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Arthas Menethil - Befreit vom Geist Ner'zhuls

Eine FanFiction über Arthas und seine neue Zukunft.
von

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Die Vertreibung des Geistes

Die Paladine läuterten den Lichkönig.

Er schrie, nahm seinen Kopf in die Hände und wirbelte herum. Frostmourne lag am Boden, redete auf ihn ein, die Paladine zogen ihn immer weiter zurück auf die Seite des Guten.

Schließlich riss Arthas sich den Helm vom Kopf und fiel auf die Knie.

Er schloss die Augen, Schweiß tropfte von seiner Stirn. Er warf den Kopf in den Nacken und schrie weiter.

Ein Schemen löste sich langsam von ihm, das leuchtende Blau in seinen Augen erstarb. Der Schemen nahm Gestalt an, die Gestalt eines Orcs: Ner'zhul.

Die Paladine griffen an und mit der Kraft des Lichts besiegten sie den Orc in kürzester Zeit.

Arthas war wirr im Kopf, sein Verstand noch nicht beisammen. Noch musste er sich sammeln, verstehen, was geschehen war. Die Paladine halfen ihm dabei, gaben ihm Essen und Trinken, unterstützten ihn seelisch.

Schließlich wurde ihm gesagt, er müsse fort von hier, fort von dem Ort, an dem er jahrelang gelebt hatte ... Nein, nicht gelebt, sondern kontrolliert wurde.

Er gehorchte und verließ die Eiskronenzitadelle, um sein neues Leben zu beginnen.

Flucht aus Northrend

Arthas zog die Kapuze tiefer ins Gesicht und kämpfte gegen die eisige Luft von Northrend, die er, anders als bisher, richtig wahrnahm und als sehr, sehr kalt empfand. Er keuchte leicht und er sah seinen eigenen Atem. Er warf noch einmal einen Blick zurück zu der Eiskronenzitadelle.

"Vorbei", dachte er sich noch einmal, ein leichtes Lächeln stahl sich über sein blasses Gesicht. "Endlich ist es alles vorbei."

Die Schatten der Vergangenheit konnte er nicht vergessen. Sein Vater, seine Heimat, alles, was er angerichtet hatte ... das schlechte Gewissen drohte ihn zu verschlingen. Aber zumindest war er nun keine Bedrohung mehr für die Lebenden. Für die Toten konnte er nichts mehr tun.

Er schaute hinauf zum Himmel, der von Wolken bedeckt war. Einige Schneeflocken flogen ihm ins Gesicht.

Er dachte an Uther und die vielen anderen, die er getötet hatte. Die, die ihm vertraut hatten. Die, die ihn geliebt hatten ...

"Jaina", dachte er sich. Er sah ihr Gesicht vor sich.

"Sie wird mich hassen, mir nicht vergeben können."

Der Gedanke schmerzte ihn, aber es musste weitergehen. Bald konnte er vor sich die fliegende Stadt Dalaran entdecken. Er wollte zügig handeln und das eisige Reich verlassen, dass ihn mit der eisigen Kälte geradezu erdrücken wollte.

Er musste mit einem Greifen zur Valianzfeste fliegen und von dort aus mit einem Schiff zurück zu den östlichen Königreichen segeln ... nach Stormwind. Er wollte zurück nach Lordaeron, sehen, wie es dort nun aussah, auch wenn ihn die Vorstellung davon Angst einjagte.

Dort musste es geradezu von Untoten wimmeln ... Und wie er gehört hatte, nannte man die Stadt Lordaeron ... SEINE Heimatstadt ... nun Undercity. Die Untoten sollen sich in die ehemaligen Gewölbe unter Lordaeron, die damals dazu dienten, Gefangene einzusperren oder Obdachlosen ein Dach über den Kopf zu geben, eingenistet haben. Unter der Anführung von Sylvanas.

Sylvanas ... Auch bei ihr hatte er Schuldgefühle. Er hatte ihre gesamte Heimat zerstört, ihr das Leben genommen und anschließend der Folter des Untotendaseins überlassen. Sie hatte es sogar fast geschafft ihn zu töten, wäre damals Kel'Thuzad nicht gewesen, der Arthas wie ein kleines Kind behandelt hatte und so für ihn gesorgt hatte, dass es Arthas schon unheimlich geworden war.

Aber auch Kel'Thuzad, vielleicht der einzige, der damals noch "nett" zu ihm gewesen war, konnte ihn jetzt, wo Arthas wieder er selbst war, nicht mehr unter die Augen treten. Aber das war sicher auch gut so.
 

Arthas näherte sich Dalaran. Sein Ziel war die Violette Wacht, von der aus er sich nach Dalaran teleportieren konnte. Er hoffte, dass die Nachricht, dass er nun wieder gut sei, schneller in Dalaran ankam als er selbst. Ansonsten musste er sich so gut verhüllen wie es nur möglich war. Er würde sich höchsten zwei Minuten in Dalaran aufhalten.

Als er sich dem Kristallsangwald näherte, merkte er, dass sich der Schneesturm langsam auflöste und die Kälte ein klein wenig wich. Er wusste nicht, ob er sich freuen oder weinen sollte, denn seelisch war er gerade am Ende.

Er wusste nicht, wohin, er wusste nicht, was nun kommen sollte. Ein völliger Neuanfang?
 

Bald kam er in der Violetten Wacht an. Als er unter die violette Kuppel trat, die Dank der Magier existierte, fühlte er sich schon ein klein wenig besser.

Zivilisation ... Richtige Menschen mit Gehirn. Mal was anderes als die Untoten, deren Gehirn wohl schon zu 80 Prozent verfault war. Er ging zu dem kleinen Teleporterkreis und berührte den Kristall, der ihn zu Dalaran teleportieren sollte.

Er schloss die Augen, fühlte ein Kribbeln durch seinen Körper gehen. Als er die Augen wieder öffnete, fand er sich in Dalaran wieder. Er lächelte schwach. Er hatte zugesehen, wie Archimonde diese Stadt zerstört hatte ... Und er selbst war auch bei dieser Zerstörung beteiligt gewesen.

Er zog die Kapuze so tief ins Gesicht, dass er selbst kaum mehr etwas sehen konnte. Seine Rüstung, die er vorhatte so schnell wie möglich durch eine andere zu ersetzen, hielt er gut unter dem Umhang versteckt. Er eilte aus dem Gebäude und hielt auf Krasus' Landeplatz zu, um einen Greifenflug zur Valianzfeste zu nehmen.
 

Als er mit dem Greif über Northrend flog, fragte er sich, wie es dieses Tier wohl fertig brachten, ihn zu tragen. Bei seinem normalen Körpergewicht und zugleich der schweren Rüstung musste er unendlich schwer sein.

Die Luft im Flug war sogar noch kälter und Arthas zitterte. Er dachte schon die ganze Zeit nach, was er nun tun sollte.

Als König von Lordaeron konnte er nun und wollte eigentlich auch nicht regieren. Es gab dort wahrscheinlich nichts mehr ... aber wenn er das Land reinigen könnte? Nun, er wollte erst einmal sehen, wie es um Lordaeron stand. Wenn er dort wirklich nichts anfangen konnte, so dachte er sich, würde er nach Stormwind gehen.

Möglicherweise konnte er dort einen Beruf erlernen, Geld verdienen ... Irgendwann eine Familie gründen? Er dachte nach. Mit Jaina? Er wusste nicht, ob er sie ... oder sie ihn ... glücklich machen könnte, nach alldem, was passiert war.

Vielleicht musste er wirklich völlig neu anfangen ... Ein ganz neues Leben beginnen ... Und die Schatten der Vergangenheit versuchen zu verdrängen.
 

Bald kam er in der Valianzfeste an und landete. Da er momentan nur sehr wenig Geld hatte und sich den Greifenflug nur durch ein wenig Bettlerei - was er äußerst peinlich und entwürdigend fand - ergattern konnte, musste er so schnell wie möglich etwas verdienen.

Vielleicht sollte er in Stormwind zuerst ein paar Tiere erlegen, deren Fleisch nehmen und es verkaufen. Dann konnte er nach Lordaeron und sehen, was dort vor sich ging. Und danach ... dann würde er weiter sehen.

Er ging zum Hafen hinunter und wartete auf das nächste Schiff, dass zu den östlichen Königreichen führen sollte. Als es ankam, wartete er zuerst, bis die Passagiere von Bord gingen, dann ging Arthas auf das Schiff.

Er setzte sich auf eine kleine Holzbank und wartete.

Als das Schiff ablegte, schloss er die Augen und versuchte sich zu beruhigen.

Bald würde er zu Hause sein.

Ankunft in Stormwind

Als Arthas die prächtige Stadt Stormwind von weitem sah, wuchs in ihm die Vertrautheit an.

"Ich denke, ich werde Varian einen Besuch abstatten ...", dachte er sich. Er lächelte sachte, als er sich daran erinnerte, wie Varian nach Lordaeron kam, nachdem die Orks Stormwind angriffen und seinen Vater getötet hatten.

Er hatte sich damals ein wenig mit Varian angefreundet. Er hatte Mitleid mit ihm gehabt, konnte seine Verluste und seinen Schmerz damals aber nicht wirklich mitfühlen. Er wusste nicht, wie es sich anfühlt, alles verloren zu haben. Varian war damals noch sehr jung gewesen und sollte dann schon König werden. Arthas runzelte leicht die Stirn, als ihm das Königsein damals Angst zubereitet hatte, weil er wusste, dass dieser Tag erst kommen würde, wenn sein Vater sterben würde. Damals hatte er gebetet, dass dieser Tag erst spät kommen würde.

Aber dann war alles so verdammt falsch gelaufen.

Das Schiff hielt im Hafen an und Arthas ging von Bord.

Den Blick zu Boden gerichtet, ging er los, um den Hafen zu verlassen. Ja, er wollte noch einmal zur Burg und Varian besuchen. Vielleicht konnte er ihm helfen. Er hoffte es so sehr ...
 

Als Arthas vor der Burg stand, zögerte er. Kindeserinnerungen kamen in ihm hoch. Er wünschte sich in die Zeit zurück, in dem er noch so jung war. Keine Sorgen, fröhlich und ausgelassen, immer hilfsbereit und nett zum gemeinen Volk.

"Wieso konnte ich damals nicht auf Jaina und Uther hören? Hätte ich Stratholme nur nicht gesäubert, hätte ich es nicht getan, vielleicht wäre alles anders geworden", dachte er sich selbst.

Dann ging er langsam los und ins Schloss hinein.

Er schaute sich um. Prächtige Verzierungen, Soldaten, Angestellte, alles sah so wunderbar aus. Es schenkte Arthas ein wenig Hoffnung. Warum auf Vergangenes Blicken? Die Zukunft bringt immer Neues, Besseres ...

Er war so tief gesunken, dass es jetzt nur noch aufwärts gehen konnte.

Er ging weiter, in Richtung des Thrones. Irgendwo schmerzte ihn diese prächtige Burg, denn sie erinnerte ihn an Lordaeron.
 

Arthas stand einige Meter vom Thron entfernt. König Varian hob sein Haupt und schaute die verhüllte Person an.

"Wünscht Ihr etwas?", fragte Varian schließlich. Er erkannte Arthas nicht unter dessen Umhang. Wie denn auch?

Arthas trat einen Schritt weiter nach vorne. Seine Muskeln spannten sich an und ihm lief Schweiß von der Stirn. Sein Herz pochte schnell. Er hatte Angst. Er wusste nicht, wie Varian seine Ankunft hier aufnehmen würde.

"Varian ... Ihr erinnert Euch sicherlich noch an mich. Ich bin ... Gut geworden. Bitte, fürchtet Euch nicht mehr vor mir, ich ... habe mich geändert. Ich bin es ... Arthas", brachte er das alles stammelnd hervor. Er wusste nicht, wie er das alles sagen sollte, was in ihm vorging. Er wollte einfach nur verstanden werden.

"Ich brauche Hilfe ...", fügte er am Ende noch hinzu. Vielleicht war das das Beste, was er sagen konnte, um seine Situation auszudrücken.

Varian schwieg. Dieses Schweigen hielt an. Arthas traute sich nicht, aufzuschauen und er wartete einfach nur ab, zu nervös, um mehr zusagen.

Dann endlich brach Varian das Schweigen.

"Arthas ... Warst du nicht ... Du ... Der Lichkönig ... Aber wie?", fragte Varian. Nachdem dieser nun wusste, dass Arthas vor ihm stand, gebrauchte er lieber die Anrede, die sie schon als Kinder benutzt hatten.

Arthas war mehr als erleichtert, keinen sofortigen Haftbefehl gegen ihn zu hören und atmete kurz erleichtert aus.

"Der Geist Ner'zhuls wurde aus mir vertrieben. Ich bin wieder völlig ich selbst."

Varian stand langsam auf und ging auf ihn zu.

"Das sind mehr als erfreuliche Nachrichten. Dann droht uns keine Gefahr mehr?"

Arthas schluckte. Es hörte sich so seltsam an. Er war die ganze Zeit eine Gefahr für alle gewesen.

"Ja", antwortete er. Er dachte an Bolvar, der nun Lichkönig war. Aber der hatte alles besser im Griff, als er selbst es gehabt hatte ...

Arthas hob langsam den Kopf und sah Varian an. Er sah ihn lächeln.

"Das ist wunderbar. Wie kann ich dir helfen?", fragte er ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Arthas fragte sich, ob er eigentlich nachvollziehen konnte, wie es ihm im Moment ging. Aber anscheinend war Varian Aufgrund der Neuigkeiten zu ... erfreut, um darüber nachzudenken.

"Ich will nach Lordaeron schauen. Ich möchte wissen, wie die Lage dort im Moment ist und ob man es noch retten kann ...", fing er an. Er wollte noch nach Verpflegung und möglicherweise eine kleine Eskorte fragen, doch Varian unterbrach ihn.

"Lordaeron? Arthas, die Geißel ist dort überall. Die Wälder sind verpestet, sowie die Tiere. Untote sind überall, vor Allem weil Sylvanas Windrunner Undercity eingenommen hat."

Arthas sank der Mut.

"Und man kann nichts tun?"

Varian lachte rau.

"Außer alle Untoten vertreiben und alle Pflanzen und Tiere vernichten, damit alles von neu begninen kann? Nein."

Arthas schaute ihn an.

"Und wenn wir genau das machen?"

Varian blickte ein wenig entsetzt.

"Du willst ... Arthas, dazu benötigt es eine Streitmacht von ... Ich weiß gar nicht wie vielen!"

"Aber nur, bei der Sache mit den Untoten vertreiben. Pflanzen und Tiere ... vernichten ... dazu benötigt es keine ausgebildeten Soldaten."

Varian seufzte.

"Das könnte Monate dauern. Wenn nicht Jahre."

Arthas war entschlossen genug, um diese Zeit warten zu können.

"Ich will mein Königreich zurück."

Der König von Sturmwind schaute zu Boden.

"Und wieso bist du dir meiner Unterstützung so sicher?"

Arthas lächelte schwach.

"Du bist Lordaeron doch noch einen Gefallen schuldig, nachdem wir dir bei uns Unterkunft gewährten, nicht wahr?"

Der Kronprinz war sich sicher, dass Varian nicht "Nein" sagen würde.

Varian schwieg zuerst, dann seufzte er.

"Schön, ich helfe dir. Für Lordaeron ...", sagte er leise und lächelte Arthas aufmunternd an.

"Für Lordaeron", sagte Arthas freudig und reichte Varian die Hand.
 

Varian hatte Arthas kostenlose Unterkunft in einem Gasthaus gewährt und ihm außerdem eine anständige Arbeit als Paladinausbilder gegeben. Was Arthas aber am meisten gefreut hatte, war, dass er seine Rüstung ablegen und eine neue Paladinrüstung anlegen durfte, zusammen mit einem Paladinhammer.

"Wie in alten Zeiten", hatte sich Arthas gedacht, als er den Hammer in den Händen gehalten hatte.

Für ihn war es nun Zeit, neu anzufangen. Seit langer Zeit fühlte er sich wieder geborgen, und ... er fühlte wieder Freude.

Die Rückkehr in die Heimat

In den folgenden Tagen unterrichtete Arthas junge Paladine. Zuerst hatte er Angst gehabt, dass das Licht ihn völlig verlassen hätte, doch das war anders.

Als er am Abend vor seinem ersten "Arbeitstag" betete, spürte er, wie in ihm eine angenehme Wärme kam. Er spürte wieder das Licht und konnte dessen Kräfte wieder einsetzen. Er fühlte sich wieder seltsam rein, nachdem er kleinere Risse, die er Dank der Kälte aus Northrend bekommen hatte, zum Test heilte.

Als Arthas in seinem Gästezimmer eines Abends sein Abendessen aß, schaute er dabei zum Fenster raus und überblickte den kleinen Teil des Handeldistrikts, den er von seinem Zimmer aus sehen konnte.

Sein Herz sprang freudig, als er daran dachte, wie er zusammen mit den Soldaten aus Stormwind - und wahrscheinlich auch aus anderen Bereichen der Allianz, wie zum Beispiel den Zwergen - nach Lordaeron kommen würde, um es von der Geißel entgültig zu befreien.

Doch er musste zugeben, dass ihm ein wenig mulmig war. Was ist, wenn alles schief gehen würde? Aber daran durfte er nicht denken! Es würde sicherlich alles gut werden.

Er trank seinen Tee leer, bevor er das dreckige Geschirr nahm und es nach unten in die Küche brachte. Danach begab er sich wieder auf sein Zimmer und setzte sich wieder an den Tisch, um den Sonnenuntergang von seinem Zimmer aus zu beobachten.

Er sah zu, wie der Himmel sich blutrot färbte und die Sonne hinter den Mauern Stormwinds verschwand. Er schloss die Augen und lauschte den Geräuschen, die bis in sein Zimmer drangen:

Der Schmied, der die letzten Bestellungen schmiedete, Verkäufer, die ihre Läden schlossen, Kinder, die eilig nach Hause eilten, Katzen, die miauten und vieles mehr. Er genoss es, diese alltäglichen Geräusche wieder zu hören. Nicht mehr qualvolle Schreie von Banshees, das seltsame Geräusch der Untoten und den eisigen Windhauch aus Northrend.

Er zog sich um und legte sich dann ins Bett. Bald schon schlief er ein und träumte friedlich, wie er es seit seiner Ankunft in Stormwind getan hatte.
 

Einige Zeit verging in Stormwind, als der Tag anbrach, auf den Arthas gewartet hatte.

Er erhielt am frühen Morgen einen Brief von König Varian, dass er heute zu ihm kommen solle.

Nachdem Arthas sich fertig gemacht hatte, begab er sich gleich auf den Weg dorthin. Er trug immernoch einen Umhang, da er nicht wusste, wie die anderen Bewohner auf sein Aussehen reagieren würden - sein weißes Haar und seine blasse Haut, die er vorhatte, bald durch die Sonne zu vertreiben, würden sie noch schocken. Er ging auf Nummer sicher.

Bald kam Arthas in der Burg an und lief zu Varian, um die Neuigkeiten zu empfangen, die dieser für ihn hatte.

Arthas' Herz schlug schneller bei dem Gedanken, bald nach Lordaeron zurück zu kommen.

"Bald", dachte er sich, "hab ich meine Heimat zurück."

Wie gerne würde er alles ungeschehen machen ... die Wälder wieder so schön erstrahlen lassen, wie sie früher waren, und die Stadt Lordaeron sollte wieder so prächtig aussehen wie früher.

Als er bei Varian ankam, begrüßte Arthas ihn lächeln.

"Du hast mich rufen lassen?", fragte er.

Varian nickte.

"Ich habe genügend Streitkräfte zusammenstellen lassen, um nach Lordaeron aufzubrechen. Sag mir, wann und wo du aufbrechen willst."

"Morgen früh wäre mir sehr recht, vor den Toren Stormwinds", sagte Arthas.

"Dann machen wir es morgen früh", antwortete Varian und lächelte Arthas leicht an.

"Gibt es sonst noch etwas, was du mir sagen musst?", wollte Arthas noch wissen, bevor er sich wieder auf den Weg machte.

Varian schüttelte den Kopf.

"Nein. Das ist alles, was wir zu besprechen hatten."

Nach einem kurzen Abschied ging Arthas wieder aus dem Schloss heraus und spazierte an den Gewässern Stormwinds entlang.

Heute war einer seiner freien Tage, die ihm unter der Woche zur Verfügung standen. Er hatte sich vorgenommen nach Goldhain zu gehen, um dort ein gutes Mittagessen zu sich zu nehmen. Danach wollte er zum Kristallsee und dort entspannen.
 

Am nächsten Tag war es dann soweit. Arthas stand mit Varian in voller Rüstung und mit der Waffe auf dem Rücken vor Stormwind.

Arthas saß auf einem Pferd, welches ihn an Invincible erinnerte. Es war ein strahlend weißer Schimmel. Arthas war innerlich ein wenig gerührt, doch er wusste, dass kein Pferd Invincible jemals ersetzen konnte. Invincible war ja nicht tot - er hatte ihn wiederbelebt. Aber was würden die Leute denken, wenn er auf einem Skelettpferd umherreiten würde? Er wusste ohnehin nicht, wo sich dieses Pferd gerade aufhielt.

Varian schaute zu Arthas.

"Du wirst zuerst mit einem kleineren Teil der gesamten Streitmacht aufbrechen. Den Rest wirst du unterwegs treffen, auf deinem Weg, da die anderen Gruppen aus Zwergen, Gnomen, Draenei und Nachtelfen bestehen. Die Nachtelfen und Draenei hatten zuerst mehrere Tage der Herreise benötigt. Sie warten im Sumpfland auf dich, die Zwerge und Gnome wirst du in Loch Modan treffen."

Arthas nickte nur stumm. Er war aufgeregt und wollte endlich aufbrechen.

Dass Varian nicht mitkommen konnte, war selbstverständlich. Er konnte Stormwind nicht ohne König zurücklassen und sein Sohn war noch viel zu jung, um auf die Stadt aufzupassen.

Es dauerte noch eine Weile, bis jeder Soldat an Ort und Stelle war und bis die ganze Verpflegung, die sie benötigten, angekommen war.

Doch dann war es endlich soweit, es konnte losgehen.

"Viel Glück und pass auf dich auf", waren die letzten Worte, die Varian zu Arthas sagte.

Arthas, der daraufhin nur genickt hatte, ritt mit der gesamten Streitmacht los.
 

Ihre lange Reise führte sie durch das Rotkammgebirge vorbei am großen Immerruhsee, dessen Anblick Arthas ein beruhigendes Gefühl gab. Doch diese ruhige Atmosphäre sollte sich für die folgenden Tage wieder legen, denn danach folgten die Brennende Steppe, deren dunkler Stein und hitzige Luft - die Dank der Lavaadern, die sich durch das Land schlängelten, entstand - eher erdrückend und niederschlagend wirkte. Arthas erging es unter seiner festen Plattenrüstung erbärmlich. Ihm war heiß, und er wusste, dass die Sengende Schlucht, die danach kam, genau so - oder sogar noch schlimmer - wie die Brennende Steppe war. Schwierigkeiten, wie Orks, die angriffen, konnten sie Dank ihrer zahlreichen Überlegenheit dennoch abwehren. Arthas hoffte, dass die Leichtigkeit, mit der sie die Orks zurückschlugen, auch bei den Untoten nicht fehlen würde.

Als sie im Ödland ankamen, mussten sie Vorsicht walten lassen. Kargath, das Lager der Horde, war gefährlich, selbst für eine große Streitmacht wie sie. Wenn sie entdeckt wurden, würden die Orks sicher Nachrichten an andere Basen der Horde schicken, was Arthas ganz und gar nicht wollte. Die hitzige Luft wich im Ödland. Die Lavaadern hatten sie zurück gelassen, doch auch hier gab es weder Wasser noch einen kühlen Wind. Das Ödland verdiente seinen Namen - es gab nur wenig Pflanzen und wirklich überhaupt kein Wasser.

Nachdem sie das Ödland durchquert hatten, erreicht sie schließlich Loch Modan, in dem die Zwerge und Gnome zu ihnen stießen. Zu Arthas' Gunsten gewann sein Heer dadurch an Größe und Macht. Sie inzwischen durstig gewordenen Soldaten und auch Arthas konnten ihren Durst im Loch stillen. Das erfrischende, kühle Wasser war sehr Willkommen und dort konnten sie auch ihren Vorrat an Wasser wieder aufstocken. Im Sumpfland angekommen, setzten sie ihren Weg ungefähr bis zur Hälfte des Sumpflandes fort, bevor sie auf die Streitkräfte der Nachtelfen und Draenei trafen, wodurch sie vollständig wurden. Arthas war überwältigt von der Größe der Streitmacht. Er hätte nicht geglaubt, dass alles so gut laufen würde. Er hoffte, dass dies auch wiederhin so war. Doch ihm stieg immer mehr das Unbehagen, als er an Sylvanas dachte. Sie kamen immer näher ... Und irgendwo fühlte er, dass es vielleicht falsch war. Aber es ging nicht anders! Niemals würde Sylvanas mit sich reden lassen. Nicht, nachdem was Arthas ihr angetan hatte ...

Er versuchte seine Gedanken zu ordnen und sich selbst zu beruhigen, als er das friedlich scheinende Land anschaute und den Stimmen der Grillen und Kröten, die es massenweiße in diesem sumpfigen Gebiet gab, horchte.
 

Nachdem sie das fruchtbare Arathihochland und danach das kalte und hügelige Alteracgebirge hinter sich gelassen hatten, erreicht sie die westlichen Pestländer, dessen Namen Arthas voller Schreck erfuhr.

Der junge Prinz war schockiert, was aus seinem geliebten Land geworden war. Überall waren verpestete Pflanzen, Untote und kranke Tiere. Unterwegs reinigten sie ihre Straße von den wenigen, hirnlosen Untoten, die sich ihnen in den Weg stellten. Arthas, der sich auf der Reise mit drei Paladinen angefreundet hatte - zwei Männer, Damrag und Kynarus, sowie eine Frau namens Nawrya - erfuhr durch Kynarus, dass es in diesen Pestländern eine Pflanze gab, die sich "Arthas' Tränen" nannte. "Wieso benennt man eine Pflanze nach mir?", hatte sich Arthas in diesem Moment nur gefragt. Als er sie dann auch noch zu Gesicht bekam - die Blätter waren lila und eigentlich sah die Blume sehr hübsch aus - fragte er sich wirklich, ob das eine Art Sühne für ihn darstellen sollte.
 

Bald überschritten sie die Grenze nach Tirisfal, das Land, in dem auch die Stadt Lordaeron war.

"Wir werden nicht weit von hier unser Lager aufschlagen. Es ist dunkel und wir sollten uns ausruhen. Morgen werden wir unseren Angriffsplan genauestens besprechen und möglicherweise schon angreifen", verkündete er laut.

Die Menge stimmte ihn zu, und sie reisten weiter zum Blendwassersee. Arthas wunderte sich, dass er keine Untoten sah. Sie waren so groß, dass sie eigentlich hätten auffallen sollen. Ihm wurde unwohl, als er darüber nachdachte, dass sie womöglich entdeckt worden waren und hinterhältig angegriffen werden konnten.
 

Arthas war froh zu hören, dass sich viele bereit erklärten, die erste Wache zu halten. Die erste Wache war meistens die schwerste - müde, wie man nach so einem langen Marsch war, war es oft schwer, noch länger wach zu bleiben.

Er saß mit Kynarus, Damrag und Nawrya an einem gemütlichen, großen Feuer, zusammen mit mehreren anderen Soldaten.

Sie versuchten, den Abend noch ein wenig lustig und fröhlich zu gestalten, bevor sie morgen zu ernsteren Angelegenheiten kamen.

Arthas war froh, die drei Paladine kennen gelernt zu haben. Er war froh, verstanden zu werden - und Hilfe zu bekommen.

In der Dunkelheit der Nacht schaute er in die Richtung, in der sich die Ruinen von Lordaeron befanden.

Nachdem er noch eine Weile wach war und mit den anderen redete, legte er sich schließlich nieder und schloss die Augen. Es dauerte eine Weile, bis er einschlafen konnte. Er war aufgeregt und betete zum Licht, dass alles gut werden würde. Doch gleichzeitig hatte er Angst ... große Angst, dass alles nach hinten losging und er wieder Schuld werden würde am Tod vieler, unschuldiger Menschen.

Der Angriff auf Undercity

Als Arthas früh am nächsten Tag aufwachte, fand er sogar schon die meisten der Soldaten wach vor. Sie aßen ihr Frühstück und versuchten, noch einmal vor dem großen Angriff zur Ruhe zu kommen.

Arthas tat es ihnen gleich und nahm sein Mahl ein. Kurz nach ihm wachten auch Kynarus, Damrag und Nawrya auf und speisten mit ihm.

Ungefähr zwei Stunden, als jedermann wach war und gefrühstückt hatte, begann Arthas, seinen Plan mit den Feldherren zu besprechen.

"Zuerst müssen wir einen kleinen Trupp losschicken, der Lordaeron erkunden soll. Äußerlich vor Allem, ob dort irgendwo Untote stationiert sind. Nach Undercity führen Abwasserkanäle, die groß genug sind, um hindurchzugehen. Wir sollten diesen Eingang nehmen anstatt von vorne anzugreifen, somit überraschen wir sie."

"Sie werden bestimmt nicht diesen Eingang unbewacht lassen", meinte einer der Männer.

Arthas schaute ihn an und lächelte.

"Nein. Aber weniger Untote als am Haupteingang werden wir sicherlich vorfinden."

Er dachte kurz nach und fuhr dann mit seiner Erklärung fort.

"Ich werde mit dem Erkundungstrupp unterwegs sein. Falls etwas passieren sollte - das heißt, falls wir nicht zurückkehren - werdet ihr angreifen, und zwar so schnell wie möglich. Wenn sie uns erst einmal entdeckt haben, werden sie sich vorbereiten, deshalb muss alles so schnell wie möglich ablaufen."

"Wieso wollt Ihr bei dem Erkundungstrupp dabei sein?", fragte einer der anderen Männer.

Arthas hatte diese Frage erwartet. Sollte nicht er, der Kronprinz von Lordaeron, selbst den Angriff auf die Untoten anführen?

"Es ist simpel. Sylvanas sucht mich. Die Untoten wissen, wer ich bin. Sie werden mich also nicht auf der Stelle töten und höchstwahrscheinlich nach Undercity bringen, falls sie uns heimlich angreifen sollten. Sylvanas wird dann beschäftigt genug mit mir sein, damit ihr angreifen könnt. Und ... Falls ich sterbe ..."

Arthas holte tief Luft. Sein Herz pochte bei der Vorstellung, bei diesem Versuch zu sterben, schnell. Er hatte Angst.

"... Setzt mein Werk bitte fort."

Die Feldherren blickten sich kurz an und schauten dann wieder zu Arthas.

Sie nickten.

"Wann beginnt Ihr mit dem Erkundungstrupp?"

Arthas blickte zum Himmel und schaute zum Stand der Sonne. Er schätzte, dass es um die elf Uhr morgens sein müsste. Besser jetzt als nie.

"Wir fangen sofort an."
 

Arthas ritt mit vier Paladinen durch den kleinen Wald, um Lordaeron zu besichtigen. Dass es so zerstört war, hatte Arthas ja vermutet, aber es jetzt doch mit eigenen Augen zu sehen, war viel schlimmer als die Vorstellung allein.

Sie hatten die ganze Vorderseite und den Eingang zu den Abwasserkanälen besichtigt, als Arthas meinte, dass es genug war.

Sie hatten die Eingänge zu den Abwasserkanälen erforscht - keine Wachen standen dort. Es sah ziemlich sicher aus.

Als sie gerade durch den kleinen Wald zurück zum Lager gehen wollten, hörte Arthas ein Geräusch in den Sträuchern. Er runzelte die Stirn.

Er wollte gerade absteigen und seine Waffe ziehen, als ihn etwas von hinten hart in die Schulter traf. Er schrie auf, als er den stechenden Schmerz spürte.

"Ein Pfeil", dachte er geschockt. Er wollte sich umdrehen und seinen Angreifern ins Gesicht zu sehen, doch spürte er, wie seine Glieder erlahmten. Er sank langsam nach vorne auf sein Pferd. Er nahm noch wahr, wie die anderen vier Männer seiner Gruppe angriffen und er hörte ihre Kampfesschreie. Das einzige, worüber er sich in diesem Moment freute, war, dass er vermutlich nicht mehr hören würde, wie sie starben. Dann schlug ihm jemand etwas hartes gegen den Kopf und ihm wurde schwarz vor Augen.
 

Als Arthas' Bewusstsein langsam zurückkehrte, nahm er zuerst den modrigen Geruch war. Außerdem spürte er den Schmerz in seiner Schulter, doch leicht verwundert stellte er fest, dass der Pfeil nicht mehr in seiner Schulter steckte. Er öffnete die Augen und verzog angewidert das Gesicht, bevor er voller Schrecken sah, wo er war.

Gefesselt und geknebelt hing er an einer Wand. Grausige Monstrositäten standen in dem Raum, in dem er sich befand und schauten ihn an. Ihr Ansehen fand Arthas so ekelerregend, dass er sich fast übergab. Seltsam, er hatte sie als Lichkönig oft gesehen und dennoch erfüllte ihn ihr Ansehen momentan nur noch mit Grauen.

In dem Raum befanden sich außerdem Untote - und Sylvanas. Sie hatte ihm gerade den Rücken zugedreht und schien etwas mit anderen Untoten zu besprechen. Was, das hörte Arthas nicht.

Arthas schaute sich um, um zu sehen, wo seine Gefährten geblieben waren, doch von diesen fehlte jede Spur. Entweder wurden sie schon an der Oberfläche getötet, oder hier unten irgendwo anders hingebracht.

Arthas wandte seinen Blick wieder zu Sylvanas, die ihn jetzt ebenfalls anschaute, wie er feststellte. Er schluckte. Was würde sie tun? Ihn quälen? Foltern? Oder wollte sie ihm doch einen kurzen Tod gewähren?

Die ehemalige Waldläuferin kam nun auf ihn zugeschritten. Sie grinste angsteinflößend und auch bei Arthas verfehlte dies seine Wirkung nicht.

"Da ist er ja, mein Lieblingsfeind", sagte Sylvanas in einem spöttischen Ton, während sie ihm näher kam.

Arthas versuchte, sein Gesicht entschlossen wirken zu lassen.

Sylvanas lachte.

"Ach, jetzt schau nicht so", meinte sie, "keine Sorge, ich werde mir schon etwas hübsches für dich ausdenken."

Ihr Gesicht verfinsterte sich und ihre Stimme klang düster.

"Was hast du mit mir vor?", fragte Arthas. Seine Stimme zitterte ein wenig. Er hatte einfach nur Angst. Aber ein Gedanke tröstete ihn: Von dem Angriff durch die Abwasserkanäle wussten sie anscheinend nichts, sonst wäre es hier nicht so ruhig.

"Nichts geringeres als das, was du mir auch angetan hast. Qualen, Folter und Schmerzen."

Sie blieb vor ihm stehen und schaute ihn verächtlich an.

"So ein Abschaum wie du hat es nicht anders verdient."

Tief in Arthas schmerzten diese Worte. Er hatte vieles falsch gemacht, das wusste er. Aber waren seine seelischen Schmerzen, die er wegen seiner Vergangenheit hatte, nicht Strafe genug?

Zugleich der Schmerz wuchs, wurde in Arthas das Mitleid mit Sylvanas Windrunner immer weniger.

Sicher, das, was er ihr angetan hat, war unverzeihlich und einfach nur grauenhaft. Aber sie hatte sich zu einer Kreatur entwickelt, die er einfach nur als "böse" bezeichnen konnte. Oder lag es daran, dass er sie in eine Untote verwandelt hatte? Arthas wusste einfach nicht, was richtig und was falsch war.

"Sylvanas, ich habe mich geändert. Sieh mich an ... Ich bin nicht mehr der Lichkönig", versuchte er, zu erklären.

"Das ändert nichts an deinen vergangenen Taten", sagte sie kühl.

Sie zog einen Dolch.

"In diesem Dolch steckt besonderes Gift. Ein kleiner Schnitt verursacht grausame Schmerzen."

Ihr Lächeln wurde breiter. Arthas brach der Angstschweiß aus.

"Er ist noch recht neu, hab ihn vorher noch nicht getestet. Du wirst eine hervorragende Versuchsperson sein."

Sei hob ihren Dolch.

Arthas wusste, dass jede Sekunde, die er verzögerte, kostbar sein konnte. Jeden Moment konnte seine Streitmacht angreifen und ihn hier heraus holen.

Er wusste, es war feige, aber wie ging es anders?

Eine helle Kuppel umgab ihn und der Dolch, den Sylvanas hatte niederfahren lassen, durchdrang diese Kuppel nicht.

Sylvanas Gesicht wurde wutverzerrt.

"Du feiger Hund!"

Sie ballte ihre Fäuste, umgriff den Dolch stärker.

Arthas ließ den Kopf hängen. Der Schild hielt nur noch wenige Sekunden ...

"Ertrage meine Rache wie ein richtiger Mann, du Memme!"

Arthas schluckte.

Nur noch fünf Sekunden ...

Sylvanas wartete ungeduldig. Ihr Zorn ließ Arthas zittern und sein Herz angsterfüllt pochen.

Noch 4 Sekunden ...

Arthas tropfte ein Schweißtropfen von der Stirn.

Noch 3 Sekunden ...

Sylvanas zählte mit und hob langsam wieder den Dolch.

Noch 2 Sekunden ...

Ob der Dolch Arthas' Rüstung durchdringen würde? Er fragte sich, wieso sie ihm nicht abgenommen wurde. Zu wenig Zeit?

Die letzte Sekunde lief.

Der Schild löste sich auf und Sylvanas wollte ihren Dolch hinunterfahren lassen, als lautes Kampfgeschrei und die Schreie sterbender Untoten den Raum erfüllte, in dem sie sich befanden.

"Was zum ...", wunderte sich Sylvanas und drehte sich um. Ihre Hand war mitten in der Bewegung verharrt.

Arthas fühlte Erleichterung in sich aufkommen. Sie waren da ... Gerade noch rechtzeitig. Schon einige Sekunden später sah er Kynarus, Damrag und Nawrya zusammen mit einer größeren Gruppe anderer Soldaten, die sich einen Weg in den Raum kämpfen.

Er hörte Kynarus' Stimme: "Da drüben ist er! Wir haben gleich den richtigen Raum erwischt. Welch ein Glück!"

Arthas Erleichterung wuchs an und er entspannte sich ein wenig, doch noch stand Sylvanas vor ihm. Diese sah zu, wie ihre Untoten starben, hilflos vom überraschenden Angriff überrannt.

Sylvanas fuhr wieder herum, ihre Augen blitzten.

"Es ist noch nicht vorbei, Elender Wurm!"

Sie ließ den Dolch niederfahren. Er durchstieß Arthas' Rüstung und hinterließ einen langen Kratzer an Arthas' Arm.

Arthas öffnete geschockt den Mund und sah zu, wie Sylvanas davonlief, anscheinend durch einen Geheimgang, den sie selber anbrachte, da Arthas sich nicht erinnern konnte, dass sich so etwas in Undercity befunden hatte. Untote folgten ihr, danach rannten Paladine mit in den Geheimgang und verschwanden in der Dunkelheit.

Der junge Prinz wandte seinen Blick zum Arm. Kein Schmerz.

Rotes Blut sickerte über die Rüstung und beschmutzte sie.

Seine Muskeln fingen an, schmerzhaft zu pochen. Die Wunde, die vor einem Moment noch nicht weh tat, brannte nun entsetzlich. Zugleich stach es in seinen Arm, als würde sich ein Schwert hineinbohren.

Arthas schrie. Er schrie seinen Schmerz heraus, schrie nach Hilfe und nahm nichts mehr wahr außer diesen entsetzlichen Schmerz.

Er hatte die Augen fest zusammengepresst und spürte, wie seine Fesseln getrennt wurden.

Er konnte noch wahrnehmen, wie feste Arme ihn nahmen und er weggetragen wurde. Der Schmerz hielt weiter an, bis er so unerträglich wurde, dass Arthas das Bewusstsein verlor und hinüberging in einen fürchterlichen Alptraum.
 

