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Seelenlos

Konoha vs. Akatsuki
von

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Finale

Neji konnte kaum glauben, dass er das Finale erreicht hatte. Es erfüllte ihn mit außerordentlichem Stolz, dass er als jüngster Teilnehmer so weit gekommen war. Doch hier, dessen war er sich von vornherein bewusst, war Schluss für ihn. Seine Kräfte neigten sich dem Ende zu und sein Gegner war kein geringerer als Hatake Kakashi. Nichtsdestotrotz strahlte er seine gewohnte Selbstsicherheit und kämpferische Ader aus. Sein Opponent stand ihm mit einem Abstand von zwei Metern gegenüber. Das einzige freie Auge verriet nichts über seine möglichen Gedanken. Neji hatte das Gefühl, einer Wand gegenüberzustehen; eine Wand, die er nicht zu durchdringen vermochte. Der zweite Finalist, sein Endgegner, wirkte undurchschaubar. Die Aura, die von diesem ausging, stellte einen starken Kontrast zu das seinem dar. Keine Spur von Nervosität oder gar Anspannung konnte er bei dem Jounin feststellen. Die leichte Sommerbrise umspielte dessen abstehende graue Haare und bog sie sanft nach außen wie einen Grashalm. Ein kleiner Sandwirbel schwebte geschmeidig in der Luft und baute sich zwischen den zwei Finalisten auf.
 

Genma, der als Spezialjounin nicht am Wettbewerb teilnehmen durfte, wurde von Tsunade als Schiedsrichter erkoren. Auf seinem Senbon kauend, wandte er sich Neji und Kakashi zu.
 

„Wenn ihr soweit seid, dann kann es losgehen. Die Regeln sind immer noch dieselben“, ließ er die beiden Kämpfer kurz wissen, da er keine Lust hatte, die Regeln zum gefühlten tausendmal zu wiederholen. Und so gab er, lediglich mit einer Handbewegung, das Zeichen zum Start und entfernte sich etwas.
 

Neji machte Anstalten sich in Kampfposition zu begeben, als sein Gegenüber plötzlich lächelte - sodass dessen freies Auge sich zu einem Bogen formte – und seine Hand dem Braunhaarigen entgegenstreckte.
 

„Auf einen fairen Kampf!“, schallte es durch die schwarze Maske. An eine zügige Reaktion seitens des Jüngeren war nicht zu denken. Zu überrumpelt war er von dem plötzlichen Umschwenken der Ausstrahlung des Grauschopfs. Dem Hyuuga kam es vor, als ob Kakashis gerade noch eisenharte und beherrschte Rüstung wie Sand von ihm abgefallen war. Er ließ sich jedoch nichts anmerken und schüttelte dem Kopierninja fest die gereichte Hand. Unmittelbar daran brachten sie etwas Abstand zwischen sich.
 

Die Hitze im Stadion war kaum zu ertragen. Am laufenden Band wurden Wasser, Limonade oder sonstige Erfrischungsgetränke bestellt.
 

Sichtlich benommen stützte Naruto seinen Kopf auf das Geländer der Tribüne, während ihm zahllose Schweißperlen von der Stirn herunterströmten. Das blonde Haar schimmerte im goldenen Licht der Sonnen, als er kurz aus dem Schatten trat. Hastig kehrte er in seine alte Position zurück, denn die warmen Sonnenstrahlen schienen in sein Inneres durchzudringen.
 

„Wann geht es endlich los?“ Seine Geduld hatte fast seinen Tiefpunkt erreicht und das heiße Wetter tat sein Übriges zu seiner Laune.
 

Grüne Augen wandten sich dem Chaosninja missmutig zu. „Sei doch nicht immer so ungeduldig, Naruto! Du hast doch gerade gesehen, dass Kakashi-sensei und Neji sich die Hand gereicht haben. Es wird jetzt losgehen“, motzte ihn seine rosahaarige Teamgefährtin an und widmete ihre Aufmerksamkeit dann wieder voll und ganz dem Geschehen im Zentrum des Stadions.
 

„Wenn du dich langweilst, dann trainier doch mit mir“, schlug ein schwarzhaariger Junge mit auffällig haarigen Augenbrauen enthusiastisch vor und begann sogleich mit einer Aufwärmung, indem er seine Beine enganeinander legte und sich anschließend mit seinem Oberkörper darauf zubewegte.
 

„Nicht nötig, es fängt endlich an“, verkündete Naruto energiegeladen und hob freudig den Kopf, als er sah, dass sich die Finalisten in Kampfposition begaben. Von seiner schlappen Haltung war nichts mehr zu sehen. Mit einer schnellen Handbewegung wischte er sich den Schweiß von der Stirn, beugte sich ein ganzes Stück über das Geländer, reckte seine Faust in die Luft und schrie in Richtung der beiden Shinobi auf dem Kampffeld:
 

„Sie schaffen das, Kakashi-sensei, echt jetzt!“
 

Auch alle anderen Zuschauer jubelten und blickten dem bevorstehenden Kampf freudig entgegen.
 

„Ich bin gespannt, wer gewinnt“, sagte Ino, die neben Sakura stand und deutlich entspannter wirkte als diese.
 

Sakura hatte bereits den Mund geöffnet, um etwas darauf zu erwidern, als Naruto ihr zuvorkam. Der blonde Shinobi schlängelte seinen Kopf an der Rosahaarigen vorbei und sagte mit lauter Stimme, die seine tiefe Überzeugung vermittelte:
 

„Natürlich gewinnt Kakashi. Schließlich heißt es doch: Der beste Lehrer bringt die besten Schüler hervor.“
 

Verächtlich blickte Ino ihn an und ihre Stimme tropfte nur so vor Ironie, als sie entgegnete: „Ach ja, ich vergaß, dass der Loser des gesamten Jahrgangs zu einem Genie geworden ist.“
 

Ihr amüsiertes Lachen wurde vom tobenden Beifall des Publikums übertönt, doch ihre Mimik verriet sie dennoch. Sakura bemerkte schnell, wozu das führen würde, als sie Narutos Gesichtsausdruck sah. Voller Rage zeigte er mit einem Finger auf die blonde Kunoichi, um sich zu verteidigen, als ein warnender Blick von Sakura ihn dazu bewegte, inne zu halten.
 

„Ich will mir in Ruhe den Kampf ansehen, also hör jetzt auf mit dem Blödsinn, Naruto, oder ich knalle dir eine, dass du auf die gegenüberliegende Wand prallst, verstanden?“
 

Nach einem Blick auf die gegenüberliegende Seite des Stadions schluckte Naruto eingeschüchtert, da er sich sicher war, dass sie keine Witze machte. Kleinlaut nuschelte er: „Aber Sakura-chan, i-“
 

„Ruhe jetzt!“, unterbrach sie ihn harsch und widmete sich wieder dem Kampf, der bereits im vollen Gange war. Mit herunterhängenden Mundwinkeln tat Naruto es ihr schließlich gleich. Kaum war seine Aufmerksamkeit wieder auf die kämpfenden Shinobi gelenkt, da formten sich seine Lippen automatisch wieder zu einem Lächeln und das Angefeuere begann von neuem.
 

Kakashi und Neji zeigten eindrucksvoll, was sie im Bereich Taijutsu drauf hatten. Schnell wie ein Gepard, biegsam wie eine Schlange und geschmeidig wie eine Katze kämpfte der Kopierninja und bewies sowohl seinem Gegner als auch allen anderen im Stadion, warum sein Ruf ihm vorauseilte. Sein Sharingan- Auge war noch immer verdeckt, aber nicht, weil er sich sicher war, er würde den Kampf auch ohne diesen gewinnen, sondern, weil er im Viertelfinale gegen Gai und im Halbfinale gegen Asuma angetreten war. Es war nicht gerade ein Zuckerschlecken gewesen, die beiden zu schlagen. Und langsam aber sicher stieß er an seine Grenzen. Sein Chakra war bereits auf dem Tiefpunkt und er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er diesen Kampf überstehen sollte. Vereinzelt tanzten schwarze Punkte vor seinen Augen und machten ihm nochmal deutlich bewusst, wie es um sein körperliches Befinden stand. Deshalb versuchte er, ohne sein Kekkei Genkai auszukommen. Dem Jounin entging aber nicht, dass auch sein Gegner sein Bluterbe nicht aktiviert hatte. Daraus schloss er, dass auch der Hyuuga nicht mehr ganz so fit war, was ihn ziemlich beruhigte.
 

Mit beachtlicher Geschwindigkeit flogen mehrere Kunais auf Neji zu, der diese aber geschickt abwehrte, indem er sie mit seinem Arm von links nach rechts schlug. Lautlos fielen die Waffen auf den Boden und blieben unbeachtet liegen. Die Kontrahenten rannten keuchend, und doch zielsicher, aufeinander zu. Im Laufen formten Kakashis Hände in unglaublicher Geschwindigkeit Fingerzeichen, was seinen Gegner überrascht die Augenbrauen hochziehen ließ.
 

Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so schnell Fingerzeichen vollführen kann.
 

Noch bevor die beiden Finalisten einander erreichten, wirbelte sich der Sand auf und versperrte ihnen die Sicht aufeinander.
 

Seit wann kann der Kerl Sandjutsus anwenden?, wunderte sich Neji im Stillen, während er eilig versuchte, seinen Gegner zu entdecken, der wie vom Erdboden verschluckt zu sein schien. Hochkonzentriert hob er daher zwei Finger kerzengerade vor seine Lippen und erreichte damit, dass sich deutlich sichtbare Adern neben seinem Gesicht abzeichneten. Seine hellgrauen Augen durchforsteten mit gebührender Sorgfalt, die es bei einem Gegner wie Kakashi bedurfte, den gesamten Kampfplatz. Der Hyuuga war aber nicht so dumm, sich lediglich auf das Byakugan zu verlassen, denn er wusste, dass Schnelligkeit eines der größten Stärken des Kopierninjas war. Demnach war es nicht unwahrscheinlich, dass er sehr schnell irgendwo auftauchte und ihm keine Chance der Reaktion ließ. Er wusste, dass er auf alles vorbereitet sein musste. Die tobende Menge im Hintergrund feuerte Neji an, denn auch sie wollten, dass der Kampf fortgesetzt wurde. Und kaum war ihm diese Tatsache aufgefallen, da traf ihn ein plötzlicher Windzug am Hals, was ihn dazu veranlasste, sich blitzschnell umzudrehen und ein Schlag in die Richtung zu tun.
 

Die Faust von Neji streifte Kakashis Schulter. Der Grauhaarige schaffte es gerade noch, zur Seite zu springen, sodass ihn der Schlag des Braunhaarigen nicht voll erwischte.
 

„Das war wirklich nicht schlecht“, lobte der Kopierninja den jungen Hyuuga anerkennend, auch wenn seine Tonlage und seine gesamte Ausstrahlung wenig Begeisterung vermittelten, was Neji daher an seinen Worten zweifeln ließ.
 

Der Jüngere hielt es nicht für nötig weiter auf das Kompliment einzugehen, stattdessen verengte er seine Augen und warf berechnend einen Blick in den Körper seines Gegenübers. Um die Chakrapunkte im Innenleben des Kopierninjas festzustellen, zoomte er mit seinem Byakugan den Körper des berühmten Shinobis heran. Dabei fiel ihm etwas sehr Seltsames auf.
 

Was ist denn da los?, fragte er sich schweigsam. Kaum merklich zogen sich seine Augenbrauen im Moment seiner Entdeckung nach unten. Seine Beobachtung verdrängte er in die hinterste Ecke seines Geistes und entschied sich dazu, weiteranzugreifen. Mit einem Sprung nach vorne überbrückte er die Distanz zu seinem Gegner, der, wie er erst jetzt bemerkte, sein Sharingan freigelegt hatte. Nejis Fuß traf Kakashi mit voller Wucht im Brustbereich, weswegen der Kopierninja einige Schritte nach hinten taumelte. Dem Braunhaarigen kam es merkwürdig vor, dass der Shinobi von seinem Tritt erwischt wurde. Unter anderen Umständen wäre es sicher nicht verwunderlich gewesen, doch erstens handelte es sich bei seinem Gegner um den berühmten Kopierninja von Konoha, zweitens hatte dieser das Sharingan aktiviert, sodass er den nächsten Schritt seines Gegners vorhersehen konnte und drittens lag seine eigene Stärke nicht in der Schnelligkeit, was hieß, dass der Angriff etwa zwei Sekunden in Anspruch genommen hatte und somit genügend Zeit bot, um auszuweichen. Diesen Gedanken beiseite schiebend, visierte Neji den Brustbereich des grauhaarigen Ninjas an. Im selben Augenblick hob er schlagbereit seinen Arm in die Höhe.
 

Kakashi, der den ein oder anderen Kampf des Hyuuga gesehen hatte, wusste sehr genau, was dieser vorhatte, als er blitzschnell seine Faust nach vorne reckte, um ihm im Zentrum seiner Brust zu treffen. Diesen Schritt hatte der Kopierninja kommen sehen und so ließ er sich erst im aller letzten Moment soweit nach hinten lehnen, dass der Schlag des Braunhaarigen ins Leere ging und zu nichts mehr als einem Luftzug führte, der über den Kopf des Älteren hinüber fegte. Die Verwirrung stand dem Jüngeren ins Gesicht geschrieben. Kakashi, dem diese Verwirrung nicht entging, nutzte diese kurze Zeitspanne, um sich am Boden abzustützen und alle Kraft in sein Bein zu verlagern. Gezielt versetzte er Neji einen Tritt in die Magengegend, so, dass dieser rücklings strauchelte, das Gleichgewicht verlor und auf seinem Rücken landete. Der Grauschopf konzentrierte blitzschnell sein Chakra und war im nächsten Moment aus Nejis Blickfeld verschwunden. Noch ehe der jüngere Finalist die Möglichkeit hatte, das Kampffeld mit seinem Byakugan zu durchsuchen, tauchte Kakashi mit einem Puff neben ihm auf, in der Hand einen Kunai, den er dem Hyuuga dicht an die Kehle hielt.
 

Das ohrenbetäubende Klatschen von hunderten von Händen erklang und signalisierte Neji, dass er den Kampf verloren hatte. Das Blitzen des Kunais im Licht der Sonne verschwand, als Kakashi es wieder einsteckte und seinem Gegner wieder die Hand reichte. Diesmal als Sieger.
 

„Hab' ich's doch gesagt!“
 

Die Schadenfreude in Narutos Stimme veranlasste Ino nur dazu, genervt zu seufzen und den Blick abzuwenden. Das Jubeln des Blondhaarigen hallte schon fast schmerzhaft in ihren Ohren wieder. Obwohl die Menge tobte, hörte sie Naruto, der sich inzwischen zu Shino, Kiba, Shikamaru, Lee und Chouji gesellt hatte, deutlich heraus.
 

„Wie hältst du es nur mit diesem nervigen Typen aus?“, richtete sich die Blondhaarige lautstark - da der Jubel der Zuschauer ohrenbetäubend war - an Sakura, die erst kurz mit den Achseln zuckte, ehe sie antwortete:
 

„Ich schätze, ich habe mich daran gewöhnt. Mittlerweile bin ich sogar sehr gerne mit ihm zusammen, gerade weil er immer so laut ist. Er schafft es immer, einen auf andere Gedanken zu bringen.“
 

„Komisch, dabei dachte ich, dass er dir auch ständig auf die Nerven geht“, verlautete sie ihre bisherigen Gedanken über die Beziehung des Chaosninjas zu der Kunoichi.
 

Sakura zögerte mit ihrer Antwort. Geübt warf sie einen Blick über ihre Schulter hinweg nach hinten, wo sie den Blondhaarigen fixierte, der gestikulierend seine Eindrücke vom Kampf an seine Freunde weitergab.
 

„Früher war das auch einmal so, aber inzwischen ist er ein richtig guter Freund für mich geworden. Ich kann mich immer auf ihn verlassen“, erklärte sie der Blonden schließlich und ein zartes Lächeln umspielte ihre geschmeidigen Lippen, welches von Ino erwidert wurde.
 

Über die Lautsprecher wurde verkündet, dass jetzt die Siegerehrung stattfinden sollte.
 

„Das war ein tolles Turnier, ne?“, wechselte Ino das Thema, ohne ihren Blick vom Kampffeld zu nehmen, wo die geschwächten Finalisten und auch all die anderen, die mitgemacht hatten, standen.
 

„Das finde ich auch“, gab Sakura ihrer Freundin Recht. „Aber irgendwie hatte ich mit diesem Ausgang gerechnet.“
 

Für die letzte Bemerkung erntete sie einen Blick von Ino, der nichts Gutes vermuten ließ.
 

„Fängst du jetzt auch noch so an, wie der kleiner Loser da drüben?“

Ihre rechte Augenbraue war abwartend und zugleich missmutig nach oben gezogen und das Blau ihrer Augen ruhte abwartend auf dem Gesicht ihrer Kollegin.
 

Entschlossen schweifte Sakuras Blick nach rechts, wo er auf eine miesgelaunte Ino traf. Selbstsicher zog sich ein Mundwinkel der Rosahaarigen nach oben, was ihrem Gesicht eine provozierende Aura verlieh.
 

„Tja, Ino-Tussi, unser Sensei ist einfach der Beste. So ist das nun mal und daran wirst weder du noch sonst irgendjemand etwas ändern können.“
 

„Mag sein, aber vergiss nicht, dass er einen sehr schweren Kampf gegen Asuma-sensei hatte und letztendlich nur Glück hatte, Breitstirn“, zickte Ino zurück, die Hände missbilligend in die Hüften gestemmt.
 

„Glück? Das war ja klar, dass du nicht einsehen kannst, dass Kakashi-sensei einfach besser ist als Asuma-sensei oder sonst wem“, steigerte sich Sakura nun noch mehr rein und blickte Ino herausfordernd an.
 

„Träum weiter, Breitstirn“, winkte die Blondine überlegen ab und legte ein schiefes Lächeln auf.
 

„Das gebe ich gerne zurück an dich, Ino-Tussi“, meinte die rosahaarige Kunoichi nur und wendete sich ebenfalls grinsend ab, um sich wieder dem zu widmen, weswegen sie überhaupt im Stadion waren.
 

Erschöpft hörte sich Kakashi die abschließende Rede von Tsunade an, die ihre Shinobi für die tollen Kämpfe lobte, worauf es tosenden Applaus regnete. Der Kopierninja konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Er hatte seine Grenzen überstritten und er ahnte schon, was ihm für die kommenden Tage blühte: ein längerer Aufenthalt im Krankenhaus. Ein Blick zu seiner Linken verriet ihm, dass auch Neji sehr ausgelaugt war. Ein schwaches Lächeln legte sich auf Kakashis Lippen, als er bemerkte, wie der Braunhaarige zwanghaft versuchte, sich seine Erschöpfung nicht anmerken zu lassen.
 

Neji bekam kaum etwas von der Siegerehrung mit. Ihn beschäftigte noch immer das, was er in Kakashis Körper entdeckt hatte. Sowas hatte er vorher noch bei keinem anderen gesehen und dennoch hatte er eine leise Vermutung, um was es sich handelte.
 

Wenn ich mich nicht irre, dann könnte Kakashi-san in kürzester Zeit noch viel gefährlicher werden, als er ohnehin schon ist.
 

Zweifel plagten ihn dennoch. Er würde mit Kakashi sprechen müssen, auch wenn er dazu herzlich wenig Lust hatte. Aber was musste, das musste eben. Eine so wichtige Sache konnte er nicht einfach verschweigen, auch wenn er sich nicht sicher war, ob ihm seine Sinne keinen Streich gespielt hatten oder ob Kakashi nicht womöglich längst Bescheid wusste und es selbst veranlasst hatte. Das würde er in den nächsten Stunden schon noch in Erfahrung bringen.

Die Legende lebt!

Zweifel plagten ihn dennoch. Er würde mit Kakashi sprechen müssen, auch wenn er dazu herzlich wenig Lust hatte. Aber was musste, das musste eben. Eine so wichtige Sache konnte er nicht einfach verschweigen, auch wenn er sich nicht sicher war, ob ihm seine Sinne keinen Streich gespielt hatten oder ob Kakashi nicht womöglich längst Bescheid wusste und es selbst veranlasst hatte. Das würde er in den nächsten Stunden schon noch in Erfahrung bringen.
 

Die Siegerehrung kam Kakashi wie eine Ewigkeit vor. Der Grund dafür lag vor allem in seiner schlechten Verfassung. Er hatte kaum noch die Kraft, aufrecht zu stehen. Jeden Moment erwartete er, auf die Knie zu fallen und ohnmächtig zu werden. Doch nichts dergleichen geschah.
 

Als ihm der Pokal feierlich von Tsunade überreicht wurde, erzitterte das Stadion nahezu vor klatschenden Händen. Für den Grauhaarigen waren solche Preise nicht von großer Bedeutung, denn sie hatten keinen emotionalen Wert für ihn. Es war eine Ehrung, nicht mehr und nicht weniger. Seine wichtigste Auszeichnung trug er senkrecht über seinem linken Auge. Diese Narbe war eine Erinnerung an jenen Tag, der sein ganzes Leben verändert hatte. Er hatte sie sich zugezogen, als er sich für seine Teamkollegen und gegen den Erfolg seiner Mission entschieden hatte. Für ihn war sie inzwischen, wie auch das Sharingan, ein Symbol.
 

„Gratuliere, Kakashi“, beglückwünschte ihn die blondhaarige Hokage mit einem seichten Lächeln. Stolz sprach aus ihren haselbraunen Augen.
 

„Danke, Tsunade-sama“, entgegnete er und das gewölbte Auge des Shinobi leitete zu der Annahme, dass er lächelte. Reflexartig zogen sich daraufhin auch die Mundwinkel der Godaime nach oben und verliehen ihrem Gesicht eine sehr freundliche und herzliche Ausstrahlung. Als sie jedoch spürte, dass Kakashi sich nur mit Mühe auf den Beinen hielt, verschwand das Lächeln auf ihren Lippen.
 

„Yamato! Genma!“, rief sie, ohne sich den Angesprochenen, die sich einige Meter hinter ihr miteinander unterhielten, zuzuwenden.
 

„Ja?“, sagten sie unisono und schlenderten auf die Blonde zu.
 

„Bringt Kakashi ins Krankenhaus, damit er sich von den Strapazen erholen kann“, ordnete sie an und nahm dann kurz Augenkontakt mit den beiden auf.
 

„Jawohl!“
 

Ohne zu zögern kamen Tenzou und Genma dem Befehl der Hokage nach und stellten sich beide an jeweils eine Seite des erschöpften Kopierninjas, um ihm im wortwörtlichen Sinne unter die Arme zu greifen.
 

„Ach lasst nur, zum Krankenhaus werde ich es bestimmt auch alleine schaffen“, sagte der Grauhaarige lächelnd und machte den ersten Schritt, um das eben Gesagte umzusetzen. Er hatte die Rechnung nur ohne seinen demolierten Körper gemacht, der ihm seinen Dienst versagte. Ein Zittern befiel seine Knie, die dann auch prompt unter seinem Gewicht nachgaben. In aller letzter Sekunde konnten Genma und Tenzou verhindern, dass der Grauhaarige nähere Bekanntschaft mit dem Boden machte, indem sie ihm jeweils an einem Arm packten und ihn wieder hochzogen.
 

„Tatsächlich, ja?“, bemerkte Tenzou amüsiert und konnte sich ein kurzes Grinsen nicht verkneifen.
 

„Ich bin wohl doch nicht mehr ganz so fit“, meinte Kakashi nur und kratzte sich etwas verlegen am Kopf.
 

„Sei gefälligst nicht so stur und lass dir von uns helfen, Kakashi-san“, mischte sich nun auch Genma ein, der etwas gelangweilt dreinblickte.
 

„Seid ihr immer noch nicht weg? Jetzt schafft den mir tunlichst ins Krankenhaus!“, kam es laut und ungeduldig von der Hokage, als sie bemerkte, dass die beiden Shinobi den erschöpften Jounin immer noch nicht weggebracht hatten.
 

„Natürlich, Tsunade-sama, wir sind schon weg“, antwortete Tenzou. Gemeinsam mit Genma stützte er also den geschwächten Finalisten, bevor sie sich auf den Weg zum Krankenhaus machten.
 

Derweil hatte sich die Godaime ihrem zweiten Finalisten zugewendet, der noch immer etwas desorientiert in der Mitte des Stadions stand und anscheinend in Gedanken versunken war.
 

Zeitweilig wirbelte ein leichter Luftzug den Sand unter seinen Füßen auf und der Staub stieg dann in die Luft empor. Er störte sich jedoch nicht daran. Genauso wenig wie an der glühenden Sonne, die ihm direkt aufs Haupt schien.
 

Er hatte verloren.

Im Finale geschlagen.

Von dem Kopierninja.

Gegen das Sharingan.
 

Sein Inneres war gespalten. Während der eine Teil mächtig stolz darauf war, dass er das Finale erreicht und sich gegen andere Jounin behauptet hatte, bezeichnete ihn der andere als einen Versager, der im alles entscheidenden Moment eingeknickt war. Für Neji war ein Beinahe-Sieg immer noch eine vollwertige Niederlage.
 

Der Zweitplazierte ist kein Gewinner und an den Drittplazierten erinnerte sich bald sowieso keiner mehr. Nur der Sieger hat wirklich einen Sieg davongetragen.
 

All diese negativen Gedanken trafen in seinem Kopf aufeinander und dennoch schaffte der Hyuuga es mühelos, sich davon nichts ansehen zu lassen. Er war sich sicher, dass er stolz und kühn wirkte … wie ein Sieger. Mit erhobenem Haupt bewegte er sich schließlich auf den Ausgang zu. Längst waren die meisten Zuschauer nach Hause gegangen und es herrschte eine gespenstische Stille im größten Stadion Konohas. Vereinzelt erblickte er Besucher des Wettkampfes, die sich auf die Tribüne gestützt hatten und hinunter auf das Kampffeld sahen, wo sich abgesehen von ihm noch die Hokage und einige Genin und Chuunin aufhielten, die versuchten, Ordnung zu schaffen. Der Boden war an vielen Stellen rissig, Baumstämme lagen verstreut herum und tiefe Löcher fanden sich hier und da.
 

Eine Hand legte sich auf Nejis Schulter, was ihn dazu veranlasste, seinen Kopf etwas herumzudrehen.
 

„Wie sieht‘s aus? Hast du noch genug Kraft, um alleine zum Krankenhaus zu gehen oder soll ich jemanden bitten, dich dort hinzubringen?“
 

Der Braunhaarige zögerte keine Sekunde und antwortete der Hokage: „Es geht mir gut und ich muss auch nicht behandelt werden.“
 

Dann setzte er einen Fuß vor den anderen, um weiterzugehen, als Tsunade wieder ihre Hand an dieselbe Stelle wie zuvor legte. Diesmal aber kräftiger. „Hör auf den Helden zu spielen. Geh ins Krankenhaus!“
 

Ein bedrohlicher Unterton begleitete ihre Worte, doch der junge Hyuuga schien unbeeindruckt.
 

„Wie gesagt, es geht mir gut“, wiederholte er seine Antwort beherrscht und ohne jegliche Emotionen. Tsunades Augenbrauen zuckten gefährlich und ehe sich der junge Finalist versah, landete ein eisenharter Schlag in seinem Rücken, der ihn gegen den harten Beton der Tribüne warf.
 

„Das war ein Befehl!“, zischte sie, die Faust noch immer ausgestreckt.

Neji unterdrückte den Schmerz, als er selbstsicher „Verstanden!“ sagte und sich benommen erhob, darauf bedacht, keine Anzeichen von Schwäche zu zeigen. Mit bedächtigen Schritten setzte er seinen Weg zur Tür fort und verschwand kurz darauf aus Tsunades Sichtfeld, die ihn die ganze Zeit beobachtet hatte.
 

Inzwischen waren vier Tage ins Land gezogen und Neji hatte noch immer nicht mit Kakashi gesprochen. Der Hyuuga hatte es für klüger gehalten, sich mit dem Gespräch über seine Beobachtung solange zurückzuhalten, bis der Kopierninja sich vollständig auskuriert hatte. Er selbst hatte das Krankenhaus noch am selben Tag verlassen können, aber der Grauschopf hatte wohl viel zu viel Chakra verbraucht und wahrscheinlich benötigte er eine längere Zeit, um sich wieder zu regenerieren. Heute aber hatte er von einen der Krankenschwestern gehört, dass es ihm wohl wieder sehr gut ginge und er in einem Tag das Krankenhaus verlassen dürfe. Da Neji kein großes Verlangen verspürte, Kakashi privat in seiner Wohnung - wo er sicherlich die nächsten Tage verbringen würde - aufzusuchen, musste er das unbedingt heute erledigen. Daher lief er gemächlich die Treppen des Spitals hoch. An der Rezeption hatte er erfahren, dass der grauhaarige Shinobi sich im dritten Stock befand. Während er dahin trottete, überlegte er sich, wie er diesen widerlichen Gestank des Krankenhauses definieren würde, der ihm in die Nase stieg. Er versuchte zwar, das Atmen durch sein Riechorgan einzustellen, doch wegen der Hitze wurde das fast zu einem Kraftakt, weswegen er resignierend aufgab und den Geruch - den er für sich selbst letztendlich „medizinisch“ nannte - über sich ergehen ließ.
 

Die Nummer 312 auf der weißen Holztür fand sich genau in der Mitte und stach einem sofort ins Auge. Da ihm die ganze Angelegenheit lästig war, zögerte Neji keine Sekunde und klopfte zweimal an. Kaum dass er das getan hatte, hörte er einige Leute im Raum sprechen. Noch ehe er weiter darüber nachdenken konnte, bat ihn Kakashis Stimme herein. Während er die Klinke herunterdrückte, hoffte er, dass der Grauschopf nicht allzu viele Besucher hatte. Seine Hoffnung löste sich jäh in Luft auf, als er die Tür soweit nach innen geschwungen hatte, dass das Zimmer in ihrer vollständigen Größe für ihn sichtbar war. Neben Kakashi befanden sich noch Tenzou, Asuma, Kurenai und zu allem Übel Tsunade dort. Überraschung las er aus ihren Augen, wenn er von Kakashi absah, der lässig wie eh und je wirkte.
 

„Entschuldigt bitte, ich komme ein anderes Mal wieder.“ Er plante, sofort kehrt zu machen, doch Tsunade hielt ihn davon ab.
 

„Worum geht es?“ Die Hokage war verwundert darüber, dass Neji Kakashi sehen wollte. Sie ahnte bereits, dass er wohl was Wichtiges mit dem Grauhaarigen zu besprechen hatte und ihre Mutmaßung wurde durch seine Antwort bestätigt.
 

„Ich habe etwas mit Kakashi-san zu bereden, aber ich komme besser später nochmal vorbei.“
 

Wieder machte er Anstalten, das Zimmer zu verlassen, als er abermals daran gehindert wurde. „Wir wollten jetzt sowieso los“, meinte Asuma und schloss seine Freundin mit ein, die ihm sogleich folgte, als er aufstand und Kakashi zum Abschied „Wir sehen uns dann“ zurief.
 

Der Sohn des dritten Hokage und die schwarzhaarige Kunoichi verließen dicht hintereinander das große Krankenzimmer. Beim Vorbeigehen hinterließ Kurenai einen süßlichen Duft, der von Neji unauffällig eingezogen wurde. Ihr Parfüm roch allemal besser als das Aroma, das so typisch für Kliniken war.
 

„Ich bin dann auch mal weg“, sagte Tenzou in Richtung von Kakashi, der ihm freundlich zunickte. Der Anbu favorisierte den Weg aus dem Fenster und so war er schnell verschwunden.
 

Tsunade stellte sich vor dem Fenster, aus dem Yamato eben gesprungen war und lehnte sich daran. „Komm rein, Neji! Kakashi und ich habe auch nichts mehr zu bereden.“
 

Der Hyuuga würde nicht denselben Fehler begehen, Widerworte an sie zu richten, und so schloss er die Tür hinter sich und näherte sich dem Bett des Kopierninjas. Kakashi hatte wie immer seine Maske auf und Neji fragte sich, wie er das bei der Hitze ertrug. Die Sonne schien durch die vielen Fenster direkt in das Zimmer und erwärmte es bis zur Grenze des Erträglichen. Wahrscheinlich entfernte sich Tsunade deshalb schnell von ihrer Position, dachte sich Neji und sein Verdacht wurde bestätigt, als die Blonde soweit in den Raum hineinlief, bis sie im Schatten stand.
 

„Wir hätten dann soweit alles geklärt, Kakashi. Morgen kannst du nach Hause gehen.“
 

„Ja, danke, Tsunade-sama“, gab er lächelnd zurück.
 

Die Godaime hatte schon ihre Hand auf den Türgriff gelegt, als Neji das Wort erhob. „Tsunade-sama?“
 

„Ja, was gibt es?“, fragte sie und schaute nur über ihre Schulter hinweg zu dem Hyuuga.
 

„Könntet Ihr bitte hier bleiben, weil wir vielleicht Eure Hilfe brauchen könnten.“
 

Die Worte waren etwas schwerfällig über seine Lippen gekommen, denn er gehörte zu der Sorte Mensch, der durch die Aussprache einer Bitte das Gefühl hatte, sein Haupt gebeugt zu haben. Es kratzte an der Oberfläche seines Stolzes und hinterließ eine hässliche Spur der Erinnerung. Eine Bitte zu äußern zeugte von Schwäche, denn eine Bitte setzte immer voraus, dass man auf fremde Hilfe angewiesen war. Dass es sich gelegentlich nicht vermeiden ließ, machte die Sache nicht besser. Zumindest nicht für Hyuuga Neji.
 

Anstatt eine verbale Antwort zu geben, schloss die blonde Hokage die Tür des Krankenzimmers und stellte sich ans Bettende und signalisierte auf diese Weise, dass sie seiner Bitte nachkommen würde.
 

Stummheit entfaltete sich in dem kahlen Raum und verlieh der Atmosphäre eine Prise Angespanntheit. Diese wurde jedoch nur kurz aufrechterhalten, da mindestens zwei der drei Personen diese Angelegenheit schnell über die Bühne bringen wollten. Dass letztendlich die geduldigste Person die unangenehme Stimmung und elektrisierende Spannung mit seiner monotonen und fast kalt klingenden Stimme wie ein scharfes Schwert durchschnitt, wirkte wie Ironie.
 

„Ich habe deinen seltsamen Blick schon im Finale gespürt und habe mich gefragt, was dich so aus dem Konzept bringen konnte, dass du deswegen sogar für den Bruchteil einer Sekunde deine Verteidigung vernachlässigst hast.“
 

Trotz der Tatsache, dass es sich hierbei um ihn selbst handelte, erweckte Kakashi den Anschein, es würde ihn nicht im Geringsten interessieren. Dass es nicht so war, bewies lediglich sein konzentriertes geöffnetes Auge, welches sich schon fast lauernd auf den jungen Hyuuga gelegt hatte und das mit einer konsequenten Beharrlichkeit.
 

Nejis Antwort folgte nicht unmittelbar, denn der Braunhaarige formte sich in Gedanken einen Satz zurecht. Wie sollte er erklären, was er gesehen hatte, wenn er selbst nicht genau wusste, was es war? Seine Impressionen sowie seine Vermutung diesbezüglich wollte er vorerst für sich behalten, um Kakashi und Tsunade die Möglichkeit zu geben, ihre eigenen Schlüsse zu ziehen.
 

„Komm bitte endlich zur Sache, Neji. Ich habe noch viel zu tun.“
 

Ich kann mir schon denken, warum Ihr es eilig habt, dachte der Angesprochene und massierte sich gedanklich die Schläfen. Der tippende Fuß der Hokage unterstrich ihre wachsende Ungeduld und damit die langsam ansteigende Wut, die sich in ihrer gesamten Stärke mit Sicherheit gegen ihn richten würde.
 

Sein Blick glitt von dem Gesicht der Blondine zu dem großen Fenster hinter ihr und traf direkt in das strahlende Antlitz der Sonne, weswegen er reflexartig seine Augen einengte und sich dann hastig abwandte. Die deutlich sichtbare Ader an Tsunades Stirn verleitete ihn dazu, sich lieber dem gelangweilten Ausdruck des Kopierninjas zu stellen, als das Risiko einzugehen, die Faust der Sannin in irgendeiner Partie seines Körpers zu spüren.
 

Obgleich der grauhaarige Shinobi eine Maske trug, verbarg es doch nicht seinen Gemütszustand. Neugier konnte Neji zwar nicht feststellen, Interesse hingegen schon. Sein Mund hatte sich schon halb geöffnet und der erste Ton erklang, als er abrupt aufgrund eines ihm bekannten Lautes stoppte, den er wohl mit einem Puff bezeichnen würde.
 

Das lange grau-weiße Haar war wie immer zu einem Zopf zusammengebunden, ein fröhliches Grinsen zierte das Gesicht und die hockende Haltung bezeugte die noch immer vorhandene Biegsamkeit.
 

„Hallo, Leute!“, ertönte Jiraiyas gutgelaunte Stimme, die sofort die angespannte Atmosphäre aus dem warmen Raum vertrieb und Platz für Wohlbefinden machte. Schweißperlen glitzerten auf seiner Stirn, was ihn überhaupt nicht zu stören schien.
 

„Du hast mir gerade noch gefehlt!“, warf ihm Tsunade ungehalten an den Kopf, die Hände vor dem großen Busen verschränkt. Langsam aber sicher stieg heißer Dampf in ihrem Innern empor und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er aus ihr heraus drang und jemanden mit voller Wucht erwischte. Jiraiya schien sich dessen nicht bewusst zu sein oder aber es interessierte ihn nicht, denn er brachte ihr seine volle Ignoranz entgegen, indem er sich ihrem Patienten widmete, anstatt auf ihre ‚freundliche‘ Begrüßung einzugehen. Das Klacken seiner Geta* erfüllte kurz den Raum, als er sich Kakashi näherte und dicht neben ihm zum Stehen kam.
 

„Ich habe gehört, du hast den Jounin-Wettbewerb gewonnen, Jungchen. Gratuliere!“ Jiraiyas Gesichtsausdruck nach zu urteilen freute er sich über den Erfolg des Grauhaarigen.
 

„Danke“, erwiderte Kakashi, der sich etwas verlegen am wirren Haar kratzte.
 

Der Sannin warf einen prüfenden Blick auf den kleinen Nachttisch neben Kakashis Bett. Wie er erwartet hatte, lag auf diesem ein Band seiner IchaIcha-Reihe.
 

„Wie ich sehe, hast du dich gut versorgt.“
 

Als Jiraiya Kakashis Verwirrung bemerkte, deutete er mit einer Kopfbewegung auf das Buch und sofort stahl sich ein Lächeln auf die maskierten Züge des Kopierninjas.
 

„Ja. Ohne meine Bücher wäre der Aufenthalt im Spital einfach unerträglich.“
 

„Das glaube ich dir“, entgegnete Jiraiya und lachte amüsiert auf, wobei ihm der strenge Seitenblick seiner alten Teamkollegin nicht entging.
 

„Haben die Herren ihren Kaffeeklatsch beendet? Hört auf meine Zeit zu verplempern und kommen wir endlich zu dem, was Neji zu sagen hat.“
 

„Oh“, verließ es den legendären, weißhaarigen Sannin, der scheinbar erst jetzt bemerkte, dass der junge Hyuuga auch im Raum war.
 

Drei Augenpaare waren auf den Braunhaarigen gerichtet, der sich schnell für den Augenkontakt mit Kakashi entschied. Um nicht länger seine Zeit zu vergeuden, verzichtete Neji auf ein langes Drumherum-Gerede und kam gleich auf seine Beobachtung zu sprechen.
 

„Als ich mir im Finale Ihren Körper mit meinem Byakugan angesehen habe, da fiel mir auf, dass Ihr Chakra sich nicht frei entfalten kann.“
 

Kakashis gerunzelte Stirn verleitete Neji dazu, inne zu halten, damit der Grauschopf seine Gedanken ordnen konnte. Ein Blick zu den anderen zweien bewies Neji, dass er jetzt auch deren vollste Aufmerksamkeit hatte. Das Interesse von allen war nun geweckt und da die Ungeduld von Tsunade ihn anzuspringen drohte, setzte er seine Erzählung fort.
 

„Jedes Mal, wenn Sie ihr Chakra konzentriert haben, bildeten sich kleine Chakra- Kugeln. Irgendwie schien sich nur ein kleiner Teil durch Ihre Bahnen zu leiten.“
 

Abermals unternahm Neji eine Unterbrechung und ließ den anderen damit Zeit, auf das eben Gesagte zu reagieren.
 

„Hast du erkennen können, woran das genau lag?“ Jetzt erkannte Neji die Neugier in Kakashis sonst so ausdruckslosem Gesicht, was ihn keineswegs wunderte, wenn man bedachte, dass dessen einzige Schwachstelle das niedrige Chakralevel war.
 

„Ich bin mir nicht ganz sicher …“ Nachdenklich ließ der Gefragte seinen Kopf etwas nach vorne kippen, nur um ihn dann wieder schnell hochzuziehen. „Ich meine, sowas wie Ringe gesehen zu haben, die die Farbe von herkömmlichem Chakra hatten. Aber da Ihres weiß ist, waren sie für mich dennoch erkennbar. Worum es sich dabei genau handelt, kann ich Ihnen nicht sagen.“
 

Nun erhob der Älteste im Raum das Wort. „Als du die Ringe erwähnt hast, kam mir ein Gedanke. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich damit richtig liege. Was genau haben diese Ringe gemacht? Also, worin lag ihre Funktion?“
 

Noch ehe Neji antworten konnte, murmelte Tsunade, die ihre Hand um das Bettgestell von Kakashi gelegt und die Augenbrauen grübelnd heruntergezogen hatte: „Das ist wirklich seltsam.“
 

Was sie damit genau meinte, war für die Anwesenden nicht ersichtlich und da sie nicht weitersprach, hielt es Neji für angebracht, seinerseits weiter zu reden und auf die Frage von Jiraiya einzugehen.
 

„Das weiß ich nicht. Ich habe nur für etwa zwei bis drei Sekunden in seinen Körper geschaut und da wir mitten in einem Kampf waren, konnte ich mich schlecht weiter damit beschäftigen“, erklärte er dem Sannin in gefasster und ruhiger Tonlage.
 

„Ich verstehe“, gab der Weißhaarige von sich und nahm sich eine kurze Bedenkzeit. Worüber er nachdachte war nicht ersichtlich, wobei Neji annahm, dass es mit seinem kürzlich unausgesprochenen Gedanken zu tun hatte. Wahrscheinlich überlegte der Sannin, wie er diesem Einfall auf den Grund gehen konnte.
 

Kakashi schob seine Bettdecke, die er sich trotz der Hitze auf die Beine gelegt hatte, beiseite und erhob sich sachte aus seinem Bett. Obgleich Neji nicht den Hauch einer Ahnung hatte, warum der Grauhaarige ihn mit einem herausfordernden Blick ansah - sowie er es nur tat, wenn er sich einem Feind gegenübersah - blieb seine Miene ungerührt und verriet nichts über das, was seinen Verstand kreuzte.
 

Der Kopierninja stellte sich Neji gegenüber. Wegen des Größenunterschieds war der Braunhaarige gezwungen, hoch zu sehen. Er hasste das. In solchen Moment kam ihm immer die Redewendung „zu jemanden aufsehen“ in den Sinn und das widersprach gänzlich seinem Charakter. Er verspürte dabei sogar ein gewisses Grad an Demütigung, was seiner stolzen Seele einen Riss verpasste. Folglich empfand er Dankbarkeit, als Kakashi nicht lange um den heißen Brei herum redete und sofort auf sein Anliegen zu sprechen kam.
 

„Wenn du dich nicht erinnern kannst, dann könnten wir einfach nach draußen gehen, wo ich mein Chakra konzentriere und du mit deinem Byakugan einen Blick darauf wirfst.“
 

Kakashi hatte den Satz als Vorschlag formuliert, doch die Tonlage ließ keinen Widerspruch zu, obgleich er weder hart noch streng klang. Ein leiser Befehlston hatte seine Stimme begleitet. Und auch wenn es kein Befehl gewesen wäre, so hätte Neji sich dennoch bereit erklärt, dem Kopierninja diesen Gefallen zu tun.
 

„Okay“, war das einzige, was er darauf sagte. Ohne zu zögern drehte er sich um und lief aus der Tür.
 

„Gehen wir!“, befahl Tsunade und ging in ihrem normalen Lauftempo voran, auch wenn Jiraiya glaubte, dass ihr Wissensdrang sie innerlich zur Eile trieb. Ab und zu kann sie sich gut beherrschen, dachte der weißhaarige Mann schmunzelnd und folgte ihr sogleich zusammen mit dem Kopierninja nach draußen auf den Trainingsplatz.
 

Dort angekommen, stellte sich Kakashi, der sich nicht die Mühe gemacht hatte, sich ordnungsgemäß anzuziehen, vor Neji. Die beiden Sannin hatten sich auch zu ihnen gesellt, wenn auch mit einem kleinen Abstand.
 

„Na, dann wollen wir mal!“, sagte der grauhaarige Shinobi und legte als erstes sein Sharingan frei, mit dem er die Person vor sich fixierte.
 

„Es wäre am besten, wenn Sie ein Jutsu anwenden, wofür Sie eine große Menge Chakra konzentrieren müssen“, bemerkte der Braunhaarige, woraufhin Kakashi verstehend nickte und einige Fingerzeichen tätigte.
 

Blitze tanzten in seiner bloßen Hand und das weiße Chakra versprühte eine unverwechselbare Aura. Das Geknister dieses Jutsus erinnerte Neji an tausend ausschwärmende Vögel. Faszinierend, dachte er bei sich, doch seine Mimik repräsentierte gar nichts von diesem Eindruck. Das Chidori war weit über die Grenzen Konohas bekannt, da es das einzige Jutsu war, das der berühmte Kopierninja nicht kopiert hatte. Und obwohl er das ein oder andere Mal mit Kakashi auf Mission gegangen war, hatte er diese Technik noch nie gesehen.
 

Kakashi hielt seine Hand etwas von sich entfernt, um sich nicht selbst mit dem Chidori zu verletzen. Er bemerkte, wie Neji ganz kurz gedankenverloren darauf schaute, den Gesichtsausdruck dabei absolut regungslos.
 

Er hat sich völlig unter Kontrolle, dachte der Kopierninja schweigsam über den jungen Jounin. Er war beeindruckt von Nejis beherrschtem Mienenspiel.
 

„Worauf wartest du?“, fragte Tsunade in die Richtung von Neji. Diesmal klang sie weniger genervt. Über alle Maßen neugierig traf es eher. Je schneller ich hier wegkomme, desto besser, erinnerte sich der junge Hyuuga und aktivierte schnell sein Byakugan.
 

Jiraiya trat einige Schritte näher an den jüngeren Jounin heran.

„Du musst uns ganz genau sagen, was du siehst“, meinte er dann zu dem jungen Mann, der konzentriert in den Körper seines Gegenübers sah. Je dichter er das weiße Chakra theoretisch an sein Auge zog, desto deutlicher stachen die Adern in seinem Gesicht hervor. Auf diese Weise konnte er alles viel besser erkennen. Jetzt konnte er die kleinen Ringe in Kakashis Chakrabahnen zweifellos als Fremdkörper identifizieren.
 

„Und? Wie sieht es aus?“, erkundigte sich die einzige Frau in der Runde, die sich nun ebenfalls dem Hyuuga näherte.
 

Nachdem er glaubte, genug gesehen zu haben, deaktivierte Neji sein Byakugan und drehte sich dann zu den beiden Ältesten herum. Das Chidori klang ab und Kakashi wedelte einmal kurz mit seiner Hand hin und her. Alsdann stellte er sich zu den anderen und füllte die Lücke zwischen Neji und Jiraiya, womit er die Gesprächsrunde komplementierte.
 

