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Angel´s History

Lucifer´s Angel
von

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Träume der Vergangenheit

Er hatte jede Nacht den selben Traum. Nacht für Nacht für Nacht. Um die selbe Zeit mit dem selben Ergebnis: das er um vier Uhr morgens aufwachte und nicht mehr fähig war einzuschlafen.

Ein Mann mit schwarzem Haar, welches zerzaust und schweißnass war, mit goldener Haut und bernsteinfarbenen Augen lag über ihn gebeugt, sodass er seinen Rücken sah und diese tief schwarzen Flügel, die aus eben diesem ragten. Er hörte seine erregte tiefe Stimme, die so kraftvoll war, dass er erschauerte, seinen Namen flüstern und fühlte seine Lippen ihn zärtlich am Hals küssen. Dann richtete sich dieses wunderschöne geflügelte Wesen auf, sah ihm tief in die Augen, strich eine Strähne aus seinem Gesicht und sagte mit fast zitternder Stimme:
 

„Ich liebe dich, Azrael.“
 

***
 

Errötet schlug er die Augen auf. Wieso hatte er jede Nacht diesen Traum? Wieso nannte dieser Mann ihn „Azrael“? Wer war er, falls er überhaupt existierte?

Erschöpft seufzte er und strich sich über das Gesicht. Er existierte und das wusste er, obwohl er nicht sagen konnte warum.

Kalte Luft zog durch sein Zimmer, welches die Vorhänge und ihn selbst erschauern ließen. Er seufzte noch einmal und schlug die Decke zur Seite. Es hatte ja doch keinen Sinn zu versuchen wieder einzuschlafen, also konnte er auch aufstehen. Weißes Mondlicht strahlte auf ihn hinab, welches seine purpurnen Augen und sein silbernes Haar funkeln ließ. Er schloss schnell die Balkontür und zog die Vorhänge vor. Es war wirklich kalt geworden und der Winter stand kurz vor der Tür. Leise ging er ins Badezimmer und drehte den Duschhahn auf.
 

***
 

Gähnend saß er an seinem Pult und beobachtete die Schüler. Stillarbeit war wirklich nicht für ihn geschaffen. Es war einfach zu langweilig. Sein Blick schweifte aus dem Fenster. Alles war so friedlich. Nicht das er etwas gegen Frieden hätte, aber manchmal hatte er eine ungeheure Unruhe wegen dieses Friedens. Langsam aber sicher glitten seine Gedanken in seine Erinnerungen. Erinnerungen aus seinen Träumen...

Dieser wunderschöne Mann, seine Augen, seine Stimme, seine Bewegungen. Alles faszinierte ihn und brachte sein Herz zum Rasen und seinen Atem zum Stocken. Jedes Mal konnte er auch schwören die Berührungen dieses Mannes auf seiner Haut zu spüren und die schwere seines Körpers auf seinem. Genauso wie er immer diese unerträgliche Hitze in seinem Körper verspürte und jedes Mal sein Herz zu brechen schien, wenn er aufwachte und bemerkte, dass dieser Mann nicht bei ihm war...
 

„Sensei Athaz?“
 

Er schüttelte leicht den Kopf. Er sollte sich konzentrieren und nicht träumen. Schließlich musste er arbeiten und dabei alles geben, was er hatte. Das war er den Schwestern des Internats schuldig. Er hatte keine Eltern und war eine Weise. Eines Tages wurde er einfach von einer der Schwestern gefunden, als er noch ein Baby war. Sie hatten ihm seinen Namen und sein Leben gegeben, also war das Mindeste was er tun konnte hart zu arbeiten.

Er war mittlerweile dreiundzwanzig Jahre alt und arbeitete im Internat als Lehrer in Ausbildung für Geschichte und Philosophie. Ab und an übernahm er auch die Pflichten des Schularztes, wenn dieser verhindert war, weil er eine Sanitätsausbildung absolviert hatte.

Das Internat war ein sehr religiöses Institut und wurde deswegen nur von kirchlichen Menschen geführt. Es war dafür bekannt seine Schüler ausgezeichnet zu erziehen und selbst Problemkinder wieder auf den rechten Weg zu führen.

Es kann jedoch nicht jeder dieses Internat besuchen. „Earth Heaven“ ist nur dem männlichen Bestandteil der Welt offen, also eine Jungen-Schule.

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und ein keuchender Schüler trat ein.
 

„Sen...sei...“
 

„Meine Güte, Kataru-kun! Was ist denn passiert?!“
 

„Ein...Schüler...verletzt...Sporthalle...konnte sie...nicht...finden...“
 

Athaz seufzte tief.
 

„Ist gut. Ruh dich einen Moment aus und geh dann zurück in den Unterricht. Ist der Schüler denn so schlimm verletzt?“
 

Kataru nickte eifrig. Mittlerweile war er wieder zu Atem gekommen.
 

„Ja, Sensei. Er hat sich am Bein verletzt, als er über eines der Geräte sprang. Es blutet, aber ich glaube es ist schlimmer, dass der Knochen verletzt ist.“
 

Athaz lächelte.
 

„Das konntest du also schon fest stellen, Kataru-kun? Wenn du so weiter machst bist du bald der Schularzt.“
 

Er errötete.
 

„Ich... Also... Das dauert noch, Sensei. Ich habe noch viel zu lernen bevor ich ein Arzt werden kann.“
 

„Das mit Sicherheit. Trotzdem schon gute Arbeit. Ich gehe dann jetzt. Und ihr“ er drehte sich zur Klasse „benehmt euch solange ich nicht da bin.“
 

„Ja, Sensei!“
 

***
 

Er hatte schnell die Sporthalle erreicht und den Unfallort.
 

„Ah, Athaz!“
 

„Hallo, Schwester Noriko. Wie steht es denn so um unseren Patienten?“
 

„Sieh es dir selbst an. Aber ich mache mir nicht allzu große Sorgen. Hanabusa-kun ist schließlich stur wie ein Esel und verzieht nicht einmal eine Miene.“
 

Athaz verzog ein wenig das Gesicht.
 

„Hanabusa-kun... wie?“
 

Die Schwester nickte.
 

„Ja, wieso? Gibt es ein Problem?“
 

„Wie? Nein, nein! Kein Problem! Alles bestens!“
 

„Na dann. Ich gehe wieder zu den anderen Schülern und führe den Unterricht weiter. Hanabusa ist in der Umkleide. Ich dachte das Bein hoch zu legen wäre ganz gut.“
 

„In Ordnung. Danke, Schwester Noriko.“
 

Etwas bedrückt ging er in Richtung Umkleide. Es war nicht so, dass er Hanabusa hasste, aber er war verdammt hartnäckig und das wurde langsam zum Problem. Er war schließlich ein Lehrer und Hanabusa ein Schüler. Wenn das jemals jemand mit bekommen sollte würde er den ganzen Ärger am Hals haben. Außerdem wollte er eh nichts von Hanabusa und das hatte er mehr als nur ein Mal deutlich gemacht. Und dann diese Aussage...
 

„Sensei.“
 

„Hm?“
 

„Ich kann ohne sie nicht leben, Sensei.“
 

„Hä?!“
 

„Ich liebe sie, Sensei....“
 

Und dann hatte er ihn einfach geküsst! Dieser verdammte Jungspund! Er war bloß froh gewesen, dass alle anderen um diese Uhrzeit nicht in einem Klassenzimmer waren. Und dann gab dieser unverschämte Kerl auch noch zu, dass er bloß das Fenster zerbrochen hatte, weil er wusste, dass er diese Woche die Aufsichtsperson für das Nachsitzen war! Athaz ballte eine Faust und zitterte vor Wut. Dann riß er die Tür auf.
 

„Hanabusa-kun!“
 

„Hallo, Sensei. Haben sie sich wirklich solche sorgen gemacht? Den Ausruf würde ich aber lieber in einer anderen Situation von euch hören, Sensei.“
 

Frech lächelte er ihm entgegen.
 

„Wa...! Du frecher Bengel! Was bildest du dir ein?! Ich habe dir schon hundert Mal gesagt, dass du so etwas vergessen kannst, zumindest mit mir!Wir sind Lehrer und Schüler und damit basta!“
 

„Jawohl, Sensei.“
 

Athaz seufzte tief und nahm seine Brille ab.
 

„Dann lass uns mal dein Bein begutachten.“
 

***
 

Alles in allem war das Bein gebrochen und Hanabusa musste zwei Wochen im Krankensaal bleiben. Zur Freude von ihm und zum Missmut Athaz, da der eigentliche Schularzt noch drei Wochen abwesend sein würde.
 

„Sensei?“
 

„Hm?“
 

„Könnten sie mir ein Glas Wasser bringen?“
 

„Sicher, aber was ist mit der Wasserflasche passiert, die ich dir noch vor nicht allzu langer Zeit gebracht hatte?“
 

„Schon leer, Sensei. Ich trinke viel.“
 

„Das merke ich. Bin gleich wieder da.“
 

Er hatte vorüber gehend keine Klassen zu unterrichten und war etwas gelangweilt. Das konnte er jetzt zwei Wochen lang ertragen. Wie sollte er das überstehen?
 

„Da bin ich wieder, Hanabusa-kun.“
 

Er blickte von seinem Buch hoch und lächelte.
 

„Danke, Sensei.“
 

Naja, manchmal konnte er doch ganz süß sein, wenn er wollte.

Er stellte das Glas auf den Nachttisch und wollte sich wieder entfernen, als er am Arm gezogen wurde und plötzlich auf dem Bett lag, mit einer schiefen Brille auf der Nase. Über ihn gebeugt stand Hanabusa, mit dem üblichen frechen Lächeln und dieser verfluchten Selbstsicherheit.
 

„Was soll das?! Wie oft muss ich es dir denn noch sagen...!“
 

Aber weiter kam er nicht mehr, weil Hanabusa ihn bereits küsste. Natürlich wehrte er sich, aber Hanabusas Griff um seine Handgelenke war verdammt stark und sein Gewicht drückte ihn ohne Probleme nieder. Seine Lippen wurden wieder befreit und schwarze Augen blickten ihm entgegen.
 

„Sie können es mir noch tausend Mal sagen, Sensei, aber ich gebe nicht so schnell auf. Ich weiß, dass sie momentan niemanden haben, Sensei und ich will sie zu meinem machen.“
 

„Was denkst du dir dabei, Hanabusa-kun? Ich verstehe deine Gefühle ja, aber ich kann sie nicht erwidern. Lass uns bitte darüber reden, in Ordnung? Aber...“
 

„No, can do, Sensei. Ich weiß was sie mir sagen wollen, ich weiß das alles schon und ich hatte schon beim ersten Mal versucht es zu akzeptieren, mehrfach, ich schwöre! Aber ich kann nicht, Sensei. Ich kann es einfach nicht.“
 

Irgendwie wusste Athaz gerade nicht was er sagen sollte, wusste aber auch wenn er es nicht tat, das es ein böses Ende nehmen würde. So viel stand fest.
 

„Hanabusa-kun...“
 

Er nahm die Brille von seinem Gesicht und küsste ihn erneut. Seine Zunge glitt dieses Mal in seinen Mund und Athaz errötete heftig.

Dieser Bursche wusste definitiv wie man gut küsste, aber er benahm sich wie ein hungriges Tier.

Ihre Lippen lösten sich wieder voneinander und Hanbusa glitt an seinem Hals entlang. Athaz war atemlos und ziemlich überwältigt und hilflos. Sein Hemd war bereits geöffnet worden, ohne das er es bemerkt hatte und gab seinen zarten, hellen Körper preis. Zärtlich küsste Hanabusa jede Stelle und Athaz erschauerte unter den Berührungen.
 

„Hanabusa-kun... nicht...“
 

„Ja, da stimme ich zu.“
 

Beide blickten geschockt in die Richtung aus der die Stimme kam.

Ein junger Mann mit flammend rotem Haar, welches im Nacken zusammen gebunden war, schwarzer Lederkleidung und smaragdgrünen Augen stand keck schmunzelnd im Fenster des Krankensaales.
 

„Wer bist du?“
 

„Das tut jetzt nichts zur Sache, aber du solltest wirklich von ihm ablassen, oder ich muss dich leider Gottes umbringen, Kleiner.“
 

„Was?! Wovon redest du?!“
 

Abrupt ließ er Athaz los und schaute von ihm zu dem Fremden, der... Nicht mehr da war?!
 

„Gut so, Jungchen und jetzt mach das du verschwindest. Ich muss mit deinem Sensei reden, nee?“
 

Freundlich lächelnd zerzauste er Hanabusas Haar. Wie war er so schnell neben ihn gelangt?

Hanabusa nickte schnell und versuchte mit seinem Gipsbein aus dem Krankensaal zu gehen.

Mittlerweile war auch Athaz wieder auf den Füßen.
 

„Hanabusa-kun! Du kannst so nicht gehen! Das wird es nur verschlimmern!“
 

„Hier, Kurzer. Ein paar Krücken. Damit geht’s, nee Sensei?“
 

Er lächelte immer noch und wartete bis Hanabusa den Raum verlassen hatte.
 

„Na endlich. Wurde auch Zeit.“
 

„Wer sind sie? Sie sind nicht einer unserer Schüler.“
 

„Stimmt. Bin ich nicht, aber darum geht’s auch gar nicht.“
 

„Darum geht es sehr wohl! Unbefugten ist der Zutritt zum Internat verboten! Wenn sie keinen offiziellen Termin mit mir haben, verschwinden sie jetzt besser!“
 

„Warum so wütend? Hätte ich euch beide etwa nicht unterbrechen sollen?“
 

„Was?! Das geht sie gar nichts an!“
 

„Schon gut. Ich finde es nur unglaublich, dass du eine Affaire anfängst, obwohl dein Herz sich immer noch an Lord Lucifer erinnert. Das wird ihn schwer verletzen und ich würde mich nicht wundern, wenn dein kleiner Lover plötzlich tot über dir hängt.“
 

„Wovon reden sie?!“
 

„Du erinnerst dich nicht an ihn, Azrael? An den schönsten Engel, der je geschaffen wurde? An das meist geliebte Kind Gottes?“
 

„Was?“
 

„Keine klitzekleine Erinnerung an den Mann, der sich niemandem unterworfen hat und der niemals sein Herz irgendjemandem offenbart hat außer dir? Keine Erinnerung an seinen Körper der dich so viele Male hielt oder an seine Stimme, die so häufig deinen Namen raunte?“
 

„ … Das... waren doch nur Träume... Woher wissen sie davon überhaupt? Haben sie mich irgendwie verfolgt oder was?! Und warum nennen sie mich Azrael, genau wie er?!“
 

„Ah! Also gibt es doch ein paar Erinnerungen. Hm. Aber das du deinen Namen nicht mehr weißt ist ein Problem. Das macht es komplizierter und dabei hatte ich so schon genug Probleme dich wieder zu finden. Was für ein Drama und Dilemma. Nun gut ich erklär´s dir, Sensei.“
 

***
 

Lucifel war der schönste und meist geliebte Engel Gottes und nicht nur das. Er war auch der Stärkste und es wurde gesagt das er selbst mit dem Herrn konkurrieren konnte. Seine Loyalität war legendär, doch eines Tages begann Lucifel damit Dämonen um sich zu scharen und seine Rebellion gegen Gott brach aus und überschwemmte den Himmel, wie die Sintflut auf Erden. Er kämpfte gegen Gott, verlor und floh in die Hölle wo er den Titel Dämonenlord erhielt und er seinen Namen zu Lucifer änderte. Sogar einige Engel waren ihm gefolgt und unterstützten ihn im Kampf gegen Gott, aus welchen Gründen auch immer.

Einer dieser Engel war Azrael, der Engel des Todes. Er war stets an der Seite Lucifers zu sehen und erhielt das größte Vertrauen des Lords der Hölle. Auch er wurde wegen seiner Fähigkeiten gefürchtet, im Himmel wie auch in der Hölle.

Eines Tages jedoch wurde Azrael von den Boten des Himmels gefangen genommen. Gott verurteilte ihn wegen seiner Taten zur Reinkarnation und wurde auf die Erde geschickt wo er den Wächterengeln verloren ging und seit dem gesucht wird.

Auch Lucifer schickte seine Schergen aus ihn zu suchen, jedoch waren beide Seiten bis jetzt ohne Erfolg.
 

***
 

„Tja, bis jetzt. Ich habe dich gefunden.“
 

„Also soll ich diese Reinkarnation Azraels sein?“
 

„Yup.“
 

„Und ich soll an Lucifers Seite gekämpft haben?“
 

„Yup.“
 

„Und er will mich wieder haben?“
 

„Yup.“
 

„Warum?!“
 

„Ich dachte das weißt du? Weil du sein Lover bist, du Dummkopf.“
 

„ …“
 

„Was?“
 

„Dann sind die Träume...“
 

„Keine Träume sondern Erinnerungen. Gott mag ja vieles können, auch Erinnerungen löschen und so weiter, aaaaber... Selbst dieser alte Knacker da oben kann nicht die Erinnerungen des Herzens löschen.“
 

„Des Herzens?“
 

„Yup. Das sind Erinnerungen die in Seele und Herz eingebettet sind, weil sie für die jeweilige Person so wichtig sind, dass das Gehirn zu unwichtig ist sie zu verwahren und deswegen im Innersten bewahrt werden. Stell es dir so vor. Du hast Dinge die du verwahrst, weil sie dir etwas bedeuten. Diese Dinge packst du jetzt alle in einen Karton, oder Koffer und schließt es ab, damit niemand ohne Erlaubnis dran kann. Kapiert?“
 

Athaz nickte.
 

