Zum Inhalt der Seite

Kalendermenschen

Der Jahreskalender 2011
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die Reise beginnt

Januar fluchte. Was sollte er nun tun? Die gesamte Kiste hatte er in den Sand gesetzt, wie jedes Jahr – und so etwas kurz nach Silvester. Noch nicht mal gegen Ende seiner Schicht, nein, direkt am Anfang.

"Super gemacht", grummelte er sich zu und trat gegen den Frostapparat. "Kannst du nicht ein einziges Mal so funktionieren wie du sollst?!"

Frustriert ließ er sich auf den Boden fallen. "Und jetzt?", fragte er laut in den Raum. "Ich kann nicht schon wieder Dezember fragen – der ist gerade erst in Urlaub gegangen, wenn ich ihn dieses Jahr auch wieder zurückhole und ihn bitte, dich Drecksding zu reparieren, flippt er irgendwann noch komplett aus... und dann darf ich seine Schicht auch noch übernehmen!"
 

Er fluchte noch eine ganze Weile weiter und redete mit dem auf Hochtouren laufenden Apparat, der ihn geflissentlich ignorierte. Dann gab er auf und versank in ein resigniertes Schweigen. Er konnte im Obersten Büro anfragen, ob die ihm helfen könnten... aber die Blöße wollte er sich nicht geben. Er erinnerte sich noch daran, wie Mai letztes Jahr einen Rüffel eingefangen hatte, der sich gewaschen hatte. Und das nur, weil sie vergessen hatte, den Wärmeregler langsam hochzudrehen... oder, wie Mai selbst sagte, das Ding einfach nicht funktionieren wollte. Die Maschinen wurden langsam alt, es wurde Zeit, dass jemand sie austauschte.

Aber wer sollte das schon tun? Wer von ihnen hatte schon das Wissen und die Erfahrung, um neue Maschinen zu bauen – vor allem, weil sie sie nicht einfach in Auftrag geben konnten? "Der Chef ist sich ja mal wieder zu fein", fluchte Januar leise. "Immer dieser Hickhack, als ob wir so wirklich weiterkämen! Nichts als Panikmache – und das auch noch unnötig!"
 

Seufzend stand er auf, klopfte sich imaginären Staub von der Kleidung und setzte sich in Bewegung.

"Mal sehen, was Februar dazu sagt", murmelte er. "Der wusste doch schon immer einen Ausweg."
 

Und so machte sich Januar auf zum schlecht gelaunten Februar, um die Welt von Grund auf zu ändern...

Sowas von letzten Monat

Februars dichte Nebelwand, resultierend aus seiner Laune, verhing das ganze Arbeitszimmer. Er war die ganze Zeit schon am brüten: Was hatte er nicht, was die anderen Monate hatten? Ständig hörte er von den Erwachsenen: "Februar ist doof! Kalt ist es auch schon im Dezember und Januar, aber ich will, dass es jetzt endlich wieder warm wird!"

Aber was sollte er denn machen? Mit Juli die Schicht tauschen? Na der würde sich vielleicht wundern. Und die Menschen erst. Eine Kaltwetterfront mitten im Sommer. Das würde auch keinen freuen.

Aber er konnte es als Druckmittel benutzen. Man würde sich ihn, nur ihn, zurückwünschen an seine alte Stelle.

Ein höhnisches Lachen bildete sich in seiner Kehle, wurde aber durch einen aufkommenden Hustenreiz gestoppt. Nun, selbst ein Wintermonat konnte sich eben eine Erkältung einfangen...

Als er diese Tirade beendet hatte, fanden sich im dichten weißen Gewaber, das übrigens perfekt überschaubar für den Februar war, schnell Stift und Papier. Den Juli zu kidnappen, das wäre ein Leichtes für ihn! Es fehlte nur noch die passende Drohbotschaft, die er auf die Menschheit loslassen wollte.
 

Währenddessen klopfte es gegen die Tür. Als Januar bemerkte, dass diese keinesfalls abgeschlossen war, trat er ein. Dichter Nebel schlug ihm um die Ohren, während er sich langsam vorankämpfte. Ein paar Mal stolperte er über verhüllte Gegenstände, doch dann konnte er den Schreibtisch des Folgemonats erkennen. Dort angekommen hatte man ihn wohl immer noch nicht bemerkt.

"Februar!", japste der ältere Monat, "Februar, ich brauch deine Hilfe."

Der Februar schien ganz vertieft in die Arbeit an einem Blatt Papier zu sein. Dabei produzierte er noch mehr Dunst, als sei es der Dampf einer Maschine.

Mit der Hand wedelnd klärte der Januar seine Sicht auf.
 

"An alle Menschen..." Er zog die Augenbrauen zusammen. Die Schrift des zweiten Monats war nicht mehr als ein Gekrakel. "Hiermit deklariere ich, Februar, dass ich ab heute den Platz des... Sag mal, was wird das denn?"

"Siehst du nicht, ich bin beschä- Januar! Was machst du hier?" Ein verwirrter Februar sah seinen Vorgänger nun prüfend an. "Das ist nichts... gar nichts." Schnell verschwand das Papier unter dem Tisch und war nicht mehr gesehen.

"Ich sagte, ich brauche deine Hilfe."
 

Und so erklärte man dem zweiten, dass es sich um den Fall eines defekten Frostapparats handelte.

Nachdem dieser sich geschlagene zwei Minuten mit der Funktionsweise des Gerätes auseinandergesetzt hatte, legte er es frustriert nieder. "Woher soll ich denn wissen, wie der funktioniert? Das Modell ist ja sowas von letztem Monat!" Er stand auf und stapfte zur Tür. "Wir gehen jetzt März fragen, die kennt sich mit solchen alten Dingen aus!"

In der Gartenwerkstatt

Gesagt, getan. März lebte in einem Garten den sie über alles liebte und fortwährend pflegte, und vor eben diesem standen Januar und Februar nun. Den ganzen Nebel hatten sie schon vor mehreren Schritten hinter sich gelassen, und wenn sie ganz ehrlich waren, fanden sie das auch gut so.

Das kleine hölzerne Gartentor ließ sich widerstandlos öffnen; und kaum hatten die beiden Monate das kleine Paradies betreten, mussten sie enttäuscht eines feststellen: Überall war es grau, braun und tot.

Nicht ein kleines Knöspchen ragte aus dem feuchten Erdreich empor, dafür aber fegte ein kalter Wind an laublosen Bäumen vorbei und ließ die beiden Männer frösteln.

„Wo steckt sie wohl?“

„Ich hab keine Ahnung, hier war ich noch nie“, gestand Januar.

Februar warf ihm daraufhin einen eigentümlichen Blick zu, der zu sagen schien „Wie kannst du nur!“.

Suchend blickten die anthropomorphen Erscheinungen um sich, wanderten kreuz und quer durch den Garten und stellten erstaunt fest, dass sie nicht im Stande waren zu sagen, wie groß er war – ja, wäre der hüfthohe Holzzaun nicht gewesen, hätten sie wohl nicht einmal gewusst, was lebloser Garten war und welches Geäst zu dem angrenzenden Feld gehörte, das nicht minder trist wirkte.

Bibbernd klemmte sich Februar seine Hände unter die Achseln – Januar hätte sich sicherlich angeschlossen, hätte er nicht den Frostapparat tragen müssen - und alle zwei stampften mit ihren beschuhten Füßen auf dem Boden, damit sie nicht auch noch einfroren; kleine Atemwolken stiegen von ihren Mündern auf gen Himmel.

Und dann, gerade als sie sich überlegten, ob sie Frau März nicht doch an einem anderen Ort suchen sollten, sahen sie die Gestalt auf sich zukommen: Weder hochgewachsen noch klein, in luftige Stoffe gekleidet, die für den Winter definitiv zu frisch wirkten. Ihr Haar war lang und lockig und glänzte, und blieb doch unbeachtet, denn die zierlichen Füße der Dame waren viel interessanter und lenkten unwillkürlich alle Aufmerksamkeit auf sich.

Bei jedem Schritt, den sie machte, entstand Leben. Pflanzen wuchsen dort, wo sie eben noch gestanden hatte, höher und immer schneller, breiteten sich aus. Hinter März schnellte so ein kleines Feld aus Blümchen und Gemüsestauden in die Höhe, und sobald ein Baum davon erfasst war, wuchsen ihm wieder saftige, grüne Blätter.

Mit der Frau kam zudem die Wärme, wie die beiden älteren Monate erfreut feststellten, und der süße Gesang von Vögeln durchsetzte erst zaghaft, dann mit immer mehr Energie die Luft. Es dauerte keine fünf Minuten, bis der Garten sich in den Ort verwandelt hatte, den man als Refugium eines Frühlingsmonats erwarten würde.

„Hallo März“, begrüßte Februar sie erfreut und hatte seinen Brief schon fast wieder vergessen. „Ich habe dir Besuch mitgebracht!“

Januar schüttelte zaghaft März‘ Hand, wobei ihm die Maschine beinahe herunter fiel, und murmelte eine Begrüßung. Die beiden wussten, dass es einander gab und hatten sich bereits vorher schon einmal gesehen – jedes Jahr an Silvester, wenn die Arbeit für ein Jahr wieder getan war und der ganze Ärger erneut von vorn losging, um genau zu sein – doch waren diese Begegnungen immerzu eher flüchtig gewesen. Monate hatten in der Regel vor Allem mit ihren Nachbarn zu tun, daher war er auch direkt zu Februar gegangen.

„Was hast du denn da?“, fragte die Frau ihn neugierig. „Kommt mit, das möchte ich mir genauer ansehen!“

Leichten Schrittes führte sie ihre beiden Gäste zu einem hölzernen, mit Schubladen versehenen Tisch, der wohl eigentlich für Gartenarbeit gedacht und dementsprechend dreckig war, wischte mit der Hand ein paar Erdkrumen beiseite und bedeutete Januar, den Frostapparat darauf abzustellen.

Nachdenklich kräuselte sie ihre Stirn.

„Moment, ich bin sofort wieder da!“

Bevor die anderen beiden Monate fragen konnten, wohin sie denn wolle, war sie auch schon wieder da und hielt in ihren Armen ein Ding, das dem auf dem Tisch recht ähnlich sah. Nur war der Frostapparat silbern verkleidet, und die Maschine, die sich gerade in diesem Moment zu ihrem Pendant auf die hölzerne Platte gesellte, von Messing ummantelt.

„Oh, ist das der Wärmeregler?“, fragte Februar, seine glänzenden Augen huschten von einem Gerät zum anderen und er schien sich zu fragen, was er damit anstellen konnte.

„Ich dachte, der wäre bei Mai!“, fuhr Januar dazwischen, bevor sein Freund fragen konnte, ob er sich die Klimabeeinflusser wohl mal kurz ausborgen könne.

„Ja, war er auch“, antworte März. „Allerdings tauschen wir den immer. Mal bekommt Mai den, dann April oder auch erst Juni. Dieses Jahr bin ich dran, weil ich es satt hatte, mich immer erst so spät um meine Pflanzen kümmern zu können. Und es ist einfach besser für die Füße.“

Sie sah auf besagte Körperteile hinab und war froh, dass es in ihrem Garten immer wärmer wurde.

„Außerdem ist Mai damit letztes Jahr nicht ganz so klargekommen, wie sie wollte, falls ihr euch daran noch erinnern könnt…“

März versuchte, die Ärmel ihres Kleides hochzuschieben, musste jedoch bald einsehen, dass das bei einem derart leichten Stoff nicht möglich war, besonders nicht, wenn dieser permanent vom Wind umhergetragen wurde. Sie zuckte gleichgültig mit ihren Schultern, zog eine Schublade des Tisches auf und einen Schraubenzieher heraus und begann sogleich damit, die Abdeckungen der Geräte ab zuschrauben, um einen Blick hinein werfen zu können.

„Stimmt, da war was!“, bestätigte Februar, während er März interessiert beim Rumwerkeln zusah. „Wurde sie nicht sogar dazu verdonnert, ihre Lizenz für die Verwendung wetterbeeinflussender Geräte zu erneuern?“

Januar wurde zunehmend glücklicher über seine Entscheidung, nicht direkt zum Obersten Büro gelaufen zu sein, ließ sich auf den nunmehr trockenen und angenehm warmen, grasbewachsenen Boden sinken, lehnte sich entspannt gegen einen großen Blumenkübel und wartete einfach ab, was da noch kommen sollte. Ob sie den Frostapparat wirklich wieder hinkriegen würde?

März nickte derweil auf Februars Frage hin. „Nur sind sich die Bürokraten noch nicht ganz einig, was das angeht.“

„Immer noch nicht?“

„Ein paar von denen sagen, dass das keinen Sinn ergibt, weil die Maschinen so alt sind, dass man sie eigentlich austauschen müsste. Neue Geräte würden natürlich eine vollkommen neue Lizenz erfordern, weil sie ja alle anders laufen.

Die anderen wollen allerdings kein Geld dafür ausgeben, und angeblich ist der alte Maschinenbauer nicht mehr im Dienst, hat wohl auch keinen Nachfolger hinterlassen… kurz: Die wissen nicht, woher sie neue Geräte nehmen sollen und wer dann dafür aufkommen soll. Also schieben die das alles hin und her.“

„Na super“, schnaubte Februar. Er nahm sich fest vor, dass, sollte er wirklich eines Tages Juli kidnappen, neue Apparate eine seiner Forderungen sein würde. Schaden konnte das ja nicht.

„Hm…“, erstaunt hielt März inne und sah verblüfft in das Innere der Kältemaschine vor sich. „Das ist komisch.“

„Was meinst du?“, schaltete sich Januar wieder in die Konversation ein.

Anstatt zu antworten kramte die Frau erneut in einer der Schubladen und zog eine Pinzette hervor, mit der sie in dem Frostgenerator herum stocherte, bis sie etwas Weißes hervor zog.

„Ein Brief?“, der erste Monat des Jahres wusste zwar nur zu gut, dass er sich mit Technik nicht auskannte, war sich dann allerdings doch ziemlich sicher, dass Post nichts in einem solchen Gerät zu suchen hatte.

„Los, mach ihn auf März!“, drängte Februar, den viel mehr interessierte, was darin stand als wie er dort hinein gekommen war.

Der Umschlag war nicht einmal fest zugeklebt, die Verschlusslasche war lediglich in den Briefkörper hineingeschoben worden, als hätte der Verfasser damit gerechnet, dass es nicht allzu lange dauern würde, bis seine Nachricht aufgefunden werden würde. Irgendwie hatte er damit auch Recht gehabt.

„„Hallo Monate““, las März also mit ihrer sanften Frauenstimme vor, nachdem sie einen Zettel aus dem Kuvert genommen hatte, „„Wer ich bin, spielt keine Rolle. Viel wichtiger für euch dürfte sein, dass sich in meinem Besitz ein Zahnrad befindet, das unabdingbar für die Funktionstüchtigkeit des Frostapparates ist. Ebenso habe ich Herrn Mutter, den Maschinenbauer des Obersten Büros, in meiner Gewalt. Das heißt für euch natürlich, dass ihr unmöglich an ein Ersatzteil kommen könnt – ich hingegen weiß für meinen Teil genau, was ich mit dem Wärmeregler machen muss, um auch ihn auszuschalten. Gleiches gilt für die Blitzmaschine, den Regenmacher, den Regenbogenspiegel, den Schneestaubstreuer und alle anderen kleinen Hilfsmittel, mit denen ihr das Wetter nach Lust und Laune manipulieren könnt.““

Februars Miene hellte sich auf. Herrn Mutter zu entführen war die Idee, zusammen mit dem Diebstahl von wichtigen Bauteilen einfach genial und sicherlich viel effizienter, als mal eben einen Monat in einen Sack zu stecken und erst am Jahresende wieder hervor zu holen.

Blöd daran war nur, dass jemand anderes vor ihm auf darauf gekommen war. Der zweite Monat konnte nur zu genau Januars nachdenklichen Blick auf sich ruhen spüren.

„He, du brauchst mich gar nicht so anzusehen, ich war das nicht!“, flüsterte er ihm lauter, als eigentlich beabsichtigt war, zu.

„Das würde ich an deiner Stelle jetzt auch sagen!“

„Jungs, seid noch für ein paar Augenblicke leise, ja? Hier steht noch mehr.“

Die beiden funkelten sich schweigend an; allerdings war es kein Hass, der in ihren Augen glomm, ja, nicht einmal Wut. Sie waren einfach auf dem besten Weg, sich irgendwann wie ein altes, zanksüchtiges Ehepaar zu verhalten.

„„Es gibt für euch nur eine Möglichkeit, den Techniker und das Zahnrad zurück zu bekommen. Ich werde mich wieder bei euch melden, gezeichnet X“

Hm, das war’s“, März drehte den Brief zur Sicherheit noch einmal um und hielt ihn gegen das Licht, in der Hoffnung, so ein Wasserzeichen entdecken zu können, musste jedoch enttäuscht fest stellen, dass da nichts weiter war.

Einen Moment lang schwiegen sie alle drei, unwissend, was sie nun tun sollten und ob sie überhaupt in dieser Angelegenheit etwas tun konnten.

„Wer ist X?“, fragte Februar schließlich.

„Meinst du, wenn X gewollt hätte, dass wir wissen, wer er ist, hätte er einfach nur „x“ geschrieben?“, Januar klang reichlich genervt. Eigentlich hatte er ja nur eine kleine Reparatur haben wollen, und nun das!

„Also meinst du, der heißt gar nicht X?“, hakte der zweite Monat des Jahres nach.

Sein Kollege setzte gerade zu einer Antwort an, als März es es leid war, mit ansehen zu müssen wie die beiden sich zofften wie zwei Kindergartenkinder.

„Ist doch egal, wer es ist! Er sagt, er meldet sich. Wir sollten auf jeden Fall April Bescheid geben, immerhin ist sie als nächstes dran.“

Tatsächlich taten die beiden Männer wenigstens so, als würden sie sich nun beruhigen und jeder von ihnen griff sich eine Maschine: Januar nahm sich den Frostapparat, den er mitgebracht hatte, und Februar trug die Klimaheizung, natürlich nicht ohne zu versuchen, einen Blick auf den Brief zu erhaschen, den seine Freundin nach wie vor in den Händen hielt.

„Und… wo wohnt April?“

Freund und Feind, April vereint

Januar, Februar und März schritten - nein, schreiten trifft allerhöchstens auf Frau März zu. Die beiden Herren stampften vielmehr, was vielleicht an den Gewichten in Form von Maschinen in ihren Armen gelegen haben mochte. Nun, jedenfalls führte der Weg der drei Monate in dieselbe Richtung, schließlich wollten alle zu April, und somit gelangten sie die gleiche Allee entlang, von Bäumen, mit Knospen bedeckt, gesäumt und Blumen ringsumher auf Wiesen gebettet. Der Frühling war eingekehrt - mit viel Drücken und Herumdrehen hatte dieser Wärmeregler Rumpel irgendetwas angestellt. Blieb also nur zu hoffen, dass April nicht vorhatte, in nächster Zeit eine der anderen wetterbeeinflussenden Maschinen auszuprobieren, denn just in dem Moment, als sie die Pforte erreichten - ein einzelnes großes Tor in einer Ziegelsteinmauer - schlug die Monatsuhr DingDong und begrüßte daraufhin April mit einem Narhallamarsch.

