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New Texas Story

Bravestarr
von

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Durch Zeit und Raum

„Also auf diese Serie fuhr der als Kind so ab?“ murmelte ich, während ich ins Wohnzimmer meiner kleinen Wohnung ging. Gerade zurück von der Tür, wo ich das Päckchen entgegengenommen hatte.

In meiner Hand hatte ich nun eine DVD-Sammlung einer alten Kinderserie aus den 80ern. Auf dem Cover war ein gut gebauter Indianer in einer merkwürdigen gelben Uniform abgebildet. Im Hintergrund war ein ziemlich merkwürdiges, futuristisch anmutendes Gebäude zu sehen. „Bravestarr“ titelte das Cover.

Das Geburtstagsgeschenk für meinen Cousin. Tatsächlich schwärmte er in letzter Zeit immer wieder davon. Und so hatte ich mich mal im Internet danach umgesehen.

Mann, der wird vor Freude ausflippen, wenn er sein Geschenk öffnet! Denn hundert prozentig wusste er nichts davon, dass es die Serie auf DVD gab, denn ansonsten hätte er sie schon längst.

Ich kannte die Serie nicht, hatte aber auch nie Interesse an so etwas gehabt. Und doch wurde ich neugierig. Tatsächlich fand ich die Serien, die den Kindern heute vorgesetzt wurden, fürchterlich. Würde mich schon mal interessieren, was das hier war.

Schließlich packte ich die erste DVD aus und schaltete meinen DVD Player ein. Machte ja wohl nichts, wenn ich mal reinsah. Ich legte die DVD ein, setzte mich aufs Sofa und startete die DVD. Zuerst kam nur das übliche Vorgeplänkel und dann erschien das Menü. Ich konnte mir entweder die Episoden einzeln ansehen, oder aber einfach starten. Da ich die Serie nicht kannte, drückte ich einfach auf Start.

Und plötzlich begann alles um mich herum in Schwärze zu versinken. Mit einem Mal fühlte ich mich wie von einem Orkan erfasst und durch bodenlose Schwärze gewirbelt. Ich war nicht fähig zu atmen, hatte das Gefühl, als würde mein Herz gesprengt und begann verzweifelt um mich zu greifen, irgendwas zu fassen zu bekommen. Doch nur Leere, schwarze, wirbelnde Leere.

Und plötzlich ein Lichtblitz und dann spürte ich Hitze. Es war unglaublich heiß und hell. Ich konnte noch gerade eben eine Wüstenlandschaft um mich herum erkennen, bevor ich registrierte, dass ich mich immer noch im freien Fall befand. Ungefähr vier Meter über dem Boden, genauer gesagt über einem Berghang, mit dem ich in wenigen Augenblicken kollidieren würde. Ich schaffte es noch gerade eben meine Lungen mit brennend heißes Luft vollzusaugen und einen abgehackten Schrei auszustoßen, bevor meine linke Schulter mit dem harten Felsen kollidierte und mir die restliche Luft aus den Lungen trieb. Ein dumpfer Schmerz schoss durch meinen ganzen Körper, lähmte mich und ich kullerte bewegungsunfähig den steilen Berghang hinab, spürte, wie sich scharfe Steine und Felskanten in meine Haut bohrten, Schnitte und blaue Flecke zurück ließen. Und dann stürzte ich weitere zwei Meter in die Tiefe und schlug mit dem Kopf auf. Sofort versank die Welt im Dunkel.

Irgendwann, ich weiß nicht wie lange ich bewusstlos war, meinte ich, dumpfe Schläge auf dem Boden wahrzunehmen, die immer lauter wurden. Und Stimmen. Doch ich konnte nicht darauf reagieren. Ich war zu müde, unfähig mich zu bewegen. Selbst zum Aufschlagen der Augen schien mir die Kraft zu fehlen.

Dann hörte ich Schritte, die auf mich zukamen, eilige Schritte. Und dann Hände an meinen Schultern, die mich auf den Rücken drehten, was den furchtbaren Schmerzen in meinem Kopf noch mehr Nahrung gab. Gequält stöhnte ich auf. Ich spürte, wie die Hitze der Sonne auf mein Gesicht brannte.

Ich hörte, wie jemand, ein Mann, etwas zu mir sagte, aber ich verstand nicht, was.

Dann fühlte ich zwei muskulöse Arme, die sich unter meine Schultern und meine Beine schoben und dann verlor ich den Kontakt mit dem Boden. Wie ein nasser Sack hing ich auf den Armen des Mannes. Ich sammelte alle meine Kräfte, die ich noch in mir fand und schlug die Augen einen Spalt breit auf. Das grelle Licht der Sonne stach in meine Augen und ich konnte nur ganz verschwommen das dunkle Gesicht eines Mannes erkennen, der beunruhigt auf mich herab sah. Er trug scheinbar einen Cowboyhut und hatte lange dunkle Haare, die er zum Pferdeschwanz gebunden hatte.

Doch ich hatte keine Zeit mich weiter darüber zu wundern, wo dieser Mann herkam und wer er war, denn es wurde wieder alles um mich herum dunkel.
 

Bravestarr und Thirty-thirty waren gerade auf dem Rückweg von der Patrouille, als plötzlich der abgehackte Schrei einer Frau zu hören war und dann lautes Gepolter, wie eine Steinlawine.

„Was war denn das?“ rief Thirty-thirty und sah in die Richtung, aus der das Gepolter kam.

„Keine Ahnung, aber es klingt irgendwie nach Ärger.“ antwortete Bravestarr und sie beeilten sich an die Stelle des Gepolters zu kommen.

Es war nicht schwer zu finden. Nach wenigen Metern, hinter ein paar Felsen, konnte man jemanden am Fuße eines Berges liegen sehen. Offensichtlich eine Frau und sie war verletzt. Ihr hellblondes Haar war an einer Stelle Blutgetränkt und sie lag verdreht und regungslos auf dem Gesicht.

Bravestarr sprang aus dem Sattel und eilte sofort zu der Frau hin. Er ging neben ihr in die Knie und betrachtete sie verwundert. Er hatte diese Frau noch nie gesehen und er war sich sofort sicher, dass sie nicht von hier war. Sie trug merkwürdige Kleidung. Zwar eine Jeans, aber ein merkwürdiges grünes kurzärmeliges Hemd ohne Knöpfe, Und auch ihre Schuhe waren seltsam. Keine Stiefel, ganz merkwürdig. Ihr Haar war hellblond und glatt. Es reichte ihr scheinbar bis knapp über das Kinn. Ihr Gesicht war blut- und dreckverschmiert, aber es war ein hübsches, junges Gesicht. Bravestarr schätzte sie auf Anfang zwanzig, vielleicht etwas jünger. Sie war relativ klein, reichte ihm vielleicht bis zum Kinn. Aber sie war kräftig, ihre Muskeln zeichneten sich deutlich unter ihrer hellen Haut ab.

„Hallo? Können sie mich hören?“ fragte er.

Sie stöhnte leise, rührte sich ansonsten aber nicht. Bravestarr wusste, dass sie schwer verletzt war und dringend einen Arzt brauchte. Er schob vorsichtig seine Arme unter ihre Schultern und Beine und hob sie hoch. Ihr Kopf lehnte gegen seine Schulter und plötzlich schlug sie ganz kurz die Augen einen Spalt weit auf und sah ihn an. Doch nur für einen Moment, dann erschlaffte sie ganz und er wusste, dass sie nun endgültig das Bewusstsein verloren hatte. Vorsichtig trug er sie zu Thirty-thirty zurück.

„Was ist denn das?“ fragte dieser und sah Bravestarrs Fund verwundert an.

„Keine Ahnung, aber wir müssen sie sofort in die Stadt bringen. Sie ist ziemlich schlimm verletzt.“ sagte er, hob sie vorsichtig in den Sattel und schwang sich hinter ihr ebenfalls hoch.

Dann beeilten sie sich, in die Stadt zu kommen.

In Fort Kerium war es ruhig. Alles ging seinen gewohnten Gang. Doch als Bravestarr mit der merkwürdigen Gestalt in die Stadt ritt, wandten sich einige erstaunt um und betrachteten seinen kleinen Fund. Sofort wurden auch einige Fragen laut, doch Bravestarr achtete nicht darauf. Er musste sie zu Doc Clayton bringen, so schnell es ging.

Vor der Praxis angekommen ließ er den regungslosen Körper der jungen Frau auf seine Arme sinken und trug sie rein. Doc Clayton war gerade mit einem anderen Patienten fertig.

„Marshall! Was ist passiert?“ fragte er direkt und ging auf ihn zu.

Dann fiel sein Blick auf den regungslosen Körper in seinen Armen.

„Wer ist das?“ fragte er mit gerunzelter Stirn.

„Keine Ahnung, Doc. Ich fand sie in der Prärie.“ antwortete Bravestarr.

Der Doc begann sofort sie oberflächlich zu untersuchen.

„Sie scheint schwere Kopfverletzung zu haben.“ sagte er dann hastig, trat zurück und deutete auf den Behandlungstisch.

„Legen sie sie dahin. Ich muss sie sofort gründlich untersuchen.“

Bravestarr ließ sie langsam auf den Tisch sinken.

„Ich muss den Bericht darüber fertig machen.“ sagte Bravestarr und verließ die Praxis.

„Aber in circa einer Stunde komme ich wieder. Ich möchte wissen, wer sie ist.“

Doch der Doc reagierte gar nicht. Er war voll und ganz mit seiner Patientin beschäftigt.

Bravestarr machte sich davon. Es gab einiges zu tun.

Nach nicht mal einer Stunde ging er wieder in die Praxis zurück. Doc Clayton hatte seine Patientin offensichtlich versorgt, denn auf dem Behandlungstisch lag sie nicht mehr. Doch er konnte Geräusche aus dem hinteren Räumen hören, wo die Krankenbetten standen. Bravestarr trat durch die Tür und sah den Doc an einem Bett stehen, in dem er die Gestalt der Frau ausmachen konnte. Sie trug einen dicken Verband um den Kopf und der Doc hatte sie an mehrere Geräte angeschlossen. Bravestarr hörte ein gleichmäßiges Piepsen, das ihren Herzschlag wiedergab.

„Wie geht es ihr, Doc?“ fragte er und trat an das Bett.

Der Doc hatte ihr Gesicht von Blut und Schmutz befreit und so konnte er zum ersten Mal richtig ihr Gesicht sehen. Der erste Eindruck hatte nicht getäuscht, sie war tatsächlich noch sehr jung. Und sie hatte ein wirklich schönes Gesicht, mit weichen Zügen und vollen Lippen.

„Nun, sie ist bewusstlos. Sie hat einen Schädelhirntrauma und eine Prellung an der Schulter. Die restlichen Verletzungen sind harmlos.“ erklärte der Doc.

„Was meinen sie, wann wird sie wieder aufwachen?“ fragte Bravestarr, immer noch das Gesicht der Frau betrachtend.

„Nun, dass kann ich nicht sagen. Sie liegt zwar nicht richtig im Koma, ist aber trotzdem ganz schön tief am schlafen. Ich denke, wir können nur abwarten.“

„Haben sie irgendwas gefunden, was ihre Herkunft erklären könnte?“ fragte Bravestarr weiter.

„Nein. Nichts.“ antwortete der Doc und sie verließen gemeinsam das Zimmer.

„Aber ich denke, sie stammt nicht von hier. Vielleicht eine von den neuen Siedlern.“ sagte er.

Bravestarr grübelte nach. Nein, sie war bestimmt keine von den Siedlern. Sie wäre ihm aufgefallen. Zudem hatte er sie nicht in den Datenbanken über die neuen Siedler finden können. Er hoffte, dass sie sich schnell erholte, denn er hatte einige offene Fragen.
 

Zwei Wochen später besuchte er den Doc erneut. Die Unbekannte war noch immer nicht aufgewacht und er hatte in der ganzen Zeit auch nichts über sie herausfinden können. Weder, dass sie irgendwo gesucht wurde, noch dass sie in irgendeinem Siedlerverzeichnis oder gar Verbrecherverzeichnis zu finden war.

Er betrat die Praxis und hörte den Doc im Krankenzimmer rumoren. Er betrat den hinteren Raum. Der Doc stand bei der Bewusstlosen am Bett und betrachtete den Monitor. Erst jetzt fiel auch Bravestarr auf, dass das Piepsen, dass ihre Herztöne anzeigte, hektisch und unregelmäßig geworden war. Irgendwas stimmte scheinbar nicht.

„Was ist los, Doc?“ fragte er und eilte an seine Seite.

„Ich weiß nicht genau. Ihr Herzschlag ist unregelmäßig und auch ihre Atmung.“ sagte er und blickte weiter auf den Monitor.

Bravestarr wandte sich dem Bett zu und blickte in das Gesicht der jungen Frau. Ihre Hände zuckten unablässig und er konnte unter ihren geschlossenen Augenliedern erkennen, dass sich ihre Augen hektisch bewegten.

Wachte sie vielleicht auf?

Vorsichtig trat er neben sie und beugte sich leicht über sie.

„Hallo? Können sie mich hören?“ fragte er.
 

Angst! Ich hatte Angst! Große Angst! Wieder sauste ich durch diese wirbelnde Schwärze, völlig orientierungslos und unfähig zu atmen. Was passierte hier nur? Ich griff um mich, versuchte etwas zu packen zu bekommen, doch da war nichts, nur tiefschwarze Leere. Ich wollte schreien, doch ich konnte nicht einmal atmen.

Und plötzlich war Licht um mich. Grelles Licht, wie von tausend Sonnen und Hitze. Wieder diese grausame Hitze. Und dann diese Wüstenlandschaft unter mir. Aber dieses Mal sauste ich scheinbar aus mehreren Metern Höhe darauf zu.

Heiße Luft füllte meine Lungen und ich konnte atmen, schreien.

„Hallo? Können sie mich hören?“ drang plötzlich eine Stimme an mein Ohr und ich fuhr mit einem lauten Schreckensschrei hoch, immer noch im Glauben zu stürzen griff ich um mich und bekam Stoff zu packen. Ich schlug die Augen auf und blickte in das Gesicht eines dunkelhäutigen Mannes, der mich erschrocken ansah. Mit aufgerissenen Augen und heftig keuchend sah ich den Mann an.

„Ruhig! Ganz ruhig! Beruhigen sie sich!“ sagte er. Und dann spürte ich seine Hand an meiner. Erst jetzt sah ich, dass sich meine Hand in seinem Hemd verkrallt hatte. Beinahe erschrocken ließ ich los und fasste meinen Kopf. Er fühlte sich merkwürdig an, als wäre er eingewickelt. Was er auch war, denn ich spürte Stoff unter meinen tastenden Fingern.

Und dann die Hände eines weiteren Mannes, der auf der anderen Seite des Bettes stand und mich nun wieder sanft auf den Rücken drücken wollte.

Noch immer verwirrt schlug ich seine Hände ängstlich beiseite und sah mich hektisch in dem Raum um.

Ich sah es zwar, konnte es aber einfach nicht glauben. Denn ich war nicht mehr in meinem Wohnzimmer auf meinem Sofa, sondern in irgendeinem merkwürdigen Raum. Die Wände bestanden scheinbar aus Metall, genau wie die wenigen Möbel, die ich sah. Überall an den Wänden waren merkwürdige Gerätschaften. Alles wirkte, wie eine Hütte, zusammengezimmert aus Metall.

„Ganz ruhig! Sie sind in Sicherheit! Niemand tut ihnen was!“ hörte ich nun wieder die rauchige Männerstimme. Ich sah den Sprecher an. Ein großer, älterer Mann, schwarzer Hautfarbe mit einem Hut. Und in mehr als seltsamer Kleidung. Zwar trug er Jeans aber auch eine seltsame blaue Weste in einem merkwürdig futuristisch wirkendem Stil.

„Sie sind hier sicher!“ sagte nun der andere Mann, dem ich mich jetzt zuwandte.

Der, in dessen Hemd ich mich verkrallt hatte. Ein Indianer, der einen weißen Cowboyhut trug und ein seltsames gelbes Hemd. Ich wusste nicht wieso, aber irgendwie kam er mir bekannt vor. Doch das war in diesem Moment zweitrangig.

„Wo...wo bin ich?“ keuchte ich ängstlich und sah mich dann wieder in dem Raum um.

„Sie sind im Krankenhaus von Fort Kerium!“ sagte der Indianer.

Fort...was? Ich sah ihn verstört an.

„Was? Wo?“ fragte ich verwirrt.

„Fort Kerium. Auf New Texas.“ sagte er dann ruhig, aber mit gerunzelter Stirn.

Fort Kerium? New Texas? Wovon redete mein roter Bruder da?

„Wovon sprechen sie eigentlich? Und wer sind sie? Wie komme ich hierher?“ fragte ich nur noch mehr verwirrt.

„Erst mal ganz ruhig, junge Dame.“ sagte nun die rauchige Stimme auf der anderen Seite des Bettes.

„Jetzt will ich erst einmal sehen, wie es ihrem Kopf geht.“

Entschieden drückte er mich wieder auf den Rücken und hielt mir dann ein merkwürdiges Gerät vor die Nase, dass aussah wie ein Funkgerät. Nur dass es zwei Antennen hatte, zwischen denen Blitze zuckten. Ängstlich drückte ich mich in die Laken, möglichst weit weg von dem Teil. Was hatte der vor? Wollte er mich tasern?

„Keine Angst. Ich untersuche sie nur.“ sagte der Schwarze, als er merkte, dass ich mich offenkundig vor seinemGerät fürchtete.

Ich hörte, wie das Ding leise brummte und nach ein paar Sekunden, in denen er damit über meinem Kopf auf und abfuhr, piepste es laut.

„Nun, das Schädelhirntrauma ist überwunden.“ sagte er dann zufrieden.

Ich verstand überhaupt nichts mehr. Wie wollte er das wissen, ohne mich zu röntgen, oder sowas. Ich richtete mich wieder auf.

„Sagen sie mir jetzt endlich, wo ich hier bin und wer sie sind! Bitte!“ forderte ich die Männer dann auf.

„Mein Name ist Bravestarr. Ich bin der Marshall von New Texas und das ist Doc Clayton.“ ergriff der Indianer wieder das Wort.

Ich sah ihn mit aufgerissenen Augen an.

Bravestarr? Das klang bekannt. Und nun, als ich ihn genauer betrachtete, fiel mir auf, dass er mir auch bekannt vorkam. Diese merkwürdige Kleidung. Und auch sein Gesicht. Ein auffallend hübsches und sanftes Gesicht, mit markanten Wangenknochen und dunkelbraunen, fast schwarzen Augen. Sein schwarzes langes Haar hatte er zu einem Pferdeschwanz gebunden und an seinem Hemd blinkte ein Sheriffstern.

Ich wusste, ich hatte ihn schon mal gesehen. Nur wo?

„Und wer sind sie? Wo kommen sie her?“ fragte er mich nun.

„Ich...Bianca. Ich heiße Bianca.“ antwortete ich.

„Und woher kommen sie?“ fragte er erneut.

Immer noch völlig verwirrt antwortete ich nicht. Was ging hier bloß vor? Wie war ich hierher gekommen und was waren das für Leute?

„Ist sie wach?“ war plötzlich eine Frauenstimme von der Tür her zu hören.

Ich blickte zu der einzigen Tür in dem Raum und sah eine junge rothaarige Frau, in einem schwarzen Overall und Hut, die nun ebenfalls langsam auf mein Bett zukam.

„Hallo! Geht es ihnen besser?“ fragte sie mich dann.

Ich antwortete jedoch nicht und sah sie einfach nur weiter irritiert an.

„Wer sind sie?“ fragte sie dann und blieb neben dem Indianer-Sheriff stehen.

„Ihr Name ist Bianca. Mehr haben wir aus ihr noch nicht herausbekommen.“ sagte dieser nun.

Die junge Frau beugte sich zu mir vor.

„Mein Name ist J.B. McBride. Ich bin die Richterin von New Texas. Bitte, darf ich fragen, wo sie herkommen?“

„Ich...also...ich...“ stotterte ich.

„Geben sie mir bitte mal ihre Hand.“ sagte die rothaarige Frau nun und zog ein ähnliches Gerät aus einer Gürteltasche, wie der Doktor vorhin.

Ich zuckte zurück, presste beide Hände an meine Brust.

„Keine Angst, ich will sie nur identifizieren.“ sagte die Frau beruhigend.

Zögernd streckte ich meine Hand aus. Ich wusste zwar nicht, was hier vor sich ging, aber ich beschloss erst einmal mit zuspielen.

Sie hielt das Gerät über meine Hand und es begann leise zu summen.

„Identifizierung nicht möglich!“ verkündete dann eine mechanische Stimme aus dem Gerät und die Frau steckte das Gerät mit gerunzelter Stirn zurück.

„Dann ist sie definitiv nicht von New Texas.“ sagte sie dann.

„Entschuldigen sie, aber diese beiden hier labern auch die ganze Zeit schon von diesem New Texas. Was zum Teufel soll das sein?“ fragte ich nun aufgeregt.

Verdammt, ich wollte endlich wissen, was hier vor sich ging.

„Das ist unser Planet. Und Fort Kerium ist unsere Haupstadt.“ sagte die Frau dann ruhig.

Ich sah sie entgeistert an. Hatte sie gerade „Planet“ gesagt?

„Was? Wie meinen sie das, „unser Planet“?“ fragte ich entgeistert. Die wollten mich doch wohl verschaukeln.

„Na, New Texas ist der Planet, auf dem wir uns befinden.“ sagte sie.

„Wo kommen sie denn her?“ fragte sie dann.

„Von der Erde.“ antwortete ich dann mit einem „Du willst mich wohl verarschen“ Blick.

„Von der Erde? Wie sind sie denn dann hier hingekommen? Und warum sind sie nicht in den Datenbanken verzeichnet?“ fragte sie mich dann.

„Welche Datenbanken? Und was ist das hier alles für ein Zeug? Diese Geräte und das alles?“ fragte ich nun entgeistert. So langsam machte mir diese Maskerade richtig Angst.

„Sagen sie mal, was glauben sie, in welchem Jahr wir sind?“ fragte mich der Arzt plötzlich.

Ich sah ihn entgeistert an. Fragte der mich gerade wirklich, welches Jahr wir hatten? Das wurde immer verrückter.

„200...9?“ sagte ich dann wieder mit dem „Du willst mich wohl verarschen“ Blick.

Nun schreckten alle drei zurück und sahen mich ungläubig an.

„2009? Das ist nicht möglich!“ sagte die Frau dann.

„Ach nein? Welches Jahr haben wir denn eurer Meinung nach?“ fragte ich dann schnippisch.

Das alles machte mich fast wahnsinnig.

„2249.“ sagte der Indianer-Sheriff nun.

Ich starrte ihn an. Was hatte er gerade gesagt? 2249?

„Bitte, was? Wollen sie mich verschaukeln?“ fragte ich ihn schwer beherrscht.

„Keineswegs. Wir sind auf New Texas im Jahre 2249.“ bekräftigte er seine Aussage.

Ich konnte ihn nun endgültig nur noch wortlos anstarren. Was ging hier nur vor? Was war hier verdammt noch mal los?

„Warum erzählen sie uns nicht in aller Ruhe, was passiert ist?“ fragte mich der Indianer-Sheriff (Bravestarr? Was war das überhaupt für eine Name, „tapferer Stern“?) dann plötzlich.

„Das...würde ich gern selbst wissen!“ keuchte ich atemlos. „Vor...vor ein paar Minuten war ich noch in meiner Wohnung und wollte mir eine DVD ansehen und dann, plötzlich nur noch Schwärze und dann bin ich im freien Fall auf die Erde zu. Und dann bin ich hier wach geworden.“ sprudelte es dann aus mir heraus.

Die drei sahen mich an. Ich sah, wie es hinter der Stirn von jedem von ihnen arbeitete.

„Was halten sie davon, Doc?“ fragte die junge Frau dann an den Schwarzen gewandt.

„Nun, ich denke, sie sagt die Wahrheit. Vielleicht ist sie in einen Ionensturm geraten. Vielleicht kommt sie wirklich aus einer anderen Zeit.“ sagte der dann nachdenklich.

Was zum Geier laberten die da eigentlich. Ionensturm? Aus einer anderen Zeit kommen?

„Nun, ich denke, sie ist soweit gesund, dass sie das Krankenhaus verlassen kann. Vielleicht können sie dann etwas mehr über sie herausfinden.“ sagte er dann an die beiden anderen gewandt.

„Gut. Ich denke, wir sollten Handlebar fragen, ob er eine Unterkunft für sie hat.“ sagte der Indi...Bravestarr.

„Ich kann sie hinbringen. Ich muss sowieso wegen Vaters Geburtstag mit ihm reden.“ sagte die junge Frau, J.B.

„Gut.“ nickte er und setzte an zu gehen, wandte sich dann aber noch einmal mir zu. „Wenn sie sich danach fühlen, wäre ich ihnen dankbar, sie würden in mein Büro kommen und eine Aussage machen. Vielleicht können wir doch noch herausfinden, wie sie hierher gekommen sind.“

Dann verließ er den Raum. Ich starrte ihm verwirrt nach. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich ihn kannte. Irgendwo hatte ich ihn schon mal gesehen. Aber wo?

Plötzlich legte mir der Doktor meine Kleider auf das Bett.

„Ich habe sie waschen lassen und auch flicken. Sie waren von ihrem Sturz doch recht in Mitleidenschaft gezogen.“ sagte er dann.

„Ich warte draußen auf sie.“ sagte die junge Frau und verließ den Raum ebenfalls.

Ich meinte sie draußen mit dem Sheriff sprechen hören zu können. Das Thema ihres Gespräches war relativ klar. Aber ich konnte es den beiden auch nicht verdenken. Mittlerweile glaubte ich ihnen, dass sie mir nichts vormachten. Dafür wirkte das alles einfach zu echt.

Schließlich stand ich auf, zog mir das Nachthemd, dass ich trug aus und begann meine Kleider anzuziehen, die tatsächlich an mehreren Stellen geflickt worden waren.

„Ich denke, Handle Bar wird ihnen sicher Unterkunft gewähren, bis wir mehr wissen.“ hörte ich dann die Stimme des Arztes. Ich war so in Gedanken versunken gewesen, dass ich ihn gar nicht mehr wahrgenommen hatte.

„Wir sollten nur noch eben den Verband abnehmen.“ sagte er.

„Oh, ja, natürlich.“ sagte ich und trabte zu ihm rüber.

Schnell und geübt begann er den Verband von meinem Kopf zu wickeln.

„Sagen sie, seit wann bin ich eigentlich hier?“ fragte ich dann, während der Stoff von meiner Stirn verschwand.

„Der Marshall hat sie vor zwei Wochen zu mir gebracht. Er hat sie verletzt in der Prärie gefunden.“ antwortete er.

„Oh.“ sagte ich nur dazu.

Schließlich war ich den Verband los und der Doc warf ihn in einen Mülleimer, der ganz in der Nähe stand.

Ich betastete vorsichtig meinen Kopf, aber es tat nichts mehr weh.

„Wenn...ich gerade irgendwie unhöflich war, dann tut es mir leid. Ich bin nur so verwirrt.“ sagte ich schließlich.

„Ach, das macht nichts. In ihrer Situation ist das verständlich.“ sagte der Arzt nur ruhig. Dann strich er meine Haare an der einen Seite weg und betrachtete meinen Kopf.

„Ich denke, die Narbe wird man unter den Haaren nicht sehen.“ nickte er dann zufrieden.

„Sie sind wieder völlig gesund.“

Ich lächelte den Mann an. Auch, wenn ich ihn nicht kannte, er schien nett und aufrichtig zu sein.

„Vielen Dank für ihre Hilfe.“ sagte ich dann noch.

„Gern geschehen.“ sagte er und ich wandte mich zur Tür.

Was mich da draußen nun wohl erwartete? Ich hatte nicht die geringste Ahnung und ne Scheiß Angst. Denn scheinbar war das alles hier real. Und egal, wo ich war und in welcher Zeit, ich würde mich irgendwie erst einmal durchschlagen müssen. Bis ich herausgefunden hatte, was passiert war.

Auf einem fremden Planeten in ferner Zukunft

Als ich die Praxis des Doktors verließ und auf die Straße kam, bot sich mir ein schier unglaublicher Anblick. Und der letzte Beweis dafür, dass das alles kein Witz war. Da, wo eine gepflasterte Straße sein sollte, war nur rissiger Wüstenboden und Staub. Die Gebäude an dieser Straße bestanden ausschließlich aus Metall und waren zumeist nicht höher als zwei oder drei Stockwerke, wie es schien. In ihrer Form und Architektur erinnerten sie mich stark an die alten Wildwest-Schinken mit Winnetou und Co. Auch die Leute auf der Straße waren nicht weniger merkwürdig. Die Frauen trugen zumeist lange altmodische Kleider und die Männer trugen allesamt mehr oder wenige futuristisch anmutende Kleidung. Die meisten trugen Cowboyhüte, oder dergleichen und wenn man ein Gefährt auf der Straße antraf, dann meistens Planwagen, die von merkwürdigen schwebenden Robotern gezogen wurden. Diese schienen auch als so eine Art Reittier genutzt zu werden, denn einige sah man auch einzeln mit Reiter.

„Das kann doch alles nur ein Traum sein!“ murmelte ich vor mich hin.

Ich war tatsächlich in einer futuristischen Version des Wilden Westens gelandet!

Ich trat aus dem Schatten des Gebäudes heraus, auf die Straße und schreckte sogleich von der Hitze zurück, die ich nun jetzt erst spürte. Mit der Hand meine Augen schützend blickte ich vorsichtig in den Himmel. Und sah drei glühende Punkte am Himmel, die gnadenlos auf die Erde brannten.

„Jetzt ist alles aus! Ich seh schon dreifach!“ sagte ich.

„Keineswegs. New Texas hat drei Sonnen!“ hörte ich plötzlich eine weibliche Stimme hinter mir.

Ich wandte mich erschrocken um und blickte in das Gesicht der Richterin.

„Ich kann verstehen, wenn das verwirrend für sie ist.“ sagte sie lächelnd.

Ich zuckte mit einem hilflosen Lächeln mit den Schultern.

„Ehrlich gesagt, ich bin nicht nur verwirrt, ich hab echt Angst! Ich bin nicht nur in die Zukunft, sondern gleich auf nen anderen Planeten gereist und habe nicht mal im Ansatz ne Ahnung, wie.“

Sie kam näher und legte mir eine Hand auf die Schulter.

„Kann ich gut verstehen. Aber sie werden sich hier bald zurecht finden.“

Dann deutete sie auf ein großes Gebäude an einem weitläufigen Platz am Ende der Straße.

„Gehen wir erst mal zu Handle Bar, damit wir eine Unterkunft für sie organisiert bekommen und dann sehen wir weiter.“

Sie trabte los und ich folgte ihr. Dabei unterließ ich es natürlich nicht, mich weiter umzusehen. Mit einem mal fiel mir auf, dass nicht nur menschliche Wesen auf den Straßen unterwegs waren, sondern auch Roboter. Einer saß vor einem Gebäude, das von einem Schild über dem Eingang als Bestattungsunternehmen ausgewiesen wurde und spielte mit einem Maßband. Als die Richterin an ihm vorbei ging, zog er höflich den Hut und sie erwiederte seinen Gruß freundlich.

Ich konnte nichts anderes tun, als die Szene wortlos und mit aufgerissenen Augen zu betrachten. Das wurde immer verrückter! Aber scheinbar schien mein Anblick die Leute hier genauso zu verwirren, wie mich ihrer, denn ich spürte die verwunderten und neugierigen Blicke von so einigen Augenpaaren. Und bei einigen Leuten konnte ich auch sehen, wie sie die Köpfe zusammensteckten und tuschelten. Ich wandte mich wieder nach vorne und beeilte mich der Richterin nachzukommen.

Dann hatten wir das Gebäude erreicht, das, wie sich jetzt heraus stellte, ein Saloon war. Aus dem Inneren klang typische Klaviermusik und auch Gespräche. Der Richterin nun auf dem Schritt folgend, betraten wir den Saloon und ich konnte ein erleichtertes Aufatmen nicht unterdrücken. Die Hitze, die die drei Sonnen verursachten, blieb zum Glück ebenfalls draußen und in dem Saloon war es angenehm kühl. Allerdings brauchten meine Augen auch einige Sekunden um mich an das Dämmerlicht im inneren des Gebäudes zu gewöhnen und so war ich einige Sekunden fast blind.

„Hallo J.B.!“ konnte ich die Stimme eines Mannes hören, die von der anderen Seite des Raumes zu kommen schien.

„Hallo, Handle Bar.“ antwortete die Richterin und ging auf die Bar zu.

Ich sah mich unverhohlen neugierig um. Wie auch im Krankenhaus, so bestanden auch hier die gesamte Einrichtung aus Metall. Lediglich die Flaschen in dem Regal hinter der Bar waren aus Glas. Die Richterin trat an diese Bar und ich konnte die Gestalt eines wirklich gewaltigen Mannes mit grüner Haut und roten Haaren erkennen, der dahinter stand und ein Glas mit einem Tuch auswischte. Der Kerl war wirklich riesig, bestimmt zwei Meter und hatte im ganzen die Statur eines Kleiderschrankes. Sein Gesicht machte einen kantigen und harten Eindruck. Langsam trat ich neben die Richterin, verunsichert, was ich von dem Kerl halten sollte.

„Wen haben wir denn da?“ wandte sich dieser plötzlich an mich.

„Nun, das ist die junge Frau, die Bravestarr in der Prärie gefunden hat.“ antwortete die Richterin für mich.

„Schön zu sehen, dass sie wieder auf den Beinen sind, meine Liebe!“ sagte der grüne Riese und streckte mir seine rechte kohlenschaufelgroße Hand entgegen.

Da ich nicht unhöflich erscheinen wollte ergriff ich sie eilig und schüttelte sie. Sein Griff war zwar sanft, aber man spürte dennoch, dass er gewaltige Kräfte hatte.

„Danke. Ich bin ja auch scheinbar sehr gut behandelt worden.“ sagte ich etwas schüchtern.

„Mein Name ist Handle Bar. Wie darf man die junge Dame rufen?“ fragte er dann.

„Bianca.“ antwortete ich.

„Wir brauchen eine Unterkunft für sie, Handle Bar. Hast du vielleicht für ein paar Tage ein Zimmer frei?“ fragte die Richterin dann.

„Aber klar. So hübsche Gäste nehme ich doch gern auf.“ sagte er und zwinkerte mir zu.

Ich spürte, dass ich etwas errötete. Der Kerl schien zwar grobschlächtig zu sein, aber freundlich. Ich begann ihn zu mögen.

„Was führt sie denn nach New Texas, meine Liebe?“ fragte er mich dann.

Diese Frage würde ich wohl noch häufiger hören.

„Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, wie ich hierher komme.“ sagte ich dann.

Handle Bar runzelte die Stirn.

„Sie wissen nicht?“ fragte er dann.

Ich schüttelte den Kopf.

„Das ist es, was wir herausfinden müssen. Sie behauptet, sie kommt von der Erde. Aber aus dem Jahr 2009.“ sagte die Richterin an ihn gewandt.

„Das behaupte ich nicht nur, das ist ganz einfach so.“ mischte ich mich ein.

„Nun, wir werden es schon herausfinden. Bis es soweit ist, muss sie eine Unterkunft haben.“ fuhr sie nicht sonderlich beeindruckt fort.

„Kein Problem.“ sagte der Barkeeper fröhlich und betrachtete mich dann mit unverhohlener Neugier.

„Darf ich ihnen denn ein Süßwasser anbieten, als kleinen Begrüßungstrunk auf unserem Planeten?“ fragte er mich dann.

Ich hatte zwar keine Ahnung, was Süßwasser war, aber ich nickte. Ich würde wohl noch auf so einige Sachen stoßen, die mir fremd waren.

„Gern. Danke!“ sagte ich und er schüttete aus einer bauchigen Flasche eine rosafarbene Flüssigkeit in ein Glas, das er mir dann reichte. Neugierig betrachtete ich die Flüssigkeit erst, bevor ich das Glas vorsichtig ansetzte. Die Flüssigkeit benetzte meine Lippen und ich nahm einen kleinen Schluck. Und stellte fest, dass man das Zeug nicht passender hätte taufen können. Es schmeckte ein bißchen wie süßer Fruchtsaft, nur dünnflüssiger, wie Wasser eben. Aber sehr gut.

„Und? Wie schmeckt ihnen unsere Spezialität?“ fragte Handle Bar.

„Gut! Wirklich gut!“ sagte ich aufrichtig und begann das Glas genüßlich zu leeren.

„Was genau ist das?“ fragte ich dann neugierig.

„Oh, Süßwasser wird aus einer ganz bestimmten Pflanze gewonnen. Sie wird nur hier auf New Texas angebaut und ist eines unserer Exportschlager.“ erklärte mir der Barkeeper.

„Kann ich mir vorstellen. Das wäre auch bei uns ein Hit gewesen!“ sagte ich.

„Nun, ich denke, ich zeige ihnen jetzt erst einmal ihr Zimmer.“ sagte er und kam hinter dem Tresen hervor.

Ich trottete an seine Seite und folgte ihm die Treppe hinauf in den zweiten Stock. Die Treppe war zwar aus stabilem Metall, aber sie knirschte dennoch hörbar unter dem Gewicht des Riesen. Als wenn er ne Tonne, oder so wiegen würde.

Die Zimmer im oberen Stockwerk waren, genau wie der gesamte Saloon auch wieder eine super Kopie der typischen Wildwest-Hotelzimmer. Nur in dieser futuristischen Weise, versteht sich. Es war spärlich eingerichtet, mit einem Bett, einem Stuhl und einem kleinen Schrank, aber es gab eine kleine Duschecke.

„Klein, aber fein!“ sagte der Riese hinter mir, während ich mich umsah.

„In der Tat.“ sagte ich leise und blickte aus dem Fenster auf die Straße.

Dann hörte ich, wie er neben mich trat und ebenfalls auf die Straße blickte.

„Kommen sie wirklich aus der Vergangenheit?“ fragte er mich dann leise.

Ich sah zu ihm auf.

„Ja, wirklich!“ sagte ich. „Ich weiß ja, wie das für sie alle klingen muss, aber für mich ist das bestimmt ne ganze Spur heftiger! Ich weiß gar nicht....“

„Wie sie sich hier zurecht finden sollen?“ führte er meinen Satz zu Ende.

Ich nickte.

„Ja. Alles hier ist so...total anders.“

„Kann ich verstehen.“

Während ich mich auf das Bett sinken ließ, lehnte er sich gelassen gegen die Wand. Irgendwie machte ich mir ein bißchen Sorgen, dass sie seinem Gewicht vielleicht nicht stand hielt und er plötzlich auf die Straße fiel.

„Und? Was haben sie jetzt vor?“ fragte er dann.

Ich starrte auf meine Füße.

„Gute Frage. Ich weiß es nicht. Ich meine, ich will natürlich schon einen Weg zurück finden. Aber ich habe ja noch nicht mal eine Ahnung, wie ich hierhin gekommen bin.“ sagte ich und blickte langsam auf.

Handle Bar hatte den Kopf leicht gesenkt und sah nachdenklich aus.

„Nun, sie sollten sich erst einmal etwas ausruhen. Ein kleines Nickerchen wirkt manchmal Wunder.“ sagte er dann und schickte sich an zu gehen.

Nickerchen? Jetzt? Der machte wohl Witze!

Ich stand auf und folgte ihm.

„Also, ehrlich gesagt, ich will mich jetzt lieber etwas in der Stadt umsehen. Ich hab volle zwei Wochen durchgeschlafen und das letzte, an was ich jetzt denken kann, ist Schlaf.“ sagte ich.

Er blieb in der Tür stehen und sah mich ernst an.

„Gut! Aber geben sie auf sich acht und verlaufen sie sich nicht.“ sagte er dann.

Verlaufen? Ich hatte zwar noch nicht sehr viel von der Stadt gesehen, aber wie New York oder Berlin kam sie mir größentechnisch nun nicht vor. Doch ich wollte nicht unhöflich sein, denn der sorgenvolle Ton in seiner Stimme war aufrichtig.

„Ich komm schon klar.“ sagte ich und dann gingen wir zusammen wieder runter in den Saloon.

Die Richterin stand noch an der Bar und wartete auf Handle Bar. Sie blickte überrascht auf, als sie sah, dass ich mit ihm wieder herunter kam.

„Nun, gefällt ihnen ihre kleine Unterkunft?“ fragte sie dann.

„Ja, sehr gut! Ich möchte mich nur etwas in der Stadt umsehen.“ antwortete ich.

Sie nickte.

„Gut, aber passen sie auf und verlassen sie die Stadt erst einmal nicht. Am besten bleiben sie hier in Zentrumnähe.“ sagte sie.

Mann oh mann! Was hatten die nur alle? Ich war vielleicht mit dieser Stadt und der Umgebung nicht vertraut, aber ich war auch kein kleines Kind mehr. Was machten die nur für einen Aufriss?

„Wird schon nichts passieren.“ sagte ich und wandte mich um zum gehen.

„Oh, und nochmals danke für ihre Hilfe.“ sagte ich dann noch.

„Gern geschehen.“ antwortete J.B. und Handle Bar nickte mir zu.

Dann fingen die beiden an irgendetwas zu besprechen und ich wandte mich endgültig ab und verließ den Saloon. Um draußen erst einmal wieder von der Hitze fast erschlagen zu werden. Wie hielten die das nur den ganzen Tag aus? Langsam begann ich über den Platz zu schlendern und sah mich weiter um. Ein typischer Dorfplatz, an dem sich allerlei Geschäfte angesiedelt hatten. Anhand der Schilder konnte ich einen Barbier, eine Art Lebensmittelladen und auch eine Bank erkennen. Die Hauptstraße weiter runter lag dann die Praxis des Arztes, die Post und ein paar Blocks weiter konnte ich auch ein Gebäude mit einem großen Stern als Schild erkennen.

Plötzlich musste ich wieder an den Sheriff denken. Oder Marshall, wie er hier wohl genannt wurde. Sollte ich vielleicht zu ihm gehen? Schließlich hatte er mich ja gebeten, ein Bericht bei ihm abzugeben, bezüglich meiner Herkunft. Und irgendwie...reizte es mich auch ein bißchen, ihn wiederzusehen, auch wenn ich nicht wusste warum. Wahrscheinlich, weil ich einfach das Gefühl nicht los wurde, ihn schon einmal irgendwo gesehen zu haben.

Nur wie sollte man einen Menschen, der in der Zukunft lebte und außerdem auch noch auf einem anderen Planeten schon einmal gesehen haben können. Aber andererseits war es ja eigentlich auch genauso unmöglich durch die Zeit und auf einen anderen Planeten zu reisen.

Verflucht! Ich konnte es drehen und wenden, wie ich wollte, mir fiel für diese ganze Sache einfach keine passende Erklrärung ein.

Plötzlich hörte ich hinter mir ein wildes Sausen und dann eine aufgeregte Frauenstimme.

„He! Aus dem Weg!“

Erschrocken sprang ich zur Seite. Gerade noch rechtzeitig um dem schwebenden, heransausenden Gefährt zu entgehen, dass nun an mir vorbeisauste und nur wenige Meter weiter zum stehen kam. Heftig atmend blickte ich zu dem Ding rüber. Es sah aus, wie eine Kutsche, nur dass es nicht auf Rädern fuhr, sondern irgendwie schwebte und es wurde auch nicht von Pferden gezogen, sondern von diesen merkwürdigen Robotern. Neugierig und noch immer mit klopfendem Herzen ging ich näher, bis ich eine sehr stämmige Frau auf dem Kutschbock erspähen konnte, die sich im selben Moment mirt zu wandte.

„Verflucht! Mädchen! Willst du dich umbringen?“ rief sie aufgeregt.

„Tut mir leid! Wirklich! Ich war in Gedanken und hab sie nicht gehört!“ entschuldigte ich mich eilig.

Mit einem geübten Satz sprang die Frau vom Kutschbock und landete auf dem staubigen Wüstenboden.

„Kannst von Glück reden, dass ich meine Stratokutsche im Griff habe!“ sagte sie und ging langsam mit schweren Schritten und in die Hüften gestemmten Händen auf mich zu.

Sie war wirklich sehr groß und kräftig. Ein richtiges Mann-Weib. Ich schätzte sie auf ungefähr 45 bis 50, denn sie hatte schon graue Haare, die sie zu einem dicken Zopf zusammengebunden hatte. Unter ihrem lockeren Hemd konnte man deutlich Muskeln erkennen. Etwa einen Meter vor mir blieb sie stehen und musterte mich leicht herablassend.

„Wer bist du überhaupt, du Küken?“ fragte sie dann.

Verdammt, was hatte die für ein Problem? Ich hatte mich schließlich entschuldigt.

„Ich heiße Bianca. Und wer sind sie? Calamity Jane?“ fragte ich dann frech und stemmte ebenfalls meine Hände herausfordernd in die Hüften.

Das Gesicht der Frau verdüsterte sich und gerade, als sie wahrscheinlich zu einer geharnischten Antwort ausholen wollte, erklang plötzlich eine wohlbekannte männliche Stimme hinter ihr.

„Das reicht, Molly! Keinen Streit!“

Der Marshall trat hinter ihr hervor und blieb zwischen ihr und mir stehen.

„Was ist los?“ fragte er dann und sah erst Molly und dann mich an.

„Was hier los ist, Junge? Erst steht dieses freche Ding da mitten auf der Straße, so dass ich sie fast über den Haufen fahre und dann wird sie auch noch frech!“ ereiferte sich die mit Molly angesprochene und funkelte mich giftig an.

Ich funkelte ebenso giftig zurück.

„Und ich habe bereits gesagt, es tut mir leid. Ich hab sie nicht gehört.“ erwiederte ich.

Der Marshall wandte sich mir zu und sah mich prüfend an. Sein Blick löste ein merkwürdiges Gefühl in meiner Magenkuhle aus. Der Mann strahlte die Autorität auch aus, die er besaß.

„Nun, sie, junge Dame, sollten in Zukunft besser auf den Verkehr achten!“ sagte er dann an mich gewandt.

„Und du, Molly, lass es gut sein. Sie ist neu hier und kennt sich noch nicht aus. Es wird nicht wieder vorkommen.“ sagte er dann an die Frau gewandt.

„Hoffentlich!“ brummte diese und schwang sich wieder auf ihren Kutschbock. Nicht, ohne mir noch einmal einen giftigen Blick zuzuwerfen, den ich aber ebenso giftig beantwortete.

Dann gab sie ihren komischen Zugtieren, oder Zugmaschinen die Sporen und dieses Kutschending sauste weiter die Straße entlang. Und das nicht gerade langsam. Ich fragte mich, wie viele Leute sie vielleicht schon fast überfahren hätte.

„Sie scheinen ja wieder vollends auf den Beinen zu sein?“ hörte ich dann wieder die Stimme des Marshalls und blickte zu ihm auf.

Sein Blick war immer noch ziemlich streng. Ich konnte ein leichtes Schaudern nicht unterdrücken.

„Ja. Ich...ich wollte mich etwas umsehen. Mich mit der Gegend vertraut machen.“

„Ich hoffe, dass das nicht dadurch passiert, in dem sie hier mit jedem Streit anfangen.“ sagte er streng.

Am liebsten hätte ich nun verlegen den Blick gesenkt, aber nun schaltete sich mein Dickkopf wieder ein.

„Ich wollte das nicht! Ehrlich nicht! Ich war völlig in Gedanken und hab sie nicht kommen hören. Ich hab mich auch sofort entschuldigt, aber Calamity Jane hielt es für nötig, mich zu verspotten. Das muss ich mir ja wohl auch nicht bieten lassen, oder?“ fragte ich dann und bemühte mich in seine dunklen Augen zu sehen.

Einige Sekunden sah er mich dann noch streng an, doch dann hellte sich seine Miene etwas auf.

„Nein, da haben sie recht. Molly ist eigentlich eine totgute Frau, aber manchmal auch etwas aufbrausend. Passen sie in Zukunft etwas besser auf.“ sagte er dann in einem versöhnlicheren Ton.

Ich nickte und sah, wie daraufhin der strenge Ausdruck völlig aus seinem Gesicht verschwand.

„Eigentlich trifft es sich ganz gut, dass sie hier sind. Dann können sie gleich mit in mein Büro kommen und wir können den Bericht machen.“ sagte er und ging in Richtung seines Büros davon. Ich folgte ihm und wurde mir erst jetzt der vielen Blicke bewusst, die ich mal wieder auf mich zog. Umso mehr, nach dieser kleinen Nummer von vorhin. Ich versuchte es zu ignorieren und betrat nach ein paar Minuten hinter dem Marshall sein Büro.

Und wie vorher auch der Saloon hätte es wieder einem alten Western entspringen können, wäre nicht alles aus Metall. Zudem gab es an der einen Wand noch eine Art riesigen Computer mit mehreren Bildschirmen und Tastaturen.

Auf der linken Seite gab es drei Zellen und dort stand auch der Schreibtisch des Marshalls. Ich konnte hören, wie er sich auf seinen Stuhl fallen ließ, während ich es nicht unterlassen konnte, mich interessiert umzusehen.

„Sind sie bei Handle Bar untergekommen?“ konnte ich ihn plötzlich fragen hören.

Beinahe erschrocken wandte ich mich ihm zu.

„Oh, ähm, ja. Er war wirklich sehr nett zu mir.“ sagte ich dann eilig und ging auf den Schreibtisch zu.

Der Marshall hatte in der Zwischenzeit sowas wie ein Diktiergerät aus seinem Schreibtisch geholt und es wohl auch schon eingeschaltet. Er deutete auf den zweiten Stuhl, vor seinem Schreibtisch.

„Nun setzten sie sich erst einmal und dann können sie mir in Ruhe erzählen, wie sie hierher gekommen sind.“ sagte er, nun freundlich lächelnd.

Es machte mich irgendwie verlegen.

Gehorsam ließ ich mich auf dem Stuhl nieder.

„Eigentlich kann ich ihnen nur noch einmal erzählen, was ich ihnen schon im Krankenhaus erzählt habe. Ich war Zuhause, in meiner Wohnung und wollte mir eine DVD ansehen. Ich hab die DVD gestartet und mit einem Mal wurde alles Schwarz um mich herum und ich hatte das Gefühl, als würde ich fallen. Und dann bin ich mit dem Berghang kollidiert und hab mir dabei wohl ziemlich übel den Kopf angeschlagen. Und dann bin ich im Krankenhaus aufgewacht.“

Ich sah ihn an und lächelte verlegen.

„Klingt ganz schön verrückt, was? Wenn sie meinen, ich sei reif für die Klappsmühle, dann wäre ich ihnen nicht böse.“

Er schüttelte den Kopf.

„Nein, das denke ich nicht.“

Er streckte die Hand nach dem Diktiergerät aus und schaltete es ab.

„Ich kann verstehen, wenn sie ein bißchen nervös sind, bei dieser Situation.“

„Nervös? Nervös ist gut! Ich hab ehrlich gesagt ne Scheiß Angst und frage mich die ganze Zeit, ob ich das alles hier nicht nur träume!“ sagte ich dann und starrte dann ins Leere.

„Da will man sich nur ne DVD ansehen und landet mal eben 240 Jahre in der Zukunft auf nem fremden Planeten! Das ist einfach nur total verrückt.“ murmelte ich.

„Ich kann ihnen versichern, dass wir versuchen werden herauszufinden, was passiert ist.“ sagte er dann und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Der Stuhl knarrzte laut.

Plötzlich fiel mir ein, dass ich ihm noch gar nicht gedankt hatte. Denn schließlich hatte er mich gefunden und hierher gebracht.

„Marshall, bei der ganzen Aufregung bin ich noch gar nicht dazu gekommen, ihnen zu danken.“ sagte ich dann.

„Danken? Wofür denn?“ fragte er jedoch nur.

„Na, dass sie mich in der Prärie aufgelesen haben. Wer weiß, was passiert wäre, hätten sie mich nicht gefunden.“ antwortete ich.

„Das war doch selbstverständlich!“ lächelte er. „Und es war mir ein Vergnügen. Man findet schließlich nicht jeden Tag da draußen eine junge hübsche Dame.“

Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss und dann hörte ich ihn leise lachen.

Plötzlich hörte ich von der Tür her Hufschlag.

„Ist unser Findelkind etwa wach?“ fragte dann eine Stimme wiehernd von der Tür her.

Erschrocken wirbelte ich auf dem Stuhl herum und glaubte dann endgültig verrückt zu werden. In der Tür stand eine riesige Gestalt, mit breiten Schultern und dichter Mähne, die nun mit laut klackenden Schritten näher kam. Normalerweise sollte mich der Anblick eines zweibeinigen, sprechenden Pferdes nicht mehr schocken, nach allem, was ich heute gesehen hatte. Aber das tat es. Unfähig ein Wort zu sagen, starrte ich die hünenhafte Gestalt an, die nun vor mir stehen blieb und auf mich herabsah. Und nicht nur, dass er auf zwei Beinen lief und sprach, seine Beine und Arme waren Roboterarme. Lediglich sein Torso und Kopf waren aus Fleisch und Blut.

Ich musste wahrscheinlich einen ziemlich komischen Anblick bieten, wie ich da saß und ihn mit offendem Mund und riesigen Augen anstarrte. Aber dieser Anblick schien für ihn auch beleidigend zu sein, denn seine Miene verdüsterte sich. Das erste Mal, dass ich bei einem Pferd Mimik sah.

„Was gibt’s denn da so groß zu gucken?“ fragte er und ich spürte, dass er sich beherrschte nicht schlimmere Worte zu benutzen.

„Beruhige dich, Big Partner! Unsere junge Freundin hier hat wahrscheinlich noch nie einen Hippodroiden gesehen!“ hörte ich den Marshall sagen.

„Ein Hippo-Was-für-ein-Ding?“ fragte ich entgeistert.

Der Gaul starrte mich noch giftiger an und der Marshall schien ein Lachen unterdrücken zu müssen.

„Ein Hippodroid. Ein Techno-Pferd.“ sagte er dann.

„Nun, ob sie schon mal einen meiner Art gesehen hat, oder nicht, es gehört sich nicht, Leute so anzustarren!“ schnaufte der Gaul böse und verschränkte die Arme.

„Oh, tut mir leid! Sie haben ja recht! Es ist nur so, ich...ich habe wirklich noch nie ein Pferd gesehen, das sprechen und auf zwei Beinen laufen kann.“ beeilte ich mich zu sagen.

Mit dem Burschen war scheinbar nicht gut Kirschen essen.

„Wird aber Zeit!“ schnaufte der Gaul nur laut und beugte sich zu mir herab.

„Nun mal langsam, Big Partner!“ hörte ich dann wieder den Marshall sagen.

„Unsere kleine Besucherin hier ist von einem anderen Planeten und noch dazu aus einer anderen Zeit. Sieh es ihr nach, wenn sie ein bißchen unsicher ist.“

Der Gaul sah erst ihn und dann wieder mich an. Aber scheinbar schien er sich wirklich zu beruhigen.

„Hmpf! Nun gut! Ich hoffe nur, dass sie ansonsten bessere Manieren aufweisen kann!“ grummelte er dann.

„Tut mir wirklich leid!“ sagte ich noch einmal, stand auf und hielt ihm etwas hilflos die Hand hin.

„Mein Name ist Bianca. Und, wie der Marshall schon sagte, ich bin nicht von hier. Das ist alles so fremd hier für mich. Ich wollte wirklich nicht unhöflich sein.“

Der Gaul betrachtete meine Hand erst kritisch, grinste dann aber, was bei einem Pferd echt witzig aussah und nahm meine Hand dann in seine riesige Pranke.

„Thirty-thirty!“ sagte er und drückte meine Hand mit einem Mal so fest, dass ich mit einem Keuchen in die Knie ging.

„Also, Partner!“ hörte ich den Marshall sagen, während ich meine gequetschte Hand massierte.

„Schon gut! Ich denke, die kleine Retourkutsche hatte ich verdient!“ beschwichtigte ich.

Thirty-thirty lachte wiehernd.

„Wenigstens ist sie kein Weichling!“ wieherte er.

„Na, heißen Dank auch!“ sagte ich und schüttelte meine Hand durch, was den Gaul wieder zum Lachen brachte, in das nun auch der Marshall einstimmte.

Fuss fassen

Kurz nach meiner etwas holprigen Bekanntschaft mit Thirty-thrity verließ ich das Büro des Marshalls, nachdem er noch einige Personalien von mir erfasst hatte. Name, Alter, und diverse andere Sachen eben. Ich machte mich auf in den Saloon zurück zu kommen, wo nun etwas mehr los war. Tatsächlich war es früher Abend an einem Donnerstag. Handle Bar stand wieder an seinem Platz hinter der Theke und begrüßte mich freudig, als ich eintrat.

„Da sind sie ja wieder, Bianca. Hat ihnen die Stadt gefallen?“ fragte er mich.

„Nun ja, sehr viel habe ich nicht gesehen. Ich war bis gerade im Marshall – Büro.“ antwortete ich und ließ mich an der Bar nieder.

„Und bei Nacht will ich mir die Stadt nun nicht ansehen. Denke, das werde ich morgen tun.“ sagte ich.

„Nun, für sie als Neuling empfiehlt es sich auch nicht, sich bei Nacht auf der Straße herumzutreiben.“ sagte Handle Bar und goss Süßwasser in ein frisches Glas, das er mir dann zuschob.

„Eine kleine Erfrischung.“ sagte er dann lächelnd.

Dankend nahm ich diese an. Meine Kehle war tatsächlich wie ausgedörrt. Aber langsam kamen auch Bedenken in mir hoch. Ich würde so schnell nicht hier weg kommen, da war ich mir mehr als sicher und ich konnte und wollte nicht auf Kosten dieses Mannes leben.

„Sagen sie, gibt es hier vielleicht eine Möglichkeit für mich zu arbeiten? Irgendeinen kleinen Nebenjob?“ fragte ich ihn dann.

„Nun, Arbeit gibt es in Fort Kerium eigentlich immer. Kommt drauf an, was sie machen möchten.“ sagte er.

Das war in der Tat eine gute Frage. Etwas hilflos zuckte ich mit den Schultern.

„Das...weiß ich ehrlich gesagt auch nicht, aber ich muss von irgendwas leben. Auf anderer Leute Tasche liegen ist nicht meine Art.“ sagte ich dann.

„Oh, sie können das Zimmer wirklich ein paar Tage kostenlos nutzen. Und das Essen fällt auch nicht so ins Gewicht.“ beschwichtigte Handle Bar.

Wie zur Antwort auf das Stichwort Essen begann mein Magen zu knurren. Natürlich. Ich hatte ja auch seit zwei Wochen nichts gegessen. Und dennoch war es mir peinlich, da das Knurren so laut war, dass es ohne Zweifel auch von anderen zu hören gewesen war. Handle Bar begann auch sogleich zu grinsen. Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss.

„Tschuldigung!“ murmelte ich verlegen.

„Macht nichts! Macht nichts!“ lachte Handle Bar und legte das Wischtuch beiseite.

„Ich denke, ich werde sie nun einmal mit unserer New texanischen Küche bekannt machen.“ sagte er und verschwand durch eine Tür in einen Hinterraum.

Etwas peinlich berührt sah ich ihm nach. Ich war ihm zwar dankbar, aber es hinterließ einen mehr als faden Beigeschmack. Ich hasste es auf die Mildtätigkeit von anderen Leuten angewiesen zu sein, auch wenn es im Moment wohl meine einzige Möglichkeit war.

„Wo ist denn Handle Bar?“ hörte ich plötzlich eine meckernde Stimme hinter mir.

„Mann, wieso lässt der sich heute so viel Zeit? Wo bleibt mein Starblazer?“ beschwerte sich ein anderer.

Plötzlich kam mir eine Idee.

„Sagen sie, könnten sie vielleicht eine Aushilfe gebrauchen? Wenn viel zu tun ist, meine ich?“ fragte ich Handle Bar, als er zurück kam.

Er sah mich überrascht an.

„Eigentlich keine schlechte Idee. Seit die letzte Fuhre mit neuen Siedlern gekommen ist, komme ich mit der Arbeit am Wochenende kaum nach.“ sagte er aufrichtig erfreut.

„Na prima! So kann ich mich für Unterkunft und Verpflegung revanchieren.“ sagte ich.

Ich fühlte mich gleich viel besser, keine Almosen annehmen zu müssen.

„Nun, ihr Essen braucht noch etwas. In der Zwischenzeit kann ich sie ja mit der Bar vertraut machen. Von der anderen Seite, versteht sich.“ sagte er und ich sprang sofort von meinem Stuhl und lief zu ihm auf die andere Seite.

„Also, hier haben wir das Süßwasser, das normale Wasser und die Starblazer.“ erklärte er und zeigte auf die einzelnen Flaschen im Regal hinter sich.

„Was ist Starblazer?“ fragte ich.

„Unser beliebtestes alkoholisches Getränk.“ antwortete er. „Wenn sie gegessen haben, können sie ja mal einen probieren.“

„Du. Sagen sie ruhig du. Ich komme mir bei dem „Sie“ ein bißchen alt vor.“ sagte ich dann.

„Ich wollte gerade das selbe vorschlagen.“ lächelte er und schlug mir sanft mit der Hand auf die Schulter. Irgendwie hatte ich das Gefühl zumindest schon mal einen Freund zu haben.

Dann fuhr er fort mir alles zu erklären und dann durfte ich auch schon die nörgelnde Truppe von vorhin bedienen.

Zwei große Gläser Süßwasser und einen Starblazer. Den es in zwei Varianten gab, einer härteren, das ich wahrscheinlich mit Whisky oder etwas ähnlichem vergleichen konnte und einer weicheren, die wohl so eine Art Bier darstellen sollte. In diesem Falle einen weichen.

Mit den fertigen Getränken machte ich mich dann auf den Weg zum Tisch der drei und wurde natürlich sofort von denen überrascht angestarrt.

„Hat Handle Bar neuerdings Verstärkung?“ fragte der erste sofort und zog überrascht die Augenbrauen zusammen.

„Ja, zumindest vorläufig.“ sagte ich und stellte die Getränke vor den drei ab.

„Auffallend hübsche Verstärkung, wie man sieht.“ sagte der zweite dann und musterte mich ungeniert.

„Danke.“ sagte ich knapp und musterte die Männer unauffällig.

Ihre Kleider waren typisch Wildwest-mäßig, aber ziemlich schmutzig. Scheinbar waren sie im Bergbau tätig, denn der Staub an ihren Kleidern stammte eindeutig von dem roten Gestein der Berge.

„Sind sie nicht die junge Frau, die der Marshall draußen in der Prärie gefunden hat?“ fragte nun der dritte. Er hatte ein ziemlich markantes Gesicht, mit einem vorspringenden Kinn und buschigen Augenbrauen. Ein Schlapphut bedeckte strohiges braunes Haar. Der Bursche war zwar nicht attraktiv, schien aber ein netter Kerl zu sein.