Arthas wachte in einem kleinen Zelt wieder auf. Er öffnete vorsichtig die Augen und sah Nawrya neben sich knien. Ihre braun gelockten Haare hingen nach vorne herab und sahen leicht verschwitzt aus, während ihre braunen Augen auf seine Wunde schauten. Sein Brustpanzer war abgelegt und der junge Paladin versorgte seine Wunde mit Wasser und ihren Heilkräften.

Arthas fühlte fast keinen Schmerz mehr, nur noch ein leichtes Pochen. An seiner Schulter spürte er überhaupt nichts mehr.

"Nawrya ... Ist es ... geheilt?", fragte er sie. Er konnte seinen Kopf nicht so weit biegen, dass er auf seinen Arm schauen konnte. Er fühlte sich völlig schwach und ausgelaugt. Ob das eine Nebenwirkung von diesem Gift war, der für die Schmerzen gesorgt hatte?

"Ich bin nah dran, Arthas. Gleich ist es ganz vorbei", sagte sie und lächelte ihn sanft an. Sie heilte ihn weiter.

"Hast du alles geheilt?", er schloss seine Augen wieder und genoss es, wie der letzte Schmerz schwand.

"Nein", hörte er Nawryas Stimme, "am Anfang haben zwei Priester das Gift beseitigt. Ich habe hauptsächlich die äußerliche Wunde verschlossen. Die Priester mussten noch mehrere Verletzte versorgen."

"Ah", machte Arthas kurz.

"Willst du etwas trinken?", fragte Nawrya ihn und er hörte ein leichtes Plätschern, als hätte sie eine Trinkschale hochgehoben.

Er öffnete die Augen.

"Ja, bitte."

Sie half ihm sich aufzusetzen und führte die Trinkschale zu seinem Mund. Arthas trank das frische Wasser geradzu gierig. Sein Hals war völlig trocken gewesen.

Als er fertig getrunken hatte, legte sie ihn wieder zurück und stellte die leere Trinkschale weg.

"Es wird das beste sein, wenn du dich ausruhst. Wir lassen dich später zum Abendessen rufen, dann berichten wir dir alles, was nach deiner Bewusstlosigkeit passiert war. Ja?"

Arthas schloss erneut die Augen. Ja. Ein angenehmer Schlaf würde ihm jetzt sehr gut tun.

Er nickte.

"Ich danke dir."

Sie sagte nichts mehr und er konnte hören, wie sie das Zelt verließ.

Bald danach schlief er ein.
 

Er wurde von Damrag geweckt.

Nachdem er sich ein einfaches Hemd angezogen hatte, ging er mit ihm nach draußen und setzte sich an das Lagerfeuer. An diesem Abend gab es guten Eintopf, der Arthas' Gaumen schmeichelte.

"Jetzt erzählt mir. Wie ist es gelaufen?", fragte er seine drei Freunde.

Kynarus, der wohl aktivste und kampflustigste unter ihnen ließ seine hellen, blauen Augen blitzen und strich sich seine rötlichen, zerzausten Haare aus dem Gesicht. Er grinste sofort und erzählte los.

"Nachdem du bewusstlos wurdest, haben wir dich erstmal rausgebracht und zum Lager zurückgebracht, wo du von den Priestern versorgt wurdest. Nawrya und Damrag blieben vorsichtshalber zurück, ich aber ging zurück nach Undercity, um wieder mitzukämpfen. Die Untoten flohen! Ich hab gewusst, dass dein Plan mit dem Überraschungsangriff Erfolg haben würde. Naja, ich geb zu, es war kein fairer Kampf. Wir waren ihnen in den Rücken gefallen. Aber immerhin sind sie jetzt weg! Die meisten sind wahrscheinlich tot, viele sind zu den Ufern geflohen. Den restlichen wird noch nachgejagt. Möglicherweise fliehen sie mit Booten nach Kalimdor?"

Kynarus hatte so schnell und augeregt geredet, dass Arthas Probleme gehabt hatte, die ganze Zeit dabei zu sein.

"Das ist ... großartig!", sagte Arthas schließlich.

Undercity war gefallen! Sie mussten schnellstens mögliche Geheimgänge sichern und es besetzen, damit Sylvanas keine Chance hatte, es zurückzuerobern.

Achja ... Sylvanas ...

"Wohin ist Sylvanas geflohen?"

Kynarus zuckte mit den Schultern.

"Die Soldaten, die sie verfolgt hatten, sagten, dass sie die Untoten erwischen konnten, die dabei waren. Sylvanas selbst war spurlos verschwunden. Der Geheimgang endete an der Küste. Da war ein kleiner Steg. Vielleicht ist sie zum Immersangwald gereist, um nach Silvermoon zu kommen ...", rätselte er.

Stimmt, Silvermoon. Arthas hatte gehört, dass die Stadt wieder aufgebaut geworden war - zumindest auf der rechten Seite der "Todesschneise", die er damals hinterließ, als er mit seiner Untotenarmee eingefallen war.

Sylvanas war wahrscheinlich zu den Blutelfen geflohen.

"Wann willst du mit Säuberung des Landes beginnen?", fragte Damrag. Ihn hatte Arthas als den bescheidenen und Klugen kennen gelernt. Damrag hatte beruhigende, grüne Augen, die den Anschein hatten so voller Weisheit zu stecken, dass es einen schon überwältigen konnte. Er hatte blondes, kurzes Haar und ein stets freundliches Gesicht.

Arthas hasste es, das Wort "Säuberung" zu hören. Es erinnerte ihn an Stratholme ... aber das konnte seine Freunde nicht wissen.

"Das weiß ich jetzt noch nicht", antwortete er ihm.

"Aber bald."

Die Rückeroberung von Lordaeron

In den darauffolgenden Tagen ging es hauptsächlich darum, die Stadt Lordaeron mit genügend Wachleuten zu besetzen und Undercity selbst noch zu reinigen. Arthas war überwältigt, wie sich die Untoten dort eingerichtet hatten.

Undercity hatte, so fand er, seinen Namen jetzt richtig verdient. Unterstadt ... eine richtige Stadt, anders als vorher.

Als Arthas das erste Mal seit langer Zeit den Thronsaal wieder betrat, bekam er eine Gänsehaut. Es war düster und die Stimmung, die er verbreitete, war schrecklich.

Arthas sah die Blutflecken auf dem Boden, die von seinem Vater stammten. Sie waren alt und eingetrocknet und Arthas fragte sich, ob er sie dort lassen oder wegmachen sollte.

Als er zu den Toren Undercitys ging, die sich innerhalb des Schlosses befanden, sah er das Grab seines Vaters.

Er stockte, als er es sah, dann ging er langsam darauf zu.

"Vater ...", flüsterte er.

Er wusste, dass dort nicht der Leichnam seines Vaters war. Der wurde verbrannt und Arthas hatte die Urne selbst ausgeschüttet, um damals Kel'thuzads Überbleibsel hinein zutun.

Aber es war dennoch ... eine Art Denkmal, ein Grabmal. Die Inschrift rührte Arthas sogar die Tränen in die Augen, da ihm seine Schuld wieder bewusst wurde.

Die Inschrift lautete:

"Hier ruht König Terenas Menethil II. – der letzte wahre König von Lordaeron. Groß waren seine Taten – lang währte seine Herrschaft – undenkbar schien sein Tod. Möge der Vater unschuldig an des Sohnes Taten ruhen. Möge die blutige Krone verloren und vergessen bleiben."

Arthas kniete vor dem Grab nieder.

Seine Tränen wollte er nicht mehr zurückhalten. Zu lange hatte er sie verdrängt ...

Die Tränen liefen über sein Gesicht, während er den kalten Stein des Grabmals berührte.

"Es tut mir so leid, Vater", flüsterte er.

"Verzeih mir meine Taten."
 

Als Arthas nach einer Weile wieder in den Thronsaal kam, fühlte er sich, als hätte er eine schwere Last abgenommen bekommen. Auch wenn sein Vater tot war und er seine Entschuldigung nicht mehr hören konnte, fühlte er sich, als hätte sein Vater die Entschuldigung angenommen und wäre stolz auf ihn gewesen.

Arthas wusste, dass dieses Gefühl wahrscheinlich nur Einbildung war. Doch darüber wollte er nicht weiter nachdenken ... es tat zu gut.

Im Thronsaal befanden sich schon einige Wachen. Die meisten Leute jedoch waren damit beschäftigt, die Leichen der Untoten zu beseitigen. Ein wenig außerhalb von Lordaeron machten sich mehrere Magier daran, einen Scheiterhaufen herzurichten, damit die Leichen verbrannt werden konnten.

Arthas ging, geradezu ehrfürchtig, zum Thron hinauf, auf den eins sein Vater saß. Er strich vorsichtig und fast schon liebevoll über das Sitzpolster, auf dem sein Vater so viele Jahre lang gesessen war und als wunderbarer König geherrscht hatte.

Besser, als Arthas es jemals tun könnte.

Er erinnerte sich an die schönen Momente, die er mit seinem Vater verbringen konnte. Die weniger erfreulichen Momente kamen ihn in diesen Momenten überhaupt nicht in den Sinn. Er dachte an seine verstorbene Mutter und an Calia, seiner Schwester, die damals verschwunden war. Ob sie noch lebte? Ob er sie jemals wiedersehen würde?

Oh, beim Licht, er hoffte es so sehr. Calia war die einzige, die ihm dann noch geblieben wäre.

"Calia ...", dachte er sich und musste an den Moment denken, als sie mit sechzehn waren von ihren Vater verlobt worden war. Sie war weinend in ihrem Zimmer gesessen. Terenas hatte Arthas damals gebeten, mit ihr zu reden und sie zu beruhigen. Calia hatte diesen Mann nicht geliebt und wollte ihn auch nicht heiraten. Terenas hatte später zum Glück für Calia aber Zweifel an Prestor bekommen. Das letzte Mal hatte Arthas Calia am Tag gesehen, als er in den Orden der Silbernen Hand aufgenommen wurde.

Arthas setzte sich nicht auf den Thron sondern drehte um, um wieder nach draußen zu gehen. Er wollte den Menschen helfen, die Leichen zu beseitigen.
 

Einige Tage später kam Arthas zu dem Entschluss, dass die Säuberung von Lordaeron - den momentanen Pestländern und auch Tirisfal - am nächsten Tag stattfinden sollte.

"Wie stellen wir es am besten an?", fragte ihn Damrag, als Arthas ihn von seiner Entscheidung unterrichtete.

Arthas dachte kurz nach.

"Die Magier ganz vorn. Mit ihrer Magie können sie größere Bäume leichter beseitigen. Paladine versuchten, Verseuchtes zu heilen, wenn es nicht funktioniert, muss es vernichtet werden. Die übrigen Soldaten sollten die restlichen Untoten töten. Die zerstörten Städte lassen wir nach unserem Handeln wieder aufbauen. Und ..."

Er lächelte scherzhaft.

"Nach der ganzen Aktion brauchen wir Gärtner. viele Gärtner."
 

Am Tag darauf waren alle Vorkehrungen getroffen worden, was Arthas sehr freute. Es ging bergauf in seinem Leben.

Sie teilen sich in drei Gruppen auf: die erste Gruppe beschäftigte sich mit Tirisfal. In dieser Gruppe befanden sich die eher unerfahrenen Soldaten, da sich diese bei Schwierigkeiten schnell im Lager oder in der Stadt Lordaeron zusammenfinden konnten. In der zweiten Gruppe waren die Durschnittlichen - sie konnten bei Problemen Unterstützung von der Gruppe aus Tirisfal und der der östlichen Pestländer bekommen. Logischerweise übernahm diese Gruppe die westlichen Pestländer.

Arthas war in der Gruppe, die sich auf den Weg in die östlichen Pestländer machte. Der Weg war am weitesten, aber er wusste, dass alles gut gehen würde. Jetzt konnte sich ihnen nichts mehr in den Weg stellen. Bald würde er seine Heimat wieder haben.

Arthas machte sich mit seiner und der Gruppe der westlichen Pestländer auf. Von der zweiten Gruppe würden sie sich in den westlichen Pestländern verabschieden müssen.

Während sie gingen, fing die erste Gruppe an, die verpesteten Pflanzen zu verbrennen und es zumindest zu versuchen, verpestete Tiere zu heilen, was jedoch keinen großen Erfolg versprach.
 

Je weiter sich Arthas in die Pestländer wagte, desto mehr überkam ihn das Unbehagen und die Schuldgefühle. Alles, was er sah, war SEIN Verdienst. Immer wieder benötigte er unterwegs einige Momente der Meditation, weil er dachte, es nicht weiter aushalten zu können. Aber ein Gedanke trieb ihn immer weiter voran: "Bald, bald ist es vorbei."

Als sie sich von der der zweiten Gruppe trennten brauchten sie noch mehrere Stunden, bis sie in den östlichen Pestländern ankamen.

Sie teilten sich in Zweierpaare auf. Arthas sah, wie sich Kynarus und Damrag zusammentaten. Seine Begleitperson war Nawrya. Sie gingen alle in verschiedene Richtungen, um so schnell wie möglich voranzukommen. Arthas und Nawrya hielten sich südöstlich.

"Seh dir mal den Bär da hinten an", bat Arthas.

"Er sieht alt aus, ist also wohl ungefährlich."

Nawrya nickte und ging stumm auf den Bär zu, während sich Arthas dem Reh widmete, welches sie zuvor gefunden hatten. Es schien noch nicht allzu lange in den Pestländern zu sein, womit das Heilen der Seuche, die sich im Körper des Rehs noch nicht ausgebreitet hatte, glückte. Das Reh sprang auf und hüpfte eilig davon, nachdem es Arthas losgelassen hatte.

Dann hörte er Nawryas Schrei und schaute zu ihr hinüber.

Nawrya war offensichtlich in eine von Menschen gestellte Falle getappt - eine Fallgrube. Sie hielt sich mit einer Hand am Rand des Loches fest und zappelte fast schon hilflos. Der Bär war offensichtlich tot, anstatt, wie sie dachten, nur im Schlaf versunken.

"Nawrya!", rief Arthas aus und eilte zu ihr rüber. Er beugte sich runter und nahm ihr Handgelenk, als er spürte, wie auch die Stelle, an der er kniete, zu bröckeln begann.

Er riss die Augen weit auf.

"Nein, verdammt!"

Er konnte sich gerade noch so in der Luft drehen, dass er sich mit einer Hand an einer Wurzel festhalten konnte, die glücklicherweise aus dem Boden ragte.

Er schaute zum Boden der Grube, die er vorher nicht beachtet hatte und sah, wie riesige, schwarze Spinnen unten herumkrabbelten und gierig auf ihre Beute warteten.

Währenddessen schrie Nawrya hysterisch.

"Lass mich nicht fallen, lass mich bloß nicht fallen!", schrie sie laut und klammerte sich an seinen Arm.

"Du hast eine Spinnenphobie?! In einer Welt, in der RIESENSPINNEN EXISTIEREN?!", schrie er ebenfalls. Mit einem Arm allein war es schwer zwei Personen zu tragen, besonders wenn die zweite Person so eine Angst hatte, dass sie sich mit vollem Gewicht an einen Arm hängte.

"Ich kann nichts dafür! Ich hätte auch lieber keine Angst!", schrie sie.

"Halt dich an meinem Fuß fest, Nawrya, sonst fallen wir beide runter!"

"Niemals! Ich will diesen Viechern keinen Zentimeter näher kommen!"

"Ich lass dich gleich fallen!", drohte Arthas fast schon verzweifelt. Er machte Anstalten, sie loszulassen.

Sie schrie noch mehr, doch Arthas erreichte nicht, dass sie seinen Fuß festhalt, nein, sie umklammerte seine Hüfte und drückte ihr Gesicht in seinen Rücken, um die Spinnen nicht sehen zu müssen. Dabei klammerte sie sich so fest an ihn, dass er meinte, gleich würde sich seine Rüstung verbiegen.

"Poah ...", brachte er heraus.

Arthas dachte nicht daran, um Hilfe zu rufen. Nawryas Schreie waren allein schon mehr als genug.

Das einzige, um was sich Arthas jetzt kümmerte, war, genug Halt zu finden um so lange auszuharren, bis jemand kam und sie rettete. Er konnte sich nicht hochziehen, da er zusammen mit Nawrya zu schwer war.

Es kam ihn auch nicht in den Sinn, zu versuchen, Nawrya zu beruhigen. Das würder er niemals schaffen, besonders nicht, weil die Spinnen sogar schon hochsprangen, um an die beiden heranzukommen. Arthas musste hin und wieder mit seinem Bein nach eines der Dinger treten.

Er konnte hören, wie Nawrya sogar anfing, zu weinen - beim Licht, er war gesegnet worden, keine Angst vor diesen Spinnen zu haben.

Die Minuten vergingen und Arthas' Arme schienen von Sekunde zu Sekunde steifer zu werden. Außerdem kam es ihm vor, als würde er zusammen mit Nawrya so viel wie einer dieser Elekks wiegen. Ein verdammter großer, und ... schwerer Elekk.

Dann endlich hörte Arthas Schritte. Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit - doch eigentlich waren nur wenige Minuten vergangen.

Damrag und Kynarus sowie zwei andere Zweiergruppen kamen zum Abgrund.

Sie fragten zuerst nicht nach, was passiert war - es galt, zuerst die beiden aus dem Loch zu ziehen.

"Nehmt dieses Seil", forderte ihn ein Soldat auf, holte ein stabiles Seil aus seinem Rucksack und hielt es Arthas hin. Mit einem Seil würde es besser funktionieren.

Arthas gehorchte. Er packte das Seil zuerst mit einer Hand, dann nahm er die Seite dazu. Er hielt sich so gut wie möglich fest. Er hatte Angst, durch seine Panzerhandschuhe wegzurutschen. Die sechs Männer nahmen das Seil und fingen an, Arthas und Nawrya herauszuziehen.

Arthas atmete erleichtert auf, als er sich vollständig auf festem Boden befand.

Nawrya ließ ihn oben los und setzte sich ins Gras. Sie versuchte, eilig ihre Tränen wegzuwischen und sich zu beruhigen.

Arthas schaute sie an.

"Hey", versuchte er, sie aufzumuntern, "Jetzt ist ja alles vorbei."

Sie schaute auf und lächelte ihn kurz an, dann senkte sie wieder den Kopf.

Damrag halt Arthas, aufzustehen.

"Was genau war da jetzt passiert?", fragte er ihn.

Arthas schaute zu der Falle.

"Untote sind nicht schlau genug, um sowas aufzubauen."

Er wandte seinen Blick wieder zu Damrag.

"Hier sind andere Menschen."

"Der Scharlachrote Kreuzzug ...", flüsterte einer der Soldaten.
 

Die dritte Gruppe wurde gleich nachdem Anhänger des Kreuzzuges gesichtet wurden, zusammengerufen.

Arthas schüttelte den Kopf.

Er hatte keinen Widerstand erwartet, aber der Scharlachrote Kreuzzug misstraute jedem, der nicht zu ihnen gehörte. Aus genau diesem Grund würden sie sie angreifen - und mit ihnen würde sicherlich auch nicht gut reden sein.

"Was tun wir jetzt?", fragte Kynarus.

"Wir müssen sie irgendwie vertreiben", meinte Arthas.

"Aber ich will nicht alle umbringen müssen."
 

Arthas wollte versuchen, die Ritter des Scharlachroten Kreuzzuges zuerst durch die Größe seines Heeres einzuschüchtern. Wenn sie dadurch nicht flohen, versuchte er es mit Diplomatie. Wenn auch das nicht gelang, musste er wohl oder übel angreifen.

Wie sich herausstellte, gab es in jedem Teil der Pestländer und auch Tirisfal einen Ort, an dem sich der Kreuzzug befand.

In Tirisfal war dies das Scharlachrote Kloster. In den westlichen Pestländern war es Herdweiler und in den östlichen Pestländern hatten sie sich in Tyrs Hand eingenistet. Sie mussten eine Basis nach der anderen aufsuchen.

So geschah es. Nachdem sich die zweite und dritte Gruppe wieder in Tirisfal einfanden, brachen sie am nächsten Tag zusammen mit der ersten Gruppe zum Scharlachroten Kloster auf.

Währenddessen überlegte sich Arthas, wie sie es am besten anstellten. Er glaubte nicht daran, dass sie sich einer so großen Streitmacht stellen würden. Besonders nicht im Scharlachroten Kloster - Tyrs Hand war die Stadt, in der auch ihr Anführer stecken sollte, wie Arthas erfuhr. Eine Frau, Hochgerenal Abbendis.

Er sah von Weitem das Scharlachrote Kloster. Ob diese Krieger fliehen, kämpfen oder sich ergeben würden?

Sie kamen den Kloster immer näher. Arthas konnte die rot gekleideten Personen darauf erkennen.

Sie blieben bei einiger Entfernung stehen. Um nicht gleich den Anschein zu erwecken, offen anzugreifen, ritt Arthas mit fünf anderen Paladinen näher an das Kloster heran. In sicherer Entfernung - um möglichen Pfeilen zu entgehen - blieben sie stehen.

Arthas schloss kurz die Augen, öffnete sie dann wieder und holte tief Luft.

Dann rief er: "Flieht aus Lordaeron! Die Geißel ist vernichtet, hier gibt es nichts mehr für euch zu tun! Geht weg, oder wir werden euch angreifen!"

Er wartete einige Momente, die ihn wie eine Ewigkeit vorkamen.

Dann ließ sich einer der Scharlachroten Soldaten am Tor des Klosters blicken, aber auch er war nicht allein. Einige andere Soldaten standen hinter ihm.

"Wir werden nicht eher gehen, bis uns unser Anführer dazu auffordert. Bevor er nicht damit einverstanden ist, bleiben wir hier. Und wenn Euch das nicht passt, dann soll Euer Angriff sein."

Arthas fluchte innerlich.

"Verdammt", dachte er sich.

Was nun? Gnadenlos angreifen? Oder sollte er das Risiko eingehen und zuerst mit ihren Anführer sprechen? Sie ließen sich ja anscheinend nicht erweichen. Wenn ihnen sogar der Tod keine Angst einjagte, so musste Arthas mit den Anführer reden.

Sicher, was sonst? Er konnte sich vorstellen, dass der Anführer erst recht nicht mit sich reden lassen würde, wenn Arthas seine Leute getötet hätte.

Also schön, dann auf zu Tyrs Hand.

"Dann werde ich zuerst mit eurem Anführer reden", verkündete Arthas.

Er hoffte nur allzu sehr, dass Abbendis mit sich reden lassen würde.
 

Bis sie in den östlichen Pestländern ankamen, war der nächste Tag schon angebrochen. Sie hatten in den westlichen Pestländern für die Nacht Halt gemacht und sich für den nächsten Tag vorbereitet.

Da Tyrs Hand am Rande der östlichen Pestländern lag, dauerte es noch einmal einige Stunden, bis sie es sahen. Das Bild in den Pestländern war anschaulicher als zuvor: Es gab keine kranken Tiere mehr - wenn es überhaupt noch Tiere gab - und der Boden und die Bäume waren nur noch Staub und Asche. Auf ihren Wegen gab es keine Untoten mehr. Die einzigen Untoten, die es noch gab, lagen in den Städten wie Stratholme - größere Gruppen mit Soldaten wurden dorthin entsandt, um die Untoten von dort zu vertreiben.

Arthas machte es bei Tyrs Hand so, wie er es beim Scharlachroten Kloster getan hatte - er ritt mit fünf Paladinen näher heran, dann hob er wieder seine Stimme.

"Die Geißel wurde vertrieben! Zieht weg von Lordaeron oder ein Kampf wird unvermeidlich sein! Lasst mich mit eurem Anführer sprechen!"

Er beobachtete, wie Soldaten des Scharlachroten Kreuzzuges ins Innere von Tyrs Hand verschwanden, dann wartete er.

Einige Minuten später kam Hochgeneral Abbendis durch das Tor. Sie trug ihr Haar hochgesteckt und steckte in einer Rüstung, die das Symbol des Scharlachroten Kreuzzuges trug.

Sie ging auf Arthas zu - allein. Als sie in Höhrweite war, fing sie an, zu reden.

"Auf ein Wort lasse ich mich nicht vertreiben", meinte sie.

"Ein Zweikampf auf Leben und Tod soll entscheiden, wer bleiben darf und wer nicht."

Sie stand nun ungefähr zehn Meter vor Arthas, welcher nachdachte.

Ein Zweikampf? War da irgendwo vielleicht ein Haken?

"Nun gut", sagte er schließlich.

Für ihn stand nämlich eines fest:

Nahm er nicht an, würde er gegen alle kämpfen müssen.

Wenn er annahm und er sie besiegen würde, könnte es sein, dass ihn der Scharlachrote Kreuzzug trotzdem angriff, wodurch er ebenfalls gegen alle kämpfen müsste.

Aber wenn sie ihr Wort hielt, so müsste er nur gegen eine Person kämpfen und keine weiteren Leben verschwenden.

"Aber eine Frage", wagte er sich, zu sagen.

"Woher soll ich wissen, dass mich nicht all Eure Soldaten angreifen, falls ich den Zweikampf gewinnen sollte?"

Abbendis lächelte.

"Ihr seid klug. Mehr als Ihr ausseht."

Arthas wurde bei den Worten leicht zornig, obwohl er wusste, dass sie ihn absichtlich provozieren wollte.

"Mehr als mein Wort kann ich Euch nicht geben", fügte sie hinzu. "Verflucht sollen meine Leute sein, wenn sie mein Versprechen brechen."

Arthas seufzte innerlich. Er hatte keine Garantie, dass alles mit einem Zweikampf vorbei sein würde. Er konnte es nur hoffen.

"So soll es sein", sagte er.
 

Ungefähr eine Stunde verging, als Arthas und Abbendis auf dem Hof standen. Hinter Arthas standen viele seiner Soldaten. Ein kleiner Teil seines Heeres, aber sicher war sicher. Wenn sich alle von Abbendis' Männer auf ihn stürzen würden, wäre er so gut wie erledigt.

Arthas und Abbendis standen sich einige Meter gegenüber.

Abbendis zog ihre Axt und Arthas nahm seinen Hammer in die Hand. Er fragte sich, ob es sein musste, dass Abbendis, die anscheinend noch so jung war, ihr Leben für so eine Sache hergeben müsse - oder er.

"Möge der Zweikampf beginnen", sagte Abbendis, dann stürmte sie auf den Prinzen zu.

Arthas wich dem Schlag mit Leichtigkeit aus.

Er fuhr herum und schlug mit seinem Hammer auf sie, Abbendis aber schlug mit ihrer Axt dagegen und lenkte somit Arthas' Schlag zur Seite.

Sie holte aus und zielte auf seinen Hals.

Arthas drehte sich ausweichend herum und nahm seinen Schwung des Drehs mit, um gleichzeitig Abbendis zu schlagen.

Sein Hammer verfehlte sein Ziel nicht und Abbends wurde am Arm getroffen, mit der sie ihre Axt hielt. Sie schrie kurz auf und ließ die Axt durch die Erschütterung, die Arthas mit dem Schlag verursacht hatte, fallen.

Arthas stellte sofort einen Fuß auf die Axt und holte ein zweites Mal aus.

Abbendis hatte ihr Gesicht vor Schmerz verzerrt und wich zurück, jedoch nicht schnell genug. Arthas trag sie hart an der Hüfte und Abbendis viel zu Boden.

Sie hielt sich mit ihrem verbleibenden gesunden Arm die Stelle, an der Arthas sie gerade erwischt hatte und schaute zu ihm empor.

"Ich wusste ja nicht ... Dass Ihr so kamperfahren seid", sagte sie keuchend.

Arthas schaute zu ihr herunter. Er empfand Mitleid.

Er konnte sie doch nicht einfach so töten ... Sie sah so hilflos aus.

Er schaute ihr in die Augen. Bei ihr sah er die Angst vor dem Tod - sie war sich vorher recht siegessicher gewesen.

"Ich verschone Euer Leben", sagte Arthas, "wenn Ihr und Eure Leute aus Lordaeron verschwindet und nicht mehr wiederkommt."

Abbendis schaute ihn an, ihre Augen leuchteten vor Freude kurz auf.

Arthas sah ihre Mundwinkeln kurz zucken. Sie wollte lächeln, konnte aber nicht. Vielleicht war ihr ihre schnelle Niederlage gegen ihn peinlich.

"Woher soll ich wissen ...", brachte sie hervor, "dass Eure soldaten mich nicht angreifen, wenn ich jetzt aufstehe und gehen will?"

Arthas lächelte gezwungen. Fast dasselbe hatte er vorhin gefragt. Er führte das kleine Spiel fort.

"Mehr als mein Wort kann ich Euch nicht geben."

Von Freundschaft zu Liebe

Der Scharlachrote Kreuzzug zog ab - nur eine blieb da: Abbendis.

Nach Arthas' Frage, wieso sie das tat, antwortete sie, dass er ihr Leben verschont ließ. Dafür riskierte sie ihr Leben, um eine seiner Soldaten zu werden.

Arthas hatte nichts dagegen. Je größer sein Heer war, desto besser.
 

Dank den nachtelfischen Druiden unter Arthas' Streitmacht, konnte die Aktion beginnen, Pflanzen und Bäume in Lordaeron anzubringen. Dank der Nachtelfen ging es sogar noch schneller. Arthas hatte einen Boten mit einer kleiner Gruppe Soldaten nach Stormwind ausgesannt, damit dieser König Varian Wrynn nach einigen Gärtnern bat.

Arthas wusste schon, wie er es am besten tat: Die Druiden sollten dank ihrer Beziehung zu der Natur dazu in der Lage sein, den Wachstum der Bäume und die des Grases zu beschleunigen. Sie sollten also die Grundarbeit verrichten - Bäume, Sträucher und das Gras. Die Gärtner, die König Varian ihn hoffentlich senden würde, würden dann die Feinheiten machen: Blumen ansähen - Wildblumen natürlich, keine Zuchtblumen - und außerdem natürliche Nahrungsmittel zum Einstieg.

Alle anderen fingen an, die einzelnen Dörfer zu besetzen - sie räumten dort auf, um die Arbeit für die kommenden Reperaturarbeiten zu erleichtern. Arthas selbst und seine drei Freunde - die erst nach seiner Bitte zustimmten - halfen bei der Stadt Lordaeron mit.

Arthas versuchte den Schmerz zu unterdrücken, der ihn bei den Aufräumarbeiten wieder zu erdrücken drohte. Anscheinend sah man es ihm an, denn er erntete mitleidige Blicke von Nawrya, die drohten, alles noch schlimmer zu machen. Er sah sie absichtlich nicht an, um ihren Blicken zu entkommen. Irgendwann entfernte sie sich von ihm, um woanders weiterzuarbeiten.

Arthas seufzte leise. Er hoffte, dass bald ein Tag vergehen würde, an dem er sich richtig wohl fühlen würde.

Er fuhr sich durch sein Haar. Dadurch, dass die Seuche aus den Ländern vertrieben worden war, war der Himmel wieder blau. Nur einige Wolken verdeckten ab und zu die Sonne. Es war ein heißer Tag und Arthas schwitzte. Die Aufräumarbeiten waren selbst für seine Kraft anstrengend, denn es war nicht gerade wenig, was weggeräumt werden musste. Überall lagen Trümmer herum, die auf einen Haufen gebracht wurden, damit die Arbeiter, die später die Städte und Dörfer erneuern würden, wiederverwendbares Material hätten. Sicher konnte man nicht alles wiederverwenden. Das, was unnütz war, wurde sogleich verbrannt und beseitigt.

Arthas jedoch war froh, dass alles so gut lief. Er hoffte, dass es sich viele Bürger aus anderen Gegenden überlegen würden, nach Lordaeron zu ziehen. Es war ein wunderschönes Land ... gewesen. Aber es würde wieder erblühen.
 

In den Städten zu schlafen war für die meisten noch recht unangenehm, sodass sie in ihrem am Anfang aufgeschlagenen Lager übernachteten.

Am Abend begab sich Arthas wieder auf den Weg ins Lager, die meisten waren schon früher gegangen. Arthas jedoch fühlte sich dazu verpflichtet, mehr als die anderen zu Arbeiten. Eigentlich hatte er es selbst alles zerstört. Er war dankbar, dass überhaupt alle mithalfen. Entweder hatten sie noch ein wenig Angst in ihm, oder sie waren froh, dass alles nun vorbei war und sie bald wieder größeres Land bekämen.

Als Arthas im Lager ankomm, war die Stimmung gut. Einige betranken sich sogar und waren ausgelassen fröhlich, die meisten schliefen noch nicht und feierten die Erfolge, die sie hatten.

Nachdem Arthas sich umgezogen hatte und nun eine bequeme Hose, einen Pullover und normale Schuhe trug, gesellte er sich zu seiner üblichen, kleinen Gruppe, der nun auch Abbendis angehörte. Arthas fand sie nett, wenn man sie erst einmal richtig kennen gelernt hatte. Einige waren ihr gegenüber misstrauisch, besonders jetzt noch, so am Anfang. Deshalb war es wichtig, dass sie ihr halfen, sich in die Gemeinschaft einzugliedern.

Arthas bemerkte, dass Nawrya nicht unter ihren Freunden war.

"Wo ist sie?", fragte er, nachdem er sich auf die Bank niedergelassen hatte, die er und Damrag sich Stammplatz reserviert hatten.

Damrag seufzte leise.

"Mit den heutigen Boten kam auch ein Brief für sie an", sagte er leise.

"Es kam von dem Mann, der sich um ihren Vater gekümmert hatte, seit sie weg war. Ihr Vater ist an Altersschwäche gestorben. Nawrya hatte den Brief vorhin gelesen und ihn mir als Erklärung überlassen, bevor sie zum See ging. Sie hatte mir schon einmal erzählt, dass sie niemanden mehr außer ihren Vater hatte."

Arthas hörte zu, während Mitleid in ihm aufstieg.

Er beobachtete, wie Damrag die Stirn runzelte.

"Wenn ich daran denke, wie sie mir erzählte, wie froh sie war, ihren Vater bald wiederzusehen", sprach er weiter.

"Sie hatte mich sogar um Rat gefragt, welches Andenken sie ihm unterwegs besorgen sollte. Die Arme", fügte er leise hinzu.

Arthas kannte Damrag - er war zwar klug, jedoch war er niemand, der die Feinfühligkeit besaß, jemanden zu trösten. An Kynarus dachte er erst gar nicht und Abbendis kannte Nawrya noch kaum.

Arthas stand auf.

"Ich werde nach ihr sehen", meinte er.

"In welche Richtung ging sie?"

"Dort entlang", antwortete Damrag und deutete zum östlichen Teil des Sees.

Arthas ging los.
 

Als er sich dem See näherte, sah er Nawrya schon von Weitem am Ufer sitzen. Sie hatte ihre Beine zu sich gezogen, ihre Arme darumgelegt und ihren Kopf in den Beinen vergraben. Ihr Körper schüttelte sich wegen ihrem Schluchzen. Wie Arthas beim Näherkommen bemerkte, war sie barfuß und trug nicht allzu warm aussehende Kleidung. Offenbar hatte die Nachricht sie so geschockt, dass sie nicht die Zeit fand, sich noch umzuziehen.

Der Mitleid in Arthas wurde stärker. Waren sie jetzt nicht vom selben Schlag getroffen worden? Auch er hatte niemanden mehr - außer möglicherweise noch Calia, von der er aber im Moment nichts wusste - und wäre im Grunde genommen alleine gewesen, hätte er sie und die beiden Jungs nicht kennen gelernt.

Er stand einige Meter hinter ihr, sie hatte ihn nicht gehört.

"Hey ...", sagte er leise, bevor er weiter ging. Sie zuckte stark zusammen, schaute jedoch nicht auf und antwortete auch nicht. Sie weinte nur weiter.

Arthas wusste, dass es ihr vielleicht auch unangenehm war, wenn jemand sie so sah. Aber er wusste, dass sie Trost nun brauchte und jemanden, der für sie da war. So konnte sie es leichter verkraften.

Arthas setzte sich neben sie in das frisch gewachsene Gras, für das die Druiden gesorgt hatten.

Er legte eine Hand vorsichtig auf Nawryas Rücken.

Worte konnten sie wahrscheinlich nur schlecht trösten, jedoch gab es eine Sache, die Arthas selbst tröstete und vermutlich auch sie.

"Du bist nicht allein mit deinem Leid", sagte er leise, tröstend, in einem weichen Ton.

"Auch ich hab niemanden."

Er umarmte Nawrya und streichelte tröstend ihren Rücken. Jetzt konnte Nawrya wohl nicht mehr anders, sie umarmte ihn, vergrub ihr Gesicht in seiner Brust, weinte und zitterte.

Arthas streichelte sie weiter und ließ es zu. Er wollte für Freunde da sein und somit auch für sie.

Außerdem fühlte er da etwas ... hochkommen. Etwas Vertrautes, was er schon lange nicht mehr gefühlt hatte und sein Herz schneller schlagen ließ.

Er schloss die Augen und dachte all die vielen Menschen, die er durch sich selbst verloren hatte.

Seinen Vater, seine Mutter, seine Freunde aus Kindeszeit, Muradin, sein Adoptivonkel und Mentor Uther ...

Er spürte, wie ihm Tränen in den Augen brannte, welche schon kurz danach ihren Weg über seine Wangen suchten.

Er weinte nicht laut, nur stumm.

Nawrya schien es gemerkt zu haben, vielleicht waren ihr Tränen auf den Kopf getropft, denn sie umarmte ihn jetzt etwas sanfter und ebenfalls tröstend.

So saßen sie noch eine ganze Weile da und umarmten sich.

In diesen Momenten hatte Arthas kein einziges Mal an Jaina gedacht.
 

Am nächsten Tag bemerkte Arthas, dass Nawrya sich schon fröhlicher verhielt und er war froh darüber, ihr geholfen haben zu können.

Vielleicht war es ihr doch ein wenig peinlich gewesen, dass sie ihre Schwäche so sehr gezeigt hatte, denn sie sah Arthas oft nicht in die Augen, wenn sie miteinander redeten. Auch wechselten sie kein Wort mehr über diesen Abend. Jeder reflektierte selbst darüber.

Arthas musste oft an jenen Moment denken, jedoch wusste er nicht, ob Nawrya dasselbe tat. Es hatte ... sich so gut angefühlt, etwas, was Arthas sehr lange vermisst hatte und nun endlich wiedergefunden hatte.

Wenn er Nawrya ansah, schlug sein Herz einen Tick schneller. Er wusste nicht, ob es Liebe war oder nur, weil er sich über das geborgene Gefühl freute ... Das verunsicherte ihn. Konnte er seine Gefühle nicht mehr selbst lenken?
 

Eine Woche war nun vergangen. Die Gärtner, die zwei Tage nach Aussenden des Botes eingetroffen waren, hatten so schnell gearbeitet wie sie konnten. Das Ergebnis ihrer Arbeit war wunderbar. Pflanzen und Blumen blüten nun wieder wie früher. Die Städte und Dörfer waren vollständig aufgeräumt, die Handwerker waren noch unterwegs und sollten am nächsten Tag eintreffen.

Es war Zeit, für die meisten der Streitmacht zu gehen. Ungefähr sechzig Prozent verabschiedeten sich - der Rest, der meist aus Leuten bestand, die keine Familie hatten oder die hier mit ihrer Familie herziehen wollten, blieb bei ihm und bewachte die restlichen Dörfer und Städte. Da es nun nichts mehr zu tun gab, da der Rest den Handwerkern und den Leuten, die hierher ziehen wollten, überlassen war, war nun für die restlichen die wohlverdiente Ruhe angesagt.

So saß Arthas die meiste Zeit mit seinen vier Freunden am See und genoss die herrliche Ruhe, die nun wieder von Lordaeron ausging. Damrag war sogar Angler und angelte ihnen die leckersten Fische aus dem See.

Nawrya lag meist auf einem Stein und ruhte sich aus, Arthas setzte sich meist mit den Rücken an den Stein und schaute auf den See.

Abbendis schnitzte Sachen aus Holz. Nur Kynarus langweilte sich - hin und wieder musste Arthas es über sich bringen, mit ihm mit Holzschwertern zu kämpfen, um seine Langeweile zu vertreiben. Unglücklicherweise steckte Arthas dadurch ein paar blaue Flecken ein.

