um meine Einstellung, schließlich hatte ich ihm gesagt, dass ich ihn ebenso wollte. Und wenn er so entschieden hatte, konnte ich im Moment gar nichts tun. Vielleicht sollte ich später den Kampf annehmen und versuchen, ihn umzustimmen, doch so wie Rob in diesem Augenblick aussah, wäre es besser, ihn erst einmal in ruhe zu lassen und nachdenken lassen. Vielleicht änderte er seine Meinung noch. Dass er überhaupt hier erschienen war, zeigte doch deutlich, dass er sich dazu durchgerungen hatte, ehrlich zu mir zu sein.
 

„Denkst du, es ist leicht für mich, diese Entscheidung zu tragen? Doch es ist so besser, versteh doch, David.“ Er klang resigniert, also raffte ich mich zusammen und meinte leise: „Ich verstehe dich, Rob. Leider hast du die Entscheidung getroffen, dem Neuen keine Chance zu geben. Und ich werde sie akzeptieren müssen. Auch wenn ich sie nicht gutheiße. Und ich werde versuchen, sie zu ändern. Aber solltest du dich eines Tages anders entscheiden, dann werde ich da sein. Ich werde kämpfen.“, versprach ich dem Drummer, der mich mit zweifelnden Gesichtsausdruck ansah.
 

Vermutlich wusste er nicht, was er davon halten sollte. Ich wusste es auch nicht. Diese Worte waren einfach so aus meinem Mund gekommen. Es war die Wahrheit aber ich hatte nicht vorgehabt, sie Rob so detailliert wiederzugeben.

„Ich wünschte, du würdest das lassen. Du machst dich doch nur kaputt.“, murmelte Rob.

Da hatte er Recht. Aber ich würde nicht kampflos aufgeben. Jetzt nicht mehr, da ich wusste, das mein Kampf versprach, nicht erfolglos zu sein.

„Ich bin schon längst kaputt.“, flüsterte ich zum Abschied, als Rob sich mit der Begründung, dass es schon sehr spät sei und er mich nicht unnötig vom Schlaf abhalten wolle, verabschiedete.

„Das musste ich mit dir bereden. Ich hoffe, wir können in Zukunft wieder ganz normal miteinander umgehen.“, meinte er zum Abschluss, er stand bereits vor meiner Tür und wollte sogleich los.

„Können wir nicht. Ich bin ein miserabler Schauspieler und du auch.“, zerstörte ich seine Illusionen.

„Phoenix…“, setzte er an.

„Ist schon gut, ich bemüh mich. Und darauf kommt es an.“ Ich ließ ihn nicht ausreden. Rob hörte meine Worte und nickte zustimmend. Dann drehte er sich langsam um und verschwand aus meinem Blickfeld.

Ich schloss die Tür und sank daran herab. Der Fußboden schwankte gefährlich, ich hatte Angst zu stürzen. Erst ein paar Augenblicke später bemerkte ich, das ich stark zitterte und deswegen es mir vorgekommen war als würde die Erde beben.

Was für eine seltsame Nacht. Hoffentlich hatte ich nicht alles geträumt. Doch das konnte nicht sein, Träume waren nie so real und so schmerzend. In mir brannte ein Feuer.

Phoenix’ PoV:
 

Ich musste etwas tun. Unbedingt. So verfahren wie mein Leben momentan war, konnte ich es unmöglich dabei belassen. Und ich hatte auch schon einen Plan. Einen - das fand ich - ziemlich genialen weil offensiven Plan.

Die Idee war mir im Traum gekommen. In einem Alptraum. Aus diesem das Positive mitzunehmen hatte mir diese unglaubliche Vision gebracht.
 

Es würde hart werden. Sehr wehtun. Sowohl mir als auch Anderen. Es würde Leute verletzen, die mir wichtig waren. Meine Freunde. Und ganz besonders einen Menschen.

Würde dieser Plan nicht funktionieren, hätte ich nicht nur ein Leben zerstört - nämlich meins - sondern eine ganze Menge anderer Leben. Tausende bis zu Millionen Menschen enttäuscht. Viele ruiniert. Fehlgeschlagen würde das dann wohl mein persönliches Ende und Hölle zusammen bedeuten.

Aber ich konnte so viel gewinnen. Natürlich, einige Menschen würde ich dennoch verletzen. Aber es musste sein.

Tja, ein toller Plan, nicht? Ich spielte auf Risiko.
 

Und ich beschloss, dieses Risiko sofort einzugehen. Genauer gesagt: Heute.

Die letzte Nacht kaum geschlafen, da mich Rob sowie dessen Geständnis noch lange Zeit beschäftigt hatte, war ich etwas gereizt, bemühte mich aber um Gelassenheit.

Heute galt es, diesen Plan umzusetzen.
 

Ein kurzfristiges Bandmeeting war angesetzt. Einberufen von mir persönlich. Rob hatte abgesagt. Mein Glück. Oder auch nicht. Das würde sich noch herausstellen.
 

Mike war zusammen mit Chester angerückt, die beiden unterhielten sich über irgendein vergangenes Ereignis. Um was es sich handelte, konnte ich mir nicht erschließen, da die beiden ausgesucht seltsame Synonyme und Umschreibungen nutzten.

Brad ärgerte sich derweil darüber, dass Joe noch immer nicht angekommen war. Heute fand unsere Zusammenkunft bei dem Gitarristen statt, was seine Vormittagsplanung - die daraus bestanden hatte, das neue Call of Duty zu spielen - über einen Haufen geworfen hatte. Das war aber auch ärgerlich - ich konnte es nachvollziehen. Da hatte sich Brad bestimmt schon darauf gefreut, den Shooter endlich anzufangen und dann fuchste ihm der Phoenix dazwischen. Wenn er hören würde, weswegen ich das Treffen einberufen hatte, wäre er vermutlich noch ärgerlicher.
 

Dann stürmte Joe herein, die Haare kunstvoll gestylt und eine breite Sonnenbrille auf der Nase. Bevor auch nur irgendeiner etwas sagen konnte, kommentierte er unsere abwartende Haltung mit einen: „Jetzt geht’s los! Euer Gott ist hinzugetreten.“

Ein kollektives gerauntes „Idiot“ antwortete ihm. Joes gute Laune wurde dadurch nicht gedämpft, er feixte und schlug Brad auf die Schulter und nickte Mike und Chaz zu.

Vielleicht würde ich gleich mehr Glück damit haben, ihm die Laune zu verhageln. Mal sehen.
 

„Warum sind wir eigentlich hier? Und fehlt nicht noch Rob?“, stellte Mike schließlich die entscheidende Frage. Ich straffte mich, bereitete mich geistig auf das Kommende vor und setzte zu einer Antwort an:

„Rob hatte keine Zeit, könntet ihr ihm das ausrichten, was er jetzt verpasst?“

Mein Blick wanderte über meine Freunde und Kollegen. Es tat mir jetzt schon weh, wie ich sie gleich verletzen würde.

Mikes Blick ließ darauf schließen, dass ihm das so nicht gefiel, er setzte zu einer Erwiderung an, wurde aber von Chester unterbrochen.

Von einem Chester, dessen wacher Blick plötzlich aufmerksam glänzte. Vermutlich hatte er schon wieder einen treffenden Verdacht.

„Ich sag’s ihm. Was ist los, Phoe?“

Kurze Stille, bevor ich hörbar Luft holte und beschloss, gegen das Schicksal zu spielen.

„Ich mach Schluss mit Linkin Park. Ich gehe. Ende.“

Jetzt ist es also raus. Fantastischer Plan, nicht?

Auf mein Statement folgte nicht wie erwartet eine emotionale Explosion, sondern Stille. Alle mussten das erst einmal verdauen. Vielleicht hoffte ja auch jemand, dass ich in wildes Gelächter ausbrechen und das ganze als schlechten Scherz outen würde.

Was ich nicht tat.
 

Chesters Blick spießte mich fast auf, als er pfeilähnlich seine Wut auf mich abschoss. Der erste Kommentar kam von ihm.

„Hast du den Verstand verloren?“ Seine Stimme zitterte nicht, die Entrüstung in seinen Augen blieb dort. Nüchtern und kalt klang sie in meinen Ohren, gehärtetem Stahl gleich.

Doch ich hatte mich gegen solche Reaktionen gewappnet, langsam und deutlich verneinte ich.

„Warum? Warum das jetzt plötzlich?“ In Mikes Stimme schwang Fassungslosigkeit mit, ich vernahm deutlich mehr Emotionen in ihr als in der des Sängers.

Vier Augenpaare scheinen sich nur auf mich zu fokussieren. Es kam mir vor, als würden alle die Luft anhalten, auf meine Antwort wartend.

„Es tut mir Leid, das das jetzt alles so plötzlich kommt. Ich hab schon länger mit dem Gedanken gespielt, aber jetzt habe ich mich fest entschlossen, das durchzuziehen.“ Glatte Lüge. Doch meiner Stimme hörte man sie nicht an, sie ließ keine Zweifel an meinen Worten aufkommen. Brad, Joe und Mike glaubten ihr. Chester nicht. Aber der wusste auch mehr als die anderen.

„Erzähl nicht so’n Schnee. Ich glaub dir kein Wort. Das hat doch alles mit…“

Lauter geworden unterbrach ich den Sänger, der mich vermutlich sogleich verraten hätte. Angst schwang in meiner Stimme mit, als ich panisch einwarf, dass ich meine Gründe für mein Handeln habe.

Mir brach der Schweiß aus. Was würde ich machen können, wenn der wütende Sänger jetzt beschließen würde, dass es Zeit war, den anderen die Wahrheit über mich und Rob zu sagen? Was, wenn ich ihn nicht aufhalten konnte? Das würde furchtbar enden.

Eine Sache, die ich nicht bedacht hatte in meinem schlauen Plan. Hoffentlich steckten nicht noch mehr solcher Lücken in ihm.
 

Um diesem vorzubeugen, versuchte ich, dem Sänger versteckt daran zu erinnern, dass er das nicht unbedingt vor der versammelten Mannschaft erörtern sollte.

„Chester, ich weiß, wonach das augenscheinlich aussieht. Es hat aber gar nichts damit zu tun, deshalb lass er außen vor. Es ist irrelevant.“

Noch mehr Lügen. Wenn ich so weitermachen würde, hätte ich bald einen neuen Rekord an Lügen für einen Tag aufgestellt.

Chester ließ sich durch meine verworrene Rede kurzzeitig ruhig stellen, doch Mike und Brad sahen mich entgeistert an, da sie nichts mehr verstanden. Joe tippte sich nur vielsagend an die Stirn, um seine Meinung über meinen Geisteszustand kund zu tun. Ich nahm es nicht persönlich, denn ich dachte ja ähnlich.

Mikes Stirn furchte sich, als er sich wieder sammelte und nun mit Autorität in der Stimme mich zum reden zwang: „Was ist hier los? Was verschweigst du uns, Dave? Das ist doch keine fixe Idee von Chester, er weiß was, dass uns unbekannt ist. Ich will wissen, was das ist. Rede! Danach kannst du ja noch mal versuchen, deinen Austritt zu erklären.“
 

Er war unglaublich enttäuscht von mir. Das zeigte mir seine Haltung, sein Tonfall, sein Gesichtsausdruck. Und auch seine Wortwahl. Und ich konnte es verstehen.

Es war wirklich ärgerlich und enttäuschend, wie ich mich hier verhielt. Da zerstörte ich die band wegen einem Grund, den ich den anderen auch noch vorenthielt.

Schon begann ich zu wanken, bezweifelte die Erfolgsaussichten meines Plans. Doch wenn ich jetzt aufgeben würde, wäre alles umsonst. Also musste ich es weiter durchziehen.
 

„Ich kann es euch nicht genau erklären, ich will euch nicht in meine Privatprobleme mit hinein ziehen. Das würde euch nicht gefallen. Aber ich kann nicht länger hier so tun, als wäre alles in Ordnung, wenn bei mir alles auseinander bricht.“, meinte ich unbestimmt. Vielleicht gaben sie sich damit zufrieden.

Ich musterte sie reihum. Joe hatte wohl schon mit mir abgeschlossen, seine unter der Sonnenbrille verborgenen Augen blickten in eine gänzlich andere Richtung. Ich konnte nicht erkennen, was es im Nebenraum so Spannendes zu sehen gab.

Brad’s Miene zeugte von dem drängenden Wunsch, mir eine rein zu hauen. Vermutlich konnte ich mich glücklich schätzen, dass Mike das Zepter des Gesprächs an sich genommen hatte, so drohte mir nur verbale Gewalt.

Chester hatte sich ebenfalls abgewandt, sein Blick war von irgendetwas gefesselt, was draußen ablief. Vielleicht wollte er sich aber auch nur nicht ansehen müssen, wie ich mich hier erbärmlich herausredete.

Mike räusperte sich, schien kurz zu überlegen.

„Aber Dave, glaubst du nicht, dass wir dich unterstützen könnten?“ Die Stimme des Emcee’s klang plötzlich sanft, jegliche Wut war gewichen. Ich sah überrascht auf, betrachtete ihn. Mike machte es mir dadurch noch sehr viel schwieriger, das hier durchzuziehen.

Unwirsch wischte ich mir über die Augen, die verräterisch mit Brennen angefangen hatten.

Als ich wieder aufsah, bemerkte ich den schneidenden Blick von Chester, der mich ebenfalls musterte. Einen kurzen Zeitraum über erwiderte ich den Blickkontakt, dann wandte sich der Sänger ruckartig ab und rauschte mit einem „Ich hab die Schnauze voll.“ aus dem Zimmer. Eine knallende Tür signalisierte uns, das er gegangen war. Wohin auch immer.

Ich fürchtete mich ein wenig davor, was Chester von mir denken mochte. Vermutlich war er ziemlich sauer auf mich. Verständlich. Hoffentlich ließ er Rob aus seinen Racheplänen heraus. Ich war mir des Wissens bewusst, über das der Sänger verfügte. Ein ideales Druckmittel.
 

Doch nun lenkte Mike wieder meine Aufmerksamkeit auf sich.

„Phoenix, denkst du nicht, das ein austritt ein wenig übereilt ist? Selbst wenn du nicht mehr so klar kommst… Ich denke, es würde vielleicht reichen, wenn du nur eine Pause einlegst. Wir haben sowieso gerade ein bisschen Leerlauf. Also denke noch mal in ruhe darüber nach und rede mit einem von uns. Überleg es dir gut, bevor du etwas machst.“

Ich nickte Mike zu, seine Worte erschienen logisch und gaben mir den gewünschten Anknüpfungspunkt, um zu fliehen.

„Ich denke, ich wird mal eine Zeit lang nach New York ziehen. Ich muss hier einfach weg.“

Joe und Brad waren stumm. Immer noch. Sie überließen dem wortgewandteren Mike das Führen dieses Gesprächs. Schlau von ihnen.

Mike nickte nun ebenfalls. Langsam. Bedächtig.

„Gute Idee. Vielleicht sehen deine Probleme dort ganz anders aus. Distanz ist immer gut. Und bitte, lass dir von uns helfen. Sprich mit uns. Mit Chester. Mit mir. Wir würden dir beide echt gerne helfen.“

Da gehe ich jede Wette ein, Mike.

Er musste wirklich Schiss haben, dass die Band durch mich auseinander brechen würde. Sonst hätte er nicht bereitwillig seine Hilfe angeboten. Es war allgemein bekannt, das Mike sich nicht genre mit den Problemen anderer Leute befasste. Er hatte schon genug mit seinen eigenen sowie mit den Problemen der Band zu tun. Stress mit dem Management. Ärger mit dem Produzent. Und so etwas. Auf seine Bandmitglieder konnte er sich normalerweise verlassen.

Schöne Scheiße diesmal.
 

Jetzt räusperte sich Joe.

„Du bist schon so lange so seltsam drauf, Phoe. Du schottest dich ab. Wirst zum Einzelgänger. Wir sind doch eine Band. Wir sind Freunde.“

„…und Freunden vertraut man. Freunden erzählt man von seinen Problemen. Freunde helfen einen.“, vervollständigte Brad Joes Ansprache.
 

Seine Worte trieben mir endgültig tränen in die Augen.

Schlagartig drehte ich mich herum, flüsterte eine Verabschiedung und floh aus dem Haus. Floh aus der Stadt.

Flog nach New York City.

Robs PoV:
 

In letzter Zeit bekam ich immer mehr das Gefühl, dass alles, was bisher Bestand hatte und eine Konstante in meinem turbulenten Leben war, in Begriff war sich aufzulösen.

Freundschaften brachen auseinander und veränderten sich. Beziehungen gingen in die Brüche und hinterließen endloses Leid und Schmerz.

Und neue Perspektive ergaben sich, auf die man sich einlassen musste. Was ich noch nicht fertig gebracht hatte.
 

Die bedeutendste Veränderung war jedoch dieses schwer zu beschreibende Gefühl, das Besitz von mir ergriff, wenn ich an Phoenix dachte. An einen sehr guten Freund, der mehr wollte als nur diese platonische Freundschaft.
 

Und auch in mir hatte sich ein neues Gefühl etabliert. Etwas neues, das vorher noch nicht da gewesen war. Ein Gefühl, das sich komplett von allem unterschied, was ich bisher gefühlt hatte. Ein bisschen erinnerte mich diese Aufregung an das euphorische Gefühl kurz vor einem Linkin-Park-Auftritt. Einige Parallelen gab es auch zu dem großartigen Gefühl des Verliebtseins in der Anfangszeit meiner Beziehung mit Vanessa. Aber all diese Vergleiche trafen es nicht hundertprozentig.

Ich wusste leider selber nicht, wie intensiv dieses Gefühl war. Wie wichtig es mir war. Wie wichtig Dave mir war.
 

Doch nach dem Besuch von Chester heute sah ich viel klarer.
 

Der Sänger war in meine Wohnung gestürmt gekommen, kaum dass ich die Tür geöffnet hatte. Seine Augen funkelten zornig, sein heftig keuchender Atem zeugte davon, dass er wohl ziemlich schnell gerannt sein musste, um zu mir zu gelangen. Ich fragte mich, warum er so aufgebracht bei mir erschienen war. Was war denn passiert?
 

Doc bevor ich auch nur irgendeine Frage stellen konnte, hatte Chester die Initiative an sich gerissen. Er marschierte mit geladenem Schritt im Flur auf und ab, ließ sich von meinem fragenden Blick überhaupt nicht beeinflussen.
 

„Weißt du, dass Dave nach New York geflogen ist? Und das er vorhat, dort zu bleiben und aus Linkin Park auszutreten?“, überschüttete mich der Sänger mit katastrophalen und unglaublichen Neuigkeiten.

„W-Was?“, stotterte ich, nicht dazu in der Lage, die Tragweite dieser Information zu erfassen.
 

„Das ist wohl neu für dich, was?“, kommentierte Chester mein Gestotter mit höhnischen Tonfall. Es schien so, als wäre er furchtbar wütend - auf David.
 

Und ich war wie vor den Kopf geschlagen. Vermutete, das Chester mich auf den arm nahm. Konnte es nicht glauben. Wusste im Innersten, das Chester nicht log. Wusste, das Phoenix weg war, in New York. Doch warum? Was bezweckte er damit? Wollte er vor mir fliehen? Warum wollte er austreten? Hatte er nicht versprochen, so zu tun, als ob nichts zwischen uns gewesen wäre? Warum brach er jetzt dieses Versprechen und wählte solch dramatische Maßnahmen, um sein leben zu zerstören?
 

„Wieso hat er das gemacht? Und wann hat er das gesagt? Wann ist er weg?“ Ich fühlte mich hilflos, ohnmächtig. Ein Teil von mir wollte sofort losstürmen, zum nächsten Flugplatz und nach New York düsen. Ein Teil von mir wollte Phoenix anrufen und ihn voll schnauzen. Ein Teil von mir wollte die Zeit zurück drehen. Bis zu unserem Gespräch letzte Nacht.
 

Der Sänger zuckte mit den schultern, stieß missbilligend Luft aus und meinte dann mit versöhnlicheren Tonfall: „Ich weiß nicht genau, was er damit beabsichtigt. Aber es hat wohl mit eurer verpfuschten Beziehung zu tun. Ich dachte, du wüsstest es und wärest deshalb heute früh nicht zum Bandtreffen gekommen.“
 

Ich wurde wachsamer, bildete mir einen Hintersinn in Chesters Worten ein. Konnte es sein, das er davon wusste? Doch woher?