„Ja, die bin ich.“ antwortete ich mit einem Nicken.

„Ich bin Bianca.“ fügte ich dann noch hinzu.

„Angenehm!“ sagte der Schlapphutträger und deutete dann auf sich.

„Ich bin Billy Bob, und das sind Joseph und Sam.“ sagte er und deutete auf seine Kollegen.

„Ebenfalls angenehm.“ sagte ich.

„Wo kommen sie eigentlich her?“ fragte dann der mit Joseph vorgestellte.

„Wenn ich ihnen das erzähle, glauben sie es mir sowieso nicht.“ antwortete ich.

„Sie wären überrascht, was wir alles glauben.“ lachte Billy Bob.

„Außerdem können charmante junge Damen wie sie uns auch duzen.“ fügte er dann Augenzwinkernd hinzu.

Ich lächelte.

„Wenn dem so ist, so nette Gäste dürfen mich natürlich auch duzen.“ sagte ich.

„Na wunderbar, Bianca! Wie wäre es, wenn du uns auf einen Starblazer Gesellschaft leistest, oder auf ein Süßwasser?“ fragte Billy Bob dann sichtlich erfreut.

„Das will ich gern tun, aber erst einmal ruft die Pflicht.“ antwortete ich und ging zum nächsten Tisch, wo eine weitere Gruppe von Männern nach der Bedienung verlangten.

Wobei nicht alle von ihnen Menschen waren. Zwei von ihnen hatten zwar eine menschliche Statur, aber giftgrüne Haut und Stielaugen, wie Schnecken.

Ich nahm ihre Bestellung möglichst höflich entgegen und vermied es tunlichst, die beiden „Schnecken“ zu sehr anzustarren. Nicht nur, dass ich keinen weiteren Ärger wollte, sondern weil mir immer klarer wurde, dass ich mich wohl an solche Gestalten besser gewöhnen sollte. Wenn es hier schon zweibeinige, sprechende Pferde und menschliche Schnecken gab, was kreuchte und fleuchte hier dann wohl noch alles?

Ich ging zur Bar zurück und beeilte mich die bestellten Drinks fertig zumachen, als die Tür des Saloons sich öffnete und zwei Gestalten den Saloon betraten. Zweibeinige Hunde, oder Wölfe, oder was auch immer sie waren. Jedenfalls sahen sie alles andere als freundlich aus. Ich beobachtete die beiden, wie sie zu einem freien Tisch gingen und sich daran niederließen. Sie trugen verlodderte Kleider und breitkremprige Hüte. Ihre Ohren lugten durch Löcher aus ihnen heraus, was mich unverweigerlich an diverse Cartoons erinnerte. Würden die Burschen nicht so nach Ärger aussehen, dann könnte man darüber sogar lachen.

Ich bediente den Tisch mit den zwei Schneckenmenschen und wurde von den beiden Gestalten dann auch prombt an den Tisch gerufen.

„Zwei doppelte Starblazer, ohne Eis!“ knurrte der eine und ich ging wortlos zur Bar zurück.

In der Zwischenzeit war Handle Bar wieder aus der Küche aufgetaucht und winkte mich zu sich. Ich beeilte mich an seine Seite zu treten.

„Äh, Handle Bar, diese beiden Gestalten da, was sind das für welche?“ flüsterte ich ihm zu und nickte in die Richtung der beiden Wölfe, die mittlerweile ihre Köpfe zusammengesteckt hatten und über irgendwas leise redeten.

„Dingos.“ antwortete Handle Bar und schob mich vorsichtig in Richtung Küche.

„Ich könnte mich ja täuschen, aber die sehen irgendwie nach Ärger aus.“ sagte ich weiter, während ich weiter über die Schulter zu den beiden sah.

„Bedeuten sie in der Regel auch. Sind nicht gerade die freundlichsten Wesen. Die überlässt du lieber mir.“ sagte er. „Außerdem solltest du jetzt erst einmal essen.“

Wir waren in der Küche angekommen, die kleiner war, als ich vermutet hatte. Vergleichbar mit einer normalen Haushaltsküche. An der einen Wand stand ein kleiner Tisch mit nur einem Stuhl, auf dem ein dampfender Teller mit einer Art Suppe stand.

„Was hatten die beiden denn bestellt?“ fragte er, während ich mich an dem Tisch niederließ.

„Zwei doppelte Starblazer, ohne Eis.“ antwortete ich und Handle Bar verschwand wortlos aus der Küche.

Ich wandte mich dem Teller zu und versuchte den Inhalt zu definieren. Es war mehr ein Eintopf als eine Suppe, denn der Inhalt war dickflüssig, sah etwas aus, wie Kürbiscreme-Suppe mit Fleisch und Gemüse.

Der Geruch, der davon ausging, war allerdings sehr verführerisch. Etwas, das so gut riecht, konnte gar nicht schlecht schmecken, entschied ich, griff zu dem Löffel und probierte. Und ich behielt recht. Ich konnte den Geschmack zwar mit nichts vergleichen, was ich von zu Hause kannte, aber es schmeckte großartig. Und erst jetzt wurde mir richtig bewusst, welchen Hunger ich hatte. Ich leerte den Teller sehr schnell und genoss dann das Gefühl eines vollen Magens.

Dann räumte ich den leeren Teller in die Spüle, wo noch anderes schmutziges Geschirr lag und machte mich auf den Weg zurück in den Schankraum. Handle Bar stand an der Bar und machte gerade zwei Drinks fertig.

„Ah, da bist du ja wieder. Hat es geschmeckt?“ fragte er direkt.

„Wirklich sehr gut! Danke! Was war das genau?“ fragte ich.

„Nennt sich Texanischer Topf. Ist ursprünglich Restverwertung gewesen, hat sich dann aber als eigenständiges Gericht eingebürgert.“ erklärte er sichtlich stolz.

„Aha! Sowas wie Irish Stue, richtig?“ fragte ich.

„Was ist Irish Stue?“ fragte Handle Bar interessiert.

„Auch so eine Art Resteessen. War auf der Erde sehr beliebt.“ erklärte ich. Zudem war es eines meiner Lieblingsgerichte gewesen.

„Und wie macht man das?“ fragte er weiter.

„Mh, wenn ich die Zutaten bekommen könnte, könnte ich es dir zeigen.“ antwortete ich.

„Kein Problem. Sag mir nur, was du brauchst.“

Während ich ihm erklärte, was man für Irish Stue brauchte, wurden plötzlich Rufe von Billy Bobs Tisch laut. Die drei Männer verlangten eine Runde und dieses Mal machte Handle Bar sich auf den Weg zu ihnen. Ich blieb an der Bar zurück und übernahm das Gläserabwaschen.

„He, Püppchen!“ war plötzlich eine knurrende Stimme zu hören.

Erschrocken hob ich den Kopf und sah den beiden Dingos ins Gesicht, die an die Bar gekommen waren.

„Bitte?“ fragte ich.

Grinsend beugte sich der eine so weit er konnte über die Theke.

„Du schuldest uns noch einen Drink!“ geiferte er und zog die Lefzen hoch, was wohl ein Grinsen darstellen sollte. Nur das es ganz und gar nicht lustig aussah.

„Tue ich das?“ fragte ich möglichst ruhig.

„Allerdings, Herzchen!“ klinkte sich nun auch der andere ein. „Jeder, der hier neu ist, muss uns einen Drink ausgeben.“

Mein erster Eindruck und Handle Bars Aussage bewahrheitete sich also gerade. Die beiden bedeuteten Ärger. Aber ich sah überhaupt nicht ein, warum ich mich von ein paar Kojoten wie den beiden einschüchtern lassen sollte.

Ich stemmte meine Hände auf die Bar und beugte mich ebenfalls vor.

„Ist das so? Nun, dann werde ich mit dieser netten Tradition brechen müssen!“ sagte ich bestimmt.

Mit dieser Reaktion hatten die beiden wohl nicht gerechnet, was mir der überraschte Ausdruck auf ihren Gesichtern verriet.

„Du bist ganz schön frech, Püppi!“ knurrte der vorgebeugte dann und kam mir mit dem Gesicht noch näher.

„Frechheit kann aber sehr ungesund sein!“

„Ungesund für wen?“ fragte ich nur herausfordernd zurück.

Die Augen des Dingos verengten sich zu schmalen Schlitzen und er fletschte die Zähne.

„Das wirst du gleich feststellen, du...!“

„Schluss jetzt! Das reicht!“ war dann Handle Bar zu hören, der dann plötzlich hinter den beiden auftauchte, sie an den Kragen packte und wie Spielzeuge hochhob. Und sofort verwandelten sich die beiden reißenden Wölfe in winselnde Schoßhündchen.

„Ihr werdet mir gefälligst meine junge Gehilfin zufrieden lassen! Oder aber ich befördere euch mit einem einzigen Tritt in den Orbit!“ grollte Handle Bar böse.

„Schon gut! Schon gut!“ winselte der eine und Handle Bar ließ die beiden fallen, wie zwei nasse Säcke.

Sofort verließen die beiden fluchtartig den Saloon und es hätte mich nicht gewundert, hätten sie dabei gewinselt, wie geprügelte Hunde.

Grinsend sah ich den beiden hinterher.

„Alles klar?“ fragte Handle Bar mich dann besorgt.

„Hm? Ja ja, klar! So was schockt mich nicht.“ sagte ich locker.

Tatsächlich hatten mir die beiden keinerlei Angst gemacht. Denn eines war mir auch sofort klar gewesen: die beiden gehörten zu der Sorte, die sich nur an jene herantrauten, von denen sie glaubten, sie wären schwach und leichte Beute. Die dann aber auch ganz schnell den Schwanz einzogen, wenn sich herausstellte, dass ihr vermeintliches Opfer auf einmal ein Gegner wurde. Witzigerweise konnte man bei denen das mit dem Schwanz einziehen wohl wörtlich nehmen.

„Ich wünschte, ich könnte diesen Dingos Hausverbot erteilen.“ knurrte Handle Bar, während er zur Tür sah, durch die die beiden gerade verschwunden waren.

„Tu es doch einfach! Ist doch schließlich dein Laden!“ sagte ich und wischte das letzte gespülte Glas trocken.

„Geht nicht so einfach. Es gibt tatsächlich auch Dingos, die sich in der Stadt ganz friedlich verhalten. Und die darf ich nicht einfach vor die Tür setzten.“ knurrte er mürrisch.

„Tja, dann haben wir halt unseren Spaß mit ihnen!“ sagte ich locker.

Handle Bar wandte sich mir grinsend zu.

„Zumindest bist du kein Feigling.“

„Danke für die Blumen!“ feixte ich.

„He, Handle Bar! Gönn deiner Gehilfin mal ne Pause und lass sie nen Starblazer mit uns trinken!“ kam es dann plötzlich von Billy Bobs Tisch.

„Okay, okay!“ rief Handle Bar lachend zurück.

„Deine Anwesenheit wird dort hinten verlangt.“ sagte er dann an mich gewandt und ich beeilte mich für die drei noch Drinks herzurichten und begab mich dann mit meinem Starblazer eingeschlossen zu ihnen.

„Haben die Dingos dich bedroht?“ fragte Billy Bob als erstes besorgt.

Ich winkte lachend ab.

„Ach, die! Von solchen Typen lass ich mir doch keine Angst machen!“ sagte ich.

„Solltest aufpassen. Mit denen ist nicht zu spaßen.“ sagte Sam.

„Ehrlich Bianca, geh denen aus dem Weg, wo es nur gerade eben geht.“ mischte sich nun auch Joseph ein.

„Tue ich. Aber ich verstecke mich nicht und ich lasse mich auch nicht einschüchtern.“ entgegnete ich.

Dann griff ich nach meinem Krug und hob ihn an.

„Nun, meine Herren, auf einen gemütlichen Feierabend!“ sagte ich und stieß mit ihnen an.

Dann musste ich natürlich erst einmal meine Geschichte erzählen.

„Klingt wirklich irre!“ sagte Sam dann und leerte seinen Doppelten.

„Und du hast echt keine Ahnung, wie das passiert ist?“ fragte Billy Bob dann.

Ich schüttelte den Kopf.

„Nun, ich denke, du wirst dich hier schon einleben. Hübsche junge Damen haben es bei uns nie schwer.“

Joseph zwinkerte mir vielsagend zu und ich sah ihn keck an.

„Na wenn dem so ist, dann brauche ich mir deswegen ja schon mal keine Sorgen mehr zu machen.“ lächelte ich und trank einen Schluck Starblazer. Es schmeckte tatsächlich ein bisschen wie Bier, war aber nicht ganz so bitter, dafür aber bestimmt doppelt so stark. Viel sollte ich davon wohl besser nicht trinken.

„Also bleibst du bei Handle Bar angestellt?“ fragte Billy Bob mich dann.

„Naja, zumindest kann ich mich für die Unterkunft und Verpflegung ein bisschen revanchieren. Aber ich denke, ich werde sehen, ob ich nicht noch nebenher was anderes machen kann. Ich hab mich mit ihm darauf geeinigt, dass ich ihm nur helfe, wenn er viel zu tun hat.“ sagte ich und trank noch einen Schluck. Das Zeug schmeckte verdammt gut.

„Und was macht ihr?“ fragte ich dann.

„Wir sind Schürfer.“ antwortete Billy Bob und leerte sein Glas. „Wir arbeiten in der Donnermiene, außerhalb der Stadt.“

Also genau das, was ich mir schon gedacht hatte.

„Harter Job, was ?“ fragte ich dann.

„Jaaaah, aber auch sehr auskömmlich, wenn man reichlich findet.“ sagte Joseph und lehnte sich zurück. Der Starblazer zeigte Wirkung bei ihm, denn seine Augen waren bereits ziemlich glasig.

„Vielleicht habt ihr ja dann noch Platz für mich.“ sagte ich ernsthaft.

Billy Bob lachte.

„Na, ich glaube nicht, dass das die richtige Arbeit für eine Frau ist!“

„Warum nicht? Ich bin harte Arbeit gewöhnt!“ sagte ich.

Ich versuchte es mir nicht zu deutlich anmerken zu lassen, aber ich war dennoch etwas gekränkt. Ich hasste es einfach, wenn einem gleich unterstellt wurde, man könne nicht hart arbeiten, nur weil man eine Frau ist.

„Warum eigentlich nicht! Jetzt mal ehrlich, Billy, sie macht mir nicht den Eindruck, als wenn sie ein allzu zartes Pflänzchen ist.“ sagte Sam und musterte meine Arme und Schultern.

Ich wusste, dass ich für eine Frau recht muskulös war. Durch meine Arbeit und meinen Sport war das aber auch nicht wirklich vermeidbar. Außerdem fand ich es auch gutaussehend.

„Nein, nein, das meinte ich auch nicht, aber ich glaube Schürfer ist nun doch etwas zu viel für dich.“ sagte Billy Bob dann beschwichtigend zu mir.

Ich zuckte mit den Schultern.

„Vielleicht habt ihr ja irgendwelchen leichteren Arbeiten für mich?“ fragte ich dann.

„Was wir gebrauchen könnten, wäre jemand, der sich mit Maschinen auskennt. Diese alten Dinger machen, was sie wollen, wenn sie mal etwas machen.“ knurrte Joseph plötzlich.

„Probleme mit Maschinen? Was denn für welche?“ fragte ich sofort neugierig.

„So alte Bergwerksdinger, von der Erde noch. Angeblich sollen die zuverlässig sein. Waren sie anfangs auch, aber nun zicken sie nur noch rum und viele von ihnen laufen gar nicht mehr. Und es kriegt einfach keiner richtig hin, sie zu reparieren.“ murrte Joseph.

„Kann ich sie mir mal ansehen?“ fragte ich eifrig und aufgedreht.

Billy Bob sah mich mit gerunzelter Stirn an.

„Hast du Ahnung von so was?“ fragte er dann.

„Ich bin Mechanikerin. Werkzeugmechanikerin, um genauer zu sein. Mein Job ist es Maschinen umzubauen und am Laufen zu halten.“ erklärte ich.

Tatsächlich war das in meinem „normalen“ Leben mein Beruf, den ich auch sehr gern machte. Auch, wenn man es als einzige Frau manchmal nicht leicht hatte.

„Na schön.“ sagte Billy Bob dann. „Schaden kann es nicht!“

Fröhlich stieß ich mit den Männern ein weiteres Mal an.

Einige Stunden später fiel ich wie ein Stein in mein Bett. Ich war tatsächlich hundemüde, was nach so einem Tag aber wohl auch nicht verwunderlich war. Ich hatte schließlich so einiges erlebt und der morgige Tag würde wahrscheinlich nicht weniger aufregend werden.

Ein Tag in Fort Kerium

Die Sonnen begannen gerade erst aufzugehen, als ich erwachte. Ich hatte zu meiner eigenen Überraschung sehr tief geschlafen und wohl nicht einmal geträumt. Der Tag gestern schien mich doch ziemlich geschafft zu haben. Ich blickte zum Fenster hoch durch das das erste Licht des neuen Tages fiel und dann auf die digitale Uhr an der Wand. 7:18, verdammt früh. Aber ich war auch um elf Uhr ins Bett gefallen und sofort eingeschlafen. Und obgleich ich gestern einen mehr als ereignisreichen Tag hatte, fühlte ich mich ausgeruht und erfrischt.

Gut gelaunt schwang ich die Beine aus dem Bett und ging zu der kleinen Waschecke rüber. Ich klatschte mir ein paar Handvoll Wasser ins Gesicht und trank ein paar Schlucke. Dann betrachtete ich mich im Spiegel. Mein Gesicht wirkte etwas eingefallen, wohl eine Folge der kleinen zweiwöchigen Zwangsdiät und meine Haare waren wieder ein gutes Stück gewachsen. Wahrscheinlich würde ich bald wieder Haargummis und so ein Zeug brauchen, dachte ich und wandte mich von dem Spiegel ab. Ich beschloss mich unter die Dusche zu stellen und mich mal gründlich abzuschrubben. Ich ließ meine Unterwäsche fallen, die ich als einziges die Nacht über anbehalten hatte, drehte das Wasser auf und wartete, dass es warm wurde. Was überraschend schnell ging. Haarschampoo und Duschdas oder so was gab es natürlich nicht. Nur ein dickes Stück Kernseife.

Mir fiel mal wieder auf, was dieser Planet für ein Ort der Gegensätze war. Einerseits High Tech und auf der anderen Seite furchtbar altmodisch. Ich war wirklich gespannt, welche Überraschungen heute noch auf mich warten würden.

Während ich mich mit der Kernseife ordentlich abschrubbte und versuchte mir damit auch die Haare zu waschen, ging ich im Geiste durch, was ich heute alles machen würde.

Erst einmal würde ich Handle Bar zu Hand gehen, soweit es ging. Und dann würde ich Billy Bob und den Jungs einen Besuch abstatten. Ich war furchtbar gespannt auf die Maschinen, mit denen sie solche Probleme hatten und die angeblich von der Erde stammten. Vielleicht winkte da ja ne richtige Festanstellung. Die hatte ich auch bitter nötig, wenn ich an meine Kleider dachte, denn die waren ziemlich ramponiert und ich würde so oder so nicht drum herumkommen, mir neue zu besorgen.

Frisch geduscht trat ich dann wieder vor den Spiegel und rubbelte mich mit dem großen Handtuch trocken. Dabei betrachtete ich meinen Oberkörper. Eine Sache, an die ich gestern gar nicht gedacht hatte, war, ob ich durch meinen rüden Sturz an den tätowierten Stellen Verletzungen davongetragen hatte. Aber weder der große Phönix auf meinem Rücken, noch die beiden Blumenranken an meinen Seiten waren in Mitleidenschaft gezogen worden. Erleichtert begann ich mich anzuziehen und dann meine Haare mit dem Fön zu trocknen. Dann verließ ich mein Zimmer.

Unten im Saloon konnte man Handle Bar bereits hantieren hören. Ich ging die Treppe runter und sah, wie er dabei war die Stühle wieder von den Tischen zu nehmen. Wir hatten sie am gestrigen Abend noch gemeinsam hochgestellt, was da schon ein ziemlicher Kraftakt für mich gewesen war, da ich im Stehen hätte schlafen können. Zudem waren die Stühle doch etwas schwerer als die, die ich aus – man musste sagen, meiner Welt – kannte. Von Leichtbauweise hatten die hier eindeutig noch nichts gehört.

„Guten Morgen!“ flötete Handle Bar fröhlich. Ich erwiderte den Gruß und half ihm mit den Stühlen.

„Gut geschlafen?“ fragte er dann.

„Wie ein Stein!“ nickte ich.

„Freut mich zu hören! Ich denke, wir sollten uns jetzt erst mal ein ordentliches Frühstück gönnen! Vor allem du, denn du hast heute ja wohl so einiges zu tun!“ sagte er dann und ich konnte nur zustimmen. Während Handle Bar das Frühstück zubereitete, kümmerte ich mich weiter um den Saloon, wischte die Tische ab und fegte den Staub raus, der sich vor allem im Eingangsbereich gesammelt hatte.

In der Zwischenzeit hatte Handle Bar einen Tisch für uns zwei gedeckt und nebst Brot und Rührei auch Kaffee aufgetischt.

Wir machten uns beide mit Heißhunger darüber her.

„Nun, wie sieht denn dein Tagesablauf für heute vorläufig aus?“ fragte Handle Bar.

Ich zuckte mit den Schultern.

„Also, das einzige, was fest eingeplant ist, dass ich mir die Maschinen der Schürfer ansehe. Ansonsten heißt es mal sehen, was sich so ergibt. Ich denke mal, du wirst mich heute Abend brauchen, wenn ich mich nicht irre? Ist schließlich Freitag, nicht?“ fragte ich.

Handle Bar nickte.

„Ja, da ist immer viel los. Vor allem wenn so eine Riesenwelle neuer Siedler kommen, dann komme ich mit der Arbeit manchmal kaum nach.“

„Ich bin in jedem Falle heute Abend zur Stelle.“ sagte ich.

Handle Bar wirkte sichtlich erleichtert.

„Gut zu wissen.“

Er war fertig und stand auf.

„Oh, könntest du für mich zur Bank gehen, bevor du zu den Schürfern gehst?“ fragte er auf dem Weg in die Küche.

Ich sah ihn verblüfft an. Vertraute er mir jetzt tatsächlich schon seine Bankgeschäfte an?

„Klar! Was muss ich denn machen?“ fragte ich völlig verdattert.

„Die Einnahmen dieser Woche dorthin bringen. Ich hab die Kasse aus verschiedenen Gründen nie am Wochenende komplett voll.“

„Und...muss ich da was bestimmtes beachten?“ fragte ich weiter, während ich ihm mit den restlichen Tellern beladen in die Küche folgte.

„Nein, nein. Musst nur dem Bankangestellten sagen, dass es meine Wocheneinnahmen sind. Den Rest macht er.“ sagte Handle Bar und legte das gebrauchte Geschirr ins Becken.

„Klar! Mache ich. Ist die Bank schon auf?“ fragte ich.

Handle Bar schaute auf die Uhr, die über der Spüle hing. Sie zeigte 8.25 Uhr.

„Ja, hat gerade aufgemacht.“ sagte er und ging mit mir zurück in den Saloon. Dort holte er dann eine kleine Eisenkiste unter der Bar hervor und drückte sie mir in die Hand.

„Bring sie dir gleich wieder.“ sagte ich und beeilte mich auf die Straße zu kommen.

Draußen herrschte bereits wieder geschäftiger Betrieb. Ich achtete darauf am Straßenrand zu laufen. Ich hatte keine Lust, mit Calamity Jane noch einmal eine Begegnung zu haben, oder irgendeinem anderen. Es war nicht weit zur Bank und es herrschte auch kaum Betrieb. Lediglich ein dicklicher Mann mit einem runden Hut – Melone, oder wie immer man die Teile auch nannte – stand an neben dem einzigen besetzten Schalter (von einem Roboter besetzt, versteht sich). Und neben ihm stand kein geringerer als der Marshall.

Ich zuckte bei seinem Anblick unwillkürlich zusammen. Aber nicht vor Angst. Vielmehr haute es mich einfach, wie auch gestern um, wie gutaussehend er war. Allein die Tatsache, dass er ein Indianer war, machte ihn...exotisch. Ich liebte den Bronzefarbenen Ton seiner Haut. Zudem war er verdammt gut gebaut.

Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und ging weiter zu dem Schalter, konnte es aber auch nicht unterlassen ihn weiter verstohlen zu beobachten. Er stand lässig an die Wand gelehnt, mit vor der Brust verschränkten Armen da und lauschte scheinbar etwas gelangweilt der hektischen Rede des dicklichen Mannes, der sich über irgendwas scheinbar ziemlich aufregte. Aber ich hörte nicht genauer hin, sondern versuchte mich auf meine Aufgabe zu konzentrieren.

„Willkommen!“ erklang die mechanische Stimme des Roboters, als ich am Schalter angekommen war und die Kiste vor ihm abstellte.

Ein wenig hilflos überlegte ich, wie man wohl mit einem Roboter redete. Aber scheinbar schienen viele von ihnen wie Menschen behandelt zu werden und so beschloss ich es ebenfalls zu tun.

„Moin!“ sagte ich „Handle Bar schickt mich. Ich soll das hier abgeben.“

„Sehr wohl.“ sagte der Roboter und nahm mir die Kiste ab.

„Wenn man vom Teufel spricht...“ erklang dann plötzlich deutlich vernehmbar die Stimme des Marshalls.

Ich drehte mich ein bisschen zu hastig um und blickte dann aber erst einmal in das Gesicht des dicklichen Mannes, der sich mir ebenfalls zugewandt hatte. Der Ausdruck in seinem Gesicht war zwar freundlich, aber ich sah auch Misstrauen darin.

„Guten Morgen, die Dame!“ sagte er und streckte mir die Hand entgegen. „Ich bin der Bürgermeister von Fort Kerium und begrüße sie recht herzlich!“

Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass er das nicht ganz Ernst meinte, aber ich ergriff dennoch seine Hand und schüttelte sie. Ich wollte es mir nicht unnötig mit den Leuten hier verderben.

„Der Marshall hat mich natürlich schon über die Umstände ihrer Ankunft und ihrer momentanen Situation unterrichtet.“ fuhr er fort. „Ich denke, auch wenn das alles neu für sie ist, werden sie sich hier schnell einleben.“

„Danke, für die Begrüßung. Und sie haben recht, für mich ist hier so ziemlich alles neu. Aber ich glaube, ich komme klar.“ sagte ich dann.

Mann, der Kerl hatte die Rede bestimmt bis zum Abwinken geübt!

Ich konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie der Marshall neben ihn trat und die Szene scheinbar amüsiert beobachtete.

Der Bürgermeister warf einen vielsagenden Blick auf Handle Bars Kasse, die der Roboter mittlerweile geöffnet hatte.

„Handle Bar scheint ihnen ja schon sehr zu vertrauen, wenn er sie mit den Einnahmen hierher schickt.“ sagte er dann verwundert.

„Ja, hat mich selbst umgehauen.“ sagte ich dann.

„Handle Bar hat auch bestimmt seine Gründe dafür.“ schaltete sich nun der Marshall ein.

Ich war sogar dankbar dafür, denn irgendwie hatte ich das ungute Gefühl, dass mich der Kerl in eine Art Verhör zwingen wollte.

„Da bin ich mir sicher, Marshall.“ sagte er hastig, als er merkte, dass er sich wohl zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte. Er zog es auch vor dann schnell das Thema zu wechseln.

„Sagen sie, junge Dame, haben sie schon Pläne für ihren Aufenthalt in unserer schönen Stadt?“

„Ich versuche mich nützlich zu machen, wo es geht. Ich helfe Handle Bar und muss gleich zu den Schürfern in der Donnermiene. Die haben Ärger mit ihren Maschinen.“ sagte ich ehrlich. Warum sollte ich da ein Geheimnis drum machen? Außerdem tat es auch sofort die gewünschte Wirkung, denn das Misstrauen verschwand sofort aus seinem Gesicht.

„Gut, gut! Helfende Hände kann man hier immer gebrauchen.“ sagte er.

„Miss?“ schaltete sich dann der Roboter plötzlich ein.

Er hatte scheinbar die Kiste entleert und wenn ich das richtig sah, dann auf eine Waage, denn dort lag ein Haufen mit roten, glühenden Kristallen.

„Das sind ein Kilo und fünfzehn Gramm.“ verkündete der Roboter, aber ich hörte es kaum. Tatsächlich zog mich der Anblick der Kristalle total in seinen Bann.

„Was zum Geier ist das?“ fragte ich und nahm eines von den Stücken von der Waage.

„Das ist Kerium.“ hörte ich die Stimme des Bürgermeisters neben mir.

Ich wandte mich wieder ihm zu und sah mir gleichzeitig das Stück Kristall genauer an.

„Kerium? Nie davon gehört.“ sagte ich ehrlich und betrachtete das Stück Kristall weiter. Am meisten verwunderte mich das Glühen, das scheinbar aus den Steinen selbst kam, irgendwie. So was hatte ich noch nie gesehen.

„Es ist eines der wertvollsten Stoffe im Universum überhaupt! Wir bauen es hier auf New Texas in Mienen ab und nutzen es als Zahlungsmittel. Aber am ehesten als Treibstoff für Maschinen und Raumschiffe.“

Jetzt fiel mir auch auf, dass ich gestern gar nicht darauf geachtet hatte, mit was die Gäste bei Handle Bar bezahlt hatten. Scheinbar mit diesen merkwürdigen Kristallen.

„Ah, so was ähnliches, wie Gold, richtig?“ fragte ich und legte den Stein wieder weg.

„Ja, so ähnlich. Nur weit aus wertvoller und nützlicher.“ antwortete der Bürgermeister.

„Und das bauen auch Billy Bob und seine Jungs ab, richtig?“ fragte ich weiter.

Der Bürgermeister nickte.

„Die und eine ganze Menge anderer Schürfer.“

Das wurde wirklich immer besser. Jetzt auch noch ne futuristische Version von Gold! Echt Klasse!

„Ich schreibe das Kerium auf Handle Bars Konto gut! 1.100 Galaxie-Dollar.“ sagte der Roboter und schob mir die leere Kiste wieder zu.

„Und Galaxie-Dollar ist eure Währung, richtig?“ wandte ich mich wieder an den Bürgermeister, die Kiste an mich nehmend.

Der nickte.

„Ja, ist aber allgemein anerkannt. Nicht nur hier auf New Texas.“

„Also auch kein Stress mehr mit dem Geld umtauschen, was?“ fragte ich.

Der Bürgermeister winkte lachend ab.

„Das wurde schon vor über hundert Jahren abgeschafft! Komplizierter Kleinkram!“ sagte er.

„Wohl wahr.“ antwortete ich.

„Nun, ich muss wieder ins Rathaus.“ sagte der Bürgermeister und warf einen Blick auf eine goldene Taschenuhr.

„Marshall, ich erwarte ihren Bericht über die Vorkommnisse in Sawtooth heute Abend.“ sagte er dann noch an diesen gewandt und nickte mir dann noch einmal freundlich zu.

„Einen schönen Tag, die Dame.“

Ich erwiderte das Nicken.

„Ihnen auch, Herr Bürgermeister.“

Dann wackelte dieser aus der Bank und ich blieb mit dem Marshall allein zurück.

„Klingt so, als würden sie sich tatsächlich allmählich zurecht finden.“ sagte er dann an mich gewandt.

Verlegen lächelnd sah ich zu Boden.

„Ich tue, was ich kann.“ antwortete ich.

„Und sie wollen die Maschinen reparieren? Da haben sich unsere Techniker schon die Zähne dran ausgebissen.“ fragte er dann und wir schlenderten beide aus der Bank.

„Billy Bob sagte, sie seien von der Erde. Und ich bin ausgebildete Mechanikerin. Vielleicht finde ich ja was, was die anderen übersehen haben. Ich denke mal, ich käme mit euren Maschinen nicht klar.“ sagte ich und wir traten wieder in die Hitze, die bereits spürbar zugenommen hatte.

„Da bin ich wirklich gespannt. Das wäre für die Jungs eine Wohltat. Die müssen alles mit der Hand machen, seit dem die Maschinen nicht mehr laufen.“ sagte er.

„Ein Grund mehr, dass ich mich jetzt beeile, dort hinzukommen.“ sagte ich und wandte mich lächelnd zum gehen.

„Richtig. Ich denke, man sieht sich noch!“ sagte er, tippte an seine Hutkrempe und zwinkerte mir zu.

Ich spürte wie ich errötete.

„Ich hoffe bald!“ rutschte es mir heraus.

Lächelnd ging er in Richtung seines Büros davon und ich hätte mich am liebsten geohrfeigt. Toller Spruch „Ich hoffe bald“! Warum brachte mich dieser Mann so aus der Fassung?

Ich verscheuchte den Gedanken jedoch und beeilte mich, zu Handle Bar zu kommen.
 

Zehn Minuten später war ich dann auf dem Weg zur Donnermiene. Billy Bob hatte mir den Weg sehr genau beschrieben und er stellte sich auch nicht als schwer heraus. Unterwegs liefen mir dann auch noch so einige merkwürdige Gestalten über den Weg. Die einen sahen aus, wie zweibeinige Echsen, andere wiederum waren mit nichts zu vergleichen, was ich schon mal gesehen hatte. Der Großteil der Bewohner der Stadt schienen jedoch Menschen zu sein.

Auf dem Weg zur Miene kam ich noch am Rathaus und am Gericht vorbei. Vor diesem stand die Richterin, auf die ein Außerirdischer sehr gehetzt einredete. Als sie mich sah, winkte sie mir freundlich lächelnd zu und ich erwiderte den Gruß. Ich konnte sehen, wie sie den Außerirdischen beschwichtigte und kam dann in meine Richtung.

„Guten Morgen, Richterin.“ begrüßte ich sie zuerst.

„Guten Morgen, Bianca. Wie geht es ihnen?“ fragte sie und blieb vor mir stehen.

„Gut! Bin gerade auf dem Weg zu nem Job, wie ich hoffe.“ antwortete ich.

„Oh, schon so schnell! Freut mich zu hören.“ sagte sie aufrichtig. „Und wo geht’s hin?“

„Zur Donnermiene. Ich will versuchen, ob ich die Maschinen reparieren kann.“ antwortete ich.

„Na bestens! Ich hoffe wirklich, sie können helfen. Die Jungs können einem Leid tun, bei der Plackerei.“ sagte sie und wandte sich wieder zum gehen. „Entschuldigen sie mich, ich muss noch was klären.“

„Ich muss mich auch beeilen. Die Jungs warten mit Sicherheit schon.“

Sie ging zu dem Außerirdischen zurück, der sichtlich ungeduldig auf sie wartete und ich setzte meinen Weg fort.

Ein paar Minuten später hatte ich die Stadt hinter mir gelassen und sah bereits die Miene. Es tummelten sich so einige Leute davor, verrichteten alle möglichen Arbeiten und aus der Miene herrschte ein Kommen und ein Gehen. Loren wurden herausgeschoben und wieder rein und einige Männer schleppten Werkzeug rein.

Als ich näher kam, erkannte ich auch Billy Bob, der sich an einem alten Bohrer zu schaffen machte.

„Hey, Billy! Guten Morgen!“ rief ich ihm zu.

Billy Bob schreckte hoch, lachte aber freudig, als er mich erkannte und kam mir dann ein Stück entgegen.

„Hey, du bist ja tatsächlich gekommen!“ rief er.

„Natürlich! Hast du was anderes erwartet?“ fragte ich scherzhaft.

„Auch, wenn du uns mit Sicherheit nicht helfen kannst, es ist schön, dass du gekommen bist. Bringt etwas Abwechslung hier rein.“ sagte er.

„Na, ich will mir die Patienten erst einmal ansehen.“ sagte ich und sah zu dem Bohrer rüber, an dem er sich gerade noch zu schaffen gemacht hatte.

„Ist das einer der Patienten?“ fragte ich und trat näher.

„Ja. Um den ist es am meisten schade! Durch den sind wir wesentlich schneller voran gekommen. Nun müssen wir wieder alles mit der Hand machen.“ sagte er.

Ich ging um den Bohrer herum und betrachtete ihn. Tatsächlich einer von den alten Dingern, die ich mal in einem Schaubergwerk gesehen hatte. Einer von den großen Teilen, die auf Schienen fahren mussten. Der Bohrkopf hatte einen Durchmesser von gut und gern einem Meter und bestand aus zwei Teilen, die sich in entgegengesetzter Richtung bewegten. Das es die in der heutigen Zeit noch gab. Was mich aber noch mehr wunderte war, dass diese ansonsten so hoch technisierten Jungs keine Ahnung von so simplen Maschinen hatten. Simpel zumindest im Vergleich zu dem, was sie hier sonst an Technik hatten.

„Gibt er denn gar keinen Ton mehr von sich, oder zickt er rum?“ fragte ich.

Billy Bob zuckte mit den Schultern.

„Tagesform-abhängig. Mal sagt er gar nichts, mal sagt er was und geht sofort wieder aus.“

„Mh mh.“ sagte ich und öffnete die Luke zum Motor.

Und sofort sprang mir ins Gesicht, wie schmutzig das Getriebe war. Auch die ganzen Zahnräder waren mit einer dicken Schmutzschicht überzogen, großen Teils wohl eingetrocknetes Öl, vermischt mit Staub.

„Oh Mann, Jungs! Habt ihr dem Teil schon mal ne Mototwäsche verpasst?“ fragte ich.

„Was?“ fragte Billy Bob hinter mir.

„Na das Getriebe und der gesamte Motor sind total verdreckt. Wenn der Dreck zu klumpig wird, dann kann das auch das Getriebe blockieren. Mit einer der Gründe, warum er wahrscheinlich nicht läuft. Das muss regelmäßig sauber gemacht werden.“ erklärte ich.

„Nein, das wussten wir ja nicht. Kriegst du es sauber?“ fragte er dann und ich konnte leise Hoffnung in seiner Stimme hören.

Ich seufzte.

„Ja, aber dafür brauche ich am besten eine Druckluftpistole. Mit Wasser darf ich da nicht ran. Und das wird bei dem Schmutz auch ne ziemliche Plackerei. Aber vielleicht reicht das schon, dass er wieder läuft. Ansonsten finde ich den Fehler bestimmt. Die Technik von den Dingern ist eigentlich sehr simpel.“

„Geht auch so ne Pistole, mit der wir den Gesteinsstaub wegpusten?“ fragte er.

„Wenn der Druck groß genug ist, ja.“ antwortete ich.

„Okay, kein Problem. Sonst noch was?“ fragte er.

„Öl und Werkzeug!“ sagte ich.

„Auch kein Problem!“

Er eilte davon und hatte mir tatsächlich bald alles gebracht, was ich brauchte. Und ich begann erst einmal mit der Reinigung, was ganze zwei Stunden in Anspruch nahm. Das war weniger ne Reinigung, sondern mehr eine Ausgrabung. Danach fettete ich vorsichtig die Zahnräder und Gestänge mit frischem Öl ein und gab noch etwas in den Ölverteiler. Dann schloß ich den Motordeckel wieder und besah mir den Kontrollpult. Das gute Stück lief tatsächlich noch mit Benzin. Und der Tank war so gut wie leer, wie mir die Anzeige berichtete.

„Ich brauche Benzin!“ rief ich Billy Bob zu.

„Benzin?“ fragte er mit gerunzelter Stirn.

„Ja! Damit fährt das Ding.“ sagte ich und sah ihn verwundert an.

„Ach so, dieses stinkige Zeug!“ sagte er und lief in eine kleine Barracke, wo er mir auch das Werkzeug hergeholt hatte. Nach einer Minute kam er mit einem Kanister zurück.

„Und? Was denkst du?“ fragte er.

„Ich tanke jetzt erst einmal und dann sehen wir weiter.“ sagte ich und kippte die stark riechende Flüssigkeit in den Tank. Tatsächlich schluckte das Ding eine ganze Menge.

„Habt ihr noch was davon?“ fragte ich ihn und deutete auf den Kanister.

„Zwei Kanister, glaube ich.“ antwortete Billy Bob und nahm den leeren entgegen.

„Dann müsst ihr wieder was ordern.“ sagte ich und wandte mich der Steuerung zu.

„Und jetzt wollen wir mal sehen.“

Ich startete den Motor und der erwachte zwar rumpelnd zum Leben. Und blieb am Leben.

Billy Bob bekam große Augen.

„Das gibt es doch nicht!“ rief er und die Männer in unserer Nähe wandten sich erstaunt zu uns um.

Grinsend ließ ich den Bohrkopf erwachen und machte mich mit der Steuerung vertraut.

Dieser begann immer schneller zu rottieren und lief reibungslos.

„Das muss ich sofort den anderen erzählen!“ rief Billy Bob und lief in Richtung Miene davon.

Und ich ließ den Bohrkopf auslaufen und ließ dann langsam das gesamte Gefährt anrollen. Quietschend setzte er sich in Bewegung und ich rollte auf die Miene zu, an staunenden und auch jubelnden Männern vorbei.

Als ich dann um die Ecke bog und auf den Mieneneingang zuhielt, konnte ich plötzlich jemanden sehen, mit dem ich gar nicht gerechnet hatte und den ich auch nicht hatte kommen sehen. Der Marshall und auch Thirty-thirty stand am Mieneneingang und Billy Bob redete ganz aufgeregt auf sie ein. Was er ihnen erzählte war ziemlich klar.

Als er das Rattern des Motors und das Quietschen der Räder hörte, wandte er sich wieder zu mir um.

„Los, Jungs! Es geht Untertage!“ rief ich.

„Warte auf mich!“ rief Billy und lief mir nach.

Ich reichte ihm die Hand und er schwang sich hinter mir auf die Standplattform. Und dann brausten wir in die Miene. Weit ging es nicht, die Miene musste relativ neu sein. Vor der Felswand, an der vorhin noch Männer gearbeitet hatten, hielt ich und Billy Bob stieg ab. Eine ganze Traube von Männern begann sich um das Gefährt zu sammeln, einschließlich dem Marshall und Thirty-thirty und blickten gespannt auf den Bohrer.

„Und jetzt alle Mann festhalten!“ sagte ich und drückte den Knopf, der den Bohrkopf zum Leben erweckte. Surrend begannen sich die beiden Hälften zu drehen. Nun kamen die beiden Hebel ins Spiel. Mit dem Gashebel konnte ich das Gefährt nach vorne fahren und mit dem anderen die Geschwindigkeit des Bohrkopfes regulieren.

„Here we go!“ rief ich und ließ den Wagen vorgleiten.

Krachend fraß sich der Bohrer ins Gestein und hinterließ schon sehr bald ein gewaltiges Loch. Trotz des Krachs um mich herum konnte ich die Männer laut jubeln hören.

Schließlich ließ ich den Bohrer ersterben und sprang von der Plattform um gleich darauf von zig Händen Schulterklopfer zu bekommen.

„Großartig! Jetzt müssen wir uns nicht mehr so abrackern!“ rief einer.

„Jetzt kommen wir wieder dreimal so schnell voran!“ ein anderer.

Dann trat Billy Bob neben mich und legte mir einen Arm um die Schulter.

„Sag mal, wir haben noch zwei andere Sorgenkinder! Die kriegst du doch bestimmt auch wieder zum Laufen, oder?“ fragte er dann und wir verließen die Miene.

Dabei liefen wir auch dem Marshall über den Weg und ich sah kurz zu ihm auf und sah sein Lächeln und seinen anerkennenden Blick.

Ich lächelte strahlend zurück und fühlte mich noch besser.

Tatsächlich brachte ich auch die anderen beiden Maschinen noch zum laufen. Eine Lorenwinde, die die vollen Wagen aus dem Schacht zog, die aber tatsächlich ein Getriebeproblem hatte und einen größeren Presslufthammer. Dieser bekam durch einen Wackelkontakt einfach keinen Saft mehr.

Ich hatte mir die Achtung der Männer verdient und als ich dann auch den Presslufthammer den Männern zur Nutzung übergeben konnte, kamen Billy Bob, Sam und noch ein anderer zu mir, der sich als Jack vorstellte.

„Wir können dir gar nicht genug danken, Bianca! Dank dir können wir jetzt wieder viel besser und leichter arbeiten!“ sagte Sam und schüttelte mir überschwänglich die Hand.

„Wie gesagt, ist mein Job und wenn ihr meine Hilfe braucht, müsst ihr nur was sagen.“ lächelte ich.

„Weißt du, die Dinger müssen ja auch in Schuss gehalten werden! Wie wäre es, wenn du regelmäßig kommst und sie dir ansiehst? Wir würden dich auch bezahlen!“ sagte Sam.

„Vielleicht kannst du uns ja doch sogar etwas beim Schürfen helfen.“ fügte Billy Bob noch hinzu.

„Das würde ich gern!“ sagte ich erfreut.

„Und du sollst für die Dienste heute auch nicht leer ausgehen!“ sagte Jack dann und drückte mir einen kleinen Sack in die Hand, der wahrscheinlich Kerium enthielt.

„Oh, tausend Dank! Das kann ich jetzt echt gebrauchen!“ sagte ich und deutete an mir herab.

„Ich brauche dringend neue Kleider! Die hier sind hinüber.“

„Wenn das so ist, dann geh zu Greenwoods. Da findest du bestimmt was.“ sagte Sam.

„Gut, mache ich. Sehen wir uns heute abend im Saloon?“ fragte ich dann und die drei nickten eifrig.

„Klar! Das muss doch gefeiert werden!“ lachte Billy.

„Gut! Allerdings muss ich auch arbeiten. Nehmts mir nicht übel, wenn ich nicht so viel Zeit zum feiern hab.“

Dann verabschiedete ich mich von den Männern und machte mich gut gelaunt wieder auf den Weg in die Stadt. Greenwoods war nicht schwer zu finden. Allerdings ahnte ich schlimmes, als ich die Schaufenster sah. Nur diese grässlichen Frauenkleider. Ich hoffte, dass sein eigentliches Inventar mehr hergab und betrat den Laden. Es war sehr ruhig und schattig. Erst jetzt spürte ich, wie sehr ich geschwitzt hatte. Als ich mich im Spiegel betrachtete, musste ich zudem feststellen, dass ich auch so aussah, als wäre ich aus nem Bergwerk gekommen.

Plötzlich hörte ich Schritte und eine ältere Frau betrat den Laden. Sie war groß und dicklich, hatte ihre grauen Haare zu einem strengen Knoten gebunden und trug eines dieser grausamen Kleider. Aber sie hatte ein freundliches Gesicht. Ihre hellen Augen weiteten sich erschrocken, als sie mich sah.

„Ach, du grüne Neune, Kindchen!“ rief sie erschrocken aus, als sie mich sah.

Ich grinste sie verlegen an.

„Guten Tag! Ich glaube, sie können sich denken, warum ich hier bin.“ sagte ich dann und zuckte mit den Schultern.

„Ja, das ist in der Tat nicht zu übersehen!“ sagte sie, trat vor mich und betrachtete mich von Kopf bis Fuß.

„Na, dir werden wir jetzt erst einmal was ordentliches raussuchen!“ sagte sie dann entschlossen und marschierte auf eines der Kleiderständer zu.

„Ähm, ich hätte nur gern etwas, das zum Arbeiten taugt.“ sagte ich. „Ich arbeite körperlich hart und da ist ein Kleid nicht gerade angepasst.“

„Kein Problem, Liebes! Dann müssen wir wahrscheinlich nur etwas auf die Männerabteilung zurückgreifen.“ antwortete die Frau.

„Das macht nichts.“ sagte ich und trat neben sie.

„Lass mal sehen, welche Größe du hast!“ sagte sie dann, sah sich zu mir um und musterte mich prüfend.

„Ne glatte 50, würde ich sagen.“

Dann begann sie von einem Ständer zum anderen zu laufen und suchte mir eine Art Jeans heraus, ein weißes ärmelloses Hemd und sogar noch die dazu passenden Stiefel und einen richtigen Cowboyhut.

„So. Jetzt sehen wir mal, ob es passt!“ sagte sie und wollte mir die Sachen in die Hand drücken, überlegte es sich aber anders, als sie sah, wie ich aussah.

„Hm, da haben wir aber ein Problem.“ sagte sie dann.

„Ich glaube, ich gehe lieber erst einmal ins Hotel und dusche!“ sagte ich verlegen.

„Herrgott Kindchen, so lass ich dich bestimmt nicht wieder auf die Straße!“ sagte sie dann kopfschüttelnd und schob mich in einen Hinterraum.

„Jetzt wird erst einmal geduscht!“ sagte sie bestimmt und öffnete die Tür zu einem Bad in das sie mich kurzerhand reinschob.

„Und das du dich mir ja grundlich abschrubbst!“ rief sie dann noch, ehe sie die Tür schloss.

Perplex stand ich noch einige Sekunden da und starrte die geschlossene Tür an. Dann begann ich mich lachend aus meinen Sachen zu schälen. Die Frau war zu goldig. Zwar streng, aber wie eine Mama für jedermann.

Ich stellte das Wasser an und tat, wie mir gesagt wurde. Tatsächlich tat die heiße Dusche mehr als gut. Nachdem ich mich von Schmutz und Schweiß befreit hatte, zog ich meine Unterwäsche wieder an und klaubte die ruinierten Sachen auf.

Kaum hatte ich das getan, ging auch schon die Tür auf.

„Fertig, Liebes?“ fragte die Frau und nickte dann zufrieden.

Normalerweise mochte ich so etwas gar nicht, einfach ins Bad reinzuplatzen, noch dazu bei jemandem, den man gar nicht kannte. Aber bei ihr machte es mir irgendwie gar nichts aus. Im Gegenteil fand ich es sogar drollig.

Sie drückte mir die neuen Sachen in die Hand und verließ den Raum dann jedoch wieder. Ich zog mich an und stellte fest, dass sie, was Größen anging ein gutes Auge hatte, denn die Sachen passten wie angegossen. Ich setzte den Hut auf und verließ dann das Bad und ging in den Verkaufsraum zurück, wo sie schon auf mich wartete. Ihre Augen begannen zu strahlen, als sie mich sah.

„Das ist doch sehr viel besser! Siehst richtig gut aus, Kleines!“ sagte sie fröhlich und ich betrachtete mich im Spiegel. Und musste ihr recht geben. Das Outfit sah nicht nur cool aus, es sah auch ziemlich sexy aus, obgleich es nicht wirklich freizügig war. Plötzlich musste ich daran denken, wie der Marshall wohl reagieren würde, wenn er mich sah. Bei dem Gedanken lief mir ein heftiger Schauer über den Rücken.

„Ich finde es super! Vielen Dank, Miss...!“

„Greenwood!“ sagte die alte Frau und schüttelte mir die Hand.

Ein auffallend kräftiger Händedruck.

„Ich denke, ich werde in der nächsten Zeit noch einmal kommen müssen. Aber heute reicht es nur hierfür.“ sagte ich.

Zumindest hoffte ich das. Ich kannte die Preise hier ja nicht. Und wusste auch nicht genau, wie viel mir die Jungs mitgegeben hatten.

Miss Greenwood winkte jedoch nur locker ab.

„Das kriegen wir schon hin, Kindchen! Aber dich so noch rumlaufen zu lassen, das konnte ich nicht verantworten!“ lachte sie.

Ich lächelte ebenfalls und kramte den kleinen Sack mit Kerium heraus und drückte ihr ihn in die Hand.

„Nehmen sie sich, was sie brauchen. Ich komme da noch nicht so richtig mit klar.“ sagte ich.

Sie nahm den Beutel entgegen und kramte zwei Stücke des leuchtenden Gesteins heraus.

„Ja, du bist die Kleine, die der Marshall draußen in der Wüste gefunden hat. Deine Geschichte hat sich natürlich schon rumgesprochen.“ nickte sie und gab mir den Beutel zurück, in dem scheinbar noch einiges drin war.

„Aber für das Kerium kann ich dir mindestens noch eine Hose und zwei andere Sachen geben.“ sagte sie.

Ich nickte.

„Gern.“

Eine halbe Stunde später verließ ich den Laden mit einer Schachtel neuer Kleider unter dem Arm. Bis auf meine alten Turnschuhe hatte Miss Greenwood alles weggeworfen. Nun konnte ich mich wenigstens wieder unter Menschen zeigen und fiel so ganz nebenbei auch nicht mehr so auf, wie in Jeans und grünem T-Shirt.

Ich wanderte langsam zum Saloon zurück, als ich plötzlich ein lautes Knirschen hörte und dann erschrockene Schreie. Ich sah zu einem Gebäude rüber, das offensichtlich gerade gebaut wurde. Ein Wandstück aus dem obersten Stockwerk schien sich gelöst zu haben und kippte gerade vornerüber. Und genau darunter stand ein kleines Kind, vielleicht vier Jahre alt und starrte das Stück Wand an, das es jeden Moment zerquetschen würde. Ohne nachzudenken ließ ich die Schachtel mit den Kleidern fallen und sprintete in die Richtung, doch es war zu spät. Ich würde das Kind in keinem Falle mehr erreichen.

Und plötzlich schoss ein gelber Blitz die Hauptstraße herunter, auf das Kind zu, das im nächsten Moment verschwand und nur einen winzigen Sekundenbruchteil später schlug das Wandstück laut scheppernd auf der Hauptstraße auf.

Ich starrte in die Richtung des gelben Blitzes, der nur ein paar Meter weiter zum stehen gekommen war und sich in den Marshall verwandelt hatte, der das weinende Kind auf den Armen hielt.

Fassungslos starrte ich den Mann an, dem nun von der völlig aufgelösten Mutter das Kind aus dem Arm genommen wurde. Dann registrierte er mich und sah mich an. Ich konnte ihn nur weiter anstarren, auch als er mit ein paar Schritten auf mich zukam.

„Ist alles in Ordnung?“ fragte er besorgt, meinen fassungslosen Blick scheinbar missverstehend.

„Das war Mega abgefahren!“ konnte ich nur hervorstoßen.

Erst runzelte er verwundert die Stirn, doch dann hellte sich seine Miene wieder auf.

„Na, für dieses Urteil danke ich herzlich.“ sagte er dann lachend.

Sein Lachen brach den Bann und ich wurde wieder total nervös.

„Wie...wie haben sie das gemacht?“ fragte ich dann schüchtern.

„Pumageschwindigkeit. Ich habe diverse Fähigkeiten, die in solchen Situationen recht nützlich sind.“ erklärte er.

„Allerdings!“ sagte ich leise und sah das Wandstück an.

„Ich hätte den Kleinen in keinem Falle mehr rechtzeitig erreicht.“

„Und dennoch war es gut, dass sie es versucht haben.“ sagte er und bückte sich nach meiner Schachtel.

„Sie waren wohl bei Maggie.“ stellte er fest und hob die Schachtel hoch.

„Maggie?“ fragte ich.

„Greenwood.“ fügte er hinzu.

„Oh, ja! So wie ich nach dem Mineneinsatz aussah, konnte ich mich ja kaum noch blicken lassen.“ sagte ich verlegen.

Er lachte.

„Wie ich sehe, hat Maggie sie ja sehr gut neu ausgestattet. Steht ihnen ausgezeichnet!“

Ich war froh, einen Hut zu tragen, denn ich wurde sofort knallrot, was der Hut hoffentlich etwas versteckte.

„Danke.“ sagte ich schüchtern.

Er gab mir die Schachtel zurück und ich konnte beinahe spüren, wie er lächelte.

„Sie haben heute noch was vor?“ fragte er dann.

Mein Herz machte einen Satz in die Kehle. Was sollte die Frage jetzt? Wollte er mich etwa... ach Blödsinn! Ich schluckte schwer.

„Nun...ich muss zu Handle Bar. Er meinte, heute Abend wird ein sehr arbeitsreicher Abend.“ sagte ich dann.

„Gut, dann werden wir uns in ja noch sehen. Sie müssen mir erzählen, wie sie das mit den Maschinen gemacht haben! Die Jungs sind ja ganz aus dem Häuschen.“ sagte er und ging dann mit einem Tippen an der Hutkrempe davon.

Ich stand noch einige Sekunden da, starrte seine stramme, muskulöse Kehrseite an und versuchte meine gehetzte Atmung zu beruhigen. Verflucht, was für ein Mann! Nur schwer konnte ich mich von dem Anblick losreißen und zum Saloon zurück gehen. Ich musste natürlich Handle Bar alles erzählen, der sich sichtlich freute, dass ich so schnell noch Arbeit und Anschluss gefunden hatte.

„Aber ich helfe dir immer, wenn du mich brauchst!“ sagte ich dann noch hastig.

„Nicht, dass du denkst...“

„Ach, das ist schon okay! Wenn ich an solchen Abenden wie heute auf dich zurück greifen kann, dann reicht mir das voll und ganz! Ich bin ja froh, dass du ein vollwertiger Bürger geworden bist!“ rief er lachend.

Ich stimmte ein. Tatsächlich fühlte ich mich sogar richtig wohl hier. Auch wenn ich mich an viele Dinge noch gewöhnen und auch viele noch lernen musste, es gefiel mir.

Und ich freute mich schon sehr auf den Abend. Vor allem darauf, jemand ganz bestimmtes dann wiederzusehen.

Abends im Saloon

Nachdem Handle Bar und ich uns noch ein ordentliches verspätetes Mittagessen gegönnt hatten, ging ich in mein Zimmer. Handle Bar war der Meinung, ich sollte mich noch ein paar Stunden ausruhen, bevor es heute Abend rund ging. Und tatsächlich schlief ich auf der Stelle ein, nachdem ich mich aufs Bett gelegt hatte. Erst, als Handle Bar an der Tür klopfte, wachte ich wieder auf und sah erschrocken auf die Uhr. Ich hatte volle drei Stunden geschlafen, wie ein Bär! Es war halb sechs und es musste bestimmt noch einiges erledigt werden.

„Herein!“ rief ich, während ich erschrocken aus dem Bett sprang.

Handle Bar öffnete die Tür und grinste, als er meine verschlafene Miene sah.

„Na, gut ausgeruht?“ fragte er, während ich in meine Stiefel schlüpfte.

„Ja. Aber ich glaube, ich brauche so was wie einen Wecker! Du hättest mich auch eher wecken können.“ sagte ich schuldbewusst.

„Nein, nein! Das macht nichts. Du wirst deine Kraft heute Abend noch brauchen.“ sagte er und ich folgte ihm in den Saloon herunter.

Noch war niemand zu sehen, doch ich war mir sicher, dass würde nicht lange so bleiben. Ich schnappte mir den Besen, der in der Ecke neben der Tür stand und fegte den Wüstenstaub raus, während Handle Bar noch ein paar zusätzliche Gläser aus einer Kammer holte.

Dann half ich ihm noch einige zusätzliche Flaschen aus dem Lager zu holen.

„Wie läuft das eigentlich mit dem Abrechnen?“ fragte ich ihn dann. „Müssen die Gäste immer erst am Ende zahlen, wenn sie gehen, oder sofort? Und was kosten die einzelnen Drinks?“

„Also das mit dem Zahlen wird immer erst am Ende gemacht. Ich gebe dir gleich noch einen kleinen Rechner. Da kannst du die Tische eintippen und was da getrunken wurde. Die, die an der Bar sitzen zahlen sofort.“ erklärte er, während wir die Flaschen in die Regale räumten.

„Ich erkläre dir das Teil gleich. Ist ganz einfach.“

Wir waren kaum mit den letzten Vorbereitungen fertig, als auch schon die ersten Gäste eintrafen. Zwei Männer, scheinbar ebenfalls Schürfer, die sich an der Bar niederließen.

„He, Handle Bar! Zwei große Starblazer.“ sagte der eine. Er hatte einen langen zottigen Vollbart und trug einen Zylinder.

Während Handle Bar die Getränke fertig machte, machte ich mich auf den Weg zu einem Tisch, an dem sich eine Familie niedergelassen hatte. Ein Farmer mit seiner Frau und zwei Töchtern. Diese bestellten auch Essen, den Texanischen Topf, den Handle Bar schon vorbereitet hatte. Zudem alle einen Krug Süßwasser.

Kaum hatte ich mich von deren Tisch weg begeben, kamen auch schon die nächsten Gäste. Und kaum eine Stunde später war der Saloon bereits gerammelt voll. Und ich stellte fest, das Handle Bar mit seiner Vermutung, dass ich meine Kraft noch brauchen würde, recht behielt. Ich balancierte beinahe ununterbrochen volle Tabletts mit Essen und Getränken durch das Gewimmel von Leuten und war auch sehr bald froh, den kleinen Rechner von Handle Bar zu haben, denn ohne ihn hätte ich sehr bald den Überblick verloren, wer was getrunken oder gegessen hatte.

Gegen neun Uhr dann kam der Mann, auf den ich, ehrlich gesagt die ganze Zeit gewartet hatte. Ich kam gerade aus der Küche, in die ich zuvor einen großen Stapel gebrauchtes Geschirr geschleppt hatte und stockte unwillkürlich im Schritt, als ich seine hochgewachsene Gestalt an der Bar sah. Und als wäre das nicht schlimm genug gewesen, so trug er dieses Mal nicht seine Uniform, sondern war wohl zivil. Ich sah nur seinen Oberkörper, der in einem weißen Leinenhemd steckte, auf dessen Brust blaue, indianische Muster zu sehen waren. Er hatte es nicht ganz zugeknöpft und erlaubte einen Blick auf den Ansatz seiner muskulösen Brust. Ich meinte ein paar Schweißperlen auf der dunklen Haut schimmern sehen zu können, was mich beinahe um den Verstand brachte. Sein Haar war nach wie vor nach hinten gebunden und er trug seinen üblichen Hut. Ich konnte auch seinen Stern an dem Hemd blinken sehen. Er gab sich also zwar in Zivil, aber dennoch als Marshall zu erkennen.

Wenn er seinen süßen Hintern jetzt auch noch in eine enge Jeans gezwängt hatte, dann würde ich definitiv verrückt!

Ich schluckte, zupfte nervös meine Kleider zurecht und versuchte dann einen möglichst lässigen Blick aufzusetzen. Dann trat ich endgültig aus dem Schatten heraus und sofort fiel sein Blick auf mich, was meine ganze Coolness sofort wieder zunichte machte.

Er tippte zum Gruß an seine Hutkrempe und zwinkerte mir zu.

„My Lady!“ sagte er dann.

Irgendwie wirkte er viel lockerer. Die Autorität, die er sonst eigentlich immer ausstrahlte, war kaum noch zu spüren.

In einem verzweifelten letzten Versuch doch noch etwas Coolness heraushängen zu lassen, deutete ich einen leichten Knicks an und lächelte.

Er erwiderte das Lächeln.

„Reichlich zu tun, wie ich sehe.“ sagte er und nickte über seine Schulter in den Saloon.

