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Vergiss-es-Rum

von

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Am Feuer

„Trödel nicht rum, Mooskopf“, maulte Sanji, der das Weinfass, das Nami haben wollte, bereits gefunden hatte. „Sag mir nicht, was ich zu tun hab‘, Schnitzelklopfer“, gab Zorro zurück, der nach dem Rumfass suchte, das die Orangehaarige ebenfalls bestellt hatte. Die Sonne war gerade erst untergegangen und im Lagerraum war es stockdunkel. „Wieso muss immer ich dem Deppen helfen, wenn Nami was will?“, knurrte er vor sich hin. „Hast du was gesagt, Grasrübe?“, mischte sich Sanji in das Selbstgespräch ein. „Beweg dich, Koch, ich hab das Fass“, meinte Zorro und überging Sanjis Frage.
 

Die zwei Piraten schleppten die Fässer über die Planke der Thousand Sunny hinunter auf die unbewohnte Insel, bei der sie seit zwei Tagen vor Anker lagen. Sie war höchstens einen Quadratkilometer gross und ihre Erkundung war schnell beendet gewesen. Das einzig Unerwartete, auf das sie gestossen waren, war eine Süsswasserquelle gewesen, aus der kristallklares, frisches Wasser sprudelte und bei der sie dankbar ihre Wassertanks gefüllt hatten. Die Insel wies eine reiche Flora auf und so hatten sie sich auch mit Früchten eingedeckt, von denen Sanji so gleich die Hälfte zum Trocknen an die Sonne gelegt hatte, nachdem er sie in ordentliche Ringe oder Schnitze geschnitten hatte. Auf einer Lichtung gab es sogar Kräuter, die sich entweder zum Kochen oder als Medizin eigneten und Chopper und er hatten je einen Setzling von jeder Sorte mit auf die Sunny genommen. Obwohl es auf der Insel ausgesprochen schön war und sie sich bestens erholten, würden sie morgen ihre Reise fortsetzen. Das Wetter war ausnehmend gut und bis zur nächsten Insel hatten sie eine mehrwöchige Fahrt vor sich. Es war also besser, die gute Wetterlage auszunutzen, statt noch länger auf der Insel rumzuhängen, so traumhaft sie auch war.
 

Zorro ging vor Sanji und wandte sich nach rechts, als er den Boden erreichte. „He, Schwertfuchtler, wo willst du denn hin?“, fragte Sanji, der sich bereits wieder eine Zigarette angezündet hatte, die in seinem Mundwinkel hin. „Hä? Was?“ Zorro drehte sich verwirrt um. „Zum Gelage geht’s nach links, du Orientierungsniete“, herrschte Sanji den Grünhaarigen an. Zorro brummte etwas Unverständliches und ging schliesslich nach links, wie Sanji gesagt hatte. „Du bist echt der Einzige, der sich auf einer so kleinen Insel verlaufen kann“, lachte der Smutje. „Ach halt‘s Maul, Zwiebelschneider“, bellte Zorro. „Ah Sanji, da seid ihr ja“, rief Nami erfreut, die durch den Streit der beiden auf die zwei aufmerksam geworden war. „Namilein, wir haben die Fässer“, zwitscherte der Angesprochene und liess vor Verzückung über Namis Erscheinung beinahe das Fass fallen. Zorro schüttelte genervt den Kopf, liess das Rumfass auf den Untergrund knallen und hob den Deckel ab. Er tauchte seine Flasche, die er kurz zuvor geleert hatte, in den Rum und füllte sie bis zum Hals mit seinem Lieblingsgetränk. Er setzte sich zu den anderen ans Feuer und lehnte sich an die Palme, die hinter ihm in die Höhe wuchs. Ihre Feste waren zweifellos die besten – egal, ob die Strohhüte unter sich waren oder ob sie noch Gäste hatten. Keine Feier toppte ihre Gelage. Zufrieden stützte er die Flasche an und nahm einen grossen Schluck.
 

Brook spielte auf seiner Geige hingebungsvoll „Binks Rum“, Franky hatte Robin im Arm, die sich entspannt an den grossen Cyborg lehnte, während Lysop eine seiner Lügengeschichten zum Besten gab, denen Chopper und Ruffy gespannt zuhörten. Sanji betete mit Herzchen-Augen Nami an, die sie von hinten bis vorne vom Koch bedienen liess. Das Feuer flackerte und ihre Schatten hüpften fröhlich auf dem Sand hin und her. Der Vollmond stand hoch am Himmel und erhellte die Szenerie zusätzlich. Zorro grinste, nahm einen erneuten Schluck. Pirat zu werden, war eine gute Entscheidung gewesen.
 

Die feuchtfröhliche Feier zog sich dahin. Zorro griff nach der letzten Hähnchenkeuel, die ihm der Kapitän sofort streitig machte. „Hört endlich auf, euch ständig um das Essen zu streiten. Bei uns muss keiner hungern, wir haben genug für alle!“, brüllte Sanji. Für seinen Ausraster kassierte er einen Schlag von Nami. „Spinnst du, Sanji? Schrei hier gefälligst nicht so rum! Siehst du nicht, dass Chopper schläft?“, blaffte ihn die Navigatorin ebenso laut an. Chopper schien das indessen nicht weiter zu interessieren, schlief er doch tief und fest neben dem Feuer. Neben ihm erzählte Lysop weiter seine Märchen, denen nun Brook aufmerksam lauschte, seine Geige auf den Knien. „Uuuh, da krieg ich ja gleich eine Gänsehaut“, raunte das Skelett. „Oh, aber ich habe ja gar keine Haut mehr“, lachte er sogleich. „Der Witz wird wohl nie alt“, meinte Franky gelangweilt. Robin kicherte und kuschelte sich in Frankys Arm, der sie daraufhin selig anlächelte.
 

Sowohl der Rum als auch der Wein gingen allmählich zur Neige. Die Flammen des Feuers wurden kleiner und die Piraten schliefen einer nach dem anderen ein. Die Nacht war sternenklar, der Mond spiegelte sich silberhell auf dem Meer und das erlöschende Feuer glühte golden. Ausser der Brandung des Meeres und dem Schnarchen einiger Schlafender war es still auf der Insel.
 

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Zorro spürte, wie sich vor ihm etwas bewegte. Er wollte nach seinen Schwertern greifen, doch hatte er seinen Arm um etwas Grosses gelegt und bekam Stoff zu fassen statt Schwerter. Irritiert öffnete er die Augen. Im Mondlicht erkannte er vor seiner Nase einen hellen Haarschopf und er nahm den Geruch von frischen Kräutern war. Er schloss die Augen und atmete den Duft tief ein. „Das riecht herrlich“, schoss es ihm durch den Kopf. Sein Magen fühlte sich flau an und sein Puls beschleunigte sich. „Mist, habe ich etwa zu viel getrunken?“, überlegte er. Und überhaupt, wieso roch es hier nach Kräutern und was war das in seinem Arm? Sein Bewusstsein kämpfte sich durch den Nebel aus Alkohol, der sich um seinen Verstand gelegt hatte. Kräuter? Helle Haare? Moment, bei ihnen hatte doch bloss Sanji helle Haare? Zorro stütze sich auf den anderen Arm und sah die Gestalt an, die vor ihm lag.
 

Überrascht hob er die Augenbrauen, als er erkannte, dass es tatsächlich der Koch war, der vor ihm seelenruhig schlief und der ausserdem seinen Arm festhielt. Der Grünhaarige starrte verwirrte auf Sanji hinab, der gleichmässig und tief atmete und völlig gelöst wirkte. Zorro dachte nach. Eigentlich schlief er am liebsten auf ihrem Schiff. Es musste nicht zwingend die Kajüte sein, Hauptsache er war zuhause. Normalerweise schlich er sich zurück auf die Sunny, wenn er bei einem ihrer Feste eingepennt war und dann mitten in der Nacht erwachte. So konnte er es sich sparen, sich am anderen Morgen mühsam aufzurappeln und musste als Morgenmuffel nicht schon die Gesellschaft der anderen ertragen, sondern konnte einfach friedlich weiter dösen bis zum Frühstück. Doch irgendwie konnte er sich diesmal nicht dazu motivieren, aufzustehen und zurück zum Schiff zu gehen. Bei Sanji war es gerade viel gemütlicher, ausserdem würde er bloss riskieren, den Smutje zu wecken, wenn er jetzt ging. Er zuckte gleichgültig die Schultern. In seinem Kopf drehte sich eh alles, sein Magen schien Achterbahn zu fahren und sein Herz raste. Was würde es ihm bringen, sich die Mühe zu machen, zu Bett zu gehen? Er konnte hier doch ebenso gut seinen Rausch ausschlafen. Mit diesem Gedanken legte er seinen Kopf wieder auf seinen rechten Arm, den er unter Sanjis Hals hindurch geschoben hatte und genoss die Wärme, die von dem anderen Körper ausging. Sein linker Arm war noch immer um Sanji gewickelt, der sich daran festhielt und unbekümmert träumte. Entspannt schlief auch Zorro wieder ein, der bald darauf zu schnarchen begann.
 

„Was war das?“, durchfuhr es Sanji und er war mit einem Schlag hellwach. Ein tiefes, brodelndes Geräusch, dazu ein Windhauch in seinem Nacken. Wo war er überhaupt? Er öffnete die Augen. Ach ja, sie hatten eines ihrer legendären Gelage veranstaltet. Vom Feuer war nur mehr dunkelrote Glut übrig, doch schien der Mond hell genug, um die Umgebung erkennen zu können. Ruffy hatte offenbar Chopper wiedermal mit seinem Kopfkissen verwechselt, Lysop, Brook und Nami lagen kreuz und quer übereinander gestapelt nahe der Glut und Robin… Sanji sah zum Schiff und grinste. Im Frauenzimmer brannte Licht und er ging davon aus, dass Robin und Franky die Gelegenheit genutzt hatten, das Schiff für sich allein zu haben. Er gönnte den beiden ihr Glück – und den Spass, den sie gerade zweifelsohne hatten. Wo Zorro wohl steckte? Er zuckte zusammen. Da war es wieder. Das Geräusch, gefolgt von dem Windhauch. Erst jetzt bemerkte er, dass er seinen Arm um etwas Warmes geschlungen hatte. Er sah nach unten und erkannte Zorros muskulösen Unterarm. Sanji erstarrte. Langsam blickte er über die Schulter und sah in das schlafende Gesicht seines Piratenkollegen. Er schlief an Zorro gekuschelt?! Wie schräg war das denn?!?! Wow, sie hatten wohl mehr gebechert als üblich. So sehr er sich auch anstrengte, erinnerte er sich nicht mehr daran, wie es zu dieser Schlafkombination gekommen war. Sanji setzte sich auf. Irgendwie war ihm… komisch im Magen. Er fasste sich an die Stirn und atmete ruhig ein und aus. Der Anflug von Übelkeit legte sich wieder. Er war unschlüssig darüber, was er jetzt tun sollte, doch die Entscheidung wurde ihm abgenommen: Ein starker Arm traf ihn, zusammen mit einem gemurmelten „hiergeblieben“. Der Blondschopf musterte den Vize nachdenklich. Er schlief eindeutig immer noch, doch war die Anweisung klar gewesen. Sanji schoss das Blut in den Kopf, seinen Puls spürte er träge und intensiv. Zorro hatte wohl recht, auch wenn er nicht mal wach war. Es wäre eine blöde Idee, jetzt betrunken auf die Sunny zurückzukehren. Er würde ohnehin bloss Franky und Robin stören. Hier konnte er genauso gut schlafen, ausserdem war es gemütlich bei Zorro. Bei dieser Überlegung legte er sich hin, wickelte Zorros Arm wieder um sich und träumte einfach weiter.

Die Verpackung ist zweitrangig

Sanji ging in die Hocke und sah in den Backofen. Die Brötchen hatten eine perfekte, goldbraune Farbe angenommen. Das Zeichen für ihn, sie aus dem Ofen zu holen. Mit seiner Rechten griff er nach einem Topflappen, mit der Linken öffnete er die Backofentür. „Ah, wie das duftet!“, freute er sich und stellte das Backgitter neben den Herd, wo in vier Bratpfannen Speck, Schinken und Spiegeleier vor sich hin brutzelten. Den Tisch hatte er bereits gedeckt und er legte nun in jeden Teller ein Brötchen. Das Frühstück würde in Kürze bereit sein. Der blonde Koch zündete sich eine Zigarette an und verliess die Kombüse. Er ging an Deck, wo er sich über die Reling lehnte und „Essen ist fertig“ schrie. Amüsiert beobachtete er, wie sich seine Freunde, die am Strand geschlafen hatten, langsam rührten und sich sogleich auf den Weg zur Sunny machten. Er drückte seinen Glimmstängel aus und ging zurück in die Küche. Er nahm die erste Pfanne vom Herd und schob den Speck über den Pfannenrand auf einen Teller. „Guten Morgen Sanji, können wir dir helfen?“, fragte Robin, die soeben eingetreten war. „Oh, Robinchen, setz dich doch“, flötete Sanji begeistert. Franky räusperte sich. „Morgen Sanji.“ Sanji hustete verlegen. „Guten Morgen Franky. ‘Tschuldige, Macht der Gewohnheit“, meinte er kleinlaut. Franky lachte. „Schon gut, ich kenn dich doch. Du kannst einfach nicht anders, was?“
 

„Yeaaaahhh, Fuuutteeeeer!!!“, rief Ruffy begeistert und rannte zu seinem Platz. Er musterte den gedeckten Tisch. „He Sanji, gibt’s heute keine Spiegeleier?“, beschwerte er sich, kaum dass er sich gesetzt hatte. „Keine Sorge Ruffy, hier sind sie schon“, grinste der Smutje und verteilte die Spiegeleier. Innert Kürze hatte sich die ganze Crew am Tisch versammelt, wo sich die Freunde wie eine Horde wilder Hyänen gierig über das Frühstück hermachten. „Sanji, die Brötchen sind perfekt!“, lobte Nami. „Vielen Dank, Namilein“, antwortete der Blonde entzückt, der soeben die zweite Brötchen-Etappe aus dem Ofen geholt hatte. In dem ganzen Tumult sass Zorro regungslos vor seinem Teller und betrachtete das Spiegelei darin, das ihm fröhlich weiss-gelb entgegen strahlte. Seltsam, er hatte doch eben noch einen Bärenhunger gehabt? Das Spiegelei sah auch wirklich verlockend aus, doch wie er sich an den Tisch gesetzt hatte, war sein Appetit verschwunden. Stattdessen hatte er wieder dieses flaue Gefühl im Magen. Ausserdem hatte er mit seinen Mundwinkeln zu kämpfen, die bestrebt waren, mit seinen Ohren Bekanntschaft zu machen und ein dämliches Grinsen in sein Gesicht zu pflanzen. Naja, er hatte gestern eines der Fässer von ganz hinten geholt. Schon möglich, dass der Inhalt inzwischen nicht mehr ganz in Ordnung gewesen war. Vielleicht hätte er nach der fünften Flasche Rum auch einfach keine sechste mehr leeren sollen… Instinktiv erahnte er, dass Ruffy ihm gleich sein Spiegelei klauen würde. Noch hatte er Zeit zu entscheiden, ob er es selber essen wollte, oder ob er es Ruffy überliess. Sein Magen hob sich und die Entscheidung war gefallen. Zum Teufel mit dem Essen. Zur Not konnte er auch später noch über den Kühlschrank herfallen, das Schloss war für seine Schwerter kein Problem. „Hey, wo ist mein Spiegelei?“, beschwerte sich Lysop lautstark und funkelte Ruffy böse an, der gerade wieder seinen Arm verlängerte und sich nun auch Zorros Ei schnappte. „Du muscht eben besscher darauf aufpaschen“, lachte Ruffy mampfend und grinste Lysop an, während er ausserdem noch Robins Brötchen stibitzte.
 

„Boah, ist mir schlecht“, meinte der Kapitän der Strohhüte eine dreiviertel Stunde später und klopfte sich auf den dicken Bauch. „Das kommt davon, wenn man so viel frisst“, blaffte ihn die Navigatorin an. „Ach, aber Sanji kocht doch so gut“, meinte der Schwarzhaarige entschuldigend. Nami verdrehte genervt die Augen. „Los Jungs, kommt in die Gänge. In zwanzig Minuten legen wir ab. Das Wetter ist fantastisch und mit der flotten Brise werden wir gut vorankommen. Anker lichten, Segel setzen“, befahl Nami und schon stürmten ihre Freunde an Deck. Robin lächelte und sah ihre Freundin an. „Es ist schon erstaunlich, wie gut dir die Jungs gehorchen.“ Nami grinste. „Sie wissen eben, dass wir gut ankommen, solange sie tun, was ich sage. Komm, legen wir uns in die Sonne. Das Wetter ist ideal dafür“, meinte sie und zwinkerte Robin zu. „Na schön. Ich zieh mir nur eben meinen Bikini an. Wir treffen uns auf der Hauptterrasse.“
 

Die Sunny machte gute Fahrt und jeder ging seinen Beschäftigungen nach: Franky und Lysop tüftelten an einer neuen Waffe, Chopper verarbeitete die medizinischen Pflanzen, die er auf der Insel gefunden hatte, Zorro stemmte im Trainingsraum Hanteln. Brook sass auf der Bank am Mast und komponierte eine neue Melodie, während Ruffy auf der Wiese lag und den Klängen von Brooks Geige lauschte. Nami und Robin hatten es sich auf Liegestühlen auf der Hauptterrasse gemütlich gemacht; Robins Nase steckte in einem Buch und Nami genoss einfach nur den warmen Sonnenschein. Sanji stand bereits wieder in der Kombüse und rührte Kuchenteig an. Das Rezept war ihm eingefallen, als er heute Morgen von der aufgehenden Sonne geweckt worden war. Seit Jahren hatte er vergeblich versucht, sich daran zu erinnern und eigentlich hatte er es aufgegeben. Da es ihm heute früh einfach so wieder präsent gewesen war, war es nur logisch, dass er sich bei der nächsten Gelegenheit dem Kuchenbacken widmete. Er hatte soeben das Blech in den Ofen geschoben, als Franky in den Speisesaal kam.
 