Nachdem wieder einmal ein Kampf zwischen den beiden vorbei war, setzte Nawrya sich auf und schaute sie an.

"Männer ...", sagte sie genervt. "Könnt ihr euch nicht einmal sinnvoll die Zeit vertreiben, ohne euch gegenseitig umzubringen?"

Arthas lächelte. Nawrya hatte ein sanftes Gemüt und obwohl das, was sie gesagt hatte, provozierend klang, hatte sie im Grunde genommen nur Angst, dass sich die beiden ernsthaft verletzen.

"Ich passe schon auf, dass mich Kynarus nicht an wichtigen Stellen trifft", sagte er und lächelte Nawrya an, als er sich wieder zu ihr an den Stein setzte.

Er hörte ihr Seufzen.

Arthas schaute zu ihr zurück und lächelte weiterhin.

"Ich versprech's", fügte er beruhigend hinzu.

Nawrya nickte nur. Arthas konnte sich denken, dass sie wusste, wie gut er sie kannte und dass er sie durchschaut hatte.

Arthas wandte seinen Blick langsam wieder von ihr ab und schloss die Augen. So entspannt war er seit langer Zeit nicht mehr gewesen.
 

Es war Nacht, als Arthas aus seinem Schlaf aufwachte. Das Lagerfeuer, das sie sich gemacht hatten, war niedergebrannt. Die anderen schliefen.

Arthas fühlte sich seltsam wach, sodass er zuerst eine Weile wach dalag, bevor er aufstand. Er ging zum See und setzte sich im Schneidersitz ans Ufer. Der Mond spiegelte sich im Wasser.

Als er hinter sich Schritte hörte, blickte er über die Schulter zurück. Nawrya ging auf ihn zu, rieb sich die Augen und blickte müde.

"Ist etwas?", fragte sie verschlafen und setzte sich neben ihn. Dann sah sie ihn leicht besorgt an.

Arthas schüttelte den Kopf.

"Nein. Ich kann nur nicht mehr einschlafen ...", sagte er und schaute wieder zum See.

"Nicht mehr einschlafen? Warum?"

"Ich bin nicht müde", antwortete er. Er guckte wieder zu ihr.

Er musterte sie. Vielleicht war Nawrya nicht die hübscheste Frau der Welt, aber Arthas fand sie schön. Ihre braunen Locken, die ihr Gesicht einrahmten, glänzten. Sie trug einen Seitenscheitel und hatte zusätzlich noch einen kurzen Pony, den sie auf der anderen Seite herunterhängen ließ, damit diese nicht ganz so leer aussah. Ihre braunen Augen sahen geheimnisvoll aus, als könnte niemand hindurch sehen.

Nawrya wandte den Blick ab, nachdem sie sich eine Weile angeschaut hatten und wurde leicht rot.

Arthas lächelte liebevoll.

Sein Herz schlug schnell, sehr schnell.

Ihm wurde bewusst, dass er sich wirklich in Nawrya verliebt hatte. Diese junge Frau, die eigentlich immer lustig und gut gelaunt war und stets zu ihm hielt - wahrlich, sie hatte ihm noch nie widersprochen oder gegen etwas einen Einwand gehabt - und immer für ihn da war, diese Frau wollte er.

Das einzige Problem für ihn war die Frage, ob sie ihn auch liebte. Für einige Momente glaubte Arthas dies, bis etwas passierte, was ihn wieder umstimmte oder verunsicherte.

Es war so schwer, sich zurückzuhalten. Er konnte seinen Blick nicht abwenden, schaute nur Nawrya an, wie sie im Gras saß, barfüßig und in ihren Schlafkleidern, die ihr vielleicht ein wenig zu groß waren.

Arthas wusste, dass es ihr sicher unangenehm war, so angestarrt zu werden. Mühsam wandte er seinen Blick ab und schloss die Augen. Nawrya wich nicht von seiner Seite, obwohl sie wusset, dass alles mit ihm in Ordnung war. War das seine Chance?

Er öffnete wieder die Augen.

"Nawrya, ich ...", fing er an, als er eine männliche Stimme hinter sich vernahm.

"Hey, ihr beiden Turteltauben, stimmt was nicht?", hörte er Kynarus sagen.

Arthas sah aus den Augenwinkeln, wie Nawrya hochrot anlief. Sie sprang auf und drehte sich zu Kynarus um.

"Nein, es ist alles in Ordnung! Und außerdem war ich Arthas nur gefolgt, weil ich bemerkt hatte, wie er aufstand. Ich hatte mir Sorgen gemacht."

Kynarus grinste.

"Sicher?", hakte er neckend nach.

Arthas beobachtete es. Nawrya kniff die Augen zusammen.

"Ja!", antwortete sie laut und ging danach eilig zurück zum Lager.

Arthas schaute ihr nach, dann blickte er zu Kynarus. Er schaute ihn wütend an. Wieso war er gerade jetzt gekommen, wo Arthas genügend Mut zusammengerauft hatte, um Nawrya das zu sagen, was in ihm vorging?

Der Prinz stand ebenfalls auf und ging wortlos an Kynarus vorbei und Nawrya hinterher.

"Hatte ich etwas falsches gesagt?", hörte er Kynarus hinter sich mit sich selbst reden, bevor er im Lager ankam, um sich wieder Schlafen zu legen - beziehungsweise für den Rest der Nacht wach herumzuliegen.
 

Am nächsten Tag lud Arthas Nawrya auf einen Spaziergang ein nach dem Frühstück in den Wald ein.

Beim Licht, das Gefühl, es ihr zu sagen, war fast schon überwältigend.

Arthas freute sich, als Nawrya sein Angebot annahm. Zum Glück fragte keiner der anderen, wohin sie nach dem Frühstück gingen - vielleicht wären sie ihm noch gefolgt.

Der Wald war Dank der Druiden wunderschön geworden. Seite an Seite gingen er und Nawrya durch den Wald, lauschten den Vögeln und hörten das Rauschen des Waldes durch den Wind.

"Es ist wunderschön hier", sagte Nawrya leise und fast schon ehrfürchtig. Arthas dachte sich dasselbe.

"Oh, ja", antwortete er.

Dann schaute er zu ihr.

"Es ist nicht das einzige, was wunderschön ist."

Er beobachtete belustigt, wie Nawrya stark errötete. Aber sie lächelte leicht.

Sie antwortete nichts darauf, blickte nur zu Boden und ging schweigend weiter.

Arthas kam sich ein wenig dumm vor, aber er musste dran bleiben ... Dass sie lächelte war ja schon einmal ein gutes Zeichen.

Die beiden kamen auf einer Lichtung an. Es sah wundervoll aus und Arthas fragte sich, ob dies der richtige Ort war, um es noch einmal zu versuchen.

Er blickte zu Nawrya, die, immer noch rot, die Lichtung beeindruckt musterte.

Es war ein recht kühler Morgen, auch wenn die Sonne scheinte. Es wurde bald Winter und die Kälte kam früh.

Er bemerkte, wie Nawrya leicht zitterte.

"Ist dir kalt?", fragte Arthas.

Nawrya zögerte, dann nickte sie.

"Ja", antwortete sie ihm, "ein bisschen."

Arthas lächelte. Er nahm sie unter seinen Umhang, sein Arm lag nun um ihren Schultern und er drückte sie vorsichtig an sich.

"Gleich ist es weg", sagte er sanft.

Er spürte, wie sie sich leicht an ihn schmiegte und den Kopf senkte.

"Danke", sagte sie leise.

Er lächelte nur und genoss den Moment allein mit ihr.

Sein Herz klopfte wild in seiner Brust und er hoffte, dass Nawrya es hören konnte, sodass sie endlich wusste, was in ihm vorging.

Arthas schaute auf Nawryas Kopf hinab. Er hob seinen anderen Arm und fing an, sanft darüber zu streicheln. Dabei drehte er sich ein wenig mehr zu ihr.

Sie wurde leicht verspannt wie er bemerkte, wehrte sich aber nicht und ließ es zu.

Arthas streichelte ihren Kopf weiter, dann streichelte er über ihren Rücken.

Nawrya hob langsam den Kopf und schaute ihn an, ihr Gesicht war rot, aber sie lächelte.

Arthas lächelte sanft zurück und in ihm drohte das Glücksgefühl, welches er spürte, zu platzen.

Er schaute ihr ins Gesicht, schaute sie nur an, eine ganze Weile, und sie schaute zurück. Dieses Mal wandte sie ihren Blick nicht ab - das erste Mal tat sie dies, seit er sie kannte.

Dies war der richtige Moment.

Er senkte seinen Kopf und sah, wie sie ihren langsam hob. Er schloss die Augen und spürte einige Momente später ihre Lippen auf seinen. Sie waren weich, nicht zu feucht und nicht zu trocken, einfach schön.

Er drückte sie sanft an sich, während er spürte, wie sie ihre Arme um ihn legte.

Der Kuss hielt einige Momente an, bevor er ihn wieder löste. Er hielt seine Augen geschlossen, legte eine Hand an ihren Hinterkopf und drückte ihn sanft an sich, dann legte er seinen Kopf auf ihren.

Beim Licht, er fühlte sich verdammt glücklich.

"Nawrya ...", flüsterte er leise.

"Arthas", antwortete sie ebenfalls leise und schmiegte sich an ihn.

Er wollte ihr seinen Dank aussprechen, seinen Dank, dass sie ihn annahm, so wie er war, zusammen mit seiner Vergangenheit. Aber das passte jetzt nicht hier hin, nein, jetzt sollte er einfach glücklich sein, ebenso wie sie.

Wenn es nach ihm ging, würde er hier ewig mit ihr stehen bleiben.

Ein unglücklicher Zwischenfall und die letzten Vorbereitungen

Als Arthas und Nawrya Hand in Hand von dem Spaziergang zurückkamen, wurde den anderen die Lage sofort klar.

"Ich wusste es", sagte Kynarus und grinzte verschmitzt.

Nawrya lächelte und wurde rot, während Arthas glücklich strahlte.

Die nächste Zeit wurde wundervoll - da sie alle nichts zu tun hatten, konnte Arthas so viel Zeit mit Nawrya wie möglich verbringen.

Sie gingen oft zusammen am See, unternahmen Spaziergänge und genossen die gemeinsame Zeit zusammen.

Arthas konnte sein Glück immer noch nicht fassen, dass er so jemanden wie Nawrya kennen gelernt hatte. Er wünschte sich, für immer mit ihr zusammen zu bleiben - und er hoffte, dass sie das auch wollte.

An einem Tag saßen sie wieder zusammen am See und schauten hinauf auf das Wasser.

"Arthas", sagte Nawrya und blickte zu ihm.

"Wenn Lordaeron wieder steht, darf ich zu dir ziehen? Ich will nicht nach Hause zurück, da gibt es niemanden mehr."

Bei ihrem letzten Satz wurde ihre Stimme leicht weinerlich, deshalb wandte sie ihren Blick zu Boden.

Arthas schaute sie sanft an und streichelte über ihren Kopf.

"Ja", antwortete er ihr, "Nichts lieber als das."

Er küsste sie in ihr Haar und spürte, wie sie sich danach leicht an ihn lehnte.

Er legte ihr einen Arm um und schaute sie an. Er hob seine andere Hand, hob ihr Kinn an und küsste sie sanft.

Sie erwiderte den Kuss und er schloss seine Augen. Jeder einzelne Moment war so schön, dass Arthas ihn niemals zu Ende gehen lassen wollte.

Er seufzte innerlich. Er würde sie niemals verlassen.
 

An einem Tag gingen sie zu einer alten Mine - Arthas wollte nachschauen, ob es dort noch Erz gab, welches sie hätten ausbauen können. In der letzten Zeit wurden mehrere alten Minen gesichtet, die sich Arthas zukünftig anschauen wollte.

Er betrat mit Nawrya die alte Mine. Die Mine war dunkel und klein. Nawrya ging nur zögerlich weiter.

"Es ist so ... eng", sagte sie leicht ängstlich. Arthas wusste, was in ihr vorging. Nawrya hatte ein wenig Platzangst - sie machte sich in engen Räumen und Gängen alle möglichen Gedanken, was passieren könnte, sodass sie nicht mehr herauskommen könnte.

Arthas lächelte zu ihr.

"Keine Angst", sprach er beruhigend, "ich bin ja bei dir."

Er nahm ihre Hand, um sie sanft mit sich mit zu ziehen.

Zu Arthas' Enttäuschung fanden sie kein Erz - die Mine war leer, zumindest auf ein paar kleine Vorkommen abgesehen, die nicht viel bringen würden.

Sie waren am Ende der Mine angekommen.

"Das war's", sagte Arthas.

"Mehr gibt es nicht zu sehen."

Bevor er ging, schaute er sich noch einmal genau um, dann drehte er sich um und ging mit Nawrya wieder Richtung Ausgang.

Dann hörte er es irgendwie knacksen - so, als würde Stein zerbrechen.

Er schaute zur Decke und stellte geschockt fest, dass die Decke bröselte und langsam nachgab. Nawrya, die seinem Blick gefolgt war, schrie ängstlich auf.

"Lauf!", schrie Arthas, packte Nawrya beim Handgelenk und rannte los.

Nawrya rannte sofort mit ihm mit. Der Weg zum Ausgang war nicht gerade kurz.

Arthas Herz pochte vor Angst.

Nicht jetzt, nicht jetzt wollte er sterben, gerade jetzt, wo er wieder so glücklich war.

Die beiden rannten weiter, während hinter ihnen die Mine einstürzte.

"Schneller!", rief Arthas und rannte immer weiter. Angstschweiß lief ihn von der Stirn, sein Herz pochte, er keuchte.

Der Ausgang war nur noch wenige Meter entfernt.

Dann spürte er es - Nawrya stolperte. Ihr Handgelenk entrutschte seinem Griff, als sie hinfiel. Gleichzeitig traf ihn ein Stein am Hinterkopf und er stolperte nach vorne, konnte sich aber wieder fangen - er war nun außerhalb der Mine.

Er drehte sich um und wollte zurücklaufen, um Nawrya zu retten, als er wie versteinert stehen blieb.

Dort, wo gerade noch der Eingang war, lag nun ein großer Steinhaufen. Undurchdringlich lag er da, hinter ihm irgendwo Nawrya - wahrscheinlich unter den Steinen begraben.

Die ersten Momente war Arthas zu keiner Regung fähig.

Sein Kopf schmerzte, sein Hinterkopf blutete.

Es war ihm egal. Beim Licht, es war ihm völlig egal.

Tränen traten ihn in die Augen.

"Nein ... Nein!"

Er stellte sich vor den Steinhaufen.

"Nawrya!", rief er.

"Nawrya!"

Er fing an, die Steine aus dem Weg zu räumen. Sie waren groß und schwer - bei jedem einzelnen Stein drohte er, zusammenzuklappen.

Er weinte.

Er konnte sie unmöglich verloren haben! Nawrya doch nicht, nicht seine Nawrya ...

Arthas wollte gerade einen weiteren Stein wegheben, als er zusammenbrach.

Sein Hinterkopf tat höllisch weh, um ihn drehte sich alles.

Er schlug wütend und verzweifelt auf den Stein.

"Nawrya", flüsterte er schluchzend, "Wieso nur, Nawrya? Warum?"

Er ließ sich ins Gras zurückfallen, krallte sich in die Erde und weinte.

"Meine kleine Nawrya ..."
 

Es verging ungefähr eine Stunde, bis Kynarus, Damrag und Abbendis Arthas bewusstlos vor der verschütteten Mine fanden, nachdem sie Arthas und Nawrya gesucht hatten.

Damrag meinte, sie sollten ihn nicht fort von hier bringen - da Nawrya nirgends zu sehen war, konnte er ahnen, was passiert war.

So heilte Damrag Arthas' Wunde am Hinterkopf und sie warteten, bis er wieder aufwachte - außer Kynarus, der anfing, die Steine der Mine aus dem Weg zu räumen. Auch wenn sie nicht wussten, was genau geschehen war: Sicher war sicher.

Das passierte auch allzu bald - Arthas wachte auf. Sie ersten Augenblicke tat er nichts, dann wurden seine Augen wieder feucht.

"Nawrya ...", flüsterte er leise.

Damrag legte ihm eine Hand auf die Schulter und schaute ihn bemitleiden an.

"Arthas, was ist passiert?"

Arthas schüttelte leicht den Kopf, in ihm war so großer Schmerz und Verzweiflung ...

"Wir waren in der Mine ... Sie stürzte ein ... Wir wollten ... rennen ... Nawrya stolperte und ich ... Ich war draußen, aber Nawrya ..."

Er stockte.

Tränen liefen ihm über die Wange und er wusste nicht mehr, was er denken sollte.

Nawrya ... tot?

Nein. Das konnte nicht sein. Das konnte einfach nicht sein! Es durfte nicht sein ... Was sollte er jetzt ohne sie machen?

Kynarus schaute zu ihnen herüber, Arthas bemerkte es aus den Augenwinkeln, aber er schaute nicht zurück.

"Hey", sagte Kynarus, "Wie weit drinnen war sie?"

Arthas wandte seinen Kopf zu ihm.

Er hatte verdammt viel weggeräumt, eigentlich müsste er gleich bei Nawrya angelangt sein. Er wusste nicht, ob er hinschauen könnte, wenn sie sie hatten ... Sie musste schrecklich aussehen, von Steinen erschlagen.

Dann hörte er ein Wimmern, ein Schluchzen, leise, aber er hörte es.

"Nawrya?", er setzte sich sofort auf und schaute zur Mine. Sekunden später war er auf den Beinen und hechtete zum Eingang.

Kynarus musste zur seite springen, damit Arthas ihn nicht umrannte.

"Was ist denn?"

Arthas ignorierte ihn.

Trotz Arthas' Hoffnung, dass er sich dieses Weinen nicht eingebildet hatte, liefen ihm weiterhin die Tränen über das Gesicht.

"Nawrya", dachte er sich, "Oh bitte, sei am Leben!"

Er warf die Steine regelrecht zur Seite, dann erkannte er einen Schuh, der aus einer kleinem Bereich unter den Steinen war, der hohl zu sein schien.

Arthas' Hoffnung wurde größer und er beseitigte einen weiteren Stein, als auch Nawryas Beine zum Vorschein kamen. Das Schluchzen war nun hörbar. Nawrya lebte!

Arthas wollte den nächsten Stein wegschaffen, als er von selber wegrollte, von Nawrya angestummt. Sie war an der Wand gekauert, hatte sich unter den Steinen versteckt, die genug Platz für sie geboten hatten. Ob sie den Gottesschild benutzt hatte, damit sie in so eine Position gelangen konnte? Höchstwahrscheinlich. Sie sah aus, als hätte sie ununterbrochen geweint - Arthas konnte sich vorstellen, wie schlimm es war, denn sie hatte ja Platzangst und war nun in einer Mine eingesperrt gewesen.

Als Nawrya befreit war, viel sie Arthas um den Hals und weinte sich an seiner Schulter aus.

"Ich hab so Angst gehabt", wisperte sie.

"Und ich hatte gedacht, ich hätte dich für immer verloren", flüsterte er zurück.

"Oh, Nawrya ... Meine kleine Nawrya."

Er umarmte sie fest und drückte sie an sich. Er wollte sie nie mehr loslassen, würde nie mehr so etwas schreckliches zulassen. Er würde immer auf sie aufpassen, immer für sie da sein ... er würde sie für immer beschützen.

Damrag, der nach Arthas' Erklärung des Vorfalls ebenfalls Tränen in die Augen bekommen hatte, freute sich mit den Zweien - Abbendis war nicht wirklich beteiligt und Kynarus hatte schon so viele Freunde durch den Krieg in seinem Leben verloren, dass er gegen seelischen Schmerz schon eine Art Mauer gebildet hatte.
 

Als sie wieder im Lager ankamen, war das erste, was Arthas tat, Nawrya nach möglichen Wunden abzusuchen.

Arthas konnte dies nur sehr wenig machen, da Nawrya darauf bestand, es selber zu tun, als sie sich hätte ausziehen müssen, um weitere Stellen abzusuchen.

Der Prinz bestand darauf und hatte nichts dagegen - Schließlich mussten sie sich nicht nackt gegenüber stehen, damit sie sich gegenseitig klar machten, dass sie sich liebten. Dafür war es noch zu früh - viel zu früh, auch wenn sich Arthas sicher war, dass sie schon bereit dafür gewesen wären.

Außer kleinere Schürfwunden fehlte Nawrya nichts und diese Wunden wurden geheilt.

Arthas war erleichtert, dass ihr nichts anderes fehlte. Er fühlte sich dafür verantwortlich, dass das ganze überhaupt geschehen war. Wäre er nicht mit ihr in die Mine gengangen ... Der einzige Trost, den er hatte, war, dass alles doch noch gut ausgeging.
 

Bald trafen die Handwerker endlich ein. Es waren ungefähr ein Duzend für jedes kleinere Dorf und für die größeren Städte wie Stratholme, Lordaeron und Tyrs Hand gab es sogar an die dreißig. Arthas wusste nicht einmal, dass so viele Handwerker existierten - erstaunlich viele Zwerge waren dabei.

Sie alle fingen an, die Städte wieder aufzubauen. Dies konnte lange dauern ... Sehr lange. Arthas überlegte sich, was sie in all der Zeit tun sollten.

Vielleicht sollte er einfach versuchen ... Spaß zu haben. Oder vielleicht schon einmal ein paar Dinge für die Zukunft organisieren?

Nein, nein. Das hatte alles noch Zeit. Er sollte die Zeit, die er für sich und auch Nawrya hatte, genießen.

Arthas wollte keinerlei Geheimnisse vor Nawrya haben. Er wollte, dass sie alles über ihn wusste - im Gegenzug wollte er alles über sie erfahren.

Als sie wieder einmal beim See saßen, fing Arthas an, von seiner Vergangenheit zu erzählen.

Er erzählte von seiner Kindheit.

Er erzählte, wie er sein zukünftiges Pferd Invincible bei der Geburt zusaß, erzählte, wie die Nachricht über den Sturz Stormwinds in Lordaeron eintrag und ein paar Tage später auch Prinz Varian Wyrnn. Er erzählte von seiner Freundschaft mit Varian und wie er ihm ein wenig Schwertkampf beibrachte.

Erzählte, wie er später von Muradin Bronzebeard und dann von Uther Lightbringer unterrichtet wurde, erzählte, wie er Uthers Adoptivneffe und Lieblingsschüler wurde.

Auch erzählte er ihr von Jaina - aber kein Schmerz kam bei den Gedanken an sie mehr hoch, keine Trauer. Alles war weg.

Erst als er mit dem Teil anfing, in dem es um die Seuche ging, die Lordaeron überfall hatte, geriet er manchmal ins Stocken. Doch Nawryas beruhigende Worte ließen ihn weitererzählen.

Er beschrieb auch, wie er sich bei der Sache gefühlt hatte: Irgendwo tief in ihm hatte er gewusst, dass es falsch sein musste, aber durch Frostmournes und Ner'zhuls Kontrolle über ihn fand er es einfach nur ... begeisternd, ganz anders als jetzt.

Nachdem er ihr sagte, wie er vom Lichkönig befreit wurde, erläuterte er ihr kurz, wie es zu der Sache mit Lordaerons Rückeroberung kam.

Danach war sie an der Reihe zu erzählen.

"Ich war das einzige Kind, was meine Mutter gebar", fing Nawrya an.

"Für ein zweites war sie nicht instande gewesen, denn sie starb nach meiner Geburt. Mein Vater wollte keine zweite Frau, dafür hat er meine Mutter zu sehr geliebt. So zog mich mein Vater auf, aber ich war oft alleine. Wir hatten kein Geld für ein Kindermädchen gehabt, ich wurde selbstständig dadurch, dass ich fast vollständig für mich alleine sorgen musste. Eine Schule konnte sich mein Vater gerade noch leisten, aber keine Bequemlichkeiten. Direkt nach der Schule begann ich mit der Paladinausbildung, wodurch ich auch Geld verdiente und meinem Vater unter die Arme griff."

Sie seufzte leise.

"Er war zu dieser Zeit schon arbeitslos, weil er wegen starken Rückenschmerzen seinen Beruf als Schmied nicht fortsetzen konnte. Ich wurde viele Jahre unterrichtet, dann wurde ich offziell zum Paladin ernannt und bekam viele Aufträge. Ich reiste fast überall auf den Östlichen Königreichen herum - sogar in Kalimdor war ich schon, eine Woche lang, in Tanaris. Meistens ging es darum, Dämonen, Untote oder Mitglieder der Horde zurückzuschlagen, die uns angriffen. Jetzt bin ich siebenundzwanzig Jahre alt und hatte meinen Vater immer, wenn ich fort war, Geld zugeschickt, damit er sich durchschlagen konnte. Jetzt ... muss ich das nicht mehr ..."

Sie senkte den Kopf und Arthas legte ihr tröstend einen Arm um.

"Und vor kurzem", redete sie weiter, "wurde ich dann eben hierher geschickt."

Sie sah Arthas ins Gesicht.

"Welch Glück, dass ich dabei sein dufte."

Arthas lächelte sie an und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

"Welch Glück, dass wir zusammengefunden haben."

Nawrya schloss kurz die Augen und legte ihren Kopf auf seine Schulter.

"Und du liebst Jaina nicht mehr?", fragte sie ihn. In ihrer Stimme konnte er heraushören, dass sie Angst davor hatte, dass er es tat.

Aber Arthas streichelte ihren Rücken und schüttelte den Kopf.

"Nein", sprach er, "für mich gibt es nur noch dich."

Er umarmte sie sanft und drückte sie an sich, während sie sich an ihn schmiegte und ihren Kopf an seinen drückte.
 

Es vergingen zwei Wochen, bis die Handwerker alles fertig hatten. Sie hatten fast pausenlos gearbeitet und ihr Ergebnis war fantastisch. Nun gut, sie hatten nicht alles fertig - einzig und allein Lordaeron war noch unvollendet, was sich jedoch bald legen sollte, da nun alle Handwerker gemeinsan daran arbeiteten.

Arthas war sehr zufrieden mit den Fortschritten, die sie machten.

Eines Nachts, als Arthas wieder im Schlafsack neben Nawrya lag und sie beide noch die Sterne beobachteten, wandte er seinen Kopf zu ihr und fragte:

"Ich soll jetzt König werden, nicht wahr?"

Nawrya schaute zu ihm und lächelte.

"Ja, natürlich, wer denn sonst?"

Arthas senkte seinen Blick.

"Ich weiß nicht, ob ich das hinbekomme. Ich hab so viel falsch gemacht. Wie können mir die Menschen vertrauen?"

Nawrya kuschelte sich leicht mit ihren Schlafsack an ihn.

"Weil du dich geändert hast."

Sie drehte sich auf die Seite, anscheinend wollte sie nun schlafen anstatt weiterhin die Sterne zu beobachten.

Arthas legte seine Arme um sie.

Weil er sich geändert hatte ... Ja, das stimmte.

Aber vielleicht dachten die Menschen, er würde nur so tun ... Oh, beim Licht, hoffentlich vertrauten sie ihm.
 

Es dauerte nur wenige Tage, bis auch Lordaeron wieder stand. Nicht so wunderschön wie früher, dennoch hatten die Handwerker alles getan, was in ihrer Macht stand - und das reichte Arthas vollkommen.

Als er mit Nawrya den Thronsaal betrat, war fast alles wie neu. Nicht mehr diese düstere Stimmung lag darin, es war ... wie eine Neugeburt. Frisch, glänzend, neu.

Ein Neuanfang.

Nawrya lächelte ihn an und zeigte auf den Thron.

"Da wirst du sitzen", sagte sie ihm.

Arthas sah zum Thron.

"Aber ohne Krone", antwortete er.

"Ich werde sie nicht aufsetzen, weil ich nicht oft da oben sitzen werde."

Er runzelte leicht die Stirn.

"Ich will was anderes tun, als von morgens bis abends dazusitzen. Es gibt GENUG andere Dinge zu tun, die wichtiger sind als sich den Hintern einzuschläfern."

Er lächelte zu Nawrya, welche kurz auflachte.

"Oh, ja", meinte sie.

"Ich hätte auch nicht glauben können, dass du das tust."

Er lächelte.

Wenn er darüber nachdachte, könnte er das wirklich nicht. Er würde eher durch ganz Lordaeron spazieren und persönlich nach Problemen Ausschau halten, oder zu Freunden gehen und sie besuchen. Oder mal in ein anderes Gebiet fahren und ein bisschen erkunden, da er nie viel von der Welt gesehen hatte ...

Arthas seufzte, legte Nawrya einen Arm um die Schultern und drehte sich um.

"Komm, gehn wir wieder nach draußen."

Nawrya lächelte und legte einen Arm um ihn.

"Zu Befehl, mein König."

Dann gingen sie nach draußen.
 

Arthas saß mit Nawrya im Garten hinter dem Schloss von Lordaeron auf einer Bank. Zusammen sahen sie sich den Sonnenuntergang an.

Arthas schloss die Augen und entspannte sich, während er die kühle Brise genoss, die durch sein Haar strich. Es würde wohl nicht mehr lange dauern, bis die ersten Menschen in Lordaeron eintrafen, um es zu beziehen.

Einige Soldaten hatten sich schon bei Arthas wegen den Häusern gemeldet - da sie Arthas so gute Dienste geleistet hatten, durften sie kostenlos dort wohnen.

Arthas wandte seinen Blick zu Nawrya.

"Möchtest du bei mir im Zimmer schlafen, oder ein eigenes Zimmer besitzen?", fragte er sie.

Nawrya schaute zu ihm hoch und lächelte.

"Bei dir", antwortete sie und gab ihm einen Kuss auf den Mund.

Arthas lächelte.

"Wie schön ..."

Er schaute in den Himmel und dachte nach.

"Wollen wir mal nachsehen, ob wir heute Nacht schon dort schlafen können?"

Nawrya grinste.

"Au, ja! Ich habe den Schlafsack und den harten Boden satt."
 

Als sie das alte Zimmer von Arthas betraten, fand es Arthas fast genauso vor wie damals, als er es das letzte mal gesehen hatte.

Der einzige Unterschied war, dass alles verstaubt war und einige Sachen wie Stühle umgefallen waren - sonst war alles gleich geblieben.

Um Arthas' Herz wurde es warm.

"Mein altes Zimmer", seufzte er.

"Wow", staunte Nawrya. "Du hast es verdammt schön gehabt ..."

Arthas musste lächeln.

"Ja, mein Vater hat alles für mich besorgt, was er für richtig hielt."

Er ging zum Fenster und öffnete es weit.

"Komm, lass uns sauber machen, dann können wir heute schon hier schlafen."

Nawrya griff zu einem Besen, der an der Wand lehnte.

"Zu Befehl!"

Sie fing an zu kehren und der Staub wirbelte um sie herum.

Arthas lachte.

"Nicht so hastig!"

Er griff sich Eimer und Schaufel und half ihr, den Schmutz aus dem Zimmer zu bekommen.
 

Einige Stunden später ließen sich die beiden schmutzig und erschöpft ins frisch bezogene Bett fallen.

"Morgen", sagte Arthas dann, "machen wir das Bad sauber und dann muss sich jeder von uns waschen."

Beide lachten, aber sie hatten gute Arbeit geleistet.

Das Zimmer sah wieder frisch aus und fast der ganze Dreck war weg.

Die alte Kleidung von Arthas war schmutzig und verstaubt, sie musste erst gewaschen werden. Arthas hatte sie schon in einen Korb getan, um sie bald zu waschen. Er hatte das bisschen Wäsche, dass er bei sich hatte, in den Schränken verstaut, ebenso wie Nawrya.

Arthas zog sein Oberteil, seine Schuhe und seine Socken aus und legte sich unter die Decke. Nawrya legte sich, nachdem sie ihre Schuhe auszogen hatte, ebenfalls hinein.

"Endlich wieder ein warmes Bett", seufzte sie zufrieden.

Sie schloss die Augen.

"Und so schön kuschelig."

Arthas lächelte und rückte ein wenig näher zu ihr.

"Oh! Und sogar mit einem Mann darin!"

Sie lachte auf und Arthas tat es ihr gleich.

Er drehte sich zu ihr, legte ihr einen Arm um den Bauch und zog sie zu sich.

"Wir werden es hier schön haben", versprach er ihr und küsste sie ins Haar.

Dann schloss er die Augen und entspannte sich.

Es war so schön, wieder im eigenen Bett zu schlafen. Jahre war es nun her, seit er es das letzte Mal getan hatte.

Bald schlief er ein und träumte von einer herrlichen Zukunft.

Die letzten Ruhepausen

Am nächsten Tag fingen die beiden an, das Schloss zu putzen. Sie waren nur zu zweit, was deshalb sehr lange dauerte und auch sehr anstrengend war.

Aber sie hatten Spaß.

Einige Menschen waren schon nach Lordaeron gekommen, um es zu besiedeln. Es waren Bauern, die hier ihr Glück versuchen wollten, auf dem von Druiden erschaffenen Boden.

Das war Arthas gerade recht. Sie mussten als allererstes Bauernhöfe und Äcker besitzen, damit sie die zukünftigen Bewohner versorgen konnten. Es musste alles wieder langsam nach oben gebracht werden, wie ein kleines Dorf, welches zu einer großen Stadt wird.

Es wurde alles so, wie Arthas es sich vorgestellt hatte.

Die Bauernhöfe wurden erfolgreich - der Boden war sehr gut.

Mehrere Menschen kamen nach Lordaeron. Zuerst, um zu schauen, wie die Lage dort war, dann zogen sie ein.

Die meisten zogen zuerst in die Dörfer, in der Nähe der Bauernhöfe. Dann, als diese voller wurden, trauten sich auch welche in die Städte.

Die Äcker gaben gute Ernte und außerdem lieferte König Varian immer wieder Güter, damit sie es in der Anfangszeit nicht allzu stressig hatten.

Eines Abends war Arthas alleine im Schlossgarten.

Nawrya war schon vor einer Weile losgegangen, weil sie die Äcker und Bauernhöfe kontrollieren wollte.

Arthas machte sich keine Sorgen, dass etwas passierte. Es waren auch Patrouillen unterwegs.

Eigentlich müsste sie sogar bald schon wieder zurück sein, fiel es Arthas ein. Er lächelte und setzte sich auf eine Bank. Er schaute die schönen Blumen an und lächelte.

Es sah fast so aus wie früher.
 

Er saß noch eine Weile da, als er Schritte hörte.

Als er sich umdrehte, sah er jemanden auf sich zukommen, den er wohl als letztes erwartet hätte: Jaina.

Sie lächelte ihn an.

"Hallo, Arthas", sagte sie.

Arthas schaute sie verwundert an.

"Guten Tag, Jaina", begrüßte er sie und stand auf und lächelte zurück.

Jaina umarmte ihn kurz - auch, wenn Arthas sie nicht mehr liebte, war sie dennoch eine Freundin. Deshalb umarmte er sie ebenfalls. Sie hatten sich schließlich lange nicht mehr gesehen. Aber wie sie die Nachricht, dass er vergeben war, auffassen würde?

"Es ist schön, dich wieder normal zu sehen", sagte sie und ließ ihn wieder los.

"Wie geht es dir?", fragte sie danach.

"Hervorragend", antwortete er. Er hoffte, dass sie nicht weinen würde, wenn sie es erfuhr.

Da sie sich gerade umarmt hatten, standen sie noch nah beieinander, was Arthas ein wenig unangenehm war.

Er ging einen kleinen Schritt zurück. Jaina lächelte ihn weiterhin an, sie schwieg.

Arthas wusste nicht, was er sagen sollte. Er dachte darüber nach, wie er ihr es am besten klar machen sollte, dass er eine Freundin hatte. Aber vielleicht hatte sie ja inzwischen auch jemand anderen gefunden?

Arthas wollte gerade den Mund öffnen, als er ein leises Wimmern hörte.

Er erkannte sofort, wer es war.

"Nawrya?"

Er schaute in die Richtung, aus der es kam.

Hinter einer Säule versteckt, aber nun sichtbar, stand Nawrya. Offenbar hatte sie es beobachtet ... Arthas fiel auf, dass es für sie betrachtet sicherlich so ausgesehen hatte, als würden sie sich jeden Moment küssen.

Als Nawrya bemerkte, dass Arthas sie entdeckt hatte, drehte sie um und rannte los.

"Nein ... Nein, Nawrya, warte!", rief er.

"Ist das deine feste Freundin?", fragte Jaina. Sie wirkte nicht traurig, eher erfreut.

Arthas schaute kurz zu ihr.

"Ja", antwortete er knapp, dann rannte er Nawrya hinterher.

"Tut mir leid!", hörte er Jaina hinter sich herrufen.

Er hatte ihr doch nicht weh tun wollen!

Nawrya hat es wohl völlig anders gesehen, als es gewesen war.

Er folgte den Geräuschen ihres Weinens, was jedoch immer leiser wurde.

Irgendwann hörte er es gar nicht mehr. Sein Herz klopfte schnell vom Rennen.

"Nawrya!", rief er.

"Nawrya, wo bist du?!"

Er schaute sich um. Er sah sie nirgends.

Er schluckte und blieb stehen.

"Verdammt", dachte er sich. Wo konnte sie nur stecken?

Ob sie schon aus Lordaeron draußen war und Richtung seh lief?

Er verhielt sich ganz leise und lauschte noch einmal, ob er nicht irgendwo ihr Weinen hörte, aber so war es nicht.

Dann rannte er los Richtung See.
 

Am See angekommen fand er sie endlich. Sie kniete am Ufer, hatte ihr Gesicht in den Händen vergraben und weinte.

Als er sie von Weitem sah, musste er hart gegen die Tränen ankämpfen.

"Oh, Nawrya", sagte er, als er in ihrer Hörweite kam.

Sie zuckte zusammen.

"Lass mich in Ruhe!", rief sie und schluchzte.

Arthas hörte nicht auf sie und kam ihr näher.

"Hör mal, ich liebe Jaina nicht mehr ..."

Er stand neben ihr, ging dann auf die Knie und umarmte sie sanft.

"Ehrlich nicht?", fragte sie weinend. Sie wollte sich aus seiner Umarmung befreien, aber er ließ sie nicht los.

"Ja", antwortete er sanft.

"Sie ist nur noch eine normale Freundin für mich."

Sie gab sich seiner Umarmung hin und legte ihren Kopf auf seine Schulter, wodurch diese nass wurde.

"Versprich mir, dass du mich nie verlässt", sagte sie leise.

"Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun würde."

"Ich verspreche es dir."

Er drückte sie an sich.

"Ich könnte dich niemals verlassen."

Ja, das war wirklich war. Nicht nach alldem Glück, was sie ihm geschenkt hatte.

Er streichelte ihr beruhigend über den Rücken und sie beruhigte sich. Arthas konnte ihre Angst verstehen.

Er hätte vielleicht ähnlich - jedoch nicht mit so vielen Tränen - reagiert, wenn er gesehen hätte, wie sie den Mann umarmt hätte, mit dem sie früher zusammengewesen war.

Arthas war irgendwo froh, dass es so einen nicht gab.

Denn ein Grund, weshalb er Nawrya unmöglich verlassen konnte, war, dass sie wenig Auswahl hatte - nicht jeder mochte den Typ Frau wie sie einer war. Auch war sie nicht eine wahre Schönheit, weshalb wohl viele Männer nichts von ihr wissen wollten. Jaina dagegen war bei vielen Männern begehrt gewesen, sie konnte wahrscheinlich fast jeden haben, den sie wollte.

Arthas hatte wahrscheinlich genauso viel Auswahl wie Nawrya, wenn es darum ging, einen Partner zu finden, da nur wenige Frauen ihn wohl gewollt hätten, nachdem, was er angerichtet hatte.

Er war glücklich, dass Nawrya und er zueinander gefunden haben ... Und das würde sich auch nicht ändern.
 

Arthas stellte Jaina Nawrya vor, auch wenn sie sich dagege nein wenig sträubte.

Vielleicht hatte sie Angst, dass Jaina Arthas ihr wegnehmen würde, was aber schwachsinnig war, da das nicht passieren würde.

Wie sich herausstellte, hatte Jaina wirklich jemand anderes gefunden - als sie jedoch davon gehört hatte, dass Arthas wieder wie früher war, brach sie beim ersten freien Moment, den sie hatte, auf um ihn einen Besuch abzustatten.