„Ja, unglaublich! Damit wäre Handle Bar, glaube ich, nie allein klar gekommen!“ sagte ich und beeilte mich einige von den Gläsern zu spülen, die sich auf der Spüle angesammelt hatten.

In dem Moment kam Handle Bar zurück von einem Tisch und brachte neue gebrauchte Gläser mit.

„Oh, Bravestarr! Ich hab dich gar nicht kommen sehen!“ begrüßte er den Marshall.

„Hast ja auch einiges zu tun.“ sagte dieser und Handle Bar stellte ein Glas mit Süßwasser vor ihm ab, dass er in der Zwischenzeit fertig gemacht hatte.

„Bianca, drei große Starblazer und einen doppelten mit Eis für Tisch 4.“ sagte er dann an mich gewannt.

„Schon unterwegs.“ sagte ich und begann die Drinks zuzubereiten.

Ich konnte hören, wie sich Handle Bar und der Marshall über irgend einen Überfall in einer Siedlung unterhielten. Ich kümmerte mich jedoch nicht weiter darum und sah zu, dass ich die Getränke fertig bekam. Dann balancierte ich das volle Tablett dorthin.

Als ich zurück kam, hatte sich auch die Richterin J.B. zu Bravestarr an die Bar gesellt. Sie trug auch nicht ihre typische Uniform, sondern eines dieser grauenhaften Kleider in einem hellen Violett. Ich musste schmunzeln. Wie konnte sich eine, eigentlich so gut aussehende Frau so verschandeln?

Ich ging wieder hinter die Bar und begrüßte sie.

„Ich hab schon von ihrer Wohltat heute in der Donnermiene gehört. Die Jungs sind hellauf begeistert von ihnen.“ sagte sie dann.

Ich zuckte mit einem verlegenen Lächeln mit den Schultern.

„Eigentlich war das gar keine große Sache!“ sagte ich. „Wirklich repariert werden musste ja nur die Winde für die Loren. Der Rest war Kleinkram.“

„Und trotzdem haben sie den Jungs Gutes getan. Ich denke, da haben sie sich ein paar Freunde gemacht.“ erwiderte sie.

„Das hoffe ich.“ sagte ich und legte die dreckigen Gläser in die Spüle.

Plötzlich kam ein Trupp von sechs oder sieben Männern an die Bar und stellten sich neben den Marshall und die Richterin.

Billy Bob und seine Jungs. Sam, Joseph und Jack kannte ich, die anderen hatte ich zwar schon in der Miene gesehen, kannte aber ihre Namen nicht.

„He, Bianca!“ rief Billy Bob übermütig.

„Ich hab mich schon gefragt, wann ihr hier auftaucht, Männer!“ lachte ich. „Was darfs denn sein?“

„Starblazer, natürlich. Sieben Stück.“ antwortete Billy Bob.

„Oder, sagen wir besser acht!“ fügte er dann mit einem Zwinkern hinzu.

Ich lachte.

„Damit müssen wir noch warten! Im Moment ist einfach noch zu viel zu tun!“ sagte ich und deutete in den Saloon.

Es waren zwar schon einige Leute wieder gegangen, aber dennoch hatten wir reichlich zu tun.

„Na schön! Aber wehe, du wirst wortbrüchig!“ rief Billy Bob dann lachend.

„Nein, nein! Bestimmt nicht!“ sagte ich und stellte die Flaschen vor ihnen ab.

Billy Bob legte einen kleinen Haufen Kerium auf die Bar, den ich sofort einsammelte.

Dann gingen die Männer lachend davon und ließen sich wahrscheinlich an einem der frei gewordenen Tische nieder.

Der Marshall lächelte.

„Sie haben sich in der Tat Freunde gemacht.“ sagte er und nahm einen großen Schluck von seinem Starblazer.

„Die Jungs werden sie jetzt wohl nicht mehr los.“

„Will ich auch gar nicht. Außerdem hab ich jetzt nen festen Job.“ erwiderte ich.

„Also werden sie sich weiter um die Maschinen kümmern?“ fragte mich die Richterin.

Ich nickte.

„Ja, und diverse andere Sachen. Was halt so anfällt.“

„Nun, da kann man ihnen nur Glück wünschen, dass es weiter gut läuft.“ sagte sie und stellte einen Starblazer vor der Richterin ab, den sie kurz zuvor geordert hatte.

Sie dankte mir und wandte sich dann dem Marshall zu.

„Du weißt, dass du mir noch was versprochen hast, Bravestarr?“ sagte sie und zwinkerte.

Er lächelte und legte ihr den Arm um die Schulter.

„Natürlich, meine Liebe. Aber dafür warten wir noch die richtige Musik ab.“ lächelte er.

Die Richterin schmiegte sich in seine Umarmung und legte die Hand an seine Brust. Das Blut in meinen Ohren begann zu rauschen und ich spürte einen gewaltigen Adrenalinschub.

„Was bildet die sich eigentlich ein?“ dachte ich und wandte den Blick sofort ab.

Aus irgendeinem Grund ertrug ich den Anblick einfach nicht. Ich beeilte mich in die Küche zu kommen und mich um das gebrauchte Geschirr zu kümmern.

Während ich das Geschirr abwusch, begann meine Phantasie jedoch verrückt zu spielen.

Was passierte bei den beiden da draußen nun? Würden sie flirten? Sich vielleicht sogar küssen? Vielleicht würde sie auch versuchen ihn abzuschleppen!

Plötzlich wurde mir bewusst, was das für Gedanken waren. Ich schüttelte den Kopf und stellte die sauberen, nassen Teller auf die Abstellplatte. Eigentlich müsste mir das egal sein, was zwischen den beiden passierte. Vielleicht waren sie ja sogar ein Paar, schon länger.

Aber aus irgendeinem Grund konnte ich den Gedanken nicht ertragen. Plötzlich begann ich mir vorzustellen, ich wäre an ihrer Stelle gewesen. Er hätte seinen starken Arm so um mich gelegt. Und ich könnte meine Hand so auf seiner muskulösen Brust ruhen lassen.

Ein Schaudern erschütterte meinen Körper.

Plötzlich hörte ich Handle Bars schwere Schritte.

„Da bist du! Na los, mach Schluss für heute. Die Jungs suchen dich schon.“ sagte er und legte mir die Hand auf die Schulter.

Ich musste mich beherrschen nicht mit der Frage rauszuplatzen, ob er wüsste, ob der Marshall und die Richterin ein Paar waren. Ich schluckte die Frage jedoch im letzten Moment runter und nickte nur.

Ich ging in den Saloon zurück. Der Marshall und die Richterin standen nicht mehr an der Bar und mir schoss mit einem Mal der Gedanke durch den Kopf, dass sie wahrscheinlich zu ihr oder zu ihm gegangen waren. Ich schüttelte den Gedanken jedoch schnell ab, bevor er sich festsetzen konnte und nahm mir einen Starblazer. Dann trottete ich zu meinen neuen Freunden zurück, die mich sogleich auch laut begrüßten. Auf dem Weg zu dem Tisch, sah ich dann den Marshall und die Richterin, wie sie an etwas standen, das wie eine Gefriertruhe mit jede Menge Knöpfe aussah, von dem ich aber wusste, dass es eine Art Jukebox war. Ich atmete unverweigerlich erleichtert auf, als ich sah, dass die beiden doch nicht zusammen weggegangen waren und erschauderte, als sich meine Befürchtung von vorhin bestätigt hatte und der Marshall tatsächlich eine ziemlich enge Jeans trug, die seinen Hintern mehr als gut zur Geltung brachte. Ich riss mich mühevoll von dem Anblick los.

Dann ließ ich mich bei meinen Jungs am Tisch nieder und stieß mit ihnen an. Dann begannen die Gespräche in alle Richtungen zu gehen. Wie es kam, dass eine Frau wie ich Mechanikerin geworden war, über die Arbeit des Schürfens allgemein und ich erfuhr auch einiges über die Jungs selbst. Billy Bob war Single, Sam hatte vor kurzem geheiratet und seine Frau würde in zwei Monaten ein Kind bekommen. Joseph war ebenfalls noch auf der Suche nach der Richtigen. Natürlich musste ich auch über mich erzählen, ob ich verheiratet sei, einen Freund hatte, oder allein sei. Tatsächlich war ich das. Meine letzte Beziehung war sogar schon etwa zwei Jahre her und ich hatte dem ungezwungenen Single Leben sehr ausgiebig gefrönt. Den letzten Punkt ließ ich jedoch lieber unangesprochen, denn scheinbar waren die Leute hier in diesen Sachen doch sehr altmodisch. Zumindest hatte ich nicht den Eindruck, als wenn One-Night-Stands hier gern gesehen wurden.

Mit einem Mal erklang dann Musik und ich sah mich um. Einige Paare liefen auf den großen freien Platz in der Mitte des Saloons und begannen zu tanzen. Und jetzt sah ich, was der Marshall der Richterin wohl versprochen haben musste, denn auch die beiden schlossen sich den Tanzenden an.

Mit rasendem Herzen beobachtete ich die Szene. Er schien ein guter Tänzer zu sein, denn er bewegte sich sicher und geschmeidig. Ich spürte wieder Hitze in mir aufsteigen, als ich sah, wie er seine Arme um die Richterin gelegt hatte und wie sie sich an seine Brust schmiegte.

Obgleich ich eigentlich gar nicht tanzte, es sogar richtig hasste, wünschte ich mich nun sehnsüchtigst in seine Arme. Nur um die Frau sein zu können, die sich sich an seinen starken Körper schmiegen konnte.

„He, Bianca, vielleicht wagst du ein Tänzchen mit mir?“ fragte Billy Bob auf einmal und ich schreckte aus meinen Gedanken hoch.

„Oh...ich kann nicht tanzen, Billy.“ antwortete ich wahrheitsgemäß.

Er winkte jedoch nur lachend ab.

„Ist nicht schwer! Ich führe dich.“ sagte er und stand auf.

„Billy Bob, nicht!“ sagte ich leise, wurde dann aber einfach von ihm auf die Beine gezogen und auf die Tanzfläche. Dann umklammerte er mich genauso wie der Marshall die Richterin und ich achtete peinlichst genau darauf, dass seine Hände sich nicht zu tief verirrten. Aber Billy Bob war ganz Gentleman und ich stellte schnell fest, dass er in der Tat sehr gut tanzen und führen konnte. Schon bald bewegten wir uns genauso sicher, wie die anderen und ich war erleichtert, dass ich wegen meines unbeholfenen Tanzstiles nicht auffiel. Als der Tanz vorbei war, gingen wir an den Tisch zurück, an den Handle Bar gerade eine Runde gebracht hatte.

„Na, hast dich doch gut gemacht!“ sagte Billy Bob, den Arm um meine Schulter legend.

„Nur, weil du so gut führen kannst!“ sagte ich ehrlich. „Ich kann sonst wirklich nicht tanzen.“

„Lernst du!“ sagte er und wir setzten uns.

Dann wurde erst einmal getrunken und ich war froh, dass auch die anderen Tanzenden von der Fläche gegangen waren und ich mich nicht pausenlos zu dem bestimmten Paar umsehen musste. Nun gingen die Gespräche weiter und die Jungs schafften es zum Glück schnell mich auf andere Gedanken zu bringen. Die Zeit verging und schließlich ging Sam als erstes nach Hause. Er wollte zu seiner Frau zurück. Wir führten unsere Gespräche weiter und ich war gerade dabei zu erzählen, wie ich mal eine komplette Produktionshalle in meiner Firma still gelegt hatte, als ich auf einmal hörte, wie der Stuhl neben mir, auf dem Sam gesessen hatte, zurück gezogen wurde. Verwundert sah ich zur Seite und konnte nicht verhindern, dass ich zusammenzuckte, denn auf dem Stuhl ließ sich kein anderer als der Marshall nieder.

„Hallo Jungs.“ sagte er fröhlich.

„Amüsiert ihr euch mit der Dame?“ fragte er.

„Haha, Bravestarr, du solltest dir die Geschichten von dem Mädel mal anhören. Göttlich!“ lachte Billy Bob und schlug sich dabei auf den Oberschenkel.

„Wieso? Was hat sie denn für schlimme Sachen gemacht?“ fragte er dann, wandte sich aber an mich dabei.

Rot werdend begann ich mit meinem Glas zu spielen.

„Ach, ich habs mal geschafft in meiner Firma, wo ich normalerweise arbeite, ne komplette Produktionshalle lahm zulegen, weil ich mit nem Gabelstapler vor den Hauptsicherungskasten gefahren bin. Da war ich noch frisch in der Ausbildung und konnte mit den Dingern noch nicht richtig umgehen. Und da ist mir einmal durchgegangen in welche Richtung man den Gashebel drücken musste, wenn man rückwärts will. Ich wollte meinem gut aussehenden Ausbilder damals imponieren und ganz cool mit dem Ding durch die Halle sausen. Und erfülle ganz im Gegenteil prompt das Vorurteil über die Fahrkünste von Frauen.“ erzählte ich.

„Das scheint daneben gegangen zu sein, denke ich.“ lachte dann auch er.

„Naja, wie man es nimmt. Wir waren anschließend immerhin ein Jahr lang ein Paar.“ sagte ich mit den Schultern zuckend.

Ich sah, wie er sich den Rest von seinem Getränk herunter kippte, einen Starblazer wohlgemerkt.

„Und die Geschichte, wie du mal deine persönlichen Drogen entdeckt hast!“ lachte Billy Bob neben mir.

„Ach, ne!“ sagte ich.

„Na komm, uns hast du sie auch erzählt.“ stimmte nun auch Sam lachend ein.

„Persönliche Drogen?“ fragte der Marshall und zog die Augenbrauen hoch. Allerdings lächelte er dabei weiter.

„Ist nicht so, wie sie denken.“ sagte ich dann trotzdem. „Ich hab nur durch eine sehr lustige Sache festgestellt, dass ich ein bestimmtes Medikament nicht vertrage. Ich hab mal ne ziemlich schlimme Grippe gehabt und hab dafür Medikamente gekriegt. Und nachdem ich das eine genommen hatte, hab ich gedacht, mein Bett würde fliegen. Als dann meine Mutter ins Zimmer kam, weil sie sich gewundert hat, dass ich so gelacht habe, hab ich sie gefragt, wann ihr denn Flügel gewachsen seien. Sie hatte nämlich auf einmal Engelsflügel, anstatt Ohren. Sah echt witzig aus!“

Die Männer brachen in schallendes Gelächter aus, einschließlich des Marshalls. Es ließ mein Innerstes vibrieren.

„Na, das sind wohl kaum Drogen, für deren Konsum ich dich verhaften könnte.“ sagte er dann.

„Oh, gut! Kannst du uns das Zeug besorgen, Bianca?“ witzelte Sam.

Ich lachte nun ebenfalls.

„Wenn es das Zeug noch gibt. Kann dir aber nicht garantieren, dass es bei euch genauso wirkt.“ lachte ich dann.

„He, he! Drogengeschäfte vor dem Hüter des Gesetzes!“ lachte Bravestarr und drohte mir mit dem Zeigefinger.

„Sie sagten doch gerade eben, diese Drogen seien nicht verboten!“ sagte ich und sah ihn ganz unschuldig an. Was alle meine Selbstbeherrschung kostete.

Er lachte erneut laut und trank dann seinen Starblazer aus.

„Erwischt.“ sagte er dann und richtete sich auf.

„So, die Herren und die Dame. Ich muss abbrechen. Ich wünsche der Runde noch viel Spaß.“ sagte er und tippte sich zum Gruß an die Hutkrempe.

„Gute Nacht, Bravestarr.“ sagte Billy Bob und wir anderen stimmten ein.

Ich sah ihm nach, wie er den Saloon verließ und sich die Tür langsam hinter ihm schloss.

Nach einer Stunde weiterer Gespräche und zwei Starblazern ging ich leicht beschwipst in mein Zimmer. Obgleich der Alkohol mich müde machte, fand ich noch lange keinen Schlaf, denn ich musste immer wieder an Bravestarr denken. Ich wusste selbst nicht warum, aber mich hatte noch niemals zuvor ein Mann so sehr in seinen Bann gezogen, wie er. Er war wirklich ein mehr als außergewöhnlicher Mensch.

Banküberfall

Am nächsten Morgen erwachte ich dieses Mal erst um neun Uhr. Erleichtert stellte ich fest, dass der Starblazer gestern keine Nachwirkungen zeigte und ich weder über Kopfschmerzen noch Übelkeit klagte. Ich stand schnell auf und machte mich fertig. Als ich die Tür öffnete, konnte ich Handle Bar bereits unten hören. Ich beeilte mich die Treppe runter zu kommen und ihm zur Hand zu gehen.

„Guten Morgen!“ rief er mir fröhlich entgegen, während er weiter die Stühle runter stellte.

„Moin!“ rief ich zurück und ging ihm zur Hand.

„Ich muss dir für gestern wirklich danken! Du warst einmalig!“ sagte er.

„Danke!“ sagte ich verlegen. „Aber es war auch wirklich viel! Die Kasse ist gerappelt voll!“

„Ja, das ist sie! Du kannst sie nach dem Frühstück direkt zur Bank bringen.“ sagte Handle Bar, während wir zusammen in die Küche gingen, um das Frühstück vorzubereiten.

„Sag mal, was lief da eigentlich gestern mit Bravestarr?“ fragte er mich auf einmal.

Ich zuckte zusammen.

„Was...was meinst du?“ fragte ich.

„Na, du wirst immer ganz nervös, wenn er in der Nähe ist.“ sagte Handle Bar.

Ich schluckte.

„Nun...ich weiß nicht. Er ist einfach sehr...respekteinflößend!“ stotterte ich.

Handle Bar grinste und zog die eine Augenbraue hoch.

„Ah, ja! Und das er so ganz nebenbei nicht schlecht aussieht, spielt natürlich gar keine Rolle!“ sagte er dann.

Sofort begann mein Kopf zu glühen und Handle Bar begann zu lachen.

„Hab ich mir doch gedacht!“ sagte er dann.

Ich beeilte mich das Geschirr fürs Frühstück herauszusuchen.

„Ist das denn so wichtig?“ fragte ich dann.

Das schlimme war, dass er sogar recht hatte. Ich hatte mich Bravestarr gegenüber wie ein verliebtes Schulmädchen verhalten. Ich kam mir dabei ja selbst lächerlich vor, aber was sollte ich tun? Er schaffte es ja wirklich allein durch seine Anwesenheit mich völlig aus dem Konzept zu bringen. Und das hatte wirklich noch nie ein Mann in dem Ausmaße geschafft.

„Für dich ja scheinbar schon!“ antwortete Handle Bar nun lachend.

„Könnten wir vielleicht das Thema wechseln?“ fragte ich und sah ihn bittend an.

„Wieso? Was ist denn so schlimm daran?“ fragte er.

„Na...ich...weil...“ stotterte ich.

„Du musst dich doch dafür nicht schämen. Und außerdem, wer sagt, dass du keine Chancen hättest?“ zwinkerte er dann.

Mein Herz machte einen Satz in den Hals.

„Denkst du?“ rutschte es mir raus und ich biss mir sofort auf die Zunge und bekam nun wahrscheinlich einen Scharlachroten Kopf.

Handle Bar konnte sich das Lachen nicht verkneifen.

„Na, warum nicht? Du bist eine hübsche junge Frau und er ist Junggeselle.“ antwortete er dann glucksend.

Nun konnte ich auch die Frage, die ich ihm beinahe gestern schon gestellt hatte, nicht mehr unterdrücken.

„Also...zwischen ihm und der Richterin...“ stotterte ich unsicher.

„Was? Oh nein! Nein, nein!“ sagte er und schüttelte lachend den Kopf.

„Das wollte ich dir sowieso noch sagen, denn deine Blicke in ihre Richtung gestern waren ja beinahe tödlich!“

Ich biss verlegen auf meiner Unterlippe herum. Verflucht, war das gestern wirklich so auffällig gewesen, oder war Handle Bar nur ein sehr talentierter Beobachter?

„Die beiden sind befreundet, ja, aber nicht liiert. Obgleich viele darauf warten, dass das passiert. Aber das glaube ich nicht.“ fuhr Handle Bar fort und begann Rührei mit Speck anzubraten.

Ich suchte Brot und den Rest heraus und suchte nebenbei verzweifelt nach den richtigen Worten.

Handle Bar hatte recht, warum sollte ich mich selbst länger belügen. Ich war total in den Marshall verknallt, heftiger als jemals zuvor in einen Mann. Und ich war mehr als froh, dass er allein war, so wie ich. Aber ich hatte auch gestern die Blicke der Richterin gesehen und die Art und Weise, wie sie sich an ihn geschmiegt hatte. Und auch, wenn sie kein Paar waren und Bravestarr für sie nur freundschaftliche Gefühle hatte, so hatte ich deutlich den Eindruck, dass sie mehr von ihm wollte.

Aber ich beschloss auf das Thema nicht weiter einzugehen. Außerdem teilte ich Handle Bars Ansichten ganz und gar nicht. Wieso sollte Bravestarr sich ausgerechnet für mich interessieren?

Handle Bar tat mir aber auch den Gefallen nicht weiter darüber zu reden und beim Frühstück redeten wir über andere Sachen. Dann gab er mir die Kasse, die dieses Mal ziemlich schwer war und ich machte mich auf den Weg zur Bank. Man merkte gleich, dass Wochenende war. Zwar waren auch jetzt viele Leute auf der Straße, aber es herrschte kein so geschäftiges Treiben, wie die letzten beiden Tage.

Ich würde auch heute nicht zur Miene müssen, denn die Jungs machten Wochenende. Zudem liefen die Maschinen und ich würde wahrscheinlich erst einmal nicht das meiste bei ihnen zu tun haben. Aber da heute Samstag war, würde es heute Abend im Saloon wieder einiges zu tun geben. Außerdem war ich bis jetzt immer noch nicht dazu gekommen mir die Stadt richtig anzusehen. Eine Sache, die ich gern noch nachholen würde.

Ich betrat die Bank, in der, wie erwartet auch nicht das meiste los war und stellte mich an der Schlange des geöffneten Schalters an. Es war wieder der Roboter im Einsatz, wie das letzte Mal und es waren etwa drei Leute vor mir dran. Ein Schürfer, eine Frau mit Kind und jemand, der wie ein Geschäftsmann aussah. Ich wartete geduldig und hing dabei meinen eigenen Gedanken nach.

Als ich plötzlich von der Tür her eine lautes Kommando hörte.

„Okay, Leute! Überfall!“

Erschrocken wirbelte ich herum und sah zur Tür, vor der sich zwei Gestalten aufgebaut hatten und mit zwei Gewehren auf uns zielten. Die Frau mit dem Kind begann ängstlich zu schreien und ich konnte die mechanische Stimme des Roboters hören.

„Alarm! Überfall! Alarm!“ rief er immer wieder.

Der eine Dingo schoss ihm kurzerhand mit einem gezielten Schuss den Kopf weg und die Stimme erstarb. Lediglich das Zischen und Knistern der abgerissenen Kabel war noch zu hören und dann wieder die Angstschreie der anderen Bankbesucher.

„Haltet die Klappe!“ bellte der eine Dingo. „Es passiert euch nichts, wenn ihr ruhig seid und artig euer Kerium abgebt!“

Erst jetzt erkannte ich die beiden. Es waren die zwei, die vor zwei Tagen im Saloon mit mir Ärger anfangen wollten. Nun wusste ich auch, worüber die beiden so gestuschelt hatten.

Und die beiden schienen sich auch an mich zu erinnern, denn der eine, der dem Roboter den Kopf weg geschossen hatte, sah mich nun erst ganz überrascht an und grinste dann breit.

„Na, sieh mal einer an, wen wir da haben!“ grinste er dann und zielte auf meinen Kopf.

„Unsere freche kleine Bardame!“

Ich stand immer noch rührungslos da, die schwere Kasse vor der Brust haltend und starrte die beiden an. Eigentlich hatte mir ja so was noch gefehlt. Was wäre ein Wilder Westen, ohne Bankräuber.

„Tatsächlich!“ lachte nun auch der andere und kam langsam auf mich zu, den Lauf seiner Laserwaffe auf meine Brust gerichtet.

„Nun bist du wohl nicht mehr so mutig, häh?“ knurrte er und blieb etwa zwei Meter vor mir stehen.

„Ich nehme mal an, dass sind die Einnahmen des Saloons, nicht wahr?“ fragte er.

Ich sah ihn nur mit unbewegter Miene an und sagte gar nichts. Hinter meiner Stirn raste es.

„Und sie sieht schwer aus! Viel zu schwer für so ein zartes kleines Geschöpf wie dich!“ knurrte er weiter und hob dann seine Waffe, so dass der Lauf auf mein Gesicht zeigte.

„Da ich ein Gentleman bin, werde ich dir diese schwere Kiste lieber abnehmen.“ grinste er.

„Danke, aber ich komme schon klar!“ hörte ich mich selbst sagen.

Der Blick der beiden verdüsterte sich und ich konnte den Geschäftsmann hinter mir erschrocken die Luft einziehen hören.

„Du rückst jetzt die Kasse raus, du freches Luder, oder ich blase dir ebenfalls den Schädel weg!“ bellte der Dingo vor mir dann und unterstrich seine Drohung mit einer schnellen Bewegung seiner Waffe.

Meine Gedanken rasten, aber ich wurde immer ruhiger. Ich dachte nicht im Traum daran diesen Mistkerlen die Kasse zu überlassen und besann mich auf mein jahrelanges Training. Ich würde schnell sein müssen, aber ich schätzte meine Chancen als gut ein, denn damit würden sie gewiss nicht rechnen.

„Okay!“ sagte ich dann ruhig, ging langsam noch einen Schritt näher und spielte das ängstliche Opfer.

Die beiden grinsten siegessicher und der vor mir ließ die Waffe etwas sinken.

„Fang!“ rief ich und warf ihm die Kasse mit aller Kraft zu.

Völlig überrumpelt von meiner Aktion ließ er die Waffe fallen und fing die Kiste in der Luft auf, die sonst in seinem Gesicht gelandet wäre. Ich nutze den Moment der Überraschung, sprintete vor und verpasste ihm mit aller Kraft einen gezielten geraden Tritt in den Magen.

Keuchend brach er darauf zusammen und krümmte sich am Boden vor Schmerz. Der andere war so überrumpelt, dass er etwa eine Sekunde da stand und gar nichts tat. Meine Chance, die ich eiskalt nutzte. Ich sprintete vor und als er verzweifelt versuchte noch einen Schuss in meine Richtung abzufeuern, stand ich schon vor ihm, packte das Gewehr und riss es ihm mit einer geübten Hebelbewegung aus den Händen. Erschrocken jaulte er auf und noch einmal lauter, als ich mich mit dem Gewehr in der Hand um die eigene Achse drehte und ihm mit voller Wucht den Gewehrkolben gegen den Kopf schmetterte. Bewusstlos sackte er zusammen und ich wirbelte herum, die Waffe in Anschlag reißend und auf den anderen richtend. Der lag jedoch nach wie vor am Boden, die Hände gegen den Körper gepresst und japste nach Luft.

„Das war wohl nichts, ihr dreckigen Straßenköter!“ lachte ich laut.

Plötzlich brach lauter Jubel aus. Die anderen Kunden begannen laut zu klatschen und zu Jubeln.

„Was ist denn hier los?“ hörte ich plötzlich Bravestarrs Stimme hinter mir.

Ich wirbelte herum, ließ aber sofort die Waffe sinken und sah in sein verdutztes Gesicht, das abwechselnd zwischen mir, der Waffe in meiner Hand und den beiden Dingos am Boden hin und her wanderte. Der verdutzte Ausdruck in seinen Augen wandelte sich mehr und mehr zu angenehmer Überraschung.

„Das waren sie?“ fragte er mich dann.

Ich antwortete jedoch nicht, denn trotz der heftigen Stresssituation in der ich noch wenige Sekunden zuvor gesteckt hatte, begann ich wieder den Kopf zu verlieren und konnte nur verlegen und knallrot werdend zu Boden sehen.

„Sie war einfach großartig, Marshall! Die blöden Dingos wussten gar nicht, wie ihnen geschieht!“ rief plötzlich der Junge.

„Ja, das war mehr als mutig!“ sagte nun auch der Geschäftsmann, der sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn wischte.

„Woher kannst du so was?“ hörte ich dann die Stimme der Frau.

Verlegen blickte ich von einem zum anderen.

„Nun...ich...ich mache Ju Jutsu!“ sagte ich schließlich.

Tatsächlich frönte ich schon seit meiner frühesten Kindheit dem Kampfsport, seit etwa zehn Jahren dem Ju Jutsu. Zudem hatte ich eine Schwäche für Messerkampf und war darin ebenfalls recht passabel.

„Was ist Ju Jutsu?“ fragte nun der Schürfer.

Überrascht sah ich von einem zum anderen. Kannten die nun Kampfsport im allgemeinen nicht, oder einfach nur diese eine nicht?

„Eine Kampfsportart.“ sagte ich.

„Wo lernt man bei euch denn so was?“ fragte mich dann plötzlich der Marshall und ich wandte mich ihm zu. Mein Herz begann wieder heftig zu klopfen, als ich merkte, dass er offensichtlich sehr beeindruckt war.

„In Kampfsportvereinen. Gibt es hier so was nicht?“

Er schüttelte den Kopf.

„Kannst du mir das beibringen?“ hörte ich plötzlich den Jungen, der vor mir stand und sich an meinen Arm klammerte. Seine Augen leuchteten vor Begeisterung.

„Also...das ist nicht so leicht. Das muss man viele Jahre trainieren, bevor man es richtig kann.“ sagte ich dann zögernd.

„Und das kann man bei euch einfach so lernen?“ fragte mich nun wieder die Frau.

Ich nickte.

„Ja. Viele haben das gelernt um sich in solchen Situationen verteidigen zu können. Vor allem Frauen.“ erklärte ich. Die schienen das wirklich nicht zu kennen.

„Na, das wäre doch genau das richtige für uns hier.“ hörte ich nun den Marshall sagen.

Ich sah ihn überrascht an, denn der Ton in seiner Stimme sagte mir, dass er es ernst meinte.

„Bravestarr, was ist hier los?“ hörte ich auf einmal Handle Bars Stimme.

Er stürmte in die Bank und sah verdutzt die Dingos am Boden und dann mich an.

„Bianca! Geht es dir gut, Mädchen?“ fragte er mich dann und blickte immer wieder irritiert auf das Geweht in meiner Hand.

„Alles okay! Ich musste den Typen nur noch einmal richtig klar machen, dass sie keinen Gratisdrink von mir kriegen!“ sagte ich dann lächelnd.

Handle Bar starrte die Dingos entgeistert an.

„Das warst du?“ fragte er dann ungläubig.

„Ja.“ sagte ich nur und legte das Gewehr weg.

Er starrte mich noch einige Sekunden ungläubig an und lächelte dann aber.

„Du steckst aber auch voller Überraschungen, Mädchen!“ rief er.

Ich zuckte mit den Schultern und sah ihn grinsend an.

„Darauf gebe ich einen aus!“ rief Handle Bar dann, klaubte die Kasse vom Boden auf und winkte den Leuten zu.

„Los, kommt alle mit in den Saloon!“ rief er, ging zu mir, legte mir den Arm um die Schulter und wir verließen die Bank.

Ich blickte zu Bravestarr rüber, der sich nun um die Dingos kümmerte und ihnen Handschellen anlegte. Als wir gerade wieder auf der Straße waren kam Thirty-thirty uns entgegen.

„Was war los? Überfall, hab ich gehört?“ fragte er aufgedreht und spielte mit seiner riesigen Kanone.

„Kannst du vergessen, Thirty-thirty! Darum hat sich schon unsere junge Dame hier gekümmert.“ lachte Handle Bar und klopfte mir auf die Schulter.

„Sie ist eine echte Heldin!“ rief der kleine Junge und klammerte sich an meinen Arm.

Thirty-thirty sah ungläubig auf mich herab.

„Dieses kleine Persönchen soll Bankräuber platt gemacht haben?“ fragte er ungläubig.

„Ja, das hat sie.“ war nun Bravestarr hinter uns zu hören.

„Schnapp dir die beiden und sperr sie ein. Wir treffen uns dann im Saloon.“ sagte er, während er an meine Seite trat und lächelnd auf mich herab sah.

„Wir müssen unsere kleine Heldin gebührend feiern.“ sagte er und legte mit ebenfalls eine Hand auf die Schulter.

Eine Feuerwalze fuhr durch meinen ganzen Körper, als ich das Gewicht seiner Hand auf meiner Schulter spürte.

Im Saloon angekommen versorgte Handle Bar sofort alle mit Gratissüßwasser und ich musste so einige Fragen beantworten.

Nach ein paar Minuten gesellte sich auch noch Thirty-thirty dazu und der wollte natürlich genauso wissen, was genau passiert war. Er starrte mich dann erst einmal ungläubig an, als er die Story dann hörte und lächelte dann aber aufrichtig.

„Nun, klingt ja beinahe so, als seist du zu etwas zu gebrauchen.“ sagte er schließlich.

Ich blickte ihn frech an und stemmte meine Hände in die Hüften.

„Na vielen Dank! Erzähl du mir noch mal was von guten Manieren!“ rief ich.

Aber natürlich meinte ich das nicht böse und es löste auch nur, zumindest bei Thirty-thirty, dem Marshall und mir Gelächter aus.

Während ich dann noch einiges über Kampfsport und Ju Jutsu beantworten musste, konnte ich es nicht unterlassen den Marshall aus den Augenwinkeln zu beobachten, der etwas abseits stand und die ganze Szene beobachtete. Mal sah er amüsiert aus, mal sehr konzentriert und interessiert, wenn ich was über meinen Kampfsport erzählte. Seine Blicke ließen mich erschaudern, wie immer.

Als die anderen Leute dann endlich gegangen waren, war ich auch etwas erleichtert. Die ganze Anerkennung schön und gut, aber ich mochte es trotzdem nicht besonders zu sehr im Mittelpunkt zu stehen.

Ich trank mein Süßwasser aus und hörte dann, wie Bravestarr sich neben mich setzte.

„Ich habe die Kampfszene zwar nicht gesehen, aber es schien ja sehr beeindruckend gewesen zu sein.“ sagte er und lehnte sich locker mit dem Ellebogen auf die Bar.

„Ja, vor allem bei so einem unscheinbaren Persönchen wie ihnen!“ wieherte Thirty-thirty.

Ich grinste ihn nur schief an. Scheinbar hatte er unseren holprigen Start vergessen.

„Ich muss sagen, dass sie mich immer aufs neue überraschen.“ sagte er dann.

Ich lächelte verlegen.

„Freut mich zu hören, Marshall.“ sagte ich dann.

„Bravestarr.“ sagte er.

Ich hätte beinahe laut nach Luft geschnappt. Hatte er mir gerade wirklich das „du“ angeboten?

„Okay, Bravestarr.“ sagte ich leise und etwas unsicher.

„Nun, ich denke, wir werden heute Abend noch einiges zu feiern haben.“ sagte er dann.

„Davon kannst du ausgehen!“ ließ Thirty-thirty verlauten und kippte ebenfalls seinen Rest Süßwasser herunter.

„Aber jetzt müssen wir uns erst einmal um die beiden Gefangenen kümmern.“

An mich gewandt fügte er dann noch ein „Wir sehen uns später!“ zu und verließ den Saloon.

„Hoffentlich siehst du wieder genauso bezaubernd aus, wie gestern.“ sagte Bravestarr noch und zwinkerte mir zu.

Ich glaubte beinahe mein Herz würde platzen.

„Ich...werde mein bestes tun.“ hauchte ich nur.

Bravestarr lächelte und trank sein Süßwasser aus. Dann tippte er an seine Hutkrempe und verließ den Saloon.

Ich saß noch mehrere Minuten da, atmete heftig und versuchte meine Gedanken zu ordnen. Die Tatsache, dass ich einen Bankraub verhindert hatte, wirbelte mich nicht halb so sehr auf, wie die paar Worte mit Bravestarr und die Tatsache, dass er mir das du angeboten hatte.

Gleichzeitig kam mir noch ein anderer Gedanke. Durch die ganze Aufregung der letzten Tage war mir völlig durchgegangen, dass ich nun schon seit über zwei Wochen nicht mehr trainiert hatte. Und auch, wenn die Sache vorhin gut gegangen war, sollte ich das ganz schnell wieder tun. Denn eines war sicher, dieser Planet war mehr als rau und es würde mit Sicherheit noch einige Situationen geben, die ziemlich brenzlig werden würden.

Während ich hinter die Bar ging und die Gläser abwusch, hörte ich plötzlich Handle Bars schwere Schritte, der zwischendurch in die Küche verschwunden war.

„Nun?“ fragte er mich.

„Was meinst du?“ fragte ich.

„Du kommst ja scheinbar bei ihm weiter.“ sagte er und begann die Gläser trocken zu wischen, die ich abgewaschen hatte.

„Handle Bar, bitte!“ sagte ich verlegen.

Er lachte laut.

„Er hat mir nur das „Du“ angeboten, mehr nicht!“ fügte ich hastig hinzu.

„Und trotzdem, er mag dich.“ sagte er und stellte die trockenen Gläser weg.

Ich strahlte.

„Meinst du?“ fragte ich.

„Das meine ich nicht nur, ich weiß es!“ sagte er und legte das Tuch weg.

Dann grinste er wieder.

„Hast du was schönes für heute Abend?“ fragte er dann.

„Nun, ja...ich...“ stotterte ich.

Tatsächlich hatte ich noch ein normales weißes Hemd und und eine braune, ärmellose. Doch ich konnte mir denken, was er meinte. Scheinbar hatte er auch noch gelauscht.

„Ich werde schon damit auskommen.“ sagte ich. „Ich habe außerdem auch kein Geld mehr, um mir noch etwas anderes zu kaufen.“

„Als wenn das ein Problem wäre!“ rief Handle Bar, griff in die Kasse und zog einige große Stücke Kerium heraus, die er mir in die Hand drückte.

„Such dir was wirklich schönes aus.“ sagte er zwinkernd und ich starrte ihn ungläubig an.

Plötzlich musste ich die Tränen niederkämpfen.

„Warum bist du so gut zu mir, Handle Bar?“ fragte ich dann leise.

„Weil du ein gutes Mädchen bist und du es einfach verdient hast.“ antwortete er.

„Und nun geh. Heute Abend hast du frei und kannst feiern. Das hast du dir verdient.“

Ich nahm dankbar lächelnd das Kerium entgegen und lief eilig aus dem Saloon, in Richtung Greenwoods.

Partytime

Während Handle Bar noch die letzten Vorbereitungen unten traf, hatte ich mich oben in meinem Zimmer in Schale geschmissen und betrachtete mich im Spiegel.

Ich musste immer wieder grinsen, wenn ich an Miss Greenwoods Reaktion dachte, als sie mich in dem Outfit gesehen hatte.

„Gott, Kindchen! Also, das ist keine Kleidung für eine feine Dame!“

Es war auch zugegebenermaßen alles andere als züchtig. Eine eng anliegende, aber weiche schwarze Lederhose und eine Mischung aus einer braunen Weste und Corsage, die zudem ein wenig auf Indianerlook getrimmt war und das nicht ganz ohne Kalkül. Ich hoffte, dass es auch die gewünschte Wirkung tat und nicht im Gegenteil abschreckte. Was, wenn es zu auffällig war? Was wenn er der selben Meinung war, wie Miss Greenwood?

Ich schüttelte den Gedanken ab. Dafür war es nun eh zu spät. Ich schlüpfte in meine Schuhe, setzte den Hut auf und machte mich auf den Weg nach unten. Handle Bar stand schon hinter der Bar und erwartete mich bereits. Er bekam große Augen als er mich sah.

„Aber Hallo!“ rief er. „Das nenne ich mal ein Outfit!“ rief er.

Ich grinste etwas unsicher.

„Denkst du, es ist zu...wie soll ich sagen...aufreizend?“ fragte ich dann.

„Der Meinung war wohl Miss Greendwood, oder?“ fragte er lachend.

Ich nickte und grinste.

„Nein, nein! Es ist wirklich sehr schön. Miss Greenwood ist ein bißchen altmodisch, vor allem in der Beziehung!“ sagte er.

„Da hast du wohl recht!“ sagte ich und half ihm bei den allerletzten Vorbereitungen.

„Aber sie ist einfach eine herzensgute Frau.“

„Ja, das ist sie.“ nickte Handle Bar.

Dann kamen die ersten Gäste. Der Geschäftsmann und der Schürfer vom Banküberfall. Sie begrüßten mich gleich sehr überschwenglich und bestellten bei Handle Bar direkt einen Starblazer. Dann kamen noch der Bürgermeister und J.B.

„Hallo Bianca!“ rief sie freudig. „Gratuliere zu ihrer Heldentat!“

„Danke. Aber das war schon okay. Zu irgendwas muss das ganze Nahkampftraining ja gut sein, oder?“

„Trotzdem war es sehr mutig. Es hätte auch ganz anders ausgehen können.“ sagte sie und bestellte ein Süßwasser.

„Ist es aber nicht! Und, was geschieht jetzt mit den beiden?“ fragte ich und stellte das bestellte Süßwasser vor ihr ab.

„Nun, sie kommen übermorgen vor Gericht. Dann wirst du aussagen müssen und auch die anderen Beteiligten. Und dann werden sie bestraft.“ antwortete sie.

„Gut! Ich hoffe, die können dann nicht wieder so schnell Ärger machen.“ sagte ich.

„In den nächsten fünf Jahren mit Sicherheit nicht!“ sagte sie.

Dann öffnete sich abermals die Tür und ich hörte das Klacken von Thirty-thirtys Hufen und dann traten er und auch Bravestarr in mein Blickfeld. Und ich musste noch einmal mehr schlucken, als ich sein Outfit sah. Enge Jeans, wie gestern, aber dieses mal ein weit geschnittenes und leicht durchsichtiges Hemd, ohne Muster. Weder von seinem Hut, noch von seinem Stern war dieses Mal was zu sehen, ganz in Zivil. Zudem waren seine sehnigen Hände zu sehen. Gestern hatte er auch noch Handschuhe getragen. Ich schluckte nervös und begann unwillkürlich mein Oberteil zurecht zuzupfen und über mein Haar zu streichen. Ich hoffte nur, das Handle Bar recht hatte und es wirklich gut aussah.

Bravestarr und Thirty-thirty kamen an die Bar und sofort fiel der Blick seiner dunklen Augen auf mich und weiteten sich überrascht. Und ich stellte beruhigt und freudig fest, dass es positive Überraschung war.

„Ich hatte ja damit gerechnet, dass du gut aussiehst! Aber so gut?“ lächelte er.

Ich hatte das Gefühl mein Kopf würde platzen. Ich wusste, dass ich knallrot wurde und das es deutlich zu sehen war. Spätestens, als ich ihn leise lachen hörte.

„Nun, was kann ich für die Herren tun?“ fragte ich die beiden und versuchte meine Fassung dadurch wieder zuerlangen.

„Starblazer!“ antwortete Bravestarr und Thirty-thirty nickte.

Ich beeilte mich den Jungs ihre Getränke zu geben. Und dann hörte ich Billy Bobs Stimme, der sich im nächsten Moment mit den Jungs im Schlepptau an die Bar kam.

„Wo ist denn unsere kleine Heldin!“ rief er und ich ging lachend um die Bar herum.

Und wurde im nächsten Moment von Billy Bob und Joseph gepackt und auf die Schultern gehoben.

„Und jetzt wird richtig gefeiert! New Texas hat eine neue Heldin!“ riefen sie und begannen mich durch den Saloon zu tragen, der sich in der Zwischenzeit deutlich gefüllt hatte.

„Jungs! Jungs! Stellt mich wieder auf die Füße!“ rief ich lachend, aber die kümmerten sich nicht darum und schleppten mich weiter herum. Erst, als ich einmal auf ihren Schultern die Runde durch den Saal gemacht hatte und wir wieder an der Bar angekommen waren, ließen sie mich wieder runter.

„Und jetzt Handle Bar, ne Runde Starblazer! Groß und Klein!“ rief Billy Bob dann.

„Unsere kleine Heldin hat es sich mehr als verdient.“

Seine große Hand fiel klatschend auf meine Schulter.

„Warum können nicht alle Tage so Mädchen wie du vom Himmel fallen?“ sagte er dann.

Ich lächelte verlegen, wusste nicht, was ich sagen sollte.

Handle Bar kam und stellte vor uns allen große und jeweils einen kleinen Starblazer ab. Die Männer nahmen sofort die kleinen in die Hand – wie ich feststellte auch Bravestarr, Thirty-thirty und J.B. - und dann stießen wir an.

„Auf Bianca!“ rief Billy Bob und die anderen erwiderten.

Wir kippten den Schnaps herunter und ließen alle die Gläser wieder laut auf den Tresen knallen.

„Jetzt erzähl mal, was ist das genau, was du machst? Die Leute in der Stadt meinten, du nennst es „Kampfsport“? fragte dann Joseph.

„Ich nenne es nicht so, es heißt so. Ju Jutsu ist eigentlich eine Mischung aus verschiedenen Kampfsportarten und wurde extra für die Straße entwickelt, für gefährliche Situationen. Bei uns mussten unsere Gesetzeshüter das zum Beispiel lernen, um mit bösen Buben fertig werden zu können.“ erklärte ich.

„Na, dann wärst du ja eigentlich der perfekte Deputy!“ hörte ich Bravestarr.

Ich sah ihn verlegen an.

„He, lass uns unsere Mechanikerin!“ rief Billy und legte besitzergreifend die Arme um mich.

Ich sah mich ein wenig hilflos um, was Bravestarr mit einem lauten Lachen quittierte.

„Na, so viel muss sie bei euch ja nun nicht reparieren, als dass sie mir nicht auch mal zur Hand gehen könnte.“ sagte er dann.

Ich spürte, dass ich mal wieder knallrot wurde und wie immer fielen mir natürlich nicht die passenden Worte ein. Und so griff ich einfach nach meiner Flasche Starblazer und nahm einen großen Schluck.

Schließlich gingen die Gespräche dann noch über alles mögliche. Obgleich ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen, spürte ich doch, dass Bravestarr mich immer wieder ansah. Ich bekam immer weichere Knie und versuchte nicht darauf zu achten, aber es war schwer. Er war einer von diesen Menschen, deren Blicke man einfach spürte.

Dann fingen die Jungs auf einmal mit dem Kampftrinken an und ich musste natürlich mitmachen. Lediglich Bravestarr, Thirty-thirty und J.B. hielten sich raus.

Nach dem siebten Schnaps begann sich alles um mich zu drehen und ich wusste, es war Zeit für eine Pause.

„Jungs, ich muss mal an die frische Luft!“ sagte ich und versuchte das Lallen, das sich in meine Stimme geschlichen hatte, zu verstecken. Es war mir unangenehm vor Bravestarr, denn er blieb konsequent nur bei dem großen Starblazer und ließ sich auch nicht von den Jungs überreden. Lediglich Thirty-thirty begann mitzuziehen und ehrlich gesagt freute ich mich darauf, mal ein Pferd betrunken zu sehen.

„Ach, Kleines, du kannst uns doch jetzt nicht hängen lassen!“ rief Billy Bob lallend. „Los, einen noch!“

„Nein, Mann! Um mich dreht sich schon alles!“ sagte ich dann aber entschieden und ging in Richtung Ausgang.

Ich hoffte, dass es wirklich was brachte und ich wieder etwas klarer im Kopf wurde. Auch das war mal wieder eine Premiere. Ich hatte noch nie ein Problem damit gehabt mich zu betrinken. Und wäre ich mit den Jungs allein, wäre das auch kein Problem. Doch tatsächlich schämte ich mich vor Bravestarr. Irgendwie hatte ich furchtbare Angst davor, dass er mich betrunken sehen könnte.

Draußen angekommen setzte ich mich auf die Stufe des Saloons und atmete ein paar Mal tief durch. Ich musste mal wieder erstaunt feststellen, wie sehr sich die Luft abgekühlt hatte. Aber die Frische tat auch gut und ich spürte erleichtert, wie sich meine Sinne etwas klärten. Dann blickte ich hoch in den Himmel. Die Sterne strahlten sehr viel intensiver, als ich es von uns kannte. Natürlich konnte ich kein mir bekanntes Sternbild ausmachen, denn es war nicht derselbe Himmel. Aber irgendwie erinnerte es mich plötzlich an zu Hause, mein altes Leben aus dem ich auf die irrsinnigste Weise herausgerissen worden war. Ich musste an meine Familie denken, meine Eltern, meine Freunde. Wie ging es ihnen jetzt? Vermissten sie mich? Vielleicht suchten sie mich schon ganz verzweifelt. Oder verging vielleicht bei ihnen jetzt gar keine Zeit? Merkten sie vielleicht überhaupt nicht, dass ich weg war? Fragen über Fragen, auf die ich keine Antwort wusste. Die mich aber belasteten. Zum ersten Mal, seit ich hier war, fand ich in der ganzen Aufregung mal Zeit, darüber nachzudenken.

Und ein weiterer Gedanke kam mir. Was, wenn ich hier nie wieder weg kam? Wenn ich eine New Texanerin werden musste? Zwar fühlte ich mich wohl, bis jetzt, aber es war dennoch eine andere Welt. Und ich konnte nicht, wie im Urlaub, wenn ich Heimweh hatte, einfach fort.

„Alles klar bei dir?“ hörte ich plötzlich Bravestarr hinter mir.

Ich sah mich beinahe erschrocken um, denn ich hatte ihn nicht mal im Ansatz kommen hören.

„Ja...ja, alles klar.“ beeilte ich mich zu sagen.

Er ließ sich neben mir nieder. Und das so dicht, dass sein Oberschenkel meinen berührte. Ich konnte durch den dicken Jeansstoff seine Wärme spüren und dann umwehte mich sein Geruch und ich war mir sicher, dass ich den nie vergessen würde. Er erinnerte mich irgendwie an ein Parfüm, dass ein ehemaliger Schwarm von mir immer getragen hatte. Aber es war noch besser. Frisch, aber gleichzeitig auch tief und sehr männlich. Einfach herrlich!

„Du wirkst auf einmal so traurig.“ sagte er dann.

Dem Mann entging scheinbar wirklich gar nichts.

„Ich musste nur gerade an meine Familie denken. An all die Leute, die mich jetzt vielleicht vermissen und suchen. Ich frage mich, ob sie es überhaupt merken, dass ich weg bin, oder ob für sie die Zeit komplett still steht.“ sagte ich und sah ihn an.

Er sah zuerst in den Himmel, betrachtete die Sterne, wie ich zuvor.

„Das weiß ich nicht. Ich denke, das weiß niemand.“ sagte er dann langsam und nachdenklich. Dann senkte er den Blick und sah mir direkt in die Augen.

„Hast du Heimweh?“ fragte er dann gerade heraus.

Ich versuchte das Zittern, dass sich bei seinem Blick in meinem Körper ausbreitete zu unterdrücken und schüttelte den Kopf.

„Nein, nicht direkt. Aber...das ist auch so eine Sache. Ich habe nach wie vor keine Ahnung, wie ich eigentlich hier gelandet bin und schon mal gar keine, wie ich zurück kommen soll. Auch wenn ich mich hier wohl fühle...es ist einfach...“

Ich begann zu stottern, wusste nicht, wie ich mich ausdrücken sollte.

„Ich fühle mich wie jemand, der zwanzig Jahre im Koma gelegen hat, dann wieder aufwacht und feststellen muss, dass alles anders ist, alles. Der technische Fortschritt, die Menschen, die man mochte und liebte sind weg und all so was.“

Er war einige Sekunden still und nickte dann.

„Ich kann verstehen, wie du dich fühlst. Das wäre für niemanden einfach.“

Dann begann er zu lächeln.

„Aber du schlägst dich mehr als wacker. Du bist eine starke junge Frau.“

Ich konnte nicht verhindern, dass ich knallrot wurde.

„Danke.“ sagte ich dann leise.

Dann sah ich langsam wieder auf und stellte fest, dass er mich nach wie vor ansah, schweigend, zwar immer noch lächelnd, aber irgendwie...anders. Sein Blick bohrte sich geradezu in meinen, ich hatte fast das Gefühl, als würde er bis auf meine Seele blicken.

Ich erschauderte deutlich und schluckte. Mein Magen schlug Purzelbäume, mein Herz schlug mir bis zum Hals. Würde er vielleicht...? Sollte ich...?

Doch dieser unendlich innige Moment wurde plötzlich durch lautes Poltern gestört, als Billy Bob mit einem Garderobenständer tanzend aus dem Saloon getorkelt kam. Als er sich seinen steifen Tanzpartner geschnappt hatte, hatte er wohl einen Stuhl umgeworfen, denn ich konnte einen kurz hinter der Tür liegen sehen.

„Meine Damen...meine Herren...!“ lallte er laut und torkelte mit dem Garderobenständer in der Hand auf uns zu.

„Isch...eröfffne...den Tanz!“ rief er und verbeugte sich tief, der Ständer folgte.

Der Anblick war derart komisch, dass ich schallend zu lachen begann. Auch Bravestarr begann lachend den Kopf zu schütteln.

Ich stand auf und versuchte Billy Bob den Ständer abzunehmen.

„Welcher Tanz soll denn das sein, du Chaot? Der neue Garderobentanz, oder was?“ fragte ich weiter lachend.

„Nein...dasch ist der Tanz...für besondere Damen!“ rief er, ließ den Ständer einfach fallen und zog mich auf die Tanzfläche. Ich war derart überrumpelt, dass ich gar nicht dazu kam mich zu wehren. Allerdings war Billy Bob zu betrunken um noch wirklich tanzen zu können und wir stolperten beide einfach nur herum.

„Billy, lass gut sein! Du bist betrunken!“ sagte ich dann lachend.

„Yessir! Betrunken!“ lallte er laut und fiel mir dann einfach in die Arme und plötzlich hatte ich alle Hände voll damit zu tun, ihn festzuhalten, denn sonst wäre er gestürzt.

Da kam Thirty-thirty mir zum Glück zu Hilfe.

„Komm schon, alter Junge!“ sagte er lachend zu Billy Bob. „Mach dich lieber auf den Weg nach Hause.“

„Wi...hicks...wieso?“ fragte er und sah Thirty-thirty verständnislos an.

„Weil du voll wie ein Eimer bist, Kumpel!“ sagte ich und setzte ihm den Hut wieder auf, den er bei unserem Tanzversuch verloren hatte.

„Für dich ist es echt Zeit. Wir sehen uns am Montag.“

„Okay!“ sagte er dann nur noch und kicherte. „Aber...du...kommscht...doch...Montag...hicks...oder?“ fragte er dann und blickte mich mit einem treudoofen Hundeblick an.

„Ja, klar!“ lachte ich. „Irgendeiner muss ja aufpassen, dass ihr mit den Maschinen ordentlich umgeht!“

„Juhuu!“ jubelte Billy Bob und wurde dann von Thirty-thirty zur Tür geschleppt.

Lachend sah ich ihm nach. Bravestarr hatte inzwischen seinen alten Platz an der Bar wieder eingenommen und sich ein neues Getränk bestellt. Die anderen Männer an der Bar hatten die Szene lachend mitangesehen und prosteten mir fröhlich zu. Ich erwiderte den Gruß und wir tranken unsere Starblazer.

Dann legte einer der Männer – ich meinte Joseph – einen Song auf, auf den die hier wohl gerne tanzten. Wohl die Nummer eins in den Charts, wenn die hier so was hatten. Und Joseph forderte J.B. zum Tanz auf. Diese nahm an und bald zeigten die beiden ihr Können.

Ich sah ihnen an die Bar gelehnt zu. Und schreckte auf, als mir auf einmal jemand mein Getränk aus der Hand nahm und mich an der Hand nahm. Ich sah auf und in Bravestarrs Gesicht. Er zwinkerte mir zu und machte eine nickende Bewegung auf die Tanzfläche.

„Was...?“ stotterte ich, konnte aber nichts anderes erwidern.

Er wollte mit mir tanzen? Mit mir?

Während er mich einfach hinter sich her zog, fragte ich mich, ob das gerade nur ein Traum war.

Erst, als er mich in seine Arme zog und ich meine Hände an seine Brust legte, so wie die Richterin gestern, wurde mir bewusst, dass es kein Traum war. Er führte mich genauso souverän wie Billy Bob gestern und ich ließ mich voll darauf ein, genoss es einfach nur jede Sekunde, in der ich in seiner Nähe war. Vor allem so nahe. Ich spürte seine Wärme, seinen Geruch, der mich schier wahnsinnig machen wollte und ich wünschte mir, es würde nie enden.

Doch wie alle schönen Träume endete auch dieser und wir gingen schließlich zur Bar zurück. Ich war völlig durch den Wind, sprachlos, wusste nicht, was ich denken und fühlen sollte. Ich empfand Trauer und Glück gleichzeitig. Trauer, weil es schon vorbei war und Glück, weil ich überhaupt so in seinen Armen hatte liegen dürfen.

Ich schnappte mir mein Getränk und spürte plötzlich sehr intensive Blicke. Aber nicht seine, denn er stand direkt neben mir. Nein, die Blicke kamen aus Josephs Richtung, genauer gesagt, stammten sie von J.B.!

Ich versuchte unauffällig zu ihr zu sehen und meinte beinahe einem Racheengel ins Gesicht zu schauen. Irgendwie konnte ich mir nun lebhaft vorstellen, wie ich sie gestern angesehen haben musste. Ihr Blick war erfüllt von beinahe tödlicher Eifersucht.

Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder meinem Starblazer zu.

Obgleich es mich mit einer gewissen diebischen Freude erfüllte, dass sie eifersüchtig auf mich war, so wusste ich doch, dass es auch hieß, dass ich eine Feindin hatte. Denn es gab beinahe nichts, um das Frauen so verbittert kämpfen konnten, wie die Gunst eines Mannes.

Eigentlich komisch. Ich hatte mich sonst immer darüber amüsiert, wenn einer meiner Kumpels solche Kämpfe um Frauen ausfochten, bzw. wenn ich sehen konnte, wie sich zwei Frauen um einen Mann stritten. Jetzt sah ich mal die andere Seite.

Aber ich schätzte meine Chancen trotzdem schlecht ein. Die beiden kannten sich schon zu lange und mit Sicherheit war ich auch nicht der Typ Frau, den Bravestarr bevorzugte.

Etwa eine Stunde später, kristallisierte sich der harte Kern der Truppe heraus und es standen nur noch Joseph, Bravestarr, Thirty-thirty und ich am Tresen.

J.B. war mit den restlichen Männern gegangen, nicht ohne mir noch einen tödlichen Blick zuzuwerfen. Was mich jedoch eher amüsierte, als einschüchterte.

Bravestarr kippte gerade neben mir den letzten Rest seines Starblazers runter, während ich mir ein Süßwasser einschenkte. Ich hatte genug von Alkohol an diesem Abend.

Zudem gab es morgen bestimmt einiges zu tun, bezüglich Mittagessen und so. Es war immerhin Sonntag.

„Nun, ich denke, wir verabschieden uns jetzt auch.“ sagte Bravestarr schließlich und stellte seine leere Flasche auf den Tresen. Obgleich er einige Flaschen getrunken hatte, merkte man ihm nichts an. Aber er hatte auch sehr über den Abend verteilt getrunken, wahrscheinlich gerade deswegen, um einen Rausch zu verhindern.

„Japp!“ sagte Thirty-thirty neben ihm und stellte mit einem lauten Knall das leere Glas ab, aus dem er gerade eben noch einen letzten doppelten Starblazer genommen hatte.

Leider machte auch er keinen betrunkenen Eindruck. Und dabei hatte ich mich so darauf gefreut mal nen Gaul besoffen zu sehen.

Bravestarr wandte sich zu mir um und lächelte mir noch einmal zum Abschied zu.

„Ich hoffe, wir sehen uns bald.“ sagte er dann noch.

„Lässt sich einrichten, denke ich!“ grinste ich, musste mich aber zusammenreißen, da meine Knie mal wieder weich zu werden drohten und das nicht vom Alkohol.

Er lächelte ebenfalls, tippte seine Hutkrempe an und die beiden verließen den Saloon. Ich blieb zurück und räumte den letzten Rest auf.

Auf einmal spürte ich Handle Bars Hand auf meiner Schulter.

„Lief der Abend zu deiner Zufriedenheit?“ fragte er mich grinsend.

„Zu deiner nicht?“ fragte ich zurück.

Natürlich wusste ich, worauf er hinaus wollte. Aber ich wollte einfach darüber jetzt nicht reden. Und er schien das zum Glück zu merken und zu akzeptieren, denn er ging nicht weiter darauf ein.

„Sag mal, ich muss morgen zu einem Melonenbauer draußen bei Sawtooth. Hast du Lust mitzukommen?“ fragte er dann.

„Klar!“ sagte ich. Tatsächlich würde ich gerne mal etwas mehr von New Texas sehen.

„Gut! Wir werden nämlich ne größere Ladung brauchen. Ich habe noch nie so einen Süßwasserverbrauch gehabt.“ sagte er.

Er hatte mir schon gestern erklärt, dass Süßwasser aus einer Melone gewonnen wurde, die nur in ganz bestimmten Gegenden auf New Texas gedieh. Und das diese Melonen auch eine ganze Menge wert waren und daher sehr begehrt. Würde bestimmt interessant werden.

Dann gingen wir beide auf unser Zimmer. Diese Nacht träumte ich zum ersten Mal. Von ihm. Von dem Gefühl in seinen Armen zu liegen.

Die Carrion Bunch

Am nächsten Morgen machten Handle Bar und ich uns sofort nach dem Frühstück auf den Weg. Er wolle den Saloon heute geschlossen halten, sagte er. Auf mein Stirnrunzeln hin meinte er, dass Sonntags nie der meiste Betrieb sei.

„Die sind selbst alle froh, wenn sie mal zu Hause die Füße hoch legen können. Außerdem wissen die Leute das in der Stadt auch, dass ich Sonntags manchmal zu habe.“

Er setzte sich auf seinen Turbomuli, an den ein Hänger gekoppelt war. Ich bekam einen ganz normalen und betrachtete das Gefährt, oder vielmehr Fluggerät etwas skeptisch. Ich hatte diese Dinger zwar jetzt schon mehrfach in Aktion gesehen, doch irgendwie waren mir die Dinger suspekt. Vielleicht einfach nur deswegen, weil sie flogen.

„Keine Angst, das ist ganz leicht!“ hörte ich Handle Bar dann sagen.

„Setzt dich einfach erst mal drauf und dann erkläre ich es dir.“

Ich schwang mich gehorsam in den Sattel und stellte fest, dass es sich durchaus mit einem Motorrad vergleichen ließ. Zumindest vom Sitzen her. Es erinnerte mich an die Kawasaki, die ich mir unbedingt kaufen wollte und auf die ich schon seit einer ganzen Zeit sparte.