„He Sanji, hast du noch Cola im Kühlschrank?“, fragte er und setzte sich an die Bar. „Aber natürlich“, antwortete er und stellte grinsend eine Flasche vor den Cyborg. „Besten Dank“, sagte Franky und nahm einen grossen Schluck. „Machst du ein paar Drinks für unsere Ladies? Du weisst doch, wie gern die zwei in der Sonne Cocktails trinken“, bat er Sanji. „Sicher, für Namilein und Robinchen würd ich doch alles tun“, erklärte der Koch begeistert. Bevor er zur nächsten Lobeshymne über die zwei Damen ansetzte, hielt er inne und sah Franky an. „Sorry Kumpel, du hast es selber gesagt, ich kann einfach nicht anders“, meinte er entschuldigend und grinste verlegen. Franky schob seine Sonnenbrille hoch und musterte den Blonden, der die Zutaten für die Lieblingsdrinks der beiden in der Küche zusammentrug. Einen Sex on the Beach für Nami und einen Manhatten für Robin. Die Ingredienzien hatte er immer vorrätig.
 

„Hör mal Sanji, du bist doch nicht tatsächlich in all die Frauen verliebt, die du ständig anhimmelst?“, fragte der Blauhaarige und trank von seiner Cola. Einen Moment lang schwieg der Smutje. „Du kennst doch die Redensart ‚Das Auge isst mit‘?“, fragte er schliesslich. „Ja, der Ausspruch ist mir bekannt“, bestätigte Franky und zog eine Augenbraue hoch. „Als Koch brauche ich einen Sinn für das Schöne, damit mein Essen nicht nur gut schmeckt, sondern auch nett aussieht. Das gehört zu einem leckeren Essen einfach dazu“, erklärte er und gab Eiswürfel in den Shaker, den er zu schütteln begann. „Robin und Nami sind ästhetisch eine Sensation und da ich das erkenne, kann ich eben nicht anders, als entzückt zu sein, wann immer sie mir zu Gesicht kommen“, lächelte er und goss den Inhalt des Shakers in ein Cocktailglas. „Um deine Frage zu beantworten: Nein, ich bin natürlich nicht in jede Frau verliebt, die ich anhimmle.“ „Ach so ist das“, meinte der Zimmermann und sah dabei zu, wie Sanji die Dekoration für die Drinks vorbereitete. „Warst du denn schon mal richtig verliebt?“, wollte Franky weiter wissen. Der Angesprochene atmete hörbar ein. „Ja, einmal“, sagte er gedankenverloren in melancholischem Ton. „Sorry, wollte keinen Nerv treffen“, entschuldigte sich der Cyborg. Sanji lachte bitter. „Das Problem ist, dass ich schöne Frauen auch dann anhimmle, wenn ich liiert bin“, erklärte er betreten. „Mann, das hat sie bestimmt nicht so toll gefunden“, meinte der andere mitfühlend. „Nicht sie. Er“, korrigierte Sanji. „Aha. Hä? Was? Wie… warte mal. Der Anblick einer schönen Frau haut dich aus den Socken, aber sonst stehst du auf Kerle?!“ Der Blauhaarige war verwirrt. Das ergab ja nun so was von keinen Sinn. Sanji steckte einen Ananasschnitz und eine Orangenscheibe an den Rand von Namis Drink und liess eine Cocktailkirsche in den Manhatten von Robin gleiten. Er zündete sich eine Zigarette an und zog lange daran, ehe er den Rauch durch die Nase ausatmete. „Wenn’s drauf und dran kommt, ist die Verpackung eben zweitranging“, erklärte Sanji und sah Franky an. Sein Kumpel sah zurück, als wäre Sanji eine sprechende Kuh und es war offensichtlich, dass er nicht verstand, was er ihm sagen wollte. Der Blonde lehnte sich an den Herd und inhalierte nochmals den Rauch der Zigarette. Er dachte kurz nach. „Du liebst doch Robin?“, fragte er schliesslich. „Ja“, bestätigte sein Gegenüber. „Robin sieht toll aus und alles, aber ist es nur das, was dir an ihr gefällt?“ Franky nickte. „Ich denke, ich verstehe, worauf du hinaus willst.“ Sanji griff nach den Drinks. „Komm schon, Grosser, Namilein und Robinchen sollen nicht noch länger auf ihre Getränke warten“, zwitscherte er vergnügt. „Du bist echt eine totale Knalltüte“, lachte Franky und folgte dem anderen auf die Hauptterrasse, wo die Mädels in der Sonne badeten.

Magenverstimmung

„Grrrrrr.“ Zorro hielt inne. Er hatte den ganzen Nachmittag trainiert und den ganzen Nachmittag hatte sein Magen geknurrt. Er legte die Hantel beiseite, setzte sich auf die Bank und sah aus dem Fenster.
 

Gegen halb zwei war er runter gegangen in die Kombüse, um Sanji zu bitten, ihm einen Snack zu machen. Er hatte sich schon richtig auf ein Sandwich oder eine Pizza gefreut und darauf, dass er beim Training endlich wieder seine Ruhe haben würde. Er hatte den Speisesaal betreten und sich Richtung Küche begeben. Sanji war offenbar damit beschäftigt, einen Teig oder sonst was anzurühren und hatte ihm den Rücken zugewandt. „He Smutje, machst du mir ‘nen Snack? Ich hab Hunger“, hatte er sagen wollen und Sanji hätte den Kühlschrank öffnen, und ihm etwas herzaubern sollen. Stattdessen hatte sein Magen ein unüberhörbares Knurren von sich gegeben, was Sanji dazu veranlasst hatte, sich umzudrehen. „Spinatschädel? Hast wohl Hunger, hm?“, hatte der blonde Koch gefragt, während er weiter in der Schüssel gerührt hatte. Zorro hatte wieder dieses flaue Gefühl im Magen verspürt und die Stirn in Falten gelegt. „Das dachte ich auch, war aber offensichtlich ein Irrtum“, hatte er gebrummt und sich wieder auf den Weg zur Tür gemacht. „Vielleicht solltest du dir von Ruffy nicht das Essen klauen lassen, dann hättest du nicht zwei Stunden später wieder Hunger“, hatte ihm Sanji hinterher gebrüllt. Zorro war kaum merklich zusammengezuckt. Verdammt, das hatte der Idiot bemerkt? Für eine halbe Sekunde war er in der Türschwelle stehen geblieben. „Wie du meinst“, hatte er gemurrt und war aus der Küche verschwunden. Wie du meinst? Was sollte das denn? Verdammt, ihm war einfach keine Beleidigung eingefallen. „Bei dem piept‘s wohl“, hatte Sanji genuschelt, gerade laut genug, dass Zorro es hatte hören können. Er hatte den Kopf geschüttelt und war die Leiter zum Trainingsraum hochgeklettert.
 

Zorro starrte weiter gedankenverloren aus dem Fenster. „Was hab ich da gestern bloss getrunken? Irgendwas mit dem Rum hat wohl nicht gestimmt“, überlegte er. Er gähnte und streckte sich. „Ich werd wohl am besten ‘ne Runde pennen. Es gibt nichts, was Schlaf nicht beheben könnte“, dachte er, setzte sich im Schneidersitz auf den Boden, lehnte den Rücken an die Bank und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Er machte die Augen zu und wartete darauf einzuschlafen. Kaum hatte er die Augen geschlossen, hatte er das beklemmende Gefühl, dass ihm etwas fehlte. Er griff nach rechts, um zu überprüfen, ob seine Schwerter da waren, wo sie sein sollten und stellte zufrieden fest, dass sie sich an seiner Hüfte befanden. Er schloss erneut die Lider um nun in Ruhe ein bisschen zu schlafen. Keine zwei Minuten später beschwerte sich sein Magen wieder mit lautem Knurren. Er trank eine halbe Flasche Wasser, um seinen Magen wenigstens zu füllen, wenn der das Essen schon verweigerte, sobald er sich in der Nähe davon befand. Damit war das Problem für ihn fürs Erste gelöst und er konzentrierte sich wieder darauf einzuschlafen. Doch schon wenige Minuten danach hatte er wieder das Gefühl, dass ihm etwas fehlte, er griff erneut nach rechts, fand seine Schwerter vor, wo sie hingehörten und machte wieder die Augen zu. Das Ganze wiederholte sich einige Male, bis er es schliesslich aufgab und einfach nur auf der Bank herumlag, unschlüssig, was er tun sollte.
 

„Abendessen ist fertig“, hörte er Sanji rufen. Er blickte aus dem Fenster. Seine Freunde rannten von allen Ecken quer über das Deck Richtung Speisesaal. „Na endlich“, brummte er vor sich hin und machte sich ebenfalls auf den Weg zum Abendessen. Bis auf Sanji sassen alle Crewmitglieder schon am Tisch. Zorro setzte sich auf seinen Platz. Die Tafel war voller Köstlichkeiten, bei deren Anblick einem das Wasser im Mund zusammenlief. Begeistert schöpfte Zorro sich einen stattlichen Essensberg auf seinen Teller, der sogar denjenigen von Ruffy um Längen übertraf. Er begann, das Essen hungrig zu verschlingen, doch machte ihm sein Magen zum wiederholten Mal einen Strich durch die Rechnung. Gerade als Sanji hinter der Bar aufgetaucht war – offenbar hatte er sich gebückt, um Pastetchen aus dem Ofen zu holen – fuhr sein Magen wieder Achterbahn. Frustriert legte er die Gabel beiseite und starrte auf sein Essen. Das ging so einfach nicht. Wenn sein Magen weiter diesen Zirkus veranstaltete, würde sein Körper bald damit anfangen, das kostbare Eiweiss, das sich in seinen Muskeln befand, in Energie umzuwandeln. Dann könnte er so viel trainieren, wie er wollte. Sein Körper würde zum Selbsterhalt die Muskeln abbauen. Er musste nach dem Essen mit Chopper reden. Bestimmt hatte das Rentier etwas gegen Magenverstimmungen. Also liess er sich das restliche Essen wieder von Ruffy klauen, der als bald wieder darüber jammerte, zu viel gegessen zu haben.
 

Die Sonne war mittlerweile untergegangen und die Strohhüte gingen ihren abendlichen Tätigkeiten nach. Küche aufräumen, Deck aufräumen, Blumen und Orangenbäume giessen, lesen, Karten zeichnen, Zähne putzen. Chopper hatte sich ins Krankenzimmer verzogen, um die verbliebenen Kräuter, die er noch nicht verarbeitete hatte, in Tinkturen, Salben und Tabletten zu verwandeln. Zorro klopfte an seine Tür und trat ein. „Hallo Zorro“, begrüsste ihn das Rentier. „Hey Doc, hast du was gegen Magenverstimmungen?“, erkundigte sich Zorro. „Du denkst, du hättest eine Magenverstimmung?“, fragte der flauschige Doktor zurück. „Der Rum, den ich gestern getrunken hab, war wohl nicht mehr ganz in Ordnung“, erklärte Zorro brummig. „Ach so, deshalb lässt du dir von Ruffy das Essen stehlen“, meinte Chopper, der vom Stuhl gesprungen war und in einer Schublade nach etwas suchte. „Hm. Hat das jeder bemerkt?“, murrte der Schwertkämpfer. „Naja, ich bin doch der Schiffsarzt und für eure Gesundheit verantwortlich. Unregelmässigkeiten in der Nahrungsaufnahme sind ein wichtiger Hinweis auf gesundheitliche Veränderungen“, erklärte Chopper der Schublade zugewandt. „Hier“, sagte er schliesslich und hielt Zorro eine Packung Tabletten entgegen. „Nimm zwei davon vor jeder Mahlzeit, dann sollte sich das Problem beheben lassen“, erklärte Chopper. Zorro griff nach der Packung. „Danke Chopper“, sagte er und wandte sich zum Gehen. „Gern geschehen“, lachte der Arzt und wünschte Zorro eine gute Nacht.
 

Zorro trat nach draussen und blickte aufs Meer hinaus. Die See war ruhig und sie hatten den Anker geworfen. Gemäss Namis Wettervorhersage stand ihnen eine angenehme Nacht bevor, in der sie sorglos schlafen konnten. Zorro ging ins Badezimmer, genoss eine ausgiebige Dusche, putzte sich die Zähne und begab sich ins Männerzimmer. Er legte sich in seine Koje und suchte den Schlaf. Zu seinem Leidwesen war es dasselbe wie am Nachmittag: Wenn sein Magen nicht gerade knurrte, dann hatte er das unbestimmte Gefühl, dass ihm etwas Wichtiges fehlte. Er griff nach seinen Schwertern, versuchte, sich zu beruhigen und drehte sich von einer Seite auf die andere. Schliesslich entschied er, dass er besser noch etwas trainierte, statt sich unruhig hin und her zu wälzen und schlich aus dem Zimmer. Er stemmte die ganze Nacht Hanteln, machte Kniebeugen und Liegestützen. Als die Sonne am anderen Morgen wieder über den Horizont stieg, war er zwar noch immer nicht müde, dafür aber entspannt und zufrieden.

Die Angst um einen Freund

Die Sonne stand deutlich über dem Horizont, als Zorro hörte, wie jemand die Leiter zum Ausguck herauf kletterte. Er spähte zur Öffnung im Boden und erkannte Namis orangen Schopf, der von unten auftauchte. „Hey Zorro, beweg deinen Hintern runter, wir frühstücken“, wies ihn die Navigatorin an. Sein Magen beantwortete den Befehl mit einem Knurren. „Hatte der Brüllaffe heute keine Lust rumzuschreien, dass du extra hier rauf kommst?“, fragte er die junge Frau. „Wenn du damit Sanji meinst, der ist krank. Er hat sich wieder ins Bett gelegt, nachdem er das Frühstück zubereitet hatte“, erklärte sie. „Hm“, meinte Zorro nur und folgte Nami nach unten in den Speisesaal. Wie Chopper ihm aufgetragen hatte, nahm er zwei der Tabletten, die er vom Doc bekommen hatte und spülte sie mit Wasser runter.
 

Skeptisch setzte er sich an den Tisch. Von seinem Teller her lachte ihn ein ebenso fröhlich gelb-weisses Spiegelei an, wie am Tag zu vor. Zögerlich schnitt er ein Stück davon ab und führte die Gabel zum Mund. Sein Magen reagierte mit lautem Knurren, ansonsten tat sich nichts. Choppers Medizin schien zu wirken. Also verschlang Zorro zufrieden Spiegeleier, Speck, Schinken und Brötchen. Als Ruffy versuchte, ihm ein halbes Würstchen vom Teller zu stehlen, packte er seinen Gummiarm und hob drohend die Gabel. „Ach Menno, nach gestern dachte ich, du wärst neuerdings zu langsam, um dein Essen zu verteidigen“, beklagte sich der Kapitän enttäuscht. „Falsch gedacht“, erwiderte Zorro grinsend und verspeiste genüsslich das Würstchen, das er vor Ruffy gerettet hatte. Das Frühstück verlief wie immer: Ruffy stibitzte jeden Happen, den seine Crewmitglieder einen Moment aus den Augen liessen und wer beklaut wurde, beschwerte sich anschliessend lauthals. Die Strahlen der Morgensonne erhellten den Speisesaal auf eine unvergleichliche Weise und durch die offene Tür strömte erfrischend kühle Morgenluft herein. Wäre Sanji mit von der Partie gewesen, wäre es ein perfekter Start in den Tag gewesen, doch wenn die Bande nicht vollständig war, fühlte es sich irgendwie nicht richtig an, egal wie schön das Wetter und wie frisch die Brise waren – ohne Sanji war es nicht dasselbe. Zorro sah auf Sanjis Platz. Nicht, dass der Koch besonders lange dort sass während des Frühstücks. Ständig rannte er zwischen Kombüse und Tisch hin und her, um noch schnell ein paar Spiegeleier fertig zu braten, noch mehr Brötchen aus dem Ofen zu holen oder Nami noch etwas Speck zu bringen, wenn Ruffy den ihren erwischt hatte. Zorros Blick wanderte in die Küche. Sanjis Schürze hing an ihrem Platz, was komisch war. Es war falsch. Falsch, dass sie nicht um Sanjis Hüften gebunden ihren Zweck erfüllte. Und es war einfach total falsch, dass der blonde Koch im Bett lag und sie alleine frühstücken liess. Für einen Moment hatte der Schwertkämpfer den Eindruck, als müsste er sich das Frühstück nochmals durch den Kopf gehen lassen, doch der Streit, der zwischen Nami und Ruffy wegen eines Schokohörnchens ausgebrochen war, lenkte ihn rechtzeitig ab.
 

„Zorro, warte“, rief ihm Chopper nach dem Essen hinterher, als er wieder nach oben klettern wollte. Zorro stoppte und drehte sich mit einem „Hm?“ zu Chopper um. „Geht’s dir wieder besser?“, fragte der Doktor. „Alles bestens“, bestätigte der Grünhaarige, eine Hand schon an der Leiter. Chopper strahlte. „Sehr gut, das freut mich“, meinte er und sah zu Boden. Ein sicheres Zeichen dafür, dass den Schiffsarzt etwas bedrückte, selbst Zorro kannte diese Geste. Er nahm die Hand von der Sprosse, verschränkte die Arme und wartete darauf, dass der Doc weiterredete. „Das ist wirklich toll, nur leider ist Sanji jetzt krank. Ein Virus hat ihn erwischt, ich weiss aber noch nicht, welches“, fuhr er zerknirscht fort. „Der Schnitzelklopfer kommt schon wieder auf die Beine“, versuchte Zorro, das Rentier aufzumuntern. „Denkst du?“, hakte Chopper nach. „Aber sicher. Der ist hart im Nehmen“, lachte Zorro. „Du hast Recht“, grinste Chopper. „Danke, Zorro“, sagte er, ehe er sich in Richtung Krankenzimmer davon machte. Zorro sah ihm hinterher. Er war auf dem Weg zu Sanji, um sich um ihn zu kümmern. Es war wirklich gut, dass sie einen Schiffsarzt hatten, so wusste man, dass seine Freunde in guten Händen waren, wenn sie krank oder verletzt waren. Man wusste, dass kranke Köche ordentlich versorgt wurden, so dass sie einen bald wieder bestens bekochen konnten. Man wusste, dass der blonde Smutje in wenigen Tagen wieder in der Küche stehen würde, wo er hin gehörte. ER wusste, dass sein Lieblingsstreitkollege in absehbarer Zeit morgens wieder mit ihm frühstücken würde und dass er ihn nach dem Essen würde triezen können, bis er einen seiner wunderbaren Wutanfälle bekam und so herrlich in die Luft-. Zorro schüttelte irritiert den Kopf und stieg die Leiter hoch. Es war offensichtlich: Der Tag ohne Nahrung hatte ihm definitiv geschadet.
 