Kurz blieben die Monate stehen und überlegten, ob der erste Tag im vierten Monat die richtige Wahl für einen Besuch sei, oder ob sie nicht den Weg weiter entlang laufen sollten, der sie direkt zum nächsten Monat führen würde. Doch schienen alle drei zum selben Entschluss gekommen zu sein und linsten aufmerksam durch das Tor. Es handelte sich um etwas Wichtiges, was April genauso betraf, wie sie selbst und wenn sie nur Schabernack treiben wollte, gäbe es ja noch Mai, die sicher den Ernst der Lage erkennen würde - so glaubten sie.
 

März blickte von Januar zu Februar, wie um ihnen gut zuzusprechen, holte tief Luft und öffnete das Tor. Zumindest versuchte sie es, drehte sich mitsamt der Klinke in der Hand zu den beiden Herren um und sie alle seufzten:

„Sehr witzig, April.“

Januar und Februar stellten erst einmal die Gerätschaften auf die Erde, für den Fall, dass es noch länger dauerte das Grundstück Aprils zu betreten.

„Hier neben dem Tor ist ein Knopf. Was meint ihr, kann ich es wagen und drücken?“, fragte März skeptisch, und kam sich dabei sehr albern vor. Allerdings war April immer etwas geschickter mit diesen Vorrichtungen gewesen, was es ihr noch leichter machte, ihre Streiche zu spielen.

März erinnerte sich noch zu gut an ihr erstes Treffen, aber soweit musste man gar nicht zurückdenken, erst an Silvester hatte April...

„Hallo, März!“, rief eine fröhliche Stimme hinter dem Tor und unterbrach jeden Gedanken. Doch April war gleich darauf aus ihrem Sichtfeld verschwunden, ohne dass März hätte antworten können.

„Was war das jetzt?“, fragte Januar.

„April“, antwortete Februar pflichtbewusst, aber Augen verdrehend.

„Das ist mir schon klar, du Spaten!“ Januar hatte endgültig die Schnauze voll. Er war schließlich der ältere der beiden und dieser Pläne schmiedende, hochnäsige Rüpel sollte ihm gefälligst etwas mehr Respekt zollen.

„Wie redest du bitte mit mir?“ Februar, der sich zuvor neben der Klimaheizung niedergelassen hatte, sprang erbost auf, drohte mit geballten Fäusten.

„Nur immer mit der Ruhe“, mischte sich März ein. Den ganzen Weg hierher hatte es schon Ärger gegeben. Die üblichen kleinen Sticheleien. Ein ums andere Mal hatte März Staubwolken gesehen, weil Februar Januar hatte treten wollen. Und allerhand Kleinkinderkram, mit dem März hatte rechnen müssen.

„Die drei, da stehen sie. Vor dem Tor, dort warten sie.“ Singsang erklang, durchbrochen von einem Scheppern. Als sie April sahen, entdeckten sie allerhand Zierrat und närrische Kleidung mit Glöckchen an April. Das junge Ding schien von ihrem Aufzug hellauf begeistert zu sein und kam langsam näher an das Tor heran. SchrammBong Schramm machten die Schellen zwischen ihren Knien und ein kleines BimBam tönte von der Kappe dazu.

„Oh du meine Güte“, dachte sich März. „Wie sollen wir denn April nur erklären, was los ist?“ Sie ging davon aus, und der Gedanke war vermutlich nicht falsch, dass sie unmöglich zuhören würde.

„April, wenn du uns nun gütigerweise hereinlassen würdest...“ Februar stand vor dem Tor, hielt sich an zwei Streben fest und steckte sein vor Wut verzerrtes Gesicht so weit wie möglich hindurch. Geduld war eine Tugend, über die er schlicht nicht verfügte.

Die junge Frau auf der anderen Seite ließ sich davon nicht im Geringsten beeindrucken und lief einfach ein paar Runden im Kreis. Dass April eine Niete darin war, lustige Reime zu schreiben oder aufzusagen, wussten die Älteren nun also auch.
 

März und Februar gingen dazu über anzugreifen. Er faltete seine Hände und bot sie März zum Klettern dar, während Januar an einem Baum lehnte und sich die Sonne ins Gesicht scheinen ließ.

Plötzlich war es still um April. Die stand nämlich inmitten eines Platzes und starrte irgendwohin, wo die Monate vor dem Tor nicht hinsehen konnten. Irgendetwas schien passiert zu sein, denn plötzlich sauste April davon und ließ Glöckchen, Schellen und Narrenkostüm an Ort und Stelle zurück - sie schwebten noch einen Moment in der Luft und klirrten dann Schepper BumsRums zu Boden.

Januar riss erschrocken die Augen auf und Februar zögerte nicht länger, um März mit einem ordentlichen Schwung gen Tor zu hieven. Die sprang ab und kam, eleganter als erwartet, wohlbehalten auf der anderen Seite an. Dass sie ganz Gärtnermensch war, merkte man, wenn man den Dreck betrachtete, der sich inzwischen, durch den Marsch, die Kabbeleien der beiden Herren und den Sprung über die Pforte auf ihrem Kleid angesammelt hatte, und dem sie keinerlei Beachtung schenkte.

„Komm schon, Januar. Du auch“, forderte sie und machte sich sofort auf, April zu verfolgen.

Januar war ja nicht so der sportliche Typ, aber März sollte ihn nicht für einen Faulpelz halten. Ganz unter uns: diese Eigenschaft Januars war ihr natürlich nicht entgangen, aber lassen wir ihn hoffen.

So nahm er also Anlauf, was Februar große Augen machen ließ, trat in die dargebotene Räuberleiter und fiel Bummmmm auf der anderen Seite vom Tor bäuchlings in den Dreck. Obwohl Februar mit nichts besserem gerechnet hatte, schüttelte er den Kopf über den älteren Monat und lachte sich kaputt. Mit einer Hand den Bauch haltend, kletterte er geschickt das Tor hoch, blieb einen Moment oben stehen, wie um dem Ausspruch jemanden von oben herab anzusehen eine bildliche Note zu verleihen, und sprang dann ab. Er landete genau neben Januar, stolperte jedoch und hüpfte mit rudernden Armen noch einige Meter weiter. Januar, der immer noch auf dem Boden lag, kugelte sich vor Lachen.
 

„Januar! Februar!“ Ui, das war ein lauter Ruf gewesen. Die beiden standen auf. Ihnen war klar, dass sich daneben zu benehmen in dieser Situation das falsche Betragen gewesen war. Schuldbewusst eilten sie Richtung Westen. Bisher hatten sie sich nicht umgesehen auf dem Gelände hinter dem Tor. Aprils Anwesen schien unglaublich groß zu sein. Dort, wo sie nun hinrannten, auf einem Weg nur aus Erde bestehend, stand ein großes Haus. Rings um sie herum war grasbewachsene Wiese. April hatte zuvor auf einem Schotterplatz ihren Tanz aufgeführt, den sie jetzt passieren mussten KnirschKnahtsch. Hinter ihnen, in der genau entgegengesetzten Richtung, kam man zu einem verdammt riesigen See, zumindest konnte man sein Ufer nicht ausmachen. Und rechts von ihnen, hinter der Mauer, die das gesamte Gelände zu umgeben schien, die man aber scheinbar nur im Norden und Süden zu sehen bekam, erstreckte sich eine Hügellandschaft. Somit war der Ort sehr lang, aber nicht breit.

Plötzlich hörten sie laute Stimmen, keine Worte, nur Laute AhUh. Januar und Februar erkannten deutlich, dass es sich um März handeln musste, die andere war demnach vermutlich April. Sie beschleunigten also ihre Schritte.

Als Januar und Februar endlich das Ende des Weges erreichten, erblickten sie die beiden Frauen auf einem Treppenabsatz. April schien sich hinunter stürzen zu wollen, doch März hielt sie fest.

„Was ist denn hier los?“, fragte Februar. Januar war zu sehr damit beschäftigt, wieder zu Atem zu kommen.

„Offensichtlich ist Mai da unten, aber ich habe Angst, April zu ihr zu lassen“, erklärte März ihr Verhalten. Plötzlich jedoch sprang die Jüngere die ersten Stufen hinab, der Stoff ihres Hemdes hatte nicht mehr gehalten und war Ratsch gerissen. Ohne lange zu fackeln, folgten März und Februar ihr Richtung Dunkelheit. Januar blieb noch einen Moment japsend stehen, bevor er langsam einen Fuß vor den anderen setzte und sich, hinter den Treppen, die noch hoch zu einem Turm ragten und ihn eine Sekunde stutzen ließen, einen Baum suchte, an den er sich lehnen konnte.
 

März verlangsamte ihre Schritte, weil sie, unten angekommen, nichts sehen konnte. Stockfinster war es und sie fühlte sich an Kerker erinnert. April wohnte doch in einem Haus, doch alles hier erinnerte an ein Schloss mitsamt Burggraben und Türmen. Sie lehnte sich atemlos an die Steinmauer, als Februar neben ihr zum Stehen kam und fragte:

„Kannst du irgendwas sehen, März? Ist April hier unten? Und was hat Mai hier verloren?“

„Nein. Keine Ahnung. Vielleicht eine Kontaktlinse?“ März konnte sich ein Kichern nicht verkneifen.

„Werden denn alle verrückt hier?“

„Sag' mal, wo ist denn der Januar?“

Februar zuckte die Achseln und blickte sich nicht einmal um.

Schnaubend und stampfend trat April ins Licht und noch bevor jemand eine Frage stellen konnte, erklärte April:

„Jedes Jahr aufs Neue kommt Mai früher, um sich eine der Maschinen zu besorgen. Wofür auch immer. Schließlich kann kein Monat ein Gerät führen, der noch nicht an der Reihe ist. Ich vermute, sie will einfach nicht, dass ich sie bediene. Dieses Mal hat sie den Regenbogenspiegel. Na toll. Wenn ich also mit dem Regenmacher rumspiele hat es keinen Sinn, gleich darauf die Sonnenstrahlenpistole einzusetzen. Es ist doch viel weniger lustig, wenn man nicht nebenbei die bunten Farben streuen kann. Und diese Mai schafft es immer wieder. Wie kann man nur so unvorbereitet sein?! In den nächsten Tagen muss ich besser aufpassen und alle Maschinen einschließen, die ich nicht brauche. Wo ist eigentlich die Hagelraupe?“

April schien März und Februar gar nicht weiter zu beachten und erklomm einfach die Treppe wieder, um wer weiß wohin zu gelangen. Die beiden älteren lauschten der leiser werdenden Stimme und wunderten sich, wie Mai wieder hinaus gekommen sein könnte, wo sie doch gerade selbst heruntergelaufen waren, ohne dass sie jemandem begegnet wären. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als April hinterher zu stapfen; um genauer zu sein, gefiel ihnen nur die Alternative nicht und es hätte wohl auch zu keinem Ergebnis geführt, in einem dunklen Keller den Rest des Jahres abzuwarten. Sie hatten schließlich eine Entführung aufzuklären.
 

Und das versuchte März April, oben angekommen, zu erklären; mit Unterstützung Februars, der ihr den Brief, der im Frostapparat gesteckt hatte, zeigte. April las aufmerksam die Zeilen und schien ebenso jedem Wort der Älteren zu lauschen. März dachte sich, dass sie vermutlich einen empfindsamen Moment erwischt hatten, kurz nach dieser Niederlage.

„Hm. Das klingt nicht gut. Meint ihr denn, dass mein kleiner Plätscherwatschler auch nicht mehr funktioniert?“, fragte April. Bevor März oder Februar fragen konnte, was das überhaupt sein soll, war sie auch schon wieder in der tiefen Dunkelheit verschwunden.

Februar legte beruhigend einen Arm um März' Schultern. Gemeinsam beobachteten sie, wie April zurückkam und vor ihnen ein kleines blechernes Männchen aufstellte. Sie kniete sich neben es und öffnete eine Klappe auf dessen Rücken. Darin befanden sich allerhand rote, blaue und grüne Drähte und Schalter und diese kleinen platten Dinger, wo man die Kupferenden anschließen konnte. Man hörte nur das Murmeln Aprils und hin und wieder ein Klacken, wenn sie einen Schalter umlegte.

„So ein Mist, das gibt es doch nicht!“ April fluchte und stampfte und meckerte. Und plötzlich wirkte sie gar nicht mehr so jung und März entdeckte kleine Runzeln auf ihrer Stirn.

„Sag' mal, was ist das für ein Ding?“ Februar zog die Augenbrauen zusammen und ging in die Hocke.

Das Ding, wie du ihn betitelst“, spuckte April verächtlich, „ist ein Plätscherwatschler. Ist doch logisch: er plätschert mit Wasser und watschelt umher. Siehst du hier oben die kleinen Düsen auf seinem Helm? Dort sprüht er den Regen, den er hier“, sie deutete auf einen Schlauch an seinem anderen Ende, „aufsaugt, zielgerichtet zu Boden. Dann entstehen schneller Pfützen. Und dann watschelt er mittendurch - ich glaube, das macht ihm Spaß.“ Beinahe zärtlich strich sie dem kleinen Roboter über den Helm. „Er ist erst im letzten Jahr fertig geworden. Er hatte ein Rostproblem und ich musste ihm einen Silikonanzug aufsprühen. Fühl' mal.“ Sie schob den Watschler ein Stückchen zu März - Februar missachtete sie für den Moment. Und März tat, wie ihr geheißen. Der kleine Kerl war glatt und irgendwie weich.

Februar erinnerte sie an die Maschinen, die noch vor dem Tor standen, an den Brief und dass sie den Maschinenbauer des Obersten Büros zu erretten hätten und so stiefelten die drei zurück zum Eingang - April hatte ihren kleinen Helfer auf den Arm genommen.

„Was haltet ihr davon, wenn wir die Apparate in den Keller bringen? Ich könnte versuchen, sie zu reparieren. Obwohl ich zugeben muss, dass ich keine Ahnung habe, was Herr Mutter sich beim Bauen der Dinger gedacht hat.“

März hielt das für eine gute Idee, fragte sich jedoch, was der Maschinenbauer bei Herstellung eines Apparats anderes macht, als April es handhabte, sparte sich jedoch den Kommentar.

„Was, bei allen guten Geistern, geht hier vor?!“, stieß Februar ungehalten aus und riss das Tor auf. „Sie sind weg! Beide Maschinen sind weg!“

April stellte den Roboter behutsam ab, schritt rasch einen weiten Kreis vor dem Tor ab und Februar entdeckte etwas ungewöhnliches an einem Baum:

„Das hätte ich mir denken können“, sagte er und wedelte mit dem Brief, der an den Baum genagelt worden war, in der Luft herum - das Stück oben vom Rand, dass er beim Abreißen gleich mit abgerissen hatte, segelte langsam zu Boden. „Wieder der werte X.“

„Zeig' mal her“, forderte April und nahm das Schreiben an sich. „Hier steht was von Idioten und dass ich schon mal gar nichts könnte, außer dumme Streiche zu spielen und dass... na warte, wenn ich herausgefunden habe, wer dieser X ist, dann...“

„Ruhig, April. Eins nach dem anderen. Lass uns den Brief erst mal in Ruhe lesen.“ März stellte sich vor sie, nahm beide Hände Aprils in die ihren und versuchte ihr tief und eindringlich in die Augen zu schauen, doch April wich ihr aus.

„Hier hast du ihn“, sagte sie stattdessen, ließ den Brief los und ging zurück zu ihrem Plätscherwatschler. Februar gesellte sich zu März und sie lasen gemeinsam stumm den Brief:
 

Hallo, ihr idiotischen Monate.

So einfach, wie ihr euch das gedacht habt, ist es wohl nicht. Habt ihr etwa geglaubt, dass April den Frostapparat reparieren könnte? Die kann nichts, außer vielleicht Streiche spielen und, um ehrlich zu sein, nicht mal das macht sie gut. Ihr müsst euch mal im Keller der werten Dame umsehen. Falls ihr dann auf diesen komischen kleinen Roboter stoßt, werdet ihr sicher feststellen, dass April kurz davor ist, sich nicht nur den Zorn des Obersten Büros zu zuziehen, sondern auch bald die Betitlung verrückt verdient hat. Das Ding wird im Übrigen nicht funktionieren, denn ich habe ihm das entscheidende Zubehör entfernt und es eingeschmolzen, damit April es auch niemals wieder einbauen kann. Wäre ja gelacht, wenn sie die Nachfolge von Herrn Mutter antreten sollte.

Doch nun endlich zurück zu eurer Aufgabe: um Zahnrad und Maschinenbauer zurückzubekommen, solltet ihr die Maschinen vergessen und ihre eigenhändige Reparatur gleich mit, sonst werde ich das Zahnrad auch großer Hitze aussetzen. Ihr geht den direkten Weg zum Kupferfelsen und von dort aus in das Kesselsirrental. Wenn ihr dort angekommen seid, werdet ihr verschiedenes feststellen, aber ich will nicht zu viel verraten und die ganze Überraschung verderben.

Doch seid gewarnt: wenn Juni schneller kommt, als ihr eure Reise beendet habt, ist es für den Frostapparat zu spät.

X.
 

Februar und März wurden sehr ernst und versuchten April beizubringen, dass sie ihre Versuche, ihren Freund zu reparieren, einstellen müsse. Traurig, aber die Situation begreifend, gab sie es schließlich auf. Die drei beschlossen etwas Proviant aus dem Haus zu holen. April brachte alle Maschinen, bis auf den Watschler, in den Keller und schloss ihn ab. Der Wärmeregler und der Frostapparat waren von X gestohlen worden und... wo war eigentlich Januar hin verschwunden?

Auch Februar und März wussten keine Antwort. Nachdem also Aprils Erfindung einen Ehrenplatz in ihrem Schlafzimmer erhalten, März ihr Kleid gegen ein paar Hosen und eine Bluse eingetauscht und Februar allerlei nützliche Utensilien in Taschen verstaut hatte, machten sich die drei Monate auf den Weg zum Kupferfelsen im Norden. Sie passierten nicht das Tor und nahmen somit einen Weg, den noch kein Monat vorher gegangen war.

Begegnung im Tal

Mai war übel. Sehr übel. Nicht nur, dass ihre Werkzeuge nicht mehr funktionierten und ein absolut Durchgeknallter ihr einen Drohbrief geschrieben hatte, nein, noch dazu hatte das viel zu wechselhafte und unkontrollierbare Wetter ihre heiß geliebten Erdbeeren faul werden lassen.

Müde, frustriert und mit verrenktem Magen schob sie sich eine weitere Frucht in den Mund. Dass das momentan absolut kontraproduktiv war, war ihr egal. Nur so konnte sie halbwegs vernünftig denken, Magenkrämpfe hin oder her. Was sollte sie nur tun?
 

Sie war gerade damit beschäftigt, genug Tränenflüssigkeit für ihren nächsten Weinkrampf zu sammeln, als Januar hereingerannt kam.

"Mai!", rief er, und riss die Tür fast mit ein, obwohl sie eigentlich schon offen stand. "Mai", wiederholte er und rüttelte das Häufchen Elend vor ihm, bis es ihn ansah. "Du musst uns helfen!", erklärte er in unverminderter Lautstärke. "Irgend jemand hat Mist gebaut und hat alle Wettermaschinen kaputtgemacht – und nun dürfen wir das alles ausbaden! Und wenn wir nicht schneller am verabredeten Zeitpunkt sind als Juni braucht, um seine Arbeit aufzunehmen, haben wir ein ernsthaftes Problem!"