„Mit dem großen Knopf auf dem Kopf startest du den Motor.“ erklärte Handle Bar.

Gehorsam drückte ich den Knopf und der Motor des Mulis erwachte rauschend zum Leben.

„Und mit den Hörnern gibst du Gas. Bremsen tust du mit den Pedalen an den Fußstützen.“

„Genau wie bei einem Motorrad!“ sagte ich begeistert. Ich war mir jetzt sicher mit dem Ding schnell klar zu kommen.

„Was ist ein Motorrad?“ fragte Handle Bar plötzlich neben mir.

„Erkläre ich dir später!“ rief ich übermütig. „Lass uns fahren!“

Ich drehte das Horn vorsichtig auf und der Turbomuli setzte sich gehorsam in Bewegung. Ich achtete darauf langsam zu fahren, schließlich waren wir noch mitten in der Stadt. Aber kaum hatten wir den Außenbereich erreicht, drehte ich das Horn voll durch und brauste davon.

„He!“ konnte ich Handle Bar noch hinter mir hören, aber ich achtete gar nicht darauf.

Was die Schnelligkeit anging, so war es dennoch nicht mit einem Motorrad zu vergleichen. Aber es machte Spaß und ich hatte die Steuerung des Dings schnell raus.

Ich begann zwischen den einzelnen Felsen Slalom zu fahren und probierte schließlich auch einige riskantere Flugmanöver. Dann sah ich Handle Bar an meiner Seite, aber in sicherem Abstand auftauchen.

„He, du Turbomuli-Ass! Wir müssen weiter!“ lachte er. „Du kannst dich später noch damit vergnügen, wenn du willst.“

Gehorsam flog ich an seine Seite und es ging weiter in die Prärie hinaus. Ich hatte keine Ahnung, wie Handle Bar sich hier orientierte. Für mich sah alles gleich aus und ich hätte mich hier mehr als schnell verirrt. Aber er lenkte seinen Muli ganz souverän durch die Felsen und über kahle Ebenen, bis ich am Horizont dann die Umrisse von Häusern erkennen konnte. Das musste Sawtooth sein. Da fiel mir auch ein, was ich Handle Bar die ganze Zeit schon hatte fragen wollen. Ich hatte den Namen schon einmal gehört in irgendeinem Zusammenhang. Ich meinte, als ich das erste Mal in der Bank war, hätten der Bürgermeister und Bravestarr darüber gesprochen.

„Handle Bar, was ist eigentlich so besonderes mit Sawtooth? Ich habe Bravestarr darüber reden hören, dass es einen Angriff gegeben hätte.“

„Es gibt ständig Angriffe auf Sawtooth.“ antwortete Handle Bar. „Hier in der Gegend gibt es die größten bekannten Keriumvorkommnisse und an manchen Stellen ist auch der Boden sehr fruchtbar. Das lockt immer wieder Banditen an.“ erklärte er.

„Dingos?“ fragte ich.

Er nickte.

„Unter anderem. Aber Tex Hex und seine Carrion Bunch sind auch nicht selten hier.“

Tex Hex? Carrion Bunch? Ich runzelte die Stirn. Von denen hatte ich noch nie was gehört.

„Wer soll denn das sein?“ fragte ich.

Handle Bar sah mich verdutzt an.

„Hast du von denen noch nichts gehört?“ fragte er.

Ich schüttelte den Kopf.

„Tex Hex und seine Carrion Bunch sind so ziemlich die schlimmsten Verbrecher hier auf dem Planeten. Sie machen mit Abstand den meisten Ärger.“ erklärte er.

„Und wieso holt sich Bravestarr sie dann nicht einfach?“ fragte ich.

„Ha! Wenn das so einfach wäre! Tex zu fangen ist nahezu unmöglich, denn er beherrscht Hexerei. Er kann sich einfach in Rauch auflösen, wenn er will und das meine ich wörtlich. Und versuch mal so jemanden festzuhalten.“ antwortete er.

Mittlerweile hatten wir Sawtooth erreicht. Es war eine eher kleine Siedlung, die aber im Begriff war zu wachsen, denn man konnte einige Häuser sehen, die gerade neu gebaut wurden. Ich schätze sie auf vielleicht einhundert bis zweihundert Einwohner. Es war auch kaum Verkehr auf den Straßen, noch konnte man viele Leute sehen. Wir durchquerten die Kreuzung einmal komplett und kamen dann wieder auf eine Ebene, wo man über ein weites Areal verteilt einzelne Häuser sehen konnte. Drum herum waren entweder Weiden, auf denen kuhähnliche Tiere standen, oder es wuchsen merkwürdige Pflanzen dort, die wie große Kakteen aussahen. Wahrscheinlich die Farm, von der Handle Bar gesprochen hatte.

Wir kamen näher und ich konnte nun einen Mann mit Hut und Arbeitskluft erkennen, der einen neuen Acker neben den Pflanzen umgrub. Ein kleiner Junge, wahrscheinlich sein Sohn machte sich an den bereits stehenden Pflanzen zu schaffen und schnitt große Knubbel davon ab.

Handle Bar stoppte sein Muli direkt bei dem Farmer und dieser sah auf.

„Hallo, Handle Bar! Sind die Vorräte zur Neige gegangen?“ fragte er lachend.

„Ja, die Leute sind ganz schön durstig.“ antwortete Handle Bar, stieg von seinem Muli und reichte dem Farmer die Hand.

„Wen hast du denn da mitgebracht?“ fragte der Farmer dann und wandte sich mir zu.

Ich beeilte mich auf ihn zu zutreten und reichte ihm die Hand.

„Mein Name ist Bianca, Sir.“ sagte ich.

„Ich bin Tom Freeman. Nett dich kennenzulernen.“ erwiderte er.

„Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite!“

„Du bist Handle Bars neue Gehilfin?“ fragte er dann.

„Ja. Zumindest soweit ich kann.“ antwortete ich.

„Na, ich denke mit dir hat er einen guten Griff getan.“ sagte er dann und wir trabten auf die Kakteen zu.

„Du bist doch das Mädchen, dass der Marshall in der Wüste gefunden hat, oder?“ fragte er auf dem Weg.

„Stand das in der Zeitung, oder so?“ fragte ich zurück.

Er lachte.

„Nein, aber sowas spricht sich hier sehr schnell rum.“

Wir hatten die Kakteen erreicht. Der Junge, der die ganze Zeit diese großen Knubbel von ihnen abgeschnitten hatte, hatte mit seiner Arbeit aufgehört und kam uns entgegen.

Freeman stellte den Jungen als seinen Sohn David vor und dann begannen er und Handle Bar über das Geschäftliche zu reden. In der Zwischenzeit zeigte David mir die Farm und erklärte mir einiges über den Anbau dieser Kakteen und dann schnitt er eine Knolle ab, die wir dann zu zweit aßen. Und sie schmeckten vorzüglich. Man konnte sofort das Süßwasser schmecken. Allerdings schmeckte es nicht ganz so intensiv. Aber die Frucht war sehr erfrischend.

David war ein netter Junge. Er fragte mich natürlich auch darüber aus, wie ich hergekommen war und wie die Welt war, aus der ich kam.

Erst Handle Bar unterbrach uns.

„He, Bianca. Komm, wir müssen aufladen!“ rief er.

David und ich machten uns auf den Weg zu den beiden und luden dann den Hänger von Handle Bars Turbomuli mit den Melonen voll. Danach verabschiedeten wir uns von den beiden und machten uns auf den Rückweg.

Als wir in Sawtooth am Saloon vorbei kamen, hielt Handle Bar auf einmal an.

„Was meinst du Bianca? Ne kleine Erfrischung, bevor wir wieder nach Fort Kerium fahren?“ fragte er.

„Gern. Warum nicht!“ antwortete ich und stieg ebenfalls von meinem Muli.

Wir betraten den Saloon und Handle Bar wurde sofort von dem Wirt begrüßt.

„Ah, Handle Bar! Das übliche?“ fragte er sofort.

„Ja, gern!“ antwortete er und wir gingen zum Tresen.

„Und was darf es für die junge Dame hier sein?“ fragte der Wirt mich dann.

„Süßwasser, bitte!“ sagte ich.

Während der Wirt unsere Getränke fertig machte, unterhielt ich mich mit Handle Bar noch ein wenig über Freeman und seinen Sohn. Und über den Anbau von Süßwasser. Von David wusste ich, dass es nur wenige gab, die sich dem Anbau widmeten, weil die allermeisten Siedler des Kerium wegens her kamen.

„Ja, das stimmt. New Texas wurde erst besiedelt, als man das Kerium hier entdeckte. Und ca. 75 % aller hier lebenden Leute sind Schürfer. Der Planet macht es einem aber auch nicht gerade leicht. Um so mehr bewundere ich Leute wie Freeman, die sich dieser Herausforderung trotzdem stellen.“ erzählte Handle Bar und kippte sein Getränk runter.

„Ja, ich denke mal, wenn der nen Ernteausfall hat, dann hat er ein echtes Problem.“ sagte ich und trank von meinem Süßwasser.

„Ja, das hat er. Aber zum Glück....“

Weiter kam Handle Bar nicht, denn plötzlich brach draußen auf der Straße Tumult aus. Die Leute begannen schreiend davon und in die Häuser zu laufen.

„Oh nein!“ hauchte Handle Bar, stellte sein Glas auf dem Tresen ab und rannte zur Tür auf die Straße. Ich folgte ihm und sah mich auf der Straße um.

Zuerst war jedoch nicht wirklich was zu sehen, bis auf fliehende Leute und aufgewirbelter Staub.

Doch als ich die Straße hoch sah, erkannte ich mehrere seltsame Gestalten auf Höhe der ersten Gebäude. Der eine an ihrer Spitze, wohl auch der Anführer, hatte einen mehr als merkwürdiges Gefährt. Es hatte zwei Beine und einen Rinderschädel als Lenker. Der Mann selbst war auch mehr als merkwürdig. Soweit ich das erkennen konnte, hatte er schneeweiße halblange Haare, beinahe so wie ich und einen langen Oberlippenbart. Zudem war seine Haut violett. Er trug eine düstere Cowboykluft und ich meinte unter seinem schwarzen Hut rote Augen hervorblitzen sehen zu können. Neben ihm stand eine Art kleiner Buggy. Erinnerte mich irgendwie an die Autos für Kinder, die sie selbst fahren konnten, nur noch ein wenig größer. Darin saß eine kleine Gestalt mit einem großen schwarzen Zylinder. Der Rest der Truppe, insgesamt vier Leute saßen auf normalen Turbomulis. Lediglich ein merkwürdiges Ding schwebte neben dem Violetthäutigen in der Luft. Es sah aus, wie eine fliegende Untertasse mit einem Kaktus oben drauf. Wahrscheinlich so eine Art Roboter.

Handle Bar trat neben mich und versuchte mich wieder in den Saloon zu ziehen.

„Komm wieder rein, Kleines!“ sagte er hektisch. Ich hörte deutlich Angst in seiner Stimme.

„Wer ist das?“ fragte ich, die seltsame Truppe nicht aus den Augen lassend.

„Die Carrion Bunch.“ erwiderte er nur knapp und versuchte mich wieder in den Saloon zu kriegen.

Doch ich reagierte nicht darauf und starrte nur weiter die seltsame Gruppe an, die nun langsam die Straße herunter kam. Nur wenige Meter von uns entfernt hielten sie wieder an.

„Sieh an, wen wir hier haben!“ sagte dann der Violetthäutige, als er Handle Bar sah.

Seine Stimme war ungewöhnlich hell und rauchig, klang ziemlich unangenehm. Irgendwie passend zu seinem Gesicht, das mich an einen Totenschädel erinnerte.

„Handle Bar! Du wirst dich doch wohl nicht verirrt haben, oder?“ fragte er, während er von seinem merkwürdigen Schädeldings abstieg. Auch die anderen stiegen von ihren Mulis ab und dieses komische kleine Ding, das in dem Buggy gesessen hatte, kletterte ebenfalls raus und lief an die Seite des Anführers. Ich versuchte den Knirps unauffällig zu betrachten. Er sah aus, wie eine großer, zweibeiniger Hamster, nur nicht mal im Ansatz so süß und paffte eine stinkende Zigarre. Entweder musste der Tabak sehr billig sein, oder es gab hier keinen besseren, denn sie stank wirklich entsetzlich. Irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, dass sich jemand mit so einem Zeug freiwillig die Lungen verpestete.

Dann blickte ich den Violetthäutigen wieder an. Im selben Moment fiel sein Blick auf mich.

„Und was hast du neuerdings für nette Damen in deiner Begleitung?“ fragte er dann und musterte mich neugierig, aber auch mit einem bösen Funkeln.

Ich erwiderte seinen Blick ungerührt und ließ gleichzeitig aber auch die anderen nicht aus den Augen.

„Das ist die, die Dix und Barko ins Gefängnis gebracht hat!“ konnte ich plötzlich jemanden sagen hören. Tatsächlich waren auch zwei Dingos bei ihnen, wobei einer auf mich deutete.

„Tatsächlich?“ fragte der Violetthäutige darauf. „Dann bist du also diese ominöse Neue, über die in Fort Kerium alle reden. Bianca, so heißt du doch?“

Er trat einen Schritt auf mich zu.

„Bingo!“ antwortete ich und tat ebenfalls einen Schritt in seine Richtung. Ich konnte hören, wie Handle Bar hinter mir erschrocken die Luft einsog.

„Und du bist Tex Hex, richtig?“ fragte ich dann.

Dieser nahm in einer theatralischen Geste seinen Hut ab und deutete eine Verbeugung an.

„Das bin ich! Und ich war schon sehr darauf gespannt zu sehen, wer in der Stadt so für Furore sorgt.“

„Tatsächlich? Tue ich das?“ fragte ich und machte einen weiteren Schritt auf ihn zu. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass er einer von den Typen war, denen man von vorneherein klar machen musste, dass man ihn nicht fürchtete.

Er grinste breit, während er seinen Hut wieder aufsetzte.

„Zumindest wird überall von dir geredet.“ antwortete er und kam ebenfalls wieder einen Schritt näher.

„Wirklich? Was wird denn so nettes geredet?“ fragte ich weiter und sah ihm fest in die Augen.

„Nun, z. B. dass du recht mutig sein sollst.“ antwortete er, wobei sich sein Blick zu verdüstern begann. „Was ich ja auch gerade selbst sehe.“

Ein Husten erklang neben ihm.

„He Boss, sollen wir uns die Kleine nicht schnappen? Ich meine, die Leute würden bestimmt ne Menge Kerium für ihre Freilassung zahlen.“ quäkte der Riesenhamster neben ihm.

Ich blitzte den Kleinen böse an.

„Du willst mich schnappen, du kleine Ratte? Wer bist du überhaupt?“ fragte ich ihn mit fester Stimme.

Überrascht riss der erst die Augen weit auf und kam dann auf mich zu gewackelt, was bei seinen kurzen Beinen echt komisch aussah. Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte ich laut gelacht. Direkt vor mir blieb er stehen und funkelte mich an.

„Ich bin Skuzz! Und ich bin Tex Hex rechte Hand! Du solltest dich lieber vor mir in Acht nehmen!“

Kurzerhand beugte ich mich runter, so dass ich halbwegs auf Augenhöhe mit dem Knirps war und kam ihm mit meinem Gesicht möglichst nahe, wobei ich versuchte den Gestank seiner Zigarre zu ignorieren.

„Ich lass mich doch nicht von jemandem einschüchtern, der aufrecht unter nem Kaffeetisch durchpasst!“ knurrte ich ihn böse an.

Schallendes Gelächter erklang von der Gang und auch in Tex Augen konnte ich ein amüsiertes Aufblitzen sehen.

„Das Gerede scheint tatsächlich zu stimmen.“ sagte er dann.

Doch dann verdüsterte sich seine Miene schlagartig und er kam noch näher.

„Doch Mut ist manchmal auch unangebracht!“ zischte er.

Dann breitete sich ein breites und abgrundtief böses Grinsen auf seinem Gesicht aus.

„Aber Skuzz Idee ist eigentlich nicht schlecht!“ sagte er dann.

Dann wandte er sich zu seiner Gang um.

„Schnappt sie euch, Jungs!“ rief er.

Gehorsam setzten sich die einzige Frau der Gang und ein großes rothäutiges Etwas in Bewegung. Aber ich sah nicht einmal ansatzweise ein, warum ich mich in die Hände dieser Gauner begeben sollte.

„Versucht es!“ stieß ich laut hervor und sprintete in den Saloon.

Als wäre es abgesprochen gewesen, baute sich Handle Bar hinter mir auf und versuchte die Ganoven aufzuhalten. Ich wusste, ich hatte gegen alle gleichzeitig keine Chance. Ich würde es irgendwie schaffen müssen sie einzeln fertig zu machen.

Ich sprang hinter die Bar und ging dort in Deckung. Zwar kein originelles Versteck, aber das sollte es im Prinzip auch gar nicht sein. Denn eigentlich wollte ich so den ersten ausschalten. Ich presste mich mit dem Rücken gegen die Bar, lauschte und versuchte in den Spiegelungen der Flaschen etwas zu erkennen. Draußen war ziemlicher Krach zu hören und auch Schüsse.

Ich schluckte. Hoffentlich kam Handle Bar klar und wurde nicht verletzt oder gar getötet.

Plötzlich hörte ich wie Schritte in die Bar kamen.

Dann eine weibliche Stimme.

„Ich weiß, dass du hier bist, Süße!“

Es musste diese grünhäutige Frau mit den Schlitzaugen gewesen sein, die ich bei der Gang gesehen hatte.

Ihre Schritte kamen näher, auf die Bar zu. Meine Gedanken rasten. Ich versuchte auszumachen, was sie tun würde. Sich über die Bar lehnen? Oder würde sie um die Bar herumlaufen? Ich rührte keinen Muskel, um kein Geräusch zu verursachen. Und lauschte noch angestrengter.

Ihre Schritte kamen immer näher.

„Ich kann dich riechen, Püppchen!“ zischte sie.

Und damit hatte ich Gewissheit, wo sie auftauchen würde. Tatsächlich ging sie nicht um die Bar herum, sondern würde sich darüber beugen. Ich versuchte die exakte Position zu bestimmen, an der sie auftauchen würde und rutschte nach rechts. Dann blickte ich nach oben. Und im gleichen Moment erschienen ihre Arme, die ein grünes Ding hielten über dem Tresen und bevor sie sich ganz über die Bar lehnen konnte schossen meine Hände hoch, packten ihre Arme und mit einem kraftvollen Ruck zog ich sie über den Tresen zu mir hinter die Bar. Sie stieß einen spitzen Schreckensschrei aus, während sie sich bei dem Sturz überschlug und dann landete ihr Kopf auf meiner Brust. Überrascht, wie einfach es gewesen war, sie zu schnappen, wollte ich ganz locker den Betäubungsgriff ansetzen. Doch dann musste ich feststellen, dass ich sie unterschätzt hatte. Denn sie erholte sich erstaunlich schnell von ihrem Schrecken. Ihre Arme schossen hoch, stießen meine weg. In der gleichen Bewegung warf sie sich herum und ich sah ihr ins Gesicht, aus dem mir schiere Mordlust entgegen sprang. Es erinnerte mich irgendwie an eine Schlange. Und dann schossen ihre Hände vor und versuchten mich am Hals zu packen. Doch das wiederum hatte ich vorhergesehen. Ich blockte ihren Griff ab zog ein Bein unter ihr hervor und stieß ihr meinen Fuß mit aller Kraft in den Leib.

Mit einem lauten „Umpf!“ wurde ihr Körper zurück und gegen die Regale geschleudert und ich hechtete eine Rolle vorwärts schlagend aus dem Tresenbereich hervor. Ich brauchte Platz, vor allem, weil dieses Schlangenweib scheinbar eine erfahrene und wahrscheinlich auch gute Kämpferin war. Tatsächlich erholte sie sich auch sehr schnell, richtete sich blitzschnell wieder auf und schoss mir dann hinterher. Ich schaffte es gerade noch in Kampfstellung zu gehen und musste dann schon einen Schlag, der mein Gesicht treffen sollte, abwehren. Sofort konterte ich und erwischte das Miststück an der Schulter. Sie torkelte zurück und ich wollte gerade zu einem zweiten Schlag ansetzen, als sich sich einfach unter diesen wegduckte und mir einen Kinnhaken versetzte. Ein greller Schmerz explodierte in meinem Kopf und ich sah für einen Sekundenbruchteil Sternchen. Ich torkelte zurück und wurde im nächsten Moment von ihrem Fuß in den Bauch getroffen. Der Tritt war nicht fest, aber er reichte aus um mich auf die Dielen zu werfen. Allerdings riss mich der Aufprall auch aus meiner kurzzeitigen Benommenheit und ich sah wieder klar. Gerade rechtzeitig um den Fuß abzublocken, den mir die Schlange ins Gesicht schmettern wollte. Ich katapultierte mein Becken hoch und trat der Schlange im Gegenzug mit aller Kraft in den Unterleib. Mit einem lauten Schmerzensschrei sackte diese nach vorne und ich nutzte die gewonnenen Sekunden um mich auf die Seite zu werfen und ihr mit einem seitlichen Fußtritt den Rest zu geben. Krachend landete meine Fußkante in ihrem Gesicht, ihr Schrei erstarb und sie landete auf dem Rücken.

Ich sprang auf die Beine und starrte auf das Biest herab. Benommen wand sie sich auf dem Boden, aus ihrem Mund und ihrer Nase sickerte Blut.

Die war wohl erst mal außer Gefecht, dachte ich und wollte zu Handle Bar nach draußen eilen. Dort herrschte noch immer wildes Getöse und ich konnte nach wie vor die Schüsse von diesen Laserwaffen hören.

Doch gerade als ich die Tür erreichte, wurde ich von hinten angesprungen und ein dünner, aber starker Arm legte sich um meinen Hals und drückte zu. Erschrocken schnappte ich nach Luft, packte mit der einen Hand den Arm, erinnerte mich aber trotzdem noch an mein Training und holte mit dem anderen Arm vorne aus. Um dem hinterhältigen Miststück mit voller Wucht meinen Ellbogen in den Bauch zu rammen. Mit einem lauten Keuchen sackte sie zusammen und ihr Griff um meinen Hals lockerte sich etwas. Gerade weit genug, dass ich mich seitlich herauswinden konnte. Dann schmetterte ich ihr wütend die Handkante gegen den Hals, so dass sie würgend zusammensackte. Bevor sie jedoch zu Boden gehen konnte, packte ich sie am Arm und ihrer Schulter und warf sie mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte auf die Straße hinaus. Dort blieb sie benommen, sich den Hals haltend liegen.

Die eine Sekunde Zeit, die ich nun gewann, nutzte ich, um mich umzusehen. Das Durcheinander auf der Straße war perfekt. Überall rannten Leute durch die Gegend, oder einige kämpften auch gegen die Banditen. So zum Beispiel Handle Bar, der sich gerade gegen dieses rote Ding zur Wehr setzte, das ihm ständig Sand entgegen zu pusten schien. Es war beinahe so groß wie Handle Bar, nur nicht ganz so kräftig. Die Haut war rot und geschuppt und sein Kopf kahl. Er hatte Schlitzaugen wie eine Schlange und spitze Zähne ragten aus seinem Mund. Und es schien nicht nur so, als wenn er Handle Bar Sand entgegen pustete, er tat es. Und traf ihn in diesem Moment mit einer Ladung voll ins Gesicht. Und als Handle Bar in die Knie ging und schließlich ganz zusammenbrach wusste ich, dass dieses Zeug kein normaler Sand war.

Und ich sprintete los, um ihm zu helfen und diesem roten Teufel den Mund zu stopfen.

Doch ich kam nicht mehr dazu, denn in diesem Moment wurde der von einem Laser getroffen und davon geschleudert. Ich sah in die Richtung, aus der der Schuss kam und konnte Thirty-thirty erkennen, der aggressiv nach vorn gebeugt auf der Straße stand und mit seiner Kanone bereits einen der Dingos aufs Korn nahm. Diese machten sich heulend einen Spaß daraus die fliehenden Leute durch die Stadt zu jagen. Doch dem einen verging der Spaß, als eine ordentliche Ladung von Thirtys Gewehr seinen Turbomuli traf und ihn aus dem Sattel schleuderte.

Ich sah mich weiter um. Wenn Thirty-thirty hier war, dann konnte Bravestarr nicht weit entfernt sein. Doch er war nirgends zu sehen. Plötzlich sah ich aus den Augenwinkeln ein Schatten und konnte mich gerade noch zur Seite werfen und entging so den zuschnappenden violetthäutigen Klauen. Tex schoss an mir vorbei und ich schlug ihm mehr im Reflex mit der Faust gegen die Seite seines Brustkorbes.

Keuchend stolperte er noch ein paar Schritte weiter und blieb dann nach vorn gebeugt und mit schmerzverzerrtem Gesicht stehen. Zuerst sah er mich einfach nur überrascht an, doch dann begann Wut in seinen Augen aufzuflackern.

„Du verfluchtes, kleines...!“ keuchte er und setzte dazu an sich auf mich zu stürzen.

Doch er erreichte mich nicht. Denn in diesem Moment kam ein gelber Blitz angeschossen und rannte ihn einfach über den Haufen. Tex flog einige Meter weit und schlug hart auf den Boden auf. Der gelbe Blitz verwandelte sich in der Zwischenzeit wieder in Bravestarr, der sich sofort wieder Tex zu wandte. Dieser erholte sich erschreckend schnell von dem Aufprall und sprang wütend auf die Beine.

„Das wirst du büßen, Bravestarr!“ rief er und stürzte sich auf ihn.

Doch Bravestarr packte ihn einfach, ließ sich auf den Rücken fallen und stieß Tex einen Fuß in den Leib. Und dieser segelte einige Meter weit durch die Luft, bevor er schwer auf dem harten Boden aufschlug und dieses Mal benommen liegen blieb. Bravestarr sprang wieder auf die Beine und hechtete zu ihm rüber.

Ich achtete jedoch nicht weiter auf die beiden und setzte abermals dazu an zu Handle Bar zu laufen, der immer noch benommen auf der Straße lag. Doch plötzlich schmetterte mir jemand von hinten die Faust in den Nacken und ich ging benommen zu Boden. Verzweifelt kämpfte ich gegen die Ohnmacht an, die sich meiner bemächtigen wollte. Würde ich jetzt das Bewusstsein verlieren, war ich denen hilflos ausgeliefert. Wer weiß, was die mit mir anstellen würden. Und tatsächlich fühlte ich mich schon an der Schulter gepackt und herumgedreht. Verschwommen konnte ich das von schwarzem langem Haar umrahmte grüne Gesicht von diesem Schlangenweib sehen. Ich hatte sie, nachdem ich sie auf die Straße geschleudert hatte, gar nicht mehr beachtet. Ich war ziemlich überrascht, wie gut sie die Schläge weggesteckt hatte. Jeder normale Mensch wäre bei dem Schlag vor den Hals für Stunden außer Gefecht gesetzt gewesen, wenn es ihn nicht gar getötet hätte.

„Ist mir egal, was der Boss sagt! Dich stell ich kalt, du kleine Schlampe!“ zischte sie böse und zog ein Messer.

Der Anblick sorgte für den nötigen Adrenalinschub, der mich aus dem Griff der Benommenheit befreite und ich schmetterte ihr erst die rechte Faust ins Gesicht und als sie mit einem lauten Schmerzensschrei aufrichtete, bekam sie meinen Fuß in die Magengrube, was sie von mir runter auf den Rücken schleuderte. Ich spannte jeden Muskel in meinem Körper an, stemmte die Hände neben meinem Kopf auf den Boden, holte mit den Beinen Schwung und katapultierte mich auf die Beine. Doch auch sie hatte sich wieder aufgerichtet und ging mit dem Messer auf mich los. Und ich sah sofort, dass sie mit dem Ding umgehen konnte, denn ich entging der Klinge jedes Mal nur ganz knapp. Verzweifelt versuchte ich mich nebenbei nach einer Waffe umzusehen, einem Stock, irgendwas um sie mir weiter vom Leibe halten zu können. Schließlich fiel mein Blick auf eine der Laserkanonen, die irgendeiner fallen gelassen hatte. Meine Chance!

Ich wartete, bis das Miststück noch einmal nach mir gehackt hatte, wich der Attacke aus und hechtete dann eine Rolle schlagend in Richtung der Waffe, bekam sie in der Bewegung zu fassen und warf mich herum. Doch bevor ich der Schlange ins Gesicht schießen konnte, war die bereits über mir und trat mir die Waffe aus der Hand. Ein greller Schmerz explodierte in meinem Handgelenk, als es von dem harten Stiefel getroffen wurde und ich meinte etwas knacken hören zu können. Kaum einen Sekundenbruchteil später sauste die Messerklinge auf mich herab. Verzweifelt warf ich mich herum und spürte dennoch einen heißes Brennen, als die Klinge an meinem Oberarm entlang schrammte und dann in den Wüstenboden fuhr. Ich konnte das Miststück wütend brüllen hören, doch ich nahm es nur am Rande war. Der Schmerz in meinem Handgelenk und meinem Oberarm machten mich endgültig rasend und ich schmetterte der Schlangenschlampe mit aller Kraft und einem lauten Schrei die linke Faust gegen die Schläfe. Wie vom Blitz getroffen zuckte ihr Körper einmal heftig und brach dann leblos zusammen. Ich blieb einige Sekunden schwer atmend sitzen, ihren regungslosen Körper betrachtend. Beinahe hoffte ich sie getötet zu haben, überprüfte es aber nicht. Statt dessen schnappte ich mir die Waffe und hielt nach den anderen der Gang Ausschau. Doch der Kampf schien vorüber zu sein. Ich konnte die Dingos erkennen, die aneinander gefesselt benommen auf dem Boden hockten. Thirty-thirty schleppte gerade das rothäutige Sandmonster dazu, dass scheinbar ebenfalls bewusstlos war und ich konnte Bravestarr sehen, der sich um den benommenen Handle Bar kümmerte, der sich mittlerweile in eine sitzende Position hochgearbeitet hatte und sich den Kopf hielt. Hoffentlich war das Zeug nicht irgendwie giftig gewesen. Ich rannte zu ihm und fiel vor ihm auf die Knie.

„Handle Bar! Bist du okay?“ fragte ich ihn und legte die Hand an seine Wange.

„Ja...ja...ich glaub...schon.“ sagte er benommen und sah mich dann mit glasigen Augen an.

„Bianca, bist du okay?“ hörte ich plötzlich Bravestarr sagen und dann seine Hände, die mich an den Schultern packten. Ich wandte mich um und sah in sein Gesicht. Erleichtert stellte ich fest, dass zumindest sein hübsches Gesicht nicht von Verletzungen zeugte. Er hatte lediglich seinen Hut verloren und sein Haar war teilweise aus dem Zopf gerissen und hing ihm wirr in Strähnen ins Gesicht. Schweiß glitzerte auf seiner Stirn.

Erst auf seine Frage hin nahm ich den Schmerz in meinem Oberarm und meinem Handgelenk wieder war. Ich bewegte es vorsichtig und stellte erleichtert fest, dass es ging. Es war also nicht gebrochen, wahrscheinlich nur geprellt.

„Ist schon okay! Sind nur Kratzer.“ sagte ich abwiegelnd.

Doch er griff nach meinem Oberarm und betastete den Schnitt. Ich konnte nicht verhindern, dass ich ein schmerzerfülltes Zischen ausstieß.

„Der muss schnell behandelt werden.“ stellte er sachlich fest.

Dann stand er auf und zog mich auf die Beine. Erst jetzt zeigten die Strapazen des Kampfes bei mir ihre Wirkung und ich taumelte ein wenig.

Bravestarr schien das jedoch misszuverstehen, denn plötzlich legte er einen Arm um meine Schulter und den anderen unter meine Knie und ehe ich mich versah lag ich auf seinen starken Armen und schlang im Reflex meine Arme um seinen Hals und seine besorgten Blicke trafen mich. Ich drohte in seinen dunklen Augen zu versinken und wurde sofort wieder knallrot.

„Bravestarr, mir geht’s gut! Ich kann allein laufen.“ sagte ich hastig.

Doch er schüttelte entschieden den Kopf und trug mich in den Saloon.

„Das habe ich gerade gesehen.“ sagte er entschieden und ließ mich im Saloon auf einem Tisch nieder.

Dann fasste er mit beiden Händen meinen Kopf und begann mein Gesicht zu untersuchen.

„Ich muss sagen, das war mehr als beeindruckend!“ sagte er. „Du hast Vipra im Nahkampf besiegt. Und das ist weiß Gott nicht leicht.“

Ich schnaufte wütend.

„Dieses Schlangenweib? Hoffentlich habe ich das hinterhältige Dreckstück kalt gemacht.“ knurrte ich wütend.

Er sah mich leicht erschrocken an, schüttelte dann aber lächelnd den Kopf.

„So was sollte man sich nie wünschen. Selbst wenn es der ärgste Feind ist.“

„Wieso bist du eigentlich Marshall geworden und nicht Philosoph?“ fragte ich.

Ehrlich gesagt rutschte es mir in meiner Überraschung mehr heraus. Und kaum war es raus, hätte ich mir beinahe auf die Zunge gebissen.

Er sah mich erst überrascht an und lachte dann.

„Man muss doch nicht Philosoph sein, um so über die Dinge zu denken.“ erwiderte er dann.

Mit einem schüchternen Lächeln senkte ich den Kopf.

„Im Ernst, man sollte niemandem den Tod wünschen. Das er seine gerechte Strafe bekommt, ja. Aber den Tod?“

Er begann nochmals den Schnitt an meinem Oberarm zu untersuchen.

„Bei manchen Menschen ist der Tod die einzig gerechte Strafe, finde ich.“ sagte ich dann ungerührt.

Er sah auf und blickte mich wieder lange durchdringend an.

„Findest du?“ fragte er dann.

Ich konnte nichts erwidern. Sein Blick lähmte mich, denn es war derselbe Blick wie gestern Abend. Als wir zusammen draußen vor dem Saloon gesessen hatten und die Sterne betrachtet hatten.

Ich schluckte schwer und kämpfte um meine Selbstbeherrschung. Alles in mir schrie danach einfach meine Arme um ihn zu schlingen, ihn an mich zu ziehen und zu küssen.

„Himmel! Das war doch mal ein echter Kampf!“ kam es plötzlich von der Tür her.

Unser Blick wurde unterbrochen und beinahe dankbar sah ich zur Tür rüber, durch die gerade Thirty-thirty trat. Fröhlich grinsen und seine Kanone lässig über die Schulter gelegt kam er auf uns zu.

„Gratuliere, junge Dame! Hast nen tollen Kampf gezeigt!“ sagte er dann und schlug mir anerkennend auf die Schulter.

„Vipra wird einige Zeit brauchen um sich von den Blessuren zu erholen.“

„Ist das Miststück also noch am Leben? Gut! Dann kann ich ihr ja später noch den Hals umdrehen!“ sagte ich ernst.

Thirty-thirty blickte mich erst groß an und begann dann schallend zu lachen.

„Du gefällst mir immer besser, Mädchen!“ wieherte er laut und schlug mir abermals, noch fester auf die Schulter.

„Vielen Dank.“ sagte ich und rieb mir diese anschließend, was bei ihm ein nur noch lauteres Lachen auslöste.

„Marshall!“ erklang es mit einem Mal rau von der Tür her.

Bravestarr wandte sich um und gab mir den Blick auf die Tür frei, in welcher eine große graue zweibeinige Katze in grüner Kleidung aufgetaucht war. Langsam kam sie, besser gesagt er – es war ein Kater – auf uns zu und blieb am Tisch stehen.

„Man sagte mir, hier drinnen gäbe es noch jemanden der verletzt ist.“ sagte er dann an Bravestarr gewandt.

„Richtig, Doc Slim!“ antwortete der und deutete dann mit einem Kopfnicken auf mich.

„Unsere junge Freundin hier hat einige Blessuren davon getragen. Du solltest dich darum kümmern.“

Der Kater wandte sich mir zu und musterte mich von Kopf bis Fuß. Dann nickte er.

„In Ordnung!“ sagte er nur knapp und verschwand wieder nach draußen.

„Äh, Bravestarr, was war das gerade für ein Ding?“ fragte ich dann.

„Doc Slim! Er ist ein Krann.“ antwortete er. „Und unser Arzt für die Außenbezirke. Du bist bei ihm in guten Händen.“

Dann verließen er und Thirty-thirty den Saloon und der inzwischen mit einer großen Tasche zurück gekehrte Doc Slim begann meine Wunden zu versorgen.

Schließlich trat ich dann mit einem verbundenen Oberarm und einem verbundenen Handgelenk auf die Straße heraus. Der Schnitt an meinem Oberarm war nur oberflächlich und musste zum Glück nicht genäht werden. Zudem hatte Doc Slim meine Diagnose bezüglich meines Handgelenkes bestätigt, es war nicht gebrochen, sondern nur geprellt. Dennoch riet er mir die Hand zu schonen und den Verband mindestens eine Woche zu tragen.

Bravestarr und Thirty-thirty hatten mittlerweile für Ordnung gesorgt und die gefangenen Gangster in einen Gefängniswagen verfrachtet. Handle Bar war damit beschäftigt die Melonen aufzusammeln, die kreuz und quer verteilt auf dem Boden lagen. Zumindest die, die noch heil waren.

Ich ging ihm eilig zur Hand und dann machten wir uns auf den Rückweg in die Stadt. Am Saloon angekommen wollte ich ihm beim Ausladen helfen, doch er lehnte ab.

„Du musst dich schonen! Du sollst dein Handgelenk doch möglichst ruhig halten.“ sagte er.

Ich schüttelte den Kopf.

„Das geht schon. Ich kann ja mit der anderen arbeiten.“ wiegelte ich ab.

„Nix da, junge Frau! Du ruhst dich jetzt erst mal aus. Und ich mache uns gleich erst mal ein ordentliches Mittagessen.“ sagte er lächelnd.

Ich beschloss, dass Wiederworte Zeitverschwendung waren und drehte mich um, um zu gehen.

„Übrigens...“ sagte ich dann noch. „Danke, dass du mir geholfen hast.“

Er wandte sich stirnrunzelnd zu mir um.

„Wobei?“ fragte er dann.

„Na bei dem Überfall heute.“ antwortete ich. „Du hast versucht sie aufzuhalten. Mit allen gleichzeitig wäre ich nie fertig geworden.“

Er schüttelte lächelnd den Kopf.

„Das war doch selbstverständlich. Ich kann doch nicht zulassen, dass die meine Gehilfin entführen. Was würde ich denn ohne dich machen?“ sagte er scherzend.

Ich lächelte ebenfalls und schloss den grünen Riesen noch mehr ins Herz.

„Ich schulde dir trotzdem was.“ sagte ich und machte mich auf in mein Zimmer.

Tatsächlich schlief ich, kaum das Bett berührend wie ein Stein und wachte erst auf, als Handle Bar mich zum Essen holte.

Montags in Fort Kerium

Der restliche Sonntag verlief ruhig und ich nutzte diese Ruhe um den Rundgang durch die Stadt zu machen, den ich mir schon so lange vorgenommen hatte. Allerdings gab es tatsächlich nicht das allermeiste zu sehen und so war ich schnell zurück im Saloon. Ich legte mich auf mein Bett und döste dann fast den ganzen Nachmittag vor mich hin. Erst jetzt begannen sich so wirklich die Strapazen der letzten Tage zu zeigen und ich realisierte erst einmal richtig, was alles in den vier Tagen passiert war und was ich alles erlebt hatte.

Vor allem realisierte ich aber auch, dass ich anfing meine Freunde und meine Familie zu vermissen. Ich fragte mich immer wieder, was bei mir, in meiner Zeit passierte. Ich hoffte inständig, dass dort nun einfach die Zeit irgendwie still stand und mein Verschwinden gar nicht auffiel.

Am Abend dann versuchte ich Handle Bar noch ein wenig zur Hand zu gehen, durfte aber nur die Kasse machen, da Handle Bar mich mit meiner verletzten Hand fast gar nichts machen ließ. Ehrlich gesagt fand ich das etwas übertrieben. Das Gelenk tat zwar nach wie vor weh, aber dennoch konnte ich es bewegen und außerdem hatte ich ja zwei Hände. Aber es brachte nichts. Und so verbrachte ich den Abend hauptsächlich damit die Leute zu beobachten und zu kassieren, bis es gegen zehn dann Bettzeit hieß.

Obgleich ich fast den ganzen Nachmittag vor mich hingedöst hatte, schlief ich doch schnell ein und erwachte am anderen Morgen auch erst relativ spät. Erschrocken sah ich auf die Uhr. Neun Uhr morgens? Verflucht, ich konnte doch keine elf Stunden durchgeschlafen haben!

Ich sprang aus dem Bett und beeilte mich, fertig zu werden. Heute gab es einiges zu tun. Ich musste in die Mienen und Nachmittags war die Gerichtsverhandlung für die beiden Dingos angesetzt, wo ich als Zeugin aussagen musste. Ich war schon echt gespannt, wie das werden würde. Zudem hatte ich mir vorgenommen mal bei einem Waffenhändler vorbei zusehen. Zumindest wollte ich mal ausloten, wie viel ein gutes Kampfmesser hier kosten würde. Der kleine Vorfall gestern hatte mir gezeigt, dass es besser war hier eine Waffe zu tragen und wenn es auch nur ein Messer war. Ich wusste nicht, wie es sich hier mit Schusswaffen verhielt und außerdem konnte ich mit denen auch nicht wirklich umgehen.

Nachdem ich mich angezogen hatte, lief ich nach unten. Handle Bar hatte schon alles aufgeräumt und für den Tag bereit gemacht. Zudem stand sogar schon ein reichhaltiges Frühstück auf einem der Tische für mich bereit.

„Guten Morgen!“ sagte ich mit schlechtem Gewissen. „Tut mir leid, dass ich so lang geschlafen habe.“

„Ach, das macht doch nichts! Nachdem was gestern passiert ist, ist das auch kein Wunder, Kleines!“ lachte Handle Bar jedoch nur fröhlich.

„Nun frühstücke erst mal und dann sehen wir weiter.“

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und haute ordentlich rein. Als ich fertig war, begann ich den Tisch abzuräumen, wurde aber von Handle Bar unterbrochen.

„Mädchen, Mädchen! Du sollst doch deine Hand schonen!“ tadelte er mich und nahm mir die Teller ab.

„Ist nicht schlimm! Tut auch kaum noch weh!“ erwiderte ich.

Es entsprach sogar den Tatsachen. Ich hatte so überhaupt keine Schmerzen und auch das Bewegen war nicht mehr so schmerzhaft wie gestern.

„Und trotzdem! Doc Slim hat gesagt, du sollst die Hand schonen.“

Ich beschloss, dass es besser war keine Wiederworte zu geben. Statt dessen wechselte ich das Thema.

„Sag mal, ihr habt doch auch einen Waffenhändler hier. Kann man bei dem auch gute Messer kriegen?“

Handle Bar sah mich verdutzt an.

„Ja, schon. Aber was willst du mit nem Messer?“

„Na, nach dieser Aktion gestern dachte ich, es wäre besser wieder eins zu haben. Mit Messern kann ich umgehen und außerdem weiß ich nicht, wie hier eure Gesetzte bezüglich Schusswaffen sind.“ antwortete ich ehrlich.

„Nun, es darf erst einmal jeder eine Waffe besitzen, aber du musst dir einen Waffenschein bei Bravestarr holen und zudem darfst du sie auch nicht ohne Sondergenehmigung in der Öffentlichkeit tragen.“ erklärte Handle Bar.

„Und wie siehts mit einem Messer aus? Das gilt da doch nicht, oder?“ fragte ich.

„Nein. Und dennoch solltest du das nicht leichtfertig zücken.“ sagte er.

„Das hab ich auch nicht vor, aber ich will mich im Falle eines Falles wenigstens damit verteidigen können.“ sagte ich.

Handle Bar runzelte die Stirn, gab dann aber keine Wiederworte.

„Du kannst ja mal gucken gehen. Aber die Dinger sind nicht billig, soviel weiß ich.“ sagte er dann noch und verschwand mit dem schmutzigen Geschirr in der Küche.

Das hatte ich auch nicht erwartet. Ein wirklich gutes Messer kostete was. Ich würde mir die Dinger erst einmal ansehen. Aber vorher musste ich zur Miene. Die Jungs warteten mit Sicherheit schon auf mich und so machte ich mich davon.

Tatsächlich war an der Miene schon reges Treiben und wie ich sehen konnte, gab es wohl auch Probleme.

Denn etwa drei der Jungs, unter ihnen auch Billy Bob standen an dem Bohrer und diskutierten lautstark.

Der wird doch wohl nicht wieder kaputt sein, dachte ich und ging näher.

Als Billy Bob mich sah, kam er freudestrahlend und sichtlich erleichtert auf mich zu.

„Moin, Jungs!“ rief ich. „Gibts Probleme?“

„Morgen, Bianca. Allerdings! Der Bohrer läuft nicht mehr, der Treibstoff ist uns ausgegangen. Aber wir bekommen auch keinen neuen nach.“ sagte Billy Bob und wir gingen zusammen zu dem Bohrer zurück.

„Oje! Tja, also was den Treibstoff angeht, kann ich euch auch nicht helfen.“ sagte ich dann.

Am Bohrer angekommen wurde ich auch von den anderen begrüßt.

„Sag mal, du warst doch gestern bei dem Überfall in Sawtooth dabei!“ sagte dann Jack.

Er war so mit Schmutz bedeckt gewesen, dass ich ihn erst jetzt erkannte.

„Ja, war ich!“ sagte ich und hob meine Hand. Der Verband an meinem Oberarm war gut zu sehen.

„Hab auch ein paar Souvenirs mitgebracht.“ sagte ich dann scherzend.

„Pass bloß auf dich auf, Mädchen! Mit der Carrion Bunch ist wirklich nicht zu scherzen!“ sagte Joseph, der mittlerweile dazu gekommen war.

„Das hab ich gemerkt! Aber so einfach entführen lasse ich mich auch nicht!“ erwiderte ich.

„Außerdem ist unser Gast ziemlich wehrhaft!“ hörte ich dann plötzlich eine Stimme hinter mir und dann erst vernahm ich die Hufschläge.

Bravestarr kam auf uns zugeritten und hielt dann kurz bei uns an.

„Zumindest hat sie einen sehr eindrucksvollen Kampf gezeigt. Und das gegen Vipra!“

Die Männer zogen laut die Luft ein und starrten mich und Bravestarr dann ungläubig an.

„Gegen Vipra?“ keuchte Jack ungläubig.

„Ja, gegen Vipra! Und ich schwöre, das nächste Mal drehe ich dieser hinterhältigen Schlange den Hals um!“ sagte ich.

Bravestarr lachte.

„Nun, erst einmal solltest du dich im Kampf wohl zurück halten. Soweit ich weiß, hast du Schonzeit verschrieben bekommen.“ sagte er dann und deutete mit einem Kopfnicken auf meine Hand.

Ich grummelte leise.

„Musst du mich schon wieder daran erinnern? Außerdem ist es gar nicht mehr so schlimm.“

„Außerdem brauchen wir dringend ihre Hilfe.“ sagte Billy Bob dann und deutete auf den Bohrer.

„Wir bekommen diesen Treibstoff nicht mehr und ohne den läuft der nicht!“ sagte er dann an Bravestarr gewandt.

„Tja, da werde ich aber auch nichts machen können, Billy!“ sagte ich noch einmal.

„Treibstoff herstellen kann ich nicht.“

Die Männer sahen mich sofort niedergeschlagen an.

„Kannst du denn gar nichts tun?“ fragte Jack dann noch einmal verzweifelt. „Wir wollen uns nicht wieder so abplagen müssen. Und außerdem schürfen wir jetzt das dreifache an Kerium wie zuvor.“

Ich seufzte und sah den Bohrer an. Ich wollte den Jungs ja wirklich helfen. Außerdem musste ich mir auch noch etwas Kerium verdienen, um mir ein gescheites Messer kaufen zu können.

Plötzlich hatte ich eine Idee.

„Nun...ich könnte versuchen ihn auf Keriumbetrieb umzurüsten. Aber ich kann nicht versprechen, dass es geht.“ sagte ich dann langsam und nachdenklich.

Billy Bob sah aus, als wolle er mich gleich küssen.

„Du schaffst das mit Sicherheit! Du hast das Ding auch wieder zum laufen gebracht!“ rief er begeistert aus und auch die anderen Männer begannen zu strahlen.

„Na schön, na schön! Ich versuchs. Aber dafür muss ich mir erst einmal das nötige Werkzeug und die Teile beschaffen. Ich hab ehrlich gesagt kaum eine Ahnung, was ich da brauche. Ihr müsst mir schon etwas Zeit geben.“ sagte ich dann beschwichtigend.

„Kein Problem! Wir haben ja immer noch den Presslufthammer und der leistet auch ganz gute Dienste.“ sagte Joseph.

Frohlockend zogen Joseph, Jack und der andere dann von dannen und ich blieb mit Billy Bob allein zurück.

„Sag einfach, was du brauchst! Ich besorge es dir.“ sagte dieser dann eifrig.

„Na, ich bräuchte ein Anschauungsmodell von einem mit Kerium betriebenen Motor. Dann muss ich sehen, ob ich den alten umrüsten kann, oder gar ein komplett neuer Motor rein muss.“ sagte ich.

„Kein Problem!“ sagte Billy Bob und lief in Richtung Barracke, wo wohl auch das Büro drin war.

„Sieht so aus, als hättest du die Lage mal wieder gerettet!“ hörte ich dann Thirty-thirty sagen.

„Abwarten! Ich sagte ja, ich kann nicht dafür garantieren, dass ich es auch schaffe.“ beschwichtigte ich.

„Na, ich teile die Zuversicht der Männer. In der Beziehung scheinst du ja genauso ein geschicktes Händchen wie beim Kämpfen zu haben!“ sagte Bravestarr und ich spürte wieder, wie mir die Röte ins Gesicht schoss.

„Übrigens, vergiss den Gerichtstermin heute Nachmittag nicht. Drei Uhr, wäre besser, du wärst etwas früher da.“ fügte er dann noch hinzu.

„Keine Panik! Ich bin da!“ versprach ich und Bravestarr wandte sich mit Thirty-thirty ab und sie ritten davon in die Wüste.
 

Nachdem ich mit Billy Bob noch einiges geregelt hatte, machte ich mich auf zu dem Waffenhändler. Der Laden lag etwas versteckt in einer Seitenstraße und war auch nicht sehr groß. Irgendwie genau, wie auf der Erde. Waffen wurden gebraucht, waren aber gleichzeitig verpönt. Aber was solls. Ich betrat den Laden und musste feststellen, dass der Laden zwar klein war, aber genug Waffen hatte um einen Kleinkrieg anzufangen. Staunend blickte ich mich um Pistolen, Gewehre, diverse andere Schusswaffen. Und dann fiel mein Blick auf das, was ich gesucht hatte. In einem kleinen Schrank an der Wand lag ein Messersortiment von ca. 20 Stück. Sofort begann ich mir sie anzusehen. Ein Teil davon waren wahrscheinlich Laserklingen, denn ich konnte nur Griffe sehen. Doch ich sah tatsächlich auch ein wirklich sehr schönes Kampfmesser, mit Zierätzungen unterhalb des Griffes. Der Griff bestand aus schwarzem Kunststoff, genau wie die Scheide. Ich versuchte einen Preis für dieses wunderbare Stück auszumachen, konnte jedoch keine Preisschilder erkennen.

Plötzlich hörte ich Schritte und eine sehr heisere Stimme.

„Kann man behilflich sein, junge Frau?“

Ich richtete mich auf und sah zu dem Sprecher hinüber. Und war mehr als überrascht einen Dingo zu sehen. Einen ziemlich alten, wie es schien, denn er ging gebückt, sein Fell war dünn und fast weiß. Außerdem war er auf einem Auge blind. Das andere sah mich jedoch sehr aufmerksam und auch leicht misstrauisch an. Er trug eine Art altes Holzfällerhemd und eine abgewetzte Jeans. Und auch seine Schuhe hatten definitiv schon bessere Tage gesehen. Entweder lief das Geschäft nicht so gut, oder aber bei den Dingos verhielt es sich genauso wie bei manchen Menschen und mit dem Alter kam so eine gewisse Gleichgültigkeit, was die Kleidung anging.

„Ähm, ja. Ich interessiere mich für dieses schöne Stück hier!“ sagte ich und deutete auf das Kampfmesser.

Der Dingo kam auf mich zugehumpelt und folgte meinem Finger.

„Ah, ja! Ein besonderes Stück! Eine Rarietät, wie ich sagen muss.“ knurrte er rauh.

Dann blickte er mich mit seinem einen verbliebenen Auge an.

„Und sie interessieren sich tatsächlich dafür?“ fragte er dann etwas erstaunt.

Ich nickte.

„Ja. Was soll es denn kosten?“ fragte er.

Ein breites Grinsen begann sich auf seinem Gesicht auszubreiten.

„Nun, wie ich schon sagte, es ist ein wirklich seltenes Stück. Die werden kaum noch hergestellt, was sehr schade ist. Man findet immer nur noch diese Laserwaffen.“ sagte er.

Ich sah ihn weiterhin fragend an.

„Wieviel?“

„Fünftausend Galaxie-Dollar. Oder fünf Kilo und vierhundert Gramm Kerium!“ antwortete der Dingo.

Ich schluckte. Ich hatte mit viel Geld gerechnet. Aber so viel? Zerknirscht sah ich zu Boden.

„Das kann ich mir nicht leisten. Jedenfalls nicht auf die Schnelle.“ sagte ich dann.

„Bedauerlich!“ sagte der Dingo und drehte sich so, dass er nun direkt vor mir stand.

„Gestatten sie mir die Frage, was wollen sie mit dem Messer? Sammlerin sind sie nicht, oder? Ansonsten wären sie mit den Preisen vertraut.“

„Nein. Ich...nun ich trainiere Messerkampf und nach einer ziemlich ungemütlichen Geschichte gestern habe ich mir gedacht, es wäre besser mir eines zu zulegen.“ sagte ich offen.

Der Dingo sah mich überrascht an.

„Sie...haben Messerkampf gelernt?“

Ich nickte.

Sein Blick wurde in der Gesamtheit etwas freundlicher. Dann zog er plötzlich einen Schlüssel aus seiner Jeans und schloss den Schrank auf. Fast erfürchtig nahm er das Kampfmesser heraus und hielt es mir vorsichtig hin.

„Gestatten sie mir eine kleine Demonstration?“ fragte er dann.

Ich sah ihn verwundert an. Wieso wollte er das unbedingt sehen? Aber gut, wenn er wollte. Vielleicht sprang eine Preisermäßigung für mich dabei raus.

Vorsichtig legte ich meine rechte Hand um den Griff und nahm ihm die Klinge aus der Hand. Prüfend wiegte ich es in der Hand. In einem hatte ich mich in keinem Falle getäuscht, das Ding war kein Billigteil. Es war hervorragend ausbalanciert und der Griff lag sehr gut in der Hand.

Und dann ließ ich es blitzschnell vor seinen Augen erst um meinen Finger wirbeln und dann wirbelte ich es vor mir in gekonnten Achterschleifen herum, obgleich sich mein Handgelenk dabei doch mit heftigen Schmerzen zu Wort meldete. Aber das Gefühl die Waffe in den Händen zu halten war zu erhebend und ich achtete nicht großartig darauf.

Das sehende Auge des Dingos weitete sich noch mehr vor Erstaunen und schließlich gab ich ihm das Messer zurück.

„Sehr beeindruckend, junge Dame!“ sagte er dann und legte es vorsichtig in den Kasten zurück.

„Könnten...wir über den Preis nicht noch einmal reden? Ich mein...“ setzte ich dann vorsichtig an.

Doch er schüttelte sofort den Kopf.

„Tut mir leid!“ sagte er dann „Aber das ist wirklich das mindeste, was ich dafür nehmen muss.“

Er schloss den Schrank wieder ab und wandte sich dann aber mit einem versöhnlichen Lächeln wieder mir zu.

„Aber ich könnte ihnen einen anderen Vorschlag machen.“ sagte er dann.

„Und der wäre?“ fragte ich, bemüht den misstrauischen Unterton in meiner Stimme zu unterdrücken.

„Ich könnte ihnen die Waffe zurück legen, bis sie das Geld zusammen hätten. Ich glaube zwar nicht, dass sie ihnen jemand wegkaufen würde, aber so wären sie sicher.“ antwortete er.

Ich sah in überrascht an.

„Das könnten sie tun?“ fragte ich.

Er nickte.

„Ja.“

„Nun, es könnte aber noch einige Wochen dauern, bis ich das Geld zusammen habe.“ sagte ich dann.

„Das macht nichts. Irgendwie finde ich es schön, dass es in die Hände von jemandem kommt, der damit noch richtig umzugehen weiß und bei dem es nicht einfach in einem Schrank vergammelt!“ sagte er.

Ich strahlte ihn an.

„Ich danke ihnen. Ich beeile mich, das Geld zusammen zu bekommen!“

„Keine Ursache, junge Dame.“

Fröhlich verabschiedete ich mich von dem Verkäufer und verließ das Geschäft. Wenn ich das gute Stück auch nicht schon in den Händen hielt, so hatte ich es mir doch gesichert. Und ich würde jeden Cent, oder viel mehr jedes Keriumstück darauf sparen, so gut es ging.

Ich kehrte zum Saloon zurück. Es war mittlerweile ein Uhr mittags und so wie ich Handle Bar kannte, wartete er mit Sicherheit schon mit dem Mittagessen auf mich.
 

Um halb drei fand ich mich an dem Gerichtsgebäude ein. Langsam ging ich die Stufen hoch und betrachtete dabei die merkwürdige Architektur. Ich musste schmunzeln. Man hatte sich alle Mühe gegeben den alten Gerichtsgebäuden nachzueifern aber es wirkte dennoch komisch, vor allem mit den nachgeahmten griechischen, bzw. römischen Säulen davor. Während ich das Gebäude betrat kam ich nicht umhin mich zu fragen, ob hier überhaupt jemand hier noch etwas von den alten Griechen oder Römern wusste. In einer Welt, in der man nicht einmal mehr Motorradräder und sowas kannte. Wahrscheinlich wussten nur die eingefleischten Geschichtsfans noch etwas darüber. Mein Blick fiel auf eine Tür, die offen stand und ich konnte die Richterin davor sehen, wie sie mit dem Bürgermeister sprach. Ich konnte auch einige Zuschauer in dem Raum sehen, der nicht sehr groß wirkte. Vor Kopf stand der riesige Richterpult, an dessen Seiten jeweils niedrigere Sitzplätze zu finden waren. Wahrscheinlich für die Angeklagten, oder die Zeugen. Ich ging weiter auf die Richterin zu, die sich nun mir zuwandte.

„Ah, Bianca! Gut das sie kommen, wir fangen bald an.“ sagte sie dann und betrat mit mir zusammen den Gerichtssaal. Ich sah mich unauffällig um. Tatsächlich hatten sich wohl schon alle Zuschauer eingefunden, denn die Sitze waren bis auf den letzten Platz gefüllt. Ich sah rechts vom Richterpult noch einen Sitzblock, der ein wenig wie Kinositze angeordnet waren. Jeder Platz war mit Leuten besetzt. Aus den guten alten John Grisham-Schinken wusste ich, dass es die Jury war. Also hatten sie hier ein ähnliches Rechtssystem wie in Amerika. Passte mal wieder irgendwie.

Vor dem Zuschauerreien waren noch zwei Tische, an denen Leute platz nehmen konnten. Auf der rechten Seite konnte ich die anderen Leute sitzen sehen, die bei dem Banküberfall dabei waren. Ich beschloss mich zu ihnen zu gesellen und ging den Gang durch die Zuschauerreihen zu ihnen. Während ich die Reihen passierte, drehten sich einige Leute nach mir um und ich hörte Getuschel hinter mir. Scheinbar hatte dieser Tex Hex recht gehabt und ich war tatsächlich eine Berühmtheit geworden. Ich versuchte das Getuschel zu ignorieren, denn eigentlich war mir sowas unangenehm. Ich ließ mich bei den anderen Zeugen an dem einzigen freien Tisch nieder und wartete gespannt. Pünktlich um drei Uhr setzte sich McBride an den Richterpult und schlug mit einem Hammer darauf, worauf gleich Ruhe in dem Saal herrschte.

„Die Gerichtsverhandlung gegen Dix und Barko beginnt!“ ließ sie ihre Stimme hören.

Im selben Moment konnte ich das Klirren von Ketten hören und ich sah den Gang rauf, den Bravestarr gerade herunter schritt, die beiden Gefangenen an einer Kette hinter sich herführend. Er führte sie zu dem freien Tisch, die wohl die Anklagebank war und kettete sie an die Stühle fest.

„Danke, Marshall.“ sagte J.B. und Bravestarr trat mit einem Kopfnicken zurück.

„Dix und Barko. Ihr seid angeklagt des versuchten Raubes und des unerlaubten Führens von Schusswaffen. Wollt ihr zu euch zu den Anklagepunkten äußern, oder von eurem Recht zu Schweigen gebrauch machen?“ fragte J.B. die beiden.

Diese schwiegen grummelnd.

„Nun gut! Dann rufe ich die erste Zeugin in den Zeugenstand. Miss Bianca Harker.“

Ein Raunen ging durch die Zuschauer und auch durch die Jury, als ich mich langsam erhob und zu dem Zeugenstand ging, auf den die Richterin deutete, links von ihr. Gehorsam ließ ich mich auf dem Stuhl nieder, sah die beiden Dingos an, deren Blicke mich nahezu töteten. Trotz des dichten Felles konnte ich sehen, dass die gesamte Gesichtshälfte des einen Dingos geschwollen und wahrscheinlich auch blitzeblau war. Zumindest war sein Auge zugeschwollen. Dann traf ich Bravestarrs Blick, der mir aufmunternd zulächelte. Ich lächelte ganz sacht zurück.

„Miss Harker, schwören sie, dass sie die Wahrheit sagen und nichts als die Wahrheit, so heben sie die rechte Hand und sagen sie: „Ich schwöre.“

Ich hob gehorsam die Rechte.

„Ich schwöre!“ sagte ich laut und deutlich.

„Nun, Miss Harker, schildern sie dem Gericht die Geschehnisse des 15 Juni 2249.“ forderte sie mich dann auf.

„An dem Morgen schickte Handle Bar mich mit den Einnahmen des Freitages zur Bank, um diese dort abzugeben. Ich traf so gegen zehn Uhr in der Bank ein. Nebst mir waren noch vier weitere Personen in der Bank...“

„Um welche Personen handelte es sich dabei genau?“ unterbrach mich die Richterin.