„Nein, ich wusste nichts von diesen Plänen. Ich bin nicht gekommen, weil ich heute früh Kopfschmerzen hatte.“, antwortete ich langsam und nur auf den zweiten Teil von Chesters Aussage.

Er nickte kurz, schüttelte dann den Kopf und blickte suchend gen Himmel, als ob er an der Zimmerdecke die Lösung für die seltsame Situation finden würde.

Eine Weile starrte er auf die weiße Tapete, dann wanderte sein funkelnder Blick wieder zu mir.

„Ihr seid solche Idioten, ehrlich mal! Anstatt das ihr euch mal betrinkt und dann in der Kiste landet und dabei eure Probleme aus der Welt schafft, macht ihr so ein Theater.“
 

„Wie bitte?“, entfuhr es mir. Anscheinend wusste der Sänger tatsächlich sehr gut über unsere Probleme Bescheid. Ob Dave ihm davon erzählt hatte? Wussten die anderen dann ebenfalls Bescheid? Oder hatte Chester es nur erraten, bemerkt, weil wir uns zu auffällig verhalten hatten? Wir waren ja wirklich beide ziemlich idiotisch gewesen in der letzten Zeit. Aber aus anderen Gründen als denen, die Chester gerade aufgezählt hatte. In der Kiste würden wir ganz bestimmt nicht landen.

Wirklich nicht? Eine fiese Stimme in mir flüsterte mir das zu, verführte mich mit angenehmen Vorstellungen und Impressionen. Kopfkino.

Widerwillig schüttelte ich diese Bilder ab, konzentrierte mich auf den Sänger.
 

„Na Rob, was denkst du wohl, was passiert wäre, wenn du dich für eine Seite entscheiden würdest. Entweder du stehst zu deinem Interesse an Phoenix oder du blockst es ganz und gar ab. Und zwar ohne Ausrutscher wie eure kleine Nummer den einen morgen.“, konstatierte Chester.
 

Was wusste der den nicht? Wer hatte ihn so verdammt gut über uns ins Bild gesetzt? Das konnte Phoenix doch unmöglich getan haben, oder?

Anscheinend doch.
 

Aber wenn er dem Sänger in dieser Situation vertraute, dann sollte ich das wohl auch machen. Immerhin war es Chester gewesen, der mir mehr als einmal einen guten Tipp bezüglich Phoenix gegeben hatte. Jetzt wusste ich auch, warum. Vermutlich wäre er der erste, der uns gratulieren würde. Aber das war jetzt ein bisschen außerhalb meiner reichweite, bedachte man, das Dave in New York herumhockte. Am anderen Ende der USA.
 

„Wie meinst du das, für eine Seite entscheiden?“, hakte ich etwas verwirrt nach.

Chester stöhnte genervt auf. „Mann, Rob. Wie oft denn noch? Du fährst einen solchen Zickzackkurs, das ist weder für dich schön noch für Phoenix. Wie soll er denn so wissen, was du willst? Einmal holst du ihm einen runter, dann stößt du ihn wieder auf Abstand. Kämpfe doch einfach um ihn, schließlich willst du das doch, du Idiot.“
 

Seine Worte machten mich stutzig. Verhielt ich mich tatsächlich so? So verdammt flatterhaft? So verdammt verletzend? Aber Moment mal, …
 

„Ich hab doch gar kein Interesse an Phoenix.“, redete ich mir ein. Ob ich versuchte, mich selbst davon zu überzeugen?
 

Chester brach in ein irres Lachen aus. Ein Lachen, das mir Angst machte. Eine Gänsehaut bildete sich auf meinen Rücken. Schauderhaft lachte der Sänger.

„Rob, du erzählst eine verfickte Scheiße. Das glaubst du doch selber nicht.“, brachte er dann zwischen zwei Lachanfällen heraus, mit dem Handrücken wischte er sich Freudentränen aus den Augen.
 

Nachdenklich biss ich mir auf die Unterlippe. Er hatte Recht. Ich brauchte es gar nicht mehr zu leugnen. Eigentlich gab es keinen Grund, nicht zuzugeben, dass ich mehr als Interesse an dem Bassisten hatte. Scheiß auf vorgefertigte Meinungen. Scheiß auf religiöse Vorschriften, wir lebten im 21. Jahrhundert nach Christus, da konnte man die Schriften ruhig toleranter auslegen. Scheiß auf die Öffentlichkeit, sie musste es nicht mitkriegen.

Ich fand, ich hatte mich lange genug nach anderen gerichtet. Jetzt war es Zeit, mit dem Kopf voran in etwas Neues, Aufregendes zu stürzen. Und selbst wenn es schief gehen würde. Schlimmer als die Situation im Moment war, konnte es gar nicht werden.
 

„Denkst du, ich sollte zu ihm fliegen?“, fragte ich unsicher, auf eine Bestätigung hoffend.
 

„Ja, verdammt! Ich erwarte gar nichts anderes von dir, als dass du in ein Flugzeug steigst, nach New York fliegst und dort Phoenix zur Vernunft bringst.“, schnaubte Chester, immer noch leicht aufgebracht.
 

„Und woher soll ich wissen, wo in New York er ist? Die Stadt ist nicht klein, weißt du…“, protestierte ich noch schwach.
 

„Das regele ich. Ich finde raus, wo der steckt. Ich teile es dir mit, sobald ich’s weiß. Du aber verschwindest jetzt endlich. Kann ja nicht angehen, dass ihr so einen Scheiß fabriziert. Los jetzt.“ Chester wedelte mit der Hand, bedeutete mir, mich zu beeilen.
 

„Aber…“, wollte ich noch ansetzen.
 

„Du bist ja immer noch hier! Pack jetzt. Los, verdammt. Ich will euch Idiotisches Pack endlich wider vernünftig und glücklich sehen.“
 

Ich gehorchte.

Phoenix’ PoV:
 

Distanz. Räumliche und emotionale Distanz, das würde helfen. Sollte mir helfen.

Irgendwie musste ich ja auch andere Gedanken kommen, meine Probleme außen vor lassen und zumindest zeitweise vergessen können. Deshalb war ich auch nach New York geflogen. Die andere Seite von Amerika. Genug Meilen zwischen mir und Los Angeles. Dort, wo Rob weilte. Den ich unbedingt aus meinen Gedanken entfernt haben wollte. Weg, aus den Augen, aus dem Sinn. Funktionierte natürlich nicht. Wäre auch zu schön gewesen.
 

Und so saß ich schon zwei Tage in meinem Hotelzimmer im 20 +unbekannte Zahl Stock, starrte hinaus auf die Skyline Manhattans und versuchte mich dazu zu überreden, abends etwas zu unternehmen und nicht nur das Leben und Pulsieren der Stadt zu beobachten.
 

Aber etwas hielt mich fest hier. Vermutlich mein innerer Schweinehund. Oder eine böse Vorahnung, ausgelöst durch einen Anruf von Chester. Der Sänger hatte recht atemlos am Telefon geklungen. Forsch hatte er von mir wissen wollen, wo ich in New York herumhing. Wo ich untergekommen war. Warum auch immer.

Erst hatte ich es nicht sagen wollen und hatte stattdessen aufgelegt. Doch daraufhin hatte der Sänger einen solchen Telefonterror gestartet, das ich entweder mein BlackBerry ausschalten hätte müssen oder doch seinen Anruf annehmen.

Ich hatte mich letztlich für das Letztere entschieden. Und hatte Chester auch gesagt, in welchem Hotel ich abgestiegen war. Daraufhin wurde er merklich zahmer, wünschte mich nicht mehr zum Teufel und legte dann mit einem seltsamen unterton in der Verabschiedung auf.
 

Das hatte mich sehr misstrauisch gemacht. Ich hegte den Verdacht, das ich wohl bald Besuch bekommen würde. Ich tippte ja darauf, dass es Mike sein würde, der bei mir erscheinen und mir die Hölle heiß machen würde. Vielleicht hatte Chester ihm den wahren Grund für meinen überstürzten Austritt erläutert. Zuzutrauen war es ihm ja, so enttäuscht wie er zuletzt ausgesehen hatte. Und so hatte er vielleicht für Mike herausfinden sollen, wo ich mich in der Riesenstadt befand, damit der Emcee, falls er seinen Arsch für mich in ein Flugzeug quetschen konnte und Frau und Sohn so lange alleine lassen konnte, gleich wusste, wo er hingehen misste um mir seine Meinung kund zu tun.

Ich war nicht nett. Die Nervosität und der Ärger schlugen sich auf meine Laune nieder. Ich war beunruhigt, tigerte in dem großzügigen Zimmer auf und ab. Bemerkte nicht, wie es erneut Nacht wurde und die Lichter der Stadt an Intensität gewonnen.

Ich wollte in die Zukunft blicken können. Wollte wissen, wie das hier ausgehen würde.

Aber was auch die nahe Zukunft bringen konnte, ich war machtlos, diese Entwicklungen aufzuhalten.
 

Es war ein Wunder, das ich das leise Klopfen an meiner Tür hörte. So abwesend wie ich war, wunderte es wiederum keinen, das ich einfach hinging und die Tür öffnete, ohne zu ergründen, wer davor stehen konnte. Ich rechnete allerhöchstens mit Hotelpersonal, nichts anderem. Ich war unvorsichtig. Theoretisch hätten es auch Fans oder Stalker sein können, die mitgekriegt hatten, dass ich mich in New York befand und die mich verfolgt haben könnten. Theoretisch hätte es auch jemand Wildfremdes sein können, der sich in der Tür geirrt haben könnte. Aus diesen und noch anderen Gründen war ich eigentlich immer vorsichtig. Es zeugte wohl von Zerstreutheit, dass ich diesmal so reagierte.
 

Doch vor meiner Tür stand kein Fan oder Bewunderer. Es war auch kein Stalker. Nein, es war ein schmerzlich bekanntes Gesicht, das mir entgegenschaute.

Eines, mit dem ich nicht gerechnet hatte, weil ich versucht hatte, jeden Gedanken an diesen Kerl zu vermeiden.

„Hallo Phoenix.“, begrüßte mich Rob mit nachdenklichem Tonfall. Ich brachte nur ein kurzes „Hi“ heraus, so erstaunt war ich.

Er sah gut aus, stellte ich fest. Kühl. Und gleichzeitig begehrenswert. Absolut anbetungswürdig. Wenn auch etwas erschöpft. Leicht übernächtigt.

Das dunkle Haar umschmeichelte sein Gesicht, fiel ungezwungen und natürlich. Es erzeugte in mir den Impuls, es zu berühren, mit den Fingern durch diese Seidigkeit hindurch zufahren und ihn in eine Umarmung zu ziehen. Wollte seinen Geruch wahrnehmen, ihm ganz nahe sein. Ihm das hellgraue Hemd ausziehen, mit den fingern unter den Saum des dunkelblauen T-Shirts fahren und seine Bauchdecke streicheln. Nur ganz sanft, gerade so, das er eine Gänsehaut bekommen würde.

Ich beherrschte mich.

Woher kamen plötzlich diese Begierden? Bloß weil Rob hier vor mir stand und zum anbeißen aussah? Bloß weil ich ihn über zwei Tage nicht gesehen hatte? War ich schon so erbärmlich, dass ich mich so nach ihm verzehrte?

Offensichtlich.
 

Rob holte mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, als er leise fragte, ob er reinkommen könne.

„Natürlich.“ Ich trat beiseite und ließ ihn hereinkommen. Ganz leise erinnerte mich das an die Situation, als Rob nachts zu mir gekommen war und mir unglaubliches gestanden hatte. Ich fragte mich, ob es immer noch stimmte. Ob es vielleicht der Grund für sein Erscheinen war.

Als hätte er meine Gedanken gelesen, atmete Rob hörbar durch und setzte langsam zum Reden an.

„Du fragst dich vielleicht, warum ich hier bin.“

Ich nickte, unwissend, was ich am besten tun sollte. Vielleicht sollte ich den Drummer erst mal Reden lassen.

„Ich glaube, wir müssen reden. Es kann nicht sein, das du wegen dieser Sache da zwischen uns aus der Band austreten willst.“

Seine Worte schmerzten, drückten mir auf mein heftig schlagendes Herz. Seine Wortwahl verletzte. ‚Diese Sache’…so betitelte er das also.

„Was sollte ich den machen? Ich kann einfach nicht mehr. Chester weiß, was los ist und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Mike das ebenfalls mitkriegen wird. Und dann werden es bald alle wissen. Inklusive unserer Fans. Willst du das? Soll ich mich weiterhin so auffällig verhalten?“, herrschte ich ihn an, tief verletzt. Ich wollte ebenfalls verletzten. Nutzte deswegen extra seine Argumente. Ich nutzte sie gegen ihn.

Rob biss sich auf die Unterlippe, stellte sich an das Fenster und sah in die Nacht hinaus.

Ich stellte mich absichtlich weit weg von ihm, lehnte mich an die wand und betrachtete ihn. Musterte seine Silhouette. Verzehrte mich nach ihm.
 

Rob drehte sich zu mir herum, kam zwei Schritte in meine Richtung. Mit leiser Stimme wechselte er das Thema, richtete den Fokus weg von dieser verfahrenen Situation. Zielsicher näherte er sich dem Kern des Problems.
 

„Aber das ist nicht der Grund, warum du nicht mehr willst, nicht wahr?

Seine Stimme durchdrang mich, bohrte sich in meine Eingeweide. So intensiv, das ich erstmal einige Sekunden lang nichts erwidern konnte.
 

„Nein, ist er nicht. Es ist mir egal, was andere Leute von mir denken. Es wäre mir egal, wenn ich etwas hätte, das tausendmal wertvoller wäre als ihre Meinungen.

Nein, es geht nicht, weil ich dich nicht mehr sehen kann.“ Unter meinen Worten erbleichte Rob, schien in sich zusammenzufallen. Rasch sprach ich weiter.

„Es verletzt mich, zu wissen, das dir die Meinung von anderen Leuten wichtiger ist als deine eigene. Es tut weh, dich zu sehen und zu wissen, dass du fast erreichbar gewesen wärest. Dieses Fast, es brennt unglaublich. Schmerzt mehr als eine entzündete Wunde. Und ich will nicht mehr leiden. Versteh das doch bitte.“

Meine Worte wurden leiser, flehten um Verständnis. Rob starrte mich an, als hätte ich ihm gerade verkündet, die Welt würde in zwei Sekunden in die Sonne stürzen und nur er könne es noch aufhalten. Langsam fing er sich wieder, räusperte sich. Kam noch ein paar Schritte näher.

„Warum das alles, Phoenix? Warum fühlst du so? Warum musstest du es mir gestehen, warum so schmerzlich? Ich…ich fühle deinen Schmerz, in mir. Ich kann das nicht, Phoe.“ Er brach ab, starrte gen Boden.

In mir zerbrach etwas. Wut flammte auf, heiß und brennend.

„Warum, warum? Immer dieses Warum! Ich fühle halt so, ist das ein Verbrechen? Ist es ein Verbrechen, einen Mann zu lieben? Ein Verbrechen, Gefühle für seinen besten Freund zu entwickeln? Ein Verbrechen, ärgerlich zu sein, wenn er zu feige ist, zu SEINEN Gefühlen zu stehen? Was hätte ich denn tun sollen?“

Hatte ich anfangs noch fast geschrieen, so wurde ich im Laufe meiner geäußerten Empörung immer leiser, lethargischer. Am Ende flüsterte ich nur noch.
 

Rob hob den Blick, faste mich fest ins Auge. Kam noch näher.

„Du hättest es ja auch für dich behalten können, so wie ich es höchst wahrscheinlich getan hätte. Hättest es verdrängen können.“, flüsterte Rob.

„Ich hatte keine Lust mehr, mich ständig selbst zu verleugnen.“, antwortete ich bemüht gleichgültig, obwohl ich innerlich nervös und aufgedreht war.

Seine Stimme hatte sich im Tonfall verändert, sie klang resigniert. „Und da ist der Unterschied zwischen uns. Ich habe das Gefühl, einen Teil von mir zu verleugnen, wenn ich mich meinen Gefühlen für dich hingebe. Aber…ach, ich weiß auch nicht. Ich glaube mittlerweile, alles was ich tue ist falsch. Egal, ob ich meine Gefühle verdränge oder sie zulasse.“
 

„Aber wenn du etwas fühlst, warum…was soll das hier?“, entgegnete ich perplex. Warum konnte er nicht seine Zweifel beiseite schieben und sich nur auf sein Gefühl verlassen? Scheiß auf diesen anderen Teil, der vermutlich aus den Ängsten und Vorurteilen der Gesellschaft geboren war.

Rob räusperte sich erneut, verlieh der Atmosphäre noch mehr Spannung. Ich war mir schon fast sicher, dass das, was er gleich äußern würde, unglaublich wichtig sein würde.
 

„Ich musste eine Entscheidung treffen. Für das, was ich will. Und…“ Rob brach ab, rang um Worte. „Und?“, presste ich heraus, angespannt auf seine Antwort wartend. Er kam auf mich zu, bis nur noch Zentimeter zwischen unseren Gesichtern waren. Ich sah, wie er schluckte und dann zu einer Antwort ansetzte.

„Ich habe auch keine Lust mehr, mich nach anderen richten zu müssen. Und ich habe ebenfalls keine Lust, mich ständig selbst zu belügen. Ja, mir geht es ganz so wie dir, Dave.“ Ein leises Lächeln verbreitete sich auf seinem Gesicht. Ich hatte noch nie etwas Schöneres gesehen.

„Soll das heißen?“, setzte ich fassungslos an, wurde von Rob, der sanft meine Wange mit seinen Fingerspitzen berührte, unterbrochen.

„Nun sei schon still, bevor ich es mir anders überlege.“, hauchte er mir zu, umfasste mein Gesicht und überbrückte den letzten Abstand zwischen uns. Seine Lippen nahmen ganz langsam und vorsichtig Besitz von meinen. Tasteten sich heran. Vertieften bedächtig den Kuss. Erkundeten etwas neues, lernten meine Lippen kennen.

Ich erwiderte die Berührung seiner Lippen, hielt mich zurück, um ihn nicht zu verschrecken.

Doch nur kurz, dann zogen meine Arme ihn an mich, hielten ihn fest. Drückten ihn an meinen Körper, ließen ihn meine Erregung spüren. Meine Lippen wurden fordernd, leidenschaftlicher. Ich zog das Tempo an, ließ meine Zunge mit ins Spiel kommen. Keuchte kurz, als sich unsere Münder trennten, setzte den Kuss doch sogleich fort. Seine Zunge ließ sich von meiner überreden, mich näher kennen zu lernen. Sanfte Berührungen, die schon bald heftiger wurden. Wir fochten einen leidenschaftlichen Kamp auf, ich spürte seinen heißen Atem auf meinem Gesicht. Schmeckte ihn in meinem mund. Spürte die Erregung in ihm. Seine Finger krallten sich in meinen Pullover, zeugten von seinem aufgewühlten Zustand.

Schließlich trennte sich Rob von mir, was seine gesamten Kräfte in Anspruch nahm. Ich hatte nicht vorgehabt, ihn so bald wieder los zu lassen. Nicht, nachdem immer noch die Gefahr bestand, das er einen erneuten Rückzieher machen könnte.
 

„Dave, ruhig. Lass mich wieder zu Atem kommen.“, ermahnte Rob mich feixend, lächelte mich dann an, und streichelte meine Wange. Ich unterdrückte den Impuls, seine Finger in den Mund zu nehmen und daran zu saugen, als er vorsichtig meine Lippe berührte.
 

Da kam ich wieder zu Bewusstsein, ich war wie auf einem Trip. So ausgehungert nach Zärtlichkeit, nach Berührungen, nach Sex.

Ich musste ihn ganz schön eingeschüchtert haben.

„Tut mir Leid, mir war nur so danach.“, flüsterte ich mit rauer Stimme. Auf meinen Lippen vernahm ich immer noch Robs Geschmack, wollte, dass er nicht verging. Wollte ihn am liebsten auf ein Bett, ein Sofa oder notfalls auch auf den Fußboden zerren und da weitermachen, wo wir eben unterbrochen hatten. Wollte kosten, ob er überall so schmeckte.
 