"Nun mal langsam", schniefte Mai und wischte sich das Gesicht mit einem kühlen Lappen ab. "Welcher Zeitpunkt, oder wahrscheinlich wohl eher Ort, ist denn gemeint? Wer ist wir? Und warum kommst du ausgerechnet hier her und schreist mich an? Du und deine Schreierei, ihr wart schon immer ein Traumpaar... Hast du ein Taschentuch?"

Januar grummelte, zog eine Packung aus seiner Hosentasche und warf sie Mai zu. "Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um vor sich hin zu heulen wie ein kleines Kind", brummte er sie nicht unfreundlich an. Wir – das heißt, Februar, ich, März und April und du jetzt auch – haben keine andere Wahl, als uns zusammenzuraufen und uns zum Kupferfelsen und dann von da aus ins Kesselsirrental zu bewegen. Und du hast doch immer so gute Ideen", versuchte er ihr unbeholfen zu schmeicheln, "da dachte ich, ich frage dich einfach mal.

Mai überlegte kurz. Januar hatte nicht unrecht. Sie hatte tatsächlich immer recht gute Ideen – spektakuläre Gewitter, Erdbeeren, lauter solche angenehmen Nebensächlichkeiten – und der richtige Zeitpunkt zum Weinen war es eigentlich auch nicht, daran ließ sich nicht rütteln.

"Wir ... wir könnten meinen Teppich nehmen", schlug sie zögerlich vor.

"Na, dann tun wir das doch einfach!", jubilierte Januar, und wollte nach draußen springen.

"Nicht so hastig!", dämpfte Mai seine gute Laune und hielt ihn fest. "Wir haben da ein kleines Problem – es nennt sich 'Mottennest' und befindet sich leider genau in dem Schrank, in dem ich kluger Weise den Teppich untergebracht habe. Die Frage ist jetzt: Kannst du immernoch den Trick mit dem so leichten Eis, dass man damit Löcher stopfen kann?"

Januar sah sie zweifelnd an. "Glaubst du allen Ernstes, das funktioniert?"

"Es ist einen Versuch wert, oder?" Sie zuckte mit den Schultern. "Oder willst du durch die Löcher pusten, bis wir nicht mehr an Höhe verlieren?"
 

"HÖHER! TIEFER! LINKS! Äh... RECHTS meinte ich... REEEECHTS!"

Sie kamen voran. Nicht gut, aber sie kamen voran. Mai hatte schon so gut wie mit ihrem Leben abgeschlossen, aber noch lebten sie. Und das sollte auch möglichst lange noch so bleiben, wenn es nach ihr ging.

Januar hatte die Aufgabe übernommen, am Bug des riesigen Teppichs zu stehen und zu steuern, während Mai immer wieder die Eisflicken auf ihre Standhaftigkeit überprüfte. Ein ungemein undankbarer Job, wie sie fand.

"Sind wir bald da?", fragte sie bange. Ihre Übelkeit war in der Zwischenzeit nicht sonderlich besser geworden, und es bestand auch wenig Hoffnung, dass sich das bei Januars Fahrstil bald ändern würde.

"Ja, ich sehe sie schon! Da vorne sind sie!"

Na endlich, stöhnte sie innerlich. Schlimmer als bis jetzt konnte es kaum mehr werden.
 

Jedenfalls hatte sie das gedacht, bevor sie die anderen Monate eingesackt hatten. April war nur am Herumalbern, Februar war nur am Meckern, März taute ständig die Eisflicken auf ohne es zu merken und Januar ließ sich seinen Spaß, am Steuer zu sitzen, um keinen Preis der Welt nehmen. So war Mai mehr als nur froh, als sie endlich im Tal angekommen waren.

Doch dort erwartete sie eine herbe Enttäuschung.

"Niemand hier", lachte April fröhlich. "Da scheint sich ein kleiner Schelm einen Scherz erlaubt zu haben!"

"Ich finde das gar nicht lustig", knurrte Februar. "Was soll das Ganze?"

Sie sahen sich um. Weit und breit kein Zeichen von dem, der die Briefe geschrieben hatte. Nichts außer Felsen, Staum und einem kleinen glitzernden Punkt in der Ferne.

"Ist das Wasser?", fragte März leise.

"Was glaubst du denn?", dröhnte eine ihnen unbekannte Stimme hinter ihnen und die Monate drehten sich erschrocken nahezu synchron um. Beim Anblick desjenigen, der hinter ihnen stand, furchte Mai wütend die Brauen.

"DU steckst also dahinter!", rief sie. "Das hätte ich mir ja denken können!"

"Warte...", murmelte Januar. "Aber... wenn ER das war...?"

Die Felsenfalle

„Was, ich?“, der Mann, der soeben den anderen Monaten einen Besuch abstattete, lachte leise. Seine Stimme klang tief und warm, was eine nicht unangenehme Mischung war. „Ich weiß zwar nicht, um was es geht, aber ich plädiere auf unschuldig!“

Grinsend verschränkte er die Arme lässig vor der Brust und lehnte sich an den Felsen, hinter dem er eben erst hervor getreten war, und der somit dafür gesorgt hatte, dass die verwahrloste Ebene menschenleer wirkte.

Wobei tatsächlich keine Menschen in dem Sinne anwesend waren, doch das war ein gänzlich anderes Thema, das nichts zur Sache tat.

„Juni, was willst du denn hier?“, Januars Stimme klang reichlich verärgert. Das hing wahrscheinlich zu großen Teilen mit seiner Privatfehde zusammen, die bereits seit geraumer Zeit verhinderte, dass Januar und Juni sich vertrugen. Sah man einmal von dem gemeinsamen Anfangsbuchstaben ihrer Namen ab, gab es nichts, dass sie miteinander verband. Doch das traf auch auf andere Monate zu - vor Allem konnte Januar seinen Kollegen schlicht und ergreifend nicht leiden, doch das hätte er niemals öffentlich zugegeben.

„Wollen? Gar nichts. Allerdings hab ich eine Einladung erhalten“, Juni schob eine Hand in seine rechte Westentasche und zog ein sorgsam gefaltetes Stück Papier hervor, mit dem er dem ältesten Monat im Bunde zuwinkte.

„Hihi, du also auch?“, kicherte April vor sich hin und hoffte, dass sie bald zu einem kleinen See oder Fluss kämen, denn enttäuscht hatte sie unterwegs fest stellen müssen, dass die Wasserpistole, die sich als Blumenbrosche tarnte, dringend gefüllt werden wollte. Doch weit und breit war kein Wasser zu sehen, und das Eis, das den Teppich zusammen gehalten hatte, versickerte soeben in dem erdigen Boden. März war wirklich nicht gut für solche Unternehmungen, ihr Gemüt war zu… sonnig dafür.

Apropos. Frau März pflegte nie ohne Umhängetasche aus dem Haus zu gehen, und immer wieder zog sie daraus eine Hand voll Samen heraus, die sie im Vorbeigehen zu Boden rieseln ließ, und aus denen in wenigen Sekunden farbenfrohe Blumen wuchsen.

In eben jenem Beutel bewahrte sie auch Xs Nachrichten auf. Beziehungsweise hatte sie das bis eben getan, derzeit sah sie stirnrunzelnd auf eines der Blätter herab und machte keinen allzu glücklichen Eindruck, was äußerst befremdlich ist, wenn die betreffende Person zu so etwas wie mieser Laune gar nicht in der Lage war.

Dafür starrte Mai ihr über die Schulter, und der Flunsch, der ihr Gesicht zierte, entschädigte gleich für März‘ neutrale Miene.

„Meinst du, dass es trotzdem hinkommt?“, wollte die Ältere wissen, als sie sah, dass noch jemand mitlas.

„Hm…“

„Was ist denn los?“, fragte nun seinerseits Januar, den es genau genommen nicht interessierte. Er hatte nur einfach keine Lust, sich noch länger mit seinem Lieblingsfeind befassen zu müssen.

„Ja, genau, was ist los?“, klinkte sich nun auf Februar ein.

„Nun ja…“, begann März zögernd, „In dem Brief, den wir im April bei April am Baum fanden steht, ähm… „Doch seid gewarnt: wenn Juni schneller kommt als ihr eure Reise beendet habt, ist es für den Frostapparat zu spät.“ Zählt als Reise vielleicht der Weg mit dem Teppich?“

Mai hielt sich die Hand vor den Mund. „Vom Reisen wird mir immer schlecht, und jetzt gerade… ich würde sagen, dass das zählt!“ Sie nickte, um ihre Aussage zu bekräftigen, und überlegte es sich dann doch recht schnell anders. Ein leichter grünlicher Schimmer machte sich auf ihren Wangen bemerkbar.

„Wehe, das zählt nicht! Ich muss den Plätscherwatschler endlich wieder gesund machen und soll Ixielein von ihm noch einen schönen Gruß ausrichten!“, April grinste grimmig, ihre Augen funkelten und wie um ihre Worte zu unterstreichen hob sie ihre geballte Faust – direkt unter Februars Nase.

„Immer mit der Ruhe!“, beschwichtigend hob der zweitälteste Monat die Hände. „Erst mal müssen wir ja zum Dingsbums – erst mal sollten wir ja nur hier herkommen, um dann weiter zu gehen. Oder?“

„Fast richtig“, schniefte Mai hinter vorgehaltener Hand. „Hier steht was vom Kesselsirrental und nichts vom Dingsbums. Aber da würde ich gerne mal wieder hin!“

„Hm, meinst du das Dingsbums im Norden oder das im Süden?“, Februar fand den Plan, Herr Mutter zu entführen, nach wie vor großartig und hatte sich während des Fluges überlegt, dass eine Entführung von der Entführung sicherlich doppelt Eindruck schinden würde. Und Dingsbums wäre ein geniales Versteck!

„Wie dem auch sei“, Juni hob gelangweilt eine Hand und begutachtete seine Fingernägel während er sich fragte, ob er angeödet genug war, um sie noch ein wenig weiter zu feilen. „Ich schlage vor, dass ihr euch mir anschließt; ich mache mich jetzt auf den Weg, damit ich hier nicht noch festwurzele.“ Er warf einen vielsagenden Blick zu März, deren bloße Zehen sich tief in die Erde gegraben hatten, zuckte mit den Schultern, stieß sich vom Felsen ab und stiefelte los.

„Ähm, Juni? Ich will dich bei deiner Onemanshow ja wirklich nicht stören, aber… das Kesselsirrental liegt in der anderen Richtung“, bemerkte Januar schadenfroh.

„Nein. Das liegt da“, Mai hob ihre freie Hand und streckte den Zeigefinger weit von sich.

Juni lachte hämisch, doch als April begann, aus einem unerfindlichen Grund mit zu kichern, auf ihre schrecklich koboldhafte Art, brach er abrupt ab und die sechs konnten sich schweigend auf den Weg machen.

Den bunt gemusterten Teppich ließen sie am Boden zurück; er war einem Schweizer Käse zu ähnlich, als dass sie einen Diebstahl zu befürchten hatten und zu schwer, als dass sie ihn mitschleifen wollten.
 

Allzu lang war der Weg nicht, den sie gehen mussten, bis sie vor einem alten, vermoderten Schild standen, auf dem in verwitterten Lettern „Kesselsirrental“ stand. Doch dummerweise hatte scheinbar jemand das Tal mitgehen lassen, denn die Ebene war hier genau so platt wie ein Clownwitz, wie April sehr glaubhaft beteuerte.

„Nun sind wir hier. Und weiter?“, lustlos tat Februar so, als würde er sich umschauen, jedoch ohne große Hoffnung, etwas aufregendes zu entdecken.

Januar hob die Hände, bildete damit einen Trichter vor seinem Mund und rief ein lautes „Hallo?!“ – und zuckte erschrocken zusammen, als das Echo zurück kam und unwirklich „Llooo? Ooo oo o…“ antwortete.

„Was zum-“, März tastete sich langsam vorwärts wie eine Blinde, und bemerkte erstaunt, dass sie unter ihren Fingerkuppen direkt vor sich in der Luft raue, spröde Felswand spüren konnte.

Neugierig taten die anderen – bis auf Juni, der sich unter gar keinen Umständen schmutzig machen wollte – es ihr nach.

„Faszinierend“, staunte Mai.

„Welch ein Spaß!“, freute sich April.

„Na super“, grummelte Januar.

Februar starrte nur verwundert auf einen Punkt nicht weit von sich, und der Jüngste im Bunde verdrehte gerade mal genervt die Augen. Zumindest so lange, bis hinter ihm ein lautes Rumms! ertönte, und er erschrocken zusammen fuhr.

„W-was war das denn?“

April, die langsam Spaß an der Sache bekam, streckte die Arme in bester Zombiemanier von sich und schlich in die Richtung, aus der der Lärm gekommen war, bis es nicht mehr weiter ging.

„Ich glaube, wir sitzen hier fest.“

Rätsel und Helden - oder sowas in der Art

Da saßen sie nun. Januar, Februar, März, April, Mai und Juni – ein halbes Jahr versammelt in einem... Loch, einer Falle, einem Spalt zwischen Felsen. Wie genau hatte X es geschafft, die Felsen nicht Felsen sein zu lassen? Einen davon hinab stürzen zu lassen, genau im richtigen Moment? Und wo hielt er sich in diesem Moment auf?

„Februar hat doch Erfahrung mit Räuberleitern, wir könnten doch einfach...“, begann Januar, wurde aber von März unterbrochen.

„Er hat mir, und ja, auch dir, über ein Tor hinweg geholfen. Ein Tor. Hier sind Felsen, deren Höhe wir nicht einmal kennen und ich fürchte, die wir auch so schnell nicht herausfinden werden.“

Februar war im Begriff Januar die Zunge herauszustrecken, ganz nach dem Motto: „Hätte ich auch gesagt.“

„Aber vielleicht ist die Idee gar nicht so dumm“, überlegte April. „Anstatt einer einfachen Räuberleiter, versuchen wir uns an einer Pyramide. Drei stehen unten, dann zwei und einer klettert hoch und der nächste muss dann eben noch höher.“ Sie sprang während ihrer Ausführung ständig auf und nieder, was zum Einen Verwirrung auslöste und zum Anderen zumindest ihr irgendwie Spaß zu machen schien. Juni ließ ein leises, abschätziges Lachen vernehmen. Als März ihn ansah, hörte er abrupt damit auf und täuschte ein Husten vor.

„Nun, allerdings ist es gleich stockdunkel,“ er deutete nach oben „und so werden wir wohl kaum noch etwas erreichen.

„Hmmm...“ April schien sich mit ihren Gedanken zu beschäftigen, während sie an den Felsen entlang schlich, immer im Kreis und eine Hand dabei über den Stein gleiten ließ.

Januar hatte sich inzwischen wieder zurück gelehnt und täuschte Resignation vor, um in Ruhe sitzen zu können und Februar hatte sich näher zu März gestellt. Vielleicht wollte er ihr seine starke Schulter anbieten. Mai hielt sich aus allem raus, strich sich noch immer fortwährend über den Bauch und hielt sich ab und an eine Hand vor den Mund, trank einen kleinen Schluck Wasser und senkte wieder den Kopf. So langsame aber sicher wirkten ihre Blicke jedoch etwas zerstreut.

„Sag' mal Mai, wie geht es dir inzwischen?“, fragte Juni unvermittelt. Nicht, dass einer der Monate jetzt eine Wohltat dieses arroganten Schnösels erwartete, aber aufhorchen taten sie doch.

„M-Mir geht es g-ganz gut. Danke“, antwortete sie recht leise.

„Hat sie was gesagt?“, ließ April daraufhin verlauten und hockte sich, aufmerksam lauschend in die von ihr geschätzte Mitte der Felsenfalle.

„Du hast doch ein kleines Geheimnis, habe ich nicht Recht?“ Juni, eine Hand in seiner Weste verborgen – trug man eigentlich noch Beige? - stolzierte immer drei Schritte nehmend vor und zurück.

„Was meinst du mit Geheimnis?“, brummte Februar. Mai wird doch wohl nicht...

„N-Nein, ich habe sicher keines!“, stieß Mai, leider wenig überzeugend hervor.

„Doch“ bestimmte Juni, blieb stehen und zeigte mit ausgestrecktem Arm auf Mai. Nervöser werdend, umklammerte sie unbewusst ihre Tasche.

„Was versteckst du da drin?“ Juni kam bedrohlich auf sie zu – sagen wir einfach, die Schatten zu dieser Uhrzeit taten ihren Dienst – und wollte ihr die Tasche enteignen.

„Juni, ich bitte dich. Verschreck' sie doch nicht so“, mischte März sich ein und ging ihrerseits leichtfüßig auf die Jüngere zu. „Was hast du da drin?“, fragte sie ausdruckslos.

Januar hatte eigentlich Schlaf vortäuschen wollen, linste nun aber doch mit einem Auge in Mais Richtung. Was war eigentlich schon alles schief gelaufen in diesem Jahr?

Mai spürte alle Blicke auf sich gerichtet, Februar schien ununterbrochen zu brummen und von April hörte sie leises Gemurmel und Gekicher – dass sie nicht ganz dicht war, war hinlänglich bekannt, aber in dieser Atmosphäre wirkte es beängstigend.

„Es... es tut mir leid. Ich... Ich weiß nicht, was ich machen soll.“ Die zurückgehaltenen Tränen liefen ihr in Sturzbächen über die Wangen. Aus ihrer Tasche zog sie ein Stück Papier und reichte es März.
 

Hallo Mai.
 

Hast du gedacht, dein und Julis Plan bleibt unbemerkt? Da hast du dich geirrt. Das hier ist ein Drohbrief und ich drohe dir damit, nie wieder arbeiten zu dürfen. Die früheren Monate, sowie Juni sind schon so gut wie aus dem Weg geräumt. Hüte dich davor, mit Juli Kontakt aufnehmen zu wollen.
 

Viel Spaß mit deinen... Früchten,

X
 

April war auf den Boden geplumpst, Januar auf Knien näher gekrochen und Juni hatte sich an eine der sie umgebenen Felswände gelehnt.

Februar war es leid, darüber nachzudenken, dass irgendwer nicht nur schneller als er selbst gewesen war, sondern auch unglaublich... rücksichtslos vorging. War er selbst wirklich von demselben Schlag?

„Es ist hoffnungslos“, stieß Mai aus.

„Moment, von was für Plänen redet X da?“, fragte April.

„Also... ich...“

„Sag' nichts!!“, erreichte sie eine Stimme aus dem Off. Umsehen brauchten sie sich nicht, die Steine werden es nicht gewesen sein, also blickten alle nach oben, Richtung Nachthimmel, vor dem sich eine schwarze Silhouette abhob. April meinte eine Peitsche erkennen zu können, alle anderen waren sich über einen Hut sicher.

„Juli!“, rief Mai und sprang plötzlich auf. Wie auch immer er das machte, er stand plötzlich mitten unter ihnen und begrüßte Mai mit einem leidenschaftlichen Kuss. Eine Hand um ihre Taille geschlungen und die andere noch immer die Peitsche haltend, die, irgendwo jenseits ihres Sichtfeldes, festgezurrt zu sein schien.

„Hi, Juli Jones“, kicherte April während Juni aufstöhnte, den Kopf in seinen Händen verbarg und Februar etwas von Karneval und Aufzug brummelte - und sich nicht anmerken lassen wollte, dass er beeindruckt war und ein wenig froh, nie den Versuch einer Entführung gestartet zu haben.

„Bye, bye“, sagte der jüngste Monat und verschwand gen Ausweg, mit Mai im Arm.