„Was genau hast du gesehen?“, eröffnete Jiraiya das Gespräch, während er sich immer wieder mal den Schweiß von der Stirn wischte.
 

„Ich habe diesmal ganz genau erkannt, dass sich hunderte von winzig kleinen ringförmigen Fremdkörpern in seinem Körper befinden.“ Da er direkt Jiraiyas Frage beantwortete, tat er so, als wäre der betroffene Shinobi nicht anwesend.
 

„Und weiter?“, fragte Tsunade nach und ihre gerunzelte Stirn zeugte von Neugier.
 

„Diese Ringe haben - wie ich bereits erwähnt hatte - einen hellblauen Ton und legen sich wie Ketten um das Chakra. Während Kakashi es konzentriert hat, hat es deutlich gepocht, wie ein stark schlagendes Herz, doch diese kleinen Ringe gaben nicht nach und es schien so, als würden sie ihren Griff verhärten, je mehr Chakra gebraucht wurde. Sie reagierten also direkt darauf und verhinderten, dass Kakashi-san sein Chakra vollständig verwenden konnte.“
 

Die Zuhörer versuchten, aus den Beobachtungen von Neji schlau zu werden; Jiraiyas Blick war starr geradeaus gerichtet, Tsunade hatte ihre Augenbrauen leicht heruntergedrückt und Kakashis geöffnetes Lid sank etwas hinab und bedeckte nun etwas mehr von seinem schwarzen Auge. Das ermöglichte Neji, gewisse Schlüsse zu ziehen.
 

Ein sommerliches Lüftchen zog an den vier Ninjas vorüber und nahm deren Schweigsamkeit mit sich.
 

„Kannst du einschätzen, wie viel sie von meinem Chakra in ihrem Griff haben?“, wollte Kakashi wissen und ignorierte dabei die unerträgliche Hitze, die ihm die ganze Zeit schon zu schaffen machte.
 

„Hm“, tönte es von Neji, der allem Anschein nach überlegte. Geduldig wartete Kakashi ab, während tausend Gedanken seinen Verstand belagerten.
 

„Ich schätze, dass Sie etwa nur 1/6 oder 1/7 von Ihrem Chakra zur Verfügung haben.“
 

„Was?“, kam es gleichzeitig von allen dreien, wobei sich die Lautstärke und die Mimik von ihnen deutlich unterschieden. Nur eine Emotion konnte man in aller Gesicht sehen: Verblüffung.
 

„Es hat mich ja schon immer gewundert, dass du trotz deiner bemerkenswerten Fähigkeiten ein so verdammt niedriges Chakralevel hast. Das hat einfach nicht zusammen gepasst, vor allem, weil sich jenes eben mit dem Körper entwickelt. Aber dass es das ist, darauf wäre ich nicht mal im Traum gekommen.“ Jiraiya hatte mehr vor sich hin geredet als zu dem Grauhaarigen, da er zeitgleich darüber nachdachte.
 

„Du hast schon längst eine Vermutung, womit wir es hier zu tun haben, nicht wahr, Jiraiya?“ Die Godaime kannte den weißhaarigen Sannin schon seit ihrer Kindheit und deswegen konnte sie meistens schon allein anhand kleinster Gesten oder Blicken erkennen, was in ihm vorging.
 

„Ja, ich hatte schon vom ersten Augenblick diese Vermutung, aber bevor ich euch davon erzähle, muss ich sichergehen, dass ich mich nicht täusche. Deswegen beantworte mir noch eine Frage…“ Jiraiyas dunkle Iris drehten sich in Nejis Richtung.
 

Nickend gab ihm der Angesprochene zu verstehen, dass er ihm diese Frage beantworten würde.
 

„Ist dir noch irgendwas an diesen Ringen aufgefallen? War irgendetwas darauf zu sehen?“
 

Neji wusste sofort, was er meinte. Er hatte vorhin nur vergessen, es zu erwähnen. „Ja“, sagte er daher erst einmal und ergänzte dann: „Auf jedem einzelnen der Ringe befand sich ein Zeichen, das so aussah, als hätte man den Buchstaben „C“ Rücken an Rücken gezeichnet, sodass es die Form von einem gebogenen „X“ annimmt.“
 

„Wie ein gebogenes X?“, gab Tsunade deutlich überrascht von sich.
 

„Hab' ich es mir doch gedacht“, entgegnete Jiraiya darauf mit einem ernsten Blick.
 

„Jiraiya-sama, könntet Ihr mich bitte aufklären?“, fragte Kakashi, der mit dem Zeichen nicht das Geringste anfangen konnte. Er hoffte, dass ihm die Antwort nicht den Boden unter den Füßen wegreißen würde.
 

Die Godaime antwortete anstelle des weißhaarigen Mannes:

„Das gebogene X ist das Wappen eines Clans aus dem Reich der Blitze. Vor vielen Jahren hat dieser Clan das Dorf beherrscht.“
 

Als Tsunade eine kurze Redepause einlegte, nutzte Kakashi die Möglichkeit, um seinen Gedanken auszusprechen.
 

„Wie hängt das alles zusammen?“
 

Jiraiya nahm Blickkontakt mit dem Grauhaarigen auf und sagte dann:

„Bis heute hielt ich es für nichts mehr als eine Legende, aber jetzt bin ich mir sicher, dass etwas Wahres an der Geschichte dran ist.“
 

„Eine Legende?“
 

„Ja, eine Legende. Es heißt, diese Familie war eines der gefürchtetsten Clans, die es je gab.“
 

Jiraiya wandte sein Gesicht von dem grauhaarigen Shinobi ab, um es der strahlenden Sonne zuzuwenden.
 

„Weswegen war dieser Clan so gefürchtet?“, hakte Kakashi abermals nach, weil es offensichtlich war, dass Jiraiya ihm das Wichtigste noch nicht erzählt hatte.
 

Wie in Zeitlupe senkte der Sannin seinen Kopf, …

drehte diesen zu dem Kopierninja herum, …

verengte ernst seine Augen …

und sagte schließlich:
 

„Wegen ihres berühmt-berüchtigten Fluchs.“
 

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* japanische Holzsandalen

Ungewissheit

Wie in Zeitlupe senkte der Sannin seinen Kopf, …

drehte diesen zu dem Kopierninja herum, …

verengte ernst seine Augen …

und sagte:
 

„Wegen ihres berühmt-berüchtigten Fluches.“
 


 

Ungläubig weitete sich kurz Kakashis Auge und seine Stimme verriet sein Entsetzen, als er murmelnd Jirayas Worte wiederholte: „Wegen ihres Fluchs?“

Ein undefinierbarer Laut, der der blonden Hokage entfloh, zog die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich. Ihre Zöpfe schwangen schwungvoll von der einen auf die andere Seite, als sie sich wortlos zum Gehen wandte und im Befehlston „Ins Spital - alle!“ sagte. Die schwüle Hitze machte den Aufenthalt draußen ohnehin nicht zu einem Genuss, weswegen die drei Herren der Aufforderung der Godaime willig nachkamen und sich zurück zum Krankenhaus schleppten.
 

Kakashi konnte das, was er eben gehört hatte, einfach nicht vergessen. Tausend und mehr Gedanken bahnten sich ihren Weg in seinen Kopf und hinterließen nichts als ein undurchschaubares Chaos. Selten hatte ihn eine solche Neugier gepackt, was in Anbetracht seiner Situation auch kein Wunder war.
 

„Jiraiya-sama, wisst Ihr mehr über diesen Clan und ihren Fluch?“, wollte der Kopierninja in Erfahrung bringen, doch ein flüchtiger Seitenblick zu dem Angesprochenen prophezeite ihm, dass er auf die gewünschte Antwort noch warten musste.
 

„Wenn wir wieder in deinem Zimmer sind, dann werde ich dir alles erzählen. Habe noch etwas Geduld“, beschwichtige er den Ninja, dessen graue Haare im Licht der Sonne Silber schimmerten.
 

Seite an Seite schritten sie auf das Hospital zu, wobei eine elektrisierende Stille sie umhüllt hatte. Kakashis Mimik und Schritttempo untermauerten nicht gerade seinen Wissensdurst, der sich anpirschte wie ein Löwe seine Beute und ihn zu übermannen drohte. Ein Kribbeln schlich durch seinen Körper, sein Blut geriet leicht in Wallung. Es lag nicht in seiner Natur, die Fassung zu verlieren, weswegen sich kein verdächtiges Anzeichen davon offensichtlich zur Schau stellte. Aus seinem Gesicht sprach innere Ruhe, aus seiner Haltung Selbstsicherheit und Unerschütterlichkeit. Gelassenheit war einer der dominantesten Charakterzüge des Grauschopfs. Die Ruhe, die seiner Person inne wohnte, war wie eine Mauer aus Stahl, die niemand zur Fall bringen konnte. Im schlimmsten Fall verlor er für kurze Augenblicke die Kontrolle über seine Züge, die trotz seiner Maske durchschienen und sich vor allem in seinen Augen widerspiegelten.
 

Kakashi hatte sich so tief in seine Gedanken begeben, dass er gar nicht bemerkt hatte, dass er bereits an seinem Ziel angekommen war. Seine Beine hatten den Weg zu der Tür seines Zimmers wie von selbst gefunden. Tsunade hatte sich mit dem Gesicht dem Fenster zugewendet und ihre verschränkten Hände hinter dem Rücken deuteten darauf hin, dass sie der ganzen Angelegenheit große Bedeutung und Ernsthaftigkeit zusprach. In der Luft lag eine erdrückende Wärme, die sich fast wie eine unnötige Last auf dem Rücken anfühlte. Das Geräusch, als die Tür hinter Kakashi und Jiraiya ins Schloss fiel, bewegte die Godaime dazu, sich umzudrehen. Ihre Augen musterten den hochgewachsenen Körper ihres grauhaarigen Untergebenen unauffällig, ehe sie ohne jeden offensichtlichen Grund zu dem danebenstehenden Sannin schweiften.
 

„Was ziehst du denn für ein ernstes Gesicht, Tsunade?“, richtete sich der Weißhaarige lachend an seine ehemalige Teamkollegin, und machte belustigte Handbewegungen, doch die Godaime konnte dieser sorglosen Gestik nichts abgewinnen.
 

„Benimm dich ausnahmsweise mal wie einen Erwachsenen!“, herrschte sie ihn an und das Klackern ihrer High-Heels hallte von den sterilen Wänden wider, als sie auf die beiden Männer zulief.
 

„Leg du dich erst einmal wieder ins Bett, dann können wir weiter über die Angelegenheit sprechen“, befahl sie dem Jounin, dessen Miene darauf schließen ließ, dass er das zwar für unnötig hielt, dennoch aber der Anordnung Folge leisten würde. Er begrub die Decke unter seinem Körper, da es eindeutig zu heiß war, um sich damit zuzudecken. Erst jetzt fiel dem Grauhaarigen auf, dass jemand in ihrer Runde fehlte.
 

„Wo ist Neji, Tsunade-sama?“, fragte er deswegen und erwiderte den Blick der Blonden.
 

„Ich habe ihn weggeschickt und er hat nicht den Eindruck gemacht, als wenn es ihn groß gestört hätte“, erklärte sie. „Und ich habe ihn zum Schweigen verdonnert.“
 

Ihre Hand legte sich auf das kühle Metall des Bettpfostens und ihr Kopf drehte sich erwartungsvoll zu dem Sannin herum. „Erzähl uns jetzt alles, was du über den Clan und diesen Fluch weißt.“ Ihr Tonfall war sachlich und frei von jeglichen Emotionen. So hörte man die Hokage nur selten. Es war sehr wahrscheinlich, dass sie die Angelegenheit sehr ernst nahm.
 

Wie auf Knopfdruck veränderte sich Jiraiyas Gesichtsausdruck. Ernsthaftigkeit trat an die Stelle von fröhlicher Unbekümmertheit. Das war eine Seite an ihm, die er nicht oft zum Vorschein brachte. Trotz seiner oftmals sehr kindlichen Art und Weise konnte er dennoch immer unterscheiden, wann es wichtig war, dass er ernst blieb. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, seine Züge nahmen eine dunklere Farbe an und sein Mund verzog sich zu einem geraden Strich.
 

„Vor vielen hunderten von Jahren soll der Clan Nagoya das Reich des Blitzes gänzlich unter seine Herrschaft gebracht haben. Jeder im Dorf fürchtete sie, weil sie eine Macht besaßen, die keiner in so einer Form je gesehen hatte. Vor allem diese Ungewissheit, wozu genau sie in der Lage waren, verbreitete große Angst unter den Dorfbewohnern. Bald schon war der Name Nagoya für Shinobi aller Dörfer ein Begriff. Niemand hatte je von einer solchen Kraft gehört. Es hieß, dass jedes Mitglied dieses Clans die Ausübung dieser besonderen Gabe von frühster Kindheit erlernte. Diese Fähigkeit … dieser Fluch“, er legte eine kurze Sprechpause ein, senkte seinen Kopf ein wenig - sodass seine gesamte Erscheinung eine nachdenkliche Ausstrahlung annahm- und fixierte den Boden, ehe er wieder hochsah, „soll viel Unglück über jene gebracht haben, die dem Clan zu damaliger Zeit ein Dorn im Auge waren.“ Abermals verstummte der Weißhaarige und sorgte so dafür, dass der Raum sich augenblicklich mit einer mystischen Atmosphäre füllte, die den dreien das Gefühl gab, von Schwärze umrahmt zu sein.
 

Ein lautes Klopfen riss sie grob aus ihrer Gedankenwelt, die ihnen die fantasievollsten Bilder vor die Augen zauberte. Die zwei Sannin sowie der Kopierninja sahen mit einer undefinierbaren Miene zur der Tür, die ihnen bald eine hektisch wirkende Shizune präsentierte.
 

„Tsunade-sama, ich wo-“
 

Weiter kam sie nicht, denn der Gesichtsausdruck der Godaime gab ihr unmissverständlich zu verstehen, dass sie störte, weswegen die Brünette sofort eine entschuldigende Geste machte und langsam zurückwich, was ihre Angst vor der Hokage unterstrich.
 

„Ich komme später nochmal“, ließ sie die Blonde wissen und schloss dann die Tür hinter sich.
 

„Die Ärmste! Ich glaube, die hat ganz schön Angst vor dir“, lachte Jiraiya belustigt auf und besah sich das Gesicht der Godaime, die einen weniger amüsierten Eindruck machte.
 

„Jiraiya-sama“, sprach ihn Kakashi an, was den Sannin dazu bewegte, sich von der Blondine im Raum abzuwenden. „Es gibt da eine Frage, die mich nicht loslässt. Ihr habt gesagt, dass dieser Clan damals das gesamte Reich des Blitzes unterworfen und all jene verflucht hat, die ihnen gefährlich wurden. Aber in welcher Beziehung könnten sie zu meinen Vorfahren gestanden haben? Es ergibt keinen Sinn. Die Hatakes gehören seit jeher zu Konohagakure und unser Dorf stand doch, soweit ich weiß, niemals auf Kriegsfuß mit Kumogakure. Es muss doch einen Grund gegeben haben, warum sie meine Ahnen mit diesem Fluch belegt haben. Aber welchen?“ Kakashi legte seine Stirn grübelnd in Falten.
 

„Tja, Jungchen, das kann ich dir auch nicht sagen.“ Bedauern verbarg sich in seinem Tonfall, da er gewillt war, dem jungen Hatake weiterzuhelfen.
 

„Ich verstehe“, erwiderte Kakashi darauf gefasst, da er sich auf diese Antwort eingestellt hatte. Womöglich würde die Sache ohnehin ungeklärt bleiben. Das was zwar schade, aber an seiner Situation ließ sich nur schwer was ändern.
 

Nach einer Weile, in der sich die drei Shinobi angeschwiegen hatten wie Gräber - da jeder seinen Gedanken nachhing -, setzte Kakashi dem ein Ende.
 

„Gibt es sonst noch irgendetwas, dass Ihr wisst, Jiraiya-sama?“ Er dehnte das „irgendetwas“, um zu signalisieren, dass es völlig gleichgültig war, um was für eine Art Information es sich dabei handelte.
 

Der Angesprochene räusperte sich. „Nun, mir ist mal ein Fall zu Ohren gekommen, der natürlich wieder auf Erzählungen beruht. Ein Mitglied des Clans, ein junges Mädchen, soll im Alter von 18 Jahren in einen Jungen aus dem Dorf verliebt gewesen sein. Zu einer Beziehung kam es allerdings nicht, da sich der Junge für eine Freundin des Mädchens interessierte und diese auch nach kürzester Zeit heiratete. Kurz vor der Trauung sagte das Mädchen zu ihrer Freundin, sie würde dafür sorgen, dass sie niemals in ihrem Leben glücklich werden würde. Gerüchten zufolge legte sie noch am Hochzeitstag einen Fluch auf die Braut, wonach diese jeden Mann verlieren sollte, mit dem sie eine tiefe Beziehung aufbauen sollte. Und so kam es. Schon bald erkrankte der junge Bräutigam an einer unheilbaren Krankheit und starb nach nur drei Monaten. Diese Tragödie wiederholte sich insgesamt 3-mal. Jeder Mann an ihrer Seite verstarb auf eine tragische Art und Weise. Aber soweit ich weiß, kamen solche Fälle eher selten vor. Denn dieser Clan war vor allem für ihren Versieglungsfluch bekannt und gefürchtet, denn damit konnten sie die besten Shinobi in ihre Schranken weisen, indem sie verhinderten, dass sie vollsten Zugriff auf ihr Chakra hatten. Damit schränkten sie die Macht der Ninjas stark ein. So schafften sie es angeblich, jahrelang das Dorf zu beherrschen. Und so wie es momentan aussieht, sind auch die Hatakes Opfer dieses Fluchs geworden, auch wenn es unglaublich klingt.“
 

Die Worte Jiraiyas knipsten einen Schalter in dem Kopierninja um. Mit einmal kam er sich seltsam schwerfällig und hilflos vor. Es lag nicht an der Tatsache selbst, sondern daran, dass er plötzlich sein ganzes Sein auf irgendeine Art und Weise infrage stellte. Wenn er recht überlegte, dann wusste er gar nicht, woher er kam und wer seine Vorfahren waren. Die Erkenntnis traf ihn schmerzlich, wie der gezielte Biss einer Kobra. Das Gezwitscher der Vögel wurde zu einem hässlichen Schreien, die Wärme der Sonne zum Feuer der Hölle. Er fühlte sich hilflos; Wie ein kraftloses Blatt, das vom Winde hin und her geweht wurde, wie ein Grashalm, der selbst unter den kleinen, schwachen Pfoten einer Maus nachgab.
 

Allmählich zog sich die Sonne zurück und hüllte Konoha in ein hellgraues Tuch. Ein leichter Windzug huschte über das Dorf hinweg und sein unverkennbares Rauschen nahm den Platz der Grabesstille im Krankenzimmer ein.
 

Ein letztes Mal an diesem Tag wandte sich die Hokage an den Kopierninja, dessen Blick sich in einem leeren Punkt verfangen hatte und der sich erst dann davon löste, als die helle, klare Stimme an sein Ohr drang.
 

„Ich habe noch einiges zu erledigen“, sagte sie und begab sich zeitgleich zur Tür. „Komm morgen um zehn Uhr morgens in mein Büro. Außerdem kannst du jetzt schon nach Hause gehen. Es geht dir ja soweit sehr gut und eine Nacht mehr oder weniger macht auch keinen Unterschied.“
 

Die Hokage gab dem Grauhaarigen noch nicht einmal die Gelegenheit, zu reagieren. Der letzte Ton hatte ihren Mund noch gar nicht verlassen, als die Tür geräuschvoll ins Schloss fiel. Verdutzt hang sein schwarzes Auge am Ausgang, während ihm nach und nach die Sätze der Blonden im Kopf widerhallten.
 

„Endlich kann ich nach Hause gehen.“ Die Bedeutung seiner Worte vergruben den langweilen Klang unter sich, der sie geleitete. Umgeben von einer mystischen Aura saß er wie eine zu Stein gewordene Figur auf dem Bett, die Augenbrauen dabei grübelnd heruntergedrückt. Ob es eine Möglichkeit gab, den Fluch aufzulösen?
 

„Ich werde mich dann auch mal auf den Weg machen, Jungchen, denn ich habe noch eine Menge Arbeit vor mir“, grinste er vielsagend.
 

Kakashis schwarzes Auge wölbte sich und ließ ein Lächeln erahnen, als er darauf „In Ordnung“ sagte. Der Sannin nahm noch kurz seine Hand zum Abschied empor und war kurz darauf aus dem Fenster verschwunden.
 

Als der Grauschopf alleine war, erhob er sich schwerfällig aus seinem Bett und machte sich daran, seine Sachen einzupacken, um den Weg nach Hause anzutreten. Er freute sich schon sehr darauf, endlich wieder in seinen eigenen vier Wänden zu sein. So gut man ihn hier behandelte und sich um ihn kümmerte, er konnte sich dennoch nicht mit Krankenhäusern anfreunden. Das Nichtstun war für ihn anstrengender als jede Mission. Jedes Mal befürchtete er, dass ihm die Decke auf den Kopf fallen würde. Er empfand es daher schon als Ironie, dass ausgerechnet er immer derjenige war, der die ärztliche Betreuung nötig hatte.
 

Fertig angezogen und mit seinem Rucksack auf dem Rücken ging er ins Erdgeschoss, meldete sich an der Rezeption ab und machte sich mit gemächlichen Schritten auf den Weg nach Hause. Seit die Sonne sich verabschiedet hatte und die Hitze damit von dannen gezogen war, fuhren erfrischende Windböen durch Konoha. Weil er die sommerliche Brise nach seinem mehrtätigen Aufenthalt im Spital außerordentlich genoss, ließ er sich eine Menge Zeit und schlenderte gemütlich durch die ruhigen Straßen des Dorfes. Nichtsdestotrotz stand er zehn Minuten später vor seiner Wohnung. Der Anblick seiner morschen Eingangstür verdrängte das eben noch empfundene Bedürfnis, die Luft zu genießen. Stattdessen ging er mit einem inneren Lächeln auf sein Zuhause zu, fischte seine Schlüssel aus den unendlichen Weiten seiner Tasche und betrat die vertrauten Wände.
 

Die Temperatur war angenehm, fand er, als ihn die leicht warme Luft herzlich empfing. Den Rucksack legte er ordentlich neben dem Kleiderständer im Flur ab, befreite sich aus seinen Sandalen und steuerte anschließend zu allererst vorfreudig das Bad an. Er spürte das warme Wasser schon regelrecht seinen Körper herunterfließen, weswegen er sich augenblicklich daran machte, sich seiner Kleidung zu entledigen.
 

Die Kühle des Duschbodens leitete sich von seinen Füßen durch seinen Körper empor und beschaffte ihm einen angenehmen Schauer, der ihn für einen Augenblick zusammenzucken ließ. Sein Bad hatte im Sommer den Vorteil, dass es durch die Lage des Fensters nicht die gesamte Wärme der Sonnenstrahlen abbekam und somit immer relativ kühl blieb.
 

Nach einer Handbewegung sprudelte das Wasser aus dem Duschkopf, glitt im rasanten Tempo seinen Körper herunter und landete anschließend geräuschvoll auf den Boden auf, um im Ausguss zu verschwinden. Er warf seinen Kopf in den Nacken, schloss sein Auge und ließ sich von den Wasserstrahlen abkühlen. Doch so gut sich sein Körper in diesem Moment erholte und so gut es sich anfühlte, seine wirren Gedanken spülte es nicht mit sich fort. Das Wort «Fluch» kam ihm wiederholt in den Sinn und bewegte ihn dazu, seinen Kopf wieder in seine übliche Position zu bringen, nur um ihn dann etwas nachdenklich zu senken. Zeitgleich hatte er seine rechte Hand auf die Fliese gegenüber seiner Brust gelegt. Ein grüblerischer, imaginärer Schatten hatte sich auf seine Gestalt gelegt. Seine Haltung sprach von Niedergeschlagenheit, die er vor anderen niemals in solch einer Deutlichkeit zeigen würde. Wenn er alleine war, konnte auch er sich einen Moment der Schwäche erlauben und im wahrsten Sinne des Wortes die Maske des Kopierninjas ablegen. In diesem Augenblick war er Hatake Kakashi, der sich über seine Vergangenheit, die Gegenwart und seiner Zukunft Gedanken machte. Wenn er ehrlich war, dann hatte ihn diese Entdeckung aus seinem Schneckenhäuschen getrieben. Warum sie eine solche immense Wirkung auf ihn hatte, konnte er einfach nicht begreifen. Aber ob er nun wollte oder nicht, die Sache würde ihn nicht eher ruhen lassen, bis er sie aufgeklärt hatte. In dieser gegenwärtig beschaulichen Atmosphäre tat sich unweigerlich eine Überlegung in ihm auf: Hätte sich das Leben aller Hatakes in eine völlig andere Richtung entwickelt, wäre es niemals zu diesem Fluch gekommen? Die Antwort würde er nie erfahren, so gern er sie auch gewusst hätte. Vielleicht, so dacht‘ er, bezeichnet man das als Schicksal. Dieser Begriff hatte ihn schon Zeit seines Lebens begleitet. Es tat sich jedes Mal dann auf, wenn er intuitiv spürte, dass sein Leben dabei war, sich zu verändern. In welche Richtung, das wusste er zwar nie, aber es machte ihm immer Sorgen. Vielleicht war es gerade die Ungewissheit. Er spürte, wie sich etwas auftat und er hatte so das Gefühl, dass es ihm ganz und gar nicht gefallen würde. Wie recht er damit haben sollte, konnte er zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wissen.
 

Die Wassertropfen rannen an den feinen Strähnen seiner wilden Mähne hinab und trafen fast rhythmisch auf die schwarzen Fliesen seines Bades auf. Ein weißes Handtuch bedeckte seine untere Hälfte, während auf seinem nackten Oberkörper durchsichtige Perlen leicht schimmerten. Er stand vor seinem Waschbecken und blickte direkt in den sich darüber befindenden viereckigen Spiegel, was als Ergebnis seiner Dusche völlig beschlagen war, sodass er das Gesicht darin nur erahnen konnte. Kurzum schnappte er sich ein weiteres Handtuch, beugte sich etwas nach vorne, rubbelte sich sein tropfendes Haar ein wenig trockener und benutzte es anschließend dazu, um damit einmal über den Spiegel zu fahren. Als das getan war, präsentierte sich ihm ein ungewohnter Anblick. Die Maske fehlte.
 

Wann er sich das letzte Mal so … entblößt gesehen hatte, wusste er selbst nicht mehr. Er wusste nicht einmal, warum er einen Spiegel im Haus hatte, wo er weder darauf angewiesen noch sehr scharf darauf war, sich selbst zu sehen. Es war nicht so, dass er sich abstoßend fand, sondern, dass er es schlicht und ergreifend für unnötig hielt, in den Spiegel zu sehen. Selbst wenn er sich rasierte, so tat er es für gewöhnlich unter der Dusche. Aber heute … heute hatte er regelrecht das Bedürfnis verspürt, sein eigenes Antlitz zu erblicken. Ob er sehen wollte, wer er war? Denn was wusste er von sich? Erst heute war ihm bewusst geworden, dass die Antwort lautete: Nicht viel!
 

Lange stand er wie angewurzelt da und starrte unentwegt sein Abbild an, welches sich genauso wenig rührte wie er selbst. Er bemühte sich, an nichts zu denken, doch scheiterte dabei kläglich. Mit einem tiefen Seufzer ließ er seinen Kopf nach vorne fallen und kehrte seinem Spiegelbild den Rücken.
 

Als er aus dem Bad spazierte, fühlte er wieder trockenen Boden unter seinen Füßen. Der schmale Korridor war mit dunklem Laminat bepflastert und ein breiter Streifen im selben dunkelbraunen Ton zog sich über die Mitte der Wände. Einige Bilder und kleine, runde Lichter in der Größe von Tassenuntersetzer schmückten den Flur zusätzlich und verliehen ihr eine warme Ausstrahlung, die auch die restlichen Zimmer aufzuweisen hatten. Das Wohnzimmer, was genau gegenüber vom Bad und somit am Ende des Flures war, erstrahlte in einem weinroten Ton, der einen großen Teil der Wände bedeckte. Ein kleiner Glastisch stand vor der teuren, schwarzen Ledergarnitur und der Boden war mit sehr großen, viereckigen grau-schwarzen Fliesen belegt, die aufgrund ihrer glatten, glänzenden Oberfläche sehr luxuriös wirkten. Auf den ersten Blick hätten wohl die meisten Menschen darauf getippt, dass eine Frau in dieser Wohnung lebte, war es doch sehr geschmackvoll eingerichtet und sehr ordentlich und sauber gehalten. Nur der Anblick des Schlafzimmers, was spärlich möbliert war und auch sonst sehr bescheiden erschien, passte genau in das Bild, das die meisten Menschen von der Wohnung eines Mannes hatten. Für einen Außenstehenden wäre es dennoch nicht abwegig, dass ein Mann hier lebte, wo es hingegen für all jene, die Kakashi persönlich kannten, wohl genau das wäre. Ein Mensch, der ständig zu spät kam und die Dinge sowieso nicht allzu genau zu nehmen schien, konnte doch unmöglich in solch einem ordentlichen und schönen Haus hausen! Das war ein Widerspruch in sich. Beides sagte etwas über den Charakter aus und in diesem Fall passte es irgendwo nicht zusammen. Nur was die Bekannten des Grauhaarigen nicht wussten: Kakashis Wohnung, von seinem Schlafzimmer abgesehen, war eine Art Andenken an seine frühere Teamkollegin Rin. Diese hatte ihn damals als 18-Jährige mehrmals in ihre erste eigene Wohnung eingeladen und hatte dabei oft gefühlte Stunden über, wie er es damals ausdrückte, Frauenzeugs gesprochen. Rin war ihr Leben lang eine Ordnungsfanatikerin gewesen und hatte viel Kraft in ihre Wohnung gesteckt, die sie gern modern möbliert und dekoriert hatte. Sie hatte ein Faible für übergroße Bilder, die bei ihr damals sowohl in ihrem Wohnzimmer als auch in der Küche und Schlafzimmer zu finden waren. Ihr zu Ehren hatte Kakashi diese Vorliebe übernommen. Auf diese Weise hatte er das Gefühl, dass sie allgegenwärtig war.
 

Inzwischen war der Shinobi in frische Kleidung geschlüpft und hatte sich mit „Make-out Tactics“ in sein Bett gelegt. Er schlug es auf und begann, zu lesen. Mehrmals blätterte er um, doch den Sinn des Gelesenen erfasste es nicht, weil er ihn nicht erreichte. Seine Gedanken kreisten wieder um die Dinge, über die er zu diesem Zeitpunkt nicht nachdenken wollte. Aber was er wollte oder nicht, spielte im Grunde keine Rolle, denn es war unmöglich, die eigenen Gedanken in so hohem Maße zu steuern. Resignierend klappte Kakashi das Buch schließlich wieder zu und legte sich stattdessen ins Bett. Er ging zwar nicht davon aus, dass er schlafen können würde, aber ein Versuch war es wert, fand er. Und so schloss er die Augen …

Nach und nach wurden diese schwerfälliger und obwohl sein Denkprozess im vollen Gange war, driftete er langsam aber sicher in das Land der Träume ab, bis er schließlich vollständig in der Dunkelheit versank.
 

Wie gewöhnlich fanden seine Hände ihren Weg zu seinen Augen und rieben den Schlaf weg. Im liegen streckte er gähnend seine Glieder von sich und sorgte so dafür, dass seine Decke vom Bett rutschte und beinahe geräuschlos auf den Boden aufkam. Wie hatte er bei dieser unerträglichen Hitze eigentlich mit Decke schlafen können? Diese Frage beantwortete er sich selbst mit einem gleichgültigen Schulterzucken. Die wieder einmal sehr hohe Temperatur hatte sich schon bemerkbar gemacht: Sein Oberteil hatte sich eng an seinen Körper angeschmiegt. Er konnte unmöglich noch weniger Begeisterung versprühen, als er sich schwerfällig aufrecht hinsaß und sich erst einmal einige Minuten Nichtstun gönnte, bevor er aus seinem Bett kroch und als erstes die Jalousie hochzog. „Du bist heute wohl gar nicht schadenfroh, oder?“, murmelte er ungerührt beim Anblick der strahlenden Sonne, als ihm die gestrigen Unterhaltungen einfielen.
 

Erst als er schon eine ganze Weile vor seinem Fenster gestanden und die passierenden Menschen beobachtet hatte, fiel ihm ein, dass Tsunade ihn um zehn Uhr in ihrem Büro sehen wollte.
 

9:42 Uhr. Rein theoretisch hätte er es noch geschafft, pünktlich bei Tsunade zu sein. Doch Kakashi wäre nicht Kakashi, wenn er sich wegen einer solchen Kleinigkeit aus der Ruhe bringen lassen würde.
 

„Ich komme zu spät“, stellte er stattdessen interesselos fest und steuerte dann gemütlich das Bad an. Er putzte sich die Zähne, duschte sich kurz und lief dann zurück ins Schlafzimmer, wo er sich anzog. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er lediglich zwanzig Minuten gebraucht hatte und eigentlich jetzt bei der Hokage sein musste. Bevor er das Haus verließ, schaute er noch kurz in der Küche vorbei, wo er eine Tasse Genmaicha Tee – die Lieblingssorte seines ehemaligen Lehrers Minato - trank und trockenes Schwarzbrot aß.
 

Heiß war noch eine Untertreibung, wenn man das Wetter beschreiben wollte. Kakashi sprang über Dächer, um sich nicht durch die Menschenmenge auf dem Konoha Markt schlagen zu müssen. Selbst so eine geübte körperliche Betätigung wurde zu einer lästigen Schufterei, und das obwohl Kakashi als Ninja um einiges belastbarer war als der durchschnittliche Mensch. Immer wieder musste er sich den Schweiß von der Stirn abwischen. Er war nur froh darüber, dass sein Ziel nicht sehr weit weg war.
 

Da stand er nun.
 

Das Denkmal auf dem Trainingsplatz war mit den Jahren fast schon so etwas wie ein Vertrauter geworden. Wie jeden Tag blieb sein Blick an dem Namen Uchiha Obito hängen. Oft stand er stundenlang regungslos davor und fixierte diesen Namen. Er hatte ihn schon so lange nicht mehr ausgesprochen, dass der Klang fremd auf ihn wirkte, wenn er ihn irgendwo hörte. Nur in Gedanken sagte er ihn immer und immer wieder.
 

Obito, sprach er wie so häufig stumm seinen toten Kameraden an, was soll ich tun? Oft wenn er ihm eine Frage stellte, wartete er lange auf eine Antwort. Er wartete jedes Mal vergebens.
 

Eine ihm nur allzu bekannte Stimme riss ihn mit einem lauten „Kakashi-sensei!“ brutal aus seiner persönlichen, nur für ihn zugänglichen Welt. Das brachte ihn sofort wieder in die Realität zurück.
 

„Hallo, Naruto“, sagte er fröhlich lächelnd zu seinem Schüler, die Hand zum Gruß erhoben. Keine Spur von Bitterkeit war mehr zu sehen. Alles war so wie immer.
 

„Ich habe Sie überall gesucht!“, ließ er Kakashi etwas genervt wissen und der vorwurfsvolle Ton entging dem Jounin nicht.
 

„Was willst du denn von mir?“, hinterfragte er und ahnte schon, was Naruto vorhatte.
 

„Ich komme mit meinem Training nicht weiter.“ Diesen Satz hätten die meisten Menschen wohl mit einem traurigen oder enttäuschten Unterton gesagt, Naruto hingegen hatte seine Knie etwas gebeugt, seine auf Brusthöhe erhobene Faust geballt und ihn voller Enthusiasmus und Verbissenheit ausgesprochen. Geradezu so, als könnte er es kaum abwarten, diesen Fakt zu ändern.
 

Kakashi stöhnte auf, ließ seinen Kopf lustlos nach vorne fallen und murmelte nur: „Hab ich‘s mir doch gedacht!“
 

„Und? Werden Sie mir helfen oder nicht?“, fragte er hoffnungsvoll nach.
 

Enttäuscht hörte er Kakashi sagen: „Das würde ich ja wirklich gerne, aber ich kann nicht.“ Dem Grauhaarigen tat es wirklich leid, dass er so wenig Zeit für seine Schüler hatte, aber Tsunade ließ ihn kaum zur Ruhe kommen. Seit dem Angriff von Pain mangelte es Konoha an hochqualifizierten Shinobi, weswegen die Erfahrensten sich vor Arbeit kaum noch retten konnten. Akatsuki hatte ihrem Dorf schon herbe Verluste beigebracht und der gegenwärtige Frieden war trügerisch und hinterhältig. Das wusste Kakashi. Dem Frieden konnte man nicht trauen.
 

„Warum denn nicht?“, tönte es nun recht laut aus dem blonden Jungen, der seinen Lehrer aus aufgebrachten, blauen Iriden ansah. Wenn es ums Training ging, dann verstand der Uzumaki keinen Spaß.
 

Noch bevor Kakashi auf irgendeine Art und Weise reagieren konnte, hörten die beiden Konoha-Ninja ein lautes „Hallo!“. Abrupt sahen sie in die Richtung, aus der das Begrüßungswort gekommen war. Ein rosahaariges Mädchen strahlte sie an und winkte ihnen gutgelaunt zu.
 

„Hallo, Sakura“, begrüßte Naruto seine Teamkollegin. Ein breites Grinsen erschien auf seinem Gesicht und verdrängte die eben noch von Ärger geprägten Züge.
 

„Was macht ihr zwei denn hier?“, erkundigte sie sich und rüttelte ihr verrutschtes Stirnband zurecht, während sie auf eine Antworte wartete.
 

„Eigentlich wollte ich mit Kakashi-sensei trainieren“, beantwortete Naruto ihre Frage und erntete dafür ein genervtes „War ja klar!“.
 

„Bist du aus irgendeinem bestimmten Grund gekommen?“, wollte Kakashi wissen und besah seine Schülerin mit fragender Miene.
 

Kurz schien sie zu überlegen, bevor sie kaum merklich zusammenzuckte, als sie sich anscheinend erinnerte. „Ich wollte Naruto nur fragen, ob er mit mir ein Eis essen geht. Es ist so warm und ich wusste nicht, was ich unternehmen sollte. Tsunade-sama hat mir nämlich heute freundlicherweise frei gegeben.“
 

„Nur du und ich?“, hakte Naruto hoffnungsvoll und gespannt nach, die Augen weit geöffnet.
 

„Ähm…“, begann sie, sah kurz rüber zu ihrem Lehrer und ergänzte den stockenden Anfang ihres Satzes mit: „Eigentlich schon, aber wie wäre es, wenn Sie mitkommen, Kakashi-sensei?“ Sie hatte diesen Vorschlag nicht ohne Hintergedanken gemacht. Es war eine gute Gelegenheit das Ziel, das Naruto, Sasuke und sie sich vor drei Jahren gesetzt hatten, endlich in die Tat umzusetzen: Ein Blick auf Kakashis wahres Gesicht zu werfen. Die Hoffnung wurde ihr jäh genommen, als dieser dankend ablehnte.
 

„An so einem Tag ist es wirklich besser, Eisessen zu gehen, anstatt zu trainieren. Also, geht nur. Zurzeit drängt uns nichts zum Trainieren, deswegen kannst du es auch langsamer angehen, Naruto“, fügte Kakashi noch schnell lächelnd hinzu.
 

„Na gut, aber morgen werden Sie mich trainieren, Sensei!“, stellte er klar, bevor er sich fröhlich seiner Teamkameradin zuwandte. Heute bot sich ihm die einmalige Gelegenheit, alleine ein wenig Zeit mit ihr zu verbringen. Kein Kakashi, kein Sai und kein Sasuke. Nur er und seine große Liebe.
 

„Bis dann!“, sagte Kakashi noch und war im nächsten Augenblick auch schon verschwunden, denn schließlich erwartete ihn die Godaime. Den Hokageturm erreichte er bei seiner Schnelligkeit nach kürzester Zeit.
 

Selbst die Art, wie er an ihre Tür klopfte, klang lässig. Vielleicht bildete sie sich das auch nur ein. Dass er wieder einmal zu spät war, ging ihr zwar gegen den Strich und dennoch konnte Tsunade dem grauhaarigen Shinobi einfach nicht lange böse sein. Unter den Konoha-Ninja war ihr feuriges Temperament weit verbreitet und gefürchtet, aber im Grunde war sie eine sehr warmherzige Frau, die sogar über eine dumme Angewohnheit wie das Zuspätkommen hinwegsehen konnte. Sie wusste schließlich, woher das rührte.
 

„Komm herein, Kakashi!“
 

Die Tür öffnete sich und der Grauhaarige trat ein. Wie immer hatte er eine Hand in seiner Hosentasche vergraben, die ihm eine noch legerere Haltung verlieh.
 

Die Ellenbogen auf dem Schreibtisch abgestützt, die Hände ineinander gelegt, die Gesichtszüge verdunkelt. Tsunades Haltung sprach Bände - zumindest für Kakashi, der sie inzwischen lange genug kannte.
 

„Um es kurz zu machen, Kakashi“, eröffnete sie das Gespräch. „Ich werde dich auf eine Mission schicken, die zum ersten Mal nicht im direkten Wohlwollen von Konoha durchgeführt wird.“
 

Leicht zog sich Kakashis sichtbare Augenbraue nach oben, als hätte er keinen Schimmer, was die Hokage von ihm wollte. Doch es war mehr die Überraschung über die Entscheidung der legendären Sannin als Unwissen.
 

„Könntet Ihr bitte deutlicher werden, Tsunade-sama?“, bat er sie und schlenderte auf den riesigen, massiven Holztisch zu, welcher der dahinter sitzenden Person eine große Wichtigkeit zusprach.
 

„Es ist doch ganz klar, was sie dir sagen will“, tönte es plötzlich fröhlich von der Fensterbank, auf dem ein weißhaariger Mann wie aus dem Nichts auftauchte.

„Jiraiya-sama“, kam es eine Spur fragend aus dem Kopierninja, da er nicht mit dessen Erscheinen gerechnet hatte. Eigentlich hatte er ihm erzählt, er würde recherchieren müssen und das tat er normalerweise über eine sehr lange Zeit. Dafür suchte er alle möglichen Orte in Konoha auf. Man bekam ihn dann auch kaum zu sehen.
 

„Kannst du dich nicht mal zur Abwechslung anmelden und die Tür benutzen?“, knurrte ihm Tsunade entgegen und überkreuzte ihre Arme vor der Brust, um ihre Missbilligung deutlich zu machen.
 

„Ach Tsunade, mittlerweile solltest du dich doch daran gewöhnt haben. Schließlich bin ich nicht der einzige, der auf diese Weise dein Büro betritt. Kakashi tut das auch immer und …“ Jedes Wort, welches er voller Heiterkeit von sich gab, erzielte bei der Godaime das gegenteilige Gefühl. Als er das bemerkte, stoppte er in der Ausführung seiner, in Tsunades Ohren, armselig klingenden Entschuldigung für seine Gewohnheit.
 

Eine Ader zeichnete sich deutlich auf der Stirn der Blonden ab und pulsierte gefährlich. Sie wollte gerade den Mund aufmachen, um ihrem ehemaligen Kollegen die Leviten zu lesen, als ein „Hallo“ sie zum Schweigen brachte.
 

„Das kann nicht gut gehen“, stellte Kakashi trocken fest, während Jiraiya nur noch ein „Oh oh“ herausbrachte, als sie beide Tenzou erblickten, der gerade dabei war, durch das Fenster ins Büro einzusteigen.
 

Naruto und Sakura standen nur einige Meter vor der Eingangstür des Hokageturms. Die beiden wollten noch etwas mit der Godaime besprechen, weswegen sie sich dazu entschlossen hatten, erst danach Eis essen zu gehen. Sie waren gerade dabei in den Hokageturm hineinzulaufen, als ein lauter Ton, den sie sofort der Fünften zuordneten und der sie an einen Kampfgeschrei erinnerte, erklang und sie förmlich dazu zwang, ihren Blick in den oberen Teil des riesigen Gebäudes schweifen zu lassen. Wegen der Sonne hielten sie ihre Hand waagerecht an die Mitte ihrer Stirn, um etwas erkennen zu können.
 

„Sag mal, ist das nicht Yamato-san?“, fragte die rosahaarige Kunoichi ihren Teamkollegen, als sie einen Menschen aus dem Fenster des Büros der Hokage buchstäblich fliegen sahen. Der Schrei, der dem Anbu dabei aus der Kehle entfloh, bewies den beiden Beobachtern, dass ihr kurzzeitiger Teamleader nicht freiwillig diesen Weg nach draußen gewählt hatte.
 

Naruto schaffte es nicht, ein Lachen zu unterdrücken, als er zusammen mit Sakura beim Baum stehen blieb, auf dem der verdutzte Tenzou gelandet war. Die Blätter auf dessen Kopf und die dabei fast mitleidig dreinschauenden Augen führten nicht gerade dazu, dass das Lachen des Chaosninjas verstummte.
 

„Sie sollten sich mal sehen“, witzelte Naruto lachend und auch Sakura konnte sich bei dem herrlichen Anblick ein kurzes Auflachen nicht verkneifen.
 

„Womit habe ich das verdient“, seufzte der Anbu, den Kopf dabei auf der Faust abgestützt. Seine Position sah schon fast bequem aus. Auf dem dicken Ast des großen Baumes saß es sich wohl bequem!
 

„Geht es Ihnen da oben einfach nur zu gut oder warum steigen Sie nicht ab?“, rief ihm die Rosahaarige zu. Naruto sagte darauf kichernd: „Wahrscheinlich hat er nur Angst, wieder in Oba-chans Büro zu gehen.“
 

Fast beleidigt verzog Yamato den Mund und sprang dann ab. Wieder auf dem Boden klopfte er sich die Blätter, die ihn noch wie einen Tannenbaum schmückten, ab. Naruto fiel sofort die Beule auf dem Kopf des Anbus auf.
 

„Sehen Sie sich mal die Beule da an“, lachte der Blonde erneut los und hielt sich den Bauch.
 

Seine Teamkollegin lächelte beim Anblick der Verunstaltung nur und wandte sich dann mit den Worten „Hör jetzt auf!“ an den Chaosninja, bevor sie wieder zu Kakashis ehemaligen Ersatz sah.
 

„Wir wollten gerade zu Tsunade-sama. Kommen Sie mit?“, fragte sie den Braunhaarigen.
 

„An eurer Stelle würde ich da jetzt nicht auftauchen. Die Godaime hat gerade Wichtiges zu besprechen und deshalb sowieso keine Zeit für euch. Den Weg dorthin könnt ihr euch also getrost sparen“, riet er ihnen und setzte sich in Bewegung, um diesmal auf normalen Wege ins Büro seiner Vorgesetzten zu kommen.

Naruto bemerkte nach seinem Lachflash, dass die Quelle seines Amüsements nicht mehr da war. „Wo ist er denn hin, Sakura-chan?“
 

Genervt seufzte sie mit geschlossenen Augen. „Komm, wir gehen.“
 

„Aber wir wollten do- “
 

Die Kunoichi schnitt ihm sichtlich gereizt das Wort ab. „Kriegst du eigentlich gar nichts mit, du Idiot?“, fuhr sie ihn an und ihre geballte Faust reckte sich dem Blonden entgegen.
 

„Aber Sakura-chan …“
 

„Halt die Klappe und komm jetzt mit!“ Grob packte sie ihn am Arm und zerrte ihn hinter sich her. Kakashi konnte Narutos Protest von dem Geschäftszimmer der Hokage ganz deutlich hören. Eins musste man dem jungen Shinobi lassen: Er gab niemals auf, selbst wenn seine Lage noch so aussichtslos erschien.
 