„Um die Personen, die dort am Tisch sitzen!“ sagte ich und deutete mit der Hand auf den Schürfer, die Frau mit ihrem kleinen Sohn und den Geschäftsmann.

„Was geschah dann?“ fragte J.B.

„Ich war als letzte dran und stellte mich an die Schlange. So nach etwa zwei Minuten kamen dann die Angeklagten herein, riefen, dass dies ein Überfall sei und bedrohten uns mit Schusswaffen. Dem Roboter am Schalter haben sie dann den Schädel weggepustet, als dieser Alarm geben wollte. Und dann haben sie uns aufgefordert Geld und Kerium herauszugeben.“

„Stimmt es, dass die Angeklagten den Abend zuvor schon auf sie in Handle Bars Saloon gestoßen waren und sie dort bedroht hatten?“ unterbrach sie mich.

„Ja, das stimmt. Sie wollten mich einschüchtern und wurden von Handle Bar herausgeworfen. Sie erkannten mich bei dem Überfall auch wieder und verlangten die Kasse des Saloons von mir.“

„Stimmt es, dass sie die beiden Angeklagten überwältigten?“ fragte sie mich dann und die Blicke der Dingos wurden noch tödlicher.

„Ja, das stimmt!“ sagte ich nickend. „Ich bin, wie soll ich sagen, im Nahkampf trainiert und habe unter anderem auch gelernt, wie ich mich in solchen Situationen zu verhalten habe. Ich bin auf den vordersten der beiden zugegangen, habe ihm die Kasse zugeworfen und er hat sie im Reflex gefangen. Dadurch ließ er natürlich auch seine Waffe fallen und ich trat ihm in den Magen, worauf er zu Boden ging. Der andere war von meiner Gegenwehr scheinbar sehr überrumpelt und reagierte zuerst nicht. Ich nutzte die zeit, um ihm die Waffe zu entreißen und ihn damit nieder zuschlagen. Und das war es dann eigentlich auch schon. Zwei Sekunden später erschien dann der Marshall.“ schloss ich meinen Bericht ab.

„Danke, Miss Harker. Sie sind hiermit aus dem Zeugenstand entlassen!“

Ich stand auf und ging zum Tisch der Zeugen zurück.

Dann wurde die Frau in den Zeugenstand gerufen, danach der kleine Junge, den J.B. mit Samthandschuhen bei der Befragung anfasste. Der Kleine hatte aber mehr damit zu tun, davon zu schwärmen, wie ich die Dingos erledigt hatte. Die Leute amüsierten sich königlich darüber, ich konnte Bravestarr lächeln sehen und die Dingos sahen noch wütender drein. Und zuletzt der Schürfer. Als letztes machte der Geschäftsmann seine Aussage.

„Nun möchte ich den Angeklagten ein letztes Mal die Gelegenheit geben, sich zu den Vorwürfen zu äußern.“ sagte dann die Richterin.

Die beiden schwiegen jedoch eisern.

„Nun gut. Dann möchte ich die Jury bitten ihr Urteil abzugeben.“

Es lautete einstimmig schuldig.

„Hiermit verurteile ich die Angeklagten zu Gefängnisstrafen von je sechs Jahren auf dem Gefängnisplaneten FG 161.“ verkündigte sie dann das Urteil.

„Marshall, führen sie die Gefangenen ab!“

„Jawohl, Richterin!“ sagte Bravestarr und machte sich daran, die beiden von ihren Plätzen zu lösen und sie aus dem Saal zu führen.

Nun erhoben sich auch die restlichen Leute und ich wollte mich auch auf dem Weg nach draußen machen, als ich von der Frau, die ebenfalls als Zeugin ausgesagt hatte, mich zurück hielt.

„Ich wollte dir nur noch einmal danken, für deinen Einsatz und...“ sie deutete mit einem Kopfnicken auf ihren Sohn. „...mein Junge nervt mich ständig, er will sowas auch lernen. Könntest du ihm vielleicht...nun, ich würde es dir auch entlohnen.“ sagte sie dann etwas schüchtern.

Das wurde immer verrückter! Jetzt wurde ich schon Kampfsporttrainerin! Aber es freute mich ja auch.

„Gern. Aber sie müssen mich nicht bezahlen. Ob ich nun allein trainiere, oder ihrem Jungen nebenher noch was beibringe, das macht zeitlich keinen Unterschied.“

„Nein, nein, wenigstens eine Kleinigkeit!“ entgegnete sie entschieden. Wenn ich ehrlich sein soll, dann bin ich sogar sehr froh darüber. Du hast ja wohl schon selbst am eigenen Leibe erfahren, wie es auf diesem Planeten manchmal zugeht! Ich bin froh, wenn ich weiß, dass mein Junge sich wenigstens in ein paar Situationen behaupten kann!“ sagte sie dann.

Der Kleine trat neben sie und sah mich fröhlich an.

„Kann ich dann auch bald Dingos so verhauen wie du?“ fragte er mich hibbelig.

Ich lächelte und ging vor ihm etwas in die Knie.

„Nun, wie ich dir bereits sagte, das muss man lange trainieren. Aber wenn du fleißig bist und regelmäßig trainierst, dann kannst du das in ein paar Jahren auch.“ sagte ich ihm ehrlich.

„Mache ich! Mache ich! Ich will auch Dingos verhauen können!“ rief er begeistert.

Ich lachte.

„Na wenn dem so ist, dann bist du jetzt mein Schüler, Brad!“ sagte ich.

Seinen Namen wusste ich von seiner Vernehmung her.

„Oh, toll! Toll! Wann fangen wir an?“ jubelte er.

„Wenn du möchtest, schon heute!“ antwortete ich lächelnd.

„Darf ich, Mama!“ rief der Kleine sofort.

„Ja, okay.“ sagte sie dann lachend.

„Wann wäre es dir denn passend?“ fragte sie dann an mich gewandt.

„Nun, sieben Uhr, denke ich ist ne gute Zeit. Eine Stunde.“ antwortete ich.

Sie nickte.

„In Ordnung. Wo?“

„Im Saloon. Er soll leichte Sportkleidung tragen. Wir werden zwar erst mal langsam anfangen, aber für jemanden, der ungeübt ist, wird das schon hart. Und außerdem...“

Ich hob meine rechte Hand und zeigte den Verband.

„Nach der Sache gestern muss ich so oder so mit den leichten Sachen anfangen.“

„Das macht nichts.“ beschwichtigte sie.

„Na dann sehen wir uns heute Abend, Brad!“ sagte ich an den Jungen gewandt.

Danach verließen wir alle das Gericht. Ich konnte es nicht unterlassen mich in Richtung des Marshall-Büros umzusehen.

Doch dann beeilte ich mich zum Saloon zurück zukommen. Handle Bar wollte sicher wissen, wie die Verhandlung ausgegangen war.

„Und? Was haben diese dreckigen Ratten bekommen?“ fragte er auch prompt, als ich in den Saloon kam.

Ich erzählte ihm alles und er nickte zufrieden.

„Gut! Dann sind wir diese dreckigen Ratten die nächsten Jahren los!“ sagte er dann zufrieden. „Darauf trinken wir!“

Er nahm zwei Gläser aus dem Regal und stellte sie auf die Bar. Dann kippte er zwei doppelte Starblazer ein. Wir stießen an.

„Sag mal, Handle Bar, hast du einen Platz, wo ich ein bißchen trainieren könnte? Ich muss mich wieder ein bißchen üben und außerdem...“ ich sah ihn etwas verlegen an. „...hab ich einen Schüler, der heute Abend zum ersten Mal kommen wollte.“

Er sah mich mit großen Augen an.

„Du hast schon Schüler?“ fragte er überrascht.

Ich nickte verlegen.

„Ja. Der Junge, der bei dem Überfall dabei war. Seine Mutter meinte, er sei nicht mehr zu halten, was das anging. Und ich muss auch sagen, dass ich mich freue, wenn ich das weitergeben kann. Schaden kann es dem Jungen in keinem Falle.“

Handle Bar überlegte sichtlich.

„Nun, ich habe den Hinterhof. Der müsste eigentlich, was den Platz angeht, groß genug sein.“ sagte er schließlich.

Dann ließ er das Wischtuch fallen, mit dem er schon wieder hantiert hatte.

„Komm! Ich zeig ihn dir!“ sagte er und ich folgte ihm durch eine Hintertür.

Wir kamen nach einem kurzen Gang in einen schattigen Hinterhof, den Handle Bar scheinbar für alles mögliche nutzte. Ich konnte Schrott sehen, Mülleimer und diverse andere Sachen. Aber es war Platz.

„Das ist perfekt!“ sagte ich.

Handle Bar nickte.

„In Ordnung. Ich bin echt gespannt auf deinen Schüler. Und wie du als Lehrerin bist.“ sagte er dann lächelnd.

Da war er nicht der einzige.

Trainingszeit

Bereits kurz vor sieben stand der kleine Brad dann vor mir. In leichter Sportkleidung, wie ich es gesagt hatte und trat nervös von einem Bein auf das andere. Während seine Mutter mir trotz Gegenwehr ein Keriumstück in die Hand drückte.

„Das ist wirklich nicht nötig, Miss...“ setzte ich an. Eigentlich müsste ich ihren Namen ja mittlerweile kennen. Schließlich hatte sie ja heute auch bei Gericht ausgesagt. Aber mein Namensgedächtnis war nie das beste gewesen.

„Davis. Und ich würde mich schlecht fühlen, wenn sie es für umsonst machen müssten. Ich könnte mir vorstellen, dass es nicht leicht ist, Kinder zu trainieren.“ erwiderte sie.

„Och, kommt drauf an. Wenn man nicht gerade eine unkonzentrierte Rasselbande vor sich hat, ist das gar nicht schlimm.“ beschwichtigte ich.

„Nun, ich hoffe, dass er sich benimmt. Wirst du doch, oder Brad?“ fragte sie dann an ihren Sohn gewandt.

„Ja, Mama!“ antwortete er gehorsam.

„Ich hole ihn dann um acht wieder ab.“ sagte Mrs Davis an mich gewandt und verließ den Saloon.

Ich steckte das Stück Kerium ein und wandte mich dann meinem Schüler zu.

„Nun, Brad, dann wollen wir mal.“

Ich lief mit ihm im Schlepptau zum Hinterhof, wo ich natürlich schon ein wenig vorbereitet hatte. Ich hatte alles, was dort herumlag und irgendwie stören könnte weggeräumt und hatte sogar ein paar alte sehr dünne Matten auftreiben können. Das nächste, was ich dann wohl tun musste, war wohl zu versuchen an Trainingsmatten heranzukommen. Zumindest an etwas vergleichbares. Denn Würfe auf dem harten Boden zu trainieren war nicht sehr angenehm.

„Wie alt bist du eigentlich, Brad?“ fragte ich ihn, als wir den Hof erreichten.

„Ich bin acht.“ sagte er stolz.

„Acht, so so. Dann wird es eigentlich auch höchste Zeit, dass du kämpfen lernst, oder?“ fragte ich ihn zwinkernd.

Er nickte heftig.

Ich führte ihn auf die Stelle, wo ich die Matten hingelegt hatte.

„Nun, zuerst einmal will ich dir ein bisschen was über Ju Jutsu erzählen. Das ist eine relativ moderne Kampfsportart und ist eigentlich eine Mischung aus allen möglichen anderen Kampfsportarten. Wir verwenden Tritte und Schläge, aber auch Hebelgriffe und Würfe.“

Ich demonstrierte ihm ein paar Techniken – möglichst solche, bei denen mein Handgelenk nicht allzu sehr beansprucht wurde – was er mit aufgerissenen Augen und noch mehr Hibbeligkeit quittierte.

„Unglaublich wichtig ist dabei volle Konzentration! Wenn ich die Techniken mit dir übe, darfst du auf keinen Fall unkonzentriert sein, denn dann kannst du dich oder mich zum Teil sehr schwer verletzten. Verstanden?“

Er nickte eifrig.

„Gut. Dann machen wir uns erst einmal warm. Denn das ist auch sehr wichtig. Die Muskulatur muss gedehnt und gelockert sein, denn ansonsten kann auch das zu Verletzungen führen.“

Ich machte erst einmal fünfzehn Minuten Lockerungsübungen und dann begann der ernste Teil. Erste leichte Techniken, wie Schläge und Tritte. Es zeigte sich sehr bald, dass Brad ein aufmerksamer und gelehriger Schüler war. Natürlich bekam er die Techniken nicht sofort perfekt hin, aber er hörte aufmerksam zu, wenn ich seine Fehler korrigierte und bemühte sich sie immer besser zu machen. Ich bemerkte gar nicht, wie die Zeit davon lief und mit einem Mal sah ich auf die Uhr und musste feststellen, dass es bereist acht war.

„Oha! Wir müssen abbrechen, Brad! Deine Mutter wartet bestimmt schon!“ sagte ich dann.

„Och, können wir sie nicht bitten, dass wir noch etwas länger machen können?“ fragte er mich enttäuscht.

Ich musste grinsen.

„Nein, Brad. Es ist erst einmal besser, wir belassen es bei einer Stunde Training. Du bist das noch nicht gewöhnt und ich kann dir versprechen, dass du morgen schon ganz schöne Probleme mit dem Bewegen haben wirst.“ sagte ich und wir verließen den Raum.

„Als ich meine erste Ju Jutsu – Stunde hinter mir hatte, konnte ich mich am nächsten Tag vor Muskelkater kaum rühren.“

„Aber wir trainieren morgen weiter, ja?“ fragte er mich eifrig.

Ich schüttelte den Kopf.

„Übermorgen. Glaub mir, du wirst morgen ziemlichen Muskelkater haben und dann ist dir bestimmt nicht nach Training!“

Wir kamen in den Saloon, wo tatsächlich schon Brads Mutter auf uns wartete. Als sie ihren völlig verschwitzten Jungen sah, schaute sie etwas erstaunt drein.

„Na, ihr müsst ja ganz schön rumgetollt sein.“ sagte sie dann und strich ihrem Sohn über das schweißnasse Haar.

„Das ist total toll, Mama! Macht Spaß!“ rief er.

„Er macht sich gut. Ich denke, er kommt schnell weiter.“ sagte ich an seine Mutter gewandt.

„Das höre ich gern. Wann kann ich ihn denn das nächste Mal bringen?“ fragte sie dann.

„Übermorgen.“ antwortete ich. „Selbe Zeit, wenn sie möchten.“

„In Ordnung.“ nickte sie und nahm Brad an der Hand.

„Bis übermorgen Brad.“ sagte ich und winkte dem Jungen nach.

Begeistert zurück winkend folgte der Junge seiner Mutter.

Dann hörte ich Schritte hinter mir.

„Und? Wie hat er sich gemacht?“ fragte Handle Bar.

„Gut! Gelehriger kleiner Kerl!“ sagte ich während ich mich zu ihm umdrehte.

„Na, so wie ich das einschätze wirst du dann wohl schon bald mehr Schüler haben.“sagte er dann.

Ich runzelte die Stirn.

„Wieso das?“

„Nun, ich will nicht schlecht über Miss Davis reden, aber sie ist ne ziemliche Tratschtante. Wenn sie rum erzählt, wie gut du ihren Kleinen trainierst, dann dauert es nicht lange und du hast ne kleine Truppe an den Hacken.“ antwortete er und schüttete Süßwasser in zwei Gläser. Ich ließ mich an der Bar nieder.

„Dann werde ich wohl bald nen richtigen Trainingsraum brauchen.“ sagte ich im Scherz.

„Wirst du wohl, ja.“ antwortete Handle Bar völlig ernst.

Ich zog es vor nicht darauf zu antworten. Ich fand, er übertrieb. Ich kippte mein Süßwasser runter und sprang dann vom Stuhl.

„Ich denke, ich werde jetzt selbst noch ein wenig trainieren.“ sagte ich dann, Handle Bars kritischen Blick ignorierend und wieder zum Hinterhof laufend.

Dort angekommen bewegte ich mein rechtes Handgelenk prüfend. Der Doc musste es schlimmer eingeschätzt haben, als es ist, denn es tat kaum noch weh. Auch bei Bewegungen nicht. Ich schätzte, ich würde ein paar Trainingseinheiten verkraften können. Und so begann ich erst langsam einige Combos zu machen und wurde mit der Zeit immer schneller. Ich spürte, wie die Kampfeslust in mir aufstieg, ein Gefühl, dass ich unglaublich liebte und genoss. Meine Fäuste und Füße stießen gezielt auf imanigäre Gegner zu, ich wich zwischendurch imaginären Attacken aus.

Und als ich einen Schlag aus der Drehung ausübte, wurde meine Hand plötzlich gepackt und ich starrte zuerst auf den weißen Handschuh, in dem die Hand steckte und dann wanderte mein Blick den starken Arm in dem gelben Hemd hoch und blieb in dem dunklen Gesicht hängen, auf dem ein beeindruckter, aber auch leicht amüsierter Ausdruck lag.

„Eigentlich solltest du dein Handgelenk doch schonen!“ sagte er mit einem leicht vorwurfsvollen Ton.

Mein Magen begann sich zu verkrampfen.

„Es tut wirklich schon nicht mehr weh! Und ich will nicht aus dem Training kommen!“ erwiderte ich.

Er ließ meine Hand los und trat noch einen Schritt zurück, den Kopf dabei leicht schief legend.

„Handle Bar hat mir gerade erzählt, dass du einen Schüler hast.“ sagte er dann.

Ich nickte verlegen.

„Ja. Der kleine Brad Davis. Er hat nach dem Banküberfall keine Ruhe mehr gegeben, wollte unbedingt, dass ich ihm das beibringe. Ich finde es aber auch schön das weiter zugeben. Und schaden kann es dem Jungen nicht.“

Er nickte ebenfalls.

„Ja, das denke ich auch.“

Dann sah er mich in einer ganz merkwürdigen Art an.

„Und nach dem, was ich gerade gesehen habe, wirst du wahrscheinlich einen richtigen Kämpfer aus ihm machen.“

Das Blut schoss in meinen Kopf. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und starrte verlegen lächelnd zu Boden.

Plötzlich hörte ich ein Rascheln, von Kleidung. Ich sah beinahe erschrocken auf und stellte fest, dass Bravestarr sich seines Hutes, seiner Handschuhe und seines Hemdes entledigt hatte. Er trug nur noch ein hellgelbes Unterhemd und seine kräftigen Arme waren komplett entblößt. Unter der bronzefarbenen Haut spannten sich kräftige Muskeln. Ich musste mich beinahe gewaltsam von diesem Anblick losreißen.

Was passierte jetzt? Wollte er etwa...?

„Und nun...“ sagte er langsam und ging auf mich zu, blieb mit in den Hüften gestemmten Händen vor mir stehen und sah mich herausfordernd an.

„Mir wäre ebenfalls nach ein bißchen Training. Ist lange her.“ sagte er.

Ich starrte ihn ungläubig an.

„Du...du willst mit mir kämpfen?“ fragte ich.

Er nickte.

„Ja.“

Er ging in Kampfhaltung und sah mich auffordernd an. Ich stand immer noch völlig verdattert vor ihm.

„Ich...ich weiß nicht, ob ich...gegen dich wirklich kämpfen kann.“ sagte ich schließlich.

Er lachte leise.

„Stell dir doch einfach vor, ich sei einer von den bösen Jungs.“

Ich grinste, knallrot werdend.

„Das wird zwar schwer, aber ich versuchs.“ antwortete ich, nahm ebenfalls Kampfhaltung ein und versuchte dann tatsächlich alle meine Gefühle für ihn zu verdrängen und ihn tatsächlich als Gegner zu sehen. Doch es fiel mir unglaublich schwer.

Und dann griff er an. Ein gezielter Faustschlag auf mein Gesicht. Doch ich packte seinen Arm, drehte mich mit dem Rücken zu ihm und ließ ihn durch seinen eigenen Schwung einen Salto über meinen Rücken machen und er landete vor mir auf dem Rücken. Doch er war mit einer fließenden Bewegung wieder auf den Beinen und attackierte mich dieses Mal seinerseits mit einem Griff an meinen Hals. Ich sprengte diesen jedoch sofort und stieß ihm den Fuß in die Leibesmitte, was ihn zwar nicht zu Boden warf, aber zurück taumeln ließ.

Er grinste mich an.

„Klappt doch eigentlich ganz gut.“ sagte er dann.

Und mit einem Mal spannte sich sein ganzer Körper, auf eine sehr aggressive Art. Ich wusste, dass er bis jetzt nur mit mir gespielt hatte. Jetzt schien er Ernst machen zu wollen. Ich zwang mich ein weiteres Mal mich voll und ganz auf den Kampf zu konzentrieren. Und das war auch bitter nötig, wie ich dann schnell feststellen musste.

Mit einer kraftvollen Bewegung stieß er sich ab und versuchte gegen meinen Brustkorb zu schlagen. Ich drehte mich seitlich aus seiner Linie heraus und ließ ihn an mir vorbei rennen, wobei ich ihm mehr symbolisch die Handkante ins Genick schlug, jedoch darauf bedacht ihm nicht weh zu tun. Aber er schien es auch nicht wirklich zur Kenntnis zu nehmen, denn er wirbelte sofort herum und griff mich dieses Mal mit einem Halbkreisförmigen Karatetritt gegen meinen Kopf an. Im letzten Moment wich ich diesem leicht aus, blockte ihn mit einem Arm ab und griff dann jedoch sein Bein und schob ihn einfach zurück. Prombt verlor er das Gleichgewicht, vollführte aber im Sturz eine Rolle Rückwärts und stand wieder auf den Beinen.

Und dann begann ein heftiger Schlagabtausch, bei dem ich recht schnell feststellen musste, dass er mir im Punkt Kampferfahrung weit voraus war. Was aber auch kein Wunder war.

Schließlich hatte ich meine Kampfkünste das erste mal hier anwenden müssen, bei dem Banküberfall. Und bei dem Angriff auf Sawtooth hatte ich schnell feststellen müssen, dass ein Trainingskampf etwas ganz anderes war, als ein Kampf in der Realität.

Ich konnte nicht sagen, wie viel Zeit verging, aber irgendwann, als ich gerade zu einem Hebelgriff ansetzten wollte, kam Bravestarr mir zuvor und ich landete auf dem Rücken. Und sofort war er über mir und presste mich mit seinem Gewicht zu Boden. Seine Arme blockierten meine.

Und dann war sein Gesicht keine fünf Zentimeter von meinem entfernt. Und ich konnte seinen Atem spüren, roch seinen Schweiß, spürte seine Wärme. Es machte mich unfähig noch irgendetwas zu tun, wie erstarrt lag ich unter ihm.

„Was wäre denn, wenn ich jetzt einer von diesen bösen Jungs wäre?“ fragte er auf einmal leicht neckisch.

Ich schluckte.

Er kam mir noch näher.

„Einer dieser bösen Jungs, die bestimmte Dinge mit einem hübschen Mädchen wie dir tun wollen?“

Mir blieb der Atem weg, aber nicht wegen seinem Gewicht. Vielleicht ein Zentimeter war sein Gesicht nun noch von meinem entfernt, seine Lippen waren auf gleicher Höhe mit meinen. Ich schmeckte seinen Atem beinahe. Warum sollte ich diesen letzten Zentimeter nicht einfach übertreten? Warum sollte ich nicht einfach das tun, wonach ich mich so sehr sehnte? Ich spürte, wie ich am ganzen Körper zu zittern begann, sein Blick brannte sich in meine Augen. Meine Halsmuskeln spannten sich, bereit dazu, diesen letzten verfluchten Zentimeter zu überbrücken.

„He ihr zwei!“

Wir schreckten beide auf und sahen zur Tür. Handle Bar stand dort, die Hände in die Hüften gestemmt und amüsiert zu uns rüber blickend. So sehr ich Handle Bar mochte, aber in diesem Moment war mir danach einen der tödlichen Schläge an ihm zu üben.

„Ich unterbreche euch ungern, aber Thirty-thirty ist grad reingekommen. Er hat einen Notruf von ein paar Siedlern, draußen im Moon-Valley reinbekommen. Scheinbar ne Bande Dingos.“

Bravestarr richtete sich sofort auf, ging zu seinem Hemd und zog sich wieder an.

„Sag ihm, ich bin sofort da!“ sagte er knapp und Handle Bar verließ den Hinterhof.

„Tut mir leid, aber ich schätze, wir müssen diese Trainingseinheit ein anderes mal fortsetzen.“ sagte Bravestarr dann an mich gewandt, während er seinen Hut aufsetzte.

Ich stand allmählich auch wieder auf den Beinen und rückte meine Kleider zurecht. Ich war immer noch betäubt von vorhin und gleichzeitig von einer unglaublichen Traurigkeit erfüllt.

Wieso hatte das jetzt kommen müssen? Wieso musste dieser Notruf jetzt reinkommen?

„Ist schon okay. Das ist wichtiger!“ sagte ich dann aber verständnisvoll.

Bravestarr lächelte mich noch einmal sehr warm an.

„Bis später!“ sagte er dann noch und eilte dann in den Saloon, wo wahrscheinlich schon Thirty-thirty auf ihn wartete.

Ich blieb noch einige Minuten auf dem Hof stehen. Ich spürte immer noch die Stellen an meinem Körper, wo ich mit dem Boden kollidiert war und ich meinte auch nach wie vor seinen Geruch wahr zunehmen und die Wärme seines Körpers.

Tief in Gedanken versunken machte ich mich schließlich auch auf den Weg in den Saloon, wo Handle Bar hinter dem Tresen stand und Gläser auswischte. An einem Tisch neben dem Eingang hatte sich eine Familie mit zwei Kindern eingefunden, die wohl zu Abend essen wollten.

„Tut mir leid, dass ich da reingeplatzt bin.“ sagte Handle Bar plötzlich.

Ich sah ihn erst verwirrt an.

„Was meinst du?“ fragte ich.

„Na, eure kleine Trainingseinheit. Ihr scheint sie ja sehr genossen zu haben.“ antwortete er.

Verlegen sah ich zu Boden und suchte nach der passenden Antwort. Dann konnte ich Handle Bar lachen hören.

„Na gut! Themawechsel!“ sagte er dann glucksend. „Ich glaube, du solltest dich ein bißchen frisch machen. Du musst mir heute abend schließlich noch zeigen, wie man Irish Stue macht.“

Ich sah überrascht auf.

„Hast du alles bekommen?“ fragte ich ihn.

„Ja, hab ich. Und ich bin schon echt gespannt darauf.“ antwortete er.

Verschüttet

Ich erwachte wieder gewohnt früh am nächsten Morgen. Ich beeilte mich aus dem Bett zu kommen und mich fertig zu machen. Ich wollte zur Miene um mich um die Sache mit den Maschinen zu kümmern und außerdem wollte ich mit Billy Bob reden, ob ich nicht vielleicht doch ein wenig in der Miene arbeiten konnte. Ich musste schließlich irgendwie an das Geld, bzw. Kerium kommen, dass ich für mein Messer brauchte.

Als ich in den Saloon kam musste ich wie immer feststellen, dass Handle Bar schon wieder auf den Beinen war. Ich beeilte mich ihm bei den vorbereitenden Handgriffen zur Hand zu gehen und dann gab es wie immer ein ordentliches Frühstück. Dabei eröffnete Handle Bar mir, dass er Irish Stue nun auf die Speisekarte packen wollte. Tatsächlich war er gestern gar nicht mehr aus dem Schwärmen herausgekommen, nachdem wir es zusammen gekocht hatten und uns ordentlich daran bedient hatten.

„Na dann bin ich ja mal gespannt auf die Meinung der anderen Leute, wenn sie es probieren!“ sagte ich und half ihm beim Abräumen.

„Ach, so was Gutes kann nur gut ankommen.“ sagte Handle Bar fröhlich und begann abzuwaschen.

Nachdem alles aufgeräumt war, machte ich mich auf den Weg.

Tatsächlich wurde ich an der Miene schon sehnsüchtig erwartet. Billy Bob schien tatsächlich richtig Gas gegeben zu haben und hatte alles besorgt, was ich brauchte. Auch einen kleinen Keriumbetriebenen Motor als Muster.

„Sag mal, Billy, wäre es möglich, dass ich die nächsten Tage euch noch ein wenig beim Schürfen helfe?“ fragte ich ihn dann.

Er nickte.

„Im Moment können wir ehrlich gesagt jede helfende Hand gebrauchen.“ sagte er, während wir zur Miene gingen.

„Kaum zu glauben, wie schnell man sich an die Maschinen gewöhnen kann. Die Jungs sind richtig mürrisch, seid dem der Bohrer nicht mehr läuft.“ erzählte er.

„Ich verspreche dir, ich tue mein bestes, um den Bohrer umzurüsten. Aber ich kann nun mal leider nichts versprechen.“ sagte ich.

Er klopfte mir lachend auf die Schulter.

„Das schaffst du schon.“ sagte er locker und wir gingen in die Miene rein.

Wir hatten die Stelle erreicht, wo der Bohrer stand. Billy Bob hatte mir alle Sachen dazu gestellt.

„Gut, ich sehe mir erst einmal die Motoren an und guck mal, was sich machen lässt.“ sagte ich dann.

Er nickte.

„Okay, ich spreche mit den Jungs, dass du uns auch drinnen noch ein wenig zur Hand gehst.“

„Okay.“ sagte ich und ging neben den Sachen in die Knie, um mich um den Motoren zu widmen.

Dann spürte ich Billys Hand auf meiner Schulter.

„Und wegen der Bezahlung, wir schulden dir sowieso noch was. Und ich denke, wir können es auch so machen, dass du behälst, was du findest.“ sagte er.

Ich strahlte ihn glücklich an.

„Danke, Billy! Du bist ein echter Kumpel!“

Er lächelte glücklich.

„Ist kein Problem! Das sind wir dir so oder so schuldig.“

Dann wandte er sich ab und ging zur Miene. Ich wandte mich den Sachen zu. Ich nahm den kleinen Kerium-Motor auseinander. Ich musste mir den Aufbau ansehen um zu sehen, wie er sich von dem des Bohrermotors unterschied. Vielleicht musste ich ja sogar nur ein paar Bauteile austauschen und schon wäre die Sache erledigt.

Doch tatsächlich musste ich feststellen, dass sich die Motoren doch gravierend unterschieden. Also würde ich die Motoren sogar austauschen müssen. Ich seufzte. Das würde ne ziemliche Plackerei werden.

„Und? Wie sieht´s aus?“ hörte ich dann Billy Bob hinter mir.

„Ich hab schlechte Nachrichten.“ sagte ich und richtete mich langsam auf.

„Ich werde den kompletten Motor austauschen müssen. Der Kerium-Motor funktioniert komplett anders, als der alte.“

Billy Bobs Gesicht nahm einen gequälten Ausdruck an.

„Wird ein ganz schönes Stück Arbeit, was?“ fragte er dann.

„Das kannst du laut sagen!“ sagte ich und sah den Bohrer missmutig an.

Na, so würde ich wenigstens die nächsten Tage ordentlich zu tun haben.

„Na, da kannst du dich ja morgen drum kümmern!“ hörte ich Billy Bob dann wieder sagen und dann spürte ich seine Hand an meiner Schulter.

„Ich hab mit unserem Mienenleiter Fayne gesprochen. Du kannst sofort mitmachen, wenn du willst.“

„Super!“ sagte ich und folgte ihm.

„Dann wollen wir uns mal die roten Steinchen holen.“ rief Billy Bob gut gelaunt und drückte mir eine Spitzhacke und einen kleinen Eimer in die Hand.

Dann gingen wir in die Miene. Dort wehte mir das Hämmern des Presslufthammers entgegen und ich konnte das klopfen von Spitzhacken hören. Gerade wurde mit der Winde eine volle Lore mit Gestein hoch geholt.

Ich folgte Billy Bob, der zielsicher weiter in die Dunkelheit ging, die nur von ein paar matten Glühlampen erhellt wurde. Es war ziemlich kühl hier unten. Im ersten Moment war das eine Wohltat nach der Hitze draußen. Aber ich ahnte, dass es bald störend werden würde.

„Keine Angst. Wenn du gleich arbeitest, dann merkst du die Kühle gar nicht mehr.“ hörte ich Billy Bob sagen.

Ich sah ihn fragend an.

„Woher...?“

Er deutete grinsend auf meine Oberarme, auf denen sich eine Gänsehaut ausgebreitet hatte.

„Oh!“ sagte ich daraufhin nur.

Grinsend ging er weiter und bog in einen Nebentunnel ein. Er war wenigstens so hoch, dass man gemütlich darin stehen konnte. Das Hämmern des Presslufthammers wurde immer lauter. Nach ein paar Metern erreichten wir das Ende, wo Sam mit dem Presslufthammer arbeitete. Jack schaffte den Gesteinsschutt weg, in einer kleinen Schubkarre. Als er mich sah, bekam er große Augen.

„He, wen haben wir denn hier?“ rief er über das Hämmern des Presslufthammers hinweg.

„Eure neue Arbeitskollegin!“ rief ich und legte die Spitzhacke locker über meine Schulter.

Billy ging zu Sam rüber und tippte ihm auf die Schulter. Sam schaltete den Presslufthammer ab und wandte sich ihm zu.

„Das reicht erst einmal hier, Sam. Fayne sagt, du sollst erst mal im Tunnel 3 weitermachen.“ sagte Billy.

„Okay!“ sagte er und sah dann mich ganz überrascht an.

„He, wen haben wir denn hier?“ fragte er dann lächelnd. „Willst uns also auch noch hier helfen?“

„Na klar!“ lachte ich locker. „Aber keine Sorge, ich mach das nur nebenbei. In erster Linie muss ich mich ja um den Bohrer kümmern.“

„Du bist kostbarer als alles Kerium, Kleines!“ sagte Sam lachend und schlug mir im Vorbeigehen auf die Schulter. Billy Bob deutete auf die Felswand vor uns.

„So, da kannst du dich jetzt austoben. Aber ich warne dich, das ist kein Zuckerschlecken!“ „Hab ich auch nicht erwartet.“ erwiderte ich und ging zur Wand rüber. Ich stellte den Eimer beiseite und betrachtete die zerfurchte Wand. An einigen Stellen meinte ich es rötlich leuchten zu können. Wahrscheinlich noch Reste.

„Ich könnte ne ganze neue Ader gebrauchen!“ dachte ich und begann die Hacke gegen die Wand zu schwingen. Und stellte schnell fest, dass Billy Bob recht hatte. Es machte zwar auch irgendwie Spaß – zumindest jetzt noch – aber ich würde auch mörderisch kaputt sein, wenn ich hier heraus kam.

Aber vielleicht lohnte es sich ja auch. Immer die Aussicht, bald ein schönes Messer mein Eigen nennen zu können begann ich die Wand mit regelmäßigen kräftigen Schlägen zu bearbeiten. Und wusste auch sehr bald, warum sich die Jungs den Bohrer zurück sehnten. Mit der Spitzhacke kam man wirklich kaum voran.

Ich weiß nicht genau, wie viel Zeit verging, aber irgendwann kam Billy Bob zu mir und legte mir die Hand auf die Schulter.

„Los, Bi! Mittagspause!“ sagte er und zog mich beinahe weg.

Aber es war mir nur recht. Obgleich ich ziemlich durchtrainiert war, so wusste ich doch, dass ich morgen ziemlichen Muskelkater haben würde, durch die ungewohnte Arbeit.

Draußen angekommen saßen die Jungs schon auf Felsen, Stühlen oder lagen auch teilweise einfach am Boden. Handle Bar war mit einem Muli und einem Hänger da, auf dem ein großer Topf stand, aus dem er Eintopf an die Jungs ausgab.

„Na, Kleines?“ rief er, als er mich sah.

„Wie läufts so?“

Ich blieb bei ihm stehen und schüttelte meine schmerzenden Arme aus.

„Ganz gut. Aber ich schätze, ich werde heute abend ganz schön kaputt sein.“ antwortete ich.

Er drückte mir lächelnd eine volle Schale in die Hand.

„Na, da hilft nur ein ordentliches Mittagessen!“ sagte er.

Ich sah überrascht in die Schale.

„Irish Stue?“ fragte ich überrascht.

Er nickte stolz.

„Ja, ich wollte mal antesten, wie es so geht.“ sagte er.

„Da bin ich auch gespannt.“ sagte ich und setzte mich auf einen der vielen Felsen in der Nähe und begann mein Mittagessen zu löffeln. Und um mich herum waren jede Menge schweigende Männer, die genüsslich ihr Irish Stue löffelten.

„Wirklisch auschgezeischnet, Handle Bar!“ nuschelte Jack. „Wasch isch dasch?“

„Irish Stue. Ein Rezept von eurer neuen Arbeitskollegin.“ antwortete Handle Bar.

„Donnerwetter, so was Gutes hattet ihr früher?“ fragte mich Billy und wischte sich den Mund ab.

Ich zuckte mit den Schultern.

„Auf der Erde gab es ne Menge gute Sachen zu meiner Zeit.“ antwortete ich.

„Ich denke, das ist Kartentauglich!“ stellte Handle Bar zufrieden fest.

„Allerdingsch!“ nuschelte Jack laut mit vollem Mund.

Nicht wenige der Jungs holten sich noch Nachschlag, bis der Topf geradezu leer gekratzt war.

Dann machte sich Handle Bar wieder auf dem Weg in die Stadt. Ich und die Jungs gönnten uns noch eine halbe Stunde Ruhe. Einige dösten, einige unterhielten sich.

Als wir uns dann gerade wieder an die Arbeit machen wollten, war Hufschlag zu hören. Und dann erschien Thirty-thirty zwischen den Felsen, mit Bravestarr auf dem Rücken.

„Hallo Jungs! Alles klar bei euch?“ fragte er laut, während Thirty-thirty abbremste.

„Ja, alles klar, Marshall.“ antwortete Fayne. „Warum fragen sie? Gibt es Probleme?“

Bravestarr nickte.

„Ich denke, ihr solltet gewarnt sein, dass in der Nähe eine Dingo-Bande ihr Unwesen treibt und ich habe die Befürchtung, dass sie es vielleicht auf die Mine abgesehen haben.“ sagte er, während er abstieg.

„Nun, bis jetzt ist alles ruhig, aber danke für die Warnung.“ sagte Fayne.

„Ich glaube, ich werde ein wenig Wache halten, nur zur Sicherheit.“ meinte Bravestarr und blickte dann zu mir rüber. Und lächelte.

„Hey, Bianca.“ sagte er. „Auch unter die Schürfer gegangen?“

Ich nickte verlegen.

„Ja. Zumindest zum Teil. Ich muss mich auch noch um den Bohrer kümmern.“

Er kam langsam näher.

„Und was ist damit? Kannst du ihn umrüsten?“ fragte er.

„Ich werde den kompletten Motor austauschen müssen. Der Kerium-Motor funktioniert ganz anders, als der alte Benzin-Motor. Ich hoffe, dass es machbar ist.“ erklärte ich.

„Du wirst schon einen Weg finden.“ sagte er und blieb direkt vor mir stehen.

Ich schluckte trocken.

„Und? Willst du mir zeigen, wo du gerade gearbeitet hast?“ fragte er dann.

Ich nickte.

„Okay. Aber ich hab bis jetzt noch nichts gefunden.“ sagte ich während wir langsam in die Miene trotteten.

„Ich hoffe, dass sich das bald ändert.“ sagte er. „So wie ich die Jungs einschätze, würdest du einen ordentlichen Anteil bekommen.“

„Den könnte ich auch wahrlich gut gebrauchen!“ sagte ich ehrlich.

Wir hatten den Tunnel erreicht, in dem ich zuletzt gearbeitet hatte. Auch die anderen Jungs hatten die Arbeit wieder aufgenommen und ich konnte hören, wie Sam wieder mit dem Presslufthammer zu hantieren begann.

Ich deutete auf die Felswand, die ich vor der Pause bearbeitet hatte.

„Siehst du diese kleine Einbuchtung? Das ist es, was ich bis jetzt geschafft habe.“ sagte ich ein wenig beschämt.

„Nun, das überrascht mich nicht!“ sagte er. „Nur den Pickel zu schwingen ist mühsam.“

„Das kann man wohl sagen!“ sagte ich und musste mit einem Mal feststellen, dass das Dröhnen des Hammers lauter geworden war.

Mit gerunzelter Stirn sah ich mich in den Gang hinter mir um. Das waren aber ungewöhnliche Laute für einen Hammer.

„Merkwürdig!“ hörte ich Bravestarr plötzlich neben mir rufen. Das musste er auch, denn ansonsten hätte ich ihn bei dem Getöse gar nicht verstanden.

„Ja, allerdings!“ antwortete ich. „Irgendwas scheint mit dem Hammer nicht zu stimmen.“

Doch das war nicht der Hammer.

Denn kaum hatte ich den Satz ausgesprochen, da hörte ich plötzlich die Schreie der Männer. Und die Schreie waren Angsterfüllt! Irgendwas war ganz und gar nicht in Ordnung.

Bravestarr und ich rannten gleichzeitig los, aus dem Nebentunnel raus, in den Haupttunnel. Wo uns ein gewaltiges Rumpeln, Staubwirbel und die ängstlichen Schreie der Männer empfing. Und das Gerumpel kam von den Steinen, die von oben auf die Männer herabregneten, undurchsichtigen Staub aufwirbelten und den Ausgang zu blockieren begannen.

„Verflucht!“ schrie Bravestarr neben mir. „Wir müssen hier raus!“

Das musste er mir nicht zweimal sagen. Doch wie? Zwischen dem Ausgang und uns lagen ein Gesteinsregen, wo einige der Brocken locker bis zu eineinhalb Meter breit waren und mit Sicherheit bis zu einer Tonne, wenn nicht mehr wogen. Wenn uns eines dieser Dinger erwischte...

Und plötzlich sah ich einen Mann in diesen Gesteinsregen hineinlaufen.

Sam! Nein, ausgerechnet Sam! Das würde er niemals schaffen!

Und der selben Meinung war wohl auch Bravestarr, denn mit einem Mal verwandelte er sich in einen gelben Blitz, sauste auf Sam zu, packte ihn und zerrte ihn in den Tunnel zurück. Den einzigen sicheren Platz, denn der Ausgang war nicht zu erreichen. Der Steinregen erschlug alles, was dort hineingeriet und pflanzte sich immer weiter in den Tunnel fort. Gott, der ganze verdammte Haupttunnel würde einstürzen! Die Miene war eine einzige Todesfalle!

Panisch sah ich zu der gelb gekleideten Gestalt rüber, die an dem Eingang zu dem Nebentunnel stand und einen völlig panischen Sam dort hinein stieß.

Ich wollt zu ihnen rüber laufen und musste bereits meinen Kopf vor herabregnenden Brocken schützen. Aber ich hatte keine Wahl! Ich musste den Nebentunnel erreichen, denn dieser schien nicht einzustürzen.

Plötzlich krachte wenige Zentimeter vor meinen Füßen ein etwa halber Meter breiter Brocken auf den Boden und ich konnte im letzten Moment meinen Lauf stoppen. Nur um zu hören, wie hinter mir ein weiterer, noch größerer Brocken runter krachte. Panisch sah ich zu Bravestarr rüber, der sich nun auch zu mir umdrehte.

„Bravestarr!“ schrie ich panisch. Aber nicht, weil ich wollte, dass er mir half, sondern, weil sich auch bei dem Nebentunnel die ersten großen Brocken lösten. Er musste dort weg, ansonsten würde er erschlagen. Und das machte mich bald verrückt vor Angst!

Ich wollte weiter rennen, doch da wurde aus seiner kräftigen Gestalt wieder ein gelber Blitz, der im Bruchteil einer Sekunde bei mir war. Ich fühlte mich gepackt, verlor mit einem Male den Boden unter den Füßen und dann zurück zu dem Tunnel, in dem ich zuvor gearbeitet hatte. Ich konnte noch so gerade eben erkennen, wie ein riesiger Brocken genau auf die Stelle krachte, wo ich vor einer Sekunde noch gestanden hatte.

Und urplötzlich, strauchelte Bravestarr, taumelte noch einige Schritte weit in den Nebentunnel rein und dann landete ich krachen auf dem Boden und er halb auf mir. Und blieb liegen.

Ich sah zu dem Tunnel zurück. Es krachten immer noch Felsbrocken runter, es dröhnte und rumpelte, man konnte vor lauter Staub kaum noch was sehen und auch kaum atmen. Und dann begannen sich auch am Eingang des Tunnels Steine zu lösen. Oh, mein Gott, würde auch dieser Tunnel einstürzen?

Ich versuchte mich unter Bravestarr Körper und Arm hochzuarbeiten. Herrgott, wieso rührte er sich nicht? Er musste das doch mitkriegen! Wir mussten weiter in den Tunnel!

„Bravestarr! Bravestarr! Wir müssen weiter rein! Steh auf!“ schrie ich.

Doch er rührte sich nicht, nicht einen Millimeter. Endlich hatte ich es geschafft mich unter ihm hervor zuarbeiten und ich kroch zu seinem Kopf hoch, packte seine Schulter und schüttelte ihn.

„Bravestarr! Verdammt, steh auf!!“ schrie ich.

Und plötzlich spürte ich etwas nasses, warmes und klebriges an meinen Händen.

Erschrocken schnappte ich nach Luft. Panik, unmenschliche Panik begann sich meiner Gedanken zu bemächtigen.

Blut! Das war Blut! Er blutete!

Oh, Gott! War er tot? Hatte er sein Leben für mich geopfert! Nein, oh bitte Gott, das durfte nicht sein!

Wie durch Nebel nahm ich wahr, wie immer mehr Felsbrocken runter krachten und wie der Steinschlag immer näher kam.

Gott, was sollte ich nur tun?

Panisch packte ich Bravestarr an den Schultern und wuchtete ihn auf den Rücken und dann packte ich ihn unter den Armen hindurch, mobilisierte alle meine verbliebenen Kräfte und zerrte ihn verzweifelt tiefer in den Tunnel. Verzweifelnd hoffend, dass wir in dem Tunnel sicher waren. Nach einigen Metern hatte ich das Ende des Tunnels erreicht. Schwer keuchend ließ ich Bravestarrs regungslosen Körper sinken, schnappte schwer nach Luft. Man konnte kaum atmen, der Staub schien einem die Lungen verstopfen zu wollen. Doch wenigstens hörte ich, wie das Gepolter der herabstürzenden Steine aufhörte. Der Teil hier hinten schien sicher zu sein. Zumindest vorläufig.

Im Schein der blassen Lampe an der Decke, konnte ich erkennen, wie sich der Staub langsam zu legen begann. Sie flackerte zwar, aber sie brannte weiter. Was mich mehr als wunderte.

Ich sah auf Bravestarr runter. Und stieß einen leisen Schreckensschrei aus. Seine gesamte rechte Kopfhälfte war Blutgetränkt, es lief seinen Hals herab und tränkte sein Hemd und seine Haare. Einer der Brocken musste ihn erwischt haben. Ich sank neben ihm auf die Knie, begann panisch an seinem Hals nach seinem Puls zu tasten. Schwach, aber vorhanden. Dann legte ich meinen Finger unter seine Nase. Der schwache Windzug, der um meinen Finger strich, löste einen wahren Dammbruch in meinen Augen aus vor Erleichterung.

Gott sei Dank! Er lebte! Doch man musste auch kein Arzt sein, um zu wissen, dass er schwer verletzt war. Und das er schnellstmöglich Hilfe brauchte.

Ich ließ mich auf den Hosenboden sinken und zog dann seinen Oberkörper vorsichtig auf meinen Schoß, seinen Kopf auf meinem linken Arm bettend. Das Gefühl seines Blutes, dass nun auch über meinen Arm floss, ließ wieder unmenschliche Angst in mir aufsteigen. Was, wenn er verblutete? Vor Angst weinend drückte ich seinen Kopf an mich.

„Halt durch! Ich flehe dich an, halte durch!“ flüsterte ich verzweifelt, küsste seine blutverschmierte Stirn.

Der metallische Geschmack seines Blutes machte mich beinahe rasend vor Angst.

Ich weinte noch heftiger, flehte zu Gott, dass bald jemand kam. Das ihm jemand helfen würde.

Die Sekunden, Minuten, vielleicht waren es auch Stunden – ich wusste es nicht – flossen dahin. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Das Gepolter hatte schließlich aufgehört, der Staub hatte sich gelegt und man konnte wieder atmen. Doch die Stille, nur unterbrochen von dem Knistern der flackernden Lampe war beinahe noch schlimmer. Das einzige, was ich sonst noch hörte, war mein eigener vom Weinen und der Angst unruhiger, keuchender Atem. Meine rechte Hand ruhte mittlerweile auf Bravestarrs Brust, auf seinem Herzen. Ich spürte, wie sich sein Brustkorb langsam und flach hob und senkte.

Meine Tränen waren zwar versiegt, ich glaube nur deswegen, weil ich gar keine mehr hatte. Aber die Angst blieb, wuchs sogar noch mehr.

So, wie es aussah, war der komplette Tunnel eingestürzt und auch der Nebentunnel war verstopft. Wie sollten die uns auf die Schnelle hier heraus bekommen? Das war nahezu unmöglich. Da waren hunderte, tausende Tonnen von Stein, die den Weg versperrten. Und das Leben floss nach wie vor unbarmherzig aus Bravestarr heraus. Meine Jeans und auch mein T-Shirt klebten mittlerweile an mir, von seinem Blut. Auch von meinem Schweiß, aber ich spürte auch ganz deutlich sein warmes Blut dabei.

„Bitte, halte durch! Bitte, bitte halte durch!“ flüsterte ich ihm immer wieder zu, verzweifelt auf irgendeinen Laut lauschend.

Was, wenn er in meinen Armen starb?

Nein, nein das durfte nicht passieren!

Ihn noch fester an mich drückend und seine Stirn küssend wiegte ich ihn in den Armen.

„Ich flehe dich an, bleib bei mir!“

Plötzlich konnte ich ein Rumpeln hören. Zuerst dachte ich panisch, dass noch mehr Gestein runter kommen würde, doch dann war es erst wieder ruhig. Hingerissen zwischen Erleichterung und Verzweiflung fuhr ich fort den Bewusstlosen in meinen Armen zu wiegen. Doch dann war das Rumpeln wieder zu hören. Und es kam immer und immer wieder. Konnte es sein? Waren sie schon hier? Waren sie schon so weit?

„Hallo!“ schrie ich aus Leibeskräften. „Hilfe! Ich brauche Hilfe!“

Das Rumoren hielt inne.

„Hilfe!“ schrie ich abermals. „Ich bin hier! Hilfe!“

Das Rumoren setzte wieder ein, wurde lauter. Und mit einem Mal fiel mir auf, dass es nicht von draußen kam, sondern von unten. Verwundert starrte ich auf den Boden. Das Rumoren wurde immer lauter.

Ich packte Bravestarr noch fester, beugte mich leicht schützend über ihn.

Und dann brach der Boden zwei Meter von mir entfernt auf und ein, etwa einen halben Meter breites Loch erschien. Und aus dem schaute eine kleine, Hamsterartige Gestalt mit einem großen braunen Hut hervor. Es sah aus, wie dieses Hamsterdings, dass bei Tex Hex gewesen war. Nur bei weitem nicht so hässlich.

Dann fiel sein Blick auf mich.

„Oh, gut! Du leben!“ rief das Wesen mit einer hellen Stimme.

Doch dann weiteten sich seine Augen vor Schreck, als sein Blick auf Bravestarr fiel. Mit einer kräftigen Bewegung war er endgültig aus dem Loch heraus und wuselte auf seinen kurzen Beinen zu mir rüber. Erst jetzt sah ich den Stern, der an seiner Mütze blinkte. Er war ein Hilfssheriff?

„Oh, nein, nein, nein!“ stieß er entsetzt hervor. „Marshall Bravestarr verletzt!“

„Du musst Hilfe holen, schnell!“ sagte ich hastig. „Den Doc, irgendwen!“

Ängstlich blickte er mich an.

„Oh, aber wie? Menschen nicht können durch Tunnel!“ sagte er dann verzweifelt.

„Versuche ihn etwas breiter zu machen, so dass einer durchpassen würde. Bitte, er braucht Hilfe! Sonst stirbt er!“ sagte ich beinahe panisch.

„Oh nein, nein, nein! Marshall Bravestarr nicht sterben!“ rief das Wesen ängstlich und war mit einem Satz wieder in dem Loch.

„Fuzz holen Hilfe!“ hörte ich ihn noch rufen und dann eifrig graben.

Ich wusste zwar nicht, wer der kleine Kerl war, aber ihm schien auch sehr viel am Leben von Bravestarr zu hängen. Ich wusste nicht, wie lange es dauerte, aber es konnte nicht sehr lange gewesen sein, da hörte ich das erstickte Keuchen von einem Menschen. Und dann erschien der Kopf von einem der Minenarbeiter in dem Loch und sah sich zu mir um. Ich wusste zwar seinen Namen nicht, aber ich wusste, dass er so eine Art Sanitäter war. Wenn es mal einen Minenunfall gab und der Doc nicht so schnell kommen konnte.

Als er mich sah, zog er sich kräftig aus dem Loch und einen kleinen Koffer hinter sich her.

„Gott, Mädchen! Bist du verletzt?“ fragte er mich.

„Nein! Aber er! Er blutet so stark und atmet nur sehr flach!“ sagte ich gehetzt.

Er ließ sich neben mir nieder und begann vorsichtig Bravestarrs Kopf zu untersuchen und checkte die Vitalfunktionen. Dann griff er wortlos an seinen Gürtel, zog ein Funkgerät und sprach dann gehetzt rein.

„Hier ist Barry! Fuzz hatte recht. Das Mädchen ist hier und unverletzt. Aber der Marshall ist sehr schwer verletzt. Platzwunde am Kopf, hoher Blutverlust und er ist bewusstlos. Vitalfunktionen sind schwach, aber stabil. Wir müssen schnellstmöglich die Bergung vorbereiten.“

„Verstanden!“ kam es knackend von der anderen Seite.

Dann wandte sich der Sanitäter mir zu.

„Okay, es kommen jetzt gleich noch ein paar Leute mit einer Trage und dann schaffen wir ihn aus. Aber vorher krabbelst du hier heraus.“ sagte er und deutete auf den Tunnel.

„Ich werde mich um ihn kümmern.“ fügte er dann noch hinzu, als ich Bravestarr noch einmal fester an mich drückte.

„Wir kriegen ihn hier schon raus und dann kommt er sofort ins Krankenhaus. Der Doc ist auch alarmiert.“ lächelte er.

Ich blickte noch einmal auf Bravestarrs Blutverschmiertes Gesicht hinab und ließ ihn dann ganz vorsichtig auf den Boden sinken. Dann richtete ich mich auf. Meine Beine waren von dem unbequemen Sitzen ganz taub geworden.

Ich konnte noch sehen, wie der Sanitäter begann Bravestarr zu versorgen, zumindest seinen Kopf zu verbinden. Ich schickte ein letztes Stoßgebet in den Himmel, dass er es schaffen würde und ließ mich dann in den Tunnel hinab. Der kleine Hamster, oder was auch immer er war, hatte ganze Arbeit geleistet und den Tunnel ein ganzes Stück verbreitert. Und ich konnte ihn noch immer wühlen hören. Wahrscheinlich versuchte er den Tunnel möglichst noch breiter zu machen. Ich beeilte mich raus zu kommen um den Weg nicht noch länger zu blockieren und schon bald konnte ich einen Lichtschimmer erkennen und aufgeregte Stimmen hören. Ich hatte es geschafft!

Am Ende des Tunnels zog ich mich mit einer kräftigen Bewegung ans Tageslicht und sah mich um. Jede Menge Leute wuselten in der Nähe des Tunnels umher. Ich konnte einen großen Wagen mit einem roten Kreuz erkennen und auch mehrere in weiß gekleidete Leute, die sich entweder um die Männer kümmerten, oder irgendwelche Sachen zusammen suchten.

Großer Gott, die Jungs! Sam! Billy Bob! Jack! Ich hatte bis jetzt gar nicht mehr an sie gedacht. Sam war ja auch noch in dem Tunnel gewesen, als er einstürzte! Und was war mit den anderen? Billy Bob! Hoffentlich hatte es ihn nicht erwischt!

„Oh, Gott sei Dank, Mädchen! Es geht dir gut!“ hörte ich auf einmal Faynes Stimme. Ich wandte mich um und wurde im nächsten Moment von seinen riesigen Händen an den Schultern gepackt. Ich sah ihn sein verdrecktes und hektisch gerötetes Gesicht.

„Ist auch wirklich alles okay bei dir?“ fragte er gehetzt.

„Ja, mir geht’s gut!“ antwortete ich und sah mich weiter um.

„Wo sind die anderen?“ fragte ich ihn ängstlich.

„Die meisten sind draußen, aber einige werden auch noch vermisst.“ antwortete Fayne.

„Habt ihr Sam gefunden?“ fragte ich ängstlich.

Gott, der Mann wurde bald Vater! Sollte seine junge Frau allein da stehen? Mit einem Kind?

Fayne schüttelte den Kopf.

„Nein.“

„Sagt diesem kleinen Tunnelgräber, er soll einen Rettungstunnel zu Tunnel 3 graben. Ich weiß zwar nicht, ob Sam noch lebt, aber Bravestarr hat ihn bei dem Tunneleinsturz da hinein geschubst. Ich bete zu Gott, dass er noch lebt!“ erzählte ich ihm gehetzt.

„Das tue ich auch!“ rief Fayne und stürzte davon.

Auch ich wandte mich ab und sah mich weiter um. Ich sah zwar viele der Männer, die ich nur oberflächlich kannte. Aber weder von Jack, noch Joseph oder Billy Bob war etwas zu sehen. Verängstigt rannte ich los, sah mich in der Menge um. Und erkannte plötzlich Thirty-thirty, der aufgeregt auf einen verdreckten Mann einredete. Dieser wandte mir den Kopf zu und ich stieß einen kleinen Freudenschrei aus.

Billy Bob! Er war scheinbar okay.

Als er mich sah, riss er die Augen auf und wir stürmten beinahe gleichzeitig aufeinander zu und ich sprang ihm in die ausgebreiteten Arme.

„Bi! Dem Himmel sei Dank, du bist okay!“ rief er glücklich.

Ihn fest umarmend, kamen mir noch einmal die Tränen.

„Du zum Glück auch!“ sagte ich und er ließ mich los.

Kaum hatten wir uns von einander gelöst, da spürte ich Thirtys Hand an meiner Schulter.

„Was ist mit Bravestarr?“ fragte er ängstlich. „Wo ist mein Partner?“

„Er wird gleich aus der Mine geholt. Ihn hat es ziemlich schlimm erwischt.“ antwortete ich und wieder wollten sich düstere Gedanken meiner bemächtigen.

Thirty lief sofort in Richtung Tunnel davon und Billy Bob und ich folgten ihm.

„Wo sind Jack und Joseph?“ fragte ich Billy Bob auf dem Weg.

„Joseph ist schon auf dem Weg ins Krankenhaus mit einem gebrochenen Bein. Jack ist verschüttet, genauso, wie Sam.“ antwortete Billy Bob keuchend.

Am Tunnel angekommen, wurden wir von zwei der Sanitäter zurück gehalten, die am Tunneleingang hockten. Der kleine Gräber hatte ihn wohl noch ein ganzes Stück verbreitert, damit man wohl auch problemlos mit der Trage durch kam.

„Rettungsteam ist wieder da! Jetzt vorsichtig! Greift die Bahre!“ rief der eine Sanitäter.

Ein anderer drängte uns noch ein Stück zurück.

„Gehen sie bitten zurück! Wir brauchen Platz!“ rief er.

Ich sah an ihm vorbei und konnte erkennen, wie zwei der Sanitäter ins Loch griffen und dann vorsichtig ein eisernes Gestell heraufzogen. Obwohl sie mit dem Rücken zu mir hockten, konnte ich konnte schwarze Haare über die Kante der Bahre hängen sehen und dann einen gelben Stofffetzen an der Seite.

„Bravestarr!“ schrie Thirty-thirty neben mir laut und rannte den Sanitäter, der uns zurück gedrängt hatte einfach über den Haufen. Er lief zu den anderen beiden rüber und half ihnen die Bahre aus dem Loch zu ziehen. Billy Bob und ich folgten ihm.

Thirty war neben seinem Partner auf die Knie gefallen und sah ängstlich auf ihn herab und stotterte irgendwas vor sich hin. Ich sank auf der anderen Seite neben der Trage nieder. Bravestarrs Kopf war notdürftig verbunden worden. Doch das Blut klebte immer noch in seinem Gesicht und hier im Tageslicht sah es noch weitaus schlimmer aus.

„Bravestarr! Partner, nun sag doch was!“ konnte ich Thirty-thirty flehen hören. Natürlich umsonst.

„Das bringt nichts! Er ist bewusstlos, vielleicht sogar im Koma.“ sagte einer der Sanitäter.

„Wir müssen ihn sofort ins Krankenhaus bringen!“ hörte ich einen anderen.

Immer noch auf den Regungslosen herabblickend strich ich sanft eine Strähne seines pechschwarzen Haares aus seinem blutverschmierten Gesicht.

Dann wurde die Trage hochgehoben und zum Krankenwagen getragen. Ich sah ihnen nach. Meine Lippen begannen zu beben und ich kämpfte abermals mit den Tränen.

Dann war plötzlich lautes Schreien am Tunneleingang zu hören. Ich wirbelte herum und konnte sehen, wie zwei der Minenarbeiter einen völlig zerschmetterten Körper aus den Trümmern zogen. Obgleich der gesamte Körper mit Blut beschmiert war, meinte ich den blauen Stoff des Hemdes erkennen zu können.

„Jack!“ schrie ich und rannte zu den Männern rüber.

Sie ließen den regungslosen Körper sinken und ich fiel aus vollem Lauf heraus neben ihm auf die Knie, die ich mir dabei noch ordentlich aufschlug. Doch das war zweitrangig. Ich konnte nur Jacks zerschmetterten Körper betrachten. Seine Brust hob und senkte sich ruckartig und unregelmäßig. Er musste unglaubliche Schmerzen haben. Aus seinem Mund floss unablässig Blut und er keuchte und hustete gequält. Nun konnte ich die Tränen, die ich bis jetzt mit Mühe zurück hatte halten können, nicht mehr bremsen. Jack starb. Diese Verletzungen konnte er nicht überleben.

„Jack!“ flüsterte ich ihm zu und legte sanft meine Hand an seine Wange.

Seine Augen öffneten sich einen Spalt breit und blickten mich an.

„Bi..b..bia...!“ röchelte er.

„Sssshh!“ machte ich leise und fuhr fort seine Wange zu streicheln. Ich spürte, wie die Tränen Linien auf meine Wangen zeichneten.

„So...weh!“ röchelte Jack weiter und Krämpfe begannen seinen Körper zu schütteln. „So...weh!“

„Sssshh!“ machte ich wieder, schob meinen einen Arm unter seinen Kopf und kam ihm ganz nah.

