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Das Erwachen

Am Fest der Raben
von

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Leise raschelten meine Blätter im Wind. Ein knarzen hie und da, ein paar kleine Tiere, die durchs Unterholz huschten. Es schien alles ganz normal zu sein – doch das war es ganz und gar nicht. Ich spürte den Duft der Veränderung in der Luft, ein Hauch an Gefahr lies meine Äste erzittern. Die Menschen hatten sich in der Nähe zusammengetroffen, sie feierten ein Fest, das Fest der Raben, wie mir erzählt wurde. Ob diese Unruhe unter den Bäumen damit zu tun hatte? Seltsamer Weiße schien den Tieren nichts Unnatürliches aufgefallen zu sein. Ich lauschte den Unterhaltungen der Vögel und denen meiner Brüder und Schwestern. Sie zogen die Waldgeister in Erwägung… die Waldgeister, die vor kurzer Zeit einen Aufruhr verursacht hatten, den auch die Tiere bemerkten. Sie konnten die Menschen nicht mehr ertragen, flohen von der Insel, vielleicht auch von der Welt. Doch zuvor hatten sie ihn verbannt – ihn, Kel Asuf, der „Fehlgeleitete“.

Wir merkten, dass Kel Asuf nicht verschollen war, er war hier, und er hatte einen Plan. Er mischte sich wieder unter die Menschen, so wie er es das Jahr zuvor getan hatte. Das Fest der Raben, auf dem die Magier der vier Raben ihre Farbmagie einsetzten und gemeinsam ein Bildnis des Friedens malen. Karaka, der schwarze Rabe der Dunkelheit, Lyktin, der gelbe Rabe des Lichts, Darafin, der rote Rabe des Seins und Findadur, der grüne Rabe des Wandels, das sind die Gottheiten aus Ravenheim. Dieser letze Rabe sollte Kel Asufs Werkzeug sein, denn der Waldgeist wollte uns den Wandel bringen.

So versuchte er das Vertrauen von Fin, der Malerin des Raben des Wandels, zu erlangen. Sie wurde von seiner Begeisterung angesteckt, von seinem Plan vom Wandel, den er in eine, für Menschen ungefährliche, Verkleidung packte, um sie zu blenden.

Fin wob den Zauber, das Rascheln und Knarzen der Bäume wurde unruhiger, schicksalsträchtig und endgültig. Ich begann, die Veränderung, den Wandel am eigenen Leibe zu spüren. Die große, nichts und niemanden unterlegene Standhaftigkeit, die Weisheit und das Alter, die feste und schwere Verwurzelung mit unserer Mutter Erde, sie begann zu schwinden. Meine Wurzeln lösten sich, von meinen Ästen schien eine bis dahin noch nie bemerkte Starre abzufallen, der Stamm begann zu verschwimmen und ich erkannte mich nicht wieder. Das Rascheln der Birken, das Knarzen der Tannen und das Rauschen der Eichen vermischten sich zu einem einheitlichen Klang des Waldes. Meine Wahrnehmung veränderte sich grundlegend, ich konnte sie nicht mehr verstehen, ihr Rascheln wurde eine Fremdsprache. Die Härte meines Holzes war fast ganz verschwunden, ich fühlte den Wind nicht mehr in meinen Blättern. Doch spürte ich etwas anderes – eine nie gekannte Leichtigkeit, es schien, als würde ein Windhauch genügen um mich fort zu wehen. Etwas weiches, ähnlich dem Fell eines Tieres, wehte um meine Krone, meine Wurzeln waren kaum noch vorhanden und gaben mir keinen Halt.

Inmitten meiner Verwunderung hörte ich eine Stimme. Er rief mich, er rief uns alle. Kel Asuf rief die Eschen, die nun seine Kinder waren, zu sich, er wollte sie um sich scharren und ihnen seinen Plan erklären, der nun unser aller Plan war. Leise flüsterte er uns, dass wir uns nun bewegen müssten – dass wir nun Arme, Beine, einen Kopf, Mund und Augen hätten – und dass wir uns an unserem größten Feinde rächen könnten, da wir nun wie sein Ebenbild waren. Ja, wir, die Mächtigen des Waldes, hatten die Gestalt der Menschen übernommen, um ihnen ebenbürtig und sogar um vieles überlegen zu sein.