Im Ausguck angekommen machte er sich sofort hochmotiviert ans Training. Jetzt, da er seinem Körper die Nahrung, die er brauchte, wieder zuführen konnte, musste er sich nicht mehr darum sorgen, dass seine Muskelmasse schwinden könnte und er konnte sich wieder voll und ganz seinem Ziel widmen, der beste Schwertkämpfer der Welt zu werden. Wie ein Wilder stemmte er Gewichte und machte allerlei Kraftübungen. Der Schweiss rann ihm übers Gesicht und über die Brust und er fühlte sich grossartig. Gegen Mittag erschien erneut Namis Kopf aus dem Boden und die Navigatorin informierte ihn darüber, dass die nächste Mahlzeit anstand. Bevor er der Kartenzeichnerin folgte, nahm er wieder die zwei Pillen, die Chopper ihm verordnet hatte und beeilte sich dann, zu Tisch zu kommen. Er ass erneut mit grossem Appetit. Zwar schmeckte das Essen nicht ganz so toll, wie wenn Sanji kochte, doch hatten sich Nami und Lysop die grösste Mühe gegeben und das Menü war mehr als annehmbar. Offenbar ging es Sanji doch schlechter, als Zorro zuerst angenommen hatte, denn Chopper hatte es vorgezogen, seine Mahlzeit im Krankenzimmer einzunehmen. Dennoch, ernsthafte Sorgen macht er sich nicht um seinen Nakama. Nach dem Essen verdonnerte Nami Ruffy und Brook zum Abwaschen und der Kapitän beschwerte sich lautstark darüber, dass er sich ums Aufräumen kümmern musste.
 

Zorro verschwand sogleich wieder nach oben, um ein Nickerchen zu halten. Nach dem harten Training am Morgen hatte er sich das mehr als verdient. Er machte es sich in seiner bevorzugten Ecke bequem und schloss die Augen. Seine Hand glitt an seine Hüfte. Gut, alle drei Schwerter waren da. Er konnte also beruhigt- Moment, waren sie auch ganz sicher da? Zorro öffnete das rechte Auge einen Spalt breit. Tatsächlich, da waren sie. Drei Stück. Wie immer. Wie es sein sollte. Alles in Ordnung. Er lehnte sich zurück und schloss die Lider. Allerdings konnte man sich heutzutage doch nie sicher sein, dass alles Wichtige noch da war, wenn man aufwachte. Manchmal verschwand etwas Wertvolles einfach so mir nichts, dir nichts über Nacht und wenn man morgens aufwachte, war es weg. „Ahhh!“, knurrte Zorro. Er schien wirklich einen Dachschaden zu haben. Nachdenklich kratzte er sich am Kopf. Es war total verdreht: Seit mehr als 24 Stunden hatte er nicht mehr geschlafen. Er müsste todmüde sein, doch ein beständiger Adrenalin-Kick und die Sorge, etwas von Bedeutung verloren zu haben, liessen ihn nicht zur Ruhe kommen. „Na schön, mehr Zeit um zu trainieren“, sagte er zu sich selber und setzte sein Programm fort.
 

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Die Tage zogen dahin und Zorro konnte noch immer nicht schlafen. Seltsamerweise fühlte er sich trotzdem topfit, also kümmerte es ihn wenig und er nutzte die dadurch längeren Tage für zusätzliche Trainingseinheiten. Sanjis Zustand hatte sich in den letzten zwei Tagen arg verschlechtert und er befand sich inzwischen in einem komaartigen Zustand. Die ganze Crew war ziemlich mitgenommen und vor allem Nami war mittlerweile merklich beunruhigt. Wenigstens gehörte Zorros Magenproblem endgültig der Vergangenheit an: Es war nun eine Woche her, seit er die letzten zwei Tabletten genommen hatte und er ass mit unverändert grossem Appetit. Umso überraschter war er, als ihn der Schiffsarzt an einem bewölkten Vormittag kurz vor dem Mittagessen aufsuchte, um mit ihm über seine Schlaflosigkeit zu reden.
 

„Zorro? Bist du da?“, rief das Rentier und sein Geweih erschien am Aufstieg. „Was gibt’s denn, Chopper?“, begrüsste Zorro ihn. „Sag mal, Zorro, wann hast du eigentlich das letzte Mal geschlafen?“, wollte der Doktor wissen und stellte seine Arzttasche neben sich auf den Boden. „Nach der Party auf der unbewohnten Insel“, antwortete der Angesprochene. Choppers Augen weiteten sich. „Aber Zorro, das war vor zwei Wochen!“, rief er entsetzt. „Mag sein“, erwiderte Zorro kurz angebunden, während er seine Hantel zurück in die Halterung legte. „Das ist gar nicht gut“, meinte das kleine Rentier, schnappte sich Zorros Arm und befestigte die Blutdruckmanschette am Oberarm. Er fühlte den Puls und hörte Herz und Lungen ab. Der Grünhaarige war vollkommen überrumpelt und liess die Untersuchung über sich ergehen. „Du solltest dich um dein Schlafproblem kümmern. Dein Puls rast förmlich und dein Herz schlägt zu schnell“, konstatierte der Schiffsarzt ernst. „Ach das“, murmelte der Schwertkämpfer abwesend. „Mein Puls rast schon, seit ich den komischen Rum getrunken habe. Das wird sich wieder einrenken“, meinte er leichthin. Hauptsache, das Gespräch würde bald ein Ende finden. Er war gerade nicht in der Stimmung, um über seine Schlafprobleme zu reden. Wenn man es genau nahm, war er nie in der Stimmung, über IRGENDEINES seiner Probleme zu reden. „Trainier nicht mehr so viel“, unterbrach das Rentier seine Gedanken. „Ruh dich wenigstens während der Nacht aus, auch wenn du nicht schlafen kannst, in Ordnung?“, bat es eindringlich. Zorro zuckte mit den Schultern. „Meinetwegen“, war er einverstanden. Und obwohl er ein Dickschädel war, hatte er vor, Choppers Anweisungen zu befolgen. Die Schlagkraft ihrer Crew war durch Sanjis Ausfall ohnehin geschwächt, da war es nicht nötig, dass er auch noch ausfiel. Chopper machte seinen Job gut und er vertraute dem Rentier. Der Doc würde schon wissen, was gut für ihn war. Er hatte ihm ja auch bei seinem Magenproblem geholfen. Wobei ihm einfiel: „Was ist mit Essen?“, fragte er den kleinen Piraten. „Nami sagte, dass ich dich gleich mit runter bringen soll, wenn wir fertig sind. Das Essen steht bestimmt schon auf dem Tisch“, antwortete er, während er seine Utensilien zurück in die Tasche packte. „Sehr gut“, entgegnete Zorro und die zwei kletterten die Leiter hinunter.
 

Das Mittagessen verlief sehr ruhig. Die Stimmung war gedrückt und die Mahlzeit bald beendet. Ruffy und Brook kümmerten sich ohne zu meckern um den Abwasch, Lysop und Franky verzogen sich in ihre Werkstätten um an irgendwelchen Erfindungen zu tüfteln und Chopper verschwand sofort ins Krankenzimmer zu Sanji. Zorro hatte sich aufs Sofa an der Wand gelegt und versuchte, sich zu entspannen. Sein Blick schweifte durch den Speisesaal. Ruffy und Brook trieben ihren Unfug beim Abwaschen und Robin unterstützte sie mit ihren helfenden Händen. Zorro sah zum Tisch und stellte überrascht fest, dass Nami zusammengesunken davor sass. Sie hatte den Kopf in die Hände gestützt und ihre orangefarbene Haarpracht verdeckte ihr Gesicht. Er erkannte, dass Tränen vor sie auf den Tisch tropften. Weinte sie? Wieso um alles in der Welt war sie am Weinen? Zorro setzte sich auf.
 

„Was ist los, Nami?“, fragte er quer durch den Raum. „Gar nichts. Mir geht’s gut“, antwortete sie verschnupft. Ruffy und Brook verstummten, Robin liess ihre Hände verschwinden. „Dann ist ja alles bestens“, meinte Zorro und legte sich wieder hin. Er starrte an die Decke. Frauen. Die verstehe, wer will. Aus dem Augenwinkel erkannte er, dass sich Robin zu Nami setzte und sie tröstend in den Arm nahm. „Beruhig dich, Sanji kommt wieder in Ordnung“, sagte die Archäologin leise zur Navigatorin. „Darum geht es also“, erkannte Zorro im Geiste. „Aber was ist, wenn er nicht wieder gesund wird?“, fragte Nami traurig. Zorro schluckte hart. Diese Möglichkeit hatte er nie in Betracht gezogen. Natürlich würde Sanji wieder gesund werden. Was fiel Nami ein, überhaupt an so was zu denken? Sie waren Piraten und Sanji war taff. Energisch stand er auf. „Hör zu, Nami. Daran darfst du nicht denken. Sanji packt das. Es bringt niemandem etwas, wenn du dich verrückt machst. Wir brauchen dich als Navigatorin und da darfst du dich von so was nicht ablenken lassen.“ Zorro hatte die junge Frau am Arm gepackt und sie gezwungen, ihn anzusehen. Sie blickte auf ihren Arm und begann zu schluchzen. „Zorro, sei nicht so grob, du tust ihr weh“, sagte Robin leise. Daran hatte er nicht gedacht. Nami war zwar kein Prinzesschen, trotzdem war sie ein Mädchen und kein Dojo-Dummie. Erschrocken liess er sie los, doch statt sich von ihm abzuwenden, schlang sie ihre Arme um ihn und heulte in sein weisses Poloshirt. Ihr heisser Atem erwärmte das T-Shirt und ihre Tränen durchweichten den Stoff. Überfordert sah Zorro zu Robin. Die Schwarzhaarige gestikulierte ihm, dass er seine Arme um Nami legen und sie trösten sollte. In einem Anflug von Panik tat Zorro, was Robin ihm mit Gesten geraten hatte und zu seiner Erleichterung beruhigte sich Nami bald wieder. Zehn Minuten später löste sie sich von dem Grünhaarigen und sah ihn entschuldigend an. „Zorro, ich will keinen unserer Freunde verlieren“, meinte sie gedämpft. „Das könnt‘ ich nicht ertragen“, erklärte sie kaum hörbar. Der Schwertkämpfer richtete sich auf und klopfte der Navigatorin auf die Schulter, während Robin ihr ein Taschentuch reichte. „Sanji wird wieder gesund“, sagte er bestimmt und trat hinaus aufs Deck.
 

„Hoffe ich jedenfalls“, dachte er, während der aufziehende Sturm an seinen Kleidern zerrte und der Himmel sich verdunkelte.

Im Krankenzimmer

Der Sturm, der am Nachmittag aufgezogen war, tobte um die Thousand Sunny. Die Wellen schlugen gegen den Rumpf und das Schiff schaukelte hin und her. Trotzdem war das Abendessen weniger bedrückt verlaufen als das Mittagessen und es wurde sogar gescherzt und gelacht. Brook spielte nach dem Essen auf Ruffys Wunsch „Binks Rum“ und Zorro und Robin kümmerten sich um den Abwasch. Wo sich die Crewmitglieder sonst meistens unmittelbar nach dem Essen über das ganze Schiff verstreuten, blieben heute alle im Speisesaal versammelt und verbrachten die Zeit bis zum Zu-Bett-Gehen gemeinsam. Einzig Chopper war sofort ins Krankenzimmer geeilt, um Franky abzulösen. Sanji hatte seit einigen Stunden scheinbar heftige Fieberträume, denn er warf sich von einer Seite auf die andere und war ganz nass geschwitzt. Deshalb hatte Chopper dafür gesorgt, dass immer jemand bei ihm im Krankenzimmer war, der mit ihm reden konnte, wenn er zu wild träumte. Franky hatte die Krankenwache übernommen, damit der Arzt in Ruhe hatte essen können.
 

Der Cyborg betrat den Raum und sah nachdenklich aus. „Und, wie geht’s Sanji?“, fragte Ruffy und wirkte dabei ernst. „Nicht so besonders. Er schläft sehr unruhig und wirft sich hin und her. Mal rinnt ihm der Schweiss übers Gesicht, dann überzieht ihn wieder eine Gänsehaut und es schüttelt ihn, als würde er frieren“, erzählte der Blauhaarige. Ruffy nickte. „Danke, Franky.“
 

Die Stunde rückte vor und die Strohhüte gingen zu Bett. Zorro war der Letzte, der sich noch im Speisesaal befand. Er hatte es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht und gehofft, er würde vielleicht endlich wieder einmal schlafen. Oder wenigstens eindösen. Aber nichts dergleichen war passiert. Seine Freunde hatten den Speisesaal nach und nach verlassen und waren in die Zimmer gegangen. Jetzt war er allein und immer noch hellwach. Das Schiff schwankte mittlerweile nicht mehr, das Wetter hatte sich etwas beruhigt. Das Schaukeln wäre ideal gewesen, um müde zu werden. Ob er noch trainieren sollte? Nein, eher nicht. Chopper hatte ihm gesagt, er solle sich nachts ausruhen, ob er nun schlafe oder nicht. Er setzte sich auf, streckte sich und ging in die Küche, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Alles war friedlich aufgeräumt und wirkte so, als hätte Sanji erst heute noch in der Kombüse gekocht. Der Herd glänzte, die Kochutensilien hingen ordentlich an ihren Haken und die Kräuter, die Sanji auf der unbewohnten Insel gesammelt hatte, verströmten einen wunderbaren Geruch. Er stellte sich vor die zarten Pflänzchen und musterte sie. Ihr sattes Grün wirkte freundlich. Er atmete tief ein und dachte nach. Irgendwoher kannte er diesen Duft und der Anflug eines Lächelns wollte über sein Gesicht huschen. Er runzelte die Stirn und entspannte sich. Offenbar war irgendeine nette Erinnerung mit dem Kräuteraroma verbunden. Es wollte ihm aber nicht einfallen, was für eine. Er zuckte die Schultern. Bestimmt war es etwas aus seiner Kindheit und er konnte sich deshalb nicht mehr daran erinnern. Zorro löschte die Lampe und bemerkte, dass unter der Tür, die zum Krankenzimmer führte, Licht hervorschimmerte. Leise öffnete er sie und trat ein.
 

„Hey Doc, geh schlafen, ich löse dich ab“, wies er das Rentier an. Der Schiffsarzt wollte protestieren, doch Zorro kam ihm zuvor. „Ich kann sowieso nicht schlafen. Mir ist es egal, ob ich im Trainingsraum nicht schlafe oder hier. Für dich macht es einen Unterschied. Wir brauchen dich, Chopper, also schlaf dich ordentlich aus.“ Chopper nickte. Zorro hatte Recht. Ausserdem war er erfreut darüber, dass er sich an seine Anweisungen hielt und des Nachts wenigstens ruhte, auch wenn er nicht schlafen konnte. „Wenn er anfängt unruhig zu werden, rede mit ihm. So weiss sein Unterbewusstsein, dass er nicht alleine ist. Man weiss nie, in welche schlimmen Welten die Kranken geraten, wenn sie im Delirium sind. Deshalb ist es umso wichtiger, sie nicht allein zu lassen“, erklärte Dr. Chopper. Er wandte sich seinem Patienten zu und nahm den Lappen von seiner Stirn. Er tauchte den weissen Frotteestoff in ein Becken mit Wasser, das nach Heilpflanzen roch. „Wenn der Lappen warm ist, wasch ihn hier drin aus und leg ihm ihn wieder auf die Stirn. In dem Becken ist eine fiebersenkende Tinktur, die ausserdem eine beruhigende Wirkung hat. In Ordnung?“, erzählte das Rentier und legte Sanji den Lappen wieder auf die glühende Stirn. „Verstanden“, bestätigte Zorro. „Gute Nacht, Zorro und vielen Dank“, verabschiedete sich das Pelzknäul. „Gute Nacht, Chopper“, wünschte ihm Zorro. Chopper trat aus dem Zimmer und schloss geräuschlos die Tür hinter sich.
 