Ein Klopfen an der Tür zauberte der Godaime ein triumphierendes und schadenfrohes Schmunzeln ins Gesicht. „Herein!“, verlautete sie und verschwand dann wieder hinter ihrem Schreibtisch zu dem Chefsessel, auf den sie sich zufrieden setzte. Sie nahm ihre typische Haltung an mit den verschränkten Händen, auf denen sie ihr Kinn hin und wieder nur ansatzweise ablegte.
 

„Jetzt wo alle da sind, kann ich euch meinen Beschluss mitteilen.“
 

Kakashi und Tenzou standen dicht nebeneinander vor ihr. Während der Hatake eine genaue Vorstellung von dem hatte, was die Hokage sagen würde, hatte Yamato nicht den blassesten Schimmer. Jiraiya ging es wie dem Grauhaarigen. Er saß mutig hinter Tsunade auf der heilgebliebenen Seite des Fensters und besah sich die Verkündung mit aufmerksamen Augen.
 

„Ich habe die ganze Nacht darüber nachgedacht, wie wir weiter vorgehen sollten. Als Hokage ist es meine oberste Pflicht, alles Erdenkliche im Sinne Konohas zu tun. Genau aus diesem Grund habe ich mich immer wieder gefragt, ob ich diesen Schritt wagen soll.“ Ihre Stimme war an Lautstärke immer weiter zurück gegangen. Eine kurze Pause trat an der Stelle an, an der üblicherweise der Auftrag kurz und bündig erklärt wurde. Aus den Gesichtern ihrer Gegenüber konnte Tsunade zwei völlig verschiedene Dinge herauslesen. Kakashi wirkte gefasst, so gefasst, als würde er bereits jedes Detail kennen, mit dem sie ihn konfrontieren würde, wohingegen der Braunhaarige keinen Hehl aus seinem Ich-verstehe-überhaupt-nicht-worum-es-geht Gedanken machte.
 

Ihre Stimme fand zu ihrer alten Lautstärke zurück, als sie fortfuhr.

„Kakashi!“, sie nahm Blickkontakt mit dem Angesprochenen auf, „Yamato!“, ihre Augen wanderte rüber zu dem Braunhaarigen. „Ich habe eine Mission für euch, die keinen Rang hat, denn es ist unmöglich, den Schwierigkeitsgrad zu bestimmen, wobei ich nicht glaube, dass sie sonderlich schwer werden wird. Das Ziel eures Auftrages ist es, mehr über diesen … Fluch herauszufinden und ein Mittel, mit dem man diesen auflösen kann. Dafür reist ihr in das Dorf des Blitzes. Es wird offiziell eine ANBU-Mission, die unbedingt geheim bleiben soll. Außer uns vieren weiß niemand davon. Sollten die Ältesten davon Wind bekommen, kann ich mich auf viel Ärger einstellen, auf die ich absolut keine Lust habe. Verstanden?“ Sie fixierte die beiden, die noch immer denselben Eindruck auf sie machten, nur das Yamato noch verwirrter zu sein schien.
 

„Ja!“, kam es mit fester Stimme vom Kopierninja.
 

„Gut, hier hast du die Schriftrolle.“ Tsunade reichte sie dem Grauschopf, der sie dankend entgegen nahm. Diese Schriftrolle enthielt alle wichtigen Informationen zu dieser Mission.
 

„Tsunade-sama, ich weiß n- “, begann Tenzou und beugte sich etwas nach vorne, als eine Handbewegung seitens der Blonden ihn zum Rückzieher bewegte.
 

„Kakashi wird dir alles erklären“, erläuterte sie ihr Verhalten und fügte dann noch hinzu: „Seid vorsichtig und sorgt dafür, dass der Raikage nichts von dieser Mission erfährt. Es könnte missverstanden werden und zu Spannungen zwischen unseren Dörfern führen. Ich weiß, dass wir uns auf dünnem Eis bewegen, aber wir müssen es riskieren, denn die Auflösung dieses Fluchs wird Kakashis Schwachpunkt beseitigen und das wird Konoha zu Gute kommen. Also, haltet die Augen offen und lasst euch was Gescheites einfallen. Viel Glück!“
 

„Danke!“, entgegneten beide gleichzeitig und werteten ihre Worte als Abschluss des Gesprächs, weswegen sie das Büro nach einem kurzen Abschied von den beiden Sannin verließen.
 

Während die beiden schweigsam den Korridor entlang gingen, wusste Kakashi noch nicht, dass die Ausführung dieser Mission der Anfang einer schwierigen Zeit für ihn bedeutete und das in diesem Augenblick Madara einen Plan schmiedete, der ihn, den berühmten Kopierninja aus Konoha, miteinbezog. Der Kampf konnte beginnen!

Zwischenfall

Während die beiden schweigsam den Korridor entlang gingen, wusste Kakashi noch nicht, dass die Ausführung dieser Mission der Anfang einer schwierigen Zeit für ihn bedeutete und das in diesem Augenblick Madara einen Plan schmiedete, der ihn, den berühmten Kopierninja aus Konoha, miteinbezog. Der Kampf konnte beginnen!
 

Völlig auf die Schriftrolle fixiert, lief Kakashi den Gang des Hokageturms entlang. An seiner Seite schritt der Anbu Tenzou, der ihn dabei beobachtete, wie er aufmerksam die Informationen bezüglich ihrer Mission durchlas. Anhand der Gesichtsregung des Kopierninjas versuchte er, sich halbwegs einen Reim aus der Geschichte zu machen. Es juckte ihn in den Fingern, seinen ehemaligen ANBU-Kollegen auszufragen, aber er beließ es jedes Mal beim schweigsamen Beobachten. Was ihn genau dazu bewegte, den Mund zu halten, war offensichtlich: Kakashi schien geistig völlig woanders zu sein. Normalerweise konnte man sich problemlos mit ihm unterhalten, wenn er nebenbei ein Buch las. Diesmal allerdings glaubte er, etwas an dem Älteren zu erblicken, was er nie zuvor gesehen hatte: Anspannung. Vielleicht war es also der gegenwärtige Gemütszustand des Grauschopfs, der ihm riet, ruhig zu sein.
 

Inzwischen hatten sie das riesige Gebäude verlassen, in dem die Hokage sich hauptsächlich aufhielt. Langsamen Schrittes passierten sie die an diesem hitzigen Tag überfüllten Geschäfte inmitten des Herzen Konohas: dem Markt. Kakashi hob endlich seinen Kopf, brachte die Schriftrolle wieder in ihre altbewährte Form und reichte sie dann stumm zu der links neben ihm stehenden Person.
 

„Danke“, sagte Yamato darauf und entnahm den gereichten Gegenstand aus der Hand des Hatakes.
 

Voller Neugier und auch Skepsis rollte er sie wieder auf …
 

Faszination und Entsetzen gleichermaßen zeichnete sich auf seiner Miene ab, während er sorgfältig Wort für Wort las. Endlich verstand er, was vor sich ging, er konnte jedoch nicht behaupten, sich nun besser zu fühlen. Wie sein Vorgänger rollte er das Schriftstück wieder zusammen und gab sie ihm dann zurück. Wortlos wurde sie entgegen genommen. Kaum merklich zuckten Tenzous Augenbrauen nach oben, als er feststellte, dass sie vor Kakashis Wohnung standen.
 

Der Grauschopf suchte seine Schlüssel in der Unordnung der kleinen Tasche über seinem Gesäß. Zurückhaltend stand Yamato zwei Schritte hinter dem Kopierninja und schwieg. Ein Klirren drang an sein Ohr, das ihm signalisierte, dass Kakashi das Gesuchte gefunden hatte. Das kurz darauf ertönte Klacken gab ihm die Sicht auf den überraschend schön dekorierten und ordentlichen Flur frei.
 

Geschmeidig drehte Kakashi sich zu dem Anbu herum. „Komm bitte herein“, sagte er zu dem Braunhaarigen ohne jegliche Gefühlsregung, sodass es dem Jüngeren unmöglich war, seine Gedanken zu erraten oder gar zu lesen. Er war zurecht irritiert, fand der grauhaarige Jounin, als er die Überraschung aus den braunen Augen las. Denn normalerweise ließ er niemanden in seine Wohnung, weil er darauf bedacht war, Berufliches und Privates strikt zu trennen. Außerdem befürchtete er – wenn er ehrlich zu sich war–, dass er jemanden damit zu nah an sich heranließ. Im Leben traten aber hin und wieder Situationen auf, die man als Shinobi einfach bewältigen musste. Diese Worte seines Senseis hatte er nie vergessen und er beherzigte sie stets.
 

Tenzou schaute sich neugierig die Einrichtung an, achtete aber darauf, dass Kakashi nicht allzu viel von seinem Interesse mitbekam. Die Mühe hätte er sich aber sparen können, denn der erfahrene Jounin war sehr scharfsinnig und seinen aufmerksamen Sinnen entging absolut nichts.
 

Kakashi hatte seinen Gast ins Wohnzimmer geführt, wo dieser sich nach Aufforderung unverzüglich auf dem Ledersessel niederließ. Der Shinobi ließ Yamato daraufhin kurz allein. Der Braunhaarige nutzte die Abwesenheit des Älteren, um sich in Ruhe umzusehen. Er musste gestehen, dass Kakashi ein gutes Händchen fürs Dekorieren hatte. Belustigt zog er in Erwägung, diesen um Hilfe für seine Wohnung zu bitten, die, wie er fand, trist und leblos aussah. Ein Lächeln legte sich augenblicklich auf seine Lippen und ehe es wieder verschwand, betrat Kakashi wieder den Raum. Zwar hatte er Tenzous Gesichtsexpression gesehen, interessieren tat ihn der Grund aber nicht. Einzig und allein ein Thema war momentan von Belangen für ihn.
 

„Wir sollten unsere Mission planen, bevor wir sie offiziell beginnen“, schlug er daher vor und machte es sich gegenüber von dem Anbu auf dem Zweisitzer bequem. Der kleine Glastisch zwischen ihnen wurde von Kakashi mit ein paar wenigen Handbewegungen von jeglichen unnötigen und Platz verschwendenden Gegenständen beseitigt, ehe er die Schriftrolle darauf ausrollte. Automatisch beugte sich Tenzou etwas nach vorne, um dem Gespräch bestens folgen zu können.
 

„In den Anweisungen steht ausdrücklich drin, dass wir wegen dem Raikage und auch den Dorfältesten verdeckt arbeiten müssen. Die Frage ist, was wäre in unserem Fall die beste Lösung?“ Er stockte in seiner Rede und nahm Blickkontakt mit seinem Gegenüber auf.
 

„Ihr habt doch bestimmt schon eine Idee, nicht wahr, Kakashi-senpai?“ Tenzou wusste, dass Kakashi immer eine Idee parat hatte. Ob sie letztendlich umgesetzt wurde, war eine andere Frage. Doch dessen strategisches Denken war ihm und seinem Team immer zu Gute gekommen. Sein scharfer Verstand wog alle Risiken und Gefahren gegen die Vorteile eines Plans blitzschnell ab. Der Anbu musste zwar zugeben, dass die Pläne seines Senpais immer sehr riskant waren, aber bis jetzt hatten sie irgendwie immer geklappt. Meistens kamen im Verlauf der Mission noch weitere wichtige Faktoren hinzu, die den geplanten Ablauf zunichte machten, aber der Grauschopf war sogar dazu in der Lage, in brenzligen Situationen den gesamten Plan umzuschmeißen und einen neuen, mit Rücksicht auf die neuen Ereignisse, aufzustellen.
 

„Ja, allerdings gehen wir damit ein hohes Risiko ein“, bekam er als Antwort.
 

Ach nein, wer hätte das gedacht?, dachte er belustigt, verkniff sich aber, das auszusprechen. Anstatt ihn verbal zum Weiterreden zu bitten, zog Yamato nur fragend die Augenbrauen in die Höhe.
 

„Wir werden als ganz gewöhnliche Zivilisten und am helllichten Tag in Kumogakure einmarschieren.“ Kakashi hatte diesen Satz so dominant und endgültig gesagt, dass Tenzou zwischen zwei Gedanken hin- und hergerissen war: Wenn der Jounin mit so fester, unerschütterlicher Stimme sprach, dann bedeutete das, dass er sich – trotz welcher Zweifel auch immer - sicher war, dass er das einzig Richtige tat. Auf der anderen Seite aber konnte der Braunhaarige kaum fassen, welches Risiko Kakashi auf sich nahm, um die Mission erfolgreich zu beenden. Da er sich sicher war, dass sein Gesichtsausdruck ohnehin mehr sagte als tausend Worte, sprach er seinen Gedanken laut aus.
 

„Bei allem Respekt, Kakashi-senpai, aber ich halte das für keine gute Idee.“
 

„Schlag was anderes vor, Kohai“, konterte er, in der Annahme, dass ihm entweder Schweigen seitens des Jüngeren erwartete oder der Vorschlag, die Mission als Anbus durchzuführen.
 

„Mir scheint es das Sicherste, wenn wir den Auftrag als Anbus ausführen“, gab er wie erwartet von sich und versuchte, die Meinung des Älteren dazu aus den Gesichtszügen zu lesen. Er hatte jedoch fast vergessen, dass der Grauhaarige eine undurchsichtige Maske trug. Pokerface.
 

Kakashi stützte seine Ellenbogen auf seine Knie und legte seine Hände ineinander. Seine gesamte Haltung und das entschlossene Blitzen in seinen Augen erinnerten den Jüngeren an die derzeitige Hokage.
 

„Diese Mission unterscheidet sich leider von allen anderen, die wir je bestritten haben. Hier riskieren wir weitaus mehr, als nur das Fehlschlagen einer Mission. Wie Tsunade-sama bereits gesagt hat, ist das Band von Konoha zu Kumogakure leicht angerissen. Misstrauen beherrscht unsere Beziehung. Und das gilt auch für alle anderen Dörfer. Seit Akatsuki verstärkt aktiv geworden ist, traut niemand mehr dem anderen. Wir dürfen also nicht versagen und das beinhaltet nun mal, dass wir dort nicht auffallen und dass der Raikage nichts von unserer Mission erfährt. Jounin und Anbus erkennt man schon anhand ihrer Kleidung, was bedeutet, dass wir gezwungen wären, nachts die Grenzen zu überschreiten. Allerdings stellt sich jedes Dorf darauf ein, dass die Feinde oder andere Personen, die das Dorf betreten wollen, die Dunkelheit der Nacht nutzen, um dies unbemerkt zu tun.“
 

Er hielt inne und ließ dem Anbu einen kurzen Augenblick, um nachzudenken. Als die fokussierte und gespannte Miene nicht aus dessen Gesicht wich, betrachtete Kakashi das als Zeichen, dass er fortfahren sollte.
 

„In unserem Fall kommt erschwerend hinzu, dass wir nicht wissen, wo wir Nachfahren des Nagoya Clans finden. Vielleicht gibt es sie nicht einmal mehr. Um sie zu finden, sind wir auf die Auskunft der Bürger angewiesen. Wenn wir uns ganz gewöhnliche Kleidung anziehen und unsere Stirnbänder, sowie alles andere, was uns verraten könnte, hier lassen, dann steigen unsere Chancen, diese Mission erfolgreich abzuschließen. Außerdem darfst du nicht vergessen, was für talentierte Ninja Kumogakure aufzuweisen hat. Sollten wir den Auftrag also als ganz gewöhnliche Jounin oder Anbus antreten, dann besteht die Gefahr, dass sie unser Chakra sofort als fremd identifizieren. Sollten wir uns hingegen wie ganz gewöhnliche Bürger unter das Volk mischen, dann können wir unser Chakra problemlos löschen, da wir als Nicht-Ninja in keinen Kampf verwickelt werden würden. So wäre es ein Einfaches, auf unser Chakra zu verzichten und es zu unterdrücken. Sie würden uns somit nur dann finden, wenn sie gezielt einen Sensorninja auf unsere Fährte schicken. Dafür müssten wir ihnen aber erst einmal einen Anhaltspunkt geben, dass wir überhaupt da sind. Unter all den Leuten fallen wir nicht auf.“
 

„Nun verstehe ich Eure Vorgehensweise. Eine Frage wäre da noch zu klären und zwar: Wie können wir unbemerkt kumogakurisches Grund und Boden betreten? Die werden mit Sicherheit überall Leute haben, die das Dorf bewachen.“
 

„Das ist eine gute Frage“, sagte der Angesprochene nachdenklich.
 

„Da du seit Jahren bei der ANBU bist, wird kaum jemand dein Gesicht zuordnen können. Meins hingegen kennen ein paar der ranghöheren Shinobi, aber die sind an einer Hand abgezählt. Was wir also tun werden ist folgendes: Ich werde meine Ninken heraufbeschwören und sie die Umgebung absuchen lassen. Pakkun kennt viele Ninja und er wird deswegen auch derjenige sein, der uns die richtige Stelle zum Übertreten der Grenzen zeigt. Es ist nämlich wichtig, dass der Bewacher dort weder mich noch dich vom Sehen her kennt. Irgendwie werden wir es dann schon schaffen, ihn dazu zu bewegen, uns passieren zu lassen.“
 

Der letzte Satz bewirkte, dass Tenzou sein Gesicht so verzog, als wollte er sagen: Schon wieder ein so vager Plan, Kakashi-senpai? Aber er beließ es bei der allessagenden, steinernden Miene.
 

„Wann soll es losgehen?“ Die Antwort lag auf der Hand, aber das fiel ihm erst ein, als er die Frage schon gestellt hatte. Angesichts der Tatsache, dass er in Kakashis Wohnzimmer saß, würde die Mission wohl heute beginnen. Wäre der Plan ein anderer gewesen, dann hätte der grauhaarige Jounin wahrscheinlich einen Treffpunkt mit ihm ausgemacht und ihn nicht in seine Wohnung gelassen. Und so war er keineswegs überrascht, als er den Gefragten „heute noch“ sagen hörte.
 

Tenzou nickte und sagte: „In Ordnung.“
 

„Geh bitte jetzt nach Hause und zieh dir ‚normale‘ Kleidung an. Wir treffen uns dann in genau – er sah kurz rüber zu der Uhr über seinem Fernseher – in einer dreiviertel Stunde auf dem Trainingsplatz.“
 

„Jawohl“, erwiderte der Jüngere und verschwand darauf aus Kakashis Wohnung. Er musste sich beeilen, denn er musste sich nicht nur passende Kleidung heraussuchen, sondern auch eine Tasche packen und dann noch zum Trainingsplatz zurückrennen.
 

Knirschen. Eintönigkeit. Leere.
 

Kakashi stand nun direkt vor dem farblosen Innenleben seines Schrankes. Die Auswahl war nicht besonders groß, da er kaum etwas anderes anzog als seine Jounin-Kleidung. Dementsprechend schrie ihm gähnende Leere entgegen. Er wühlte sich durch die paar Sachen, die er da drin fand und mit jeder weiteren Handbewegung schrumpfte seine Hoffnung, etwas Geeignetes aufzutreiben.
 

Ungeduldig tippte Tenzou mit seinem Fuß auf der Stelle. Zwei Stunden, hallte es wieder und wieder vorwurfsvoll in seinem Kopf. Zwei Stunden ist er nun schon zu spät! Ich hätte es wissen müssen! Rennend war er durch Konoha gehechtet, Schweiß hatte sein Haar genässt. Und wozu das alles, wenn der Teamleader doch mal wieder zu spät kam, obwohl er dieses Mal so geklungen hatte, als könnte er es gar nicht abwarten, die Mission anzutreten? Warum nur schaffte er es nie, Kakashi richtig einzuschätzen und ihn zu durchschauen? Noch immer stellte der Hatake ein ungelöstes Rätsel für ihn dar und die Aussichten, dieses jemals zu knacken, waren nicht besonders gut.
 

Endlich spürte er, dass sein Senpai sich ihm näherte und kaum hatte er sich versehen, tauchte der längst erwartete Jounin neben ihm mit einem Poff auf, die Hände bereits entschuldigend erhoben.
 

„Entschuldige bitte, dass ich zu spät bin, aber auf dem Weg hierhin ist ein kleiner Junge hingefallen und hat sich verletzt. Ich musste mich um ihn kümmern.“
 

Das äußere Erscheinungsbild des Älteren machte es dem Braunhaarigen nicht gerade leicht, fließend „Natürlich, ich verstehe“ von sich zu geben. So hatte er Kakashi noch nie gesehen. Die Jeanshose hatte einen sportlichen Touch und war ihm etwas zu breit, weswegen sie ihm hinten etwas herunterhing. Auf dem schwarzen T-Shirt war der Spruch „Life As A Ninja“ in weißer Schrift verewigt. Seine Sandalen hatte der Kopierninja gegen schwarze Sneaker ausgetauscht. Das Konoha-Stirnband fehlte, weswegen die grauen Haare noch zerzauster aussahen als üblich. Nur die schwarze Maske sorgte dafür, dass man ihn erkannte, so ironisch das auch klang.
 

„Habt Ihr nicht gesagt, wir müssten so unauffällig wie möglich aussehen?“ Der Angesprochene sah, dass die Augen seines Gegenübers kurz auf seiner Maske hängenblieben. Der Brünette selbst hatte sich einer alten hellblauen Jeans und einem weißen Sweater bedient, die nicht unauffälliger hätten sein können.
 

„Vor uns liegt eine weite Strecke. Wir sollten uns jetzt auf den Weg machen“, wich der Grauschopf der Frage geschickt aus und versetzte sich in Bewegung.
 

„Typisch“, verließ es den Anbu mit einem kurzen Lächeln, bevor er seinem Teamleader folgte.
 

Seit nunmehr fünf Stunden schon sprinteten sie durch die dichtbewaldete Gegend, das Ziel genau vor Augen. Ein Viertel des Weges hatten sie bereits hinter sich gelassen und je näher sie Kumogakure kamen, desto kälter wurde es. Die unterschiedlichen Klimaverhältnisse in den Dörfern konnten den besten Shinobi zu schaffen machen. Gerade noch war es brühend heiß und ein paar Stunden später traf sie bittere Kälte.
 

„Wir machen eine Pause“, entschied Kakashi und kam leichtfüßig auf dem Boden auf. Der feuchte Grund deutete daraufhin, dass es hier vor nicht allzu langer Zeit geregnet haben musste. Die Dämmerung hatte bereits begonnen. Er schätzte unter Einbeziehung der Jahreszeit, dass es etwa acht Uhr abends war. Der Gesang der Vögel und das Quaken der Frösche vertrieben die unheimliche Atmosphäre, die so typisch für die totenstillen und tiefen Wälder war. Kakashi atmete die frische Luft ein, die nach nasser Erde roch und legte dann seinen Kopf in den Nacken, um sich die beeindruckend hohen Bäume anzuschauen. Die grünen Blätter, von denen hin und wieder Regentropfen herunterfielen, das Aroma, das durch den Kontakt des Regens und der Erde erzeugt worden war und die fröhlichen Klänge der Tiere hatten etwas Idyllisches. So stellte Kakashi sich den Frieden vor, auch wenn der Schein trog.
 

Yamato biss hungrig in ein Sandwich und musterte währenddessen den Grauhaarigen, der mit dem Rücken zu ihm stand und, so wie es aussah, über etwas nachdachte.
 

„Worüber denkt Ihr nach, Senpai?“ Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, den Jounin zu stören, doch sein Gefühl sagte ihm, dass etwas nicht stimmte.
 

Sein Vorgesetzter gab ihm keine Antwort darauf. Stattdessen griff er in seine Tasche und begann, darin herumzukramen. Ein schwarzer Kapuzenpullover wurde zum Vorschein gebracht, ehe der Grauschopf abermals seine Hand in den Rucksack eintauchte. Was er diesmal hervorholte stellte Yamato erst auf den zweiten Blick fest und er war mehr als nur erstaunt darüber.
 

„M-Make-up, Kakashi-senpai?“, fragte er stockend. Ungläubig beobachtete er den Jounin dabei, wie dieser sich auf seinen Rucksack setzte, einen kleinen Spiegel aufklappte, unsicher die Tube aufdrehte und anschließend anfing, die Narbe an seinem linken Auge zu überschminken.
 

„Kakashi-senpai?“ Der letzte Bissen seines Brotes war ihm im Hals stecken geblieben.
 

„Ja?“, kam es tonlos von dem Älteren, als wüsste er nicht so recht, warum sein Kohai sich so benahm.
 

„Was tut Ihr da?“
 

„Ich verdecke meine Narbe.“
 

„Ja, aber warum?“
 

„Meine Narbe ist ein markantes Merkmal meines Gesichts und deswegen werde ich versuchen, sie zu überschminken, damit sie nicht mehr so auffällt.“
 

„Das gleiche gilt aber für Ihr geschlossenes, linkes Auge … und die Maske.“
 

„Dafür habe ich das hier“, antwortete der Jounin und hielt eine kleine Dose hoch. „Da habe ich eine schwarze Kontaktlinse drin“, erklärte er aufgrund des Stirnrunzelns des Jüngeren. Dann widmete sich der 29-Jährige wieder seiner Narbe. Er tat sich schwer damit, weil er sich natürlich noch nie geschminkt hatte und er hoffte nur, dass er das auch nie wieder tun musste.
 

Zehn Minuten später erinnerte fast nichts mehr an den Jounin Hatake Kakashi. Die Narbe konnte man nicht mehr so deutlich erkennen, das sonst ungleich farbige Augenpaar wies nun gleichermaßen abenschwarz auf und die Maske war durch einen Schal ersetzt worden, der bis zur Mitte der Nase ragte. Tenzou musterte den Kopierninja eindringlich und dabei hatte er das Gefühl, als stünde eine ganz andere Person vor ihm.
 

„Wir gehen weiter“, befahl der Teamführer anschließend und zwang den Brünetten damit indirekt, seine neugierigen Augen von ihm zu lösen.
 

Schnell und zielsicher zogen sie durch den Wald. Ein weiter Weg lag vor ihnen und diesen galt es so schnell wie möglich zu bewältigen. Konoha konnte diese beiden erfahrenen Shinobi nicht für eine allzu lange Zeit entbehren, mangelte es dem Dorf doch zurzeit erheblich an Ninja.
 

Wie auf Knopfdruck zogen die beiden Konoha-Ninja die Handbremse und kamen in einer hockenden Körperhaltung, die Hände auf dem Ast abgestützt, zum Stehen. Der Austausch eines Blickes genügte, um sicherzugehen, dass beide dasselbe spürten und somit nicht von ihren Sinnen betrogen worden waren. Grazil sprang der Grauhaarige hinab und traf geschmeidig auf dem nassen Boden auf. Yamato zog gleich und machte einen Satz von der Eiche, wo er dicht hinter Kakashi aufkam. Sogleich machte er sich daran, hinter einem Baum Deckung zu suchen, doch ein Handzeichen des Älteren veranlasste ihn dazu, inne zu halten. Und da fielen ihm die erst vor einigen Stunden gesagten Worte des Jounin ein.
 

„Wir werden als ganz gewöhnliche Zivilisten und am helllichten Tag in Kumogakure einmarschieren.“
 

Verstehend nickte der Anbu und verließ den Schatten, den der riesige Baum auf ihn nieder warf.
 

Spazierend setzten sie ihren Weg fort. Seelenruhig fing ihr Gespräch an, alsbald brodelte gespielte Leidenschaft auf. Die heiße Diskussion darüber, ob in den Ninja-Schulen Uniformen getragen werden sollten, war im vollen Gange. Entgegen seines Charakters diskutierte Kakashi mit Herzblut und stand wie ein Fels in der Brandung hinter seiner Meinung. Zumindest tat er so. Es kostete ihn einiges an Mühe, so lebendig daher zu reden, aber was tat man nicht alles, um unnötigen Ärger zu vermeiden?
 

Beide spürten, wenn auch nur ganz schwach, wie sich die Unbekannten in rasantem Tempo näherten. Es war anzunehmen, dass es sich um hochqualifizierte Ninja handelte, denn es gab nicht viele, die ihr Chakra in so hohem Maße gezielt herunterschrauben konnten, während sie sich in Bewegung befanden.
 

Das fremde Chakra erlosch schließlich vollkommen, was nur einen einzigen Schluss zuließ: Sie waren da.
 

Die beiden Konoha-Shinobi taten so, als würden sie nicht merken, wie sie von vier Augenpaaren aus sicherer Entfernung akribisch beobachtet wurden.
 

Einige Minuten diskutierten Kakashi und Tenzou ungestört weiter, wobei sie darauf achteten, sich so authentisch und unauffällig wie möglich zu benehmen. Während sie sich munter unterhielten, ging in ihrem Kopf etwas anderes vor sich. Wann würden diese Ninja angreifen? Würde es zu einem Kampf kommen?
 

Alle möglichen Szenarien spielten sich wie ein Film vor ihnen ab. Das Problematische an der Sache war, dass sie die Unbekannten überhaupt nicht einschätzen konnten. Es war nicht auszuschließen, dass sie sie nur beobachteten, um festzustellen, ob Gefahr von ihnen ausging. Das wäre aber ein Ausgang, der zu schön war, um wahr zu sein. Und ehe sie diesen Gedanken beiseitegeschoben hatten, tauchte einer neben dem Grauhaarigen und einer zur Seite des Brünetten auf, die, gemäß der Rolle, die sie spielten, einen leicht geschockten und überrumpelten Gesichtsausdruck aufsetzten, obwohl sie darauf vorbereitet gewesen waren.
 

„Nennen Sie mir Ihren Namen!“, befahl derjenige, der ein Kunai an die Kehle von Kakashi hielt, barsch.
 

Anhand seines Stirnbandes konnte der Jounin erkennen, dass sie aus Kumogakure stammten. Überraschen tat ihn das ganz und gar nicht. Alle Dörfer waren seit dem Angriff Pains auf Konoha sehr vorsichtig und sicherten die Grenzen sämtlicher Gebiete, sodass kein Feind unbemerkt ein Fuß in ihr Land setzen konnte. Und dabei hielten sie sich noch nicht einmal in Kumogakure auf. Der Raikage wollte wohl auf Nummer sicher gehen!
 

„Ich bin Matsumoto Naoki und das ist", er machte eine Kopfbewegung auf Yamato nach rechts, da er ergebend beide Hände bis zu seinem Gesicht erhoben hatte, "Yamazaki Hitoshi.“
 

„Hallo“, sagte Tenzou eingeschüchtert und lächelnd zu dem Mann, dessen Kunai Kakashis Kehle immer noch ansatzweise berührte. Ihm selbst ging es allerdings nicht viel besser. Sein „Aufpasser“ drohte ihm ebenfalls mit einem Gegenstand, der eine Mischung aus Messer und Kunai war.
 

„Woher kommen Sie und wo wollen Sie hin?“ Bitterer Ernst hörten die Angesprochenen heraus. Und auch die Haltung - die aufrechte Haltung - zeigte, dass mit ihnen nicht gut Kirschen essen war.
 

Ich muss mir schnell etwas einfallen lassen, schoss es Kakashi durch den Kopf. Sein Verstand arbeitete auf Hochtrieb. Lediglich zwei bis drei Sekunden blieben ihm, um diesen Männern eine glaubwürdige Erklärung zu geben, ohne dass sie Verdacht schöpften. Seine überdurchschnittliche Intelligenz ermöglichte es ihm, hunderte von Gedanken in dieser kurzen Zeitspanne zu erfassen und ihre Auswirkungen auszuwerten. Während das Chaos in seinem Kopf ausbrach strahlte er nichts als seine typische Gelassenheit aus. Die Monotonie und die Stabilität seiner Stimme war für Außenstehende ein Beleg für seine Selbstsicherheit. Und wo Selbstsicherheit war, da konnte Glaubwürdigkeit nicht allzu weit sein.
 

„Wir kommen aus Konohagakure und sind auf dem Weg nach Kumogakure“, antwortete er wahrheitsgemäß, weil er nach reiflicher Überlegung erkannt hatte, dass sie dadurch keine Nachteile zu erwarten hatten. Außerdem hatte er Zeit geschunden, indem er ganz bewusst darauf verzichtet hatte, den Grund seiner Reise zu nennen. Zweifelsohne würde der Fremde das in Erfahrung bringen wollen. Und er sollte sich nicht irren.
 

„Was wollen Sie dort?“, sprach ihn wieder sein Beschatter an, der wahrscheinlich um die vierzig Jahre alt war. Jedes Teil seiner Kleidung war kohlschwarz und verlieh ihm eine gefährliche Aura. Da alle vier identisch aussahen ging Kakashi davon aus, dass sie ein Sonderteam waren, denn so recht konnte er sie nicht einordnen.
 

„Mein Bruder lebt dort und wir besuchen ihn alle paar Monate für einige Tage.“
 

Kakashi lächelte, auch wenn man das wegen dem Schal nicht sah. Nur seine zu einem Regenbogen geformten Augen ließen darauf schließen.
 

Der Mann zu Kakashis Linken zögerte. Die zu Schlitzen verengten haselnussbraunen Augen schauten so durchdringend drein als wagten sie den Versuch, die Wahrheit zu ersehen. Misstrauen sah der Grauschopf deutlich heraus. Ja, dieser Mann glaubte ihm kein einziges Wort. Plan B tauchte daher vor seinem inneren Auge auf, fiel dann aber sofort wieder bröckelnd auseinander. Denn diese Variante war in diesem Fall kontraproduktiv. Doch welche andere Möglichkeit hatten sie, sollten die Männer sie nicht passieren lassen? Rückzug. Aber auch diese Alternative war keine Lösung, zumindest nicht für Hatake Kakashi, der diese Mission so schnell wie möglich zu einem Ende bringen wollte. Ihr Dorf brauchte sie schließlich.
 

„Was machen wir jetzt mit ihnen?“, wendete sich nun der Mann zu Yamatos Rechten an den, der den Grauhaarigen visuell fixiert hatte - stechend fixiert hatte.
 

Noch bevor er Stellung bezog spürten die beiden betroffenen Ninja, dass dieser Mann, der offensichtlich der Teamleader war, sie zurück nach Konoha schicken würde.
 

„Es tut mir leid, aber ich kann Sie in diesen Zeiten unmöglich in unser Dorf lassen.“ Die Stimmfarbe des Teamleaders hatte sich aufgehellt und gab Kakashi und seinem Kohai das Gefühl, als bedauerte er es tatsächlich. Das kam sehr unerwartet, denn vor zehn Sekunden noch machte er den Eindruck, als wollte er ihnen am liebsten an Ort und Stelle das Herz herausreißen - und das bei lebendigem Leib! Dadurch wurde Kakashi nochmals klar vor Augen geführt, wie empfindlich die Leute geworden waren und er konnte es ihnen noch nicht einmal verübeln. Die Bilder seines Dorfes, das zurzeit nichts mehr bot als Schutt, Asche und noch mehr Schutt und Asche, erschien in tristen Farben vor ihm. In ein paar Minuten wurde alles, wofür jahrelang hart gearbeitet und tapfer gekämpft worden war, dem Erdboden gleichgemacht. Diese Katastrophe hatte tausende Menschen brutal aus ihrem Leben gerissen. Und wer konnte schon wissen, wen es als nächstes traf? Vorsicht war geboten.
 

Prüfend erwiderte Kakashi den nun etwas sanfteren Blick seines Gegenübers. Was wohl gerade in ihm vorgeht?, fragte er sich still. Er wollte seine Chancen abwiegen, wollte wissen, ob er einen neuen Anlauf starten sollte oder ob es zwecklos war. Er entschied sich letztendlich, frei nach dem Motto „Fragen kostet nichts“, für ersteres.
 

„Ich weiß zwar nicht, was genau Sie befürchten, aber ich kann Ihnen versichern, dass wir in Frieden kommen und nicht vorhaben, irgendwas zu tun, dass dem Dorf schaden könnte. Bitte, überdenken Sie Ihre Entscheidung.“
 

Wieder zögerte der Teamführer. Vielleicht lag es an der ehrlichen Ausstrahlung, die von Kakashi ausging. Vielleicht war es auch nur der verzweifelte Versuch, dem Fragenden aus Höflichkeitsgründen nicht direkt ein barsches Nein ins Gesicht zu knallen. Vielleicht war es aber auch etwas völlig anderes. Wer konnte das schon mit Sicherheit sagen, von ihm selbst abgesehen?
 

Irgendetwas Unscheinbares regte sich in dem Gesicht des Mannes. Es stach nicht klar hervor und erstreckte sich zeitlich auf weniger als eine Sekunde. Ein Wimpernschlag, der nicht im sonstigen Rhythmus getan wurde. Ein Wimpernschlag, nicht mehr. Offenbar war ihm ein plötzlicher Einfall gekommen. Das entging dem Kopierninja nicht, ebenso wenig wie …
 

Eine Faust flog ungeheuer schnell auf Kakashi zu und traf ihn mit voller Wucht am Unterkiefer. Ein langgezogener, berechnender Schrei begleitete seinen Aufprall auf den nassen Boden. Unverständliche Laute verließen seinen leicht geöffneten Mund, die von dem Schal, der glückerlichweise vorher von ihm kräftig festgebunden worden war, größtenteils verschluckt wurden. Mit weit aufgerissenen Augen sah er schließlich hoch und hielt sich an die Stelle, die von dem harten Schlag getroffen worden war.
 

Mit ungerührter Miene sah der Teamführer auf Kakashi herab, schwieg und zeigte auch sonst keinerlei Reaktion. Die geschockte Mimik des Grauschopfs tarnte die Tatsache, dass die Aktion ihn keineswegs überrascht hatte. Er verhielt sich ruhig und überließ es kalkulierend dem Teamleader, zuerst das Wort zu erheben. Das tat dieser schließlich auch, nachdem er Kakashis Reaktion augenscheinlich zu genüge studiert hatte.
 

„Sie dürfen passieren“, sagte er kurz und knapp und reichte dem grauhaarigen Shinobi die Hand, um ihm beim Aufstehen behilflich zu sein.
 

„Wieso denn so plötzlich?“, wollte Tenzou wissen, obgleich er die Antwort selbstverständlich kannte.
 

Der Teamleader kehrte ihnen den Rücken zu, gab dem Mann, der Yamato bewachte, ein Handzeichen zum Rückzug und schaute dann über seine Schulter hinweg zu den beiden Konoha-Ninja.
 

„Meinen Schlag hätte ein Ninja mit Leichtigkeit abwehren können, ein Ungeübter hingegen hätte ihn nicht mal kommen sehen.“ Mehr sagte er dazu nicht. Gemeinsam mit seinem restlichen Team war er dann auch schon verschwunden und hinterließ nichts als einen Luftzug.
 

„Das war knapp“, verließ es Kakashi sichtlich erleichtert. „Hätte er uns nicht durchgelassen, wären wir um einen Kampf nicht herum gekommen. Das wiederrum hätte zu viele negative Folgen und Probleme mit sich gebracht.“
 

„Ja, Gott sei Dank ist alles gut gegangen. Wie sieht es mit Eurem Kiefer aus, Kakashi-senpai? Ist alles in Ordnung?“
 

„Ach, darüber mach dir mal keine Gedanken. Es ist alles bestens“, meinte er lächelnd zu dem Jüngeren und klopfte sich den Dreck von der Kleidung. Dann marschierte er einfach weiter.
 

Tenzou schaute ihm etwas verwundert hinterher und murmelte nur schmunzelnd „Ich werde es wohl nie erleben, dass Ihr zugebt, Schmerzen zu haben“ vor sich hin, bevor er ihm folgte.
 

Eine lange Zeit durchschritten sie den Wald im normalen Schritttempo, denn sie wollten es zu diesem Zeitpunkt nicht riskieren, von dem Spezialteam dabei erwischt zu werden, wie sie blitzschnell von Baum zu Baum sprangen. Ihre Tarnung durfte auf keinen Fall auffliegen.
 


 

„Lasst mich gehen“, forderte er in einem harschen Ton, obwohl er der festen Überzeugung war, dass er diesen Ort niemals lebend verlassen würde. Der Faden, an dem sein Leben hing, schlang sich um den knochigen, blutigen Finger der roten Wolke. Wochen oder Monate, so genau konnte er das nicht sagen, hatte er schon in diesem verhassten Ort zubringen müssen. Er hätte ihnen niemals in die Hände fallen dürfen …
 

Die Kleidung hing ihm in Fetzen an seinem überangestrengten Körper herunter, von Dreck und Blut besudelt. Eine feine Schnittwunde zog sich über seine Brust, aus der in schmalen Rinnsalen Blut sickerte. Stören tat es Neji nicht, vielmehr ignorierte er sämtliche Verletzungen, die er sich im Kampf mit seinem Schattendoppelgänger zugezogen hatte. Er durfte sich nicht auf sein Talent ausruhen, wenn er den Jounin-Wettbewerb gewinnen wollte. Ihm blieben nur noch drei Wochen und bis dahin musste er sich vor allem in Punkto Taijutsu verbessern.
 

Er war so vertieft in sein Training an dem kleinen Fluss, der von einem Wäldchen umgeben war, dass er den Akatsuki, der sich mit einem Baum vereint hatte, nicht bemerkte. Vermutlich hatte er sich verausgabt und die fehlende Energie wirkte sich negativ auf seine Instinkte aus.
 

Erst im letzten Moment spürte er Zetsu, doch da war es auch schon zu spät. Er konnte nicht einmal sagen, wie er außer Gefecht gesetzt worden war. Sowas war ihm noch nie passiert.
 

Als er wieder das Bewusstsein erlangte, fand er sich angekettet in einer Höhle wieder und ein triumphierendes Lachen erklang schmerzhaft laut in seinen Ohren, obgleich es kaum hörbar war. Uchiha Madara.
 

„Brauchen wir ihn noch?“, sprach eine Stimme aus der dunklen Ecke und holte Neji wieder zurück in die bittere Realität. Die Monotonie, die ihr inne wohnte, bescherte ihm eine unangenehme Gänsehaut. Sie war ihm in bester Erinnerung geblieben. Pain. Die Antwort auf dessen ebengestellte Frage konnte er von seinem Standpunkt aus nicht hören.
 

In stolzer Haltung trat Pain aus dem Schatten und ging auf den Gefangenen zu, der trotz der chakrabändigenden Ketten an Fuß und Hand in eine Verteidigungsposition überging. Das Klirren der aufeinandertreffenden Ketten hallte wie Echo von dem trostlosen Gestein der dunklen Höhle wider. Der Orangehaarige blieb mit einem kleinen Sicherheitsabstand stehen und konfrontierte den Gefangen zunächst mit der kühlen Aura, die von ihm ausging. Lange hielten Rinnegan und Byakugan einander stand, taten nichts weiter, als einander zu erkunden.
 

„Hyuuga Neji“, der sachliche Klang beim Aussprechen seines Namens war ein weiterer Beweis dafür, dass Akatsuki wahllos Menschen in ihre Machenschaften integrierten. Ob sie nun Person C entführten oder G war völlig belanglos. Es zählte immer nur das Ziel, welches sie sich gesetzt hatten. Die Gefühlslosigkeit, mit der sich der Jounin konfrontiert sah, versetzte ihm einen Stich. Eigentlich sollte er sich über nichts mehr wundern, dachte er verbittert, als er in den lila Seelenspiegel, die doch keine waren, das Bild seines zerstörten Dorfes sah.
 

Er reagierte nicht auf den Ruf seines Namens, regte sich kein Stück. Sein Gegenüber wartete trotzdem einige Sekunden ab und fuhr dann in demselben gefühlskalten Tonfall fort.
 

„Sie können sich glücklich schätzen, denn Sie sind der erste, der als ein Nicht-Mitglied diese Höhle nach einer Gefangenschaft lebend verlassen wird.“
 

Sämtliche Züge entglitten dem Brünetten und Sprachlosigkeit sprach aus diesen. Er würde die Höhle verlassen dürfen? Als erster von x-Personen? Noch ehe er sein fragliches Glück realisieren konnte, trübte schon eine Frage die aufkommenden Gefühle: Wie hoch würde der Preis für seine Freilassung sein?

Im Reich des Blitzes - Teil 1

[Dieses Kapitel ist Sandoran gewidmet, weil er mich auf etwas hingewiesen hatte, das ich hier eingebracht habe =)]
 

Sämtliche Züge entglitten dem Brünetten und Sprachlosigkeit sprach aus diesen. Er würde die Höhle verlassen dürfen? Als erster von x- Personen? Noch ehe er sein fragliches Glück realisieren konnte, trübte schon eine Frage die aufkommenden Gefühle: Wie hoch würde der Preis für seine Freilassung sein?
 


 

Was haben die Kerle nur vor?, fragte sich Neji, während er Pain und Madara dabei zusah, wie sie sich leise unterhielten. Kein einziges Wort konnte er verstehen, wobei er sich nicht sicher war, ob er das auch tatsächlich wollte. Dass sie nichts Gutes im Schilde führten, war gar nicht abzustreiten. Er dachte noch immer über seine baldige Freilassung nach. Sie ließen ihn sicher nicht aus guten Absichten, Mitleid oder gar, weil sie eine gute Erziehung genossen hatten, frei. Doch warum genau taten sie diesen Schritt? Er wäre schon froh gewesen zu erfahren, warum sie ihn überhaupt entführt hatten. Zudem beschäftigte es ihn, was während seiner Abwesenheit in Konoha geschehen war. Warum war noch keiner aufgetaucht, um ihn aus seiner Lage zu befreien? Er ging davon aus, dass man die Höhle nicht entdeckt und nach tagelanger Suche schließlich aufgegeben hatte. Andererseits hieß ihr Gegner Akatsuki, was bedeutete, dass nahezu nichts unmöglich war. Wegen diesen verdammten Bastarden hatte er höchstwahrscheinlich den Jounin-Wettbewerb verpasst! Und dabei hatte er sich wochenlang darauf vorbereitet, um endlich zeigen zu können, was alles in ihm steckte.
 

Pain kehrte zu ihm zurück, gefolgt von dem gefürchtetsten Uchiha. Unwillkürlich aktivierte sich sein Byakugan, um den Feind gnadenlos mit seiner Verachtung zu konfrontieren. Beeindruckt war jedoch keiner von beiden.
 

Ohne ein weiteres Wort vollführte Pain Fingerzeichen vor seinen eigenen Augen und drückte ihm anschließend die Handinnenfläche auf die Stirn. Noch ehe Neji die Gelegenheit hatte, darüber nachzudenken, was er vorhatte, verlor er schon das Bewusstsein.
 

Der Uchiha betrachtete mit ungerührter Miene sein hilfloses Opfer, welches wie ein nasser Sack an seinen Ketten herunterhing, die braunen Haare das vollständige Gesicht bedeckend.
 

„Gute Arbeit“, sagte Madara gefühlskalt an Pain gewandt.
 

„Wie sieht der nächste Schritt aus?“ Pains Stimme war noch kälter als die Madaras.
 

„Zetsu-san soll ihn an den Ort zurückbringen, wo er ihn entführt hat. Er soll Acht darauf geben, dass ihn niemand dabei beobachtet.“
 

„Ja“, erwiderte er und entfernte sich von seinem Platz, um allen Anschein nach den Befehl seines Anführers weiterzugeben.
 

Madara blieb noch eine Weile an Ort und Stelle und musterte die Gestalt, dessen einziger Halt die Ketten waren. Wie das Leben manchmal spielte! Eben noch waren es diese Ketten, die den Hyuuga von der Freiheit trennten und nun waren sie es, die ihn vor dem schmerzhaften Aufprall auf den Boden bewahrten.
 

Sein Plan nahm langsam Form an. Was er zufällig durch den Zetsu-Neji-Klon über den Fluch der Hatakes erfahren hatte, gab seinem Ehrgeiz nochmals einen Schub. Um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, brauchte er ohnehin den Kopierninja. Und wenn er ihn schon mal hatte, konnte er sich das auch gleich holen, vorausgesetzt, es klappte alles.
 