„Schlaf, Jack! Es geht vorbei.“ flüsterte ich.

Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber er wurde tatsächlich ruhiger. Aber vielleicht auch nur, weil er einfach zu schwach wurde. Ich blickte zu ihm auf. Er sah mich noch immer an, aber seine Augen wurden immer matter. Und auch sein Atem erstarb. Aus seinem rechten Auge lief eine Träne.

Ich wischte sie sanft mit dem Daumen weg und streichelte seine Wange weiter.

„Schlaf!“ flüsterte ich ihm noch einmal leise ins Ohr.

Und dann erstarb das Leben in seinen Augen und sein zerschmetterter Körper erschlaffte.

Zitternd hielt ich ihn noch einige Minuten in den Armen und ließ ihn dann langsam sinken. Ich sah auf ihn hinab, nicht glauben könnend, dass er gerade in meinen Armen gestorben war.

„Oh, Jack!“ hörte ich Billy Bob sagen. Er hockte hinter mir. Ich hatte ihn bis jetzt gar nicht wahr genommen.

Seine Stimme löste dann endgültig den Tränenbruch aus und ich vergrub mein Gesicht in die Blutverschmierten Hände.

Oh, Gott, Jack! Er war doch gerade erst 25 gewesen, hatte sich gerade frisch verliebt. Und dann so ein sinnloser Tod! Das war so ungerecht.

Mein Körper bebte vom heftigen Schluchzen. Dann spürte ich Billy, der mich von hinten in den Arm nahm. Ich warf mich an seine Brust und schluchzte hemmungslos. Es war einfach zu viel gewesen. Ich wusste nicht, wie lang ich an Billys Brust weinte. Ich wusste nur, dass ich plötzlich jemanden rufen hörte: „Sam! Sie haben Sam gefunden!“

Ich richtete mich ruckartig auf und blickte in die Richtung des Rettungstunnels. Zwei Sanitäter kletterten gerade wieder heraus und dann erschien Sams blut- und schmutzverschmierter Kopf. Aber er lebte, denn er stöhnte laut vor Schmerz. Und als sein Oberkörper aus dem Loch kam, sah ich auch, warum. Sein linker Arm war ebenfalls blutverschmiert und notdürftig geschient und verbunden.

Aber egal, er lebte!

Billy und ich rannten zu ihm rüber.

„Sam! Oh Gott sei Dank! Du lebst!“ rief ich.

„Mehr oder weniger!“ keuchte er und sah mich dann mit zusammengekniffenen Augen an.

„Was ist mit dir, Bi?“ fragte er dann.

„Mir geht’s gut!“ antwortete ich.

„Sam! Oh Mann! Ich hatte schon befürchtet, wir müssten dich auch noch beerdigen!“ rief Billy erleichtert und griff Sams unverletzte Hand.

„So schnell werdet ihr mich nicht los!“ lachte dieser und verzog dann wieder das Gesicht vor Schmerz.

„Wir müssen ihn jetzt ins Krankenhaus bringen!“ unterbrach uns der eine Sanitäter und sie brachten Sam weg zu einem weiteren Wagen.

Billy Bob und ich sahen wortlos hinterher. Und ich ließ meinen Blick noch einmal über die ganze Szene schweifen. Es herrschte immer noch Chaos, doch die meisten Männer waren versorgt und langsam schien etwas Ruhe in die ganze Sache zu kommen.

Ich sah zu Jack rüber. Man hatte ein Tuch über seine Leiche gelegt und ich konnte einen weiteren Wagen sehen, der sich ihm näherte. Aber es war kein Krankenwagen. Auf der Seite prangte ein Kranz und ein Kreuz.

Erneut begannen Tränen über meine Wangen zu laufen.

Eine Beerdigung und ein Überfall

„Wie geht’s ihm, Doc?“ fragte ich leise, als ich den hinteren Raum betrat, wo die Krankenbetten standen. Vor nicht einmal einer Woche war ich selbst in diesem Raum aufgewacht. Genau in dem Bett, wo nun Bravestarr lag.

Um seinen Kopf lag ein dicker, fester Verband, seine Haare lagen ausgebreitet über die Kissen. Auf seinem Gesicht lag ein friedlicher Ausdruck, als würde er nur schlafen.

„Er hat großes Glück gehabt. Er hat keine allzu schlimmen Verletzungen. Aber ein paar Tage wird er definitiv hier bleiben müssen.“ sagte der Doc, der an einem Waschbecken in einer Ecke stand und sich die Hände wusch. Schweiß stand auf seiner dunklen Stirn.

Ich ging langsam zu dem Bett rüber und blieb neben ihm stehen.

Die Decke war bis zur Brust hochgezogen und seine Arme lagen auf der Decke. Zaghaft ergriff ich seine Hand. Ich genoss die Wärme seiner Haut. Vor nicht einmal fünf Stunden hatte er noch in meinen Armen gelegen und ich hatte um sein Leben gefürchtet.

„Wo ist Sam?“ fragte ich dann leise.

„Den habe ich schon nach Hause geschickt.“ antwortete der Doc. „Er hatte einen ziemlich komplizierten Trümmerbruch. Ich fürchte, er wird wohl nicht mehr als Schürfer arbeiten können.“

Ich senkte den Blick. Was Für ein furchtbarer Tag! Jack war tot, Bravestarr verletzt, selbst nur knapp dem Tode entkommen und Sam war schwer verletzt.

Wie sollte es für ihn nur weitergehen, wenn er nicht mehr als Schürfer arbeiten konnte?

Der Doc kam zu mir rüber und legte mir die Hand auf die Schulter.

„Sie sollten wirklich ins Hotel zurück und in ihr Bett, Bianca! Sie hatten einen harten Tag!“ sagte er dann leise.

Hart war gar kein Ausdruck! Vor etwa einer halben Stunde war ich mit Fayne von Jacks Familie und Freundin zurück gekommen. Es war mir in meinem ganzen Leben noch niemals so schwer gefallen eine Nachricht zu überbringen. Und es war furchtbar gewesen. Seine Freundin hatte bestimmt eine halbe Stunde in meinen Armen gelegen und schrecklich geweint. Was wir zudem noch erfuhren, war, dass Jack und sie sich vor ein paar Tagen verlobt hatten und eigentlich heiraten wollten.

Seine Mutter war zusammengebrochen und auch sein Vater war in Tränen ausgebrochen. Das nächste, was nun anstand, war den armen Jungen unter die Erde zu bringen. Die gesamte Minenbelegschaft würde das mit der Familie organisieren.

Natürlich würde ich da ebenfalls mitwirken. Jack war schließlich auch mein Freund gewesen. Bei dem Gedanken an ihn wollten mir wieder die Tränen kommen.

„Sie sollten wirklich nach Hause gehen!“ sagte der Doc noch einmal.

Ich sah zu ihm auf, blickte dann noch einmal auf den bewusstlosen Bravestarr herab und nickte dann.

„Vielleicht haben sie recht.“ sagte ich matt und ließ Bravestarrs Hand los.

„Ich weiß, dass muss ein grauenhaftes Erlebnis gewesen sein.“ sagte der Doc, während wir raus gingen.

Ich lachte humorlos.

„Ich habe noch niemals etwas schlimmeres erlebt.“

Ich blickte mit Tränennassen Augen zu ihm auf.

„Erst sitze ich in dieser Mine fest, um Bravestarrs Leben bangend und dann stirbt einer meiner Freunde in meinen Armen.“

Er sah mich mitleidig an.

„Ja, furchtbar.“ sagte auch er dann traurig. „Das es ausgerechnet Jack Sullivan erwischen musste! Er war doch noch so jung.“

Ich senkte den Blick wieder und fuhr mir mit dem Unterarm über die Augen.

Wieder spürte ich die tröstende Hand des Docs auf meiner Schulter.

„Gehen sie, Bianca. Sie brauchen wirklich etwas Ruhe.“

Ohne noch etwas zu sagen wandte ich mich um und ging.

Draußen kamen mir Thirty-thirty und dieser kleine Hamsterkerl entgegen.

„Hallo, Kleines!“ sagte Thirty-thirty und blieb vor mir stehen.

„Warst du bei Bravestarr?“ fragte er mich.

Ich nickte.

„Ja. Der Doc meinte, er habe Glück gehabt. Die Verletzungen sind wohl nicht so schwer, wie zuerst vermutet. Aber er ist für ein paar Tage außer Gefecht gesetzt.“ antwortete ich.

„Uh, Marshall Bravestarr nicht da! Nicht gut!“ jammerte der kleine Kerl neben ihm.

Thirty-thirty blickte zu ihm runter.

„Mach dir keine Sorgen, Fuzz! Noch sind wir beiden und J.B. da.“ sagte er beruhigend.

Ich sah die beiden irritiert an.

„Ist das denn so schlimm, wenn Bravestarr ein paar Tage ausfällt?“ fragte ich.

„Nun, ich denke, Tex Hex wird mit Sicherheit von dem Vorfall Wind bekommen und auch davon, dass Bravestarr verletzt ist. Und diese Gelegenheit wird er sich nicht entgehen lassen!“ sagte Thirty-thirty.

„Tex bestimmt kommen! Ganz bestimmt!“ rief der Kleine.

Ich sah wieder auf ihn runter. Plötzlich fiel mir ein, dass ich mich noch gar nicht bei dem kleinen Kerl für die Rettung bedankt hatte.

Ich ging neben ihm in die Knie.

„Hör mal, Kleiner...“ fing ich an.

„Ich sein Fuzz!“ sagte dieser.

„Okay, Fuzz. Ich bin noch gar nicht dazu gekommen, dir zu danken. Wärst du nicht gewesen, dann wäre Bravestarr gestorben. Und vielleicht auch Sam und ich.“

Er senkte verlegen den Kopf und scharrte mit der Fußspitze im Sand.

„Fuzz gerne helfen.“ sagte er dann verlegen.

„Bianca, hättest du gleich ein wenig Zeit?“ fragte Thirty-thirty plötzlich.

Ich nickte müde.

„Ja, warum?“ fragte er.

„Nun, wo Bravestarr nicht auf den Beinen ist, muss ich erst mal seinen Job machen und deinen Bericht aufnehmen.“ antwortete er.

Ich nickte abermals.

„In Ordnung. Wann soll ich da sein?“

„Am besten gehst du schon mal ins Büro. Wir sehen nach Bravestarr und dann kommen wir auch.“ antwortete Thirty-thirty und die beiden machten sich auf den Weg ins Krankenhaus. Ich sah ihnen noch einige Sekunden nach und trottete dann müde in Richtung Marshall-Büro.

Der Doc hatte recht, ich brauchte Schlaf. Aber das wollte ich erledigen. Und außerdem brauchte ich auch jemanden zum Reden. Ich musste immer wieder an diese schrecklichen Szenen, die sich vor fünf Stunden abgespielt hatten, denken. Wie ich Bravestarrs leblosen Körper in den Armen hielt, wie Jack in meinen Armen starb. Ich spürte, wie wieder Tränen in meine Augen schossen.

Im Büro angekommen ließ ich mich müde auf den Stuhl vor dem Schreibtisch sinken und versank in meinen dunklen Gedanken. Was würde denn nun aus Sam werden? Ich konnte nur hoffen, dass die auch sowas wie ein Versicherungssystem hier hatten. Gott, der Mann hatte Frau und auch bald ein Kind zu ernähren!

Ich wusste nicht, wie lange ich dort saß und meinen Gedanken nachhing. Irgendwann hörte ich Thirty-thirtys Hufe und er betrat zusammen mit Fuzz das Büro. In seinem Gesicht stand Sorge.

„So ein Unglück!“ murmelte er und trabte langsam auf den Tisch zu.

„Hat der Doc noch etwas gesagt?“ fragte ich leise.

Thirty-thirty sah auf und schüttelte den Kopf.

„Wahrscheinlich nicht mehr, wie bei dir.“ antwortete er, während er sich schwer auf Bravestarrs Stuhl fallen ließ.

„Mein Partner wird mindestens eine Woche außer Gefecht sein. Und das ist eine verflucht gefährliche Situation.“

Er sah deprimiert und auch etwas verängstigt zu Boden.

„Wenn Tex davon Wind bekommt...!“ flüsterte er leise.

Doch dann richtete er sich auf und sah mich fest an.

„Aber nun zu dir, Bi.“ sagte er und kramte das Diktiergerät aus einer Schublade.

„Du musst mir jetzt erst einmal erzählen, was in der Mine passiert ist.“

Ich begann zu erzählen. Es fiel mit schwer, denn es ließ die grauenhaften Ereignisse wieder vor meinen Augen ablaufen. Schließlich war ich mit meinem Bericht fertig und Thirty-thirty schaltete das Gerät ab.

„Du hast eine ganze Menge heute durchgemacht, Mädchen!“ sagte er dann mitleidig.

„Du musst wirklich fertig sein.“

Ich sah ihn langsam wieder an und dann auf meine Hände herab.

„Ich meine immer noch sein Blut an meinen Händen zu spüren, Thirty-thirty! Weißt du, wie schrecklich das war? Nicht zu wissen, wie es wirklich um ihn steht und nicht zu wissen, wie lange ich dort fest sitzen würde! Ich hatte nicht eine Sekunde Angst um mich selbst. Ich habe nur an ihn gedacht. Ich hätte ihm nicht einmal helfen können!“

Langsam sah ich zu Fuzz rüber.

„Ich kann dir nur noch einmal für deine schnelle Hilfe danken.“ sagte ich.

„Nicht danken müssen. Fuzz gerne helfen.“ antwortete er und trottete langsam auf mich zu.

„Was nun passieren mit Mine?“ fragte er dann.

„Sie werden sie wohl wieder freilegen, denke ich. Sie hat viel Kerium abgeworfen.“ antwortete ich.

Ich sagte das mehr ins Blaue hinein, aber ich vermutete stark, dass es so laufen würde. Die Leute früher haben nach so einem Grubenunfall schließlich auch keine ertragreichen Minen aufgegeben.

„Aber erst einmal müssen wir...Jack unter die Erde bringen. Und die Männer brauchen ein paar Tage Ruhe.“

„Die brauchst du auch, Mädchen! Geh jetzt am besten nach Hause.“ sagte Thirty-thirty und erhob sich von dem Stuhl. Auch ich stand müde auf.

„Ja, das werde ich.“

Ich wandte mich zum gehen.

„Bitte gebt mir Bescheid, wenn ihr hört, dass Bravestarr wieder wach ist.“ sagte ich noch und trottete dann zum Saloon zurück.

Überall auf den Straßen herrschte gedämpfte Stimmung. Die Leute fühlten mit den Schürfern und deren Familien. Obwohl reger Betrieb war, herrschte betroffenes Schweigen, wenn man sich unterhielt, dann nur sehr leise und gedämpft. In jedem Gesicht, in das ich blickte, stand Betroffenheit. Einige Leute sprachen mich auch an und fragten, wie es mir ging.

Als ich dann endlich im Saloon ankam, wurde ich von einem ebenso traurigen Handle Bar empfangen. Er hatte Jack auch sehr gemocht.

„Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass er nun nie wieder durch diese Tür da kommen wird.“ sagte er leise und deutete mit dem Kopf auf die Saloontür.

„Und seine arme Familie! Er war doch der Ernährer!“

„Fayne lässt sich da schon was einfallen!“ beschwichtigte ich ihn. „Hat er der Familie zumindest versprochen.“

Handle Bar nickte beruhigt.

„Zum Glück hat es dich nicht erwischt, Kind!“ sagte er dann noch. „Aber...Bravestarr...!“

„Er kommt wieder auf die Beine!“ beruhigte ich ihn, oder versuchte es zumindest.

Thirty-thirty und Fuzz waren nicht die Einzigen, die Angst hatten. Wie konnte es sein, dass sich eine ganze Stadt so auf die Hilfe eines einzelnen Mannes verließ? Natürlich, Bravestarr hatte seine Kräfte und war äußerst mutig, aber dennoch fand ich es recht leichtsinnig, sich nur auf ihn zu verlassen. Denn solche Situationen wie die Jetzige konnten schneller eintreten, als man dachte.

„Ich hoffe nur möglichst schnell!“ sagte Handle Bar noch leise und sah ich dann an.

„Geh schlafen, Kleines! Du siehst fürchterlich aus und wir werden heute mit Sicherheit keine Arbeit mehr bekommen.“

Ich nickte schwach und sprang von dem Barhocker. Wortlos wankte ich dann in mein Zimmer und ließ mich auf das Bett fallen. Ich brauchte keine Minute um einzuschlafen. Aber ich durchlebte den schrecklichen Vorfall immer wieder in dieser Nacht.
 

Fast die gesamte Stadt hatte sich auf dem Friedhof versammelt. Ich stand mit Billy Bob und Fayne in der ersten Reihe, mein verweinter Blick ruhte abwechselnd auf dem schlichten Holzsarg und auf den tieftraurigen, tränennassen Gesichtern von Jacks Familie und seiner Verlobten. Alle waren in Schwarz gekleidet. Ich hatte mir noch bei Miss Greenwood noch ein schwarzes Hemd und einen schwarzen Hut besorgt. Vier Tage nun war der Unfall her und es hatte unglaublich viel Arbeit gegeben. Die Beerdigung musste organisiert werden, dann musste man beginnen die Mine wieder frei zuräumen und natürlich wollte auch jeder wissen, wie das eigentlich passiert war. Da bei Handle Bar in dieser ganzen Trauerstimmung kaum Arbeit hatte, half auch er bei der Mine mit.

Bravestarrs Wunden verheilten schnell, aber er kam nicht wieder zu Bewusstsein. Immer noch lag er regungslos in seinem Bett im Krankenhaus und die ganze Stadt war höchst angespannt.

Schließlich beendete der Priester seine Rede und der Sarg wurde in die Erde abgelassen. Die Tränen begannen bei so ziemlich allen Anwesenden heftiger zu laufen.

Danach gab es noch so eine Art Kaffee trinken im Saloon. Wobei man das nicht wörtlich nehmen sollte, denn tatsächlich griffen die Männer eher zu alkoholischen Getränken, während lediglich die Frauen mal einen Kaffee oder ein Süßwasser verlangten.

Ich griff ebenfalls zum Süßwasser und blieb an der Bar. Die Stimmung war weiterhin sehr gedrückt und mir war nicht wirklich nach großartiger Konversation. Nach einigen Minuten gesellte sich dennoch Billy zu mir und man wechselte dann doch einige Worte.

„Denke mal, der Bohrer dürfte Schrott sein. Der stand ja noch im Tunnel, als es passiert ist.“ begann ich lahm.

„Wahrscheinlich.“ meinte Billy nur knapp.

Ich suchte verzweifelt nach Worten, irgendeinem belanglosen Thema. Doch natürlich fiel mir nichts ein. Schließlich standen wir nur weiter schweigend nebeneinander, jeder in sein Glas starrend.

Plötzlich begann ohrenbetäubendes Sirenengeheul und ich ließ vor lauter Schreck beinahe mein Süßwasser fallen. Was war denn nun los?

Von einer Sekunde auf die nächste brach hektisches Rennen im Saloon aus. Die gesamte Trauergemeinschaft begann wild durcheinander zu laufen. Einige versteckten sich in den Ecken und unter den Tischen, andere wiederum rannten auf die Straße raus. Alle schrien wild durcheinander und die Angst, die mit einem Mal in der Luft lag, war beinahe greifbar.

Ich rannte ebenfalls auf die Straße hinaus, da ich wissen wollte, was los war. Draußen angekommen sah ich die Menschen die Straßen auf und ab rennen, Turbomulis sausten an mir vorbei und Türen wurden in die Schlösser geworfen und Fenster verrammelt.

Dann sah ich Thirty-thirty, der noch in seiner zweibeinigen Form auf mich zu gerannt kam, seine riesige Waffe in der Hand haltend.

„Thirty! Was ist los?“ rief ich ihm zu.

„Tex Hex! Er ist auf dem Weg! Schnell, hol Handle Bar und macht euch kampfbereit!“ antwortete er gehetzt und rannte dann weiter.

Ich stürzte in den Saloon zurück, aber ich musste Handle Bar gar nichts sagen, denn dieser kam bereits auf mich zu.

„Okay, Bianca! Der Tanz beginnt!“ rief er und wir liefen gemeinsam aus dem Saloon raus. Wir hatten nicht ganz das Gebäude verlassen, als sich auf einmal vor einige der Gebäude so eine Art Schutzschild schob und die Metallplatten vor den Häusern, die die Bürgersteige darstellten, sich ebenfalls hochstellten.

„Das nennt man also „die Bürgersteige hochklappen“!“ murmelte ich und folgte Handle Bar ein paar Häuser weiter. In der Zwischenzeit hatte sich eine massive Metallmauer um den inneren Kern der Stadt gelegt auf der ich auch sowas wie Wehrtürme sehen konnte. Es mussten Wehrtürme sein, denn sie waren mit gewaltigen Kanonen bestückt. Die Stadt war zu einer richtigen Festung geworden.

Handle Bar begann eine Treppe, die an der Mauer hoch führte, hoch zu krabbeln und bestieg einen der Wehrtürme.

„Bianca, bleib du unten und such dir eine Waffe! Sollte es einer von den Kojoten doch in die Stadt schaffen!“ rief er mir zu und nahm an einer der riesigen Kanonen Platz.

Ich beeilte mich seinen Anweisungen Folge zu leisten und beeilte mich in den Saloon zu kommen, in die Küche zu dem Geheimfach. Handle Bar hatte mir mal anvertraut, dass er dort ein paar Waffen verschlossen hatte, für solche Fälle. Ich kannte mich mit diesen Laserwaffen zwar nicht aus, aber sie müssten eigentlich ähnlich funktionieren, wie die normalen Waffen aus meiner Zeit. Ich würde schon irgendwie dahinter kommen.

Während ich mit zitternden Händen die Kombination in den Safe eingab konnte ich draußen das Donnern der Kanonen hören und stimmen, die wild durcheinander schrien. Und dann plötzlich eine Explosion. Jemand begann furchtbar zu schreien und verstummte abrupt, als ein einzelner Schuss ertönte.

Mein Herz wollte stehen bleiben. Da war gerade jemand erschossen worden, das wusste ich. Und nicht oben auf der Mauer, sondern hier unten in der Stadt! Hatten sie die Verteidigung durchbrochen? Das konnte ich mir einfach nicht vorstellen. Noch hektischer, als ohnehin schon, begann ich die Zahlen weiter einzutippen und endlich sprang die Tür mit einem Piepen auf. Ich griff einfach wahllos eine der vier oder fünf Waffen. Eine Laserpistole, wie ich sie auch schon mal bei Bravestarr gesehen hatte. Ich nahm sie und begann sie mir anzusehen, eine Sicherung oder ein Magazin zu suchen. Handle Bar hatte mir mal gesagt, dass so gut wie alles hier mit Kerium betrieben wurde. Auch die Waffen. Normalerweise wurde einfach ein Stück Kerium irgendwo reingesteckt und man musste sie entsichern. Dann war die Waffe schon feuerbereit. Den Sicherheitshebel fand ich schnell, aber wo das Kerium reinkommen sollte, war mir ein absolutes Rätsel.

Ich konnte Handle Bar draußen irgendetwas schreien hören, jedoch nicht was. Aber es klang alles andere als gut.

Panisch begann ich an einzelnen Stücken der Waffe herum zuzerren, in der Hoffnung die Öffnung so noch irgendwie zu finden, doch vergeblich. Ich legte den Sicherheitshebel um, in der Hoffnung irgendwo eine Kontrolllampe aufleuchten zu sehen, doch auch diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Also war die Waffe entweder nicht geladen, oder sie zeigte es einfach nicht an.

„Verflucht!“ schimpfte ich und richtete mich auf.

Draußen war immer mehr Lärm zu hören und plötzlich meinte ich Tex Hex schnarrende Stimme zu hören.

Sie waren also wirklich in der Stadt! Ich beschloss es darauf ankommen zu lassen und rannte mit der Waffe in der Hand aus dem Raum. Und konnte so gerade eben noch hinter der Bar abtauchen, als ich Tex weißen Haarschopf vor der Saloontür sah, begleitet von einem schwarzen Haarschopf.

„Du bist dir ganz sicher, dass sie hier ist, Vipra?“ konnte ich ihn hören.

„Ganz sicher! Sie war auch in Sawtooth mit ihm zusammen!“ konnte ich die zischende Stimme dieses grünhäutigen Miststücks hören.

„Nun gut! Schnapp sie dir, aber lass sie möglichst am Leben! Stampede will sie sich ansehen!“ sagte Tex. Dann konnte ich, trotz des Lärms auf der Straße das Zischen der sich öffnenden Tür hören.

Stampede? Ich hatte keine Ahnung, wer das nun wieder war, aber ich war auch nicht scharf darauf es herauszufinden.

„Ich werde mich derweil unserem kranken Marshall einen netten kleinen Besuch abstatten!“ sagte er dann noch und begann grausig zu lachen.

Bei seinen Worten sprang mein Herz in meine Kehle und mein Kopf schien zu brennen. Dieses Ungeheuer wollte meinen Bravestarr töten!

„Bestell ihm gute Besserung von mir!“ konnte ich dann dieses Schlangenweib hämisch lachen hören und zu meiner Angst gesellte sich unglaubliche Wut, beinahe Mordlust.

„Komm nur her, Dreckstück!“ dachte ich und begann mir eine Strategie bereit zu legen. Mit ihr hatte ich sowieso noch eine Rechnung offen! Und ich würde nicht zulassen, dass Tex Bravestarr tötete! Niemals!

An die Bar gepresst begann ich auf ihre Schritte zu lauschen (Deja vú!) und nahm die Waffe so, dass ich ihr damit den Schädel einschlagen konnte. Dieses Mal war ich auf die Schlange besser vorbereitet und würde sie nicht noch einmal unterschätzen. Tatsächlich hörte ich, wie sie wieder auf die Bar zuging. Doch dieses Mal würde sie eine Überraschung erleben. Langsam schob ich mich an der Bar entlang, bis zum Ende und lugte vorsichtig um die Kante herum. Sie war nur noch etwa einen Meter entfernt und hielt ihre merkwürdige Waffe in der Hand. Sie war etwa zwei Meter von mir entfernt, ich würde schnell sein müssen. Ich spannte mich für einen schnellen Sprint und stieß mich genau in dem Moment ab, als sie sich über die Bar beugte und die Waffe an den Boden richtete.

„Falsch gedacht, Schätzchen!“ dachte ich nur, überwand die Entfernung zwischen uns mit drei großen Schritten und schlug ihr genau in dem Moment, als sie ihren fatalen Irrtum erkannte und sich zu mir umwand, den Kolben der Pistole mit aller Kraft gegen den Kopf.

Der Hieb tat augenblicklich seine Wirkung und sie sackte regungslos zu Boden.

Schwer keuchend und mit rasendem Herzen blieb ich einige Sekunden über ihr stehen. Problem Nummer 1 wäre schon mal gelöst. Zumindest vorläufig. Die Bewegung ihres Brustkorbes verriet, dass sie nicht tot war, aber zumindest außer Gefecht gesetzt.

„Wir unterhalten uns später noch ausführlicher, Schlampe! Jetzt habe ich erst noch andere Dinge zu erledigen!“ schnaufte ich böse und eilte zur Tür.

Ich musste zum Krankenhaus kommen, bevor Tex Bravestarr töten konnte. Und das würde ein purer Wettlauf gegen die Zeit werden, denn auch, wenn die Sache mit Vipra nicht lang gedauert hatte, er hatte ein paar Minuten Vorsprung.

Ich stürmte aus dem Saloon, sah mich einmal kurz um. Überall herrschte Chaos, ich sah wie dieses große, rothäutige Sandmonster sich wieder mit Handle Bar anlegte, aber dieses Mal schien dieser bestens klar zukommen. Ich sah in Richtung Krankenhaus und entdeckte Calamity Jane (Molly) wie sie auf dem Rücken auf der Straße lag. Ein Roboter in einem langen Ledermantel und mit Hut hatte sich über ihr aufgebaut und zielte mit seiner Waffe, die so ganz nebenbei sein rechter Arm war, auf die am Boden liegende Frau.

Ich hatte diese Blechbüchse auch schon in Sawtooth gesehen, er gehörte zu dieser verfluchten Gang. Und er war im Begriff Molly zu töten! Auch wenn ich sie nicht besonders mochte, das konnte ich nicht zulassen. Mit weit ausgreifenden Schritten jagte ich auf die Szene zu, nahm die Waffe richtig zur Hand.

„Jetzt bist du fällig!“ konnte ich die blecherne Stimme des Roboters hören und dann ein unheimliches Glimmen an der Spitze seines Waffenarmes.

Ich riss meine hoch, betete, dass sie dennoch funktionierte und drückte ab.

Mit einem lauten Zischen entlud sich ein roter Blitz aus dem Lauf und traf den Roboter am Kopf. Er erstarrte sofort und kippte wie ein gefällter Baum um.

Mit einem lautlosen Halleluja bremste ich vor der noch immer am Boden liegenden Molly ab.

„Alles okay?“ keuchte ich atemlos.

Verwirrt blickte sie zu mir auf.

„Das warst du?“ fragte sie ungläubig.

„Ja!“ nickte ich nur und sah mich um. Ich konnte das Krankenhaus von hier aus nicht sehen, aber es war nicht weit. Und dennoch hatte ich durch diese Sache wieder Zeit verloren. Ich musste weiter. Aber vielleicht konnte sie mir auch helfen.

„Tex! Er will...zum Krankenhaus! Bravestarr!“ keuchte ich, noch immer völlig außer Atem.

Und dennoch erreichten meine Worte den gewünschten Effekt. Mit einem Satz war Molly wieder auf den Beinen und ich kam nicht umher ihre große kräftige Gestalt zu bewundern. „Dann sollten wir uns aber auf die Socken machen, Kleine!“ rief sie entschlossen und rannte auf das Krankenhaus zu. Ich folgte ihr.
 

Mit einem siegessicheren Grinsen blieb Tex vor der Tür des Krankenhauses stehen. Zwar war es durch das Sicherheitssystem verschlossen, aber das war kein Problem. Mit einer beiläufigen Bewegung zog er seine Waffe und machte sich einen eigenen Eingang. Der Laser ließ das massive Metall dahinschmelzen, wie warmen Käse. Langsam trat er durch das Loch in den Behandlungsraum und durchquerte diesen mit ruhigen Schritten. Dann trat er in den Raum mit den Krankenbetten und erblickte sofort, was er gesucht hatte.

Trotz der Dunkelheit konnte er den dunkelhäutigen Körper erkennen, der direkt in dem vordersten der Betten lag. Der weiße Verband um seinen Kopf stach deutlich unter seinem schwarzen Haar und der dunklen Haut hervor. Mit einem noch breiteren Grinsen ging Tex weiter und blieb neben dem regungslosen Körper stehen.

Er ließ sich Zeit, wollte diesen Anblick, dieses Gefühl der Macht genießen. Da lag er vor ihm, sein Erzfeind, bewusstlos und völlig hilflos! Wie lange hatte er auf diesen Moment gewartet?

Vorsichtig reckte er einen Finger vor und hielt ihn unter seine Nase. Der leichte, regelmäßige Windzug, der seine Haut streifte, ließ ihn noch breiter grinsen.

„Nun ist meine Stunde gekommen, Bravestarr!“ lachte er böse und zog seinen Finger zurück. Langsam beugte er sich weiter zu dem bewusstlosen Mann herunter.

„Ich frage mich, was soll ich mit dir machen? Dich sofort hier töten? Oder dich in mein Hexagon bringen? Dich noch ein wenig leiden lassen?“ zischte er leise.

„Nichts von alledem!“ hörte er plötzlich eine weibliche Stimme in seinem Rücken und spürte dann den Lauf einer Waffe, die sich in seinen Rücken bohrte.
 

„Weg von ihm, du violetthäutiges Monster!“ grollte ich böse und verstärkte den Druck der Waffe auf seinen Rücken.

„Und wag es nicht, auch nur eine komische Bewegung zu machen!“ fügte ich hinzu.

Tatsächlich richtete Tex sich nur sehr langsam wieder auf und nahm die Hände hoch.

„Scheint so, als wenn Vipra sich geirrt hatte, was deinen Aufenthaltsort angeht!“ sagte er fast beiläufig und warf einen Blick über seine Schulter. Ich konnte seine Augen rot glühen sehen.

„Oh, das hat sie nicht! Sie hat mich nur mal wieder unterschätzt!“ erwiderte ich nur locker und drückte den Lauf der Waffe nach rechts, von dem Bett weg. Tex folgte der Bewegung und machte langsam einen Seitwärtsschritt nach dem anderen.

„Du bist schwer zu fangen, das muss man dir lassen!“ schnarrte Tex, während ich ihn zum Ausgang dirigierte.

„Danke für die Blumen! Und jetzt wirst du deinen verbrecherischen Arsch wieder auf die Straße bewegen!“ bellte ich und verlieh meiner Forderung mit einem derben Stoß mit meiner Waffe Nachdruck, die sich schmerzhaft unter seinen Rückenbogen bohrte.

Tatsächlich beantwortete er das mit einem schmerzerfüllten Keuchen und einem unbeholfenen Stolpern nach vorn. Gezwungen langsam wandte er den Kopf in meine Richtung. Das Funkeln in seinen Augen hatte zugenommen, war beinahe mörderisch.

„Warte nur, bis ich dich in die Finger kriege! Dann wirst du dir noch wünschen nie hier gelandet zu sein!“ zischte er.

Ich quittierte das nur mit einem hämischen Lachen.

„Oh, ich zittere schon vor Angst!“

Dann schubste ich ihn weiter auf den Ausgang zu, in dem Molly nun erschien.

„Hast du die Kanalratte gekriegt?“ fragte sie und betrachtete Tex mit einem Grinsen.

„Wie du siehst!“ antwortete ich und verpasste ihm noch einen Schubs mit der Waffe.

„Na, da wird Thirty sich freuen!“ lachte Molly und machte einen weiteren Schritt in den Raum herein. Und gewährte mir einen Blick auf die Straße.

Und auf die grünhäutige Gestalt, die in diesem Augenblick hinter Molly auftauchte und ihre Waffe auf sie richtete.

„Molly!“ konnte ich nur noch erschrocken rufen, als auch schon ein lautes Zischen erklang und Mollys Körper sich sofort versteifte. Mit einem fassungslosen Blick kippte sie regungslos um und gab den Blick auf Vipra frei, die mit immer noch erhobener Waffe hinter ihr stand. Dunkles Blut sickerte über ihre linke Gesichtshälfte, wo ich sie erwischt hatte und ein mordlustiger Ausdruck stand in ihren Schlangenaugen.

Der Schreck lähmte mich für einige Sekunden. Und das war alles, was Tex brauchte. In einer fließenden Bewegung wich er zur Seite, schlug meinen Arm mit der Waffe weg und verpasste mir im selben Moment einen Schlag gegen die Schläfe. Ein greller Schmerz explodierte in meinem Kopf und von einem Augenblick auf den anderen wurden meine Knie weich. Benommen sackte ich zu Boden, verlor das Bewusstsein aber nicht komplett.

„Verdammtes Miststück hat....geschlagen!“ drang die Stimme des Schlangenweibes zu mir durch.

„Mach sie...dafür....Luder!“

„Lass....Stampede...sehen!“ hörte ich dann die Stimme von Tex.

Mit verschwommenem Blick sah ich durch halb geöffnete Augen zu Molly rüber. Sie lag auf dem Bauch, das Gesicht in meine Richtung gedreht. Ihre Augen waren geöffnet und angsterfüllt. Ich sah, wie ihr Brustkorb sich hektisch bewegte. Ein Glück, sie lebte! War wohl nur betäubt oder gelähmt, wie es schien.

„Sag...bescheid! Nehmen....mit!“ hörte ich dann plötzlich wieder Tex Stimme, die sich mir näherte. Dann spürte ich seine Hand an meiner Schulter und ich wurde herum gewälzt, auf den Rücken. Und sah diesem Teufel in seine roten Augen, die siegessicher auf mich herabsahen.

„Bravestarr hast du vielleicht erst mal gerettet!“ zischte er leise. „Dafür bist du jetzt dran!“

Mit diesen Worten ließ er die Faust auf meinen Kopf niedersausen und ich spürte nicht einmal mehr den Schmerz des Schlages.
 

Kein Muskel wollte ihren Befehlen gehorchen. Nichts an ihr rührte sich, außer ihre Lungen, die tapfer weiter Luft in sich sogen und ihr Herz, dass hektisch pochte. Mit Entsetzen musste sie dabei zusehen, wie Tex die Kleine auf den Rücken wälzte, ihr noch irgendwas ins Gesicht zischte und sie dann mit einem weiteren Schlag in die Bewusstlosigkeit schickte. Dann packte er ihren schlaffen Körper, warf ihn sich über die Schulter und verließ das Krankenhaus.

Verzweifelt kämpfte Molly darum wieder die Kontrolle über ihren Körper zurück zu erhalten. Dieses hinterhältige Stück von einer Schlange!

Endlich spürte sie, wie ihre Muskeln ihren Befehlen wieder zu gehorchen begannen und sie schaffte es eine Hand gegen den Boden zu stemmen.

Aber erst nach etwa zwei Minuten hatte sie wieder so viel Kraft, dass sie sich komplett aufrichten konnte.

Plötzlich hörte sie schlurfende Schritte. Panisch sah sie zur Tür zurück, ob Tex nicht vielleicht doch zurück kam, um sie noch ganz zu erledigen. Doch die Schritte kamen nicht von der Straße, sondern aus dem Krankenzimmer.

Plötzlich erschien eine dunkelhäutige, nur in Hosen bekleidete, schwankende Gestalt in der Tür.

Bravestarrs Augen waren noch ganz fiebrig, seine Haare hingen ihm wirr um die Schultern.

„Was...was ist passiert?“ fragte er verwirrt, schien die Situation noch gar nicht richtig erfassen zu können.

„Jungchen! Du bist ja wieder wach!“ sagte Molly und begann auf ihn zu zutaumeln.

„Molly! Was geht hier vor?“ fragte er und drückte eine Hand gegen seinen Kopf und stützte sich schwer an der Wand ab.

„Tex Hex! Er hat die Stadt angegriffen. Er war hier und wollte dich töten!“ erklärte sie knapp und legte stützend einen Arm um ihn. Vorsichtig führte sie ihn zum Untersuchungstisch in der Mitte des Raumes und er ließ sich langsam darauf nieder.

„Wie geht es dir, Junge?“ fragte sie ihn besorgt.

„Bin noch etwas benommen, aber ich glaube, es wird bald wieder.“ antwortete er und sah sie an.

Molly warf einen raschen Blick zum Eingang. Tex und seine Gang waren mit Sicherheit weg. Mit der Kleinen. Gott, was dieses Ungeheuer wohl mit ihr vorhatte?

„Kleiner, hör zu! Sie haben die Kleine! Tex hat Bianca verschleppt!“ sagte sie dann.

Ein Schlag ins Gesicht hätte wohl nicht aufmunternder bei ihm wirken können. Mit einem Ruck hob er den Kopf und sah sie erschrocken an. Der fiebrige Glanz in seinen Augen war auf einen Schlag gewichen.

„Was?“ keuchte er entsetzt.

„Tex war hier und wollte dich erledigen. Bianca hat ihn daran hindern können. Aber dann hat Vipra mich von hinten erledigt und Tex konnte sie niederschlagen. Und dann haben sie sie mitgenommen. Er hat irgendwas gefaselt, dass Stampede sie sehen will.“ erklärte sie hastig.

„Ich muss ihr hinterher! Sofort!“

Entschlossen wollte er sich aufrichten, aber er war trotz allem immer noch sehr geschwächt. Entschlossen drückte sie ihn auf den Tisch zurück.

„Du bleibst jetzt schön hier und wartest auf Doc Clayton. Der soll sich deinen Kopf ansehen. Ich besorge dir Sachen und suche Thirty-thirty!“ sagte sie entschieden.

Bravestarr öffnete den Mund, um zu widersprechen, schloss ihn aber sofort wieder und nickte dann nur.

„In Ordnung! Aber im Namen aller guten Geister, beeile dich!“

Stampede

Ich konnte beim besten Willen später nicht mehr sagen, wie lange ich bewusstlos gewesen war. Das erste, was mir wieder ins Bewusstsein drang, waren rasende Kopfschmerzen und kalter Stein an meiner Wange. Je mehr meine Sinne ihre Arbeit wieder aufnahmen, desto mehr nahm ich jedoch von meiner Umwelt wahr. Ich lag auf hartem Stein und es war kalt. Als wenn ich in einem Kühlschrank liegen würde. Langsam öffnete ich die Augen. Mein erster Eindruck hatte nicht getäuscht. Ich lag auf nacktem Stein. Was mich aber noch mehr erschreckte, war der Anblick von dicken Gitterstäben etwa einen Meter von mir entfernt. Erschrocken richtete ich mich ruckartig auf und sank sofort wieder mit einem leisen Schmerzenslaut und Schwindel zurück.

Erst jetzt erinnerte ich mich wieder an alles. Der Überfall auf die Stadt, wie ich Tex im letzten Moment davon hatte abhalten können Bravestarr zu töten und dann wie Vipra Molly außer Gefecht setzte und Tex dann mich niederschlug. Und wie!

Vorsichtig tastete ich über meine Schläfe und zog die Finger sofort zusammenzuckend wieder zurück. Es würde mich nicht wundern, wenn ich an dieser Stelle einen schönen dicken Bluterguss bekommen würde. Dieser Dreckskerl!

In der halbliegenden Position verharrend sah ich mich vorsichtig in der Zelle um. Denn in nichts anderem befand ich mich. Sie maß vielleicht drei mal zwei Meter und schien in einer Höhle oder etwas ähnlichem zu liegen. Es herrschte nur sehr diffuses Licht und es war absolut still. Unheimlich still.

Wo hatten mich die Dreckskerle nur hingeschleppt?

Ich überlegte, ob ich nach jemandem rufen sollte, entschied mich aber schnell dagegen. Tex hatte ja erwähnt, dass er mich aus einem bestimmten Grund so oder so hatte verschleppen wollen. Stampede! Ich hatte nach wie vor keine Ahnung, wer das sein sollte, war aber auch nicht scharf darauf es herauszufinden.

Ich sollte mir besser Gedanken machen, wie ich hier wieder heraus kam. Und das würde nicht leicht werden. Ich begann die Gitterstäbe zu mustern. Sie sahen massiv und sehr stabil aus und sie waren fest im Boden und in der Decke verankert. Es war ziemlich unwahrscheinlich, dass ich sie würde rausbrechen können oder verbiegen können.

Also hatte ich wohl nur die Wahl zu warten bis jemand kam und denjenigen dann zu überwältigen. Und auch das würde schwer werden, denn diese verdammte Bande wusste um meine Kampferfahrung und so würden sie doppelt vorsichtig sein. Aber es war wohl oder übel meine einzige Chance.

Und so wartete ich.

Allerdings nicht lang. Es konnten kaum zwanzig Minuten verstrichen sein, bis ich von draußen Schritte hören konnte und sich dann die Tür knarrend öffnete. Und in der Türöffnung dieser Robotergangster erschien, der versucht hatte Molly zu erschießen.

„Endlich aufgewacht, wie?“ fragte er mit seiner blechernen Stimme und ich meinte in seinen Glasaugen beinahe sowas wie Häme zu sehen.

Ich fixierte ihn weiter und rührte keinen Muskel. Langsam kam er auf die Zelle zu und zückte dann einen Schlüssel aus seinem Mantel. Mit einem lauten Klacken sprang die Zellentür auf und er richtete sofort seinen Gewehrarm auf mich.

„Komm besser gar nicht erst auf dumme Gedanken, Kleine!“ sagte er dann noch und machte eine auffordernde Geste, die Zelle zu verlassen.

Langsam richtete ich mich auf. In meinem Kopf rasten die Gedanken. Verfluchte Blechkiste! Hier nützten mir meine Nahkampftechniken gar nichts. Diese Blechbüchse hatte keine weichen Körperstellen, die ich attackieren konnte und niederschlagen konnte ich ihn auch nicht. Ich würde ihm also folgen müssen.

Mit klopfendem Herzen verließ ich die Zelle und ging an ihm vorbei. Sofort spürte ich den Lauf seines Gewehrarmes in meinem Rücken und er stieß mich grob durch die Tür in einen Gang.

„Jetzt wollen wir mal sehen, wie mutig du bist!“ lachte er blechern und ich machte mir ehrlich gesagt vor Angst fast in die Hose.
 

„Wir müssen los, Big Partner!“ rief Bravestarr und schwang sich in Thirtys Sattel. Der Doc hatte ihn zum Glück entlassen, nachdem er sich vergewissert hatte, dass seine Verletzungen ganz verheilt waren. Zudem hatte er ihm einen kleinen Muntermacher verpasst, der ihm die Mattheit aus den Knochen vertrieben hatte. Denn er hatte bereits wieder etwas zu tun. Er musste Bianca befreien! Was auch immer Stampede von ihr wollte, es war nichts Gutes und er hatte fast schon panische Angst um die Kleine. Zudem hatte sie ihm nun schon zum zweiten Mal das Leben gerettet. Er schuldete ihr was.

„Dann wollen wir mal das Hexagon auseinander nehmen!“ rief Thirty-thirty kampflustig und wollte gerade los sprinten, als plötzlich Handle Bar auf einem Turbomuli zu ihnen stieß.

„Aber nicht ohne mich!“ rief er.

„Nein, Handle Bar! Du musst hier in der Stadt helfen, und...“ wollte Bravestarr ihn zurück halten, aber Handle Bar winkte nur energisch ab.

„Unsinn! Die Leute hier kommen schon klar und ich will meine Kellnerin zurück haben!“ erwiderte er bestimmt.

Bravestarr musste lächeln. Ehrlich gesagt war er froh über die Hilfe.

„Und Fuzz auch mitkommen!“ erklang es dann von der anderen Seite und Fuzz fuhr in seinem Sandflitzer vor.

„Na dann ist der Rettungstrupp ja komplett!“ lachte Thirty-thirty übermütig und sie machten sich auf den Weg in die Badlands. Bravestarr hoffte nur, dass sie nicht zu spät kamen.
 

Ich wusste nicht, durch wie viele Gänge mich der Roboter scheuchte, aber es waren einige. Und scheinbar war ich im Keller gefangen gewesen, denn es ging einige Treppen hoch. Und dann durch einen großen, breiten Gang auf eine gewaltige Tür zu. Ich konnte unter der Tür ein unheimliches Leuchten ausmachen und ein merkwürdiges Geräusch, beinahe wie die Atemzüge eines verschnupften Riesen. Ich schluckte schwer und spürte, wie meine Knie weich wurden. Dann glitt die Tür vor mir scheinbar automatisch auf und in gab den Blick auf eine riesige Höhle frei, in deren Mitte ich einen tiefen Schlund ausmachen konnte. Das unheimliche Leuten kam aus diesem Schlund, aus dem auch grauer Rauch aufstieg. Ein merkwürdiger Schatten war darin zu erkennen. Beinahe wie ein Hügel mit Zacken. Sah beinahe aus, wie der Rücken eines Stegosaurus. Nur sehr viel größer. Die Angst begann mir die Kehle zuzuschnüren, erst recht, als ich auf einer Stahlplattform an dem unheimlichen Schlund Tex Hex sehen konnte, der in unsere Richtung sah.

„Ah, unser Besucher ist wach!“ konnte ich wieder seine ekelhafte Stimme hören.

Der Roboter versetzte mir abermals einen derben Stoß in den Rücken und ich torkelte weiter nach vorne, auf den Schlund zu. Tex begann mit gemäßigten Schritten von der Plattform runter auf mich zuzugehen. Der Roboter stieß mich weiter in seine Richtung. Je näher ich diesem Schlund kam, desto lauter wurde dieses merkwürdige Geräusch. Und desto größer wurde meine Angst.

Etwa einen Meter von mir entfernt am Fuße der Treppe, die zu der Plattform hoch führte, blieb Tex stehen und musterte mich. Als er meinen Kopf betrachtete begann er zu grinsen.

„Ich hoffe doch die Kopfschmerzen waren nicht allzu groß!“

Sein triumphaler Ton ließ die Wut wieder in mir hochkochen.

„Warte nur, du hinterhältiger Scheißkerl! Gib mir nur eine winzige Gelegenheit und ich verpasse dir mehr als nur Kopfschmerzen!“ fauchte ich.

Tex Antwort war jedoch nur ein lautes Lachen.

„Selbst in so einer Situation immer noch mutig, was?“ Dann verdüsterte sich seine Miene jedoch wieder gefährlich.

„Aber nun Schluss mit dem Small Talk! Hier ist jemand, der dich gern kennenlernen würde.“

Mit diesen Worten gab er dem Roboter einen Wink, drehte sich um und stieg die Treppe zur Plattform wieder hoch. Obgleich ich furchtbare Angst hatte, wollte ich keinen weiteren Stoß in die Rippen erhalten und folgte Tex unaufgefordert. Oben angekommen blieb Tex knapp vor dem Schlund stehen.

„Hier ist sie, Meister!“ rief er dann laut in den Schlund hinein.

Mein Blick wanderte zu dem merkwürdigen Stegosaurus-Hügel, der sich bei Tex Worten auf einmal bewegte. Und dann erschienen erst zwei gewaltige, silbrig funkelnde Hörner über dem Abgrund, die auf einem gewaltigen grünen Kopf saßen. Mit einem lauten Keuchen stolperte ich ein paar Schritte rückwärts und starrte die riesige Kreatur an, die sich nun zur voller Größe aufrichtete. Dieses...Ding glich nichts, was ich je zuvor gesehen hatte. Es war gigantisch, hoch wie ein Haus. Sein Kopf war bestimmt so groß, wie ein ganzer Bus, sein Maul war mit gewaltigen, vorspringenden Zähnen bestückt und ein unheimliches Leuchten kam aus seinem Schlund. Tatsächlich hatte er auch noch sowas wie einen Schnurrbart, der knapp über den dampfenden Nasenlöchern saß. Das schlimmste an ihm aber waren eindeutig seine Augen. Sie waren groß, wie Türen und glühten. Und es stand unendliche Bosheit in diesen Augen. Bei seinem Blick hatte ich das Gefühl, als würde mir jemand das Herz zusammendrücken.

Dann begann die Gestalt ihren Kopf zu senken, auf mich herab. Ich versuchte vor diesem dampfenden Schlot zurückzuweichen, doch die Plattform war nicht sehr breit und so stand ich schon bald an der Kante. Knapp vor mir blieb sein Kopf stehen. Er war mir so nahe, dass ich nur die Hand hätte ausstrecken müssen, um ihn zu berühren. Stinkende Dämpfe hüllten mich ein.

„Du bist also Bianca!“ kam es grollend aus dem Schlund.

Ich begann immer heftiger zu zittern.

„Was bist du?“ stieß ich ängstlich hervor.

Die Augen des Ungeheuers verengten sich.

„Ich bin Stampede!“ grollte er.

„Was willst du von mir?“ fragte ich weiter.

Gott, ich wollte weg von diesem Ding!

Seine Augen verengten sich noch weiter.

„Was ich will?“ kam es mir grollend aus dem dampfenden Schlund entgegen, der sich dabei kaum bewegte.

„Mir ein Bild von dem Neuling auf diesen Planeten machen, der uns so einen Ärger bereitet.“

Er kam mir noch eine Winzigkeit näher. Instinktiv wollte ich vor ihm zurückweichen, doch ein derber Stoß des Gewehrarmes von dem Roboter ließ das nicht zu.

„Du hast nun schon zum zweiten Mal meine Pläne vereitelt und ich mag es nicht, wenn man uns in die Quere kommt.“

Ich schluckte heftig und spürte, wie meine Knie weich wurden.

„Und...was hast du nun mit mir vor?“ zwang ich mich zu sagen, obgleich ich es mir schon denken konnte. Was wohl?

„Nun, eigentlich wollte ich dich beseitigen, aber vielleicht bist du doch noch ganz nützlich!“ knurrte das Monster und grinste dann breit.

„Aber Stampede! Ich wollte....!“ konnte ich Tex plötzlich hinter mir protestierend sagen hören, aber Stampede ließ ihn den Satz nicht zu Ende führen.

Ein lautes Zischen erklang und Tex wurde von einem Lichtstrahl getroffen, der aus Stampedes Hörnern zu kommen schien. Tex wurde zurück geschleudert und wäre beinahe von der Plattform gestürzt.

„Schweig! Was du willst, ist mir gleich! Ich habe andere Pläne!“ donnerte die riesige Gestalt gebieterisch und wandte sich dann wieder mir zu.

„Du wirst erst einmal unser Gast bleiben.“ knurrte er dann leise und ein breites Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit.

„Ich denke, dass das eine wunderbare Gelegenheit für uns ist, Bravestarr hierher zu locken. Dann schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe!“

Dann wandte er sich dem Roboter zu.

„Bring sie wieder in ihre Zelle!“ donnerte er und dieser beeilte sich dem Befehl nachzukommen und stieß mich grob die Treppe runter.

Oh Gott, in was war ich da hineingeraten? Nun war ich Geisel von dieser Bande, auf Gedeih und Verderb diesem Monster ausgeliefert. Und Bravestarr...

Zum ersten Mal wünschte ich mir, dass er nicht aufwachen würde.

Schaman

Mit gemischten Gefühlen sah Bravestarr zu dem gewaltigen X am Horizont. Den ganzen Weg hierher hatte er sich Gedanken gemacht, was Stampede von Bianca wollen könnte. Eigentlich fiel ihm nur eine Erklärung ein und die war die, dass Stampede ihn so einfach nur anlocken wollte um das zu tun, was Tex mal wieder nicht geschafft hatte.

Er lief also geradewegs in eine Falle. Aber er hatte auch keine andere Wahl. Er musste die Kleine da herausholen, kostete es, was es wolle.

„Bereit für die Schlacht, Partner?“ riss ihn Thirty-thirty aus seinen Gedanken.

„Ich muss nachdenken, Big Partner. Das ist eine Falle, da bin ich mir sicher.“ antwortete er langsam.

„Warum?“ fragte Handle Bar, der langsam an seine Seite trat.

„Nun, was sollte Stampede für einen Grund haben, Bianca verschleppen zu lassen? Doch nur den, uns zu erpressen oder in die Falle zu locken.“ antwortete Bravestarr und sah wieder zum Hexagon.

„Und ich bin mir sicher, letzteres ist der Fall. Wenn wir da jetzt kopflos hereinstürmen, dann sind wir erledigt.“

„Und die Kleine auch.“ sagte Handle Bar dann leise.

„Aber was sollen wir denn nun machen? Hier herumstehen bringt uns auch nichts!“ ereiferte sich Thirty und spielte mit seiner Waffe.

„Nein, aber wir brauchen einen Plan.“ erwiderte Bravestarr.

„Und vielleicht auch Hilfe.“ erklang plötzlich eine rauchige Stimme hinter ihnen.

Alle drei fuhren herum und starrten die hochgewachsene, weißhaarige Gestalt an, die hinter ihnen erschienen war.

„Schaman.“ rief Bravestarr. „Was...?“

Sein Mentor hob langsam die Hand und brachte ihn zum Schweigen.

„Ich weiß, was passiert ist, mein Sohn und du hast recht mit deiner Vermutung. Es ist eine Falle.“

Langsam trat er an ihre Seite und sah ebenfalls zum Hexagon herüber.

„Wenn wir das Mädchen befreien wollen, müssen wir überlegt handeln.“ sagte er in seiner langsamen, ruhigen Art und Bravestarr konnte ihm ansehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete.

Still lächelte er in sich hinein. Egal, wie alt Schaman auch schon war, in ihm schlummerte auch nach wie vor ein Kämpfer. Und, wie er auch wusste, ein sehr weiser Kämpfer. Mit seiner Hilfe würde es ihnen gelingen, Bianca da rauszuholen.
 

Zusammengesunken und der Verzweiflung nahe saß ich in einer Ecke der Zelle. Was sollte ich nur tun? Ich wusste, dass diese verfluchte Bande keine Hemmungen haben würde mich zu töten, sollte Bravestarr nicht kommen. Und ich wusste auch, dass das wohlmöglich Bravestarrs Tod wäre. Ich musste also irgendwie fliehen. Nur wie? Aus dieser Zelle ausbrechen? Wie sollte ich das machen? Die Gitterstäbe waren massiv und fest im Stein verankert. Zudem waren hundertprozentig überall bewaffnete Wachen und ich hatte keine Ahnung, wo es hier heraus ging.

Nun bahnte sich doch eine Träne meine Wange den Weg herunter.

Ich fühlte mich so hilflos, aber andererseits regte sich auch mein Sturrkopf, der gar nicht daran dachte die Situation einfach so hinzunehmen und aufzugeben.

Versunken in meinen düsteren Gedanken nahm ich nur am Rande wahr, wie sich die Tür zu dem Zellenraum öffnete und die klackenden Schritte von Absätzen. Erschrocken blickte ich auf und starrte dann in Vipras mordlustig funkelnde Augen, die mich durch die Stäbe hindurch fixierten.

„Wie fühlt man sich, wenn man so hilflos ist?“ fragte sie böse lachend.

Ich starrte sie nur konzentriert an, presste die Lippen fest aufeinander. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, was das Biest hierhin führte. Zweimal hatte ich ihr schließlich eine Niederlage beschert und so eine wie sie ließ das natürlich nicht auf sich sitzen. Die Rachlust leuchtete geradezu in ihren schlitzförmigen Augen.

Langsam zog sie einen klobigen Schlüssel aus einer Tasche an ihrem Gürtel und schloss die Tür auf, mich dabei nicht eine Sekunde aus den Augen lassend.

Meine Gedanken rasten. Einerseits hatte ich Angst, aber andererseits war das auch meine Chance zumindest aus dieser Zelle zu entkommen. Ich musste sie irgendwie überrumpeln. Die Frage war nur wie. Sie hatte mich im Nahkampf erlebt und wusste genau, wie schnell und auch hinterhältig ich sein konnte. Und so dumm, mich ein weiteres Mal zu unterschätzen würde sie nicht sein. Also was tun?

„Jetzt bist du diejenige die Blut spucken wird, Miststück!“ zischte die Schlangenfrau böse, wobei die Betonung auf Zischen liegt. Sie klang in diesem Moment wirklich wie eine sprechende Schlange.

Ich kroch vor ihr zurück, gegen die Zellenwand, noch immer unschlüssig, was ich tun sollte. Denk nach, Bianca! Denk nach!

Vipra lachte böse und blieb kurz vor mir stehen. Dann griff sie abermals an ihren Gürtel und förderte einen langen, silbrig glänzenden Gegenstand zu Tage. Das Messer, mit dem mein Oberarm schon einmal Bekanntschaft gemacht hatte. Nur, dass es dieses Mal wohl auch mit wichtigeren Körperteilen von mir Bekanntschaft machen wollte.

Doch der Anblick des Messers löste bei mir auch einen Geistesblitz aus. Ich erinnerte mich an mein Psychologie-Training in meinem Ju Jutsu-Verein.

„Spiel das schwache, ängstliche, wimmernde Opfer! Und während deinem Gegner fast einer abgeht, während er seinen vermeintlichen Triumph genießt, quetsche ihm die Eier!“

Bei der Erinnerung an diese Worte meines Trainers musste ich mir sogar ein Grinsen verkneifen. Mein Gott, was hatten wir an dem Tag über den Spruch gelacht!

Dieses Mal lachte ich nur in mich hinein, während ich versuchte, mir eine Angstträne aus dem Auge zu pressen und hektisch zu atmen begann. Ich presste mich mit ängstlichen Wimmerlauten an die Wand in meinem Rücken, dabei hoffend nicht zu theatralisch zu wirken. Doch in den Augen der Schlange blitze kein Misstrauen auf. Tatsächlich schien meine Taktik aufzugehen, denn ein böses Lachen kam aus ihrer Kehle, während sie mich triumphierend ansah.

„Was ist los, Schlampe? Hast du Angst? Rast dein Herz?“ fragte sie und beugte sich zu mir runter, kam mir mit ihrem Gesicht ganz nahe. Ich konnte ihren Atem riechen. Irgendwie...erdig.

„Jetzt lass uns ein wenig Spaß haben!“ zischte sie böse grinsend.

„Aber gern!“ dachte ich, holte unauffällig mit dem Kopf aus und schlug ihr meine Stirn ins Gesicht. Ich konnte ein lautes Knacken hören – wahrscheinlich ihr Nasenbein – und sie stieß ein dumpfes, schmerzerfülltes „Umpf!“ aus. In meiner Stirn explodierte ein stechender Schmerz, der sich schnell durch mein Gehirn frisst und für einen Moment sah ich Sternchen. Nur benommen nahm ich wahr, wie sie nach hinten sackte und auf dem Rücken landete. Aber sie war nicht bewusstlos, nur benommen. Und das würde nicht ewig so bleiben.

Verzweifelt versuchte ich die blutigen Schemen vor meinen Augen wegzublinzeln und meine Gedanken zu sammeln. Ich musste sie endgültig außer Gefecht setzen, wenn ich sie besiegen wollte.

Ich stemmte mich schwer hoch, ließ mich, den stechenden Schmerz in meinem Kopf ignorierend auf sie sinken und schmetterte ihr die Faust an die Schläfe. Der Schlag zeigte sofort Wirkung, ihr Körper erschlaffte augenblicklich.

Schwer atmend und mir den Kopf halten blieb ich noch einige Sekunden auf ihr hocken.

Das wäre geschafft! Nun musste ich nur noch einen Weg hier heraus finden.

Langsam tastete ich nach ihren Waffen. Dem Messer und dieser komischen Schlangenpistole, die sie immer bei sich trug. Die könnte mir noch große Dienste erweisen.

Gerade, als ich mich aus der Zelle schleichen wollte, fiel mein Blick auf ein paar Stricke, die neben dem Ausgang im Schatten liegen. Ohne weiter groß nachzudenken schnappte ich sie mir und lief zu der Bewusstlosen zurück. So würde sie mir in keinem Falle mehr zur Gefahr werden, obgleich sie bei meinem Schlag mal für mindestens eine Stunde außer Gefecht war.

Ich fesselte ihre Beine und Hände und band dann die Stricke an ihren Armen und Beinen mit einem kürzeren Stück zusammen. So würde sie sich kaum rühren können, geschweige denn sich befreien.

Nach getaner Arbeit machte ich mich wieder daran diesen unwirtlichen Ort zu verlassen. Ich presste mein Ohr an die Tür und lauschte eine halbe Minute angestrengt, konnte aber keinen Ton von draußen hören. Scheinbar hatte niemand unseren kleinen Kampf mitbekommen. Aber vielleicht lauerte ja auch jemand genauso lautlos an der Tür, wie ich nun und wartete nur darauf, das ich unvorsichtig aus der Tür gestürmt komme.