„Hey! Das ist beeindruckend. Bringst du mir den Trick auch mal bei?“ April schien ihren Spaß an der Darbietung, von der sie kaum etwas hatte erkennen können, gehabt zu haben. Kurz verharrten Mai und Juli auf einem der Felsen, ehe sie verschwunden waren.

„Aber...“, begann Januar, „was ist mit uns?“

„Hattet ihr etwa erwartet, der große Juli kommt und rettet uns alle?“, höhnte Juni. „Wir sitzen hier fest!“
 

„Juli! Ich bin ja so froh. Ich hatte mir schon solche Sorgen gemacht.“ Mais Stimme nahm ungeahnte Höhen an.

„Du kannst damit aufhören, wir sind außer Hörweite“, erwiderte Juli, während sie an einem Stein vorbeikamen, unter dem etwas metallenes hervorlugte – hätten sie darauf geachtet, hätten sie vielleicht eine Wettermaschine erkannt, aber die beiden kümmerten sich schon lange nicht mehr darum.

„Gut.“

„Hast du alles besorgt?“, fragte Juli.

„Natürlich. Es ist mir ein leichtes, April auszutricksen, die ist immer nur mit sich selbst beschäftigt.“ Ein leises, gehässiges Lachen ertönte.

„Dann also los, keine Zeit verschwenden!“Die beiden Verbündeten machten sich in der Dunkelheit auf den Weg, ihre eigene Mission zu erfüllen.

Ernste Probleme

Drei Kreuze? Zwei Kreuze?

August schüttelte sich und seinen Kopf gleich hintendrein. Stilistisch war sein neuester Entwurf für den Hund, er taugte nichts, keinen Champignon war der Kram wert. Was sollte man zu so etwas bitte noch sagen?

"Aber es ist ja auch zum Verzweifeln!", rief er eher zu sich selbst als zu sonst jemandem aus. "Was soll ich nur machen mit einer Sprache, die so viele Löcher hat, dass man sie niemals wird stopfen können? Briefmarken für Postkarten, trockener Wein. Und dann noch diese ganzen Redewendungen, Sprichwörter und Wortspiele! Nein, ich kann die Ziege nicht einfach an den Hörnern packen. Wie auch? So viele Löcher, so viele Löcher..."

Diesmal schüttelte er nur den Kopf, aber dafür mit ganzem Körpereinsatz.

"Es macht einfach keinen Sinn!", schrie er und schoss sich aus lauter Frust selbst in den Fuß. (Er bereute es schnell, da es mehr weh tat als gedacht, um eine wüste Schimpftirade auf jegliche Weltsprachen loszulassen, die hier lieber nicht wiedergegeben werden soll.)

"Es ist doch zum Mäusemelken! Wie kann ich einen dichten Teppich aus Sprache weben, wenn das daran scheitert, dass er dank der vielen Löcher ja doch nicht fliegt?! Wie kann ich etwas zum Schweben bringen, das einfach keine Flügel hat?"

Er salzte sein neuestes Werk in die Ecke, das mit der Eleganz einer betrunkenen Schnecke kurz vor dem Exitus dort auf dem Boden aufklatschte. Blau, die Farbe der Poeten. Er lachte bitter. Dieser Teppich würde sicher nicht so schnell in die Freiheit entkommen. Er hatte mit ihm erst noch einen Truthahn zu rupfen. Ja, einen Truthahn – ein normales Hühnchen würde die Menge an Federn gar nicht aufbringen können, die er diesem Teppich (bildlich gesehen, natürlich) bald ausreißen würde. Aber blau, das war keine schlechte Idee. Ganz aus der Nähe betrachtet war es zwar auch keine ehrliche Option, aber Optionen waren so oder so rar gesät, also griff er entschlossen zur Flasche, nahm einen kräftigen Schluck Wodka und stellte das noch fast volle Gefäß genauso entschlossen wieder beiseite. Mit diesem Gesöff würde er sich wohl nie wirklich anfreunden. Das hätte er sich nach den letzten sieben erfolglosen Versuchen ja eigentlich zusammenreimen können.

"Außerdem ist es ja keine Lösung", murmelte er genervt, indem er Oktobers Tonfall nachahmte und den handschriftlich beschriebenen Aufkleber betrachtete, der gut leserlich und genauso minimalstkariert wie sein Besitzer verkündete, dass der Inhalt dieses Drecksdings doch ein Destillat war.
 

Er überschlug kurz seine Materialkosten für diesen Monat und kam zu dem Entschluss, dass er sich vielleicht etwas damit beeilen sollte, eine Lösung für sein Problem zu finden, wo er schon bei dem Thema Lösung war, als es an der Tür klopfte.

"Na klasse, auch das noch", murmelte August. Sicher war das wieder irgend jemand, der auf die dumme Idee gekommen war, ihm Beschwerdebriefe zu schicken. Zu heiß, zu sonnig, zu schwül, zu trocken, zu gewitterig... dabei hatte er einfach nicht die Zeit, sich um solchen Firlefanz wie das Wetter zu kümmern. Er hatte Wichtigeres zu tun. Der Teleporter war ja schließlich auch noch nicht fertig.

"Wer stört?", blaffte er also so freundlich wie ein Becher Sahne nach 3 Tagen Sommerhitze, als er die Tür aufriss. Aber statt eines verängstigten Postboten mit nervös zuckendem Auge, wie sie normaler Weise aufzutauchen pflegten, stand da September. Und sah nicht sehr glücklich aus.

"Komm mit", sagte er schlicht. "Wir müssen reden. Und zwar nicht nur", August fühlte sich von oben bis unten abschätzig gemustert, was daran liegen konnte, dass genau das auch der Fall war, "wegen deiner Umgangsformen und deines Aussehens. Es gibt ernste Probleme."
 

Der Tag fing ja schon gut an...

Von nicht abgelieferten Geräten und einer neuen Nachricht

Normalerweise vermied September jeglichen Kontakt mit August, sorgte dessen äußeres Erscheinungsbild doch jedes Mal wieder dafür, dass ihm übel wurde. War es denn zu viel verlangt, wenigstens ein kleines bisschen auf sein Aussehen zu achten?

Sobald er die Willenskraft und die Zeit dazu fand, würde er sich Augusts Garderobe annehmen. Und ihm normalsterbliche Umgangsformen näher bringen.

Und momentan gab es sowieso andere Probleme als Augusts eindeutig nötiges Umstyling.

„Was kann es denn so wichtiges geben, dass ich meine Arbeit unterbrechen muss?“

September seufzte. Warum war ihm nur klar gewesen, dass August ihm nicht einfach folgen würde, wie er es sich eigentlich gewünscht hatte? Er schnaubte missbilligend.

„Als ob ausgerechnet du dich ordentlich um deine Aufgaben kümmern würdest. Du bist immerhin derjenige, der die meisten Beschwerdebriefe bekommt.“ September hielt einen Moment inne und versuchte, an August vorbei einen Blick in dessen Arbeitsraum zu erhaschen. „Bist du eigentlich immer noch mit dieser hirnrissigen Teppichwebaktion zugange?“

August sah aus, als hätte er in etwas sehr Saures gebissen (nicht, dass er ihn nicht vorher auch schon so gemustert hatte, der Eindruck verstärkte sich noch).

„Also ja“, stellte September fest. „Bevor du dich aber jetzt aufregst – glaub ja nicht, ich hätte, die pochende Ader auf deiner Schläfe nicht gesehen – darauf wollte ich nicht hinaus.“

September legte eine Kunstpause ein, in der er genüsslich Luft durch die Nasenlöcher einsog. Innerlich bereitete er sich auf einen langatmigen Erklärungsversuch vor.

Allerdings gehörte Augusts Aufmerksamkeit voll und ganz ihm, wie ihm ein vorsichtiger Blick auf ebendiesen verriet.

Er beglückwünschte sich zu seinem genialen Schachzug, niemand rechnete damit, dass er nicht unfreundliche Worte für seinen Vorgängermonat übrig hatte.

Nachdem er sich sicher war, lange genug gewartet zu haben, setzte er zu einer Erklärung an.

„Nun, wie du sicher weißt, sollte ich sowohl den Regenbogenspiegel als auch den Regenmacher und die Sonnenstrahlenpistole zum Anfang meiner Schicht erhalten. Ich war schließlich schon lange nicht mehr damit dran, mich mit diesen beiden in ihrer Schönheit nur noch von der Blitzmaschine zu messenden Geräten angemessen austoben zu können, diese Farben sind aber auch … Ich bin schon wieder abgeschweift, oder?“

Das Brummen aus Augusts Richtung war Antwort genug. September spürte, dass er ein kleines bisschen rot wurde. Er wusste, wenn es um die schönen Dinge des Lebens ging konnte er schnell ausschweifend werden.

„Ich versuche, beim Thema zu bleiben, in Ordnung?“, fragte er in beschwichtigendem Ton. „Also, wie gesagt, sollte ich diese beiden Geräte erhalten, jedoch hat sich niemand bei mir gemeldet oder die Gegenstände abgeliefert. Und da ich keine Ahnung habe, wo April und Mai, die die Geräte laut dem aktuellsten Plan besitzen sollten, genau wohnen, hab ich versucht Juli zu erreichen.“

„Und?“, unterbrach ihn August. September schnaubte.

„Dazu wollte ich doch kommen, mein Gott!“ Bevor August ihn darüber belehren konnte, dass die Aussage über Gott so nicht stimmte, fuhr er fort: „Von Juli ist keine Spur zu finden, und neben Oktober und dir ist er der Einzige, von dem ich den Aufenthaltsort kenne. Da aber weder April noch Mai sich irgendwie bemerkbar gemacht haben, und du wirst mir zustimmen, bei April ist das sehr verwunderlich, dachte ich, ich komme bei dir vorbei und frage dich, was du davon hältst. Irgendwas kann da doch nicht in Ordnung sein, oder?“

September traute sich nun doch, August noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Man konnte ihm ansehen, dass er nachdachte, aber der sorgenvolle Ausdruck auf seinem Gesicht war für ihn ein Zeichen, dass es richtig gewesen war, August aufzusuchen. Was diesen von seiner Arbeit abzulenken schaffte war mehr als einen Gedanken wert.

„Das klingt tatsächlich so, als wäre da etwas nicht in Ordnung“, äußerte sich August. „Und was gedenkst du nun zu tun?“

„Nun ja, wir könnten Oktober aufsuchen, wenn jemand die Übersicht hat, dann er. Außerdem wäre es toll, wenn wir ein wenig über den Verbleib der Geräte recherchieren könnten.“

Immerhin hatte er sich seit Jahresanfang auf seine persönliche Spielzeit gefreut, das wollte er sich nicht nehmen lassen.

August musterte ihn und September war sich sicher, dass seine Beweggründe sehr deutlich von seinem Gesicht abzulesen waren. Eigentlich hatte er sich schon verraten, als er angefangen hatte, über Regenbögen zu reden. Aber ändern konnte er es nun auch nicht mehr.

Genau diesen Moment, den August gewählt hatte, um zu einer Antwort anzusetzen, nutzte eine Brieftaube, deren Anflug keiner von ihnen wahrgenommen hatte, um sich auf Septembers Kopf niederzulassen. Dieser wusste nicht ob es der generelle Anblick der Szenerie oder sein garantiert unmännliches Quietschen war, der Augusts Lachanfall verursachte. Er konnte aber definitiv sagen, dass ihn selbst beides wenig amüsierte.

„Können diese blöden Vögel nicht endlich mal lernen, dass ich es hasse, wenn sie meine Haare als Landeplatz benutzen?“, grummelte er, während er die Taube unsanft auf seinen Arm beförderte. August hatte sich immer noch nicht wieder eingekriegt, September versuchte es aber so gut wie möglich zu ignorieren und machte sich daran, die Nachricht vom Bein des Vogels zu entfernen.

Dieser erhob sich wieder in die Lüfte, nachdem das Papier sicher in Septembers Hand ruhte.

Er entfaltete das Blatt, und nachdem er die Zeilen darauf gelesen hatte, spürte er sein Herz ein wenig zu schnell schlagen.

„Wir sollten definitiv Oktober aufsuchen“, sagte er und reichte die Nachricht an August weiter, der sich glücklicherweise inzwischen wieder beruhigt hatte. Nachdem dieser das Geschriebene ebenfalls überflogen hatte, nickte er nur.

„Du kennst den Weg“, stimmte er schlicht zu.

Wie Kürbisgesicht und Vogelvieh

Ja, September kannte den Weg zu Oktober gut, denn auch, wenn er es nicht zugeben wollte, besuchte er diesen Sonderling gern.

Dass sie bald ankommen würden, sahen die beiden reisenden Monate allein schon an den endlos langen Kürbisreihen, die die Straßen säumten, und an den Krähen, die lauthals schreiend ihre Runden am wolkenverhangenen Himmel drehten.

Zudem hatten sie auch die Warmwetterzone längst hinter sich gelassen, denn noch war die Luft um sie herum zwar nicht wirklich kühl, sondern fühlte sich einfach nur nass und klamm auf der Haut an, als hätten sich Herbstnebel erst kurz vor ihrer Ankunft verzogen.

Nach und nach verstummte das Vogelgekrächze um sie herum und wich einer unheimlichen, ganz und gar nicht natürlichen Stille, die sich immer dichter auf ihre Ohren legte, je näher August und September dem steinernen Turm kamen, der sich plötzlich nicht länger hinter einem der vielen Hügel zu verstecken suchte und anklagend in die Höhe zeigte.

August schluckte mühsam. „Hier ist Oktober also beheimatet?“

Bislang hatte er seinen drittjüngsten Kollegen immer gemieden, sofern dies möglich war. Natürlich hatte er den Gerüchten nicht entgehen können, aber dies… erschien ihm übertrieben dramatisch. Obwohl er genau spürte, wie eindrucksvoll diese Szenerie doch war.

„Ja. Aber… irgendetwas stimmt hier nicht!“, misstrauisch sah September sich um.

„Was?“, instinktiv hielt August nach irgendwelchen irreführenden Begrifflichkeiten Ausschau, doch nicht einmal ein mickriges Teekesselchen ließ sich blicken. „Ich finde hier alles ganz normal. Also – so normal es bei einem Monat, in dessen Wirkungsbereich etwas wie Halloween, „Die Nacht der lebenden Toten“, fällt, nur sein kann.“

September antwortete nicht, sondern stieß das schwere Eingangsportal auf und stapfte energisch in die dichte Dunkelheit vor ihm.

„He! Hältst du das wirklich für eine gute Idee?“, der ältere der beiden Monate sah ihm unschlüssig nach. „Ach, was soll’s. Hoffentlich sind hier keine Katzen.“ Schulterzuckend schloss er sich ihm schließlich an.

Die mächtige Eisentür fiel hinter ihnen mit einem ordnungsgemäßen Donnern ins Schloss.

„Vorsicht, hier fängt die Treppe an“, warnte September vor, und tatsächlich stolperte August wenige Sekunden später auch schon über die erste Stufe.

„Du bist richtig oft hier, oder?“, wollte letzterer neugierig wissen. „Ich glaub, ich weiß nicht mal bei mir zu Hause, was wo ist, wenn ich nicht hinschauen kann – apropos hinschauen, was sind das da für eigenartige Augen?“

„Seine Tauben. Psst jetzt!“

Im Grunde, und das war ihnen klar, hatten sie mit allem gerechnet. Plänen und Versuchen für Halloweenscherze, Maschinen zur Herstellung von Schokoladenbergen, Material für Dekorationen… Doch das Bild, das sich ihnen darbot, als sie um die letzte Kurve der Wendeltreppe gegangen waren, war tatsächlich etwas Unerwartetes.

Nun, wer hätte auch schon damit gerechnet, in einer Ecke des Raumes zusammen gekauert den gesuchten Monat zu entdecken, der sich gebannt anhörte, was eine einzelne Taube der vor ihr versammelten Vogelarmee zu gurren hatte?

Als August sich beiläufig umdrehte, bemerkte er, dass sich hinter ihnen beiden weitere Piepmätze versammelt hatten, als ob sie verhindern wollten, dass sie sich mir nichts dir nichts aus dem Staub machten.

„Herr Spukschädel!“, rief August aus, „Was geht hier vor?“

Atemloses Schweigen folgte diesen Worten, nicht eines der Tiere rührte sich, und auch die anthropomorphen Manifestierungen gaben sich die größte Mühe, einer vorbeikommenden Nadel nicht die Ehre zu nehmen, beim Herunterfallen von allen Anwesenden gehört zu werden.

Unvermittelt stieß eine der Tauben einen heiseren Schrei aus. Alle anderen – alle, bis auf eine – antworteten ihr. Flügelklappern. Federn in der Luft.

Zehn Sekunden später hatte sich der ganze Schwarm durch vier enge Turmfenster hinaus ins Freie gequetscht, bis auf jenes Vieh, das eben geschwiegen und zuvor zu allen anderen gesprochen hatte: Sie saß nun auf der Fensterbank und blickte ihren Schwestern sehnsüchtig hinterher.

Oktober streichelte ihr sanft den Schnabel.

Heimlich wunderte August sich, warum September immerzu an seiner Kleidung rumkrittelte, die von dem Taubenfreund jedoch nicht einmal mit einem schiefen Blick bedachte – diese eigenartigen Kombinationen aus schwarz, weiß, orange und Streifen konnten doch gar nicht modisch sein, von den spitz zulaufenden Schuhen ganz zu schweigen!

„Oktober“, riss September August aus seinen Gedanken, „Was zum Kuckuck ist hier eigentlich los?“

Der Herbstmonat seufzte melancholisch. „Ich habe ihnen das Lesen beigebracht. Es erschien mir richtig, verstehst du? Und stell dir mal vor, was für eine Überraschung es für November gewesen wäre, wenn sie auf einmal Poes Gedichte vorgelesen hätten! Oh, ich bin ja so froh, dass ihr meinen Brief bekommen habt, ihr beide! Möchtet ihr zum Dank ein Glas Kürbissaft?“

„Kürbissaft?“, echote August sprachlich ungeschickt.

„Ja“, antwortete Oktober ohne jeglichen Spott in der Stimme, „Wir haben so viele von den Dingern, ich weiß gar nicht mehr, was ich noch alles damit machen soll! Und jeden Tag gibt’s Kürbis. Zum Frühstück Kürbisbrot mit Kürbiskernen und Kürbismarmelade, zum Mittagessen gebratenen Kürbis mit Kürbissoße und Kürbispudding als Nachtisch, abends dann Kürbissuppe mit dem restlichen Kürbisbrot vom Morgen…“

Er nahm die bereitstehende, bauchige, orangefarbene Karaffe von einem ziemlich wackelig aussehenden Tisch und stellte fest, dass ihm die Gläser bei dem Aufruhr eben auf dem Boden kaputt gesprungen waren, zuckte mit den Schultern, und goss den Saft zum Fenster heraus.

„Die Schokolade darf ich leider nicht anrühren, die ist ja nicht für mich. Oh, wenn ich doch nur einmal in meinem Leben Erdbeeren essen könnte!“, schwärmte der Jüngste mit glänzenden Augen vor sich hin und vergaß angesichts dieses kulinarischen Leckerbissens in seinen Gedanken die Welt um sich herum.