Jaina ging am selben Tag wieder, da sie viel um die Ohren hatte.

Sie versprach jedoch, öfters bei ihnen vorbeizuschauen, wenn sie Zeit hatte.

Momentan waren nur wenig Bürger in Lordaeron, aber ihre Zahl wuchs allmählich. Die Bauernhöfe mussten aus diesem Grund vermehrt werden.

Arthas hoffte, dass die Menschen sich zurückhalten würden, hier herzuziehen. Zuerst musste für genug Nahrung gesorgt werden, was nicht gerade einfach war.

Aber dank den Gütern von König Varian konnten sie sich durchschlagen.

Bald kam der Tag, an dem Arthas so richtig den Platz als König einnehmen musste ... Irgendwo hatte er Angst davor.

Nachdem zwei Wochen vergangen waren, seit Jaina ihm einen Besuch abstattete, sollte die Krönung stattfinden. Alle jetzigen Bewohner Lordaerons kamen, außerdem der beste Paladin Varians, der ihm den Titel verleihen sollte.

Arthas stand vor dem Thron, daneben der Paladin.

Nawrya stand zusammen mit Damrag, Kynarus und Abbendis in der Menge der Bürger, die im Thronsaal und davor versammelt waren.

"Setzt Euch auf den Thron", sprach der Paladin lächelnd.

Arthas gehorchte und setzte sich sehr vorsichtig auf den Thron. Sein Herz schlug heftig in seiner Brust und er war aufgeregt. Wie würde er sich als König machen?

Der Paladin trat vor ihn.

"Möget Ihr hiermit für allezeit geschützt sein und den Titel als König barmherzig und gerecht Folge leisten."

Er hob seine Hand über Arthas' Kopf. Licht leuchtete auf und Arthas fühlte sich rein, so rein wie damals, als er in den Orden der Silbernen Hand aufgenommen und vom Licht durchleuchtet gewesen war.

Er fühlte sich ermutigt, so, als wäre er nun zu allem fähig.

Irgendwie hatte er das Gefühl, als wäre er jetzt völlig bereit zum Königsein und als könne er es wirklich schaffen. Er lächelte, als der Paladin seine Hand wieder wegnahm.

"Hiermit seid Ihr nun König Arthas Menethil I."

Er trat beseite, Arthas stand auf und die Menge jubelte.

Nawrya kam auf ihn zugerannt und umarmte ihn. Er erwiderte diese Umarmung und lachte glücklich.

"Bald", dachte er sich, "wird auch sie Königin sein."

Aber bis dahin würde noch einige Zeit vergehen. Aber eine andere Königin würde er nicht nehmen wollen.

Es war eine Feier angesagt worden zur Krönung - oder eher Ernennung zum König - von Arthas.

Die besten Köche, die es momentan in Lordaeron gab, hatten wirklich ein gutes Festessen gekocht. Zwar bestand es nur zu einem kleinen Teil aus Fleisch, aber immerhin besser als nichts.

Arthas hatte sogar schon einige Bedienstete für das Schloss einstellen können. Arthas' Erbe, welches sich im Schloss befunden hatte, machte ihn geradezu reich, wodurch er sich Bedienstete leisten konnte, außerdem würde er durch die Steuern Geld bekommen. Natürlich verlangte er am Anfang noch keine Steuern - zuerst sollte alles wachsen. Dann, wenn die Leute selbst genügend Geld in den Taschen hatten, konnte er dies tun.

Die Feier war wunderbar ausgelassen und fröhlich. Es gab sogar Musik.

Arthas hätte nicht gedacht, dass die Menschen sich so über sein Königwerden freuen würden, aber es machte ihn glücklich.

Er saß am Tisch neben Nawrya und aß das Essen.

"Und, Arthas?", fragte Nawrya ihn dann.

"Wie fühlst du dich?"

Arthas schluckte das, was er im Mund hatte, hinunter und schaute dann zu ihr.

Er lächelte.

"Es könnte mir nicht besser gehen."

Als alle gegessen hatten, fing das Tanzen an.

Arthas hörte die Musik spielen und sah schon einige Paare aufstehen, die kurz darauf anfingen, zu tanzen.

Arthas lächelte zu Nawrya.

"Willst du auch tanzen?"

Nawryaw strahlte ihn an.

"Oh, ja! Gerne!"

Beide standen auf, suchten sich eine Stelle mit viel Platz und stellten sich gegenüber.

Arthas legte seine Arme um ihre Hüften, während Nawrya ihre Hände auf seine Schultern legte.

Dann fingen sie an, zu tanzen.
 

Am späten Abend lag Arthas neben Nawrya im Bett. Er schaute an die Decke und lag noch wach, ebenso wie seine Freundin.

"Es kommt mir vor wie ein Traum", sagte er und drehte sich dann auf die Seite, um Nawrya anzuschauen.

Der Mond, der durch das Fenster schien, ließ ihre Haut leuchten.

Arthas sah, wie sie lächelte.

"Es ist kein Traum."

Er rückte ein wenig näher zu dir.

"Eben der Grund ist es, was mich so verdammt glücklich macht."

Er umarmte sie und sie schmiegte sich an ihn.

"Und genau das will ich", sagte sie leise zu ihm.

"Dass du glücklich bist."

Er schloss die Augen und lächelte.

"Dann hast du dein Ziel erreicht ... schon vom ersten Augenblick an, als ich dich kennenlernte."

Arthas spürte, wie sie ihm einen Kuss gab.

"Dann ist mein nächstes Ziel, dass du noch glücklicher wirst."

Der König lächelte.

Oh, was konnte ihm diese Frau noch bieten, dass er noch glücklicher werden konnte?

Mitausnahme einer Sache, für die es noch zu früh war.

Er schmiegte seinen Kopf an ihren und entspannte sich.

Bald darauf hörte er, wie sie einschlief und kurz danach kam auch der Schlaf über ihn.
 

In den nächsten Tagen hörte Arthas immer mehr gute Nachrichten.

Die Jäger fanden immer mehr Jagdwild.

Bald würde der Winter eintreffen, weshalb gerade diese Nachricht besonders wichtig war.

Es wurde immer kälter, je näher der Winter rückte. Das Ernten wurde eingestellt, die Jagd wurde gefördert. Sie hatten zum Glück daran gedacht, eine Menge Vorrat an Getreide zu sammeln, damit sie Brot hatten - auch wenn Varian ihnen Güter schickte, mussten sie lernen, auf eigenen Beinen zu stehen.

Öfters gab es Suppen, die gegen die Kälte schützten, vor Allem Fleischsuppe, die Arthas bald nicht mehr sehen konnte, da es sie fast jeden Tag zum Essen gab.

Es verging ein Monat, dann fiel der erste Schnee.

Arthas war sofort hinaus gegangen, um ihn zu begrüßen. Er verglich diesen Schnee nicht mit dem aus Northrend - hier kam der Schnee, weil es Zeit dafür war. In Northrend war er immer da.

Nawrya befand sich noch im Schloss, da sie sich etwas wärmeres anziehen wollte. Arthas hatte sich nur einen längeren Mantel übergeworfen, Nawrya schien jedoch kälter gegen Kälte zu sein als er und kleidete sich dementsprechend.

Arthas schloss die Augen und ließ die leichten Schneeflocken auf sein Gesicht und in sein Haar fallen. So stand er da, bis Nawrya nach draußen kam.

Sie lachte leise auf, als sie ihn so sah.

"Willst du ein Schneemann werden?", fragte sie ihn neckend.

"Ach, so schnell geht das nicht", meinte er grinsend, öffnete seine Augen und schaute zu ihr.

"Der Schnee kann schneller fallen als du glaubst."

Sie lächelte und schlenderte langsam los, Arthas ging neben ihr.

Er nahm sie bei der Hand, offensichtlich hatte sie keine Handschuhe gefunden. Ihre Hände waren jetzt, auch wenn sie jetzt erst seit kurzem draußen war, schon richtig kalt.

Er versuchte, ihre Hände mit seinen zu wärmen, während sie weitergingen.

Der Schnee fing an, langsam etwas stärker zu fallen. Der Boden färbte sich allmählich weiß, ebenso wie die Sträucher, die Blumen und die Bäume. Auch die Gebäude wurden vom Schnee bedeckt und die Kamine von den Häusern, die bewohnt waren, wurden angezündet, wodurch der Rauch aus den Kaminen emporkam.

Arthas und Nawrya schlenderten so durch die Stadt und registrierten das alles, was sich mit dem Kommen des Schnees änderte.

Arthas war wie verzaubert. Ihn faszinierte der Schnee wieder - das erste Mal seit Jahren.

Nawrya mochte anscheinend den Schnee ebenfalls. Das einzige, was sie zu stören schien, war die Kälte. Doch Dank Arthas wurden ihre Hände wärmer.

Sie kamen auf einer kleinen Wiese an, die bereits schon voll war mit Schnee.

"Hast du Lust auf eine Schneeballschlacht?"

Arthas grinste Nawrya an, während er dies fragte.

Sie lächelte zurück.

"Nur, wenn du die Vorderseite meines Kopfes verschonst."

Arthas nickte.

"Sicherlich."

Nawrya lachte und zog ihre Hände aus Arthas' Griff heraus.

"Dann mal los!"

Sie beugte sich nach unten, nahm den Schnee groß in die Hände und warf ihn auf Arthas.

Er bekam ihn ab und lachte ebenfalls, dann rannte er erst einmal los, um auf Abstand zu kommen.

Er sprang hinter einen Stein und fing an, einen Schneeball zu formen, während über ihn der Schnee hinweg flog und einiges auch auf seinem Kopf landete.

Dann kniete er sich hin, drehte sich um und warf den Schneeball zu Nawrya.

Sie lachte auf, als sie ihn am Hinterkopf abbekam, nachdem sie sich umgedreht hatte um sich runter zu bücken.

"Heeey!"

Sie drehte sich um und im nächsten Moment hatte Arthas einen Schneeball im Gesicht.

Er wischte sich ihn heraus und lachte laut.
 

Als beide erschöpft die Schneeballschlacht beendeten, waren Arthas' Haare mit Schnee bedeckt.

In Nawryas Haaren befand sich auch Schnee, jedoch hatte Arthas darauf geachtet, nicht zu oft auf ihren Kopf zu zielen.

Arthas kam hinter dem Stein hervor und auf seine Freundin zu.

Nawrya keuchte leicht.

"Jetzt siehst du aus wie ein Schneemann", sagte sie lachend.

Er grinste breit.

"Und du wie eine Schneekönigin."

Er blieb vor ihr stehen.

"Ist dir jetzt kalt?"

"Ja, schon ein wenig", sagte sie und strich sich den Schnee aus den Haaren.

Er grinste.

Es wurde langsam dunkel und die Kälte wurde stärker.

"Gehn wir ins Schloss zurück und machen es uns gemütlich", schlug Arthas vor.

"Wir können uns vor den Kamin auf das Sofa setzen und Tee trinken."

Nawryas Augen glänzten.

"Oh, das wäre jetzt genau das richtige für mich."
 

Gesagt, getan.

Ungefähr eine halbe Stunde später saßen Arthas und Nawrya vor einem warmen Kamin auf dem Sofa.

Arthas hatte sich ein Geschichtsbuch geholt - Etwas, was nicht wirklich für Kinder geeignet war, da es an einigen Stellen brutal war, aber so wurde ihm und Nawrya nicht langweilig.

Vor ihm, auf einen kleinen Tisch, stand eine Kanne Tee und zwei Tassen, dazu Zucker.

Außerdem hatten die beiden noch eine Decke dabei - der Raum war groß für so wenig Inhalt, wodurch der Kamin allein nicht genügend heizte.

Nawrya breitete die Decke aus und legte sie über ihre und Arthas' Beine. Arthas schenkte danach den Tee aus und schlug das Buch auf.

Zuerst las er die Inhaltsangabe vor.

"Die junge Nachtelfe Thara lebte schon lange in Frieden mit ihrer Familie an der Dunkelküste. Als plötzlich ihr Haus von Orks überfallen wurde, konnte sie sich gerade noch retten, doch ihre Eltern und ihre kleine Schwester wurden getötet. Auf ihrem Besinnen nach Rache lernt sie die druidischen Fähigkeiten ihres Volkes und ist darauf bedacht, die Mörder ihrer Familie zu töten. Unterwegs trifft sie jedoch einen Blutelf namens Zarion, der anders ist als die anderen Mitglieder der Horde ..."

Arthas schaute zu Nawrya und lächelte.

"Und?"

Nawrya grinste.

"Das hört sich klasse an", sagte sie.

Arthas nickte.

"Dann lesen wir das."

Er schloss zuerst noch einmal das Buch, lehnte sich vor und nahm die Tasse in die Hand. Er trank ein wenig des warmen Tees und genoss diesen entspannenden Augenblick.

Nawrya tat es ihm gleich.

Dann, als beide ihre Tasse leer getrunken hatten, legte sich Arthas auf den Rücken. Er gab Nawrya ein Handzeichen, dass sie es ihm gleich tun sollte, was sie auch tat.

Sie legte sich halb auf ihn, halb auf das Sofa, umarmte ihn, damit sie Halt hatte und legte ihren Kopf auf seinen Brustkorb.

Dann stützte Arthas das Buch auf seine Hüften und schlug es erneut auf.

Dann begann er, die Geschichte vorzulesen.
 

Irgendwann hörte Arthas auf. Er klappte das Buch leise zu und schaute zur schlafenden Nawrya. Auch seine Augen brannten und sein Mund war vom Vorlesen trocken. Er schloss die Augen und legte das Buch auf seinen Bauch.

Einen Arm legte er um Nawrya, mit der anderen hielt er das Buch auf seinem Bauch fest.

Er genoss diesen Abend - er war herrlich.

Er musste jeden freien Moment genießen, das wusste er. Wenn erst einmal viele Leute in Lordaeron eingezogen waren, würde er nicht mehr jeden Tag so viel entspannen können.

Neue Verbündete

Mehrere Tage in diesem Winter vergingen ohne große Probleme.

Der Zuwachs an Bürgern von Lordaeron blieb konstant, das Essen war reichlich vorhanden und es gab keinerlei Beschwerden.

Dennoch musste Arthas einige Dinge erledigen. Zum Beispiel musste er neue Gesetze erlassen, musste mehrere Soldaten hier und dort stationieren und außerdem musste er immer alles im Überblick behalten.

Das war nicht immer einfach, besonders nicht, wenn er nur wenig Hilfe erhielt.
 

Dann kam der Tag, an dem er durch Kriegstrommeln und Schreie geweckt wurde.

Er schlug die Augen auf und setzte sich sofort auf. Nawrya hatte einen tieferen Schlaf als er gehabt und wurde nicht wach.

Die Kriegstrommeln verstärkten sich.

Er sprang auf und eilte zum Fenster.

Draußen sah er, wie außerhalb der Stadtmauern Orcs waren - viele Orcs. Nicht so viele, dass sie die ganze Stadt hätten einnehmen können, dennoch genug für ein großes Gemetzel.

Arthas drehte sich um.

"Nawrya!", sagte er laut, lief zum Bett und rüttelte sie.

Sie wachte sofort auf.

"W...Was ist los?", fragte sie müde und schaute zu ihm hoch.

"Da draußen sind Orcs", berichtete Arthas nervös.

"Bleib hier, ich will nicht, dass dir was passiert."

Nawrya setzte sich sofort auf.

"Nein! Ich komme mit dir! Ich kann schließlich kämpfen!"

Arthas schluckte.

Verstand sie denn nicht? Er wollte sie in Sicherheit wissen!

Er schaute eine Weile in ihr entschlossenes Gesicht.

"Gut", willigte er schließlich ein.

"Aber bleib immer nah bei mir."
 

Als sie, die Rüstung bereits angelegt, nach draußen traten, war an den Toren von Lordaeron bereits der Kampf ausgebrochen.

Arthas und Nawrya beeilten sich, so schnell wie möglich dorthin zu kommen.

"Was wollen sie hier?", fragte sich Arthas, leicht verzweifelt.

"Neues Land?"

Er kämpfte mit den anderen mit.

Er tat alles, damit diese grünen Biester nicht in die Stadt eindrangen, dann sah er, wie sich eine Gruppe, beritten auf Wölfen, davon machte - in Richtung der westlichen Pestländer.

Arthas schluckte.

Er musste ihn folgen! Vielleicht würde er dann erfahren, warum sie hier waren.

Arthas rannte zurück in die Stadt und sprang auf das sein Pferd, mit dem er auch nach Lordaeron gereist war. Dann drängte er sich an den Kämpfenden vorbei, der Orc-Kavallerie hinterher.

Dann hörte er Nawryas Stimme hinter sich.

"Arthas! Nein, komm zurück! Bleib stehen! BITTE!", schrie sie, aber Arthas hörte nicht, auch wenn es ihm noch so weh tat, er ritt weiter.
 

Arthas folgte den Orcs lange auf sicherer Entfernung.

Sein Herz schlug schnell, bei dem Gedanken, dass er Nawrya einfach so zurückgelassen hatte. Er hatte ihr gesagt, sie soll nahe bei ihm bleiben. Und jetzt war er weggeritten. Ohne sie. Was ist, wenn ihr etwas passieren würde?

Er versuchte, diese Gedanken nicht die Oberhand gewinnen zu lassen und ritt unentwegt weiter.

In Gedanken betete er, dass er schnell wieder zurückkehren könnte.

Von Weitem sah er etwas, worauf der Orctrupp zuritt.

Uthers Grabmal.

Arthas schluckte schwer.

Wieso gerade dieser Ort? Wussten die Orcs Bescheid, wer Uther wirklich war, sodass sie wussten, dass sie Arthas durch die Zerstörung des Grabmals schwer treffen konnten?

Oder ... wollten sie es überhaupt zerstören?

Arthas' Hoffnung, dass das Grabmal nur auf ihrem Wege lag, wurde zerstört, als die Orcs langsamer wurden und dann schließlich stehen blieben, als sie dort ankamen.

"Warum?", dachte sich Arthas verzweifelt.

Aber er musste kämpfen! Er konnte nicht zulassen, dass sie dem Grabmal irgendetwas antaten.

Er sprang vom Pferd, zog seinen Hammer und stürmte auf die Orcs zu, die gerade von ihren Reitwölfen abgesprungen waren.

"HALT!", brüllte er.

Die Orcs drehten sich zu ihm um und zogen ihre Waffen. Es waren insgesamt zehn Orcs. Wie sollte er sie alleine besiegen?

Sie sagten sich etwas auf orcisch, dann stellten sie sich abwehrend hin.

Als Arthas nur noch einige Meter von ihnen entfernt war, spürte er, wie das pure Licht in durchflutete - er fühlte sich, als würde er jeden Feind besiegen können.

Er war zuversichtlich, dass er diesen Trupp besiegen konnte - mit der neu gewonnenen Kraft schlug er um sich, schlug auf alles, was ihm zu nahe kam und kämpfte um sein Leben.

Die Sekunden vergingen. Irgendwann spürte Arthas, wie sich das Licht zurückzog und die Kraft nachgab.

Er hatte gerade mal fünf Orcs, also die Hälfte, getötet.

Erneut sagten sie sich etwas, ein Orc entfernte sich. Doch Arthas konnte nicht darauf achten - er musste sein Leben schützen.

Dann spürte er, wie sich etwas um ihn legte ... ein Netz. Es zog sich zusammen. Arthas' Waffe wurde an ihn gepresst, er konnte sich kaum mehr bewegen.

Die Orcs lachten hämisch, als er auf den Boden fiel und sich hilflos hin und her drehte.

Einer der Orcs beugte sich zu Arthas runter und musterte ihn.

Dann lachte er laut.

Er sagte etwas - in mensch.

"Armes Mensch. Lecker schmecken, bestimmt. Aber zuerst wir dir zeigen Kriegshäuptling. Er dich wollte."

Auch wenn diese Sprache nicht perfekt von diesem Orc beherrscht war, konnte Arthas verstehen, was er wollte.

Arthas' Augen weiteten sich - vor Schreck.

"Zu Thrall?!", rief er aus.

Dann spürte er einen Schlag auf den Hinterkopf und vor seinen Augen wurde es schwarz.
 

Als er wieder aufwachte, schaute er in das hübsche Gesicht Nawryas.

Aber ihre Augen waren gerötet und über ihr Gesicht liefen die Tränen.

Die Umgebung, also wo sich Arthas befand, beachtete er in diesem Moment überhaupt nicht. Er fühlte, wie Nawrya ihn in ihren Armen hielt.

"Arthas", flüsterte Nawrya leise, erleichtert. Sie zitterte ein wenig. "Du bist wach ... endlich."

"Nawrya", hauchte er zurück.

Er fühlte sich ein wenig erschöpft und sein Hinterkopf tat ihm weh.

Dank diesen Schmerzen fiel ihm wieder ein, was passiert war.

"Nawrya", sagte er nun noch einmal, leise, aber nervös.

"Wieso bist du hier? Und wo sind wir?"

Nawrya senkte den Kopf.

"Als du weggeritten bist, bin ich dir gefolgt. Ich kam bei den Orcs und bei dir an, als sie gerade weg wollten. Sie haben auch mich gefangen genommen."

Sie schloss die Augen, erneute Tränen flossen über ihr Gesicht.

"Ich wusste nicht, wohin die Reise geht. Auch über dich wusste ich nichts ... Ob du nun tot bist, oder nur bewusstlos. Das erfuhr ich erst, als wir hier ankamen."

Sie holte kurz Luft.

"Wir befinden uns in Orgrimmar ... Der Hauptstadt der Orcs. Wir sind im Kerker. Ihr Kriegshäuptling, Thrall, wird uns - oder vielleicht auch nur einen von uns - jeden Moment rufen lassen. Ich habe schreckliche Angst ..."

Arthas sah zu Nawrya hoch.

"Schhh", machte er beruhigend und leise.

"Weine nicht, meine Kleine. Alles wird gut."

Er hob seine Hand, legte sie an Nawryas Hinterkopf und zog sie sanft zu sich runter.

Dann küsste er sie. Er hatte Angst, dass es ihr letzter Kuss werden würde, aber daran durfte er nicht denken.

Er genoss ihn. Als er ihn wieder löste, strich er Nawrya einige Tränen mit dem Daumen aus dem Gesicht.

"Alles wird gut."
 

Thrall saß auf seinem "Thron". Er stützte sich auf die Armlehne und dachte nach.

Er hatte ihn hier, sogar seine Freundin. Aber was jetzt?

Ob er ihn zuhören würde? Würden sie eine gemeinsame Lösung finden?

Er dachte an die Taten, die ihm die Menschen damals in Durnholde angetan hatten. Sie hatten ihm Taretha Foxton weggenommen, die Mensch, die für ihn eine Schwester gewesen war - sie war sogar eine gewesen! Damals, als er ein Säugling war, wurde er von Taris Mutter gesäugt und konnte somit überleben. Nachdem Tarethas eigentlicher kleiner Bruder gestorben war, hatte sie ihn gut behandelt.

Als Blackmoore, der Lord von Durnholde, herausgefunden hatte, dass Tari Thrall bei der Flucht aus Durnholde geholfen hatte, hatte er sie ermordet. Er hatte sie enthaupten lassen, obwohl Tari sogar seine Liebhaberin gewesen war - gezwungenermaßen. Tari hatte diesen Dreckskerl niemals geliebt.

Thrall hielt sich die Tränen zurück, die ihm emporkamen, als er an den Moment dachte, in dem Blackmoore Thrall Tarethas Kopf vor die Füße geworfen und gelacht hatte. Er hatte gerufen, dass Thrall immer den Anschein gehabt hatte, als könne man ihn nicht brechen, doch in diesem Moment habe er ihn gebrochen. Und es hatte gestimmt.

Der Kriegshäuptling hatte immer noch dieses Bild im Kopf: Er sah vor sich Taris blaue, weit geöffnete Augen, ihre blonden Haare, die über ihren blutigen Kopfstumpf herabhingen und dann auf den Boden lagen. Er dachte daran, dass er in diesem Moment zum ersten Mal in seinen Leben geweint hatte. Den Satz, den Tari ihm einmal gesagt hatte als Thrall fortgegangen war, an den hatte er in diesem erschütternden Moment gedacht:

"Das nennt man Tränen. Sie kommen, wenn wir traurig sind, wenn unsere Seele krank ist. Es ist, als sei unser Herz so voller Schmerz, dass er nirgendwo anders mehr hin kann."

Das hatte er ihr geantwortet, als er fragte, was aus ihren blauen Augen denn kam.

Er hatte Blackmoore aus Rache getötet, aus Wut und Trauer über den Verlust des einzigen Menschen, der ihm etwas bedeutet hatte - und dem Thrall etwas bedeutet hatte.

Taretha war der Beweis dafür, dass es Menschen gab, die Orcs mögen konnten ... die Orcs verstehen konnten. Auch Jaina war so eine Person gewesen. Sie hatte ihn mit ihrem Aussehen und mit ihrer Art an Tari erinnert. Das hatte weh getan.

Da er wusste, dass Arthas der frühere Liebhaber von Jaina war, konnte er sich vielleicht darauf verlassen, dass er ihn ebenfalls verstehen würde.

Thrall seufzte leise, dann richtete er seine blauen Augen, die sehr selten bei den Orcs vorkamen, auf den Orc, den er hatte rufen lassen.

"Bring sie zu mir", befahl er dann.

"Alle beide."
 

Nawrya hielt ihren Arthas immer noch in den Armen, als sich die Tür zu ihrem Kerker öffnete.

"Ihr mitkommen", sagte der Orc in ihrer Sprache.

Arthas sah zu Nawrya hinauf.

"Zumindest bleiben wir zusammen", versuchte er, ihr schwach lächelnd Mut zu machen.

Dann halt Nawrya ihm auf, der Orc wartete ungeduldig.

Arthas schloss für einen Moment die Augen, um sich zu beruhigen. Ihm war Elende zumute.

Dann ging er mit Nawrya los, um Thrall zu treffen.
 

Als Arthas Thrall sah, kam in ihm eine Erinnerung hoch. Er hatte ihn schon einmal gesehen: Damals, als er in Burg Durnholde war, hatte er ihn im Kampf gesehen. Damals war er noch als Kämpfer in der Arena angetreten - und war geradezu berühmt gewesen. Fast keinen Kampf hatte er verloren, bis er eines Tages flüchten konnte.

Arthas und Nawrya wurden an den Händen gefesselt und vor Thrall auf die Knie gezwungen.

Der Kriegshäuptlich stand auf und schaute die beiden an. In seinem Gesicht war nicht so ein Menschenhass zu erkennen wie bei den vielen anderen Orcs.

Arthas' Herz klopfte schnell. Würde er wieder nach Hause kommen? Und Nawrya ... Oh, Nawrya ... Wenn sie sterben würden, wäre er für ihren Tod verantwortlich.

Doch er glaubte, dass sie überleben würden, wenn er in Thralls Gesicht sah. Er schien sanfter zu sein und nicht darauf aus, alle Mitglieder der Allianz zu töten.

"Ich habe euch nicht herbringen lassen, damit ihr hier sterbt", fing Thrall an. Sein Mensch klang fließend und klar - er war ja auch bei Menschen aufgewachsen. Außerdem beruhigten seine Worte Arthas, und, wie Arthas spürte, auch Nawrya. Sie atmete erleichtert aus.

Im Gesicht des Orcs sah er ein leichtes Lächeln, halb gezwungen, halb ehrlich.

"Der Krieg zwischen der Allianz und der Horde ist langsam beschämend."

Er schloss kurz seine Augen.

"Er kommt mir sinnlos vor. Auch wenn die Menschen mir schreckliches antaten, so gebe ich jedem eine Chance. Jeder Mensch ist anders."

Er öffnete seine Augen wieder und richtete sie auf Arthas.

"Ein Bündnis zwischen den Menschen wäre ein großes Ziel von mir. Kein Krieg mehr, zumindest nicht zwischen den Orcs und den Menschen Eures Reiches. Über die anderen Völker und über die anderen Menschen, die nicht unter Eurer Obhut leben, habe ich keine Kontrolle."

Arthas' Augen weiteten sich.

Thrall, der Kriegshäuptling, machte ein Friedensangebot?

"Wenn Ihr meinem Vorschlag zustimmt, so ist Euch mein Dank gewiss."

Thrall sprach wie ein vornehmer Mensch, anders, als Arthas es erwartet hätte. Thrall war sehr klug, wie Arthas klar wurde.

"Wenn Ihr ablehnt, werde ich euch frei lassen, sodass Ihr nach Hause zurückkehren könnt. Ich werde Euch nicht töten."

Arthas dachte nach. Wenn es herauskommen würde, dass Arthas ein Bündnis hätte, würde er dann nicht als Verräter angesehen werden?

Er dachte lange nach und spürte die Blicke Nawryas und Thralls auf sich.

"Beeilt Euch. Wir vermuten, dass Eure Truppen angreifen könnten."

Arthas kneifte seine Augen zu und nickte dann.

"Ich habe jedoch einige Forderrungen", sagte er.

"Niemand anderes außer unsere Leute sollen erfahren, dass wir ein Bündnis miteinander haben."

Er dachte nach.

"Außerdem greift niemand von uns die anderen Völker an. Verweigerte Unterstützung, da wir ja ein Bündnis besitzen, ist sehr auffällig."

Thrall nickte.

"Ich stimme voll und ganz zu."

Er reichte seine Hand Arthas, der sie schüttelte.

Sie war mindestens doppelt so groß wie Arthas' Hand, was ihm leicht unangenehm war.

Arthas konnte es nicht glauben. Er hatte doch tatsächlich Frieden mit der Horde geschlossen! Kein Kurzer Waffenstillstand, wie es ab und zu schon geschehen war ...

Thrall ließ Arthas' Hand wieder los.

"Eine Eskorte wird euch zum Zepellin bringen, mit dem ihr zurückfliegen werdet. Ich vertraue darauf, dass euch nichts geschieht. Wenn ich zukünftig mit euch Kontakt aufnehmen möchte, so werde ich einen Raben mit der Botschaft aussenden, der direkt zum Schloss fliegen wird. Er wird mit der Antwort zurückfliegen."

Arthas nickte einverstanden. Das hörte sich sehr überlegt an. Was wäre gewesen, hätte er das Friedensangebot nicht angenommen? Dann wären Thralls ganze Überlegungen umsonst gewesen.

Die beiden wurden, beschützt von Orks, zum Zepellin gebracht, womit sie bis zum Ende des Silberwaldes flogen. Dort abgesetzt machten sie sich auf den Weg nach Hause.
 

Arthas und Nawrya trafen unterwegs noch rechtzeitig einige Leute aus Lordaeron, die sich auf die Suche nach ihnen gemacht hatten.

Vorläufig erzählten die beiden nichts von dem Geschehen - es sollte alles in Lordaeron besprochen werden. Wer weiß, wer sie vielleicht hören könnte.

Bald trafen sie in der Stadt ein. viele schienen erleichtert, dass der König zurückgekehrt war. Arthas konnte es ihnen auch nicht verdenken.

Er ließ die obersten Kriegsherren und außerdem noch Abbendis, Kynarus und Damrag in den Thronsaal eintreffen. Er berichtete ihnen von dem Geschehen.

"Ich wurde nach Orgrimmar gebracht. Thrall, der Kriegshäuptling hat mit mir geredet. Er schlug mir ein Friedensangebot vor, welches ich annahm."

Gemurmel ging durch die Reihen. Alle waren nach diesen Worten nervös, manche schon fast schockiert.

"Hört mich an, bevor ich falsche Schlüsse zieht", bat er.

Er atmete tief durch.

"Jahrelang sind wir mit der Horde im Krieg. Menschen werden getötet und ebenso Hordler. Aber wieso? Wieso bekämpfen wir uns? Das hat keinen Sinn mehr. Die einigen Waffenstillstände, die wir schlossen um einen gemeinsamen Feind zu besiegen, waren hilfreich. Ohne die Horde hätten wir so manche Gefahr nicht beseitigen können. Sie ist ein starker Verbündeter!"

Jetzt wurde die Nervosität in Interesse und auch in Freude umgewandelt. Vielen wurde klar, was Arthas damit sagen wollte.

"Seid nicht beunruhigt, wenn ein Orc hier herumläuft, falls einer das tun sollte. Wir sind nun Freunde, auch wenn es in der ersten Zeit sicherilch schwer sein wird, nett zueinander zu sein. Aber dieses Bündnis wird wachsen!"

Jetzt fingen die meisten an zu jubeln, einige schauten noch nachdenklich, aber Arthas wusste, sie würden verstehen. Sie mussten einfach!

"Richtet euren Soldaten aus, dass sie die Orcs nicht angreifen sollen. Behaltet dies bitte für euch, wie andere Mitglieder der Allianz darauf reagieren ist mir zu riskant."

Vor allem König Varian, da sein Vater durch die Hand der Orcs getötet worden ist.

Die Kriegsherren nickten.

"Ihr dürft gehen."

Sie gehorchten und gingen allesamt aus dem Thronsaal.

Arthas setzte sich auf seinen Thron und schloss die Augen.

Nur noch Nawrya war bei ihm, ebenfalls Damrag.

Er ging zu ihm.

"Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee war?", fragte Damrag ihn.

Arthas nickte.

"Thrall mag ein Orc sein, aber er ist bei Menschen aufgewachsen. Er weiß viel über uns und ist sehr intelligent. Ich vertraue ihm, wie Jaina es einst tat."

Er lächelte Damrag beruhigend an.

"Vertrau mir. Es ist richtig so."

Damrag seufzte, nickte aber dann.

Er verließ den Thronsaal.

Nawrya wandte ihren Blick zu Arthas.

"Hoffentlich findet es keiner heraus", sagte sie.

"Aber auf ewig kann man es doch nicht verheimlichen. Jedes Geheimnis kommt irgendwann heraus!"

Arthas massierte sich die Schläfen.

"Das ist das Problem, was mir am meisten Sorge bereitet."

Verrat vom Freund

Als Arthas und Nawrya sich an diesem Abend gerade ins Bett gelegt hatten, drehte sich der König zu seiner Freundin.

"Nawrya, es tut mir leid", sagte er leise. Er klang traurig.

"Was tut ihr leid?", fragte sie ihn und schaute zu ihm.

"Es tut mir leid, dass in letzter Zeit so viele Dinge passieren, die dich schockieren und auch traurig machen."

Er schloss die Augen. Er wollte sie nicht unglücklich machen! Aber vielleicht tat er dies, vielleicht war er eine Art Gefahr für sie.

Aber Nawrya lächelte nur, rückte zu ihm und kuschelte sich sanft an ihn.

"Egal, was passiert, jeder Schreck den ich empfinde gleichst du mit einem Kuss von dir wieder aus."

Sie hob ihren Kopf und küsste ihn zärtlich.

Dann löste sie wieder den Kuss.

"Und schon ist alles, was heute passiert war, wieder ausgeglichen."

Arthas lächelte leicht, dann legte er die Arme um sie.

Er konnte sich keine bessere als Nawrya vorstellen. In Gedanken dankte er dem Licht, dass sie so einen traumhaften Charakter hatte.

Wieder stellte er sich einen intimen Moment mit ihr vor, doch er verdrängte diesen Gedanken.

Er würde warten, bis sie soweit war, bis sie Anzeichen machte, dass sie es auch wollte.

Es war nicht alles an einer Beziehung. Zwar kam es Arthas so vor, als würden sie sich dadurch wirklich ihre Liebe gestehen, aber er wusste selbst, was Nawrya für ihn empfand ... und was er für sie empfand. Das musste nicht erst durch solch eine Geste erklärt werden. Und doch würde es schön sein. Aber wie gesagt, er würde warten.
 

Arthas spazierte durch den Schlossgarten und dachte nach.

Wie sollte er das Bündnis mit der Horde geheimhalten?

Er dachte an Varian und die Folgen, die existieren könnten, wenn er alles herausfinden würde.

Würde er ihm Krieg erklären, oder ihn einfach ausschließen? Würde er es den anderen Völkern verraten oder verheimlichen? Oder würde er sogar ... verstehen?

Arthas fragte sich, ob es wirklich kein Fehler gewesen war. Er hatte vielleicht zu viel an sich selbst gedacht.

Er hätte Thrall um mehr Bedenkzeit bitten sollen, doch dafür war es nun zu spät.

"Ach, was mach ich nur?", murmelte er und setzte sich auf eine Bank. Er stützte seine Arme auf die Knie und vergrub sein Gesicht in den Händen.

Er hörte, wie sich jemand neben ihn setzte und spürte einige Sekunden später einen Arm um ihn liegen.

"Du denkt schon wieder daran, nicht wahr?", hörte er Nawryas sanfte Stimme. Er spürte, wie sie ihren Kopf auf seine Schulter legte.

Er seufzte, hob seinen Kopf und lehnte ihn sanft an den ihren.

"Ja", antwortete er.

"Wie könnte ich nicht? Die Gedanken schießen mit unaufhörlich durch den Kopf. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll."

Nawrya wusste nicht, was sie noch sagen sollte. Sie war in dieser Situation mindestens genauso ratlos wie er. Aber Arthas machte ihr keinen Vorwurf, schließlich lag es eigentlich an ihm, alles in die richtige Richtung zu biegen.

Beim Licht, wie sollte er das alles nur anstellen? Er würde sicherlich als Verräter gelten, weil er sich mit dem Feind verbündet hat!

Aber jetzt konnte er es nicht mehr verändern. Er musste stark bleiben und alles auf sich zukommen lassen. Irgendwie würde das schon klappen.
 

Nach einer Woche erhielt Arthas die Nachricht von Varian, dass er einige Soldaten von Arthas benötigte, um Oger im Dämmerwald zu vertreiben, da diese Schwierigkeiten bereiteten. Er hatte eine Liste mit den Namen derer mitbegelegt, die zum Dämmerwald reisen sollten. Darunter befanden sich auch Nawrya und Damrag, was Arthas missfiel, aber es musste sein.

Als die Soldaten, die abreisen sollten, am Stadttor standen, war Arthas dabei um sich von Nawrya und Damrag zu verabschieden.

Nawrya schaute ihn traurig an, doch er lächelte.

"Kämpfe tapfer und schnell für mich, damit ihr bald zurück seid."

Sie nickte fast schon gehorsam, dann wandte er sich an Damrag.

"Mach's gut und pass auf dich auf."

Damrag nickte nur stumm.

Dann ritten alle los und Arthas schaute ihnen so lange hitnerher, bis sie außer Sichtweite waren. Dann seufzte er. Er würde Nawrya jetzt einige Zeit nicht mehr sehen, zwei Wochen oder länger.

Die Hufspuren von den Pferden, auf denen die Soldaten geritten waren, waren im Schnee klar erkennbar. Arthas dachte daran, dass es einfach sein würde, ihre Fährte aufzunehmen.

Er schloss die Augen und spürte, wie es wieder anfing, zu schneien. Dicke Schneeflocken fielen auf seinen Kopf.

Er lächelte.

"Ist schon gut", sagte er leise. Es fühlte sich an, als wollten ihn die Schneeflocken nicht draußen haben.

"Ich geh ja schon wieder rein."

Er drehte um und begab sich wieder ins Schloss.
 

Die drauffolgenden Tage waren ruhig. Zu ruhig für Arthas. Ab und zu traf er sich mit Kynarus und Abbendis, die jedoch einiges zu tun hatten, da sie in den Patrouillen dabei waren. Aus diesem Grund konnte Arthas die beiden auch nicht allzu oft sehen.

Ohne Nawrya fand Arthas es irgendwie langweilig. Sie wäre jetzt bei ihm gewesen und hätte irgendetwas getan. Das schlimmste war, dass Arthas momentan wirklich nichts zu tun hatte. Lordaeron hatte alles, was es brauchte. Glücklicherweise war zu dieser Zeit ein Arzt hergezogen, der die Menschen, die durch den kalten Winter krank wurden, behandelte.

Der König beschloss, einen Spaziergang durch die Stadt zu machen. Er schaute sich die verschneiten Straßen an, die jeden Morgen wieder freigeschaufelt werden mussten, damit man hindurchgehen konnte. Er beobachtete, wie die wenigen Kinder, die hier waren, im Schnee spielten und lachten. Er dachte zurück an seine Kindheit. Damals hatte er einen besten Freund gehabt, der der Sohn eines Bauers gewesen war - der Bauer, der auch Invincible gehabt hatte, welcher später Arthas' Ross wurde.