Es brachte aber auch nichts weiter zu warten. Ich musste da nun durch.

Ich streckte die Hand nach der Klinke aus, drückte sie langsam herunter und schob die Tür nur einen winzigen Spalt auf. Bis auf einen düsteren Gang war jedoch nichts zu sehen. Vorsichtig öffnete ich die Tür weiter, richtete die Schlangenpistole auf den Gang und huschte dann, die Waffe in die andere Richtung schwingend ganz heraus. Doch es war tatsächlich niemand zu sehen. Der gesamte Gang lag dunkel und menschenleer (und Roboterleer und Dingoleer, und was hier noch so kreuchte und fleuchte) vor und hinter mir.

Soweit so gut. Nur wie kam ich nun hier heraus?

Durch das Haupttor würde ich wohl kaum spazieren können. Aber bei solchen Gebäuden gab es doch normalerweise auch Geheimgänge, oder nicht? Nun, das würde ich wohl herausfinden müssen. Langsam schlich ich mich in die Richtung vorwärts, in die ich vor nicht mal einer Stunde von dem Roboter gestoßen worden bin, die Waffe im Anschlag und hoffend hier heil herauszukommen.
 

Vorsichtig spähte Bravestarr über den Felsen zum Haupttor des Hexagons. Natürlich wurde es von zwei Dingos bewacht. Etwas anderes hatte er auch nicht erwartet. Es galt nur herauszufinden, wie sie sie überwältigen konnten. Und das so schnell, dass sie keinen Alarm schlagen konnten. Denn Bravestarr wollte möglichst unbemerkt hinein und auch möglichst lange unbemerkt bleiben.

„Ich denke, da helfen nur Schlafbomben!“ flüsterte er Thirty-thirty leise zu.

„Ich weiß auch etwas anderes, was da hilft!“ flüsterte der böse grinsend zurück und streichelte Sara.

„Nein! Wir halten uns an den Plan, Partner! Wenn sie uns bemerken, könnte das für die Kleine da drin fatal sein!“ ermahnte er ihn.

Enttäuscht schnaufend steckte Thirty Sara Jane wieder weg und nahm statt dessen einen Beutel mit Schlafbomben zur Hand.

„Na schön! Dann wollen wir mal den Sandmann arbeiten lassen!“ flüsterte er und schmiss zwei von den harmlos aussehenden Bällchen zwischen die beiden Wachen. Beim Aufschlag lösten die sich sofort in dicken, grauen Rauch auf und hüllten die beiden sofort ein.

„Was...hust..hust..A...hust...Alarm!“ wollte der eine noch keuchen, doch das Alarm war nur noch ein schwaches Krächzen und schon war der Aufschlag von zwei Körpern zu hören.

„Ha!“ rief Thirty-thirty triumphierend und richtete sich stolz auf. „Meinen Schlafbomben konnte noch keiner widerstehen!“

Dann liefen der Hippodroid und die beiden Männer zu den schlafenden Dingos.

„Wir müssen sie in eine Ecke schaffen, wo sie nicht jeder sofort sieht.“ sagte Bravestarr und lud sich den ersten über die Schulter, wobei sich sein geschundener Kopf mit einem leichten Stechen bemerkbar machte. Er ließ sich nichts anmerken, aber es machte ihm Sorgen. Hoffentlich erlitt er keinen Rückfall, während sie da drin waren.

Kaum waren die Dingos aus dem Weg, begannen sie sich Gedanken darüber zu machen, wie man das Tor lautlos öffnen konnte. Nicht nur, dass das Tor sehr groß und schwer war, es wurde vielleicht auch von innen bewacht. Bravestarr lauschte mit den Wolfsohren, aber es war nichts zu hören. Wenn Wachen hinter dem Tor waren, so rührten sie sich nicht.

„Ich glaube, dahinter ist niemand.“ sagte er dann leise und wollte gerade versuchen das Tor möglichst leise zu öffnen, als der schwere Riegel plötzlich leicht zu glühen begann und sich dann von selbst zur Seite bewegte. Genauso lautlos öffnete sich dann das Tor von selbst. Zuerst wollte Bravestarr alarmiert zurück springen, besann sich dann jedoch eines besseren und sah seinen Mentor lächelnd an. Dieser senkte gerade seinen Stab, an dessen Spitze man noch ein schwaches Glühen erkennen konnte und lächelte ebenfalls.

„Ich denke, so ist es besser!“ sagte er dann und sie machten sich auf den Weg ins Innere des unheimlichen Gebäudes. Bravestarr War froh, Schaman an seiner Seite zu haben. Denn sollten sie Stampede begegnen, so war er der einzige, der es mit ihm wirklich aufnehmen konnte.

Seine Gedanken wanderten wieder zu Bianca. Hoffentlich hatten ihr diese Ungeheuer nicht schon was angetan.

Befreiung

Leise arbeitete ich mich immer weiter durch die dunklen Gänge vor. Ich hatte schon seit einiger Zeit keinen Plan mehr, wo ich mich befand. Dieses ganze unheimliche Gebäude war ein wahres Labyrinth aus düsteren Gängen. Und da ich von Anfang an nicht gewusst hatte, wo ich war, so blieb mir nichts anderes übrig, als einfach auf gut Glück durch dieses düstere Gemäuer zu irren und zu hoffen einen Ausgang zu finden. Schließlich, als ich einem kleinen, schmalen Gang folgte, bog ich um eine Ecke und kam ich an eine Tür. Langsam schlich ich mich heran und lauschte an dem kalten Stahl. Es war nichts zu hören, aber das musste nichts heißen. Ich griff langsam nach der Türklinke, drückte sie runter und hielt sogleich die Waffe auf den Spalt. Ich öffnete sie ganz behutsam um keinen Laut zu verursachen und spähte dann vorsichtig in den Raum. Scheinbar war ich in eine Art Schlafzimmer geraten. Ich konnte ein Bett auf der einen Seite erkennen und einen Stuhl mit Kleidern in einer Ecke. Allerdings schien er verlassen zu sein, denn ich konnte nichts hören, oder sehen.

Das würde mir allerdings auch nicht weiterhelfen. Ich musste einen Ausgang finden.

Ich wollte gerade wieder die Tür schließen, als ich Schritte hörte. Schritte, die den Gang hoch auf mich zu kamen. Mein Herz machte einen erschrockenen Hüpfer in meine Kehle. Obwohl mich das nicht überraschen dürfte. Dass ich die letzten Minuten niemandem über den Weg gelaufen war, war schon ein kleines Wunder.

Aber was jetzt tun? Das Schlafzimmer lag am Ende des Ganges und Abzweigungen hatte er nicht. Die Schritte näherten sich immer mehr und sobald derjenige, zu dem sie gehörten um die Ecke bog, würde er mich sehen. Und was dann passieren würde, wollte ich mir gar nicht ausmalen. Also hatte ich wohl nur eine Chance. Ich öffnete die Tür schnell ein bisschen weiter, huschte in den Raum und schloss die Tür möglichst geräuschlos. Gehetzt sah ich mich nach einem Versteck um. Allerdings war die Einrichtung sehr spärlich und so blieb mir nur die gute, alte „Unter das Bett“-Nummer. Ich ließ mich auf den Boden fallen, rutschte schnell auf den Bauch unter das Gestell in die hinterste Ecke. Nur einen Sekundenbruchteil später wurde die Tür aufgestoßen und ich konnte die Schritte nun direkt vor meiner Nase hören. Erst jetzt fiel mir auf, dass derjenige humpelte. Langsam kam derjenige auf das Bett zu und ich konnte schwarze Cowboystiefel erkennen. Über mir konnte ich schweren, rasselnden Atem hören und dann ließ sich derjenige mit einem schmerzerfülltem Stöhnen auf das Bett nieder. Und nun erkannte ich ihn auch.

„Verfluchtes Riesenrindvieh!“ jammerte Tex und ich konnte Kleider rascheln hören und ein weiteres schmerzerfülltes Stöhnen. „Davon werde ich bestimmt wieder eine Woche was haben!“

Ich grinste in mich hinein. Stampede schien ihm wohl doch ganz schön zugesetzt zu haben. Hoffentlich hatte er mehr als eine Woche was davon!

Während ich weiter versuchte möglichst still zu liegen, sah ich, wie erst ein dunkelgrüner Stofffetzen vor mir auf den Boden fiel und dann ein schwarzer folgte. Ich konnte auf allen dunkle Flecken glitzern sehen. Blut! Mein Grinsen wurde noch breiter. Nicht nur, dass ich diesem violetten Monster das gönnte, nein, wenn er verletzt war, dann war er kein so starker Gegner mehr und ich würde ihn schnell erledigen können.

Ein leises Knarzen erklang, als sich Tex wieder von dem Bett erhob und zu einem kleinen Tisch ging, der dem Bett gegenüber stand. Ich konnte Wasser plätschern hören, wahrscheinlich versorgte er seine Wunden.

Das war wahrscheinlich meine beste Chance. Möglichst leise rutschte ich unter dem Bett hervor, versuchte dabei keinen einzigen Laut zu machen und beobachtete Tex dabei sehr genau. Allerdings war der tatsächlich zu sehr mit seiner Wundpflege und Jammern beschäftigt. Er bemerkte mein vorsichtiges Annähern nicht mal im Ansatz. Und so schlich ich mich langsam näher, bis ich unmittelbar hinter ihm stand.

Und holte dann mit der Waffe in der Hand weit aus. Ich musste einen Volltreffer landen, direkt an seine Schläfe.

Und im gleichen Moment, in dem meine Hand runter sauste, bemerkte er mich und fuhr mit einem erstickten Schreckenslaut herum.

Aber das brachte ihm nichts mehr. Meine Hand sauste nieder und der Kolben der Waffe erwischte ihn mit tödlicher Präzession an der Seite seines Kopfes. Sofort brach sein angefangener Schrei ab, die roten Augen drehten sich in den Hinterkopf und er brach wie vom Blitz getroffen zusammen.

Wobei er jedoch den Waschtisch umwarf. Ein lautes Scheppern erklang, dass wahrscheinlich nicht nur durch den Raum schallte, sondern auch in den Gängen zu hören war.

„Gott verdammt!“ fluchte ich, während ich neben Tex in die Knie ging und seinen Puls fühlte. Er war nicht tot, nur K.O. gegangen, wie beabsichtigt. Dann packte ich ihn schnell unter den Armen und zerrte ihn weiter zur Wand. Zumindest aus dem unmittelbaren Blickfeld für jemanden, der durch die Tür kam. Und ich hatte eine ungute Ahnung, dass das jeden Moment passieren würde. Und ich hatte recht!

Tex Beine waren nicht ganz aus dem Weg, als ich draußen eilige Schritte hören konnte. Allerdings klang es, als würde jemand auf sehr kurzen Beinen kommen. Jemand mit Krallen bewehrten Füßen.

Blitzschnell ging ich neben der Tür in Deckung, so dass sie mich verdeckte, wenn sie geöffnet wurde. Was im nächsten Augenblick auch passierte.

„Boss!“ konnte ich eine quäkende Stimme hören. „Was ist passiert?“

Der Gestank von billigem Tabak drang zu mir vor und ich wusste, mit wem ich es zu tun hatte. Dieses Hamsterding, das sich als Tex rechte Hand bezeichnet hatte – Skuzz, oder so ähnlich – hatte den Krach wohl gehört und wollte wohl nach seinem Boss sehen.

„Jetzt kannst du ihm Gesellschaft leisten, du Mistvieh!“ dachte ich böse, wartete, bis er noch etwas weiter ins Zimmer trat.

Und dann geschah alles nahezu gleichzeitig. Ich stieß die Tür in einer fließenden Bewegung zu und stieß mich in der gleichen Bewegung von der Wand ab. Skuzz blieb noch gerade eben Zeit einen erschrockenes Quieken von sich zu geben und dann hatte ich ihn schon am Wickel, stieß ihn zu Boden, wo ich ihn mit einem Knie auf der Brust fixierte und drückte ihm die Waffe zwischen die Augen.

„Noch einen Mucks, du verdammte Ratte, und du fährst zur Hölle!“ zischte ich drohend und drückte den Lauf noch tiefer in die pelzige Stirn.

Sein Mund klappte zu und er presste die Lippen fest aufeinander. Zumindest nahm er mich wohl ernst.

„Und jetzt will ich wissen, wie ich hier heraus komme!“ zischte ich ihm weiter zu und krümmte den Finger drohend um den Abzug der Waffe. „Oder...“

„Scho...schon...gut!“ stammelte er ängstlich und hob in einer abwehrenden Geste die Hände. „Den großen Gang runter und dann links die Treppe bis ganz nach unten. Dann stehst du schon vor dem Ausgang.“

Das wars? So einfach? Aber gut! Wenn dem wirklich so war, dann war das ja nur mein Vorteil.

Dennoch drückte ich ihm die Waffe noch einmal so fest in die Stirn, dass er einen leisen Schmerzenslaut von sich gab.

„Wenn du mich angelogen hast, du popeliges Pelztier, dann komme ich zurück und mache ganz kurzen Prozess mit dir, verstanden?“ knurrte ich so drohend, wie ich nur konnte.

„Nein, nein, nein! Ist wirklich so!“ stammelte er ängstlich und ich meinte Schweißperlen auf seinem Fell glitzern zu sehen.

Mit einem letzten drohenden Blick nahm ich die Waffe von seiner Stirn und das Knie von seiner Brust. Und schmetterte auch ihm die Waffe gegen die Schläfe. Wie auch sein Boss zuvor sackte er sofort zusammen und rührte sich nicht mehr.

Dann stand ich auf und wandte mich der Tür zu. Ich wollte hier nur noch raus! Ich stürmte aus der Tür raus, den Gang entlang zurück und dann auf den großen Gang hinaus. Und nun gab es nur noch den Weg nach links, denn ich war den Gang von rechts gekommen, bevor ich in Tex Schlafzimmer gestolpert war. Ich achtete nun gar nicht mehr darauf, ob mir vielleicht jemand begegnete und rannte einfach blind weiter. Und beging damit einen gewaltigen Fehler. Denn plötzlich stand dieses große, rote Sandmonster vor mir. Und dem Ausdruck in seinem Gesicht nach zu urteilen, war er nicht überrascht mich zu sehen.

„Dummes Erdenbalg! Denkst wohl, wir lassen dich so einfach entkommen, wie?“ fragte er mit kratziger Stimme, wobei er immer wieder ein merkwürdiges Knurren von sich gab.

Ich prallte vor ihm zurück und hob die Waffe. Doch das schien er irgendwie vorhergesehen zu haben, denn im nächsten Moment hatte er ebenfalls eine Waffe und schoss mir meine einfach aus der Hand. Mit einem lauten Scheppern verschwand sie in der Dunkelheit.

Laut lachend kam das Ding dann näher, mich dabei nicht aus den Augen lassend.

„Ich muss zugeben, du bist hartnäckig! Aber gegen uns kommst du doch nicht an!“

Langsam wich ich vor ihm zurück. Nun hatte ich ein echtes Problem. Diesen riesigen Scheißkerl würde ich nicht so einfach austricksen können, bzw. im Nahkampf besiegen können. Nicht nur, dass er deutlich stärker war als ich, er wusste wahrscheinlich genau zu was ich fähig war.

„Ich warne dich, komm nicht auf dumme Gedanken, du hinterhältiges Biest!“ knurrte er drohend, während er langsam die Waffe im Anschlag auf mich zuging.

„Du wirst mir jetzt schön folgen! Stampede hat mit dir zu reden!“

Allein bei dem Name zuckte ich ängstlich zusammen. Ich hatte in keinster Weise Lust diesem Biest noch einmal gegenüberzustehen. Vor allem, da ich wusste, dass er wahrscheinlich nicht sonderlich erbaut über meinen Fluchtversuch sein würde.

Ängstlich machte ich einen hastigen Schritt nach hinten und noch einen weiteren hastigen, als das Biest vor mir eine Laserladung in den Boden jagte.

„Ich sagte doch, keine dummen Gedanken!“ knurrte das Ungeheuer wieder und kam weiter auf mich zu.

Je näher er mir kam, desto mehr wurde mir bewusst, wie groß und breit der Scheißkerl wirklich war.

Schließlich hatte er mich erreicht, hielt mir die Waffe vor die Nase und packte mich mit seiner freien Hand grob am Oberarm.

„Komm jetzt!“

Dann zerrte er mich grob weiter den Tunnel entlang, genau in die Richtung, in die ich eigentlich wollte.

Und tatsächlich erreichten wir nur nach wenigen Metern eine Art riesiges Treppenhaus. Die kleine, miese Ratte hatte also doch nicht gelogen.

Meine Gedanken begannen sich zu überschlagen. Konnte ich ihn vielleicht nicht doch überwältigen? Mich fallen lassen, ein Tritt in die Kniekehle und dann, wenn er unten lag einen Betäubungsschlag.

Was hatte ich zu verlieren?

Ich ließ mich fallen, aber ich bemerkte sofort, dass er mich zu fest hielt und ich kam nicht tief genug. Dennoch trat ich mit aller Kraft in seine Kniekehle. Er knickte leicht ein und stieß ein schmerzerfülltes Grunzen aus. Doch ich hatte seine Schnelligkeit unterschätzt, denn noch bevor ich überhaupt zu einem Schlag ausholen konnte, schlug er mir der Waffe ins Gesicht. Ein greller Schmerz explodierte in meiner linken Schläfe und Sterne tanzten vor meinen Augen.

„Dreckstück!“ donnerte er und warf mich grob zu Boden.

Ich schlug schwer auf und blieb benommen liegen. Verschwommen sah ich, wie er die Waffe nun auf mich richtete.

„Egal, was Stampede sagt, eine kleine Ladung Lähmstrahler wird dir Manieren beibringen!“

„Erst einmal bringt Sara DIR Manieren bei, du Sandwurm!“ konnte ich plötzlich hinter mir eine wiehernde Stimme hören. Und im nächsten Moment wurde der Kerl von einer Ladung Laser getroffen und zurück geworfen.

Ich versuchte mich irgendwie zu rühren, doch der Schlag von dem Dreckskerl hatte mich doch besser betäubt, als ich dachte.

„Bianca!“ drang dann die süßeste Stimme zu mir vor, die ich kannte.

Und im nächsten Moment kam das dazugehörigem, dunkle Gesicht in mein Blickfeld.

„Kleines, bist du in Ordnung?“ fragte er mich und schob seinen starken Arm unter meine Schultern durch.

„Bravestarr!“ antwortete ich leise. Tatsächlich bekam ich nicht mehr heraus. Ein furchtbarer Schmerz begann sich mittlerweile in mein Hirn zu fressen und auch meine Kräfte wollten nicht zurück kehren. Scheinbar hatte der Scheißkerl mich doch schlimmer verletzt. Ne Gehirnerschütterung vielleicht. War ja auch nicht so, als wenn ich nicht erst eine gehabt hätte, dachte ich ironisch. Dafür sprach auch, dass ich spürte, wie ich langsam in die Bewusstlosigkeit rüber glitt.

„He, rede mit mir, Kleines!“ sagte er leise und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Komm schon, meine kleine Kämpferin!“

Seine Berührungen waren so sanft, so beruhigend. Sie begleiteten mich in die Bewusstlosigkeit.
 

„Komm schon, meine kleine Kämpferin!“ sagte Bravestarr mit Nachdruck und streichelte ihr durchs Gesicht. Doch er spürte, wie ihr Körper erschlaffte und ihre Augen schlossen sich. Er wusste, dass sie nur bewusstlos war, aber dennoch machte es ihn unbeschreiblich wütend. Dieses verbrecherische Mistpack! Warum mussten sie sich an der Kleinen vergreifen? Dafür würden sie bezahlen, das schwor er. Aber jetzt mussten sie sie erst einmal hier heraus bringen. Sie musste zu einem Arzt und das sehr schnell.

Vorsichtig schob er seinen anderen Arm unter ihren Kniekehlen durch und hob sie hoch.

„Bravestarr! Was ist mit ihr?“ konnte er Handle Bar hinter sich rufen hören und seine stampfenden Schritte.

„Sandsturm hat sie niedergeschlagen, sie ist ohnmächtig!“ antwortete er knapp.

Dann drehte er sich um und legte sie ihm in die ausgestreckten Arme.

„Bring sie hier schnell raus und fahr zurück in die Stadt. Ich habe hier noch was zu erledigen!“

Handle Bar nickte und lief mit der Kleinen auf den Armen zurück zum Haupttor.

„Oh nein! So einfach entwischt ihr mir nicht!“ erklang plötzlich eine donnernde Stimme und im nächsten Moment fiel das schwere Tor mit einem lauten Knall ins Schloss. Alle wirbelten herum und eine riesige schwarze Wolke erschien vor ihnen aus denen sie zwei gewaltige, glühende Augen fixierten.

„Jetzt habe ich euch endlich alle beide hier!“ knurrte Stampede.

Unmenschlicher Zorn kochte in Bravestarr hoch. Dieses verfluchte Monster!

Aber noch bevor er dem Semidrachen etwas entgegnen konnte ergriff sein Mentor das Wort.

„Das wird nicht von Dauer sein, Stampede!“ sagte er in seiner gewohnt ruhigen Art und ging unerschrocken ein paar Schritte auf den schwarzen Nebel zu, der sich nun langsam in die Gestalt des Monsters verwandelte.

„Wir werden hier verschwinden! Mit dem Mädchen!“

„Nichts werdet ihr! Außer sterben!“ polterte der Semidrache und mit einem lauten Zischen ließ er eine Ladung Laser gegen Schaman los. Mit einem blitzschnellen Sprung zur Seite wich dieser ihm jedoch gekonnt aus und blendete Stampede gleichzeitig mit einem Blitz aus seinem Stab. Über sein wütendes Gebrüll konnte Bravestarr seinen Mentor noch rufen hören.

„Bravestarr, bring das Mädchen hier raus! Diesen Kampf muss ich bestehen!“

So sehr Bravestarr seinen Ziehvater auch für seine Kraft und seinen Mut bewunderte, so sehr konnte er ihn doch nicht einfach zurück lassen. Er wollte zwar Bianca in Sicherheit wissen, aber er konnte ihn auch nicht allein lassen.

„Thirty-thirty, hilf Handle Bar! Ihr müsst Bianca wegbringen!“ schrie er seinem Partner zu.

Dieser zögerte auch nicht lang und eilte sofort an Handle Bars Seite um das Tor zu öffnen.

Aber natürlich rührte sich das keinen Millimeter. Stampede musste es magisch verschlossen haben.

„Das wirst du bezahlen, du alter Narr!“ grollte Stampede wütend, als er wieder sehen konnte und ließ seine riesige Klaue herab sausen. Wieder wich Schaman ihm spielend aus, aber das Spielchen konnte er nicht ewig spielen. Auch Schamans Kräfte ließen einmal nach und er war ein alter Mann. Bravestarr musste eingreifen.

Gerade wollte er seinem Mentor zu Hilfe eilen, als er aus den Augenwinkeln sah, wie sich Sandsturm auf ihn stürzen wollte. In der Bewegung noch wirbelte er herum und schlug dem roten Teufel mit aller Kraft die Handkante ins Genick, als dieser an ihm vorbei sauste.

Benommen ging Sandsturm zu Boden. Und im nächsten Moment er selbst, als ihn ein Laser im Rücken traf. Ein stechender Schmerz fuhr durch seinen ganzen Körper und jegliche Kraft wich aus seinen Gliedern. Jedoch verlor er nicht das Bewusstsein. Er konnte ganz deutlich Stampedes gehässiges Lachen hören und dann seinen Partner, der laut seinen Namen schrie. Und dann erklang Sara Janes Stimme mehrmals hintereinander. Und Stampedes Lachen wurde von schmerzvollem Grunzen unterbrochen. Gegen die Schwäche ankämpfend versuchte Bravestarr wieder auf die Beine zu kommen.

„Du kannst nicht siegen, Stampede!“ hallte Schamans Stimme durch den Saal und dann ein grelles Leuchten, als er seine weiße Magie Stampede entgegen schleuderte.

Dieses Mal brüllte der Gigant vor Schmerz und als Bravestarr es geschafft hatte, sich auf den Rücken zu wälzen, sah er, dass sich Stampedes Gestalt wieder in Rauch verwandelt hatte.

„Komm schon, Partner! Steh auf!“ hörte er dann Thirty-thirty und im nächsten Moment wurde er grob auf die Beine gezerrt. Und stützte sich sofort schwer an seiner starken Schulter. Er war immer noch völlig entkräftet.

„Bist du in Ordnung?“ fragte Thirty ihn besorgt.

„Nur...etwas benommen! Müssen hier raus!“ erwiderte er schleppend.

„Na los, komm!“ antwortete sein Freund nur und schleppte ihn zum Tor runter.

Bravestarr sah, wie Handle Bar sich immer wieder gegen die schweren Türen warf, ohne, dass sie sich auch nur einen Millimeter rührten. Und das wollte was heißen, wenn sich ein Hüne wie Handle Bar dagegen warf. Und mit den paar Tonnen Gewicht! Bianca hatte er vorsichtig an die Seite gelegt. Sie schien immer noch bewusstlos zu sein, rührte sich in jedem Falle nicht.

Erneut versuchte sich Bravestarr zu straffen und die Schwäche aus seinem Körper zu vertreiben. Er musste das Tor aufbrechen. Damit sie in Sicherheit war!

„Es nützt nichts!“ rief Handle Bar verzweifelt. „Es gibt einfach nicht nach!“

„Lass mich mal!“ versuchte Bravestarr mit fester Stimme zu sagen. Aber Handle Bars besorgter und auch skeptischer Blick zeigten ihm, dass es nicht wirklich geklappt hatte. In der Tat wusste er nicht, ob er überhaupt in der Lage war nun seine Kräfte zu rufen. Doch er musste es versuchen. Für Bianca. Für seine Freunde.

Er schloss die Augen und konzentrierte sich.

„Kräfte des Bären!“ rief er im Geiste. Und tatsächlich spürte er, wie die Hitze durch seinen Körper jagte und seine Muskeln gefühlt auf das zehnfache anschwollen. Und dabei gleichzeitig die Schwäche vertrieben. Er straffte sich und ging auf das Tor zu.

Und zerschmetterte das schwere Metall mit einem einzigen Fußtritt.

„Yeah! So gefällst du mir am besten, Partner!“ rief Thirty-thirty hinter ihm.

Bravestarr wandte sich um und wollte gerade zu Bianca eilen. Doch das hatte ihm Handle Bar schon abgenommen. Die Kleine auf seinen starken Armen rannte er dann nach draußen.

„Schnell, mein Sohn!“ konnte Bravestarr dann Schaman hinter sich hören und spürte dann seine Hand an seiner Schulter.

„Stampede ist nur kurz geschwächt! Wir müssen sofort hier raus!“

Während der Semidrache hinter ihnen laut brüllte und wilde Verwünschungen ausstieß, folgten sie Handle Bar und Thirty-thirty durch das Tor und blieben erst stehen, als sie das abgestellte Turbomuli von Handle Bar erreichten.

„Lief doch glatt!“ rief Thirty-thirty. „Der alte Drache wird jetzt erst mal Kopfschmerzen haben!“

„Ja. Aber nicht nur er.“ murmelte Bravestarr und ging zu Handle Bar rüber. Bianca lag immer noch leblos in seinen Armen und rührte sich nicht. Aber ihr Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig.

„Wir müssen sie schnell zu Doc Clayton bringen!“ sagte er dann und schwang sich in Thirtys Sattel, der sich inzwischen transformiert hatte. Ohne ein weiteres Wort schwang sich auch Schaman hinter ihm auf. Handle Bar stieg vorsichtig mit Bianca auf seinen Muli und dann ging es zurück in Richtung Stadt.

New Texanerin

Nur langsam kam ich aus der Schwärze der Bewusstlosigkeit zurück. Mein Gehirn weigerte sich nach wie vor wirklich zu funktionieren. Von meinem Körper ganz zu schweigen. Was war nur passiert? Wo war ich? Auch meine Erinnerungen mussten sich mühsam zu mir vorarbeiten. Doch allmählich kam wieder alles. Der Überfall, meine Gefangennahme, wie ich zu fliehen versuchte, dann wie mich dieses Sandmonster niederschlug. Und Bravestarr...

„Na endlich rührt sie sich!“ konnte ich dann eine rauchige Stimme in meiner Nähe vernehmen. Ich kannte den Sprecher, aber wer war er?

Eine sanfte Männerhand fasste mein Handgelenk und fühlte meinen Puls.

„Hallo, Fräulein! Aufwachen!“ sagte die Stimme dann noch einmal.

Doc Clayton! Also war ich wieder in Fort Kerium. Und mal wieder im Krankenhaus, vermutlich. Ich zwang mich die Augen zu öffnen und schloss sie gleich wieder, als grelles Licht in meine Netzhäute biss.

„Wie fühlen sie sich?“ fragte der Doc mich.

„Als wenn mein Kopf in einem Schraubstock steckt!“ antwortete ich flüsternd.

Tatsächlich hatte ich schreckliche Kopfschmerzen. Es fühlte sich an, als würde er nur von dem Verband zusammengehalten, den ich an meiner Stirn spüren konnte.

Der Doc grinste.

„Mit den Gehirnerschütterungen sollten sie jetzt aber erst einmal Pause machen!“ sagte er dann. „Diese ist zwar bei weitem nicht so schlimm wie die erste und sie dürften auch in ein paar Tagen wieder fit sein, aber zu häufig sollten sie das nicht machen.“

„Sie tun ja gerade so, als wenn ich das absichtlich machen würde!“ murmelte ich, grinste aber ebenfalls.

„Wie dem auch sei, sie sind ansonsten okay.“ sagte er dann noch und wollte sich gerade zum gehen wenden.

„Was ist mit Bravestarr?“ fragte ich ihn hastig.

„Dem Marshall geht es gut. Es ist sonst niemand zu Schaden gekommen.“ antwortete der Doc noch und verschwand dann ganz aus dem Krankenzimmer.

Ich schloss die Augen und atmete ein paar Mal tief durch. Gott sei dank war sonst alles okay. Jetzt hoffte ich nur, dass ich nicht zu lang flach lag und schnell wieder auf den Beinen war.

„Hey Bi! Du bist ja wach!“ kam es plötzlich von der Tür.

Überrascht sah ich auf und sah Billy Bob strahlend vor Freude in der Tür stehen.

„Hab mich schon gefragt wo du steckst, du alter Ganove!“ rief ich zurück und versuchte mich etwas aufzurichten. Aber den Versuch machte mein Kopf sofort zunichte, als sich alles um mich drehte. Billy eilte an meine Seite und nahm meine Hand.

„Oh Mann, wir hatten alle ganz schön Angst, dass dir diese Ungeheuer was angetan haben!“ sagte er.

Plötzlich fiel mir siedentheiß ein, dass ich gar nicht mehr an die Leute hier in der Stadt gedacht hatte. Was, wenn noch Leute zu schaden gekommen waren?

„Unkraut vergeht nicht! Weißt du doch!“ lachte ich dann, wurde aber sofort wieder ernst.

„Was ist mit euch und den anderen in der Stadt? Ist jemandem was passiert?“ fragte ich dann.

Billy schüttelte aber den Kopf.

„Nur einige Schäden an Gebäuden, aber ansonsten nichts Ernstes. Ich glaube die Gangster hatten es wirklich nur auf den Marshall abgesehen. Und da hast du ihnen ja einen schönen Strich durch die Rechnung gemacht.“ antwortete Billy.

„Ja, Tex wollte ihn erschießen, als er noch bewusstlos im Bett lag.“ sagte ich leise.

Bei der Erinnerung an diese Szene kochte wieder Wut in mir hoch. Wieso hatte ich das violette Monster nicht einfach kalt gemacht? Ich hatte die Gelegenheit verdammt!

„Aber du solltest echt aufpassen, Bi! Du bist zwar mutig und kannst kämpfen, aber Tex ist sehr gefährlich.“ meinte Billy dann.

„Man kann sich nicht immer vor solchen Leuten verstecken, Billy! Sie tun dir Böses, so oder so.“ erwiderte ich und richtete mich dann doch langsam auf. „Und wenn, sterbe ich lieber kämpfend, als verkrochen und um mein Leben bettelnd!“

Billy schüttelte lachen den Kopf.

„Was meinst du, wann kannst du hier raus?“ fragte er dann.

„Der Doc meinte dass ich bald wieder fit bin. Und ich hab auch keine Lust noch weiter hier rumzuliegen!“ antwortete ich. „Wie siehts überhaupt in der Miene aus?“

„Nun ja, in der Miene wissen wir noch nicht. Wir sind noch immer damit beschäftigt das Geröll zu beseitigen. Und da ist ganz schön was runtergekommen.“ antwortete Billy und in seinen Augen erschien ein trauriges Glitzern.

Ich wusste, wieso. Ich konnte plötzlich wieder Jacks zerschmetterten Körper vor mir sehen und meinte wieder sein gequältes Röcheln zu hören. Ich schluckte hart.

„Na, ich helfe euch bestimmt in ein paar Tagen wieder!“ sagte ich dann entschieden und versuchte die Stimmung wieder zu lockern.

„Aber vorher kurierst du dich richtig aus!“ kam dann eine weiche dunkle Stimme von der Tür her, die mich sofort erbeben ließ.

Bravestarr kam mit langsamen, gemächlichen Schritten näher und blieb auf der anderen Seite des Bettes stehen.

„Dein Kopf braucht mal Pause von den ständigen Erschütterungen!“ lächelte er mich an.

Ich wurde knallrot.

„Das gilt für deinen ja wohl auch!“ sagte ich dann und entlockte ihm ein lautes Lachen.

„Wo wir gerade schon einmal dabei sind, ich schulde dir noch Dank! Du hast mir zweimal das Leben gerettet!“ sagte er dann wieder ernst.

Verlegen sah ich runter.

„Nun, ich glaube, wir sind dann quitt! Du hast es mir ja auch zweimal gerettet! Als du mich gefunden hast und dann noch einmal im Hexagon. Wer weiß, was diese Ganoven mit mir angestellt hätten.“ gab ich eilig zurück.

„Keinen Dank nötig.“ sagte Bravestarr knapp. „Das war selbstverständlich.“

„Ist meine kleine Barkeeperin wach?“ fragte dann eine andere Stimme von der Tür her.

„Handle Bar!“ rief ich erfreut.

Der Boden wankte leicht, als der tonnenschwere Riegelaner zu meinem Bett eilte.

„Gott, bin ich froh!“ sagte er dann erleichternd und strich mit seiner großen Schaufel überraschend vorsichtig über mein Haar. „Ich hatte echt Angst, du kämst nicht mehr zu dir!“

„Ach, hab mir doch nur den Kopf leicht gestoßen!“ erwiderte ich locker. „Kein Grund sich solche Sorgen zu machen.“

„Wenn du dich selbst gesehen hättest, wie du regungslos in meinen Armen gelegen hast, dann würdest du das nicht sagen!“ antwortete er ernst. „Versprich mir sowas nie wieder zu machen!“

„Okay, ich verspreche, ich lasse mich nie wieder entführen!“ sagte ich feierlich und hob dabei meine rechte Hand. Es erreichte den gewünschten Effekt. Alle drei Männer begannen zu lachen.
 

Zwei Tage später wurde ich dann endlich entlassen. Meine Kräfte waren sehr schnell zurück gekehrt und bereits am Abend meiner Entlassung half ich Handle Bar im Saloon. Schwere körperliche Arbeiten waren mir aber noch untersagt und so durfte ich die nächsten zwei Tage den Jungs in der Miene nicht helfen. Obgleich die jede helfende Hand gebrauchen konnten. Aber der Doc untersagte es mir mit einem, von ihm ungewohnt ernsten Ton. Dabei erfuhr ich auch, dass ich ganze drei Tage bewusstlos gewesen war, nachdem Bravestarr und die anderen mich befreit hatten.

„Auch, wenn sie scheinbar wieder ganz fit sind, ihr Kopf merkt sich solche Verletzungen sehr lange und je häufiger so was passiert, desto mehr Schaden können sie anrichten!“

Und so musste ich es dabei belassen Handle Bar leichte Tätigkeiten abzunehmen und mich von Billy Bob über den aktuellen Stand der Dinge auf dem laufenden halten zu lassen.

Das einzige, wirklich aufregende, was in den nächsten paar Tagen dann passierte war ein Besuch der geschätzten Richterin J.B. an einem Montag Morgen.

„Da wir leider immer noch nicht herausgefunden haben, wie sie hier her gekommen sind, Bianca, halte ich es für das beste, sie als Bewohnerin von New Texas einzutragen.“

„Sie meinen, nen Personalausweis und sowas?“ fragte ich.

Sie schüttelte lachend den Kopf.

„Nein. So wird das schon seit über einem Jahrhundert nicht mehr gehandhabt!“ antwortete sie.

Wie überraschend!

„Nein, ich nehme ihre Hand- und Fingerabdrücke von ihnen auf und ihre Personalien. Wenn sie einmal von irgendjemandem überprüft werden, so müssen sie demjenigen nur ihre Hand zeigen.“ erklärte sie.

„Aha, so wie im Krankenhaus, was sie gemacht haben, ja?“ fragte ich dann.

„Ganz genau.“ nickte sie.

„Am besten kommen sie gleich zu mir ins Gericht. Es dauert auch nicht lang.“

Dann verließ sie den Saloon und ich beeilte mich Handle Bar noch in der Küche zu helfen. „Na, dann bist du ja bald eine vollwertige Bürgerin!“ sagte Handle Bar und schlug mir leicht auf die Schulter.

Ich rang mir ein gequältes Lächeln ab. Klar, es war der letzte Beweis, dass ich zu ihnen gehörte. Aber irgendwie hatte es so etwas...endgültiges. Denn auch wenn es mir hier gefiel, ich Freunde und Arbeit hatte und mich auch bis über beide Ohren verliebt hatte, so gehörte ich doch in eine andere Zeit und auf einen anderen Planeten. Dort war meine Familie, meine Freunde, mein Heim, mein Leben. Und ich wollte dorthin zurück. Aber wie? Was, wenn ich hier bleiben musste? Für immer?

„He, was ist denn, Kleines?“ fragte Handle Bar mich. Meine Gedanken mussten geradezu in meinem Gesicht gestanden haben.

„Ach, ich musste nur an Zuhause denken.“ antwortete ich dann wahrheitsgemäß. Ich wusste, dass ich mit Handle Bar offen darüber reden konnte.

„Hast du Heimweh?“ fragte er.

„Ja, aber es ist nicht nur das. Glaub mir, Handle Bar, es gefällt mir hier. Und ich fühle mich hier sehr wohl, aber...ich gehöre nun mal in eine andere Zeit, auf einen anderen Planeten. Dort sind meine Familie und mein ganzes Leben.“ sagte ich.

„Ich verstehe dich schon, Mädchen. Und du wirst bestimmt irgendwann wieder zurück kehren können.“ meinte er dann aufmunternd.

Aber es ging ins Leere. Er wusste so gut wie ich, dass die Wahrscheinlichkeit eher gering war, dass jemand herausfand, wie ich hierher kam. Geschweige denn, wie ich wieder zurück kam.

„Nun komm! Lass den Kopf nicht so hängen. Und selbst wenn du hier bleiben musst, dann weißt du, dass du hier akzeptiert wirst und Freunde hast.“ fügte er dann noch hinzu.

Er hatte recht. Was nutzte es wieder in Grübeleien zu verfallen?

Und so machte ich mich fünf Minuten später auf den Weg zum Gericht, in dem die Richterin bereits auf mich wartete. Sie blickte von einem riesigen Aktenberg auf, als ich ihr Büro betrat.

„Ah, Bianca. Setzen sie sich. Es dauert wirklich nicht lang.“ sagte sie und stand auf.

Ich ließ mich gehorsam auf dem Stuhl vor ihrem Schreibtisch nieder, während sie aus einem Regal ein paar Gerätschaften heraussuchte.

„So, nun reichen sie mir bitte die rechte Hand.“ sagte sie dann und ich streckte gehorsam meine flache rechte aus.

Dann fuhr sie mit einem surrenden Gerät über meine Hand, dass dabei scheinbar mit Laser meine Handfläche abtastete. Mit einem lauten „Piep“ gab es ihr dann wohl zu verstehen, dass es fertig war und sie nahm es mit zu ihrem Computer. Dort las sie die Daten dann ein.

„So, jetzt fehlt uns nur noch ein Bild.“ sagte sie und deutete auf eine Ecke, in der ein einsamer Hocker stand.

„Setzten sie sich einfach dort hin und sehen sie in die Kamera.“

Gehorsam trabte ich dorthin und tat wie mir geheißen. Kaum saß ich auf dem Stuhl gab es einen grellen Blitz und ich war einen Moment geblendet. Die Augen reibend ging ich zu ihr rüber.

„So, dass wäre geschafft! Sie sind nun offiziell New Texanierin!“ sagte sie laut.

Auf dem Bildschirm vor ihr erschien mein gerade geschossenes Bild mit persönlichen Daten und einer Abbildung meines Handabdrucks.

„Und...was ist, wenn ich mich mal irgendwo ausweisen muss? Dann muss ich nur meine Hand ablesen lassen, oder wie?“ fragte ich.

Sie nickte.

„Wenn man sie zweifelsfrei identifizieren will, ja.“

„Obwohl das hier wohl nicht nötig sein wird.“ erklang plötzlich eine dunkle Stimme hinter uns.

Wir zuckten beide heftig zusammen und wirbelten herum. Wir hatten beide nicht mal im Ansatz gehört, dass jemand reingekommen war.

„Oh Gott!“ entfuhr es J.B.

„Nicht Gott, nur ich!“ lachte Bravestarr und trat zwischen uns.

Er beugte sich leicht runter und sah sich mein Profil an. Ich spürte wieder deutlich seine Wärme und seinen verführerischen Geruch und sofort begann mein Herz heftig zu schlagen.

Dann wandte er sich mir leicht zu.

„Nun bist du offiziell New Texanerin.“ stellte er dann fest und lächelte mich an.

Ich kämpfte verzweifelt gegen die Röte in meinem Gesicht an und lächelte zurück.

„Sieht so aus.“ meinte ich dann knapp.

Wieso musste er mich immer so aus dem Konzept bringen? Verflucht! Ich kam mir jedes Mal so lächerlich dabei vor.

„Damit genießen sie natürlich auch alle Rechte einer Bürgerin, Bianca.“ schaltete sich plötzlich die Richterin wieder ein und ich meinte Eifersucht in ihrer Stimme zu hören.

„Sie können Verträge abschließen und natürlich unterstehen sie im vollen Umfange der Gerichtsbarkeit dieses Planeten.“

Wenigstens lenkte mich ihre Predigt ein wenig von Bravestarr ab. Ihre Stutenbissigkeit brachte mich sogar dazu ein Lachen unterdrücken zu müssen.

„Dessen bin ich mir bewusst, Richterin. Aber ich kann ihnen versichern, dass ich nicht die Absicht habe das Gesetz zu brechen.“

Ich wandte mich nun ganz kokett Bravestarr zu.

„Erst recht nicht bei einem so starken Hüter des Gesetzes.“

Bravestarr lachte und J.B. schien mich mit den Blicken töten zu wollen. Irgendwie machte mir die Tatsache, dass sie mich als Konkurrentin einstufte unglaublich froh. Vielleicht hatte Handle Bar ja recht und ich könnte vielleicht...

„Nun, ich wäre auch alles andere als erfreut, wenn du dir die Zellen von innen ansehen müsstest.“ meinte er dann. „Nun, ich muss jetzt wieder los. Es gibt Ärger in Shilo. Irgendeiner hat es da wohl auf die Mienenarbeiter abgesehen.“

Er tippte sich an die Hutkrempe.

„Schönen Tag noch, den Damen.“

„Bis später, Bravestarr.“ antwortete J.B.

„Bis später.“ gab auch ich leise zurück und bewunderte seine knackige Kehrseite, während er das Büro verließ.

„In Ordnung, Bianca. Das war auch dann alles.“ meinte J.B. dann an mich gewandt.

„Gut, ich muss auch zurück. Handle Bar wartet auf mich.“

Stimmte zwar nicht, aber ich hatte auch keine Lust mehr hier zu bleiben.

„In Ordnung.“ sagte die Richterin auch nur knapp und wandte sich wieder ihren Akten zu.

Schmunzelnd verließ ich das Büro und machte mich auf den Rückweg. Ja ja, sei du nur eifersüchtig! Ich würde ihn dennoch kriegen!

Jacks Vermächtnis

Zwei Tage später dann durfte ich endlich wieder den Jungs in der Miene helfen. Ich war Gott froh darum, denn Tagsüber war im Saloon nicht unbedingt das meiste los. Zumindest nichts, womit Handle Bar nicht allein fertig werden konnte. Und so langweilte ich mich die meiste Zeit. Lediglich mein Kampftraining stellte etwas Abwechslung dar, obgleich ich nur sehr vorsichtig trainieren durfte um meinen Kopf noch etwas zu schonen. Und am zweiten Tag kam dann auch mein kleiner Schüler Brad wieder vorbei. Ich freute mich zu sehen, dass er nach wie vor großes Interesse an dem Sport zeigte und auch schnell lernte.

Gut gelaunt kam ich dann am nächsten Morgen bei der Miene an, wo schon geschäftiges Treiben war. Allerdings waren die Jungs noch immer mit dem Freiräumen beschäftigt. Als ich dann den Eingang der Miene sah, lief mir wieder ein eiskalter Schauer über den Rücken. Es war wirklich erschreckend, wie viel Gestein da runter gekommen war. Wenn ich daran dachte, dass ich darunter begraben war! Mit dem verletzten Bravestarr in meinen Armen. Und Jack...

„Hey Bi!“ riss mich Billys Stimme aus meinen Gedanken. „Da bist du endlich wieder!“

„Hey Billy! Ja, ich hätte es auch heute nicht mehr ausgehalten. Ich musste mal wieder was tun.“ antwortete ich.

Billy schloss mich ungestüm in den Arm und ich erwiderte die kumpelhafte Umarmung.

„Wir können dich auch gut gebrauchen. Wir sind zwar schon ganz schön weit gekommen, aber es ist immer noch jede Menge wegzuschaffen.“ meinte Billy und wir gingen zum Mieneneingang, wo uns auch schon Fayne begegnete. Ich erschrak ein wenig, als ich Fayne sah. Er sah sehr blass und krank aus, seine Wangen waren ganz eingefallen und er hatte dunkle Ringe unter der Augen. Wahrscheinlich durch den ganzen Stress. Er als Leiter der Miene war ja für alles verantwortlich und nach so einer Tragödie...

„Hallo Bianca. Gut, dass du da bist. Wir können jeden Mann und jede Frau gebrauchen!“

„Hab ich schon gehört.“ antwortete ich und wir betraten die Miene, soweit es ging.

Obgleich die Männer den Schacht schon soweit wieder ausgehoben hatten, wo der Bohrer hatte stehen müssen, so war doch immer noch eine Unmenge an Geröll zu beseitigen. Die ganzen Nebentunnel waren noch verstopft davon und auch das Ende des Haupttunnels war noch nicht freigelegt. Den Bohrer konnten wir wohl vergessen. Auch, wenn das ein wirklich massives und stabiles Teil war, ich konnte mir nicht vorstellen, dass er das heil überstanden hatte.

„Habt ihr schon die Reste von dem Bohrer gefunden?“ fragte ich.

„Nein, aber weit kann der nicht mehr sein.“ antwortete Fayne und wir traten an den Geröllberg, den es noch zu beseitigen galt.

„Ich kann nur hoffen, dass wir das in den nächsten Tagen weggeschafft haben und dann wieder nach Kerium suchen können. Die Miene ist sonst pleite. Ich kann den Jungs schon jetzt nur den halben Lohn zahlen.“ murmelte Fayne dann kaum hörbar.

Die Verzweiflung in seiner Stimme war jedoch nicht zu überhören.

„Was stehen wir dann noch hier herum?“ fragte ich und griff mir ein paar Arbeitshandschuhe und einen Pickel.

„Was würden wir nur ohne dich machen, Bi!“ lachte Fayne und gab mir einen Klappser auf die Schulter.

Auch Billy Bob bewaffnete sich mit einer Spitzhacke und wir legten los. Etwa eine Stunde ackerten wir wie die Roboter, schafften Geröll raus, brachen neues aus dem Haufen und schafften es raus. Keiner von uns beiden redete, wir sparten uns unseren Atem für die Arbeit. Bis Billy schließlich seine Spitzhacke in dem Geröllhaufen versenkte und ein lautes metallisches Klirren erklang. Erschrocken ließ er die Spitzhacke los und ich sprang ebenfalls erschrocken einen Schritt zurück.

„Naja, den Bohrer hätten wir dann wohl gefunden!“ sagte ich und trat an die Stelle, wo noch immer seine Spitzhacke im Gestein hing. Ich zog sie heraus und versuchte in das kleine Loch zu schielen. Aber natürlich konnte ich nichts sehen.

„Los, komm!“ forderte ich Billy auf und begann mit den Händen an den Steinen zu zerren.

„Wenn wir den freigelegt haben, haben wir einiges geschafft.“

Billy Bob ging mir zur Hand und schon nach einigen Minuten konnten wir unter dem Geröll da zerkratzte Metall des Bohrers sehen.

„Hey, was gefunden?“ erklang plötzlich Faynes Stimme hinter mir.

„Ja, zumindest den Bohrer.“ antwortete ich und warf einen größeren Gesteinsbrocken zur Seite.

„Grmpf! Von dem werden wir nicht mehr viel haben.“ murmelte Fayne und half uns das verbeulte Metall zu befreien.

Wie ich befürchtet hatte war der Bohrer Schrott. Er hatte einige der größeren Brocken abbekommen und so war das Blech nicht nur zerbeult, auch die Steuerungseinheit waren völlig zerstört und der Motorraum hatte einen besonders großen Brocken abbekommen. Die gesamte Seite war aufgerissen und der Motor zum großen Teil zertrümmert.

„Super! Und da haben wir uns schon so gefreut, dass wir mit dem Ding schneller voran kommen. Und du hattest so viel Mühe ihn zu reparieren!“ maulte Billy und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

„Und einen neuen werden wir uns nicht leisten können. Zumindest jetzt nicht.“ sagte Fayne.

Ich meinte, die Ringe unter seinen Augen wären noch tiefer geworden.

„Na, lasst den Kopf jetzt nicht so hängen, Männer! Lasst uns das Ding erst mal aus der Miene schaffen.“ hielt ich dann dagegen.

Auch, wenn ich die Sorgen der Männer verstand, so machte mich diese depressive Stimmung doch verrückt.

Und so legten wir die demolierte Maschine weiter frei. Solange, bis wir sie rausziehen konnten. Billy holte das Seil von der Lorenwinde und machte es an dem Bohrer fest. Dann gab ich das Kommando zum ziehen und Billy stellte die Winde an. Krachend und sehr widerspenstig löste sich der Bohrer aus dem Rest Geröll und rollte langsam quietschend auf den ebenfalls ziemlich mitgenommenen Schienen zurück.

Doch kaum war der Bohrer ganz frei, als auch schon wieder lautes Rumpeln begann. Ganz wie bei dem Einsturz.

„Oh nein! Nicht schon wieder!“ brüllte Fayne und packte mich am Oberarm.

„Los raus hier!“

Nichts dagegen einzuwenden!

Während wir auf den Ausgang zu rannten, konnte ich sehen, wie der Geröllberg hinter uns absackte und den Bohrer erneut unter sich begrub. Und dann jede Menge Staub, der sich in einer gewaltigen Wolke auf uns zuwälzte.

Doch der Spuk war schneller vorbei, als wir dachten. Fayne und ich hatten nicht ganz den Schachtausgang erreicht, als das Rumpeln auch schon aufhörte. Keuchend blieben wir stehen und starrten zu der Staubwolke zurück, die ebenfalls wenige Meter vor uns stoppte.

„Na prima!“ konnte ich Billy hinter uns rufen hören. „Jetzt können wir den ganzen Mist von vorne machen!“

Ich antwortete jedoch nicht, sondern starrte weiter in die Staubwolke. Und hätte schwören können, dass ich ein rotes Leuchten sehen konnte.

„Gott verdammt! Erst bricht das ganze Ding ein, Jack stirbt und jetzt kriegen wir sie nicht mal wieder frei!“ schimpfte Fayne neben mir. „Am besten geben wir sie vielleicht auf.“

„Wartet mal, Männer! Seht doch mal!“ rief ich und deutete in den sich legenden Staub.

Nun war ich mir sicher ein rotes Leuchten zu sehen, das immer größer und deutlicher wurde, je weiter sich der Staub legte.

„Seht ihr das?“

Billy trat an meine Seite und folgte mit den Blicken meiner ausgestreckten Hand. Und dann sah ich, wie sich seine Augen weiteten.

„Ist das etwa...“ hauchte er beinahe unhörbar.

„Das gibt’s doch nicht!“ keuchte nun auch Fayne hinter mir.

Endlich war der Staub fast völlig aus der Luft verschwunden und man konnte den Geröllberg wieder erkennen. Und dahinter nun deutlich rotes Leuchten an mehreren Stellen. Das konnte nur Kerium sein!

„Kommt Jungs!“ rief ich und rannte wieder in den Schacht auf das rote Leuchten zu.

„Bi, warte!“ rief Billy und ich konnte seine eiligen Schritte hinter mir hören.

Ich wartete jedoch nicht, sondern kletterte einfach auf den Haufen und dem roten Leuchten entgegen. Und blieb dann auf der Spitze des Geröllhaufens mit offenem Mund stehen. Und als Billy neben mir ankam, tat er es mir gleich.

Die komplette Wand vor uns war mit dicken Adern leuchtend roten Keriums durchzogen, bestimmt neun bis zwölf. Und zwei oder drei von ihnen waren über einen Meter dick. Und wer wußte, wie weit die noch in den Felsen reichten!

Scheinbar war das genau die Stelle, wo der Bohrer sich gerade in den Fels gefressen hatte, als der Einsturz kam, denn ich konnte deutlich an einer Stelle ein Bohrloch in dem roten Gestein sehen.

Jack hatte also einen gewaltigen Keriumschatz gefunden. Nur hatte er es leider nicht mehr sehen können.

„Das glaube ich einfach nicht!“ keuchte Billy fassungslos neben mir.

„Bi! Billy! Was macht ihr da hinten?“ konnte ich nun Josephs Stimme hören.

„Jungs!“ brüllte ich aus vollem Hals. „Kommt her! Seht euch das an!“

Während hinter mir viele eilige Schritte und Stimmen laut wurden, starrte ich weiter auf den Keriumschatz vor uns.

Es war einfach nicht zu fassen! Und vor allem diese Menge! Das war doch mindestens ein kleines Vermögen für jeden von uns!

Neben mir und Billy kamen immer mehr unserer Kollegen den Geröllhaufen hochgeklettert und überall sah man dann herunterfallende Kiefer und leuchtende Augen.

„Unglaublich!“ hauchte einer.

„Das gibt’s doch nicht!“ ein anderer.

„Hauptpreis, Jungs!“ brach es dann lautstark aus mir heraus.

Ich wollte beinahe überschnappen vor Freude. Damit hatten sich die finanziellen Sorgen der Miene und auch der Jungs erledigt. Selbst, wenn die Adern nur sehr dünn waren und nur wenige Zentimeter weiter ins Gestein reichten.

Sofort stimmten die anderen ebenfalls in meinen Freudentaumel ein und johlend und frohlockend stürmten wir alle zusammen aus der Miene. Ich und Billy vorneweg, nur überholt von Fayne, der ins Büro eilte.

Draußen gab es einen wahren Freudentaumel. Die Männer sprangen umher wie kleine Kinder und freuten sich unbändig über den Fund. Einige führten sogar richtige Freudentänze auf. Kaum fünf Minuten später kam dann plötzlich jemand zur Miene. Ein älterer Mann auf einer Art Turbomuli. Allerdings sah das hier ganz anders aus. Der Mann war mit Sicherheit schon um die sechzig und trug eine alte Cordhose, so ne typische alte Männerhose, passend dazu eine Weste und weißes Hemd. Auf seinem Kopf saß eine Schirmmütze und er hielt eine große, sehr alt wirkende Kamera in der Hand. Ich hatte ihn schon mal gesehen, in Begleitung der Richterin, hatte aber nie erfahren, wer er war.

„Danke, dass sie so schnell kommen konnten, McBride!“ konnte ich Fayne sagen hören, der gleich auf ihn zueilte.

„Na bei so einer Sensation muss ich doch vor Ort sein!“ erwiderte dieser.

McBride, aha! Also wohl J.B.s Vater.

„Wer hat den sensationellen Fund gemacht?“ fragte er Fayne und dieser wand sich mir zu.

„Unsere Mechanikerin!“ sagte er und deutete auf mich.

„Nein, stimmt nicht! Ich, Billy Bob und du, als wir den Bohrer befreien wollten.“ erwiderte ich.

„Aber du hast zuerst das Funkeln gesehen.“ hielt Fayne dagegen.

„Deswegen hab ich es trotzdem nicht als erste gefunden!“

„Ein Bild von den Findern bitte! Das kommt aufs Titelblatt!“ rief McBride dazwischen und hob die Kamera vors Gesicht.

Und noch ehe ich etwas machen konnte fühlte ich Billy Bobs Arme um meiner Taille und er hob mich lachend und jubelnd hoch.

Erschrocken klammerte ich mich mit einer Hand an seine Schultern und angesteckt von seinem Jubel lachte auch ich laut auf.

Und war im nächsten Moment blind, als ein greller Blitz sich in meine Augen brannte. Und wäre dann beinahe noch gestürzt, als Billy mich wieder absetzte. Mir die Augen reibend sah ich mich um.

McBride steuerte mittlerweile die anderen Männer an. Einer von ihnen hatte wohl eine Flasche Starblazer gefunden und nun wurde angestoßen.

„Los! Die saufen doch glatt ohne uns!“ rief Billy und zerrte mich hinter sich her.

Aber seine Sorge war unbegründet. Denn kaum hatten wir die Truppe erreicht, da wurden uns schon volle Becher gereicht. Und dann gab es ein Massenanstoßen. Zumindest war der Starblazer kalt und Billy und ich kippten ihn in einem Schluck runter.

Zwischendurch kamen Bravestarr und Thirty-thirty noch vorbei. Sie hielten bei Fayne und McBride und Fayne erzählte ihnen offensichtlich ganz aufgeregt, was passiert war. Ich konnte sehen, wie sich Bravestarrs Augen weiteten vor Überraschung und er dann Fayne die Hand schüttelte.

„Miss Harker, würden sie für ein Interview kurz rüber kommen?“ hörte ich dann plötzlich McBride rufen.

„Äh, klar!“ sagte ich zwar, warf Billy aber einen flehenden Blick zu, was dieser zum Glück auch verstand.

Bei den drei Männern und dem Hippodroiden angekommen musste ich ein Zittern unterdrücken. Aber nicht nur wegen meiner Nervosität bezüglich des Interviews, sondern auch, weil ich wieder spürte, wie Bravestarrs Blick auf mir ruhte. Aber ich kam nicht dazu ein Wort mit ihm zu wechseln, denn McBride begann mich sofort mit Fragen zu bombardieren.

„Sagen sie, wie kam es zu dem Fund?“ fragte er und streckte mir ein Mikro entgegen.

„Nun, eigentlich wollten wir nur das Geröll beseitigen, das noch in der Miene lag. Schließlich wollten wir weiterarbeiten. Und wir wollten den Bohrer suchen, der ebenfalls verschüttet wurde. Als wie ihn gefunden hatten und versuchten ihn raus zuziehen, da rutschte das Geröll von der Wand weg und das Kerium kam zum Vorschein.“ erzählte ich.

„Stimmt es, dass sie es zuerst gesehen haben?“ fragte er mich weiter.

„Ja, ich habe das Leuchten gesehen. Ich, Billy und Fayne sind dann hin und haben die Adern gesehen.“

„Normalerweise stünde ihnen der Hauptanteil an dem Fund zu, da sie ihn gemacht haben. Was denken sie, wie soll mit dem Fund verfahren werden?“

„Nun...“ begann ich. Ich sollte so viel Kerium kriegen? Wozu? Bei der Masse wäre ich nach den Maßstäben in meiner Zeit wahrscheinlich Millionärin. Aber das wollte ich gar nicht. Ich hatte das Kerium nicht verdient. Und zudem...eigentlich hatte Jack es gefunden, wenn man es genau nahm. Und er hatte mit dem Leben bezahlt und eine arme Familie zurück gelassen.

„Ich will es gar nicht. Statt dessen möchte ich, dass ein Großteil Jack Wheats Familie zukommt. Jack war der einzige Ernährer seiner Familie und eigentlich hat er es gefunden. Es steht also ihnen zu, nicht mir. Ich möchte nur einen geringen Anteil.“ fuhr ich dann fort.

Alle sahen mich überrascht an.

„Sie wollen tatsächlich auf so viel Kerium verzichten?“ vergewisserte sich McBride ungläubig.

„Ja. Wie gesagt, ich brauche es nicht so nötig. Ich möchte nur ein paar kleine Schulden bezahlen, die ich habe und ein paar andere Kleinigkeiten. Und Jacks Familie braucht es viel mehr als ich.“

„Nun, das nenne ich wirklich großherzig.“ sagte McBride dann schließlich und steckte das Mikro weg. Dann wandte er sich wieder Fayne zu.

„Bi! Ist das dein Ernst? Du willst auf so viel Kerium verzichten?“ fragte Billy mich ungläubig.

„Ach komm, Billy! Was soll ich mit so viel Kerium? Und wie ich schon sagte, Jacks Familie braucht das doch viel eher!“ erwiderte ich.

„Das nenne ich Größe, Bianca.“ mischte sich nun Bravestarr ein. „Das würde wirklich nicht jeder machen.“

Er war an meine Seite getreten und sah mich bewundernd und mit einem leichten, aber sehr innigen Lächeln an.

Es ließ schon wieder Hitze in mir aufwallen.

„Aber das wird trotzdem heute Abend richtig gefeiert, oder Bi?“ kam es dann von Billy.

Ich sah ihn an und musste bei seinem bittenden Blick richtig lachen. Der alte Partyhengst!

„Na klar! Wir müssen den Fund doch gebührend feiern!“ antwortete ich.

„Und das werden wir! Jiiiipiiii!“ johlte er und machte sich mit Freudenhopsern wie ein kleines Kind zu den anderen Männern zurück. Ein göttlicher Anblick, der mich wieder zum Lachen brachte.

„Dann wird Handle Bar wohl heute Abend ordentlich zu tun haben!“ meinte Bravestarr und sah Billy ebenfalls amüsiert nach.

„Kommst...kommt ihr beiden denn auch?“ fragte ich zögernd.

„Natürlich. In einem hat Billy wirklich recht. Das muss gefeiert werden.“ antwortete er und schwang sich wieder in Thirty-thirtys Sattel.