„Und weiter?“, unterbrach September die Phantasiererei rüde. „Hör zu, es ist wichtig! Irgendetwas ist im Gange.“

Mühsam riss sich Oktober von seinen Erdbeerträumen los. „Ähm… ich habe einen Brief bekommen. Ich selbst habe ihm keine Beachtung geschenkt – er war scheinbar falsch zugestellt worden – und habe ihn offen liegen gelassen. Und dann haben ihn die Tauben gesehen…“

„Und sind ausgeflippt? Ich wusste ja, dass man diesen Biestern nicht trauen kann, ich hab’s dir ja gesagt! August, was gibt es da zu lachen?“

„Nichts!“, antwortete dieser rasch. Tatsächlich fand er es jedoch sehr erheiternd, dass ausgerechnet September die Worte „Ich hab’s dir ja gesagt!“ verwendete, und dass sie, aus seinem Munde kommend, tatsächlich so klangen, als wären sie nur für den neunten Monat des Jahres erfunden worden. Erstaunlich!

September ließ die Sache auf sich beruhen und fragte lieber, ob er den Brief einmal sehen könne.

„Natürlich!“, erwiderte Oktober, „Da vorne liegt er!“

Das Papier war über und über mit Taubenkot bedeckt, in dem kleine Federchen fest hingen, dennoch war es glücklicherweise leicht möglich, zu lesen, was dort stand.

Oktober,

X hat mich gefunden und Juli Jones den Indios überlassen, die wütend auf ihn sind!

Schnell, hole die anderen – befreie mich! Ich weiß nicht, was ich sonst tun soll… ich habe keine Zeit mehr, bitte! Ich zähle auf dich!

Mai

Die letzte Chance

September konnte ein entnervtes Seufzen nicht zurückhalten.

„In was für einen Schlamassel sind wir da rein geraten?“, fragte er mit leicht hysterisch klingender Stimme. „Da hab ich mal Glück bei der Verteilung der Wettermanipulationsmaschinen und dann geht alles den Bach runter!“

August ging nicht weiter auf seinen Kollegen ein, sondern widmete sich mehr dem Inhalt des Briefes: „Was hat Juli getan, um mit den Indios im Clinch zu liegen? Und wer ist dieser X?“

Oktober blieb indes nichts weiter übrig, als die beiden stirnrunzelnd zu beobachten. Innerlich verfluchte er sich dafür, dieses Jahr nicht wie sonst auf den Ablauf der Schichten vor ihm geachtet zu haben, aber ändern konnte er das jetzt auch nicht mehr. Trotzdem würde er versuchen, ein wenig Ordnung in die Sache zu bringen.

„Wenn wir wüssten, wer X ist, dann würde er oder sie vermutlich nicht X genannt werden.“, begann er. „Und was Juli und die Indios angeht …“

September fiel ihm ins Wort, eine Eigenschaft des älteren Monats, die Oktober bei jedem ihrer Treffen erneut ärgerte.

„Bitte keine langatmigen Erklärungen. Ich vermute, er hat bei einem seiner Abenteuer über die Stränge geschlagen?“

Oktober nickte bestätigend. Tatsächlich sah der Sachverhalt etwas anders aus, aber den Kern des Problems hatte September erfasst.

„Dann sollten wir ihn als erstes retten, oder?“, schaltete sich August in diesem Moment ein. „Ich weiß zwar nicht, wie groß dieser Groll gegen Juli ist, aber er ist mit Sicherheit in der brenzlichsten Situation. Und“, fügte er noch hinzu. „Wer weiß, vielleicht hat dieser X ja auch etwas damit zu tun, was mit den Wettermaschinen ist.“

„Worauf warten wir dann noch?“, wollte September wissen. „Je schneller wir die Angelegenheit hinter uns bringen, desto schneller sollte alles wieder seinen geordneten Gang gehen.“

Sowohl August als auch September wandten sich zum Gehen.

„Wartet“, stoppte Oktober sie mit einem grüblerischen Gesichtsausdruck. „Seid ihr sicher, dass wir das alleine schaffen?“

Stille senkte sich über den Raum. Die drei Monate sahen sich gegenseitig an, dann seufzten sie beinahe synchron.

„Was sollen wir denn machen?“, äußerte sich September kopfschüttelnd. „Die Anderen können wir ja schlecht um Hilfe bitten, wir wissen ja nicht wo sie sind. Mal abgesehen von Juli.“

„Wir können schon …“, korrigierte Oktober. „Wir könnten beispielsweise November fragen, ob sie uns hilft.“

September sah ihn an, als hätte er vorgeschlagen, sich in eine Wanne voller Säure zu stürzen.

„Wir können doch nicht … sie ist … weißt du nicht, was man über sie sagt?“

Oktober legte den Kopf schief.

„Was denn?“, wollte er wissen.

„Sie soll … ach, vermutlich sind die Gerüchte wieder einmal ein wenig zu übertrieben, aber … es reicht um einem Angst zu machen.“

Oktober schüttelte den Kopf. Eigentlich hätte er sich denken können, dass September eine Klatschtante war, aber dass er dem auch noch Glauben schenkte … Obwohl er eigentlich nicht ganz unrecht hatte.

„Sie kann durchaus schwierig sein, aber ich kenne sie gut genug, um eventuelle Fettnäpfchen zu umgehen“, teilte er seinen Kollegen mit. „Und wir können jede Hilfe gebrauchen, die wir bekommen können.“

September war es augenscheinlich immer noch nicht recht, ihre Kollegin um Hilfe zu bitten, aber er nickte trotzdem. Oktober hielt sie noch einmal auf, bevor sie seinen Turm verlassen konnten.

„Ich muss noch einmal kurz in die Küche. Wenn wir zu November gehen dann muss ich ihr etwas vom Kürbisbrot mitbringen.“
 

September kam nicht umhin zu bemerken, dass Oktobers Lächeln breiter wurde, als sie sich der massiven Mauer näherten, die das Anwesen umgab, in welchem November beheimatet war. Wenn er ehrlich war, konnte er seinen Kollegen nicht verstehen, immerhin liefen sie gerade in die Höhle des Löwen hinein … Aber Oktober kannte November vermutlich besser als er, weshalb er augenscheinlich auch weniger Angst hatte; und ja, er gab gerne zu, dass er sich eingeschüchtert fühlte.

Das große Tor, welches sich in der Mauer befand, war verschlossen, doch Oktober führte sie zielsicher zu einem kleinen Mauerstück etwas abgelegen von diesem offensichtlichen Eingang.

„Du kennst dich gut aus hier“, stellte September beeindruckt fest, als Oktober einen der vielen gleich aussehenden Steine der Mauer aus ebendieser zog und einen kleinen Hohlraum mitsamt einem Schlüssel freilegte.

Das Grinsen auf Oktobers Gesicht mutete ein wenig kindisch an.

„Als wir noch jünger waren, und die Monate untereinander noch komplett getrennt waren, haben wir hier immer Nachrichten füreinander versteckt“, erklärte er. „Wir kannten uns ja noch von den Prüfungen für die Wettermaschinen-Lizenz.“

Dass sie sich dort augenscheinlich gut verstanden haben mussten, ließ sich aus dieser Aussage ableiten. September wunderte sich einmal mehr über seinen Kollegen.

Dieser führte sie, nachdem er den Stein wieder an seine vorgesehene Stelle gesetzt hatte, weiter an der Mauer entlang zu einer kleinen Tür.

„Unser Schleichweg, als wir noch jung waren“, erklärte er und öffnete die Tür. „Damals gab es die Tür und den Schlüssel noch nicht, dafür aber einen kleinen Durchgang …“ Ein glückliches Lächeln legte sich auf Oktobers Gesicht. „Das waren noch Zeiten …“

„Können wir weitergehen?“, fragte August. Er fühlte sich augenscheinlich genauso unwohl wie September.

„Natürlich“, antwortete Oktober.

Sie überquerten einen kleinen Vorhof und kamen zu einer für den Rest des Anwesens unpassend schlichten, aber trotzdem nicht weniger wuchtig wirkenden Holzpforte an. Oktober klopfte.

„November?“, rief er und September fragte sich unwillkürlich, ob er tatsächlich dachte, dass er in einem solch großen Haus tatsächlich gehört werden würde. „Ich bin’s, Oktober!“

Die Tür vor ihm öffnete sich mit einem Knarren. Vorsichtig folgten September und August, als Oktober fröhlich in ein cremefarbenes Foyer trat.

„Entschuldige, dass ich nicht selbst an der Tür war, ich musste nur eben … oh.“

September starrte die junge Frau an, die nun am Fuße der breiten Treppe stand, welche in die höher gelegenen Geschosse führte. Sie war durchaus attraktiv, hätten ihre Mundwinkel, die am Anfang noch zu einem Lächeln geformt gewesen waren, eine plötzliche Wanderung nach unten begonnen. „Welch … überraschender Besuch.“

„Ich hätte sie nicht mitgebracht, wenn es nicht eine dringende Angelegenheit wäre“, versuchte Oktober die Anwesenheit seiner Kollegen zu erklären. „Es gibt scheinbar ein Problem mit einer Person, die sich X nennt und die eventuell etwas damit zu tun hat, dass unsere Mitmonate nicht zu erreichen sind und auch von den Wettermaschinen keine Spur zu finden ist …“

„Immer langsam!“, unterbrach November ihn. „Zuerst einmal: Hast du daran gedacht, mir meine Ausgabe von Poes Gesamtwerk wieder mitzubringen? Ich habe es in der letzten Zeit sehr vermisst, einfach darin zu lesen.“

Oktobers Miene hellte sich auf.

„Nicht nur das, ich habe dir auch Kürbisbrot mitgebracht!“

Nachdem er November das Buch und die beiden Brotlaibe gereicht und sie diese auf einem kleinen Beistelltisch im Foyer abgelegt hatte, wandte sie sich an Oktober. „Hier geht es um irgendein Problem mit den Wettermaschinen, an dem vermutlich ein gewisser X Schuld trägt. Es gibt keinen Anhaltspunkt, warum X tut was er vielleicht tut, wer er ist wisst ihr auch nicht, und wo sich die anderen Monate aufhalten ist auch unklar. Ist das soweit richtig?“

Oktober nickte, während seine beiden Kollegen damit beschäftigt waren herauszufinden, wie November es schaffte, die Situation korrekt zusammenzufassen und sie dabei auf eine Art und Weise zu präsentieren, dass die Rolle, welche ihre Vorgängermonate darin spielten, einfach nur lächerlich klang.

„Dann frage ich mich“, fuhr November fort. „warum ihr hier seid.“

„Dazu wollte ich gerade kommen“, sagte Oktober in entschuldigendem Tonfall. „Mai hat es irgendwie geschafft, uns eine Nachricht zukommen zu lassen, aus welcher zumindest hervorgeht, dass Juli sich bei den Indios befindet, die ihm allerdings nicht sehr wohl gesonnen sind. Und wer weiß, vielleicht weiß er mehr als wir. Außerdem …“ Er stockte. „Außerdem möchte ich dich an das letzte Mal erinnern, als wir einen Monat verloren haben. Möchtest du noch einmal durch die Tortur gehen, einen Ersatz im passenden Alter zu finden, der der Aufgabe gewachsen ist?“

„Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob wir damals die richtige Wahl getroffen haben“, murmelte November mit einem leichten Schaudern, ihr Blick ruhte auf September. Dieser hob abwehrend die Hände.

„Was kann ich dafür, dass mein Vorgänger drei Mal durch die läppische Prüfung für die Wettermaschinen-Lizenz gefallen ist?“

„Gar nichts. Was aber nicht heißt, dass du ein Nachfolger ohne Makel bist.“

Bevor die Situation weiter eskalieren konnte, schaltete sich Oktober erneut ein.

„Hilfst du uns, Juli zu retten?“

„Warum sollte ich?“, antwortete sie prompt. „Was interessieren mich die anderen Monate und ihre Probleme? Und was die dummen Maschinen angeht, die sind sowieso total altmodisch und unhandlich. Da bricht man sich bei der Bedienung eher einen Fingernagel ab, als dass was Ordentliches dabei herauskommt. Außerdem … ich brauche sowieso nur ein wenig Wind, und den kann ich auch ohne das passende Gerät erzeugen.“

Dass sie für die übermäßige Nutzung dieser Fähigkeit schon mehrfach abgemahnt worden war, ließ sie lieber unerwähnt. Sowieso hatte dieses unwichtige Detail auch niemanden zu interessieren.

Die anderen drei Monate starrten sie sprachlos an, Oktober wirkte sogar ein wenig geknickt. Vielleicht war ihr Kommentar über ihre Mitmonate doch verletzender gewesen als sie gedacht hatte. November schenkte ihrem Vormonat ein freundliches Lächeln.

„Aber das ist ja auch nicht weiter wichtig. “

„Bist du dir sicher?“, fragte Oktober. Er klang wirklich geknickt. „Stell dir vor, das hätte auf uns alle Auswirkungen, und wir würden – im schlimmsten Falle – alle unsere Anstellung verlieren, weil wir nicht geholfen haben. Und ich meine, es ist wirklich keine anstrengende Arbeit. Ich hatte Zeit, den Tauben lesen beizubringen … und ein Monat wirkliche Präsenzzeit ist ja auch nicht unbedingt viel.“

September sah Oktober perplex an. Appellierte er gerade tatsächlich an Novembers Bequemlichkeit, obwohl er sie zu etwas unbequemen bringen wollte?

Doch scheinbar hatte Oktobers Strategie tatsächlich Erfolg, denn November sah nachdenklich aus.

„Die Stellung ist wirklich gut“, sagte sie. „Und du meinst tatsächlich, dass die Sache solche Dimensionen annehmen könnte?“

Oktober nickte. November schwieg noch kurz, dann aber straffte sie ihre Schultern.

„Wartet einen Moment, bitte. Eine Dame braucht immer ihre Notfalltasche bei sich.“

Mit diesen Worten verschwand sie in einem der vielen Zimmer, welche vom Foyer aus zu erreichen waren. September schaute August fragend an, dieser zuckte nur mit den Schultern.

Plötzlich war, neben dem Geräusch von sich öffnenden und schließenden Schubladen, ein lautes Krachen zu vernehmen, welches sie alle zusammenzucken ließ. Alle Geräusche aus dem Zimmer, in welchem November verschwunden war, waren verstummt.

„November?“, fragte Oktober vorsichtig.

„ICH BRING IHN UM!“, zerschnitt Novembers Stimme die Luft. „Das nächste Mal wenn ich ihn sehe, reiße ich dem Giftzwerg seinen verdammten Kopf ab.“

„Von wem redet sie?“, flüsterte September. Oktober wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als November ins Foyer gestürmt kam. Aus ihren Augen sprach pure Mordlust, ihr Kleid war an zwei Stellen eingerissen, von einem der Ärmel schienen Rauchschwaden aufzusteigen und September war sich sicher, eine rot glühende Aura um sie herum wahrnehmen zu können. Das sah nicht gut aus.

Ohne ein Wort zu sagen, stürmte sie an ihnen vorbei und rauschte die große Treppe hinauf. Eine Tür knallte, dann kehrte wieder Stille ein.

„Ähm“, brachte September wortgewandt heraus. Die Gesichter seiner Kollegen drückten genau das aus, was er gerade dachte: Was zum Jahreszeitenwechsel war gerade passiert?

„Ich fürchte, Dezember hat ihr wieder einmal eine seiner Spielereien dagelassen“, versuchte sich Oktober an einer Erklärung. „Die beiden … sind nicht gerade die besten Freunde, was vielleicht daran liegen mag, dass ihre erste Begegnung nicht unbedingt optimal verlaufen ist.“

In diesem Moment stürmte November die Treppe herunter, sie trug nun ein komfortabel aussehendes graues Kleid und trug eine Tasche derselben Farbe bei sich. Noch immer sah sie nicht ansatzweise so ruhig aus, wie am Anfang ihres Besuches, doch die bösartige Aura war verschwunden.

„Kommt“, befahl sie schlicht, nachdem sie die Kürbisbrote, die Oktober ihr mitgebracht hatte, in ihrer Tasche hatte verschwinden lassen. „Ich muss mich dringend abreagieren.“
 

Dank der Landkarte, die Oktober bei sich hatte, war der Aufenthaltsort der Indios schnell ausfindig gemacht. Schon von weitem waren einzelne Rauchschwaden und Hütten zu sehen.

August hätte sicher den korrekten Namen für diese inakzeptablen Behausungen gewusst, aber zur Rettung Julis trug dieses Wissen nicht bei. Dementsprechend konnte November getrost darauf verzichten.

Ohne auf ihre Begleiter zu achten marschierte sie schnurstracks auf das kleine Dorf zu. September räusperte sich vernehmlich hinter ihr.

„Was?“, keifte sie, und wirbelte bedrohlich – zumindest hoffte sie, dass es so wirkte – auf dem Absatz herum. Oh, wie sie das kaum wahrnehmbare Zittern und die vor Angst zuckenden Gesichtsmuskeln liebte…

„Sollten wir uns nicht besser einen Plan zurechtlegen, anstatt einfach kopflos zu den Indios zu gehen?“, fragte er.

„Warum denn?“, schoss sie prompt zurück. „Dann passt irgendwas an dem Plan nicht und Schwupps stehen wir da und haben keine Ahnung mehr, was wir machen sollen. Dann doch lieber alles ohne Vorbereitung auf sich zukommen lassen. Da kommen sowieso immer bessere Ergebnisse bei heraus.“

„Und wenn sie beschließen, dass wir als Julis Freunde, oder Bekannte … hör auf mich so anzustarren!“

„Seit wann sind die Männer solche ängstlichen Geschöpfe geworden?“, erkundigte sich November. „Wenn’s ein wenig haarig wird, na und? Mir soll’s recht sein, an mich als Frau wird sowieso als erstes kein Gedanke verschwendet. Und das gibt mir die Chance, mal wieder ordentlich auszuteilen.“

September lief es kalt den Rücken herunter. Was hatte Dezember sich dabei gedacht, diese Frau gegen sich aufzubringen?

„Hätten wir das jetzt geklärt?“, fragte November. Sie ließ niemandem die Zeit zu antworten. „Gut.“

Unbeirrt setzte sie ihren Weg fort, weiter auf das kleine Dorf zu.

„War sie schon immer so?“, flüsterte September Oktober zu. Er zuckte die Schultern.

„Sie war schon immer etwas … eigen“, antwortete er. „Aber erst seit Dezember und sie sich so in den Haaren liegen …“

„Hört auf zu flüstern wie die Waschweiber und bewegt euch!“

„Die Gute ist leicht herrisch“, merkte August an. Die anderen beiden ließen die Aussage unkommentiert und beeilten sich lieber, wieder zu November aufzuschließen.

Es dauerte nicht lange, bis sie von den ersten Einwohnern des Indio-Dorfes entdeckt wurden.

Und es dauerte ebenfalls nicht lange, bis sie von einer Schar von Menschen umringt waren.

Ein schon alter Mann trat auf sie zu, November blieb stehen. Die anderen Monate taten es ihr gleich.

„Was wollt ihr?“, fragte der Mann.

„Ich habe gehört, ihr habt einen Freund von uns zu Gast?“, fragte November. Sie wurde misstrauisch beäugt.

„Einen … Freund?“, echote der Mann, der offensichtlich der Hauptredner war.

„Cowboyhut, Abenteurer, ist euch vermutlich mal auf den Schlips getreten. Wurde von jemandem vorbeigebracht, der sich X nennt. Klingelt’s da?“

Die Miene des Mannes verfinsterte sich.

„Vielleicht“, antwortete er ungenau. Seine Reaktion war jedoch schon eindeutig gewesen.