Ich war mir fast sicher, dass er diese Gedanken lesen konnte, war mir sicher, dass sie durch meine vor Lust verschleierten Augen zu ihm drangen.
 

Ich musste mich wirklich bremsen. Ich erschien ja fast nymphoman. Vielleicht war ich das auch - aber nur bei Rob.
 

Ich…werd mich zurückhalten.“, flüsterte ich nochmals, wartete auf eine Reaktion Robs.

„Phoenix, ich…ich weiß nicht. Wir sollten das langsam angehen, oder? Ich meine, ich...“, brach er unsicher ab, hoffte, ich würde ihn auch so verstehen. Ich versuchte es.
 

Konnte mir schließlich denken, was er für Zweifel hegte. Ich hatte ja dieselben. Auch wenn ich mich schon vorinformiert hatte, zu viele Gedanken daran verschwendet hatte. Ob es was bringen würde, war unsicher.
 

Vielleicht hätte ich nur mal Chester fragen sollen, dachte ich leicht bitter. Oder Mike…, nein, lieber nicht. Er wäre ausgerastet, hätte ich ihn mit meinem Verdacht konfrontiert.
 

So oder so mussten wir beide uns da gemeinsam durchfinden.

„Willst du es denn?“ Unsicherheit flackerte in Robs schönen Augen auf, dann wich sie Entschlossenheit.

„Ja.“ Ein schlichtes Wort, das doch komplett ausreichte.

Zärtlich zog ich Rob wieder an mich, dirigierte ihn sanft in Richtung Bett, flüsterte ein „Vertraust du mir?“.
 

Rob nickte unsicher, sah mir in die Augen.

Und holte erschrocken Luft, als ich ihn rückwärts auf das Bett schupste. Bevor er sich beschweren konnte, erstickte ich jegliche Worte, indem ich seine Lippen mit meinen verschloss.

Genoss seine Wärme an meiner Hüfte, wo er mich berührte, als ich mich neben ihn auf das Bett gesetzt hatte.

Konnte endlich sein Hemd beiseite ziehen. Konnte endlich den Saum seines T-Shirts anheben, mit meinen Fingern sanft über seine Haut streichen und spüren, wie ein Schauder durch seinen Körper lief. Konnte noch so viel mehr machen.

Alles das, wonach ich mich die ganze Zeit gesehnt hatte, nun lag es vor mir. Endlich in Reichweite.
 

„Wir gehen es langsam an. Das verspreche ich dir.“, murmelte ich zwischen zwei der vielen Küsse, mit denen ich seinen Körper bedachte. Zwischen den feinen Bissen, die morgen deutlich davon zeugen würden, was wir getan hatten. Zwischen einem gestöhnten „Ich liebe dich“ und einem gekeuchten „Hör nicht auf.“

11. Chapter
 

Phoenix’ PoV:
 

Das kalte Morgenlicht flutete den Raum, brach ungehindert durch die großen Fensterscheiben, schmerzte in meinen empfindlichen und ans Dunkel gewöhnte Augen. Das Glühen der Stadt unter mir hatte nachgelassen, nicht aber das Pulsieren und Wimmeln vor Leben.
 

Ich wusste nicht, womit ich gerechnet hatte. Vielleicht damit, das alles nur ein Traum gewesen war. Das mein unbefriedigtes, verzweifeltes Unterbewusstsein solche Vorstellungen in meinen Schlaf projizierte. Das ich aufwachen würde, allein in einem Hotelzimmer in New York und meine Probleme immer noch drohten, mich zu verschlingen.

Vielleicht hatte ich auch damit gerechnet, neben mir jemand fremdes liegen zu sehen, der in Ansätzen jemand ähneln würde, den ich mir die ganze Zeit vorgestellt hatte.
 

Doch neben mir lag, vom blassen Licht beschienen und einem Engel gleichend - Rob. Sein Gesicht hatte er mir zugewandt, seine Augen lagen im Schatten, doch er machte einen entspannten Eindruck. Seine helle Haut wirkte an diesem kalten Morgen noch heller, fast durchscheinend. Doch ich erinnerte mich noch gut daran, wie sie sich angefühlt hatte. Verdammt gut. Verdammt fantastisch. Besser als alles, das ich mir hatte vorstellen können. So verdammt gut, dass mir die Worte fehlten, um es annähernd genau beschreiben zu können. Deshalb ließ ich es bleiben und begnügte mich, den leisen Schmerz in mir, die Nachwehen von dieser Nach ignorierend, langsam Robs Arm zu streicheln. Ein wenig schuldbewusst registrierte ich die dunklen Flecken auf seiner Haut, die von mir stammten. Gut, das die meisten von seiner Kleidung würden verdeckt werden. Das ganze wäre sonst vermutlich sehr peinlich. Aber im rausche dieser Nacht hatte ich mir um so etwas keine Gedanken gemacht, ich hatte nur noch vegetativ gehandelt. Fast.
 

Jetzt, wo ich wieder klar denken konnte, ließ ich die gesamte Nacht noch einmal Revue passieren.

Meine Finger strichen leicht über die warme Haut, näherten sich seinen Gesicht, streichelten seine Wange. Früher oder später musste er davon aufwachen, das war mir klar. Aber ich konnte einfach nicht widerstehen, jetzt, wo ich ihn endlich soweit gekriegt hatte. Oder er mich? An was hatte es nur gelegen, dass sich der Start unserer Beziehung so schwierig gestaltet hatte? Immerhin kannten wir uns schon so verdammt lange, waren so verdammt lange sehr gute Freunde gewesen. Wir hatten uns vertraut. Nur ich hatte ihm etwas verschwiegen, was er unmöglich hatte erraten können. Nein, ich hatte mich zurückgehalten. Er war es gewesen, der unsere Freundschaft auf eine andere Ebene gehoben hatte. Und dann einfach wieder zurückgezogen hatte. Warum auch immer. Ich hatte ihm doch signalisiert, dass ich das wollte. Dass ich ihn wollte.

Was auch immer Robs Grund dafür gewesen war, ich hoffte, er hätte seine Zweifel besiegt.
 

Während ich ihn so immer mehr reizte und schon mit Vergnügen sah, wie er die Stirn runzelte und die Nase kraus zog, war es ein Wunder, das er immer noch schlief. Oder tat er bloß so?
 

Langsam neigte ich mich zu ihm, berührte seine Lippen jedoch nicht sondern sah ihn nur an. Selbst meine Hand zog ich zurück. Nur ansehen wollte ich ihn. Zusehen, wie er langsam wach wurde. Ich hatte ihn ja lange genug mit meinen Berührungen an den Rand des Aufwachens gebracht, sodass er jede Minute seine Augen öffnen konnte. Meistens bemerkte es Rob, wenn man ihn anstarrte, das mochte er nicht so sehr und wenn er sich nur im Halbschlaf befand, dann gab es kein besseres mittel, ihn endgültig daraus zu reißen.
 

Es dauerte auch gar nicht lange, da öffneten sich seine braunen Augen und erwiderten meinen Blick. Lange, lange Zeit sagte keiner von uns ein Wort, wir sahen uns nur an. Starrten uns in die Augen. Bis ich schließlich den Blick nicht mehr aushalten konnte und weg sah, auf das weiße Bettlaken, das stellenweise unordentlich und zerknüllt dalag.
 

Ich konnte nichts sagen, war absolut sprachlos. Ich wollte auf keinen Fall etwas Falsches sagen, wusste nicht, wie ich am besten reagieren sollte. Und da Rob ebenfalls Schweigen wahrte, war es still, abgesehen von dem Atemgeräusch und dem leise heraufdringenden Geräuschen der Stadt. Wie lange konnten wir nichts sagen, uns vor einem Gespräch drücken?
 

Nicht sehr lange. Rob schwang sich hoch, stellte sich vor das Bett, sah mich an.

„Was…was ist los?“, fragte ich, leicht verwirrt.

„Nichts…na ja, fast nichts.“, verallgemeinerte Rob. Meinen fragenden Blick sehend antwortete schließlich. „Ich…ich weiß immer noch nicht, ob das so schlau war, was wir gemacht haben.“

Eine Augenbraue hochziehend dachte ich kurz nach, wie meine Chancen standen, dass Rob mich nicht wieder zurückstoßen würde.

„Es war nicht schlau. Aber es war richtig.“, war meine kryptische Erwiderung. Oder siehst du das anders? Diese Frage traute ich mich nicht zu stellen.

„Hmm…weiß nicht.“

Oha, Rob kam mit überhaupt nicht auf mich zu, reagierte nicht so, wie ich wollte. Meine Chancen standen vielleicht doch schlechter als von mir eingeschätzt.

„Bereust du es?“, presste ich hervor, deutlich angepisst. Das war jetzt die alles entscheidende Frage, würde er sie mit ‚Ja’ beantworten, hätte ich mir das letzte Nacht sparen können. Und mein Plan wäre fehlgeschlagen. Chesters Hilfe umsonst. Mein Herz - total kitschig, ich weiß - gebrochen.
 

Deshalb hielt ich den Atem an, wartete auf Robs Antwort, mein Herz ängstlich flatternd.
 

Rob sah mich mit Erstaunen an - ich versuchte es nicht zu deuten - dann lächelte er.

„Nein, irgendwie nicht. Es war…gut. Befreiend. Auch wenn das jetzt seltsam klingt…“, überraschte Rob mich. Das übertraf meine Erwartungen. Mein Herz überschlug sich. Vor Freude? Vor Spannung?
 

„Tut es nicht.“, entgegnete ich schnell. Rob nickte langsam, ich nutze die Zeit um aus dem Bett zu klettern und mich ihm zu nähern. Ich traute mich noch nicht, ihn zu berühren. Noch war die letzte Schwelle nicht überschritten, noch konnte er sich zurückziehen. Das spürte ich. Nur noch eine letzte Bestätigung brauchte ich. Auch wenn ich Angst hatte, so setzte ich doch zum sprechen an. Ja, ein erwachsener Mann hat Angst. Und sogar recht viel in letzter Zeit, wenn man es so betrachtete. Ich war einfach zu großen Gefühlen ausgesetzt gewesen, zu viel Stress, zu viel Verzweiflung.
 

„Rob, was denkst du, was das zwischen uns ist?“
 

Rob sah mich an, einen undefinierbaren Ausdruck aufgelegt. War es Zweifel? War es Bedauern? War er Verwirrung? Was war es nur? Ich konnte mich nicht entscheiden. Er erschien so kryptisch.
 

„Ich erinnere mich an etwas, dass du gestern Nacht zu mir gesagt hast. Ich…würde es gerne erwidern. Aber ich…ich…ach, ich weiß einfach nicht…“, stotterte er, brach ab, wandte sich ab, in seinen Augen glitzerten Tränen.
 

Ich war verwirrt, fühlte die Verzweiflung in mir aufsteigen. Was war nur mit ihm los? Was meinte er den nur? Und wie konnte ich ihm helfen?

„Was weißt du nicht?“, fragte ich vorsichtig.
 

„Ach, ich wünschte, ich könnte meine Zweifel beiseite wischen. Aber es geht nicht. Ich …eigentlich darf ich das nicht. Der Talmud verbietet es.“

Daher wehte also der Wind. Rob war als gläubiger Jude in einem Zwiespalt wegen seiner Gefühle zu einem Mann. Ich hatte mir ja denken können, dass sein Glaube Homosexualität ablehnte. Es war ja nicht anders zu erwarten gewesen. Doch was nun? Was war ihm wichtiger oder konnte er einen Konsens finden?

Ich sah ja schon meine Felle davonschwimmen, als Rob seine Hand auf meinen Arm legte. Sofort erschauderte ich ob des angenehmen Gefühls. Ja, das mochte ich. Er sollte mich noch mehr berühren.

Meine Augen verloren sich in den Untiefen seiner, ich verlor kurz jeglichen Bezug zur Realität. Doch Robs Worte holten mich unsanft zurück.
 

„Ich kann einfach keine befriedigende Lösung dafür finden. Es gibt keine Einigung. Ich muss eines von beiden aufgeben. Aber das ich meinen Glauben nicht aufgeben kann, ist dir sicher klar.“
 

Also würde es wohl darauf auslaufen, dass er mich verleugnen würde. Ich war schon wieder unglaublich sauer - auf seinen Glauben, auf ihn, auf mich. Auf die Welt. Auf Gott, falls es ihn gab.
 

Doch Robs traurige Augen hielten mich davon ab, meine Wut zu zeigen. Leise flüsterte er weiter, Tränen erstickten seine Stimme.

„Aber ich will und kann das hier nicht ignorieren. Lieber lasse ich mich innerlich zerreißen. Ich liebe dich, Phoenix. Glaube es mir. Es hat lange gedauert, bis ich mir das eingestehen konnte. Aber es ist so.“ Er verstummte, drückte meine Hand.
 

Ich war wie versteinert, wollte nicht glauben, was ich da hörte. Meine Wut verpuffte schlagartig. Einer Salzsäule gleich sah ich zu, wie eine einsame Träne über Robs Wange lief, eine silbrige Spur hinterließ.
 

Langsam, fremd gesteuert, bewegte sich meine Hand zu seinem Gesicht, wischte die Träne zärtlich weg.
 

„Du…du liebst mich?“ Es war, als wollten diese Worte die Welt herausfordern. Alles, was ich mir gewünscht hatte, wurde real. Naja, mit ein paar Einschränkungen. Es war sicherlich kein gutes Zeichen, wenn Rob daran zweifelte, an uns zweifelte. Wenn er nicht hundertprozentig dazu stand. Aber was noch nicht war, konnte ja immer noch werden.

Ich horchte in mich hinein, unfähig, diese Empfindungen in mir zu differenzieren und einzuordnen. Starkes Herzklopfen, kribbelnde Handgelenke. Zeichen von Nervosität? Angenehme Wärme dort, wo Robs Hand sich befand. Und angenehme Wärme in mir, in meinem Herzen. Freude?
 

Anstatt einer Antwort presste Rob seine Lippen auf meine, küsste mich mit verzweifelter Leidenschaft. Seine Arme zogen mich an ihn, hielten mich fest. Oder stützte er sich auf mich? Seine Hände, jahrelang gekräftigt durch das Schlagzeug spielen, hielten mich fest, fast schon brutal drückten sie mich an ihn und ließen keinen Millimeter Raum zwischen uns. Ich fühlte die Nässe, ausgelöst durch weitere Tränen, spürte das zittern seiner Lippen. Die Verzweiflung, kaschiert durch seine energisch arbeitende Zunge, bemerkte ich dennoch. Sie zu erleben tat weh, unglaublich weh. Doch vielleicht war dies der Preis, den wir zahlen mussten, um zusammen zu sein. Vielleicht war dies mein Preis dafür, endlich das zu haben, was ich am meisten begehrt hatte. Zu sehen, wie Rob innerlich zerfressen wird. Selber innerlich zerfressen werden. Sich auflösen und nur Schmerz und Pein übriglassen.
 

Vielleicht.
 

Vielleicht aber auch nicht.

Vielleicht würde Rob seine Meinung ändern, doch einen Konsens finden. Vielleicht würde alles gut werden.
 

Ich glaubte ja nicht an Märchen oder Wunder, aber bewies nicht das mir zu teil gewordene Glück nicht, das es sie doch gab?
 

Nach einer gefühlten Ewigkeit beendete Rob schließlich den Kuss, wischte die Tränen weg. Ich ergriff seine Hand.

„Ich liebe dich, Rob. Und ich werde für dich kämpfen. Das ist ein Versprechen.“
 

Er nickte nur, schniefte leicht. Ich versuchte, ein anderes Thema anzuschneiden.
 

„Wir müssen zurück nach Los Angeles. Ich muss Mike, Chester, Brad und Joe doch sagen, dass ich selbstverständlich bei Linkin Park bleibe. Und dann müssen wir an dem neuen Album arbeiten.“

Phoenix’ PoV
 

Kein guter Start für eine Beziehung war meistens ein schlechtes Zeichen. Natürlich hätte das nichts bedeuten müssen. Im Gegenteil, es gab mehr als ausreichend Ausnahmen dieser Regel. Beziehungen, die trotz schlechten Starts wunderbar funktionierten. Beziehungen, die Bestand hatten. Beziehungen, die wohl auch die nächsten Jahre noch halten würden.
 

Aber ich hatte meine Zweifel, ob Rob und ich auch darunter fielen. Ich zweifelte wirklich daran. Es war eher denkbar, das dieser Start, überschattet von Leid, von Ängsten, von Schmerz, von Missverständnissen und Verzweiflung, das erste Anzeichen für das Einsetzen einer entsetzlichen Tragödie darstellte.
 

Auch jetzt hegte ich noch diese Gedanken. Versuchte sie auszublenden. Doch es gelang nie vollständig. Es war vergleichbar damit, einer leicht verwelkten Rose beim Absterben zuzusehen. Nichts dazu in der Lage, den Prozess aufzuhalten, der grauenvoll enden musste, und dabei zuzusehen wird schön und betrüblich zugleich sein. Bittersüß schmerzend.
 

Wir beide wussten es. Wir wussten, wie es enden wird. Wussten, das es vielleicht ein Fehler war. Wussten, das es trotzdem so schön war, das wir unmöglich darauf verzichten konnten und können.
 

Ein Blick von Rob war wie ein Blick in ein tausend Jahre altes Buch. Ungeheures Wissen lag darin, ungeheure Trauer. Und ungeheure Zerrissenheit. In seinen Augen stand das, was längst dem Leser bekannt war. Wissen, das keinen Aufbewahrungsort benötigte, denn jeder kannte es bereits. Und so stumpfte der Blick immer mehr ab. Das Buch verstaubte, geriet ihn Vergessenheit, verrottete und verging nicht zuletzt. Eine uns mahnende Zukunftsvision.
 

Er hielt weiter an seinem, unsere Beziehung zum Tode verdammenden Glauben fest. Er ließ sich weiter zerreißen von seinen Gefühlen und seinem Verständnis für das Richtige. Für Moral.
 

Ich begann es zu hassen, wie er sich selbst fertig machte. Wie er mich verzweifelt küsste, mich festhielt, so als habe er Angst, jemand würde mich ihm entreißen.
 

Doch ich liebte ihn. Und ich hatte versprochen, dafür zu kämpfen.
 

Auch wenn dies bedeutete, vorerst darüber Stillschweigen zu bewahren. So wollte es Rob. Und vielleicht war es tatsächlich besser so.
 

Chester konnte ich es natürlich nicht vorenthalten. Er wusste aber bereits vorher darüber Bescheid. Und als ich bei einem weiteren Bandmeeting meinen Austritt revidiert hatte, waren ihm auch die fehlenden Bestandteile klar geworden. Mich danach zu befragen, erschien nur noch zur Bestätigung seiner Hypothesen.
 

Er freute sich über uns. Wirklich. Aufrichtige Freude war es, die auf seinen Gesicht erschien. Rob, der ebenfalls anwesend war, atmete spürbar auf.
 

Vielleicht zeigte ihm diese Geste vonseiten Chester, das es durchaus Menschen gab, die uns akzeptieren konnten. Die uns nicht verurteilen würden. Vielleicht würde er auch Mike, Brad und Joe einweihen. Vielleicht.
 

Doch Rob wollte das Geheimnis auf alle fälle so lange wie möglich geheim halten. Er fürchtete sich geradezu davor, sollte es eines Tages doch keins mehr sein. Seine Angst trieb ihn dazu, in der Gegenwart von anderen Menschen mich fast schon zu ignorieren. Ein paar rätselhafte Blicke, ein kleines Lächeln. Mehr nicht.
 

Nur wenn wir uns abgeschottet in seiner oder meiner Wohnung befanden, ließ er alle Vorsicht fahren. Nur dann gab er sich mir völlig hin. Nur dann flüsterte er leise die Worte, die ich lieber als alles andere dieser Welt hörte.
 

Anfangs hielt er sich noch zurück. Er dachte zu viel nach, saß oft da, mit zerfurchter Stirn und starrte ins Leere. Selbst wenn ich mich neben ihn setzte, bei ihm war, unterbrach er diese Tätigkeit nicht. Sondern fragte mich hin und wieder seltsame Fragen. Schwer zu beantworten. Dennoch versuchte ich immer, sie ernst zu nehmen und eine Antwort zu finden. Die Rob jedoch sehr selten zufrieden stellte.
 