Mit der Wahrnehmung seiner Stimme, einer menschlichen Stimme, verblasste das Verständnis für die Sprachen der Tiere um mich herum. Dafür erhob sich eine andere Stimme in mir, meine eigene. Und sie flüsterte mir einen Namen zu, zuerst leise, unverständlich, doch immer lauter werdend: Lifea.

Noch immer stand ich – wie in all den Jahrzenten meines bisherigen Lebens – an Ort und Stelle. Ich versuchte, innerlich die Konsistenz und Form meines Körpers herauszufinden. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, wie Menschen aussahen, ich wusste nicht einmal, was sehen bedeutete. Ich spürte, dass ich vieles an Größe, Gewicht und Robustheit verloren hatte. „Harz zu Blut, Blut zu Harz“ oder wie lautete der Spruch? Langsam, ganz langsam, senkte ich meine Arme. Dieses Gefühl von Bewegung war so unbeschreiblich, ich fühlte mich so leicht, so lebendig, aber auch vergänglich. Dann löste ich die Wurzeln, oder besser gesagt, meine Füße, die einmal Wurzeln waren, von der Erde und tat den ersten Schritt. Und einen zweiten. Die toten Blätter am Boden raschelten und kleine Äste knackten unter meinen Füßen. Kurz blieb ich stehen und atmete leise. Luft durchdrang meine Lungen und folgte einem eigenen Kreislauf. Meine Brust hob und senkte sich in einem bestimmten Rhythmus. Etwas trommelte leise, aber fest in meiner linken Seite, ich glaube, Menschen nennen es… Herz.

Als ich soweit war, meinem Körper wieder zu vertrauen, achtete ich mehr auf meine Umgebung. Ich wusste, dass hier noch viele Brüder und Schwestern standen – unverändert, stark und stumm. Wenn ich mich also weiter fortbewegen würde, würde ich über kurz oder lange gegen ein Hindernis stoßen. Aber Kel Asuf rief mich, immer dringlicher. Sie waren nicht weit weg, der Waldgeist und meine Geschwister, auch sie konnte ich schon hören. Und sie versuchten mir zu helfen – „Öffne deine Augen!!“ Ich tat, wie mir geheißen und blinzelte im Dämmerlicht. Es war hell, obwohl ich innerlich wusste, dass es Tagsüber noch viel heller war und ich tat mir schwer, mich zu Recht zu finden. All die Eindrücke, die plötzlich auf mich einprasselten, ließen mich wie paralysiert erscheinen. Meine Augen und mein Kopf ruckten immer schneller hin und her, schlussendlich drehte ich mich sogar im Kreise, um alles in meiner Umgebung in mir aufzunehmen. Langsam gewöhnte ich mich an meinen neuen Körper, ich begann, mich wohl zu fühlen. Das war ich, das war der Wandel.

Nun sicherer, setzte ich Schritt vor Schritt, folgte den Rufen meiner Geschwister und lief immer schneller dem Wandel entgegen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von: abgemeldet
2011-02-26T23:01:03+00:00 27.02.2011 00:01
Jetzt bin ich endlich mal dazu gekommen, das Kapitel zu lesen...wow! Ich fühle mich sofort in jene Tage zurückversetzt, wo du mir ganz aufgeregt vom bevorstehenden LARP erzählt hast und kann mir jetzt richtig vorstellen, wie es gewesen sein muss, in diesem traumhaften Wald zu stehen und sich wie Lifea zu fühlen... dass ich deine Schreibweise mag, ist ja nix Neues für dich, Schatzilein. :) Ich find's unglaublich toll, wie detailreich du die Umgebung und den Wandel selbst beschrieben hast. Deine Wortwahl verleiht dem ganzen Oneshot erst recht einen mystischen Touch, und das Ende schreit richtig nach einer Fortsetzung! Würde gern mehr lesen. :)



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