„Gut. Dann hast du noch Dinge, die so wichtig für dich sind, dass du auf keinen Fall willst, dass sie verloren gehen oder von anderen eingesehen werden. Diese Dinge packst du in einen bombensicheren Safe, alles klar? Der Koffer ist dein Gehirn, der Safe ist dein Herz. Da kann niemand dran kommen, nicht einmal Gott. Kapisch?“
 

„Absolut, obwohl ich das alles schwer zu glauben finde.“
 

„Ist halt so, kann man aber nicht ändern. Kommst du jetzt also mit zurück, oder musst du noch was regeln bevor wir gehen?“
 

„Ich soll zurück gehen?“
 

„Klar, deswegen hat mich Lord Lucifer doch geschickt.“
 

„Aber ich weiß nichts mehr von meinem Leben als Engel. Die Träume sind alles was ich davon weiß!“
 

„Ach, das kommt schon noch alles wieder.“
 

„Aber das hier ist mein Leben und ich mag es. Ich will es nicht einfach wegwerfen.“
 

„Wieso nicht? Gibt es nicht einen großen Teil in dir, der hier nicht hin gehört? Einen Teil der sich immer fremd angefühlt hat, egal wo du warst oder was du gemacht hast? Dieser Teil ist Azrael. Er sehnt sich nach Lucifer und seinem alten sein.“
 

„Aber ich bin ich, Athaz und nicht Azrael!“
 

„Falsch. Du bist Azrael genauso wie Azrael du ist. Ihr könnt euch nicht trennen und ihr werdet beide von Lucifer angezogen, ist doch so Athaz?“
 

„ Ich weiß nicht...“
 

„Denk nach. Du weißt genug über ihn. Willst du wirklich jemals von jemand anderem derartig berührt werden? Von jemand anderem gerufen werden? Von jemand anderem so intensiv betrachtet werden?“
 

„ ...“
 

Er wurde bereits von jemand anderem berührt. Aber... war es genauso? Nein... Es war unangenehm gewesen. Er hatte sich nach einer anderen Berührung gesehnt. Sich nach einer anderen Stimme gesehnt, die andere Worte zu ihm sprach. Er hatte tatsächlich nur ihn verlangt, Lucifer, obgleich er nicht gewusst hatte wer er war. Falsch. Er hatte es gewusst, nur sich nicht daran erinnert.

Athaz biss auf seine Lippe. Er wollte sich am liebsten unter eine Decke kauern, los heulen, einschlafen, am nächsten Tag aufwachen und alles wieder vergessen haben.
 

„Na?“
 

„Ach, halt den Mund! Ich kann jetzt noch nicht gehen und jetzt lass mich in Frieden!“
 

Der Rothaarige zuckte mit den Schultern.
 

„Mir soll´s egal sein. Lass dir nur nicht zu viel Zeit.“
 

Er ging zum Fenster und wollte gehen, als er sich noch einmal umdrehte.
 

„Ach ja, mein Name ist übrigens Zader. Ich bin ein Feuerdämon und war auch mal ein Engel. Als Engel hatte ich aber einen anderen Namen.“
 

„Welchen?“
 

„Azer, der Engel des Feuers. See ya, Sensei.“
 

Mit einem Sprung und Flügelrascheln war er verschwunden. Erschöpft sank Athaz auf einem Stuhl zusammen und blickte in eine Ferne die nicht existierte. Er konnte das alles nicht wirklich verarbeiten. Er war Azrael und er musste zurückkehren. Aber... würde er, Athaz, dann nicht verschwinden? Ihm war schwindelig und langsam fiel er in einen traumlosen Schlaf.

Verschmelzung zweier Leben

Zader war nervös. Sehr nervös. Er hatte Lucifer seit über zwanzig Jahren nicht mehr gesehen und jetzt sollte er wieder vor ihn treten. Sie waren gute Freunde, jedoch konnte Lucifer auch seine Freunde gnadenlos töten, wenn ihm der Sinn danach stand. Obwohl er ihn bereits sehr lange kannte, konnte er ihn nicht einen Funken einschätzen. Mit schwitzenden Händen stand er vor den riesigen, schwarzen Toren des Thronsaals. Plötzlich öffneten sie sich einen Spalt breit und Belial trat heraus, ebenfalls ein ehemaliger Engel, nun jedoch einer der sieben Teufel, die Lucifer direkt unterstanden.

Zader konnte ihn nicht ausstehen.
 

„Wenn das nicht unser kleiner Zader ist. Der verlorene Sohn kehrt heim.“
 

„Hör auf so´n scheiß zu reden, Belial.“
 

„Meine Güte. Ist das das Einzige was du mir nach über zwanzig Jahren zu sagen hast?“
 

„Halt einfach den Mund und lass mich in Ruhe. Ich muss zu Lord Lucifer. Ich bringe gute Kunde für ihn.“
 

„Gute Kunde? Über was? Dich selbst?“
 

Er lachte laut auf.
 

„Nein, Kunde über Lord Azrael.“
 

Belial verstummte sofort und seine Augen verzogen sich zu Schlitzen.
 

„Oh? Hast du ihn etwa gefunden? Wahrscheinlich tot, was?“
 

Vielleicht konnte Belial ihn nicht ausstehen, aber Azrael hasste er bis aufs Blut. Er war eifersüchtig auf ihn, weil er schon immer hinter Lucifer her gewesen war, dieser ihn jedoch noch nicht einmal eines Blickes würdigte, sondern nur Augen für Azrael hatte und das von Anfang an.
 

„Nein, er lebt. Ist doch einfach wunderbar, nicht wahr, Belial?“
 

Ein freches Grinsen zog über Zaders Gesicht und ein saurer Ausdruck durch Belials.
 

„Ja, einfach... wunderbar, wirklich.“
 

„Ja. Lord Lucifer wird wahrscheinlich in nächster Zeit in bester Stimmung sein.“
 

„Wahrscheinlich...“
 

Belial knirschte mit den Zähnen.
 

„Jetzt mach das du rein gehst, Zader.“
 

„Warum auf einmal so hastig? Wollen wir nicht noch ein bisschen tratschen?“
 

„Nein danke, verzichte...“
 

Wütend wie noch nie ging Belial von dannen und Zader grinste nur breit. Wie gut es sein wird, wenn Azrael wieder zurückkehrt.

Mit der besten Laune, die er seit einer Ewigkeit nicht mehr gehabt hatte, betrat er den Thronsaal des schwarzen Engels.

Lucifer saß mit übergeschlagenen Beinen in einem Thron aus Drachenknochen und hatte sich kein bischen verändert. Konnte es sein, dass er sogar die selben Kleidungsstücke wie damals trug? Nun ja, es waren eben solche Dinge, die er mochte. Ein rotes Shirt unter einer schwarzen Lederjacke mit Stehkragen und goldenen Nieten und Ketten. Auch seine Hose bestand aus Leder und war mit goldenen Ketten verziert. Dazu trug er schwarze Lederstiefel mit langem Schaft und goldenen Schnallen in denen die Hose steckte.

Zader beugte sein Knie vor dem Thron und war merkwürdiger Weise voller Freude Lucifer zu sehen. Seine Nervosität war wie weggeblasen.
 

„Mein Lord. Hiermit kehre ich zurück und bringe frohe Kunde für euch.“
 

Lucifer blickte ihn an und lächelte mysteriös.
 

„Zader. Wie schön dich nach all der Zeit wieder zu sehen, mein Freund. Welche Kunde bringst du mir seit so langer Zeit?“
 

„Ich kann mit Freude verkünden, dass ich Lord Azrael wieder gefunden habe, mein Gebieter.“
 

Lucifers Bernstienaugen funkelten und man konnte seine Aufregung in der Stimme mit schwenken hören.
 

„Wo ist er, Zader?“
 

„Ich fürchte noch nicht hier, Herr. Er ist noch verwirrt und kann sich nicht wirklich entscheiden, weswegen er noch immer auf Erden wandelt.“
 

„Dann überzeuge ihn und bring ihn her!“
 

„Das habe ich ja versucht, aber es ist nicht so einfach. Er hat schließlich seit dreiundzwanzig Jahren ein anderes Leben geführt und besitzt nur seine Herzerinnerungen als Engel.“
 

„Du hast recht. Ich habe mich unnötig aufgeregt. Verzeih, Zader. Bitte tue weiterhin dein bestes.“
 

„Ja, mein Lord.“
 

Zader stand auf, verbeugte sich noch einmal und ging auf die Thronsaaltüren zu.
 

„Zader!“
 

Er drehte sich um.
 

„Ja, mein Lord?“
 

„Willkommen zu Hause, mein Freund.“
 

„Danke. Ich bin zurück, Lucifer.“
 

Diese Worte begleitete ein warmes Lächeln auf beiden Seiten. Plötzlich bemerkte Zader einen huschenden Schatten und schaute genauer hin. Der Schatten stellte sich als Diener heraus, der Lucifer den Kelch füllte. Er schien aller höchstens neunzehn Jahre alt zu sein, hatte haselnussbraunes, mittellanges Haar, welches etwas zerstreut war und sah recht süß aus, wie Zader fand. Nun ja. Er hatte keine Zeit für so etwas und verließ den Saal.
 

***
 

Irgendwie wusste Zader, dass Athaz sehr lange brauchen würde um sich zu entscheiden und er hatte recht. Es war bereits tiefster Winter, als Zader ihn zum weiß Gott wie häufigsten Male nach einer Entscheidung fragte und er erhielt wie immer die selbe Antwort.
 

„Ich kann einfach nicht gehen, Zader. Nicht einfach so, jedenfalls. Tut mir Leid. Ich brauche noch Zeit.“
 

Und jedes Mal regte es ihn mehr auf diese Worte zu hören. Es ging ja nicht nur um Lucifer, dessen Stimmung immer lebensgefährlicher wurde, sondern auch um die Engel die ihn mittlerweile auch entdeckt hatten und nur gütig genug waren noch nicht zu handeln. Wenn Azrael etwas passieren sollte würde Lucifer ihn hundert prozentig, und da konnten sie noch tausend Jahre mit einander befreundet sein, umbringen und zwar ohne mit der Wimper zu zucken. Es würde nicht einmal eine Minute dauern und er hätte das Zeitliche gesegnet. Zader seufzte tief und eine weiße Wolke stieg in den Himmel. Überall lag bereits Schnee und fließendes Wasser war auch schon zu gefroren. Nicht mehr lange und der Weihnachtswahn würde wieder los gehen. Wieso war es so schwierig für Athaz dieses verdammte Menschenleben auf zu geben? Er war schließlich ein Engel verdammt noch mal, auch wenn seine Flügel zur Zeit versiegelt waren und zwei Narben auf seinem Rücken das Einzige waren, was von ihnen übrig war. Aber verdammt noch mal! Er war kein Mensch!
 

Aber was Zader noch mehr aufregte war, dass er bemerkt hatte wie er selbst Athaz durch Augen betrachtete, die nicht einfach nur beobachteten. Es waren Augen die jede Bewegung dieses Mannes mit Faszination verfolgten und er ertappte sich manchmal dabei wie er gefährlich nahe an seinem Hals oder seinem Gesicht war, ohne bemerkt zu haben, dass er sich überhaupt bewegt hatte. Er war definitiv an ihm interessiert, so viel stand fest. Nur hatte er keine Ahnung wann das begonnen hatte und er fühlte sich ein wenig unbehaglich wenn er daran dachte, dass Lucifer das raus bekommen könnte. Er würde ihn wahrscheinlich kopfüber aufhängen, auspeitschen und ihn erwürgen oder sonst was tun um ihm diese Dinge wieder aus zu treiben. Lucifer gab es zwar im Leben nicht zu, aber er war unglaublich schnell eifersüchtig und besitzergreifend.
 

„Zader? Was machst du da?“
 

Erschrocken fuhr er zusammen und blickte in diese wunderschönen purpurnen Augen.
 

„Nichts.“
 

„Hm. Bist du wieder gekommen um mich zu fragen, ob ich endlich mit komme?“
 

„Naja, ich weiß die Antwort ja schon, aber es ist meine Pflicht.“
 

„Ich weiß es aber immer noch nicht.“
 

Zader seufzte resigniert.
 

„Ich wusste es.“
 

„Will er mich wirklich so dringend wieder haben?“
 

„Hä?“
 

Athaz errötete ein wenig.
 

„Naja, ...Lucifer, meine ich...“
 

Zader musste über diese Verlegenheit lachen. Das war zu süß!
 

„Lach nicht, Zader!“
 

„Entschuldige! … Jedenfalls hast du wirklich keine Ahnung wie sehr Lucifer sich nach dir sehnt, ehrlich nicht.“
 

„Etwas, denke ich.“
 

„Ach?“
 

„Weißt du... Ich kann mich an mehr erinnern. Ich meine in meinen Träumen. Ich träume jetzt nicht immer nur diesen einen Traum sondern auch anderes in denen er auftaucht. Ich denke ich habe eine ganz gute Vorstellung von ihm und seinen Gefühlen, aber umso mehr wundert es mich, dass er nicht selbst kommt um mich zu holen.“
 

Die letzten Worte begleitete eine leichte Traurigkeit oder war es eher Enttäuschung?
 

„Naja, Lord Lucifer hat viel zu tun, Athaz. Ich meine er hält die ganze Hölle zusammen. Es wäre furchtbar wenn er nicht da wäre. Du glaubst gar nicht was das für ein Chaos war als Lucifer zum ersten Mal in die Hölle kam. Ich schwöre dir, das Wort Katastrophe ist nicht genug das zu beschreiben.“
 

„War es wirklich so schlimm?“
 

„Oh ja. Jetzt gibt es Regeln und Gesetze und man könnte fast sagen, dass es „brave Bürger“ gibt. Lucifer macht da unten echt einen gigantischen Job, ich sag´s dir.“
 

„Kann ich mir vorstellen. Naja, ich muss los. Wir sehen uns später, Zader.“
 

„Ist gut.“
 

Und genau in dem Moment als Athaz die Straße überquerte traten die Engel in Aktion. Sie preschten in unglaublicher Geschwindigkeit auf ihn zu. Zader wusste genau, dass sie ihn töten wollten. Alles an ihrem Verhalten verriet es. Er musste schnell handeln und das tat er auch. Er ließ die Straße in Sekundenschnelle gefrieren und das anhaltende Auto, welches noch genug Geschwindigkeit hatte, rutschte einfach weiter und verursachte einen kleinen Autounfall, der genug Verwirrung stiftete um ihm die Zeit zu lassen, sich Athaz zu schnappen und mit ihm zusammen durch ein Höllenportal zu fliehen.
 

Athaz war bewusstlos. Er war von einem der Autos angefahren und mit dem Kopf aufgeschlagen, was sich aber als nicht besonders schlimm herausstellte. Trotzdem würde es Lucifer aber nachher noch genug Anlass geben ihm ordentlich eine zu verpassen. Ob Athaz wohl wütend sein wird wenn er aufwacht? Gut möglich war es jedenfalls.

Zader musste sich noch um Athaz Job kümmern. Wenn er weiß, dass er noch eine Pflicht zu erfüllen hat, würde er wahrscheinlich mit Fahnen und Trompeten zurück gehen und wenn er die ganze Hölle auf blanken Sohlen durchwandern müsste. Aber er konnte ihn nicht einfach alleine hier liegen lassen. Die Dämonen hier würden ihn schneller verschleppen als er gucken könnte. Er war einfach zu attraktiv.

Er stand auf um einmal kurz die Umgebung zu überprüfen und wurde prompt von jemandem überrannt. Sie stürzten beide zu Boden und Zader fluchte kurz.
 

„Verdammt! Hast du keine Augen im Kopf, Kleiner?!“
 

„Musst du gerade sagen, du Riese! Und nenn mich nicht Kleiner! Ich bin Kiris!“
 

„Ja, ja, was auch immer! Hey, kenne ich dich nicht von irgendwo her?“
 

Und er kannte ihn tatsächlich. Er erkannte ihn an den nussbraunen Haaren, die etwas zerzaust waren und an der bronzenen Haut. Es war der Diener den er bei Lucifer gesehen hatte. Der, der ihn etwas interessiert hatte.
 

„Was soll das jetzt heißen?! Versuchst du jetzt mich an zu machen, oder was?!“
 

„Wie bitte?! Wer würde sich an so jemanden wie dich ran machen?! Ich kenne dich bloß, weil du bei Lucifer angestellt bist!“
 

Sein Kopf schnellte hoch und Zader blickte in große, himmelblaue Augen.
 

„Das heißt für dich immer noch Lord Lucifer oder seine Majestät Lucifer, verstanden?!! … Äh?“
 

„Was? Hab ich dir jetzt die Sprache verschlagen, oder wie? Steh auf du Klette!“
 

Kiris nickte eifrig und stand auf.
 

„Mann! Hat dich Lucifer geschickt?“
 

„Lord...! Lucifer...“
 

„Ja, ja, Lord Lucifer. Ja oder Nein?“
 

Er nickte.
 

„Gutes Timing. Ich muss noch mal zurück zur Erde um was wegen ihm hier,“ er deutete auf Athaz, „zu erledigen. Ansonsten würde er sofort wieder schreiend und geifernd in Rekordzeit aus der Hölle rennen. Pass also bitte solange auf ihn auf, ok?“
 

„Ok...“
 

„Gut. Dann geh ich jetzt seinen Job kündigen. Bis nachher.“
 

Er strubbelte Kiris durch das ohnehin schon verwuschelte Haar und flog davon.
 