„Wir hätten ihn gerne zurück“, stellte November eine klare Forderung. Oktober sah sich in diesem Moment gezwungen, einzugreifen.

„Wir verstehen natürlich, dass ihr einen gewissen Groll gegen ihn hegt, aber …“

„Er hat etwas von unvorstellbarem Wert mit sich genommen!“, brauste ihr Gesprächspartner auf. „Einen gewissen Groll hegen …“

„Wie gesagt, wir verstehen, dass er euch ein Dorn im Auge ist, aber es ist äußerst wichtig, dass wir ihn jetzt mit uns nehmen. Und ich bin sicher, wenn ihr ihm Gnade gewährt, wird er euch mit Freuden wiedergeben, was er euch genommen hat.“

November sah zwar leicht säuerlich aus – vermutlich hatte sie auf eine ausgewachsene Handgreiflichkeit gehofft – schien aber von den rhetorischen Fähigkeiten von Oktober trotzdem sehr angetan zu sein.

„Wie könnt ihr euch dem so sicher sein?“, wollte der alte Mann nun wissen. November lächelte.

„Oh, ein kurzes Gespräch mit ihm, und er wird tun, was wir sagen. Was ist es denn, was er … mitgenommen hat?“

„Ein geweihtes Messer, welches schon seit Generationen weitergegeben wird. Seid ihr sicher, dass ihr es wiederbeschaffen könnt?“

Oktober sah ihn zuversichtlich an.

„Wenn wir ihn kurz befragen dürfen bin ich sicher.“

Der Mann sah ihn noch einmal prüfend an, dann nickte er.

„Ihr findet ihn auf dem Platz in der Dorfmitte.“

Sie setzten ihren Weg fort, begleitet von ein paar neugierigen Kindern und Jugendlichen.

Und tatsächlich sahen sie Juli, als sie den Platz betraten. Bis auf die Tatsache, dass er vermutlich ein wenig zu viel Sonne getankt hatte und der Tatsache, dass er an einem Marterpfahl festgebunden war, schien es ihm gut zu gehen.

„Einen wunderschönen guten Tag, Jones“, begrüßte November ihn, als sie kurz vor ihm standen. „Es sieht so aus, als ob sie dich gehen lassen würden, wenn du ihnen eine Kleinigkeit, die du ihnen gestohlen hast, wiedergibst.“

Juli musterte sie kurz.

„Und warum sollte ich das tun?“, fragte er. September übernahm das Sprechen.

„Weil irgendetwas im Gange ist und wir deine Hilfe brauchen, um Mai und die anderen Monate zu finden“, sagte er. „Der einfachste Weg ist, wenn du dieses … Messer, was du mitgenommen hast, wieder dem rechtmäßigen Besitzer gibst. Ich persönlich möchte diese Indios nicht gegen mich haben.“

„Außerdem“, setzte November zuckersüß nach. „Glaubst du, dass du hier lebend wegkommst, wenn du nicht kooperierst?“

Juli schien einen Moment seine Optionen abzuwägen.

„In meinem linken Stiefel“, sagte er dann schlicht. August reagierte als Erster und fischte tatsächlich relativ schnell ein kleines, unscheinbar aussehendes Messer aus Julis Schuh. November rümpfte die Nase.

„Und da hast du dich nicht vorher schon freigekauft?“, fragte sie. „Komischer Vogel.“

Juli warf ihr einen bösen Blick zu. Sie beachtete ihn nicht weiter, sondern marschierte mit dem Messer zurück in die Richtung, aus welcher sie gekommen waren. September ging davon aus, dass sie die Waffe dem alten Mann überreichen wollte.

Oktober machte sich derweil daran, Juli von dem Marterpfahl zu befreien.

Es dauerte nicht lange, bis diese Aufgabe erledigt und November zurückgekehrt war. Stumm bedeutete sie ihnen, ihr zu folgen und gemeinsam verließen sie das Dorf. Nach einer Weile blieb November stehen.

„So, Jones, nachdem wir dich nun gerettet haben, darfst du uns erzählen, was du weißt.“ November traktierte den Boden unter ihrem Fuß mit gleichmäßigem Wippen ihres Fußes. „Aber zügig, wenn ich bitten darf, wir haben nicht ewig Zeit.“

Juli ließ sich auf den Boden fallen und sah sie herausfordernd an. „Danke, ich wäre auch ohne eure Hilfe zurechtgekommen.“

November stieß ein keckerndes Lachen aus, welches aus ihrem Mund absolut unnatürlich klang: „Ja, das habe ich gesehen.“

Julis Gesichtsausdruck wurde mürrischer. Keiner der anderen anwesenden drei Monate traute sich, irgendwie in die Situation einzugreifen. Schließlich seufzte Juli.

„Wo fange ich am besten an?“

„Am Anfang, zumindest habe ich gehört, das Geschichten dort beginnen“, antwortete November unwirsch. August sah aus, als wollte er eine Anmerkung machen, beließ es aber dann bei einem Schulterzucken.

„Also …“, setzte er an, und dann folgte eine bruchstückhafte Zusammenfassung des Problems der nicht funktionierenden Wettermaschinen, gefolgt davon, dass er und Mai allein unterwegs gewesen waren. „Dann hat X uns aufgelauert, mich den Indios überlassen und Mai verschleppt. Und dann seid ihr vorbeigekommen und habt mich gerettet.“

Juli streckte sich.

„Mehr weiß ich auch nicht, ich habe nicht mit den anderen Monaten gesprochen, als ich Mai abgeholt habe.“

„Aber du weißt, wo sie sich aufhalten, oder?“, wollte Oktober wissen. Juli nickte. „Dann sollten wir keine Zeit verlieren und sie retten, dann bekommen wir die ganze Geschichte zu hören und sind mehr, die über die Lösung des Problems nachdenken können.“

Juli sah nicht gerade glücklich aus, doch November konnte seinem Gesicht ansehen, er wusste, dass man sich für einen Gefallen – und der war seine Rettung ohne wenn und aber gewesen – revanchieren musste. Er erhob sich, klopfte Staub von seiner Hose und rückte seinen Hut gerade.

„Sie sind im Kesselsirrental. Wenn ihr mir also folgen würdet?“
 

„Ich glaube, ich werde deine Landkarten doch irgendwann zu schätzen wissen“, teilte September August mit, als sie den darauf eingezeichneten Pfaden über die unsichtbaren Felsen des Kesselsirrentals liefen. November vor ihnen schnaubte höhnisch, kommentierte das Gesagte aber nicht weiter.

„Es ist nicht mehr weit“, teilte Juli ihnen mit. „Nur noch ein kleines Stückchen geradeaus, und dann links. Dann müssten wir direkt auf die Felsspalte stoßen, in der die anderen eingesperrt sind.“

Oktober war in diesem Moment sehr froh darüber, dass es Juli war, der den Aufenthaltsort ihrer Kollegen kannte. Ein Abenteurer wie er vergaß offenbar nicht oft die Wege, die er beschritt.

Und tatsächlich waren bald Stimmen zu hören, die er eindeutig zuordnen konnte.

„Ich sage doch, da ist noch keine Kante!“

Das klang eindeutig wie Januar. Gleich darauf antwortete eine gereizte Stimme, die Oktober Februar zuordnen konnte.

„Gerade hast du noch gesagt, du hättest sie fast zu fassen bekommen! Viel öfter werde ich dich nicht mehr hochheben.“

Leises Kichern wehte zu ihnen herüber, dazu leises Getuschel, welches aber nicht zu verstehen war.

Plötzlich stieß Oktober gegen den plötzlich stehengebliebenen Juli. Seine sowieso in Mitleidenschaft gezogene Nase signalisierte ihm, dass sie nicht glücklich über eine erneute Kollision mit etwas hartem war.

„Warum bleibst du stehen?“, fragte er. Juli sah peinlich berührt aus.

„Ich will nicht der Erste sein, der ankommt. Meine letzte Anwesenheit bei den anderen war vielleicht nicht ganz so … vorteilhaft.“

„Du hättest einfach nicht nur mit Mai abhauen sollen“, stellte September fest.

„Und nicht ganz so vorteilhaft ist eindeutig eine ziemliche Untertreibung“, setzte August nach.

Juli funkelte die beiden böse an. Dafür, dass die beiden Monate den Ruf hatten, sich nicht leiden zu können, gaben sie ein ziemlich gut funktionierendes Team ab. Wenn er sich denn anmaßen durfte, die beiden als Team zu bezeichnen.

„Könnt ihr eure kleinen typisch männlichen Muskelspielchen bitte später weiterführen?“, wandte sich November an die drei. Peinlich berührt setzten sie ihren Weg fort.

Letztendlich war es November, die zuerst einen Blick in die Felsspalte werfen konnte, in welcher fast ein halbes Jahr gefangen war.

Juni schlug die Hände vors Gesicht, als er sie sah.

„Haben wir eigentlich nur Pech?“, fragte er, und Oktober war sich sicher, dass er nicht gemerkt hatte, dass er seinen Gedanken laut ausgesprochen hatte. Novembers Miene verfinsterte sich.

„Allein für diese Begrüßung sollte ich dich da unten verrotten lassen“, gab sie kühl zurück. „Aber da ich nun schon hier bin …“

„Hallo Tante November“, begrüßte April sie freundlich lächelnd. „Hast du uns was zu essen und zum Spielen mitgebracht?“

Oktober zog November geistesgegenwärtig vom Rand der Felsspalte zurück, andernfalls hätte sie sich vermutlich direkt hinunter und April an die Kehle gestürzt, und bedeutete September und August, das Seil, welches sie zur Rettung ihrer Kollegen mitgenommen hatten, in die Spalte herunterzulassen.

„Immer schön einer nach dem Anderen!“, bat September. Ein kleiner Tumult schien am Boden des Felsspaltes zu entstehen, dann spannte sich das Seil mit einem Ruck. Da sich November wieder soweit beruhigt hatte, dass Oktober sie losgelassen hatte, konnten sie helfen, das Seil festzuhalten, während die einzelnen Monate des ersten Halbjahres aus ihrem Gefängnis heraufkletterten.

Zuerst kamen die Damen – eine erleichtert aussehende Frau März folgte einer grinsenden April – danach folgten Juni, Februar und zu guter Letzt Januar. Letzterer sah glücklich in die Runde.

„Danke für die Rettung“, sagte er. „Ohne euch hätten wir es vermutlich nicht geschafft.“

Die anderen Geretteten nickten zustimmend, obwohl Juni sich einen kurzen Kommentar über Juli und „eine frühere Möglichkeit zur Rettung“ nicht verkneifen konnte.

„Was ist eigentlich genau passiert?“, fragte September. „Unser Wissen ist leider sehr begrenzt, was die Situation angeht.“

Und so begannen die Monate zu erzählen, was sich während ihrer Schichten zugetragen hatte. August, September und Oktober hörten genau zu, November betrachtete ihre Fingernägel, schien aber der Erzählung trotzdem zu folgen.

Als Juni schließlich damit endete, wie Juli Mai gerettet, den Rest allerdings zurückgelassen und ihren fruchtlosen Versuchen, ihrem Gefängnis zu entkommen, überlassen hatte, waren alle Mienen der jüngeren Monate nachdenklich geworden.

„Die Geschichte scheint größere Dimensionen zu haben als angenommen“, murmelte September. „Was ist nur los mit diesem Jahr?“

Niemand antwortete ihm.

„Wie dem auch sei, ihr müsst hungrig sein“, wechselte Oktober in diesem Moment das Thema. „Sofern ihr mögt, ich hab ein wenig Kürbisbrot dabei.“

Seine alltägliche Speise wurde mit einer Begeisterung angenommen, die er nicht für möglich gehalten hatte.

Während jeder von ihnen seine Brotscheibe verzehrte, herrschte wieder Stille.

„Juli Jones, was war jetzt eigentlich der Plan, den Mai und du verfolgt haben?“, fragte Juni plötzlich. Alle Augen wandten sich zu Juli, der einen Seufzer ausstieß.

„Ihr würdet es mir sowieso nicht glauben …“, verweigerte er mit einem Kopfschütteln eine Antwort.

„Sei dir da nicht so sicher“, widersprach Oktober. „Nach all dem, was dieses Jahr scheinbar schon vorgefallen ist …“

Überraschend für alle Anwesende wurde die Aufmerksamkeit auf ein gurrendes Geschöpf gelenkt, welches auf Oktobers Schulter landete. Dieser stieß einen Laut der Freude aus.

„Oh, das ist ja eine von meinen Tauben“, murmelte er glücklich. „Und einen Brief hat sie uns auch mitgebracht.“

Er reichte das Schriftstück an März weiter, fischte ein paar Kürbiskerne aus seiner Tasche und hielt sie der Taube zum Dank hin. Während diese die Mahlzeit dankbar annahm, entfaltete März das Blatt.

„Es ist von X!“, brachte sie hervor.

„Was steht drin?“, kam es fast gleichzeitig von den versammelten Monaten, ausgenommen April, die damit beschäftigt war, Oktober beim Füttern seiner Taube zu beobachten und November, die betont desinteressiert am Rande der Gruppe stand.

März räusperte sich.
 

Hallo Monate,
 

welch unerwartete Wendung des Geschehens! Ich hätte nie gedacht, dass August sich von seinen Studien losreißen würde. Oder das die werte November ihr pompöses Heim verlassen würde, welches im Übrigen einen neuen Anstrich vertragen könnte, meine Liebe.

Aber ich bin nicht böse, dass nicht alles nach Plan verlaufen ist, so bekommt alles noch eine gewisse Würze, nicht wahr?

Wie dem auch sei. Da wir Junis Schicht hinter uns gelassen haben dürfte euch klar sein, dass der Frostapparat ausgedient hat und unwiederbringbar verloren ist.
 

März hielt inne, das betretene Schweigen machte ihnen allen klar, dass die Situation für sie nicht gut aussah. Selbst April und November waren nun aufmerksam geworden.

„Weiter“, forderte letztere knapp, aber energisch. Die Anmerkung über ihr Haus hatte ihr laut ihrem Gesichtsausdruck übel aufgestoßen. Außerdem stand ihr die Frage ins Gesicht geschrieben, warum X wusste, wie es in ihrem Haus aussah. Hatte sie ihn vielleicht schon einmal zu Besuch gehabt? Eigentlich konnte sie sich das nicht vorstellen, aber trotzdem …

März seufzte, fuhr aber fort.
 

Da ich jedoch großzügig bin, gebe ich euch noch eine letzte Chance, Herrn Mutter und damit die verbleibenden Wettermaschinen zu retten.

Zumindest drei von euch müssten wissen, wo Dezember sich aufhält. Dort werdet ihr zum letzten Mal die Möglichkeit haben, euch zu beweisen.

Mai und ich warten auf euch.

X
 

Schweigen legte sich über die Gruppe. Passend zum Ende des Jahres würde also ihre Frist auslaufen.

„Wir dürfen nicht versagen, oder?“, fragte September leise in die Runde.

„Sieht so aus“, antwortete Juli, dessen Hände zu Fäusten geballt waren. Es war offensichtlich, dass er sich um Mai sorgte, die scheinbar immer noch in den Händen von X war. „Wir sollten keine Zeit verlieren, wer weiß, was X für uns geplant hat.“

März sah in der Runde herum.

„Wer von euch kennt den Weg zu Dezember?“, wollte sie wissen. „Ich denke doch mal, Januar und November wissen auf jeden Fall Bescheid, oder?“

„Ja“, antwortete November, die immer noch säuerlich dreinblickte. „Es ist zwar ein Wunder, dass ich freiwillig den Giftzwerg aufsuche, aber … scheinbar liegt euch allen viel an diesen Maschinen. Und ich habe da noch ein paar Hühner zu rupfen.“

Von Wichteln und weichgekochten Eiern

„Ihr seid sicher, dass dies der richtige Weg ist?“, hinterfragte Juni argwöhnisch. Zwar steckte sein rechter Daumen in seiner Westentasche und auch sonst ließ er sich nichts anmerken – September hatte im Gegensatz zu Juni schon dreimal fast seine Schuhe verloren –, doch Oktober war sich sicher, dass das Klima für einen Sommermonat nicht erquickend sein konnte, denn Oktobers Tauben hatten sich schon eine Weile nicht blicken lassen.

„Ist dir denn der Schnee noch nicht aufgefallen?“, höhnte November. „Ich muss gestehen, der Giftzwerg meint es in diesem Jahr wirklich gut.“

„Mit wem ist eine andere Frage“, warf Juli ein, der just seinen Hut von einigen Zentimetern Schnee befreite, die nur davon kamen, dass April ihre helle Freude daran hatte, Schneebälle nach allen anderen zu werfen. Flocken waren keine zu erblicken, der Himmel war klar und wusch traf sie auch schon wieder. Diesmal Februar auf den Hinterkopf, der sein typisches Brummen hören ließ.

Von den Gefährten war nur Juni, der sich selbst für diese Mission als zu schade ansah, wirklich unzufrieden. Doch die Ruhe täuschte. Sichtliche Anspannung hatte Juli Jones Gesicht verhärmt, der Mai möglichst schnell aus X's Fängen befreien wollte und November war bissiger denn je – sie wollte sich ihre schlechte Laune für Dezember aufsparen.

Juni blieb stehen und legte seinen Zeigefinger auf das Kinn. „Wisst ihr, was ich mich schon die ganze Zeit frage? Warum müssen wir eigentlich das Wetter retten, sprich, die ganze Drecksarbeit leisten? Was machen die im Obersten Büro eigent... Hey, pass doch auf!“ Wütend drehte er sich in die Richtung, aus der der Schneeball gerade seinen Nacken getroffen hatte. „Iih“, machte er, während er versuchte, das gefrorene Wasser aus seinem Hemd zu bekommen. Ziemlich zerwühlt – sein Hemd hing ihm aus der Hose, seine Weste war verrutscht – gab Juni es schließlich auf. Eine Antwort schien er auch nicht zu bekommen, da konnte er genauso gut den Weg gehen, den sie gekommen waren. Er war sicher, dass sie, würden sie weiter diesem Pfad zum Weihnachtsmann, denn vor wenigen Schritten hatten sie zum vierten Mal einen rot-weiß gestreiften Wegweiser passiert, folgen, irgendwann bei Knecht Ruprecht vorbeikommen würden, und auf eine Begegnung mit diesem Kauz war er nun wirklich nicht scharf – nicht dass ihm das schon je passiert wäre.

„Halt. Das ist die falsche Richtung. Du wirst uns schön begleiten.“ Juli packte seinen Vormonat an den Oberarmen, hob ihn einige Zentimeter an, drehte sich und setzte Juni, nach Norden gerichtet, wieder ab. Der rieb sich verdrießlich die Arme und begann damit, seine Kleidung wieder zu richten, als ihn der nächste Schneeball traf. Seine Schultern sackten ein gutes Stück nach unten und über seine Lippen schummelte sich ein Seufzer. Sie wurde es wohl nie müde.

„April, sieh zu, dass du nicht zu weit zurückbleibst“, mahnte März die Jüngere, während sie ihre Umhängetasche schloss. Es war zu schade um die verschwendeten Samen. Selbst sie konnte gegen die Kälte und den inzwischen beinahe kniehohen Schnee nichts mehr ausrichten.