„Ich hoffe, du bist heute Abend etwas trinkfester, Kurze!“ wieherte dieser herausfordernd.

„Oh, das wirst du schon feststellen!“ antwortete ich und die beiden machten sich auf den Weg in die Stadt. Ich sah ihnen noch einige Sekunden nach, ehe ich mich zu den Männern gesellte. Es wurde schnell entschlossen die Arbeit für heute und morgen ruhen zu lassen. Gut für mich, denn so konnte ich noch zu Greenwoods.

Ich würde mir für heute Abend ein extra verführerisches Outfit zulegen müssen.

Reißt den Saloon ab!

Natürlich bekam noch jeder von den Jungs und auch ich noch eine ordentliche Portion Kerium für den Abend in die Hand gedrückt. Gut, denn so konnte ich mir nicht nur ein schönes neues Outfit holen, ich konnte auch endlich mein Messer holen, auf das ich mich schon so lange freute. Allerdings war ich auch froh, wenn ich das schwere Zeug wieder los war. Der Sack, den Fayne mir mitgab, wog gut und gerne sieben oder acht Kilo. Ich konnte nur hoffen, dass der Dingo auch Wort gehalten hatte und es nach wie vor zurück gelegt hatte.

Eilig machte ich mich zuerst auf den Weg zum Waffengeschäft. Das würde nicht so lange dauern. Dort angekommen stürmte ich geradezu in den Laden, was den Dingo hinter der Ladentheke erschrocken zusammenzucken ließ.

„Beim großen Dingo!“ keuchte er.

„Oh, Entschuldigung!“ sagte ich hastig. „Ich wollte sie nicht erschrecken.“

„Schon gut!“ knurrte er. „Was kann ich denn für sie tun?“

„Ich komme wegen dem Messer.“ antwortete ich.

„Mh! Messer...Messer...Ach ja, jetzt weiß ich. Mein Prachtstück von der Erde.“

„Genau! Haben sie es noch zurück gelegt?“ fragte ich aufgedreht.

„Klar!“ antwortete er unwirsch. „Auch, wenn Dingos nicht den besten Ruf hier haben, so stehe ich doch zu meinem Wort!“

„Tut mir leid. So war das nicht gemeint!“ beeilte ich mich zu sagen.

Oh Mann, hatte der ne Laune!

„Ich hab nur endlich das Kerium dafür zusammen und möchte es gern mitnehmen.“

Bei diesen Worten hellte sich seine Miene gleich wieder etwas auf.

„Ich hole es gleich.“ sagte er direkt und verschwand in einem Hinterraum.

Während ich ihn im Hinterraum wühlen hören konnte, trat ich hibbelig von einem Bein auf das andere, wie ein kleines Kind. Nach kaum zwei Minuten stand der Dingo dann vor mir und hielt mir das Messer hin. Beinahe ehrfürchtig nahm ich ihm das Prachtstück aus den Händen und strich sanft mit den Fingerspitzen der anderen Hand über die Lederscheide und den Griff. Und umfasste diesen dann fest und ließ die Klinge eine Winzigkeit aus der Hülle gleiten. Im Licht der drei Sonnen, das durch das Fenster fiel, glitzerte die Klinge auf eine schwer zu beschreibende Art gefährlich und gleichzeitig verführerisch.

„Nun, meine Liebe, die Bezahlung.“ drang die Stimme des Dingos zu mir vor.

„Oh, natürlich!“ schreckte ich auf, ließ das Messer wieder in die Scheide gleiten und machte es an meinem Gürtel fest, während ich zur Ladentheke ging. Dann klaubte ich den Beutel mit dem Kerium auf und kippte den Inhalt einfach auf den Tisch. Ich hatte immer noch keine Ahnung, wie die das hier genau abrechneten. Aber das machte nichts, denn der Dingo packte einfach etwas von dem Kerium auf eine elektronische Waage auf der Theke und wog eine bestimmte Menge ab.

„So, das wären haargenau fünf Kilo und vierhundert Gramm.“

Ich hatte mich scheinbar auch nicht in der Menge getäuscht, denn nun war mindestens ein dreiviertel des Keriums weg. Aber das machte nichts. Nun nur noch ein Outfit bei Greenwoods. Und das würde kaum ins Geld gehen. Und dann konnte ich noch meine Schulden bei Handle Bar begleichen.

„Danke!“ sagte ich und verstaute den Rest des Keriums in dem Beutel.

„Ich habe zu danken, junge Frau! Und behandeln sie dieses Prachtstück gut!“ erwiderte der Dingo aufrichtig lächelnd.

„Das kann ich ihnen in jedem Falle versprechen!“ versicherte ich ihm und verließ den Laden.

Dann machte ich mich direkt auf zu Greenwoods. Und fand ein megascharfes Outfit. Eine wunderbar weiche, schwarze und enganliegender Lederhose und ein bauchfreies, braunes Ledertop mit kurzen Lederbändchen, die verspielt über meinen Bauch baumelten. Während ich mich vor dem Spiegel betrachtete musste ich mir furchtbar das Lachen verkneifen, wenn ich den mißbilligenden Blick von Miss Greenwood sah. Natürlich war sie mit dem Outfit ganz und gar nicht einverstanden, aber das kratzte mich relativ wenig. Und außerdem, wenn sie mit sexy Outfits wirklich so ein Problem hatte, wieso konnte man sich dann bei ihr so gut damit eindecken?

Ich wandte meinen Hintern dem Spiegel zu und musterte zufrieden den knackigen Arsch, den mir die Hose verpasste. Vielleicht...nunja Bravestarr war auch nur ein Mann. Wenn auch ein sehr außergewöhnlicher. Aber ich konnte mich noch sehr gut an die bewundernden Blicke an meinem ersten Freitag Abend im Saloon erinnern.

Während ich den Laden mit einigen Kartons in der Hand verließ musste ich immer wieder darüber nachdenken.

Sollte ich es heute Abend einfach mal wagen? Einfach mal wirklich die Initiative ergreifen?

„Hallo, Kleines!“ wurde ich lautstark von Handle Bar begrüßt, als ich den Saloon betrat.

„Hi, Handle Bar!“

„Meine Güte, heute war euer Glückstag, was?“ fragte er mich lachend und kam auf mich zu.

„Ja, das kann man wohl sagen! Und wir haben sogar für Jacks Familie und Sam eine Überraschung.“

Er nickte wissend.

„Ich habe schon davon gehört. Das ist wirklich sehr großherzig von dir, Kleines!“ sagte er dann und gab mir einen anerkennenden Klaps auf die Schulter.

„Ach, iwo!“ winkte ich ab. „Ich bin ja genügsam und die Familie muss ohne Ernährer auskommen.“

Wenn ich an Jack dachte, stieg wieder Traurigkeit in mir auf und ich sah ihn wieder vor mir. In seinem eigenen Blut, röchelnd, qualvoll sterbend. Auch, dass ich ihn danach noch einmal gewaschen und zurecht gemacht im Sarg gesehen hatte, hatte mir nicht geholfen.

„Ja, das dieses Unglück geschehen musste...“ sagte dann auch Handle Bar betreten.

Dann schüttelte er aber den Kopf und lächelte wieder.

„Aber trotzdem haben wir heute etwas zu feiern!“ sagte er entschieden und ging in die Küche zurück.

„Nun komm! Ich brauche noch dringend Hilfe. Will einiges vorbereiten für die Meute!“

Ich schaffte schnell meine Sachen ins Zimmer und ging ihm dann zur Hand.

Er hatte recht. Wir sollten nun alle positiv in die Zukunft blicken. Und vor allem auf den heutigen Abend.
 

Dann endlich um sieben war es soweit. Ich stand vor dem Spiegel in meinem Zimmer und zupfte nervös noch ein wenig mein Top zurecht. Ich war so gespannt auf den heutigen Abend. Natürlich war erst einmal Arbeiten angesagt, aber ich wusste, dass der Abend auch noch sehr lang werden würde.

Während ich meinen Hut aufsetzte, fragte ich mich, ob ich Bravestarr so gefallen würde. Ich hoffte es, wie nichts anderes auf der Welt.

Während ich dann langsam runter ging dachte ich darüber nach, wie ich vielleicht heute abend „die Initiative ergreifen“ könnte. Aber das würde wohl situationsbedingt passieren.

„Donnerwetter!“ grinste Handle Bar breit als er mich sah. „Da will es aber jemand wissen heute Abend, was?“

Ich wurde rot und konnte nicht verhindern, dass mir ein Kichern entwich.

Was Handle Bar zu einem herzhaften Lachen animierte.

„Na, ich wünsche dir viel Glück!“ zwinkerte er mir zu.

„Aber jetzt müssen wir erst einmal die Theke vorbereiten für die durstige Meute und den Herd anheizen. Ich hab auch schon alles soweit vorbereitet für Irish Stue. Aber kochen musst du!“

Eifrig begannen wir beide zu arbeiten und kaum hatten wir im Schankraum alles fertig, als auch schon die erste Flut an Gästen reinkam. Billy Bob und die anderen, lautstark lachen und witzelnd.

„Bi!“ rief Billy laut als er mich sah. Und dann weiteten sich seine Augen bewundernd als er mich sah. „Du...siehst verflucht gut aus!“ fügte er dann noch langsam hinzu, als wenn er die richtigen Worte hätte suchen müssen. Total süß!

„Danke, Chaos-Kumpel!“ erwiderte ich.

„Machst du uns ne Runde Starblazer, holde Maid?“ fragte dann Joseph.

„Na klar!“ lachte ich und bereitete eine Runde vor.

„Für dich natürlich auch eins!“ warf Billy dann noch ein.

„Später, Billy! Erst mal muss ich Handle Bar helfen.“

„Na ein Starblazer wird dir doch wohl nicht schaden!“ gab Billy enttäuscht zurück.

„Er hat recht, Kleines!“ kam es dann von Handle Bar. „Ich hab den extremen Ansturm auch vor dir immer unter Kontrolle gekriegt. Feiere du ruhig.“

„Na gut, aber ich helfe trotzdem zwischendurch!“ lächelte ich dann und zapfte mir selbst ein Starblazer.

Während ich mit den anderen anstieß, begannen so langsam auch noch mehr Gäste reinzukommen und der Saloon füllte sich schnell. Schließlich kamen eine fünf-köpfige Gruppe mit Koffern rein. Koffer für Instrumente.

Gabs hier heute Abend ne Liveband?

Scheinbar schon, denn sie begannen sich auf der kleinen Bühne neben der Theke einzurichten. Na, da war ich mal gespannt, was das für Musik werden würde.

Und schließlich kamen auch Thirty-thirty, Fuzz, J.B. und Bravestarr.

Und mal wieder stockte mir der Atem, als ich ihn sah.

Seine Haare fielen ihm wieder offen um die starken Schultern und er trug eine enge schwarze Jeans und ein lockeres weißes Hemd. Soweit ich das sehen konnte hatte er sich eine Art indianischen Haarschmuck ins Haar geflochten, denn ich konnte die Spitze einer Feder an seinem Hinterkopf erkennen. Und einen sehr fein gearbeiteten Schmuck um seinen Hals. Oh, verflucht! Er war der heißeste Mann des Universums!

„Hey, Kleine!“ wieherte Thirty-thirty laut und klopfte zur Begrüßung auf die Theke.

„Hallo, Jungs! Und Damen!“ sagte ich. „Darfs ne Runde sein?“

„Immer her damit!“ antwortete Thirty-thirty.

Da ich wusste, was die Truppe trank, machte ich die Drinks fertig.

„Sie haben heute eine wirklich gute Tat vollbracht, Bianca!“ sagte J.B. „Jacks Familie konnte es gar nicht fassen, als sie das gehört haben!“

Ich konnte aufrichtige Anerkennung aus ihrer Stimme hören. Was mich verwunderte, da sie mich ja eigentlich nicht sehr mochte.

„Nun ja, Jack war auch mein Freund. Und wie ich ja schon ihrem Vater sagte, ich brauche es nicht.“

„Aber von dem anderen Geld hast du dir ein verdammt heißes Outfit gegönnt, was?“ fragte Thirty-thirty dann sehr direkt.

Ich spürte, wie ich errötete.

„Nicht nur das!“ antwortete ich. „Ich konnte mir endlich mein Messer holen, auf das ich gespart hatte.“

Natürlich hatte ich das im Moment nicht bei mir. Aber das musste ja auch nicht sein.

„Ein Messer?“ runzelte J.B. die Stirn.

„Ja. Nach der ganzen Aufregung hier habe ich es als besser angesehen zumindest eine Waffe zu haben, mit der ich richtig umgehen kann. Und im Messerkampf bin ich ziemlich gut.“

„Also so ein richtiges Messer! Aus Stahl?“ fragte Thirty-thirty.

„Na klar! Ich will ja diese Laserteile nicht runter machen, aber mir kann keiner erzählen, dass sie einem guten alten scharfen Stahl das Wasser reichen können.“ gab ich zurück.

„Unterschätze die Waffen nicht!“ war nun von Bravestarr zu hören. „Jede Waffe ist gefährlich.“

Ich konnte mir ein schiefes Grinsen nicht verkneifen.

„Kommt da wieder der Philosoph bei dir durch?“

Ich konnte mir den Spruch einfach nicht verkneifen.

Er zog erst kritisch eine Augenbraue hoch, was seine fast schwarzen Augen nur noch mehr zur Geltung brachte. Aber dann lächelte er ebenfalls und schüttelte den Kopf.

„Irgendwann wirst du das schon verstehen.“ sagte er dann.

„Ich verstehe es jetzt schon, aber ich finde du machst da zu viel Theater drum. Ich bin ja auch froh, wenn ich sie nicht einsetzen muss. Aber es ist trotzdem ein gutes Gefühl eine Waffe zu tragen. Man fühlt sich nun einmal sicherer.“

Gott wir wollten feiern und ich führte hier gerade eine Diskussion mit Bravestarr über Waffen.

„Jedem das seine!“ unterbrach Thirty-thirty uns dann. Und ehrlich gesagt, war ich dankbar dafür.

Wir wandten uns wieder unseren Getränken zu und während ich an meinem Starblazer nippte, nahm ich immer wieder Bravestarrs Blicke wahr, wie er mich musterte. Und das auf eine sehr eindeutige Art und Weise. Es ließ mich schaudern. Ja, so sollte er mich ansehen! Ich gefiel ihm!

„Meine Damen, meine Herren!“ erklang es plötzlich laut durch den Saloon.

Ich wirbelte leicht erschrocken zu der Bühne herum. Die Band schien mit ihren Aufbauten fertig zu sein und standen nun alle mit irgendeinem Instrument in der Hand da.

„Wir freuen uns den heutigen Abend mit einem fröhlichen Tanz einzuleiten! Ich bitte sie auf ihre Plätze!“

Sofort nahmen daraufhin auch einige Leute auf der Tanzfläche scheinbar ganz bestimmte Positionen ein, genau gleich viele Männer und Frauen.

„Und drei, zwei, eins...“ begann der Chef der Band und dann erklang typische Westernmusik und die Leute auf der Tanzfläche begannen sich zu bewegen. Scheinbar so eine Art Square Dance. Die Musik war flott und ich begann unbewusst mich leicht zum Takt zu bewegen. Billy und Joseph tanzten ebenfalls mit und bewiesen ihr tänzerisches Können.

Ich warf derweil immer wieder verstohlene Blicke zu Bravestarr rüber, der auch immer wieder kurze Blicke in meine Richtung warf. Gott, mein Magen machte ganze Bungeesprünge in meinem Bauch und mein Kopf schien zu brennen! Verflucht, warum machte ich nicht einfach den ersten Schritt?

Gerade wollte ich zu ihm rüber gehen, als die Stimme des Sängers laut seinen Dank für diesen wunderbaren ersten Tanz bedankte und nun etwas für Paare ankündigte. Und gleich darauf meldete sich mein Chaos-Kumpel zu Wort.

„Hey, Bi! Trinken wir nen „Kurzen“?“ rief er laut.

Ich musste grinsen. Das Wort „Kurze“ für Schnaps hatte ich ihm mal gesagt.

„Aber erst mal nur einen, Mann. Der Tag ist noch jung!“ antwortete ich.

„Na klar!“ lachte er und legte mir kumpelhaft den Arm um die Schultern. „Aber einer muss für deinen Kumpel drin sein!“

Er war noch genauso übermütig wie am Tag zuvor. Es ließ mich abermals schmunzeln.

Und auch, wenn ich gern mit Billy zusammen war, ich konnte einen kurzen sehnsüchtigen Blick in Bravestarrs Richtung nicht unterdrücken. Doch auch der schien beschäftigt zu sein, denn ich konnte sehen, wie wieder die Richterin bei ihm stand und ihn scheinbar zum Tanz aufforderte. Und das auf eine Art, die mir gar nicht behagte, denn sie schmiegte sich fest an ihn und es sah fast so aus, als wolle sie ihn küssen.

„Wag das ja nicht, du Miststück!“ knurrte ich leise zu mir selbst.

„Was hast du gesagt?“ fragte Billy neben mir.

„Ach, gar nichts!“ beeilte ich mich zu sagen und versuchte mich auf Billy zu konzentrieren.

An der Theke angekommen standen auch schon zwei Starblazer mit dazugehörigem „Kurzen“ für uns bereit.

„Auf Jack!“ prostete Billy mir zu.

„Ja, auf unseren Kumpel!“ antwortete ich und wir kippten den Schnaps runter.

„Nicht lang wackeln, Kopf in Nacken!“ rief Billy dann übermütig und knallte das Glas auf den Tisch.

Und ich musste mir ganz schnell die Hand vor den Mund halten, ansonsten hätte ich ihn mit Starblazer voll gespuckt vor lachen!

„Was denn?“ fragte er mich ganz irritiert.

„Es heißt: „Nicht lang schnacken, Kopf in Nacken“!“ prustete ich.

„Ja, da kann man auch durcheinander kommen, mit euren Sprüchen!“ erwiederte er ungerührt übermütig.

Und ich musste noch lauter lachen.

„Hey, ihr beiden! Habt ihr noch Platz in eurer Mitte?“ erklang dann eine eher raue Frauenstimme.

Ich wandte mich um und sah Molly, die mit in die Hüften gestemmten Händen vor uns stand, aber freundlich ginste.

Ich hatte Molly seit dem Überfall nicht mehr gesehen. Aber die war ja auch nur unterwegs mit ihrer Stratokutsche.

„Klar, Molly!“ sagte Billy und rückte mit seinem Stuhl etwas von mir weg, so dass sich Molly zwischen uns niederlassen konnte.

„Nun, ich muss sagen, ich hab dir Unrecht getan, Kleines! Du hast ganz schön viel Mut bewiesen, bei dem Überfall.“ wandte sie sich dann an mich.

„Nun, ich glaube, wir hatten einfach nur einen schlechten Start, Molly. Wir sollten von anfangen, meinst du nicht?“ erwiderte ich.

„Keine schlechte Idee, Kleine!“ lachte sie und bestellte sich bei Handle Bar einen Starblazer.

Dann stieß sie mit uns an. Ich konnte es in der Zwischenzeit nicht unterlassen einen verstohlenen Blick zu Bravestarr rüber zu werfen. Er tanzte nun tatsächlich mit der Richterin. Und diese schmiegte sich ein bisschen zu heftig an ihn für meinen Geschmack. Ich spürte wieder, wie Wut in mir hoch kochte. Das Biest sollte die Finger von ihm lassen!

„Und, schon mal in ner Stratokutsche gefahren, Bianca?“ riss Molly Stimme mich aus den Gedanken.

„Was? Oh, äh nein! Sowas gab es bei uns ja nicht.“ beeilte ich mich zu antworten.

„Nun, dann solltest du es mal ausprobieren! Ich muss für Handle Bar morgen ne Ladung Kerium zu nem Farmer bringen. Könntest ja mit. So als Sicherheitskraft!“

„Klar, gern!“ antwortete ich.

Ehrlich gesagt war ich sogar sehr neugierig, wie das so war in einer Stratokutsche zu fahren. Das Ding war, so wie ich es gesehen hatte, zwar nicht so schnell, wie ein Auto, aber doch deutlich schneller als eine normale Kutsche.

„Na dann erwarte ich sie morgen um elf!“ sagte Molly und haute mir auf die Schulter.

Donnerwetter, das Weibsbild hatte ganz schön Kraft!

In diesem Moment hörte die Musik auf und die Tanzenden ließen sich wieder an der Theke und an den Tischen nieder. Und nun war auch ein wenig mein Arbeitseinsatz gefragt und ich war die nächste Stunde damit beschäftigt Getränke und Essen an die Tische zu tragen. Mein Irish Stue kam ziemlich gut an und so musste ich schon bald in der Küche für Nachschub sorgen.

Als ich endlich wieder Zeit hatte und zu den Gästen ging, sah ich Bravestarr allein an der Theke stehen. Nur Thirty-thirty war noch bei ihm. Von J.B. war keine Spur zu sehen. Hoffentlich hatte sie sich ganz verdrückt, dachte ich düster und stellte mich zu Billy, der passender Weise gerade neben Bravestarr stand. Auch Molly war noch bei ihnen und schien gerade irgendeine Story zu erzählen, denn ich konnte die Männer laut lachen hören.

Ich gesellte mich mit einem Getränk dazu und stand nicht ganz neben Billy, als mir dieser schon wieder den Arm um die Schultern legte und mich besitzergreifend an sich zog.

„Hey, Bi! Aber jetzt, jetzt musst du doch nicht mehr arbeiten, oder?“ fragte er mich leicht lallend. Scheinbar hatte er in meiner Abwesenheit doch einige „Kurze“ ohne mich getrunken.

„Nein, ich glaub jetzt ist das schlimmste vorbei!“ lachte ich und schon im nächsten Moment hatte ich ein kleines Glas in der Hand. Hatte er wohl schon mal auf Vorrat bestellt.

Schnell kippten wir ihn runter.

„Hoffentlich muss ich dich heute abend nicht wieder hier raustragen, Billy!“ wieherte Thirty-thirty amüsiert.

„Ach, iwo! Hicks!“ lallte Billy und ich spürte, dass er sich doch leicht auf mich stütze.

„Er hat Recht, Billy! Mach mal ne Pause! Ich dachte, der Abend soll noch länger gehen!“ gab ich Thirty-thirty recht.

Einer der Dinge, die ich an Billy so mochte, war seine Schwäche für Partys, aber er schien auch gern mal mit dem Starblazer zu übertreiben.

„Aber, ich glaub ich schaffe erst mal wieder ein bißchen Platz!“ lallte er dann und wankte in Richtung Toiletten davon.

Ich sah ihm grinsend nach.

„So, du willst Molly morgen begleiten?“ hörte ich Bravestarrs Stimme.

Ich wandte mich ihm hastig zu.

„J...ja. Bin ja noch nie Stratokutsche gefahren. Ist bestimmt was ganz anderes, als Auto fahren.“

„Was ist ein Auto?“ fragte Molly.

Oh Mann, zumindest sollten die doch sowas aus Geschichtsbüchern kennen, oder?

„Naja, Autos waren bei uns das, was bei euch heute die Turbomulis sind. Hatten vier Räder und sind ganz schön schnell gefahren.“

„Automobile, ja. Hab so ein Ding mal in einem Museum gesehen.“ sagte Bravestarr.

„Na, wir haben einfach nur kurz Auto dazu gesagt.“

Plötzlich meldete sich der Sänger der Band wieder zu Wort und forderte die Gäste wieder zum Tanz auf.

„Darf ich bitten, Madam?“ fragte Bravestarr mich auf einmal und reichte mir die Hand.

Ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoss und ich konnte nur schnell nicken.

Ich legte meine Hand in seine und ging mit ihm zur Tanzfläche. Und schon bald bestand meine Wirklichkeit nur noch aus seinem starken Körper, den ich unter meinen Händen spürte, seine Wärme, die durch den Stoff seines Hemdes drang und sein Geruch. Oh Gott, dieser Geruch! Ich nahm das Tanzen an für sich gar nicht wahr. Tatsächlich war es mehr wie...ein Dahingleiten. So musste sich ein Heroinsüchtiger fühlen, wenn er einen Rausch hatte. Nur das meine Droge dieser Mann hier war.

Aber wie bei einem Drogenrausch, so war auch das hier viel zu schnell vorbei und wir gingen zur Bar zurück. Billy war inzwischen wieder da und kaum stand ich an der Theke, als er mir auch schon den nächsten Kurzen in die Hand drückte. Wenn er so weitermachte, dann wurde der Abend wirklich nicht mehr lang!

Aber ich wollte ihm den Spaß nicht verderben und trank munter mit ihm weiter. Und kaum eine Stunde später war es auch schon aus. Billy wankte, wie auch viele andere Gäste betrunken nach Hause. Auch Bravestarr verabschiedete sich und ich blieb mit Handle Bar allein zurück. Auch, wenn ich auch ziemlich angetrunken war, ich war zu aufgewühlt um zu schlafen und so half ich Handle Bar noch ein wenig aufräumen.

„Hast dein Glück doch nicht probiert, eh?“ fragte Handle Bar mich amüsiert und wir tranken zusammen noch ein Starblazer.

„Was soll ich denn auch machen, Handle Bar? Einfach zu ihm gehen und sagen: „Hey, Bravestarr! Ich wollte dir nur mal eben sagen, ich bin voll in dich verknallt!“ Oder wie meinst du?“

Handle Bar lachte laut auf.

„Naja, so würde ich das auch nicht sagen. Aber zeig es ihm doch einfach ein bisschen mehr!“

Er hatte leicht reden! Wie sollte man sowas möglichst dezent machen? Verflucht, ich hasste mich mal wieder selbst, dass ich nicht irgendwie die Initiative ergriffen hatte. Aber wie gesagt, wie hätte ich das tun sollen.

„Na, du wirst schon noch ne Chance kriegen!“ sagte Handle Bar und kippte den Rest seines Starblazers runter.

„Jetzt lass uns auch zu Bett gehen. Du musst morgen für die Kutschfahrt wieder fit sein!“

Aber ich fand in dieser Nacht noch lange keinen Schlaf. Ich wünschte mich immer wieder sehnlichst mit Bravestarr auf die Tanzfläche zurück.

Auf Stratokutschentour

Am nächsten Morgen wurde ich pünktlich gegen neun Uhr wach. Ich blickte zum Fenster raus, obgleich das eigentlich blödsinnig war. Ich hatte bis jetzt noch nie ein anderes Wetter als Hitze und Sonne hier erlebt. Der einzige Unterschied war, dass es mal mehr mal weniger heiß war.

Ich kroch aus den zerwühlten Laken und ging zum Waschbecken. Dort schöpfte ich mir ein paar Hände voll Wasser ins Gesicht. Ich hatte ehrlich gesagt nicht besonders gut geschlafen. Die ganze Nacht hatte ich nur an Bravestarr denken können. Hatte mich in seine Arme gewünscht. Ich hasste mich selbst dafür, dass ich nicht auf Handle Bar gehört hatte und ihm meine Gefühle gezeigt hatte. Wie wäre der Abend wohl dann verlaufen? Hätte ich die Nacht wohlmöglich dann nicht allein verbracht?

Ich schüttelte heftig den Kopf und schüttelte damit nicht nur Wasser, sondern auch die dunklen Gedanken damit ab. Was machte es für einen Sinn sich nun noch Gedanken darüber zu machen? Ich konnte nur hoffen nochmal eine Chance zu bekommen. Und diese würde ich nutzen!

Ich ging unter die Dusche und zog mich an.

Ich wollte noch mit Handle Bar den Saloon vorbereiten und frühstücken, bevor ich mit Molly losfuhr.

Als ich runter kam, war der schon wieder ordentlich am Arbeiten. Die meisten Stühle standen schon wieder ordentlich an den Tischen und diese waren abgeräumt.

„Morgen, Kleines!“ begrüßte mich der Riegelaner und stellte ein volles Tablett mit benutzten Gläsern auf der Theke ab.

„Gut geschlafen?“

„Mh, naja. Ging so!“ antwortete ich wahrheitsgemäß.

Handle Bar grinste breit.

„Hattest wohl Sehnsucht nach einem bestimmten Mann, was?“ fragte er dann direkt.

Ich spürte, wie ich wieder rot wurde. Und Handle Bar lachte noch lauter.

„Na, du wirst bestimmt noch mal eine Chance bekommen.“

„Ja, wenn mir die Richterin nicht zuvor kommt!“ knurrte ich und folgte ihm in die Küche.

„Nun, ich kann dir garantieren, das wird nicht so schnell passieren. Bravestarr hat in der Beziehung wirklich kein Interesse an ihr.“ versuchte er mich dann zu beruhigen.

„Ach, hat er dir das gesagt?“ fragte ich und half ihm beim Tischdecken.

„Nein! Aber das ist offensichtlich.“ meinte er nur.

Nachdem wir uns am Frühstückstisch niedergelassen hatten versuchte ich das Thema zu wechseln.

„Denkst du Molly ist pünktlich?“ fragte ich und biss in mein Brot.

„Molly ist immer pünktlich. Es sei denn, sie wird überfallen.“ antwortete Handle Bar.

„Wo will sie eigentlich genau hin?“ fragte ich weiter.

„Zu einem Farmer am Rande der Badlands. Ich hatte ihm einige Lebensmitteln abgekauft und muss ihn noch bezahlen.“

Badlands. Bei dem Namen zuckte ich unwillkürlich leicht zusammen. Dort war doch auch dieses Hexagon. Und Tex Hex und seine Bande.

„Na, mach dir keine Sorgen! So häufig wird Molly auch nicht angegriffen. Und außerdem ist sie auch eine sehr talentierte Kämpferin.“ sagte Handle Bar, der mein verunsichertes Schweigen richtig verstand.

„Und du kannst ja nicht weniger gut kämpfen!“ fügte er noch hinzu.

Ich grinste schief.

„Genieß die Tour und mach dir nicht zu viele Gedanken!“ beendete Handle Bar dann das Thema und dann ging es nur noch um belanglosere Dinge.

Pünktlich um elf hatten wir dann unser Frühstück beendet und alles aufgeräumt. Handle Bar drückte mir wieder die schwere Geldkassette in die Hand und ich trat gerade auf die Straße, als ich das Brausen der Stratokutsche hörte.

„Heya! Heya!“ konnte ich Molly hören und kurz darauf bremste die futuristische Kutsche vor mir ab.

„Morgen, Kleines! Bereit für die Fahrt?“ rief sie fröhlich.

„Klar!“ antwortete ich.

„Na dann komm mal hier hoch auf den Kutschbock, Kleines!“ lachte sie und streckte mir die Hand entgegen. Ich reichte ihr die Geldkassette hoch und kletterte dann zu ihr hoch.

Gezogen wurde die Kutsche von einem etwas größeren Turbomuli. Aber anders, als ich erwartet hatte, lenkte Molly es mit Zügeln. Ich hätte eher erwartet, dass sie sowas wie eine Fernsteuerung vor sich hätte, oder so. Und ich meinte auch sowas wie eine Peitsche neben ihr stehen zu sehen. Ich musste schief grinsen, denn ich konnte mir irgendwie nicht vorstellen, dass ein Turbomuli es spürte, wenn es ausgepeitscht wurde.

„Gute Fahrt euch beiden! Und pass auf meine Kellnerin auf, Molly!“ rief uns Handle Bar noch zu und zwinkerte.

„Die ist bei mir so sicher wie in Adams Schoss!“ lachte Molly laut, nahm die Peitsche zur Hand und ließ sie laut knallen. „Heya!“

Und im nächsten Moment wurde ich ziemlich gegen die Rückenlehne gepresst, als das Gefährt harsch wendete und in Richtung Wüste aus der Stadt preschte. Und wieder fragte ich mich, wie es sein konnte, dass Molly noch nie jemanden überfahren hatte!

Ich hatte mich nicht getäuscht, die Kutsche war kein langsames Gefährt. Ich wusste auch, dass sie mit einem Auto nicht würde Schritt halten können, aber in diesem Moment kam sie mir furchtbar schnell vor. Vielleicht lag das aber auch an dem harschen Fahrtwind, der mir nun ungehindert um die Ohren brausen konnte.

„Heya! Heya!“ trieb Molly den Muli immer wieder an und ließ die Peitsche knallen.

Oh, Mann, machte die das jetzt die ganze Zeit? Oder hörte das auch mal auf?

Ich drehte mein Gesicht ein wenig zur Seite um dem heftigen Wind ein wenig zu entgehen und sah dabei in die Wüste hinaus. Sie glitt schnell an uns vorbei und dennoch fesselte es einen. Ich hatte es schon immer, auch bei Autofahrten genossen mir einfach nur die Landschaften anzusehen, durch die wir fuhren.

„Und? Wie gefällt dir die Fahrt?“ konnte ich plötzlich Molly über das Brausen des Antriebes und des Windes hören.

„Klasse!“ antwortete ich. So langsam gewöhnte ich mich daran, dass mir der Wind so um die Ohren brauste.

Aber ich würde in jedem Falle eine Motorradfahrt vorziehen!

„Haha! Halt dich gut fest, Kleine! Gleich kommt eine etwas holprige Strecke!“ lachte Molly und ließ wieder die Peitsche knallen.

Sie behielt recht. Die weiten Ebenen waren mit einem Mal vorbei und dann kam eine weite Schotterpiste. Allerdings waren die Brocken so groß, dass Molly selbst mit der, bestimmt einen Meter über dem Boden schwebenden Kutsche nicht darüber fahren konnte.

Slalom, Baby! dachte ich und im nächsten Moment legte sich die Kutsche auch schon gefährlich auf die Seite und Molly rauschte haarscharf an dem ersten Felsen vorbei. Ich klammerte mich erschrocken an die Seite des Kutschbocks und ich meinte Molly aus den Augenwinkeln schief grinsen zu sehen. Und im nächsten Moment wurde ich fast gegen sie geworfen, als sich die Kutsche bei einem scharfen Manöver auf die andere Seite legte. Ich war mir hundertprozentig sicher, dass sie das nur machte, um mich entweder zu ärgern oder zu beeindrucken. Denn dass sie auch so fuhr, wenn sie Fahrgäste hatte, konnte ich mir nicht vorstellen. Denn die meisten der Passagiere hatten bestimmt keine Lust so durchgeschüttelt zu werden. Oder bot sie auch Abenteuertouren an?

„Na, macht das Spaß?“ lachte sie laut neben mir.

„Würde mehr Spaß machen, wenn ich Sicherheitsgurte hätte!“ murrte ich.

Ehrlich gesagt hasste ich Achterbahnfahrten und das hier kam beinahe einer gleich.

Aber mein leichter Sarkasmus prallte ganz offensichtlich an Molly ab. Scheinbar stachelte er sie noch weiter an, denn sie fuhr nun noch halsbrecherische Manöver. Ich konnte mir ein erleichtertes Aufatmen nicht verkneifen, als wir diese Schotterpiste vorbei war und es normal weiter ging. Aber wahrscheinlich erwartete mich das auf dem Rückweg noch mal.

„Wie weit ist es noch?“ fragte ich sie dann direkt. Zwar war ich schon mal in den Badlands, als Tex mich entführt hatte. Aber da ich sowohl auf dem Hinweg, als auch auf dem Rückweg bewusstlos gewesen war, hatte ich keinerlei Ahnung, wie weit es war.

„Nicht mehr sehr weit!“ antwortete Molly. „Ein paar Minuten nur noch!“

Zum Glück! Also noch mal so ne Extra-Tour musste ich nicht machen!

„Wer ist dieser Farmer eigentlich?“ fragte ich dann.

„Sein Name ist Pako. Er ist Viehzüchter und lebt mit seiner Tochter Michelle dort draußen.“

„Wie kommt es, dass sich jemand so nahe an den Badlands nieder lässt?“ fragte ich direkt. Ich würde nicht in einer Gegend leben wollen, wo mir Tex und dieses Monster Stampede ständig im Nacken saß.

„Nun ja, Pako ist ein Ex-Marshall. Aus irgendeinem Grund hatte er damals seinen Dienst quittiert und lebt nun mit seiner Tochter da draußen. Er ist ein ziemlicher Einsiedler und will möglichst nichts mit anderen Leuten zu tun haben!“ erklärte Molly.

„Ex-Marshall? So wie Bravestarr?“ fragte ich weiter.

„Genau so einer, Liebes!“ antwortete Molly.

„Hat ihm wohl nicht gefallen, was?“ fragte ich weiter.

„Keine Ahnung, warum er es dran gegeben hat. Aber ist ja auch seine Sache.“ meinte Molly nur.

Ein paar Minuten später konnte ich die Umrisse von Gebäuden am Horizont sehen. Es war wirklich nicht mehr weit. Je näher wir kamen, desto mehr konnte ich das große Gebäude erkennen, dass sich schließlich als zwei herausstellte. Ein Wohnhaus und eine Scheune. Drum herum konnte ich noch jede Menge Felder erkennen, die auf die unterschiedlichste Art bebaut waren. Und ein kleines Gatter mit Hühnern war zu erkennen.

„Hey, Pako!“ rief Molly und hielt kurz vor dem Haus scharf an.

Keine Sekunde später öffnete sich die Tür und ein Mann mittleren Alters kam aus dem Haus. Er war etwa so groß wie Bravestarr, war nur bei weitem nicht so gut gebaut, hatte hellbraune Haare, in der sich schon die ersten grauen Strähnen zeigten und hatte ein sehr freundliches Gesicht.

„Hallo, Molly!“ grüßte er zurück und kam auf die Kutsche zu. „Hast du meine Lieferung dabei?“

Molly schwang sich mit einer kräftigen Bewegung vom Kutschbock und landete federnd vor Pako auf dem Boden.

„Aber natürlich! Und auch das Geld von Handle Bar!“

Dann sah Pako zu mir auf und lächelte auch mich offen an.

„Und wer ist die junge Dame in deiner Begleitung?“

Ich beeilte mich ebenfalls vom Kutschbock zu steigen, natürlich nicht halb so schnell und elegant wie Molly, und streckte dem Mann die Hand entgegen.

„Mein Name ist Bianca, Sir!“ stellte ich mich vor.

„Pako.“ erwiderte er und ergriff meine Hand.

„Was führt sie denn auf meine schöne Farm?“ fragte er mich dann.

„Ich bin Handle Bars Gehilfin und bringe das Geld.“ sagte ich und beeilte mich dann die Geldkassette aus der Kutsche.

„Der gute alte Handle Bar! Auf den ist immer Verlass!“ nickte Pako und bat uns dann in sein Haus. Dort gab es erst einmal Süßwasser und Molly und er unterhielten sich über irgendeinen Dingoangriff, den es wohl vor kurzem gegeben hatte.

„Du solltest aufpassen, Molly! Die Dingos sind mal wieder sehr aktiv in letzter Zeit.“ meinte Pako und schob die nun leere Geldkassette in meine Richtung.

„Ach, mir passiert schon nichts!“ wiegelte Molly ab und trank ihr Glas in einem Zug leer.

„Aber da wir gerade dabei sind, wir müssen auch wieder los. Muss noch ne Ladung Kerium aus Sawtooth holen!“

„Okay.“ meinte Pako nur und wir erhoben uns.

„Richte Handle Bar bitte schöne Grüße aus.“ sagte er dann an mich gewandt.

„Klar, mache ich!“ antwortete ich und wir verließen das Haus.

Draußen schwang Molly sich wieder auf ihren Kutschbock und ich packte die Geldkassette in den Fahrgastbereich. Anschließend schwang ich mich zu ihr hoch.

„Machs gut, Pako!“ sagte Molly und startete die Düsen. „Und sag Michelle einen schönen Gruß!“

„Mache ich!“ konnte ich Pako noch sagen hören. Und dann ließ Molly auch schon wieder die Peitsche knallen und das Gefährt brauste los.

Ich blickte zurück und konnte Pako im Haus verschwinden sehen. Der sollte mal Marshall gewesen sein? Konnte ich mir irgendwie nicht vorstellen. Er war zumindest ganz anders als Bravestarr. Viel...ruhiger...zurückhaltender. Aber das konnte auch täuschen. Bravestarr strahlte ja auch nur diese eiserne Autorität aus, wenn er im Dienst war. Ansonsten war er ja auch ein eher sanftmütiger Mensch.

Und wieder ein Überfall

Als kleine Vorankündigung: Ich arbeite jetzt hier mit einer abgewandelten Szene aus einem Film. Vielleicht erkennt sie ja jemand;-) Ist eigentlich nicht meine Art, aber ich finde die zum Schießen und sie passt hier gut.

Wer den Film errät kriegt nen Keks!XD
 

Während wir wieder in die Wüste hinaus brausten hoffte ich nur, dass Molly nicht wieder irgendwelche Kunststückchen vollführen würde. Aber sie fuhr ganz normal und so begann ich einfach nur die an uns vorbeiziehende Wüstenlandschaft zu betrachten. Molly sprach auch nicht mit mir und beschränkte sich auf ein paar an das Muli gerichtete „Heyas!“.

Bis auf einmal ein heftiges Zischen erklang und ein greller Lichtblitz knapp unter mir die Kutsche traf!

Erschrocken wich ich zurück und stieß gegen Molly.

„Was zum...!“ keuchte diese nicht weniger erschreckt.

Ich war mittlerweile lang genug hier um zu wissen, dass das gerade ein Laserschuss gewesen war. Und ich hatte eine vage Ahnung, was los war. Pako und Molly hatten sich vorhin schließlich lang und intensiv über eine Dingobande ausgelassen, die hier ihr Unwesen trieb.

Ein weiteres Zischen erklang und wieder schlug ein Lichtblitz in die Seite der Kutsche. Wenn auch dieses Mal weiter weg vom Kutschbock. Und trotzdem: Man schoss auf uns! Und ich hatte keine Lust eine Ladung Laser voll ab zubekommen!

„Gott verdammt!“ brüllte Molly neben mir und ließ die Peitsche knallen! „Verfluchte Wüstenköter!“

„Dingos?“ fragte ich. Obwohl die Frage überflüssig war.

„Natürlich, Schätzchen! Wer den sonst?“ antwortete Molly auch nur gereizt und trieb den Muli noch weiter an.

Ich warf derweilen gehetzte Blicke in die Richtung zurück, aus der die Schüsse gekommen waren und konnte ein paar schwebende Punkte hinter uns erkennen, die aber schnell näher kamen. Schon sehr bald waren sie so nahe, dass ich erkennen konnte, dass es wirklich Dingos auf Turbomulis waren. Und was ich auch sah, waren die Lasergewehre mit denen sie herum fuchtelten! Nun konnte ich auch das wilde Johlen hören, dass sie ausstießen.

„Molly, was machen wir jetzt?“ fragte ich und klang dabei ängstlicher, als ich wollte.

„Ich versuche sie in dem Red-Stone-Canyon abzuhängen!“ erwiderte sie nur knapp und ließ wieder ihre Peitsche knallen. „Nimm du die Kanone da an der Seite!“

Kanone? Welche Kanone? Erst, als mein Blick mehr zufällig auf das Dach der Kutsche fiel, sah ich das Lasergewehr, dass seitlich am Dach festgeschnallt war. Ich begann mit fliegenden Fingern die Gurte zu lösen, mich dabei immer wieder unter den Laserschüssen der Dingos hinweg duckend. Nicht nur, dass diese Mistköter immer näher kamen, auch die Schüsse wurden immer zielsicherer! Wir mussten sie schnellstens loswerden!

Endlich hatte ich die Waffe befreit und riss sie in den Anschlag. Ich hatte zwar schon mal mit einer Schrotflinte geschossen (bei meinem Onkel, der leidenschaftlicher Tontaubenschütze war), aber ich hatte noch nie mit einer Laserwaffe um mich geballert! Hoffentlich war das nicht viel anders.

Ich riss die Waffe eilig in Anschlag und nahm den vordersten Dingo aus Korn. Ich drückte ab und fast wurde mir die Waffe aus der Hand geprellt. Mit sowas wie einem Rückstoß hatte ich bei den Dingern nicht gerechnet. Und das hätte mich beinahe die Waffe gekostet. Aber wenigstens schien ich den Dingo, oder vielmehr seinen Turbomuli erwischt zu haben, denn er fiel sofort zurück und ich konnte noch gerade eben eine Rauchsäule aufsteigen sehen, bevor er zwischen den Felsen verschwand. Aber es war nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, wie ich schnell feststellen musste. Denn wirklich beeindruckt zeigten sich die restlichen Ganoven nicht. Unaufhörlich zuckten die Schüsse auf und viele davon verfehlten mich nur so gerade eben. Lange ging das nicht mehr so gut! Verdammt, wir brauchten Hilfe!

Plötzlich meinte ich Hufschlag zu hören. Und dann, wie zwei rettende Engel erschien hinter den Dingos eine gräuliche Gestalt mit einer gelben darauf, die rasend schnell näher kamen. Bravestarr und Thirty-thirty! Ein gewaltiger Stein fiel mir vom Herzen. Vor allem, als aus der Richtung der beiden Laserschüsse kamen und gleich zwei der Köter von ihren Mulis holte. Aber trotzdem waren noch drei übrig und die kamen uns immer noch näher. Und so riss ich wieder die Waffe in den Anschlag und wollte gerade einen von ihnen aufs Korn nehmen, als die Kutsche plötzlich einen wilden Schlenker machte und von einer Seite auf die andere hopste. Im letzten Moment konnte ich mich an den Dachbügeln festhalten und fiel so nicht vom Dach. Aber die Waffe wurde mir aus der Hand geprellt und verabschiedete sich scheppernd über die Dachkante.

„Scheiße!“ entfuhr es mir laut, während ich mich krampfhaft am Dach festklammerte.

„Verdammt!“ konnte ich Molly vorn brüllen hören. „Die haben uns getroffen!“

„Was?“ brüllte ich zurück.

„Unser rechtes Hintertriebwerk ist kaputt!“ schrie Molly zurück. „Ich kann die Kutsche nicht mehr richtig lenken!“

Ja wunderbar! Das wurde immer besser! Ich blickte nach vorn, wo immer noch drei Dingos auf uns zuschossen. Eigentlicher Lichtblick war, dass Bravestarr ebenfalls immer näher kam und dann den dritten Dingo von seinem Muli holte.

„Verdammt! Die Schlucht!“ kam es dann wieder aus Mollys Richtung. „Ich kann die Kutsche nicht mehr halten! Runter hier!!!!“

Wie bitte, was?!? Von der locker vierzig Stundenkilometer fahrenden Kutsche abspringen?! Das konnte doch nicht ihr Ernst sein! Aber als ich über die Schulter in ihre Richtung sah, sah ich, dass sie nicht scherzte. Die verfluchte Kutsche steuerte direkt auf eine breite Schlucht zu! Ich konnte noch gerade eben aus den Augenwinkeln sehen, dass Molly vom Kutschbock sprang.

„Gott, Kleine, runter mit dir!“ schrie sie mir noch zu und dann war sie verschwunden.

Nackte Todesangst griff nach mir und ich versuchte mich vom Dach abzustoßen. Lieber ein paar gebrochene Knochen, wenn ich auf dem Wüstenboden landete, als dass ich zerschmettert und tot am Grunde der Schlucht lag! Ich versuchte mich mit den Füßen abzustoßen und ans Ende des Daches zu kommen, aber meine Füße rutschten weg auf dem glatten Dach. Und als die Kutsche im selben Moment noch einmal heftig bockte, rutschte ich komplett zurück und auf den Kutschbock. Ich konnte mich noch so gerade eben an der Fußstütze festklammern und kam so nicht unter die Kutsche, was ich wahrscheinlich genauso wenig überlebt hätte. Aber das wäre wohl auch nicht weiter tragisch gewesen. Denn als ich nach unten sah, kippte die Kutsche gerade über den Rand der Schlucht und alles, was ich noch tun konnte, war mich noch tiefer in die Fußmulde des Kutschbockes zu quetschen und meine Todesangst gellend raus zuschreien. Als die Kutsche dann endgültig stürzte, wurde alles schwarz um mich herum.
 

Fassungslos starrte Bravestarr auf die Kutsche, die gerade über dem Rand der Schlucht verschwand. Harsch stoppte Thirty-thirty vor der am Boden liegenden Molly. Sie hatte es geschafft abzuspringen. Aber scheinbar auch zu einem hohen Preis. Bravestarr konnte sie laut vor Schmerz stöhnen hören und ihr linkes Bein war unnatürlich verdreht. Zudem umklammerte sie mit einer Hand ihren Arm. Es wäre aber auch mehr als ein Wunder gewesen, hätte sie diesen Sturz ohne Verletzungen überstanden!

„Molly! Großer Gott, Molly!“ rief er und sprang eilig aus dem Sattel.

Während er neben der verletzten Kutscherin auf die Knie fiel, transformierte Thirty-thirty in seine zweibeinige Gestalt. Vorsichtig strich Bravestarr Molly über die Wange.

„Uh!“ stöhnte diese gequält.

„Molly, was ist mit dir?“ fragte er. Obgleich das eine ziemlich überflüssige Frage war.

„Uh! Mein Bein! Mein Arm! Ahh!“ stöhnte Molly vor Pein.

„Bleib ganz ruhig! Ich rufe Doc Clayton!“ sagte Bravestarr und wollte sein Funkgerät greifen.

„Wo...wo ist die Kleine?“ fragte Molly plötzlich.

Die Frage ließ die Angst in seinem Gehirn hoch kochen. Gott, Bianca! Er hatte sie auf der Kutsche erkennen können. Aber wo war sie jetzt? War sie etwa...?

Entsetzt starrte er zu der Schlucht.

„Such...die Kleine!“ keuchte Molly schwer.

„Ja, Partner, los! Ich rufe den Doc und sammel diese verfluchten Wüstenratten ein!“ mischte sich nun auch Thirty-thirty ein.

„In Ordnung!“ sagte er nur knapp, sprang auf die Beine und eilte zur Schlucht.

Bianca musste mit der Kutsche abgestürzt sein, denn es war keine Spur von ihr zu sehen. Er konnte nur hoffen, dass sie sich irgendwie hatte an einen Felsen klammern können, oder dergleichen. Wenn er sie tot finden würde... Nein, daran mochte er nicht denken!

Vorsichtig sah er die kantige Felswand hinab und konnte etwa fünf oder sechs Meter unter sich die Kutsche erkennen, die sich scheinbar irgendwie an den Felsen fest gehakt hatte, denn sie hing an der Wand. Und darunter ging es mal mindestens noch zwanzig Meter weiter in die Tiefe.

Doch am Boden der Schlucht konnte er nichts erkennen, auch mit seinem Optivisor nicht. Lediglich das zerschmetterte Zugmuli. Aber keinen menschlichen Körper. An der Felswand war also auch nichts zu sehen. War sie vielleicht in der Kutsche? Es gab wohl nur einen Weg das heraus zufinden. Zum Glück war die gesamte Felswand – zumindest auf der einen Seite sehr rau, überall waren kleine Risse und Vorsprünge. Nicht nur, da die Kutsche so nicht ganz abgestürzt war, er konnte auch einigermaßen runter klettern. Und so machte er sich auf. Unendlich langsam, denn wenn er das Gleichgewicht verlor, oder abrutschte, so hätte er ein echtes Problem.

„Bianca?“ rief er, während er unendlich vorsichtig mit Händen und Füßen nach festem Halt suchte.

„Bianca, hörts du mich?“

Keine Reaktion. Vielleicht war sie ja auch verletzt und konnte nicht antworten. Er konnte nur hoffen, dass er sie dann wieder einigermaßen sicher nach oben bringen konnte. Doch die Sorgen um die Kleine ließen ihn doch seine Vorsicht vergessen, denn mit einem Male rutschte er mit dem Fuß ab und gleichzeitig brach der Stein, an den er sich klammerte ab. Erschrocken krallte er sich an die Wand, rutschte jedoch mit Fingern und Stiefeln einfach nur daran herab, wobei er sich schmerzhaft einen Fingernagel einriss. Zwei, vielleicht drei Meter rutschte er so runter, bis er mit der linken Hand und dem rechten Fuß plötzlich wieder halt fand. Wild griff er um sich und ertastete mit der rechten Hand eine kleine Ritze, die gerade groß genug für seine Finger war.

Heftig keuchend und zitternd blieb er kurz hängen. Verdammt, das war haarscharf gewesen!

Vorsichtig sah er nach oben und stieß einen leisen Fluch aus. Durch seine Unachtsamkeit waren die meisten Vorsprünge, über die er geklettert war abgebrochen und der Weg nach oben versperrt. Also konnten sie wohl nur noch runter klettern. Er atmete ein paar Mal tief durch und kletterte dann weiter.

Nach mehreren Minuten hatte er die Kutsche endlich erreicht und sah durch das Seitenfenster ins Innere. Aber es war bis auf durcheinander gewirbelte Ladung nichts zu sehen. War sie vielleicht doch komplett abgestürzt und hatte unter dem Muli gelegen?!

Vorsichtig kletterte er weiter, versuchte die Panik zu unterdrücken. Und erreichte schließlich den Kutschbock. Und was er dort sah, ließ ihm einen ganzen Steinbruch vom Herzen fallen. Bianca lag zusammen gekrümmt in den Kutschbock gepresst, die Augen geschlossen. Sie schien auch nicht verletzt zu sein, zumindest sah er nirgendwo Blut.

„Bianca?“ sagte er noch einmal leise und mit möglichst ruhiger Stimme.

Und endlich schlug sie die Augen auf.
 

„Bianca?“

Die sanfte dunkle Stimme erreichte nur langsam mein Gehirn und ich fragte mich im ersten Moment ernsthaft, ob sie einem Engel gehörte. Den Sturz konnte ich doch nicht überstanden haben! Aber dann erkannte ich sie und schlug überrascht die Augen auf.

Ich konnte es mir nicht wirklich erklären, aber scheinbar war ich doch nicht abgestürzt. Zumindest nicht so richtig, denn ich hing noch immer in dem Kutschbock. Aber wie war das möglich?

Bravestarr, der neben der Kutsche hing kletterte vorsichtig mit einem Bein in den Kutschbock um festeren Halt zu haben. In seinen fast schwarzen Augen stand Sorge, aber auch Erleichterung.

„Ist alles okay?“ fragte er. „Alles gut?“

„Bravestarr...was...?“ stotterte ich noch immer geschockt und leicht weinerlich.

„Alles okay, ganz ruhig!“ sagte er beruhigend. „Bist du verletzt?“

„Ich...ich glaube nicht.“ sagte ich langsam.

Ich meinte ihn leise seufzen hören zu können.

„Okay.“

Er streckte die Hand zu mir aus und hielt sich mit der anderen irgendwo außerhalb der Kutsche fest.

„Gib mir deine Hand.“

Ich sah unsicher seine Hand an und blickte dann vorsichtig zur nur wenige Zentimeter entfernten Kante des Kutschbockes. Scheinbar schien die Kutsche irgendwo am Hang festzuhängen. Aber wer weiß, wie tief es da noch runter ging.

„Ich pass auf dich auf, keine Angst!“ sagte Bravestarr leise und versuchte die Hand noch weiter in meine Richtung zu recken.

Ich sah abermals ängstlich zur Kante, rutschte dann aber trotzdem ganz vorsichtig in seine Richtung und griff nach seiner Hand. Irgendwie musste ich ja hier weg kommen. Ich hatte schon irrsinniges Glück gehabt, überhaupt noch am Leben zu sein!

Seine starke große Hand umschloss meine sanft, aber dennoch fest und er zog mich runter vom Kutschbock.

„Steig auf meinen Rücken.“

Ich sah ihn unsicher an.

„Meinst du nicht, das wird zu schwer?“ fragte ich dann langsam.

Auch, wenn ich kein Schwergewicht war, es war bestimmt für ihn schon schwer genug hier an der Felswand rum zuklettern, auch ohne die zusätzlichen ca. 60 Kilo auf seinem Buckel.

„Das schaffe ich schon. Hier ist es zu eng für zwei zum Klettern.“ erwiderte er.

Ich nickte und schwang mich gehorsam auf seinen Rücken. Dabei fiel mein Blick auf seine rechte Hand. Der weiße Handschuh war am Ringfinger blutgetränkt. Es versetzte mir einen leichten Stich, denn der Anblick seines Blutes erinnerte mich wieder schmerzhaft an die Sache in der Miene.

Doch meine Gedanken wurden auch beinahe im gleichen Moment wieder auf etwas anderes gelenkt, als Bravestarr mit beiden Händen und Füßen festen Halt an der Wand suchte und dann nach unten zu klettern begann. Und es würde ein langer Abstieg werden, ein vorsichtiger Blick nach unten verriet mir, dass wir noch gut und gerne zwanzig Meter vor der Brust hatten. Und auch, wenn Bravestarr ein Kavalier war, durch und durch und auch sehr stark, so merkte ich jedoch sehr bald, dass es ihm immer schwerer fiel. Sein Nacken und auch sein Gesicht waren schon sehr bald schweißgetränkt und ich konnte in seinem Gesicht auch Schmerz erkennen. Zudem begannen seine Arme merklich zu zittern. Es brachte alles nichts, ich musste selbst klettern! Ich sah mir den Felsen an und stellte erleichtert fest, dass ich das wohl auch über eine ganze Strecke neben ihm würde können. Der Fels war übersät mit kleinen Ritzen und Vorsprüngen.

„Bravestarr, lass mich selbst klettern!“ sagte ich dann auch.

„Nein...ist...schon okay!“ gab er keuchend zurück und biss die Zähne aufeinander, als er nur an einem Arm hing und mit dem nächsten nach einem Vorsprung tastete.

„Nein, ist es nicht! Ich merke doch, dass es zu schwer wird.“ hielt ich dagegen.

Bravestarr klammerte sich an den nächsten Vorsprung und blieb dann keuchend hängen.

„Na gut!“ sagte er schließlich. „Aber pass auf!“

Das musste er mir nun wirklich nicht extra sagen!

Aber ich sagte nichts weiter, griff mit der linken Hand in eine Ritze im Fels und tastete mit meinem linken Fuß nach einem Vorsprung.

Auch, wenn Bravestarr sich nichts anmerken lassen wollte, so merkte ich ihm seine Erleichterung doch deutlich an.

„Los, weiter!“ sagte er dann und wir kletterten weiter.

Und ich wusste bald, was er mit mir auf dem Rücken durchgestanden hatte, denn schon nach einigen Minuten begann auch ich ziemlich zu schwitzen und meine Muskeln begannen zu brennen. Aber jeder für sich kamen wir auch schneller voran. Schon bald waren nur noch wenige Meter unter uns.

„Fast geschafft!“ keuchte Bravestarr und hielt kurz inne. Ich blieb neben ihm hängen und sah ebenfalls kurz runter. Vielleicht noch fünf Meter und wir hatten sicheren Boden unter den Füßen. Endlich! Klettern war definitiv nicht mein Ding!

Plötzlich konnte ich ein lautes Knacken und das Knirschen von Metall über uns hören. Eine kleine Staublawine regnete auf mich herab und ich sah erschrocken hoch. Gerade rechtzeitig um zu sehen, wie sich die Kutsche langsam in Bewegung setzte und runter rutschte. Zwar nur etwa einen Meter, weil sie dann wieder irgendwo festhing. Aber wer wusste, wie lang.

Das durfte doch jetzt echt nicht wahr sein!

Entsetzt sah ich Bravestarr an, der nun gerade ebenfalls seinen Blick senkte.

„Oh nein!“ stöhnte er dann.

„Bianca los!“ setzte er dann heftig nach und begann sofort mit dreifacher Geschwindigkeit zu klettern. Und ich tat es ihm sofort nach. Ganz besonders, als ich oben wieder Knirschen hören konnte und dann auch wieder Steinchen auf meinem Kopf landeten. Das verdammte Ding konnte langsam runter rutschen, uns aber auch im nächsten Moment unter sich begraben! Und obgleich ich noch vor wenigen Sekunden gedacht hatte, dass wir „nur noch“ wenige Minuten vom Boden entfernt waren?!

Hastig mit Händen und Füßen immer weiter nach Ritzen und Vorsprüngen tastend versuchten wir der Todesfalle zu entkommen.

Aber scheinbar sinnlos, denn kaum hatten wir drei Meter geschafft, als ein lautes Rumpeln erklang und die Kutsche sich endgültig in Bewegung setzte. Zwar stürzte sie nicht in einem runter, sondern rumpelte weiter über die leicht stoppenden Vorsprünge. Und dennoch kam sie unbarmherzig näher.

„Oooohh!! Los los los! Los Bi!!“ schrie Bravestarr entsetzt und etwa einen Meter schafften wir mit schnellem Klettern noch, doch dann war die Kutsche so nahe, dass sie uns im nächsten Augenblick erreichen würde. Und platz walzen!

„Bianca, spring!“ schrie Bravestarr und stieß sich mit einem mächtigen Stoß vom Felsen ab. Ich dachte gar nicht nach, sondern tat es ihm gleich und landete nach einem etwa Eineinhalbmeter-Sturz neben ihm auf dem Wüstenboden. Im allernächsten Moment erklang ein lautes Krachen, als die Kutsche hinter uns gegen die unteren Felsen an dem Hang knallte. In Erwartung, dass sie uns doch noch irgendwie erwischte, wappnete ich mich für den finalen Schlag, der mein Leben auslöschen würde. Aber er kam nicht. Scheinbar blieb die Kutsche nun endgültig hängen. Ich schlug die Augen wieder auf und sah zu dem demolierten Gefährt zurück.

„Weiter, Bi!“ rief Bravestarr neben mir, packte meinen Arm und zog mich von der Kutsche weg.

Und das aus gutem Grunde! Denn bei einem raschen Blick über die Schulter sah ich, wie die Kutsche nun mit einem lauten Knarren von der Wand weg kippte. Und uns nun doch schließlich unter sich begraben sollte. Wir würden es nicht schaffen! Unmöglich! Als der Schatten der Kutsche über uns erschien, schloss ich innerlich mit dem Leben ab. Nur wie durch Nebel nahm ich wahr, wie Bravestarr mich plötzlich zu Boden stieß und im nächsten Augenblick spürte ich seinen starken Körper über meinem. Und dann krachte die Kutsche ohrenbetäubend auf uns. Aber es tötete uns nicht.

Als sich der Staub und der Lärm gelegt hatte, wagte ich es die Augen zu öffnen. Und wollte beinahe nicht glauben, was ich sah!

Nun war es ironischer Weise unser Glück gewesen, dass wir nicht so weit von der Kutsche weggekommen waren. Denn so hockten wir jetzt an der Stelle des Kutschbockes, der wenigstens einen Meter tiefer als das Dach lag. Die Situation hatte beinahe was witziges.

„Tja, jetzt hocken wir wieder im Kutschbock!“ sagte ich dann auch laut, ein Kichern unterdrücken müssend.

Ich spürte, wie Bravestarrs Brust bebte.

„Wenigstens hängst du jetzt nicht mehr am Hang!“ kam es dann lachend von ihm.



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