Arthas' Freund hatte Jarim gehießen. Jarim Balnir. Sein Vater, Jorum Balnir, hatte den Hof gehabt. Auch wenn Arthas eigentlich nicht zu dessen Hof hätte gehen dürfen, hatte er sich immer hingeschlichen, wenn er keinen Unterricht gehabt hatte. Er mochte die Pferde und deren Gerüche, außerdem hatte er immer mit Jarim gespielt.

Aber nun waren sie weg - Jarim, Jorum und Vara, Jorums Frau.. Nur der Hof existierte noch, auch wenn er jetzt von anderen Leuten bewohnt war. Die drei waren Opfer von Arthas' Hand geworden. Als er daran dachte, wie er damals zum Gehöft gekommen war und die Leichen sah, war er irgendwie erschüttert gewesen. Bei dem Anblick könnte er heute weinen. Kurz danach hatte er Invincible wiederbelebt, sein Pferd, dass durch einen verdammten Unfall im Winter gestorben war. Stimmt, deshalb hatte Arthas den Winter seither gehasst - weil es ihn an den unglücklichen Tag erinnerte, wo er mit Invincible in eine Schlucht gefallen war, und Invincible so schwer verletzt gewesen war, dass Arthas ihn hatte töten müssen. Wäre er damals nur ausgebildeter gewesen in der Kunst des Heilens ... Aber das war er nicht, und Uther war weg gewesen zu diesem Augenblick, ebenso wie der Priester, der in Lordaeron gelebt hatte.

"Uther", dachte er sich. Sein Adoptiv- und gefühlter Onkel, sein Mentor. Und auch ihn hatte Arthas getötet.

"So viele, unschuldige Seelen, so viele, die mich geliebt hatten ... von mir getötet", dachte er sich und diese Gedanken schmerzten ihn. Er versuchte, sich abzulenken und schaute zum Stadttor, wo Bürger hinaus- und hineingingen.

Auf einmal sah er eine Gestalt, die er nicht erwartet hätte.

"Calia?", fragte er leise, ungläubig.

Die Person lief mit der Menge mit, die Straße entlang, wodurch sie auch Arthas näher kam. Dieser war sich nun völlig sicher.

"Calia!", rief er aus.

Er bewegte sich auf seine Schwester zu, was nicht gerade einfach war, da die Straße ziemlich voll war.

Sie schaute zu ihm.

"Arthas!"

Sie lachte und lief auf ihn zu, dann umarmten sie sich.

Arthas fühlte, wie ein schwerer Stein von seinem Herzen fiel.

"Oh, Calia ..."

Tränen kamen ihn in die Augen. Er hatte geglaubt, sie nie wieder zusehen, und nun war sie hier, bei ihm. Seine Schwester, die einzige, die er von seiner Familie noch hatte.

"Wo bist du die ganze Zeit gewesen?", fragte er sie nun und löste die Umarmung langsam.

Sie seufzte leise.

"Auf der Insel Theramore", sagte sie ihm.

"Ich hatte mich ... versteckt gehalten."

Arthas konnte sie verstehen. An ihrer Stelle hätte er dies wohl auch getan.

"Danke, dass du zurückgekommen bist."

Er lächelte sie an.

"Ich werde auch hier bleiben", sagte sie beruhigend. "Noch einmal lass ich dich nicht allein!"

Daraufhin lachte sie und er lachte mit.

"Komm doch mit zum Palast", bat er sie.

"Du willst sicher dein altes Zimmer beziehen."

Sie lächelte glücklich zum Schloss von Lordaeron.

"Oh, ja", sagte sie.

"Es wäre toll, mal wieder in meinem eigenen Zimmer schlafen zu können."

Sie lachte noch einmal, bevor sie sich die beiden zum Schloss aufmachten.
 

"Oha", sagte Calia, als sie ihr Zimmer betrat.

"Verdammt dreckig. Da hab ich erstmal einiges zu tun."

Sie seufzte und nahm einen Besen zur Hand.

"Ich helfe dir", meinte Arthas und holte aus einer kleinen Abstellkammer eine kleine Schaufel sowie einen kleinen Besen und noch einen großen Besen dazu.

Calia lächelte ihn an, als sie ihn mit den Gerätschaften sah.

"Danke."

Es dauerte eine Weile, bis sie das Zimmer sauber bekamen, doch es funktionierte.

"Perfekt!", lobte Calia ihre Arbeit und ließ sich auf das Bett fallen.

"So viele Jahre schon nicht mehr hier ..."

Dann setzte sie sich auf und schaute ihn an.

"Und ohne dich, ohne unsere Eltern."

Arthas schloss die Augen. Er war ja Schuld an dem Tod ihres Vaters.

"Es tut mir leid, was ich getan habe."

Calia stand auf und ging auf ihn zu.

"Nicht doch, Arthas! Sei nicht traurig."

Sie umarmte ihn sanft und tröstend.

"Es war ja nicht dein eigener Wille."

"Doch", sagte Arthas gequält.

"In diesem Moment schon!"

"Aber das es dazu kam, dafür konntest du nichts!"

Arthas schwieg.

Doch. Hätte er sich damals mehr wie ein Paladin verhalten und nicht aus Rache gehandelt, wäre es anders gekommen.

"Und jetzt lass uns nicht weiter darüber reden", sagte sie zu ihm.

"Lass dich anschauen."

Sie musterte ihn.

"Mit einundreißig Jahren siehst du ja aus wie ein Opa mit deinen weißen Jahren!", scherzte sie.

Arthas wusste, dass es nicht böse gemeint war und sie nur gute Laune machen wollte.

"Dafür hast du dich mit deinen dreiunddreißig Jahren gut gehalten."

Sie grinste frech.

"Ja, nicht wahr?"

Sie richtete überheblich mädchenhaft ihre Haare.

"Ich bin wahrlich die schönste Frau auf der Welt!"

Sie lachten. Oh, Arthas fühlte sich wie ein kleiner Junge! Calia hatte sich doch ein wenig verändert. Früher war sie nicht so ... kindisch gewesen, nicht so verspielt. Aber es sollte Arthas recht sein, wie sie sich nun verhielt. Anscheinend hatte diese lange Trennung etwas in sich gehabt.
 

Die Zeit ohne Nawrya konnte Arthas mit Calia gut verkraften. Sie erzählten sich vieles über ihre Vergangenheit.

Calia erzählte, dass sie einen Mann geheiratet hatte. Sie hieß nun mit Namen Hastings. Ihr Mann würde bald nachkommen, er arbeitete momentan noch woanders.

Arthas berichtete Calia auch von der Sache mit Thrall. Er konnte ihr hundertprozentig vertrauen.

"Ich halte das für keine schlechte Idee, was du da getan hast", sagte sie ihm. Das waren die ersten richtig positiven Worte, die er von einer anderen Person außer Nawrya zu dieser Geschichte gehört hatte.

"Je mehr Frieden geschlossen wird, desto weniger Krieg gibt es. Und weniger Opfer des Krieges."

Sie lächelte.

Arthas nickte.

"Genauso denke ich auch, aber wie die anderen Völker das akzeptieren, ist mir fraglich."

"Ich habe da eine Idee", sagte Calia dann.

"Schreib einen Brief an Thrall. Frag ihn, ob du versuchen sollst, die anderen Völker zu überzeugen, ebenfalls Frieden zu schließen! Wenn er zustimmst, schreibst du einen Brief an Tyrande, Magni, Varian und Velen. Dann wirst du sehen, was passiert."

Arthas dachte über ihre Worte nach. Wieso war er nicht schon eher darauf gekommen?

"Ich glaube, Velen würde zustimmen. Die Draenei sind ein Volk, das den Frieden will. Aber die anderen, insbesondere Varian ... Da bin ich mir nicht so sicher."

"Wenn einer zustimmt, machen es sicher die anderen auch."

Calia lächelte ihn aufmunternd an.

"Na gut. Ich versuche es."
 

Er tat, wie Calia es ihm geraten hatte. Er schrieb einen Brief an Thrall, mit der Frage um die Erlaubnis, die anderen Völker einzuweihen. Er verschickte den Brief mit einer Brieftaube.

Er dachte nach, als er mit Calia zusammen am See saß.

"Nawrya müsste bald zurück sein", sagte er dann.

"Ich werde sie dir vorstellen, ihr versteht euch bestimmt prächtig."

Calia lachte.

"Das möchte ich hoffen, ich habe nicht vor, sie nicht zu mögen."

Als sie am Abend zurückgehen wollten, bemerkte Arthas weit entfernt auf der Straße mehrere Leute auf Pferden.

"Sieh doch! Sie kommen zurück!"

Er fing an zu lächeln.

Als der Trupp näher kam, bemerkte er außer seinen Soldaten noch andere ... Varian und einige seiner Soldaten.

Varian sah grimmig drein und als er Arthas sah, schaute er ihn düster an.

"Nein ...", sagte Arthas leise und leicht schockiert.

Irgendjemand hatte das Bündnis verraten.

Als die Gruppe bei den beiden angelangt war, stieg Varian von seinem Pferd und ging auf Arthas zu.

"Das hätte ich nicht von dir erwartet", sagte er in einem finsteren Ton.

"Varian ... lass mich erklären ...", fing Arthas an, wurde jedoch von Varian unterbrochen.

"Da gibt es nichts zu erklären!", schrie er ihn wütend an.

"Du hast dich mit unserem FEIND verbündet! Du bist ein Verräter!"

Arthas war von diesem Vorwurf mehr als schockiert.

"VERRÄTER? Varian! Du weißt nicht, was du da sagst! Hast du diesen elenden Krieg nicht auch langsam satt? Dank diesem Bündnis kann Frieden einkehren! Keine unschuldigen Toten mehr!"

"Die Orcs haben meinen Vater getötet und somit meine gesamte Kindheit zunichte gemacht!"

Varians Gesicht war rot vor Wut. Arthas schluckte.

"Du kannst ihnen nicht vertrauen!"

Arthas aber gab nicht nach.

"Ich VERTRAUE Thrall und werde dieses Bündnis NICHT brechen!"

Nur einen Moment später spürte er den harten Schlag der Faust Varians in seinem Gesicht und er stolperte zurück. Calia stand zum Glück hinter ihm, sodass sie vermied, dass er zu Boden stürzte. Er hörte den schockierten Schrei Nawryas, danach die Stimme seiner Schwester.

"Seid Ihr völlig durchgedreht?!", schimpfte sie Varian wütend an.

Arthas' Nase und sein Mund schmerzten. Er spürte, wie warmes Blut aus seiner Nase lief und er schmeckte ebenfalls Blut in seinem Mund. Aber er schlug nicht zurück.

Er schaute Varian einfach nur an, enttäuscht über dessen Reaktion.

"DAS hätte ich nicht von DIR erwartet", sagte er leise.

Varian schaute ihn trotzdem weiterhin wütend an.

"Du wirst deinen Fehler bemerken, wenn die Horde vor deiner Haustür steht, vollbepackt bis obenhin mit Waffen."

Arthas schüttelte leicht den Kopf.

"Das wird nicht passieren."

Der König von Stormwind schnaufte wütend.

"Du bist in Stormwind nicht mehr willkommen."

Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um, ging zu seinen Leuten zurück und stieg auf sein Pferd.

"Gehn wir", befahl er und dann ritten er und seine Begleiter weg.

Arthas sah, wie Nawrya von ihrem Pferd stieg und auf Arthas zulief.

"Geht es dir gut?", fragte sie besorgt. Sie zog ein Stofftuch aus ihrer Tasche und fing an, Arthas das Blut aus dem Gesicht zu wischen.

Arthas ignorierte das dumpfe Pochen, die zusätzlich zu den Schmerzen existierten.

"Ja", log er. Calia stellte sich neben ihn und schaute ihn an.

"Den hab ich mir immer anders vorgestellt. Viel netter!", sagte sie.

"Aber jetzt ist er bei mir unten durch."

Arthas schwieg, während Nawrya ihm das Blut wegwusch.

"Wer bist du?", fragte Nawrya an Calia gewandt.

"Ich bin seine Schwester, Calia. Du musst wohl Nawrya sein. Freut mich, dich kennen zu lernen."

Sie lächelte und Nawrya lächelte zurück.

"Freut mich ebenso."

Damit wischte sie Arthas das restliche Blut weg, bevor sie sich daran machte, vorsichtig die Wunden zu heilen.

Arthas ließ es einfach zu.

Die restlichen Soldaten ritten wortlos weiter und an ihnen vorbei. Die meisten schauten etwas betrübt drein. Arthas wartete, bis alle außer Höhrweite waren.

"Nawrya ... Wer hat es ihm gesagt, verdammt nochmal?"

Nawrya schloss die Augen und schaute zu Boden. Sie wirkte, als würde sie sich für jemanden sehr schämen.

"Es war Damrag, Arthas. Er hat es Varian gesagt."

Viel Arbeit bis zum Ziel

Auch jetzt, wo sich Arthas schon wieder im Schloss befand und mit Calia und Nawrya zu Abend aß, war er immer noch schockiert über das, was Nawrya ihm gesagt hatte.

Damrag war es gewesen. Er hatte es Varian gesagt, obwohl Arthas alle darum gebeten hatte, es zu verheimlichen!

Jetzt war wohl alles umsonst. Ein schlechtes Geheimnis selbst herauszufinden war viel schlimmer, als es gesagt zu bekommen. Arthas war nun nicht mehr in Stormwind willkommen, hatte sozusagen Hausverbot.

"Es tut mir so leid, Arthas", sagte Nawrya sanft. Arthas stocherte nur lustlos in seinem Essen herum. Nawrya hatte noch überhaupt nichts gegessen, obwohl ihr Teller voll war. Sie sah ein wenig weinerlich aus.

Arthas schaute sie an.

"Es ist ja nicht deine Schuld, sondern allein Damrags."

Arthas war wütend auf ihn, und das zurecht. Er war sein Freund gewesen, gerade aus diesem Grund war es so schlimm!

Auch wenn Damrag noch so unsicher bei der Sache war, wieso hatte er Arthas nicht einfach vertraut?

Der König seufzte und aß ein wenig.

Nawrya schaute auf ihren Schoß und aß schweigend. Calia hatte sogar schon fertig gegessen.

"Vielleicht ist jetzt nicht Varian auf unserer Seite, aber falls wir die anderen drei Anführer der Völker dazu bringen, sich auch mit Thrall zu verbünden, wird er wohl gezwungen sein, es ebenfalls zu tun. Ich denke nicht, dass er als Außenstehender dastehen will."

Arthas zuckte nur mit den Schultern.

"Zwei Gründe, warum er es nicht tut. Erstens, sein Hass geht über seinen Vernunft hinaus. Zweitens, er will mir den Triumpf nicht gönnen."

Ohja. Und Arthas konnte Varian nachdem, was er erlebt hatte, irgendwo nicht mehr ausstehen. So auszurasten war vollkommen unnötig gewesen. Er hatte Damrag nicht mehr gesehen, seit die Soldaten zurück waren. Das sollte ihm recht sein. Er hatte keine Lust darauf, ihn zu sehen. Noch nicht.

Arthas schluckte das Essen hinunter.

"Wie ist es im Dämmerwald gelaufen? Hat alles geklappt?"

"Ja", sagte Nawrya leise.

"Die Oger sind vertrieben worden. Sie hatten Dunkelhain angegriffen."

Arthas schwieg und aß weiter. Die Stimmung war so verklemmt. Er konnte sowas überhaupt nicht leiden.

Wie es nun weiterging, musste er erst abwarten. Thralls Antwort würde sagen, ob er den anderen Völkern anbot, ebenfalls Frieden mit der Horde zu schließen. Aber Varian ... Tja. Arthas war gespannt darauf, ob Varian trotz allem ein Bündnis schloss.
 

Am Abend saß Arthas mit Nawrya auf dem Balkon. Er musste sich vom Tag erholen. Viele Gedanken gingen ihn durch den Kopf, sehr viele. Er musste einfach zur Ruhe kommen.

Er überblickte die weiße Landschaft und trank heißen Tee. Nawrya las ein Buch, bald schon würden sie schlafen gehen.

Er schaute zu Nawrya.

"Und? Ist das Buch spannend?", fragte er leicht lächelnd. Es war dasselbe Buch, aus dem er vorgelesen hatte.

Sie schaute auf und nickte lächelnd.

"Ja, gerade aber ein wenig traurig. Der Blutelf wurde schwer verletzt."

"Ah", machte Arthas.

Er seufzte leise und schaute dann in den Himmel.

"Meinst du, das alles gut wird?", fragte er. Die Sorgen schienen ihn förmlich zu zerfressen.

Er fühlte Nawryas Hand auf seiner Schulter.

"Mache dir keine Sorgen. Das klappt schon."

Sie strich nun sanft durch sein Haar und Arthas schloss die Augen.

"Und alles nur wegen Damrag."

"Er wird seine Lektion schon lernen. Kynarus und Abbendis werden von ihm wohl auch nicht mehr so fasziniert sein und ihm aus den Weg gehen. Die meisten werden das wohl. Geschieht ihm recht."

Trotzdem hatte Arthas irgendwie Mitleid. Auch, wenn Damrag ihn in gewisserweise verraten hatte, so war er nun allein und fühlte sich schlecht. Aber es war wohl richtig und auch gut so.
 

Einige Tage später erreichte sie Thralls Antwort.

Er stimme Arthas' Plan zu, was ihn beruhigte. Jetzt konnte er die Briefe schreiben, was er auch tat.

Er schrieb Briefe an Tyrande Whisperwind, Prophet Velen und Magni Bronzebeard. Da die Gnome bei den Zwergen wohnten, fand er es unnötig, deren König ebenfalls einen Brief zu schreiben. Und einen Brief an Varian zu schreiben, daran dachte er erst gar nicht.

Arthas verschickte die Briefe.

Als er die Brieftauben losschickte, stand er am Balkon des Palasts und schaute danach in den schneebedeckten Garten.

Er seufzte.

"Gütiges Licht, schenke mir die Kraft, das alles durchzustehen."

Er schloss die Augen und neigte seinen Kopf ehrfürchtig, als würde sich das Licht vor ihm befinden.

Er spürte eine angenehme Wärme in sich und der Mut in ihm stieg. Er lächelte leicht.

"Danke."

Er drehte sich um und ging wieder zurück in sein Zimmer. Nawrya war nicht hier, sie befand sich gerade im Bad. Sie hatte eine anstrengende Zeit hinter sich und musste sich entspannen.

Als Arthas einen Spiegel an der Wand sah, ging er darauf zu. Er hatte sich nicht direkt die Zeit genommen, sich richtig anzusehen.

Er stand vor dem Spiegel und betrachtete sich.

Die schneeweißen Haare, die ein wenig über seine Schultern reichten, waren eigentlich das einzige, was ihn noch an seine Zeit als Lichkönig erinnerten. Sein Gesicht war genauso wie früher - sanft, freundlich, vielleicht ein wenig verunsichert. Für sein Alter hatte er recht wenig Falten, seine Haut war nicht mehr so blass, wie sie einst durch Northrend gewesen war. Sie hatte wieder an Farbe gewonnen. Zuletzt waren da seine Augen, die während der ganzen Zeit für niemanden sichtbar hinter dem blauen Leuchten der Augen des Lichkönigs verborgen gewesen waren. Grünblau, wie seine Augenfarbe war, so war sie nun auch wieder. Mehr grün als blau befand sich in seinen Augen, doch das Blaue konnte man immernoch erkennen. Man konnte es ... meeresgrün nennen, wenn man so wollte. Als sich Arthas so betrachtete, fand er, dass er sich wirklich kaum verändert hatte, auch wenn alles so dumm gekommen war. Auch sein kurzer Stoppelbart, den er stets behielt, besaß er noch. Er musste lächeln. Wenn seine Haare nun genauso blond wie früher gewesen wären, so würde man denken, es wäre nie etwas geschehen. Aber sie waren weiß, weiß wie der Schnee. und daran konnte er nichts ändern.
 

Es dauerte eine Woche, bis die Nachrichten der anderen Anführer bei ihm eintrafen. Prophet Velen willigte ein, sich der Horde anzuschließen. Tyrande ebenfalls - sie mochte den Krieg nicht. Magni jedoch schrieb, dass seine Entscheidung noch warten müsse, da er alles zuerst mit den Gnomen aussprechen müsse. Für ihn persönlich jedoch halte er es für eine gute Idee.

Arthas war beruhigt. Niemand war gegen ihn. Naja ... nur Varian. Aber irgendwann musste er klein beigeben!
 

Wiederrum verging eine Woche. Arthas wartete immernoch auf die Antwort von Magni. Er machte gerade einen Ausritt mit Nawrya, um den See herum.

Der Schnee fing an, matschig zu werden. Das Wetter wurde langsam wieder wärmer.

"Man sieht, wie warm dieses Jahr ist. Der Schnee hat sich gerade einmal anderthalb Monate gehalten", sagte Nawrya, als sie zuschaute, wie das Pferd durch den Schneematsch ging.

Arthas nickte.

"Ja, für mich aber ist es lange genug. Ich war so lange nur vom Winter umgeben, dass ich das warme Wetter kaum abwarten kann."

Er lächelte zu Nawrya hinüber und sah, wie sie ebenfalls lächelte.

"Ich könnte niemals irgendwo leben, wo es nur Winter oder nur Sommer ist. Für mich muss alles da sein, Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Sonst gibt es ja überhaupt keine Abwechslung."

Arthas schaute zum See, auf den einige, inzwischen kleiner gewordene Eisflächen zu erkennen waren, die herumschwommen.

"Ja", sagte er leise.

"Überhaupt keine Abwechslung."

Sie ritten eine Weile weiter, Arthas sah dabei weiterhin auf den See.

Dann hörte er Nawryas Stimme.

"Arthas ... sieh mal", sagte sie.

Er wandte ihr den Blick und schaute dann in die Richtung, in die sie schaute.

Noch entfernt von ihnen, aber dennoch vor ihnen, stand Damrag. Er schien auf die beiden zu warten. Er wirkte seltsam geknickt, sein kurzes Haar war verwuschelt und selbst von der Entfernung aus konnte Arthas erkennen, dass er fertig aussah.

Irgendwo spürte er den Mitleid, aber dennoch war die Enttäuschung über ihn verdammt groß.

"Sollen wir umkehren?", fragte Nawrya ihn unsicher. Doch Arthas schüttelte den Kopf.

"Nein. Ich will hören, was er zu sagen hat."

Sie ritten weiter auf ihn zu. Schließlich blieb Arthas ungefähr zehn Meter von ihm entfernt stehen, Nawrya tat es ihm gleich.

Damrag fing an zu reden, seine Stimme klang ein wenig rau.

"Arthas, hör mir zu ..."

Er schien nach Worten zu suchen.

"Es ... Es tut mir leid, was ich getan habe. Ich ... wusste nicht, ob du ... wirklich das Richtige getan hattest. Ich hatte Angst, dass uns deine Entscheidung zum Verhängnis werden könnte ... Und das es noch schlimmer kommen könnte, wenn niemand etwas davon wüsste. Ich hatte erwartet, dass Varian ... Nun ja ... etwas überlegter reagieren würde ..."

Arthas schaute ihn an, versuchte, ein gleichgültiges Gesicht aufzusetzen.

Überlegter reagieren? Zum Beispiel, Arthas gleich umbringen zu lassen, damit er keine weiteren Schwierigkeiten verursachte?!

"Tja, wie du gesehen hast, ist das nicht passiert und ich wurde aus Stormwind verbannt. Vielen Dank nochmal, mein 'Freund'."

Damrag zuckte leicht zusammen.

Nawrya schwieg während dieser Zeit und hatte den Kopf gesenkt. Sie würde in diesem Moment wohl lieber ganz woanders sein.

"Ich wollte nicht, das alles so kommt ... Ich habe zu wenig nachgedacht, zu überstürzt gehandelt ... Ich hatte einfach Angst, ich hatte einfach nur Angst ..."

Nun klang er traurig. Er schaute Arthas nicht an, sondern sah zu Boden.

"Bitte, vergib mir. Keiner will mehr was mit mir zu tun haben, ich steh alleine da. Mir tut alles so unendlich leid. Ich wünschte, ich könnte es ändern."

"Es ändert nichts daran, was du getan hast."

Irgendwie spürte Arthas in diesem Moment eine Art Déjà-vu.

Dann wusste er, wieso.

Als er damals in Undercity gefangen gewesen war, hatte er Sylvanas gesagt, dass er sich geändert hatte, doch sie hatte nur geantwortet, dass das nicht seine vergangenen Taten ändern würde.

Obwohl Arthas nichts dafür gekonnt hatte, war es geschehen und aus diesem Grund wollte Sylvanas Rache.

War es mit Damrag jetzt im Grunde genommen nicht dasselbe?

Er hatte Angst gehabt - die Arthas, nachdem er nun nachdachte, verstehen konnte - und hatte allein aus Angst gehandelt, was ihn zu einer unüberlegten Tat gebracht hatte. So wie damals, als Arthas wegen seiner Rache unüberlegte Dinge getan hatte.

Jetzt tat Damrag alles leid. War sein schlechtes Gewissen vielleicht nicht doch Strafe genug für ihn?

Anstatt nun seinem eigenen Zorn nachzugehen, sollte Arthas versuchen, Mitgefühl und Verständnis zu zeigen.

"Ich weiß doch ... Ich weiß ... Aber bitte ... Ich ... Es tut mir so leid ..."

Damrag sank auf die Knie, er schien, gleich das Weinen anzufangen.

Arthas schluckte.

Sollte er ihm nun vergeben? Oder doch nicht?

Er blickte zu Nawrya hinüber, die Damrag nun mit Tränen in den Augen ansah.

Ja, er war doch irgendwo noch ihr Freund, trotz allem was er getan hatte, sie kannten ihn doch. Sie wussten doch, wie nett er war und dass er in manchen Situationen eine Hilfe war.

Würde er ihm nicht vergeben, wäre er wohl keinen Deut besser als Sylvanas.

Arthas stieg nun langsam von seinem Pferd und ging auf Damrag zu.

Dieser hob leicht den Kopf, als er es bemerkte, und schaute Arthas nun ins Gesicht.

Der König erschrak leicht bei dem Anblick. Damrag sah aus, als hätte er Tage nicht geschlafen. Er hatte Augenringe, war blass im Gesicht, hatte nun feuchte Augen, sein Haar war ungekämmt. Er schien fertig mit den Nerven zu sein.

Arthas ging vor Damrag in die Hocke und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

"Na schön, Damrag. Die soll vergeben sein. Dein schlechtes Gewissen, dass du hast, sollte dir Strafe genug sein. Ich will nicht aus Zorn und Rache handeln, wie ich es damals tat, sondern vergeben."

Damrag sah ihn weiter an, nun lächelte er schwach.

"Danke, Arthas. Danke ..."

Arthas könnte hören, wie Nawrya von ihrem Pferd abstieg und ebenfalls auf sie zukam. Sie kniete sich hin und umarmte Damrag.

"Und du, Nawrya? Kannst du mir auch verzeihen?", fragte er mit weinerlicher Stimme, als sie ihn umarmte.

"Ja, Damrag", antwortete sie ihm.

Arthas lächelte leicht, als ihm einfiel, dass Damrag und Nawrya sich wie Bruder und Schwester fühlten. Sie waren schon oft in Missionen zusammen unterwegs. Sie spürten keine Liebe füreinander, doch sie waren beste Freunde. Kein Wunder, dass es Nawrya ebenfalls schlecht gegangen war, als Damrag das Bündnis verraten hatte. Es war Arthas nur so lange nicht mehr eingefallen, weil Nawrya dies nur einmal kurz in einer Unterhaltung erwähnt hatte, so am Rande.

Nawrya ließ Damrag wieder los.

"Mach sowas nie wieder!", sagte sie zu ihm.

"Nein", antwortete er.

"Ganz bestimmt nicht."
 

Nun, da Damrag wieder ihr Freund war, verhielten Arthas und Nawrya sich um einiges fröhlicher.

Ein paar Tage später erreichte dann endlich Magnis Antwort die beiden.

"Er hat zugestimmt!", rief Arthas fröhlich aus, als er den Brief las. Ebenfalls König Gelbin Mekkadrill, eher gesagt der Hochtüftler und Anführer der Gnome, willigte ein.

Genau genommen fehlte nun nur noch Varian. Aber Arthas war sich sicher, dass er klein beigeben müsse. Er wollte einen Brief an die Anführer schreiben, um Varian zu bitten, mit einzusteigen. Dazu musste er jedoch auch seine jetzige Situation gegenüber Varian erklären.

Dies tat er auch und verschickte die Briefe.

Nawrya, die an dem Tag weg gewesen war, erfurh von dieser Nachricht erst abends, als sie zu Bett gehen wollte. Arthas wartete auf sie. Als sie es erfuhr, umarmte sie ihn.

"Das ist ja wunderbar!", jubelte sie.

"Dann wird doch noch alles gut!"

Arthas nickte, dessen war er sich sicher.

Arthas umarmte sie ebenfalls und sie verharrten in dieser Stellung.

"Endlich läuft alles so, wie ich es mir vorgestellt hatte."

Er spürte, wie Nawrya sanft seinen Nacken kraulte und er lächelte.

Nawrya schaute zu ihm hoch.

"Es wird von Tag zu Tag wärmer, der Schnee schmilzt immer mehr."

Sie lächelte. Ein Lächeln, was Arthas' Herz fast wie den Schnee zum Schmelzen brachte.

"Bald hast du dein warmes Wetter."

"Für mich ist es jetzt schon sehr warm, da ich das kalte Wetter so gewohnt bin."

Ihm war wirklich heiß.

"Sogar in der Nacht?"

Er nickte.

"Ich weiß gar nicht, wie ich den Sommer überstehen soll."

Er lachte.

Sie grinste ihn an.

"Dann schlaf doch ohne Oberteil", schlug sie vor.

"Dann hast du wenigstens einen Wärme-Erzeuger weniger."

"Oh, tolle Idee!", sagte er und er ließ sie los.

Nawrya löste sich ebenfalls von ihm. Sie war schon umgezogen und legte sich ins Bett.

Sie seufzte.

"Ich freu mich schon auf den Sommer ..."

Arthas zog sich das Oberteil aus und legte es auf einen Stuhl, dann legte er sich neben sie ins Bett.

Sie drehte sich auf die Seite, um ihn anzusehen.

"Aber nur weil dir warm ist, heißt das nicht, dass es mir ebenfalls warm ist."

Sie grinste und kuschelte sich an ihn, so wie jede Nacht.

Er lachte leise.

"Du ersetzt ja schon glatt mein Oberteil."

Er legte seine Arme um sie und drückte sie sanft an sich.

Er fühlte sich im Moment sehr wohl und sein Herz schlug schnell. Dann spürte er, wie Nawrya sanft über seinen Brustkorb strich.

Ihm gefiel das und er seufzte leise, zufrieden.

Mit ihrer anderen, freien Hand, streichelte sie seinen Rücken.

Als sie über seine linke Brust streichlte, flüsterte sie:

"Dein Herz schlägt schnell."

Er neigte seinen Kopf und küsste sie auf den Kopf.

"Wegen dir."

Er spürte, wie sie sich ein wenig enger an ihn kuschelte.

War dies das Zeichen, auf das Arthas schon so lange wartete?

Als er spürte, wie die Hand Nawryas, die sich auf seinem Rücken befand, langsam, vorsichtig und ein wenig schüchtern weiter nach unten glitt, wusste er, dass seine Vermutung stimmte.

Ja, das war das Zeichen.

Er drückte sie sanft auf das Bett und legte sich dann auf sie. Er strich zärtlich über ihre Wange, küsste danach sanft ihr Gesicht.

Beim Licht, er spürte, dass dies eine wundervolle Nacht werden würde.
 

Es war tiefe Nacht. Arthas lag immer noch auf Nawrya, doch nun legte er sich neben sie. Sie schlief bereits. Er strich sanft und liebevoll über ihren Körper, um sie nicht damit aufzuwecken. Er Mond, der durch das Fenster hereinschien, beleuchtete ihr Gesicht.

Arthas lächelte. Genauso hatte er sich eine Nacht mit ihr vorgestellt.

Natürlich hatten sie darauf geachtet, es nicht zu lange zu machen und rechtzeitig aufzuhören. Schließlich wollten sie es nicht überstürzen, indem Nawrya noch schwanger wurde. Arthas hoffte, dass auch alles gut gegangen war.

Er schmiegte sich an sie. Sie bewegte sich leicht, dann hörte er ein leises und zufriedenes Seufzen von ihr. Sie drehte sich zu ihm und schmiegte zurück.

Er lächelte. Er strich sanft durch ihr Haar und genoss diesen Moment, ging im Kopf noch einmal alles durch, was sie soeben erlebt hatten.

Arthas schloss nun die Augen, um einzuschlafen. Schließlich wollte er ja noch etwas Schlaf bekommen, bevor der neue Tag anbrach.
 

Arthas kam auf die Idee, dass die Bau einer Mauer an den Grenzen Lordaerons zu anderen Gebieten nicht gerade schlecht war. Schließlich gab es noch andere Feinde als die Horde, die jederzeit auch angreifen konnten. Aus diesem Grund ließ er anfang, solch eine Mauer zu bauen - an den Grenzen zum Silberwald, zu den Geisterlanden und zum Alteracgebirge.

Außerdem ließ er einen Hafen bauen. Damit konnten sie auch mit dem Schiff nach Orten wie Stormwind fahren - falls sich die Sache mit Varian irgendwann legen sollte -, ohne unterwegs auf Probleme zu stoßen.

Er saß gerade auf seinem Thron, als ihn die erste Rückmeldung seiner verschickten Briefe von Magni Bronzebeard erreichte.
 

"Arthas,
 

Eure derzeitige Situation bedaure ich. Ich weiß, dass Varian ein harter Brocken ist, der die Horde unendlich tief hasst. Doch zugunsten der Allianz werde ich versuchen, ihn dazu zu überreden.

Es wäre schließlich zu seinem eigenen Vorteil und ebenfalls zu unseren. Von mir aus soll er die Horde weiterhin hassen, auch wenn er ein Bündnis mit ihnen hat, er muss sie nicht mögen.

Ich werde alles tun, was ich kann.
 

Gezeichnet,

Magni Bronzebeard"
 

Arthas lächelte. Die Zwerge waren ihm irgendwie sympathisch mit ihrer Art. Durch Magni hatte er auch erfahren, dass Muradin damals nicht gestorben war, sondern schwer verletzt und mit Gedächtnisverlust überlebt hatte. Brann Bronzebard, der Bruder von Muradin und Magni, fand diesen als König der Frosterben. Muradins Gedächtnis war dadurch zurückgekehrt. Arthas wusste nicht, ob Muradin zu ihm kommen und ihn auf irgendeine Weise büßen lassen würde. Da Arthas Muradin jedoch kannte, würde er, egal was für eine Büße der Zwerg sich aussuchte, unheimlich Angst haben. Dennoch war Arthas froh, dass Muradin überlebt hatte. Er würde sich jede Strafe von diesem Zwerg gefallen lassen, hauptsache er wusste, dass sein alter Freund lebte.

Jetzt brauchte er nur noch abzuwarten, bis Tyrande und Velen ihn ihre Antwort schickten.

Er war gespannt, wie es weitergehen würde.

Auf in die Scherbenwelt!

Einige Tage vergingen, dann erreichten auch Velens und Tyrandes Antwort Arthas. Sie fielen positiv aus, was bedeutete, dass sie mit Varian Kontakt aufnehmen würden.

Arthas überlegte, was es nun noch für ihn zu tun gab. Die Sache mit Varian musste er abwarten, etwas anderes konnte er im Moment nicht tun.

Tja, was gab es noch zu tun? Die Mauer, die er an den Grenzen Lordaerons hatte bauen lassen wollen, wurde bereits angefangen zu bauen. Die Pläne, wie sie aussehen sollte, waren erledigt. Da musste er sich also auch nicht mehr drum kümmern.

Vielleicht etwas mit Thrall?

Er dachte nach. Jetzt, wo sich doch alle Anführer der Allianz mit Thrall verbündeten, warum nicht auch alle Anführer der Horde?

Die Trolle, dachte sich Arthas, würden wohl gar nicht erst gefragt werden müssen. Sie hielten sehr zu den Orks. Die Blutelfen und Tauren mussten noch davon überzeugt werden ... Und die Untoten.

Das heißt, sie müssten SYLVANAS - SYLVANAS! - dazu überreden, ein Bündnis zu schließen mit der Allianz und somit auch mit Arthas. Dieser hätte bei dieser Vorstellung schon fast laut losgelacht.

Die absurdeste Vorstellung, die er je hatte!

Das würde sie niemals tun. Lor'themar Theron und Cairne Bloodhoof zu überreden war vielleicht schwer, aber nicht ganz unmöglich. Aber Sylvanas jedoch ... Naja, die Sache wollte er Thrall überlassen, schließlich regelte er selber ja auch die Sache mit Varian und den anderen Anführern.

Er verschickte einen Brief an Thrall mit der Bitte, die anderen Anführer nach einem Bündnis zu fragen.
 

Arthas saß gerade am Tisch und aß zu Mittag. Währenddessen dachte er darüber nach, wer eine Bedrohung für Lordaeron darstellen könnte.

Da wäre zum Einen also Sylvanas, von der er nicht wusste, was sie nach Thralls Frage nach einem Bündnis tun würde. Vielleicht war auch Muradin eine Art Gefahr, wenn er sich an dem rächen wollte, was Arthas getan hatte.

Außerdem dann noch Kel'Thuzad, der nun, wo Arthas nicht mehr da war, möglicherweise irgendetwas tun würde ...

Noch jemand?

Arthas dachte nach.

Achja, genau ... Illidan! Der würde sich wohl nicht die Chance entgehen lassen, Arthas eins auszuwischen. Aber Illidan Stormrage würde einen schweren Gegner darstellen. Er war ein Dämon, noch dazu ein mächtiger. Sicher, Arthas hatte ihn einmal besiegt, aber nun war er geradezu machtlos.

Hoffentlich hatte dieser Dämon nicht vor etwas zu tun. Arthas schluckte.

Wenn Illidan kam, würde er sicher alles tun, damit Arthas so viel leiden konnte wie nur möglich. Oh, das Licht möge sie behüten ...

Aber ... Moment! Und wenn er Illidan zuvorkäme? Sicher, es war vielleicht nicht gerade ... fair, aber wenn Arthas Illidan besiegen könnte ... Dann wäre er auch für alle keine Bedrohung mehr. Sie würden viele gute Männer brauchen, um dies zu bewerkstelligen. Aber nun, da die Horde auch auf ihrer Seite war, konnten sie zusammenarbeiten! Doppelte Stärke gegen diesen Dämon.

Arthas aß seinen Teller leer und dachte weiter darüber nach. Ja, das musste getan werden. Auch wenn Illidan nur weegn Arthas zu solch einem Unwesen mutiert war, so war er nun eine Gefahr für alle.

Er stockte, als er sich in Gedanken ausmalte, wie perfekt alles ablaufen würde.

Würde es vielleicht wieder in einer Katastrophe enden? Hatte er nun nicht wieder diesen Drang, jegliche Gefahr zu beseitigen, die sein Land bedrohte, so wie damals, als die Seuche kam?

Aber nein ... Dieses Mal war es doch irgendwie anders. Es gab keinen Plan des Feindes, der ihn dazu veranlasste, Illidan anzugreifen. Und außerdem war es nicht nur Lordaeron, welches dadurch gewissermaßen bedroht wurde, sondern das gesamte Azeroth. Illidan musste weg! Dann würde auch die Scherbenwelt von einer großen Gefahr befreit sein.

Aber ohne die Hilfe der Horde und der anderen Völker konnte dies nicht gelingen. Waren sie nicht damit einverstanden, zu helfen, dann würde es nicht gehen.

Doch dies wollte er abwarten. Zuerst musste er alle kontaktieren, dann würde er weiter sehen. Dennoch wollte er zuerst warten, bis die Sache mit Varian und den anderen Völkern der Horde geklärt war.
 