 


 

Sakura und Ino spazierten durch den Markt Konohas, der ihnen die Früchte von Pains Angriff in aller Deutlichkeit vor die Augen führte. Fleißig arbeiteten freiwillige Zivilisten, vom Kinde bis zum Greis, daran, diesem einst so schönen, farbenfrohen Ort wieder Leben einzuhauchen. Die beiden Kunoichi wurden beinahe täglich im Krankenhaus gebraucht und hatten, wie viele andere Ninja, kaum noch Freizeit. Der Anblick der zerstörten Innenstadt ließ sie immer noch sprachlos werden.
 

„Ist es nicht merkwürdig“, begann die Blonde aus heiterem Himmel, als sie den Markt hinter sich gelassen hatten, „dass Tsunade-sama erst kürzlich ein Jounin-Wettbewerb veranstaltet hat, wo das Dorf doch zur Zeit weiß Gott größere Sorgen hat und es uns derzeit ohnehin erheblich an Ninjas fehlt? So viele haben bei dem Angriff von Akatsuki ihr Leben lassen müssen.“ Der letzte Satz war nur noch ein Flüstern gewesen, der sich fast in der vorbeigezogenen leichten Windböe verloren hatte, doch Sakura hatte es verstanden. Sanft dreinschauend drehte sie sich zu ihrer Freundin um, die ihren Kopf etwas gebeugt hielt und aus deren blauen Augen Betrübnis sprach.
 

„Als ich davon erfahren habe, dass dieser Wettkampf stattfinden soll, habe ich genau dasselbe gedacht wie du, Ino. Aber dann habe ich zufällig ein Gespräch zwischen Tsunade-sama und den Dorfältesten mitbekommen …“
 

„Das ist doch nicht Ihr Ernst!“, empörte sich Koharu über die Entscheidung der Hokage, ein Wettbewerb für die Jounin zu veranstalten.
 

„Und ob das mein Ernst ist!“, gab die temperamentvolle Blonde zurück und erhob sich von ihrem Sessel, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen.
 

„So eine Veranstaltung in unserer derzeitigen Situation zu veranstalten könnte sich als fataler Fehler erweisen. Die Jounin sind unsere besten Kämpfer und mit diesem Wettbewerb würden wir sie schwächen, wodurch wir uns angreifbar machen. Was sollen wir tun, wenn Akatsuki erneut in unser Dorf eindringt? Was haben wir ihnen entgegenzusetzen, wenn unsere Ninja-Elite ausgelaugt ist? Erklärt mir das bitte, Hokage-sama.“ Auch Homura konnte nicht fassen, zu welch einer irrsinnigen Idee sich die Hokage hinreißen ließ.
 

„Akatsuki wird nicht angreifen. Das versichere ich Euch“, sagte Tsunade eindringlich und hielt den Blicken der Ältesten mühelos stand.
 

„Wie könnt Ihr Euch nur darauf verlassen, dass nichts passiert? Diese Organisation ist nicht einzuschätzen. Es wäre sogar möglich, dass sie schon morgen wieder vor den Toren stehen.“
 

„Das wird nicht passieren!“, wiederholte die Godaime lauter als zuvor. „Nach allem, was passiert ist, sehnen sich alle nach ein Stück Normalität. Seht Ihr denn nicht, wie mutlos und verzweifelt sie sind? Dieser Wettbewerb wird sie ein wenig aufheitern, sie auf andere Gedanken bringen und ihnen ein paar schöne, aufregende Stunden bescheren. Was ist daran verkehrt, verdammt?“ Zum Ende hin hatte sie fast geschrien. Sie war es leid, dauernd mit den Ältesten über sämtliche Entscheidung diskutieren zu müssen.
 

„Seid Ihr noch bei Sinnen?“, war das einzige, was Koharu sagte, wobei sie missfällig den Mund verzog.
 

Obgleich es eine rhetorische Frage war, antwortete Tsunade dennoch. Sie sagte: „Ich war noch nie so bei Verstand wie jetzt. Jede Entscheidung, die ich treffe, treffe ich zum Wohle meines Dorfes und seinen Einwohnern. Nach all dem Leid, welches sie in letzter Zeit erfahren haben, verdienen sie ein paar Stunden Unbekümmertheit. Ich habe es satt, von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit gezeichnete Gesichter zu sehen. Ich will die Bürger Konohas wieder lachen hören.“ Ihre Faust schlug kraftvoll auf den Schreibtisch auf.
 

Für einen kurzen Augenblick sagte keiner etwas.
 

„Also gut“, sagte Homura schließlich. „Ihr sollt Euren Willen haben. Ich hoffe aber, dass Ihr mit dieser Entscheidung leben könnt, sollte etwas Unerwartetes geschehen.“
 

„Ach so, nun verstehe ich es“, sagte Ino, den Blick noch immer gegen den Boden gerichtet.
 

„Ich glaube, das war eine gute Entscheidung von Tsunade-sama. Die Bürger Konohas haben neue Kraft geschöpft. Sie wurden von ihren Problemen abgelenkt und konnten wenigstens für ein paar Stunden so tun, als ob alles in bester Ordnung ist.“
 

„Ja“, entgegnete Ino nun … lächelnd.
 


 


 

„Kuchiyose no Jutsu!“

Eine Schar Hunde erschien direkt vor ihnen, bereit, den Befehl ihres Meisters entgegenzunehmen.
 

„Yo“, begrüßte der Kleinste unter ihnen, Pakkun, die beiden Shinobi und hob seine kleine Pfote. „Na, was können für dich tun, Kleiner?“
 

„Wir –“
 

„Wie seht ihr denn aus?“, unterbrach Pakkun den silberhaarigen Jounin plötzlich, als ihm auf dem zweiten Blick auffiel, dass sie sich äußerlich anders präsentierten als sonst. „Und was macht dein Anhängsel hier? Sollte der nicht eigentlich helfen, das Dorf wieder aufzubauen, anstatt in engen hellblauen Jeans und einem noch bekloppteren aussehenden T-Shirt einen Spaziergang durch den Wald zu machen?“, richtete sich Pakkun in seiner typischen gelangweilten Miene an seinen Meister. Kakashi kam nicht dazu, irgendwas darauf zu antworten, denn Tenzou trat zum Konter nach vorne. Er beugte sich zu dem kleinen Mops herunter und verzog das Gesicht zu einer unheimlichen Grimasse, die angsteinflößend und albern zugleich aussah. Sie war fast schon sowas wie eine Geheimwaffe, die er des Öfteren einsetzte. Auch die Schüler seines Vorgesetzten, Naruto und Sakura, hatten schon Bekanntschaft damit gemacht. Er bedauerte es nur, dass er keine Taschenlampe zur Hand hatte, um seine verzogenen Züge noch eine unheimlichere Note zu verleihen.
 

„Kleine Wesen wie du sollten sich lieber nicht mit Großen anlegen. Das könnte ordentlich ins Auge gehen, weißt du?!“ Er hatte sogar seine Stimme etwas verstellt, doch Pakkuns Gesichtsausdruck zufolge - der unbeeindruckt, um mich nicht zu sagen, absolut gelangweilt aussah – hatte sich das nicht ausgezahlt.
 

„Hat dich deine Mutter als Kind dreimal hochgeworfen und nur – wenn überhaupt – zweimal aufgefangen?“, gab Pakkun gelassen von sich und sorgte dafür, dass Tenzou abrupt seinen Kopf zurückzog. Der ist Kakashi-senpai erschreckend ähnlich, dachte er noch, ehe besagter Jounin, der das kleine Wortgefecht gekonnt ignoriert hatte, dort weitermachte, wo er das letzte Mal unterbrochen wurde.
 

„Wir wollen nach Kumogakure, aber die Grenzen werden überall bewacht. Sucht also das ganze Gebiet ab und findet eine Stelle, wo jemand steht, der weder Tenzous Gesicht noch meins kennt.“
 

„Kein Problem. Dauert nicht lange“, kam es sogleich von Pakkun und keine Sekunde später waren die Ninken verschwunden.
 

„Hoffentlich geht das wirklich schnell, denn langsam bricht die Nacht über uns ein“, bemerkte Tenzou, als er einen Blick gegen den Himmel warf, der sich leicht verdunkelt hatte.
 

„Pakkun weiß schon, was er tut. Er ist bestimmt in wenigen Minuten zurück. Wir können uns ja solange ein wenig ausruhen“, schlug Kakashi vor und ließ sich dann schließlich auf einen Felsen nieder, der unter den herunterhängenden Ästen und reichlichen Blätter eines beeindruckend hohen Baumes lag.
 

„Das ist eine gute Idee, Kakashi-senpai“, verließ es den Anbu gähnend, als er sich ebenfalls zum Felsen begab und dort hinsetzte.
 


 

„Hat dich auch wirklich niemand gesehen?“, wollte Madara wissen, nachdem sein Untergebener den Hyuuga zurück nach Konoha gebracht hatte.
 

„Mich hat mit Sicherheit niemand gesehen, Tobi“, gab die weiße Seite Zetsus ruhig und in einem langsamen Tempo von sich.
 

„Gut. Niemand darf uns auf die Schliche kommen. Jetzt brauche ich nur noch Hatake Kakashi und wir können den Plan in Angriff nehmen.“ Seine dunkle Stimme hatte etwas sehr Bedrohliches und ein Blitzen trat in das blutige Rot seines Sharingans.
 

„Da werdet Ihr Euch aber noch etwas gedulden müssen. Der Kopierninja ist zurzeit auf Mission und er ist nicht alleine. Wir müssen einen günstigen Moment abwarten“, sagte er und erwiderte den Blick seines Vorgesetzten.
 

„Ja, dessen bin ich mir bewusst. Konoha hat kaum noch erfahrene Ninja. Viele sind im Kampf gegen Nagato gestorben. Wir werden sicher nicht lange warten müssen, bis Kakashi-san alleine auf eine Mission geschickt wird. Genau dann werden wir ihn abpassen.“ Eine unerschütterliche Ruhe ging von dem Kopf der Organisation aus und täuschte über den Umstand hinweg, dass er der Erreichung seines Ziels schon seit geraumer Zeit entgegenfieberte.
 


 

Kleine Blitze zuckten schmerzhaft in seinem Kopf, weswegen er stöhnend seine Hand auf diesen presste, ehe er sich langsam erhob. So recht wusste er nicht, was er hier tat. Er sah sich um und erkannte sofort, dass er sich an seinem selbstausgewählten Trainingsplatz im Wald an dem kleinen Fluss befand. Doch wie war er hierhin gelangt? Er konnte sich kaum erinnern. Ich habe es dieses Mal mit dem Training wohl etwas übertrieben, schlussfolgerte er aufgrund der scheinbar kleinen Gedächtnislücke, die er für nicht weiter wichtig hielt.
 

Die Dämmerung verdrängte das schummerige Licht der Sonne und führte Konoha allmählich in die Dunkelheit. Neji machte sich unter den schlimmsten Kopfschmerzen seines Lebens auf den Weg nach Hause. Nicht der Schatten eines Zweifels legte sich auf seinen Verstand, keine Spur der Erinnerung an seine Gefangenschaft fand sich in seinem Gedächtnis. Es war ausgelöscht worden und für immer verloren.
 


 

„Etwa zwei Kilometer von hier, auf zwölf Uhr, steht ein junger Kerl, vermutlich erst um die sechzehn Jahre alt. Er sieht zwar sehr bodenständig und widerspenstig aus, aber trotzdem solltet ihr keine Probleme damit haben, ihn mit eurem Charme um den Finger zu wickeln und ihn dazu zu bringen, euch passieren zu lassen. Er wird mit Sicherheit keinen von euch kennen“, ließ Pakkun die beiden Konoha-Shinobi mit einem Ist-das-alles-nervig Blick wissen.
 

„Gute Arbeit“, lobte Kakashi seine Hunde und streichelte ihnen allen kurz durchs Fell, bevor sie sich in einer grauen Rauchwolke auflösten.
 

„Wir gehen weiter“, rief er dann seinem Kohai zu und eilte voraus.
 


 

Es dauerte nicht lange, bis Kakashi und sein Teammitglied die von Pakkun ausgewählte Stelle erreicht hatten. Die langsam über sie kommende Nacht hatte sie zur Eile getrieben. Menschen, die nachts auftauchten, vertraute man grundsätzlich weniger. Ob es daran lag, dass die meisten die Dunkelheit mit dem Tod verbanden?
 

Den Wald hatten sie endgültig hinter sich gelassen. Um die Stelle, wo der Grenzübertritt erfolgen sollte, schneller erreichen zu können, waren sie durch einen schmalen, sandigen Weg gegangen, der von zahlreichen Gärten umgeben gewesen war. Nun befanden sie sich ganz in der Nähe eines bewohnten Teils Kumogakures. Direkt vor sich konnten Kakashi und Tenzou eine Aneinanderreihung von Häusern und Geschäften erkennen. Laternen brannten und es waren noch einige Menschen unterwegs, die aus der Distanz wie herumlaufende Schatten wirkten. Aus dem Augenwinkel erkannte der Kopierninja eine Gestalt, die von der Dunkelheit fast vollständig verschluckt worden war. Nur seine Silhouette war zu erkennen. Beide hatten ihn schon von einiger Entfernung gespürt, woraus sie geschlossen hatten, dass er, zumindest was die Spionage anging, nicht besonders gut versiert war. Oder er hatte seine Präsenz bewusst nicht gelöscht. Das war weitaus wahrscheinlicher, wenn man bedachte, dass man ihm diese Position anvertraut hatte. Und nur weil er noch so jung war, durfte man ihn nicht unterschätzen.
 

„Was machen Sie hier?“, tönte es plötzlich sehr laut und energisch von dem jungen Mann, der ganz langsam auf sie zukam und dabei ein Kunai in den Händen hielt, welchen er angriffsbereit dicht vor seiner Brust hielt.
 

Kakashi wartete ab, bis die Person so nah an ihn heran getreten war, dass er dessen Gesichtszüge genau sehen konnte. Er erschrak fast, als er das kindliche Antlitz sah, welches durch den angenommen Ausdruck nicht nur um einiges erwachsener, sondern auch furchteinflößender wirkte. Die kindliche Naivität hatte er offenbar vollständig aus seinem Gesicht verbannt. Das braune, leicht lockige Haar verdeckte seine Stirn und eine markante Narbe zog sich über seine linke Wange. Die Mundwinkel waren grimmig heruntergezogen.
 

„Wir sind auf der Durchreise und möchten nach Kumogakure. Sind wir hier richtig?“ Kakashi spielte den unwissenden Touristen und setzte ein freundliches Lächeln auf, um – wie es Pakkun ausdrückte – den Wachmann um den Finger zu wickeln. Bei einer Frau hätte er sicherlich bessere Chancen gehabt, soviel war sicher.
 

Der junge Ninja spuckte beinahe aggressiv vor Kakashis Füße und brachte seinen Kopf in eine provokante schräge Position. So eine arrogante Person war ihnen noch nie untergekommen. Und ausgerechnet mit diesem Rotzlöffel mussten sie sich herumschlagen!
 

„Ich kann hier niemanden durchlassen“, verlautete er, die Arme lässig ineinander verschränkt. Seine ausdrucksarme, neutrale Tonfarbe war es nicht gelungen, eine nichtvorhandende Coolness zu Tage treten zu lassen.
 

Der zwanghafte Versuch, jemanden zu repräsentieren, der er nicht war und mit arroganten Sprüchen über seine Unsicherheit hinwegzutäuschen, bot Kakashi eine glasklare Sicht auf die Art Mensch, die er vor sich stehen hatte.
 

„Du meinst, dir ist es nicht erlaubt?“, richtete er sich nun ruhigen Gemütes an den jungen Ninja. Wie man sich denken konnte, hatte der Kopierninja diese Frage aus einem ganz bestimmten Grund gestellt. Er wollte an dem aufgesetzten Ego seines Gegenübers kratzen. Es schien aber nicht so, als würde er damit Erfolg haben, denn er antwortete: „‘Nicht erlaubt‘ würde ich nicht sagen. Keiner kann mir verbieten, Leute die Grenze zum Dorf übertreten zu lassen, aber Sie will ich nicht passieren lassen. Ich kann Sie nicht leiden.“ Überheblichkeit zeichnete seine Mimik und mit seiner provokanten Körpersprache hatte er die Grenze der Erträglichkeit meilenweit hinter sich gelassen.
 

„Du kannst uns also nicht leiden? Das ist dein gutes Recht, aber ich habe mich vorher erkundigt und erfahren, dass man die Grenzen sämtlicher Dörfer übertreten darf, sofern man keine Gefahr darstellt.“ Kakashi ließ wenige Sekunden verstreichen und sagte dann fast flüsternd: „Stellen wir für dich eine Gefahr dar?“
 

Umgehend trat ein gefährlicher Ausdruck in die dunkeln Augen des jungen Ninja. Offenbar hatte Kakashi direkt ins Schwarze getroffen. Die unterschwellige Provokation, die er in diesen für Außenstehende unbedeutenden Satz gelegt hatte, hatte sein Ziel nicht verfehlt. Mangelndes Selbstwertgefühl machte Menschen angreifbar und hin und wieder konnte das für andere sehr hilfreich sein.
 

„Für mich stellt keiner eine Gefahr dar! Für wen halten Sie sich eigentlich?“, blaffte er, laut und aufbrausend. Dabei kam er Kakashi bedrohlich nah. Die einzige Sorge, die der Jounin in Anbetracht der Entwicklung dieses Zusammentreffens hatte, war ein sich schnell nähernder, unumgänglicher Kampf. Die anfängliche Abneigung des Jungen wuchs allmählich zu Feindseligkeit. Herausfordern blickte er Kakashi entgegen.
 

„Aber nein, Sie missverstehen ihn. Er hat das doch nicht so gemeint“, mischte sich nun auch Yamato ein, der die ganze Zeit stillschweigend daneben gestanden und gehofft hatte, dass sein Teamführer den Jungen schon überzeugen würde. Doch danach sah es momentan ganz und gar nicht aus.
 

„Was wollen Sie Hampelmann denn?“, fuhr er den Anbu an, nur um sich dann wieder Kakashi zuzuwenden. Der schaute sich derweil nach dem zweiten Wachmann um, der irgendwo in der Nähe sein musste. Niemand würde eine ganze Gegend von einem Sechzehnjährigen bewachen lassen, schon gar nicht, wenn dieser anscheinend aus dem Gefühl heraus agierte. Sobald zu viele und zu starke Gefühle im Spiel waren, wurde es gefährlich.
 

Kakashi glaubte, die Umrisse eines Zeltes unweit von ihrem Standort erkennen zu können. Er nahm an, dass die zweite Wache schlief. Wahrscheinlich bewachten sie sämtliche Gegenden zu zweit.
 

Mittlerweile war es stockdunkel und keine einzige Lichtquelle erlöste sie von ihrer derzeitigen Blindheit.
 

„Wenn es stimmt, was du sagst, dann würdest du uns passieren lassen. So einfach ist das“, erwiderte Kakashi gelassen und das obwohl der Junge so dicht an ihn herangerückt war, dass er dessen Atem riechen konnte. Nun, freuen tat es ihn nicht gerade.
 

„Jetzt passen Sie mal auf: Ich-habe-keinen-Bock-auf-Sie, also zischen Sie ab!“ Zwischen jedem Wort hatte er sein Gesicht ein Stückchen weiter nach vorne geschoben, sodass in ihrer Mitte kaum noch genug Platz für ein Blatt Papier war. Das erforderte anscheinend drastische Maßnahmen! Kurzerhand packte Kakashi den Jungen, drehte ihn mit dem Rücken zu sich und schlang dann von hinten seinen Arm um dessen Hals. Genauso schnell zückte er einen Kunai unter seinem Hosenbund hervor und hielt ihm den überraschten Jüngling von rechts an die Kehle.
 

„Senpai!“ Tenzou klang so, als wollte er sagen: Was um Himmels Willen tut Ihr denn da? Doch auch dieses Mal versuchte er, dem Älteren zu vertrauen, auch wenn er daran zweifelte, dass es hier noch etwas werden würde.
 

Kakashi drückte den Rücken des Jungen noch etwas stärker an seinen Oberkörper. Dann beugte er seinen Kopf etwas herunter, sodass sein Mund direkt neben dessen Ohr war. „Niemand stellt also für dich eine Gefahr dar? Du kommst ja noch nicht mal gegen einen normalen Zivilisten wie mich an“, flüsterte er ihm zu und presste ihm das Kunai etwas stärker an die Kehle.
 

Der silberhaarige Shinobi sah, wie der Junge seinen Mund etwas öffnete und doch keinen Ton herausbrachte. Stille hatte doch einen Klang.
 

Kakashi spürte, wie angespannt der Körper war, den er nach wie vor an sich gedrückt hielt. Er entschied, dass es genug war und so drehte er seinen Kopf zu Tenzou um und warf ihm einen vielsagenden Blick zu, bevor er sich abermals dem Jungen widmete.
 

Mit den Worten „Tut mir leid“ ließ er ihn los und zögerte anschließend keinen Augenblick, um sich aus dem Staub zu machen. Sie steuerten die bewohnte Gegend vor ihnen an und ignorierten das langsam verstummende Geschrei des jungen Wachen, der sich offensichtlich von dem Schock erholt hatte.
 

„Zugegeben, die Idee, an seinen falschen Stolz zu appellieren, war nicht schlecht, aber es hätte auch ordentlich in die Hose gehen können“, meinte Tenzou, während sie durch die stille Nacht eine Marktstraße in Kumogakure entlang gingen.
 

„Ich musste mich seinem Charakter anpassen. Was Besseres ist mir auf die Schnelle nicht eingefallen. Aber das ist jetzt nicht mehr so wichtig. Wir brauchen eine Unterkunft für die Nacht. Es ist zu gefährlich, wenn wir draußen bleiben. Wir könnten auffallen.“
 

„Ja, Ihr habt recht. Hier wird sich schon etwas Passendes finden lassen.“
 

Während sie durch die breite Straße marschierten, schauten sie sich aufmerksam nach einer möglichen Schlafgelegenheit um. Die Straße wirkte trotz der späten Stunde noch sehr lebendig, was vor allem daran lag, dass noch dutzende Laternen brannten und die Namensschilder einiger Geschäfte beleuchtet waren.
 

„Seht Euch das mal an, Kakashi-senpai. Diese Dinger fand ich schon als Kind gruselig. Einige von ihnen wirken fast lebendig.“ Sie waren an einem Schaufester stehengeblieben, indem mehrere Porzellanpuppen ausgestellt waren. Der Name des Ladens stand in großen Buchstaben an der Scheibe. Er nannte sich Die Puppenspielerin. Das war – wie Tenzou fand - kein besonders kreativer Name.
 

Kakashi zuckte nur die Achseln und ging weiter. Die Hände in den Hosentaschen vergraben, schlenderte er gemütlich durch die kühle Luft der Nacht und dachte an sein geliebtes Flirtparadies, in welchem er jetzt zur Entspannung nur allzu gern hineingelesen hätte.
 

Hotel Bani. Ein schmaler Riss hatte sich ihren Weg quer über die Mauern gebahnt. Eine pechschwarze, streunende Katze tauchte plötzlich aus dem Nichts neben dem brüchigen Gebäude auf und durchbrach mit ihrem Miauen die friedliche Ruhe der Nacht.
 

„Sollten wir keinen Umweg nehmen, Kakashi–senpai?“, schlug Tenzou beim Anblick des schwarzen Tieres vor, wobei sich ein dezentes Lächeln in seine Züge geschlichen hatte. Sein Respekt vor dem silberhaarigen Jounin verbot es ihm, ein spöttisches Grinsen aufzuerlegen, auch wenn er nahezu den Drang dazu verspürte.
 

Kakashi lachte als Folge dieser offensichtlichen Anspielung herzhaft auf und kratzte sich dabei in scheinbarer Verlegenheit am Hinterkopf. „Ich glaube, dieses Mal kann ich es riskieren. Wir sind immerhin zu zweit und wie heißt es doch so schön? Geteiltes Leid ist halbes Leid. Aber jetzt lass uns lieber reingehen. Es ist ziemlich kalt.“
 

„Wie Ihr wollt“, lächelte der Anbu und folgte seinem Teamführer ins alte Gebäude.
 

Das Hotel bot den Gästen von innen kein besonderes einladendes Bild. Der olivgrüne Teppich hatte im Verlauf der Jahre einen gräulichen Ton angenommen und wirkte alt und schäbig. Die einst beigen Wände wiesen an vielen Stellen dunkle Flecken auf und sahen so aus, als wären sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr gestrichen worden. Der staubige Tresen und die dahinter stehende Person vollendeten das sich darbietende Bild eines heruntergekommenen Hotels.
 

„Guten Abend“, begrüßte Kakashi die Person hinter dem Tresen; ein alter Mann mit einem altmodischen grauen Hut, der schneeweiße Haare unter sich begrub. Nahezu pausenlos nahm er einen Zug von seiner Pfeife und machte damit die ohnehin schon sehr stickige Luft nur noch unangenehmer. Als er den Mund zum Gruß öffnete, entblößte er seine Zahnlosigkeit an der oberen Front.
 

„Guten Abend, meine Herren. Was kann ich für Sie tun?“ Kakashi und Tenzou mussten ehrlich zugeben, dass sie nicht mit so einer Höflichkeit gerechnet hatten.
 

„Wir würden gerne für eine Nacht ein Zimmer buchen“, antwortete Kakashi ihm und schob seinen Schal etwas höher, weil er ein Stückchen heruntergerutscht war.
 

„Sind Sie krank?“ Der Mann sandte ihm einen kurzen besorgten Blick rüber, während er die Tür einer hinter ihm an der Wand hängenden Vitrine öffnete und den Schlüssel, über den die Nummer 45 stand, abnahm.
 

Kakashi täuschte einen Huster vor und sagte mit gespielter Schwäche: „Ich habe mich erkältet.“
 

Tenzou konnte über dieses Schauspiel nur lächeln. Es war einfach amüsant.
 

„Wir haben aber auch ein Mistwetter seit Tagen!“, beklagte er sich und reichte Kakashi dann den Schlüssel. „Ein paar Meter weiter ist eine Apotheke“, informierte er den scheinbar Kranken und zeigte mit seinem Daumen hinter sich als Zeichen, welche Richtung er dafür einschlagen musste.
 

„Das ist gut zu wissen. Haben Sie vielen Dank!“ Er schenkte dem Mann noch ein Lächeln und wünschte ihm eine gute Nacht, bevor er sich mit Tenzou zum Zimmer 45 bewegte.
 


 

Neji wachte am nächsten Morgen früh auf und stellte sogleich bitter fest, dass seine Kopfschmerzen noch immer zu spüren waren. Als wäre das nicht schon schlimm genug, waren sie auch noch um einiges stärker als den vorigen Tag. „Verdammt!“, fluchte er, ein Finger an jede Schläfe drückend. Schwerfällig quälte er sich aus dem Bett heraus und stand mit einem tiefen Seufzer auf, um ins Bad zu gehen. Auf dem Weg dorthin stolperte der unachtsame und immer noch müde Hyuuga über sämtliche Dinge, die seinen Weg kreuzten. Dabei handelte es sich jedoch keinesfalls um Gegenstände, die unordentlich inmitten einer kleinen Wohnung standen, sondern um Möbelstücke, die sich an ihrem üblichen Platz befanden. Neji war kein Mensch, der gern in Unordnung unterging, wie manch anderer. Er hielt Ordnung für unumgänglich, vor allem in dem Leben eines Ninja, welches von Hast beherrscht war. Man musste jederzeit einsatzbereit sein.
 

Unter schmerzerfülltem Stöhnen wusch er sich mit eiskaltem Wasser sein Gesicht und hoffte, dem lodernden Feuer in seinem Kopf ein wenig Gegenwehr bieten zu können. Doch es half nicht. Resignierend schnappte er sich mit geschlossenen Augen ein Handtuch und drückte es sich ins nasse Antlitz, wo es für eine ganze Zeit verweilte.
 

Der laute Klang seiner Klingel ließ ihn erschrocken zusammenfahren, weswegen er beinahe das Handtuch fallen gelassen hätte. Wer störte ihn denn so früh am Morgen? Es kam nur einer infrage.
 

„Lee…“ Neji hätte nicht genervter und lustloser klingen können, als er seinen ehemaligen Teamkameraden sah.
 

Die schrille Stimme des schwarzhaarigen Jungen, der laut und voller Energie „Guten Morgen!“ rief und zu allem Übel auch noch eine – wie Neji fand – lächerliche Pose annahm, schickte eine unerwarteten Kälteschauer durch seinen Körper.
 

„Was willst du?“, fragte er Rock Lee geradewegs heraus und machte dabei keine Anstalten, seine äußert schlecht Laune zu verbergen. Kraftlos hatte er seine müden Glieder an die Tür angelehnt.
 

„Komm raus, mein Freund und lass uns trainieren! Die Sonne ist schon aufgegangen und schenkt der jungen Blühte unserer Jahre neue Energie. Sie wird uns zu ungeahnter Kraft verhelfen, denn in uns beiden brennt das Feuer der Jugend! Komm heraus und lass uns noch stärker werden. Ja, wir werden unseren geliebten Sensei stolz machen!“ Die Leidenschaft in seinen Augen sprühte nahezu Funken und die seltsamen Bewegungen, mit denen er seine Worte untermalte, brachten seinen Enthusiasmus zum Ausdruck.
 

Nejis einzige Reaktion bestand darin, die Tür zuzuknallen.
 

Völlig perplex starrte Lee auf die weiße Tür und blinzelte verwirrt, den Körper noch immer in einer euphorischen und vor Energie explodierenden Haltung.
 

Kaum hatte sich Neji wieder ins Bett gelegt, hörte er wieder diese verhasste Klingel. Er seufzte in sein Kissen hinein und entschloss sich dazu, Lee gänzlich zu ignorieren. Doch dieser wollte und wollte nicht aufgeben und klingelte gefühlte tausendmal und schrie noch dazu immer wieder seinen Namen.
 

„Ist ja gut, verdammt!“, gab er sich schließlich geschlagen und torkelte wie ein Betrunkener zur Tür. Allmählich befiel ihn ein Schwindelgefühl. Was war nur los mit ihm?
 

„Was-willst-du?“ Zwischen jedem Wort hatte er eine kurze Pause gemacht, um auch jedes einzelne davon durch eine starke Betonung hervorzuheben. Er bekam seine Augen kaum auf.
 

„Gai-sensei hat mich geschickt, um dich abzuholen. Er wartet auf dem Trainingsplatz unten am Fluss.“ Dieses Mal verzichtete Rock Lee darauf, seine Worte körperlich zu unterstreichen, um nicht eine weitere Abfuhr zu riskieren. Doch allein diese muntere, kraftvolle Stimme hallte schmerzhaft in Nejis Kopf wider. Wer konnte am frühen Morgen nur schon so eklig gut gelaunt sein? Er fragte sich ernsthaft, ob Lee jemals müde und ausgelaugt war und eine Auszeit brauchte. Er bezweifelte es.
 

Da er wusste, dass sein Lehrer genauso war wie Lee, wenn nicht noch schlimmer, gab er nach und sagte zu seinem ehemaligen Teamkameraden: „Richte ihm aus, dass ich gleich komme.“
 

„Juhuuuuu, endlich geht es los! Wir …“
 

Das war zu viel für Nejis Nerven, weswegen er abermals einfach die Tür zumachte. Dennoch konnte er Lees Freudengesang hören. Woher nahm dieser Junge nur seine Energie?
 


 

Nach einer halben Stunde hatte er den verabredeten Platz erreicht. Er sah schon vor einiger Entfernung, dass sein Lehrer und Lee Liegestützen machten. Die beiden konnten aber auch für keine Sekunde untätig herumsitzen!
 

„Da bist du ja endlich, Neji.“ Gai sang die Worte fast und lief ungeduldig mit Lee zu seinem Schüler.
 

„Ja“, war alles, was Neji darauf sagte. Die Schmerzen rissen die Kontrolle über seinen Verstand an sich und benebelten langsam seine Sinne, sodass er Mühe hatte, konzentriert zu bleiben und aufrecht zu stehen.
 

„Ist alles in Ordnung mit dir, Neji?“, hörte er Tenten fragen, die hinter der hohen Gestalt von Gai zum Vorschein kam. „Du siehst nicht gut aus“, hing sie sogleich besorgt hintendran.
 

„Ich bin nur ein wenig müde. Es ist alles in bester Ordnung“, versuchte er sie zu beruhigen und als sie kaum merklich nickte, zeigte ihm das, dass es ihm gelungen war.
 

„Na, dann kann es ja losgehen!“, schrie Gai plötzlich und hob seine Faust in die Höhe.
 

„Jaaaaaaa!“, stimmte Lee mit ein und streckte ebenfalls seine geballte Hand hoch.
 

Neji ahnte nichts Gutes, denn er kannte diese zwei Menschen einfach schon viel zu gut. Er wusste, er würde es bereuen, wenn er jetzt nicht einfach ginge, aber er tat es dennoch nicht. Stattdessen fragte er: „Warum haben Sie mich hierhin bestellt, Gai-sensei?“
 

„Na, warum wohl?“, fragte er viel zu laut für Nejis Geschmack, nur um sich dann selber die Antwort zu geben. „Wir, das heißt ich und du, werden jetzt gegeneinander antreten. Ich will wissen, warum du im Turnier im Finale standest und nicht ich“, erklärte er Neji nicht weniger enthusiastisch als Lee, die Augen eine reine Feuerflamme.
 

„Müssen wir dafür unbedingt gegeneinander antreten?“
 

„Natürlich!“, antwortete Gai überzeugt und voller Tatendrang.
 

„Sowie es aussieht, komme ich wohl nicht drum herum“, seufzte Neji und gab damit indirekt sein Einverständnis.
 

„Genauso ist es! Na dann, lass uns kämpfen!“, rief Gai laut und streckte ihm seinen aufrechten Daumen entgegen.
 

Die beiden Kämpfer, die nicht unterschiedlicher hätten sein können, stellten sich in die Mitte des großen Platzes auf. Die Holzbalken, die aus der Erde ragten, standen wie eine stärkende Einheit hinter dem Lehrer dieses ehemaligen Teams.
 

„Bist du bereit, Neji?“, fragte ihn Gai, der plötzlich wie ausgewechselt war. Er war ernst, wodurch die Farbe seines Haares und seiner Augen noch dunkler wirkten als sonst. Neji fühlte die Gefahr, die von seinem Gegenüber ausging. Das war das erste Mal, dass sein Lehrer ihn so ansah wie einen Feind. Es war erstaunlich, wie Menschen plötzlich eine unterdrückte Seite zum Vorschein brachten, wenn sie sich in bestimmten Situationen befanden.
 

Obwohl er fühlte, dass er der Ohnmacht nah war, antwortete er mit einem leisen aber bestimmten „Ja“ auf die Frage seines Gegners. Die Sonne brannte auf ihrer Haut, kein Lüftchen rührte sich. Die sonstige Frische des frühen Morgens war ausgeblieben. Schwierige Umstände für einen harten Kampf. Die Trockenheit der Luft ließ einen für gewöhnlich nach anstrengender körperlicher Betätigung in der Atmung stocken, was fatal für einen Kämpfer sein konnte. Und dass es sich hierbei gewissermaßen um einen Freundschaftskampf handelte, änderte nichts daran. Beide wollten gewinnen und beide würden so kämpfen, wie sie es auch gegen jeden anderen getan hätten. Freundschaftskampf hin oder her.
 

Getrieben von dem Willen zu siegen, schnellte Gai auf seinen Schüler zu, der etwas seine Knie gebeugt und seinen linken Arm zur Abwehr nach vorne gestreckt hatte. Kurz bevor der Ältere ihn aber erreicht hatte, verschwand er plötzlich aus seinem Blickfeld und tauchte, kaum dass er das realisiert hatte, hinter ihm auf. Das war so schnell gegangen, dass er sich ernsthaft fragte, ob sein Lehrer sich nicht eines Schattenklons bedient hatte, auch wenn er wusste, dass Gai keine Ninjutsus beherrschte. Diesen absurden Gedanken verwarf er schnell und sprang aus dem Effekt heraus zur Seite. Er wusste, dass ihm die Zeit dazu gefehlt hätte, hinter sich zu gucken, um zu sehen, was Gai tun würde. Und so entkam er hauchdünn dem Schlag, der regelrecht auf ihn zugerast war.
 

Bereits jetzt hatte er eine kurze Verschnaufpause bitter nötig, doch sein Gegner ließ ihm keine Gelegenheit dazu. Er stand noch nicht mal wieder aufrecht, als Gai abermals dicht bei ihm erschien und beabsichtigte, ihn mit seiner Faust zu treffen. In einem beeindruckenden Tempo kam die Hand auf ihn zu und Neji schaffte es, diesen Schlag zu parieren, indem er nach dem Handgelenk seines Gegners griff. Es bedurfte ihm nicht viel Zeit, um festzustellen, dass er in Punkto Kraft mit seinem Lehrer nicht mithalten konnte. Also ließ er seinen Oberkörper etwas nach vorne fallen, in der Absicht, all seine Energie in sein Bein zu verlagern und seinem Gegner einen Tritt zu verpassen. Rechtzeitig schaffte es Gai jedoch, über das auf ihn zukommende Bein zu springen und sich nicht nur aus dem Griff seines ehemaligen Schülers zu befreien, sondern auch im selben Schritt zur Gegenattacke überzugehen. Er traf ihn kurz unterhalb des Halses, sodass Neji sein Gleichgewicht verlor und kurz hinfiel.
 

Wenn das so weiter geht, dann bin ich in weniger als einer Minute erledigt, schoss es dem braunhaarigen Jounin durch den Kopf, als er sich hastig wieder aufrappelte und seinen Gegner mit einem höchstkonzentrierten Blick fixierte. Konzentrier dich!
 

Gai stürmte erneut auf ihn zu, die Hände dabei nach hinten ausgestreckt und den Körper nach vorne gelehnt. Eine kurze Schmerzwelle glitt durch Nejis Körper und zwang ihn dazu, seine Zähne aufeinander zupressen, um einen verräterischen Laut zu unterdrücken. Er hob seine Arme, bereit, Gais Angriff zu kontern. Doch ehe er eine Gelegenheit dazu hatte, verschwamm plötzlich seine Sicht, sodass er alles nur noch schemenhaft erkennen konnte.
 

Was ist jetzt los?, fragte er sich, realisierte aber schnell, dass er für derartige Gedanken keine Zeit hatte. Stattdessen entschloss er sich dazu, sich nicht zu rühren und seine anderen Sinne verstärkt einzusetzen. Allerdings gelang ihm das nicht so gut. Sein Lehrer bewegte sich viel zu schnell, weswegen er bald verwirrt war und gar nicht mehr wusste, von welcher Seite er angreifen würde. Was sollte er nur tun?
 

Ein kraftvoller Schlag, der ihn im Gesicht traf, unterbrach seine von Verzweiflung sprechenden Gedanken und er flog einige Meter über den Platz hinweg. Feine Blutrinnsale liefen an seinen Mundwinkeln herunter und mischten sich unter das strahlende Grün des Rasens. Der unverwechselbare Geschmack des Blutes war ihm ein Gaumengraus, weswegen er es rasch ausspuckte und sich anschließend mit dem Handrücken über den Mund fuhr.
 

Jedes einzelne Köperteil schmerzte ihm. Wäre er nicht so ein stolzer Mensch, so hätte er spätestens jetzt aufgegeben. Doch selbst für solche lächerlichen Gedanken fehlte ihm die Zeit. Sein alter Lehrer war gnadenlos und ließ ihn keine Sekunde zum Durchatmen. Wieder griff er an, was ihm zeigte, dass Gai felsenfest entschlossen war, den Sieg davon zu tragen. Und auch wenn Neji das ungern zugab: Er hatte in seinem derzeitigen Zustand nicht den Hauch einer Chance, diesen Kampf zu gewinnen. Auch wenn es ausweglos erschien, er würde sein Bestes geben.
 

Er stand hastig auf und begab sich wieder in Abwehrposition. Als ihn weniger als zwei Meter von seinem Lehrer trennten, sprang Gai in die Luft und streckte seinen Arm aus, um – wie Neji annahm – ihn mit seiner Faust zu treffen. Seine Vermutung sollte sich bewahrheiten, denn Gai bewegte seine geballte Hand auf seinen Opponent zu, der jedoch mit Ach und Krach ausweichen konnte. Nejis Energiereserven neigten sich langsam, aber sicher dem Ende zu. Er brauchte dringend die Hilfe seines Bluterbes, um wenigstens halbwegs dem Geschehen folgen und eine Attacke starten zu können. Er verengte seinen Blick und rief:
 

„Byakugan!“
 

Kaum, dass er das getan hatte, wurde alles um ihn herum schwarz und ein dermaßen starker Schmerz schlug wie ein Blitz in seinen Kopf ein, dass er einen lauten Schrei nicht verhindern konnte. Das Byakugan war immer noch aktiviert, doch er hielt seine Augen vorerst geschlossen und presste in seinem Leiden beide Hände fest gegen seinen Kopf, während undeutliche Laute zwischen seinen zusammengepressten Zähnen drangen. Von weiter Ferne schien er seine Teamkameraden seinen Namen immer und immer wieder rufen zu hören.
 

Schließlich schob er seine Lider langsam nach oben …
 

Sein Blick wanderte von rechts nach links, von links nach rechts und immer so weiter. Er konnte es einfach nicht glauben. Eine erdrückende Angst schlang sich wie Efeu um sein Herz.

Flüsternd stotterte er:
 

„Ich … ich … kann nichts mehr … ich kann nichts mehr sehen.“

Im Reich des Blitzes - Teil 2

Schließlich schob er seine Lider langsam nach oben …
 

Sein Blick wanderte von rechts nach links, von links nach rechts und immer so weiter. Er konnte es einfach nicht glauben. Eine erdrückende Angst schlang sich wie Efeu um sein Herz.

Flüsternd stotterte er:
 

„Ich … ich … kann nichts mehr … ich kann nichts mehr sehen.“
 


 

Neji lief unsicher umher, wie ein kleines Kind, das seine ersten Schritte macht. Was geschah gerade nur mit ihm? Obwohl es helllichter Tag war, war das Schwarz vor seinen Augen dunkler als Ebenholz. Er war tatsächlich blind, konnte nicht einmal Tag von Nacht unterscheiden. Es musste mit seinem Byakugan zusammenhängen. Ein mulmiges Gefühl verdrängte das sonst so kühle Gemüt des jungen Jounin, als er seine Augen schloss und dann sein Kekkei Genkai deaktivierte. Augenblicklich spürte er, wie der Schmerz schleppend aus seinem Kopf verschwand und nur ein verhältnismäßig ertragbares Pochen zurückließ. Er wagte es kaum, seine Augen zu öffnen, aus Angst, er wäre auf wundersame Weise tatsächlich erblindet.
 

„Neji?“ Er ordnete diese Stimme eindeutig seinem ehemaligen Lehrer zu.
 

Er öffnete seine Augen einen kleinen Spalt …
 

Ihm fiel nicht ein Stein, sondern ein Felsbrocken vom Herzen, als er die Natur in ihrer vollsten Pracht mit sämtlichen Pflanzen und in den schönsten Farben sehen konnte. Hingegen rührte sich nichts in seiner Mimik und schloss seine Gedanken dadurch für Außenstehende in eine schlüssellose Truhe. In den drei Augenpaaren sah er Sorge, gleichzeitig aber auch Verwirrung. Er sah sich jedoch nicht imstande dazu, Erklärungen abzugeben. Er fühlte sich hundselend und es war nur eine Frage der Zeit, bis er vor Schmerz und Erschöpfung zusammenbrechen würde. Das betäubende Hämmern in seinem Kopf kroch durch die restlichen Körperteile und er verfiel kurz in eine gekrümmte Haltung, in die der Schmerz ihn zwang. Seine Beine begannen unkontrolliert zu zittern und einen Augenblick später fand er sich halbkniend auf dem Boden wider. Besorgte Hände legten sich auf seine Schulter und eine beklommene Stimme sprach ihm beruhigend zu. Er verharrte nicht lange in seiner Position, missfiel es ihm doch, Schwäche zu zeigen.
 

Wortlos und fast so, als wäre nichts passiert, stand Neji auf und klopfte sich den Dreck mit ein paar wenigen Handbewegungen von der Kleidung. Sein Haar umrahmte sein Gesicht in schweißgetränkten Strähnen und sein schweres Atmen offenbarte seine Erschöpfung. Mit halb geöffneten Mündern sahen ihn die anderen an. Niemand im Team hatte ihn jemals in so einem Zustand erlebt. Völlig teilnahmslos ertrug Neji die mitleidigen Blicken der drei, nicht fähig, sich dagegen zu wehren. Er nahm ohnehin beinahe nichts mehr wahr und dennoch spürte er, dass er kurz davor war, der Bewusstlosigkeit zum Opfer zu fallen. Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen und lockten ihn in die Dunkelheit, denen er nur zu gern folgte. Und ganz plötzlich erschlaffte sein Körper und kippte kraftlos nach vorne, als hätte man ihm sämtliche Energie entzogen. Blitzschnell sprang Gai nach vorne und verhinderte, dass Neji auf den Boden aufprallte.
 

„Wir müssen ihn sofort in ein Krankenhaus bringen“, sagte Tenten, woraufhin Gai und Rock Lee nur zustimmend nickten.
 


 

Fernab von Konoha, in einem kleinen Cafe in Kumogakure, saßen Kakashi und Tenzou. Das Cafe war trotz früher Stunde sehr gut besucht. Leise Musik spielte im Hintergrund und mischte sich unter das Gerede der Leute. Tenzou nippte an seinem heißen Kaffee und aß dazu ein paar Kekse. Kakashi hingegen schaute sich unauffällig um und nahm jeden einzelnen Gast unter die Lupe. Um seine Mission starten zu können brauchte er erst einmal Anhaltspunkte. Und um diese zu bekommen, war er auf die Hilfe der Bürger angewiesen. Er hatte es heute Morgen schon in ein paar Geschäften versucht, aber niemand konnte ihm helfen. Hinzu kam noch, dass er darauf achten musste, dass er nicht an die falschen Leute geriet. Stellte er der falschen Person eine falsche Frage könnte seine Tarnung sofort auffliegen. Ihm blieb also nicht anderes übrig als abzuwarten und zu gucken, welche unter ihnen so aussahen, als wenn sie nicht viele Fragen stellten. Ein gewöhnlicher Zivilist würde sich sicher über seine gewollte Auskunft nicht wundern. Nur Shinobi waren darauf getrimmt, immer die Augen und Ohren offen zu halten. Es gab wohl keinen anderen Beruf auf dieser Welt, in der Misstrauen eine so zentrale Rolle spielte.
 

Sie saßen an einem Tisch ganz hinten und hatten einen guten Überblick über das gesamte Cafe. Direkt vor ihnen saß ein altes Ehepaar und frühstückte, während sie sich über das miserable Wetter beklagten. Gegenüber von ihnen unterhielten sich zwei Männer im mittleren Alter über die politische Lage des Dorfes. Sie trugen feine Anzüge und wirkten sehr seriös. Weiter vorne in der Nähe der Theke hielten sich vier junge Mädchen auf, die Zeitschriften lasen und deren Gekicher das öde Innenleben des Cafés belebte. Von denen hatte er wohl nicht viel zu erwarten. Es kamen stetig neue Kunden, doch blieben sie meist nicht lange, sondern machten sich sofort auf den Weg, nachdem sie etwas zum Mitnehmen bestellt hatten. Es gab aber noch den Mann an der Theke. Rein seinem Aussehen nach zu urteilen war es nicht ausgeschlossen, dass er ihnen weiterhelfen konnte. Sein Alter schätzte Kakashi auf 35 bis maximal 40. Er hatte kurzes blondes Haar und besaß ein gesundes Mittelmaß, was das Gewicht anging. Nicht, dass das eine Rolle hinsichtlich seiner möglichen Hilfe für Kakashis Anliegen spielte, aber es fiel ihm einfach auf. Man sah Menschen und wusste meist schon, ob sie möglicherweise einem weiterhelfen konnten oder nicht. Auch wenn man das zumeist unbewusst tat, man urteilte Fremde nach ihrem Aussehen.
 