Eine Kerze erhellte das Zimmer auf eine angenehme Weise und Zorro bemerkte überrascht, dass das Krankenzimmer ein sehr gemütlicher Raum war. Er stellte einen Stuhl neben Sanjis Bett und betrachtete seinen Freund. Er war noch blasser als sonst und ein dünner Schweissfilm hatte sich auf seinem Gesicht gebildet. Er trug ein weisses T-Shirt, was ihn noch kranker wirken liess. Sanji gehörte einfach in einen Anzug, sonst stimmte etwas nicht. Zorro stützte seine Unterarme neben Sanji auf der Matratze ab. „Was machst du bloss für Dummheiten, Kochlöffel“, sagte er leise. Der blonde Mann begann, unruhig und schwer zu atmen. „Hey Kumpel, nicht aufregen“, meinte Zorro beruhigend. Erstaunt bemerkte er, dass Sanji seine rechte Hand umfasste und sie fest im Griff hatte. Der Kranke mahlte nervös mit den Zähnen und der Grünhaarige sah, wie sich die Kiefermuskulatur verkrampfte. Offenbar befand sich der Koch gerade in einer der Phasen, in denen er fror und er begann heftig zu zittern. Zorro nahm den Lappen von seiner Stirn. Wenn er ohnehin schon fror, war Kühlung wohl nicht das Richtige. Er legte den Lappen ins Becken. Eine blonde Strähne klebte auf Sanjis feuchter Stirn und Zorro strich sie vorsichtig beiseite. Er nahm das weiche Handtuch, das neben dem Becken mit der Tinktur lag und tupfte damit den Schweiss von Sanjis Gesicht. Es war komisch, den Smutije in diesem Zustand zu sehen. So komplett ausser Gefecht gesetzt. Er verspürte ein Ziehen in der Brust und sog hörbar die Luft ein. Die Narbe, die ihm Falkenauge verpasst hatte, schien ausgerechnet jetzt Zicken zu machen. Eigentlich tat sie schon lange nicht mehr weh und er verstand nicht, wieso er jetzt diesen luftabschnürenden, stechenden Schmerz fühlte. Er sah wieder zu Sanji, dessen Träume offenbar ruhiger geworden waren, denn er lag gerade völlig entspannt da. Der Schmerz in Zorros Brust verschwand und er entspannte sich ebenfalls.
 

Sanji hatte aufgehört zu zittern, dafür versuchte er nun, sich von der Decke zu befreien, unter der er lag. Offensichtlich war es ihm inzwischen wieder zu heiss und Zorro griff nach dem Lappen im Becken, doch um wenige Zentimeter bekam er ihn nicht zu fassen. Sanji hatte sich nämlich Zorros rechten Arm unter den eigenen geklemmt, sich damit auf die andere Seite gedreht und „hiergeblieben“ gemurmelt. Verblüfft starrte Zorro Sanji an. Er war eindeutig noch am Schlafen. So, wie Sanji sich in seinen Arm gewickelt hatte, war es für ihn unmöglich, an das Becken heranzukommen. Da der Blonde nun auf der Seite lag, würde der Lappen allerdings ohnehin nicht auf seiner Stirn bleiben, also gab Zorro es auf.
 

Sanji rückte mit Zorros Arm weg von dem Schwertkämpfer und näher zur Wand und zwang ihn damit in eine äusserst unbequeme Körperhaltung. Zorro brachte es jedoch nicht über sich, Sanji seinen Arm wegzuziehen, da sein Arm den Smutje irgendwie zu beruhigen schien, also verharrte er in dieser komischen Pose und wartete. Vielleicht würde Sanji sich ja wieder umdrehen, dann könnte er wieder bequem sitzen. Ungefähr eine Stunde später erkannte Zorro, dass der Blonde sich vorerst nicht mehr rühren würde.
 

Er kroch zu Sanji aufs Bett und legte sich hinter ihn. Behutsam schob er seinen linken Arm unter das Kissen, auf dem Sanjis Kopf ruhte und zog den Blondschopf vorsichtig näher. Er wagte es kaum, Luft zu holen und lauschte angestrengt auf Sanjis Atem. Zu seiner Freude ging er mittlerweile gleichmässig, ruhig und tief. Er konzentrierte sich auf das monotone Geräusch. Er spürte, wie sich Sanjis Brust im Takt seines Atems hob und senkte. Friede breitete sich in ihm aus und er schlief endlich ein.

Das Geschenk

Sanji ging auf einen winzig kleinen, weissen Punkt zu. Der Tunnel, durch den er lief, schien sich endlos dahinzuziehen und war bis auf den hellen Schimmer geradeaus stockdunkel. Der Untergrund war weder hart noch weich und seine Schuhe verursachten darauf kein Geräusch. Es war überhaupt totenstill an dem Ort. Nicht einmal seinen eigenen Atem hörte er. Er zündete sich eine Zigarette an und ging weiter auf das Licht zu. Das orange Leuchten des Glimmstängels war die einzige andere Lichtquelle. Er mochte den schwachen Schein der Glut. Er erinnerte ihn daran, wie er normalerweise an Deck der Sunny stand und über die Reling gelehnt den nächtlichen Ausblick auf das Meer, die Sterne und den Mond genoss. Er starrte jeweils so lange auf die weite See hinaus, bis die Welt um ihn herum verschwamm. Das einzige, was er dann noch eindeutig erkennen konnte, war seine Zigarette, wenn er daran zog. Der orange Schein holte ihn zurück in die Realität. Das Licht im Tunnel raste auf ihn zu und plötzlich stand er in einem Garten.
 

Er hörte Vögel zwitschern, einen Bach plätschern und die Bäume im Wind rauschen. Er sah sich um. Es waren Trauerweiden, die ihre Zweige sanft im Wind wiegten und die dieses wunderbar friedliche Geräusch verursachten. Die Sonne schien und tauchte alles in ein angenehm warmes Licht. Ein Glitzern am Boden zwischen den Weiden erregte Sanjis Aufmerksamkeit und er ging darauf zu. Er ging durch die Äste hindurch und fand einen kleinen, schön angelegten Teich vor. Auf seiner Oberfläche schwammen Seerosen, deren Farbe ihn an Zuckerwatte erinnerte. Zu seiner Überraschung sahen sie nicht nur zuckersüss aus, sie verströmten auch einen zuckersüssen Duft. Sanji überlegte, ob sie vielleicht… nein. Das war ja blanker Unfug. Sein Blick fiel auf ein Schild und er schmunzelte. Offenbar war hier ein kleiner Koch zuhause, der ebenfalls fest an seinen grossen Traum glaubte: Jemand hatte in krakeliger Schrift „All Blue“ auf die Holztafel gemalt und einen dicken Pfeil, der auf den Teich deutete. Sanji ging in die Hocke und blickte in den Teich hinein. Seine Kippe fiel ihm vor Verblüffung aus dem Mundwinkel: Das Wasser im Teich war kristallklar. Trotzdem konnte er kaum den Boden des vermeintlichen Tümpels erkennen, denn was er zuerst für einen Teich gehalten hatte, war tief und weit wie das Meer. Er erkannte alle Arten von Meerestieren darin: Tintenfische, Rochen, Seepferdchen und -sterne, Clownfische, Krabben. Die Farbenpracht, die durch Korallen und allerhand Wasserpflanzen ergänzt wurde, war überwältigend. Genau so hatte er sich den legendären Ozean immer vorgestellt. Er setzte sich hin. War das etwa wirklich das All Blue? War es dieses sagenhafte Meer, nach dem er schon so lange suchte?
 

Vielleicht konnten ihm die Leute, in deren Garten er sich befand, etwas dazu erzählen. Er blickte um sich, doch er konnte niemanden entdecken. Die Schönheit des Gartens, die sich ihm offenbarte, machte diesen Umstand jedoch mehr als wett: Er sah weisse Schwertlilien, himmelblaue Orchideen, und rote Tulpen, auch strahlende Sonnenblumen und blühende Azaleen waren dabei, sowie eine tiefgrüne Thujahecke, die den ganzen Garten zu umfassen schien. In einer Ecke stand ein riesiger Mammutbaum, unter dem eine weiss gestrichene Bank stand. Ein Weg aus ebenfalls weissen Kieselsteinen führte durch die Anlage. Er erhob sich und folgte dem Weg, der ihn zu einer gigantischen Kräuterschnecke brachte. Jedes Küchenkräutchen, das er kannte, wuchs dort. Von Thymian zu Rosmarin und Oregano war alles zu finden. Jeder Koch wäre glücklich, über eine solche Vielfalt an frischen Kräutern zu verfügen. Er ging um die grosse Kräuterschnecke herum. Auf der anderen Seite befand sich ein duftendes Lavendelbeet, das in der Form eines Torii angelegt worden war. Sanji atmete den Duft des Gartens tief ein. Es roch nach Erde, nach Kräutern und Blumen. Er schloss die Augen und gab sich der friedvollen Ruhe hin, die sich in ihm ausgebreitet hatte. Er fühlte sich, als wäre er im Paradies.
 

Ein Splittern zerriss die Stille. Sanji öffnete irritiert die Augen. Hörte er jemanden streiten? Umso besser. Wo gestritten wurde, mussten Menschen sein. Er wollte wissen, wo er hier war, denn so gut es ihm auch gefiel – er wollte zurück auf die Sunny. Da gehörte er hin. Und egal wie schön der Garten war, seine Freunde würden ihm bald fehlen. Er begab sich zurück auf den Kieselsteinweg und folgte ihm weiter in der Hoffnung, dass er ihn früher oder später zu dem Haus führen würde, zu dem der Garten gehörte. Der Weg überquerte als kleine Steinbrücke den Bach, den Sanji schon lange hatte plätschern hören, und bog dann steil nach rechts ab, wo er vor einem Wintergarten endete. Sanji betrat das Glashaus, das erstaunlich geräumig und voller Amanatsubäumen war. Er ging durch die Bäume hindurch und gelangte zu einer Mauer. Bestimmt gehörte sie zum Haus und sicherlich gab es eine Tür, von der man vom Wintergarten her direkt das Haus betreten konnte. Sanji ging die Mauer entlang und wurde fündig. Die Balkontür stand weit offen und ihr Glas war zerbrochen. Aus dem Rahmen ragten nur noch einige spitze Scherben, die mit einer Scheibe nicht mehr viel zu tun hatten.
 

„Und ich werde es behalten!“, brüllte ein Mann, der ausser sich vor Wut zu sein schien. Sanji horchte auf. Irgendwie erinnerte ihn die Stimme an seine eigene. Er schritt durch den Türrahmen und gelangte in eine Halle. Der Boden war aus weissem Marmor, die Wände aus weissem Verputz und vor der riesigen Glasfront, die sich rechts von ihm befand, hingen weisse Seidenvorhänge, die sich sachte im kaum spürbaren Luftstrom bewegten. Er durchquerte den weiläufigen Raum und ging in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Er linste um eine Ecke und stellte erstaunt fest, dass er die Küche gefunden hatte. Auch der Küchenboden war weiss, allerdings waren es hier gewöhnliche weisse Steinplatten und kein Marmor. Sanji bestaunte die gut ausgerüstete und perfekt aufgeräumte Küche. Er betrachtete gerade die Kasumi-Messer, die in einem grossen Messerblock versorgt waren, als er in einer Ecke zwei Gestalten bemerkte. Die eine stand, die andere sass an einem Tisch.
 

So gut Sanji das von seiner Position aus erkennen konnte, waren es zwei Männer. Der Stehende hatte schwarze Haare und trug einen schwarzen Anzug, eine schwarze Krawatte, ein schwarzes Hemd und schwarze Hosen. Seine Schuhe konnte er nicht erkennen, doch waren sie bestimmt ebenfalls schwarz. Andersfarbige Schuhe wären eine modische Sünde gewesen. Der Schwarzgekleidete wirkte angriffslustig. Sein Körper war gespannt, den Kopf hatte er lauernd gesenkt und seine rechte Hand ballte sich in einer unausgesprochenen Drohung zur Faust. Er hörte das Klicken eins Zippos, das raspelnde Geräusch des Feuerrädchens und sah zum zweiten Mann. Er hatte denselben Haarschnitt wie der Schwarzhaarige, doch waren seine Haare blond und seine Kleidung, die sonst in jeder Hinsicht mit der des anderen identisch war, war blendend weiss. Er sass auf einem Stuhl und hatte die Füsse auf den Tisch gelegt. Seine Schuhe waren aus weissem Leder und wirkten neu. „Nein. Du wirst es zurückgeben“, sagte er bestimmt und zog an seiner Zigarette. „Was würde ich jetzt für eine Kippe geben!“, dachte Sanji. Aber leider hatte er seine Letzte geraucht, als er den merkwürdigen Tunnel entlanggegangen war. Vielleicht konnte er ja eine schnorren… Doch vorerst würde er sich bedeckt halten und herausfinden, was das für Anzugtypen waren.
 

Er duckte sich hinter die Küchenzeile und schlich näher, so dass er die Gesichter der zwei Männer erkennen konnte. „Was geht denn hier ab?!“, schoss es ihm durch den Kopf, als er erkannte, dass die Beiden seine Gesichtszüge trugen. Was war das nur für ein seltsamer Ort? Und was noch wichtiger war, wie war er überhaupt hierhergelangt? Er versuchte, sich zu erinnern, doch alles, was ihm einfiel, war der dunkle Tunnel. Sehr hilfreich. „Ich.Behalte.ES!“, knurrte der schwarze Sanji und die Knöchel seiner geballten Hand traten weiss hervor. „Das wirst du nicht“, erwiderte der weisse Sanji seelenruhig, verschränkte die Arme lässig hinter dem Kopf und stiess eine Rauchwolke aus. „Du weisst haargenau, dass es nicht funktioniert, also lass es bleiben und gib es zurück“, erklärte er bitter. Sanji versteckte sich wieder ganz hinter der Küchenzeile und lehnte mit dem Rücken gegen die Schranktüren, die sich unterhalb der Arbeitsplatte befanden. Worum sich die zwei wohl stritten? Er konnte sich darauf keinen Reim machen.
 

Eine Weile sass er grübelnd auf dem kalten, weissen Küchenboden, bis etwas an seinem Ärmel zog. Er blickte nach links und staunte nicht schlecht, als ihm nach den Streithahn-Sanjis nun auch noch Klein-Sanji gegenüberstand. Sanji hob fragend die Augenbraue. Der Kleine tat es ihm gleich und bedeutete ihm mitzukommen. Sanji folgte dem Kleinen und schlich aus der Küche. In der Halle angekommen, richtete er sich auf. Ehe er etwas sagen konnte, streckte ihm der Kleine eine Packung Zigaretten entgegen. „Du willst bestimmt so eine hier, stimmt‘s?“, fragte der Zwerg, der eine Kochuniform samt Mütze trug und halb so gross wie Sanji war. „Sehr gern“, bestätigte er und nahm das Päckchen an sich. „Woher hast du die?“, fragte er. „Von White-san. Er ist immer so gemein zu Nero-san, deshalb habe ich ihm die Zigaretten geklaut“, meinte der Kleine grimmig und verschränkte die Arme. „Dann ist er wieder eine Weile mit Suchen beschäftigt und lässt uns in Ruhe“, erklärte er finster. „Du siehst aus wie White Nero“, stellte der kleine Koch nachdenklich fest und seine Miene hellte sich auf. „Ich bin Raion und wie heisst du?“, fragte er schliesslich und blickte zu Sanji hinauf. „Ich heisse Sanji“, antwortete der Angesprochene. „Komm, Sanji-san“, forderte der Kleine mit einem Nicken und packte Sanjis Hand. Sanji folgte Raion die Treppe hoch. „Wohin gehen wir?“, wollte er wissen und zog genussvoll an seiner Kippe. „In mein Zimmer“, war die kurzangebundene Antwort. Offenbar war der kleine Koch nicht sehr gesprächig, also folgte Sanji ihm wortlos.
 

Am Ende der Treppe bogen sie nach rechts in einen langen Flur mit vielen Türen ein. Auch hier waren die Wände weiss gestrichen, der Boden war von einem weissen, flauschigen Spannteppich bedeckt und die Türen, die sich beidseits des Flurs befanden, hatten weisse Türblätter mit silbernen Schlössern. Bei der dritten Tür auf der linken Seite hielt der Kleine an, nahm die Kochmütze von seinem Kopf und drückte die Klinke hinunter. Wie im restlichen Haus war auch in dem Zimmer alles weiss – sogar das Spielzeug, das auf dem Boden des beeindruckend grossen Raumes herumlag. Raion hatte Sanjis Hand losgelassen und rannte quer durch den Raum zu einer hübsch verzierten, hölzernen Truhe. Sie war weiss lackiert und hatte einen silbernen Beschlag, der schöne Ornamente aufwies und der Truhe eine geheimnisvolle Aura verlieh. Raion hob den Deckel, der sich knarrend bewegte. Die Kiste war mit weissem Samt verkleidet, so viel erkannte Sanji, doch er konnte nicht sehen, was sich darin befand, da der Kleine ihm die Sicht versperrte. Klein-Sanji griff in die Truhe und holte behutsam etwas daraus hervor. Er baute sich vor Sanji auf und streckte ihm seine Hände entgegen, die das Etwas aus der Kiste vorsichtig hielten.
 

„Hier“, sagte er. Sanji hatte dem Kleinen seine offene Hand hingehalten, damit er den Gegenstand darauf legen konnte. Der Smutje sah auf seine Handfläche. Darauf lag ein rostbrauner Stein, etwa so gross wie eine Kinderfaust. Er war oben abgerundet und lag mit der flachen Seite auf seiner Hand. Er drehte den Stein um, um die glatte Unterseite zu betrachten. Erstaunt blinzelte er. Auf dieser Seite leuchtet der Stein in allen Farben des Regenbogens und strahlte ein angenehmes Licht aus. „Hübsch, nicht?“, fragte Raion und betrachtete mit Sanji den Stein. „Die Hülle ist langweilig braun, aber innen ist der Stein wunderschön“, erklärte der Kleine. „Dann ist das hier nur ein Stück von einem grösseren Stein?“, wollte Sanji wissen. „Ja. Der Metall-Mann hat Nero-san dieses Stück geschenkt“, bestätigte der Zwerg. Sanji stellte sich vor, wie ein Metall-Monster dem schwarzen Sanji den Stein gegeben hatte und hob die Augenbraue. „Ein Metall-Golem, der Steine verschenkt?“, murmelte er vor sich hin. „Nein, kein Golem. Der Mann mit dem Metall“, verbesserte der Kleine ungeduldig. „Verstehe, er hat einen Schrottplatz und handelt mit Edelsteinen?“, versuchte Sanji es erneut. Der Kleine hob nun seinerseits die Augenbraue als wollte er fragen „Ist das dein Ernst?“ und schüttelte den Kopf. Er ging auf den Balkon seines Zimmer und rief: „Wenn du mir runter hilfst, zeige ich es dir.“ Sanji stand auf und ging ebenfalls auf den Balkon hinaus. Der Kleine lehnte sich über das Geländer und zeigte nach unten. „Gibt es keine Treppe?“, erkundigte sich Sanji. Der Balkon war zwar nicht sehr hoch, aber mit einem Kind vom Balkon zu klettern schien ihm nicht die beste Idee zu sein. „Ich hatte eine Strickleiter, aber White-san hat mir verboten, nochmals auf die Insel zu gehen und da ich trotzdem wieder hin gegangen bin, hat er sie weggebracht“, erzählte er niedergeschlagen. „Was ist mit einem anderen Weg?“, versuchte es Sanji erneut. „Das ist der einzige. Die Kräuterinsel ist vor gut zwei Wochen aufgetaucht, und die einzige Möglichkeit, dorthin zu gelangen, ist von meinem Balkon runter zu klettern. Komm schon. Die Insel ist toll. Auf der einen Seite ist es immer Nacht und der Mond scheint. Ausserdem willst du doch den Metall-Mann sehen!“, rief der Kleine euphorisch.
 