Thralls Antwort kam überraschend schnell ... und überraschend positiv. Bloodhoof und Theron hatten zugesagt - obwohl Theron zuerst noch in gewissermaßen dazu überredet werden musste, was Arthas ihm nicht verdenken konnte. Schließlich hatte er damals Silvermoon zerstört und einen gewaltige Hässlichkeit zurückgelassen: Die Todesschneise.

Sylvanas musste regelrecht dazu gezwungen werden - als Arthas dies las, zog er die Augenbraue hoch. Die Horde hatte seltsame Methoden, ihre Mitglieder zu einem Bündnis zu überreden.

Tja, Sylvanas war nun auch dabei - Arthas wollte gar nicht wissen, wie genau sie das geschafft hatten - und stellte jedoch eine Forderung: Sie wollte wieder in Undercity einziehen, da sie und ihre Untoten an der Oberwelt nicht so gerne gesehen wurde.

Arthas seufzte, als er dies las. Thrall entschuldigte sich im Brief dafür, dass es nicht anders ging. Blieb ihm denn eine andere Wahl? Sylvanas würde das Bündnis brechen, wenn er "Nein" sagen würde.

Arthas dachte nach, dann schrieb er einen Brief zurück. Darin schrieb er, dass Sylvanas mit ihren Untoten nur dann wieder einziehen durfte, wenn sie Undercity ausschließlich zum Wohnen benutzten und nicht, um darin Gifte herzustellen und anderes Bösartiges zu tun.
 

Die beste Nachricht, die Arthas wohl seit längerem bekommen hatte, war, dass Varian einwilligte, ein Bündnis zu schließen. Er musste dem Druck letztendlich doch nachgeben. Ob Arthas immer noch verbannt war, wusste er nicht. Vielleicht würde Varian irgendwann Kontakt aufnehmen - bis dahin würde Arthas nichts tun.

Jetzt, wo sich alles beruhigt hatte, begann Arthas mit seinem "Wir-Müssen-Illidan-Besiegen-Und-Dabei-Zusammenarbeiten" - Plan. Er hoffte, dass er den Anführern nicht auf die Nerven ging, schließlich wollte er andauernd etwas neues von ihnen.

Er seufzte, als er am Schreibtisch saß und die Briefe schrieb. Seine Augen brannten - es war schon spät abends und ihm fiel kaum ein, wie er alles überzeugend auf Papier bringen sollte.

Er blickte zu der schlafenden Nawrya hinüber und dachte nach.

Arthas bekam schon Kopfschmerzen vom vielen Nachdenken. Er schrieb seinen letzten Brief weiter - und fertig. Müde versiegelte er die Briefe und stapelte sie auf den Tisch. Morgen früh würde er sie dann verschicken lassen.

Erschöpft legte er sich ins Bett. Er war jetzt zu müde um sich umzuziehen. Er verschwand schon bald ins Reich der Träume.
 

Die Brieftauben flogen in die helle Morgensonne davon, um ihre Aufgaben auszuführen. Arthas lächelte. So viele Flüge hatten sie sicher schon seit langem nicht mehr hinter sich bringen müssen.

"Arme Tauben", dachte er sich.

Er saß auf dem Balkon und rieb sich die Augen. Er war immer noch sehr müde, wollte die Briefe aber so schnell wie möglich verschicken.

Er spürte, wie Nawrya hinter ihn trat. Sie legte ihm ihre Hände an seine Schultern.

"Und?", fragte sie schläfrig. Sie war wohl gerade erst aufgestanden.

"Die Briefe sind verschickt."

Müde lehnte er sich ein wenig nach hinten, an sie.

"Hoffentlich klappt alles."

Sie nahm eine Hand von seiner Schulter und streichelte seinen Kopf.

"Bestimmt!", sagte sie aufmunternd.

"Bisher hat alles geklappt, was du vorhattest."

Ja, das stimmt. Aber verlangte Arthas nicht vielleicht doch zu viel von jedem?

Er stand auf.

"Ich leg mich noch einmal hin", sagte er.

"Ich muss Schlaf nachholen."
 

Es dauerte einige Tage, bis wieder die Antworten kamen.

Arthas hatte nur an Thrall einen Brief geschrieben, er würde es weiterleiten. An Varian hatte er zwar auch einen Brief geschrieben, jedoch rein diplomatisch und ohne Inhalte auf ihren Streit.

Jeder der Anführer sprach seine Warnung aus, versicherte jedoch, zu helfen. Das war ein gutes Zeichen, fand Arthas.

Nachdem jeder seine Zustimmung gegeben hatte, gab Arthas einen Termin an - sie sollten sich vor dem dunklen Portal treffen, in wenigen Tagen.

Arthas bemerkte nicht den geisterhaften Schatten, der sich aus dem Staub machte, nachdem der König die Briefe verschickt hatte.
 

Die Armee, die sich ergeben hatte, war überwältigend. Auch wenn sich die Horde und die Allianz gegenüber misstrauisch beäugten, kämpfte keiner miteinander. Von den Anführern der Allianz war nur Arthas mitgekommen, die anderen Anführer bevorzugten es, ausreichend Soldaten zu schicken. Von der Horde allerdings waren Thrall und - überraschenderweise - auch Sylvanas dabei.

Als Arthas sie sah, bekam er es doch irgendwie mit der Angst zu tun - noch konnte er ihr nicht vertrauen, selbst bei diesem Bündnis nicht. Vielleicht ging ihre Rachsucht über ihren Verstand hinaus, so wie damals bei Arthas.

Arthas hatte sich alles so vorgestellt:

Ein Teil von ihnen würde mit den Greifen über den wirbelnden Nether hinüber zum Schattenmondtal fliegen, um den Schwarzen Tempel von oben zu besichtigen. Die anderen würden zu Fuß nachkommen, auch wenn sie dann lange auf sie warten mussten. Arthas, der bei den Greifenreitern dabei sein würde, würde in der Nähe des Tempels ein Lager aufschlagen und gemeinsam mit denen, die dabei waren, einen korrekten und gut durchdachten Angriffsplan schmieden. Sie würden genug Zeit haben, bis die anderen eintrafen.

Einige Soldaten, die vor dem Dunkeln Portal stationiert waren, hatten sie für verrückt erklärt, solch ein Unternehmen zu starten. Aber Arthas hatte es ignoriert. Alles würde gut gehen.

Arthas schaute sich um. Es waren alle da, von jedem Volk.

Sein Blick blieb an Sylvanas hängen, die ihn anschaute. Irgendwie verbarg sich vielleicht ein Anflug leichten Bedauerns in ihrem Gesicht, versteckt hinter der Wut und dem Hass, der in ihren Augen funkelte.

Er wandte schnell seinen Blick ab und schaute zu Thrall, der neben ihm stand. Seine glänzende, schwarze Rüstung, die von Kriegshäuptling zu Kriegshäuptling weitergegeben wurde, faszinierte Arthas immer wieder auf's Neue.

"Wir sind bereit, hindurchzugehen. Es sind alle da."

Thrall nickte.

Er rief etwas auf orcisch, dann setzte sich die Horde in Bewegung.

"Es geht los!", gab auch Arthas bekannt, dann maschierte auch die Allianz auf das Tor zu. Nawrya, Damrag, Kynarus und Abbendis standen ebenfalls bei Arthas. Die fünf standen zusammen mit Thrall sozusagen an der Spitze des Heeres. Sie kamen dem Portal näher. Arthas wusste nicht, wie es sich anfühlen würde, durch dieses Portal in die Scherbenwelt zu wechseln.

Er ging einen weitern Schritt, dann befand sich sein Bein im Portal ... ein weiterer Schritt, und er versank im Tor. Bunte Farben blinkten vor seinen Augen, Sterne kreisten um ihn, verschiedene Planeten schienen an ihm vorbei zu schweben, so klein und zu nah, als könne er sie berühren, doch Arthas war wie ein Geist. Es war kühl und fühlte sich feucht an, dann, nach dem Dauer von nur einer Sekunde, löste sich das Bild und er sah vor sich die Höllenfeuerhalbinsel. Sie hatte ihren Namen verdient. Der rote Boden erinnerte an das Feuer, und sogar von hier aus konnte er die Höllenfeuerzitadelle erkennen, von der er schon so viel gehört hatte.

Er schaute in die Luft. Der Himmel war erschreckend und zugleich faszinierend. Er sah unglaublich viele Sterne, der Himmel war schwarz, obwohl es doch auf Azeroth Tag war. Planeten waren dort zu sehen, die man auf Azeroth nicht sah.

Dann ging Arthas weiter und steuerte nach rechts, damit er stehen bleiben konnte, während ihr Heer vorbeimarschierte.

Er drehte sich um und blickte auf das gigantische dunkle Portal. In Azeroth war es sicherlich zehn Mal kleiner als hier. Die Statuen waren riesig, das Portal ebenso. Arthas war fast schon überwältigt von dieser Größe.

Er verharrte einige Momente und blickte erstaunt zu dem Tor.

"Arthas", hörte er Thralls Stimme dann.

"Alle sind durch. Wir sollten damit beginnen, die Greifenreiter festzulegen."

Arthas wandte seinen Blick ab.

"Oh, ja ... natürlich. Wir benötigen an die zehn Leute, nicht wahr?"

Thrall nickte.

"Das dürfte genügen."

Arthas schaute sich um.

"Wen nehmen wir mit ..."

"Ich bin auf jeden Fall dabei", sagte Thrall.

"So ein Flug auf einen Greifen find ich vielleicht nicht gerade sehr ansprechend und würde einen Windreiter bevorzugen, aber naja."

Arthas lächelte leicht.

"Arthas? Wir sind auch dabei!", hörte er Damrags Stimme und er drehte sich um.

Seine vier Freunde grinsten ihn an, so als wäre es selbstverständlich, dass sei dabei wären. Arthas nickte einverstanden und lächelte.

"Ich will auch mit. Lange Reisen liegt mir nicht."

Er drehte sich um und blickte überrascht in das Gesicht Sylvanas, die einige Meter vor ihm stand.

"Achja, und ... Der da will unbedingt auch."

Sie zeigte halb genervt auf einen Untoten, bei dessen Anblick Arthas das Gefühl hatte, dass sein Gehirn schon verwest war.

"Sein Name ist ... Wie heißt du nochmal?", fragte sie und schaute dabei den Untoten an.

"M...Morly, Herrin", sagte Morly, dessen Name der komischste war, den Arthas bisher gehört hatte.

"Achja ... Morly", sagte Sylvanas.

Das hatte gerade noch gefehlt. Ein dummer Untoter, der wohl zu wenig Aufregendes erlebt hatte.

"Nun denn ... Dann sind wir schon einmal acht. Fehlen noch zwei."

Diese zwei waren schnell gefunden.

Es war noch ein Troll namens Maek und ein junger Gnom namens Timmy, der vor Aufregung zu platzen drohte.

Die Gruppe bestieg ihre Greife, auf wenn Timmy zuerst Hilfe von Thrall benötigte, um aufzusteigen.

"Es kann losgehen!", hörte er Sylvanas' Stimme, die das Schlusslicht bildete.

Dann flogen sie los in Richtung des Schattenmondtals.
 

Als sie den wirbelnden Nether erreichten, schaute Arthas in die unendlich zu sein scheinende Tiefe.

Nawrya flog links von Arthas, Damrag links Neben Nawrya. Abbendis und Kynarus flogen hinter den dreien. Irgendwo rechts von ihnen flog Morly herum, welcher seinen ersten Greifenflug wohl in vollen Zügen auskostete. Thrall flog hinter Morly, um einen möglichen Absturz gut ausgehen zu lassen, Timmy und Maek waren in der Nähe von Sylvanas, welche hinter allen flog.

Arthas konnte das Schattenmondtal nicht erkennen. Wolken bildeten sich und es fing an zu regnen. Der Nebel hinderte ihn daran, zu erkennen, wie weit sie noch vom Schwarzen Tempel entfernt waren. Sie durften nun nur nicht vom Kurs abkommen und mussten geradeaus fliegen.

"Ey, wie lang noch, Mann?", hörte er Maek rufen. Seine große Statur wirkte auf dem Greifen sehr komisch.

"Keine Ahnung", antwortete Arthas.

"Dank dem Nebel kann ich nichts erkennen."

Nach Arthas' Gefühl zu urteilen müssten sie den wirbelnden Nether bald überwunden haben.

"Ich habe ... Höhenangst! Alles ist immer so ... groß!", rief Timmy. Seine Stimme klang angsterfüllt.

"Ich glaub, ich muss ..."

Er hörte Würgegeräusche.

"Das ist ... so verdammt widerlich", sagte Sylvanas angewidert.

Arthas wagte sich nicht, sich umzudrehen.

"Hey, Mann, sieh mal. Er hatte zuletzt Fisch gegessen!"

Vielleicht hätte sich Arthas mehr Zeit mit der Auswahl seiner Begleiter lassen sollen.

Dann hörte er wieder Sylvanas' Stimme.

"Oh, oh ... Schneller! Fliegt schneller! SCHNELLER, VERDAMMT!"

Bevor Arthas reagieren konnte, hörte er dämonische Brülle hinter sich, die die Greife ohne ihren Befehl um einiges Schneller fliegen ließ.

Nawrya drohte zuerst, aus ihrem Sattel zu fallen, doch glücklicherweise konnte sie sich noch halten.

"Ehh! Was soll das!", rief Morly, doch Sekunden später brüllte er. "AHH! SCHRECKLICHE, HÄSSLICHE, FLIEGENDE MONSTER MIT HÖRNERN!"

"DÄMONEN!", brüllte Thrall.

In Arthas' stieg der Angstschweiß empor. Wieso waren sie hier?!

Arthas trieb seinen Greifen schneller an, die anderen taten es ihm nach.

Um ein Haar hätte Arthas ein grüner Magieball getroffen.

Er erschrak, als er Magieball an ihm vorbeiflog und hinab in den wirbelnden Nether - zumindest dachte er, dass sie noch über diesem Abgrund waren.

Die Greife wurden aufgescheucht, als mehr Magiebälle flogen. Unkontrolliert flogen sie hinauf und hinab, Arthas hatte große Schwierigkeiten, sich festzuhalten.

"DAMRAG!", schrie Nawrya. Arthas wandte seinen Kopf in ihre Richtung. Damrags Greif war getroffen worden und sank, während Nawrya Damrag am Arm gepackt hatte und versuchte, festzuhalten. Der Greif sank also ohne Damrag in die Tiefe.

Arthas flog hektisch dichter an die beiden heran, doch Dank dem zusätzlichen Gewicht Damrags drohte der Greif, ebenfalls zu sinken. Wieder verfehlte sie ein Magieball.

Arthas hielt Nawrya krampfhaft fest. Ihm stiegen die Tränen der Verzweiflung in die Augen. Die anderen konnten nicht helfen, sie waren zu sehr unter Beschuss.

Er durfte nicht loslassen. Nein ...

Er hörte Damrags leise Stimme.

"Nawrya, es tut mir leid", sagte er.

"Der Greif kann uns nicht beide halten, auch mit Arthas' Hilfe nicht."

"Doch", schluchzte Nawrya. Arthas hatte die Augen immer noch fest zugekniffen. Er lauschte allein ihrem Gespräch. Nichts anderes schien er wahrzunehmen, nichts anderes schien diesen traurigen Moment stören zu wollen.

"Ganz sicher!"

"Du weißt, dass das nicht stimmt. Es tut mir leid ... meine kleine ... Schwester ..."

Auch wenn sie nicht wirklich Geschwister waren, so fühlten sie sich so und es war wohl das erste - und das letzte Mal - , dass Damrag sie "Schwester" nannte.

In den nächsten Augenblicken hörte Arthas nichts.

"Nein ... Damrag ... Bitte, tu das nicht! Nein! DAMRAG!", schrie Nawrya dann.

Arthas öffnete die Augen, als der Druck, der Nawryas Greif nach unten zog, nachgab. Er sah Damrag in die Tiefe fallen. Der verzweifelte Gesichtsausdruck, das erloschene Feuer in seinen grünen Augen und die völlig durchnässten, blonden Haare, war ein Anblick, den Arthas wohl nie wieder vergessen konnte. Damrags Körper verschwand im dichten Nebel, der sie umgab. Der Regen hatte inzwischen alles durchnässt. Die Tränen, die über Nawryas Gesicht liefen, waren nicht zu unterscheiden von den Regentropfen, die unaufhörlich auf sie herabtropften.

Es schien eine Ewigkeit gedauert zu haben, bis Damrag im Nebel verschwunden war. Dieser Augenblick zog eine zweite Ewigkeit hinter sich, so als würde die Zeit viel langsamer vergehen als gewöhnlich. Nichts geschah, beide starrten nur in den Nebel hinein, sinnlos hoffend, dass Damrag wieder daraus hervorkam. Aber das tat er nicht.

"DAMRAG!", schrie Nawrya, schluchzte, hielt sich kraftlos und entmutigt an den Federn ihres Greifes fest. "NEIIN!"

Die Ewigkeit schien ein Ende zu nehmen, die Zeit normalisierte sich, die Sekunden schienen keine Minuten mehr zu dauern.

Arthas konnte den Verlust, den sie soeben erlitten hatten, nicht wahrnehmen ... und nicht verkraften.

Waren sie noch über dem wirbelnden Nether, so würde Damrag in das endlose Nichts fallen, dass die Scherbenwelt umgab. Andernfalls würde er auf den Boden fallen und den Absturz nicht überleben. Er war verloren.

Tränen rannen über Arthas' Gesicht, die sich mit dem Regen vermischten. Arthas' Greif entfernte sich von Nawrya, als ein erneuter Magieball drohte, ihn zu erwischen.

Er hielt sich verzweifelt am Hals seines Greifes fest. Er konnte seine Gedanken nicht ordnen.

"Arthas!", hörte er Thralls Stimme.

"Wir müssen tiefer fliegen! Wenn wir den wirbelnden Nether überwunden haben, dann können wir landen und mit den Dämonen kämpfen!"

Ja ... Ja, der Boden. Das Schattenmondtal. Er musste später um Damrag trauern, auch wenn es ihm weh tat. Er musste sie zuerst in Sicherheit bringen.

Er flog tiefer. Da sein Greif das Alphatier war, flogen ihm die anderen sofort hinterher.

Zu seiner Erleichterung sah er tatsächlich den Boden, als sie tiefer sanken und den Nebel einigermaßen durchbrachen. Er wusste jedoch nicht, wie lange sie schon über dem Land geflogen waren. Aber dann sah er, dass der Schwarze Tempel nicht mehr weit entfernt war. Er drehte sich um und sah nun die Dämonen, die sie verfolgten. Sie hatten Ähnlichkeit mit Mal'Ganis - sie sahen aus wie ein Schreckenslord, vielleicht nicht so groß und nicht genauso, aber so ähnlich. Er schaute wieder nach vorne.

Er verkrampfte sich und sein Herz drohte stehen zu bleiben, als er sah, wie viele Dämonen auf sie zugeflogen kamen. Illidan musste es irgendwie herausgefunden haben ...

Sie konnten nicht fliehen. Sie konnten nicht kämpfen. Sie konnten nur sterben ... oder was auch immer die Dämonen mit ihnen vorhatten.

"Es gibt keinen Ausweg", sagte Arthas.

"Wir sind verloren."

Die Dämonen kamen näher, von vorne sowieso auch von hinten. Arthas flog langsamer.

Dann hörte er wütende Schreie von Sylvanas.

"Lasst mich los, Dreckspack! Hey ... Nein, lasst das! Widerliche Dämonen!"

Arthas drehte sich um und sah, wie Sylvanas von ihrem Greifen geholt und in ein Netz gefangen genommen wurde. Das gleiche passierte auch mit Maek und mit Timmy. Morly, der zuerst noch einige Demonstrationen seiner Flugkünste zeigen wollte, wurde dann auch gefangen.

"Verzeih mir, Nawrya. Das hab ich nicht gewollt", sagte er dann. Er blickte zu Nawrya, die ihn aus verweinten Augen ansah, während ihr immer noch der Regen und ihre Tränen über ihr Gesicht liefen. Es blitze und der Donner war kurz danach zu hören.

"Es ist nicht deine Schuld."

Thrall wurde gefangen genommen. Kynarus und Abbendis ebenfalls.

Ein Dämon griff nach Arthas, der sich, ohne sich zu wehren, in das Netz einsperren ließ. Er hatte keinen Willen mehr, sich zu wehren. Das Netz war magisch, wie er bemerkte, immun gegen Waffen. Jetzt, jetzt konnte er um Damrag trauern. Während er zusah, wie Nawrya von ihrem Greifen gezerrt und ebenfalls in eines der Netze gesteckt wurde, fing Arthas an, zu weinen.

Die Dämonen flogen mit ihrer Beute in Richtung des Schwarzen Tempels. Die Greife flogen irritiert in der Luft herum, überwältigt von ihrer plötzlichen Wegname ihrer Herrchen.

Dank sei dem Licht, dass es schlaue Greife waren. Sie fingen an, zurückzufliegen, wie es ihnen beigebracht wurde. Dann wusste das Heer, dass etwas nicht stimmen konnte. Arthas sah die Greife im Nebel verschwinden, dann tauchte das gewaltige Gebäude des Schwarzen Tempels vor ihnen auf. Das riesige Tor öffnete sich und die Dämonen flogen mit ihnen hinein.

Im Inneren war es dunkel und Arthas schloss die Augen.

Sie hatten die Höhle des Löwen betreten. Als Gefangene, nicht als Stürmer.

"Ich habe versagt", flüsterte er.

Er hatte Damrag verloren, obwohl ihr richtiger Angriff nicht einmal gestartet hatte. Ein unnötiges Opfer in einem unnötigen, überraschenden Angriff.

Er nahm einen seltsamen Geruch war, dann fingen seine Muskeln an, zu erlahmen.

Sein Bewusstsein wurde schwächer.

Die Bewusstlosigkeit wurde schließlich Herr über seinen Geist und er glitt hinüber in die traumlose Welt, die ihn von seinen seelischen Schmerzen zumindest zeitweise erlöste.

Gefangene im Schwarzen Tempel

Als Arthas wieder zu Sinnen kam, stöhnte er vor Schmerzen. Ihm tat sein ganzer Körper weh. Er öffnete leicht seine Augen und drehte seinen Kopf auf die rechte Seite. Er war mit Thrall und Sylvanas zusammen in einer Zelle. Sylvanas war noch bewusstlos und lag regungslos an der Wand. Thrall war anscheinend auch erst vor kurzem wach geworden und saß an der Wand gelehnt da, den Kopf gesenkt.

Arthas brauchte einige Momente, bis ihm wieder alles einfiel, was passiert war. Der Greifentrupp, Damrags Tod, ihre Festnahme und schließlich der Moment, an dem sie anscheinend mittels eines Betäubungsgases bewusstlos wurden.

Er atmete tief durch. Dies tat ihm weh. Er wusste nicht, wieso ihm alles weh tat, schließlich hatten sie ihn nicht verletzt ... oder etwa doch?

Er wollte sich aufsetzen um nachzusehen, aber er konnte es nicht. Als er sich anspannte, fühlte er immer noch, dass seine Muskeln ein wenig gelähmt waren. Außerdem tat ihm jede kleinste Anstrengung weh.

Arthas spürte, wie jemand seine Hand auf seinen Kopf legte und darüber streichelte. Er drehte seinen Kopf langsam nach links und sah, wie Nawrya ihren Arm durch Gitterstäbe hindurch steckte und Arthas' Kopf streichelte. Ihre andere Hand hatte einen Gitterstab umklammert. Sie zitterte und ihre Augen waren feucht, ihr Gesicht tränenüberströmt. Sie atmete ängstlich.

"Ich habe so Angst", sagte sie leise und wimmerte.

Sie kniff die Augen zusammen und lehnte ihre Stirn an die Gitterstäbe.

"Schhh", machte Arthas beruhigend.

Er konnte sich immer noch nicht richtig bewegen, obwohl er sich wünschte, sich aufsetzen zu können und sie durch die Gefängniswand hindurch umarmen zu können.

"Wir schaffen das ..."

"Arthas, du bist wach?", hörte er Thralls Stimme.

Er wandte seinen Kopf wieder in die andere Richtung und nickte dann leicht.

"Nawrya, wer ist bei dir in der Zelle?", fragte Arthas dann.

Er konnte hören, wie Nawrya sich umdrehte.

"Morly und ... Maek", antwortete sie dann.

"Wo sind die anderen drei?"

"Hier drüben, rechts neben uns", sagte Thrall und deutete in die nächste Zelle.

"Mittlerweile sind nur wir drei wach geworden."

Arthas schloss seine Augen und drehte seinen Kopf wieder so, dass er an die Decke gewandt war.

Nawrya streichelte weiter über seine Haare. Ihre Hand zitterte weiterhin leicht, wie Arthas auffiel.

"Wenigstens liegst du nah bei mir", sagte sie leise.

Ihre nächsten Worte klangen weinerlich.

"Diese verdammten Gitterstäbe ..."

Arthas ließ seine Augen geschlossen und genoss ihre Streicheleinheiten. Er hoffte, dass sie alle wieder heil hier herauskämen.

"Wir stehen das durch", sagte er sanft.

Ihre Soldaten würden schon noch kommen. Sie würden wissen, dass etwas passiert war, wenn niemand vor dem Schwarzen Tempel zu finden war. Arthas' Sorge jedoch war, dass sie nicht schnell genug kommen würden. Es dauerte noch etwas länger, bis sie den Schwarzen Tempel erreichen würden ... und was bis dahin aus ihnen geworden war, wusste Arthas nicht.

"Wie lange seid ihr beiden schon wach?", fragte er dann schwach. Das Reden strengte ihn seltsamerweise an und außerdem spürte er dadurch die Schmerzen. Ob man Wunden sehen konnte? Das wollte er gleich fragen.

"Ich war schon wach, als Thrall aufwachte", sagte Nawrya.

"Es kam niemand, seit ich wach bin, hier vorbei. Kein Dämon, der nachgesehen hätte ..."

Arthas öffnete nun seine Augen und schaute Nawrya an.

"Bin ich verletzt?", fragte er dann.

Nawrya blickte ihn an. Ihre Augen wurden feuchter und sie schwieg.

"... Nawrya?", fragte er leise. Er schluckte.

Sie senkte ihren Kopf.

"Ich konnte dich nicht heilen", sagte sie leise, weinerlich. Tränen traten aus ihren Augen.

"Deine Rüstung lässt mich nicht durch ..."

"Nawrya ... was ist es? Wie sehe ich aus?", fragte Arthas.

Sie weinte nun etwas lauter.

"Es sieht aus, als hätte man dich brutal zerkratzt. Zwar haben wir unsere Rüstungen noch, aber anscheinend hat sie diese Dämonen nicht daran gehindert. Deine Rüstung ist ... blutverschmiert ... und die Kratzer sind darunter verborgen, aber man sieht es an der Rüstung. Seltsamerweise blutest du nicht viel, aber ... dafür lange."

Sie schaute ihn wieder an.

"Ich habe Angst ... um dich", meinte sie. Sie schluchzte leise.

Arthas schluckte schwer und spürte einen Kloß im Hals.

"Da scheint ... jemand sehr wütend auf mich zu sein."

Er hob langsam seinen Arm, die Lähmung wich allmählich. Er schaute kurz zu seinem Arm.

Wirklich - seine Rüstung war zerkratzt und blutverschmiert, aus den Wunden kam weiterhin neues Blut nach.

Er legte seine Hand auf die von Nawrya, mit der sie ihn streichelte.

"Thrall, bitte hilf mir, meine Rüstung auszuziehen", bat er.

"Man sollte mich untersuchen ..."

"Sicherlich", sagte er und Arthas hörte, wie er zu ihm rüberkroch, da er nicht aufgestanden war.

Arthas schaute Nawrya weiterhin an.

"Beruhige dich", sagte er tröstend.

"Mir wird schon nichts geschehen."

Thrall war nun bei ihm und kniete neben ihm.

Er spürte, wie er anfing, Arthas' Rüstung abzulegen. Ab und zu tat es ihm weh, weil Thrall einige Schwierigkeiten dabei bekam.

Arthas schloss wieder die Augen.

Er hörte Nawrya nicht mehr weinen, wusste aber, dass sie stumm weiter weinte. Sie konnte wohl gar nicht anders.

Es dauerte eine Weile, dann war Thrall fertig.

"Das sieht nicht gut aus", meinte er, als er einen prüfenden Blick auf Arthas' Wunden warf.

"Danke für die Aufmunterung", sagte Arthas ironisch und schaffte es, sich mit einiger Anstrengung aufzusetzen. Er lehnte sich an die Wand und schaute dann an seinem Körper hinab.

Es waren nur einige, kleine Stellen, die nicht zerkratzt waren. Die Kratzer schmerzten sehr. Seine Kleidung war über und über mit Blut bedeckt, es roch widerlich. Sogar der Boden war schon etwas mit dem Blut voll, was alles noch verschlimmerte.

"Heile mich", bat er Nawrya. Er selbst fing an, die tiefsten Wunden zu heilen.

Nawrya nickte nur und half ihm dabei, die Wunden einigermaßen zu beseitigen. Thrall schaute ihnen dabei zu.

Als sie fertig waren, blieben nur kleinere Wunden zurück, für die es sich nicht gelohnt hatte, zu heilen. Schließlich bedurfte das Heilen an Kraft, welche sie im Moment nicht großartig zu Verfügung hatten.

Er hörte ein leises, weibliches Stöhnen von rechts und er wandte seinen Blick dorthin.

Sylvanas regte sich langsam und setzte sich dann vorsichtig auf.

Sie schaute sich um, verengte leicht die Augen und rieb sich die Augen. Thrall, Nawrya und Arthas schauten sie nun an.

Sie schüttelte leicht den Kopf.

"Wie grausam ist das Schicksal, dass ich gerade mit ihm in einer Zelle sein muss?"

Nawryas Hand, die noch auf Arthas ruhte, verkrampfte sich ein wenig.

"Pass auf, was du sagst!", fuhr Nawrya sie an.

Sylvanas lachte nur auf.

"Oh, was willst du machen, kleines Mädchen? Die Zellenwand durchbrechen und mir eine Ohrfeige geben?"

"Sylvanas!", sagte Thrall scharf, woraufhin sie schwieg.

Arthas rückte nun näher zu den Gitterstäben, steckte seine Arme hindurch und umarmte Nawrya.

Er drückte seinen Körper gegen die Gitterstäbe, um ihr so nahe wie möglich zu sein. Die eisernen Stäbe schmerzten, aber es war erträglich. Er hoffte, dass das Blut, dass auf ihm war, Nawrya nicht ekeln würde.

"Höre nicht auf sie", sagte er beruhigend.

"Sie kann mich eben nicht ausstehen."

Nawrya nickte nur und wollte ihren Kopf an seinen schmiegen, doch die Gitterstäbe hinderten sie daran.

Arthas konnte spüren, wie Thrall ihnen zusah.

Der König ignorierte seine Blicke und schaute an Nawrya vorbei. Er sah, wie sich Maek und Morly, fast gleichzeitig, anfingen, zu bewegen.

"Es ist ... kalt hier, Mann", sagte Maek. Er stützte sich am Boden ab.

"Und ... dunkel."

Ja, das war es wirklich. Es war nicht gerade der hellste Ort, da es keine Fenster gab, aber man konnte noch gut genug sehen.

Morly blieb auf dem Boden liegen.

"Meine Knochen tun mir weh", stöhnte er.

"Was könnte dir auch sonst weh tun, Mann?", sagte Maek ruhig.

Danach schwiegen die beiden.

Er hörte Kynarus' Stimme.

"Arthas, Nawrya! Geht es euch gut? ... Ist das ... Blut, da auf dir?"

Arthas drehte seinen Kopf und blickte zu der anderen Stelle.

Abbendis kniete auf dem Boden und hielt sich den Kopf, der zu schmerzen schien. Kynarus kniete an der Wand und hatte die Gitterstäbe umklammert.

Arthas nickte.

"Ja, aber die Wunden sind weg. Wie sieht es bei euch aus?"

Kynarus lächelte schwach.

"Den Umständen entsprechend gut."

Irgendwo hinter Kynarus wachte gerade Timmy auf.

"Wo bin ich? Tot? Nein ... Ein Gefängnis! Ahh! Ich bin gefangen!", er drohte, herumzuschreien.

"Timmy! Sei leise!", hörte er Abbendis sagen.

"'Tschuldigung ...", sagte dieser reumütig.

Arthas seufzte.

"Was aus uns wohl wird?", dachte er sich.

Irgendwann würde ein Dämon - oder gleich Illidan - bei ihnen vorbeischauen müssen. Oder wollte er sie hier unten verroten lassen?

Nein ... Das glaubte Arthas nicht. Illidan hatte sicher irgendwas geplant.

Sie mussten warten ... bis jemand kam.
 

Irgendwann konnte Arthas Schritte hören, die sich näherten. Mehrere Schritte.

Er hatte Nawrya immer noch umarmt. Seine Rüstung hatte Arthas zwischendurch wieder angelegt - jetzt, wo seine Wunden größtenteils geheilt waren, konnte er nicht auf sie verzichten.

Arthas hob den Kopf und wartete, bis sichtbar wurde, wer sie gleich besuchen kommen würde. Um die Ecke kamen einige männliche Dämonen, es waren sogar drei Hexenmeister dabei. Zwei von ihnen wirkten wirklich gefährlich, der dritte schien ... Mitleid mit Arthas und den anderen zu haben. Er schaute sie traurig an. Arthas schluckte. Er wusste nicht, ob dieser Mann dies tat, weil er es traurig fand, dass sie Gefangene waren ... oder weil ihnen etwas Schlimmes bevorstand.

Die Zellen wurden von den Dämonen aufgeschlossen.

"Mitkommen", sagte einer der Hexenmeister.

Arthas gehorchte und stand auf, die anderen ebenfalls. Sie hatten keine andere Wahl.

Sie folgten den Dämonen und Hexenmeistern durch die Kerker. Dann traten sie ins Freie. Arthas hätte nicht geglaubt, dass es SO viele Dämonen im Schwarzen Tempel gibt. Überall waren Sukkubuse - die außerdem seltsame Blicke auf den Männern der Gruppe warfen - und andere Dämonen, die sehr gefährlich aussahen. Außerdem gab es auch einige Menschen - Magier und Hexenmeister, die im Dienste Illidans standen.

"Ihr kommt mit zum Dach. Illidan will euch sehen", sagte der Hexenmeister wieder.

Arthas schluckte.

"Illidan ...", dachte er sich. Er konnte nicht mehr gegen ihn bestehen, jetzt, ohne seine Kräfte. Außerdem glaubte Arthas nicht daran, dass Illidan ihn eines kurzen Todes erfreuen würde.

Arthas nahm Nawryas Hand. Er war froh, dass sie nicht mehr die Gitterstäbe trennten.

Sein Mädchen zitterte und drückte sich an ihn.

"Werden wir sterben?", fragte sie ängstlich.

"Sterben ... so wie Damrag?"

Arthas schluckte. Sein Tod ging den beiden immer noch sehr nahe.

"Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht", gab Arthas zu.

Er drückte ihre Hand, hoffte, dass alles gut enden würde. Ihr Weg führte sie viele Treppen hoch. Arthas schaute nach oben. Lange konnte es nicht mehr dauern, dann würde er ihm gegenüber stehen.

"Gütiges Licht, schenke uns deine Kraft", nuschelte er leise. Er schloss für einige Momente die Augen. Sie gingen durch den letzten, etwas größeren Raum, der sie von Illidan trennte. Dann bestiegen sie auch diese Treppen. Sie kamen sogar an Akama vorbei, der sie mitleidig ansah.

Er hörte Sylvanas' Stimme.

"Wenn der Feind meines Feindes mein Freund ist, so müsste Illidan ja mein Freund sein."

Thrall lachte leise.

"Nein, du siehst es falsch. Illidan ist dein Feind und Arthas ist sein Feind. Somit ist Arthas dein Freund ..."

"Dreh mir nicht die Worte im Mund herum, Thrall!", sagte sie böse.

"RUHE DAHINTEN!", donnerte ein Dämon.

Die beiden schwiegen, Arthas war zusammengezuckt und Nawrya drückte sich noch fester an ihn. Sie zitterte vor Angst.

Nun hatten sie das Dach erreicht.

Arthas schaute in den Himmel und sah Azeroth, seine Heimat. Der Himmel wirkte von hier aus noch dunkler als sonst. Es war kalt hier oben und die Sichtweite war gigantisch. Arthas wandte seinen Blick davon ab und schaute in die Mitte des Daches - dort stand Illidan, hatte ihnen noch den Rücken zugekehrt.

Der König schluckte.

Ihn wieder zu sehen war irgendwie ... seltsam. Verschiedene Gefühle mischten sich und machten sich in Arthas breit: Trauer, wegen dieser ganzen Illidan-Aktion seinen Freund verloren zu haben, Wut, weil eben dies passiert ist, Reue, weil er an allem Schuld war - auch daran, dass Illidan überhaupt so wurde.

Sie blieben stehen, als ihre Führer vor ihnen stehen blieben.

"Meister", sagte ein Dämon.

"Sie sind hier."

Nun drehte Illidan sich herum. Seine Augen durchleuchteten seine Augenbinde und seine Tätowierungen glühten.

Er drehte seinen Kopf zu Arthas. Obwohl er blind war, wusste Arthas, dass er ihn in gewisserweise sehen konnte.

"Hat dir ... der Vorgeschmack auf das, was dich erwartet, gefallen?"

Illidan grinste breit. Er meinte wohl die Kratzer und Verletzungen.

Arthas schluckte, wollte sich aber nicht schwach zeigen.

"Sie sind schnell verheilt und machen nun nichts mehr."

Der Dämon lachte nur amüsiert.

"Wenn ich mit dir fertig bin, kommt jede Heilung zu spät."

Nawryas Griff an Arthas' Hand wurde fester.

"Lass ihn gefälligst in Ruhe, du Monster!", brüllte sie wütend. Ihre Stimme zitterte leicht.

Illidan wandte seinen Kopf zu ihr.

"Oh, wie reizend. Hast also auch noch Verteidigung dabei ... die dir nicht viel bringend wird."

Arthas atmete tief durch.

"Illidan, hör mir zu ... Was ich getan habe, das tut mir leid, ehrlich. Ich weiß, es bringt nicht viel, aber ich will, dass du es weißt ..."

Der Dämon lachte laut auf.

"Es tut dir leid? Du kamst hierher, um mich zur Strecke zu bringen!"

Arthas senkte den Kopf. Ja, da hatte er Recht ...

"Stimmt, weil ich Angst hatte. Ich wollte Lordaeron nicht noch einmal verlieren ... Und woher wusstest du, dass ich komme?"

"Ich hatte einen Dämonen zu dir geschickt, der dich ausspionieren sollte. Ich wollte wissen, was du so treibst ... Und außerdem: Dass du mir fast alles genommen hast, indem du aus mir einen Dämon gemacht hast, das bedeutet dir gar nichts?"

"Doch! Ich finde es schrecklich, was ich getan habe! Ich kann nichts mehr daran ändern, es ist nunmal geschehen. Ich wünschte, ich könnte es rückgängig machen, aber das kann ich nun einmal nicht!"

"Und genau da liegt das Problem."

Illidan kam langsam auf sie zu.

"Die Tatsache ist, dass alles, was du mir antatest, immer noch da ist. Du kannst aus mir keinen Nachtelf mehr machen - auch, wenn das nicht so wichtig ist, ich genieße diese Macht, die ich in mir trage."

Einige Meter vor der Gruppe blieb er wieder stehen.

"Trotzdem werde ich nun gejagt und als Verräter angesehen, was doch eigentlich gar nicht stimmt."

Arthas schluckte.

"Was hast du mit mir vor?"

Illidan grinste.

"Ich will dich leiden sehen, so, wie ich leiden musste."

"Nein! Das lasse ich nicht zu!", schrie Nawrya und stellte sich schützend vor Arthas.

"Wenn du ihn haben willst, musst du zuerst an mir vorbei!"

"Nawrya", sagte Arthas leise.

"Tu das nicht!"

Sie schwieg und blieb weiterhin vor ihm stehen.

Der Dämon lachte nur hämisch.

"Sicher ... als ob du mich aufhalten könntest."

Er nahm seine Zwillingsgleven in die Hand.

"Dann bringen wir's hinter uns."

"Mit uns musst du es auch aufnehmen!"