***
 

Zader brauchte ziemlich lange bis er wieder am Internat ankam. Ohne das es jemand bemerkte schlüpfte er in Athaz Zimmer und hinterließ ein Kündigungsschreiben.

An einem Tag erledigte er alles was nötig war um jegliche Verbindung, die Athaz dazu bewegen könnte zurück zu gehen, ab zu brechen. Schule, Job, Praktikas, einfach alles. Wahrscheinlich würde er gerade zu an die Decke gehen, wenn er das wüsste. Gut das er es nicht einfach rückgängig machen konnte.

Zufrieden flog Zader wieder zurück und hoffte, dass Athaz immer noch bewusstlos war.
 

***
 

„Wo ist er?!“
 

„Ich weiß es doch nicht! Er hat nur gesagt, dass er noch etwas zu erledigen hat!“
 

„Dann gehe ich eben einfach so hier raus! Ich habe nämlich wirklich genug davon!“
 

„Wartet! Ich habe doch gesagt, dass ihr nicht einfach gehen könnt! Außerdem seid ihr jetzt endlich hier! Wollt ihr Lord Lucifer nicht wenigstens ein Mal besuchen gehen?!“
 

„ ...“
 

Athaz seufzte tief und strich sich durch sein kurzes Silberhaar. Natürlich wollte er Lucifer sehen, schließlich war er der Grund des ganzen Chaos, aber er hatte auch ein wenig angst davor. Er hatte angst davor, in dem Moment zu verschwinden, in dem er ihn sah. Das er, Athaz, ersetzt werden würde durch Azrael.
 

„Also gut, ich bleibe. Ich warte aber noch auf Zader, schließlich habe ich noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen!“
 

„Damit kann ich leben.“
 

„Schön das zu hören, Kiris. Ach ja. Welche Verbindung hast du eigentlich zu den Beiden?“
 

„...?“
 

„Naja, Zader und Lucifer. Ich weiß, dass Zader nicht nur ein Untergebener ist sondern auch ein guter Freund von Lucifer. Wie steht es mit dir?“
 

„Oh! Ich bin bloß ein Diener, nicht mehr und nicht weniger.“
 

„Wirklich? Ich glaube du bist ein bisschen mehr für Lucifer, auch wenn du es noch nicht bemerkt hast. Hm... Was ist mit Zader? Kennt ihr euch?“
 

Kiris schüttelte den Kopf.
 

„Nein, das ist das erste Mal, dass ich ihn getroffen habe. Obwohl... Er meinte er hätte mich schon vorher gesehen. Ich weiß nur nicht wann das gewesen sein soll. Erinnern kann ich mich nämlich nicht.“
 

„Du hast auch ein Gedächtnis wie ein Sieb, Kleiner.“
 

„Äh?!“
 

„Zader! Na endlich! Du verdammter, Mistkerl! Was hast du dir dabei gedacht?! Und dann noch Unschuldige mit hinein ziehen! Du bist das Letzte!!!“
 

„Woah! Jetzt mach mal halblang, Athaz! Die Engel hatten dich schließlich angegriffen! Anstatt mich an zu schreien, solltest du mir lieber dankbar sein!“
 

„Wirklich?! Danke, dass du mich in die Hölle verfrachtet hast, du Hornochse! Ich kann mich nicht daran erinnern meine Erlaubnis für einen kurzen Trip in den wohl meist verabscheuten Urlaubsort der gesamten nicht irdischen Existenz zu geben!!!“
 

„Hey, hey! So schlimm ist es ja nun auch wieder nicht. Außerdem wärst du wahrscheinlich eh hier bald eingetrudelt. Naja, nicht genau hier, aber du weißt was ich meine. Ich meine, denk doch darüber nach! Der sicherste Ort für jemanden der von Engeln verfolgt wird ist die Hölle, wo es von abscheulichen Dämonen nur so wimmelt. Und! Du stehst schließlich unter dem Schutz von Lucifer. Kein normaler Engel kann ihn auch nur ankratzen. Dafür müsste schon ein Erzengel hier einmarschieren mit einer Armee von voll ausgebildeten Kriegsengeln.“
 

„Ja, schon aber...“
 

„Kein aber. Trau dich endlich ihm gegenüber zu treten, Athaz. Er hungert gerade zu nach deiner Präsenz und er hat schließlich niemals aufgegeben nach dir zu suchen. Selbst wenn ich zu ihm gekommen wäre mit der Nachricht, dass es unmöglich ist dich zu finden hätte er noch tausendmal die Erde abgesucht, inklusive Himmel. Glaub mir, er braucht dich mehr als jedes andere Wesen auf dieser verdammten Welt.“
 

„Du meinst Azrael.“
 

„Ja, den meine ich. Den Engel des Todes. Der Führer des Schwertes, welches die Seele eines jeden lebenden Wesens richtet. Ich meine dich, Athaz, denn du bist niemand anderes als dieser Engel.“
 

„Woher willst du das wissen?! Ich bin jemand anderes!“
 

„Nein, das bist du nicht. Du bist noch genauso wie vor deiner Reinkarnation und ich wette, selbst wenn du dich niemals wieder an dein Dasein als Engel erinnern wirst, wirst du dich wieder in Lucifer verlieben. Und wenn du noch hundert Mal dein Gedächtnis verlierst, wirst du jedes Mal aufs neue dem Lord verfallen. Das weiß ich einfach.“
 

Athaz blickte zu Boden und schloß die Augen.
 

Zader schlug sich in Gedanken. Er war doch selbst an Athaz/Azrael interessiert und nun sagte er etwas, das es ihm wohl für immer verwehren wird auch nur annähernd in eine tiefere Beziehung mit ihm zu gelangen. Aber er musste es einfach sagen! Schließlich war es genauso wie er gesagt hatte.
 

„Also?“
 

„In Ordnung. Ich gehe zu Lucifer. Du hast recht, Zader. Mit allem. Es tut mir leid dir solchen Ärger bereitet zu haben.“
 

„Ach was! Überhaupt nicht! Vorher waren wir ja auch schon Bekannte und jetzt sind wir Freunde. Ich glaube so etwas kannst du als selbstverständlich ansehen.“
 

Er grinste breit und legte die Arme hinter den Kopf. Athaz lächelte sanft und nickte.
 

„Dann lasst uns gehen.“
 

Sie brauchten zirka eine Woche um in den Mittelpunkt der Hölle zu gelangen, wo der Palast des Dämonenlords stand und Athaz wurde mit jedem Schritt nervöser, obgleich er häufiger in Erinnerungen verfiel je näher sie Lucifer kamen. Erinnerungen die ihm den Atem nahmen und er mittlerweile eine Sehnsucht verspürte die er nicht mehr zu kontrollieren noch zu begreifen verstand.
 

***
 

Lucifer seufzte tief. Arbeit. Nichts als Arbeit. Manchmal war es wirklich nicht aus zu halten. Er wäre am liebsten aus dem Palast gestürmt und selbst zu Azrael gegangen. Er wollte ihn sehen. Er wollte ihn endlich wieder in seinen Armen halten und diese Stimme hören, die für ihn so klar wie reines Wasser war. Aber er wusste nur zu gut, dass selbst wenn er wieder bei ihm war, er ihm Zeit lassen musste. Azrael hatte schließlich keine Erinnerungen mehr. Vielleicht musste er auch Jahre warten oder würde vergeblich warten. Wer wusste das schon? Am liebsten würde er ihn in einen Käfig sperren und nie mehr gehen lassen. Aber das würde ihn zerstören, dass wusste er. Lucifer stand auf. Er musste sich ein wenig ablenken.
 

„Mein Gebieter?“
 

„Es ist nichts. Ich gehe mir nur die Beine vertreten. Sie fühlen sich etwas taub an.“
 

„Ich verstehe. Dann werde ich etwas später wieder kommen.“
 

Lucifer wanderte durch die Gänge. Er beobachtete Diener und kleine Kinder und musste anfangen zu lächeln. Wer hätte gedacht, dass die Hölle einmal so friedlich sein könnte? Sie war jetzt schon so lange seine Heimat, doch ab und an fühlte er sich verlassen und bereute ein wenig gegen seinen Vater vorgegangen zu sein. Es musste aber sein, dass wusste er. Er wollte den Herrn ja auch nicht töten, er wollte ihn nur überzeugen. Überzeugen, dass es falsch war Engeln zu verbieten einander zu lieben. Das es verboten war sich in einen Menschen zu verlieben, verstand er. Das war nur billig und recht. Menschen waren andere Geschöpfe als sie und es würde nur Leid bringen sich darauf ein zu lassen. Ihm wäre es in der Vergangenheit beinahe so ergangen. Zu dem Zeitpunkt war er ein Schutzengel gewesen. Er hätte beinahe alles von sich geworfen nur um diesen Menschen zu retten, auch wenn es sein Schicksal war an diesem Tag zu sterben. Wäre sein Bruder Michael nicht gewesen, hätte er alles verloren. Zwei Monate später traf er zum ersten Mal Azrael. Es war nicht so, dass er sich sofort in ihn verliebte, aber er war von Anfang an fasziniert von ihm. Er selbst wurde zwar der schönste Engel Gottes genannt, aber in seinen Augen war Azrael hundert Mal schöner. Seine Augen, die sonst nirgendwo zu finden waren und ebenso sein Haar und sein Körper. Alles schien wahrlich überirdisch an ihm. Wenn er in seiner Nähe war hatte er das Gefühl ein Gänseblümchen zu sein, das neben eine Rose gepflanzt worden war. Erst nach und nach wurde aus dieser Faszination Liebe. Je näher er ihm kam, je mehr er über ihn erfuhr, desto mehr wollte er für immer bei ihm sein. Lucifer seufzte und es klang so traurig als würde er wissen, dass die Welt unterging. Er sehnte sich nach ihm...
 

***
 

Athaz stand mit Zader und Kiris vor den Türen des Thronsaals und wusste nicht was er empfinden sollte.
 

„Hey, Athaz. Kiris und ich gehen mal nachsehen was Lucifer so macht. Kann doch nicht angehen, dass er jetzt ´ne Ewigkeit weg bleibt, wo du wieder da bist, meine ich.“
 

Athaz nickte stumm. Wenige Sekunden später waren die beiden hinter einer Ecke verschwunden. Da er es nicht aushielt nur herum zu stehen ging er den Korridor auf und ab. Plötzlich nahm er einen lieblichen Duft wahr und folgte ihm einfach. Der Duft führte ihn in einen riesigen inneren Garten. Er ging ein paar Schritte hinein und bewunderte die üppige Pracht der Natur. Merkwürdigerweise kam ihm das alles recht vertraut vor, obgleich er das Gefühl hatte, dass es anders war als sonst. Es war mehr als wüsste er, dass er einmal hier gewesen war. Oder waren es hunderte von Malen? Plötzlich blieb er stehen, denn er hatte etwas entdeckt was weit aus schöner schien als der Garten. Neben einem großen Baum, im Zentrum des Gartens, stand er mit einer Hand am Stamm, den Kopf zurückgeworfen und lauschend. Seine Augen waren geschlossen und Athaz bewunderte die langen Wimpern und seine funkelnde, goldene Haut und diesen wunderschönen schlanken und dennoch so starken Körper. Lucifer schien sich dem Licht entgegen zu strecken und plötzlich hatte er seltsame Angst davor, dass er einfach seine dunklen Schwingen ausstrecken und davon fliegen würde. Ohne es zu bemerken ging er langsam auf ihn zu. Er hörte einen Zweig unter seinen Füßen knacken und erschrak. Lucifer drehte den Kopf zu ihm und seine Augen weiteten sich.
 

„Azrael...“
 

Athaz konnte sich nicht einen Millimeter rühren. Er sollte nicht oder... wollte nicht? Lucifer schritt auf ihn zu und Athaz senkte schnell den Blick. Er stand nun direkt vor ihm. Er konnte seine Stiefel sehen und spürte die Wärme die von ihm ausging.
 

„Warum weinst du,... Azrael?“
 

Athaz blinzelte. Er weinte? Und tatsächlich spürte er Tränen seine Wangen entlang laufen. Er blickte schockiert auf und sah direkt in sein Gesicht. Er errötete und war plötzlich atemlos. Wieso konnte dieser Mann ihm so leicht den Atem nehmen? Sein Herz schmerzte mit jedem Atemzug. Sanft nahm Lucifer sein Gesicht in seine Hand und wischte die Tränen ab. Langsam hob er seinen Kopf an und näherte sich ihm. Kurz bevor ihre Lippen sich berührten hörte er wie er leise Worte hauchte und ihn dann küsste. Küsste, als wäre es das letzte Mal. So viel Leidenschaft und Hitze floß in Athaz und mit einem warmen Licht, welches ihn plötzlich umhüllte, sproßen schattenhafte Flügel aus seinem Rücken und ihn verhüllten lange, silberne Haare. Erinnerungen und Gefühle schoßen durch ihn durch und er erinnerte sich. Erinnerte sich an sich selbst und an sein Leben als Engel und beide Leben verschmolzen miteinander und bildeten nun ihn: Den Engel des Todes Azrael. Langsam lösten sie sich voneinander und blickten sich an. Azrael lächelte sanft.
 

„Ich bin zurück, Lucifer-sama.“
 

„Willkommen zu Hause, Azrael.“
 

Er war endlich dort wo er hin gehörte. Bei Lucifer und nirgendwo sonst.
 

***
 

Zader und Kiris standen jetzt geschlagene zwei Stunden vor dem Thronsaal und während Kiris geduldig auf die Rückkehr seines Herrn wartete riß Zader der Geduldsfaden. Sie wussten weder wo Lucifer war, noch wo Athaz hin verschwunden war und das war für ihn einfach zu viel. Man hatte ihnen nur gesagt, dass Lucifer angeordnet hatte sie sollten auf ihn warten, aber was genug war, war genug. Lucifer war ja schön und gut, aber was war mit Athaz passiert?
 

„Verdammt! Ich werde sie jetzt beide suchen gehen und wenn ich den ganzen Palast abgrasen muss!“
 

„Aber, Zader-san! Lucifer-sama hat uns doch befohlen zu warten!“
 

„Ist mir doch egal! Er kann von uns nicht erwarten, dass wir stundenlang untätig herum sitzen!“
 

„Wie schön zu wissen, dass du Befehlen nicht einfach blind folgst, Zader. Das mochte ich schon immer an dir.“
 

„Ja, damn right! Ich wäre doch... Lucifer-sama?!“
 

Zader wirbelte herum und sah seinem Meister ins Gesicht. Hinter ihm bemerkte er noch eine Person und staunte nicht schlecht, als er Athaz mit langen Haaren sah. So sah er ja genauso aus wie früher, als Azrael. Wie war das so schnell geschehen?
 

„Ähm, Athaz?“
 

„Hallo, Zader. Entschuldige, dass ihr euch sorgen gemacht habt. Ich war mit Lucifer-sama zusammen.“
 

„Ach so. Na dann... Warte! Du sprichst ihn wieder mit Titel an! Und wenn ich dich so betrachte... Sind das nicht die Kleider die du früher immer getragen hast?“
 

Athaz war in eine schneeweiße Robe gehüllt, die mit silbernen Accessoires versehen war. Dazu trug er ein graues Tuch und hatte mit der selben Farbe seine Haare mit einem Band zurück gebunden.

Athaz lächelte ihn an.
 

„Ich kann mich an alles wieder erinnern, Zader. Danke, dass du nach mir so lange gesucht hast.“
 

„Ü...Überhaupt kein Problem, Azrael-sama! Wirklich!“
 

Azrael kicherte vergnügt.
 

„Nenn mich einfach Azrael, Zader. Ich glaube wir kennen uns mittlerweile lange genug, meinst du nicht?“
 

„Wahrscheinlich hast du recht. Freut mich, dass du wieder zurück bist, Azrael!“
 

„Danke. Ach, was ich dich noch fragen wollte. Wegen meiner Arbeit...“
 

„Gekündigt und alles andere habe ich auch schon erledigt. Du musst dich um gar nichts mehr kümmern und kannst getrost hier bleiben.“
 

„Wann hast du...?“
 

„Als du bewusstlos warst und Kiris auf dich aufgepasst hat. Ging alles wesentlich einfacher als ich dachte. Innerhalb eines Tages hatte ich alles geregelt. Easy job.“
 

Zader grinste ihn breit an und er seufzte tief.
 

„Du bist wirklich unmöglich, du Feuerteufel.“
 

„Yup! Und das streite ich nicht ab!“
 

„Wo wart ihr denn so lange, Lucifer-sama?“
 

Azrael errötete leicht, sagte aber nichts.
 

„Das geht dich nichts an, Kiris.“
 

„Ja, Herr...“
 

„Manchen Dingen bist du noch nicht gewachsen, Kleiner.“
 

„Halt den...! Lass mich einfach, Zader-san...“
 

Verwundert zog Lucifer die Brauen hoch und runzelte die Stirn. Noch verwunderter sah er Zader an und wieder Kiris.
 

„Was is?“
 

„Nichts... Gar nichts Zader. Gehen wir rein und setzten uns.“
 

„Gute Idee.“
 

Als sie sich gesetzt hatten fing Azrael an Lucifer alles zu erzählen was mit ihm geschehen war auf der Erde, wie er als Athaz gelebt hatte. Schweigend ohne ihn einmal zu unterbrechen, hörte er zu und betrachtete ihn nur. So, als könnte er vielleicht doch jeden Augenblick wieder verschwinden.
 