Aber was konnte ich sonst tun? Nichts, außer für ihn da sein und versuchen, seine Zweifel aus dem Weg zu räumen. Wenn er es immer noch verleugnen wollte, dann musste ich das wohl oder über akzeptieren.
 

Es wurde besser, als wir auf Tour gingen. Rob wurde fast wieder so wie früher. Vermutlich aktivierten die Erinnerungen sein vergrabenes Ich. Mir gefiel es besser.
 

In dem ganzen Stress hatte er nämlich weniger Zeit, nachzudenken. Und zum Stressabbau eignete sich eine Sache ganz besonders.
 

Dennoch schafften wir es, uns natürlich zu verhalten. Niemand schöpfte Verdacht. Nun, fast niemand. Den einen oder anderen verwirrten Blick ernteten wir schon manchmal, wenn wir über etwas sprachen, von dem die anderen keine Ahnung hatten oder auf Geschehnisse anspielten, die nur zwischen uns stattgefunden hatten.

Aber etwas bewog sie, uns nicht zur Rede zu stellen. Und ich war dankbar dafür.
 

Heute stand ein Konzert in Milton Keynes an. Das Management hatte sich etwas Besonderes für dieses Konzert ausgedacht: Ein Filmteam sollte nebenbei filmen und dann sollte das Konzert als zweite Live-DVD veröffentlicht werden.

Hier, auf dieser unglaublichen Freiluftbühne hatten 2005 schon Green Day ihre Live-DVD ‚Bullet In A Bible’ aufgenommen. Es war eine Bühne, auf der Rock-Größen wie Queen oder Guns N' Roses gespielt hatten. Und jetzt wir.
 

Man spürte, dass das heutige Konzert besonders gut laufen musste. Es lag eine größere Anspannung in der Luft. Besonders Mike war fuchsig und nervös ohne Ende. Rob war blasser als sonst und hatte vielleicht drei Worte mit den anderen gewechselt. Sogar Chester blödelte mehr mit Joe herum als sonst. Einzig Brad schien unbeeindruckt. Aber er konnte seine Anspannung immer sehr viel besser verbergen.
 

War ich nervös? Vielleicht. Ein wenig. Nicht mehr als sonst auch. Ich war realistisch: Der größte Teil der Aufmerksamkeit würde sich sowieso auf Mike und Chester konzentrieren. Vielleicht noch ein wenig auf Brad.

Weniger auf mich, Rob und Joe.
 

Das veranlasste mich auch, während unseres letzten Songs meinen Standort zu wechseln und auf den hinteren, höher gelegenen Teil der Bühne zu laufen. Mike und Chester bemühten sich gerade, die Menge zum mitsingen zu animieren, während Rob vermutlich nur froh war, sein Drum-Solo gut hinter sich gebracht zu haben.
 

Er rechnete nicht damit, dass ich plötzlich hinter ihm stand und ihm auf die Schulter tippte. Doch dann lächelte er mich an. Ein warmes, zufriedenes Lächeln. Ein lächeln, das mir mein Herz wärmte.
 

Ich wollte ihn küssen. Jetzt, hier, gleich auf der Bühne. Noch während wir Bleed it out spielten.

Was die tausend Fans wohl dazu sagen würden? Über die Hälfte würde es vermutlich nicht mal mitbekommen. Also konnte ich es doch wagen?
 


 

- The End -

Bittersweet Desperation
 

---
 

„…Nacht. Schwere Dunkelheit lag im Raum, erdrückte mich förmlich, ließ den Atem schwer gehen, keuchend. Schweiß rann mir aus den Poren der erhitzten Haut, fühlte sich unangenehm an.

Die wie im Fieber glühende Haut zog sich schmerzhaft zu einer Gänsehaut zusammen, als der eiskalte Zug der Nachtluft sie traf, den Schweiß verdunsten ließ und mir die pulsierende Hitze entzog. Die Brise, die aus dem Angekippten Fenster hereinströmte und Verkehrslärm der niemals schlafenden Großstadt mit trug, streichelte nur sanft über meine abgekühlte Haut, die beständig durch das in meinem Inneren brennende Feuer angeheizt wurde, nach außen abgeleitet wurde, mich zum transpirieren brachte und einen immerwährenden Kreislauf bildete, einem Perpetuum mobile ähnlich, angetrieben durch die beständige Glut in mir. Und diese Glut würde genährt von dem dunkelhaarigen Mann neben mir, auf mir, in mir. Wo genau er sich überall befand, vermochte ich nicht zu sagen, spürte ich ihn doch beinahe überall. Seine Berührungen ließen kleine Flammen auf meiner empfindlichen Haut entstehen, ich entflammte unter seinen Fingerspitzen, schlug Funken, wo sein Körper in Kontakt mit meinem war.
 

Ein tiefes, animalisches Stöhnen löste sich aus meiner Kehle, brachte die Luft zum Schwingen, trieb dem erhitzten Körper neben mir, an mir einen Schauder über den Rücken, der sich ohne zeitliche Verzögerung auch über meinen zog. Rhythmische Bewegungen, Brennen, Pein, Wolllust. Heiseres Keuchen. Tiefes, vibrierendes Stöhnen, das mich wie ein glühender Blitz durchzuckte, meine Erregung qualvoll steigerte. Finger, die in einem Moment zärtlich über meine Haut fuhren, sich dann Qual verursachend in sie bohrten, Schrammen hinterließen, die ein bittersüßes, brennendes Prickeln hinterließen, das mich noch mehr anmachte.
 

Das raue Bettlaken scheuerte an meinen Knien, produzierte ein Gefühl, ähnlich dem Schmerz von feinen Nadelstichen auf meiner Haut. Mein Herzschlag kam mir quälend langsam vor, in meinen Ohren pulsierte und dröhnte er dumpf. In meinem Schädel schien er jedoch ein anderes Tempo zu haben als in meinem restlichen Körper, dort spürte ich die schnelle und intensive Frequenz meines Herzens, die meinen Körper mitriss, in meinen Knochen schmerzhaft dröhnte und Ähnlichkeiten mit dem Dauerfeuer eines Maschinengewehrs hatte. Der Takt war zu schnell, um ihn mitzuzählen und langsam genug, um dennoch die einzelnen kraftvollen Schläge in mir zu spüren, ihre Kraft raubende Wirkung zu vernehmen und die damit einhergehende Pein.
 

Paralysiert von Lust und Qual stöhnte ich auf, drängte mich ihm entgegen, schnappte nach Luft, die nicht annähernd genug Sauerstoff beinhaltete, sah schwarze Flecken vor meinem Augen, als die schwere, drückende Nachtluft nicht die erhoffte Erlösung brachte. Die Erlösung kam dennoch. Stetig schaukelte sich meine Erregung hoch, steigerte sich, quälend schön. Einem Delirium nahe kam ich, ergoss mich auf das Bettlaken, das schon feucht vom Schweiß unserer Körper war. Die groben Fasern schmerzten empfindlich an der sensiblen, überhitzen Haut, als ich mich in eine andere Stellung brachte. Neben mir atmete der dunkelhaarige, mich in den Wahnsinn treibende Mann ebenso heftig, zog sich aus mir zurück, brachte kurzzeitig Abstand zwischen unsere glühende, gereizte Haut. Der auf ihr klebende Schweiß erkaltete sofort, entzog unter der Brise schwerer Nachtluft mir Wärme, verbesserte aber meinen körperlichen Zustand in keinster Weise. Stattdessen empfand ich die Kühle als unangenehm, fröstelte leicht in der Zugluft.
 

Mit meiner frei gewordenen Hand wischte ich mir über die feuchte Stirn, spürte, wie meine verklebten Haare sich schon der Temperatur der kälteren Nachtluft angepasst hatten. Meine schwelenden Sinne nahmen mehr und mehr von der Umgebung auf, ihre Beschränkung auf rudimentäre Gefühle und Empfindungen fiel von mir ab, mein Wahrnehmungsspektrum weitete sich.
 

Ich hörte das Rauschen des Verkehrs, das mal lauter aufwogte, meine Ohren zu überfordern schien, dann wieder leiser wurde. Die Nachtluft strich durch das geöffnete Fenster herein, streichelte meine dampfende Haut mit eisigen Fingern, prickelte wie kleine elektrische Entladungen. Mein Herz schlug dumpf in meinem Brustkorb, der nachhallende Schlag saugte immer noch die Energie aus meinen Gliedern.
 

Ein Schauder entstand, wogte über meinen Körper, hinterließ eine Gänsehaut, als kühle Finger über die wunden Stellen meines Armes fuhren. Die kitzelnde Berührung ließ das kaum zur Ruhe gekommene Feuer in mir wieder auflodern, spendete wieder Hitze.
 

„Dave…“ Ein heiseres Flüstern drang aus seinem Hals, verursachte ein undefinierbares Gefühl in mir.
 

„Still. Reden können wir morgen.“, flüsterte ich, leckte über meine geschwollenen, aufgerissenen Lippen. Ein einzelner Kuss diese Nacht hatte ausgereicht, um meine Lippen in einen so schändlicheren Zustand zu bringen, dass ich mich nicht mehr traute, zu reden geschweige denn, ihn nochmals zu küssen.
 

Doch er störte sich nicht daran, seine Finger fuhren über meine empfindliche Haut, zogen mich an seine bebende Brust. Die salzigen Schweißtropfen glitzerten Silber im hereinfallenden Mondlicht.
 

Mein Atem strich über die Gänsehaut, die sich auch auf seinem ermattet daliegenden Körper gebildet hatte. Seine starken, muskulösen Arme zogen mich in seine Richtung, drückten mit wesentlich mehr Kraft, als das man es als zärtlich bezeichnen konnte. Morgen würde mein Körper zusätzlich zu den anderen Spuren dieser Nacht auch noch blaue Flecken aufweisen. Doch das störte mich nicht.
 

Schweiß rann von meiner kalten Stirn, eine glühende Hitze, ähnlich einem Fieber tobte in meinem Leib. Das Atmen fiel mir schwer. Da Gewicht von seinem Kopf, genau auf Höhe meines immer noch zu schnell schlagenden Herzens, presste meinen Brustkorb zusammen. Der abgetrocknete Schweiß klebte unangenehm, ließ das Bettlaken mit mir verwachsen. Zum Teil spürte ich aber auch noch diese Feuchte, besonders auf meinem sich in rastloser Frequenz heben und senkende Brustkorb. Die salzige Tropfen vermehrten sich Irrationalerweise sogar. Im Mondlicht schimmerten sie wie funkelnde Sterne.
 

Mein Schweiß vermischte sich mit Tränen, die ungehindert aus seinen Augen rannen, sachte auf meinen erhitzten Brustkorb fielen und dort vom Wind langsam aufgenommen und fort getragen wurden. Ich spürte das leise Zittern, das den Körper ergriffen hatte, der sich eng an mich drückte. Lautloses Schluchzen, bittere Reue. Scharfer, kupferartiger Geschmack auf meiner Zunge, als ich meine Zähne ruckartig zusammenpresste.
 

Schon wieder tat er es. Immer und immer wieder. Nie würde er es als das akzeptieren können, was es für mich war. Immer riss er sich förmlich auseinander, spaltete sein Herz von seinem Verstand ab, nur um danach wieder in diese Starre zu fallen, in der das Bedauern und die Verzweiflung aus den dunklen Ecken seines Verstandes gekrochen kamen und ihn gewaltsam eroberten.
 

Silberne Spuren reflektierten das Licht, griffen mein Herz an. Ich wandte mich ab, sah zur Seite, weil ich diesen Anblick nicht mehr ertragen konnte. Ich konnte die Situation nicht mehr ertragen. Wie lange sollte dies nun noch so gehen? Wie lange würde es dauern, bis er zerbrechen würde?
 

Und wie lange konnte ich noch von ihm verlangen, sich mir hinzugeben? Er wollte es ja doch nicht, bedauerte es hinterher immer. Unangebrachte Reue kroch jedes Mal durch sein Herz, Bedauern darüber, sich mir hingegeben zu haben, Bedauern darüber, diese Reue zu fühlen.
 

Und auch ich bedauerte. Bittere Erkenntnis durchflutete mich: Ich selbst war der Grund für seine Leiden, seine Gewissensqualen. Und auch wenn ich ihn nicht in eine solche Situation bringen dürfte, dies jetzt abbrechen sollte und ihm nie wieder so nahe kommen sollte, wusste ich doch, dass das unmöglich war. Mein Körper reagierte immer auf ihn, mein Herz kannte die Antwort. Nie würde das hier aufhören.
 

Wir waren gefangen in unseren Trieben, gefangen in der Tretmühle des Schicksals.
 

Und so würde ich damit leben müssen, dass es ihn innerlich zerreißen würde. Das ich durch seinen Anblick innerlich zerreißen würde.
 

Ein brennender, aggressiver Schmerz breitete sich in meinem Herzen aus, die Erkenntnis wühlte sich wie ein rostiger Dolch in meine Eingeweide, salzige Tränen benetzten die Wunde, schufen eine neue Ebene der Qual.
 

Und dahinter pulsierte der bittersüße, metallisch warme Schmerz meines gebrochenen Herzens…“
 

---
 

„Dave, was…was tust du da?“ Ein Flüstern, vorsichtig und weich gesprochene Worte, um die angenehme Stille nicht zu zerstören. Weich klangen sie in meinen Ohren, die tiefe Stimme vibrierte in mir.
 

Langsam fuhren meine Finger, die bisher nur die Arme des dunkelhaarigen, großen Mann festgehalten hatten, unter sein graues T-Shirt, ertasteten den Ansatz seiner Bauchmuskulatur und streichelten sie, spürten, wie er sie fast sofort anspannte.
 

Sein Atem liebkoste mein Gesicht, als ich ihn im Halbdunkel ansah. Seine dunklen Augen zeigten Unsicherheit.
 

„Entspann dich. Einfach nur genießen.“, brummte ich, darauf bedacht, meine stimme tiefer klingen zu lassen als sie eigentlich war. Ich wusste, dass es ihn anmachen würde.
 

„Ich…Ich weiß nicht…“, stotterte er, die Arbeit meiner Finger versagten es ihm, klare Gedanken zu fassen.
 

Warum musste er jetzt reden? Ich wollte das nicht. Viel lieber wollte ich etwas anderes.
 

Schwerfällig beugte ich mich näher zu ihm, befeuchtete meine Lippen mit der Zunge, betrachtete eine verführerischen Lippen und wünschte mir, dass sie das letzte Stückchen zu meinen überwinden würden.
 

Doch sie taten es nicht. Ich tat es deshalb, ertastete seinen Mund mit meinen, küsste ihn zärtlich. Und mein Kuss wurde erwidert. Heftig, leidenschaftlich. Die anderen Lippen waren bei weiten nicht so vorsichtig, aber dafür sehr verführerisch. Der Kuss verwandelte sich in einen Kampf, einen Kampf unserer Lippen, unserer Zungen und Zähne. Seine Hände drücken mich an ihn, sein Griff wurde schnell sehr fest und unerbittlich.
 

Fast als habe er Angst, ich würde gehen, ihn verlassen. Dabei wollte ich das nicht, nichts lag mir ferner als ihn zu verlassen. Ich liebte ihn doch. Und ich begehrte ihn.
 

Und er auch mich, spürte ich doch seine Erregung. Meine Hände machten sich selbstständig, erkundeten seinen Körper, den ich nun so gut kannte, der aber immer noch eine unbeschreibliche Faszination auf mich ausübte. Und als er auf meine Bemühungen reagierte, indem er den Kuss unterbrach und stöhnte, fühlte ich mich in meinem tun bestärkt.
 

„Dave…das geht so nicht…hör auf…“, hauchte er so leise und mit zugeschnürter Kehle, das ich ihn nur mit Mühe verstand.
 

Ich reagierte nicht, zumindest nicht in gewünschter Weise. Stattdessen entschloss ich mich dazu, sämtliche Proteste mit einem Kuss zu ersticken.
 

Es funktionierte. Doch nur kurz.
 

Die Arme, die mich eben noch kraftvoll gehalten hatten, drückten mich plötzlich gewaltsam weg, schafften Raum zwischen unseren Körpern.
 

„Was zur…stimmt etwas nicht?“, entfuhr es mir. Langsam machte ich mir doch Sorgen. Es war nichts ungewöhnliches, das er sich öfters mal zierte, doch das endete fast immer, wenn die Lust und Begierde nach mir sämtliche Zweifel beiseite schwemmte. Doch diesmal musste es anders sein.
 

„Dave...es geht nicht mehr. Ich kann das nicht.“ Er brach ab, sah zur Seite. Mied meinen Blick.
 

„Was…was ist los?“ Ich fühlte mich überfordert, stand auf und suchte seinen Blick.
 

Ein heilloses Gefühlschaos wütete in mir, vorherrschend waren Angst und Lust, was eine seltsame Mischung war. In den großen Augen meines Gegenübers erkannte ich jedoch ebensolches Chaos, auch n diesen Augen lag Angst, doch sie wurde überschattet von etwas anderem, etwas Gewaltigerem.
 

„Ich…ich kann das nicht Phoe. Bitte…zwing mich nicht dazu. Es ist einfach nicht richtig…“, gab er ausweichend Auskunft. Im fahlen Licht erkannte ich schimmernde Tränenspuren auf seinem schönen, traurigen Gesicht. In mir entstand ein solcher paralysierender Schmerz, dass mir der Atem stockte und meine Hand zu meinem klopfenden Herzen wanderte. Jegliche Lust war wie fortgewischt. Die Angst nahm überhand, lähmte mich.
 

„Was…was soll das nun werden?“
 

„Ich weiß nicht. Aber so kann’s nicht weitergehen.“
 

Ich schluckte. Versuchte mich zu beruhigen. Ich hatte ja vorausahnen können, dass es früher oder später in einem Moment wie diesem hier enden würde. Es hatte die ganze Zeit im Beeich des Möglichen gelegen. Und dennoch hatte ich es verdrängt. Wohlweißlich weit von mir geschoben. Und jetzt erwischte es mich auf kaltem Fuß. Unerwartet.
 

„Aber…“ Ich wusste nicht, was ich noch erwidern sollte. War das hier das Ende? Das konnte es doch nicht sein!
 

Ich erinnerte mich der Worte, die er einst zu mir gesagt hatte, als ich von ihm eine Entscheidung hören wollte. Damals hatte er sich für mich entschieden, trotz dagegen sprechender Argumente.
 

„…Ich kann einfach keine befriedigende Lösung dafür finden. Es gibt keine Einigung. Ich muss eines von beiden aufgeben. Aber das ich meinen Glauben nicht aufgeben kann, ist dir sicher klar. Aber ich will und kann das hier nicht ignorieren. Lieber lasse ich mich innerlich zerreißen. Ich liebe dich, Phoenix. Glaube es mir. Es hat lange gedauert, bis ich mir das eingestehen konnte. Aber es ist so…“
 

„Liebst du …denn nicht mehr?“, flüsterte ich kraftlos, verdammte mich für meine Angst.
 

Er blickte zu mir auf. Erschrecken stand auf seinen Zügen. Dann äußerte er sich leise: „Natürlich liebe ich…aber das hat doch damit nichts zu tun! Oh Gott! Dave! Bitte…hör doch auf…“
 

„Nein. Beantworte meine Frage…bitte, Rob!“
 

Er blieb still. Sah nach unten, vermied es, in meine brennenden Augen zu sehen.
 

„Ich… weiß nicht, was ich fühlen soll…weiß gar nichts mehr…natürlich ist d etwas, aber…es hätte stärker werden sollen…doch alles, was ich noch fühle, ist Verzweiflung…Ohnmacht…Angst…Ich will das nicht mehr…Ich weiß, das ich dich mal geliebt habe…geglaubt habe, zu lieben, aber…ich…weiß nicht, ob meine Gefühle ausreichen…“
 

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Burden of Truth
 


 

Unvorhergesehene, überraschende Wendungen im Leben mussten nicht immer etwas Gutes oder eine Verbesserung bedeuten. Sicher, oftmals war es so, dass man aus komplett neuen Situationen etwas gewinnen konnte, was einem einen Vorteil beschaffen konnte. Doch trotz dieser oftmals in seinem abenteuerlichen Leben bewiesenen und unwiderlegbaren Tatsache war Brad nicht mit der Entwicklung dieser neuen Situation zufrieden.
 