„Seid Ihr sicher, dass Ihr nichts essen wollt?“, fragte Tenzou Kakashi schon zum dritten Mal, seit sie das Cafe betreten hatten.
 

„Ja. Ich habe keinen Hunger“, antwortete er trocken und schweifte mit seinen Augen noch immer vorsichtig durch den großen Raum.
 

Tenzou hob amüsiert eine Augenbraue hoch und zog einen Mundwinkel zeitgleich nach oben. „Und Ihr seid Euch auch sicher, dass es nicht daran liegt, dass Ihr Euren Schal nicht abnehmen möchtet? Wenn Ihr wollt, drehe ich mich um und Ihr könnt in Ruhe essen. Wir haben schließlich heute noch viel vor und deswegen solltet Ihr Euch jetzt stärken.“
 

Kakashi schien ihm gar nicht zugehört zu haben, denn er wandte sich dem Jüngeren zu und sagte nur: „Hm? Hast du was gesagt?“ Das halbe Lächeln schwand geschwind aus Tenzous Gesicht und er blickte seinen unaufmerksamen Senpai nur verdutzt an, der sich schon längst wieder abgewandt hatte. Dieser Kerl war einfach unverbesserlich!
 

„Wir werden am besten mal die beiden Männer dort hinten befragen. Vielleicht können die uns weiterhelfen“, sagte Kakashi und deutete mit seinen Augen auf die beiden in den Anzügen.
 

Das Gespräch der zwei Männer war in vollem Gange, weswegen die beiden Shinobi sie vorerst nicht ansprachen, sondern daneben warteten. Einer von beiden würde sie schon bemerken.
 

„Entschuldigen Sie, können wir Ihnen weiterhelfen?“, richtete sich nun einer von diesen an Kakashi und Tenzou.
 

„Ich hoffe sehr, dass Sie das können“, sagte Kakashi und sandte ein Lächeln an die beiden. „Wir haben gehört, dass hier in Kumogakure der Nagoya Clan leben soll. Können Sie uns vielleicht sagen, wo wir diesen finden?“
 

Die Männer drehten sich gleichzeitig zueinander um und ihre Mimik zeigte sofort, dass sie noch nicht einmal wussten, von welchem Clan er sprach. „Tut mir leid, das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Ich habe noch nie von diesem Clan gehört“, antwortete der eine. Und auch der andere konnte ihnen nicht weiterhelfen. Er zuckte ahnungslos mit den Schultern. „Tut mir leid, aber ich weiß es auch nicht. Als Journalisten kennen wir fast jeden Clan hier, aber von dem Nagoya Clan habe ich, ehrlich gesagt, noch nie etwas gehört.“
 

„Da kann man nichts machen. Trotzdem danke und noch einen schönen Tag“, sagte Kakashi freundlich und entfernte sich von dem Tisch der beiden Journalisten.
 

„Wenn Ihr mich fragt wird es sehr schwierig werden, diesen Clan zu finden, wenn selbst die Journalisten noch nie von ihm gehört haben“, bemerkte Tenzou.
 

„Das befürchte ich auch“, gab Kakashi zu, ließ sich dennoch nicht entmutigen. Irgendwer würde ihnen schon weiterhelfen können.
 

„Versuchen es wir mal an der Theke. Der blonde Mann kann uns vielleicht weiterhelfen“, schlug Tenzou vor. Und so sprachen sie ihn an, doch sie erhielten dieselbe Antwort, wie von den Journalisten. Er hatte auch noch nie von dem Nagoya Clan gehört. „Fragen Sie doch mal Endo-sama. Er sitzt dort hinten mit seiner Frau“, riet der Mann ihnen aber noch. „Er könnte Ihnen vielleicht weiterhelfen. Er lebt hier schon sein Leben lang.“
 

Zeitgleich wandten sich die Shinobi in die gezeigte Richtung. Das alte Paar war noch immer am Frühstückstisch und unterhielt sich. Wortlos näherten sie sich ihrem Tisch und blieben dicht davor stehen. „Entschuldigt bitte, dürften wir Euch wohl kurz stören?“, fragte Kakashi höflich nach und sah, wie beide verwundert von ihren Broten aufblickten.
 

„Gerne. Was hast du auf dem Herzen, mein Sohn?“, fragte der alte Mann den silberhaarigen Jounin. Die Wortwahl und die Wärme in der Stimme des Mannes gaben Kakashi ein seltsames Gefühl von Geborgenheit. Er sprach mit ihm, als wäre er sein Enkel. Die unendlich tiefen, dunklen Augen glichen einem unentdeckten Schatz, der reich an tausenden und mehr Geheimnissen war.
 

Kakashi schilderte ihm in kurzen Sätzen sein Anliegen und hoffte inständig, dass er wenigstens einen kleinen Tipp bekommen würde. Das Grüblerische in den Zügen des Mannes versprach schon einiges. Zumindest ließ das darauf schließen, dass er schon mal von diesem Clan gehört hatte und das war schon mehr, als sie bisher erreicht hatten. Der alte Mann räusperte sich kurz, griff mit seiner zittrigen Hand nach seiner Tasse und nahm einen großen Schluck des lauwarmen Tees. Als er sie wieder abgelegt hatte, begann er zu sprechen.
 

„Ich bin schon einmal gewissermaßen mit diesem Clan in Berührung gekommen, aber das liegt sehr viele Jahre zurück. Damals stand ich noch in der Blühte meines jungen Lebens“, erzählte er ihnen lächelnd. Er schüttelte kurz seinen Kopf, als wollte er die aufkommenden Erinnerungen vertreiben. Für Außenstehende war es nahezu unmöglich, festzustellen, ob das Zurückdenken an die Vergangenheit den Mann schmerzte oder ob er es als etwas, dass ohnehin vorbei war, abtat und daher seine Zeit nicht verplempern wollte.
 

„Könntet Ihr vielleicht etwas konkreter werden?“, bat ihn Kakashi.
 

„Sehr gerne. Setzt euch doch bitte hin.“
 

„Gerne“, entgegnete der Jounin und nahm mit seinem Partner neben der Frau des Mannes Platz. Konzentriert lag der Blick Kakashis auf dem vom Alter gezeichneten Gesicht seines Gegenübers.
 

„Ich habe mal einen Jungen aus diesem Clan gekannt“, begann er seine Erzählung. „Mir fiel damals auf, dass er kaum etwas von seiner Familie erzählte. Er tauchte eines Tages plötzlich hier in diesem Teil des Landes auf und keiner wusste, woher er kam. Wenn wir ihn das fragten, dann wich er immer geschickt aus, indem er sagte: „Ich komme mal von hier und mal von da“ oder „Ich bin wie ein Blatt im Wind und gehe, wohin es mich verschlägt“. Wir wussten im Grunde also nichts mehr als seinen Namen: Nagoya Masao. Das alles geschah vor mehr als 70 Jahren. Ich kann mich aber noch sehr gut an ihn erinnern. Seine Geheimnistuerei weckte mein Interesse. Von Neugier getrieben folgte ich ihm eines Tages. Ich wollte wissen, wer er war und wo er lebte. Er führte mich ungewollt durch einen sehr versteckt gelegenen Weg. Wir passierten einen kleinen Friedhof, der sich an der Grenze des Dorfes befand und gingen dann durch einen dicht bewaldeten Gang. Er kam mir endlos lang vor. Als wir das Ende schließlich erreichten, verschwand Masao in ein hölzernes Haus, welches, von einigen kleinen Hütten umgeben, mitten in einem kleinen Wäldchen lag. Etwas Unheimliches lag in der Luft, das ich nicht so recht deuten konnte. Ich weiß noch, dass mich ein ungutes Gefühl beim Herz packte. Mein Verstand drängte mich unaufhörlich dazu, das Weite zu suchen und doch bewegten sich meine Beine nicht von der Stelle. Mein Instinkt roch die Gefahr durch diesen Clan, aber ich wehrte das vehement ab. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich hinter diesem Busch saß und meinen Blick wie hypnotisiert an das Haus geheftet hatte. Es brannte zwar noch Licht dort und doch drang kein Laut heraus. Ich weiß bis heute nicht, was mich so gefesselt hat. Es wirkte alles so … so gespenstisch.“
 

„Was passierte dann?“, wollte Kakashi wissen, der hellhörig an den Lippen des Erzählers hing, auch wenn er gelangweilt dreinschaute.
 

Der Angesprochene seufzte bitteren Herzens und fuhr sich mit der Hand kurz übers Gesicht. „Masao habe ich an jenem Abend zum letzten Mal gesehen. Er war urplötzlich verschwunden, als hätte der Erdboden ihn verschluckt. Bis heute weiß keiner, wer er wirklich war.“
 

Es wurde sehr leise um sie herum, bis Kakashi ruhig das Wort erhob. „Endo-sama, könnt Ihr Euch vielleicht noch erinnern, wo dieses Waldstück war? Vielleicht leben dort noch ein paar Nachkommen.“
 

„Ich war zwar nie wieder da, aber ich glaube noch zu wissen, wie man dorthin kommt. Wenn ihr den Friedhof zehn km südlich von hier erreicht habt, lauft ihr den danebenstehenden Gehweg ganz hinunter, bis ihr einen sehr schmalen, sandigen Weg erreicht. Und diesen müsst ihr die ganze Zeit herunterlaufen und irgendwo dort war das. So genau weiß ich das leider nicht mehr. Ich erinnere mich nur noch ganz dunkel daran.“
 

„Habt vielen Dank, Endo-sama. Ihr habt uns sehr weiter geholfen.“ Und damit erhoben sich Kakashi und Tenzou, um sich auf den Weg dorthin zu machen.
 

„Ich wünsche euch viel Glück. Seid vorsichtig“, gab er ihnen noch mit auf dem Weg und widmete sich wieder seiner Frau.
 

Die Tür des Cafés fiel mit einem begleitenden Glockengeräusch ins Schloss. Ein starker, kalter Wind fegte mit immenser Geschwindigkeit durch die Gegend und trieb den Geruch salzigen Wassers zu ihnen herüber, der auf ein nahegelegenes Meer schließen ließ.
 

„Wir sollten uns sofort auf den Weg machen. Bis wir diesen Platz gefunden haben, könnte einige Zeit vergehen.“
 

„Wie Ihr wollt, Kakashi-senpai.“
 

„Vermeide es bitte, meinen Namen zu sagen. Wir waren die ganze Zeit schon viel zu nachsichtig. Bei der Anreise war es aber auch noch nicht so riskant, dass jemand uns hört, weil kaum Menschen durch den dichten Wald gehen und wir Ninja vermutlich rechtzeitig gespürt hätten. Aber jetzt, wo wir uns unter der Bevölkerung befinden, müssen wir vorsichtiger sein. Sollte eine falsche Person unseren Namen hören, könnte das zu ungeahnten Schwierigkeiten führen“, sprach Kakashi gegen den Wind, der die Lautstärke seiner Stimme verschluckte, sodass gerade mal der neben ihm stehende Tenzou seine Worte akustisch verstehen konnte.
 

„Natürlich. Verzeiht.“
 

Sie brachen in südliche Richtung auf und achteten streng darauf, dass sie sich unauffällig verhielten. Das hieß auch, dass sie eher gemütlich durch die Straßen schlenderten, als den kurzen Weg über die Dächer zu nehmen. Das Wetter bot sich für einen gemütlichen Spaziergang zwar nicht gerade an, aber es war auch nicht so schlecht, dass sie ein eiliges Rennen hätten rechtfertigen können. Graue Wolken hingen am Himmel und ein leises Grollen, das dann und wann ertönte, kündete einen Sturm an. Auf den Straßen traf man kaum noch eine Menschenseele an.
 


 

„Was hat er, Tsunade-sama?“, fragte Gai die Hokage in sorgenvollem Tonfall. Sie standen im Flur des zweiten Obergeschosses des Krankenhauses in Konoha. Die Godaime hatte Neji soeben höchstpersönlich untersucht. Die Teamkollegen des Behandelten sahen sich nicht imstande dazu, ein weiteres Mal nachzufragen, denn das nervenzerfetzende Zögern der Hokage zwang sie förmlich zum Schweigen. Das Entseelte ihrer Augen sandte einen Kälteschauer über den Rückgrat sämtlicher Anwesender.
 

„Folgt mir in Nejis Krankenzimmer. Dort werde ich euch alles erzählen.“ Mit gebührender Ruhe öffnete sie die Zimmertür und sah sich sofort mit dem glasigen Blick des Hyuugas konfrontiert. Die Lider hielten sich nur in Anbetracht der bald verkündeten Diagnose oben.
 

Kaum dass die Tür zugefallen war, fragte Neji die Hokage: „Warum konnte ich nichts sehen, als ich mein Byakugan eingesetzt habe?“ Dem Hyuuga war ganz mulmig zumute; ein Gefühl, welches er mit seinen ehemaligen Teamkameraden teilte.
 

„Es tut mir leid, dir das sagen zu müssen, aber du besitzt das Byakugan nicht mehr. Folglich kannst du es nicht einsetzen und siehst nur schwarz, wenn du es doch versuchst.“ Hätte Neji ein Glas in den Händen gehalten, dann wäre es sicher zu Boden gefallen und in tausend Teile zersprungen. Aus seinem geöffneten Mund kam nicht ein einziger Laut, obwohl er sich augenscheinlich darum bemühte. Diese niederschmetternde Nachricht erzeugte ein elendes Gefühl, das sich wie ein Lauffeuer in ihm verbreitete und ihn in diesem Augenblick zu einem Schatten seiner selbst machte. Das konnte einfach nicht wahr sein! Das war unmöglich!
 

„Aber Tsunade-sama, wie kann das sein? Er kann es doch nicht einfach verloren haben wie eine Armbanduhr!“ Gai war die ganze Angelegenheit unbegreiflich. Den anderen im Raum ging es nicht besser. Wie hatte es denn nur dazu kommen können? Sowas passierte doch nicht eben mal so und das, ohne dass Neji etwas davon mitbekam.
 

„Nun“, verließ es Tsunade zögerlich und das obwohl alle sie ungeduldig ansahen. Sie schaute über ihre Schulter hinweg nach links und sah, dass Neji sich einigermaßen wieder gefasst hatte. Nur das helle Grau seiner Augen spiegelte etwas von der Sorge wider, die er wahrscheinlich tief in sich fühlte. „Du hast das Byakugan nicht in dem Sinne verloren.“ Sie unterbrach sich selber mit einem kurzen Räuspern, bevor sie die Karten offenlegte. „Es wurde dir entnommen.“
 

Sie sah es mit einem Gefühl von Bedauern, als sich Nejis Augen in aus Schock auf eine beträchtliche Größe weiteten. Sie glaubte, ein leichtes Beben seiner Lippen erkennen zu können und zerriss ihr fast das Herz, ihn so zu sehen; den starken Neji, der niemals erlaubte, dass man ihm seine Gefühle ansah. Wie sie nicht anders erwartet hatte, kehrte er schnell zu seiner alten Selbstsicherheit zurück und seine müden Lider senkten sich wieder. Tsunade entging es aber nicht, dass er seine Hände fest in die Decke gekrallt hatte.
 

„Wie kann man jemandem sein Kekkei Genkai entfernen und noch dazu, ohne dass derjenige das mitbekommt? Das ist unmöglich.“ Er klang kühl und beherrscht, geradezu so, als wäre ihm die Antwort gleichgültig.
 

„Ich versichere dir, es ist möglich. Für die Entwendung wurde ein medizinisches Jutsu eingesetzt. Die Frage jedoch, warum du nichts mitbekommen hast, kann ich dir nicht beantworten. Ich weiß nicht, ob man dabei Schmerzen empfindet oder nicht. Sollte das nicht der Fall sein, so hätte es dir jemand rein theoretisch entnehmen können, während du schliefst“, erklärte sie ihm. Die Worte lagen angespannt in der Luft. Tsunade hat ihnen vorerst nichts mehr zu sagen und so machte sie sich daran, zu gehen, doch Tenten stellte sich ihr in den Weg.
 

„Ist sein Byakugan für immer verloren?“
 

Dass sie besorgt war, war kaum zu überhören. Wen wunderte das? Sie waren schließlich ein Team, das bereits viel zusammen durchgestanden hatte.
 

„Leider ja, Tenten.“
 

Tsunade bedauerte es wirklich sehr, dass es soweit gekommen war. Sie wusste genau, wem Neji das zu verdanken hatte und doch entschloss sie sich dazu, dies erst einmal für sich zu behalten. Bevor sie aus dem Raum ging, drehte sie sich ein letztes Mal zu dem Hyuuga um, der tief versunken auf seine Decke starrte. Wahrscheinlich dachte er darüber nach, wer ihm das angetan hatte. Früher oder später würde er das herausfinden, soviel war sicher.
 


 

„Der Friedhof sieht ziemlich heruntergekommen aus“, fand Tenzou, als er einen Seitenblick nach rechts wagte, wo die vernachlässigte Ruhestätte Verstorbener lag. Der Rasen zwischen den Gräbern sah so aus, als wäre er seit Jahren nicht gemäht worden. Einige Grabsteine wiesen Risse auf und anderen waren teilweise sogar zerstört. Es war traurig, wie wenig Respekt den Toten manchmal entgegengebracht wurde.
 

„Endo-sama sprach bestimmt von dem kleinen Gang dort hinten“, meinte Kakashi und deutete auf einen schmalen Weg, auf den sie geradewegs zugingen. Dort angekommen bemerkten sie, dass dessen Boden mit quadratförmigen Steinen bepflastert war.
 

„Nach dem Anblick des Friedhofs überrascht es mich etwas, dass der Boden allem Anschein nach saniert wurde“, warf Tenzou nebenbei ein.
 

Ein Blick gegen den Himmel verriet ihnen, dass ein Sturm gleich losbrechen würde, was sich kaum eine Minute später bewahrheitete. Ein gewaltiges Donnergrollen ließ Kumogakure im Inneren erzittern. Das Rascheln der Blätter in den hin und her wiegenden Bäumen gesellte sich zu dem Pfeifen des Windes. Der Sturm legte einen angsteinflößenden, dunklen Vorhang um das Ninja-Dorf und schuf eine beklommene Atmosphäre. Leuchtende Blitze zuckten aufgeregt am Himmel und vertrieben für einen kurzen Moment den riesigen, schwarzen Schatten. Tobender Regen begleitete das hässliche Schreien des Donners und wütete unkontrolliert durch die verlassene Gegend.
 

„Das kommt uns doch ganz gelegen“, sagte Tenzou und beide sprinteten wie auf Kommando durch den schmalen Gang. Er war wirklich sehr lang, genauso wie der alte Mann es ihnen gesagt hatte, und als sie das Ende endlich erreicht hatten, waren sie nass bis auf die Knochen.
 

„Ich glaube, dort hinten ist es“, sagte Kakashi und zeigte mit dem Finger gerade aus auf ein kleines Wäldchen. Sie liefen direkt darauf zu und sahen sich nebenbei etwas um. Der Ort war verlassen. Um sie herum gab es nichts weiter als große Wiesen und Bäume. Alles erstrahlte in unterschiedlichen Grüntönen.
 

Es vergingen Minuten, ehe sie auf das von Endo beschriebene Haus stießen. Es lag mitten in einem Gehölz – wie beschrieben - doch waren sämtliche Bäume um das Haus herum abgesägt worden, sodass dort einige Meter drum herum nur ebenmäßige schwarze Erde lag.
 

Unentschlossen hielten sich die Shinobi vorerst hinter einem Baum versteckt. Als erfahrene Ninja wusste sie, dass Gefahren überall lauerten, selbst dort, wo man sie am Wenigsten erwartete. Ihre nasse Kleidung machte ihnen zu schaffen, denn es war ohnehin schon bitterkalt. Sie ertrugen die Kälte noch eine kurze Zeit länger, bis sie letztendlich zu der Erkenntnis kamen, dass sie nichts zu befürchten hatten. Nichtsdestotrotz hielten sie Augen und Ohren offen. Man konnte schließlich nie wissen, was passieren würde.
 

Sie liefen die fünf Treppenstufen, die sie zur Terrasse führten, hinauf. Dreimal hintereinander klopfte Kakashi an die Tür, während er innerlich hoffte, dass jemand daheim war. Es dauerte eine kurze Weile, bis sie langsame Schritte im Haus wahrnehmen konnten. Sie konnten hören, dass diese sehr langsam getan wurden, woraus sie schlossen, dass die Person entweder alt oder krank war.
 

Ein Quietschen begleitete das Öffnen der Tür. Zwei Glasaugen sahen den beiden Shinobi entgegen.
 

„Guten Tag. Ich hoffe, wir stören Euch nicht“, sagte Kakashi relativ laut, da man wegen dem Sturm kaum sein eigenes Wort verstand. Der gebrechliche alte Mann atmete so laut und schnell, dass man meinen konnte, er wäre gerade einen Marathon gelaufen. Sein Haar war strahlendweiß und in seinem Gesicht fanden sich viele tiefe Falten, die sein hohes Alter verrieten. Er war vermutlich schon über hundert.
 

„Das tun Sie nicht. Sind Sie auf der Durchreise und möchten nach dem Weg zum Markt fragen?“
 

„Es stimmt, dass wir auf der Durchreise sind, allerdings sind wir aus einem anderen Grund hier. Dürften wir vielleicht kurz eintreten und uns mit Ihnen unterhalten?“ Innerlich hoffte Kakashi sehr, dass er seine Bitte erfüllen würde, auch wenn er es verstanden hätte, wenn er ablehnte. Wer würde schon zwei völlig Fremde in sein Haus lassen!
 

Der blinde Mann zögerte, hob seine Hände und legte eine auf Kakashis Brust und eine auf Tenzous. Er schloss seine Augen und schien sich auf irgendetwas zu konzentrieren. Hin und wieder zuckten seine Augenbrauen ein wenig und er verzog seinen Mund parallel dazu. Es machte auf Kakashi den Eindruck, er würde einen Blick auf seine Seele werfen, auch wenn er den bloßen Gedanken daran lächerlich fand. Doch als der Blinde seine Augen öffnete, seine Hände zurückzog und lächelnd „Sie sind mir herzlich willkommen. Treten Sie bitte ein“ sagte, war er sich nicht mehr ganz so sicher, ob seine Vermutung wirklich so absurd war. Wie dem auch war, er tat jedenfalls wie geheißen und trat gemeinsam mit Tenzou ins Warme. Feuer brannte in einem alten Kamin und hüllte das beschauliche Wohnzimmer in ein flackerndes, oranges Licht.
 

„Bitte, setzen Sie sich doch“, sagte der Blinde zu seinen Gästen und nahm seinerseits auf einem Sessel in der Nähe des Kamins Platz. Gegenüber von diesem hatten es sich die zwei Shinobi gemütlich gemacht.
 

„Warum sind Sie zwei hier?“, fragte der Mann ohne großes drum-herum-Gerede.
 

„Leben Sie ganz alleine in diesem großen Haus?“, wich Kakashi der Frage aus, einfach weil er wissen wollte, ob es keine weiteren Nachfahren gab.
 

„Ja, ich bin der letzte Verbliebene des Nagoya Clans und lebe hier seit mehr als 50 Jahren alleine.“
 

„Der Letzte also“, murmelte Kakashi nachdenklich vor sich hin und senkte seinen Blick.
 

„Ja. Vor ungefähr sechzig Jahren kam eine Gruppe Ninja in unser Dorf und hat alle getötet. Ich war als einziger an jenem Tag nicht zu Hause und habe das Massaker überlebt. Aber jetzt zu Ihnen: Sie haben meine Frage nicht beantwortet.“
 

„Ja, richtig“, entgegnete Kakashi lächelnd. „Es ist so, dass ich etwas über den Nagoya Clan wissen möchte. Ich weiß nicht, inwieweit Sie mir da weiterhelfen können, aber ich wüsste gerne, ob die Legenden, die sich um Ihren Clan drehen, der Wahrheit entsprechen.“
 

„Sind Sie Journalisten?“, fragte er geradewegs heraus.
 

„Nein, das sind wir nicht. Es ist eher … persönliches Interesse“, antwortete Kakashi wahrheitsgemäß.
 

„Persönlich also. Gut, dann will ich Ihnen diese Frage gerne beantworten. Doch dafür müsste ich wissen, was genau für eine Legende sich um uns rankt.“
 

Kakashi zögerte kurz und sagte dann: „Es heißt, dass Ihr Clan vor vielen hunderten von Jahren Menschen verflucht hat.“
 

Die Antwort des alten Mannes ließ eine kurze Weile auf sich warten. „Ja“, sagte er leise, als würde er sich dafür schämen.
 

„Darf ich fragen, ob Sie diese Kraft auch haben?“
 

Wieder ließ er kurz auf seine Antwort warten. „Ja. Sie wurde Jahrhunderte lang von Generation zu Generation weitergegeben. Auch wenn irgendwann vor ungefähr 250 Jahren ein Gesetz von unseren Ältesten aufgestellt wurde, wonach wir unsere gottgegebene Gabe nur im Notfall einsetzen durften, so wurden sämtliche Kinder doch darin unterrichtet. Wir lernten alles, denn unser Clan legte viel Wert darauf, dass jedes Mitglied unsere Geschichte und unsere Tradition genau kannte und sie auf diese Weise niemals in Vergessenheit geraten konnten. Können Sie mir jetzt eine Frage beantworten?“
 

„Gerne.“
 

„Was ist das für ein ‚persönliches Interesse‘ ?“, wollte er wissen. Er bemühte sich nicht darum, seine Neugier im Verborgenen zu halten.
 

Kakashi sagte nichts, wusste er doch nicht, ob jetzt der richtige Zeitpunkt war, um die vollständige Wahrheit zu sagen. Andererseits aber war er sich sicher, dass er absolut nichts von dem Blinden zu befürchten hatte. Und er hatte sich bisher immer auf seine Menschenkenntnis verlassen können.
 

„Es ist so“, begann Kakashi, „dass mein Clan möglicherweise auch mal Opfer eines dieser Flüche geworden ist. Deswegen habe ich den langen Weg auf mich genommen und nach Nachfahren des Nagoya Clans gesucht.“
 

„Tatsächlich?“, verließ es den Mann, wobei er seine Glasaugen im Erstaunen aufriss. „Wie kommen Sie zu dieser Annahme?“, wollte er nun wissen. Seine blinden Augen ruhten auf dem Kopierninja. Kakashi erzählte ihm in Ruhe, was geschehen war. Er erwähnte die Ringe mit dem Wappen in seinem Körper und sprach von seinem blockierten Chakra, achtete aber darauf, keine zu persönlichen Angaben zu machen. Und während er sprach, rührte sich der Mann keinen Millimeter. Er hörte ganz aufmerksam zu und runzelte hin und wieder nur die Stirn, als würde etwas ein Rätsel für ihn darstellen. Kaum, dass Kakashi zu Ende gesprochen hatte, fragte der Mann ihn nach seinem Namen.
 

Kakashi schwieg und schwieg und schwieg. Wenn er jetzt seinen Namen preisgab und die Situation doch falsch eingeschätzt hatte, so hätte dies vielleicht fatale Folgen für sie und Konoha haben können. Doch was hatte er für eine Wahl? Sein Ziel war es schließlich, hinter die Sache um den angeblichen Fluch zu kommen. Und wenn er das erreichen wollte, so war es unabwendbar, dass er seinen Namen nannte. Und außerdem glaubte er immer noch nicht, dass er etwas zu befürchten hatte.
 

„Hatake Kakashi.“
 

Der Mann verstummte. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und dachte nach. Immer wieder murmelte er Kakashis Familiennamen und kramte in seinem Gedächtnis nach irgendeiner Information, doch vergeblich.
 

„Diesen Name habe ich einige Male gehört, da bin ich mir sicher. Aber trotzdem kann ich nichts damit anfangen. Das beste wird sein, wenn ich eben mal unser Familienbuch hole. Warten Sie bitte kurz hier.“ Er verließ augenblicklich den Raum und ließ die Shinobi alleine.
 

„Wenn Ihr Glück habt, findet sich zu den Hatakes etwas in diesem Buch“, sagte Tenzou leise zu Kakashi. Der Jounin wartete ruhig und gelassen auf die Rückkehr des Blinden. Jeder andere in seiner Situation wäre wohl ungeduldig im Zimmer rauf und runter gelaufen.
 

Nach einer ganzen Weile kam der Mann zurück. „So, da bin ich wieder“, sagte er. Er trug mühevoll ein sehr großes, dickes Buch und schritt damit langsam auf Team Kakashi zu.
 

„Wartet, ich helfe Euch“, sagte Tenzou und eilte zu ihm, um das Buch aus seiner Hand zu entnehmen.
 

„Vielen Dank“, keuchte er und setzte sich dann wieder auf seinen Sessel. Tenzou reichte das Familienbuch direkt an Kakashi weiter, der es dankend annahm und sogleich damit begann, es zu begutachten. Eine dicke Staubschicht hatte sich darauf gelegt und es hatte eine beige-bräunliche Farbe. Die Seiten waren stark vergilbt und hatten einen intensiven modrigen Geruch.
 

„Sehen Sie bitte hinein und falls Sie etwas Interessantes finden, lesen Sie bitte vor“, bat der alte Mann, da er dies selbst aufgrund seiner Blindheit nicht tun konnte. Nur zu gern kam Kakashi seiner Bitte nach. Er kämpfte sich durch die vielen Seiten, da die Struktur des Buches etwas unübersichtlich war. Ein Inhaltsverzeichnis oder dergleichen gab es nicht. Alles war mit Hand geschrieben worden, wobei dafür wahrscheinlich eine ganz spezielle Substanz benutzt wurde. Hätten sie Tinte verwendet, dann wäre es irgendwann verbleicht und man hätte nichts mehr lesen können.
 

Kakashi blätterte das Buch durch, beschränkte sich dabei aufs Überfliegen, weil das Buch viel zu dick war, als dass er die Zeit dazu gehabt hätte, sich alles in Ruhe anzusehen. Relativ schnell stieß er auf das, was er suchte. Die Überschrift stand in großen Buchstaben ganz oben auf der Seite: Nagoya Fluch. Darunter fanden sich in alphabetischer Reihenfolge Namen. Zu jedem einzelnen stand noch etwas darunter geschrieben. Manchmal zogen sich die Erklärungen zu einem Namen über mehrere Seiten. Kakashi blätterte und blätterte. „ …Fukusama … Inagawa …“, formten seine Lippen fast lautlos. Und dann fand er das Gesuchte. „Hatake“, flüsterte er. Es war nur ein kleiner Absatz dazu und doch war ihm etwas bange zumute. Was würde er jetzt erfahren? Er räusperte sich kurz, bevor er begann, vorzulesen.
 

„Seit Jahren befürchtet man, dass der in diesem Landsteil ansässige Clan Hatake irgendwann durch Angst und Schrecken die Herrschaft an sich reißt.“ Kakashi hielt abrupt inne. Sollte das heißen, dass seine Familie ursprünglich aus dieser Gegend stammt? Er hatte immer geglaubt, die Hatakes würden schon seit jeher dort leben, wo heute Konohagakure lag. Vielleicht hatte man sie irgendwann dazu gebracht, diese Gegend zu verlassen. Möglicherweise ließ sich damit auch erklären, warum seine eigene Familie die letzten Hatakes waren. Auch Tenzou war sehr erstaunt darüber, sagte dennoch nichts dazu.
 

„Warum lesen Sie nicht weiter?“, fragte der Mann, worauf Kakashi sich abermals räusperte und dann fortfuhr.
 

„Sie stellen mit ihrem … Kekkei Genkai … eine ernst zunehmende Bedrohung für das gesamte Land dar und nicht zuletzt für unseren Clan.“ Die Worte waren etwas zögerlich aus seinem Mund gekommen und zeigten seine Verblüffung über den Inhalt. Seit wann hatten die Hatakes ein Bluterbe? Neugierig las er weiter.
 

„Ihr weißes Chakra hat die Macht, die Bijus um sich herum zu versammeln und sie zu kontrollieren. Vor allem deswegen hat der Nagoya Clan den Fluch der Versieglung auf die Hatakes gelegt. Von nun an werden sie ihr Bluterbe in keinster Weise einsetzen können.“ Mehr stand nicht dazu, aber es war mehr, als Kakashi sich je erträumt hatte zu erfahren. Seine Gedanken überschlugen sich. Tausend und mehr Fragen wollten beantwortet werden.
 

„Interessant“, kommentierte Tenzou das Ganze trocken.
 

„Ja“, gab Kakashi fast apathisch von sich.
 

„Sind Sie nun schlauer als zuvor?“, wollte der Mann wissen.
 

Er hatte in ein paar Zeilen so viel über sich und seine Ahnen erfahren, dass er gar nicht wusste, worüber er zuerst nachdenken sollte. Starke Kopfschmerzen befielen ihn urplötzlich. „Ja, aber ich bin nun auch um einiges verwirrter“, gab der Jounin zu.
 

„Ich wusste doch, dass ich Ihren Namen schon einmal gehört habe. Ich bin mit den Flüchen unseres Clans immer wieder in Berührung gekommen. Das Alter hat sich aber leider auch stark auf mein Gedächtnis ausgewirkt.“
 

Eine ganze Weile sagte niemand ein Wort. Draußen tobte immer noch ein Sturm und es sah nicht so aus, als wenn das bald aufhören würde. Das Prasseln des Regens wurde lauter und lauter.
 

„Ich hätte noch eine Frage“, sagte Kakashi vorsichtig.
 

„Sie wollen wissen, ob ich Sie von dem Fluch befreien kann?“
 

„Ja“, gestand er.
 

„Sind Sie der letzte Ihres Clans?“
 

„Ja“
 

Der Blinde legte seine Hand auf den Mund und überlegte, was er tun sollte. Es war ein gefährliches Unterfangen, den Fluch aufzulösen, denn er konnte schließlich nicht wissen, wozu Kakashi fähig war. Gesetzt den Fall, dass er lernte, mit seinem Bluterbe umzugehen, so könnte er damit unter bestimmten Umständen den Frieden bedrohen. Andererseits erlaubte es ihm seine Gabe, die Menschen zu durchschauen und er konnte ganz deutlich spüren, dass von seinen beiden Besuchern nicht ein Funken Bosheit ausging.
 

„Gut. Ich erkläre mich bereit dazu, Sie von dem Fluch zu befreien. Ich werde bald sterben und mit mir soll der letzte Fluch meines Clans gehen.“
 

„Habt vielen Dank.“
 

„Machen Sie bitte Ihren Oberkörper frei und folgen Sie mir“, fackelte der Mann nicht lange und lief voran.
 

Der Blinde führte sie nach draußen und entfernte sich mit ihnen einige Schritte vom Haus. Der Regen hatte an Stärke zugenommen und der Boden war bereits erheblich aufgeweicht. Das Spiel der Natur war ohrenbetäubend laut, sodass die drei kaum ihr eigenes Wort verstehen konnten.
 

Kakashi legte sich mit dem Rücken auf den matschigen Grund und wartete das Vorgehen des alten Mannes geduldig ab, auch wenn sein Körper vor Kälte zitterte. Tenzou stand dich neben dem liegenden Jounin und verfolgte mit Interesse das Geschehen, das sich direkt vor seinen Augen abspielte. Er sah, wie der alte Mann sich mühevoll neben seinen Vorgesetzten kniete und ihm anschließend beide Hände auf die nackte Brust legte. Es passierte erst einmal gar nichts, bis der Alte sich zu dem stillen Beobachter umdrehte.
 

„Könnten Sie mir wohl bei der Durchführung behilflich sein?“
 

„Natürlich“, erwiderte Tenzou.
 

„Halten Sie ihn bitte fest und lassen Sie nicht los, ganz gleich, was passiert! Kann ich mich darauf verlassen?“ Er sah Tenzou direkt in die Augen, weswegen er in diesem Moment fast hätte schwören können, dass der Alte nicht blind war.
 

„Ja“, entgegnete er mit Nachdruck. Und so ging Tenzou ebenfalls auf die Knie und legte Kakashi die Hände auf den Bauch.
 

Der Blinde schloss seine Augen und bat Kakashi, dies ebenfalls zu tun. Eine ganze Zeit lang geschah nichts. Es war nicht ersichtlich, was der alte Mann da eigentlich tat. Seine Züge waren wie in Stein gemeißelt, kein Ausdruck ging davon aus; kalt und unnahbar, wie eine seelenlose Hülle. Dann schob er seine Lider so abrupt nach oben, dass Tenzou fast erschrak, weil er regelrecht an dessen ungerührten Mimik gehangen hatte. Der Alte begann auf einer fremden Sprache irgendetwas aufzusagen, was sich reimte. Immer und immer wieder dieselben zehn Sätze. Laut und lauter, schneller und schneller, bis selbst das Grollen des Donners übertönt wurde. Ein Blitz nach dem anderen tauchte geräuschvoll am grauen Himmel auf, als würde er wütend gegen diesen Vorgang wettern. In den glasklaren Seelenspiegel des Blinden war schemenhaft die Gestalt des Verfluchten zu sehen. Ohne dass Tenzou es kommen sah, fing der Körper unter seinen Händen plötzlich an zu zappeln. Schreie, die von unerträglichem Schmerz erzählten, begleiteten das immer stärker werdende Zucken. Er trat und schlug um sich, schrie wie am Spieß, während Tenzou ihn unter Einsatz all seiner Kraft auf den Boden festhielt und der alte Mann ununterbrochen seine Sätze aufsagte. Der pfeifende Wind brauste ihnen um die Ohren, der Regen prasselte in dicken Tropfen auf sie nieder, die Blitze demonstrierten ihre unsagbare Kraft. Die Qualen, die Kakashi in diesem Moment zu erleiden hatte, waren mit nichts Erfahrenem zu vergleichen. Es fühlte sich so an, als würde ihn jemand von innen auseinanderreißen. Je lauter die Stimme des Blinden wurde, desto stärker waren die Schmerzen. Er windete sich wie eine Eidechse unter den Händen, trat und schlug um sich in seinem Leiden. Er spürte kraftvolles Holz, welches sich um seinen Körper schlang und ihn auf dem Boden festnagelte. Tenzou hatte dem Widerstand des Körpers unter seinen Händen nicht mehr standhalten können. Aus lauter Schmerzen warf Kakashi seinen Kopf von der einen Seite zur anderen, unaufhörlich. Er schrie und schrie, bis er heiser war und kaum noch ein Ton laut genug war, um durch den Schal hindurch zu dringen. Doch sein Körper war unermüdlich und hörte nicht auf, sich gegen die Höllenqualen zu wehren. Sie trieben ihn an und er ließ sich treiben.
 

Und dann ganz plötzlich … verschwand jeglicher Schmerz und sein Körper entspannte sich augenblicklich. Er keuchte vor Erschöpfung und sein Herz pochte in immer noch vorhandener Aufregung stark gegen seine Brust. Er blieb ermattet liegen und atme schnell ein und aus. Langsam öffnete er die Augen und traf direkt auf den besorgten Blick seines Kohais und den Glasaugen des Blinden.
 

„Wie geht es Euch?“, hörte er Tenzou durch den Regen hindurch beklommen fragen.
 

„Alles in Ordnung“, brachte er mühsam hervor, die Stimmbänder von Heiserkeit befallen.
 

„Können Sie aufstehen? Wir gehen am besten ins Haus“, richtete sich nun der Alte an ihn.
 

„Ja.“ Tenzou schob einen Arm unter den Rücken des Jounin und half ihm beim Aufstehen. Kakashi stöhnte, als ein Blitz des Schmerzes seinen Körper durchzuckte. Er kniff kurz die Augen zusammen, machte sie dann aber wieder auf, weil er Tenzou nicht beunruhigen wollte.
 

Alle ließen sich wieder auf ihre alten Plätze nieder. Der Blinde hatte seinen zwei Gästen zwei Handtücher gereicht, damit sie sich abtrocknen konnten. Sie hatten sich samt ihrem Zweisitzer dem Kamin zugewandt und wärmten sich auf.
 

„Wie fühlen Sie sich?“, sagte der Blinde an Kakashi gewandt.
 

„Bestens.“
 

„Hat sich irgendwas verändert?“
 

„Ja … Ich fühle die große Menge Chakra, die durch meinen Körper fließt. Es ist … es ist fast beängstigend“, verließ es ihn zögerlich und leise.
 

„Falls irgendwelche Probleme damit auftauchen sollten, dann zögern Sie nicht, mich aufzusuchen.“
 

„Danke, das werde ich. Könntet Ihr mir vielleicht noch eine Frage beantworten? In dem Familienbuch hieß es, dass unser Kekkei Genkai vor allem wegen ihrer Fähigkeit, die Bijus zu kontrollieren, gefürchtet ist. Was für eine Fähigkeit hat es sonst noch?“
 

„Tut mir leid, aber darauf weiß ich leider keine Antwort. Sie werden verschiedene Dinge ausprobieren müssen, um es herauszubekommen.“
 

„Ich verstehe“, seufzte er. „Wir sollten uns jetzt auf den Weg zurück in unser Dorf machen“, sagte er nach kurzem Überlegen.
 

„Wie Ihr befiehlt“, entgegnete Tenzou.
 

Nur einige Minuten später traten sie aus dem Haus des letzten Nachfahren des Nagoya Clans. Bevor sie allerdings losgingen, sagte der alte Mann zu Kakashi: „Nutzen Sie diese Kraft weise und vorausschauend. Ziehen Sie nicht den Ärger der Götter auf sich, denn das würden Sie mit Sicherheit bereuen.“ Eine dunkle Note hatte sich in seinen Tonfall geschlichen und untermauerte seine Worte. Es jagte Kakashi einen Schauer über den Rücken.
 

„Das werde ich“, versicherte er ihm, ehe er sich bei dem Alten für alles bedankte und sich dann gemeinsam mit Tenzou auf nach Konoha machte.
 


 

Madara spürte es ganz deutlich und er wollte es. Etwas Undefinierbares mischte sich unter das Rot seines Sharingans und ließ ihn eine ganze Spur furchteinflößender wirken als sonst.
 

„Sasuke“, tönte es aus der dunklen Ecke.
 

Der Angesprochene erwiderte nichts. Er machte sich noch nicht einmal die Mühe, den Maskierten anzusehen. Madara bewegte sich aus dem Schatten und trat dem jüngeren Bruder Itachis entgegen.
 

„Sasuke“, sprach er den Jüngeren erneut an.
 

„Was wollen Sie?“, reagierte dieser in seiner typischen ungerührten, ablehnenden Art und Weise.
 

„Erzähl mir alles, was du über Hatake Kakashi weißt“, sagte er ruhig und hielt den Blickkontakt mit dem jungen Uchiha aufrecht.
 

„Was haben Sie vor?“, entgegnete Sasuke kühl. Er klang dabei gleichgültig, auch wenn seine Worte alleine schon ein Beleg für sein Interesse waren.
 

„Das wirst du schon noch erfahren“, verkündete er geheimnisvoll und ein ungesehenes Lächeln trat in sein Gesicht.
 

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Hey^^

schaut doch bitte wegen dem Stand der FF auf mein Profil ;)

Der nächste Schritt

„Sasuke“, sprach er den Jüngeren erneut an.
 

„Was wollen Sie?“, reagierte dieser in seiner typischen ungerührten, ablehnenden Art und Weise.
 

„Erzähl mir alles, was du über Hatake Kakashi weißt“, sagte er ruhig und hielt den Blickkontakt mit dem jungen Uchiha aufrecht.
 

„Was haben Sie vor?“, entgegnete Sasuke kühl. Er klang dabei gleichgültig, auch wenn seine Worte alleine schon ein Beleg für sein Interesse waren.
 

„Das wirst du schon noch erfahren“, verkündete er geheimnisvoll und ein ungesehenes Lächeln trat in sein Gesicht.
 


 

Sasukes Miene erinnerte entfernt an die kalten Felsen, die am Vorbild der Gesichter der Hokage zurecht geklopft worden waren: sie wirkte ähnlich ausdrucksarm und leblos. Aber er war neugierig. Sehr neugierig. Die Neugier hatte sich fest an ihn geklammert, ließ der Gleichgültigkeit keine Chance. Madara drehte ihm aber seinen Rücken zu und gab ihm auf diese Weise zu verstehen, dass er auf eine Antwort noch warten musste. „Folge mir!“ Damit begann er sich Richtung Höhlenausgang zu bewegen. Der junge Uchiha allerdings machte keine Anstalten, der Auffordernung des Älteren nachzukommen. In seiner Willenlosigkeit, einer anderen Person die Zügel in die Hand zu geben, bewegte er sich in die entgegengesetzte Richtung.
 

„Sasuke.“ Kalt, schneidend, klanglos.
 

Das veranlasste den Angesprochenen dazu, stehen zu bleiben, und sich Madara wieder zuzuwenden. Der Blick des Maskierten und des Nukenin traf aufeinander, weswegen die gefühlslose Seelenlosigkeit zweier verbitterter Shinobi in der tristen, trüben Höhle Einzug fand. Die Atmosphäre triefte vor Eiseskälte und Hass, hüllte die beiden Shinobi in ein lückenloses Gewand. Das einzig sichtbare Auge des Uchiha Madara fixierte mit Nachdenklichkeit das ablehnende Gesicht seines Gegenübers, in welchem er trotz ihrer Undurchsichtigkeit die Geschichte jahrelangen seelischen Leidens lesen konnte. Sasuke wirkte unnahbar und das … stellte ihn vor eine Herausforderung. Er wusste, dass er sich nicht so einfach von ihm kontrollieren lassen würde. Die andere Seite der Medaille hingegen trieb ihm einen schimmernden Funken ins Auge; Sasuke war von Hass zerfressen und er war zu allem entschlossen. Er konnte sich voll und ganz darauf verlassen, dass er ihn bei seinen Plänen unterstützen würde, auch wenn der junge Uchiha unmöglich wissen konnte, was die wahren Absichten des Uchiha Madaras waren.
 

„Wir haben dasselbe Ziel.“ Mehr sagte er nicht. Stattdessen fixierte er stillschweigend den schwarzhaarigen Nukenin und lachte triumphierend in sich hinein, als er eine unmerkliche Veränderung in den Gesichtszügen Sasukes bemerkte, die darauf schließen ließ, dass er über seine Worte nachdachte.
 

Wie er erwartet hatte, sträubte sich Sasuke gegen die Zusammenarbeit. „Sie sind nichts mehr als eine wirkungsvolle Waffe für mich … ein scharfes Kunai, mit dem ich die Kehle meines Opfers durchschneiden werde.“
 

„Auch um jemanden zu töten, musst du die Waffe in die Hand nehmen.“
 

Sasukes Antwort darauf folgte nicht unmittelbar, weswegen Madara abermals das Wort erhob. „Erzähl mir alles, was du über Hatake Kakashi weißt. Nur wenn wir uns gegenseitig helfen, können wir unseren Traum erfüllen und Konoha zerstören.“ Berechnend gab er seinem jungen Gegenüber das Gefühl, dass er auf ihn angewiesen war. Er schaffte damit ein trügerisches Bild, auf dem Sasuke ihn als Miniaturausgabe in der Hand hielt.
 

Sasukes Blick wanderte wie in Zeitlupe auf den steinernden Boden unter seinen Füßen. Nur sehr unregelmäßig blinzelte er, zu viele Gedanken durchströmten ihn wie eine unaufhaltsame Welle, die ihn mit sich zog. Jeder Schritt wollte sorgfältig durchdacht werden. Schon längst hatte der erst sechzehnjährige Nukenin begriffen, dass er selbst der einzige war, dem er trauen konnte. Allerdings kam er nicht um die Tatsache herum, dass er alleine nicht dazu in der Lage war, sein Ziel, Konoha zu zerstören, in die Tat umzusetzen. In stillem Missfallen über die Umstände, die ihn dazu zwangen, in diesem Moment nachzugeben, ballte er seine Hände zu eisenharten Fäusten und durchsiebte den Älteren mit seinem scharfen Blick. Er ließ keinen Zweifel an seinem Widerwillen, als er sagte: „Was genau wollen Sie über ihn wissen?“ Er hatte beschlossen, Madara zu helfen. Um Konoha zu zerstören war er bereit, seine Seele dem Teufel zum Geschenk zu machen. Seine Entschlossenheit kannte keine Grenzen. Dass er im gewissen Sinne dabei war, seinen ehemaligen Lehrer zu verraten, rührte nicht den Funken eines Gefühls in ihm. Nur die Rache zählte für ihn, sonst nichts. Wenn Madara Kakashi nicht umbrachte, dann würde er es tun.
 