Kynarus und Abbendis stellten sich rechts und links von Arthas hin.

"Und ich werde ihm beistehen ... nicht umsonst wurde das Bündnis geschlossen", sagte Thrall entschlossen.

"Egal ob ihr alle euch mir in den Weg stellt, ihr werdet schnell durch meine Hand sterben", sagte Illidan.

"Hört auf!", sagte Arthas laut.

"Keine unnötigen Opfer ..."

"Arthas, wenn du nicht mehr bist, will ich auch nicht mehr sein", sagte Nawrya und schaute über die Schulter zu ihm.

"Und außerdem bist du unser Freund", meinte Kynarus.

"Wir lassen dich nicht im Stich. Und das hier könnte spaßig werden ..."

"Ruhe jetzt!", donnerte Illidan.

Er hob seine Gleven.

"Ich will euch tot sehen, damit ich endlich Rache nehmen kann."

"Wenn jemand das Recht hat, ihn zu quälen, dann bin das immer noch ich!", schrie Sylvanas.

Sie rannte an Arthas und den anderen vorbei, mit einem Dolch in der Hand. Geschickt wich sie den Schlägen Illidans aus und sprang dann auf seinen Rücken.

Illidan schlug mit den Flügeln, um sie abzuschütteln.

"Runter!", brüllte Illidan.

Sogar schon die Hexenmeister und Dämonen eilten Illidan zu Hilfe.

Irgendwas sah das alles sehr komisch aus ...

Illidan stach mit seiner Gleve nach hinten, woraufhin Sylvanas doch von seinem Rücken herunter musste, um nicht getroffen zu werden. Sie wollte mit ihrem Dolch zustechen, jedoch sah sie dann, wie ein Zauber eines Hexenmeisters auf sie zuzischte.

Doch bevor der Zauber sie treffen konnte, sprang der Dritte, nett aussehende Hexenmeister dazwischen und fing den Zauber ab.

"Haha ... Alkatar, wirst du nun weich oder was?", lachte der Hexenmeister, der den Zauber auf Sylvanas gerichtet hatte.

Der Hexenmeister namens Alkatar schwieg nur.

Er drehte sich um und wollte Sylvanas hochhelfen, jedoch wurde er von Illidan am Hals gepackt und in die Luft gehoben.

"Du hilfst unserem Feind? Verrat!"

Er drückte zu. Alkatar keuchte und schlug um sich.

"Heey!", machte Sylvanas und wollte auf Illidans Hand stechen, die den Hals von Alkatar umklammert hatte. Der Dolch verfehlte sein Ziel nicht und Illidan ließ mit einem Aufschrei den Hexenmeister zu Boden fallen.

Sylvanas' Dolch wurde wieder aus der Hand gezogen, als Illidan nach hinten wich.

"Argh..."

Sylvanas half Alkatar hoch, dann lachte leise.

"Verdammter Dämon! Lust auf ein Duell?!", meinte sie lachend.

Jedoch verging ihr lachen, als sie sah, dass Illidans Verletzung von schwarzen Farmen umgeben wurde. Als man die Wunde wieder sehen konnte, war sie verschwunden.

"A..Aber ... Das ist unfair!"

"Sylvanas ... beruhige dich!", bat Arthas. Er wollte nicht, dass sie am Ende noch von ihm getötet werden würde. Auch, wenn sie sich gegenseitig nicht mochten, so war sie doch eine Verbündete.

"Ja, Sylvanas, beruhige dich", äffte Illidan Arthas nach und lachte. Dann drehte er sich wieder zu ihm um.

"Und nun zu dir ..."

Arthas sah Nawrya auf den Hinterkopf.

"Ich bitte dich, verteidige mich nicht. Ich will nicht, dass du vor meinen Augen stirbst."

"Ja, und?", sagte Nawrya. Sie klang weinerlich.

"Meinst du, ich könnte es besser ertragen?"

"Nawrya, bitte ..."

Er legte ihr eine Hand auf die Schulter.

Doch dann drehte sie sich um und umarmte ihn.

"Wenn wir sterben, dann gemeinsam."

Arthas schwieg. Er hätte es an ihrer Stelle wohl nicht anders getan. Er umarmte sie ebenfalls und drückte sie fest an sich.

Seine Freunde standen noch neben ihm, jedoch schwiegen sie. Sie hatten nun wohl ebenfalls gemerkt, dass Arthas nicht wollte, dass alle wegen ihm starben ... obwohl es wohl früher oder später so geschehen würde.

Illidan hob seine Gleven. Er grinste breit und voller Vorfreude.

"Ich werde dich nicht sofort töten", sagte er.

"Wie gesagt, ich will dich zuerst leiden sehen."

Dann ließ er seine Gleven hinabfahren, wollte Arthas' Arm abtrennen. Arthas hatte seine Augen fest zugekniffen und atmete schnell. Jedoch hinderte Illidan etwas daran, seine Aktion zu beenden.

Etwas hartes wurde auf seine Gleve geschleudert, sodass er mitsamt seiner Waffe nach rechts gedreht wurde und dabei auch ein wenig stolperte.

"Was zum ...", murmelte er.

Arthas drehte sich um und sah, wie mehrere Menschen auf Greifen beritten aus dem Himmel herabflogen.

An ihrer Spitze flog jemand, den Arthas jetzt zuletzt erwartet hätte.

Damrag schoss Pfeile auf die anderen Dämonen und die übrigen zwei feindlichen Hexenmeister, die noch auf dem Dach des Schwarzen Tempels standen. Die Pfeile verfehlten ihre Ziele nicht.

Arthas war so konzentriert darauf, Damrag dabei zu beobachten, als das er die anderen, die mit ihm flogen, bemerken könnte.

Nawrya hob ihren Kopf und schaute nach oben.

"Damrag? DAMRAG!", rief sie und lächelte. Tränen der Freude traten in ihre Augen.

Wie hatte er das überlebt? Aber das musste er ihn wohl später fragen - im Moment gab es andere Sorgen.

Die Greifen landeten. Arthas schaute Damrag weiterhin an, sein Mund stand offen.

Sein Freund ging auf ihn zu und lächelte.

"Hey", sagte er.

"Bin wohl gerade rechtzeitig gekommen."

Nawrya umarmte Damrag.

"Welch Glück! Du lebst ..."

Arthas lächelte, dann hörte er Illidans Stimme.

"Tyrande ... und ... Maeiv?"

Arthas schaute in die Richtung von ihnen. Tatsächlich. Tyrande Whisperwind und Maeiv Shadowsong standen vor Illidan.

"Deine Taten sind nicht mehr gut zu machen, Illidan", sagte Tyrande.

"Wir sollten dich auf der Stelle töten ..."

Irgendwo lag noch Bedauern in ihrer Stimme. Schließlich war Illidan der Bruder von Malfurion, ihrem Mann, und außerdem ein früherer Freund.

Maeiv jedoch schien darauf besessen zu sein, Illidan umzubringen. Wut loderte in ihren Augen.

"Tyrande, ich ...", fing Illidan an.

Er schluckte und schien nachzudenken.

"Ich bin nicht allein Schuld daran, was aus mir geworden ist."

"Jetzt gib aber nicht anderen die Schuld daran!", sagte sie wütend.

"Sie dich doch einmal an!"

"Das kann ich nicht."

"... Du fühlst aber, was du bist! Du bist ein DÄMON, Illidan! Du stellst eine Gefahr für alle da! Wo ist der Illidan, den ich von früher kannte? Der Jugendfreund, der doch so nett war?"

"Ich habe das, was DU getan hast, niemals verkraftet", sagte Illidan leise.

"Damals nicht und bis heute auch nicht."

Tyrande wandte ihren Blick ab.

"Ja. Ich mag auch Schuld daran sein, dass dies alles passiert ist. Aber es war meine Entscheidung. Malfurion war nunmal der druidisch begabtere von euch beiden. Du warst so versessen auf deine Magie ..."

"Na und? Das war auch MEINE Entscheidung!"

"Dann sind wir damit ja quitt", sprach Tyrande leise.

Jetzt schaute sie Illidan wieder an, wie er da vor ihnen stand. Er schien nicht mehr so böse zu sein, eher ... verzweifelt. Seine Tätowierungen glühten nicht mehr und seine Augen waren hinter der schwarzen Augenbinde nicht mehr zu sehen.

Arthas fragte sich, ob die Augenbinde gleich feucht werden würde.

"Werdet ihr beide mich töten?", fragte Illidan.

Der Wind wütete nun. Sie befanden sich allein auf dem Dach, andere Dämonen waren nicht zu sehen. Doch jetzt kam Akama die Treppen nach oben, stellte sich jedoch an deren Ende hin und schaute zu. Offenbar hatte er das Tor versiegelt, sodass kein Dämon hindurchdringen konnte.

Der Moment zog sich hin.

Illidans Brustkorb senkte sich auf und ab.

Offenbar empfand er immer noch so viel für Tyrande, dass er es nicht wagte, sie anzugreifen ... beziehungsweise jemanden anzugreifen, während sie zusah.

Dann schüttelte Tyrande jedoch den Kopf.

"Nein, das werden wir nicht."

Sie schien lange nachgedacht zu haben.

"... Was werdet ihr stattdessen mit mir tun?"

Sie seufzte leise.

"Du bist immer noch eine Gefahr. Bevor wir nicht wissen, dass du nicht zuschlagen wirst, müssen wir dich erneut gefangen nehmen."

Illidan verkrampfte sich. Er schien, mit sich selbst zu kämpfen.

Arthas wartete gespannt und auch nervös ab.

"Wie ihr vielleicht vermuten könnt ..."

Er entspannte sich leicht.

"... Werde ich mich nur sehr ungern wieder einsperren lassen. Und auch werde ich mich wehren, wenn man mich nicht auf den Weg dorthin schon einsperrt."

Wieso Illidan dies sagte, wusste Arthas nicht. Vielleicht hatte er gerade einen Moment, in dem er niemanden verletzten wollte ... vorallem nicht Tyrande. Er wollte vor sich selbst warnen, vor einem Moment, indem seine schlechte Seite wieder Überhand gewann.

"Aber seid gewarnt", sagte er dann.

"Kil'Jaeden wird kommen, um mich für den Tag zu bestrafen, an dem ich den Frostthron nicht habe zerstören können."

Was? Illidan würde für diesen Tag bestraft werden?

Aber das mit dem Lichkönig war doch sowieso schon vorbei ... was wollte Kil'Jaeden da noch von ihm? Arthas schüttelte nur leicht und ungläubig den Kopf.

Tyrande nickte nur.

"So soll es sein."

Maeiv holte eine Kapsel aus ihrer Tasche, die sie auf Illidan warf, der schon fast zurückgewichen wäre. Jedoch konnte er sich noch zusammenreißen.

Als die Kapsel über Illidan war, öffnete sie sich. Illidan wurde in einem Netz gefangen genommen. Der Dämon drückte sich ein wenig dagegen - es schien stabil zu sein und außerdem magieresistent. Mit seiner Magie ließ er seine Gleven verschwinden.

"Fangt an", murmelte er.

"Bringt mich weg."
 

Sie entkamen problemlos aus dem Schwarzen Tempel, indem einer der Greifenreiter vom Dach des Tempels flog und mit mehreren Greifen wiederkehrte. So konnten sie nach unten fliegen - Jedoch hätten sie es wohl ohne Akamas Hilfe, die die Dämonen nicht zum Dach heraufließ, nicht geschafft. Selbstverständlich kam er mit ihnen mit - die Dämonen würden ihn nun sowieso angreifen. Genauso wie Akama kam auch Alkatar mit, der Sylvanas vielleicht das Leben gerettet hatte.

Wie auch immer sie es geschafft hatten, so musste der Plan, den Damrag und die anderen sich gedacht hatten, gut überlegt gewesen sein.

Die Streitmacht war nicht in den Tempel vorgedrungen, sondern die Greifenreiter sollten zuerst die Lage überprüfen. Um im Falle eines Notfalls - wie es gekommen war - einzugreifen, waren nur gute Soldaten dabei gewesen. Außerdem waren in einiger Entfernung ebenfalls Greifenreiter geflogen, die das ganze beobachtet hatten und notfalls den Befehl zum Angriff hätten erteilen sollen.

Sie begaben sich wieder auf den Weg zurück auf die Höllenfeuerhalbinsel, um nach Azeroth zurückzukehren.

Während dieser Reiste konnte Arthas Damrag endlich fragen, wie er das alles geschafft hatte.

Damrag lächelte leicht.

"Als ich fiel, wurde ich von einer Wache vom Altar der Sha'tar aufgefangen und zu Boden gebracht. Ich hatte verdammtes Glück, dass die Wache mich gesehen und dann auch rechtzeitig gefangen hatte. Ich wusste, dass ich nicht sofort zu euch kommen konnte, schließlich hätte ich mich den Dämonen damit sinnlos ausgeliefert. Auch mit der Hilfe der Draenei, die sich beim Altar der Sha'tar aufhielten hätte ich es nicht geschafft. Da du von uns der einzige warst, der es schon einmal mit Illidan aufgenommen hatte, brauchten wir jemand anderen, der es mit ihm aufnehmen konnte ... Oder wusste, wie man ihn schwächt. Deshalb holten wir Tyrande und Maeiv. Tyrande war sehr nützlich, wie man gesehen hatte, da wir uns dachten, dass Illidan möglicherweise bei ihrer Gegenwart weich werden würde. Maeiv war eher da, falls dies nicht klappte. Malfurion wäre vielleicht auch dabei gewesen, aber er ... Ist ja momentan nicht erreichbar. Naja, also haben wir dann einen schnellen Plan entwickelt, als sie so schnell wie möglich eintrafen. Gerade in der letzten Sekunde sind wir noch gekommen."

Er grinste.

"Ohne mich würdest du nun alt aussehen."

Arthas lachte leise.

"Besser gesagt: Ohne dich wäre ich nun tot."

Nawrya lächelte Damrag an.

"Es ist so schön, dass du lebst ... mein Bruder."

Damrag lächelte Nawrya sanft an.

"Und ich bin froh, dass es euch allen gut geht."

Arthas dachte kurz nach.

"Ob sie Illidan wieder in seinem alten Gefängnis einsperren werden?"

Nawrya zuckte mit den Schultern und schaute ihn an.

"Ich denke es mal ... vielleicht bauen sie ja aber auch ein neues, extra für ihn."

Sie lachte kurz.

"Ja, vielleicht", meinte Arthas und lachte ebenfalls.

Zum Glück konnte er sie nicht hören, denn Illidan war irgendwo in der Mitte, während sich die anderen an der Spitze des Heeres befanden.

Arthas seufzte.

Noch eine Gefahr war nun beseitigt.

Jetzt konnten sie wieder zurück nach Lordaeron reisen. Arthas war gespannt, was als nächstes auf sie warten würde.

Trubel um Illidan

Als sich alle wieder in Azeroth befanden, wurde es ihnen leichter ums Herz - und dieses Gefühl stieg, als sie wieder in Lordaeron eintrafen.

Auch wenn es Arthas nicht so gerne mitansah, wie Sylvanas und ihre Untoten wieder nach Undercity zogen, so ließ er es zu.

Akama und Alkatar blieben in Lordaeron - vielleicht nicht für immer, zumindest jedoch vorübergehend.

Es war schon abends, als er sich mit Tyrande unterhielt, die erst am nächsten Tag nach Darnassus zurück reisen wollte.

"Arthas, ich weiß nicht, ob es klug wäre, ihn in sein altes Gefängnis zu stecken."

Sie blickte aus dem Fenster des Speisesaals und Arthas saß auf einem Stuhl. Er schaute zu ihr.

"Weshalb nicht?"

"Vielleicht ist es seit damals unsicher geworden. Es muss etwas neues her."

Sie drehte sich zu ihm um.

"Aber ich kann mir denken, dass Ihr nicht damit einverstanden sein werdet."

"Soll dieses Gefängnis irgendwo in Lordaeron liegen?", fragte er, mit einer gewissen Vorahnung.

Sie nickte.

"So ist es."

Tyrande sah ihn sicher an. Sie schien mit ihren Gedanken einen festen Entschluss gemacht zu haben, wobei nur noch Arthas' Zustimmung fehlte.

"Ich möchte, dass Illidan nach Undercity gebracht wird. Die Untoten werden sicherlich ein gutes Auge auf ihn haben, und falls er sich von seinen Ketten - oder womit er auch immer eingesperrt wird - befreien kann, so muss er es erst einmal schaffen, aus Undercity zu entkommen und danach auch noch aus Lordaeron. Das wird ihm nicht gelingen."

Arthas schluckte.

"Aber Tyrande ... Seid Ihr sicher, dass es ... keine Gefahr für einige Leben darstellt?"

"Illidan stellt immer eine Gefahr für Leben da, egal ob er gefangen ist oder nicht."

Da hatte sie recht. Auch wenn es Arthas ein wenig mulmig bei den Gedanken war, musste er einsehen, dass es keine so schlechte Idee war. Zu entkommen würde wohl wirklich schwierig sein.

"Ist es irgendwie möglich, ihm seine Magie zu entziehen?", fragte Arthas dann noch. Diese Frage hatte er sich schon lange überlegt.

Tyrande seufzte leise und richtete ihren Blick wieder aus dem Fenster.

"Es wird vielleicht ... schwer sein, solche Art von Magie haben wir noch nie verwendet. Illidan mag so eine Magie beherrschen, wird sie uns wohl aber nicht ... beibringen."

"Gibt es jemanden, der sie noch beherrscht?"

Auf seine Antwort wartete Arthas mehrere Momente.

"... Kael'thas Sunstrider."

Arthas zuckte bei dem Namen zusammen.

"... Dann können wir diese Sache wohl vergessen. Aber ich willige ein, dass Illidan in Undercity eingesperrt wird."

Daraufhin sagte keiner mehr etwas.
 

Tyrande und der Rest der kurzfristigen Verstärkung reiste am nächsten Tag wieder ab, nachdem Illidan in einem Kerker in Undercity eingesperrt wurde.

Sylvanas versprach, ihn beobachten zu lassen.

Einerseits beruhigte es Arthas, Unerstützung von ihr zu haben. Andereseits aber konnte er ihr nur sehr schwer glauben, da sie immer noch einen lodernden Hass auf ihn verspürte.

Anders aber funktionierte es nicht. Außerdem musste man sich nun an die Untoten gewohnen, die es sich bestimmt nicht entgehen ließen, hin und wieder einige Menschen erschrecken zu wollen. sie waren nun Teil der Bevölkerung und mussten auch so behandelt werden.

Auch Illidan, der eher ein Gefangener war, KONNTE Arthas gar nicht schlecht behandeln.

Wie sollte Illidan jemals zu einer guten Gesinnung kommen, wenn man ihn schlecht behandelte?

Arthas lag eines abends im Bett und dachte über diese Angelegenheit nach.

Vielleicht sollte man ihn als eine Art ... Freund behandeln, und selbst wenn Illidan es nicht wollen würde, so wusste Arthas, dass er sich doch irgendwo besser fühlen musste.

Wer mochte es schon, von allen gehasst zu werden? Irgendwo musste ihn Illidan der Wunsch sein, wieder normal behandelt und gemocht zu werden.

Arthas musste sich etwas einfallen lassen, damit das vielleicht klappte. Er wünschte keinem ein Leben im Gefängnis. Außerdem war Illidan irgendwo tief in ihm drinnen noch der Alte, das hatte er im Schwarzen Tempel selbst gesehen.

Er musste zuerst vorsichtig Kontakt mit ihm aufnehmen, irgendwo seine größte Schwachstelle finden, wenn das nicht schon die Sache mit Tyrande war.

Vielleicht konnte Malfurion helfen, wozu man diesen jedoch erst holen musste, aber das war nicht unmöglich.

Arthas' Gedanken wurden trüber, als die Müdigkeit in ihm stärker wurde.

Morgen wollte er noch einmal besser darüber nachdenken ... jetzt brauchte er erst einmal seinen Schlaf.
 

Er betrat den Fahrstuhl, der ihn nach Undercity führte. Er war erst vor kurzem repariert worden, da er damals kaputt gegangen war, als sich zu viele Untoten bei ihrer Flucht aus Undercity hineingezwängt und somit das Maximalgewicht weit überschritten hatten.

Der Fahrstuhl fuhr hinab und Arthas betrat dann die Tür zu Undercity. Die Untoten beäugten ihn misstrauisch und abwertend, aber Arthas ignorierte sie.

Er hatte nur ein Ziel vor Augen: Illidan.

Arthas war erleichtert, dass Nawrya eingewilligt hatte, nachzukommen. Sie musste noch eine Sache erledigen, dann würde sie kommen.

Der König ging durch die verschiedenen Gänge. Er kannte sich noch hier aus, obwohl es viele Jahre her war, seit es noch als richtiges Gefängnis genutzt worden war.

Sylvanas hatte ihm gesagt, wo Illidan nun sein würde - in der Nähe von ihr, sehr passend. So konnte sie Illidan immer im Auge behalten.

Er ging durch die Gänge, bis er fast bei dem Raum ankam, in dem sich Sylvanas befand. Die Untoten wollten zuerst Anstalten machen, ihn aufzuhalten, ließen ihn dann aber dohc noch durch, nachdem sie sich zusammenrissen.

Arthas schaute sich um, als er Sylvanas' Raum betrat. Illidan befand sich in einem extra für ihn aufgestellten Käfig, der jedoch großzügig Platz für Illidan enthielt.

Dieser saß auf dem Boden, seine Beine hatte er angewinkelt und den Kopf gesenkt.

Doch dann, als Arthas sich ihm näherte, hob er langsam den Kopf.

"Was willst du?", fragte er. Seine Stimme war leise und sie klang etwas rau.

Sylvanas drehte sich um.

"He! Nicht zu nah! Sonst reißt er dir nur den Kopf ab!"

Arthas schwieg und beobachtete, wie Illidan seinen Kopf wieder senkte.

"Vielleicht hat sie recht, geh lieber weg."

Der König schüttelte den Kopf, auf wenn es Illidan nicht sehen konnte.

"Nein", sagte er.

Er trat noch näher an den Käfig und ließ sich dann im Schneidersitz davor nieder.

"Was für ein Lebensmüder ...", murmelte Sylvanas und widmete sich wieder anderen Dingen.

Arthas jedoch ignorierte sie und schaute Illidan weiterhin an.

"Hast du es denn nicht satt, solche Angst zu verbreiten?", fragte Arthas vorsichtig. Er wusste nicht genau, wie er anfangen sollte. Er hoffte, dass Nawrya bald kommen würde, sie würde ihm sicherlich helfen können.

Illidan zuckte nur mit den Schultern.

"Ihre Angst ist berechtigt."

"Das muss es nicht, nicht, wenn du dich nun geändert hast."

Der Dämon lachte rau und leise.

"Geändert? Ich bin immer noch dasselbe Monster wie vorher."

"Äußerlich vielleicht, aber deinen Charakter kannst du selbst steuern."

Illidan schwieg.

Arthas hörte, wie Nawrya den Raum betrat. Sie ging leise zu Arthas hinüber und ließ sich dann neben ihm nieder.

Sie schien schon einiges mitgehört zu haben.

"Illidan?", sagte sie leise und blickte den Dämon an. Der schwieg weiterhin.

"Hör mal ... Nicht jeder, der mal Böses getan hat, ist weiterhin schlecht."

Sie fing an, zu lächeln.

"Sie dir Arthas an. Auch wenn seine Vergangenheit nicht allzu rosig ist, so ist er nun wieder der, der er früher war. Nett, lieb und gerecht. Du kannst sicher auch so wie früher werden!"

"Der Unterschied ist, dass er von jemanden besessen war, der ihn in gewissermaßen Zwang, das alles zu tun."

Illidan hob den Kopf und blickte in Nawryas Richtung.

"Und ich? Ich bin immer noch ich selbst, niemand in mir, der mich kontrolliert."

"Dennoch hast du dich selbst unter Kontrolle und kannst so sein, wie du es willst", beharrte Nawrya weiter auf ihre Vermutung.

Der Dämon schwieg wieder.

"Bitte denk darüber nach", fügte sie am Ende leise hinzu.

Diese kurze Unterhaltung sollte schon für heute genügen. Sie konnten nicht alles auf einmal auf ihn abladen. Arthas stand auf und drehte sich um, Nawrya tat es ihm gleich.

Sylvanas stand vor ihm und schaute ihn leicht wütend an.

"Was hast du denn eigentlich vor? Bist du jetzt vollkommen übergeschnappt?!"

Arthas lächelte er nur. Das einzige, was er zu ihr sagte, bevor er ging, war:

"Ich versuche, aus Feinden Freunde zu machen. Darin scheine ich recht gut zu sein."

Danach verließen die beiden die Untotenstadt.
 

Arthas besuchte Illidan täglich, zusammen mit Nawrya. Er unterhielt sich mit ihm, versuchte, den Geist des Dämonen auf die gute Seite zu lenken. Auch wenn es nicht gerade leicht war, so fühlte er, dass er hoffentlich bald Erfolg haben würde.

Illidan schien, von Tag zu Tag ... weicher zu werden. Arthas bekam irgendwie Mitleid mit ihm. Wie ein Monster auszusehen und doch keines zu sein, wie mag sich das wohl anfühlen?

Von seiner Liebe verstoßen zu werden und wenn stattdessen der Bruder sie bekommt ... das musste wahrlich auch kein gutes Gefühl sein.

Arthas dachte immer öfter darüber nach, was er tun könnte, damit Illidan wieder ... glücklich, oder zumindest zufrieden werden könnte, sodass er sein Leben nicht mehr so abscheulich fand.

Aber was sollte er ihm sagen? Illidan hatte eigentlich wirklich alles verloren. Sein Bruder, der nicht mehr zu ihm hielt, Tyrande, die wohl auch gegen ihn war, sonst hatte er keine Freunde oder ähnliches ... Naja, vielleicht würde er Freunde bekommen?

Auch wenn Arthas bei dieser Idee ein wenig mulmig wurde, so sollte er vielleicht versuchen, der Freund von Illidan zu werden ...

Aber ob der Dämon das überhaupt wollte? Nun, Arthas konnte nicht anders, als es zumindest zu probieren.
 

Als Arthas wieder einmal Illidan verließ, seufzte er. Es war schwerer, als er gedacht hatte. Der Dämon redete nicht gern über sich selbst und vor allem wirkte er abweisend. Es war nahezu unmöglich, ihn zu beruhigen.

Vielleicht würde Arthas aber auch niemals etwas erreichen, wenn Illidan weiterhin hinter Gittern sein würde. Möglicherweise musste er ihn dort herausholen und ihm die schönen Seiten des Lebens zeigen, obwohl er noch keine Ahnung hatte, wie das funktionieren sollte.

Nun, dies wollte er erst einmal überdenken. Vielleicht konnte Nawrya ihm helfen. Sie hatte meist irgendwelche Ideen.

Er verließ Undercity, ging durch den Palast und nach draußen. Er wusste, dass Nawrya gerade die Lage in der Stadt überblickte. Er musste sie nur noch suchen.

Es dauerte nicht lange, dann fand er Nawrya durch die Straße laufen, in die er gerade einbog.

"Nawrya!", rief er, bevor sie wieder um die nächste Ecke biegen konnte.

Sie blieb stehen, drehte sich um und lächelte.

"Arthas! Was gibt es?"

Der König ging näher zu ihr.

Er seufzte dann.

"Ach, das mit Illidan ist so verdammt schwer. Ich weiß nicht, was ich noch tun soll."

Langsam schlenderten die beiden weiter die Straße entlang.

Nawrya schien nachzudenken.

"Vielleicht solltest du ihn fragen, was er will. Zum Beispiel Malfurion, ich glaube, er fehlt Illidan. Oder seine Freiheit. Wie kann man eingesperrt glücklich sein?"

Arthas nickte langsam.

"Ja. Du hast recht. Anstatt Dinge zu tun, die ich für richtig halte, sollte ich ihn einfach fragen ..."
 

Arthas saß, zusammen mit Nawrya, vor dem Käfig Illidans.

"Vermisst du deinen Bruder?", fragte Nawrya sanft.

Illidan schnaubte nur.

"Behandelt mich nicht wie ein kleines Kind."

"Das haben wir nicht vor, wir mögen es nur nicht, wenn jemand aus unseren Reihen nicht zufrieden ist", antwortete Arthas.

"Aus euren Reihen? Das sagt ihr zu jemanden, der hinter Gittern steckt?"

"Illidan, wir würden dich freilassen wenn du versprichst, nichts böses zu tun und versuchst, dich zu ändern. Es ist nur eine Vorsichtsmaßnahme für uns", meinte Nawrya.

"Eine Vorsichtsmaßnahme. Ich bin also eine Gefahr."

"Das wissen wir nicht, und wenn du versprichst, uns nichts zu tun, werden wir dich freilassen und dir helfen ...", sagte Nawrya leise.

Illidan schwieg.

"Bitte, Illidan."

Die nächsten Momente zogen sich lange hin. Arthas und Nawrya warteten lange auf eine Antwort.

Doch dann endlich kam sie.

"Ich verspreche es."

Arthas atmete erleichtert aus.

"Bist du bereit, uns als Zeichen deines guten Willens deine Waffen zu geben? Wir werden sie nicht zerstören, nur aufbewahren."

Illidan nickte. Mit seiner Magie beschwörte er seine Waffe und schob sie vorsichtig durch die Gitterstäbe hindurch. Nawrya nahm die Waffen an sich.

Arthas stand auf und drehte sich um.

"Sylvanas, wo ist der Schlüssel?"

Sylvanas, die, wie jedes Mal, wenn Arthas Illidan besuchte, im Hintergrund stand und zuschaute, blickte Arthas nun verblüfft an.

"Das meinst du nicht im ernst ..."

"Doch", sagte Arthas stur.

Sie seufzte.

"Ich hoffe, du weißt, was du da tust, du Narr."

Sie zog einen Schlüssel aus ihrer Tasche und warf ihn Arthas zu. Dieser fing ihn auf und drehte sich dann wieder zum Käfig Illidans.

Er öffnete den Käfig.

Zuerst regte sich Illidan nicht, doch dann stand er langsam auf. Arthas trat zurück und ließ Illidan an sich vorbei.

"Mein Körper fühlt sich eingerostet an, so lange habe ich mich nicht mehr richtig bewegen können ..."

Arthas lächelte leicht.

"Nun, dann hast du jetzt die Gelegenheit dazu. Komm mit nach oben."

"Meinst du, dass das eine so gute Idee ist?", sagte Illidan leise. Er schien nervös zu sein.

"Sie werden mich nicht akzeptieren."

"Dann werden sie es lernen müssen", entgegnete Nawrya lächelnd, während sie aufstand.

"An die Untoten, die durch die Straßen spazieren, gewöhnen sie sich ja auch allmählich."

"Wirklich?", fragte Arthas überrascht.

Nawrya lachte.

"Nein, aber ich hoffe es!"
 

Als sie den Palast verließen, zuckte Illidan leicht zusammen.

Arthas hätte gesagt, dass es das helle Licht wäre, wenn da nicht die Tatsache gewesen wäre, dass Illidan blind war.

"Starren mich die Leute an?", fragte er leise.

Arthas schaute sich um.

"Einige ... Aber keine Sorge, das hat nichts zu bedeuten. Kommt mit."

Arthas ging los, Illidan aber blieb stehen.

"Ich halte es für keine gute Idee."

Der König seufzte.

"Wenn du nicht mitmachst, hat das alles keinen Sinn. Los schon."

Ohne auf eine Gegenreaktion zu warten, ging Arthas los. Nawrya folgte ihm.

Zufrieden hörte Arthas, wie Illidan ihm, wenn auch nach kurzem Zögern, ebenfalls folgte.

Sie gingen durch die Straßen. Arthas ignorierte die schockierten Gesichter, als man Illidan sah. Der Dämon hatte es irgendwo nicht verdient, so behandelt zu werden, und das wollte Arthas ändern.

Gezielt lief Arthas auf den Marktplatz zu, damit Illidan von möglichst vielen Leuten gesehen werden würde ... Schließlich musste Arthas es schaffen, dass sie ihn als Mitglied der Gesellschaft akzeptierten.

Derweil versuchte sich Arthas vorzustellen, wie Illidan sich gerade fühlen musste.
 

Überall konnte Illidan die Schritte der Menschen hören. Mit seinen magischen Augen sah er sie einigermaßen, nahm verschiedene Gerüche wahr: Frisches Brot, Obst und Gemüse, Parfüm der Frauen und vieles mehr ... Alles, was er lange nicht mehr gerochen hatte. Anders als der ekelhafte Geruch des Schwarzen Tempels.

Er konnte Kinder lachen hören, die miteinander spielten. Irgendwie erfreute ihn das, doch die schockierten Worte der Frauen und Männer, die ihn sahen - Illidan konnte sie hören, auch wenn sie noch so leise waren - schraubten seine Laune wieder nach unten.

Niemals mehr konnte er wie ein natürlicher Nachtelf leben, so wie früher. Und das er ein Dämon war, das hatte er dem Mann zu verdanken, der gerade vor ihm lief, und den er, wenn es nach ihm ging, erwürgen könnte ... der Mann, der gerade versuchte, ihn wieder in die Gesellschaft einzuschließen.

Illidan verspürte keine Lust mehr dazu, den Menschen Angst einzujagen, aber genau das tat er. Er tat es, allein weil er an ihnen vorbei ging. Irgendwo fühlte der Dämon, dass es ihm gewissermaßen wehtat, auch wenn er dieses Gefühl verdrängen wollte.

Alles jedoch, was Illidan gerade umgab, nahm er nur zur Hälfte wahr. Seine Gedanken kreisten um andere Dinge - hauptsächlich um Darnassus, Malfurion, Tyrande und ... Arthas. Ja verflucht, dieser Mann raubte ihm noch den letzten Nerv. Nicht nur, dass er ihm die ganze Suppe eingebrockt hatte - ja, sicher, Illidan war sich bewusst, dass er durch seine Machtgier auch Schuld gehabt hatte - und jetzt auch noch ein Leben führen konnte, als wäre niemals etwas gewesen.

ER war kein Dämon geworden. ER wurde nicht von Kil'jaeden verfolgt. IHN hat Illidan niemals etwas angetan ... zumindest niemals geschafft. Klar, er wollte ihn einmal töten, aber Arthas hatte gesiegt. Doch eines konnte Illidan niemals vergessen: Arthas hatte ihm das Leben gerettet. Er war ein seltsamer Mann, der immer überraschende und vor Allem unerwartete Dinge tat.

Illidan konnte hören, wie sie sich nun auf dem Marktplatz gefanden. Alle starrten ihn gerade sicher an.

Er drehte seinen Kopf zu Arthas und fragte sich, was dieser wohl gerade dachte.
 

Arthas seufzte leise und blickte sich um.

Es waren wirklich viele Menschen da. Er versuchte, jemanden zu entdecken, den er kannte ... Wenn er diesem jemand etwas über Illidan erzählte, würden es einige mithören und verstehen. Eine große Rede zu halten, das hatte Arthas nicht vor. Schließlich war Illidan kein Tier, das nichts verstand, was um ihn herum vorging.

Er entdeckte Damrag, der zu ihrem Glück gerade dabei war, frisches Obst zu kaufen. Arthas ging auf ihn zu.

"Damrag, schön dich zu sehen", begrüßte er ihn.

Lächelnd drehte Damrag sich zu ihnen um.

"Hallo, und ..."

Er entdeckte Illidan.

"Nette Begleitung habt ihr da", fügte er etwas nervös lächelnd hinzu und blickte wieder zu Arthas.

"Keine Sorge", meinte Arthas.

"Illidan stellt keine Bedrohung mehr da, er gehört jetzt zu uns."

"Ah", sagte Damrag verstehend, "So als fester Bestandteil unserer Gruppe?"

Damrag grinste und Arthas lächelte ebenfalls.

"Du hast es erfasst. Er wird sicher eine hervorragende Hilfe sein."

"Achja?", kam es von Illidan.

"Natürlich", meinte Arthas nur und schaute zu ihm.

"Eine sehr gute Hilfe, wenn wir es mit schweren Feinden zu tun haben."

Nawrya schaute Arthas an.

"Ohne seine Waffen?"

Arthas lächelte nur.

"Wenn Illidan uns bewiesen kann, dass er wirklich auf unserer Seite steht, erhält er seine Waffen zurück, damit er zusammen mit uns gegen unseren gemeinsamen Feind kämpfen kann."

"Und wer soll dieser Feind sein?", fragte Illidan nur, ohne auf Arthas' nette Versprechungen einzugehen.

"Das wird sich herausstellen, wenn er kommt", meinte Arthas nur. Er hoffte, dass nicht allzu bald nächste Feinde aufkreuzen würden. Er hatte für die nächste Zeit genug Kämpfe hinter sich gebracht ... und wollte vor allem niemanden verlieren. Das mit Damrag war Schock genug gewesen.

Damrag schaute Arthas fragend an.

"Was hast du vor, mit ihm noch zu unternehmen?"

"Ich denke, dass er, Nawrya und ich noch ein wenig im Schlossgarten unterwegs sein werden. Wir haben noch einiges zu bereden, was die Zukunft betrifft."

"Ah", machte Damrag.

"Viel Spaß dabei."

Arthas hörte Nawrya lachen.

"Danke, Damrag."

"Gern geschehen", entgegnete dieser und entfernte sich dann von ihnen.

Der König blickte sich kurz um, um die Leute zu mustern, die das Gespräch wohl verfolgt hatten. Es schien gewirkt zu haben. Die Menschen, die offensichtlich das Gespräch mitangehört hatten, schienen erleichtert zu wirken. Einige tuschelten schon miteinander, doch dies war ein gutes Zeichen:

Es sprach sich herum, dass Illidan zu ihnen gehörte. Arthas hatte den Stein ins Rollen gebracht. Sicherlich würde es einem Reisenden erzählt werden, der es wiederrum in anderen Ortsteilen herumerzählte. Arthas musste nicht einmal etwas tun, sondern nur abwarten.

Zufrieden machte er sich mit Nawrya und Illidan auf den Weg in den Schlossgarten. Er würde Illidan fragen, was er sich in seiner Zukunft vorstellte, zu tun. Irgendetwas musste er schließlich machen. Der König konnte sich gut vorstellen, dass der Dämon zurück in seine Heimat wollte ... aber vielleicht würde er diesen Wunsch verdrängen, aus Angst, nicht mehr dort willkommen zu sein.

Sie betraten den Garten, in dem Dank des kommenden Frühlings die Blumen sprossen.

Arthas schaute zu Illidan.

"Was hast du nun vor?"

Illidan schwieg eine Weile und dachte wohl nach.

"Ich gehöre hier nicht hin", sagte er dann.

"Nirgendswo. Weder hierher, noch in die Scherbenwelt oder gar Teldrassil. Nirgends."

Arthas lächelte rau.

"Das ist nicht wahr. Das einzige, wo du ganz sicher nicht hingehörst, ist die Scherbenwelt."

Nawrya nickte zustimmend.

"Du bist als Nachtelf geboren, und dein Geburtsort ist deine Heimat. Deine Heimat ist Darnassus, dort gehörst du wirklich hin. Die anderen Nachtelfen werden verstehen und dich sicherlich willkommen heißen", fügte sie aufmunternd hinzu.

Der Dämon aber schüttelte den Kopf.

"Sieh mich an, ich bin kein Nachtelf mehr. Sie werden mich nicht wieder aufnehmen."

"Es kommt auf die inneren Werte an und nicht auf die äußeren", sagte Nawrya in einem sanften Ton.

"Wenn du nur willst, bist und bleibst du der Illidan vergangener Zeiten."

Arthas beobachte Illidan, der daraufhin jedoch schwieg. Der König blickte kurz zum Palast und dachte im Moment an Calia, die, seit er wieder hier war, viele Dinge des Königseins für ihn erledigte. Zwar hatte Arthas dadurch mehr Freizeit, doch er wusste nicht genau, ob das wirklich gerecht war, dass sie die ganze Arbeit machte.

Als Arthas Schritte vernahm, wandte er seinen Blick vom Palast ab und blickte nach links, zu der Mauer, die Dank der Sonnenstellung gerade im Düsteren lag.

Bevor er erkennen konnte, wer sich dort befand, hörte er Illidans Stimme.

"Akama?"