Er war überhaupt nicht zufrieden. Ganz und gar nicht - eher das Gegenteil. Und selbst das war untertrieben.
 

Eine realistische Wiedergabe seiner Einschätzung der Situation konnte mit „beschissen“ am besten dargestellt werden.
 

Übertrieb er?
 

Nein, gar nicht. Selbst zurückblickend konnte er kaum etwas Gutes entdecken.
 

Zumindest nicht für sich. Seine Wenigkeit hatte er erneut - wie in so vielen Situationen davor schon - hinten angestellt und nicht mit in seine Überlegungen einbezogen. Er war sich selbst unwichtig. Paradox. Brad verstand es hinterher selbst nie, warum dem so war.
 

Aber wenigstens war er ein guter Freund gewesen, hatte zugehört, nachgedacht, gute Tipps gegeben, die eine oder andere Erkenntnis bei dem Ratsuchenden erzeugt und am Ende den entscheidenden Ratschlag zum perfekten Glück des anderen gegeben. Nicht, ohne sich einmal bis auf die Knochen zu blamieren und für sich selbst eine Erkenntnis anderer und für ihn unvorteilhafter Art zu haben.
 

Doch Brad wäre nicht Brad, wenn er sich das groß hätte anmerken lassen. Nein, er konnte vermutlich stolz darauf sein, sich wie ein gefühlsarmer Eisklotz gegeben und nichts - aber auch gar nichts - von innen nach außen sickern gelassen zu haben.
 

Er war wie gefangen, gedrückt, gefesselt von seinen Prinzipien, seinem Stolz gewesen. Und die Wahrheit, die ihn wie ein Schlag ins Gesicht verletzt und entblößt hatte, lag - schwerer als der Himmel auf Atlas Schultern - auf seinen.
 

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Rob war nervös. Eine schlichte Tatsache, ebenso eine Tatsache, wie die, dass Linkin Park eine der berühmtesten Bands der Welt war oder dass 1,3 Milliarden Menschen auf der Erde keinen Zugang zu Strom für Licht hatten.
 

Der Grund für die Nervosität war jedoch nicht so einfach darzustellen. Vielschichtig und verworren lagen die Ursachen dem beobachtenden Auge verborgen.
 

Ein nicht zu vernachlässigender Teil der Ursachen lag aber in Rob selbst begründet, in seinem Gefühlschaos, seinen letzten Entscheidungen und der undienlichen Reue darüber.
 

So bereute er es, nicht spontan zu sein und immer wieder über ein Problem nachzudenken, auch wenn es bereits eine akzeptable Lösung gab - er suchte trotzdem eine bessere.
 

Allerdings lag es im Auge des Betrachters, ob es sich am Ende tatsächlich um eine Verbesserung handelte.
 

In Robs Fall war dem dieses Mal nicht so – diese Erkenntnis hatte er auch schon gehabt.
 

Doch weil selbst nachdenken diesmal keine Lösung aus dem Hut zauberte und Rob mit der Situation nicht mehr klarkam, nötigte er sich dazu, jemanden zu fragen, der seiner Meinung nach sich am ehesten in seine Situation eindenken konnte. Brad, um den Glücklichen beim Namen zu nennen. Der noch nichts davon wusste, was gleich auf ihn zukommen würde.
 

Es war mal wieder Nachmittag, mal wieder hingen düstere Wolken am Himmel, die damit drohten, Regen, Hagel und Donnerschlag auf die unter ihnen liegende Stadt loszulassen, mal wieder konnte man schon um fünf Uhr das Licht anmachen, weil das Zwielicht von draußen es nicht schaffte, den Raum, in dem Rob und Brad wie zwei überlebende Kriegsveteranen am Tisch saßen, Gedanken schweifend und schweigend, auszuleuchten.
 

Auf dem Tisch stapelten sich leere und halbvolle Gläser unterschiedlichen Inhalts, Flaschen, ebenfalls leer oder halbleer, eine bunte Mischung von Spirituosen und Limonaden. Man konnte den Eindruck gewinnen, die zwei Männer hätten ordentlich getrunken, doch tatsächlich standen die Flaschen und Gläser schon einige Tage auf dem Tisch. Der Besitzer der Wohnung war bloß zu faul gewesen, sie wegzuräumen, weshalb es stattdessen immer mehr geworden waren.
 

Rob, der neuerdings wieder darauf bedacht war, seine perfektionistische Ordnung zu halten, hatte zu Beginn noch die Nase gerümpft, dann aber nur die Gläser zur Seite geschoben und seines mit Wasser aus der noch fast vollen Flasche gefüllt.
 

Jetzt betrachtete er schon geraume Zeit die klare Flüssigkeit, fuhr mit dem Finger auf dem Glasrand einen unendlichen Kreis. Innerlich zählte er, hatte er sich doch vorgenommen, wenn er bei 2.000 angekommen war, endlich die Sache, weswegen er Brad hatte um Rat fragen wollen, zur Sprache zu bringen.
 

Gegenwärtig war er bei 1.967 angekommen.
 

Brad hob sein mit irgendeinem Mix gefülltes Glas, trank einen tiefen Schluck und beobachtete Rob durch die verschwommene Fläche des durchsichtigen Gefäßes.
 

In ihm regte sich berechtigter Zweifel über den Grund von Robs Besuch. So niedergeschlagen und abwesend war er schon lange nicht mehr gewesen, erinnerte sich Brad. Das letzte Mal war kurz vor Phoenix’ Austrittsgesuch gewesen. Am Ende hatte sich der Bassist es sich aber noch einmal anders überlegt und war in der Band geblieben. Robs Laune hatte sich spürbar gebessert, nachdem er aus New York zurückgekehrt war, Phoenix im Schlepptau und gute Nachrichten verkündend.
 

Trotz allem war die ganze Aktion damals sehr seltsam gewesen und Brad waren die wahren Hintergründe immer noch fremd. Vermutlich wussten nur Dave und Rob selbst, was damals in New York passiert war, und hielten es geheim.
 

Plötzlich ging ein Ruck durch den Drummer. Er hob den Kopf, visierte Brad an und atmete tief durch, zog die Schultern dabei hoch.
 

„Glaubst du, ich bin zu ernst, zu streng mit mir?“, fragte er vollkommen zusammenhangslos seinen Freund.
 

Brad runzelte die Stirn, fragte sich unwillkürlich, ob er etwas Grundlegendes verpasst hatte. Die Frage in dieser Konstellation machte nicht viel Sinn.
 

„In welchem Bezug? Obligatorisch würde ich zwar erstmal 'Ja' sagen, aber du musst schon genauer erklären, was du willst“, meinte Brad grinsend, lachte innerlich, als er sah, wie skeptisch Rob die Stirn in Falten zog.
 

„Das war eine ernst gemeinte Frage“, entgegnete Rob, wandte sich, seine Empörung zeigend von Brad ab, der mit einem breiten Grinsen auf den Lippen den Kopf schüttelte.
 

„Da hast du doch deine Antwort. Zumindest bist du strenger und ernster zu dir als ich zu mir“, fasste Brad zusammen, ließ das Lächeln langsam verblassen und setzte ebenfalls einen ernsten Gesichtsausdruck auf. Lange musste er nicht warten, bis Rob ihn wieder ansah.
 

Die braunen Augen seines Freundes waren verengt, verhaltener Zorn und Zweifel lagen in Robs Blick, doch wie Rauch an einem windigen Tag zerstreuten sich diese Emotionen von seinen Zügen, lagen wieder gleichmäßig und neutral.
 

„Was würdest du denn an meiner Stelle machen?“, fragte Rob. Seine Stimme klang immer noch niedergedrückt.
 

Brad musste unwillkürlich grinsen.
 

„Um dir das zu sagen, muss ich immer noch wissen, um was genau es geht“, feixte er, zwinkerte Rob zu.
 

Der Drummer konnte nicht mitlachen. Er bedachte Brad mit einem intensiven Blick, hob die Schultern, während er durchatmete, zählte innerlich bis drei und rang sich letztendlich dazu durch, Brad sein Geheimnis anzuvertrauen.
 

„Na gut, wie du willst. Mal angenommen, du hättest mit einem Mann Sex gehabt - einfach mal so - und es hätte dir gefallen, was würdest du tun?“
 

Brad starrte seinen Freund an, fragte sich, ob er gerade eine akustische Störung gehabt hatte oder ob Rob das wirklich gefragt hatte. Zerstreut kratzte er sich am Kopf.
 

„Es ist äußerst unwahrscheinlich, das so etwas 'einfach so' passiert. Da muss es schon einen guten Grund dafür geben“, murmelte er verallgemeinernd. Rob seufzte, stützte sein Kinn auf und schob die Unterlippe vor. Er dachte offensichtlich wieder darüber nach, wie viel er noch preisgeben sollte und konnte.
 

Den Namen musste er geheim halten, aber dass es um ihn ging – so viel hatte Brad sich gewiss denken können. Also konnte er das auch direkt aussprechen, es war ja keine weltbewegende Neuigkeit.
 

Ein wenig wunderte er sich über Brads stoische Gelassenheit, er hatte mit mehr Überraschung vonseiten des Gitarristen gerechnet, doch der reagierte fast schon zu ruhig.
 

„Na dann: Jemand, den du schon etwas länger kennst und vertraust, eröffnet dir sein Interesse und du bist nicht abgeneigt, sondern probierst es aus - klingt das in deinen Ohren wahrscheinlicher?“, ließ Rob den letzten Satz in der Luft hängen und schaute Brad eingehend an. Keine Regung konnte ihm entgehen.
 

Brad fuhr sich abwesend durch die Haare, schluckte. Jetzt hatte Rob ihn doch überrascht. Er hatte verschiedene Gedanken bezüglich des Hintergrunds gehabt – nun war ihm klar, dass mehr dahinter stecken musste. Sonst hätte Rob sich nie an ihn gewandt. Dass er gerade ihn fragte, gab ihm schon genug zu denken. Zumal Brad nicht ganz uneigennützig und betont locker antwortete:
 

„Na ja, wenn der Sex so geil gewesen war, würde ich es noch mal ausprobieren. Was ist schon dabei, wenn beide es wollen?“
 

Robs Kopf senkte sich. Er schniefte laut und vernehmlich. Seine Hände verkrampften sich, die Knöchel traten weiß hervor. Zeichen von Nervosität - Brads Arm bewegte sich vorsichtig in Richtung des Drummers. Seine Hand legte sich behutsam auf Robs Schulter. Zeigte ihm, dass er nicht allein hier war und dass Brad ihm helfen wollte.
 

Große, müde braune Augen sahen den Gitarristen durch den Vorhang von dunklem, langem Haar an, das Rob in die Stirn gefallen war. Brads Händedruck verstärkte sich, gab eine unhörbare Aufforderung an den niedergesunkenen Drummer.
 

„Ich hab mit einem Mann geschlafen. Mehrmals. Habe gegen den Talmud verstoßen. Laut den Schriften würde mir ein schreckliches Schicksal blühen. Wir sind hier zwar in den USA, aber es geht ja um das Prinzip, das Männer nicht miteinander Sex haben sollten“, murmelte er. Er klang resigniert.
 

Brad hob die Augenbrauen, seine Verwunderung kaum verhehlend. Er wagte kaum, weiter darüber nachzudenken, welche Auswirkung dies für ihn haben könnte, sondern beschränkte sich auf das eigentliche Problem - Rob.
 

„Dürfen sie das nicht? Wenn du nun mal auf Männer stehst und nicht auf Frauen - warum solltest du dich verstellen und mit einer Lüge leben?“, mühte er seinem überanstrengten Gehirn eine passable pseudo-philosophische Weisheit ab, die Rob nur mit skeptischen Blicken bedachte.
 

„Aber stehe ich wirklich auf Männer? Woher soll ich das genau wissen?“
 

Der Drummer schob Brads Hand von seiner Schulter, löste aber nicht den Griff, sodass Brads warme Hand komplett von Robs kühler, leicht zitternder Hand umschlossen wurde.
 

„Also, darauf kann ich dir keine Antwort geben. Das musst du wissen“, meinte Brad, verbannte jegliche Ironie aus seiner Stimme, obwohl Rob unfreiwillig komisch klang.
 

„Ich weiß es aber nicht. Woher auch? Ich hab nur mit diesem einen Mann geschlafen. Das hätte auch eine personenbezogene Anziehung sein können“, argumentierte der Drummer, Brads Blick ausweichend.
 

Der Gitarrist straffte sich, überschlug im Kopf kurz seine Strategie und analysierte seine Gefühle.
 

Sein Herz schlug zu schnell, sein Puls war zu deutlich an den Handgelenken spürbar. War er aufgeregt? Er konnte keinen Grund dafür finden - oder sich keinen Grund eingestehen.
 

„Vielleicht musst du es mal mit einem anderen Typ ausprobieren. Dann würdest du zumindest wissen, ob du nur auf eine Person fixiert bist oder generell auf Männer stehst.“
 

Brad konnte den Drummer nicht länger ansehen, schlug lieber die Lider hernieder, als er leise anfügte: „Wenn du willst, kannst du es ja bei mir ausprobieren.“
 

Hatte er dies wirklich gesagt? Alles in Brad schien sich anzuspannen. Sein Pulsschlag beschleunigte sich nochmals, das Adrenalin stieg ihm in den Kopf und sorgte dafür, dass sich die bis jetzt ruhig gehaltene Atemfrequenz ebenfalls beschleunigte.
 

Alles wartete nur auf Robs Reaktion - auf seine Abweisung oder seine Einwilligung.
 

„Ich weiß nicht, Brad…“, nuschelte er schließlich, gab keine eindeutige Antwort. Doch das reichte dem Angesprochenen bereits. Er hatte nie mit einer direkten Einwilligung gerechnet, stattdessen nahm er die zögerliche Antwort als 'Ja'.
 

Vielleicht auch, weil ein vergrabener Teil in ihm schon lange auf eine solche Chance gewartet hatte.
 

Brads Hand wanderte zu Robs Kinn, strich federleicht über seine Wange, brachte die widerspenstigen Haare wieder an ihren angestammten Platz und näherte sich mit seinen Lippen Robs Mund.
 

Mit angehaltenem Atem, jederzeit auf eine Abweisung gefasst, berührten Brads Lippen die des Drummers, bewegten sich gegen sie, erkundeten sie. Brad spürte den Luftzug des Atems von Rob auf seinem Gesicht, spürte kurz darauf, wie sich Robs Hände an seine Halsbeuge legten, ihn sogar etwas näher zogen. Robs Körper trat in Kontakt mit dem des Gitarristen. Er spürte die Wärme, den durch das Hemd hindurch kaum wahrnehmbaren Herzschlag des anderen. Ihre Herzen schlugen in unterschiedlichen Rhythmen, unterschiedlich schnell.
 

Brads empfindliche Lippen spürten, wie Rob mehr Druck ausübte, schließlich mit seiner Zungenspitze sich zu Brads Mund hervortastete und in ihn glitt, bereitwillig hineingelassen.
 

Der Gitarrist musste sich ein zufriedenes Stöhnen verkneifen, legte stattdessen seine Hand an Robs Hüfte, fühlte die Wärme der Haut unter dem rauen Stoff.
 

All das fühlte sich so aufregend und erregend an. Brad wusste nicht mehr, was von all dem er für Rob tat und was davon sein Körper wollte. Tatsache war, sein Körper hatte schon länger nach genau diesem Kuss gelechzt, hatte ihn herbeigesehnt und dies erkannte Brad nun mit aller Intensität. Er wollte Rob.
 

Doch Rob, bis jetzt vollkommen versunken darin, Brads Lippen zu kosten, wachte aus dem Traum der Leidenschaft und Zärtlichkeit auf. Ein Bild erschien vor seinen Augen, ein Name drängte danach, seine Lippen geflüstert zu verlassen.
 

„Stop, Brad. Ich - ich kann das nicht.“
 

Mit der flachen Hand drückte der Drummer die breite Brust des anderen weg, sorgsam darauf bedacht, ihm nicht weh zu tun. Seine Worte verletzten Brad ausreichend, auch wenn im Augenblick der Zurückweisung Brads Verwunderung den Schmerz überdeckte.
 

Wenige Sekunden verstrichen, bis Brad von selbst auf Abstand ging und leise fluchte. Rob sah beschämt in eine andere Richtung.
 

„Verdammt.“
 

Brad rieb sich über sein Gesicht, zeigte ebenfalls Zeichen von Beschämung. Er verstand nichts mehr - deutlich hatte er Robs Erwiderung des Kusses gespürt, seine Anlehnung, sein Entgegenkommen. Rob hatte sogar die Initiative ergriffen und seine Zunge aktiv eingesetzt. Warum nun plötzlich diese Zurückweisung?
 

„Warum?“, wollte er wissen, konnte noch keine vollständigen Sätze bilden. In seinem Kopf drehte es sich und sein Herz schlug schon wieder - oder immer noch - zu schnell.
 

„Das geht nicht, Brad. Wir sind Freunde und in einer Band - Scheiße. Außerdem … außerdem …“, stammelte Rob, immer leiser werdend. Seine Hand bedeckte seine Augen, er konnte dem Gitarristen noch immer nicht in die Augen sehen. Langsam wurde ihm bewusst, in welche Situation er sich gerade gebracht hatte.
 

Erst …
 

„Dave“, flüsterte der Drummer, schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Alarmiert horchte Brad auf.
 

… und dann auch noch der Gitarrist. Rob wusste nicht, warum er sich dazu hatte hinreißen lassen. Nur eine Erkenntnis hatte er mitgenommen: Brads Lippen an seinen hatten sich gut angefühlt, keine Frage, der warme Körper hatte sich angenehm an seinen geschmiegt, doch etwas fehlte. Die Besonderheit, die das Zusammensein mit Dave ausgemacht hatte. Dieses Kribbeln im Unterleib, das Begehren, das Gefühl der Unersättlichkeit, das auch nach unzähligen Küssen noch nicht befriedigt war.
 

All das fehlte - die Berührung des Gitarristen war nicht dasselbe wie eine Berührung des Bassisten. Brad war nicht Dave.
 

Und Rob realisierte, dass es Dave war, den er wollte, nachdem er sich sehnte, der seine Träume beherrschte.
 

„Phoenix, oder wie? Wie hat er denn geschafft, das geheim zu halten?“, fragte Brad, das unangenehme Schweigen unterbrechend, einen schwer zu definierenden Unterton in der Stimme. Klang er belustigt? Frostig? Ungläubig?
 

Rob antwortete nicht, wich dem brennenden Blick des anderen aus. Er war ihm die Antwort schuldig, aber er wagte nicht, sie endlich auszusprechen.
 

So schwieg er.
 

„Du musst ihn ja wirklich lieben, wenn du wegen ihm bewusst gegen den Talmud verstößt.“
 

Rob sah entsetzt auf, glaubte seinen Ohren nicht.
 

„Denkst du, dass es so fatal war?“
 

Ehrliches Erschrecken klang in der Stimme des Drummers mit, färbte sie auf unangenehme Art und Weise ein.
 

„Nein, Rob. Wenn du ihn wirklich liebst, dann vergiss diese Verbote und Gebote einfach. Dafür darf dir alles andere egal sein“, flüsterte Brad, nicht zu lauterer Aussprache fähig, da er einen verräterischen Klos im Hals spürte. Seine Augen brannten und juckten auf einmal, nur mit Mühe konnte er die Tränen wegblinzeln. Er wunderte sich nicht mehr über die Reaktion seines Körpers. So hundeelend wie er sich fühlte, konnte er nachvollziehen, warum.
 

Dennoch rang er sich dazu durch, Rob das zu geben, das er hören wollte, um glücklich zu sein - mit Dave, auf den Brad im Augenblick eine schwer zu greifende, schwelende Wut empfand, die alles toppte, was er bisher in Bezug auf den Bassisten empfunden hatte.
 

„Bis jetzt hast du nach diesen Regeln gelebt, aber glücklich gemacht haben sie dich nicht. Jetzt hast du die Chance - ich nehme an, du hast Dave deswegen sicherlich in die Wüste geschickt - also ergreif sie! Vergiss diese eine Regel, brich sie, du wirst deswegen nicht zu einem anderen Menschen - schließlich bewahrst du deine Werte trotz allem“, fasste er seinen Ratschlag zusammen, sah Rob in die Augen und schaffte es sogar, die sich in seinen Augen sammelnden Tränen zu ignorieren.
 