Das Fehlen der Wettermanipulatoren schien Dezember nicht weiter zu stören, was September nachdenklich gestimmt hatte. „Hört mal“, sprach er laut aus, „wenn alle Maschinen entwendet, zerstört oder zumindest unbrauchbar gemacht wurden und, wenn ihr euch umseht, ach, das müsst ihr gar nicht, der Winter hier trotzdem Einzug hält, und das nicht zu knappe, wäre es dann möglich... Wenn nun Dezember X ist?“

„Naheliegend“, erwiderte November grimmig, „aber völliger Unsinn.“ September hatte gerade noch Zeit zu denken, dass sie ihn wieder ziemlich dümmlich dastehen ließ, genau wie in dem Moment, als August, Oktober und er in ihr Haus gekommen waren, bevor sie auch schon weitersprach: „Dezember ist der einzige von uns, der keine Wettermaschinen-Lizenz brauchte. Oder ist einer von euch ihm bei den Kursen oder Prüfungen begegnet? Ist doch logisch, dass er keine Manipulatoren braucht! Er hat seine eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse.“

„Ach, das erklärt einiges“, warf Januar ein. Als ihn einige fragend ansahen, musste er wohl oder übel seinen Gedanken preisgeben: „Nun, im vergangenen Jahr hatte ich seinen Urlaub unterbrochen, weil ich mit dem vermaledeiten Frostapparat nicht klargekommen war, und... ohne dass er irgendwas gemacht hatte, war es ungewöhnlich eisig geworden...“ Mit einem Hochziehen der Augenbrauen und einer geschwungenen Handbewegung machte er sein nicht ausgesprochenes Klar soweit? gestisch deutlich.

Man sah förmlich den sprichwörtlichen Groschen fallen – zumindest was die meisten anging, denn August schien sich eher damit zu befassen, ob ihm vielleicht lieber ein Licht aufgehen sollte.
 

So stapften die Monate durch den Schnee, bis sie an ein Tor kamen. Der Bogen war gestreift, natürlich rot und weiß. Juni sah sich hektisch um, ob nicht irgendwo eine kleine, mitgenommene Hütte stand, als April ihn beinahe aus den Schuhen riss. Springend und singend stürmte sie durch das Tor.

„Warte doch!“, rief März noch, aber die Dame war schon hinter dem nächstgelegenen Hügel verschwunden. Kopfschüttelnd schob Juli März ein Stück beiseite und wollte April folgen.

„Ich hole sie schon“, sagte er noch, dann brach ein kleines Chaos los: Januar und Februar fingen an, sich zu kabbeln, März und Juli fielen hintenüber in den Schnee, Juni und August starrten sich gegenseitig in einem Wettkampf um Worte ringend an, September verharrte wie zu Stein erstarrt – oder eingefroren, wie man es nimmt - und Oktober sprang vor November, mit welchen Ziel bleibt ungewiss. Über die Lautstärke der sich plötzlich anschreienden hinweg und unter den Fäusten der Ältesten hindurch, kam ein kleiner, grün gewandeter, spitzohriger Kerl mit hinter dem Rücken verschränkten Armen und einem überlegenden, breiten Grinsen daher und blieb vor Oktober stehen. Dann schnipste er mit dem Finger. Die eingetretene Stille wurde von vereinzelten Rummsern und damit einhergehenden kleinen Schneeaufwirblern unterbrochen, als alle Monate, bis auf November, umkippten. Der Wichtel stupste die Dame an, die daraufhin etwas wackelte. Er verschränkte die Arme vor der Brust und musterte November.

„Ganz schön widerspenstig.“ Wieder grinste er, dann hob er die Hand, steckte zwei Finger in den Mund und pfiff so laut, dass es durch das ganze Winterland zu hören sein musste. Die Rentiere – nur die Urlaubsvertretung, also keine rote Nase vorn - zogen einen fast leeren Schlitten, auf dem vorn ein weiterer Wichtel saß und auf dessen Ladefläche April lag.

„Mannomann. Wir legen alle in Ketten und lassen sie arbeiten, was meinst du?“, sagte der zweite Wichtel, während er absaß und sah den ersten Wichtel an. Beide fingen an zu lachen, schnipsten mit den Fingern, woraufhin alle restlichen Monate und die Wichtel selbst durch die Luft und auf den Schlitten schwebten und fuhren zurück durch das gestreifte Tor auf das große hügelige Grundstück vom Weihnachtsmann. Dezember war ein miserabler Pokerspieler seit jeher und die Wichtel hatten es einst kurzerhand zu ihren Gunsten ausgenutzt, weshalb in der weihnachtlichen Winterlandschaft nur ein kleiner Platz für den Wintermonat selbst übrig geblieben war – seitdem hatte sich der frostige Geselle den Karten ferngehalten.
 

Januar zwinkerte, blinzelte, wackelte mit seinen Fingern und Zehen und kam allmählich zu dem Schluss, dass er nicht mehr wie betäubt war. Langsam richtete er sich auf und sah sich um. November tappte mit ihrer rechten Fußspitze schon ungeduldig auf dem Boden, darauf wartend, dass ihre Kollegen langsam mal wieder aufstanden.

„Na macht schon, wir haben nicht das ganze Jahr Zeit – vor allem, weil nicht mehr viel davon übrig ist!“, fuhr sie die ringsherum auf Pritschen Liegenden an.

April fing sogleich an, wieder auf und ab zu springen. „Aufwärmübung“, stellte sie trocken fest, als Februar neben ihr brummte. „Wir haben noch viel zu tun, falls du es vergessen hast, Brummbär.“ Ein kurzes Kichern und ein Nasenstubser, dann drehte sie sich zu der großen runden Tür, die wie auf Kommando zur Seite glitt und den Blick auf einen kleinen bronzenen Roboter freigab.

„Da brat mir doch einer ‘nen Storch!“, entfuhr es April, als sie auch schon losstürmte.

„Der kommt mir ungemein bekannt vor“, grübelte Januar und März stellte nüchtern fest, dass das kleine Ding doch sehr dem Plätscherwatschler Aprils ähnelte.

„Allerdings war er nicht bronzen und vor allem hat sie ihn doch in ihrem Schlafzimmer gelassen“, fügte Februar hinzu. „Was nicht heißt, dass X dort nicht eingebrochen sein könnte.“

„Nein, das ist nicht meiner, aber ein sehr ähnliches Gerät“, stellte April klar, als sie sich wieder zu der Gruppe gesellte. November hatte sich indes an dem Roboter vorbeigedrängt und hielt über ihn einige Blätter, die sie im Nebenraum gefunden hatte.

„Das erinnert mich erheblich an die Hagelraupe.“ Sofort begaben sich die Monate zu ihr und der nachgemachte Plätscherwatschler drehte sich um, um einige Schritt in die nun bestaunte Werkstatt der Wichtel zu gehen, wo er anscheinend an einem Tisch eine sehr wichtige Aufgabe zu erledigen hatte – er starrte auf einen weiteren Watschler, der silbern erstrahlte.

„Das ist auf jeden Fall eine Zeichnung von der Sonnenstrahlenpistole“, sagte September und klang dabei ein wenig sehnsüchtig.

Alle Monate studierten die großen Blätter mit den Montageanleitungen und erkannten unter anderem die Blitzmaschine und den Frostapparat wieder. Jede Zeichnung war teilweise ausgeblichen oder an den Rändern zerfranst und dazu gab es immer ein neues Pendant, welche wiederum einen Verweis auf eine große Skizze, die an der Wand hinter den aufgestellten Tischen hing, aufzeigten. Die Skizze erinnerte an den Plätscherwatschler und April fauchte, dass sie sich ihre Idee nicht von einem dahergelaufenen Hanswurst würde klauen lassen – ob er sich nun X nannte oder Herbert.

„Wenn nun der Weihnachtsmann X ist?“, stellte März ihre Vermutung auf.

September antwortete: „Dezember hatten wir heute auch schon im Gespräch. Vielleicht ist es ja Herr Mutter selbst?“

„Der kann sich ja schlecht selbst entführt haben“, fuhr Januar dazwischen und erntete von Februar einen kleinen Klaps auf den Hinterkopf, der sagte:

„Er kann es aber behaupten!“

Die Monate fingen an wild zu spekulieren und sich gegenseitig alle aufgeschnappten Gerüchte zu erläutern. Herr Mutter war schließlich auch kurz vor der Entführung vom Obersten Büro rausgeworfen worden, behauptete September, während März beharrte, dass er in den Ruhestand gegangen war - und das freiwillig. Er hatte weiterhin keinen Nachfolger hinterlassen, was als Indiz gegen ihn ausgelegt werden konnte, denn so würde er weiterhin der einzige sein, der Wettermanipulatoren herstellen und die Wartung durchführen konnte – was er offensichtlich in den letzten Jahren vernachlässigt hatte, was wiederum dafür sprach, dass er schlicht und einfach keine Lust mehr hatte, für ein Oberstes Büro zu arbeiten, dass es nicht schaffte, Unterstützung zu engagieren. Keine Ausbildungen mehr, kaum Sicherheitsmaßnahmen – wer achtete denn schon noch darauf, wo sich die Monate gerade befanden. Oktober zum Beispiel hatte ja früher noch heimlich mit November geschrieben und heute standen sie, zusammen mit fast allen anderen Monaten, in der Wichtelwerkstatt vom Weihnachtsmann. Wenn aber alle Zeichnungen Herrn Mutters in dieser Werkstatt waren…

„Sie verschenken Wettermanipulatoren zu Weihnachten?!“, begehrte September auf. „Sie brauchen uns nicht mehr und X hat es sich zur Aufgabe gemacht, uns das klar zu machen! Im Grunde tut er uns damit doch einen Gefallen.“ Schmollend und mit verschränkten Armen ließ er sich auf einen Stuhl fallen, die große Roboterskizze anstarrend.

„Der kleine Giftzwerg steckt mit denen auch noch unter einer Decke. Wir befinden uns schließlich auf seinem Grundstück und Dezember wird wohl nicht so viel Platz zur Verfügung stellen, ohne zu wissen wofür!“, wetterte November erbost. Alle bis auf März wurden immer lauter und wütender und so war die Gärtnerin die einzige, die mitbekam, dass die nächste Tür aufglitt und eine kleine Wichtelfrau mit einem übergroßen grünen Tablett, beladen mit übergroßen (auf Wichtelgröße bezogen) Tonkrügen die dampften, erschien. Sie lächelte – aber sehr freundlich, nicht wie die Wichtel, die sie draußen das zweifelhafte Vergnügen gehabt hatten kennen zu lernen.

„Liebe Monate“, sagte sie nett und ruhig – und zudem sehr leise, was aber nichts auszumachen schien. „Hier habe ich ein wenig heiße Schokolade mit Marshmallows für euch. Ein kleiner Gruß vom Weihnachtsmann. Er ist noch beschäftigt.“ Das schwer aussehende Tablett wirkte in ihren Händen wie für einen Riesen bestimmt, doch die kleine Wichtelin stellte es behänd ab, als wäre es federleicht. März griff als erste zu, April folgte unaufgefordert ihrem Beispiel. Nach und nach verloren die Monate ihre Skepsis. Nur November weigerte sich stur – vor allem als sie feststellte, dass die anderen plötzlich fröhlicher und zufriedener wirkten. So konnte sie Dezember nicht unter die Augen treten.

„Das ist der beste Kakao, den ich je getrunken habe“, verkündete Oktober und August mutmaßte, dass es vermutlich auch sein erster und eventuell sogar sein einziger sein könnte. Dann widmete er seine Aufmerksamkeit einem Umschlag, der neben dem letzten Krug auf dem Tablett lag und an alle Monate adressiert war.
 

„Ho ho ho, ihr Monate“, las August vor – zumindest versuchte er es, denn schon wurde er unterbrochen:

„Das ist der Weihnachtsmann! Klar!“ Februar brachte Januar mit einem weiteren Klaps zum Schweigen, was August nickend dankte.

„Ihr werdet von selbst nie drauf kommen, wer ich bin, darum verrate ich es euch. Nein, jetzt noch nicht.

Inzwischen seid ihr sicher beim Weihnachtsmann. Auf dem Weg zu Dezember kommt man ja unweigerlich dort an und die Wichtel tun ihr übriges – wie ihr wissen müsstet, treiben einige von ihnen gern Schabernack, was zumindest April gefallen sollte.“ Genannte ließ ein kurzes, zustimmendes Kichern hören. „Sie bauen an neuen Wettermaschinen, was ihr, solltet ihr in euren Kursen nicht die ganze Zeit geschlafen haben, auch festgestellt haben dürftet.

Herr Mutter ist auf einer dreijährigen Kreuzfahrt. Er meinte, das habe er sich nach dreitausend Jahren verdient. Und die Maschinen wurden teilweise im Kesselsirrental entsorgt.“

Die letzte Nachricht schien ein längerer Brief zu sein und August brauchte durch die vielen Unterbrechungen eine gefühlte Ewigkeit, um zum Schluss und zur Auflösung zu kommen:

„Osterhase,

vorrübergehender Leiter des Obersten Büros.“

Ausnahmslos allen anwesenden klappte der Unterkiefer runter.

„Ist nicht dein ernst!“, brachte Februar hervor.

Januar, Februar, März, Juni, Juli, August, September, Oktober und November verzogen grimmig und immer noch schockiert das Gesicht, während April sich schüttelte vor Lachen. Sich Tränen aus den Augen wischend wandte sie sich an die Wichtelfrau, die die Nachricht überbracht hatte:

„Wann ist der Brief hier angekommen?“

„Vor einer Stunde“, erklärte sie freundlich.

„Das kann der Osterhase doch nicht alles allein geplant haben!“, echauffierte sich Juli. „Okay. Lasst uns zu Mai gehen, sie wird mir nie verzeihen, dass ich so lange gebraucht habe, sie zu finden.“

„Und dabei hast du sie ja nicht mal selbst gefunden“, nuschelte September, versuchte aber, sich weiter nichts anmerken zu lassen. November schaute auf ihren Krug, dessen Inhalt noch immer dampfte, und überlegte, ihn jetzt doch zu verzehren. Dem Giftzwerg konnte sie ja nun ungehindert das ganze Jahr triezen, wo sie doch alle arbeitslos würden – oder etwa nicht?
 

„Juli Jones! Was zum Henker hat dich aufgehalten?“ Mai klang ziemlich entrüstet und enttäuscht und ihre Augen waren ungewöhnlich rot. April tippte auf eine erneute Tränenperiode.

„Die Indios hast du wohl schon vergessen“, antwortete Juli und nahm sie in den Arm. Der leidenschaftliche Kuss blieb dieses Mal aus – das war hier schließlich keine Showeinlage.

Sie standen in einem Bürogebäude, das so eingeschneit war, dass sie es zuvor übersehen und für einen Hügel gehalten hatten. Mai hatte sich in den letzten Wochen damit beschäftigen müssen aufzuräumen.

„Ihr glaubt ja nicht, was mich der Osterhase alles hat tun lassen“, stöhnte Mai. Und dann zeigte sie den übrigen Monaten einige Aufzeichnungen über den Verbleib der Verwalter. Eine geschützte Hütte im Regenwald, ein Cottage an einer Regenfreien Klippe Irlands – sie ließen es sich alle gut gehen. Und dann hielt sie elf Nachrichten hoch, die nie verschickt wurden: „Unsere Vertragsänderungen!“, wehklagte Mai.

Natürlich hatte der Osterhase diese wichtigen Dokumente unter Verschluss gehalten. Eigentlich hatte das Oberste Büro alle in diesem Jahr darum gebeten, sich zu entspannen, bis die neuen Kurse für die Wettermanipulation anfangen könnten.

„Alles war umsonst! Alle Strapazen in diesem Jahr! Und das nur, weil einem vermaledeiten Hasen die Eier zu weich gekocht wurden?!“ November hätte doch die Schokolade trinken sollen, befand sie, nachdem sie ihren neuen Vertrag durchgelesen hatte. „Hat Dezember seine Nachricht etwa erhalten?“ Ihre Stimme geriet etwas aus der Fasson.

„Nein, den habe ich auch noch hier“, konnte Mai sie beruhigen und hielt einen weiteren Umschlag in den Händen. Das schien November etwas zu beruhigen und sie atmete schon wesentlich ruhiger.

„Aber wo ist denn Dezember?“, fragte April. Dann schlug sie vor, sich wieder in die weihnachtlichen Gefilde nebenan zu begeben. Der Weihnachtsmann könnte etwas wissen und wenn nicht, würden sie sicherlich zumindest noch mehr von der heißen Schokolade bekommen – mit letzterem sollte sie Recht behalten.
 

Als November ihren fünften Krug selig grinsend leerte, stürzte ein außer Atem gekommener, bläulicher kleiner Kerl in die weihnachtlich dekorierte Halle.

„Dezember“, stieß sie hervor.

„Entschuldigt die Verspätung!“ Er wedelte mit dem Umschlag, den Mai auf dem Weg zum Weihnachtsmann vor seine Tür gelegt hatte. „Was habe ich verpasst?!“

„So ziemlich alles“, amüsierte sich April. Und dann fing Januar an zu erzählen, wie er zu Februar aufgebrochen war, weil die Maschine versagt hatte. Februar berichtete weiter, dass sie zusammen März aufgesucht hätten, mit dieser zusammen zu April gegangen waren und so weiter. August schmückte das Ganze noch mit vortrefflichen Synonymen aus, während November versuchte ihre eisige Note gegenüber Dezember zu verdeutlichen und April alles ins Lächerliche ziehen konnte. Sie befand, dass dieses Jahr das interessanteste seit der Ausbildung gewesen sei – was war bisher denn schon passiert?

„Und wo warst du solange?“, fragte November etwas spitz.

„Im Rio All-Suite Hotel in Las Vegas.“ Dezember sagte das so, als wäre das selbstverständlich. Als er aber um sich herum lediglich grell leuchtende Fragezeichen zu erblicken glaubte, ergänzte er: „Zum Finale der World Series of Poker – ich habe noch eine Rechnung mit den Wichteln offen.“
 

Die Monate verbrachten Weihnachten gemeinsam (sogar der Weihnachtsmann ließ sich blicken, schließlich hatte er die Wettermanipulationsroboter zu überreichen) und verabredeten sich auch für eine Silvesterfeier, was sie schon immer zusammen gefeiert hatten. Die Verwalter des Obersten Büros und die Jahreszeitenwechsel, sowie Feiertage wollten auch kommen – Silvester hatte schon ein beheiztes Zelt bestellt. Dann beriefen sie einen Rat ein, in dem sie sich eine süße Rache für den Osterhasen ausdenken wollten – alle wollten sich beteiligen, Neujahr bot eine dafür angefertigte runde Tafel an, als wären sie Ritter, und selbst die Wichtel wollten sich gern einmischen. Hauptsache das nächste Jahr würde nicht wieder eine meteorologische Katastrophe, nur weil die Monate mit anderem beschäftigt waren!



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (38)
[1] [2] [3] [4]
/ 4

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Pumpkin_Queen
2012-10-26T09:08:38+00:00 26.10.2012 11:08
KF

Hallo!
Ich mag dieses Kapitel.
^-^

Und es ist schön, dass mal wieder bezug auf die vorangegangenen Kapitel genommen wird. Ich stell mir das immer etwas kompliziert vor, wenn man mit anderen Leuten an ein und der selben Geschichte arbeitet.