„Alles, was du über ihn als Mensch weißt.“
 

Ein kurzes Zucken seiner Augenbraue verriet seine Verwunderung, doch er täuschte gewandt darüber hinweg, indem er mit seiner Reaktion nicht zögerte. „Er kommt immer zu spät.“ Das war das erste gewesen, was ihm in den Sinn gekommen war. Vielleicht, weil Kakashis Unpünktlichkeit einer seiner dominantesten Charakterzüge war.
 

„Von wie viel Zeit sprechen wir hier?“
 

„Höchstens eine halbe Stunde, wenn die Hokage auf ihn wartet. Zwischen einer und fünf Stunden bei jeder anderen Person.“
 

„Tatsächlich?“, bemerkte er trocken, wobei ihm dabei durch den Sinn ging, was das für Schwierigkeiten mit sich bringen konnte. Sasuke blieb ihm eine Reaktion darauf schuldig. Er erinnerte ihn immer mehr an seinen verstorbenen Bruder Itachi. Seine Wortkargheit wurde von Tag zu Tag schlimmer und alles Gesagte schien weise überlegt zu sein.
 

Ohne einer weiteren Aufforderung fasste Sasuke sein Wissen über Kakashi in kurzen, abgehackten Sätzen zusammen. Er erwähnte seine lächerlichen Ausreden, wenn er zu spät kam, oder dass er grundsätzlich lieber durch Fenster einen Raum betrat als durch Türen. In weniger als einer Minute hatte er Madara so einiges über den Hatake erzählt, und doch gab es noch so viel mehr, dass er hätte erzählen können. Sasuke erschrak fast über die Tatsache, dass er Kakashi so gut kannte, obwohl dieser nie etwas über sich erzählt hatte. Und während er mit jedem gesagtem Wort, Kakashi ein Stückchen weiter zu der Spitze des Schwertes von Madara geschoben hatte, war ein undefinierbares Gefühl in ihm aufgeflammt. Abrupt hatte er seine Rede über ihn beendet. Ein leichtes Zucken hatte seine Mundwinkel befallen und in seinen Augen lag ein Ausdruck von Menschlichkeit, die ihm die unmenschliche Maske entriss. Nur für einen winzigen Augenblick trat er in die längst zu klein gewordenen Fußabdrücke seines jüngeren Ichs. Madara, der das beobachtete, konnte sich darauf keinen Reim machen. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, maschierte Sasuke in einer strammen Haltung - wie ein Soldat, der stolz das blutige Schlachtfeld durchkreuzt - tiefer in die Höhle der Akatsuki hinein. Alsbald war er von der dunklen Tiefe der Felsgrotte verschluckt und lediglich ein angenehmer Duft, der sich von dem leicht süßlichen Geruch der teilweise gespaltenen Felsen abhob, erinnerte daran, dass er kurz zuvor dort gestanden hatte. Madara sah noch immer in die Richtung, in die Sasuke verschwunden war. Tausend und ein Gedanke schwirrten in seinem Kopf herum. Sasuke würde ihm noch nützlich sein … da war er sich sicher.
 


 

Kakashi war unglaublich erleichtert, als er wieder auf konohagakurischem Grund und Boden stand. Trotz der späten Stunde war es warm; lediglich eine federleichte, sanfte Brise schlich unauffällig wie ein Dieb durch die Wege Konohas. Der Jounin und sein Partner waren auf dem Weg zum Hokage-Turm, um der Godaime Bericht zu erstatten, auch wenn sie nicht wussten, ob sie dort noch anzutreffen war. Doch schon von einigen Metern sahen sie Licht durch die vorgezogenen Gardinen der Fenster durchscheinen. Sie war also noch wach.
 

„Wir sollten wohl lieber die Tür benutzen“, bemerkte Tenzou, als sie auf dem Baum landeten, mit dem er erst kürzlich nähere Bekanntschaft hatte machen müssen. Doch Kakashi hatte schon zum Sprung angesetzt und landete einige Sekunden später bereits auf dem Dach des Hokage-Turms. Als Tenzou sah, dass Tsunade das Fenster öffnete und seinen Vorgesetzten hereinließ, ohne ihn anzuschreien oder mit einem Schlag gegen einen Baum zu befördern, nahm er all seinen Mut zusammen und tat es Kakashi gleich.
 

Als Tenzou das Büro betrat, bemerkte er, dass auch Jiraya anwesend war. Er hatte es sich auf eine der Fensterbanken gemütlich gemacht.
 

„Wir melden uns zurück!“, sagte er und gab damit den Anstoß für das Gespräch. Spannung zeichnete die Mimik der Godaime, auch wenn sie deutlich spüren konnte, dass sich etwas an Kakashi verändert hatte. Demnach musste die Mission ein Erfolg gewesen sein. Trotzdem wollte sie Genaueres in Erfahrung bringen. „Wie ist es gelaufen?“ Sie nahm wieder auf ihrem Bürostuhl Platz und sah ihren beiden Untergebenen abwartend an. Jiraiya trat aus dem Hintergrund und stellte sich seitwärts neben Kakashi, legte ihm eine Hand auf die Schulter und sagte: „Du hast dich verändert, Jungchen.“
 

Kakashi lächelte und sagte: „Es ist alles reibungslos verlaufen.“ Er bemerkte, wie die Anspannung von seiner Vorgesetzten abfiel, als sie die Augen schloss und kurz seufzte. „Wer hätte das gedacht!“, verließ es Jiraiya in heiterem Ton und er klopfte dem grauhaarigen Shinobi zweimal gegen den Rücken. Der Sannin hatte sehr stark daran gezweifelt, dass die Mission ein Erfolg werden würde. Um so glücklicher war er, dass es Kakashi und Tenzou gelungen war, den Fluch aufzulösen.
 

Tsunade legte wie immer, wenn sie ein wichtiges Gespräch führte, ihre Hände ineinander und verdeckte dadurch den unteren Teil ihres Gesichts. „Was habt ihr alles in Erfahrung bringen können, Kakashi?“ Selten war die Hokage so sehr darauf erpicht, die Einzelheiten einer Mission zu erfahren. Womöglich lag es an dem simplen Grund, dass sie sich gewisse Vorteile für Konoha erhoffte. Mit der Beseitigung dieser Schwäche des Kopierninjas wurde er eine noch stärkere Waffe für Konoha als er ohnehin schon war.
 

Bereitwillig nickte Kakashi und begann, die Mission in seiner kühlen, nüchternen Stimme widerzugeben. Er erzählte von den Ninja im Wald, von der Schwierigkeit, die Grenzen zu überschreiten, von dem letzten Mitglied des Nagoya Clans, der ihn von dem Fluch erlöst hatte, von seinem Bluterbe, das angeblich die Fähigkeit hatte, die Bijuus zu kontrollieren und alles andere, was er für wichtig hielt. Keine einzige Sache ließ er aus, kein einziges Mal wurde er unterbrochen, keine einzige Sekunde ließ er ein Gefühl auch nur erahnen. Seine Worte hingen wie Fäden der Hoffnung in der Luft; Fäden, nach denen die Hokage am liebsten sofort gegriffen hätte. Wie aus dem Nichts hatte sie eine genickbrechende Waffe gegen Akatsuki in die Hand gelegt bekommen. In ihren Gedanken sponnen sich die Pläne wie von selbst. Der Schlüssel gegen den größten Feind der Ninjawelt lag nun gewissermaßen in ihren Händen. Sie warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr, bevor sie die drei Männer vor sich nachdenklich musterte.
 

„Yamato!“
 

„Ja?“
 

„Du kannst nach Hause gehen. Gute Arbeit!“
 

„Jawohl!“
 

Ehe Tenzou die Tür hinter sich schloss, wünschte er der Hokage und ihren zwei Untergebenen eine gute Nacht. Das Geräusch seiner sich entfernenden Schritte wurde von Sekunde zu Sekunde leiser, bis schließlich im Büro der Hokage nichts mehr zu hören war, außer das Ticken der Uhr. Erst dann widmete sie ihre Aufmerksamkeit wieder den beiden vor sich zu.
 

„Hört mir zu! Ihr zwei werdet versuchen, den Fähigkeiten des Bluterbes der Hatakes nachzugehen. Für diese Zeitspanne werde ich euch von jeglichen Pflichten eines Shinobi befreien. Das bedeutet, dass ihr weder auf Missionen geschickt werdet noch irgendwelche Berichte schreiben müsst. Ihr sollt euch Tag und Nacht damit beschäftigen, was sich mit dem weißen Chakra alles anstellen lässt. Legt euer Augenmerk dabei vor allem auf die Sache mit den Bijuus. Wir müssen so schnell wie möglich herausfinden, ob es stimmt und wenn ja, wie es funktioniert. Das könnte das Blatt wenden.“ Beim letzten Satz legte sich ein leicht triumphierendes Lächeln auf ihre Lippen und ihre braunen Augen hatten etwas Abenteuerlustiges. Jetzt konnte der Konter folgen.
 


 

Ein neuer Tag brach an. Singende Vögel flogen über die Dächer und Bäume Konohas hinweg und holten viele Konoha-Bürger sanft aus ihrem Schlaf. Unter ihnen fand sich Neji, der gähnend seine Glieder von sich streckte, und sich unter einem kurzen Seufzer aus seinem Bett erhob. Schlaftrunken warf er einen flüchtigen Blick auf die Uhr über seinem Bett, die ihm offenbarte, dass es gerade kurz nach sieben Uhr am Morgen war. Er gab es ungern zu, aber die Anspannung hatte ihn kein ruhiges Auge zudrücken lassen. Der Gedanke an den Verlust seines Bluterbes hatte nur das Dösen im Halbschlaf zugelassen und dementsprechend lag ihm die Müdigkeit noch in aller Deutlichkeit in den Knochen. Als er damals im Krankenhaus von Tsunade darüber aufgeklärt wurde, fühlte er sich unendlich leer; als hätte man ihm ein Teil seines Seins genommen. Und in gewisser Weise war das auch so. Der stechende Schmerz der Demütigung über das leichte Spiel, das er augenscheinlich den Feinden gemacht hatte, gab ihm nötigen Anstoß dafür, sich stundenlang an seinem Lieblingsplatz, dem kleinen Fluss abseits von Konoha, Gedanken über die Angelegenheit zu machen. Er war unglaublich wütend. Blindlings herumzulaufen und wahllos feindlichen Ninjas des Diebes anzuklagen hätte ihn aber keinster Weise weitergebracht und es war auch absolut nicht seine Art. Letztendlich war ihm aber ein hoffnungsvoller Gedanke gekommen, den er der Hokage vorgebracht hatte. Tsunade hatte diesen Einfall Nejis für sinnvoll gehalten, weswegen sie ihm ohne zu Zögern ihre Zustimmung gegeben hatte. All seine Hoffnung lag nun kreuz und quer auf dem Stück Papier vor ihm auf dem Tisch, auf dem der Ort und die Uhrzeit hinsichtlich der Durchführung in nahezu unlesbarer Schrift geschrieben stand. Zwei Stunden. Zwei Stunden hatte er noch Zeit. Zwei Stunden noch … dann würde sich zeigen, ob er eine Chance hatte, sich sein Byakugan zurückzuholen.
 


 

Zur selben Zeit befand sich Kakashi auf dem Weg zum Trainingsplatz, wo Jiraiya vermutlich schon seit zehn Minuten auf ihn wartete. Das rege Treiben der Konoha-Bürger an diesem frühen Morgen und die Wärme der aufgehenden Sonne, die sich wie das fröhliche Lachen eines Babys direkt ins Herz schlich und es mit Munterkeit füllte, zerstörte das von Pain erschaffene Gemälde des trauernden Dorfes. Mit Wohlgefallen nahm Kakashi zur Kenntnis, dass es langsam bergauf ging.
 

Als Kakashi mit einer fünzehnmütigen Verspätung auf dem Trainingsplatz ankam, sah er Jiraiya an einem der Holzpfeiler in Zentrum des Platzes angelehnt. Er sah von Weitem etwas grimmig aus, fand der Jounin, weswegen er hoffte, dass er ihm seine Verspätung nicht übel nahm. Eine Entschuldigung war definitiv angebracht. Noch während er auf ihn zulief, brachte er lächelnd seine Ausrede hervor. „Entschuldigt bitte, Jiraiya-sama, eine Frau ließ alle ihre Einkaufstüte fallen und da musste ich ihr helfen, alles wieder einzupacken.“ Plötzlich stand der Sannin direkt vor ihm. „Sah sie gut aus? Hatte sie große … du weißt schon?“, grinste er schelmisch, die auf- und abwippenden Hände zu Halbkugeln vor seine Brust geformt, ein Schleier der Wollust über den Augen. Etwas überrumpelt zog Kakashi den Kopf zurück und grinste verlegen. „Nun ja, es war eine alte Frau.“
 

„Warum erzählst du es dann?“, gab Jiraiya gespielt beleidigt von sich und verschränkte seine Arme ineinander. „Tut mir leid“, entgegnete der grauhaarige Ninja lächelnd und griff sich unsicher in die Haare.
 

Wie auf Knopfdruck wechselten die beiden Shinobi das Thema.
 

„Dann wollen wir mal, Jungchen.“ Jiraiya sprang nach hinten, um etwas Abstand zwischen sich und dem Kopierninja zu bringen. Dieser gab kein Anzeichen dafür, dass die Worte ihn erreicht hatten. Entschlossenheit spiegelte sich in seinem Gesicht wider, ließ ihn fokussiert und angespannt wirken. Der Schein trügte. Jiraiya, der Kakashi seit seiner Kindheit kannte, wusste genau, was in diesem Zeitpunkt in ihm vorging. Oberflächlich betrachtet gab es keinen Grund für ihn, nervös oder dergleichen zu sein, aber wenn man genau hinschaute, dann erkannte man deutlich den großen Felsen auf seinen Schultern. Sein Scheitern in solch unruhigen Zeiten und im Angesicht dieses übermächtigen Feindes hätte Konoha den Wind aus den Segeln genommen. Dennoch war Kakashi konzentriert und ließ sich nicht von Gefühlen leiten. Jiraiya hatte es immer mit Erschrecken beobachtet, wie gefühlskalt und beherrscht Kakashi schon als Kind gewesen war.

Ein Shinobi aus Herzblut. Ein Mensch der Verschlossenheit.
 

„Hast du dein Sharingan schon benutzt, seitdem der Fluch aufgelöst wurde?“
 

„Ja, auf dem Rückweg. Der Chakraverbrauch dabei war so gering, dass ich es wahrscheinlich problemlos noch eine ganze Weile hätte verwenden können. Das Mangekyou-Sharingan habe ich allerdings noch nicht ausprobiert.“
 

„Dann solltest du das jetzt tun“, schlug Jiraiya vor und lehnte sich entspannt gegen den mittleren Baumstamm, der etwa zwei Meter aus der Erde ragte.
 

Wie gewohnt griff er nach seinem Stirnband und schob es etwas hoch. Das verschiedenfarbige Augenpaar sah sich nach einem geeigneten Gegenstand in der Gegend um und blieb an einem herumliegenden Baumstumpf hängen. Kakashi drehte sich samt seines Körper in die Richtung, wo er lag und beschwor augenblicklich das Mangekyou-Sharingan herauf. Die dunklen, sich drehenden Spirale ließen das gewaltige Stück Holz in Sekundenschnelle verschwinden. Nur der Abdruck im Boden bezeugte ihre Existenz.
 

„Und?“
 

„Ich habe deutlich gespürt, wie mir mein Chakra entzogen wurde. Allerdings hat es mich nicht großartig angestrengt. Augenscheinlich bin ich nicht so erschöpft, wie ich es normalerweise nach der Anwendung bin. Vielleicht sollte ich das genauer prüfen.“ Und damit sprintete er in Lichtgeschwindigkeit auf den anliegenden Wald zu und machte einen Hechtsprung auf einen der Bäume, sodass einige Blätter ihren Halt verloren und langsam zu Boden glitten. Auf einem Ast stehend blickte Kakashi zu Jiraiya herüber. „Das Sharingan werde ich in Zukunft wohl öfters einsetzen können“, schlussfolgerte er und sprang ab, um wieder zu dem Sannin herüber zu gehen.
 

„Ist dir sonst noch was aufgefallen? Fühlt sich das Chakra anders an?“ Auch der erfahrene Sannin stand der Situation etwas hilflos gegenüber. Sie hatten einfach keine Anhaltspunkte, wussten nicht, wo sie anfangen sollten.
 

„Nein, alles fühlt sich so an wie immer. Was haltet Ihr davon, wenn wir einen Übungskampf machen? Vielleicht kommen wir dadurch einen Schritt weiter.“ Jiraiya ließ sich diesen Einfall nicht lange durch den Kopf gehen, da ihm dieselbe Idee gekommen war.
 

„Dann zeig mal, was du kannst, Jungchen.“
 


 

Der kleine Zeiger hatte endlich die Neun erreicht. Mit einem leicht mulmigen Gefühl in der Bauchgegend klopfte Neji an die Tür der Hokage und auf ein „Herein!“ trat er ein.
 

Tsunade schrieb gerade konzentriert irgendetwas auf eine Schriftrolle und sah nicht hoch, als sie Neji bat, sich kurz zu setzen. Der Angesprochene nahm auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch der Godaime Platz, während sein Herz in einem unnatürlich schnellem Rhythmus gegen seine Brust hämmerte. Gefühlskontrolle gehörte zu seinen großen Stärken, weswegen sein Körper nichts von der inneren Unruhe preisgab.
 

„Gut“, sagte Tsunade nach einer kurzen Weile, legte den Stift beiseite, rollte die Schriftrolle zusammen und verstaunte sie in einer Schublade. „Folge mir!“, sagte sie an den Brünetten gerichtet und schritt voraus.
 

Ihr Ziel war ein Raum im Keller des Hokage-Turms. Während sie die Steintreppen herunterliefen spannte sich Nejis Körper sichtlich an. Die Hände hatten sich zu Fäusten geballt, die Augen sahen entschlossen drein. Ein stolzer Ernst ging von dem Hyuuga aus. Er schien seine Umgebung kaum wahrzunehmen; die grauen, kalten Betonwände, der modrige Geruch, das Flackern des grellen Lichtes. Am Ende des Ganges erreichten sie eine hölzerne Tür, die etwas quietschte, als Tsunade sie öffnete.
 

„Ist alles vorbereitet?“, fragte Tsunade die Person geradewegs heraus, die ihr aus blauen Augen entgegensah.
 

„Natürlich. Es kann sofort losgehen. Bist du soweit, Neji?“
 

Der Angesprochene verengte seine Augen, senkte seinen Kopf etwas und antwortete entschieden: „Ja, Inoichi-san* !“
 

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* Inos Vater

Dem Geheimnis auf der Spur

„Ist alles vorbereitet?“, fragte Tsunade die Person geradewegs heraus, die ihr aus blauen Augen entgegensah.
 

„Natürlich. Es kann sofort losgehen. Bist du soweit, Neji?“
 

Der Angesprochene verengte seine Augen, senkte seinen Kopf etwas und antwortete entschieden: „Ja, Inoichi-san!“
 

Begleitet von Zuversicht ging Neji tiefer ins Innere des Raumes, der als eine Art Arbeitszimmer für den Yamanaka fungierte. Das Zimmer wurde lediglich durch das beißende Licht einer Neonlampe beleuchtet, da es keine Fenster gab. Eine angenehme, kühle Temperatur herrschte darin, die die Nerven des Hyuuga beruhigten. Der Yamanaka und die Hokage wechselten im Flüsterton einige Worte, aber das nahm Neji nur am Rande wahr. Seine Aufmerksamkeit galt einzig und allein der Liege, die auf der rechten Seite des Raumes bereits auf ihn wartete. Die Gürtelschnallen, die an den Seiten herunterhingen, würden ihn in Kürze im wortwörtlichen Sinne an das Bett fesseln und ihn in Minuten der Schmerzen und Zweifel daran hindern, seinen Instinkten zu folgen. Er bangte zwischen Hoffnung und Angst. Wie würde es mit ihm weitergehen, wenn dieser Schritt ihn rückwärts bringen würde anstatt vorwärst? Wenn Frust und Wut die Folgen waren anstatt Erleichterung und Trost? Sein Geist ließ einen imaginären Seufzer von sich.
 

„Leg dich bitte hin“, bat der blonde Shinobi, wodurch er Nejis Gedankenprozess ein jähes Ende setzte. Das undurchschaubare Mienenspiel des Hyuuga wandte sich der Quelle dieser Worte zu und traf dabei auf ein Antlitz aus sanften Zügen. Inos Vater zeigte mit seiner Hand auf die Liege, der bis eben Nejis gesamte Aufmerksamkeit gegolten hatte. Zögerlich setzte er einen Fuß vor den anderen und näherte sich dem genannten Gegenstand, dessen schwarzes Leder mal bedrohlich und mal anziehend auf ihn wirkte. Ungewöhnlich schwerfällig bewegte er sich vorwärts, geradezu so, als würden Bleikugeln an seinen Füßen hängen, die er hinter sich her schleppen musste. Wie Gefangene vor hunderten von Jahren. Stutzig bemerkte er plötzlich, dass dieser Vorgang nicht in sonstiger Art durchgeführt wurde. Er hatte vor einiger Zeit in einem der Räume des Hokage-Turms gesehen, dass die Person bei diesem Jutsu normalerweise in ein Objekt aus Eisen gesetzt wurde, das die Form eines Halbkreises hatte. Er hielt sich jedoch nicht lange mit dieser belanglosen Feststellung auf, ging er doch davon aus, dass der Yamanaka seine Fähigkeiten weiterausgebaut hatte, sodass er diese Technik in jeder beliebigen Situation schnellstmöglich einsetzen konnte.
 

Er lag auf der Liege. Bewegungslos. Gedankenlos. Die hellgrauen Augen hatten sich in dem leeren Weiß der Decke verfangen, während Inoichi ihn mit den Schnallen festband.
 

Als sich die letzte Schnalle mit einem kling um Nejis Brust schloss, positionierte sich Inoichi zwischen der Wand und dem Anfang der Liege, worauf der Hyuuga sein Kopf gebettet hatte. „Gut, dann fangen wir jetzt an.“ Bestätigend suchte er den Blick der Hokage und fand in diesem ihr Einverständnis.
 

Die raue Hand des Yamanaka legte sich auf die Stirn des Hyuuga, wo sie kurz ruhig verweilte. „Schließ jetzt bitte deine Augen und denk an nichts“, richtete er sich deutlich an den jungen Mann, der all seine Hoffnung in ihn und seine Fähigkeiten legte.
 

Neji gab sich keinerlei Bedenken hin, sondern tat in seinem Vertrauen dem Yamanaka gegenüber das, was von ihm erwartet wurde. Ihm war durchaus bewusst, dass er sich damit vollständig in fremde Hände begab und sich selbst mit Hilflosigkeit verfluchte. Der Gedanke war ihm zuwider und er spürte sogar etwas Angst in sich aufkommen. Er war nicht besonders vertraut mit dem Jutsu des Yamanaka-Clans und daher tat er sich schwer damit, abzuschätzen, inwieweit Inos Vater in sein Innerstes einzudringen vermochte. Aber er war bereit, dieses Opfer zu bringen, denn es ging für ihn um weitaus mehr als das Byakugan. Sein Stolz lag in Scherben auf dem Fußboden ... zertreten von den Dieben seines Bluterbes.
 

Langsam … ganz langsam hüllte etwas seinen Geist in Nebel, legte es lahm und wies ihn in eine wohltuende Ruhe und Schwerelosigkeit. Das gleichmäßige und ruhige Atmen des Jounin signalisierte Inoichi, dass er nun mit seiner Arbeit beginnen konnte.
 

Sichtbare Siegelzeichen zogen sich in einem Halbkreis von Nejis rechter Schulter über seinen Kopf hinweg bis zu seiner linken Schulter. Die Innenfläche von Inoichis Hand lag fest auf der Stirn des Jounin. Ein deutlich hörbares Ausatmen übertönte kurz das Ticken der Uhr, welches heute in den Ohren der Anwesenden unnatürlich laut klang. Die Augen des Yamanaka schlossen sich.
 

Mühelos gelang es Inoichi, sich Eintritt in Nejis Verstand zu verschaffen. Dies lag neben seiner jahrelangen Erfahrung vor allem an der Kooperation des Hyuuga, der seinen Geist nicht verschloss. Der braunhaarige Jounin befand sich derweil in einem Dämmerzustand, wodurch er nur sehr eingeschränkt mitbekam, was gerade mit ihm passierte. Auf diese Weise stellte Inoichi sicher, dass Neji nicht ins Grübeln verfiel und dadurch unabsichtlich den Zugang zu bestimmten Bereichen seines Geistes versperrte.
 

Mit hochkonzentrierter Miene besah sich die Hokage das Schauspiel, welches sich ihr bot. Eine merkwürdige Intensität lag in der Darstellung dieser beiden Shinobi, die ihr im Einklang mit der gespenstischen Ruhe im Raum einen Schauer über den Rücken jagte. Ihr Blick schien fest an der Mimik des blonden Shinobi zu kleben, die wie eine Maske auf sie wirkte. Zu beherrscht, zu konzentriert, zu fokussiert war er, als dass man Emotionen in seinem Gesicht hätte lesen können. Sie wusste sehr wohl, dass Inoichi Nejis Geist wahrscheinlich vergeblich nach brauchbaren Informationen durchforstete, aber dennoch kam sie nicht umhin, hoffnungsvoll abzuwarten. Vielleicht würde es doch Erfolg zeigen. Hoffnung starb bekanntlich zuletzt. Aber plötzlich …
 

„Was …?“, flüsterte Inoichi mit einer nicht zu überhörbaren Bestürzung in der Stimme. Falten der Verblüffung traten auf seine Stirn, die die Godaime leicht unruhig werden ließen.
 

„Ist etwas nicht in Ordnung?“
 

Ohne die Hand von Nejis Stirn zu nehmen, öffnete Inoichi gemächlich die Augen. Kaum, dass die Godaime den Ausdruck darin sah, keimte ein ungutes Gefühl in ihr auf.
 

„Es hat einige Zeit gedauert, bis ich den Teil seines Gedächtnisses ausfindig gemacht habe, in dem sich die Erinnerungen der letzten Wochen befinden sollten. Jetzt weiß ich, warum er sich an nichts erinnern kann, was mit dem Verlust seines Byakugans zusammenhängt. Sein Gedächtnis für diese Zeitspanne wurde komplett manipuliert!“
 

Diese Aussage kam so unerwartet, dass der Kopf der Godaime reflexartig nach hinten zuckte. Sie hatte von Anfang an den Verdacht gehabt, dass Akatsuki dahintersteckte und es schien so, als würde sich ihre Befürchtung bewahrheiten. Wer sonst wäre zu so etwas fähig?
 

Als sie sich wieder gefasst hatte, trat sie zwei Schritte näher an Inos Vater heran. „Gibt es eine Möglichkeit, die Manipulation rückgängig zu machen?“
 

„Hmm, schwierig. Rein theoretisch ist es möglich, allerdings sind die Risiken sehr hoch. Ein abermaliger Eingriff in sein Gedächtnis könnte Teile seines Geistes vollständig zerstören. Und außerdem könnten wir hinterher immer noch nicht mit Sicherheit sagen, dass die Erinnerungen authentisch sind. Sowie es aussieht, bringt uns das nicht weiter. Leider.“
 

Der Blick der Godaime fiel auf das Gesicht des Hyuuga, dessen Miene sich leicht verzogen hatte, als wäre jedes Wort zu seinem vernebelten Verstand durchgedrungen. Ein weiteres Mal wandte sie sich an den blonden Shinobi.
 

„Gibt es irgendeine andere Möglichkeit, um an Informationen zu kommen?“
 

Kurz überlegte er und antwortete dann: „Eine Möglichkeit gäbe es da tatsächlich noch. Ich könnte versuchen, über das Unterbewusstsein etwas herauszubekommen. Das Unterbewusstsein ist dazu in der Lage, Dinge zu speichern, aber es kann von uns nicht direkt gesteuert werden. Dementsprechend kann sie auch nicht gezielt gelöscht oder manipuliert werden.“
 

„Gut, dann tun Sie das jetzt bitte“, entgegnete Tsunade. Innerlich flammte wieder Hoffnung in ihr auf. Vielleicht würde es dieses Mal klappen.
 


 

Sasuke stand so stramm und bewegungslos neben seinem Bett in der Höhle, dass er wie eine Figur aus Glas wirkte. Er war nur nicht so durchsichtig. Was war das eben für ein Gefühl gewesen, das durch seine Glieder gekrochen war und seinen Rachendurst kurz in den Hintergrund gedrängt hatte? Hatte er für einen winzigen Moment tatsächlich so etwas wie Reue verspürt, weil er seinen ehemaligen Lehrer ans Messer lieferte? Hatte er für einen winzigen Moment tatsächlich mit Bedauern auf seine Zeit mit Team 7 zurückgeblickt?
 

Mechanisch bewegte er sich auf seinen Rucksack zu und holte einen Gegenstand heraus, der als einziger einen emotionalen Wert für ihn hatte: Eine Fotografie seiner Familie. Traurig ruhte sein glasiger Blick auf dem Bild, welches von einem goldenen Rahmen umrandet war. Es zeigte das einst junge Glück seiner Familie. Die sanften, schwarzen Augen seiner verstorbenen Mutter bahnten sich ihren Weg in seine Brust, wie das messerscharfe Schwert eines Samurai. Das dezente Lächeln seines älteren Bruders rief ihm jene Tage in Erinnerung, an denen ihre Welt noch in Ordnung gewesen war. Der Stolz, der aus der Haltung seines Vaters sprach, erinnerte ihn an seine Pflicht als Uchiha.
 

Er stieß einen tiefen Seufzer aus und verstaute das Bild dann wieder in seinem Rucksack. Es war nichts weiter als ein heller Schatten vergangener Jahre.
 

Er fühlte, wie Wut in ihm aufstieg. Nein, er würde nie wieder – auch nicht für einen winzigen Moment - Schwäche zeigen! Was würde sein Vater, der metertief unter der Erde lag, nur weil Konoha den Untergang der Uchihas beschlossen hatte, dazu sagen? Die imaginäre, strenge Stimme Fugakus drang bereits deutlich an sein Ohr: Du bist schwach, Sasuke. Aus dir wird niemals ein so starker Ninja wie dein Bruder Itachi. Ohne dass er es bemerkte, ballte er seine Hände zu Fäusten. Wie hatte er so etwas fühlen können, nach allem, was Konoha seiner Familie angetan hatte? Er würde sie alle vernichten! Er würde aus ihrem Lachen einen Schrei der Schmerzen machen! Alle, ausnahmslos alle, trugen Schuld an dem, was seiner Familie widerfahren war. Er würde nicht eher ruhen, bis er sie alle zur Rechenschaft gezogen hatte.
 


 

Beide fühlten den grasigen Boden unter ihren Füßen, spürten die sommerliche Brise in ihren Haaren, sahen die Entschlossenheit in den Augen ihres Gegenübers. Die vor Spannung elektrisierte Luft schien sich allmählich durch ihre Adern zu leiten. Bei der Körperhaltung von Kakashi war die Grenze zwischen Abwehr und Angriff verwischt und ließ somit nicht ansatzweise erkennen, was er vorhatte. Er stand etwas seitwärst und hatte seine Hände leicht von seinem Oberkörper weg geschoben. Sein Gegner war nicht minder in Alarmbereitschaft. Die Knie waren leicht gebeugt, der Blick scharf und durchdringend. Wer würde den ersten Schritt wagen?
 

Kakashi sah unauffällig direkt an dem Blick des Älteren vorbei, um nachzuprüfen, ob er die Gegend zu seinem Vorteil nutzen konnte. Der Konoha-Trainingsplatz war von einem Wald umgeben, was einem Kämpfer viele Möglichkeit bot, seinem Gegner Fallen zu stellen und die vielen Bäume als Deckung oder Verstecke zu nutzen. Der Kopierninja erkannte, dass er sich in einer gänzlich ungünstigen Position befand. Die Bäumen warfen bereits ihre hiesigen Schatten auf ihn, war er doch nur wenige Meter vom Wald entfernt, während sein Opponent mitten auf dem Platz stand und alles in einem Radius von etwa 150 Metern sehen konnte. Jiraiya war es nicht entgangen, dass der Jounin für wenige Sekunden nicht seinen Blick erwidert hatte, woraus er vorausschauend seine Schlüsse zog. Wenn Kakashi ihn schlagen wollte, musste er sich schon mehr einfallen lassen. Als hätte sein Gegner diesen Gedanken gehört, flogen blitzschnell einige Kunais in seine Richtung, denen er spielendleicht auswich, indem er einfach zur Seite sprang.
 

„Wenn du so weiter machst, dann wirst du keine Chance haben, diesen Kampf zu gewinnen, Jungchen“, sagte er noch im Sprung zu dem Hatake.
 

Doch als er ein verräterisches Aufblitzen in den Augen Kakashis sah, keimte ein Verdacht in ihm auf. Kaum dass er mit seinen Beinen auf dem Boden aufkam, spürte er schon eine plötzlich auftretende Chakraquelle, der er sich sofort zuwendete. Seine Augen weiteten sich, als er auf den ersten Blick nichts sehen konnte. Die feinen Chakrafäden, die er aufgrund ihrer Farblosigkeit erst nach verhängnisvollen zwei Sekunden erkannte, spannten sich fest um seinen Körper und nahmen ihm jeglichen Bewegungsraum. Im nächsten Augenblick traf ihn die Faust Kakashis im Zentrum seiner Brust und schleuderte ihn meterweit nach hinten. Noch im Flug gelang es Jiraiya, Chakra in seinen Fußsohlen zu konzentrieren und seinen Körper so zu drehen, dass er auf den Boden aufkommen konnte. Doch die Wucht des Schlages war so enorm gewesen, dass es ihn, trotz seiner Gegenwehr in Form der chakrageladenen Fußsohlen, noch einige Meter weiter nach hinten drängte, wodurch er tiefe Furchen im Boden hinterließ. Als er schließlich zum Stehen kam, vergewisserte er sich als erstes, dass Kakashi noch genau da stand, wo er vorher war. Das war eine vereinfachte Form des Hakke Hasangeki, stellte Jiraiya fest, während er sich mühelos mit einem Entfesslungsjutsu von Kakashis Chakradrähten befreite. Er kannte diese Technik. Sie wurde hauptsächlich von Neji genutzt, der mit Hilfe seines Byakugans zuerst den Kreis des Hakke kreeierte, bevor er Chakra in seiner Handfläche sammelte und sie in einem Schlag durch den Körper seines Gegners jagte. Kakashi muss diese Technik mal kopiert und sie auf seine Fähigkeiten angepasst haben. Das vorhin … war nur eine Finte. Er hat mich mit seinem Blick von seinen Händen abgelenkt, um seine Chakradrähte unbemerkt um mich spannen zu können. Sowas gelingt dir nicht noch einmal, Jungchen.
 

Ohne den Jounin aus den Augen zu lassen, stürmte Jiraiya auf ihn zu, um seinerseits zum Angriff überzugehen. Hochkonzentriert fixierte Kakashi seinen Gegner und stellte sich mental auf alles ein. Er vergaß nicht, wen er vor sich hatte. Seine jahrelange Erfahrung mahnte ihn zur Vorsicht, denn jemand wie der Sannin würde nicht kopfüber ein Angriff starten. Dank seines Sharingans konnte er das nächste Jutsu seines Gegners vorhersehen, und genau das war der sprengende Punkt. Der Jounin wusste, dass Jiraiya sich über die Fähigkeiten des Bluterbes der Uchihas bewusst war. Warum also griff er ihn von vorne an, wo er doch genau wusste, dass er ihn nicht überraschen konnte?
 

„Katon: Dai Endan!“, kündigte Jiraiya seinen nächsten Angriff an. Ein gewaltiger Feuerball schoss auf Kakashi zu, sodass ihm für eine kurze Zeit die Sicht auf den Weißhaarigen verwehrt blieb. Mit irrwitziger Geschwindigkeit formte der grauhaarige Shinobi die Fingerzeichen für das Suiton: Suikodan no Jutsu, womit er einen Wasserdrachen heraufbeschwor, der die gigantische Feuerkugel im Nu löschte. Aber wie aus dem Nichts tauchte plötzlich Jiraiya neben Kakashi auf. Noch ehe der Sannin die Fingerzeichen für sein nächstes Jutsu zu Ende ausgeführt hatte, lud der Kopierninja Chakra in seine Füße und sprang hastig hoch, um dem zu entgehen. Ein Lächeln des Triumphes zauberte sich auf Jiraiyas Gesicht, als sein Schattendoppelgänger hinter Kakashi auftauchte, ihn noch in der Luft packte und mit Wucht auf den Boden schleuderte. Das bereits von Jiraiya durchgeführte Doton-Jutsu vereitelte, dass sich der Aufprall des Jounin in Schmerz äußerte. Kakashi steckte bereits bis zur Hüfte im Sumpf. „Doton: Yomi Numa“, klärte Jiraiya ihn kurz über das Jutsu auf, welches den Kopierninja beinahe vollständig bewegungsunfähig machte.
 

„Ihr habt mein Sharingan gegen mich verwendet“, schlussfolgerte Kakashi trocken, während er immer weiter im Schlamm versank.
 

„So ist es. Der Feuerball diente bloß dazu, sich für einen Moment deinem Auge zu entziehen. In dieser kurzen Zeitspanne habe ich einen Schattendoppelgänger erschaffen, der links um den Feuerball herumgelaufen ist, während ich rechts herumlief. Als ich dir gegenüberstand konntest du meinen nächsten Schritt natürlich vorhersehen, aber du wusstest nicht, dass mein Schattendoppelgänger dich daran hindern würde, zu entkommen. Tut mir leid, Jungchen, aber das war's für dich!“ Der Sannin setzte zum alles entscheidenden Zug an, indem er die Fingerzeichen für das Ranjishigami no Jutsu tätigte, in dessen Folge sich seine Haare zu einer Bestie formten und auf den im Sumpf feststeckenden Kakashi zuraste. Natürlich hatte er nicht vor, den Jüngeren wirklich aufzuspießen. Damit drückte er dem Kampf nur seinen Sieg-Stempel auf. Doch kaum hatte sich die Bestie um den Körper des Grauhaarigen geschlungen, erklang ein Geräusch, welches an das Zerplatzen von Seifenblasen erinnerte.
 

Ein Wasserschattendoppelgänger, schoss es Jiraiya durch den Kopf, und er sah reflexartig nach oben, wo Kakashi mit chakrageladener Faust auf ihn zustürmte.
 

Die Situation verwehrte es dem Sannin, kurz inne zu halten, um sich die vorangegangenen Schritte seines Gegners zusammenzureimen. Mit knapper Not gelang es ihm, dem Schlag des Kopierninjas zu entkommen, indem er sein Haar durch einige Fingerzeichen zu einer stacheligen Verteidigung umfunktionierte. Kakashi lief Gefahr, von den Stacheln aufgespießt zu werden. Seine einzige Chance sah er in der Anwendung des Shunshin no Jutsu, die ihn in dem Bruchteil einer Sekunde einige Meter vom Kampfgeschehen weg beförderte.
 

Das war knapp. Das wäre es fast für mich gewesen. Jiraiya-sama ist unglaublich schnell in seinem Han- Der Ausruf „Gamayudan!“ riss Kakashi unsanft aus seinen Gedanken und zwang ihn, aus dem Schatten des Baumes hervorzukommen, hinter dem er Schutz gesucht hatte. Nur mit Mühe gelang es ihm, dem Ölstrahl auszuweichen. Blitzschnell sprintete er aus dem Wald heraus, darauf bedacht, sich nicht von dem Öl erwischen zu lassen. Als er wieder mitten auf dem Trainingsplatz stand, zuckte er einige Shuriken, die er dem Sannin entgegenschleuderte. Doch wie erwartet prallten sie wirkungslos an dem Öl ab. „Das hilft dir nicht weiter, Jungchen!“ Erst jetzt erkannte der Angesprochene, dass sich sein Kampfpartner im Eremiten Modus befand. Wahrscheinlich will er mich an meine Grenzen führen, um dadurch einen höheren Chakraverbrauch zu garantieren. Vielleicht kommen wir auf diese Weise der Entschlüssung des Rätsels meines Bluterbes tatsächlich auf die Spur.
 


 

Tsunade konnte ganz deutlich die Anstrengung in Inoichis Gesicht sehen. Es war sicher nicht leicht, das Unterbewusstsein zu durchkämmen, aber sie vertraute ihm voll und ganz. Er war ein Meister auf seinem Gebiet. Sie zweifelte in keinster Weise an seinen Fähigkeiten. Während sie weiterhin sein Gesicht aufmerksam studierte, bemerkte sie, wie sich etwas darin veränderte. Es sah so aus, als hätte er etwas Interessantes entdeckt. Noch ehe sie die Gelegenheit hatte, nachzufragen, sagte er: „Hokage-sama, ich habe etwas gefunden.“
 

„Und das wäre?“ Sie war ungeduldig, allerdings bemerkte sie, dass seine Konzentration noch immer auf das Unterbewusstsein von Neji gelenkt war. Nachsichtig harrte sie einige weitere Minuten aus, bis Inoichi schließlich sichtlich erschöpft seine Lider hochzog und seine Hand von der Stirn des Braunhaarigen nahm.
 

„Entschuldigt, Tsunade-sama, dass es solange gedauert hat. Ich musste verstreute Fetzen zu einem Ganzen zusammensetzen. Vielleicht sollten wir Neji-kun vorerst aus seinem Dämmerzustand holen, bevor ich erzähle, was ich herausgefunden habe.“
 

„Ja. Ich gehe schon mal vor. Wir sehen uns dann gleich in meinem Büro“, sagte sie zu ihm und verließ den Raum.
 

Als sie die Tür ihres Büros hinter sich schloss, kam ein erschöpfter Seufzer über ihre Lippen. Sie stellte sich wie so oft vor eines ihrer Fenster und sah hinaus in die Natur. Obwohl es erst kurz vor zehn Uhr morgens war, stand die Sonne hoch über Konoha und ließ alles in einem hellen Licht leuchten. Ob Jiraiya und Kakashi schon mit ihrer Arbeit begonnen haben, fragte sie sich. Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihren inneren Monolog und schob jegliche Gedanken weit von ihr. Sie verkündete ein „Kommt herein!“, während sie sich vom Fenster abwendete und sich vor ihren Schreibtisch setzte. Inoichi und Neji nahmen nach Aufforderung der Hokage auf den Stühlen gegenüber von ihr Platz. Zu ihrer Verwunderung war der Hyuuga hellwach und wirkte sehr gefasst. Normalerweise dauerte es nach diesem Jutsu eine Weile, bis die Person geistig wieder voll da war.
 

Nach einem flüchtigen Blick auf die Uhr nahm sie Blickkontakt mit Inoichi auf und fragte kurz und knapp: „Wie sieht es aus?“
 

Inoichi blickte einmal kurz zu dem links von ihm sitzenden Hyuuga, dessen Miene ihm keinen Aufschluss darüber gab, ob er nervös war. Er wendete sich wieder der Godaime zu und antwortete: „Ich habe einige wichtige Informationen aus seinem Unterbewusstsein bekommen, die uns mit Sicherheit weiterbringen werden. Hinter dem Verlust deines Byakugans“, seine Augen suchten die des Hyuuga, „steckt Akatsuki!“. Jetzt konnte Inoichi eine Gefühlsregung in Nejis Zügen erkennen. Sie schwankte zwischen Entsetzen und Wut. Diese Bastarde hatten ihn zum Narren gehalten! Er drückte seine Nägel so tief in die Innenseiten seiner Hände, dass seine Knöchel weiß hervortraten.
 

„Das hatten wir befürchtet“, seufzte Tsunade und schloss kurz ihre Augen, als würde sie nachdenken. Dieser Satz weckte Nejis Interesse, weswegen er sie durchdringend ansah und fragte: „Was meint Ihr damit?“
 

„Unwichtig!“, erwiderte sie fest und überlegte zur selben Zeit, was sie tun sollte.
 

„Das war nicht alles, Hokage-sama“, ließ Inoichi seine Vorgesetzte wissen. Als sie ihm ihre volle Aufmerksamkeit schenkte, verengten sich seine Augen etwas, bevor er sich klarer ausdrückte. „Offenbar hatten sie Neji gefangen genommen und ihm während dieser Zeit das Byakugan aus den Augen transplantiert. Berücksichtigt man die Tatsache, dass ich in seinem Unterbewusstsein nichts gesehen, sondern nur gehört habe, kann man davon ausgehen, dass er bewusstlos war, als die Akatsuki-Mitglieder über ihren Plan gesprochen haben. Außerdem ist davon auszugehen, dass sich ihr Hauptquartier in einer Art Höhle befindet. Es war nämlich ein schwaches Echo zu hören.“
 

Neji stutzte. Warum hatte Akatsuki ihn entführt und dann seine Stelle im Dorf eingenommen? Was hatte das alles zu bedeuten? Und wie war es ihnen überhaupt gelungen, das unbemerkt zu tun? Gefesselt sah er Inoichi an, in der Erwartung, Antworten auf seine unausgesprochenen Fragen zu bekommen.
 

Tsunades Züge verdunkelten sich. „Neji, du kannst jetzt gehen. Ich lasse dich zu einem späteren Zeitpunkt wieder in mein Büro rufen.“
 

Darauf war er gefasst gewesen. Er verbeugte sich kurz und verließ dann wortlos das Büro, auch wenn er viele Fragen hatte und der Unterhaltung gerne beigewohnt hätte. Aber allem Anschein nach wollte die Godaime ein Gespräch unter vier Augen mit dem Yamanaka führen und das musste er gezwungenermaßen akzeptieren. Er hoffte nur, dass sie ihn später über alles aufklären würde. Und bis es soweit war, würde er überlegen, wie er sich sein Byakugan von Akatsuki wiederholen konnte.
 

Die Tür fiel ins Schloss.
 

Tsunade wandte sich wieder Inoichi zu. In ihrem Innern breitete sich ein flaues Gefühl aus und sie musste sich eingestehen, dass sie etwas Angst in sich spürte, als sie fragte: „Was für ein Plan?“
 

Kurz und knapp entgegnete er: „Sie wollen Kakashi-san!“
 


 

Jiraiya drängte den Jounin immer weiter in die Defensive, um ihn daran zu hindern, seinen Rhythmus wiederzufinden. „Senpō: Kebari Senbon!“ Mit einer beachtlichen Geschwindigkeit feuerte der Sannin unzählige Haarstachel auf seinen Gegner. Die Schnelligkeit dieser Attacke machte es für Kakashi unmöglich, rechtzeitig auszuweichen, weswegen er rasant das Doton: Doryu Heki einsetzte und eine Mauer aus Erde erschuff, an dem die Nadeln allesamt abprallten.
 

„Jetzt, wo du mehr Chakra hast, kannst du es dir leisten, deine kopierten Nin-Jutsus anzuwenden, was, Jungchen?“, hörte er Jiraiya sagen. Derweil stand der Jounin noch immer hinter der selbsterschaffenen Mauer und zerbrach sich den Kopf darüber, wie er weiter vorgehen sollte. Der kleinste Fehler konnte ihm das Genick brechen.
 