„Du hattest ein ruhiges und friedliches Leben...“
 

„Ja...“
 

„... wäre es dir lieber gewesen, wenn du...“
 

„Nein“ unterbrach er ihn. „Es ist gut so wie es jetzt ist. Ich war stets unruhig und wusste, dass ich nicht wirklich dort hin gehörte. Mein Platz ist hier.“
 

Sanft legte er seine Hand auf die seine und beteuerte es damit noch einmal. Seine Bernsteinaugen leuchteten und er schloß sie – erleichtert. Plötzlich wurden die Saaltüren aufgeschlagen.
 

„Lucifer-sama! Ein Notfall!“
 

Ein Dämonensoldat kam herein gestürzt und stockte bei dem Anblick Azraels. Sofort warf er sich auf den Boden.
 

„Bitte verzeiht mir Gebieter und Azrael-sama!“
 

Azrael erhob sich, schob seine Hände in die Ärmel der Robe und lächelte.
 

„Schon gut. Berichte.“
 

„Sofort!“
 

Der Soldat erhob sich etwas.
 

„Es nähern sich göttliche Heerscharen mit einer beachtlichen Anzahl und Geschwindigkeit und ihr Anführer...“ er schluckte schwer. „Ist der Erzengel Michael, Gebieter.“
 

Lucifers Augen verengten sich zu Schlitzen. Also kamen sie bereits um Azrael ihm wieder zu entreißen und dafür kam sein kleiner Bruder höchst persönlich. Er stand auf und sofort entfalteten sich seine schwarzen Schwingen. Eine enorme Macht ging von ihm aus.
 

„Schön. Sollen sie kommen. Ich werde ihnen die Hölle persönlich zeigen.“
 

„Da mach ich doch gleich mit!“
 

„Zader-san!“
 

„Was?!“
 

„Ihr wollt wirklich...? Aber das ist gefährlich.“
 

„Also wirklich Mal Kiris. Und sowas kommt von einem Dämon!“
 

Kiris senkte den Blick.
 

„Na gut! Dann komm ich eben mit. Irgendeiner muss ja auf euch aufpassen!“
 

„Auf...! Kannst du überhaupt kämpfen, du Wicht?“
 

Kiris blaue Augen funkelten ihn an.
 

„Natürlich! Ich beherrsche den Wind. Ihr werdet schon sehen. Nichts und Niemand wird an euch herankommen!“
 

Verwundert blickte Zader ihn an. Er hatte erwartet, dass er so etwas zu Lucifer sagen würde, aber nicht unbedingt zu ihm. Er fing an zu lächeln und fuhr dem Kleineren durchs Haar.
 

„Wird auf Gegenseitigkeit beruhen, Kurzer!“
 

Kiris errötete nur, sagte aber nichts und nickte. Lucifer grinste als er Kiris sah und meinte zu Zader gewandt:
 

„Meinst du, du schaffst das ein Leben lang?“
 

„Hä?“
 

Verwirrt blickte er seinen Herrn an. Lucifer lachte auf. Normalerweise war sein feuriger Freund nicht so schwer von Begriff in solchen Dingen. Aber nun gut. Bis jetzt hatte ihn das nie persönlich anbelangt.
 

„Wir sollten alles vorbereiten.“
 

„Du hast recht, Azrael. Benachrichtige alle Hauptmänner und Generäle. Sie sollen sich bereit machen.“
 

„Jawohl, Lucifer-sama!“
 

Mit einer letzten Verbeugung in den Raum lief der Soldat so schnell er konnte davon.

Beginn eines Krieges

Der stets warme Wind strich durch seine Federn und er blickte erwartungsvoll in den rötlichen Himmel. Sie mussten bald hier sein. Dann würde er erneut mit seinem Bruder die Klingen kreuzen müssen und das nur, weil sie niemand verstand. Was war das nur für eine Welt? Er hatte dafür kein Verständnis. Er spürte die heilige Macht der Engel und verengte die Augen um gegen das Sonnenlicht zu blicken. Dort sah er sie, die weiß geflügelten Diener Gottes in Scharen auf ihn zu kommen. Er drehte sich um und blickte auf seine eigene Heerschar von Dämonen und ehemaligen Engeln, den sieben Teufeln. Azrael stand neben ihm und schien immer noch diese heilige Macht aus zu strahlen und Lucifer seufzte innerlich auf. Wie sehr er sich davor fürchtete, dass er der Grund dafür sein könnte, das dieses Licht selbst bei ihm erlosch. Er hob seinen Arm und ein nachtschwarzes Schwert mit einem Silberstreifen in der Mitte verlaufend, erschien in seiner Hand. Die Dämonen jubelten denn sie brauchten keinen Kriegsspruch von ihrem Herrn um die größte Motivation zu erhalten. Allein seine Anwesenheit mit seinen geradezu gigantischen Schwingen reichte aus. Und nun da Lord Azrael wieder bei ihnen war, grenzte ihre moralische Stärke geradezu an Göttlichkeit.
 

„Für den Frieden unserer Seelen!“
 

Lucifer spannte seine Flügel und alle taten es ihm gleich und stießen sich vom Boden ab. In wenigen Minuten hatten die Heere einander erreicht und die blutige Schlacht begann. Heute, würde es viele gefallene Engel geben, waren sie doch unfähig je wieder zu fliegen. Der einfachste Weg einen Engel zu töten war nämlich nicht mit einem Schwertstoß durchs Herz, sondern ihnen die Flügel einfach ab zu schneiden oder heraus zu reißen, was weit aus schmerzhafter war. Lucifer riß viele in die Tiefe mit seinen Angriffen, hörte ihre Schreie wenn sie ihre Flügel verloren. Aber all das berührte ihn schon lange nicht mehr. In einem Kampf war er gefühlskalt. Er war jedoch nicht der Einzige, wenn er sich seinen Todesengel so ansah. Auch er schien in Kämpfen stets anders. Als würde er seine Persönlichkeit ändern, verwandelte sich seine Sanftheit und Güte in Skrupellosigkeit und Unbarmherzigkeit. Er war eben der Engel des Todes. Irgend woher musste er diese Bürde ja her bekommen haben. Und dann spürte er es, die unbeschreibliche Macht eines Erzengels. Er wusste, dass sein Bruder direkt hinter ihm war und er lächelte traurig.
 

„Willst du dich mir nicht entgegen stellen, Höllenfürst?“
 

„Michael... Musst du dies tun?“
 

„Natürlich..., aber ich möchte es auch. Du bist mein Bruder und deswegen will ich persönlich deinen Verrat in Stücke reißen.“
 

„Verrat... hm. Was denkst du ist der größere Verrat? Der Verrat an deinem Herrn oder der Verrat an deinem eigenen Herzen?“
 

Er drehte sich um und sah seinem Bruder direkt in die Augen.
 

„Was ist deine Antwort?“
 

„ … Beides wiegt gleich schwer. Wenn man sein eigenes Herz verrät kann man einem Herrn nicht mehr dienen. Sollte man jedoch seinen Herrn verraten ist das die größte Schande.“
 

„So ist es. Ich entschied mich für die Schande, da ich mein eigenes Herz nicht hintergehen konnte. Wieso also habe ich ein Verbrechen begangen, wenn ich nur meinem Herzen folgte, wie es unser Vater wünscht?“
 

„ …“
 

Michael senkte den Blick. Wie konnte er darauf antworten. Mit dem was er sagte hatte er recht, aber der Vater hatte dies bestimmt. Egal was sein Bruder sagte oder tat, es war gleichgültig geworden, da Gott ihn verstoßen hatte und ihm selbst nichts anderes übrig blieb als zu gehorchen. Er griff sein Schwert fester, umklammerte es gerade zu um Halt darin zu finden für sein schwankendes Herz.
 

„Ich kann darauf nicht antworten. Egal was geschieht, ich muss meine Pflicht erfüllen. Mach dich also bereit!“
 

Lucifer schüttelte traurig den Kopf. Warum gab es immer nur eine Lösung für einen Engel? Er ging in Kampfposition und nickte, nun mit einem leeren Blick in seinen Augen.
 

„Dann komm und lass mich sehen wie du dich gemacht hast, Bruder!“
 

***
 

Der Kampf dauerte Stunden und die Nacht war bereits herein gebrochen. Viele Engel waren schon längst gefallen und noch mehr Dämonen waren gestorben. Beide Seiten gönnten sich jetzt jedoch eine Pause. Zwei waren aber immer noch im Kampf verwickelt und würden auch nicht stoppen, solange noch beide aufrecht stehen konnten: Michael und Lucifer.

Azrael machte sich keine wirklichen Sorgen. Das war eben normal zwischen den Beiden. Leicht lächelte er darüber, dass er so darüber denken konnte. Es war schließlich stets ein Kampf auf Leben und Tod. Zumindest für Lucifer, da er definitiv von seinem Bruder getötet werden würde, wenn dieser die Gelegenheit dazu hätte. Lucifer jedoch würde Michael niemals töten, nicht um ihm die Würde und Ehre zu nehmen, sondern einfach, weil er seinen kleinen Bruder nicht töten konnte. Das würde er ihm wahrscheinlich nie glauben.
 

„Azrael.“
 

„Ah, Zader! Was gibt es?“
 

„Naja, ich weiß ja, dass die beiden da sich andauernd bekriegen, wenn sie sich sehen, aber dauert das jetzt mittlerweile nicht etwas lange? Die beiden brauchen schließlich auch mal eine Pause.“
 

„Lass sie nur, Zader. Wenn sie zu erschöpft sind werden sie schon aufhören.“
 

„Aber werden die beiden dann nicht von anderen verletzt werden?“
 

„Nein, das werde ich nicht zu lassen. Ich kenne sie beide und sie sind mir beide sehr wichtig. Jeder der ihnen etwas zu leide tun will muss erst an mir vorbei kommen und ich bin ausgeruht.“
 

„Verstehe. Lucifer hat wirklich Glück dich zu haben, Azrael.“
 

„Findest du? Das klang jetzt beinahe ein wenig eifersüchtig.“
 

„Wa...?! Nein! Warum sollte ich!“
 

„Stimmt. Es gibt schließlich jemanden der das Selbe für dich tun würde und auch getan hat, oder?“
 

„Ähm...“
 

„Ich habe euch beide kämpfen sehen. Ihr kommt wirklich gut miteinander aus. Kiris Windmacht in Kombination mit deinem Höllenfeuer ist eine wahre Pracht. Recht erschreckend, wenn du mich fragst. Ich würde nicht gegen euch beide kämpfen wollen.“
 

„Das gebe ich zurück, aber ich war selber überrascht wie gut der Kleine ist. Er hat mir da draußen so einige Schmerzen erspart.“
 

„Ja, das denke ich auch. Sag, wie siehst du ihn eigentlich, Zader?“
 

„Hä? Wie ich ihn sehe? Wie meinst du das?“
 

„Naja, ist er ein Freund oder ein Bekannter für dich. Oder vielleicht etwas anderes?“
 

„Da hab ich bis jetzt nicht drüber nachgedacht. Mal überlegen...“
 

„Na?“
 

„Keine Ahnung! Kann ihn nicht einordnen.“
 

„Oh, Zader!“
 

„Was denn?!“
 

„Vergiss es du Torfkopf! Du solltest es jedoch bald schaffen eine Kategorie für ihn zu finden.“
 

„Warum das?“
 

„Weil Kiris, klein, zart und niedlich ist und es verdammt viele gibt, die hinter ihm her sind, obwohl er so eine große Klappe hat.“
 

„Große Klappe? Wo hat der denn eine große Klappe? Der ist doch der totale Schoßhund.“
 

„Ja, dir gegenüber. Anderen gegenüber eher weniger.“
 

„Ist das so?“
 

„Ja, das ist so. Du kriegst in letzter Zeit nicht sehr viel mit, oder?“
 

„Naja, ich kriege mit das ein gewisser ehemaliger Engel andauernd von unserem Lord angehimmelt wird und die beiden erstaunlich häufig, seeeehr lange Zeit nicht auf zu finden sind. Und wenn der Lord wieder auftaucht dieser nur sagt, dass ein gewisser Engel gerade nicht in der Verfassung ist an irgendwelchen Versammlungen oder sonstigen Dingen teilzunehmen.“
 

„Zader! Du unverschämter Kerl!“
 

Zader lachte amüsiert und Azrael errötete heftig.
 

„Zader-san. Ihr solltet wirklich nicht so unhöflich gegenüber Azrael-sama sein.“
 

„Wer ist hier unhöflich? Ich habe nur gesagt, was ich beobachtet habe. Das hatte mit Unhöflichkeit nichts zu tun.“
 

„Was gibt es denn eigentlich, Kiris? Du kommst doch nicht ohne Grund, oder?“
 

„Nein. Ich wollte berichten, dass sich die Engelsscharen langsam wieder erheben und wir wohl besser das Gleiche tun sollten, Azrael-sama.“
 

„Sehr gut. Danke Kiris. Also dann, lasst uns erneut zum Schwert greifen, um das zu verteidigen was uns wichtig ist!“
 

Das was nur eine Schlacht hätte sein sollen, wurde zu einem Krieg. Die Erzengel Raphael und Gabriel beteiligten sich nach ein paar Tagen ebenfalls am Kampf und so brach ein zweiter Krieg zwischen Himmel und Hölle aus...
 

***
 

Ungeduldig schritt Lucifer in seinem Thronsaal hin und her. Er wartete auf Nachricht von Azrael, der an der Schlacht im Süden teilnahm. Er selbst würde bald Richtung Osten aufbrechen müssen um die Engel zurück zu schlagen.
 

„Herr, es ist Zeit. Ihr müsst jetzt aufbrechen.“
 

„Das weiß ich selbst! Ist immer noch keine Nachricht angekommen?“
 

„Ich fürchte nicht, Gebieter.“
 

„Verdammt!“
 

Entschlossen schritt Lucifer aus und schlug die Saaltüren auf. Mit einem Fingerschnippsen war er in volle Kriegsbekleidung geschlüpft und breitete seine Flügel aus.

Er stand auf dem großen Platz vor dem Palast und sah sich um. Alle seine Truppen schienen aufbruchsbereit. Nun gut. Dann musste er eben damit Leben, nichts von seinem Liebsten zu wissen und sich voll und ganz auf seinen Krieg konzentrieren. Lucifer seufzte noch einmal resigniert und erhob sich dann mit seinen Dämonenscharen in den dunkelroten Himmel der Hölle. Die Schlachten, die sie momentan führten, durften um keinen Preis verloren werden. Wenn dem so wäre, wären die göttlichen Heerscharen viel zu tief in die Hölle eingedrungen, um sie wieder zurück zu treiben. Ach, wenn sein geliebter Vater ihn nur verstanden hätte und ihn jetzt verstehen würde. Lucifer konnte sich einfach nicht erklären, warum es selbst unter Engeln verboten war sich zu lieben...
 

***
 

Zader war bis auf die Knochen erschöpft. Er kämpfte jetzt nun schon seit drei Tagen ohne Unterbrechung und jetzt endlich konnte er sich ausruhen. Gemütlich räkelte er sich und warf sich auf sein Deckenlager. Wie schön wäre es jetzt im eigenen Bett zu liegen und ohne sich sorgen zu müssen einzuschlafen, aber das war ihm nun Mal nicht vergönnt. Wenigstens hatte er einen kleinen Trost, denn er war in der Einheit von Azrael an der Südfront und bei ihm war sogar Kiris, mit dem er ein ausgezeichnetes Team abgab.
 

„Zader-san.“
 

Zader blickte auf und sah Kiris fragend an.
 

„Ähm... Darf ich mich neben dich legen?“
 

„Was ist? Hast du jetzt plötzlich angst gekriegt, nach gerade Mal drei Tagen Krieg?“
 

„Nein, es ist nur... Ich kenne nur dich und Azrael-sama und die anderen gucken mich etwas merkwürdig an.“
 

„Merkwürdig?“
 

Kiris errötete etwas.
 

„Naja, ich weiß nicht wie ich es sagen soll...“
 

„Dann lass es bleiben. Ich schlafe jetzt, ich bin nämlich zu erschöpft um mich um deine Albernheiten zu kümmern. Leg dich einfach hin und mach die Augen zu. Du wirst den Schlaf brauchen.“
 

„Aber, Zader-san...“
 

„Nichts, aber! Hinlegen und Augen zu!“
 

„Ja...“
 

Nach ein paar Stunden wurde Zader wieder wach. Laute Stimmen hatten ihn geweckt und er stand schlecht gelaunt auf. Er ging zum Versammlungsplatz und blieb abrupt stehen. Kiris wurde von mehreren Dämonen, die weitaus stärker waren als dieses zarte Etwas, auf den Boden gedrückt und ausgezogen. Kiris wehrte sich mit aller Kraft, was bei diesen Kraftpaketen eher sinnlos war. Jetzt hatte Zader begriffen was der Kleine mit „merkwürdigen Blicken“ gemeint hatte. Das waren schlichtweg die Blicke von hunderten sexhungrigen Dämonen, die einen Frauenersatz in so einem hübschen, kleinen Kerl gefunden hatten.
 