Aber ein Fehler ist mir aufgefallen:
'Blöd daran war nur, dass jemand anderes vor ihm auf darauf gekommen war.'
'Auf darauf' hört sich schon toll an XD Ist Grammatikalisch aber totaler Blödsinn. ^-^

Liebe Schreibziehergrüße
P_Q
Von:  Eldeen
2012-10-25T13:34:33+00:00 25.10.2012 15:34
Hui, ein wirklich langes Kalender-Kapitel! Dann will ich mich mal an der guten April versuchen, die ja doch ein wenig sehr eigen ist.

Inhaltliches:
Inhaltlich ist trotz der Länge des Kapitels nicht so unglaublich viel enthalten, wenn man von dem Diebstahl der Maschinen und der Einführung von April mal absieht. April ist allerdings definitiv gut gelungen und gefällt mir sehr gut, zumal sie tatsächlich die extremste und irgendwie ausagekräftigste Persönlichkeit der Monate hat. Was die anderen anbelangt, muss ich sagen, dass mir Januar hier nicht unbedignt gefällt, weil der mir in den ersten drei Kapiteln ruhiger vorgekommen ist, sodass ich hier und da beim Lesen ein wenig gestutzt habe. Das Mag aber Ansichtssache sein.
Das Auftauchen von Mai, um die Maschinen zu stehlen, will mir zu diesem Punkt nicht unbedingt einleuchtend, aber vielleicht hat das ja der Autor des nächsten Kapitels aufgegriffen und erläutert. Was das Verschwinden von Januar anbelangt, wäre es ein wenig sehr merkwürdig, wenn Januar auf einmal X ist, zumal der im ersten Kapitel, das ja aus seiner Sicht geschrieben war, ziemlich ahnungslos war, was Technik anbelangte und dementsperchend nicht wirklich in diese Rolle passen würde.

Stilistisches:
Deinen Schreibstil fand ich - um ehrlich zu sein - ein wenig gewöhnungsbedürftig. Das könnte aber vor allem daran liegen, dass ich kein Freund von mitten in den Text geworfenen Geräuschen in kursiv bin, denn ich persönlich finde die irgendwie eher störend als bildlich und bevorzuge da in jedem Fall Um- und Beschreibungen.
Abgesehen davon war der Satzbau hier und da ein weni sehr verschachtelt, aber ansonsten war das Ganze flüssig und soweit gut lesbar. Ein paar Kleinigkeiten hätte ich dennoch anzubieten:

Januar, Februar und März schritten - nein, schreiten trifft allerhöchstens auf Frau März zu.
Irgendwie klingt der Satz abgehackt. Ja, ich weiß, es handelt sich um einen Einschub, aber im Endeffekt wartet man hier darauf, dass der angefangene Satzteil nach dem Einschub weitergeht.

schließlich wollten alle zu April, und somit gelangten sie alle drei die gleiche Allee entlang,
Zweimal "alle drei" in kurzer Zeit

Ui, das war ein lauter Ruf gewesen.
Ist mir persönlich zu umgangssprachlich für Fließtext.

Rechtschreibung & Grammatik:
Alles in allem in jedem Fall in Ordnung, ich habe nicht wirklich viel gefunden und merke es nur der Vollständigkeit halber mal an:

Kurz blieben die Monate stehen und überlegten, ob der erste Tag im vierten Monat die richtige Wahl für einen Besuch sei oder ob sie nicht den Weg weiter entlang laufen sollten,
Komma nach "sei"

s handelte sich um etwas wichtiges,
"Wichtiges" groß

und wenn sie nur Schabernack treiben will, gäbe es ja noch Mai, die sicher den Ernst der Lage erkennen würde - so glaubten sie.
Wieso ist hier auf einmal Präsens? "will"-> "wollte"

Und allerhand Kleinkinderkram mit dem März hatte rechnen müssen.
Komma nach "Kleinkinderkram"

Dort, wie sie nun hinrannten, auf einem Weg nur aus Erde bestehend, stand ein großes Haus.
"wie"->"wo"?

um genauer zu sein gefiel ihnen nur die Alternative nicht
Komma nach "sein"

ich glaube das macht ihm Spaß.“
Komma nach "glaube"

Doch seid gewarnt: wenn Juni schneller kommt als ihr eure Reise beendet habt, ist es für den Frostapparat zu spät.
Komma nach "kommt"

Fazit:
Die Darstellung von April und ihre Charakterisierung sind in jedem Fall wirklich gut gelungen weil der Charakter tatsächlich einiges an Persönlichkeit hat. Wenn man mal von den kleinen, inhaltlichen Unklarheiten absieht, die ich bereits angesprochen habe, ist das Kapitel dementsprechend durchaus gelungen. Und was meine Anmerkungen zum Stil anbelangt, dürfte vieles davon wohl Geschmackssache sein. :)

Liebe Schreibziehergrüße,
Eldeen im Kommentarfieber
Von:  Pumpkin_Queen
2012-10-19T19:02:48+00:00 19.10.2012 21:02
KF

Ui, und weiter gehts mit den Monaten!^-^

' Nun, selbst ein Wintermonat konnte sich eben eine Erkältung einfangen...'
Ich musste bei diesem Satz grinsen. Ich wäre da um ehrlich zu sein, nie drauf gekommen.

'"Hiermit deklariere ich, Februar, dass ich ab heute den Platz des... Sag mal, was wird das denn?"
An dieser Stelle (übrigens meine Lieblings-stelle) hatte ich ein richtig schönes Kopfkino! Wie Januar das erst flüchtig liest und ihm dann auf einmal klar wird, was Februar da macht XD

Leider fällt mir sonst nicht mehr viel dazu ein. Außer das ich Rechtschreibtechnisch nichts gefunden habe.

Liebe Schreibziehergrüße
P_Q
Von:  Pumpkin_Queen
2012-10-19T17:58:02+00:00 19.10.2012 19:58
KF

So Nr2!
Arme März. Mit zwei streitenden Typen hat es eine Frau nie Leicht u-u

'Nun, jedenfalls führte der Weg der drei Monate in dieselbe Richtung, schließlich wollten alle zu April, und somit gelangten sie alle drei die gleiche Allee entlang,'
Das Wort 'gelangten' würde ich durch ein anderes Wort ersetzen. Das passt hier nicht ganz.

Beim letzten Satz dachte ich im ersten Moment an Monopoly - in Richtung 'Sie passierten nicht das Tor und zogen somit keine 100€ ein' XD Kann aber auch daran liegen, das ich grade etwas übermüdet und Durchgedreht bin...

Ansonsten gefällt mir dieses Kapitel außerordentlich gut! April ist mir sehr sympathisch und März tut mir immer noch leid...

Nja, liebe Schreibziehergrüße
P_Q
Von:  Eldeen
2012-10-18T11:39:15+00:00 18.10.2012 13:39
Ein längeres Kalender-Kapitel - irgendwie eine Überraschung, weil Kapitel eins und zwei doch recht kurz gehalten waren. :) Widmen wir uns also der guten März.

Inhaltliches:
Okay, die Handlung schreitet voran. Ich mag die Idee, Februar und seinen Entführungsplan ein wenig blöd dastehen zu lassen, weil jemand anders schneller war. Das gibt der gesamten Geschichte irgendwie etwas Amüsantes und abgesehen davon haben wir hier, im dritten Kapitel, auch den ersten, wirklich echten Spannungsaufbau, zumal jetzt eine Art roter Faden beginnt, der sich vermutlich durch die nächsten Kapitel ziehen dürfte. Dementsprechend schöne Idee, die auch das Aussetzen der Maschinen erklärt!
Abgesehen davon gefällt mir der Garten von März, bzw. die Figur an sich, wobei ich persönlich anmerken muss dass ich mich nachwievor frage, wieso genau der Garten verwelkt war, wenn März doch nur durchlaufen muss, um ihn zum Blühen zu bringen. Ein rationaler Mensch wie ich hätte sie da eine Erklärung erhofft. :P

Stilistisches:
Stilistisch soweit in Ordnung, in weiten Teilen ist das Ding flüssig lesbar und stolperfallenfrei. Ich persönlich - ja, das sage ich momentan in gefühlt jedem zweiten Kommentar - finde vor allem die Dialoge hier und da ein wenig anstrengend, weil sie mir manchmal zu sehr nach unstrukturierter Umganssprache klingen. Klar, man kann das in wörtlicher Rede machen, aber da wir doch stellenweise sehr viel öwrtliche Rede haben, fand ich es etwas holprig. Das dürfte aber Ansichtssache sein. Abgesehen davon waren kaum holrpige Sätze zu finden, aber einen möchte ich dennoch anmerken:

Suchend blickten die anthropomorphen Erscheinungen um sich,
"sich um" find eich persönlich runder als "um sich"

Rechtschreibung & Grammatik:
Völlig in Ordnung, nach (mehr oder weniger) ausgiebiger Suche habe ich lediglich ein paar Kommafehlerchen und einen Flüchtigkeitsfehler entdeckt. Gut für die Geschichte, schlecht für mich und meine Fehlersuche. :P
Hier also nichts zu meckern, bis auf folgende Kleinigkeiten:

März lebte in einem Garten den sie über alles liebte und fortwährend pflegte,
Komma nach "Garten"

Das kleine hölzerne Gartentor ließ sich widerstandlos öffnen;
Komma nach "kleine"

„Los, mach ihn auf März!“, drängte Februar, den viel mehr interessierte, was darin stand als wie er dort hinein gekommen war.
Komma nach "stand"

Blöd daran war nur, dass jemand anderes vor ihm auf darauf gekommen war.
Das "auf" ist zu viel :P

Fazit:
Schöne Wendung der Geschichte, die dadurch eine Art Stringenz erhält. Die Charaktere erscheinen mir soweit gut umgesetzt und auch so dargestellt, wie in den vorherigen Kapiteln, und März wurde ebenfalls schön eingebunden, sodass man tatsächlich eine Art Vorstellung von ihr hat.
Dementsprechend ein gelungenes und ausführlichers Kalenderkapitel! : )

Liebe Schreibziehergrüße,
Eldeen im Kommentarfieber
Von:  Eldeen
2012-10-14T10:48:38+00:00 14.10.2012 12:48
Dann will ich doch auch mal, obwohl ich schon sehe, dass vor allem mein R&G-Teil sehr, sehr knapp werden wird, weil hier schon alle anderen den Kleinkram rausgesucht haben, der dagewesen ist. Sehr frustrierend, dabei macht Fehlersuchen doch Spaß!

Inhaltliches:
Da ich in der letzten Runde ja schon den ersten Teil gelesen habe, ist mir die Ausgangssituation noch bekannt - ohne diese dürfte es allerdings etwas schwer sein, sich hier reinzufinden. Ist aber auch prinzipielle gal, weil es ja sowieso als Fortsetzung gedacht ist.
Inhaltlich liegt hier tatsächlich etwas mehr vor als im ersten Kapitel. Abgesehen davon, dass es hier zu einer Begegnung kommt, werden auch Februars Verschwörungspläne deutlich und das wiederum lässt dann doch mit etwas Spannung auf die Folgekapitel schließen. ;D

Stilistisches:
Der Stil ist hübsch, lesbar, hier und da ein wenig umständlich, aber alles in allem absolut in Ordnung.
Ich persönlich fand den Perspektivwechsel mitten drin ein wenig verwirrend. Immerhin haben wir hier keinen auktorialen Erzähler und dieses Springen zwischen den Charakteren finde ich persönlcih etwas merkwürdig, insbesondere, weil das Ganze ja nicht sonderlich lang ist. Im Endeffekt aber wohl Geschmackssache. :P

Rechtschreibung & Grammatik:
Ja. Wie oben erwähnt. Das, was da ist, hat Turnaris schon gefunden. Ich bin sozusagen arbeitslos. Das ist schockierend.

Fazit:
Gefällt mir persönlich besser als die erste Kalendergeschichte, einfach weil man hier einen gewissen Spannungsaufbau hat. Titel und Anspielung im Text fand ich gelungen, ist sehr putzig. : )
Alles in allem wieder etwas kurz, aber in jedem Fall ansprechend!

Liebe Schreibziehergrüße,
Eldeen im Kommentarfieber
Von:  Anemia
2012-10-11T15:43:45+00:00 11.10.2012 17:43
Aloha!
Das ist ja mal etwas komplett anderes. Dass die Charaktere Monatsnamen tragen, finde ich wirklich sehr kreativ, auch wenn ich persönlich so recht schwer Zugang zu ihnen finde. Okay, es ist erst der Prolog und man müsste wahrscheinlich weiterlesen, um mehr herauszufinden, doch im Prinzip bin ich erstmal nur verwirrt. xD Was ist das besondere dieser Kalendermenschen? Wie sehen sie aus? In welcher Welt leben sie? Da ich wirklich nicht die Zeit habe, die Geschichte weiter zu verfolgen, nehme ich einfach mal an, dass all diese Fragen nach und nach beantwortet wurden.

An sich macht der Schreibstil Spaß zu lesen und Rechtschreibfehler konnte ich auch keine entdecken.
Wie gesagt, die Idee ist wirklich niedlich und endlich weiß ich, wie das Wetter und die Jahreszeiten zustande kommen - nichts hier mit Frau Holle, die ist schon lang in Rente. ;)

Eine Sache möchte ich jedoch noch anmerken:

"Und das nur, weil sie vergessen hatte, den Wärmeregler langsam hochzudrehen..."
Ich finde die Technik mit dem Unterstreichen in einem Text nicht so vorteilhaft, Kursivschrift eignet sich da mehr, denn sie fällt nicht sofort ins Auge, hebt aber das Wichtigste dennoch ausreichend hervor. In Büchern ist diese Form ebenfalls recht unüblich. Aber wahrscheinlich ist das nur Ansichtssache und keineswegs etwas Gravierendes. ;)

Viel Spaß beim Schreiben weiterhin!

lg Serpa,
vom Kommentarfieber gepackt.
Von:  Maliondarin
2012-10-09T16:40:21+00:00 09.10.2012 18:40
Mir scheint, ich habe heute nur humorvolle Geschichten erwischt zum kommentieren - und genau so geht es hier jetzt weiter!
Ich finde es erfrischend komisch, wie Januar nicht mit dem zu vielen Schnee umgehen kann und Mai zu schnell warm wird.
Du verarbeitest hier viele hoch brisante Themen auf eine spielerische Art, Klimawandel mag da nur eines von sein. Auch deine Art, alles so umgangssprachlich und verbittert auszudrücken, bietet einen sehr erfreulichen Ausgleich zu all den 'perfekt' ausformulierten Geschichten. Es nimmt alles ein wenig auf die Schippe. Auch dieses: "Es gibt einfach keine neuen Maschienen >.<'''" bringst du sehr gut rüber.
Ich würde Januar am liebsten knuddeln und ihm einen Rat geben: Tritt das scheiß Teil einmal, dann funktioniert alles. Oder meckern! (Was er ja schon tut xD) das hilft immer!
Ich freue mich, dass du einen so gut mitnimmst, dass man sich wirklich so fühlt, als wäre man auf so einer Welle, die einen durch deine FF trägt und durch ihre Worte fesselt, ehe sie einen am Ende wieder ausspuckt - mit einem breiten Lächeln auf den Lippen.
Sehr gelungen! Behalte dir diesen Charm und den Witz!

Liebe Schreibziehergrüß und
im Rausch des Kommentarfiebers:
Maliondarin
Von:  Pumpkin_Queen
2012-10-07T12:02:16+00:00 07.10.2012 14:02
KF

Hallo!
Eine sehr schöne Geschichte. Januar ist wirklich ein Pechvogel, der Arme.
Eigentlich kann ich dem nicht viel hinzu fügen, außer einer klitze kleinen Kritik:
Er erinnerte sich noch daran, wie Mai letztes Jahr einen Rüffel eingefangen hatte, der sich gewaschen hatte.
'...,wie sich...' würde sich vielleicht besser anhören und zwei 'hatte' in einem Satz finde ich persönlich immer etwas schwierig. Vielleicht bietet sich ein besseres Wort an?

Ansonsten gefällt mir diese Geschichte sehr gut!

Liebe Schreibziehergrüße
Pumpkin_Queen
Von:  Eldeen
2012-10-07T11:26:50+00:00 07.10.2012 13:26
So, dann will ich mich mal in den Reihen der Kommentierer hier einreihen und zusehen, dass ich noch ein paar Dinge zu sagen habe, die bisher noch nicht - oder zumindest noch nicht allzu oft - erwähnt wurden. :)

Inhaltliches:
Mein Problem ist, dass ich nicht weiß, ob ich dieses Kapitel jetzt als Auftakt oder als etwas Eigenständiges begreifen und bewerten soll. Einerseits ist es ja eine Art Einleitung, andererseits steht es ja auch alleine für den entsprechenden Monat im Kalender...
Prinzipiell ist es für einen Auftakt sehr hübsch geeignet, für etwas Alleinstehendes ist mir hier allerdings etwas zu wenig Handlung vorhanden.
Du stellst Januar schön dar, die Idee, aus den Monaten Personen zu machen, zieht hier gut und ist auch etwas Neues, bzw. ansprechend und Januar als solcher wird mir hier auch tatsächlich gut vorgestellt. Ich möchte mich an dieser Stelle Luftschlosseule anschließen und anmerken, dass ich mir die monate auch etwas älter oder weiser vorgestellt hätte, aber das ist sicherlich Geschmackssache. :)
Was die Handlung anbelangt... Januar kämpft mit der Maschine. Letztere finde ich sowohl von der Idee als auch von der Umsetzung her interessant und sie wertet das Kapitel in jedem Fall noch einmal auf.
Wie bereits erwähnt... wenn man das als einfachen Auftakt ansieht, ist er gelungen, aber dafür, dass es auch alleine den Monat Januar vertreten muss, ist es etwas kurz geraten.

Stilistisches:
Schreibstil klingt ein wenig jugendlich, was natürlich wohl auch zu dem doch eher jungen Eindruck von Januar beiträgt. Dadurch wird das Ganze natürlich gewissermaßen erfrischend, ich weiß aber nicht, ob mir das im Zusammenhang mit den Monaten gefallen will.
Flüsig und gut lesbar ist der Stil in jedem Fall, aufgefallen ist mir an dieser Stelle nur Folgendes:

"Ich kann nicht schon wieder Dezember fragen – der ist gerade erst in Urlaub gegangen,
Ich glaube, ich fände "in den Urlaub" schöner. "in Urlaub" klingt so umgangsprachlich.

Abgesehen davon finde ich, dass hier insgesamt zu oft das Wort "fluchen" vorkommt. Ich zähle drei Mal, das klingt zwar nicht viel, aber da der Text auch relativ kurz ist, fällt es irgendwie auf. Hier gäbe es auch hübsche Alternativen wie "murrte", "beschwerte sich" oder eventuell sogar "grollen". :)

Rechtschreibung & Grammatik:
Ich sehe schon, auch hier gibt es nicht viel zu sagen. Spontan habe ich nämlich nichts gfeunden und das ist bei mir selten. Eigentlich finde ich meistens irgendwo noch kleine Fehlerchen, die Suche war hier aber dann doch eher frustrierend. :P

Fazit:
Als Auftakt betrachtet durchaus hübsch, gelungen und stilsicher, die Idee ist ohnehin innovativ und angenehm zu lesen. Dafür, dss es den Monat Januar im Kalender vertritt, ist es für meinen Geschmack handlungstechnisch etwas kurz, hier hätte man beispielsweise zumindest irgendwelche Reparier-Aktionen und deren Folgen miteinbringen könnten.
Nichtsdestotrotz ein hübscher Auftakt. :)

Liebe Schreibziehergrüße,
Eldeen im Kommentarfieber


Zurück