„Wirklich?“, fragte der Drummer hoffnungsvoll, schien zu überlegen. Brad ersparte sich einen Kommentar, nickte nur bedächtig.
 

Alles in ihm schrie danach, zu gehen. Er musste hier weg. Er wollte ohne Zeugen die Beherrschung verlieren.
 

Rob bemerkte vom inneren Kampf des Gitarristen nicht viel, er war zu abgelenkt von der Erkenntnis, die sich nun auch in seinem Kopf vollzog.
 

Es war so simpel: Brad hatte Recht. Rob fragte sich, warum er sich so schwer damit getan hatte, das zu akzeptieren. Hatte er erst jemanden gebraucht, der die Worte aussprach, die er hören wollte? Offensichtlich.
 

Zum Glück hatte Brad dies übernommen. Rob war ihm unendlich dankbar. So dankbar, dass er ihn spontan umarmte, ihm ein heiseres 'Danke' ins Ohr flüsterte und ihn dann ansah, ein leises Lächeln auf den Lippen.
 

Brad sah ihn undefinierbar an, wich schließlich dem überglücklichen Blick aus. Er räusperte sich, dachte angestrengt nach, wie er schnellstmöglich von Rob wegkam.
 

„Ich lass dich dann mal alleine. Ich denke, du hast was zu tun“, murmelte er, erhob sich und war schon an der Tür, als Robs Stimme ihn kurz innehalten ließ.
 

„Ja. Danke, Brad... Ist mit dir alles in Ordnung?“
 

„Ja“, presste Angesprochener heraus, schoss in Windeseile aus der Wohnung und schloss die Tür hinter sich.
 

Ihm fehlten die Worte, um seine Gefühle der Wut, des Hasses und der Empörung, aber auch der Trauer und der Verzweiflung auszudrücken. Er hatte das Verlangen, die gesamte Welt zusammen zu schreien, alle Häuserwände in Los Angeles mit Flüchen zu bemalen, seine Gitarren zu zertrümmern - am liebsten auf seinen Autos - wohl wissend, dass er dramatisierte, aber er konnte einfach nicht anders. Der Zerstörungsdrang hatte von ihm Besitz ergriffen, war so unglaublich stark, dass er sich nicht mehr dagegen stemmen konnte. Brad konnte nicht anders, als mit der Faust gegen die nächste Wand zu hauen, wieder und wieder und wieder. Die Pein nicht wahrnehmend, so zerfressen vom innerlichen Schmerz. Die Handknöchel waren schon nach kurzer Zeit aufgeschlagen, doch er nahm es nicht wahr. Wieder und wieder schlug er sich die Wut auf sich selbst, sein Schicksal, die Welt und auch Dave aus dem Leib, ohne dass er sie mindern konnte.
 

Ein Wort trat wiederholend aus seinem Mund - in einer Endlosschleife.
 

„Fuck! Fuck! Fuck! Fuck! Fuck! Fuck!”
 

Automatisch und nicht mehr von Brad gesteuert, liefen ihm dicke Tränen über die Wangen, benässten seinen Kragen und sein Hemd, tropften über seinen Hals und versickerten in der Kleidung. Seine Augen brannten, er presste sie zusammen, konnte sowieso nichts mehr wahrnehmen durch den nebligen Schleier der Tränenflüssigkeit, die sein Körper plötzlich literweise – zumindest erschien es ihm so - abgab. Als habe er sie nur für diesen Moment aufbewahrt. Der Moment, an dem ihm das Schicksal den Mittelfinger zeigte, der Moment, an dem er sich so verarscht von der Welt und Gott vorkam, dass er beides am liebsten zusammengeschlagen hätte. Der Moment, an dem er sich wirklich fragte, womit er das verdient hatte - er musste wirklich eine Menge Mist gebaut haben, um diese Art der Bestrafung verdient zu haben.
 

Es gab wohl keine höhnischere, verletzendere, deprimierendere, erniedrigendere Art und Weise, abgewiesen zu werden. Das Gefühl kam einem Schlag ins Gesicht gleich, einer Blöße, einem nicht endenden Schmerz.
 

Und nichts konnte diesen Schmerz überlagern, nicht einmal die blutenden Handknöchel, die Brad immer noch gegen die Wand donnerte, immer noch keinen Schmerz wahrnehmend.
 

Sein andauerndes Fluchen war mittlerweile einem leisen Schluchzen gewichen, in das sich letztlich flüsternde Worte verzweifelnd mischten:
 

„Verdammt … ICH wollte ihn doch …“

Phoenix’ PoV:
 

Bandmeeting. Im Studio. Das neue Album war schon so gut wie fertig, die Kritiken häuften sich auf Mikes Arbeitsplatz, der in letzter Zeit extrem fuchsig geworden war. Kein Wunder, es stand ja genug auf dem Spiel Warum hatte er euch unbedingt ein Konzept-Album machen müssen, warum hatte er sich unbedingt von Joes genialer Idee anstecken lassen müssen. Chester war ja schnell überzeugt und Brad sowie Rob sagten sowieso zu allem, was der Emcee vorschlug, ‚Ja’ und ‚Amen’, doch ich hatte mich dagegen ausgesprochen.
 

Mein Protest war natürlich von allen Anwesenden damals ignoriert worden und letzten Endes war es mir dann doch nicht so viel wert gewesen, sodass ich Sturkopf eingelenkt hatte. Auch auf Bitten von Rob.
 

Und jetzt - welche Ironie - bekam Mike von mehreren Stellen bescheinigt, dass es wohl doch keine so gute Idee gewesen war mit dem Konzept-Album. Ich hätte mich ja ins Fäustchen gelacht, dummerweise betraf es mich jetzt auch mit. Wir saßen alle in einem Boot, genannt Linkin Park und abhängig vom Wellengang der Kritiker, Fans und aller Menschen, die unser Album vielleicht einmal kaufen würde.
 

Doch das war nicht die Quintessens des heutigen Meetings gewesen. Nein, es ging um etwas anderes. Nämlich darum, welche Songs man in welcher Weise am besten arrangieren konnte, damit das geplante Konzert ein voller Erfolg sein würde. Ein sehr ermüdendes Thema für mich, da Mike seit unserem letzten Streit immer weniger auf meine Meinung gab und Brad ihn dabei auch noch unterstützte.
 

Die beiden hatten mir meinen Austrittsversuch immer noch nicht nachgesehen und konnten mich nicht verstehen. Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Doch den wahren Grund für meine Eskapaden konnte ich ihnen auch nicht sagen, da das jemand anderes nicht wollte.
 

Andererseits verstand ich nicht, warum Brad jetzt den gleichen Zug wie der Emcee fuhr. Dass Mike sauer auf mich war, weil ich seine Autorität oftmals untergraben und beinahe sein Lebenswerk ins Wanken gebracht hatte - zumindest aus seiner Sicht - konnte ich nachvollziehen. Und trotz das es schon über zwei Jahre her war, hatte Mike das damals Geschehene im Kopf behalten und würde es auch nicht mehr vergessen können. Aber auch das kannte ich an ihm und konnte es nachvollziehen.
 

Nicht aber, warum Brad, vor allem seit wir angefangen hatten, an dem Album zu arbeiten, mich mit finsteren Blicken erdolchte, wenn er dachte, außer mir würde es keiner sehen und kurz angebunden mit mir sprach. Ich hatte ihn einmal darauf angesprochen, doch er war geschickt ausgewichen und hatte den mürrischen Gitarristen gemimt. Eine Rolle, die er zur Perfektion beherrschte. Und die er oft zum Einsatz brachte, wenn er in Ruhe gelassen werden wollte. Ich war kurz davor gewesen, ihn anzuschreien. Doch das hätte nichts verändert. Also hatte ich es gelassen und mich beherrscht.
 

Auch ich schauspielerte viel in letzter Zeit. Seit genau genommen einem Jahr hatte ich meine Rolle angenommen und spielte sie seitdem nahezu ununterbrochen. Es gab keine Drehpausen für mich, keine Zeit zum Verschnaufen. Ich stellte David Farrell, den gutgelaunten Bassisten von Linkin Park, dar. Den Mann, der Witze mit Joe riss, zusammen mit Chester Mike mit seinen Marotten aufzog, und sich mit letzterem über tiefgehende Probleme bezüglich der Instrumentalisierung des neuen Albums austauschte.
 

Ich war der wandelnde Sarkasmus, der mit spitzen Bemerkungen die angespannte Atmosphäre auflockerte, wo immer ich konnte. Und meist gelang mir das auch ebenso gut, wie es mir früher gelungen war - vor der ganzen Scheiße der näheren Vergangenheit.

Doch daran wollte ich nicht denken, war es doch schwer genug, jeden Tag den Anschein aufrecht zuhalten, dass alles in Ordnung sei. Es funktionierte auch nur bedingt.
 

Hin und wieder erwischte mich eine melancholische Erinnerung, der ich mich dann hingab und verwunderte Blicke der anderen erntete, wenn ich plötzlich still und trübsinnig oder aggressiv wurde. Doch ich hatte mich meistens im Griff, erlaubte mir nicht, unnütz Gedanken an Dinge zu verschwenden, die nicht zu ändern waren. Ich wollte nicht, dass sich die anderen Sorgen um mich machten, ich hatte ihnen mehr als genug Ärgernisse beschert mit meiner ziemlich dummen Aktion vor zwei Jahren.
 

Mike hatte es nicht vergessen, das ließ er mich sehr oft spüren. Der Emcee dachte vermutlich öfter als mir lieb war über diese seltsame und kopflose Aktion von mir nach. Ich hatte ihm nie den wahren Grund erläutert und würde dies auch nicht tun.
 

Auch Joe wusste nicht, was damals mit mir los gewesen war.
 

Bei Brad war ich mir nicht sicher, irgendwie hatte ich von Zeit zu Zeit den Eindruck, er würde mehr wissen als es den Anschein hatte. Vielleicht hatte er sich ein paar Dinge zusammengereimt, die den anderen beiden verborgen geblieben waren. Schließlich verbrachte er mehr Zeit mit Rob als Mike oder Joe, und vielleicht hatte der Drummer ihm unbeabsichtigt mehr von dieser Sache - über die er freiwillig nie ein Wort verlieren würde, da war ich mir ganz sicher - verraten. Natürlich unbewusst, doch Brad war ein guter Beobachter und im Gegensatz zu Chester dachte er viel nach, bevor er seine Meinung äußerte.
 

Doch solange mich Brad nicht von selber ansprechen würde, wollte ich mich nicht auf eine Provokation meinerseits einlassen. Auch heute traf mich wieder einer seiner halb wütenden, halb misstrauischen Blicke. Ich ignorierte ihn, wich dem starrenden Blick aus. Hin zu Chester, der mich ebenfalls ansah. Sein Gesichtsausdruck ließ sich schwer einschätzen, er könnte sowohl Neugierde als auch Misstrauen zeigen. Auch ihn ignorierte ich, zum Glück sah er bald wieder zu Mike, der sich tatsächlich gerade die schwarzen Haare raufte, was wirklich merkwürdig aussah. Chester brach in lautes Lachen aus, was ihn mich wieder vergessen ließ. Auch der Rest der Anwesenden feixte, ich bemühte mich, ebenfalls mitzumachen, um nicht aufzufallen.
 

Vor allem nicht Chester. Denn der war tatsächlich einer derjenigen, die recht früh bemerkt hatten, was mit mir nicht stimmte. Und Chester hatte auch großen Anteil an der Lösung der damals aufgetretenen Konflikte. Im Nachhinein wusste ich nicht, ob ich ihm danken oder ihn dafür verdammen sollte. Zumindest war ich froh, dass er sich nach seinem letzten Einwirken auf Rob komplett aus dieser Sache herausgehalten hatte.
 

Diese Sache. Meine Affäre - denn es anders zu bezeichnen weigerte ich mich - mit Rob. Sie begann ganz romantisch mit unerwiderten Gefühlen auf meiner Seite, spitzte sich wie in einem schlechten Liebesdrama immer mehr zu, woran vor allem mein plötzlich wieder auf Teenager-Niveau herabgesunkener Verstand schuld war. Und dann war dieses alberne Drama zum Höhepunkt gesteuert, um mit einem offenen Ende das weitere Schicksal unbestimmt zu lassen. Wenn es ein Film oder ein Buch gewesen wäre, hätte ich das offene Ende vermutlich gemocht, da ich Happy Ends nicht leiden konnte. Andererseits hätte ich so einen Kitsch vielleicht auch nie angeguckt.
 

Wie auch immer, im realen Leben hatte ich mich hin und her gerissen gefühlt, einerseits war ich glücklich gewesen über die Tatsache, dass ich mit Rob diese seltsame, andersartige Beziehung hatte, andererseits hatte ich sie verdammt, da sie zum Scheitern verurteilt gewesen war. Selbstverleugnung und Gewissensfragen waren an der Tagesordnung gewesen. Wie lange konnte eine auf Verzweiflung basierende Beziehung halten? Nicht lange. Nach einem Jahr war Schluss gewesen. Endgültig.
 

Es gab diese verdammte Sache nicht mehr. Diese Sache. Jetzt betitelte ich das Gewesene auch schon so. Ich wollte mich nicht daran erinnern, nicht daran denken müssen, was ich verloren hatte.
 

Denn immer dann, wenn meine Gedanken mal wieder dort landeten, sehnte ich mich zurück. Ich sehnte mich nach Robs Berührungen, nach seinen tiefen, dunklen Augen, in die ich geradezu hineinfallen konnte, nach seinen weichen Haaren, die mich so oft so angenehm gekitzelt hatten, nach seinen Lippen, die so verführerisch leidenschaftlich sein konnten.

Und schon war ich wieder in der Vergangenheit gelandet…
 


 

Überall Kabel auf dem Boden verstreut, verschiedenste Utensilien, all das was Mike vorhin nicht wieder weggeräumt hatte, lag im Studio ungeordnet herum. Der Emcee war in seiner kreativen Phase, oder vielleicht auch schon darüber hinaus und probierte eine Menge neuen Kram aus. Heute waren Brad, Rob und ich ebenfalls im Studio gewesen, um ihm zu helfen und uns über ein paar Demoversionen auszutauschen, an denen Mike arbeitete.
 

Brad war schon gegangen und Mike war ebenfalls verschwunden, da zwischenzeitlich seine Frau angerufen hatte und ihn nach Hause beordert hatte.

Also waren nur noch Rob und ich hier, und eigentlich wollten wir auch verschwinden.
 

Während ich also meinen Weg zwischen den Stolperfallen hindurch zur Tür suchte, reichte ein kurzer Moment der Unachtsamkeit, um über eins dieser vermaledeiten Kabel zu stolpern. Kurzzeitig verlor ich die Balance und wäre vielleicht sogar gestürzt, hätten mich nicht zwei Arme gefangen und stabilisiert. Ich zuckte vor Schreck zusammen, da ich nicht erwartet hatte, jemanden so nahe hinter mir zu haben. Doch der Schreck hielt nur kurz an, danach stellte sich ein wohlig vertrautes Gefühl ein, das sich angenehm warm und süchtig machend anfühlte. Ich atmete Robs Geruch ein, spürte seine Wärme an mir, seine starken Arme, die mich langsam wieder losließen.

„Pass auf“, murmelte er leise in mein Ohr, ich spürte die Vibrationen, als seine tiefe Stimme in mir nachhallte.
 

„Ja, ich war nur kurz unaufmerksam“, antwortete ich abwesend, drehte mich zu ihm um, bemerkte seinen Schritt rückwärts und überbrückte die soeben entstandene Distanz durch einen Schritt meinerseits. Meine Hand war schon halb erhoben, als Robs unsicher flackernder Blick durch das leere Studio huschte und er mir dann erst erlaubte, ihn zu berühren, indem er ebenfalls das letzte Stückchen auf mich zutrat.
 

„Dave, wir…“, begann er leise.

„…sind allein hier.“, versicherte ich ihm, meine Finger strichen über seine Wange, zogen ihn schließlich zu mir. Meine Lippen nahmen die seinen in Besitz, sein anfängliches Zögern ging bald in ein leidenschaftliches Zungenspiel über. Das war eine Angewohnheit von ihm, die ich schon gewohnt war. Anfängliches Sträuben, dann jedoch presste sich Rob an mich wie ein Ertrinkender an einen Rettungsring. Mir war das egal, ich bevorzugte sowieso Leidenschaft vor Zärtlichkeit und Blümchensex; ich hatte es lieber etwas härter und intensiver. Und mit Rob war es härter und intensiver. Als er seine anfängliche Scheu abgelegt hatte, war er nicht mehr derselbe. Mich hatte es etwas erschreckt, wie anders er doch im Rausch der Leidenschaft war, doch ich begehrte diesen Rob nicht weniger als den anderen, scheuen, zurückhaltenden Rob.
 

„Verdammt noch mal, Rob!“, quetschte ich in der kurzen Pause zwischen zwei Zungenküssen heraus, versuchte ihn davon abzubringen, meine Jeans zu öffnen, was mir jedoch misslang. Während er meine Lippen beschäftigte, brachte er es zustande, mit einer Hand den störrischen Reißverschluss zu bezwingen und die Jeans ein Stück herunter zu ziehen. Seine Finger brachten mich auf Touren, fluchend gab ich auf, das Unvermeidliche zu vermeiden und klinkte meinen Verstand aus. Mein Körper wusste, was ich wollte und wie ich es wollte und übernahm die Kontrolle.
 


 

Langsam stieg ich wieder auf aus dem Schwall angenehmer Empfindungen und dachte stattdessen an die Folgen unseres triebgesteuerten Verhaltens.
 

Mike hatte sich darüber beschwert, wie wir das Studio hinterlassen hatten. Auf meine Einwände, er selbst habe den Großteil dieses Chaos verursacht, hörte er nicht.
 

Rob trug eine Woche lang nur Rollkragenpullover, die bei der sommerlichen Hitze gar nicht angenehm waren. Dieses sonderbare Verhalten trug ihm jede Menge seltsamer Blicke ein und Chester witzelte besonders gerne darüber, wobei seine Witze immer nur haarscharf an der Wahrheit vorbeigezielt waren. Doch außer mir und Rob konnte das keiner wissen.
 

Ich selber hatte selbst noch anderthalb Wochen später schwache Spuren von blauen Flecken, die entstanden waren, als mein Rücken Bekanntschaft mit der Kante des Mischpultes gemacht hatte. Seltsamerweise konnte ich mich zwar noch daran erinnern, dass es für einen kurzen Moment sehr schmerzhaft gewesen war, als ich von Rob dagegen gestoßen wurde, doch danach hatte ich es sofort wieder vergessen. Angefangen zu schmerzen hatte der Bluterguss erst, als ich zu Hause unter der Dusche gestanden hatte und mir die Überreste von Schweiß und Sperma vom Körper gewaschen hatte.
 

Seltsam, wie sehr die Wahrnehmungsfähigkeit doch durch Sex verändert wurde. War das nur bei mir so? Ich wagte es zu bezweifeln.
 

Doch meine tiefsinnigen Gedanken wurden urplötzlich durch Mike unterbrochen, der sich mit einer Frage an mich wandte.
 

„Denkst du, das war eine falsche Entscheidung?“
 

Ich schluckte, war mir plötzlich der auf mich gerichteten Blicke bewusst. Angestrengt versuchte ich nicht dahin zu schauen, wo meine Erinnerung damals stattgefunden hatte. Ohne Erfolg. Mein Blick huschte durch den Raum, verweilte kurz und fixierte dann Mike.
 

„Das wird sich erst entscheiden, wenn das Album in den Läden steht. Aber egal ob es falsch oder richtig war, am Ende müssen wir sie tragen. Deshalb ist sie richtig.“, erklärte ich meine Meinung. Offensichtlich war es das, was Mike hören wollte, denn er nickte und führte seine Diskussion mit Brad und Chester weiter. Ich wartete kurz, dann ergriff ich meine Chance, als Mike, verbal von Chester geschlagen, kurzzeitig still war und Chester fröhlich grinsend in die Runde blickte - um mich zu verabschieden.
 