Sanji konnte sich nicht entscheiden, ob er sich diesen ominösen Metall-Mann nun als Golem oder als Schrottplatzbesitzer vorstellen sollte. Er konnte auch nicht abschätzen, ob der Typ eine Gefahr für ihn und den Jungen darstellen würde. Abwägend sah er auf die Insel hinunter und hatte ein Déjà-vu. Er hatte diese Insel schon einmal gesehen, aber wo? Sie hatten auf ihrer Reise schon unzählige Inseln betreten und so spontan fiel ihm nicht ein, an welche davon ihn diese hier erinnerte. Während er auf die Insel blickte, breitete sich Freude in ihm aus und er hatte das unbestimmte Gefühl, dass die Insel ein Geheimnis offenbaren würde, das für ihn von grosser Bedeutung war. Die Entscheidung war gefallen: Er würde mit Raion vom Balkon klettern und die Insel erkunden.

White Nero-niichan

„Kommst du?“, hakte der Kleine nach und machte Anstalten, auf die Brüstung zu klettern. „Das machen wir besser anders rum. Ich springe runter und du springst hinterher, so dass ich dich auffangen kann“, bestimmte Sanji. Raion nickte und stellte sich brav wieder auf den Boden. Sanji sprang in einem Satz über das Geländer und landete elegant auf der Insel. „Bist du unten?“, wollte der Kleine wissen. „Ja, du kannst springen“, bestätigte der Koch. Ohne zu zögern schwang sich Klein-Sanji über die Brüstung und liess sich in Sanjis Arme fallen. „Das war cool!“, meinte er begeistert, als Sanji ihn auf den sandigen Untergrund stellte. Sanji lachte. Er mochte den Kleinen. Er schien keine Angst zu kennen und war schon in seinen jungen Jahren ein ziemlicher Dickschädel. Kaum hatte er sich eine Kippe angezündet, packte der Knirps seine Hand und rannte los. „Wir müssen uns verstecken. Wenn White-san herausfindet, dass wir auf der Insel sind, wird er stinkwütend und dann muss Nero-san darunter leiden“, meinte er und rannte auf die Palmen zu, die nicht weit von ihnen entfernt wuchsen.
 

„Dieser White scheint ein ziemlicher Tyrann zu sein“, stellte Sanji fest, als sie bei den Bäumen angekommen waren. „Er meint es nur gut, aber er ist stur. Seit der Metall-Mann Nero-san den Stein geschenkt hat, spinnt er total. Er ist völlig ausgeflippt, als Nero-san damit nachhause gekommen ist und hat von ihm verlangt, dass er den Stein zurückgibt. Als Nero-san sich geweigert hat, wollte er den Stein selber zurückbringen, also habe ich ihn versteckt“, erwiderte der Junge. „Verstehe. Darum ging es also bei dem Streit“, meinte Sanji und zog an seiner Zigarette. „Wieso gebt ihr den Stein nicht einfach zurück, wenn deshalb bei euch der Haussegen schief hängt?“, wollte er harmlos wissen und atmete den Rauch aus.
 

Raion blieb so abrupt stehen, dass Sanji um ein Haar mit ihm zusammengestossen wäre. Er hatte die Hände in die Hüften gestemmt und sah den Grösseren böse an. „Willst du das etwa?“, fragte er, als wäre er aus allen Wolken gefallen. Seine Haare standen angriffslustig von seinem Kopf ab und er wirkte wie ein kleiner Löwe. Sanji war von dem plötzlichen Stimmungswechsel so überrumpelt, dass er zuerst keinen Ton hervor brachte, was Raion noch wütender machte. „Nero-san verteidigt den Stein für dich und du schlägst vor, ihn zurückzugeben?! Du solltest nicht immer auf White-san hören“, beschwerte er sich. Kopfschüttelnd drehte er sich um und stapfte verärgert weiter. Sanji war stehen geblieben und versuchte zu verstehen, was gerade passiert war, doch es war zwecklos. Also rannte er dem Knirps hinterher und packte ihn an der Schulter, damit er stoppte. „Sorry Kleiner, aber ich habe keine Ahnung, wovon du redest“, erklärte er wahrheitsgetreu. Der kleine Koch musterte ihn eine Weile skeptisch, ehe er zum Schluss kam, dass Sanji die Wahrheit sagte. „Oh Mann“, seufzte er und klatschte sich die Hand gegen die Stirn. „Du erinnerst dich nicht an das letzte Mal, als du hier warst, hm?“, fragte er erkennend. „Nein. Warum, sollte ich?“, fragte Sanji verdutzt zurück. „Na schön, ich werde es dir erklären. Es dauert eh noch ne Weile, bis wir die Nachtseite erreichen. Hör zu“, wies ihn der Kleine an.
 

„Vor ein paar Jahren bist du hier gelandet, weil du richtig Mist gebaut hast. Du hattest einen ähnlichen Stein geschenkt bekommen, wie Nero-san. Du hast dich wahnsinnig über das Geschenk gefreut, aber du warst zu schusselig, um richtig darauf aufzupassen. Derjenige, der ihn dir geschenkt hatte, hat ihn zurückgenommen, weil er dachte, du wüsstest das Geschenk nicht zu schätzen. Du bist völlig ausgetickt. Du wusstest es nämlich sehr wohl zu würdigen, aber wie gesagt, du warst eben zu schusselig und hast dich durch das Glitzern der Welt ablenken lassen. Du hast es ja nicht böse gemeint. So bist du eben. Alles was glänzt und glitzert bereitet dir Freude, aber mit deiner Begeisterung für das Funkeln und Glitzern hast du den Schenker verletzt, ohne es zu merken. Jedenfalls bist du hierhergekommen, um White Neros Hilfe zu fordern. Du hast dich in deiner ganzen Frustration vor ihm aufgebaut und verlangt: ‚Befrei mich davon‘.“ Sanji zog an seiner Kippe. Er kannte zwar die Worte, die der Kleine verwendete, doch er verstand nicht, was er ihm erzählte. „Warte mal. Wieso sprichst du jetzt von ‚White Nero‘ und nicht mehr von ‚White‘ und ‚Nero‘?“, Sanji hob fragend die Augenbraue und sah seinen kleinen Begleiter irritiert an. Raion war erneut stehen geblieben und blickte skeptisch hoch zu dem blonden Mann. „Was hast du seit deinem letzten Besuch bloss angestellt, dass du mich so dämliche Sachen fragst?“, erwiderte er entsetzt und schüttelte resigniert den Kopf. „White-san und Nero-san sind zwei Aspekte von White Nero. Dein Besuch von damals hat die beiden Prinzipien gegeneinander aufgebracht, so dass sich die zwei Seiten voneinander getrennt und verselbständigt haben.“ Sanjis Augen weiteten sich. Wie sollte er das denn angestellt haben? Doch er verkniff sich die Frage und hoffte, dass der Kleine von selber darauf zu sprechen käme.
 

Mittlerweile befanden sie sich tief im Wald. Die Luft war dunstig und der weiche Waldboden dämpfte ihre Schritte. Der kleine Koch ging voraus und der Grössere folgte ihm.
 

„Zurück zum Wesentlichen. White Nero fragte: ‚Wovon soll ich dich befreien?‘ Zur Antwort hast du dein Jackett zur Seite geschoben. Dein Hemd war blutgetränkt. Du hast es zerrissen und wir konnten die Dornen sehen, die sich in dein Fleisch gegraben hatten. Sie waren dafür verantwortlich, dass dein weisses Hemd triefend rot leuchtete. White Nero schloss die Augen und schüttelte kaum merklich den Kopf. ‚Dabei kann ich dir nicht helfen. Das hast du dir selber angetan‘, sagte er. ‚Du spinnst ja!‘, hast du geschrien. ‚Du hasst dich selber, weil du dem Funkeln der Welt nicht widerstehen konntest und deshalb einen viel grösseren Schatz verloren hast‘, sagte White Nero traurig und berührte deine blutige Brust. ‚Aber das bringt dir nichts, das macht es nicht besser. Akzeptiere und lerne‘, hat er mit gesenktem Blick angefügt. Deine Augen wurden leer und ausdruckslos. Du bist auf den Boden gesunken und hast ins Nichts gestarrt. White Nero hat dir eine Hand auf die Schulter gelegt und gesagt: ‚Bertrauere deinen Verlust und fange neu an.‘
 

Du bist stundenlang regungslos im warmen Gras gesessen. Auf nichts hast du reagiert, es war unheimlich. Nach einer gefühlten Ewigkeit bist du aufgestanden. Du bist vor White Nero getreten, die Augen schwarz und kalt. ‚Fühlst du dich besser?‘, fragte er gefasst. ‚Ja. Es geht viel besser. Ich weiss jetzt, wie ich in Zukunft damit umgehe. Schätze interessieren mich nicht. Ich werde mir nicht nochmal die Finger verbrennen‘, hast du verkündet und die Dornen verschwanden. Auch der scharlachrote, zerfetzte Stoff verschwand. An seiner Statt erschien ein schwarzes Kettenhemd. Blankes Entsetzen spiegelte sich in White Neros Gesicht. ‚Überdenke diese Entscheidung, mein Freund‘, warnte er. ‚Nein‘, war deine Antwort. Über uns manifestierten sich aus dem nichts kohlenschwarze Gewitterwolken, die unseren herrlichen Garten in Dunkelheit hüllten. Belendend weisse Blitze fuhren aus den Wolken hernieder und verwüsteten die Beete. Ein tosender Wind zerrte an den Baumkronen und Büschen. Das Unwetter zerstörte unser Paradies. White Nero sah entgeistert um sich. ‚SCHLUSS DAMIT!‘, befahl er und plötzlich war alles still. Die Blätter der Bäume erstarrten in der Luft gerade dort, wo der Wind sie hingetragen hatte. Die Äste der Trauerweiden standen windschief ab, die Regentropfen verharrten in ihrem Fall zur Erde. Ein viel zu helles Licht umhüllte White Nero, es knallte und mit einem Schlag war alles wieder wie zuvor. Fast, jedenfalls. Dein Kettenhemd war weg, deine Kleidung wieder sauber und gepflegt und White Nero hatte sich in White-san und Nero-san gespalten. Hatte White Nero einen weissen Anzug mit weissem Hemd, schwarzer Krawatte und schwarzen Schuhen getragen, so trugen seine einzelnen Aspekte nur noch eine der zwei Farben. Auch ihre Haare waren einfarbig: White-san hatte platinblondes und Nero-san pechschwarzes Haar.
 

Sowie sich White-san und Nero-san in die Augen sahen, begannen sie zu streiten. ‚Wieso hast du dich von mir getrennt?!‘, brüllte White-san. ‚Hast du nicht gesehen, dass es ihm mit seiner Entscheidung viel besser ging?‘, fragte er wütend und zündete sich eine Zigarette an. ‚Vielleicht ging es ihm in diesem Moment besser, aber auf lange Sicht wäre das keine Lösung gewesen‘, antwortete Nero-san leise. Du hast dir irritiert die Stirn gerieben und die beiden verständnislos angesehen. Du sahst dich fragend um und entdecktest mich. ‚He Kleiner, worum streiten die sich denn?‘, fragtest du mich. Ich zuckte mit den Achseln. ‚Wo ist White Nero?‘, fragte ich zurück. Du wusstest es nicht. Woher auch? ‚Komm, wir suchen ihn. Ist er dein Papa?‘, wolltest du wissen und reichtest mir die Hand. ‚Mein grosser Bruder und mein Lehrer!‘, erklärte ich stolz. ‚Ich hätte auch gerne einen grossen Bruder gehabt‘, sagtest du und lachtest“, beendete der Knirps seine Erzählung.
 

„Wieso hat sich White Nero in White und Nero gespalten?“, fragte Sanji und runzelte die Stirn. „Weil er so verhindern konnte, dass du dein Herz verschliesst. Aber auch das ist keine Lösung für die Ewigkeit. Mit der Zeit wird es dir schaden, dass White-san und Nero-san getrennte Wege zu gehen suchen. Momentan leben sie noch eng zusammen, aber ihre Streitereien werden immer schlimmer. Wenn sich einer der beiden dazu entschliesst, unser Zuhause zu verlassen, bedeutet das dein Ende. Der eine wird ohne den anderen den Garten nicht mehr pflegen, er wird veröden. Der eine wird mich ohne den anderen nicht mehr wecken, ich werde für immer schlafen“, antwortete Raion. „Und ich werde sterben“, sagte Sanji nachdenklich. „Willst du das damit sagen?“, hakte er nach. Der Kleine lächelte. „Jeder stirbt, Sanji. Wenn Körper, Geist und Seele nicht im Einklang sind, wiegt die Last der irdischen Existenz zu schwer und das System muss sich auflösen, um von vorne zu beginnen.“
 

Sanji sollte sterben, wenn White und Nero sich nicht wieder vereinigten? Das konnte er nicht so recht glauben. Es ging ihm gut und wenn etwas nicht in Ordnung mit ihm wäre, würde er es bemerken. Er konnte sich an all das, was ihm Raion erzählt hatte, nicht erinnern, doch fühlte sich die Geschichte vertraut an. Hier war es wirklich schräg, dachte er und gähnte. „Wie ging die Geschichte weiter?“, fragte er trotzdem. „Das ist keine Geschichte, es ist deine Vergangenheit“, widersprach der Angeredete unbekümmert. „Na schön, was ist passiert, nachdem sich White Nero gespalten hat?“, verbesserte er sich. „Du bist bei der Suche nach ihm in den All Blue gefallen und verschwunden“, meinte Raion achselzuckend. Er blieb stehen. „Da vorne ist sie. Die Nachseite. Siehst du das orange Licht?“, fragte er und zeigte in Richtung Waldrand. Sanji bemerkte erst jetzt, dass es im Wald um ihn herum zapfenduster geworden war und er kaum noch den Weg unter seinen Füssen erkennen konnte. Er sah in die Richtung, in die der Kleine zeigte. Tatsächlich, er sah es. Und er wusste genau, was den orangen Schein erzeugte: Ein Feuer.

Spezialität aus Water Seven

„Komm!“, flüsterte Raion. Die blonde Mini-Ausgabe von Sanji kletterte auf eine Palme, die schräg aus dem Waldrand hinaus wuchs und über den Strand hing. Sanji tat es ihm gleich. Oben angekommen stellte er erfreut fest, dass der Stamm dick genug war, um unter ihrem Gewicht nicht zu brechen und dass er eine überraschend bequeme Sitzgelegenheit abgab. Ein lauer Wind wehte und das Rauschen der Brandung war deutlich zu hören. Sanji atmete die salzige Meeresluft ein und genoss das unbeschreibliche Gefühl der Freiheit, das ihn durchströmte, wenn er dem Meer nahe war. Er spürte einen Ellbogen in seinen Rippen und sah den kleinen Koch an. „Schau, da bist du!“, raunte er ihm zu. Sanji blickte nach unten. Tatsächlich. Er sass mit Zorro am Feuer und trank Rum. Seine anderen Freunde lagen kreuz und quer über-, unter- und nebeneinander und schliefen tief und fest. „Der Metall-Mann ist auch da!“, bemerkte der Kleine. Sanjis Blick schweifte den Strand entlang. So etwas wie einen Metall-Golem konnte er nicht ausmachen. Was der Kleine damit meinte? Angestrengt sah er aufs Meer hinaus. „Wo kuckst du denn hin?! Da unten, der Mann mit dem Metall?“, fragte der Knirps und zeigte auf Zorro. Sein weisses Wado-Ichi-Monji glänzte im Feuerschein. Schwerter. Metall. Der Mann mit dem Metall. „Meinst du den Typen mit den grünen Haaren?“, fragte Sanji ungläubig. „Ja-ha. Oder siehst du sonst noch einen Metall-Mann?“, war die ungeduldige Antwort. „Dann hat ER Nero-“ „Ja, jetzt hast du’s kapiert“, bestätigte der Kleine begeistert und fuhr fort: „Sieh zu.“
 

Sanji wollte eigentlich noch mehr fragen, aber unter ihnen tat sich etwas. Franky hatte sich Robin über die Schulter gelegt und ging mit ihr in Richtung Meer, wo nun die Sunny zu erkennen war. „Franky, wir können jetzt nicht aufs Schiff um… ich meine, siehst du nicht, dass Sanji und Zorro noch wach sind?“, sagte Robin lachend zu dem blauhaarigen Cyborg. „Robin-Schätzchen, wir wissen doch sowieso, was ihr zwei treibt“, mischte sich der Sanji, der am Feuer sass, mit Herzchen-Augen in das Gespräch der beiden ein. „Siehst du, Schatz? Ausserdem ist es egal, die beiden trinken schon den ganzen Abend Vergiss-es-Rum. Die können froh sein, wenn sie morgen noch wissen, wieso ihnen der Schädel brummt“, lachte Franky, winkte den beiden Rumtrinkern zu und schritt mit Robin die Planke zur Sunny hinauf.
 