„Verdammte, …! Wenn ich die in die Finger kriege sind die nur noch Kohle!!!“
 

Wütend wie er selten jemals gewesen war ging er auf die Gruppe zu. Er hatte ein riesiges Verlangen danach diesen Typen die Schädel einzuschlagen. Wie konnten sie es wagen, Kiris derartig zu berühren, wenn dieser nichts davon wissen wollte! Nicht zu vergessen, dass jedes Mal wenn Kiris verzweifelt ausrief, Zaders Inneres geradezu zu Lava wurde, die jeden Moment ausbrechen würde.
 

„Hey, ihr kleinen Kanalratten! Lasst ihn endlich in Frieden! Schon mal was von Übereinstimmung gehört?!“
 

Drei von der Dämonengruppe drehten sich um.
 

„Was willst du Rotschopf! Wir spielen mit dem Kleinen. Kannst ihn gerne nachher haben, wenn er dann noch dazu fähig ist!“
 

Andere lachten laut auf und bejahten das ganze noch. Das reichte Zader jetzt eindeutig, noch dazu, weil Kiris mittlerweile in Tränen ausgebrochen war und die Kerle Stellen berührten, wo sie nichts zu suchen hatten.
 

„Ich hab euch gewarnt! Kommt später nicht heulend zu mir angekrochen!“
 

In ein paar Sekunden hatte Zader die komplette Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Er schlug die Typen windelweich und hatte nachher selber einige blaue Flecken, aber das konnte er schlecht verhindern, wenn er sie nicht wie Wunderkerzen abfackeln wollte oder besser gesagt konnte. Am Ende lagen die Mistkerle wimmernd am Boden und Zader war noch erschöpfter als vorher.

Kiris hatte sich mittlerweile auf gerappelt und versuchte etwas zu finden, womit er sich bedecken konnte. Zader nahm seine Lederjacke und legte sie um seine Schultern.
 

„Ist vielleicht nicht das geeignetste zum herumlaufen, aber immer noch besser als nichts.“
 

Kiris Schultern zitterten.
 

„Kiris...?“
 

Der kleine Winddämon drehte sich plötzlich um und warf sich in Zaders Arme, in denen er dann bitterlich zu weinen anfing. Er krallte seine Finger in Zaders schwarzen Pullover und ein Schluchzen entrann sich seiner Kehle. Sanft nahm Zader ihn in den Arm und versuchte den Kleineren zu beruhigen. Er wollte sich am liebsten selber in den Hintern treten. Wieso hatte er nicht auf Kiris gehört und ihn einfach zu sich gelassen? Was wäre schon dabei gewesen? Aber manchmal vergaß er wohl, wie schwach Kiris in Wirklichkeit war. Wenn er seine Windkräfte benutzen konnte, ja dann war er stark und unglaublich geschickt. Aber was war wenn man ihm das nahm? Wenn er diese Kräfte nicht einsetzten durfte? Dann war er schwach. Er war so ein Dummkopf gewesen.
 

Zader und Kiris lagen nun nebeneinander oder besser gesagt Kiris lag in ihn hinein gekrallt, aber Zader war das ziemlich egal. Er hätte es jetzt sogar hin genommen geschlagen zu werden oder sonst irgendwie verletzt zu werden, um seinen Fehler wieder gut zu machen. Vorsichtig berührte Zader den Kleineren an der Schulter. Dieser zuckte leicht zusammen und blickte dann auf, immer noch mit Tränen in den Augen.
 

„Geht´s wenigstens wieder ein bisschen besser?“
 

Kiris nickte leicht und Zader seufzte erleichtert. Verlegen blickte Kiris wieder auf und betrachtete Zader´s Gesicht. Ein Schnitt zog sich leicht blutend über seine Wange. Er berührte sanft das Gesicht des Feuerdämon und setzte sich auf.
 

„Kiris, was...?“
 

Kiris küsste an dem Schnitt entlang und an jeder Stelle die er berührte, verheilte der Schnitt in Sekunden.

Zader blickte verwundert in diese atemberaubend blauen Augen die ihn direkt neben seinen eigenen grünen Augen anblickten.
 

„Wind...“, flüsterte Kiris leise. „Mein Atem ist auch eine Art Wind...“
 

„Ach so...“
 

Sanft und etwas zögernd küsste Zader ihn, danach küsste er ihn erneut. Diesmal etwas intensiver.
 

„Vielleicht brauche ich bald eine Beatmung...“
 

Kiris lächelte belustigt.
 

„Keine Sorge. Ich bin ein Winddämon und wie gesagt, ist mein Atem ebenfalls eine Art Wind. Egal wie viel Atem und Luft du also brauchst, ich werde dir genügend geben können.“
 

„Schon, aber bist du sicher, dass dein Wind für mein Feuer reicht?“
 

„Ohne Luft kann Feuer erst gar nicht existieren, oder?“
 

Zader schmunzelte.
 

„Stimmt. Dann sage ich mal guten Appetit...“
 

***
 

Lucifer schritt entschieden durch das Feldlager und auf Belial´s Zelt zu. Die Dämonen, die ihm auf dem Weg dorthin begegneten machten ihm schleunigst Platz, um bloß keinen Fehler zu begehen. Momentan sah der Herr der Hölle nämlich extrem wütend aus. Mit Schwung schlug er den Zelteingang zur Seite und trat ein.
 

„Belial!“
 

„Mein König! Was kann ich für euch tun? Ist etwas geschehen?“
 

„Ob etwas geschehen ist?“
 

Lucifer funkelte ihn wütend an.
 

„Oh ja und wie! Wie kannst du es wagen mir die Nachricht aus dem Süden zu enthalten?!“
 

Belial blickte zu Boden und senkte sein Haupt.
 

„Mein Gebieter, ich hatte natürlich nicht vor euch irgendetwas zu enthalten, aber die Botschaft schien mir mehr persönlich und ich dachte...“
 

„Du hast nichts über mein persönliches Leben zu denken! Geschweige denn dir an zu maßen, dass du irgend eine Art von Recht hast über es zu urteilen!“
 

„Jawohl, Lucifer-sama. Vergebt mir, ich wollte euch nicht verärgern.“
 

„Wo ist also meine Botschaft?“
 

„Hier, mein König.“
 

Lucifer entriss ihm das Papier und ließ es verschwinden.
 

„Ich hoffe für dich, dass dergleichen nicht wieder vorkommt, Belial.“
 

„Natürlich, Gebieter. Ich werde es mir merken.“
 

Er trat aus dem Zelt und steuerte nun sein eigenes an, um in aller Ruhe Azraels Nachricht zu lesen. Auf dem Weg dorthin wurde er jedoch aufgehalten.
 

„Ah, mein Höllenfürst. Ich hoffe ihr habt unseren kleinen Belial nicht zum Weinen gebracht.“
 

„Hmpf, Asmodäus. Unser Belial? Du kannst ihn von mir aus gerne haben. Ich hatte nie irgend eine Art von Interesse an ihm, nur an seinen Fähigkeiten. Die sind das Einzige die mich an ihm interessieren.“
 

„Ihr seid so kalt, mein König, aber deswegen mag ich euch und weil ihr mir so wundervolle Möglichkeiten schenkt.“
 

„Freut mich, dass ich helfen kann. Gibt es noch irgendetwas Wichtiges was du mir zu sagen hast, oder willst du meine Zeit noch weiter mit überflüssigem Gewäsch verschwenden?“
 

Asmodäus lachte leise.
 

„Nein, ich habe nichts weiter zu sagen, mein Gebieter. Lest ruhig euren Liebesbrief in Ruhe. Ich werde euch nicht länger stören.“
 

Mit einer leichten Handbewegung als Abschied wandte sich der Teufel des Zorns und der Vernichtung Richtung Belials Zelt und ließ seinen Fürsten stehen. Lucifer schnaubte genervt. Von all den Engeln die ihm gefolgt waren und zu Teufeln und Dämonen geworden waren, war ihm Asmodäus der absolut Zuwiderste. Er wusste einfach nicht was sein Motiv gewesen war ihm zu folgen. Mittlerweile hatte er die Vermutung, dass der einzige Grund Belial war. Nun ja. So lange er tat wie ihm gesagt wurde, störte es ihn nicht weiter.

In seinem Zelt, endlich alleine und ungestört, setzte er sich hin und las in aller Ruhe Azraels Brief.
 

***
 

Azrael saß mit geschlossenen Augen in seinem Zelt. Nichts regte sich oder gab einen Laut von sich. Er hatte jetzt eine Woche lang auf Nachricht von Lucifer gewartet, aber sie war nicht gekommen. War es also in Ordnung für ihn mit seinem Plan fortzufahren? Ihre Lage war bedrängend. Sie wurden immer weiter zurück gedrängt und bald würden sie nicht mehr in der Lage sein, die Grenzlinie zu verteidigen. Um dennoch siegen zu können, hatte sich Azrael vorgenommen einen Attentäterangriff auf den General der feindlichen Streitkräfte zu verüben. Da er jedoch dies als letzte Maßnahme verwenden wollte, hatte er Lucifer zwei Briefe gleichzeitig geschickt, welche den taktischen Brief verstecken sollte. Einer war ein persönlicher Brief und der andere der militärische. Aber die Zeit drängte und ihnen blieb nun nichts anderes mehr übrig, als diesem gefährlichen Plan zu folgen. Da der feindliche General ein Erzengel war, der Engel des Windes Rafael, musste er die Tat selbst ausführen, weil kein Dämon nahe genug an ihn heran käme.

Azrael seufzte resigniert. Wieso antwortete sein geliebter, dunkler Fürst nicht? Nun, jetzt war es sowieso zu spät.

Er stand auf und verließ das Zelt. Davor standen wartend, Zader und Kiris. Sie blickten ihm angespannt entgegen.
 

„Bist du sicher, dass du das machen willst, Azrael?“
 

„Natürlich bin ich sicher, Zader.“
 

„Ihr solltet nicht gehen, Azrael-sama! Wartet doch noch ein bischen, vielleicht antwortet Lord Lucifer ja doch noch oder sendet sogar Verstärkung!“
 

Azrael lächelte den Winddämon zärtlich an.
 

„Danke, Kiris, aber wir können nicht noch länger warten. Zader. Falls ich nicht zurück komme übernimmst du hier die Führung, verstanden? In meinem Zelt ist alles bereit für dich zum Übernehmen, damit die Anderen dich definitiv, als neuen General akzeptieren werden.“
 

Zader nickte düster.
 

„Aber du kommst besser zurück. Ich weiß jetzt schon, dass mein erster Befehl als General der Rückzug wäre und wenn ich zu Lucifer zurück gehe, ohne dich dabei zu haben, bin ich ohnehin Geschichte.“
 

Azrael lachte.
 

„Für den Fall habe ich auch noch einen Brief da gelassen, also mach dir keine Sorgen.“
 

Zader nickte ihm grinsend zu und Azrael breitete seine Schwingen aus, die in der Dunkelheit der Nacht, eine schwarze Färbung annahmen. Er erhob sich in die Luft und war nach wenigen Metern nicht mehr zu erkennen.
 

„Ich weiß ja, dass es eigentlich Unsinn ist für uns zu beten, Kiris, aber ich habe gerade ein echt großes Bedürfnis danach.“
 

Kiris legte seine Arme um seinen geliebten Feuerdämon und lehnte sich gegen ihn, das Gesicht an seinen Rücken geschmiegt, die Augen geschlossen.
 

„Keine Sorge... Ich bin sicher, dass Azrael-sama wohlbehalten wieder zurück kommt. Ganz sicher. Der Lord wartet schließlich auf seine Rückkehr, da kann er jetzt einfach noch nicht sterben...“
 

Zader nickte und hielt sanft Kiris schlanke Hände fest, so als ob er an ihnen Halt finden müsste...

Bettgeflüster

Azrael schlich im feindlichen Lager der Engel umher und hatte keine Probleme dabei unbemerkt zu bleiben. Die Engel rechneten wohl nicht mit einem Attentat oder einem Hinterhalt, weshalb die Bewachung extrem schwach war. Der Todesengel fand sehr schnell Rafaels Zelt, da es prunkvoller war, als die anderen Zelte und schlüpfte hinein. Der windige Erzengel schlief scheinbar tief und fest und wachte auch nicht auf, als er sich ihm näherte. Azrael schluckte schwer. Es war immer schon schwer für ihn gewesen gegen seine ehemaligen Freunde zu kämpfen, aber einen von ihnen jetzt einfach so umzubringen war schwerer für ihn, als er erwartet hatte.

Der ehemalige Engel des Todes materialisierte seine Sense und machte sich bereit. Gerade als er zuschlagen, sein Opfer töten wollte, schnellte Rafaels Hand nach oben und hielt ihn am Handgelenk fest.
 

„Hallo, Azrael. Lange nicht mehr gesehen. Das ist aber nun wirklich gemein von dir mich töten zu wollen.“
 

„Rafael... Bring mich entweder um oder lass mich los, damit ich dich töten kann, aber ich werde mich nicht mit dir unterhalten!“
 

„Das ist jetzt aber wirklich kalt! Was lässt dich nur so agieren? Ist es etwa Lucifer? Was ist so großartig an ihm?“
 

„ ...“
 

„Fein. Dann antworte mir eben nicht. Aber ich werde dich dann einfach Lucifer vergessen lassen!“
 

Rafael zog ihn unter seinen Körper und lag nun über ihn gelehnt. Azrael sah ihn erstaunt an.
 

„Weißt du, ich kann Lucifer verstehen, da wir uns beide in denselben Engel verliebt haben. Deswegen kann ich seinen Krieg gegen unseren Vater nachvollziehen und nur, weil ich auf Seiten des Himmels kämpfe heißt das ja nicht, dass ich keine Hintergedanken habe. Ich wollte dich schon immer Lucifer wegnehmen, Azrael. Für mich war er noch nie der schönste Engel Edens gewesen, nein, du warst es den ich als solchen sah und ich glaube Lucifer stimmt mir da zu.“
 

Rafael küsste ihn entlang des Schlüsselbeins und Azrael versuchte sich angewidert von ihm abzuwenden.
 

„Nicht! Rafael! Lass mich los!“
 

„Warum sollte ich?“
 

„Weil du auch zu einem gefallenen Engel wirst, wenn du das tust! Außerdem will ich das hier nicht! Ich will nur Lucifer, nur ihn!“
 

„Gut, von mir aus. Dann falle ich eben, aber ich habe eben schon gesagt, dass ich dich ihm wegnehmen wollte und das werde ich jetzt auch tun.“
 

Azrael sah ihn mit Angst erfüllten Augen an.
 

„Tu das nicht, Rafael. Bitte!“
 

„Tut mir leid, aber die Gelegenheit ist zu günstig...“
 

***
 

Azrael schlich angeschlagen und in zerrissener Kleidung vorsichtig aus dem Engelslager. Während Rafael über ihn hergefallen war, hatte er seine Chance genutzt und ihn umgebracht. So viel zu Freunden... Das war eine einzige Farce gewesen. Erschöpft und zitternd flog er wieder zurück zu Zader und den Anderen...
 

***
 

Lucifer hatte seine Truppen so schnell wie möglich in die Richtung geschickt in der Azrael postiert war. Natürlich hatte er die feindlichen Truppen davor erfolgreich in die Flucht geschlagen.Nachdem er den Brief von Azrael gelesen hatte, hatte er die versteckten Notiz gefunden und hätte Belial deswegen am liebsten auf der Stelle geköpft! Wenn seinem Liebsten etwas passiert war würde er ihm höchst persönlich den Hals umdrehen.
 

Sie kamen mitten in der Nacht bei den Zelten von Azraels Truppen an, wo er sofort von Zader begrüßt wurde.
 

„Zader! Wo ist Azrael!“
 

„Im feindlichen Lager, da von dir ja keine Antwort oder sonst etwas kam. Wir warten noch auf seine Rückkehr.“
 

„Verdammt... Verdammt! Wenn Rafael ihm etwas angetan hat, bring ich ihn um!“
 

„Ist ja gut! Beruhige dich doch!“
 

„Zader! Ich glaube, Azrael-sama kommt gerade zurück!“
 

„Siehst du, Lucifer? Kein Grund zur Panik.“
 

Lucifer seufzte erleichtert auf.
 

„Du hast wahrscheinlich recht...“
 

Sie gingen auf Azrael zu, der erschöpft zu Boden sank und dort zusammenbrach. Lucifer rannte auf ihn zu, nahm ihn sanft in seine Arme und sah ihn geschockt an.

Die Kleidung seines Engels war komplett zerrissen, fast nur Fetzen die ihm am Leib hingen und er bedeckte sich nur mühsam mit seinen vier Schwingen.
 

„Azrael! Was ist passiert?!“
 

Azrael öffnete seine Augen und sah seinem Geliebten entgegen. Er krallte sich an ihm fest und vergrub sich praktisch in ihm, zitternd.
 

„Nichts... Nichts ist passiert. Ich habe Rafael getötet, also sollten sich die Truppen des Herrn sich bei Morgengrauen zurückziehen...“
 

Lucifer zog ihn eng an sich heran und hob ihn dann auf seine Arme.
 

„Zader? Wo ist Azraels Zelt?“
 

„Ähm, dort entlang und dann da hinten nach rechts...“
 

Er nickte.
 

„Die Truppen des Feindes werden sich bei Morgengrauen zurückziehen, also sag unseren Truppen, dass sie sich entspannen können, aber trotzdem ein waches Auge haben sollen.“
 

„Verstanden!“
 

Lucifer wandte sich ab und ging in Richtung Zelt, einen zitternden Azrael in Armen.
 

***
 

Lucifer legte seinen geliebten Engel sanft auf seinen Schlafplatz und wollte ihn gerade loslassen, um eine Decke zu holen, als Azraels Hand ihn flehend zurückhielt.
 