„Ich werd abschwirren, heute werdet ihr euch ja doch nicht mehr einig, da geh ich lieber nach Hause.“
 

Sofort wandten sich mir alle Gesichter zu, ausgenommen einem. Ich registrierte das sehr wohl, obschon ich denjenigen nicht ansah.
 

„Wieso das denn? Geht’s dir nicht gut?“, erkundigte sich Mike beinahe schon fürsorglich. Ich fragte mich, was ihn zu dieser Reaktion bewogen hatte.
 

„Wieso soll’s mir nicht gut gehen?“, fragte ich verdattert.
 

Erneut verunsicherte Blicke, bis sich schließlich Joe äußerte.

„Du bist ganz schön blass, Phoe. Du siehst nicht gut aus.“
 

„Echt?“ Ich tat verwundert, hatte dann aber eine gute Idee.

„Kann sein, ich bin etwas müde. Deshalb will ich jetzt auch gehen, wenn ihr nichts dagegen habt. Habt ihr?“ Mein Blick wanderte durch die Runde.
 

Bis auf Brad und denjenigen, der meinen Blick immer noch mied, wich mir keiner aus.

„Geh nur. Wir besprechen die Tour beim nächsten Mal. Du bist online, wenn’s dir besser geht?“, ließ Mike verlauten.
 

„Ja natürlich. Wozu gibt’s Internet.“, bemühte ich mich um Sarkasmus, bevor ich mich verabschiedete und die fünf Männer im Studio allein ließ. Erfolgreich geflüchtet.
 


 

Ich hatte eigentlich vorgehabt, nie wieder vor ihm zu flüchten. Und doch wünschte ich mir gerade, an jedem anderen Ort zu sein, nur nicht hier. Fast allein im Hotelzimmer. Fast. Zwischen Allein und diesem Fast lag das ganze große Unglück. Eine einzige Person war anwesend, eine Person, deren Anblick mein Blut zum Kochen brachte, intensivste und nicht nur positive Gefühle heraufbeschwor und mein Herz zum Schmerzen brachte. Rob.
 

Einen knappen Monat war es her, seit wir beschlossen hatten, unsere Beziehung, die keine richtige war und deshalb eigentlich auch diesen Namen nicht verdiente, aufzulösen und sie auch nicht wieder anzusprechen. Wir wollten sie vergessen, da wir uns einig waren, das es so nicht weitergehen konnte. Sogar ich hatte es letztendlich eingesehen. Bis zuletzt hatte ich mich gestäubt, das unverkennbare zu erkennen, doch dann musste ich die Wahrheit akzeptieren. Ich wollte nicht, das Rob sich wegen mir quälte, wollte nicht Schuld an seinen Gewissensbissen sein. Und so hatte ich es in Kauf genommen, unsere Affäre - dieser Begriff passte mir besser - zu beenden. Obwohl mein Herz empört aufgeschrieen und rebelliert hatte, redete ich mir ein, dass es so besser sein würde. Rob würde sich besser fühlen, und das war es mir wert, an Liebeskummer zu vergehen. Auch wenn ich das hasste. Doch es war nichts, woran man sterben konnte, das redete ich mir zumindest ein. Was war ich nur für ein selbstloser Held.
 

Und jetzt war ich doch ganz zufrieden mit mir, da ich bisher noch nicht in Depressionen versunken war oder ähnliche emotionale Tiefpunkte gehabt hatte. Die Betonung lag allerdings auf ‚bis jetzt’. Denn bis jetzt hatte ich Rob kaum gesehen, und wenn wir uns begegnet waren, hatten wir immer anderes, Wichtiges zu besprechen gehabt. Außerdem waren wir bisher auch noch nie alleine in einem Raum gewesen, sodass wir noch gar nicht darüber hätten reden können.
 

Doch jetzt war es so weit. Joe, mit dem ich mir das Zimmer teilte, war kurzerhand mit Brad verschwunden und hatte Rob hier gelassen. Warum auch immer. Vielleicht war das ja Schicksal, das ich mich Rob zu stellen hatte. Wollen tat ich es nicht. Aber wann fragte die gemeine Schlampe namens Schicksal schon nach Wünschen?
 

„Wie…wie geht’s dir?“, klang Robs Stimme durch den Raum, tief und leicht rauchig - er rauchte nicht, daher nahm ich an, der Klang seiner Stimme wurde beeinflusst von seinem seelischen Zustand - emotionale Aufgewühltheit äußerte sich bei ihm so, das hatte ich ja zur Genüge mitbekommen. Und als wollte er mir beweisen, wie recht ich hatte, zeigte Rob, der am anderen Ende des Zimmers an der Wand mit verschränken Armen lehnte, Anzeichen von Unsicherheit, die anzusehen ich von früher gewohnt war. Nerven tat es mich immer noch.
 

Ich verdammte seine Anwesenheit und zwang mich zu ein wenig Smalltalk, obwohl ich am liebsten aus dem Zimmer gestürmt wäre. Aber wie würde das aussehen? Ziemlich stark nach Flucht, und das konnte ich mir nicht geben.
 

„Geht so. Dir?“

Er nickte bloß und murmelte etwas Unverständliches. Ich ignorierte ihn und betete, er möge verschwinden, während ich mein Laptop aufklappte und hochfuhr. Vielleicht würde ich es schaffen, Modern Warfare zu starten und damit eine Ausrede zu haben, um Rob loszuwerden.
 

Doch leider tat Rob mir nicht den Gefallen - und mein Laptop auch nicht, er brachte mir nur eine Fehlermeldung, als ich das Spiel starten wollte - sondern blieb, wartete eine Weile schweigsam und als ich das Gespräch nicht fortsetzte, versuchte er es selbst.

„Was hältst du von Mikes Idee? Du hast dich vorhin nicht dazu geäußert…“
 

Die Nähe seiner Stimme ließ darauf schließen, dass er genau hinter mir stand, mein Körper reagierte bereits auf ihn, eine Gänsehaut bildete sich auf meinen Rücken und ich begann zu schwitzen. Ich war schon ziemlich jämmerlich, betrachtete man es objektiv.
 

„Ich halte nicht viel davon, aber das interessiert Mike garantiert nicht.“, antwortete ich abwesend und versuchte mich zusammenzureißen. Warum musste Rob jetzt hier sein? Noch ein paar Tage Abstand und ich hätte diese Situation besser handeln können. Schicksal, wie kann ich dir am besten eine reinhauen?
 

„Hmm…warum hältst du nichts davon? Ich meine…“ Man hörte Rob an, wie er sich um die Fortführung dieses Nichtsaussagenden Gesprächs bemühte. Ich hatte aber nicht vor, länger sein Spielchen mitzuspielen. Mir riss der Geduldsfaden.
 

„Was, verdammt noch mal, willst du, Rob?“, stieß ich entnervt vor und drehte mich zu Rob um, der tatsächlich nur knapp einen Meter hinter mir stand. Rob zuckte vor Schreck leicht zurück, vermutlich war meine Reaktion doch etwas übertrieben gewesen. Insgeheim verfluchte ich mein Temperament.
 

„Ich weiß nicht, worauf du hinaus willst…“, meinte Rob langsam zu mir, vielleicht dachte er, mich so beruhigen zu können. Doch es beruhigte mich nicht. Im Gegenteil, es brachte mich noch mehr auf. Ich wurde gemein, um meinen Schmerz zu verbergen, der in meinem Herzen wütete und es von innen heraus verbrannte.
 

„Du bist ein sadistisches Arschloch. Macht es dir Spaß, hier zu stehen und so zu tun als wäre nichts gewesen?“, knallte ich ihm an den Kopf, nicht darüber nachdenkend, wie unmöglich mein Verhalten war.
 

„Was zur…?“ Rob verengte die Augen, blickte mich misstrauisch an.

„Wenn du schon von mir verlangst, alles zu vergessen, dann gib mir auch die Zeit, damit abzuschließen. Und hänge nicht in meiner Nähe rum, ich brauche erstmal Abstand, bevor ich das alles akzeptiert habe. Glaubst du, das geht so einfach? Von jetzt auf gleich oder was?“, klagte ich, als Rob nicht weiter sprach. Meine Wut schwang immer noch in meiner aufgebrachten Stimme mit, noch konnte ich mich nicht wieder bremsen.
 

Doch Rob schien mich zu verstehen, seine misstrauische Miene glättete sich und nahm einen wissenden Ausdruck an.

„Nein, natürlich glaube ich das nicht.“, lenkte er ein.
 

„Und warum quälst du mich dann so?“, hakte ich sofort nach, der Schmerz stieg langsam in mir auf und färbte meine Stimme ein. Sie klang nicht mehr aufgebracht sondern verzweifelt. Ich verdammte mich dafür. Ich hatte mir vorgenommen, vor Rob keine Verzweiflung mehr zu zeigen.

Wie ich nun bemerke, schienen alle Vorsätze für die Katz gewesen zu sein.
 

„Das…das will ich nicht. Es tut mir Leid. Was kann ich tun…?“, stotterte Rob unsicher, unwillkürlich hatte er die Arme nach mir ausgestreckt, als wolle er mich an sich ziehen. Diese Geste gab mir den Rest. Die Wut kochte erneut hoch.
 

„Du kannst mich mal. Verschwinde. Dein ‚Es tut mir Leid’ kannst du dir sonst wo hin stecken. Er ändert gar nichts!“, schrie ich, meinem Groll Luft machend.
 

„Oh, Dave…“, seufzte Rob nur, mein Ausbruch hatte ihn diesmal nicht erschreckt. Er kam noch einen Schritt näher, berührte mich aber immer noch nicht. Seine ausgestreckte Hand schlug ich weg, bevor sie mich erreichen konnte. Danach musste ich gegen den Drang ankämpfen, sie nicht auszuschütteln, denn mir war, als hätte ich mich an Robs nacktem Arm verbrannt.
 

„Es ist deine Schuld, also spar dir das. Ich habe zugestimmt, aber nur wegen dir, verdammt noch mal. Ich werde meine Meinung nicht ändern. Nur du kannst es ändern.“, erklärte ich mich, immer leiser werdend. Zuletzt flüsterte ich nur, darauf hoffend, er würde etwas ändern.

„Ich kann nichts ändern, das weißt du. So ist es besser.“, gab er flüsternd die Antwort, die ich nicht hören wollte.
 

Ich ließ den Kopf hängen, das bisschen Hoffnung in mir verdammend, das sich soeben in Schmerz und Verzweiflung verwandelte.

„Ich weiß. Aber dann verlange nicht von mir, dass ich das so schnell wegstecke. Du weißt ja…“ Ich stockte, unfähig weiter zu sprechen. Rob wusste auch so, was ich meinte und ich sah, wie dieses Wissen ihn quälte. Als er diesmal seinen Arm ausstreckte und mich an sich zog, wehrte ich mich nicht, stattdessen versank ich ihn seiner Umarmung, seinen Geruch inhalierend, seine Wärme genießend und die Tränen bekämpfend, die sich in meine Augen stahlen.

Rob seufzte, streichelte sanft meinen Rücken, was einen Schauder auf meiner Haut erzeugte.

„Auch wenn es dir nichts bringt: Es tut mir wirklich Leid. Manchmal könnte ich die ganze Welt verdammen. Warum muss das alles so kompliziert sein?“, murmelte er leise.
 

„Tja, es wäre wirklich geil, wenn du nicht so ein Idiot wärst.“, meinte ich verbittert, was Rob ein weiteres Seufzen entlockte. Seine angenehmen Berührungen stoppten nicht und ich kuschelte mich an ihn, hielt ihn fest und betete, dieser Moment möge niemals enden. Alles erschien mir so vertraut, Rob war mir so vertraut, dass es doppelt wehtat, zu wissen, das diese seltsame Beziehung zwischen uns zerbrochen war.

Doch auch dieser so schöne Moment musste enden, doch bevor ich mich aus Robs Umarmung lösen konnte, küsste mich dieser brutal auf die Lippen, presste mich an sich, legte eine unglaubliche und verzweifelte Leidenschaft in diesen Kuss, der höchst wahrscheinlich der letzte sein würde, den er mir schenkte.

Ich stieß ihn weg, sobald ich ihn überwinden konnte. Funkelte ihn wütend an. Ich hatte das nicht gewollt, hatte es sogar vermeiden wollen, da es in mir eine bestimmte Reaktion erzeugen würde, die absolut unbrauchbar war. Hoffnung.

„Das war nicht gut.“, presste ich heraus.

„Ich weiß. Es tut mir Leid. Ich werde jetzt gehen.“, murmelte Rob traurig, drehte sich um und trat zur Tür. Bevor er die Klinke herabdrückte, verharrte er kurz, als ob er auf eine Reaktion meinerseits wartete. Doch ich schwieg.

Erst als er endlich weg war, trat ich zum Fenster, um es zu öffnen und seinen männlichen Geruch, der in mir schmerzlich schöne Erinnerungen hervorholte, aus dem Zimmer zu vertreiben.
 

The End

Phoenix’ PoV:
 

Ein vertrautes Geräusch riss mich aus dem Halbschlaf. Im ersten Moment konnte ich es nicht zuordnen, doch dann erkannte ich meine Haustürklingel. Leise murrend erhob ich mich vom Sofa, auf dem ich bis jetzt gedöst hatte, schnappte mir mein Hemd und zog es über, ohne es zuzuknöpfen.

Wer um alles in der Welt war das nun wieder? Konnte man mich nicht mal in Ruhe ein Nickerchen machen lassen? Sicherlich war es wieder Mike oder Brad, die sich erkundigen wollten wie es mir ging…typisch…
 

Einen Blick durch den Türspion später zuckte ich zusammen und fragte mich, ob ich immer noch träumte. Nein, Mike oder Brad waren es diesmal nicht… dafür jemand anderes. Die Person vor der Tür war eindeutig als Rob zu identifizieren. Kurz überdachte ich die Idee, einfach so zu tun als würde ich nicht zu Hause sein, rief mir dann aber in Erinnerung, dass Rob wusste, das ich hier war und öffnete ihm die Wohnungstür.
 

„Phoenix.“, begrüßte er mich. Ich nickte bloß, bedeutete ihm einzutreten und schloss die Tür hinter ihm. Mein Hemd zuknöpfend folgte ich ihm, fragte mich, was er wohl hier wollen könnte. Hatten Mike und Brad ihn geschickt? Falls ja dann war das ein schlauer Schachzug. Rob würde ich nicht anranzen, egal, bei was er mich gestört hätte. Mike oder Brad hätten auf alle Fälle von mir ein paar bissige Kommentare zu Hören gekriegt. Daher hatten sie vielleicht jemand anderen geschickt…oder Rob war aus anderen Gründen hier. Bloß…
 

„Warum bist du hier?“

„Ich wollte sicher gehen, dass es dir gut geht.“, antwortete Rob, drehte sich zu mir um und musterte mich. Seine Augenbraue wanderte in Richtung Stirn, dann stellte er trocken fest, dass ich mein Hemd falsch geknöpft hatte.

„Ist doch egal, wer sieht mich denn?“, entgegnete ich nur. Sollte er alleine darauf gekommen sein, mir einen Besucht abzustatten? Irgendwie bezweifelte ich, dass dies der einzige Grund für sein Erscheinen war. Ich kannte ihn zu gut. Er wollte garantiert noch etwas anderes.
 

„Ich sehe dich, zum Beispiel.“, brachte Rob mich wieder in die Realität zurück.

„Na und? Du hast mich auch schon zur Genüge ohne einen Fetzen Stoff gesehen, also sollte dich das nicht stören, wenn ich mein Hemd nicht richtig zugeknöpft hab.“, stichelte ich. Vielleicht war ich fies, doch meine Aktionen waren nichts gegen Rob’s. Ihn schien es auch nicht sonderlich zu stören, das ich diesen Kommentar losgelassen hatte, denn er zuckte nur mit den Schultern, fragte mich dann, ob er mich beim etwas unterbrochen hatte.

„Ja, beim Schlafen. Willst du was trinken?“
 

Das Gespräch blieb zumindest für eine halbe Stunde oberflächlich, worüber ich dankbar war, da mir der Traum noch zu schaffen machte. Warum musste diese unerfreuliche Erinnerung gerade jetzt wieder aus den Tiefen meines Gedächtnisses nach oben steigen? Doch vom Schicksal brauchte ich keine Antwort zu erwarten, stattdessen bemühte ich mich nicht allzu abwesend zu wirken. Irgendwann stoppte der Smalltalk dann doch und ein kurzes Schweigen folgte, das Rob schließlich brach.
 

„Hattest du in letzter Zeit eigentlich so was wie ein Date?“

„Wie bitte?“, fragte ich verdattert, aus meinen Gedanken aufschreckend. Rob nickte nur und wartete auf eine Antwort, die ich ihm dann auch gab.

„Vor einem knappen Monat war das letzte, glaube ich. War aber nichts, deshalb haben wir uns nicht noch mal getroffen.“, gab ich zögernd Auskunft und fragte mich, was um alles in der Welt diese seltsame Frage bezwecken sollte. Das klang leicht eifersüchtig, oder? Oder machte ich mir wieder nur unnötige Gedanken, weil ich immer noch etwas für Rob empfand und gern gewusst hätte, dass es ihm genauso ging? Vermutlich letzteres. Diese verräterische Hoffnung ließ sich einfach nicht ersticken. Zu dumm.
 

Rob rutschte unruhig auf dem Stuhl herum, seine Finger trommelten den Rhythmus von ‚What i’ve done’ auf den Tisch. Offensichtlich war er nervös. Ich fragte mich, warum. Vielleicht sollte ich auch nervös sein?
 

„Ich hab letztens mit Brad geredet. Hab ihn gefragt, wie er handeln würde, wenn er in meiner Lage gewesen wäre.“

„Häh?“ Ich verstand gar nichts mehr, die Sache hier wurde immer nebulöser und zusammenhangsloser. Was hatte Brad damit zu tun?
 

Rob seufzte, dann sah er mir direkt in die Augen. Ich stellte fest, dass sie traurig aussahen. Meine Güte, was war ich heute wieder auf der Höhe.
 

„Ich hab ihn gefragt, was er tun würde, wenn er mit einem Kerl geschlafen hätte und es ihm gefallen hätte.“, antwortete Rob mit nüchternen Tonfall, während mir beinahe die Kinnlade herunterfiel. Ein heißer Schauder, gefolgt von einem kalten, kroch mir über den Rücken, ich argwöhnte mich verhört zu haben. Plötzlich machte einiges Sinn. Doch in meinem Kopf tauchte auch auf einmal eine Unmenge an Fragen auf. Doch bevor ich die wichtigsten herausfiltern konnte, wartete ich lieber darauf, dass Rob weiter sprechen würde, was er dann auch tat.
 

„Ich habe nichts über dich und mich im Speziellen gesagt und ich glaube nicht, das Brad etwas geahnt hat.“, räumte er dann auch sofort einige Fragen aus. Doch so ganz vertrat ich nicht Robs Meinung. Brad ahnte bestimmt etwas, denn so wie er mich immer anblickte…
 

„Warum hast du ihn so was gefragt?“, entfuhr es mir dann doch, ich fühlte mich etwas überfordert von der Situation. Mein Finger fuhr auf dem Glasrand meines mit Rotwein gefüllten Glases Kreise, offenbarte Rob meine Nervosität.
 

„Ich wollte einfach mal seine Meinung dazu wissen, ich dachte, dann würde ich klarer sehen.“, rechtfertigte Rob sich. Ich nickte ungeduldig und bedeutete ihm, weiter zu reden.
 

„Auf alle Fälle meinte er nur - ich zitiere ihn - wenn der Sex so geil gewesen wäre, würde er es noch mal ausprobieren. Ich hab ihn dann gefragt, wie er es mit sich ausmachen könnte, gegen den Talmud zu verstoßen. Brad’s Ansicht hat mir dann die Augen geöffnet.“
 

Meinen zweifelnden Gesichtsausdruck musste er wohl bemerkt haben, denn Rob änderte die Richtung dieses Gespräches.

„Ich hab mich ihm geoutet. Brad war ziemlich überrascht, weil er nicht glauben konnte, das ich auf Kerle stehe.“, flüsterte er.

„Stehst du denn auf Kerle oder…“, setzte ich an, unterbrach mich dann aber selber und beschloss, das es besser war zu schweigen.
 