Zorro stützte seine Flasche an und liess sich den Rum die Kehle hinunter rinnen. Sanji sah ihn mit zusammengekniffenem Auge an. „Was ist?!“, fragte Zorro genervt, als er bemerkte, dass der Blonde ihn anstarrte. „Was meint er damit?“, fragte Sanji drohend zurück. „Scheint so, als hätt ich eines der Fässer aus Water Seven erwischt“, meinte Zorro, zuckte mit den Schultern und lehnte sich an das Fass hinter ihm. „Und weiter?“, Sanji wurde allmählich ungeduldig. „Ein Spezialrum aus Frankys Heimatstadt. Wer Vergiss-es-Rum trinkt, erinnert sich am nächsten Tag nicht an den Abend davor“, erklärte der Grünhaarige leichthin und nahm einen weiteren Schluck von seinem Lieblingsgetränk. „Sag mal spinnst du?! Du trinkst allen Ernstes weiter von dem Zeug!?“, wollte der Koch irritiert wissen. „Wen interessiert‘s? Das ist mit Abstand der beste Rum, den ich bisher getrunken habe“, erwiderte der Schwertkämpfer, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und schloss die Augen. „Du begreifst es nicht, oder? Wenn wir morgen aufwachen, werden wir nicht mal wissen, was wir am Strand machen und wieso wir nicht auf der Sunny in unserem Zimmer sind“, gab Sanji zu bedenken. Zorro öffnete ein Auge und sah den Smutje gelangweilt an. „Du siehst doch unsere Freunde, die kreuz und quer am Strand pennen?“ Sanji nickte. „Na also. Wir sind Piraten. Wenn wir morgens am Strand aufwachen, umgeben von leeren Flaschen und unseren Freunden, wird uns klar sein, dass wir ein Fest gefeiert haben.“ Der blonde Koch schwieg. „Oh“, sagte er schliesslich, „das hat was.“
 

Einen Moment sassen die beiden schweigend da. Plötzlich sprang Sanji auf und packte Zorro am Kragen. „Zorro, du Vollidiot. Wieso hast du diesen Rum überhaupt gekauft?!“, brüllte Sanji. „Reg dich ab. Er ist eine Spezialität aus Water Seven. Als Rumliebhaber musste ich mir n Fass davon kaufen“, erklärte Zorro unbeeindruckt. Sanji verdrehte die Augen. „Du Trottel, du hättest mir wenigstens sagen können, was wir da trinken!“, wetterte er weiter und schüttelte Zorro. „Jetzt reicht’s aber!“, schrie Zorro, stand ebenfalls auf und packte Sanji nun seinerseits am Kragen. Sanji, der von Zorros Aktion überrumpelt wurde, verlor das Gleichgewicht, taumelte nach vorne, was auch Zorro das Gleichgewicht kostete, und brachte sie beide zu Fall. Zorro war mit dem Rücken im Sand gelandet und Sanji auf Zorros Brust. Eine Weile verharrten die beiden so, wie sie hingefallen waren. Der blonde Koch starrte den grünhaarigen Schwertkämpfer verdutzt an. Er spürte, wie unter ihm Zorros Herz gegen die Rippen schlug. Seine blonden Haare berührten fast Zorros Gesicht. Die hellen Haarsträhnen bewegten sich in Zorros Atem hin und her, Spannung baute sich auf. Auf einmal schlang Zorro seine Arme um Sanji Hals, zog ihn zu sich herunter – und küsste ihn. Dem Sanji auf dem Baum schoss das Blut ins Gesicht und er wäre von der Palme gefallen, hätte ihn der Knirps nicht am Jackett gepackt und so verhindert, dass er auf den Boden knallte. Jetzt erinnerte er sich wieder an den Abend! Auf einmal war alles wieder da: Zorro, der nach Schwertpolitur gerochen hatte, seine Hände in seinem Nacken, die unerwartet sanft gewesen waren, das Herzklopfen, die Aufregung – einfach alles. Er drehte sich zu dem Kleinen um und wollte etwas sagen, doch Raion schüttelte den Kopf und zeigte runter zum Strand. „Sieh hin, sonst verpasst du’s!“, befahl er und Sanji blickte wieder nach unten.
 

Die ganze Szene wurde blasser und blasser, bis sie wie hinter dickem Nebel wirkte. Während sich der blasse Sanji und der blasse Zorro in einem leidenschaftlichen Kuss verloren, manifestierten sich allmählich zwei andere Gestalten. Ihre Erscheinung wurde immer deutlicher, bis sie klar zu erkennen waren: Die eine Gestalt war Nero, die andere sah aus wie Zorro, mit dem Unterschied, dass seine Haare dunkel- statt hellgrün waren. Ausserdem trug er einen langen, schwarzen Ledermantel, der bis zum Boden reichte. Nero stand mit dem Rücken zu Sanji, dafür konnte er von der Palme aus das Gesicht des dunkelhaarigen Zorros sehen: Seine Züge waren entspannt und er hatte den Blick gesenkt. Er griff in den Mantel und schien auf Höhe der Brusttasche nach etwas zu wühlen. Bald zog er die Hand wieder heraus, die nun etwas Leuchtendes hielt. In allen Farben des Regenbogens strahlte es in seiner Handfläche. Er sah sein Gegenüber in einer undefinierbaren Mischung aus Verehrung, Stolz und Erwartung an. Er reichte das leuchtende Etwas Nero, der es ehrfürchtig entgegennahm. Nero stand eine Weile reglos da und betrachtete das Geschenk. Vorsichtig versorgte er den Gegenstand in der Tasche seines Jacketts und umarmte den Zorro mit den dunklen Haaren stürmisch. Zorro erwiderte die Umarmung und auf seinem Gesicht lag ein seliges Lächlen, wie Sanji es noch nie bei dem Schwertkämpfer gesehen hatte.
 

„Sanji, bist du wach?“ Sanji drehte sich zu dem Kleinen um. „Hm? Was soll die Frage?“, fragte er irritiert. „Sanji?! Chopper, ich glaube, er wacht auf!“, freute sich Nami, die mit Chopper an Sanjis Bett stand.

Appetitverderber

„Hiergeblieben, Freundchen“, brummte Sanji, der Zorro am Kragen gepackt hatte, als der sich wieder unauffällig aus dem Speisesaal hatte verziehen wollen. Seit Sanji wieder fit war, zog er diese Nummer bei jeder Mahlzeit ab: Er kam als Letzter, ass ein paar Happen, stocherte in seinem Essen herum, liess sich den Rest von Ruffy klauen und verdrückte sich dann, sobald alle mit Essen fertig waren. „Lass mich los Sanji, ich hab zu tun“, murrte der Schwertkämpfer. „Ja, in der Küche. Hilf mir beim Abwaschen“, befahl der Koch. „Aber-“, setzte der Grünhaarige an. Nami, der Zorros Benehmen ebenfalls schon aufgefallen war, knallte ihrem Piratenkollegen eine und meinte: „Schluss damit. Du kannst dich in der Küche auch mal nützlich machen. Alle wechseln sich ab, nur du verdrückst dich, kaum dass wir fertig gegessen haben.“ Zorro sah Hilfe suchend zu Ruffy, der sich den vollgestopften Bauch hielt und lachte. „Geschieht dir recht, du Faulpelz“, amüsierte er sich und verliess mit Nami den Speisesaal. Ausser Sanji und Zorro war niemand mehr dort. Zorro begann grimmig, den Tisch abzuräumen. Er würde es schnell hinter sich bringen und dann im Krähennest verschwinden.
 

„Was soll das eigentlich, Mooskopf?“, fragte Sanji und schäumte über vor Wut. Zorro zuckte zusammen. Was zum Teufel hatte er jetzt schon wieder getan, das den Blonden zum Ausrasten gebracht hatte? Zorro brachte weiter das Geschirr zur Spüle und zuckte die Achseln. „Weiss nicht, was du meinst“, erwiderte er, ohne den Smutje anzusehen. „Seit Tagen isst du kaum was und stocherst so lange im Essen rum, bis Ruffy es dir klaut. Ich bin ein Fünf-Sterne-Koch. Was fällt dir ein, meine Speisen zu behandeln, als wären sie gammlig?“ Sanji tobte. „Wie gesagt, ich weiss nicht, was du meinst“, behauptete Zorro, verzog keine Miene und begann mit dem Abwasch.
 

Franky grinste und sah aufs Meer hinaus. Er stand mit Robin auf der Ebene der Küche an der Reling und hörte, wie sich seine Freunde stritten. „Es ist lange her, dass sich die zwei gestritten haben“, bemerkte Robin. „Naja, Zorro geht Sanji ja auch aus dem Weg, wo er kann“, gab Franky zu bedenken. Sie musterte sein Gesicht. „Was grinst du eigentlich so?“, wollte seine Freundin wissen. Er legte einen Arm um sie und zog sie zu sich heran. Zufrieden atmete sie aus. Sie mochte die Geborgenheit und die Wärme, die von dem grossen Cyborg ausgingen. Nirgends fühlte sie sich wohler. „Erinnerst du dich an die Nacht vor unserer Weiterfahrt von der unbewohnten Insel?“, fragte er. Robin grinste breit. „Oh ja, daran erinnere ich mich gut“, sagte sie und drückte Franky einen Kuss auf die Wange. „Du ehrst mich, aber das meinte ich nicht“, sagte er lächelnd. „Als wir zurück zur Sunny sind, haben die anderen geschlafen. Bis auf Sanji und Zorro, die zusammen schon den ganzen Abend Vergiss-es-Rum getrunken haben“, erklärte er. „Stimmt. Ich habe mich noch gewundert, dass Zorro noch nicht schlief. Normalerweise schläft er nach fünf Flaschen ein“, lachte sie.
 

„WO. IST. DEIN. PROBLEM, GRASRÜBE?!“, brüllte Sanji Zorro an, der unbeeindruckt weiter das Besteck spülte. „Komm wieder runter, Sanji. Ich hab eben keinen grossen Hunger“, meinte Zorro. Sanji?! Wieso nannte Zorro ihn Sanji? Sie stritten doch gerade, wie konnte er ihn da beim Namen nennen? Üblicherweise würde er ihm jetzt sowas wie Schnitzelklopfer, Löffelschwinger oder Zwiebelschneider an den Kopf werfen. „Weisst du was, Schwertfuchtler? Du benimmst dich total DANEBEN!“, provozierte der Koch weiter.
 

„Da hast du Recht“, bestätigte der Blauhaarige und lachte ebenfalls. „Aber überleg mal: Weisst du noch, wer bei Sanji Nachtwache gehalten hatte, ehe er plötzlich wieder gesund war?“, fragte Franky weiter. Robin runzelte die Stirn. „Ohhh… du meinst-? Naja, so leidenschaftlich wie die beiden sich immer streiten“, überlegte sie und lächelte. „Hey Robin“, rief Nami und winkte von der Hauptterrasse runter. „Kommst du auch zum Sonnenbaden? Die Sonne geht bald unter, aber die letzten Strahlen können wir noch geniessen.“ „Klar. Ich ziehe mich schnell um. Bin gleich bei dir!“, rief die Schwarzhaarige zurück. Sie drückte Franky noch einen Kuss auf die Wange und verschwand in Richtung Frauenzimmer.
 

Das war zu viel. „Wenn sich hier wer daneben benimmt, dann bist DU das!“, brüllte der Grünhaarige zurück. „Ach ja? Du willst mich wohl für dumm verkaufen! Du trainierst wie ein Irrer und dann erzählst du mir, du hättest keinen Hunger? Weisst du was? Du kannst dir dein Essen von heute an selber machen. Mir reicht’s!“, ereiferte sich Sanji. „Du elender Sturkopf! Es liegt nicht an deinem Essen. Du bist das Problem. Du verdirbst mir den Appetit!“, wetterte Zorro. Aus Sanjis Gesicht wich jede Farbe. Seine Augen wurden ausdruckslos, seine Haltung steif. „Raus“, flüsterte er und zeigte zur Tür. Zorro schmiss den Löffel, den er gerade wusch, zurück in die Spüle und trocknete sich die Hände am Geschirrtuch ab. „Du wolltest es ja UNBEDINGT wissen“, meinte er bockig. „HAU AB!“
 

„Blöder Dickschädel“, murrte Zorro, vergrub die Hände in den Hosentaschen und bog um die Ecke. Ihm war schlecht. Eine heisse Dusche wäre jetzt bestimmt das Richtige. Gedankenverloren starrte er zu Boden und bemerkte Franky erst, als er gegen ihn gelaufen war. „Franky? Hab dich nicht gesehen, ’tschuldigung“, nuschelte er und ging weiter. „Dir ist schon klar, wieso du keinen Appetit hast, oder?“, fragte Frankie leise und wandte sich wieder dem Meer zu. Zorro blieb stehen. Mist. Franky hatte ihren Streit mitbekommen. Allerdings, so wie der dämliche Blonde rumgebrüllt hatte, war das ja kein Kunststück. Der Schwertkämpfer stand reglos an Ort und Stelle. Es nervte ihn, dass er sich ständig dafür rechtfertigen musste, wenn er mal nicht der Vielfrass war, den er sonst gab. „Ich hab eben einfach keinen Hunger“, brummte er. Franky begann, schallend zu lachen. „WAS IST DARAN BITTE LUSTIG?!“, explodierte Zorro und drehte sich zu dem Schiffszimmermann um. Franky hielt kurz inne, musterte Zorro und lachte weiter. „Du begreifst es nicht, oder?“, lachte er und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Zorro beobachtete den Cyborg irritiert und wartete das Ende dessen Lachanfalls ab. „Was begreife ich nicht?“, knurrte er, als Franky sich wieder beruhigt hatte. „Dass es dich voll erwischt hat!“, meinte der Angesprochene. „Hä?“, machte Zorro und besah sich seine Arme und Beine. „Was hat mich erwischt?“, fragte er mit dümmlichem Gesichtsausdruck. „Du schnallst es echt nicht“, stellte Franky nüchtern fest und schüttelte den Kopf.
 

„Du bist in unseren Koch verliebt.“

Meditation

Zorro atmete die Dämpfe des ätherischen Öls, das er als Badezusatz verwendete, wenn er einen klaren Kopf brauchte, tief ein.
 

„Du bist in unseren Koch verliebt“, hatte Franky gesagt. Als er das gehört hatte, war er in Gelächter ausgebrochen. „Wie kommst du darauf?“, hatte er den Handwerker gefragt, als er mit Lachen fertig gewesen war. Der Cyborg hatte keine Miene verzogen und geantwortet: „Ganz einfach: Mit Robin ging es mir ebenso.“ Oh. Es war also kein Witz gewesen, sondern Frankys Ernst? Das war ja wohl absurd. „Ich brauch ‘ne Dusche“, hatte er zerknirscht angekündigt, hatte sich umgedreht und war in Richtung Badezimmer gegangen. „Zorro“, hatte Franky ihm nachgerufen. Er war stehen geblieben, ohne sich umzudrehen. „Zieh es wenigstens in Betracht“, hatte der blauhaarige Pirat angefügt.
 

Es wenigstens in Betracht ziehen? Er hatte im Badezimmer gestanden und beschlossen, eine Runde zu meditieren. In seinem Kopf spukten Szenen vergangener Tage herum und Satzfetzen seines Streits mit Sanji und seiner Unterhaltung mit Franky. Also hatte er sich ein Bad eingelassen, Eukalyptus-Öl ins Wasser gegossen und sich auf seine Atmung konzentriert. Er spürte, wie das warme Wasser seine Brust umspülte. Seine Glieder entspannten sich und sein Herzschlag wurde langsamer. Er konzentrierte sich weiter auf seine Atmung, bis sein Kopf vollkommen leergefegt war.
 

„Hallo Zorro“, begrüsste ihn die erwachsene Kuina. Sie sass unter dem Kirschblütenbaum, unter dem sie als Kinder gesessen hatten, wenn sie mit ihrem Training fertig waren. Die Sonne war bereits untergegangen, doch war der Himmel noch hellblau und die zarte rosa Farbe der Blüten des Baumes, die vom Wind davon getragen wurden, war noch deutlich zu erkennen. „Hallo Kuina“, sagte er und setzte sich neben sie. „Es ist lange her, seit du mich das letzte Mal besucht hast. Du hast jetzt gute Freunde und brauchst mich kaum noch“, sagte sie lächelnd. Zorro sah zum Wald hinunter, der am Fuss des Hügels lag, auf dem der Kirschblütenbaum wuchs. Er nickte stumm. „Du willst wissen, ob der Cyborg Recht hat“, stellte sie ruhig fest. Zorro schluckte leer. Sein Puls beschleunigte sich und er wagte kaum noch zu atmen. „Du brauchst nicht nervös zu werden“, sagte Kuina mit weicher Stimme. „Ich freue mich, dass du dein Herz wieder verschenkt hast. Nach meinem Tod dachte ich, dass du das nie wieder tun würdest“, erklärte sie und berührte den leuchtenden Stein, der an einer Kette um ihren Hals hing. Sie erhob sich. „Komm, ich werde dir etwas zeigen“, forderte sie ihn auf.
 