„Bitte, geh nicht. Lass mich jetzt nicht los, Lucifer...“
 

Besorgt blickte der Fürst der Hölle ihn an und setzte sich auf die Kante der Pritsche. Beruhigend strich er seinem Geliebten durch die silbernen, langen Haare und küsste ihn auf die Stirn, umarmte ihn und hielt ihn fest.
 

„Ist ja gut. Ich bin ja bei dir, Azrael und niemand wird dich mir wegnehmen oder verletzen, keine Sorge.“
 

Azrael seufzte auf, zitterte aber immer noch wie Espenlaub und krallte sich in ihn hinein.
 

Lucifer fluchte innerlich. Wenn Rafael nicht schon tot wäre, wäre er es sehr bald! Er konnte sich vorstellen was passiert war. Rafael war wahrscheinlich über Azrael hergefallen. Der Erzengel hatte schließlich schon immer reges Interesse an seinem Todesengel gehabt, so wie er selbst auch, nur hätte Lucifer Azrael aufgegeben, hätte dieser ihn zurückgewiesen. Rafael war nicht so gewesen. Er wollte immer alles haben was er begehrte, selbst wenn er es zerstören musste, um es zu bekommen. Er war ein sehr egoistischer Engel gewesen...

Lucifer biss sich auf die Unterlippe und starrte wütend die Zeltwand an. Dafür würden sie definitiv büßen!
 

***
 


 

Am nächsten Morgen öffnete Azrael verschlafen seine Augen und blickte sofort in warme goldene. Er musste lächeln und kuschelte sich an seinen Höllenfürst.
 

„Guten Morgen, Lucifer...“
 

„Guten Morgen, Azrael. Wie fühlst du dich?“
 

„Besser. Entschuldige mein Verhalten von gestern. Ich war nur... Ich weiß auch nicht.“
 

Lucifer schüttelte den Kopf.
 

„Nein, ist schon in Ordnung. Ich brauche keine Erklärung oder Entschuldigung, weil beides überflüßig ist, solange es dir nur gut geht...“
 

Sanft küsste er ihn und lächelte. Wie sehr er ihn liebte. So sehr...
 

Azrael errötete etwas. Jedes Mal, wenn Lucifer ihn so ungemein sanft und zärtlich ansah fühlte er sich wie Butter. Verlegen blickte er zur Seite.
 

„Was ist?“
 

„Nichts... Ich... Manchmal habe ich das Gefühl, dass du mich mehr liebst, als ich dich und... Ich mag es nicht... dass ich dich vielleicht weniger lieben könnte...“
 

Lucifer lachte unterdrückt. Ein wenig wütend und empört schlug Azrael ihm sanft gegen die Brust.
 

„Was ist daran lustig? Ich meine es ernst! Ich meine, stört es dich denn gar nicht, dass es so sein könnte?“
 

„Nein.“
 

„Warum nicht?“
 

„Weil man Liebe nicht messen kann und ich nichts dagegen hätte, dich mehr zu lieben. Ich tue das sowieso jeden Tag immer mehr, da macht mir das nichts aus. Ich bin dir eben einfach aufs schlimmste verfallen. So sehr, dass es mich verrückt macht...“
 

Liebevoll strich er Azrael durchs Haar und küsste zärtlich eine silberne Haarsträhne, die er bewundernd zwischen seinen Fingern hielt. Verführerisch und mit verschleierten Augen, sah er seinen Todesengel an und lächelte verspielt.
 

Azrael dachte er würde sterben. Sein Herz hatte einen so rapiden Anstieg an Herzschlägen begonnen, dass es ihm fast aus der Brust schlug. Er schluckte schwer und hätte sich am liebsten unter der Bettdecke verkrochen, aber Lucifer hatte sich bereits über ihn gebeugt und blickte ihm tief in die Augen. Wenn sein Höllenfürst ihn jetzt bitten würde irgendetwas zu tun, egal was, dann würde er es wohl gerade ohne mit der Wimper zu zucken einfach tun. Lucifer strich ihm zärtlich über die Seiten seines Körpers und küsste ihn auf seinen Hals, was Azrael einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Er neigte seinen Kopf zur Seite und Lucifer sah ihn an. Azrael hatte einen unglaublich lustvollen Blick und er streichelte Lucifer sachte über den entblößten Oberkörper, dann küssten sie sich leidenschaftlich und der Todesengel seufzte auf. Das Universum könnte in diesem Moment zusammenbrechen und sie würden es nicht einmal bemerken...
 

***
 

Belial stampfte wütend in seinem Zelt hin und her. Wie er es hasste! Azrael hier! Azrael dort! Immer nur Azrael! Er biss sich den Nagel ab, auf dem er vor kurzem nur wütend herum gekaut hatte.
 

„Was ist so toll an ihm?! Der ist doch hässlich wie die Nacht!!!“
 

Belial fuhr sich erregt durch die schulterlangen, welligen, schwarzen Haare und fluchte weiter. Asmodäus sah seinem kleinen, gierigen Teufel belustigt hinterher, während er genüsslich auf der Pritsche lag. Der grauhaarige Teufel lächelte jedes Mal amüsiert, wenn Belial wieder die Worte fehlten und stattdessen einfach nur die Haare raufte und die Arme in die Luft warf. Wie dankbar er seinem Fürsten doch war, dass er ihm so delikate Möglichkeiten bot. Er fand Belial einfach zu süß, wenn er wütend herum stolzierte und Gott und die Welt verfluchte, vor allem Lord Azrael, da er ja für den temperamentvollen Schwarzhaarigen das Übel schlechthin war. Er könnte ihn selbst nicht besser auf die Palme bringen.
 

„Und du! Hör endlich auf da einfach nur blöd herum zu liegen und mich an zu lächeln, Asmodäus!!! Du bringst mich genauso zum kochen!!!“
 

Asmodäus schnappte ihn sich am Handgelenk und zog ihn zu sich herunter. Nun saß der schwarzhaarige Teufel auf seinem Schoß und funkelte ihn bitterböse mit seinen grau-grünen Augen an. Der Graue strich ihm eine rote Strähne aus dem Gesicht, wie sie vereinzelt in Belials Haar auftauchten, und lächelte ihn an.
 

„Nun beruhige dich doch, bevor du dir noch alle deine Nägel abbrichst. Kein Grund gleich aus der Haut zu fahren, Belial. Er wird dich schon nicht umbringen, du konntest ja nicht ahnen, dass sich eine versteckte Botschaft in dem Brief befand. Außerdem hoffe ich doch, dass ich dich auf eine andere Art und Weise zum kochen bringe.“
 

Belial zog eine Schnute und kuschelte sich an den älteren Teufel, wobei er den letzten Satz des anderen geflissentlich überging.
 

„Das macht es auch nicht besser! Wenn es um Azrael geht ist Lucifer-sama so irrational! Und ich bedeute ihm überhaupt nichts! Das ist so ungerecht!“
 

„Na, na... Dafür hast du ja mich, nicht wahr?“
 

„Toll! Soll ich jetzt Freudenhüpfer machen?,“ knurrte er.
 

„Nun, gestern Nacht hast du die sehr gerne gemacht und recht enthusiastisch, wenn ich mich richtig entsinne. Wer war es noch gleich der mich angebettelt hat ihn endlich kommen zu lassen und...“
 

Belial schnitt ihm, rot bis über beide Ohren, das Wort ab.
 

„Ich habe es ja verstanden! Verschone mich! Aber du bist eben nur mein Ersatz, Asmodäus. Ich sterbe ohne Sex und du hast schließlich eingewilligt mit mir zu schlafen, obwohl du weißt, dass ich hinter Lucifer-sama her bin!“
 

„Ich sage ja auch nichts dagegen. Wie du gesagt hast, weiß ich worauf ich mich eingelassen habe. Das heißt aber nicht, dass ich dich nicht bis zum Grenzpunkt, reizen kann.“
 

„Du bist einfach nur ein sadistisches...“
 

„Ja?“
 

„ …“
 

„Ich warte.“
 

„Ach, keine Ahnung was du für ein sadistisches irgendwas bist! Jedenfalls bist du es und jetzt lass mich in Ruhe!“
 

Damit riss er sich los von dem Grauhaarigen und marschierte hoch erhobenen Hauptes schnaubend aus dem Zelt. Asmodäus amüsierte sich köstlich und hielt sich den Bauch vor lachen. Sein Teufel der Gier und der Lust war einfach einmalig.
 

***
 

Azrael streckte sich genüsslich und sog die Morgenluft ein. Es war herrlich wieder im Palast der Hölle zu sein. Nachdem sich die Truppen von Rafael am nächsten Morgen wirklich zurückgezogen hatten, hatten auch ihre eigenen Streitkräfte den Rückzug nach Hause angetreten und nun waren alle wieder dort wo sie hin gehörten.

Azrael lehnte sich auf das Balkongeländer und blickte in den stets roten Himmel. Er seufzte resigniert. Gab es denn keine Möglichkeit diesen Krieg endlich zu beenden? Warum konnte ihr gütiger Vater sie nicht verstehen? Er war es doch gewesen der ihresgleichen diese Emotionen gegeben hatte, also warum sollten sie sie verleugnen? Sie konnten nicht einmal Nachwuchs haben, da ja alle Engel männlich waren, also wo lag das Problem? Azrael seufzte wieder tief und schüttelte den Kopf. Waren sie denn wirklich so sündhaft mit ihrem Verhalten...?
 

„Über was denkst du nach, Azrael?“
 

Lucifer hatte sich hinter ihn geschlichen und umschlang nun zärtlich seine Taille, um ihn dann liebevoll an sich zu drücken und ihm einen Kuss auf den Hals zu hauchen. Wie immer merkte der Höllenfürst wie seinem Engel ein wohliger Schauer durch den Körper fuhr und lächelte sanft.
 

„Ich habe nur an unseren Vater gedacht und an diesen Krieg. Meinst du es wird irgendwann vorbei sein? Dass wir irgendwann friedlich und akzeptiert leben können?“
 

Lucifer legte sein Kinn auf Azraels Schulter ab und blickte ebenfalls in den roten Himmel. Er schwieg eine Weile, antwortete aber dann.
 

„Wenn wir nie Frieden haben werden, dann kann ich mir nicht helfen als zu denken, dass etwas vielleicht schief gegangen ist. Das wir alle entweder so eine Art Fehlfunktion haben oder das unser Vater einen Fehler begangen hat und diesen auf brechen und biegen nicht einsehen möchte. Was auch immer es ist: Ich werde solange kämpfen wie es nötig ist. Ich werde auf gar keinen Fall ein Leben verbringen in dem du nicht vorhanden bist, Azrael. Das wäre für mich kein Leben, sondern bereits mein sicherer Tod.“
 

Azrael lächelte glücklich, sagte aber dennoch:
 

„Sag so etwas nicht. Du würdest nie sterben, vor allem würde ich dich niemals sterben lassen. Und falls das doch passieren sollte, bringe ich mich gleich mit um.“
 

Zärtlich nahm er Azrael´s Hand in seine und küsste sanft auf die Innenfläche und lächelte gerührt.
 

„Ich weiß, darum kämpfe ich ja auch. Damit wir beide am leben bleiben können, genauso wie alle anderen von uns die so empfinden.“
 

Plötzlich hörten sie ein Räuspern hinter sich und drehten sich um. Ein Diener verbeugte sich galant und sprach dann:
 

„Ich habe eine Nachricht an die beiden Lords Lucifer-sama und Azrael-sama. Ich soll von einem Botschafter des Himmels ausrichten lassen, dass ein Abgesandter kommen soll, um sich mit ihnen beiden zu unterhalten. Er will morgen hier eintreffen und hofft darauf empfangen zu werden.“

Zerbrochene Hoffnung

Lucifer ging in seinem Thronsaal auf und ab, ungeduldig wanderte er von einer Seite des Saals zur anderen und schlug mit jedem Schritt seiner Stiefelsohlen heftig auf den Boden, wodurch ein lautes Echo entstand. Azrael sah ihm jetzt schon seit Stunden dabei zu und fand keine Möglichkeit ihn zu beruhigen oder ihn auf andere Gedanken zu bringen. Er verstand warum der König der Hölle so nervös war. Vielleicht hatte ihr Vater sie endlich akzeptiert und wollte nun einen Frieden zwischen ihnen vereinbaren. Es war aber auch möglich, dass es das Gegenteil war und er die vollständige Kapitulation verlangte. Wenn es zum Schlimmsten kam würden sie nicht nur Krieg führen, sondern...
 

Ein starkes Klopfen gegen die Saaltüren unterbrach seine Gedanken und er blickte auf. Lucifer blieb wie angewurzelt stehen und starrte auf die Tür. Azrael erhob sich und öffnete demjenigen der geklopft hatte, während der Höllenfürst sich auf seinen Thron setzte. Der Todesengel trat beiseite und ließ ihren Besucher eintreten. Es war ein Himmelsbote, der eine arrogante Haltung und Ausdruck im Gesicht hatte. Er schien recht angefressen, hier in der Hölle sein zu müssen, dazu noch mit zwei gefallenen Engeln.

Der Bote neigte lediglich sehr leicht den Kopf vor Lucifer und begann dann zu sprechen:
 

„Höllenfürst, Lucifer, ich bin hier auf Geheiß unseres großherzigen Vaters, des Herrn, um euch eine Nachricht von ihm zu überbringen.“
 

„Dann lass mich hören was er zu sagen hat und ob er wirklich so großherzig ist.“
 

Der Bote rümpfte die Nase, fuhr jedoch fort:
 

„Der Herr hat bestimmt, dass ihr und euer Reich von unserem Herrn ausgelöscht werden sollt, wenn ihr nicht kapituliert. Anders als zuvor werden wir , wenn ihr das Angebot von Kapitulation abschlagt, alle euresgleichen töten – sei es alt oder jung.“
 

Lucifer ließ es sich nicht anmerken, aber Azrael sah die kleinen Anzeichen in seinem Geliebten, dass er geschockt und zornig war. Er hatte leicht verkrampfte Hände und seine Lippen waren ein wenig zusammen gepresst, seine Augen waren von bernsteinfarben zu einem kräftigen Goldton gewechselt, welches ein sicheres Anzeichen seines Zorns war.
 

„Er will uns ausrotten, wenn wir uns weigern?“
 

Lucifer´s Stimme war bedrohlich kühl und ruhig, während der Bote nur lächelnd nickte, um ihm ein Ja zu versichern. Azrael sog scharf die Luft ein. Entweder Kapitulation oder ein Krieg, der zu einem Massenmord werden konnte. Der Herr hatte sie aufgegeben...

Der Höllenfürst ballte seine Hände zu Fäusten, knallte sie auf die Armlehnen seines Throns und funkelte den Boten zornig an. Dieser wich ängstlich ein paar Schritte zurück.
 

„Du verschwindest jetzt besser von hier und sag dem Lord, dass wir uns niemals ergeben werden! Eher sterben wir alle, als das wir uns selbst aufgeben! Verschwinde, du Fliege Gottes!“
 

Lucifer erhob sich während diesen Worten abrupt von seinem Thron und seine Schwingen waren ausgefahren, bedrohlich schienen sie wie ein bösartiger Schatten hinter ihm aufzuragen. Hastig wich der Bote zurück und rannte verängstigt aus dem Saal. Fluchend ließ sich Lucifer wieder in seinen Thron sinken und schlug erneut mit den Fäusten darauf ein. Azrael seufzte erschöpft, ihr Kampf sollte nun also erst recht beginnen. Er kniete sich vor Lucifer hin, der seinen Kopf auf eine Hand gestützt hatte und sich mit seinen Schwingen, wie mit einer Mauer umgab. Sanft nahm er die andere Hand seines Königs in seine eigene und versuchte ihm in die Augen zu blicken. Der Silberhaarige konnte ihm ansehen wie furchtbar er sich fühlte. All die Jahre hatten sie nicht versucht gegen Gott zu kämpfen, sondern lediglich seine Akzeptanz zu erringen, doch nun waren sie an dem Punkt angekommen an dem sie um ihre Existenz streiten mussten.

Lucifer seufzte auf, seine Federn zitterten, als ob Wind über sie fegen würde, traurig blickte er Azrael entgegen.
 

„Warum, Azrael? Warum...?“
 

Erschöpft ließ er sich in Azrael´s Arme sinken. All die Jahrhunderte, all die Kämpfe, alles umsonst. Wieso nur sollten sie nicht akzeptiert werden? Was war der Grund? War die Liebe nicht das Geschenk Gottes? Sollte sie etwa nur den Menschen gegeben werden und nicht ihnen?
 

„Azrael... Wenn unsere Gefühle nicht existieren sollten, warum besitzen wir sie dann überhaupt?“
 

„Würdest du... sie gerne verlieren? Diese Gefühle?“
 

„Wie kommst du jetzt darauf?“
 

Der Silberhaarige blickte zu Boden.
 

„Ich bin der Engel des Todes und habe diesen Titel immer noch inne, weil niemand sonst ihn tragen kann, somit kann ich aber nicht nur Leben und Seele vom Körper trennen, sondern auch Gefühle. Ich könnte...“
 

Wütend unterbrach Lucifer ihn. Seine Stimme bebte und dennoch hörte er seine Zuneigung zu ihm heraus.
 