„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht genau. Dieselbe Antwort hab ich Brad auch gegeben. Er meinte ich müsste es mal mit einem anderen Typ ausprobieren. Dann würde ich wissen, ob ich nur auf eine Person fixiert bin oder generell auf Männer stehe. Naja, und er hat mir angeboten, es bei ihm auszuprobieren…“, nuschelte Rob, am Ende immer unsicherer und leiser geworden. Ich konnte nachvollziehen, warum. Kurzzeitig dachte ich wieder, dies könnte unmöglich Realität sein, ich musste das hier träumen. Das war einfach zu unglaublich. Aber es gab niemanden, der mich kneifen konnte und selber wollte ich es dann doch nicht tun. War schon ein wenig klischeehaft.
 

„Was?“, ließ ich stattdessen entgeistert vernehmen. Meine Verwunderung brach heute alle bisherigen Rekorde, meine Augen waren vermutlich schon kreisrund und ich sah aus wie ein Auto.

Rob lächelte scheu, offensichtlich hatte er mit einer solchen Reaktion von meiner Seite aus gerechnet, trotzdem war es ihm unangenehm, darüber jetzt zu reden.

„Hast du mit ihm geschlafen? Oh nein, warte, das will ich lieber gar nicht hören.“

Meine Gedanken liefen Amok, ich schwor mir, Brad zusammenzuschlagen, sollte es so sein. Ich reagierte wieder einmal total über, doch es verletzte mich unglaublich, nur den Verdacht zu haben. Und sollte Rob tatsächlich ja sagen…nun, das wollte ich nicht hören.
 

Dessen ungeachtet beschwichtigte und erläuterte Rob mir dennoch was ich wissen oder auch nicht wissen wollte.

„Die Antwort ist nein. Ich hab nicht mit ihm geschlafen, das hätte ich nie getan. Außerdem wollte ich Brad nicht so ausnutzen, immerhin sind wir gute Freunde. Aber bei dem bloßen Gedankenspiel ist mir klar geworden, das ich vermutlich tatsächlich nur auf dich fixiert gewesen war.“
 

Ich versuchte aus seinen Worten schlau zu werden, gab es dann aber auf. Irgendwie schien das ja gut zu klingen, aber der bittere Beigeschmack ließ sich nicht aus meinen Mund vertreiben. Später würde ich vielleicht darüber noch einmal genauer nachdenken, im Moment wollte ich aber etwas anderes wissen.

„Und in wie weit hat dir Brad dann die Augen geöffnet?“
 

Robs braune Augen fixierten mich, ich erkannte eine noch nie zuvor gesehene Entschlossenheit in ihnen. Bildete ich mir das ein? Vielleicht. Aber Einbildung war bekanntlich auch eine Bildung…
 

„Wenn man sein ganzes Leben nur nach Regeln lebt, die einen aber nicht glücklich machen, man aber glücklich sein könnte, wenn man eine dieser Regeln bricht, warum soll man sie dann nicht brechen? Dadurch verändert sich ja nicht der ganze Mensch, man behält seine Wertvorstellungen.“, erklärte Rob verworren, ich konnte ihm nicht so ganz folgen. Doch ich unterbrach ihn nicht, zu sehr war ich von dem gefesselt, was er da berichtete.
 

„Ich hab Brad dann gefragt, wie er handeln würde, wenn den Mann lieben würde. In dem Falle, meinte er, wären ihm sämtliche Verbote und Gebote egal, dafür würde er alles andere sein lassen.“
 

Rob schwieg, sah mich immer noch an. Ich starrte ziemlich perplex zurück, meine Hand hatte in der Bewegung inne gehalten, so erstaunt war ich. Meine Gedanken ordnend versuchte ich ein wenig Klarheit in Robs verworrene Reden zu bringen.
 

Fakt war: Warum er gerade mit Brad darüber geredet hatte, war jetzt offensichtlich. Robs Probleme damit, dass seine Beziehung mit mir und sein Glauben sich gegenseitig ausschlossen, hatten ihn zur Aufgabe unseres Verhältnisses gebracht. Und Brad hing demselben Glauben an, auch wenn er nicht so strikt wie Rob diesem folgte. Doch Brad konnte sich am ehesten in diese Situation denken und seine Argumente schienen das geschafft zu haben, was ich niemals vollbracht hatte. Sie hatten Rob überzeugt.
 

Bei seinen Worten hatte sich in mir ein lange vermisstes und verhasstes Gefühl aufgebaut: Hoffung. In diesem Moment wurde zumindest ich mir bewusst, das meine Gefühle für ihn so gut wie gar nicht abgekühlt waren.
 

Und als Rob dann von Liebe sprach…ich versuchte mich zusammenzureißen, doch es war hoffnungslos. Meine Augen strahlten vermutlich heller als die Sonne, als ich seinen Blick erwiderte. Zumindest kam mir das so vor. Was war ich gerade wieder kitschig. Und das als Mann. Ich erfüllte mal wieder alle Klischees, die man Schwulen entgegenbrachte. Erbärmlich.
 

Auch wen in mir immer noch der Zweifel wohnte und Furcht in meinem Herzen auflodern ließ, hatte ich jetzt wieder Hoffung auf ein Happy-End.
 

Rob ergriff meine Hand hielt sie fest, bevor er fortsetzte.

„Ich bin unglücklich mit der jetzigen Situation. Ich habe mich daran erinnert, dass ich aber vor nicht allzu langer Zeit zumindest glücklich gewesen war, wenn ich mein Gewissen unbeachtet gelassen hatte. Und ich hab mich daran erinnert, wie sich das angefühlt hatte.“
 

Er beugte sich über den Tisch, seine Hand wanderte meinen Arm hinauf und fand Platz in meiner Halsbeuge. Ich erschauderte und war unfähig, auf irgendeine Art zu reagieren.
 

„Weißt du, es hatte damals tatsächlich nur an dieser einen Sache gelegen, an der ich mich festgekrallt hatte wie ein Ertrinkender. Ich dachte, wenn ich diese Gedanken nicht ständig im Kopf behalten würde, wäre ich ein schlechter Mensch, ich würde mich selbst verleugnen. Aber das war ein Fehlschluss. Denn ich hab mir doch nichts mehr gewünscht, als glücklich zu sein. Und das war ich mit dir. Wenn es diese Einschränkung nicht gegeben hätte, die ich mir ständig ins Gedächtnis gerufen hatte, wären wir glücklich gewesen. Aber so habe ich unsere Beziehung zerstört. Das tut mir so unglaublich Leid, weißt du? Und es war so sinnlos… Denn wie Brad es schon gesagt hatte, es kommt nicht darauf an, nie gegen eine Regel zu verstoßen, sondern darauf, seinen Wertvorstellungen treu zu bleiben. Mann muss sich entscheiden, was man will und diesen Entschluss dann auch vertreten. Und ich hab mich dazu entschieden, dazu zu stehen, das ich einen Mann liebe.“
 

Rob wurde leiser, sein Blick huschte unsicher nach unten, dann blickte er mich unter seinen langen geschwungen Wimpern an. Verdammt, konnte das denn real sein? Es war so unglaublich…und so schön, dass es unmöglich wahr sein konnte. Mein Herz stockte und ich fühlte mich wie zu Stein erstarrt. Konnte das hier bedeuten, dass…
 

„Kannst du mir verzeihen, dass ich das zwischen uns zerstört habe?“, wollte er mit zittriger Stimme wissen. Mein Herz krampfte sich bei diesen Worten erneut zusammen, unwillkürlich hielt ich den Atem an. Zwang mich, nach kurzer Pause weiterzuatmen. An Atemnot sterben wollte ich hier nicht, vor allem nicht jetzt.

„Ich habe mich damals selber entschieden, unsere Beziehung zu beenden, nachdem du dich so gequält hast. Du trägst keine Schuld.“, antwortete ich bedächtig, um neutralen Tonfall bemüht. Ich hatte keine Ahnung, wohin dieses Gespräch führen würde, doch ich war mir seiner Bedeutung bewusst. Rob konnte in diesem Moment entscheiden, ob er an die Vergangenheit anknüpfen wollte oder nicht. Ich wünschte mir ja schon, dass er Ersteres tun würde. Warum sollte er auch sonst dieses Gespräch mit mir führen?
 

Auch auf die Gefahr hin, dass wir wieder in der gleichen Situation gefangen sein würden; ich würde das riskieren. Und ich glaubte ja, dass es diesmal anders sein würde. Ich klammerte mich an diesen Gedanken. Wenn sich diese Hoffnung nicht erfüllen sollte - nun, dann würde ich es dennoch versuchen und am Ende die Verzweiflung und die seelischen Qualen in Kauf nehmen.
 

Das er mich damals unglaublich verletzt hatte, war nie seine Schuld gewesen und ich hatte ihm auch nie diese Schuld gegeben. Aber Rob schien da wohl anderer Meinung zu sein. Er war halt ein Sensibelchen.
 

„Doch. Ich bin es, der dich verletzt hat. Du hast jedes Recht der Welt, mich zu verdammen und zu verabscheuen.“ In Robs leiser Stimme klang Selbsthass mit; ich erkannte diese Schwankungen in ihr und sie riefen alte Erinnerungen in mir wach. Ich nahm mir vor, diesen Selbsthass zu vertreiben. Doch ich wollte ihn nicht anlügen. Nie wieder.
 

„Vielleicht verdammen. Aber niemals verabscheuen oder hassen, das könnte ich nie, weil ich dich geliebt habe.“

Mein Tonfall wurde eindringlich und intensiv, ich bemühte mich, Rob zu erreichen. Robs Blich veränderte sich, ich bemerkte erfreut, wie das Düstere etwas daraus wich und sich stattdessen ein nachdenklicher und trauriger Ausdruck darin ausbreitete. War das jetzt gut oder nicht? Auf alle Fälle war es ehrlich…ein leichtes Unwohlsein hatte ich noch dabei, ihm das so zu offenbaren. Wenn nun doch nichts mehr passieren würde, wäre mein Seelenstrip für umsonst gewesen.
 

„Ja ich weiß. Besteht die…besteht die Chance, das deine Gefühle …das du immer noch etwas empfindest?“, druckste Rob herum, maß mich dabei mit Blicken.
 

Diese letzte Frage, sie erinnerte mich an eine lange Zeit zurückgedrängte Erinnerung. Doch jetzt wollte ich mich nicht erinnern, vor allem nicht an dieses traurige Ereignis. Stattdessen legte ich den Kopf schief und versank in seinen braunen Augen. „Ach, Rob.“, seufzte ich, zwang mich dazu, nicht gleich einzuknicken, sondern ihm zu sagen, was ich wollte und was nicht. Jetzt konnte ich das vielleicht noch.

So schwer mir diese Worte auch fallen würden und so verführerisch wie es war, bloß ein JA verlauten zu lassen. Doch ich wollte Gewissheit.
 

„Erst will ich etwas von dir wissen. Du sagtest vorhin etwas über Liebe… ich bitte dich, sag mir die Wahrheit. Was bin ich für dich?“
 

Rob antwortete nicht gleich, strich sich eine Haarsträhne zurück und sah mir in die Augen. Die Traurigkeit war darin verschwunden, stattdessen glühte in Feuer darin, das mein Herz zum beben brachte. „Dave, ich…“, setzte er an, entschied sich dann doch anders und zog, anstatt große Erklärungen abzugeben mein Gesicht näher zu ihm und küsste mich.
 

Zärtlich, gefühlvoll und Gänsehaut erzeugend. Unmissverständlich machte er mir klar, was ich für ihn war. Seine Hand zitterte, als er durch mein Haar fuhr, seine Anspannung übertrug sich auf meinen Körper.

Doch ich fühlte mich einfach nur angekommen. Der Geruch, die Wärme, die Berührungen, all das hatte ich so sehr vermisst und doch nie vergessen. Robs Lippen schmeckten noch genauso, wie meine Erinnerungen mich gelehrt hatten, auch wenn dieser Kuss bedeutend schöner war, da die Gefühle, die unsere Beziehung damals zerstört hatten, nicht länger zwischen uns existierten. Rob war frei und ich somit auch.

Es gab keine Gründe gegen uns. Zumindest im Moment.
 

Doch stellte sich mir die Frage, wie lange dieser Zustand anhalten würde. Was, wenn Rob mal wieder in einer grüblerischen Phase zu dem Schluss kam, das es besser wäre, wenn er keine Beziehung mit einem Mann hatte? Würde er mich dann wieder von sich stoßen und mich verletzen?

Wollte ich das noch einmal durchmachen? Wieder Hoffung in mein Herz lassen um am Ende erneut so gequält zu werden? Eigentlich war ich nicht masochistisch, also lautete die Antwort ‚Nein’. Theoretisch. Praktisch musste ich mich zusammenreißen, um nicht um Rob zu betteln. Doch ich riss mich zusammen und zwang mich dazu, an gewisse Bedingungen zu denken.

Ich wollte, dass er es mir ins Gesicht sagte und mich nicht durch diesen Kuss ablenkte. Ich wollte es hören.
 

Mein Vorhaben wurde allerdings stark von Robs Worten erschüttert. Fast schaffte er es, dass ich auf der Stelle alles andere vergaß.
 

„Was du für mich bist, kann ich nicht beschreiben. Ich weiß nur, dass ich dich liebe und dass ich nie wieder darauf verzichten will, dich zu lieben.“

Ich erschauerte, meine Empfindungen, die ich nicht genau beschreiben konnte, drohten mich zu überwältigen. Vielleicht war das hier endlos kitschig, aber ich konnte mir gerade nichts Besseres vorstellen. Diese Worte aus Robs Mund - das war etwas, mit dem er mich sowohl überraschte als auch verzauberte. Und obwohl ich lieber etwas anderes getan hätte, folgte ich meinem Plan.
 

„Aber wie lange vertrittst du diese Meinung? Was muss passieren, bis du zu dem Schluss kommst, der dich schon unseren ersten Versuch zerstören lassen hat?“, konfrontierte ich ihn mit meinen Sorgen.

Als ich Robs entsetzten und traurigen Blick auf mir spürte, fragte ich mich, ob ich nicht gerade dabei war, Scheiße zu bauen. Ganz gewiss war mein Handeln alles andere als schlau, aber seit wann war ich schon intelligent genug, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.
 

„Ich verstehe dich. Ich hab das wohl alles nicht anders verdient. Aber bitte, glaube mir wenn ich sage, das es diesmal anders ist.“, flehte Rob schon fast. Ich musste wegsehen, sonst wäre ich unter seinem Blick wohl zusammengebrochen.
 

„Und in wie fern ist es anders? Keine heimlichen Treffen mehr, kein Stillschweigen darüber, was wir in meinem Bett treiben? Wirst du endlich mal die Wahrheit sagen?“, stellte ich meine Forderung, wohl wissend, das Rob nie darauf eingehen würde. Das ich sie trotzdem stellte, war erneuter Beweis für meine Inkompetenz. Was sollte es, ich konnte nicht anders.

Rob aber anscheinend schon. Er überraschte mich mit seiner Reaktion.
 

„Ist dir das so wichtig?“

Sein Blick war ernst, es sah fast so aus, als wollte er nicht sofort nein sagen sondern seine Antwort abhängig von meiner machen. Wenn das mal nicht melodramatisch enden würde …
 

„Ja.“ Es war mir wichtig. Und ich wollte wissen, wie er reagieren würde. Fast schon rechnete ich mit einer Abfuhr.
 

„Wenn es das ist, das du willst, dann werde ich das tun. Auch wenn ich es nicht unbedingt will. Aber wenn du dadurch…meine Frage beantwortest…“, meinte Rob unsicher.
 

„Du kennst die Antwort. An meinen Gefühlen hat sich nichts geändert, ich bin und bleibe standhaft.“ Im Gegensatz zu Robs Unsicherheit bemühte ich mich um Festigkeit in der Stimme. Nur als ich dann „Ich hoffe, du bist es auch.“ Anfügte, wurde ich leiser.
 

Ich hoffte es wirklich. Doch glaubte ich auch daran? Wahrscheinlich eher nicht. Ich kannte Rob leider sehr gut.
 


 

Es dämmerte bereits wieder als ich die Augen aufschlug, vom rhythmischen Vibrieren meines BlackBerry’s aus dem Schlummer gerissen. Ein warmer Körper hatte sich an mich geschmiegt, leise hob und senkte sich die Brust des nackten Mannes, der im Laufe der Nacht die Decke weg gestrampelt hatte. Machte nichts. Es war so warm genug.
 

Und so konnte ich Rob endlich mal wieder ausgiebig betrachten. Das hatte mir gefehlt. Jeder Zentimeter war anbetungswürdig und jetzt wieder meins. Jetzt konnte ich wieder diese Haut berühren, seine Lippen küssen und ihn ficken, bis wir nicht mehr konnten.
 

Apropos…Rob hatte sich nicht zurückhalten können und gleich alles nachholen wollen, was er versäumt hatte. Zumindest kam es mir so vor. Normalerweise mochte ich es nicht allzu sehr, von ihm dominiert zu werden, doch ich hatte mich nicht wehren können oder wollen. Stattdessen hatte ich es genossen, ihn endlich wieder zu haben.
 

Und so spürte ich heute die Folgen. Doch ich ignorierte den leisen Schmerz und kramte stattdessen nach meinem Handy, darauf bedacht, Rob nicht zu wecken, der sich auf meiner rechten Körperhälfte platziert hatte und ziemlich schwer war. Ich wunderte mich, dass mich das nicht gestört hatte…
 

Endlich ertastete ich das BlackBerry und erspähte den Grund der Vibration. Brad hatte mir eine SMS geschickt. Neugierig öffnete ich sie und…ließ das Handy fallen, kaum das ich fertig gelesen hatte. Von der ruckartigen Bewegung wurde Rob munter und grummelte leicht.
 

Ich versuchte immer noch zu verstehen, warum Brad mir diese SMS geschickt hatte. Woher konnte er das wissen?
 

Doch er musste sehr genau über Rob und mich Bescheid wissen, sonst hätte er mir nie eine SMS mit dem Inhalt „Ich gratuliere dir. Ich glaube, diesmal wird er mehr dafür machen. Aber enttäusch du ihn nicht. Werdet glücklich. BBB“, geschrieben. Denn diese SMS zeigte ja überdeutlich, das er alles wusste. Sogar, was an diesem Abend gelaufen war: Doch woher?
 

Hatte Rob…?

„Du bist schon wach?“, nuschelte der Drummer an meiner Schulter, seine Lippen berührten meine empfindliche Haut und erzeugten ein Gefühl des Begehrens in mir. Vermutlich konnte ich schon wieder.
 

„Ja. Brad hat mir ne SMS geschrieben.“, konfrontierte ich ihn gleich damit. Rob reagierte nicht. Ich wurde etwas genauer.

„Woher weiß er von gestern Abend?“
 

Immer noch schwieg Rob, dann hob er den Kopf und sah mir in die Augen.

„Er wollte wissen, wie es lief. Da hab ich ihm vorhin, als ich aufgewacht bin, kurz geschrieben, was gestern rauskam. Ich hoffe, das stört dich nicht?“

Ich schüttelte den Kopf, so erstaunt wie ich war.

„Er hat mir sehr geholfen, Dave…ich verdanke ihm viel.“, flüsterte Rob leise, seine Augen blickten ernst. Ich versuchte, jeglichen Sarkasmus aus meiner stimme zu vertreiben, als ich ebenfalls meinte: „Ich verdanke ihm auch viel.“
 

Rob lächelte, als er das hörte.

„Ich werde es ihnen sagen, Brad und Chester wissen es ja bereits, aber ich will, das alle Bescheid wissen. Es sollen alle wissen, das ich dich liebe.“, erklärte er mit leuchtenden Augen und küsste mich zärtlich. Ich spürte seine Lippen n meinen, nahm meine Zunge dazu, um den Kuss zu vertiefen. Rob zog mich in seine Arme, unterbrach kurz den Kuss, um mir leise zuzuflüstern, was er jetzt gerne machen würde. Ich grinste, hatte ich doch den gleichen Gedanken gehabt.
 

Doch vorher wollte ich unbedingt noch etwas loswerden: „Ich liebe dich, Rob.“

Da war es, das kitschige Happy End. Und ich mochte es.
 

- The End -



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