Das weiße Chakra, welches aufgeregt durch seinen Körper rauschte, war weit davon entfernt, sich dem Ende zu neigen. Eine recht ungewohnte Situation für den Jounin. Dennoch achtete er streng darauf, nicht unnötig Kraft zu verbrauchen. So hatte er es schon immer gehalten, weil das niedrige Level seines Bluterbes nie etwas anderes zugelassen hatte. Ein schnelles Ausschalten seines Gegners war früher unabdingbar gewesen. Vielleicht war es gar nicht so übel, wenn er sich das beibehielt.
 

Kakashi ließ die Mauer zusammenfallen, sodass er dem Sannin wieder von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand. Wer würde dieses Mal den ersten Schritt wagen? Ihre Körperhaltung sprach von Anspannung, ihre Augen von Entschiedenheit. Sie standen unter Strom und waren bereit, erneut eine Auseinandersetzung vom Zaun zu brechen.
 

Trotz einiger Minuten direkten Kampfes waren sie dem eigentlichen Zweck immer noch keinen Schritt nähergekommen. Bis auf die viel größere Menge an Chakra fühlte Kakashi nicht den kleinsten Unterschied zu früher. Wie sollte er das Rätsel um sein Bluterbe lösen?
 

Der Jounin spannte seine Muskel stärker an, als der Weißhaarige mit nach hinten ausgestreckten Armen und nach vorne gebeugtem Körper auf ihn zustürmte. Wieder griff er den Kopierninja von vorne an. Aber dieses Mal würde der Sannin sich nicht austricksen lassen. Während er auf Kakashi zustürmte, erschuff er einen Schattendoppelgänger, den er zur Ablenkung des Jüngeren vorsah. Durch sein Sharingan war Kakashi dazu in der Lage, die halbherzige Tai-jutsu-Attacke des Klons vorauszuberechnen, aber das Eigentliche verriet ihm sein linkes Auge zu spät. Jiraiya war bereits in seinen Schatten eingetaucht, sodass selbst sein Chakra nicht mehr spürbar war.
 

Der Hatake fand sich in einer schier ausweglosen Situation wider. Diese Kunst, die Jiraiya angewendet hatte, diente dazu, sich vor dem Gegner zu verstecken oder ihn zu kontrollieren. Eigentlich war diese Technik nicht sehr wirkungsvoll gegen jemanden, der das Sharingan besaß, zumindest nicht dann, wenn man es als einen Überraschungsangriff nutzen wollte.
 

„Was wirst du jetzt tun?“, fragte der Sannin amüsiert, als er seinen Kopf aus dem Schatten reckte.
 

Das war eine wirklich gute Frage. Kakashi konnte kein einziges Körperteil bewegen. Wie sollte er sich also befreien? Er hätte nicht so unaufmerksam sein dürfen, nur weil es sich um einen Freundschaftskampf handelte. Er seufzte unmerklich. Um das Blatt zu wenden, gab es nur eine Möglichkeit: Er musste das Mangekyou-Sharingan nutzen.
 

Er konnte seinen Kopf nicht heben, aber das war für sein Vorhaben auch nicht zwingend notwendig. Angestrengt sah er hoch … direkt in das grelle Antlitz der Sonne. Er würde sein Kamui an ihr anwenden, um auf diese Weise die Gegend für einen Moment in ein graues Tuch zu hüllen. Das müsste reichen, um das Jutsu des Sannin auszutricksen. Es würde ihn sehr viel Chakra kosten, aber sowie es aussah, hatte er keine andere Wahl. Oder? …
 

...
 

Das ist es!
 

Wie aus dem Nichts war dem Kopierninja aus Konohagakure ein vielversprechender Einfall gekommen. Ein Einfall, der den legendären Sannin in die Knie zwingen würde. Weder eine Ablenkung noch Chakra oder Schnelligkeit war nötig. Dieser Einfall war die ultimative Waffe gegen diesen mächtigen Gegner. Sie lag in Kakashis Hand. Und er würde sie gnadenlos gegen den Sannin anwenden.
 

„Na, wie sieht es aus, Kleiner? Hast du noch ein Ass im Ärmel oder ist der Kampf entschieden?“
 

„Gebt mir bitte noch einen Moment, Jiraiya-sama“, bat Kakashi. Ein Satz, der zu dem genialen Plan des Hatake gehörte. Ein Plan, der von Spontanität lebte. Ein Plan, der nicht wie ein Plan wirken durfte.
 

„Von mir aus“, erwiderte dieser müde und gähnte anschließend herzhaft.
 

Der jüngere Shinobi gab berechnend vor, versunken nach einem Weg aus seiner Misere zu suchen. Ganze zwei Minuten ließ er vergehen, bis er die Stille durch ein leises Räuspern unterbrach. Der Moment der Wahrheit war gekommen. Langsam schweifte sein Blick in die Ferne …
 

„Sie ist perfekt! Was für eine wunderschöne Frau! Jiraiya-sama, habt Ihr diese langen, erotischen Beine gesehen?“
 

„EINE WUNDERSCHÖNE FRAU? EROTISCHE BEINE? WOOOOOOO?“ Wie von einer Tarantel gestochen sprang der Sannin auf und begann, sich aufgeregt umzusehen. „Ich kann sie nicht sehen! Wo ist sie, Kakashi, wo? Sag schon, Jungchen!“ Er sprang immer noch erregt hin und her, und hielt hektisch nach der Schönen Ausschau.
 

Lächelnd wandte sich Kakashi ihm zu. „Ein Ninja muss eine Täuschung erkennen können.“
 

Blitzartig nahmen seine Augen die Form von Untertassen an und er riss seinen Mund ungläubig auf. „Soll das heißen, du hast mich reingelegt, Bengel?“ Es traf ihn wohl schwer, dass sich keine bezaubernde Frau zum Trainingsplatz verirrt hatte.
 

„Tut mir leid, aber-“ Urplötzlich riss Kakashi seine Augen auf. Weit auf. Ein heftiger Geistesblitz hatte seinen Verstand durchzuckt und ließ ihn mit heruntergezogenen Augenbrauen erstarren. Verbündeter, Verbündeter! Befreie mich, oh befreie mich, mit der weißen Kraft. Diese Worte hallten lauter und lauter, eindringlicher und eindringlicher in seinem Kopf wider, setzten ihn auf eine seltsame Art und Weise außer Gefecht. Er stand auf dem Trainingsplatz. Ohne sich zu rühren. Ohne zu sprechen. Dieser Geistesblitz hatte ihn aufgewühlt. Er hatte ihn an etwas erinnert, das fast in totale Vergessenheit geraten war, obgleich es ihm am Herzen lag.
 

Ernst blickte der Sannin den Kopierninja an. Ein heller Hoffnungsschimmer blitzte in seinen Augen auf, als er fragte: „Was ist los? Spürst du etwas Ungewöhnliches?“ Um nicht unnötig Chakra zu verschwenden, hatte Jiraiya sich vom Eremiten Modus in seinen Normalzustand zurückversetzt.
 

Mit wiedergewonnener Fassung schob Kakashi sein Hitai-ate an der linken Seite etwas herunter, um sein Sharingan zu bedecken, ehe er ruhig erwiderte: „Möglicherweise habe ich den Schlüssel zu meinem Bluterbe gefunden. In fünf Minuten bin ich wieder da.“ Ohne ein weiteres Wort zu sagen, verschwand der Jounin in einer Rauchwolke und hinterließ einen Jiraiya, der nicht ansatzweise wusste, wovon er gesprochen hatte. Der Sannin zuckte nur mit den Schultern und murmelte dann lächelnd vor sich hin:
 

„Fünf Minuten? Das bedeutet dann wohl, dass ich für eine halbe Stunde ein Nickerchen halten kann.“
 


 

Der Blick der Hokage war stechend. Sie konnte kaum glauben, was Inoichi ihr eben erzählt hatte. Akatsuki wollte also Kakashi bei einer günstigen Gelegenheit gefangen nehmen und seinen Platz in Konoha einnehmen, um etwas – wie Inoichi aus Nejis Unterbewusstsein herausgefunden hatte - 'Wichtiges' ausfindig zu machen und an sich zu nehmen. Das würde ihnen so passen! Vor ihrem geistigen Auge fügten sich diese Informationen zu einem riskanten Plan zusammen, in welchem Kakashi die tragische Hauptrolle spielen würde. Es tat ihr aufrichtig leid, aber als Hokage war es ihr nicht gestattet, das Wohl des Einzelnen über das des Dorfes zu stellen.
 

„Könnte es sich um eine Falle handeln?“ Eine Möglichkeit, die wohl nicht ganz ausgeschlossen werden konnte.
 

Nachdenklich fixierte Inoichi kurz einen Punkt auf dem Schreibtisch der Godaime und versuchte, eine möglichst genaue Antwort auf die Frage zu geben. „Theoretisch ist es möglich, aber ich zweifele daran. Wenn wir bedenken, dass ich trotz meiner jahrelangen Erfahrung mit diesem Jutsu Schwierigkeiten hatte, an die Informationen in dem Unterbewusstsein von Neji-kun zu kommen, ist eine Falle sehr unwahrscheinlich. Akatsuki konnte gar nicht davon ausgehen, dass Neji mich aufsuchen und wir Erfolg mit unserem Vorgehen haben würden. Und dennoch … es besteht ein gewisses Risiko, dass all das beabsichtigt und Teil ihres Planes ist.“
 

„Gut, wenn das so ist“, verließ es sie zögerlich und sie erhob sich von ihrem Stuhl. „Shizune! Shizune!“, rief sie energisch nach ihrer Assistentin, die im nächsten Augenblick mit dem Schweinchen Tonton im Arm ins Büro geschneit kam. „Ja, Tsunade-sama?“
 

Mit gemischten Gefühlen sagte sie:
 

„Hol mir augenblicklich Kakashi her!“

Aktiviert!

„Es ist so langweilig“, murrte Naruto, die Hände hinter dem Hinterkopf verschränkt, den Blick ziellos in die Ferne gerichtet. Sie steuerten geradewegs den Konoha-Markt an, um den Leuten beim Wiederaufbau zu helfen.
 

„Beklag dich nicht ständig, Naruto!“, schimpfte seine Kollegin aus Team 7, die in aufrechter Haltung und mit einer gewissen Anmut neben ihm herlief. Es wunderte sie nicht, dass der Blonde sich Besseres vorstellen konnte, als beim Wiederaufbau des Dorfes zu helfen, aber es ließ sich derzeit nicht vermeiden. Nicht nur einmal hatte sich die Godaime für ihn bei den Dorfältesten stark gemacht, aber die beharrten stur auf ihrem Standpunkt, dass es viel zu gefährlich war, den Jinchuuriki des Neunschwänzigen auf Missionen außerhalb des Dorfes zu schicken. Und so hatte Tsunade ihn gezwungenermaßen zu dieser „langweiligen” Arbeit abkommandiert.
 

„Gefällt es dir denn, jeden Tag Ziegelsteine und so'n Kram zu schleppen?“
 

„Hier geht es doch nicht um unser Vergnügen!“, wies sie ihn scharf zurecht. „Konoha muss nun mal wieder aufgebaut werden und es ist doch nur selbstverständlich, dass wir auch dabei helfen.“
 

„Ja, du hast ja recht“, gab er sich schließlich geschlagen – wenn auch etwas schmollend.
 

„Hey, Naruto! Sakura!“
 

Als sich die beiden Angesprochenen herumdrehten, erblickten sie sogleich das ihnen so vertraute Bild eines ungleichen Duos: Kiba und Akamaru.
 

„Hey, ihr!“, begrüßte der Uzumaki seinen alten Mitschüler und dessen vierbeinigen Freund mit einem Lächeln auf dem Gesicht, das nichts von der Demotivation erahnen ließ.
 

„Hallo“, grüßte auch Sakura den Inuzuka freundlich.
 

„Seid ihr auch auf den Weg zum Markt?“, wollte der Inuzuka wissen.
 

„Ja“, gab Naruto wenig enthusiastisch von sich. „Ihr zwei auch?“
 

„Ja. Die letzten paar Tage haben wir im nördlichen Teil des Dorfes geholfen, aber heute soll es der Markt sein.“
 

„Du scheinst ja nicht sehr begeistert zu sein“, stellte der Chaosninja aufgrund des missmutigen Gesichtsausdruckes seines Kollegen freudig fest. Geteiltes Leid war eben doch halbes Leid.
 

„Wer hat schon Bock dazu, stundenlang Holzbalken von A nach B zu schleppen! An den ersten Tagen ging es ja noch halbwegs, aber inzwischen kann ich es kaum abwarten, wieder auf eine Mission zu gehen. Die ganzen Bauarbeiten kotzen mich ziemlich an.“
 

„Fängst du jetzt auch noch an?“, brüllte Sakura den braunhaarigen Ninja an und hob drohend ihre Faust, doch der Inuzuka schien unbeeindruckt. Vielmehr setzte er zu einem bissigen Kommentar an, aber ein lautes „Hallo, Leute!“ kam ihm in die Quere.
 

In seinem unverwechselbaren dunkelgrünen Overall stieß Lee zu der kleinen Gruppe und ballte seine rechte Hand zur Faust, ehe sich sein Mund zu einem unheilverkündenden Grinsen formte. Er schob seine gute Neuigkeit nicht lange auf und sagte mit Begeisterung und voller Tatendrang: „Stellt euch vor: Heute dürfen einige von uns beim Wiederaufbau der Akademie helfen! Woohoo, wir werden so viel Spaß haben! Und nebenbei können wir unsere Ausdauer trainieren!“
 

Die Brauen heruntergedrückt, die Lippen zusammegepresst, die Augen zusammengekniffen – so sahen ihn seine drei Kollegen an. Ein Anblick, der unerklärlich für ihn war.
 

„Was habt ihr denn?“, fragte er daher verwundert nach. Er hatte eigentlich fest damit gerechnet, dass sie Freudesprünge machen würden, genauso wie er es getan hatte, als ihm diese freudige Nachricht von seinem Sensei überbracht wurde.
 

„Was soll's, gehen wir eben bei der Akademie helfen“, verließ es Naruto gleichgültig. Viel schlimmer konnte es dort ja auch nicht sein.
 

„Tut mir leid, aber von dir war nicht die Rede. Nur Sakura, Kiba, Shino, Tenten und ich sollen dort helfen. Alle anderen sollen ihrer gewohnten Arbeit nachgehen. Aber mach dir keine Sorgen, denn auch am Markt kannst du Spaß haben und trainieren! Wie sagt Gai-sensei immer so schön: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg“, erklärte er dem blonden Shinobi ausführlich und das trotz des offensichtlichen Desinteresses, welches schon allein durch die herunterhängenden Schultern versprüht wurde.
 

„Die Arbeit macht sich nicht von allein! Also, Leute, los geht’s!“, verkündete er laut und mit ausgestreckter Faust, bevor er davoneilte.
 

„Gut, ich schätze, dann sollten wir mal gehen“, sagte Kiba zu Sakura. „Und wir sehen uns dann vielleicht später, Naruto.“
 

„Ja, bis später“, verabschiedete sich der Sohn des Yodaime und ging dann weiter seiner Wege, während seine beiden Kollegen ruhigen Schrittes die selbe Route einschlugen wie Rock Lee.
 

„Ich frage mich, wie lange wir brauchen werden, um das Dorf wieder aufzubauen“, murmelte der Chaosninja gedankenverloren. Als er jedoch in seinem Augenwinkel eine rasante Bewegung wahrnahm, kehrte er ins Hier und Jetzt zurück.
 

Das ist doch Kakashi-sensei! Warum er es wohl so eilig hat?
 

Er war so neugierig, dass er einen kurzen Augenblick mit dem Gedanken spielte, ihm zu folgen. Unschlüssig stand er auf der Stelle und malte sich verschiedene Situationen aus. Sollte er seinem Lehrer folgen, dann könnte es unter Umständen böse für ihn enden. Tsunade würde ihm die Hölle heiß machen, wenn sie das erfuhr, soviel stand fest.
 

„Wenn ich nun aber was total Cooles verpasse?“, sprach er laut seinen Gedanken aus, womit er sich unbewusst anspornte. In seinen Fingerspitzen fing es an zu jucken. Seine Neugier war einfach zu groß. Er musste in Erfahrung bringen, warum Kakashi es so eilig hatte. In der Richtung, in die er gerannt war, lag der Hokage-Turm und der Trainingsplatz. Beide Orte klangen vielversprechender als der Markt. „Dann wollen wir mal!“, sagte er aufgeregt und setzte zum Sprung auf ein Dach an, als ihm jemand von hinten zurief: „Es ist doch schön, zu sehen, wie motiviert du bist, Naruto. Du scheinst es ja kaum abwarten zu können, anzupacken. Dann lass uns mal losgehen. Wir sind beide etwas spät dran.“ Mit einem warum-musst-du-ausgerechnet-jetzt-auftauchen Blick drehte Naruto sich um und antwortete dem Bauarbeiter niedergeschlagen: „Ich komme schon.“ Heute ist wirklich nicht mein Tag.
 


 

„Das ging aber schnell. Ich hatte nicht so früh mit dir gerechnet“, gestand der Sannin, der noch auf dem Boden lag, den Kopf auf seine Hände gebettet. Gähnend klappte er seine Lider auf und begab sich im Anschluss daran in eine aufrechte Sitzhaltung. Sofort stach ihm etwas äußerst Interessantes ins Auge; ein ihm bekannter Gegenstand, dem er nun seine gesamte Aufmerksamkeit schenkte. Jetzt ging ihm ein Licht auf. Ein Gefühl von Nostalgie wallte beim Anblick dieser unverkennbaren Waffe in ihm auf und färbte auf seine Stimme ab, als er kaum hörbar sagte: „Das Tanto also.“
 

„Ja“, sprach der Hatake ebenso leise.
 

“Was lässt dich glauben, dass es dich weiterbringt?“
 

Anstatt ihm eine verbale Antwort zu geben, hob Kakashi lediglich das Familienerbstück mit der zerbrochenen Klinke hoch, sodass Jiraiya die Worte auf dem Griff lesen konnte.
 

„Verbündeter! Verbündeter! Befreie mich, oh befreie mich, mit der weißen Kraft“, las er leise vor sich hin.
 

Nachdenklich legte der Sannin seine Stirn in tiefe Falten und streckte dem Jounin dann seine Hand entgegen, woraufhin der ihm den Gegenstand reichte. Jiraiya nahm sich einige Sekunden Zeit, um das Tanto von allen Seiten akribisch zu begutachten. Die seinerzeit lange Klinge war zerbrochen und zurückgeblieben war höchstens ein Viertel von ihrer ursprünglichen Länge. Und der Griff sah abgenutzt aus, die Farbe undefinierbar. Aber all das wunderte ihn nicht, denn das hatten Erbstücke so an sich.
 

„Jedes Bluterbe muss erweckt werden, bevor es von der betreffenden Person genutzt werden kann“, rief Kakashi dem Weißhaarigen in Erinnerung und dieser verstand, was der Jüngere ihm damit sagen wollte.
 

„Das klingt plausibel. Ein Versuch ist es allemale Wert“, erwiderte er daher.
 

Wegen dem anliegenden Wald hielten es die beiden Shinobi für klug, ihr Vorhaben im Zentrum des Platzes in die Tat umzusetzen, um eventuell auftretenden Problemen zuvorzukommen.
 

Um besseren Halt zu haben, beugte er seine Knie leicht und zog das rechte Bein ein Stück nach vorne. Er umschloss den stabilen Griff des Tanto dermaßen fest, dass man meinen konnte, er hätte Angst, es könnte ihm aus den Händen gleiten und wie Glas zerspringen.
 

Er wusste nicht, wie es begonnen hatte oder warum, aber wie aus dem Nichts überrollten ihn beunruhigende Gedanken wie eine Lawine, die er nicht aufhalten konnte. Die Seelenspiegel des Jounin schienen plötzlich ihrer Lebenskraft beraubt. Sie waren zersplittert, das Bild darin verzerrt und unlesbar. War es klug, eine so todbringende Waffe zu aktivieren? Was würde passieren, sollte er Akatsuki in die Händen fallen? Es war ein offenes Geheimnis, dass Bluterben auf verschiedene Weise weitergegeben werden konnten. Sprach es nicht von Irrsinn, dieses Chakra zum Leben zu erwecken, wenn es dazu in der Lage war, die Bijuu-Geister nicht nur zu kontrollieren, wozu auch das Sharingan imstande war, sondern sie angeblich auch noch wie ein Magnet anzuziehen? Und wer wusste schon, was für Fähigkeiten es noch besaß.
 

Zögernd senkten sich seine Lider und tauchten ihn in ein Halbdunkeln. Die bloße Vorstellung über die Folgen seines Handels trieb ihn an den Rand eines Abgrunds, wo sie nun unheimlicher wirkte und schwerer wiegte.
 

Ein falscher Schritt und er würde in die Tiefe fallen.

Ein falscher Schritt und er würde ganz Konoha mit hinunter reißen.

Ein falscher Schritt und die ganze Ninja-Nation würde abstürzen.
 

Als er trotz seiner Bedenken damit begann, ein wenig der weißen Kraft in die schwertähnliche Waffe hineinfließen zu lassen, wurde ihm wieder einmal bewusst, wer, oder besser gesagt, was er war, nämlich, ein Werkzeug in den Händen des Ninja-Daseins. Resignierend erhöhte er seine Bemühungen, darauf bedacht, die Dosis vorsichtig zu erhöhen und die Sache mit Bedacht anzugehen. Seine geruhsame Verfahrensweise war jedoch nicht von Erfolg gekrönt.
 

„Es tut sich nichts“, konstantierte Jiraiya lautdenkend und stützte sein Kinn auf die geballte Faust, wodurch das Grüblerische in seinen Zügen besser zur Geltung kam. „Häufe eine größere Menge Chakra in deinen Händen an und jage sie mit einem Mal durch die Klinke. Vielleicht klappt es auf diese Weise.“
 

Kakashi war willens, dem eben Gesagten nachzukommen, weswegen er mit der Umsetzung nicht zögerte. Mechanisch senkte er sein Haupt etwas und visierte das Objekt in seinen Händen an wie einen Feind. Scharf und durchbohrend. Er konnte die immense Zerstörungskraft der weißen Energie in jedem Zentimeter seines Ichs wahrnehmen, als er sie jäh explosionsartig durch das Tanto schoss.
 

„Argh“, stöhnte der Jounin urplötzlich gepeinigt auf und dabei knickten seine Knie wie im Zwang unter dem enormen Druck weiter ein, für den das Bluterbe verantwortlich war; das Bluterbe, welches sich plötzlich wie schwere Betonklotze anfühlte.
 

Helles, zackenförmiges Licht schien aus seinen Poren zu dringen und wie kleine Blitze um seinen Körper zu tanzen. Dutzende, vielleicht auch hunderte. Ein vertrautes Geknister wurde kreeirt, das sich binnen kurzem wie ein Lauffeuer im Winde verbreitete und ihn zu elekritisieren schien.
 

„Es hat funktioniert“, wisperte Jiraiya erstaunt und dennoch mit einer gewissen Besorgnis, denn er konnte dem Jounin die Schmerzen geradezu vom Gesicht ablesen. Dessen vererbte Waffe fiel auf den grasigen Boden unter seinen Füßen, doch offenbar sah sich der Kopierninja nicht in der Lage dazu, sie wieder aufzuheben. Unbeachtet blieb sie liegen. Der Sannin sah, wie Schweißperlen an den Schläfen des Jüngeren herunterrannen, wie auch bald sein Haar mit der Flüssigkeit benetzt war, bis es im Sonnenlicht wie Morgentau glänzte, und blutige Tränen aus seinem Sharingan-Auge traten. Irgendwas lief hier gewaltig schief. Die Brust Kakashis hob und senkte sich viel zu schnell, das Atmen fiel ihm schwer.
 

„Es ... erdrückt mich“, keuchte er, kaum dass er Jiraiyas Beunruhigung bemerkt hatte. Auch als die zuckenden Funken allmählich verschwanden und bald vollständig weg waren, ließ die innerliche Ballast nicht ansatzweise nach.
 

Der Ältere der beiden Shinobi erkannte das Problem sofort und wenn er sich nicht irrte, dann war es zügig zu lösen. Er stellte sich vor Kakashi, bückte sich zu ihm herunter und riet ihm ruhig und doch mit Nachdruck: „Jungchen, du musst aufhören, das Chakra zu konzentrieren.“
 

„Aber-“
 

„Verlier keine Zeit“, schnitt ihm Jiraiya sanft, aber bestimmt das Wort ab und legte ihm in freundlicher Manier unbedacht die Hand auf die Schulter. Im nächsten Augenblick bereute er diese vielsagende Geste, denn eine Art grauer Seidenstoff spannte sich in einem riesigen Halbkreis über sie.
 

„Was …?“, kam es fassungslos von ihm, als er bemerkte, dass er sich nicht mehr bewegen konnte. „Ein Genjutsu?“
 

„Vermutlich“, erwiderte der schweratmende Kakashi mit Mühe. Allem Anschein nach aktivierte sich ein Genjutsu, wenn er sein Chakra an einem bestimmten Punkt in sich konzentrierte und anschließend mit seinem Gegner in Körperkontakt trat. Demnach gab es derzeit wohl nur eine Möglichkeit, um Jiraiya aus dieser Technik zu befreien: Er musste die gesammelte, zu kleinen Energiekugeln konzentrierte Chakra in seinem Körper auflösen und es frei durch sein Inneres rauschen lassen. Das einzige, was ihn davon abhielt, dies augenblicklich zu tun, war eine beängstigte Ahnung. Das Chakra fühlte sich so unglaublich schwer an, dass er fest damit rechnete, von ihr zerquetscht zu werden, sollte er ihr freie Fahrt lassen. Augenscheinlich blieb ihm allerdings keine andere Wahl. Es gab nur eins, was er vorher versuchen konnte.
 

Schnaufend griff er nach dem Handgelenk des Sannin und schob sie etwas von sich weg, um den Körperkontakt abzubrechen. Schon diese kleine körperliche Betätigung zerrte an seinen Kräften, weswegen er die Hand des Weißhaarigen abrupt losließ.
 

„Es hat nicht geklappt“, teilte Jiraiya dem geschwächten Kopierninja mit, der mit gesenktem Kopf und angespannt angewinkelten Armen dastand und keine Anstalten machte, in irgendeiner Art und Weise darauf zu reagieren. Es machte den Anschein, als ob er ganz stark auf etwas fokussiert war.
 

Was ist denn jetzt auf einmal los?
 

„Kakashi?“, sprach ihn Jiraiya vorsichtig an, doch der Angesprochene reagierte nicht. Wenn er sich doch nur bewegen könnte! „Kakashi?“, versuchte er es erneut. Diesmal lauter.
 

Stille.
 

Eine unverhoffte Windböe wehte an ihnen vorüber und streichelte zärtlich das Gras unter ihren Füßen, während die leuchtende Sonne auf sie herablachte und die Blätter der Bäume anmutig tänzelten. Singende Vögel flogen verspielt durch die Lüfte, unbekümmert, als gebe es kein Morgen …
 

Und plötzlich ...
 

„Ahhhh!“, schrie Kakashi auf und riss der vermummten Idylle dieses sonnigen Tages damit die Maske vom Gesicht. Sein Kopf schnellte ruckartig nach oben, als ein erdrückender Schmerz seinen Oberkörper befiel. Was war das?
 


 

„Naruto, hörst du mich nicht? Reich mir bitte mal den Hammer“, bat einer der Männer, der auf einem Dach saß und fleißig daran arbeitete. Doch der Angesprochene, der ihm den Rücken zugewandt hatte und schnurstracks in die Ferne blickte, stand wie angewurzelt da und gab kein Anzeichen dafür, dass er ihn gehört hatte. „Dann hole ich ihn mir eben selbst.“
 

Aus den blauen Iriden des blonden Shinobi wurde ein kräftiges Rot, das eine furchteinflößende Aura versprühte und eine geballte Ladung Aggressivität in sich barg. Die Eckzähne wuchsen zu einer spitzen, messerscharfen Waffe, die sich problemlos durch die dünne Haut einer Person beißen konnte. Die menschlichen Fingernägel verwandelten sich zu scharfen Krallen, gestiefelt und gespornt, um jeden aufzuschlitzen, der sich ihm in den Weg stellte. Und das unverkennliche rote Chakra des Kyuubi breitete sich allmählich um ihn aus, was seiner bloßen Erscheinung eine noch bedrohlichere und gefährlichere Note verlieh.
 

So stand Naruto mitten auf dem Konoha-Markt.
 

Doch noch hatte keiner Notiz von dieser gefährlichen Verwandlung genommen. Viel schneller als üblich trübte und stiehl ihm die Macht des Neunschwänzigen die Sicht auf die Realität. Und viel schneller als üblich durchschnitt diese Kraft das Band zwischen seinem Verstand und seinem angespannten, von ungebremster Energie durchfluteten Leib. Wer war Freund, wer Feind?
 

Nicht nur Naruto war seines freien Willens beraubt. Auch Kyuubi. Auch er hatte keine Kontrolle über den Körper des Blonden.
 

Als umarmte ein reißfestes Seil seine Taille, dessen Ende in den Händen einer unsichtbaren Gestalt lag, zog es ihn widerstrebend über die Mauerkronen in südliche Richtung. Wie ein Wirbelwind fegte er an den halbfertigen Häusern vorüber, schnell und voller Hast, als wäre der Teufel höchstpersönlich hinter ihm her. Er sprintete, sauste und stürmte voll Widerwille einen Weg entlang, den er nicht gehen wollte. Ohne Rast und Ruh'. Schnell, unaufhaltsam. Ein Fuchsschwanz aus hellem Rot loderte wie eine Flamme am Hinterteil Narutos auf und stieg in die Lüfte, bis sie seine Statur überragte. Er rannte und rannte und rannte. Rasch, pausenlos. Wild, jähzornig und unbändig warf er dabei seinen Kopf hin und her und bellte, keckerte und knurrte immer lauter. Das nicht abzuschüttelnde, fremde Etwas in seinem Inneren, das über sein Tun entschied, wurde von Sekunde zu Sekunde stärker. Es machte ihn wütend. Rasend wütend. Der Kyuubi war außer sich!
 


 

„Verdammt, jetzt haben wir ein richtiges Problem!“, sprach der Sannin mit Schrecken, als die animalischen Laute durch den Wald zu ihnen vorpreschten. „Damit wüssten wir jetzt auch, dass das mit den Bijuus der Wahrheit entspricht“, fügte er bitterlächelnd hinzu.
 

Den Verstand von einem beängstigten Szenario befallen, sah Kakashi andächtig in die Richtung, aus der die Geräusche kamen. Er wusste, in was für eine prekäre Lage er Jiraiya und Naruto gebracht hatte. Im schlimmsten Fall konnte dieser Morgen mit einer blutigen Tragödie enden, wofür er allein verantwortlich wäre. Wenn es ihm gelingen würde, das vermeintliche Genjutsu aufzulösen, dann konnten sie alle vielleicht mit einem Schrecken davonkommen. Das einzige Problem war, dass er nicht wusste, wie er diese Täuschung heraufbeschwor. Er hatte sein Chakra in allen Teilen seines Körpers konzentriert und in irgendeinem dieser pochte die gesammelte Energie für das Genjutsu und für das Kontrollieren der Bijuu-Geister. Und diese Stellen musste er identifizieren. Und das schnell. Denn: Kyuubi war da.
 

Er hatte keine Wahl: Er musste alles in sich zusammenbrechen lassen, selbst wenn er dadurch riskierte, durch die Kraft seines Bluterbes erdrückt zu werden.
 

Mit einem ohrenbetäubenden Gebrüll sprang Naruto, der bereits das Gewand des Fuchsgeistes angenommen hatte, aus dem Wald und sprintete in Lichtgeschwindigkeit auf die beiden Shinobi zu. Kakashi hätte schwören können, dass die Farbe des Chakras des Bijuus mit jeder Sekunde an Intensivität zunahm und fast wie Feuer glühte. Der Bijuu schritt, sprang, und rannte mit wuterfülltem Knurren um den Kopierninja herum. Dieser kämpfte indessen verbissen gegen seinen eigenen Verstand an, der ihn mit gnadenloser Rücksichtslosigkeit die Konsequenzen seines Tuns vor Augen führte. Ein innerlicher Zwang hielt ihn aber davon ab, die Konzentration seines Chakras aufzugeben. Allmählich schwand aber seine Kraft dahin und seine Muskeln fingen langsam an, zu erschlaffen, weswegen er der Belastung kaum noch standhalten konnte. Je lauter der Kyuubi keckerte, desto unruhiger wurde er.
 

Bereits vier Schwänze des in Naruto versiegelten Bijuu-Geistes hatten sich befreit und damithergehend schien dessen Zorn zu steigen. Die langen Krallen malten tiefe Schlitze in den Boden, die stechend roten Fuchsaugen nahmen die Form von Mandeln an, die vier Schweife wedelten zügellos hin und her.
 

Der Kyuubi schnappte mit seinen spitzen, messerscharfen Zähne in seiner grenzenlosen Wut wiederholt nach dem Kopierninja, wenngleich er die imaginären Ketten um seinen Körper spürte, die ihn verbissen davon abhielten, dem Konoha-Ninja zu nahe zu kommen. Eine weitere Waffe wurde damit den Menschen in die Hand gelegt, um die mächtigen Bijuus wie ungeliebte Haustiere in Kerkern zu halten. Wie er sie doch hasste! Er hatte das Gefühl, als hätte ihm dieses Chakra eine Leine um den Hals gelegt und würde ihn mit Gewalt aus dem Körper des blonden Chaosninjas ziehen.
 

Langsam, aber sicher neigten sich Kakashis Energiereserven dem Ende zu. Das Kontrollieren des Neunschwänzigen entzog ihm viel Chakra, schon allein wegen der schieren physischen Stärke, die er im Griff behalten musste. Er musste schleunigst etwas unternehmen!
 

„Kakashi, du musst mich irgendwie aus diesem Genjutsu befreien. Dann werde ich versuchen, Kyuubi wieder in sein Gefängnis zu sperren“, ergriff der Sannin lautstark wieder das Wort, denn das Wüten des Bijuu-Geistes war ohrenbetäubend.
 

„Bin … schon dabei“, hechelte der Jounin ermattet und schloss dann seine Augen, alles um sich herum ignorierend. Er durfte sich jetzt von nichts und niemanden ablenken lassen, andernfalls konnte ihm ein fataler Fehler unterlaufen. Es ging jetzt darum, herauszufinden, wodurch er die Bijuus anlockte und auf welche Weise er die Illusion hervorrief. Nach wie vor fokussierte er das Chakra mühevoll in allen Ecken und Kanten seines Körper. Er horchte dem imaginären Pochen der angesammelten weißen Kraft und gab sein Bestes, um auszumachen, wo es derzeit nicht nur am schwersten zu konzentrieren war, sondern auch, an welcher Stelle es ihm am schnellsten entzogen wurde.
 

Es bedurfte dem ehemaligen Anbu nur kurz, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass er die Bijuu-Geister durch das Bündeln seines Bluterbes im Zentrum seiner Brust anzog. Demnach entfachte er das Genjutsu, in welchem sich der Sannin gefangen sah, in einem anderen Körperteil. Aber in welchem?
 

Mit dem Neunschwänzigen und der vor der Tür stehenden Besinnungslosigkeit im Nacken war der Zeitdruck groß. Zu groß, als dass er sich jetzt irgendwelche Gedanken machen konnte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als seine Glieder zu entspannen und darauf zu hoffen, dass er das Richtige tat. Bedächtig lockerte er daher seinen geistigen Griff um die weiße Kraft und spürte sogleich, wie die kumulierten Massen in seinen Körperteilen an Festigkeit verloren ... wie ein stark zusammengepresster Schnellball, der langsam zu schmelzen begann.
 

„Beeil dich, Kakashi!“, kam es unruhig von Jiraiya. Der Anblick von Naruto trieb ihn zur Hektik. Fünf Schwänze wedelten bereits hinter Naruto hin und her! Der kleine Zettel mit dem Siegel befand sich in seiner Tasche, aber er wusste nicht, ob es ihm auf diese Weise gelingen würde, das Chakra des Fuches zurückzuzwingen. Das mächtige Gebrüll des Kyuubi riss Sträucher und Büsche aus der Erde, wiegte Bäume wie ein weinendes Baby und wirbelte den Sand auf. Die bloße Macht seiner Aura war unvorstellbar zerstörerisch und demonstrierte eindrucksvoll seine Übermachtposition gegenüber den Ninja der Nationen. Baumstämme lagen überall verstreut herum, zahlreiche Vertiefungen zierten den Boden, Gestrüppe bedeckten den Grund – der Trainingsplatz war das reinste Chaos!
 

Ein besorgniserregener Laut entrang sich Kakashis trockener Kehle. Das silberne Haar war schweißgetränkt und klebte ihm unangenehm an den Schläfen. Seine Gliedmaßen schlotterten aufgrund der minutenlangen Anspannung der Muskeln und der nahenden totalen Entkräftung seines Organismusses. Er hatte getan, was er konnte. Er zog sachte seine Lider hoch, innerlich hoffend, dass es ihm gelungen war ...
 

Nichts dämpfte das Sonnenlicht, nichts trübte seine Sicht – der dunkle Halbkreis war weg und damit auch das Genjutsu. Es hat geklappt!
 

„Endlich“, kam es erleichtert über die Lippen des Sannin, als sein Körper wieder den Signalen seines Gehirns gehorchte. Doch sogleich fiel ihm auf, dass seine Hand nicht auf Kakashis Schulter lag, obwohl sie das eigentlich sollte. Ein Genjutsu war nur eine Täuschung der Sinne, auch wenn sich die Art und Weise unterschied. Bei diesem musste er sich reintheoretisch in seiner Ausgangsposition befinden mit seiner Hand auf Kakashis Schulter. Aber das tat er nicht. Konnte es sein, dass das angebliche Genjutsu eine Illusion in einer Illusion war?
 

Er schob diesen Gedanken für den Augenblick beiseite und holte stattdessen das kleine Stück Papier mit den Siegelzeichen heraus, dem Fuchsgeist indes Auge im Auge gegenüberstehend. Unschlüssig, wie er die Sache angehen sollte, tappte der Sannin im wortwörtlichen Sinne auf der Stelle. Verdammt, wie soll ich an ihn herankommen? Noch ehe er eine Antwort auf seine Frage gefunden hatte, fletschte sein Gegner seine kalkweißen Zähne gefährlich, riss sein Maul weit auf und schrie ihm seinen Zorn entgegen, wodurch er ihn gegen einen Baum schleuderte.
 

Ein stechender Schmerz durchzuckte seine Wirbelsäule wie ein Stromschlag, aber er biss die Zähne zusammen und sprang rasch auf die Beine, als er das schnelle Herannahen des Kyuubi mit Entsetzen bemerkte. Was sollte er jetzt machen? Würde er es ein zweites Mal schaffen, dem Tod durch den Neunschwänzigen zu entgehen? Er hielt den Zettel fest in seiner Hand umklammert. Er bedeutete Leben.
 

Der Kyuubi holte mit einer Tatze aus und schlug damit nach Jiraiya, in der Absicht, ihn mit seinen langen Krallen aufzuspießen. Und das tat der Fuchs mit so einer enormen Geschwindigkeit, dass der Sannin unmöglich frühzeitig entkommen wäre, wenn nicht irgendwas den Bijuu dazu gezwungen hätte, sich urplötzlich von ihm wegzubewegen. Kakashi!
 

Als der durch den Kyuubi aufgewirbelte Sand sich lichtete, drehte er sich zu dem Kopierninja herum und stellte - erschlagen, ermattet und fasziniert von dem sich darbietenden Anblick - für wenige Flügelschläge das Atmen ein. Der Mund hatte sich im Erstauen einen kleinen Spalt geöffnet, die schwarzen Augen konnten sich an der Bizarrheit dieser Szene nicht satt sehen: Kakashi und Kyuubi sahen einander in die Augen.
 

Der Kyuubi aufrecht. Auf Kakashi herabblickend.

Kakashi auf einem Knie. Zu dem Kyuubi heraufblickend.
 

Das war eine atemberaubende Szene. Eine Szene, wie aus dem Bilderbuch über eine längst in Vergessenheit geratene Zeit. Eine Zeit, in der der Henker auf den Todgeweihten herabblickte. Das einzige, was nicht zu diesem Bild passen wollte und ihre ursprüngliche Aussage zu Unwirklicheit, Ironie und Absurdheit degradierte, war die Überlegenheit in den eisigkalten Augen des 'Todgeweihten', die in diese Szene, diesem Bild, dieser Täuschung ein Loch hineinbrannte.
 

Weder der Shinobi noch der Bijuu-Geist regte sich. Nur die fünf Schwänze des Fuches wehten sanft hin und her. Es war plötzlich so unglaublich leise auf dem Trainingsplatz, dass man wahrscheinlich das Summen einer einzelnen Biene hätte hören können.
 


 

Er war fast am Ende seiner Kräfte angelangt. Schon allein die Position seines Körpers ließ darauf schließen; ein Knie hatte er auf dem Boden abgestützt, während er das andere etwas an seine Brust gedrückt hielt und sein Unterarm darauf abgelegt hatte. Durchsichtige Schweißperlen schmückten sein Haar, wodurch es um eine Nuance dunkler wirkte, und durch die Maske stieß stockender Atem. In diesem miserablen Zustand befand sich Kakashi vor dem eisernem Gitter von Kyuubis Gefängnis.
 

„Was willst du hier?“, zischte der Bijuu-Geist bedrohlich. Er konnte diesen Shinobi schon allein wegem dem Sharingan nicht leiden. Er hasste diese Kraft der Uchihas! Und noch dazu hatte dieser Kerl ein Chakra, dessen Macht er sich – wortwörtlich – nicht entziehen konnte.
 

Kakashi wusste selbst nicht genau, warum er sich geistig in Naruto befand und sich dem boshaften Blick des darin lebenden Wesens aussetzte. Ihm war es darum gegangen, ihn von Jiraiya fernzuhalten, weil die Gefahr bestand, dass er ihn tötete, wohingegen er allem Anschein nach nicht von ihm angegriffen werden konnte. Daraus schloss er, dass das Bluterbe seines Clans ebenfalls als eine Art Schutz vor den Bijuu-Geistern fungierte.
 

„Los, verschwinde!“, brüllte der Neunschwänzige nun außer sich vor Zorn und fletschte demonstrantiv die Zähne.
 

Diese Kraft, die Naruto innewohnte, war unermesslich und schien grenzenlos. Und so ein Wesen sollte er kontrollieren können? Es lief ihm eiskalt den Rücken herunter.
 

„Ich habe gesagt, du sollst verschwinden“, fauchte er nun bedrohlich leise, die Augen zu schmalen Schlitzen zusammengedrückt.
 

Die Bewusstlosigkeit schlich sich immer weiter an und es würde nicht mehr lange dauern, bevor sein Körper den Geist aufgab und nach vorne überkippte. Er musste die Sache hier schnell regeln.
 

„In Ordnung, ... ich verschwinde. Im Gegenzug wirst du allerdings … die Kontrolle … über Naruto aufgeben, wenn ich ... sie über dich aufgebe“, forderte er schweratmend mit kleinen Pausen, da selbst das Sprechen zu einem müheseligen Akt wurde.
 

Der Kyuubi lachte verächtlich auf. Dieses dämonische Gelächter schlug wie ein Vorschlaghammer von allen Seiten auf den Shinobi ein. Hart und unbarmherzig.
 

„Du kannst dich ja nicht mal auf den Beinen halten und da wagst du es, eine Forderung an mich zu stellen? Lächerlich!“, teilte der Bijuu dem Jounin seine Gedanke mit.
 

„Glaub mir, es ist ... in deinem … Interesse“, sprach Kakashi nun mit etwas mehr Nachdruck.
 

Die Gesichtszüge des Kyuubi verfinsterten sich noch mehr. Seine Anspielung hatte demnach ihre Wirkung nicht verfehlt, aber doch schon die nächsten Worte des Fuchsgeistes, die einen fast neutralen Tonfall hatten, zeigten ihm nur, dass er mit seiner Annahme gänzlich falsch lag.
 

„In meinem Interesse? Dass ich nicht lache!“
 

„Um präziser zu werden“, brach es nun unheilverkündend aus Kakashi hervor. „Wenn du ... dich nicht zurückziehst, werde ich … mit dir spielen, wie mit einem Schmusekätzchen!“ Besonders zum Ende hin hatte ein tiefschwarzer Klang seine Worte begleitet.
 

Der Bijuu fühlte sich in seinem Stolz verletzt. Es war demütigend, dass er, trotz seiner hochgradigen Überlegenheit dem Shinobi gegenüber, von ihm ganz nach Belieben benutzt werden konnte. Es machte ihn krank!
 

„Nicht wir Bijuu-Geister gehören eingesperrt, sondern ihr. Ihr Menschen. Ihr seid das wahre Böse.“ Kyuubi konnte spüren, dass die Aura des Shinobi nicht ansatzweise dunkel oder kalt war, aber das machte für ihn keinen Unterschied. Man musste nicht böse sein, um Böses zu tun.
 

Der Jounin war etwas verwundert über diese Aussage, reagierte aber nur mit: „Ich fasse das ... als Ja auf.“
 

„Du bist kein Deut besser als der Mann mit der Maske.“
 

„Der Mann ... mit der Maske?“ Kakashi runzelte verwirrt die Stirn. „Sprichst du von Madara? ... Uchiha Madara?“
 

Als der Name des einstigen Uchiha-Oberhauptes fiel, trat ein seltsamer Ausdruck in die kalten Augen des Kyuubi. Der Shinobi glaubte, Verblüffung und Skepsis darin lesen zu können. Irgendwas stimmte hier nicht.
 

Als keine Reaktion kam, fragte er: „Wieso ... nennst du ihn nicht ... bei seinem Namen?“
 

„Verschwinde jetzt“, war alles, was der Kyuubi darauf zu sagen hatte. Ruhig, aber mit Nachdruck.
 

Wenn er noch die Kraft und Zeit gehabt hätte, weiter nachzuhaken, dann hätte er das getan. Irgendetwas sagte ihm, dass der Neunschwänzige etwas Entscheidendes wusste, wohingegen sie weitestgehend im Dunkeln tappten. Allerdings würde wohl eher die Hölle zufrieren, bevor der Fuchsgeist sein Wissen an Konoha weitergab. Ihm blieb zu diesem Zeitpunkt nur der Rückzug übrig und so tat er schließlich, was von ihm verlangt wurde.
 

Als er wieder den zarten Windhauch auf seiner Haut fühlte, hob er seinen Blick, um sich zu vergewissern, dass der Kyuubi noch immer vor ihm stand. Die roten Augen blickten mit einer Mischung aus Verachtung und Feindseligkeit auf ihn herab, doch er störte sich nicht daran. Ohne den Fuchs aus den Augen zu lassen, löste er das Energiebündel in seiner Brust langsam auf, während er sich gleichzeitig mental auf einen Angriff einstellte. Obwohl sein Leben gerade gewissermaßen am seidenen Faden hing, wirkte Kakashi äußerlich unberührt wie eh und je, so wie man das von ihm gewohnt war. Denn jemand, der den Tod nicht fürchtete, kannte die Angst nicht.
 

Die gesammelte Menge Chakra in seiner Brust zerstreute sich in alle Richtungen und beflügelte sein Innenleben. Es war, als hätte man ihm nach tagelanger Wanderung den Brocken von seinen Schultern genommen, den er in erschöpftem Zustand mit sich herumgetragen hatte. Er fühlte sich leicht, so federleicht. Und obwohl er fast am Ende seiner Kräfte war, kam er problemlos auf die Beine, auch wenn er die Zähne zusammenbeißen musste.
 