„Wage es ja nicht weiter zu sprechen, Azrael! Ich würde niemals diese Gefühle ablegen! Du könntest mir dann genauso gut mein Leben nehmen, Azrael, aber wage es nicht mir meine Liebe zu dir zu nehmen! Ich habe dir ganz am Anfang dieses Krieges bereits gesagt, dass ich sterben würde, wenn mir jemand meine Liebe zu dir nehmen würde! Niemals, Azrael, niemals! Reiß mir meine Seele heraus, wenn du musst, aber nicht die Liebe die mich erfüllt! Nicht das was du mir geschenkt hast!“
 

Azrael lächelte ihn warm an.
 

„Die Liebe hat Gott dir geschenkt, Lucifer. Ich habe sie lediglich in dir entzündet, so wie du meine in mir. Verzeih...“
 

Er senkte sein Haupt und seine langen Haare fielen wie ein Vorhang vor sein Antlitz, sein Gesicht verbergend, aus Reue jemals etwas derartiges erwähnt zu haben. Lucifer verstand, warum sein Geliebter ihm diese Möglichkeit vorgeschlagen hatte. Ohne diese Gefühle könnten sie wie zuvor leben, nur für den Herrn und ihre Pflichten, ohne jemals an etwas anderes zu denken. Niemals sich selbst in den Armen eines anderen verlierend und nur an dieses andere Geschöpf denkend, welches ein Feuer und eine Leidenschaft in einem hervorrief, wie sonst nichts in der Welt und den beiden Sphären.
 

„Azrael, verstecke dich nicht. Ich habe deine Intention verstanden, aber nein, ich will sie nicht verlieren. Außerdem, willst du etwa der Einzige von uns sein, der am Ende mit diesen Gefühlen lebt und verstoßen ist?“
 

„Wenn es alle anderen und besonders dich vor dem Zorn Gottes schützt, würde ich sogar meine Flügel eigenhändig aus meinem Rücken reißen.“
 

„Ach, Azrael... Mein geliebter, Azrael...“
 

Lucifer zog ihn zu sich heran, strich ihm mit der Hand durchs Gesicht und küsste ihn.
 

„Wir werden kämpfen müssen, aber ich werde nicht aufgeben, auf gar keinen Fall!“
 

Azrael nickte und schmiegte sich an ihn.
 

„Ja, wir werden sie zurück schlagen, immer und immer wieder.“
 

***
 

Türen wurden aufgeschlagen und jeder der Knalle echote durch sämtliche Korridore des Palastes. Lucifer ging schnellen Schrittes in Richtung seiner Schatzkammer und hielt nicht einen Moment für irgendetwas oder irgendjemanden an. Wenn Gott sie nun wirklich angreifen wollte mit einer kompletten Großoffensive, dann wollte er ihm zuvorkommen und dafür brauchte er einen Gegenstand, dem er dem Himmel einst entwendet hatte. Er riß die Doppeltür zur Schatzkammer auf und trat hindurch. Suchend blickte er sich um und fand auch schnell was er suchte. Lucifer nahm den Gegenstand in seine Hände und wollte gerade wieder aus der Kammer eilen, als er stocksteif stehen blieb und sein Gesicht sich zu einer Maske aus Zorn verzerrte. Wütend schlug er den Gegenstand gegen die Wand, wo er zerbrach und in mehrere Teile zersprang.
 

„Verdammt!“ schrie Lucifer. „Das ist nicht der Seraphenstab! Ich wurde bestohlen!“
 

Der Seraphenstab konnte mit seiner Macht das Tor zum Himmel öffnen, weshalb er ihn auch hatte mitgehen lassen, als er dem Himmel entfloh. Damals war der Stab ihm einmal, bei seiner Flucht aus der Hand gerutscht und in einer Pfütze seines Blutes gelandet, weshalb er stets wusste wo sich der Stab befand. Eine weitere praktische Sache des Ganzen war auch, dass, was auch immer der Stab öffnete, durch sein Blut noch einmal geöffnet werden konnte. Lucifer hatte das Verschwinden des Stabes nicht bemerkt, weil an dem Replik ebenfalls Blut von ihm hing. Was auch immer mit seinem Blut benetzt war konnte er mit seinen Sinnen verfolgen. Also ließ er seinen Geist umher schweifen, um den echten Seraphenstab zu finden und fand ihn auch recht schnell. Er befand sich im Himmel, dass hieß das irgendjemand den Stab benutzt hatte, um in den Himmel zu gelangen und dort auch verblieben war. Lucifer grinste breit und diabolisch und schritt aus der Kammer heraus. Der Dieb würde es noch bereuen ihn jemals beklaut zu haben, weil er sehr bald Besuch von ihm bekommen würde!
 

***
 

Azrael stand auf seinem Balkon und sang dem roten Himmel der Hölle entgegen. Das Einzige was ihn neben Lucifer beruhigen konnte war singen und da der Höllenfürst gerade abwesend war tat er eben genau dies. Die rotgefiederten Vögel der Hölle, auch als Phönixe bekannt, leisteten ihm währenddessen, angelockt durch seine Stimme, Gesellschaft. Sie waren die einzigen Vögel in der Hölle, die nicht ausschließlich aus Knochen bestanden. Manche von ihnen stimmten sogar in seinen Gesang mit ein. Er sang all seine Trauer, Frustration, Verzweiflung, Wut und Liebe dem Himmel entgegen, verzweifelt, eine neue Hoffnung suchend an die er sich klammern könnte.
 

Lucifer stand im Rahmen der Balkontür, die Arme vor der Brust verschränkt und betrachtete seinen Todesengel, horchte auf seine Gefühle in seinen Liedern, während sich sein Herz mit jeder neuen Melodie leichter anfühlte. Azrael schien wirklich der Einzige unter den Höllenwesen zu sein, der noch Gottes Liebe in sich trug, sie noch empfing, der Einzige unter ihnen, der noch so etwas wie „Heiligkeit“ besaß. Wie lange würde er diese noch besitzen? Fragte er sich bitter. Wie lange würde es noch dauern, bis sogar Azrael vollkommen korrupt war? Oder besser gesagt er ihn in vollständige Korruption stürzte?

Lucifer schüttelte den Kopf und trat auf Azrael zu, umarmte ihn von hinten und hielt ihn fest an sich gedrückt. Des Engels Gesang verstummte, während er seine Hände auf seine eigenen legte und seufzte.
 

„Lucifer? Ich habe dich gar nicht bemerkt. Ist etwas nicht in Ordnung?“
 

„Alles ist bestens, Azrael. … Wir werden bald den Himmel attackieren...“
 

Er merkte wie sich der Kleinere in seinen Armen anspannte und sich auch genauso schnell wieder entspannte, um daraufhin schlicht zu nicken.
 

„Ich weiß. Hast du den Seraphenstab geholt, Lucifer?“
 

Er schüttelte etwas verbittert den Kopf.
 

„Nein, er wurde gestohlen und bereits benutzt. Weiß der Herr wann das gewesen ist...“
 

„Warte... aber wie sollen wir dann...?“
 

„Kein Problem. Ich kann das Tor noch einmal mit meinem Blut öffnen. Wir werden garantiert nicht von einem dämlichen Tor aufgehalten werden. Außerdem habe ich schon jemanden da oben für uns am arbeiten, wenn es denn nötig werden sollte.“
 

Azrael blinzelte seinen Geliebten fragend an.
 

„Und wie hast du einen Dämon in den Himmel bekommen, der da ungesehen herum schleichen kann?“
 

„Wer sagt denn, dass es ein Dämon ist?“
 

Lucifer grinste ihn frech an und fing an leicht zu lachen. Azrael schüttelte den Kopf mit einem Lächeln. Das war so typisch für ihn...
 

***
 

Michael, Erzengel des Feuers, Schwert und Richter Gottes auf Erden, schritt nervös und unsicher vor den Toren zu Gottes Halle hin und her. Er wusste nicht mehr was er noch denken sollte, wusste nicht mehr was er glauben sollte oder tun. Sie hatten seit Lucifer´s Aufstand stets gegen die Höllenkrieger gekämpft - ja. Und er hatte immer versucht seinen älteren Bruder zu töten, wenn er ihn traf - ja, es war schließlich auch sein persönlicher Frust und Verlust, der ihn dazu trieb. Aber warum mussten sie jetzt die gesamte Hölle von Leben auslöschen?! Selbst wenn sie gefallen waren, waren viele von den Höllenwesen doch immer noch ihre Brüder!
 

Michael biss sich auf seine untere Lippe, bis Blut an seinem Kinn hinablief und rote Tropfen auf den weißen Marmorboden aufschlugen. Ein starker farblicher Kontrast, der hier so fehl am Platze schien wie er selbst. Es kümmerte ihn nicht, er bemerkte nicht einmal den Schmerz der durch seinen Körper fuhr, er ignorierte alles. Seit Stunden war er mit sich am ringen, ob er den Herrn nun befragen sollte über seine Anweisungen oder nicht und noch immer konnte er sich selbst nicht irgendeine Art von Antwort geben. Wenn er als Engel fluchen dürfte, würde er es jetzt mit jedem Schritt den er tat tun. Er fuhr sich erschöpft mit den Händen durch sein kurzes, dunkelrotes Haar, welches mit gold-blonden Strähnen durchzogen war und seufzte schwer. Müde sank er auf den Boden hinab und starrte in sein gespiegeltes Abbild im Marmor zu seinen Füßen. Wie er sich so betrachtete, schienen ihm seine goldenen Augen verloren und bedrückt. Hatte sich sein Bruder ebenfalls so gefühlt, als er Gott konfrontiert hatte? Sinnierend dachte er an ihren letzten gemeinsamen Kampf zurück.
 

Sein Bruder hatte mit dem Rücken zu ihm in der Luft gestanden, also hatte er zu ihm ausgerufen, um ihn zu warnen. Obwohl er sich sicher gewesen war, dass Lucifer ihn bereits bemerkt hatte.
 

„Willst du dich mir nicht entgegen stellen, Höllenfürst?“
 

„Michael... Musst du dies tun?“
 

Seine Stimme hatte sich so traurig, so zerrissen angehört.
 

„Natürlich..., aber ich möchte es auch. Du bist mein Bruder und deswegen will ich persönlich deinen Verrat in Stücke reißen.“
 

Leicht war sein Körper zusammengezuckt, als hätte er durch seine Worte einen physischen Schlag abbekommen.
 

„Verrat... hm. Was denkst du ist der größere Verrat? Der Verrat an deinem Herrn oder der Verrat an deinem eigenen Herzen?“
 

Er drehte sich um und sah seinem Bruder direkt in die Augen.
 

Seine Augen waren von Trauer durchzogen, Unverständnis und sie schienen so entsetzlich müde. So als ob er es leid war, es immer wieder erklären zu müssen, warum er überhaupt erst kämpfte.
 

„Was ist deine Antwort?“
 

Schwere und Trägheit hatte in seiner Stimme mit geschwungen.
 

„ … Beides wiegt gleich schwer. Wenn man sein eigenes Herz verrät kann man einem Herrn nicht mehr dienen. Sollte man jedoch seinen Herrn verraten ist das die größte Schande.“
 

„So ist es. Ich entschied mich für die Schande, da ich mein eigenes Herz nicht hintergehen konnte. Wieso also habe ich ein Verbrechen begangen, wenn ich nur meinem Herzen folgte, wie es unser Vater wünscht?“
 

Hoffnung lag in seinem Ton, als er ihn mit seinen Bernsteinaugen musterte.
 

„ …“
 

„Ich kann darauf nicht antworten. Egal was geschieht, ich muss meine Pflicht erfüllen. Mach dich also bereit!“
 

Lucifer schüttelte traurig den Kopf.
 

Enttäuschung hatte sich in seines Bruders Körper breit gemacht und Verzweiflung. Sein Blick wurde leer, während er sich mit aller Kraft dazu zwang sich ihm entgegen zu stellen.
 

„Dann komm und lass mich sehen wie du dich gemacht hast, Bruder!“
 

Entschlossenheit lag in seiner Stimme. Entschlossenheit nicht zu verlieren, nicht auf zu geben, bis er sein Ziel erreicht hatte, bis sie endlich alle akzeptiert wurden, mit all ihren Gefühlen.
 

In diesem Moment war Michael stolz auf seinen Bruder gewesen. Stolz und dennoch fühlte er sich verraten. Es war nicht so sehr ihr Vater der ihn zum Kampf trieb, sondern seine eigenen Gefühle. Sein Schmerz und seine Trauer darüber, dass sein geliebter älterer Bruder ihn zurückgelassen hatte, es nicht für nötig befunden hatte ihm zu vertrauen und ihm die Chance geboten hatte ihn zu begleiten. Michael schloss die Augen und seufzte erneut, machte sich so klein wie möglich, während er sich mit seinen Händen wieder durch die Frisur fuhr und dann sein Gesicht mit ihnen bedeckte. Ohne einen Laut zu verursachen, wurde sein Körper von Trauer geschüttelt und bebte unaufhörlich, ohne dass er es verhindern konnte.
 

Gabriel stand während dieser ganzen Zeit, seit Michael angefangen hatte vor den Toren einen sprichwörtlichen tiefen Pfad in den Boden zu laufen, versteckt hinter einer der Marmorsäulen und beobachtete ihn. Am liebsten hätte er nun einen traurigen Seufzer von sich gegeben oder noch besser: Michael einfach in den Arm genommen. Aber das würde den Stolz des feurigen Erzengels enorm beschädigen. Das jemand ihn so zerbrechlich und trauernd sah, war für ihn sogar furchtbarer als der Tod, das wusste der Erzengel des Wassers und hielt sich deswegen zurück. Gabriels grüne Augen fixierten Michael, als wenn das genug wäre den anderen Engel zu trösten. Beklommen blickte er nach einer Weile auf den Boden, wodurch seine gewellten Haare, wie ein Vorhang nach vorne fielen. So kühl und stumm wie er sich auch vor seinen Mitengeln gab, so hitzig und aufgewühlt konnte Michael sein Inneres werden lassen. Waren es diese Gefühle, die Lucifel dazu getrieben hatten den Himmel, den Herrn, ja sogar seinen Bruder, zu verraten?! Gabriel schüttelte den Kopf und blickte erneut zu Michael. Wenn dem so war, konnte er ihn wohl besser verstehen, als er gedacht hatte...
 

***
 

Zader strich mit seiner Hand durch seinen Zopf, der gerade über seine Schulter hinablief. Er blickte in das Wasser im Springbrunnen und meinte fast ein Gesicht darin erkennen zu können. Eines, das nicht sein eigenes war und ihm dennoch so vertraut war. Betrübt seufzte er und ließ seine Finger durch das kalte Nass gleiten.
 

„Salees, wir werden den Himmel attackieren. Kannst du dir das vorstellen? Ich glaube du kannst dir denken wie mies ich mich jetzt fühle, oder? Aber andererseits freue ich mich auch. Ich meine, ich kann meine alte Heimat wiedersehen und den Baum besuchen unter den ich mich immer gelegt habe, wenn ich faulenzen wollte, weißt du noch? Ach, ja! Ich habe mein Haar im Nacken lang wachsen lassen, so wie du es immer getragen hast, Salee. Ich dachte, dass ich dadurch wenigstens etwas von dir habe an das ich mich erinnern kann...“
 

Ein Rascheln, das er hinter sich vernahm unterbrach seine Gedanken und er blickte hinter sich. Kiris stand dort ein wenig beschämt darüber, dass er ihn belauscht hatte. Zader lächelte seinen kleinen Geliebten an und bot ihm an sich neben ihn zu setzen, was er dann auch schleunigst tat. Nach einer Weile des Schweigens fragte Kiris dann:
 

„Wer ist Salee, Zader?“
 

Zader lächelte und zerzauste ihm das braune Haar.
 

„Ein Freund... Ein sehr wichtiger Freund von mir...“
 

„Ist er noch im Himmel, weil er nicht mit dir kommen wollte? Bist du deswegen so traurig?“
 

Zader schüttelte melancholisch den Kopf und starrte wieder in den Brunnen und sein klares Wasser.
 

„Nein, er kam nicht mit, weil er nicht mehr konnte... Er starb, getötet von Himmelskriegern, die die Situation missverstanden haben, in der wir uns befunden hatten. Wenn ich so darüber nachdenke, war das vermutlich meine Schuld...“
 

Der Rothaarige blickte mit einem wehmütigen Gesichtsausdruck intensiver auf das blaue Wasser. Kiris schlang seine Arme um seinen geliebten Feuerdämon, wusste nicht was er sonst tun konnte, um ihm diesen Schmerz zu nehmen. Nie hätte er gedacht, Zader jemals so zerbrochen zu sehen und das über jemanden, den er nicht einmal kannte. Vielleicht war es jemand den er geliebt hatte, als er noch im Himmel residiert hatte.
 

„Zader...“ fragte er leise. „Hast du diesen Salee geliebt?“
 

Zader zuckte leicht zusammen und seufzte dann, drehte sich um und nahm Kiris in den Arm, drückte ihn an sich, um etwas Halt zu finden an dem kleinen, zarten Körper seines Liebsten. Stumm nickte er und sagte dann:
 

„Ja, nur anders als er mich. Er hat mir gestanden mich zu lieben, als er in meinen Armen gestorben ist. Ich... Aber ich habe ihn wie einen Bruder geliebt. Nein, vielleicht nicht wie einen Bruder. Mehr als das, aber immer noch nicht so... Nicht so wie ich dich liebe Kiris. Es war einfach anders, aber immer noch so furchtbar stark... Ich habe ihn einfach geliebt – mehr nicht, nur das...“
 

Zader´s Stimme versagte und er vergrub sein Gesicht in Kiris´ Nacken. Der kleine Winddämon drückte sich fester an ihn heran, umarmte ihn so stark er konnte, um ihm wenigstens ein wenig Trost spenden zu können.
 