Zorro stand wortlos auf und folgte seiner Freundin. Sie gingen den Hügel hinab und in den Wald hinein. Sie schritten einige Minuten durch die Büsche und Bäume, als die Nadelhölzer plötzlich von Palmen abgelöst wurden und am Boden keine Erde mehr lag sondern Sand. Sie näherten sich dem Waldrand und Zorro hörte das Meer rauschen. Ein oranger Schimmer drang in den Wald hinein, das Knistern eines Feuers war zu hören. Sie traten aus dem Wald hinaus und befanden sich an einem Strand. Zorro sah sich um: Im Wasser lag die Sunny, der Himmel war sternenklar, die Umgebung wurde vom silberweissen Mondlicht erhellt. Er sah seine Freunde, die am Strand lagen. Ruffy benutzte Chopper als Kopfkissen, Brook schlief zwischen Nami und Lysop eingequetscht nahe der Glut. Er selber sass mit Sanji am Feuer und trank Rum. Zorro sah zu Kuina, um etwas zu fragen, doch sie schüttelte den Kopf und zeigte auf Franky, der sich Robin über die Schulter gelegt hatte und mit ihr in Richtung Sunny ging. „Franky, wir können jetzt nicht aufs Schiff um… ich meine, siehst du nicht, dass Sanji und Zorro noch wach sind?“, sagte Robin lachend zu dem blauhaarigen Cyborg. „Robin-Schätzchen, wir wissen doch sowieso, was ihr zwei treibt“, mischte sich der blonde Koch mit Herzchen-Augen in das Gespräch der beiden ein. „Siehst du, Schatz? Ausserdem ist es egal, die beiden trinken schon den ganzen Abend Vergiss-es-Rum. Die können froh sein, wenn sie morgen noch wissen, wieso ihnen der Schädel brummt“, lachte Franky, winkte dem Sanji und dem Zorro, die am Feuer sassen, zu und schritt mit Robin die Planke zur Sunny hinauf.
 

Zorro sah, wie sein anderes Ich die Flasche ansetzte und sich den Rum die Kehle hinunter rinnen liess. Sanji sah ihn mit zusammengekniffenem Auge an. „Was ist?!“, fragte der andere Zorro genervt, als er bemerkte, dass der Blonde ihn anstarrte. „Was meint er damit?“, fragte Sanji drohend zurück. „Scheint so, als hätt ich eines der Fässer aus Water Seven erwischt“, meinte der Angesprochene, zuckte mit den Schultern und lehnte sich an das Fass hinter ihm. „Und weiter?“, Sanji wurde allmählich ungeduldig. „Ein Spezialrum aus Frankys Heimatstadt. Wer Vergiss-es-Rum trinkt, erinnert sich am nächsten Tag nicht an den Abend davor“, erklärte der Grünhaarige leichthin und nahm einen weiteren Schluck von seinem Lieblingsgetränk. „Verdammt!“, durchfuhr es Zorro und er sah erneut zu Kuina. „Jetzt wird dir wohl einiges klar“, meinte sie und lächelte.
 

„Sag mal spinnst du?! Du trinkst allen Ernstes weiter von dem Zeug!?“, wollte der Koch irritiert wissen. „Wen interessiert‘s? Das ist mit Abstand der beste Rum, den ich bisher getrunken habe“, erwiderte der Schwertkämpfer, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und schloss die Augen. „Wo er Recht hat“, dachte Zorro und pflichtete seinem anderen Ich in Gedanken bei. „Du begreifst es nicht, oder? Wenn wir morgen aufwachen, werden wir nicht mal wissen, was wir am Strand machen und wieso wir nicht auf der Sunny in unserem Zimmer sind“, gab Sanji zu bedenken. Zorro öffnete ein Auge und sah den Smutje gelangweilt an. „Du siehst doch unsere Freunde, die kreuz und quer am Strand pennen?“ Sanji nickte. „Na also. Wir sind Piraten. Wenn wir morgens am Strand aufwachen, umgeben von leeren Flaschen und unseren Freunden, wird uns klar sein, dass wir ein Fest gefeiert haben.“ Der blonde Koch schwieg. „Oh“, sagte er schliesslich, „das hat was.“
 

Einen Moment sassen die beiden schweigend da. Plötzlich sprang Sanji auf und packte Zorro am Kragen. „Zorro, du Vollidiot. Wieso hast du diesen Rum überhaupt gekauft?!“, brüllte Sanji. „Reg dich ab. Er ist eine Spezialität aus Water Seven. Als Rumliebhaber musst ich mir n Fass davon kaufen“, erklärte Zorro unbeeindruckt. Sanji verdrehte die Augen. „Du Trottel, du hättest mir wenigstens sagen können, was wir da trinken!“, wetterte er weiter und schüttelte Zorro. „Jetzt reicht’s aber!“, schrie Zorro, stand ebenfalls auf und packte Sanji nun seinerseits am Kragen. Sanji, der von Zorros Aktion überrumpelt wurde, verlor das Gleichgewicht, taumelte nach vorne, was auch Zorro das Gleichgewicht kostete, und brachte sie beide zu Fall. Zorro war mit dem Rücken im Sand gelandet und Sanji auf seiner Brust. Eine Weile verharrten die beiden so, wie sie hingefallen waren. Zorro sah hoch in Sanjis Gesicht. Er fühlte, wie über ihm Sanjis Herz gegen die Rippen schlug. Sanjis blonde Haare berührten fast sein Gesicht. Die hellen Haarsträhnen bewegten sich in seinem Atem hin und her – und ihm brannten die Sicherungen durch. Er schlang seine Arme um Sanji Hals, zog ihn zu sich hinunter – und küsste ihn. Mit hängendem Kiefer glotzte Zorro auf die beiden Männer am Strand. Jetzt, wo er das Spektakel sah, erinnerte er sich plötzlich wieder an den Abend: Der Duft nach Küchenkräuter, der von Sanji ausgegangen war, sein heisser Atem an seinem Hals, die weiche Haut, die zarten Lippen. Abermals schluckte er leer. Der Koch hatte Recht: Was war er doch für ein Idiot, Vergiss-es-Rum anzuschleppen?!
 

„Zorro?“, fragte Kuina leise. „Pass auf, sonst verpasst du das Wichtigste“, meinte sie. Die ganze Szene wurde blasser und blasser, bis sie wie hinter dickem Nebel wirkte. Während sich der blasse Sanji und der blasse Zorro in einem leidenschaftlichen Kuss verloren, manifestierten sich allmählich zwei andere Gestalten. Ihre Erscheinung wurde immer deutlicher, bis sie klar zu erkennen waren: Die eine Gestalt war Zorro, mit dem Unterschied, dass seine Haare dunkel- statt hellgrün waren. Ausserdem trug er einen langen, schwarzen Ledermantel, der bis zum Boden reichte. Die andere Gestalt sah aus wie Sanji, allerdings war der Mann komplett schwarz gekleidet und hatte schwarze statt blonde Haare. Der Zorro mit den dunkelgrünen Haaren griff in den Mantel und schien auf Höhe der Brusttasche nach etwas zu wühlen. Bald zog er die Hand wieder heraus, die nun etwas Leuchtendes hielt. Es strahlte in allen Farben des Regenbogens in seiner Handfläche. Der schwarze Sanji sah den Zorro mit den dunkeln Haaren erwartungsvoll an. Der Ledermantel-Zorro reichte das leuchtende Etwas dem Schwarzhaarigen, der es ehrfürchtig entgegennahm. Er stand eine Weile reglos da und betrachtete das Geschenk. Vorsichtig versorgte er es etwas später in der Tasche seines Jacketts und umarmte den Zorro mit den dunklen Haaren stürmisch.
 

„Verstehst du nun, wieso du dich fühlst, als würde dir etwas fehlen?“, fragte Kuina. Zorro drehte den Kopf. Sie sassen wieder auf dem Hügel unter dem Kirschblütenbaum, die Landschaft schimmerte silbrig im Mondlicht. Er sagte nichts, sondern blickte sie weiter an, also fuhr sie fort: „Deine Seele hat Sanji ein Stück deines Herzens geschenkt. In deinem Bewusstsein existiert dieser Abend aber nicht mehr und nun weiss dein Verstand nicht, wo der verschenkte Teil geblieben ist. Er bemerkt lediglich, dass du nicht mehr ganz bist. Das ist der Grund, aus dem du tief und fest schlafen konntest, als du bei Sanji warst. Du warst dem verschenkten Teil nahe genug, um dich ganz zu fühlen. Für deinen Verstand war in dieser Situation alles in Ordnung und er liess dich ruhen.“
 

Zorro tauchte aus der Meditation auf und starrte das Wasser in der Badewanne an. „Na toll, und jetzt?“

Eukalyptus-Öl

Hatte er überreagiert? Nein. Es war ja wohl eine Frechheit, dass man ihm sagte, er würde einem den Appetit verderben. Er sollte sich nicht so darüber aufregen. Wenn er ehrlich war, ging es ihm ja ebenso: Sobald Zorro den Speisesaal betrat, verging ihm der Appetit. Allerdings würde er diesen Umstand netter formulieren und nicht so, dass er klang wie eine Beleidigung. Sanji wischte über den Tisch. Er beobachtete, wie der Lappen auf der Platte eine feuchte Spur hinterliess und versank wieder in Gedanken. Vermutlich konnte Zorro sich an den Abend nicht mehr erinnern. Mist! Er war so lange sicher gewesen, dass es für sie beide besser war, dass Zorro nicht mehr wusste, dass er ihm sein Herz geschenkt hatte. Zunächst war er sogar dankbar gewesen dafür. Doch in letzter Zeit war er sich dessen nicht mehr so sicher. Es schmerzte ihn, dass Zorro ihm aus dem Weg ging. Auch ihre ewigen Keilereien und Streitigkeiten wegen Nichts fehlten ihm. Wieso hatte der Idiot auch Vergiss-es-Rum anschleppen müssen?! Sanji seufzte. So konnte das ja kaum weitergehen. Aber was tat er jetzt am besten? Er konnte Zorro nicht erzählen, dass sie am Strand rumgeknutscht und er ihm sein Herz geschenkt hatte. Der Schwertkämpfer würde ihn bestenfalls auslachen. Er zündete sich eine Zigarette an und inhalierte so viel Rauch, dass er dachte, seine Lungen würden platzen. Er schaute den Rauchschwaden zu, die zur Decke stiegen und sich im Raum verteilten. Eine gefühlte Ewigkeit sass er einfach nur am Tisch und starrte Löcher in die Luft.
 

Schluss mit dem Unfug! Er musste etwas tun. Irgendetwas. Er würde Zorro suchen und- Was? Was wollte er machen, wenn er ihn gefunden hatte? Ach egal. Irgendetwas würde bestimmt passieren. Wenn ihm nichts einfiel, würde er eben einen Streit vom Zaun brechen, Hauptsache, der grünhaarige Volldepp konnte ihm nicht wieder aus dem Weg gehen. Sanji stand auf und marschierte aus der Küche. Unschlüssig stand er draussen. Wo sollte er mit Suchen anfangen? Natürlich, im Ausguck! Er wollte soeben die Treppe hinunter stürmen, als Franky nach ihm rief. „Hey Sanji, was ist denn mit dir los?“, fragte er verdutzt, denn dem Koch standen die Haare wirr zu Berge, seine Hemdärmel waren unordentlich hochgeschoben und seine Krawatte hing locker und schräg an seinem Hals. „Was meinst du?“, erwiderte der Angesprochene irritiert. Franky packte ihn bei den Schultern und drehte ihn herum, bis er sein Spiegelbild in einem der Bullaugen erkennen konnte. „Oh das. Äh… ich… hab mich geärgert“, erklärte er verlegen. „Ja, das war nicht zu überhören“, nuschelte Franky. „Bitte?“, fragte Sanji. „Ich sagte: Das habe ich mir gedacht, so ordentlich, wie du sonst bist“, log der Cyborg. Sanji schien total von der Rolle zu sein, da war es nicht nötig, dass er ihn provozierte. Ob der Koch wohl etwas klüger war als der Schwertkämpfer und wusste, was Sache war? Allerdings, so wie er wegen Zorros Bemerkung in die Luft gegangen war, war er derzeit wohl genauso ein Dämlack wie der Grünhaarige. Also beschloss Franky, ein kleines Bisschen nachzuhelfen. „Hör mal, Sanji. Wenn du in der Küche fertig bist, könntest du mir helfen. Brook sagte, im Badezimmer käme kein heisses Wasser mehr. Möglicherweise stimmt etwas mit der Feuerung nicht. Könntest du bitte nach oben ins Badezimmer gehen, zuerst eine Minute das kalte, danach eine Minute das warme Wasser und dann zwei Minuten lauwarmes Wasser laufen lassen? Ich gehe währenddessen in den Maschinenraum um zu prüfen, ob ich irgendwelche Meldungen erhalte“, bat der Zimmermann. „Von mir aus. Hab eh grad nix Besseres zu tun“, willigte Sanji ein. Sein Problem hatte sich somit erledigt – fürs Erste. Er begab sich in die Bibliothek und stieg die Leiter zum Badezimmer hinauf.
 

Sanji erreichte das Ende der Leiter und stand in der Ankleide. Er schluckte. Ups. Da hingen Zorros Kleider. Besser, er verzog sich schnell wieder, ehe der Schwertkämpfer seine Anwesenheit bemerkte. Andererseits… der Duft von Eukalyptus hing in der Luft, was nur bedeuten konnte, dass Zorro meditierte. Für gewöhnlich dauerte das ewig. Er brauchte sich also nicht zu beeilen.
 

„Seine Klamotten wirken so unspektakulär, wenn er sie nicht trägt“, überlegte er. Er hatte sich schon oft gefragt, aus welchem Material eigentlich Zorros Hose bestand. Also ging er zu der Wand, an der die Kleider hingen, und befühlte die Hose. Leder. Interessant. Das erklärte die Widerstandskraft des Materials. Wie sich wohl sein Shirt anfühlte? Sanji strich mit den Fingern über den weissen Stoff und stellte überrascht fest, dass er unglaublich weich war. Offenbar handelte es sich um ein Mischgewebe aus Baumwolle und Seide.
 

Auf der anderen Seite der Tür starrte Zorro immer noch das Wasser in der Badewanne an. Es war in der Zwischenzeit kalt geworden und er fröstelte. Er drehte den Heisswasserhahn wieder auf. Er wollte noch etwas entspannen, aber dafür brauchte er warmes Wasser. Und noch mehr Eukalyptus-Öl. Doch das war dummerweise in seiner Hosentasche. Er pflegte, alles fertig zu machen, bevor er seine Kleidung auszog und so steckte er jeweils die kleine Flasche zurück in seine Hose, die jetzt in der Ankleide lag.
 

Sanji atmete den Geruch des Shirts tief ein. Es roch nach Metall und Moschus. Einfach herrlich… Energisch schüttelte er den Kopf. „Himmel, ich verblöde noch, wenn ich so weiter mache“, dachte er. Er hängte das Shirt zurück an seinen Platz und stellte sich vor das Waschbecken. Er liess kaltes Wasser in seine Handflächen laufen und klatschte es sich ins Gesicht. Ah, das tat gut! Die kleine Abkühlung liess ihn wieder klarer werden. Eine Dusche wäre jetzt toll. Er sah kurz zur Tür und wieder zurück zum Waschbecken. Eine Dusche lag leider nicht drin, da das Bad besetzt war. Doch zur Not tat es auch ein kühler Waschlappen. Er löste die Krawatte von seinem Hals, öffnete die Hemdknöpfe und streifte sein Hemd ab. Er schnappte sich seinen Lappen, der an einem Haken neben dem Becken hing und hielt ihn unter den kalten Wasserstrahl. Er stützte sich am Waschbeckenrand ab und sah in den Spiegel. Seine Haare standen von seinem Kopf ab, als wäre er irre.
 

Zorro stand auf, das Wasser schwappte um seine Beine. Er blickte zu seinem Handtuch, das er bereit gelegt hatte. Wenn er es jetzt benutzte, um kurz in der Ankleide sein Bade-Öl zu holen, wäre es nachher, wenn er es wirklich brauchte, nass. Also liess er es liegen, wo es war und entschied sich, dass Eukalyptus-Öl auch ohne Handtuch holen zu können. Er stieg aus der Wanne und ging zur Tür. Er drückte die Klinke hinunter und trat in die Ankleide.
 

Sanji sinnierte weiter über seine Haare und hielt seinen Kopf kurzentschlossen unter das fliessend kalte Wasser. Fantastisch! Er hörte, wie die Klinke der Badezimmertür gedrückt wurde und schreckte hoch. „Aua!“, schrie er, als er mit dem Hinterkopf gegen den Wasserhahn knallte. „Sanji?!“, fragte Zorro. Sanji drehte sich um.
 

Zorro stand nass und nackt in der Badezimmertür.

Im Ankleideraum

Zorro stand wie angewurzelt da. Sanji war halbnackt, seine Haare waren nass und das Wasser tropfte ihm über die Stirn auf die Brust, wo es in einer dünnen Spur über seinen Bauch rann und in seinem Hosenbund versiegte. Er dachte daran, wie er den Blonden am Strand geküsst hatte. Seine Lippen waren so zart und seine Zunge war so weich gewesen. Sein Herz schlug schwer und träge. Aufregung breitete sich in seinem Körper aus und er spürte, dass ihm das Blut nicht nur in den Kopf schoss.
 

Sanji hielt die Luft an. Zorros Anblick war beeindruckend. Seine goldene Haut glänzte. Seine Haare schimmerten dunkelgrün, weil sie nass waren, und eine angedeutete Röte lag auf seinen Wangen. Sanji merkte sich jeden Quadratzentimeter seiner Erscheinung und nahm das Bild des nackten Schwertkämpfers mit allen Details in sich auf. Sein Blick glitt über seine Arme zu seinem muskulösen Hals, hinunter zu den Schlüsselbeinen. Er sah die lange Narbe, die sich quer über seinen Oberkörper zog und verspürte einen Stich in der Brust. Diese Verletzung hatte Zorro Qualen bereitet, obwohl er es nie zugegeben hatte.
 

Zorro spürte Sanjis Blick auf seiner Haut. „Du verdirbst mir den Appetit“, spukte es durch seinen Kopf. Damit hatte er sein Gegenüber hart getroffen. Sollte er sich dafür entschuldigen? Immerhin hatte er sich darauf selber keinen Reim machen können und konnte quasi nichts für die blöde Antwort. Trotzdem tat es ihm leid, Sanji damit verletzt zu haben. Betreten sah er zu Boden, als könnten ihm die Dielen einen Rat erteilen.
 