Erleichterung machte sich in ihm breit, als die Schwänze des Kyuubi nach und nach dahinschwanden und das rote Chakra langsam, aber sicher abflaute. Der Jounin hatte hochgepokert und gewonnen. Schließlich war der blonde Ninja von der Macht des Fuchsgeistes befreit. Wie ein nasser Sack fiel er kraftlos nach vorne, wurde jedoch von Jiraiya abgefangen.
 

Sorge zeichnete die Mimik des Sannin beim Anblick der verbrannten Haut des Blonden. „Naruto muss sofort behandelt werden.“
 

„Kakashi-san!“, hörten die beiden Shinobi plötzlich jemanden rufen. Shizune.
 

Während sie sich den Männern näherte, fiel ihr auf, dass Naruto regungslos in den Armen von Jiraiya lag. Daraufhin beschleunigte sie ihre Schritte, wobei ihre Mimik deutlich erkennen ließ, dass sie besorgt war. Das Wüten des Neunschwänzigen war ihren Ohren nicht entgangen.
 

„Tsunade-sama verlangt nach Ihnen“, ließ sie den Kopierninja schnell wissen und verlor dann keine Zeit, um den Chaosninja zu behandeln. Sogleich begann sie damit, ihr heilendes Chakra zentimeterweise über dessen verbrannte Haut zu fahren. Ihr Blick war schnurstracks auf den geschwächten Körper des Blonden gerichtet. Aus einem unersichtlichen Grund vermied sie es, die beiden Shinobi zu fragen, was geschehen war.
 

„Ich glaube kaum, dass du es alleine dorthin schaffst“, merkte der Sannin nach einem flüchtigen Seitenblick auf Kakashi an. „Komm schon, Jungchen, ich helfe dir dorthin. Naruto ist ja in besten Händen.“
 


 

Tobis Blick streichelte geradezu die riesige Statur vor sich; geprägt von Faszination, gefärbt vom dunklen Ton des Wahnsinns. Das berauschende Spektakel hatte bereits sein Ende gefunden, aber noch immer konnte er sich nicht davon losreißen. Er hatte die Arme einladend geöffnet und sie dem übergroßen Objekt entgegen gestreckt. Die sieben Bijuu-Geister hatten sich beruhigt. Und doch schien ihr verstummtes Gebrüll selbst jetzt noch durch die Grotte zu streifen. Das war das Zeichen, worauf er gewartet hatte. Er kam seinem Ziel näher und näher.
 

Kisame beäugte seinen Vorgesetzten aufmerksam. Dessen Pose erinnerte ihn an einen streng gläubigen Menschen, der eine Gottheit anbetete. Wie er dagestanden und die Bijuus mit seiner Augenkunst in ihrem Gefängnis gefangen gehalten hatte, hatte ihm imponiert. Das war das erste Mal gewesen, dass er den Mann mit der orangen Maske richtig in Aktion erlebt hatte. Er verstand aber nicht, warum die Bijuu-Geister plötzlich angefangen hatten, herumzubrüllen und mit aller Macht versucht hatten, aus ihrem Käfig auszubrechen. Besonders merkwürdig fand er die Tatsache, dass alle sieben wie auf Kommando mit ihrer Rebellion begonnen hatten, geradezu so, als hätte jemand auf einen Knopf gedrückt.
 

„Kisame, begib dich unmittelbar nach Kumogakure und schaff mir den Achtschwänzigen her. Versuch, keine Aufmerksamkeit zu erregen“, wandte sich Tobi völlig unerwartet an seinen Untergebenen.
 

Der Angesprochene grinste und entblößte damit fast vollständig das haiähnliche Gebiss. „Wird erledigt.“ Im Anschluss an diese kurzangebundene Antwort verließ der Akatsuki-Mitglied die provisorische Unterkunft der Organisation und ließ Tobi alleine. Dieser ging in Gedanken seine nächsten Schritte durch. Bis jetzt lief alles nach Plan. Erst einmal musste er Pain, der derzeit mit Konan in Amegakure war, über die Aktivierung des Kekkei Genkais der Hatakes in Kenntnis setzen. Es galt nun, sich in Geduld zu üben und abzuwarten, bis Kakashi auf eine Einzelmission oder dergleichen geschickt wurde. Eine solche Situation würde er nutzen, um ihn zu entführen und sein Vorhaben aktiv in Angriff zu nehmen. Er war sich sicher, dass dieser Augenblick nicht weit weg war. Dafür … hatte er gesorgt.

Ein riskanter Plan

Schon als sie das schweißgetränkte Haar erblickt hatte, schon als sie in die zusammengekniffenen Augen sah, schon als ihr die gebückte Haltung aufgefallen war, hatte Tsunade instinktiv gewusst, dass etwas Entscheidendes vorgefallen war. Sie hatte Kakashi – trotz seiner Beteuerung, dass es ihm gut ginge – ins Krankenhaus eingeliefert.
 


 

Nach wenigen Minuten ruhigen Liegens hatte sich sein Puls weitestgehend beruhigt und sein Atem stieß in gesundem Tempo durch seine Maske. Zerstreut haftete sein ausdrucksloser Blick an einem schwarzen augenförmigen Fleck an der Zimmerdecke, der das glockenreine Weiß verschandelte und es zu einem bösen Omen werden ließ. Streichelnd fuhren seine Fingerbeeren über den daunenweichen Stoff der Decke, die unter seinem ermüdeten Körper begraben lag. Rauf. Runter. Rauf. Runter. Rhythmisch und im Takt, wie ein tropfender Wasserhahn im Hintergrund.
 

Im Geiste ließ er den Vormittag Revue passieren. Die intensiven Farben der Bilder jener Stunden blühten wie eine Knospe vor seinem inneren Auge auf; das furchteinflößende Rot des Chakras Kyuubis, die selben farbigen stechenden Augen, die vom Sandstaub zu blassgrün gewordenen Blätter; er sah die Unruhe in den meist unbekümmerten Zügen des Sannin, hörte sein eigenes stark schlagendes Herz, roch noch immer die dagewesene Gefahr; das verstummte Wortgefecht zwischen Kyuubi und ihm fand erneut seinen Weg in seine Gehörgänge, ließ ihn abermals hellhörig aufhorchen und rief ihm die bedeutsamste Aussage des Fuchsgeistes in Erinnerung: Du bist kein Deut besser, als der Mann mit der Maske. Obzwar ihm diese so wichtig erscheinende Information wie vom Himmel in den Schoß gefallen war, hegte er Zweifel an der Wahrheit dieser. Ignorieren wollte er jedoch dieses unsagbar merkwürdige Gefühl nicht, welches gegen seine Schweigsamkeit rebellierte und ihm sagte, dass der Fuchsgeist aus einem bestimmten Grund jene Worte gewählt hatte. Ihm blieb daher nichts anderes übrig, als der Hokage davon zu berichten, wenngleich er wusste, dass bei allen die Nerven blank lagen und Unruhe derzeit Gift für Konoha war. Und Gift war tödlich.
 

Das Klopfen an seiner Tür zerfetzte den Gleichmut, der wie ein warmer Hauch durch das Zimmer gestreift war und ihn mit wohliger Ruhe umhüllt hatte.
 

„Tsunade-sama“, grüßte er die eingetretene Person respektvoll und obschon er sich im Klaren darüber war, dass er sich kaum bewegen konnte, richtete er sich langsam auf. Dabei schoss ein beißender Schmerz durch seine geschwächten Glieder, weswegen er abrupt inne hielt und seinen leicht angehobenen Leib widerwillig zurück aufs Bett fallen ließ.
 

„Überanstreng dich nicht und bleib liegen“, riet ihm Tsunade in einem fürsorglichen Ton und sandte ihm einen besorgten Blick, den Kakashi mit unausgesprochener Dankbarkeit empfing. Mit unterschwelliger Besorgnis beobachtete er, wie die Hokage anschließend ziellos durch den Raum sah, als würde sie nach etwas Ausschau halten; eine Verhaltensweise, die entschieden untypisch und seltsam war, wenn man bedachte, dass es sich um die Godaime handelte. Ihre braunen Iriden offenbarten die innerliche Anspannung und mentale Müdigkeit, die wie eine Blume in ihr gewachsen war. Der jahrelange Kampf gegen Akatsuki hatte sie ausgezerrt, sie geistig erschöpft und ihre steinharte Schale zu Staub geklopft. Der Wille des Feuers brannte jedoch nach wie vor lichterloh in ihr und unterdrückte jene dunkle Gedanken, die ihr in ihrem Vorhaben hinderlich werden konnten. Ganz gleich, wie sehr es sie belastete, in diesen schweren Tagen, Wochen, Jahren die Hokage des Dorfes Konohagakure zu sein: Sie war bereit, alles Erdenkliche zu tun, um diese Organisation den Garaus zu machen – auch das konnte Kakashi in ihren Augen sehen.
 

Ein vertrautes rhythmisches Klick Klack drang mit steigender Lautstärke von dem Gang bis zu ihnen durch und erst, als Jiraiya auf der Türschwelle zu Kakashis Krankenzimmer stehenblieb, kehrte die Ruhe in die fahlen Wände des Krankenhauses zurück.
 

„Ist der Bengel endlich nach Hause gegangen?“, fragte Tsunade ihren alten Teamkollegen geradewegs heraus, woraufhin dieser grinsend entgegnete: „Ja, nachdem ich ihm versprochen habe, ihm ein neues Jutsu beizubringen.“
 

„Das sieht Naruto ähnlich“, warf Kakashi lächelnd ein, womit er umgehend die Aufmerksamkeit Jiraiyas auf sich zog.
 

Der Sannin musterte die liegende Gestalt für ein paar Flügelschläge, während sich die Geschehnisse des Vormittags in Schatten vor seinem inneren Auge auftaten. Unabsichtlich verfiel er ins Grübeln, doch er bemerkte es rechtzeitig und kehrte geistig wieder ins Hier und Jetzt zurück. „Wie fühlst du dich?“, wandte er sich dann mit dezent bedrückter Miene an den Jounin, dessen Blassheit von der Maske nicht verborgen werden konnte.
 

„Gut, danke“, entgegnete Kakashi und schenkte dem Sannin ein Lächeln, welches kläglich dabei scheiterte, ihm Frohsinn ins Gesicht zu zeichnen und ihn stattdessen Lügen strafte. Die Wahrheit sah anders aus. Ihm war elend zumute. In Anbetracht der Schwere und der Anspannung, die so intensiv im Raum zu spüren war, dass man meinen konnte, sie greifen zu können, hatte Kakashi eine kleine Notlüge der Realität vorgezogen. Warum sollte er offenlegen, dass es ihm miserable ging, wenn die Wahrheit die momentane Situation verschlechtern, aber nicht verbessern konnte? Alle drei Anwesenden im Zimmer 221 spürten, dass die ultimative Konfrontation mit Akatsuki bereits wartend vor ihrer Tür stand. Sie ahnten, dass bald eine endgültige Entscheidung über die Zukunft der Ninja-Nationen fallen und ein Versagen mit dem Blut ihrer Mitmenschen bezahlt werden würde. Das Schicksal der Gegenwart lag voll und ganz in den tauben Händen jener Personen, die den Gegenschlag planten. Es gab keine Garantie dafür, dass es darin nicht zerbrach.
 

„Bevor ich euch über die neusten Geschehnisse aufkläre“, sprach sie unverhofft in Richtung der beiden Männer, „möchte ich wissen, was genau sich beim Training zugetragen hat. Narutos Zustand ist Beweis genug, dass es euch gelungen ist, das Kekkei Genkai freizusetzen und die Gerüchte um das Bluterbe der Hatakes entspricht allem Anschein nach auch der Wahrheit. Ich brauche allerdings Einzelheiten.“ Die Godaime stand still auf der Stelle; etwas, was sie normalerweise nicht tat. Mit einer fesselnden Dynamik fixierte sie ihre beiden Untergebenen. Jiraiya verschränkte seine Arme vor seiner Brust und lehnte sich an die Wand an. Er warf dem rechts von ihm im Bett liegenden Kopierninja einen leeren Blick zu, bevor er Tsunade mit selbigem bedachte.
 

„Es ist schwierig, zu beschreiben, was genau passiert ist“, fasste Jiraiya seine Eindrücke des Vormittags zusammen. In der Tat fiel es ihm nicht besonders leicht, das Erlebte zu reflektieren und in einen logischen Zusammenhang zu bringen. Alles war so schnell gegangen. Eins hatte zum anderen geführt und das seltsame Genjutsu der weißen Erbkraft hatte ihm ein Rätsel aufgegeben. Er hatte eine eindeutige Vermutung, was das betraf und er war gespannt, wie Kakashi es empfunden hatte. Dieser gab die ereignisreichen Stunden in kurzen Sätzen wider, wobei er sich auf die wichtigsten Punkte beschränkte. Eine angenehme Ruhe schwang in seiner Stimme mit, als er Tsunade von dem neu erweckten Chakra erzählte, welches sich urplötzlich schwer wie Beton angefühlt hatte. Obendrein verlor er ein paar Worte über das von ihm unabsichtlich heraufbeschworene Genjutsu, in welches er Jiraiya gezogen hatte. Von der Konfrontation mit dem Kyuubi erzählte er ebenfalls, wobei er das Gespräch mit diesem erst einmal für sich behielt.
 

„Kakashi“, sprach ihn Jiraiya an und nahm Tsunade vorerst die Chance, Fragen zu stellen. „Ist dir etwas aufgefallen, als du das Genjutsu aktiviert hast?“
 

Kakashi brauchte keine Sekunde, um zu begreifen, worauf Jiraiya hinauswollte. „Diese Technik … ist nur als Genjutsu getarnt. Ein Blick genügt und jeder Ninja wäre sich sicher, dass es sich dabei um eine Illusion handelt. Allerdings geschieht alles, was ich während dieser Zeit mit meinem Gegner tue, in der Realität“, gab er seinen Eindruck wider und ein Nicken des Sannin zeigte ihm, dass er zum selben Ergebnis gekommen war.
 

„Außerdem hat das Genjutsu erst dann gewirkt, als ich deine Schulter berührt habe. Im Falle, dass du dieses Jutsu im Kampf einsetzen willst, solltest du diesen Faktor unbedingt im Hinterkopf behalten. Solange du keinen Körperkontakt mit deinem Gegner herstellst, wird diese Technik nicht funktionieren“, ergänzte Jiraiya.
 

„Das werde ich“, versicherte dieser ihm.
 

„Interessant“, meinte Tsunade nur und runzelte dann die Stirn. Ein Gedanke spukte schon die ganze Zeit in ihrem Kopf herum. „Konntest du die anderen Bijuu-Geister spüren, als du Kyuubi kontrolliert hast?“ Der Ausdruck in ihren Augen zeigte, dass sie sich Hoffnungen auf eine bestimmte Antwort machte. Ihre Arme hatten sich an ihren Körper angeschmiegt, ihre Hände waren andeutungsweise zu Fäusten geformt. Eine spürbare Unruhe ging von ihr aus, was ihr nicht übel genommen werden konnte. Als Oberhaupt des Dorfes lastete ein unglaublicher Druck auf ihren Schultern, dem sie unter allen Umständen standhalten musste.
 

Kakashis Reaktion darauf folgte nicht unmittelbar. In gedanklicher Zurückgezogenheit ließ er jene Momente auferstehen, wodurch er sie ein weiteres Mal durchlebte. Er wusste, wie viel von seiner Antwort abhing, als er erwiderte: „Ja, aber ich konnte dennoch nicht ihren genauen Standpunkt bestimmen. Ich schätze, dafür fehlt es mir derzeit an Training und insbesondere Erfahrung mit diesem Kekkei Genkai.“
 

Tsunade seufzte deutlich hörbar und ließ ihren bekümmerten Blick wie in Trance zum Fenster schwingen, der ihr nicht die gewohnte Schönheit der unberührten Landschaft Konohas offenbarte. Alles wirkte so grau und trist, obwohl die Sonne schien. Sie glaubte, das fröhliche Lachen von Kindern aus weiter Ferne hören zu können und der bloße Gedanke, dass sich dieses womöglich bald in traurige Klänge verwandeln könnte, ließ das Blut in ihren Adern gefrieren. Nein! Sie würde das nicht zu lassen! Solange sie lebte, würde sie das zu verhindern wissen!
 

„Kakashi, Inoichi hat mir wichtige Informationen beschafft. Ich habe daher eine neue Mission für dich“, sagte sie geistesabwesend, Auge in Auge mit der Tristheit der Natur. Was ging in ihr vor, während sie aus dem Fenster sah?
 

In Kakashi keimte ein ungutes Gefühl auf. Ihm war der melancholisch angehauchte Ton in ihrer Stimme nicht entgangen und ihre Haltung trug nicht dazu bei, dass dieser Eindruck verschwand. Ihre Arme hingen kraftlos herunter, die Hände waren geöffnet und ihre Schultern hatten ihre Strammheit eingebüßt. Noch bevor sie ein Wort verloren hatte, spürte Kakashi die imaginäre Schlinge, die sich um seinen Hals legte.
 


 

Der Schattendoppelgänger verpuffte, als er ihm einen kraftvollen Schlag in die Magengrube verpasste. Neji atmete in einem unnatürlich schnellen Rhythmus, sein Herz pochte aufgeregt gegen den Brustkorb. Ausgelaugt ließ er sich so geschmeidig nach hinten fallen, als würde er fest damit rechnen, von jemandem aufgefangen zu werden. Der Aufschlag auf den steinharten Boden war nicht schmerzhaft, nicht herb, nicht quälend … nur bitter. Neji seufzte und senkte seine müden Lider, um sich vollends zu entspannen. Er genoss die Stille am kleinen Gewässer, die nur dann und wann durch das plätschernde Geräusch spielender Fische unterbrochen wurde. Während er so dalag und sich gedanklich fallen ließ nahm er das goldene Gelb der hochgewachsenen Sonnenblumen auf der gegenüberliegenden Wiese wahr, die in den sanften Böen leicht schaukelten, den ozeanblau gefärbten Himmel, der so klar und rein wirkte, die blütenweißen Wölkchen, die scheinbar unbefangen an Ort und Stelle weilten. Wieso kam er sich nur so fehl am Platz vor? Die bunten Farben seiner Umgebung wirkten fad und trist, sein Spiegelbild auf der Wasseroberfläche tot und unwirklich. Ihm war nie bewusst gewesen, wie viel ihm sein Kekkei Genkai bedeutete, wie sehr es ihn als Ninja definierte, wie groß die emotionale Verbindung dazu war. Wann die Hokage wohl auf ihn zurückkommen würde? Die Warterei zerrte an seinen Nerven, auch wenn er es sich selbst nicht eingestand. Am liebsten wäre er aufgesprungen und hätte sich auf schnellstem Wege auf die Suche nach Akatsuki gemacht, obgleich es sehr gefährlich war. Der Tod war nichts im Vergleich zu einem Leben ohne das Erbe seines Clans. Ein Hyuuga ohne Byakugan war unwürdig.
 


 

Das einzige Auge, welches durch eine rundliche Öffnung in der orangen Maske sichtbar war, schaute unbeseelt in die weite, endlose Ferne. Der Mantel mit den roten Wolken schlug sanfte Wellen im vorbeiziehenden Wind, der ein pfeifendes Geräusch durch den hinter ihm stehenden Höhleneingang schickte. Tobi fühlte die Anwesenheit seiner treuen Untergebenen Pain und Zetsu in seinem Rücken, doch er machte sich nicht die Mühe, seinen Blick von dem leeren Punkt im scheinbaren Nichts zu nehmen, das ihn auf unbegreifliche Art und Weise fesselte.
 

„Seid Ihr Euch sicher, dass der Plan aufgeht?“, erklang die nüchterne Stimme Pains, der sich wie Zetsu mit einem respektvollen Abstand neben den Anführer der Akatsuki stellte und ebenso wie dieser schnurstracks über das gesamte Gebiet hinübersah, ohne dabei etwas bewusst ins Auge zu fassen. Mit ihren schwarzen Mänteln stachen sie aus dem lebhaften, kunterbunten Kleid der Natur heraus – wie ein schwarzer Tintenfleck auf der Heiratsurkunde, der Unheil prophezeite.
 

„Die Chancen stehen sehr gut, aber es ist nicht auszuschließen, dass sie uns durchschaut haben“, gab Tobi zu Bedenken, wobei er eine ungewöhnliche Sanftheit und Ruhe in seinen Worten heraushören ließ. Obwohl er anwesend war und sich unterhielt, erweckte er den Eindruck, geistig völlig woanders zu sein.
 

„Es darf nichts schiefgehen“, bemerkte die dunkle Seite Zetsus ernst, woraufhin der von Nagato gesteuerte tote Körper Yahikos mechanisch sagte: „Von nun an können wir nichts weiter tun, als abzuwarten.“
 

Tobi nickte kaum merklich. „Die Fäden sind zerrissen. Wir sind darauf angewiesen, dass die Marionetten sich von alleine bewegen.“
 

„Sehr poetisch, Tobi“, gab Shiro-Zetsu mit einem angedeuteten Grinsen von sich, woraufhin Kuro-Zetsu rügend sagte: „Bleib ernst!“
 

„Nagato“, sprach der Mann mit der Maske gedämpft. „Nachdem wir fürs Erste alles besprochen hätten, können Sie sich wieder zurück zu Konan nach Amegakure begeben. Es wird sicherlich noch einige Woche dauern, bis wir die Gelegenheit bekommen, Kakashi Hatake gefangen zu nehmen. Wenn es soweit ist, werde ich Sie kontaktieren.“
 

Nach einem kurzangebundenen „Ja“ leistete Pain der Aufforderung seines Vorgesetzten folge und entfernte sich augenblicklich von seinem derzeitigen Standpunkt, um wieder wie ein Gott über Amegakure zu wachen.
 

Eine scharfe Windböe zog an den beiden vor der Höhle stehenden Nukenins vorbei, den salzigen Geruch von feuchten Felsgrotten mit sich herumtragend. Ein schwaches Donnern erschallte und kündete ein Sommergewitter an. Tobi sah hoch zu den Wolken und erkannte, dass diese bereits einen gräulichen Farbton angenommen hatten. Es würde bald zu regnen anfangen. Er fragte sich, ob Sasuke das Unwetter ignorieren und weiter trainieren würde. Ihm war nie ein Mensch begegnet, der derart ambitioniert seine Ziele verfolgte. Was würde passieren, sollte Sasuke in seinem Vorhaben scheitern? Der Junge stand bereits an der Grenze zum Wahnsinn.
 

„Sieh nach Kisame!“, befahl Tobi wie aus heiterem Himmel und zog sich ins Innere ihres provisorischen Hauptquartiers zurück. Zetsu sah ihm solange hinterher, bis nichts mehr von ihm zu erkennen war. Obgleich die Maske Tobis Mimik gänzlich verbarg und ihn dadurch vor den scharfen, durchschauenden Augen anderer wahrte: Zetsu schien in ihn hineinsehen zu können. Es lag eine unendliche Seelenruhe in Tobis Sharingan, als wüsste er ganz genau, wofür er diesen unerbittlichen Kampf führte. Eine unverdrossene Ausgewogenheit ging von dem Kopf der Organisation aus, die einen glauben ließ, dass ihn nichts aus dem Gleichgewicht bringen konnte. Nichts. Gar nichts.
 


 

Die Augen der Godaime erinnerten an einen ausgetrockneten See, an eine verendete Blume, an ein wortloses Buch, als sie sich Kakashi mit wie in Stein gemeißelten Zügen zuwendete, um ihm die Mission zu erläutern. Ihr Blick … er bat um Vergebung, stumm und doch so voll Ehrlichkeit. Dieser Blick … er vollbrachte schweigsam, was Tsunade nicht in Worte kleiden durfte. Insbesondere als Hokage blieb es ihr verwehrt, Schwächen so offensichtlich zur Schau zu stellen. Sie durfte keine Rücksicht auf den Einzelnen nehmen, musste vollends hinter den Entscheidungen stehen, die sie getroffen hatte. Kakashi wusste das. Vielleicht war das der Grund, dass sich kein Muskel in seinem Gesicht rührte, obwohl er ahnte, dass die nächsten Worte das endgültige Siegel unter sein Leben setzen würden.
 

„Sobald du dich erholt hast, „leitete Tsunade die Erklärung der Mission ein, „wirst du dich alleine auf den Weg zum Reich des Wasserfalls machen, um dort an einem verlassenen Ort dein Chakra zu trainieren. Dafür hast du vier Wochen Zeit. Danach begibst du dich auf derselben Route zurück nach Konoha. Aber jetzt kommt der Hauptteil und der Grund, warum diese Mission der Kategorie S angehört.“
 

Ihre Emotionen hatten sich auf ihr Gesicht niedergeschlagen und malten ihr imaginäre Schatten auf die Züge, die ihr Inneres andeutungsweise nach außen trugen. Zum ersten Mal in ihrer Amtszeit als Hokage schickte sie einen ihrer Shinobi, einen treuen Untergebenen, in den sicheren Tod. Blieb ihr etwas anderes übrig? Sie musste dieses Opfer bringen und das Vorteil ausschöpfen, welches Konoha gegenüber Akatsuki zurzeit besaß. Kakashis Miene zufolge sah er der ganzen Angelegenheit gelassen entgegen.
 

„Du wirst mit großer Wahrscheinlichkeit auf dem Rückweg von Akatsuki-Mitgliedern aufgehalten werden. Sie werden dich gefangen nehmen und anschließend wird Madara deine Gestalt annehmen, um sich hier in Konoha aus einem uns unbekannten Grund unter uns zu mischen. Hast du irgendwelche Fragen für den Augenblick?“, richtete sie sich mit gewohntem Ernst in Ton und Mimik an den Kopierninja.
 

Kakashi verengte die Augen nicht aus Entsetzen, weitete sie nicht aus Schreck, schloss sie nicht aus Niedergeschlagenheit. Über seine Lippen kam kein Seufzer, kein Einwand oder gar Vorwurf. Er fragte die Godaime nicht, warum sie sein Leben so leichtfertig opferte, sein Blut so achtlos vergoss. Er war ein Shinobi. Er tat, was ihm aufgetragen wurde. Befahl ihm seine Vorgesetzte, sein Leben fürs Dorf zu geben, dann würde er das widerstandslos tun. „Nein“, gab er nach der kurzen Bedenkzeit, die er sich genommen hatte, von sich und erhielt daraufhin ein Nicken von Tsunade.
 

Mit gesenktem Haupt legte Jiraiya seine Stirn nachdenklich in Falten, ehe er seinen Gedanken, der sich mit dem Kakashis kreuzte, in Worte formulierte. „Wie hast du das in Erfahrung gebracht?“
 

Sie legte eine Hand auf den kühlen Pfosten von Kakashis Krankenbett und wandte sich ihrem Freund aus Kindertagen zu. Mit fester Stimme brachte sie die beiden Männer auf den neusten Stand im Hinblick auf die Informationen, die sie bezüglich Akatsuki in den Händen hielten. Detailliert berichtete sie von Inoichis Entdeckungen in Nejis Geist; von Akatsukis Suche nach etwas Bestimmtem in Konoha, von dem Plan, den diese Organisation ausgeheckt hatte und der Kakashi involvierte. Nichts ließ sie aus. Jede noch so kleine Kleinigkeit war ihr ein paar Worte wert.
 

„Wenn es uns gelingen sollte, Madara hierhin zu locken, verschaffen wir uns einen immensen Vorteil. Wir können uns auf ihn vorbereiten und werden nicht so überrascht, wie beim Kampf gegen Pain. Er wird der Unwissende sein, nicht wir. Ich verstehe“, fasste es Jiraiya zusammen.
 

„Könnte es sein, dass das von langer Hand geplant wurde?“, warf Kakashi fragend in den Raum. Er sah Tsunade erwartungsvoll an, doch ihr Blick allein genügte, um ihm zu signalisieren, dass die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden konnte. Folglich stand ihre Annahme, dass Akatsuki es auf ihn abgesehen hatte, auf wackeligen Beinen. Wenn sich die Hokage nicht sicher war, dass deren Vorhaben tatsächlich so aussah, warum schickte sie ihn in die Höhle des Löwen? War die Gefahr, dass Akatsuki an sein Chakra kam, nicht größer und die Folgen nicht verhängnisvoller?
 

„Unsere Vermutung basiert voll und ganz auf den Informationen aus Nejis Unterbewusstsein. Ich weiß, dass wir uns auf sehr dünnem Eis bewegen, aber das ist unser einziges Ass und das müssen wir geschickt ausspielen“, versuchte sie, Kakashi zu überzeugen. Sie legte alles auf eine Karte. Bitterlächelnd hoffte sie, dass sie in diesem Fall etwas mehr Erfolg haben würde, als beim Glücksspiel.
 

Mit seinem amüsierten Lachen, das die Anspannung schlagartig vertrieb und den Raum erhellte, verdiente sich Jiraiya Tsunades Aufmerksamkeit.
 

„Was gibt es da zu lachen?“, fragte sie scharf und warf ihm einen tadelnden Blick zu.
 

„Wenn du die Trumpfkarte ausspielst, dann können wir ja nur verlieren“, sagte er belustigt und fing erneut an, herzhaft zu lachen. Bei diesen unbekümmerten Tönen konnte Tsunade nicht anders, als dem inneren Druck kurz nachzugeben und leise aufzulachen. Sie spürte, wie ihr mit jedem Klang plötzlich etwas leichter ums Herz wurde. Auch der geschwächte Jounin stimmte verhalten mit ein. Sie lachten – obwohl es nichts zu lachen gab. Die Zukunft sah nicht besonders rosig aus.
 

Als dieser magische Moment sein Ende gefunden hatte, riet Tsunade Kakashi wieder ernst: „Du solltest dich völlig auslaugen, damit nicht der Verdacht aufkommt, dass wir das Zusammentreffen geplant haben. Niemand kommt fit von einer S-Rang Mission zurück.“ Wenn es auf irgendeine Art und Weise zu Akatsuki durchsickerte, dass ihr Plan bis zu einem bestimmten Grad aufgeflogen war, konnten diese den Spieß umdrehen. Konoha spielte mit Feuer und das Risiko, dass es bis zur Unbändigkeit außer Kontrolle geriet, war nicht zu verachten. Kleinste Fehler hatten das Potential, Konoha das Genick zu brechen.
 

„Es wird wohl ernst“, bemerkte Jiraiya leise und ein stummer Seufzer entrang sich seiner trockenen Kehle.
 

„Die Schriftrolle mit der ausführlichen Beschreibung des Arbeitsauftrages liegt ab morgen in meinem Büro zur Abholung bereit. Lies ihn sorgfältig durch und beachte jeden einzelnen Punkt. Du darfst dir keine Fehler erlauben, Kakashi!“, sagte sie eindringlich und schaute ihm tief in die Augen.
 

„Ich weiß“, sagte er fest und bestimmt. Er verstand es. Er wusste, was auf dem Spiel stand. Mehr als sein Leben. Mehr als die Zukunft Konohas. Obwohl er mental keinen Unterschied zwischen dieser und anderen S-Rang Missionen machte, war er sich doch darüber im Klaren, was für eine große Verantwortung er trug.
 

„Gut, dann wäre ja erst einmal alles geklärt“, sagte sie und drehte sich zur Tür um.
 

„Hokage-sama“, sprach Kakashi seine Vorgesetzte an, bevor diese seinen Raum verließ. „Ich habe Euch noch etwas Wichtiges mitzuteilen.“
 

„Und das wäre?“, fragte sie mit heruntergedrückten Augenbrauen. Die Tonlage seiner Stimme war wie immer und doch säte sie Besorgnis in ihr. Auf Jiraiya hatte es dieselbe Wirkung. Er verengte seine Augen und presste seine Lippen zu einem geraden Strich zusammen, als durchdrang ihn eine böse Vorahnung, die ihm bitter auf der Zunge lag.
 

„Der Mann mit der orangen Maske ist eventuell nicht der, für den er sich ausgibt.“
 

„Was?“, entfuhr es Tsunade sichtlich geschockt. „Gibt es irgendwelche Anhaltspunkte, die dich das glauben lassen?“
 

Jiraiya blieb im Gegensatz zu seiner ehemaligen Teamkollegin merklich ruhig. Er konnte sich vorstellen, wie Kakashi an diese Information gekommen war.
 

„Kyuubi hat es indirekt gesagt“, verriet Kakashi ihr.
 

„Wird gefälligst etwas konkreter! Was genau hat er gesagt?“, fragte sie nun deutlich angespannter.
 

Ob es die richtige Entscheidung gewesen war, diese Vermutung jetzt offenzulegen? Er schüttelte geistig den Kopf, als wollte er jegliche Zweifel über Bord werfen. Denn für solche Gedanken war es bereits zu spät. „Er sagte, dass ich nicht viel besser sei, als der Mann mit der Maske.“
 

„Als … der Mann mit der Maske?“, wiederholte die Godaime den wichtigsten Teil des Satzes mit einem Klang in der Stimme, der deutlich heraushören ließ, dass sie verwundert, um nicht zu sagen, geschockt war.
 

Jiraiya befreite seine Arme aus der Verkreuzung und ließ sie an seinen Seiten baumeln. Die verfinsterten Züge in seinem Gesicht zeichneten eine Ernsthaftigkeit, die den anderen Anwesenden zu verstehen gab, dass er diese Aussage als sehr wichtig empfand. Das Schwarz seiner Iris visierte einen willkürlichen Punkt an der Wand an. Offenbar lag ein großes Geheimnis hinter der Organisation, die aus S-Klasse Nukenins bestand und diesem kamen sie mit Babyschritten näher. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass Kyuubi unbewusst diese Umschreibung verwendet hat und der Anführer der Akatsuki niemand geringerer ist als Madara Uchiha. Sollte das jedoch nicht der Fall sein, dann müssen wir uns auf das Schlimmste gefasst machen.“
 

„Es macht durchaus Sinn“, warf Kakashi in einem grüblerischen Ton ein.
 

Tsunade wandte sich ihm so hastig zu, dass ihre Zöpfe von der einen auf die andere Seite schwangen. „Was meinst du damit?“
 

„Nun“, fing er an, „Tobi trägt eine Maske und behauptet dennoch, Madara zu sein. Dieser allerdings hat Zeit seines Lebens niemals sein Gesicht vermummt. Es scheint offensichtlich, dass er etwas zu verbergen hat.“
 

„Da ist etwas Wahres dran“, pflichtete Jiraiya dem Kopierninja bei. „Vergiss aber nicht, von wem wir hier sprechen. Madara ist gewitzt und wenn es sich bei Tobi tatsächlich um ihn handelt, dann könnte es tausend Gründe für die Maske geben.“
 

„Ich habe dennoch ein ganz schlechtes Gefühl bei der Sache“, bekundete Kakashi gedämpft und schloss seine müden Lider für einen kurzen Moment.
 

„Da wir jetzt ohnehin die Frage seiner Identität nicht klären können, bleibt uns nichts anderes übrig, als das im Hinterkopf zu behalten“, sagte Tsunade entschieden. „Wer auch immer er ist, ob Madara oder nicht, wir werden ihm das Handwerk legen!“ Sie war entschlossener denn je, Akatsuki dingfest zu machen. Alles, sie würde alles daran setzen!
 

„Dann stellt sich noch die Frage, auf welche Weise wir feststellen werden, ob es sich bei der zurückgekehrten Person um Kakashi oder einem Akatsuki-Mitglied handelt. Das könnte für Verwirrungen sorgen“, gab Jiraiya zu Bedenken.
 

Tsunade setzte ein verschmitztes Lächeln auf und sagte: „Ganz einfach! Sobald er da ist, werde ich ihn fragen, wie die Mission gelaufen ist. Und du“, sprach sie in Richtung des Jounin, „wirst antworten, dass es ein paar Komplikationen gab, du die Mission aber trotzdem erfolgreich zu einem Abschluss bringen konntest. Genaueres steht im Arbeitsauftrag. Sollte dein Wortlaut anders sein, dann sind wir gewarnt.“
 

„Sehr einfache Taktik, aber dennoch äußerst effektiv“, sagte Jiraiya in einem amüsierter Tonfall. Irgendwie war seine alte Kollegin doch recht einfach gestrickt. Nun ja, so einfach gestrickt, wie Frauen eben sein konnten.
 

„Sobald ich mich erholt habe, hole ich mir die Schriftrolle bei Euch ab“, ließ Kakashi die Godaime wissen. Als er eine kaum merkliche Veränderung in der Mimik Tsunades erkannte, lächelte er sie an. „Macht Euch keine Sorgen. Es wird schon schiefgehen.“
 

Sie erwiderte das Lächeln und sagte: „Ruh dich erst einmal aus. Shizune wird ein Auge auf dich haben, damit du bald wieder auf den Beinen bist. Wir lassen dich jetzt allein. Gute Besserung“, wünschte Tsunade ihm noch, bevor sie Jiraiya mit einer Kopfbewegung bat, mit ihr gemeinsam den Raum zu verlassen.
 

„Erhol dich gut, Jungchen“, lächelte der Sannin Kakashi an und folgte der Hokage dann nach draußen.
 

Noch bevor sich die Tür hinter Jiraiya schloss hörte Kakashi, wie Tsunade die bereits zurückgelegte Distanz zu seiner Tür wieder überbrückte und erneut sein Krankenzimmer betrat. „Shizune wird übrigens heute im Laufe des Tages bei dir vorbeischauen, um deinen Körper genauestens zu untersuchen. Erklär ihr dann, wo in etwa du die Bijuu-Geister gespürt hast, die im Besitz von Akatsuki sind. Das wird uns von Nutzen sein.“ Dann verließ sie ohne ein weiteres Wort das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
 

Es geht bestimmt um das Byakugan, vermutete Kakashi und seine Gedanken drifteten automatisch zu Neji ab.
 


 

Der nächste Morgen hatte irgendetwas Bedrückendes an sich. Woran das lag konnte Neji nicht mit Sicherheit sagen. Er schaute durch das Fenster seines Schlafzimmers nach draußen, doch es sah nicht anders aus als sonst. Es war zwar nicht so brühend heiß, wie es die letzten Tage gewesen war, aber das war auch das einzige, was ihm auffiel. Resignierend wandte er sich ab und lief die paar Schritte zu seiner kleinen Küche, um eine Kleinigkeit zu sich zu nehmen. Das Training gestern hatte ihn dermaßen ausgelaugt, dass er tatsächlich bis zehn Uhr morgens durchgeschlafen hatte. Für gewöhnlich wachte er in aller Frühe auf, noch bevor ihn der melodiöse Gesang der Spatzen wecken konnte.
 

Als jemand an seine Tür klopfte, legte Neji das belegte Brötchen in seiner Hand wieder auf den Teller. Innerlich seufzend hoffte er, dass es nicht schon wieder Lee war. Auch wenn es ganz angenehm war, einen kleinen Zufluchtsort in Form einer eigenen Wohnung zu haben: Er bedauerte es, dass er gerade nicht im Hyuuga-Anwesen war, wo eher selten jemand nach ihm fragte.
 

„Sakura“, kam es verwundert über seine Lippen.
 

„Guten Morgen, Neji. Du fragst dich bestimmt, was ich hier so früh mache, stimmt's?“, fragte sie mit einem Lächeln auf dem Gesicht.

Doch er reagierte nicht darauf, sodass sie einfach den Grund ihres morgendlichen Besuchs nannte. „Tsunade-sama möchte mit dir sprechen. Du sollst augenblicklich in ihr Büro kommen.“
 

Ein Schwall Gedanken überrollte ihn geistig und versiegelte seine Lippen, sodass er zerfahren an Sakura vorbeiblickte. Was die Godaime wohl von ihm wollte? Als Jounin bekam er hin und wieder einen Arbeitsauftrag, der außerhalb von Konoha ausgeführt werden musste. In letzter Zeit jedoch hat sich die Anzahl dieser enorm gesenkt. Zu geschwächt war das Dorf, als dass Aufträge entgegengenommen wurden. Worum ging es dann? Er hoffte inständig, dass die Hokage ihn wegen seines Byakugans sehen wollte.
 

„In Ordnung“, erklärte er sich einverstanden, dem Befehl nachzukommen. Sakura verbeugte sich andeutungsweise und ging. Neji hingegen blieb noch einige Momente wie angewurzelt stehen, ehe er nach seinem Haustürschlüssel griff, der ordentlich an einem Haken neben der Tür hing, und die Wohnung verließ. In ihm fand ein Wechselbad der Gefühle statt. Hoffnung und Befangenheit reichten einander die Hand, als er sich auf den Weg zum Hokage-Turm machte. Unwissend, was ihn erwartete.
 

Nur mit Mühe widerstand er der Versuchung, mit seinem Bein hin und her zu wippen. Er war nervös und rechnete damit, dass Hoffnung der Enttäuschung Platz machen würde, sobald er einen Fuß über die Schwelle der Tür zum Hokage-Büro gemacht hatte. Mit strammem Rücken und den Füßen fest auf dem Boden saß Neji auf einem Wartestuhl direkt vor dem Raum, den er gleich betreten würde. Die ausdruckslosen Augen waren nur auf das dunkle Braun der hölzernen Tür gerichtet, wanderten nicht unruhig umher. Er wirkte ungerührt und beherrscht, so wie sich das für einen Hyuuga gehörte.
 

„Neji!“, schallte es durch das Hindernis, welches sich zwischen der Godaime und dem Hyuuga befand.
 

Sachte erhob er sich, seufzte unmerklich und klopfte aus Gewohnheit und Manier dennoch einmal an, ehe er das Zimmer betrat. „Setz dich!“, befahl Tsunade sogleich, ohne ihre Augen von der Schriftrolle zu nehmen, die sie offensichtlich mit großem Interesse studierte. Neji tat, wie ihm geheißen und nahm auf eines der zwei Stühle unmittelbar vor dem robusten Schreibtisch der Godaime Platz. Geduldig harrte er aus, bis sie das offenbar wichtige Dokument beiseite legte und sich ihm widmete.
 

„Ich habe eine Mission für dich“, verlautete sie und machte damit jäh seine Hoffnung zunichte. Doch er ließ sich die Enttäuschung nicht ansehen und wartete geduldig ab, bis sie näher ins Detail ging. Tsunade sah ihn bestimmt an und er hatte das Gefühl, dass sich irgendetwas verändert hatte. Ihre Unbeugsamkeit, ihre Unerschütterlichkeit, ihre Entschlossenheit … wirkte so viel intensiver, stärker, fester.
 

„Du wirst dir drei Ninja zusammentrommeln, die dir bei dieser Mission behilflich sein sollen. Ihr werdet versuchen, das Hauptquartier von Akatsuki ausfindig zu machen. Dafür habt ihr insgesamt vier Wochen Zeit.“ Aus unersichtlichem Grund stoppte Tsunade in ihrer Ausführung und erwiderte schweigsam den nicht zu deutenden Blick des Hyuuga. Sie nahm die Schriftrolle in die Hand und begann damit, sie zwischen ihren Fingern hin und her zu bewegen. „Wenn es euch gelingen sollte, den Aufenthaltsort dieser Organisation ausfindig zu machen, dann könntest du dein Byakugan in absehbarer Zeit wieder an dich bringen. Eventuell sogar ohne auf Widerstand zu stoßen. Aber darüber sprechen wir, wenn ihr diesen Ort gefunden habt. Hier steht Genaueres drin.“ Sie reichte ihm die Schriftrolle, die er mit einem kleinen Nicken entgegennahm. „Studier es genau und such dir deine Teamkameraden weise aus. Die Mission beginnt übermorgen. Ich erwarte aber von dir, dass du samt deinem Team noch einmal herkommst, bevor ihr aufbrecht. Das wäre alles. Du kannst jetzt gehen.“
 

Mit dem wichtigen Dokument bewaffnet, erhob sich Neji von seinem Stuhl und bedankte sich bei der Hokage, bevor er ihr Büro verließ. Stolz und Würde ausstrahlend lief er mit der Schriftrolle den langen Gang des Hokage-Turms entlang, um die Treppe am anderen Ende in den Erdgeschoss zu nehmen. Die Schriftrolle fühlte sich wie ein kostbarer Schatz in seiner Hand an; wie Papier aus purem Gold, wie ein Rohr aus Diamant. Sie bedeutete ihm in diesem Augenblick alles, denn sie gab ihm das Recht, sein Bluterbe wieder zurückzuholen. Im Schutz des fahlen Lichts im Treppenhaus stahl sich ein verhaltenes Lächeln auf seine Züge. Endlich würde er sich zurückholen, was ihm gehörte!



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Kommentare zu dieser Fanfic (8)

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Von:  Sandoran
2011-06-14T20:43:15+00:00 14.06.2011 22:43
Toll geschrieben. Ich frage mich nur, weshalb es nicht eigentlich normal ist, das sich Ninja als Zivilisten verkleiden. Die Idee mit den Schwarzen Kontaktlinsen finde ich genial. Wahrscheinlich sind sie sogar undurchsichtig, damit Kakashi sein Sharingan nicht unnötig aktiviert. Aber den Fauxpa sich nach dem Besuch der Wächter Mit richtigem Namen an zu sprechen und heikle Dinge zu äussern, hätten sie lassen können.

Kanns kaum erwarten wie es weiter geht. Bin gespannt.
Von:  DonnerGloeckchen
2011-06-14T09:56:11+00:00 14.06.2011 11:56
hm, definitiv interessant! bin gespannt wie´s weiter geht!! :)
Von: abgemeldet
2011-06-13T21:51:37+00:00 13.06.2011 23:51
hi

und wieder ein tolles kapi^^
guter einfall von kakashi sich als zivilisten zu verkleiden^^
yuhu endlich taucht madara auf XD( er ist zwar der bösewicht aber iwi finde ich seinen chara und seine story toll ^^°)
aber könntest du tenzou entweder tenzou oder yamato nennen, das verwirrt einen beim lesen =)
freu mich schon wenns weiter gehts

lg deamon-of-light

PS: ich glaube naruto und sakura sprechen yamato mit yamato sensei an, bin mir aber nicht 100% sicher =)

PPS: yup ich hatte ein schönes wochenende und genieße noch den freien dienstag^^
Von: abgemeldet
2011-05-09T14:23:41+00:00 09.05.2011 16:23
tolles kapi^^(da hat sich das 'lange' warten doch gelohnt XD)
yeah dann kanns ja losgehen mit der mission =)
der unfreiwilige abgang von yamato war geil XD
bin mal gespannt was madara mal wieder ausheckt^^

freu mich schon auf das nächste kapi

LG deamon

PS: du hast mir heute den tag gerettet,
lag krank im bett =( hatte jetzt wenigstens was zu lesen^^
Von:  DonnerGloeckchen
2011-04-12T19:54:23+00:00 12.04.2011 21:54
ooohh...jetzt will ich aber mehr wissen!^^

Gefällt mir richtig gut, bin definitiv weiter dabei!

*favo*
Von:  Schattenfeder
2011-04-09T06:52:44+00:00 09.04.2011 08:52
Ich liebe deinen Schreibstil :3
Bitte mach schnell weiter.
Was hat es wohl mit dem Fluch auf sich?
Arg ich bin ja so gespannt!
Von: abgemeldet
2011-04-08T05:25:50+00:00 08.04.2011 07:25
Tolles kapi^^
das mit dedm fluch ist ja interesant =)
I Love your schreibstil =)
Ich find du kannst voll gut und ausführlich schreiben^^
Freu mich schon auf das nächste kapi
LG deamon-of-light

PS:Bin ich etwa die einzige kommi-schreiberin????
Und das owohlk die geschichte so gut ist^^
Von: abgemeldet
2011-03-31T11:57:11+00:00 31.03.2011 13:57
Cool das kapi ist toll^^
jo kakashi hat gewonnen *kakashi-fahn schwenk*=)
will mal wissen was neiji gefunden hat.
dein schreibstil ist cool^^
und der teil mit sakura, naruto, ino& co war auch lustig
"welcher sensei ist stärker" =)

LG deamon-of-light

PS: könnte ich zum nächsten chapter ein ENS bekommen???


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