„Erzählst du mir von ihm, Zader? Dann kann ich mich auch an ihn erinnern. Ich bin sicher, dass ich ihn gemocht hätte, was meinst du?“
 

Der Feuerdämon nickte leicht und begann dann mit zittriger Stimme zu erzählen. Kiris hörte ihm aufmerksam zu und verstand mit jedem Wort besser, warum Zader sich so zerrissen fühlte mit der bestehenden Situation. Er hatte niemals wieder dorthin zurück gehen wollen und dennoch musste er es, um Gott etwas Verstand beizubringen und jetzt war der Moment seiner Rückkehr gekommen und seine Erinnerungen nagten an ihm, ließen ihn noch einmal fallen... Kiris würde Salee niemals vergessen, nicht jemand der seinem Zader so wichtig gewesen war.

Einmarsch in den Himmel

Die Armee der Hölle stand bewaffnet und aufbruchsbereit im Hof, als Lucifer durch die Tore des Palastes nach draußen ging. An der Spitze seiner Männer angekommen breitete er seine Schwingen aus und stieg gen Himmel, gefolgt von seiner Armee. Azrael flog dicht an seiner Seite und ab und an ein gutes Stück voraus, um zu sehen ob irgendwelche Feinde im Anmarsch waren. Nach dem Durchschreiten von ein paar Höllenportalen kamen sie dann endlich vor dem Tor des Himmels an. Es war riesig und bestand aus Marmor mit goldenen Verzierungen. Während sie dem Tor näher kamen öffnete es sich und ein Schwall von Himmelskriegern flog ihnen kampfwütig entgegen.
 

Wegen der schieren Übermacht der Streitkräfte der Hölle und der unvorbereiteten Krieger des Himmels, war es ein Leichtes für Lucifer und sein Gefolge sich einen Weg zum Tor zu bahnen. Davor angekommen schnitt sich Lucifer in die Handfläche und legte diese auf das Tor. Mit einem lauten Geräusch öffneten sich die Türen langsam und alle blieben wie angewurzelt davor stehen. Ein jeder hatte mit noch mehr Kriegern gerechnet, doch was vor ihnen stand war kein Krieger, sondern nur ein kleiner, männlicher Engel. Er hatte kurzes, blondes Haar und himmelblaue Augen und stand in ihrem Weg mit einem Lächeln auf den Lippen und verschränkten Armen vor der Brust, dabei tippte er auch noch ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden.
 

„Wurde auch Zeit das ihr endlich hier oben ankommt! Ich hatte schon Schwierigkeiten diesen Aufruhr hier beim Tor zu vertuschen, Lord Lucifel!“
 

Lucifer lächelte und schritt auf den kleinen Engel zu.
 

„Für mich sieht es eher so aus als hattest du eine Menge Spaß und versuchst es nun so aussehen zu lassen, als wäre es das Gegenteil gewesen, Raphael.“
 

„Nicht wirklich. Nun gut, ihr wollt wahrscheinlich direkt zu Gott, nicht wahr? Kein Problem! Ich habe einen Weg für euch gebahnt, auf dem ihr schnellstmöglich dorthin kommt. Unglücklicher Weise werdet ihr euch aber durchkämpfen müssen, schließlich kann ich euch hier nicht einfach reinspazieren lassen, oder meine Tarnung fliegt auf.“
 

„Schon in Ordnung. Sag einfach nur nicht zu früh Bescheid oder wir kommen in ernste Schwierigkeiten. Nebenbei bemerkt, Raphael: Weißt du etwas über einen Dämon, der hier in den Himmel durch das Tor geschlichen ist?“
 

Raphael schüttelte den Kopf.
 

„Hier ist noch nie ein Dämon rein gekommen und wenn es wirklich so heimlich war hätten wir ihn trotzdem irgendwann entdecken müssen. Ich werde aber einmal sehen was ich finden kann und werde Euch dann informieren, Lucifel-sama.“
 

„In Ordnung. Wir gehen dann jetzt und sei vorsichtig, dass du dich nicht verrätst.“
 

„Als ob mir das passieren würde, also wirklich!“
 

Mit einem Wink seiner Hand befehligte Lucifer seinen Leuten weiter zu gehen und schritt selbst weiter voran. Azrael ging mit einem Lächeln neben ihm her.
 

„Das ist der nächste Erzengel des Windes, nicht wahr? Deswegen heißt er auch Raphael, aber wie hast du es geschafft ihn auf unsere Seite zu kriegen, Lucifer?“
 

„Das ist mein kleines Geheimnis, Azrael...“
 

Und mit einem breiten Grinsen marschierte Lucifer weiter in den Himmel hinein.
 

***
 

Wie Raphael es versprochen hatte war die Hälfte des Weges zu Gottes Gemächern ein Leichtes, der Rest war jedoch das reinste Schlachtfeld. Die weißen Hallen und Korridore des Himmelspalastes wurden innerhalb weniger Minuten rot gefärbt vom Blut seiner Bewohner und dessen Eindringlinge.
 

„Haltet die Formation und brecht durch! Haltet nichts zurück! Wir müssen zu Gottes Toren gelangen!“
 

Während Lucifer dies gerufen hatte wehrte er mehrere Schläge von Kriegern ab und brachte etliche von ihnen zu Fall. Seine Kleidung, sein Schwert, ja sogar seine Schwingen waren bereits von Blut durchtränkt. Hätte er selbst nicht gewusst, dass er unverletzt ist hätte er wahrscheinlich gedacht, dass er gerade am verbluten war. Er schlug sich einen Weg durch seine Angreifer und fand sich am Ende auf einem Korridor wieder, auf dem nicht ein einziger Kampf stattfand. Sein Weg war endlich frei und somit rannte er voraus in Richtung seines Vaters.
 

Lucifer hörte nur wie seine Schritte im Korridor widerhallten und sein eigenes wild, rasendes Herz. Dieser Weg war ihm so bekannt wie seine eigenen Schwingen und er wusste nicht so recht wie er sich nun fühlen sollte. Es waren Jahrhunderte vergangen seit er zuletzt hier gewesen war und dennoch fühlte es sich an als wäre es erst ein paar Stunden her. Er rannte und rannte und nach einer Weile blieb er plötzlich stehen. Lucifer fühlte eine Präsenz und musterte seine Umgebung. Nichts schien nicht hierher zu gehören und dennoch...
 

„Ich weiß dass du hier bist, Gabriel. Zeig dich endlich oder willst du mich einfach hier durchgehen lassen?“
 

Ein Schatten war plötzlich hinter einer der Säulen zu erkennen und der Erzengel des Wasser trat aus eben diesem hervor.
 

„Es ist schon eine Weile her seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, Gabriel. Wie ist es dir ergangen?“
 

„Das sollte von keinem Belang für dich sein, Lucifel. Wie auch immer... Ich kann dich hier nicht durchlassen. Nein, ich werde dich hier nicht durchlassen!“
 

„Es ist überraschend, dass du heute so emotional bist. Nun, es interessiert mich nicht was du willst, aber ich weiß was ich will und du weißt, dass du keine Chance gegen mich hast. Willst du trotzdem versuchen mich zu bekämpfen, Gabriel?“
 

Die meerblauen Augen des Erzengels sahen ihn entschlossen an und Gabriel zog zwei dünne, Langschwerter aus seiner blau-grünen Robe, welche zuerst aus Wasser bestanden und sich dann verfestigten.
 

„Wie du willst. Sag später nicht, dass ich dich nicht gewarnt habe.“
 

***
 

Mit einem ekelhaften, schmatzenden Geräusch zog Belial sein Schwert aus dem toten Körper eines Himmelskriegers. Angeekelt schüttelte es ihn und er wandte sich dem nächsten Gegner zu, der bereits wild entschlossen auf ihn zu stürmte. Er blockte den Angriff mit seinem Kurzschwert und streckte den Krieger mit seinem anderen Schwert nieder. Aus den Augenwinkeln heraus konnte er plötzlich Lucifer sehen, der vollkommen alleine in einen Korridor hinein rannte, nachdem er sich seinen Weg durch einen Haufen von Angreifern gebahnt hatte. Es war eigentlich gut, dass er es endlich hindurch geschafft hatte und Belial wusste wie stark ihr Lord war, aber dennoch. Wäre Gott nicht doch eine Nummer zu groß für ihn alleine? Nicht das er selbst eine große Hilfe sein könnte. Er war zwar bereits stärker als andere gefallene Engel und Dämonen, weswegen er ja auch zu einem Teufel geworden war, aber Gott war doch ein komplett anderes Kaliber, genauso wie Lucifer-sama.
 

Während der Teufel der Gier und Lust so gedankenverloren nachdachte, merkte er gar nicht wie sich ein Himmelskrieger von hinten an ihn heran schlich und mit erhobenem Schwert gerade seinen Schädel spalten wollte.
 

„Belial, du Idiot!“
 

„Was?! Wer wagt es mich einen Idioten zu schimpfen?!“
 

Belial drehte sich wütend um und sah gerade noch wie der Himmelskrieger vor seine Füße fiel, mit einer netten Schwertwunde im Rücken als Verzierung.
 

„Was zum...?!“
 

„Ich habe es gewagt dich so zu nennen, weil du gerade einer warst, Belial.“
 

„Asmodäus!“
 

„Wieso hast du einfach nur dagestanden? Wir sind hier gerade mitten in einem Kampf und du tagträumst hier vor dich hin.“
 

„Tue ich nicht! Lucifer-sama ist gerade ganz alleine auf dem Weg zu Gott!“
 

„Was? Alleine?! Er konnte ihn doch schon letztes Mal nicht besiegen, was soll sich denn daran bitte groß geändert haben?!“
 

„Eben! Aber wir wären ihm auch keine große Hilfe...“
 

„Belial, es ist offensichtlich wem wir jetzt Bescheid sagen müssen. Es gibt nur einen Einzigen unter uns der auf der selben Stufe mit Lord Lucifer steht und das ist Azrael-sama.“
 

„Muss ich mit ihm reden?“
 

„Ja und jetzt beweg dich, oder wir finden ihn nie bevor es zu spät ist!“
 

***
 

Gabriel lag keuchend am Boden. Seine Robe war zerfetzt und er hatte kaum noch genug Kraft seine Schwerter zu festigen, weswegen sie wie bewegtes Wasser wirkten.
 

„Gib auf, Gabriel. Ich will dich nicht umbringen, wenn ich es vermeiden kann.“
 

Zitternd richtete sich Gabriel wieder auf und war nun auf einem Knie vor Lucifer.
 

„Ich werde nicht aufgeben... Ich kann nicht... ich will nicht...“
 

„Machst du dir wirklich solche Sorgen um Gott?“
 

Er schüttelte den Kopf.
 

„Nein, aber er... Er sollte dich jetzt nicht sehen... Er ist immer noch... Du bist für ihn immer noch...!“
 

Hustend brach der Erzengel des Wassers wieder zusammen und zitterte am ganzen Körper. Lucifer schüttelte den Kopf und seufzte, danach ging er einfach an Gabriel vorbei, der ihn mit letzter Kraft am Fußgelenk festhielt, bevor er das Bewusstsein verlor.

Lucifer kniete sich hin und legte ihn auf den Rücken damit er besser atmen konnte und genau in diesem Moment kam ein Flammenball auf ihn zugerast. Geschickt wich er nach hinten aus und hörte wie die feurige Kugel in eine Wand krachte. Der Fürst der Hölle blickte nach links den Korridor entlang und war nicht überrascht wen er dort sah. Michael stand, in wütenden Flammen gehüllt am Ende des Ganges und funkelte ihn böse an.
 

„Michael... Ich hätte mir denken können, dass du es bist der Gottes Tore bewacht, aber deswegen musst du nicht gleich so wütend werden.“
 

„Ach nein?! Nachdem was du mit Gabriel angestellt hast, habe ich also keinen Grund, ja?! Ich weiß genauso gut wie Gabriel, dass er keine Chance gegen dich im Kampf hat, also würde er sich dir niemals alleine in den Weg stellen! Seit wann ist mein großer Bruder jemand der einfach jemand schwächeres umbringt, obwohl er es vermeiden kann?!“
 

Lucifer zog eine Augenbraue nach oben. Michael hatte ihn seit Jahrhunderten nicht mehr großen Bruder genannt. Und dann fiel ihm ein was Gabriel gesagt hatte. Deswegen also hatte er gekämpft. Er wollte nicht, dass er Michael begegnet, weil er immer noch sein großer Bruder für ihn war und irgendwie war der Erzengel heute ganz besonders emotional aufgewühlt. Vielleicht konnte er ihn heute dazu bringen endlich einzusehen, dass sie nichts falsches taten und das er Michael gerne wieder an seiner Seite wüsste. Er war schließlich sein wertvoller, kleiner Bruder...
 

„Hör zu, Michael. Ich wollte Gabriel nicht bekämpfen.“
 

„Das sieht mir nach was ganz anderem aus!“
 

Wütend schleuderte Michael ihm einen zweiten Feuerball entgegen, den Lucifer mit seinem Schwert zur Seite schleuderte. Der Erzengel breitete seine Schwingen aus und flog in Höchstgeschwindigkeit auf ihn zu, wobei er seine Doppelflammenschwerter materialisierte.
 

„Du wirst es noch bereuen heute hierher gekommen zu sein, Lucifer!“
 

„Michael! Warte! Ich will wirklich nicht gegen dich kämpfen!“
 

„Sei still und ergib dich deinem Urteil, Teufel!“
 

***
 

Nachdem Azrael erfahren hatte wohin Lucifer verschwunden war, hatte er sich auf der Stelle auf den Weg gemacht. Nun rannte er den leeren Korridor entlang als würde sein Leben davon abhängen. Gott allein wusste wie diese Begegnung enden würde und das im wahrsten Sinne des Wortes. Er bog gerade um eine Ecke, als er starr stehen blieb. Gabriel lag in der Mitte des Ganges, während Michael wie ein Verrückter auf Lucifer einschlug und dieser versuchte seinen jüngeren Bruder endlich zur Vernunft zu bringen. Michael war von Natur aus hitzköpfig, stur und hatte häufig nur einen einseitigen Gedankengang, aber trotzdem schien er heute doch ein wenig zu hitzig.
 

Azrael rannte schleunigst auf Gabriel zu, um festzustellen wie es ihm erging. Erleichtert stellte er fest, dass der Erzengel des Wassers nur bewusstlos war abgesehen von ein paar Schnittwunden. Man konnte sehen, dass Lucifer versucht hatte ihn nicht zu sehr zu verletzen und stattdessen darauf zurückgegriffen hatte ihm seine Energie zu rauben. Warum also war Michael so wütend? Dachte er etwa Lucifer hätte Gabriel getötet oder war da noch mehr im Spiel? Gerade als sich Azrael wieder aufgerichtet hatte, hörte er wie etwas in den Boden krachte, nur ein paar Meter von ihm entfernt.
 

Erschrocken sah der Engel des Todes, dass es Lucifer war der dort in einem Krater lag. Wenn das der Fall war hatte er sich immens zurückgehalten, andernfalls wäre er jetzt nicht so angeschlagen. Während Lucifer versuchte wieder hoch zu kommen, stürzte sich Michael bereits mit erhobener Klinge und Todesstoß bereit, aus der Luft heraus auf ihn zu.

Egal was Lucifer gerade machen würde, er würde definitiv tödlich getroffen werden. Ohne nachzudenken rannte Azrael los, öffnete seine Schwingen und flog zwischen Lucifer und Michaels Schwert.
 

Der Schmerz der Klinge ließ ihn aufschreien, aber das Blut der inneren Verletzung schnitt ihm das Wort ab, sodass er nur ein Keuchen zustande brachte. Erschrocken zog Michael wie automatisch das brennende Schwert aus Azraels rechter Brusthälfte, wodurch das Blut in dessen Hals flutete und er einen Schwall der roten Flüssigkeit hustete.
 

„Michael... Luci...fer...“
 

Azrael brachte diese Worte mit unglaublicher Anstrengung hervor, bevor er erschöpft auf Lucifer zusammenbrach. Die beiden Brüder blickten entsetzt und geschockt auf den sterbenden Todesengel, bis sich beide endlich wieder gefangen hatten.
 

„Warum...? Woher kam denn plötzlich Azrael...? Ich... Es tut mir so leid...“
 

„AZRAEL!!!“



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  KuroMikan
2013-05-20T11:43:42+00:00 20.05.2013 13:43
woah *.* total tolle ff!!!
so wunderschön geschrieben ^^
schreib weiter *anstupf* biiiitteeeee ^^
lg mikan
Antwort von:  Nalahime
20.05.2013 23:16
Danke für deinen Kommi, ich freue mich, dass es dir gefällt! Ich gebe auf jeden Fall mein bestes und versuche so schnell wie möglich weiter zu schreiben. Motiviert mich aber auf jeden Fall wieter zu machen. Danke! ^^b

Greetings, Nalahime!
Von:  laleo
2012-10-15T02:52:50+00:00 15.10.2012 04:52
Mehr!!!!! Ich will endlich mehr lesen.
Diese Story ist so verdammt schön, so liebevoll geschrieben. Und jetzt warte ich darauf, das Nalahime mehr einfällt.
Bitte beeile dich, mit dem Erfinden der restlichen Geschichte. laleo


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