Zorro blickte in undefinierbarer Weise zu Boden. War er etwa niedergeschlagen? Er wirkte irgendwie betreten. Doch wieso? Sanji wusste keinen Grund, der Lorenor Zorro betreten erscheinen lassen könnte. „Zorro?“, fragte er, doch der andere rührte sich nicht. Sanji durchschritt die Distanz zwischen ihnen. Er legte Zorro eine Hand auf die Schulter. „Was ist mit dir?“, versuchte er es erneut.
 

Zorro hob den Kopf. Sanji stand direkt neben ihm und er konnte seinen Atem an seinem Hals spüren. Seine Wangen glühten und je länger er sprachlos dort stand, desto weniger wusste er, was er sagen sollte.
 

Der Schwertkämpfer war geistig offenbar meilenweit weg und sagte noch immer nichts. Alles, was er bisher gesagt hatte, war „Sanji?!“ gewesen. Nicht mehr und nicht weniger. Keine Begrüssung, keine Beleidigung. Nichts. Sanji war ratlos. Zorro war wirklich ein schwieriger Fall. Was könnte er zu ihm sagen, das ihn zum Reden bringen, aber nicht explodieren lassen würde? Sanjis Hand lag noch auf Zorros Schulter. Vielleicht gab es einfach nichts Passendes, das er sagen könnte. Er schloss die Augen und schmiegte seine Wange an Zorros. Er hörte, wie der Grünhaarige entspannt ausatmete. Sanji legte seine Arme um Zorros Hals und stellte sich vor ihn. Er strich mit seiner Nasenspitze über Zorros Nase. Sachte berührten seine Lippen die des anderen. Sanji bemerkte, dass Zorro seine Arme um seine Taille schlang und ihn näher zu sich heranzog.
 

Zorros Kopf war leer. Keine Gedanken, nur Sinneseindrücke. Sanjis weiche Zunge auf seinen Lippen. Sanjis Finger in seinem Nacken, die mit den Haaren am Haaransatz spielten. Zorro öffnete seine Lippen und Sanjis Zunge glitt in seine Mundhöhle. Erinnerungen an den Abend am Strand durchströmten sein Bewusstsein. Langsam streichelte er über Sanjis Rücken. Er fühlte die einzelnen Rippenbögen und spürte das Spiel der Muskeln, als Sanji seine Hände bewegte. Sanjis Haut war warm und roch wie damals am Strand nach Kräutern. Der Smutje brach den Kuss ab und küsste stattdessen Zorros Hals. Seine kühlen Lippen fühlten sich auf seiner heissen Haut toll an. Die flüchtigen Berührungen jagten Zorro Schauer über den Rücken und er genoss es, den Koch für sich alleine zu haben.
 

Sanji konnte gar nicht genug bekommen von Zorro. Er drückte den Schwertkämpfer an sich. Er würde ihn behalten und einfach nicht mehr gehen lassen. Die Welt konnte ihm gestohlen bleiben. Er fuhr mit den Händen über Zorros kräftige Oberarme. Pure Kraft. Er bewunderte den Schwertkämpfer für seine Stärke und Ausdauer. Natürlich würde er es ihm nicht auf die Nase binden, aber der Grünhaarige war der beeindruckendste Mensch, den er kannte. Nicht nur seine Muskeln waren aus Stahl, sein Wille war es ebenso. Er dachte an den Kampf mit Bär auf der Thriller Bark. Nichts konnte ihn einschüchtern, egal, wie übel er bereits zugerichtet war.
 

Zorro war überrascht, als Sanji ihn plötzlich so fest an sich drückte, dass alle Luft aus seinen Lungen gequetscht wurde. Bevor er jedoch weiter darüber nachdenken konnte, küsste Sanji ihn wieder. Diesmal war er stürmisch und fordernd. Zorros Hände glitten über Sanjis Seiten zu seinem Hosenbund. Problemlos öffnete er den Gürtel und die Hose und liess sie samt Boxershorts über Sanjis Beine zu Boden gleiten. Ebenso schnell folgten Socken und Schuhe und so war bald auch Sanji völlig unbekleidet. Zorro trat an Sanji heran. So nah, dass sich ihre Nasenspitzen fast berührten. Er sah dem Blonden in die Augen und berührte seine Brust. Langsam suchte sich seine Hand ihren Weg nach unten.
 

Sanjis Puls beschleunigte sich und er spürte deutlich sein Herz schlagen. Zorro sah ihm immer noch in die Augen, während seine Hand tiefer und tiefer glitt. An ihrem Ziel angekommen, umschloss Zorros Hand ihn sanft und begann, sich federleicht auf und ab zu bewegen.
 

Sanji sah ihn unter halbgeschlossenen Lidern hervor an. Die Lust war ihm deutlich anzusehen und sie stand in einem interessanten Kontrast zu seinem Willen, Zorros Blick weiter stand zu halten. Wie weit er ihn wohl würde treiben können? Zorro verlangsamte seine Bewegungen und der Koch sah ihn weggetreten an. Bald hätte er ihn so weit – dachte er. Doch Sanjis Beherrschung war stärker, als Zorro erwartet hatte. Der Blonde sah ihn auf einmal wieder mit völlig klarem Blick zwischen seinen Haarsträhnen hindurch an. Elegant ging der Koch auf die Knie und nahm Zorro in den Mund.
 

Zorro hatte angefangen, mit ihm zu spielen – jetzt war er an der Reihe. Er war gespannt, wie weit er würde gehen können.

Im Badezimmer

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Bikini-Desaster

„He, Grasrübe, geht’s auch etwas schneller?“, maulte Sanji. „Halt’s Maul, Schnitzelklopfer, sei froh, dass ich dir überhaupt helfe“, gab Zorro zurück und deckte weiter den Frühstückstisch. „Wie war das? Als ob ich auf einen Schwertfuchtler wie dich angewiesen wäre!“, empörte sich Sanji.
 

„Morgen Schatz“, begrüsste Robin ihren Franky, der von der Reling aus den Sonnenaufgang beobachtete. „Hallo meine Schöne“, erwiderte er den Gruss und küsste sie. „Was ist denn mit den beiden los?“, fragte sie überrascht und deutete zur Küche hinter ihnen. „Scheint so, als wäre wieder alles in Ordnung“, meinte er achselzuckend und schloss sie in seine Arme.
 

„Bist du bald fertig, Mooskopf?“, drängte Sanji gelangweilt. „Nenn mich nicht Mooskopf, Löffelschwinger!“, rief Zorro erbost. „Hey ihr zwei. Ist das Essen schon fertig?“, fragte Franky, als er in den Speisesaal trat. „Es steht alles bereit“, bestätigte Sanji und zündete sich eine Zigarette an. „Hör endlich mit dieser ständigen Qualmerei auf! Du verpestetest die ganze Küche!“, reklamierte Zorro. „Ach ja, Marimo? Das ist meine Küche, also sei gefälligst ruhig!“, brüllte Sanji.
 

Als der Rest der Crew zum Frühstück erschien, prügelten sich die beiden Streithähne, als hätte es die vergangenen Wochen nie gegeben. „Was ist denn mit denen los?“, fragte Nami verdutzt. „Hört auf mit dem Quatsch. BEI EUCH PIEPTS WOHL!“, schrie die Navigatorin, verteilte zwei schallende Ohrfeigen und sorgte dafür, dass das Frühstück einigermassen geordnet verlaufen konnte.
 

„Mann, ich bin pappsatt“, seufzte Ruffy eine dreiviertel Stunde später. „Du lernst es wohl nie“, meinte Nami zerknirscht und stand auf. Wie auf Kommando verliessen die Strohhutpiraten den Speisesaal und gingen ihren Beschäftigungen nach. Frankie begleitete Robin in die Bibliothek, Brook ging Lysop in der Werkstatt zur Hand, Chopper verzog sich ins Krankenzimmer, um neue Tinkturen herzustellen, und Nami und Ruffy setzten sich auf die Bank am Mast. Im Schatten verdaute es sich wesentlich angenehmer als in der prallen Sonne. Zur Überraschung aller hatte sich Zorro freiwillig bereit erklärt, Sanji beim Abwasch zu helfen. Aus gutem Grund: Nach dem Essen kam mindestens während einer Stunde keiner mehr in die Küche, um nicht Gefahr zu laufen, doch noch beim Aufräumen helfen zu müssen. Wenn sie also mit der Arbeit fertig waren, blieb ihnen noch Zeit für ungestörte Zweisamkeit. In Windeseile blitzte die Küche wieder in altem Glanz.
 

Zorro, der sich ohnehin den ganzen Morgen kaum hatte beherrschen können, packte Sanji, setzte ihn auf der Theke ab und küsste ihn leidenschaftlich. Sanji, der zuerst etwas überrumpelt gewesen war, gab sich der Liebkosung gerne hin und bald war die ganze Welt um sie herum vergessen.
 

„Nami?“, sagte Ruffy. „Was ist?“, fragte sie. „Ich hab Hunger!“, jammerte der Captain. „Spinnst du? Vor einer guten Stunde hast du dich noch darüber beschwert, zu viel gegessen zu haben. Du bist ja wohl nicht ganz dicht!“, rastete sie aus. „Holst du mir was zu Essen?“, bat der Captain, unbeeindruckt von Namis Ausbruch. „Hol dir dein Essen selber, ich zieh mir jetzt meinen neuen Bikini an“, verkündete sie und stand auf. „Och, aber wenn ich zu Sanji gehe, sagt er bestimmt, dass die Küche zu hat. Und du bekommst doch immer alles von ihm, was du willst!“, klagte Ruffy weiter. „Na schön. Ich zieh mir meinen Bikini an und wenn Sanji dir nichts zu Essen gibt, hol ich dir was. Einverstanden?“, schlug die Navigatorin gereizt vor. „Danke Nami, du bist die Beste!“, rief Ruffy ihr über die Schulter zu, während er bereits die Treppe zur Küche hinauf rannte. „Sanjiiiiii, ich hab Huuuuungeeer!“, rief er und trat in den Speisesaal. Keine Antwort. „Sanj-“, begann er erneut, doch das Wort blieb ihm im Hals stecken.
 

„Sanji, was macht ihr da?“, fragte er wissbegierig und zog an Sanjis Ärmel. „Wir küssen uns“, sagte er und machte da weiter, wo Ruffy ihn unterbrochen hatte. „Hmmm…“, machte der Captain und legte den Kopf schräg. „Wozu soll das gut sein?“, fragte er weiter. „Ruffy, verzieh dich“, befahl Zorro und wandte sich wieder Sanji zu. „Sanji, ich hab Hunger“, maulte Ruffy. „Küche ist zu“, bemerkte Sanji kurz angebunden und hoffte, der Kapitän würde bald das Weite suchen. „Ach Menno“, jammerte der und machte sich auf den Weg zum Frauenzimmer.
 

Davor angekommen klopfte er an die Tür. „Naaaaami“, rief er. „Was ist?!“, tönte es aus dem Zimmer. „Komm raus, du musst in die Küche kommen“, erklärte Ruffy gestresst. Die Tür öffnete sich und Nami erschien in ihrem neuen Bikini. „Du wirst schon nicht gleich verhungern!“, keifte sie. „Darum geht es nicht. Also doch, darum geht’s auch, aber du musst mitkommen und mir erklären, wozu das gut ist, was Zorro und Sanji in der Küche tun“, erklärte er aufgeregt und zog Nami hinter sich her. „Mensch Ruffy, die räumen auf, das solltest du inzwischen wissen“, erwiderte Nami ungeduldig. „Komisch. Sanji sagte, sie würden sich küssen“, grübelte der Captain. Nami lachte. „Da wurdest du wohl veräppelt, die zwei… küssen sich tatsächlich“, beendete sie ihren Satz überrascht, als sie im Speisesaal angekommen waren. „Sie sehen aus, als hätten sie Spass“, stellte Ruffy nachdenklich fest. „Also, wozu ist es gut?“, fragte er enthusiastisch. „Das erklär ich dir draussen, okay? Wir lassen die beiden jetzt mal schön in Ruhe“, sagte sie und versuchte, Ruffy nach draussen zu schieben. „Nein, ich hab doch noch Huuuuungeeeer!“, jammerte der Captain.
 

„He Leute, was ist denn hier los?“, fragte Lysop, der mit Brook im Schlepptau durch die Tür der Werkstatt in den Speisesaal gestürmt kam. „Oh sieh nur, die zwei streiten mal nicht, hihihi“, bemerkte Brook amüsiert. „Was macht ihr denn für einen Lärm? Ist jemand verletzt?“, fragte nun Robin, die soeben mit Franky aufgetaucht war. Sofort sprang die Tür zum Krankenzimmer auf. Chopper erschien mit seinem Arztkoffer und rief aufgeregt: „Wer ist verletzt? Ich bin Arzt!“ „Oh, Nami, dein neuer Bikini steht dir wirklich toll!“, war Brook entzückt. „Neuer Bikini?!“, mischte sich nun auch Sanji ein. „Oh, Namilein, du bist wirklich eine Augenweide!“, säuselte er mit Herzchen-Augen. Die Navigatorin klebte dem Koch die zweite Ohrfeige: „Geht’s noch? Du knutschst mit Zorro rum und dann schmachtest du mich an? Das ist ja echt geschmacklos! Das ist Zorro gegenüber total unfair, du Holzklotz!“
 

Zorro hatte sich aus dem Getümmel geschlichen, sobald Sanji den Herzchen-Blick aufgesetzt hatte. Er begab sich zur Hauptterrasse, legte seine Schwerter neben sich und lehnte gegen den Hauptmast. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf, schloss die Augen und genoss die Sonne. Seine Freunde waren doch alle nicht ganz dicht, so einen Aufstand zu machen wegen dem Bisschen Rumgeknutsche! Er genoss die Ruhe auf der Hauptterrasse und döste bald ein.
 

„Wieso hast du ihm jetzt eine geklebt, Nami?“, wollte Ruffy wissen. „Weil er es verdient hat!“, wetterte Nami. Ruffy kratzte sich an der Stirn. „Also das versteh ich jetzt nicht!“, meinte er. Sanji sah sich um. Verdammt, wo war Zorro? Mist, es hatte ja so kommen müssen! Das erste Mal Nami im Bikini und er hatte Zorro schon vergrault. Wie sollte er das wieder gut machen? Und wie sollte er verhindern, dass es wieder passierte?! „Robin? Erklär du es ihm“, bat Nami. „Was denn?“, fragte Robin, die die Ohrfeige nicht mitgekriegt hatte. „Oh Mann Ruffy, du hast echt von nichts eine Ahnung“, mischte sich Lysop ein. Sanji nutzte das erneut ausbrechende Durcheinander, um sich ebenfalls aus der Küche zu stehlen. Wo war Zorro bloss? Er sah sich draussen um und hörte ein leises Schnarchen, das von der Hauptterrasse kam.
 

Sanji begab sich zu den Orangenbäumen und stellte erleichtert fest, dass Zorro vor sich hin döste. Sein Schatten fiel auf den Schwertkämpfer und Zorro öffnete ein Auge. Einen Moment lang sah er Sanji an. Dann nahm er seine Schwerter und legte sie von der rechten auf die linke Seite, um Sanji zu zeigen, dass sich neben ihn setzen sollte. Überrascht liess sich Sanji neben Zorro nieder, der so gleich seinen Arm um den blonden Koch legte. „Zorro, es tut mir leid-“, begann er, doch Zorro unterbrach ihn. „Kein Thema, du kannst einfach nicht anders. Das weiss ich doch, mein dämlicher Koch“, erklärte er, verwuschelte Sanjis Haare und döste weiter.
 

Der Wind trug ein zartes Orangenaroma zu ihnen herüber. Das Meer rauschte und die Sonne schien angenehm warm auf sie herunter. Sanji spürte, wie sich Zorros Brust hob und senkte. Seine Nähe vermittelte ihm Geborgenheit und er war absolut glücklich. „Ich liebe dich“, sagte er an Zorro gelehnt und schloss ebenfalls die Augen.
 

„Ja, Pirat zu werden war definitiv eine gute Entscheidung gewesen“, dachte Zorro und grinste.



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  dasy
2012-09-17T17:55:46+00:00 17.09.2012 19:55
Ich mag Deine Geschichte!
Sie ist doch sehr liebevoll geschrieben und bleibt den beiden Charakteren recht treu.
Das mit den Geistern und den gespaltenen Personen ist zwar eigentlich nicht so mein Ding, aber so, wie Du es nutzt, macht es durchaus Sinn.
Mich stört etwas, dass die Beiden so schnell zur Sache kommen, denn ich würde nicht gleich fünf Minuten nachdem ich festgestellt habe, dass ich in einen Mann verliebt bin, gleich in desses Schritt fassen. Da fehlt mir noch etwas die gemeinsame Verarbeitung der neuen Erkennteniss. Da könntest Du ruhig noch ein Kapitel Romantik vor dem Sex einbauen.
Dann wiederum gefällt mir, wie Du den Sex beschreibst: dieskret und ohne riesen Tamtam. Zoro ist zwar etwas sehr passiv, passt aber wiederum dazu, dass er scheinbar keine Erfahrung hat, wobei Sanji für negative ERfahrungen sehr stürmig ist.
Nochmal: Ich mag Deinen liebevollen Schreibstil. mach weiter so!

Tschüß, Dasy
Von:  Xamyn
2012-07-24T15:00:51+00:00 24.07.2012 17:00
Hallo :)

Ich habe diese Fanfic bereits woanders genießen können, möchte aber hier gerne die Gelegenheit nutzen diese zu kommentieren.
Zu aller erst fand ich die Geschichte wirklich sehr interessant. Ich habe mich vor allem dafür interessiert, weil es auf das Pairing SaZo zuging, was ich insgesamt einfach favorisiere :P Vor allem aber war der Teil mit Nero- und White-san sehr interessant und meiner Meinung nach auch wirklich klug ausgearbeitet. Das hat mich wirklich sehr begeistert.
Ich fand auch, dass du einen sehr angenehmen Schreibstil hast und man dir leicht folgen konnte.
Ich hoffe also sehr, dass man noch mehr von dir hören wird.

LG,
Xamyn


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