Arthas beobachtete verblüfft, wie tatsächlich Akama aus dem Schatten heraustrat.

"Irgendwie ...", fing Akama an, zu sagen.

Er verstummte kurz und sprach dann weiter.

"... Habe ich da noch eine gute Idee für ihn ..."

"Was?", fragte Arthas, der Akamas Worte nicht ganz verstand.

"Wie meinst du das?"

"Das Problem ist doch, dass er ein Dämon ist, nicht wahr? Ich kenne da ein Geschöpf, welches so große Macht besitzt, dass es möglich sein könnte, ihn wieder zu einem Nachtelf zu machen ... oder sein Aussehen so zu verändern, dass er wie einer aussieht."

"Das ... Das ist unmöglich! Diese Verwandlung ist unwiderruflich!", sagte Illidan. Arthas konnte nicht sagen, ob er kein Nachtelf mehr sein wollte, oder ob er sich einfach nur keine unnötigen Hoffnungen machen wollte.

"Nichts ist unmöglich."

Um weitere unnötige Zeit zu verschwenden, griff Arthas sogleich ein.

"Wer ist diese Person, die du kennst?", fragte er.

"Sein Name ist A'dal", antwortete Akama.

"Er ist ein Naaru und lebt in Shattrath."
 

Zwar war die Reise nach Shattrath ein wenig plötzlich, doch so eine Chance konnten sie nicht ungenutzt verstreichen lassen. Wer weiß, wann wieder eine Gefahr auftauchen würde, die sie bei solch einem Vorgehen behindern könnte.

Das erneute Passieren des dunklen Portals war nicht gerade ansprechend für Arthas, aber er wusste, dass dieses Mal keine Gefahr existierte.

Sie flogen mit den Greifen nach Shattrath.

Da der Ausflug nicht allzu lang dauern sollte, waren sie nur vier: Arthas, Nawrya, Akama und Illidan.

Als sie in Shattrath landeten, führte Akama sie zu A'dal. Arthas staunte nicht schlecht, als er den Naaru sah. Er war riesig und leuchtete in einem hellen Licht. Als sie sich ihm näherten, hörten sie wunderschöne Klänge in ihren Köpfen. Sie fühlten sich wohl und sicher, obwohl er nichts getan hatte.

"Was führt euch zu mir?", fragte der Naaru. Seine Stimme war unglaublich sanft, aber Arthas konnte nicht sagen, ob dieses Geschöpf weiblich oder männlich war ... wenn es so etwas bei diesen Wesen gab.

"A'dal, ein wichtiges Anliegen führt uns zu Euch", sprach Arthas und trat vor.

"Illidan Stormrage erbittet Euch, ihn mit Eurer Magie so zu verwandeln, dass er wieder ein Nachtelf ist ... oder zumindest wie einer aussieht."

"Ich alleine kann dies nicht bewerkstelligen, aber ich weiß eine Möglichkeit, wie es gehen könnte."

"Und die wäre?", hakte Arthas nach, nachdem der Naaru nicht weitergeredet hat. Doch die Antwort des Naaru war überwältigend ... und Arthas hätte nicht erwartet, dass jemand in so kurzer Zeit eine so weitreichende Antwort geben würde.

"Du musst eine Phiole der Ewigkeit holen. Entweder von Lady Vashj in den Höhlen des Schlangenschreins, oder von Kael'thas Sundstrider, der nun auf der Terasse der Magister lebt. Mit dieser Phiole musst du in die Höhlen der Zeit und dich in die Zeit begeben, in der die Schlacht um den Weltenbaum stattfindet. Das Wasser des Brunnens der Ewigkeit hält sich nur in einer dieser Phiolen, und dieses Wasser benötigst du. Illidan muss dieses Wasser trinken, nur so ist es möglich, dass er wieder zu einem Nachtelf wird. Jedoch schlage ich vor, dass du nur eine Begleitperson mitnimmst. Du darfst dort nicht gesehen werden, es könnte die Geschichte verändern ... Und Illidan als Dämon ist nicht leicht zu übersehen. Ihr müsst zu zweit zum Weltenbaum, unauffällig das Wasser herausholen und wieder verschwinden, ohne dass man euch dabei entdeckt. Kehrt dann zu mir zurück und erlöst Illidan von seinem Dämonendasein."

Die Phiolen der Ewigkeit

Arthas hatte Akama zurück nach Lordaeron geschickt, um seine Schwester davon in Kenntnis zu setzen, dass sie länger wegbleiben würden.

Das heißt, Nawrya würde ihn begleiten - wer auch sonst? - und Illidan blieb bei A'dal, bis sie zurückgekehrt waren.

Arthas beschloss, Lady Vashjs Phiole zu holen. Da die Höhlen des Schlangenschreins in der Scherbenwelt lagen, mussten sie nicht eine allzu weite Strecke zurücklegen. Proviant war alles, was sie noch zu besorgen hatten - Taschen, Waffen und ihre Rüstungen hatten sie ohnehin schon angelegt gehabt.

Aufbruchbereit standen sie bei den Greifen, die sie zunächst zur Zuflucht des Cenarius in die Zangarmarschen bringen sollten - von dort aus wollten sie den Rest zu den Höhlen des Schlangenschreins laufen.

A'dal hatte glücklicherweise mitgedacht und ihnen Spruchrollen mitgegeben, die ihnen für eine gewisse Zeit das Unterwasseratmen möglich machten, denn in die Höhlen mussten sie schwimmen.

Arthas vergewisserte sich noch einmal, dass sie alles parat hatten.

"Es kann los gehen", sagte er dann und blickte Nawrya an.

Sie nickte lächelnd, stieg auf ihren Greif und flog sofort los.

"Hey ... warte!", rief Arthas lachend, schwang sich auf seinen Greifen und flog ihr hinterher.

Schnell ließen sie Shattrath hinter sich und flogen über die Wälder von Terrokar. Schon von dort aus konnten sie zu den Zangarmarschen, deren blaues Licht leicht ... schäfrig machend wirkte.

Dann überquerten sie die Grenze von den Wäldern Terrokars zu den Zangarmarschen. Sogleich flog Arthas ein anderer Geruch entgegen: Es rock extrem nach Pflanzen und Pilzen - kein Wunder, anstatt Bäume fand man hier riesige Pilze vor. Außerdem wimmelte es ?hier nur so von riesigen Insektentieren.

Ihr Flug dauerte nicht mehr lange, dann landeten sie auch schon in der Zuflucht des Cenarius.

"Hoffentlich treffen wir unterwegs auf nicht allzu große Probleme", meinte Arthas, als er und Nawrya losgingen.

"Sicher nicht. Außerdem schaffen wir beide sowieso jedes Problem aus dem weg", sagte Nawrya lächelnd.

Arthas erwiderte ihr Lächeln. Sein Herz schlug etwas höher.

"Ja, das ist wahr."

Der Fußmarsch dauerte lange, doch das machte Arthas nichts aus. Als sie beim Schlangensee ankamen, gingen sie zunächst an die Stelle, von der aus sie am wenigsten schwimmen mussten, um zu den Höhlen des Schlangenschreins zu kommen.

Schließlich erreichten sie die Stelle, an der sie ins Wasser gehen mussten.

"Hoffentlich ist es nicht allzu kalt", hoffte Nawrya.

"Nicht, dass ich noch krank werde."

Arthas lächelte sie sanft an.

"Bestimmt nicht."

Arthas wirkte die Spruchrolle A'dals auf sich, damit er unter Wasser atmen konnte. Nachdem es Nawrya ihm gleich getan hatte, ging er ins Wasser - es war sogar angenehm warm. Er ging immer tiefer hinein, bis er schließlich schwimmen musste.

Bis auf die einigen größeren Fische, die in dem Gewässern schwommen, musste sich Arthas vor nichts fürchten.

Er tauchte unter und schwamm auf die große Röhre zu, die sie in die Höhlen des Schlangenschreins führen sollte.

Es dauerte einige Zeit, doch als sie die Röhre durchschwommen hatten, tauchten sie wieder auf und befanden sich darin. Es gab drei Gänge in die sie gehen konnten, doch der mittlere war der richtige für sie.

"Ein Aufzug?", wunderte sich Nawrya.

"Das ist ja ein richtiger Luxus."

Arthas grinste.

"Ich wusste gar nicht, dass es unsere Feinde so gemütlich haben ..."

Sie gingen auf den Aufzug zu, den man eigentlich mehr oder weniger so nennen konte.

Es war eine große Platte, die sich hinauf und hinunter bewegte.

Arthas und Nawrya stellten sich auf die Platte. Es dauerte einige Sekunden, dann fing sie an, sich zuerst langsam nach unten zu bewegen, doch innerhalb von Millisekunden beschleunigte sie ihr Tempo wahnsinnig.

Nawrya hielt sich an Arthas fest und kniff die Augen zusammen.

"Zu schnell!", sagte sie etwas ängstlich.

Arthas legte einen Arm um sie. Auch ihm ging das in den Magen.

"Gleich ist es vorbei ..."

Arthas behielt recht.

Der Aufzug wurde wieder langsamer und hielt schließlich an. Vor ihnen befanden sich die Höhlen des Schlangenschreins.

Arthas lächelte leicht.

"Lady Vashj, wir kommen."
 

Es gab viele Feinde, Rohre, die durch die gesamten Höhlen verliefen und auch kleinere Aufzüge. Arthas und Nawrya umgingen die Feinde, so gut es ging - sie wollten keine unnötigen Risiken eingehen. Nachdem sie sich unauffällig an einigen Feinden vorbeigeschlichen hatten, fuhren sie den ersten Aufzug hinauf - oben angekommen sahen sie an der Decke Unmengen von Röhren. Holzstege verbanden die einzelnen Orte miteinander.

Arthas schaute sich um.

"Ich habe das Gefühl, dass es ein langer Weg bis zu Lady Vashj wird ..."

Nawrya nickte leicht.

"Beim Licht, lass diesen Weg ungefährlich sein."

Vorsichtig gingen sie los, darauf bedacht, nicht gesehen zu werden.

Als sie die erste größere Plattform erreichten, nachdem sie über die Stege gegangen waren, standen sie vor kleineren Wasserelementaren - in der Mitte von ihnen und mit dem Rücken zu Arthas und Nawrya gewandt, stand ein großer Wasserelementar.

"Anscheinend ist er ein höheres Tier", flüsterte Arthas leise.

"Sparen wir unsere Kräfte für Lady Vashj auf ..."

Nawrya nickte stumm.

Doch dann runzelte sie die Stirn.

"Warte mal Arthas ... Ich ... Ich glaube, da war etwas."

Arthas wartete, während sie nachdachte.

Nawryas Blick wanderte umher, während sie die Höhlen des Schlangenschreins musterte.

"Ja ... ja, genau!"

Sie deutete auf ein riesiges Loch, dass sie am anderen Ende der Höhle in der Wand auftat.

"Dort ist Lady vashj. Aber siehst du? Man kommt nicht dorthin. Man muss zuerst gewisse Schalter aktivieren, wodurch sich eine Brücke auftut, um zu ihr zu kommen."

Sie schwieg und schien wieder nachzudenken.

"Die Schalter sind bei Hydross den Unsteten, dem Grauen aus der Tiefe, Morogrim den Gezeitenwandler, dem Tiefenwächter, Tiefenlord Karathress und Leotheras den Blinden ... Wir müssen diese Geschöpfe töten, damit wir auf der fünften Plattform dort hinten den letzten Schalter aktivieren können, woraufhin sich die Brücke auftut."

Nawrya deutete auf eine der Plattformen, die sich aus dem Wasser auftaten.

Arthas schaute Nawrya erstaunt an.

"Woher weißt du das?"

"Ich glaube, ich hatte da mal ein Buch gelesen. Jetzt fällt es mir wieder genau ein, was darin stand ..."

Arthas schwieg kurz.

"... Das wird nicht einfach werden."

"Nein, wird es nicht", sagte Nawrya seufzend.

"Und pass auf, dass du nicht ins Wasser fällst ... Da sind gefährliche Fische drinnen. Wir sollten also zuerst Hydross besiegen, und danach das Grauen aus der Tiefe, wenn wir schonmal so nahe daran sind. Vorher aber müssen wir die Feinde auf den Plattformen besiegen, sonst kommen wir nicht zu diesem Riesenfisch. Aber das sollte nicht allzu schwierig werden."

Ein Muskel nahe Arthas' linkem Auge, drohte, wie in den vergangenen Zeiten, anfangen zu zucken.

"... Nicht allzu schwierig?"

Arthas' Blick wanderte über die Unmengen von Nagas und dem anderen Ungetüm.

Nawrya jedoch lächelte ihn gelassen an.

"Wir sind zwei Paladine, was haben wir da schon zu befürchten?"

"Puh ...", machte Arthas und schwieg. Er war sich nicht so sicher, ob alles reibungslos verlaufen würde.

"Also müssen wir doch dieses Wassermonster dort besiegen?", fragte Arthas und deutete auf Hydross, der sich inzwischen zu ihnen umgedreht hatte und sie mit gedankenlos musterte.

Nawrya nickte.

"So ist es."

Arthas seufzte leise.

"Dann wollen wir mal."

Nawrya deutete auf die kleineren Wasserelementare, die in einem geringen Abstand vor Hydross hin und her gingen.

Der König war froh, dass sie so gut wie kein Hirn besaßen, sonst hätten sie längst schon angegriffen.

"Wir müssen zuerst die da aus dem Weg räumen."

"Wird und Hydross dabei angreifen?"

Nawrya schüttelte den Kopf.

"Nicht, wenn wir es geschickt anstellen."

Sie griff an Arthas' Arm und zog sie an die Seite, sodass sie außerhalb von Hydross' Blickfeld hinter einer großen Metallwand standen. Die Wasserlementare hatten sie immer noch im Blick.

"Greif sie an", sagte Nawrya.

"Benutze einen Fernkampfzauber, dadurch werden sie auf uns aufmerksam und kommen hierher."

Arthas nickte gehorsam.

Er wirkte Exorzismus auf einen der Wasserelementar, wodurch dieser sogleich zu ihnen kam - die umstehenden drei anderen Wasserelementare, die sich noch dort befunden hatten, kamen ihm zur Hilfe.

Nawrya zog ihren Hammer und Arthas tat es ihr gleich.

"Wäre doch nur Kynarus hier, der hätte jetzt seinen Spaß."
 

Der Kampf verlief ohne große Schwierigkeiten. Auch wenn sich die Wasserelementare als äußerst stabil bewiesen, so waren Arthas und Nawrya besser dran. Schließlich besaßen beide die Fähigkeit zu heilen, was alles umso leichter machte.

Schließlich lagen die Wasserelementare als Pfützen zu ihren Füßen.

"Geschafft", sagte Arthas und keuchte leicht.

"Wir kämpfen wir gegen Hydross?"

Nawrya lehnte sich an die Wand, um sich ein wenig auszuruhen.

"Er ist stärker als diese kleinen Wasserelementare. Er besitzt spezielle Fähigkeiten, über die ich mir jedoch nicht bewusst sind. Wenn er etwas unvorhergesehenes tut, müssen wir uns in sekundenschnelle absprechen und weiterkämpfen. Verstanden?"

Arthas nickte, halb verzweifelt. Sie hatten mehrere solcher Kämpfe vor sich. Beim Licht, wie sollten sie diese alle überstehen?

Sein besorgter Blick zog Nawryas Aufmerksamkeit auf ihn.

sie lächelte sanft und gab ihm einen Kuss.

"Sorge dich nicht", sagte sie leise. Sie nahm seine in Panzerhandschuhen liegenden Hände und drückte diese sanft.

"Wir schaffen das."

Er nickte und schloss seine Augen, um sich selbst zu beruhigen.

"Ja. Wir schaffen das."

Beide traten hinter der Wand hervor und schauten Hydross an, der wieder mit dem Rücken zu ihnen stand.

"Ich fange an", sagte Arthas entschlossen.

Da Nawrya nichts entgegnete, wusste er, dass sie seine Meinung teilte. Deshalb ging auf den Elementar zu.

Hydross drehte sich nun wieder zu ihm um und brummte bedrohlich.

Arthas' Herz schlug schneller, er war nervös. Doch stehen blieb er nicht. Schließlich hob er seinen Hammer und schlug zu - erst jetzt realisierte Hydross, dass Arthas eine Bedrohung darstellte. Er hob seine große, wässrige Faust und wollte zuschlagen, doch Arthas wich diesem ersten Schlag aus.

Nawrya kam nun hinzu und fing an, auf Hydross' Rücken zu dreschen. Doch das hirnlose Monster schien zu denken, dass Arthas derjenige sei, der ihm den Schmerz zufügte - deshalb bemerkte er Nawrya gar nicht und konzentrierte sich nur auf Arthas, der Hydross' Schläge parierte, auswich und abfing, so gut er konnte.

"Verdammt, ist der stabil!", stöhnte Nawrya, nachdem sie einige Minuten so weitergemacht hatten.

Arthas drohte schon, aus der Puste zu geraten.

"Und stark ...", keuchte er, hoffte, dass es bald vorbei sein würde.

Doch dann hob Hydross die Arme und vier weitere Wasserelementare erschienen - kleine jedoch.

"Oh, nein ...", dachte sich Arthas.

"Nawrya! Räum du sie aus dem Weg!"

Arthas geriet ins Schwitzen. Während Nawrya alles tat, um die vier Wasserelementare zu beseitigen, musste Arthas Hydross' Aufmerksamkeit auf sich behalten. Er wich den Schlägen aus, heilte sich selbst, parierte.

Doch dann wurde er hart auf seinem Brustkorb getroffen, als Hydross zu schnell geschlagen hatte. Arthas wurde nach hinten geschleudet und landete hart auf dem Boden.

Er stöhnte kurz vor Schmerz.

"Nawrya ...", sagte er keuchend.

"Beeil dich."

Arthas stand wieder auf, gerade schnell genug, um den nächsten Schlag Hydross' zu parieren, doch Arthas wurde unter der Kraft des Elementaren auf die Knie gezwungen.

Hydross hob ein weiteres Mal die Faust und Arthas dachte schon, es wäre um ihn geschehen, doch dann kam Nawrya und schlug Hydross' hart auf seine große Wasserfaust.

Der Elementar wich kurz zurück, dann griff er wiede an, dieses Mal Nawrya. Diese parierte die Schläge und schlug sogleich hart zurück.

Arthas bewunderte die Stärke dieser Frau.

Er stand auf, hob seinen Hammer und drosch auf Hydross ein.

"Für das Licht!", rief er und ermutigte dadurch sich selbst und auch Nawrya.

Arthas spürte wie das reine Licht ihn wieder durchfloss und er an Stärke gewann. Mit der neu gewonnen Kraft schlug er noch mehr auf den Elementar ein. Er registrierte nicht mehr, was um ihn herum vorging, spürte nur noch diese Macht des Lichts in sich und das Bedürfnis, diese mit voller Energie einzusetzen.

Hydross konnte sich kaum mehr wehren. Die Wunden wurden zu groß. Er wich zurück aber Arthas und Nawrya gaben nicht nach. Schließlich lag Hydross auf dem Boden, sah aus wie eine riesige Pfütze.

"Geschafft", keuchte Arthas.

Nawrya nickte erschöpft.

"Oh, Arthas", sagte sie jetzt seufzend.

"Wie sollen wir die anderen denn schaffen?"

Arthas schaute zu dem Schalter. Er ging darauf zu.

"Wir packen das", sagte er ermutigend und legte den Schalter um.

Dann drehte er sich zu seiner Freundin um.

"Ganz sicher!"

Sie lächelte schwach.

"Hoffentlich hast du Recht. Aber ich brauche zuerst eine Pause ..."

Sie setzte sich auf den Boden, legte ihre Waffe neben sich und lehnte sich nach hinten an die Wand.

"Ich auch."

Er setzte sich neben sie.

"Aber wir sind doch ein klasse Team, nicht wahr?", sagte er lächelnd.

Sie lächelte ebenfalls, nickte und lehnte sich an seine Schulter.

"Ja, das sind wir."
 

Nachdem sie sich erhohlt hatten, machten sie sich auf den Weg zu ihrem nächsten Feind: Das Grauen aus der Tiefe.

"Hast du irgendetwas zu Essen dabei? Am besten Fleisch", fragte Nawrya ihn.

"Wir müssen den nächsten Feind aus dem Wasser herauslocken."

Arthas nickte.

"Ja, ich habe da getrocknetes Fleisch in meiner Tasche ..."

Er langte in seine kleine Ledertasche, die an seinem Gürtel befestigt war.

"Hier", sagte er, zog das Stück Fleisch heraus und hielt es Nawrya hin.

Dankbar nahm sie es an und steckte es ein.

Wir müssen zuerst diese Plattformen säubern, damit wir nicht von den Nagas darauf gestört werden.

Arthas nickte stumm.

Diese paar Feinde würden sie ohne Probleme aus dem Weg räumen können.
 

Zwar dauerte es etwas, doch schließlich standen sie vor dem seltsamen Teich, die Plattformen um sie herum waren gereinigt. Nawrya nahm das Stück Fleisch aus ihrer Tasche und band es an ein kleines Seil.

Sie warf es ins Wasser.

"Gleich müsste unser nächster Feind erscheinen."

Sie warteten.

Das Wasser fing an zu blubbern, es kochte nahezu. Die Fische, die im Wasser lebten, starben und trieben an der Oberfläche.

Es roch jetzt nach gekochtem Fisch ... einerseits appetiterregend, doch andererseits graute es einem vor dem qualvollen Tod der Fische.

"Ist das ... normal?", fragte Arthas leicht besorgt.

Nawrya nickte.

"Es kommt."

Auf einmal erhob sich das Grauen aus dem Wasser.

"Arthas, fang an!"

Er gehorchte, ging an die Stelle, an der er am besten zu dem Monster kam und schlug auf es ein. Das Grauen bemerkte ihn, wendete sich ihm zu und fing an, mit seinen riesigen Flossen auf ihn zu schlagen. Zum Glück waren die Schläge nicht so hart wie erwartet, sodass Arthas sie parieren und ihnen ausweichen konnte. Wie schon bei Hydross stellte sich Nawrya an die Hinterseite des Grauens und schlug auf das Monster ein.

"Macht der hier was besonderes?!", rief Arthas über die Kampfgeräusche hinweg.

"Ja, aber das sollten wir überstehen!", rief Nawrya zurück.

Der Kampf ging mehrere Minuten weiter. Arthas keuchte schon leicht, denn es fühlte sich an, als würden die Schläge des Ungeheuers immer stärker werden.

Auf einmal drehte sich das Monster einmal herum und Arthas wurde wegen den ausgestreckten Flossen einige Meter zurückgeworfen. Gerade noch so konnte er sich wieder fangen, bevor er in das heiße Wasser fiel.

"Arthas, Vorsicht!"

Der König duckte sich rechtzeitig unter einer der Flossen hindurch, bevor diese ihn trafen.

Er keuchte angestrengter. Neue Mut keimte in Arthas auf, als sich das Monstrum anfing, langsamer zu bewegen. Die Wunden, die Nawrya ihm zufügten, zeigten jetzt ihre Wirkung.

"Gleich haben wir es geschafft!", rief er erschöpft.

Dann tauchte das Monster mit einem Mal ab und verschwand im Wasser.

"Was zum ..."

Arthas schaute sich um, Nawrya schien ebenso verblüfft zu sein.

"Er taucht nicht mehr auf ..."

Plötzlich bemerkte Arthas die Feinde, die sich auf den Plattformen, die sie gesäubert hatten, jetzt befanden.

Es waren sogar Bogenschützen, die bereits Pfeile einspannten.

"Nawrya! Vorsicht! Wir müssen die da aus dem Weg räumen!", rief Arthas und deutete auf die Bogenschützen.

Nawrya drehte sich um und konnte noch rechtzeitig in Deckung gehen, bevor ein Pfeil sie traf.

Zusammen stürmten sie dann auf die Bogenschützen, um sie binnen weniger Momente getötet zu haben.

"Ich höre noch mehr", sagte Nawrya leise.

"Nagas!"

Beide drehten sich um und sahen, wie Nagas auf sie zukamen.

"Das Licht möge uns beistehen", murmelte Arthas, der sich nicht sicher war, ob er einen härteren Kampf Dank seiner Erschöpfung überstehen würde.

Zusammen stürmten sie auf die Nagas, schlugen, parierten oder wichen aus.

Schließlich lagen alle tot zu ihren Füßen.

Arthas keuchte.

Hinter ihnen hörte er, wie das Wasser wieder anfing, zu blubbern, und erneut schoss das Grauen aus der Tiefe heraus.

Der König atmete tief durch und schöpfte neue Kraft.

"Jetzt geben wir ihm den Rest!"

Zusammen rannten sie auf das Ungeheuer zu und kämpften.

Es dauerte einige Minuten, doch schließlich machte Nawrya den letzten Schlag, den dieses Monster noch spüren konnte. Danach fiel es nach links und schlug auf den Boden auf.

Arthas keuchte.

"Geschafft."

Über den Teich hinweg lächelte er Nawrya an.

Sie wirkte ebenfalls erschöpft.

"Vielleicht müssen wir sogar hier eine Nacht überbringen, wenn wir für Lady Vashj ausgeruht sein sollen", meinte sie.

Arthas nickte zustimmend.

"Nach den nächsten vier Kämpfen, die wir noch erledigen müssen, werden wir nicht die Kraft haben, sofort gegen Lady Vashj anzutreten. Bevor wir die Brücke aktivieren, sollten wir uns schlafen legen und erst dann gegen sie kämpfen, wenn wir ausgeruht sind."

Nachdem sie den Schalter umgelegt hatten, machten sie sich mit Erschöpfung in ihren Knochen auf den Weg zu Morogrim.
 

Die vier weiteren Kämpfe mit den nächsten großen Feinden begaben sie sich zurück auf die Plattform, von der aus sie die Brücke zu Lady Vashj führen sollte.

Sie legten sich auf den Boden.

Arthas blinzelte Nawrya an und gähnte.

"Wenn wir ausgeschlafen sind, werden wir die Schaltkonsole umlegen und uns Lady Vashj stellen."

Müde schloss er die Augen.

"Doch jetzt endlich Ruhe ..."

Schon bald schlief er ein und genoss einen erholsamen Schlaf.
 

Am nächsten Morgen - obwohl sie nicht wussten, ob es morgens war, da sie sich unter der Erde befanden - aßen sie etwas und besprachen den bevorstehenden Kampf.

"Wir sollten Lady Vashj nicht herumlocken oder sie uns ... Versuchen wir, sie auf einer Stelle zu halten. Nicht, dass sie irgendwelche Attacken gegen uns einsetzt - Beispielsweise ein Schuss mit dem Bogen, wenn sie sich zu weit entfernt. Achja ... Diese Hexe wird sich in einem Schutzschild einschließen, nachdem wir sie eine Weile lang schon angegriffen haben. Deshalb müssen wir die vier Reaktoren, die den Schutzschild aufrecht erhalten, zerstören. Dies gelingt uns nur mit einem besudeltem Kern. Den müssten die Feinde haben, die sie dann zu ihrer Verstärkung ruft. Wenn wir die Reaktoren zerstört haben, sollten wir ein leichtes Spiel mit ihr haben, damit sie bald tot zu unseren Füßen liegt."

Fast ungläubig schüttelte Arthas den Kopf.

"Dein Wissen verblüfft mich immer mehr."

Sie lächelte.

"Ich hatte Zeit, viel Zeit, um die Berichte von Abenteurern durchzulesen. Sie hatten sie zwar nicht besiegt, wie man merkt. Aber sie haben durch ihre Fehlschritte Erfahrungen gesammelt, die sehr hilfreich sein können."

Arthas nickte, leicht nachdenklich.

"Ja, das hört sich gut an."

Arthas stand auf und Nawrya tat es ihm gleich.

"Bist du bereit?", vergewisserte er sich noch einmal.

Sie nickte, atmete tief durch und schloss für einen Moment die Augen.

"Ja, ich bin bereit."

Arthas lächelte sie zärtlich an. Er konnte verstehen, dass sie sich sorgte, aber zusammen würden sie Lady Vashj sicherlich bezwingen können. Sie waren ein gutes Team. Außerdem versteckte sich hinter dieser eigentlich so sensiblen Frau ja ein starker Kampfgeist, wie er selbst gesehen hatte.

Nun ging er auf die Schaltkonsole zu und legte den Hebel um. Nun erhob sich eine Brücke nach oben zu der Naga.

Der König drehte sich um und sah Nawrya, wie sie am Fuße der Treppe stand und leicht ängstlich hinaufsah.

Er ging zu ihr und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

"Alles wird gut", sprach er leise und nahm dann ihre Hand.

Zusammen setzten sie den ersten Fuß auf die Treppe und stiegen langsam nach oben.

Das Wasser rauschte leise, die Rohren stießen hier und da Dampf aus. Ansonsten war alles totenstill, nur noch ihre Schritte konnte man hören.

Arthas' Herz schlug immer schneller, als sie sich dem Ende der Treppe näherten.

Dann überschritten sie schließlich auch die letzte Stufe und sahen in einiger Entfernung Lady Vashj.
 

Die Nagahexe stand ruhig, gelassen, fast schon gelangweilt auf der Plattform. Sie tat nichts, zumindest jetzt noch nichts, obwohl sie Arthas und Nawrya bereits erblickt hatte.

"Denke an meine Worte", sprach Nawrya leise.

"Wir dürfen keine Fehler begehen."

Arthas nickte nervös. Ein Schweißtropfen lief ihm über das Gesicht.

Er atmete tief durch und zog dann seinen Hammer.

"Lady Vashj! Mache dich bereit zum Sterben!"

Er eilte, rannte schon fast auf die Plattform zu. Nawrya folgte ihm, hielt sich jedoch rechts, um ihre alte Taktik fotzusetzen - er zog ihre Aufmerksamkeit auf sich und sie verursachte die meisten Wunden am Gegner.

In dem Moment, in dem Arthas die Plattform betrat, fauchte die Naga und näherte sich ihm. Ihre Haare, die aus Schlangen bestanden, zischten ebenfalls. Ihre sechs Arme hob sie und zeigte ihre scharfen Krallen.

Der erste Schlag ging jedoch an Arthas.

Er versuchte, den scharfen Krallen von Lady Vashj auszuweichen und darauf zu schlagen. Sie erwies sich als flink und geschickt, was dies nicht gerade einfach machte.

Nawrya schlug von hinten auf die Naga. Die harten Schuppen jedoch verhinderten, dass sie sie am Anfang gut verletzen konnte. Die Schuppen mussten zuerst geschwächt werden, was sich automatisch ergab, je länger Nawrya gegen die Hexe kämpfte.

Der Kampf dauerte einige Minuten an. Ab und zu bekam Arthas Kratzer ab, die jedoch nicht allzu schlimm waren.

Arthas wusste, dass Lady Vashj jeden Moment ihren Schutzschild gegen sie einsetzen würde.

Dies passierte nun auch.

Auf einmal prallte Arthas' Hammer gegen einen leicht blau leuchtenden Schutzschild.

"Zurück!", rief Nawrya und Arthas wich von Lady Vashj zurück, um weiteren Schlägen von ihr zu entgehen. Der Schutzschild wurde, wie Nawrya gesagt hatte, von Reaktoren aufrecht erhalten, deren blaue Strahlen auf die Hexe gerichtet waren.

Doch man gönnte den beiden keine Pause: jetzt kamen Diener von Lady Vashj an sie heran.

"Töte sie, so schnell du kannst!", rief Arthas. Sie mussten diese Gegner so schnell wie möglich beseitigen und die besudelten Kerne aus den Leichen der schmutzigen Elementare entnehmen.

Mit der Kraft des Lichts gelang es ihnen, die Feinde recht schnell zu töten. Arthas bückte sich, untersuchte kurz die Leiche und fand einen besudelten Kern - er erkannte ihn am Schmutz, der ihn umgab.

Arthas holte aus und warf ihn mit voller Kraft auf einen der Reaktoren.

Der Strahl, den der Reaktor aussandte, wurde durch den Kern reflektiert, zurückgeworfen und wieder in den Reaktor geleitet. Dieser explodierte mit einem lauten Knall.

Arthas lächelte erleichtert und drehte sich zu Nawrya um. Schockiert sah er, wie sie mit drei Feinden auf einmal kämpfte und zurückgedrängt wurde.

"Narwrya!"

Er eilte zu ihr und stürzte sich in den Rücken eines Elementars.

Er schlug so hart zu, dass sich der Elementar, zuvor anscheinend jedoch angeschwächt durch Nawrya, zu einer Pfütze umtransformierte und Arthas' Füße umfloss. Dieser bückte sich schnell hinunter und nahm einen weiteren besudelten Kern an sich.

Bevor er seiner Freundin weiterhalt, drehte er sich zu dem nächsten Reaktor, warf den Kern und traf. Der zweite Reaktor explodierte, fehlten noch zwei.

Er wandte sich wieder um und widmete sich den weiteren Feinden, deren Aufmerksamkeit Nawrya erhielt.

Wild schlug Arthas um sich, mit der Absicht, die Feinde zu vernichten, die Nawrya bedrohten. Bald schon lagen zwei weitere Elementare tot zu ihren Füßen.

"Nimm das vom anderen Elementar", sagte Arthas, nahm einen besudelten Kern von der Leiche und zeigte ihn Nawrya. Diese nahm den letzten Kern vom anderen Elementar.

Beide warfen, fast gleichzeitig, die besudelten Kerne zu den Reaktoren, welche daraufhin explodierten.

Der Schutzschild um Lady Vashj löste sich auf.

"Verdammte Menschen!", fauchte sie und schlängelte sich mit einer angsterregenden Geschwindigkeit zu Arthas hinüber.

Der bekam schon den ersten Schlag ab, bevor er überhaupt dazu kam, seinen Hammer zu haben. Er stolperte nach vorne und hielt sich seine getroffene Schulter, welche nun brannte.

Zornig hob er seinen Hammer.

"Ich glaube, sie weiß noch nicht einmal, was mit ihrem Meister passiert ist", dachte sich Arthas, als er ihren nächsten Schlag parierte.

"Oder sie hasst uns dafür, dass wir aus ihm das gemacht haben, was er nun ist."

Der Kampf ging so weiter, wie er angefangen hatte. Ab und zu mussten sie auf eine große Fledermaus aufpassen, die sie mit tödlichem Gift bespuckte, doch dies gelang ihnen ohne Probleme.

Die Naga wurde nach einiger Zeit langsamer. Ihre Schlangenhaare ließen die Köpfe hängen, ihre Schläge schienen ihr schwerer zu fallen.

Kurz vor ihrem Ende ließ Nawrya von ihr ab.

Arthas stützte seinen Hammer auf den Boden ab und zog sein Schwert, um der Naga zumindest einen schnellen Tod zu gewähren, als diese drohte, zusammenzukippen.

Er holte aus und stieß das Schwert durch ihr Herz.

Lady Vashj schrie wegen des Schmerzes auf.

"Meister Illidan, es ... es tut mir leid ...", sagte sie leise, bevor ihr Körper erschlaffte und Arthas sein Schwert aus ihr zog.

Nun lag sie auf dem Boden, Blut rann aus ihrer Brust und die Wunden, die die beiden Paladine ihr angerichtet hatten, waren nicht zu übersehen.

"Sie hat die Sache mit Illidan also noch nicht gewusst", meinte Arthas leise.

Nawrya blickte jetzt leicht traurig drein.

"Vielleicht hätte sie sich ergeben, wenn wir ihr die Sache erklärt hätten."

Arthas schüttelte den Kopf.

"Das glaube ich nicht. Sie hätte den Befehl von Illidan persönlich erteilt bekommen müssen, uns die Phiole zu geben."

Er kniete auf den Boden und untersuchte ihren Leichnam.

"Nehmen wir die Phiole und verschwinden von hier", murmelte Arthas, während er nach der Phiole suchte.

Nawrya stand still neben ihm und wartete.

Als Arthas in eine der Taschen der Naga griff, spürte er einen Gegenstand, der sich hart und glatt anfühlte.

"Das muss sie sein!"

Er zog den Gegenstand heraus ... und erstarrte.

"Nein ..."

Die Phiole war in mehrere Stücke gebrochen. Das Teil, was er herausgezogen hatte, schien das größte zu sein.

Wütend schmiss er die Scherbe zu Boden.

"Verdammt nochmal!", brüllte er wütend.

"Es war alles umsonst! Alles!"

Nawrya legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter, doch Arthas zog diese weg.

Wieso musste er so viel Pech haben? Jetzt blieb ihnen nur noch Kael'thas Phiole! Diese war vielleicht noch schwieriger zu bekommen.

"Arthas ...", sagte Nawrya leise. In ihrer Stimme lag ein Hauch von Schmerz. Arthas begriff, dass er sie durch seine Wut verletzt hatte.

Er seufzte leise, um sich zu beruhigen.

"Verzeih mir", flüsterte er.

"Es ist dir schon vergeben."

Er wandte seinen Blick zu ihr.

"Wir müssen zu der Terasse der Magister."

Nawrya nickte nur und lächelte dann.

"Dieses Mal aber nicht alleine, ja? Wir werden Hilfe mitnehmen. So klappt es besser."

Arthas schloss die Augen.

"Ja", willigte er ein.
 

Es dauerte seine Zeit, bis sie sich schließlich auf den Inseln von Quel'Danas befanden. Kynarus, Damrag, Abbendis und auch Sylvanas waren mit von der Partie. Sie meinte, sie wolle ihren "Prinzen" gehörig die Meinung sagen.

Zu sechst würden sie kein Problem haben, das wusste Arthas. Damrag war ein ausgezeichneter Heiler, der ihre Gruppe am Leben erhalten würde, wenn es hart auf hart kam.

So betraten sie die Terasse der Magister, Arthas in der Hoffnung, dass wenigstens Kael'thas gut für die Phiole gesorgt hatte.

Sie betraten die Terasse der Magister. Arthas hätte nicht gedacht, dass sie so ... schön aussehen würde. Abgesehen von den Statuen - von der eine auch Kael'thas zeigte, wie Arthas erkannte - waren die Pflanzen, die dort wuchsen, sehr lebendig und farbenfroh. Am Anfang der Brücke, die sie überqueren mussten, blieben sie stehen.

Damrag zeigte auf die magisch verschlossene Tür, zu der sie sehen konnten, wenn sie auf der linken Seite nach unten schauten.

"Diese Tür führt zu Kael."

Er wandte seinen Blick zu den anderen.

"Diese Tür kann geöffnet werden, wenn man die Feinde, die sich gerade unter uns befinden, tötet. Ich glaube, Priesterin Delrissa nennt sie sich, die sich unter uns befindet. Sie hat einige Schergen dabei, also tritt sie uns nicht allein Gegenüber."

Sylvanas sah nachdenklich aus.

"Und wenn wir dieses Weib töten, dann öffnet sich die Tür zu Kael, ja?"

Damrag nickte.

"So ist es."

Prüfend blickte Arthas über den Rand der Brücke nach unten.

"Ich bin dafür, dass wir alle anderen Feinde auslassen und uns damit begnügen, hier herunterzuspringen und gegen Delrissa zu kämpfen."

Er blickte zu Sylvanas und musste unwillkührlich lächeln.

"Fünf Paladine, jeder von uns kann unbeschadet aufkommen. Aber du ..."

"Ich habe meine eigenen Methoden", meinte Sylvanas unberührt.

Arthas sagte daraufhin nichts mehr und wandte sich zu den anderen.

"Na, dann los!"

Er sprang über den Busch, setzte sein Gottesschild ein und landete auf dem Boden, ohne dass es ihm etwas anhaben konnte.

Nur wenige Sekunden landeten Abbenis, Damrag, Kynarus und Nawrya neben ihm. Arthas drehte sich um, um zu beobachten, wie Sylvanas zu ihnen runterkommen würde.

Sie sprang an die Mauer und kletterte geschickt daran nach unten, ohne abzurutschen, obwohl die Wände sehr glatt zu sein schienen.

Der König zog eine Augenbraue hoch.

"Wie sie es immer wieder schafft, mich zu verblüffen", dachte er sich.

Dann wandte er seinen Blick zu Priesterin Delrissa.

"Wie werden wir vorgehen? Wir müssen uns schließlich irgendwie verteilen, wenn sie vier Gehilfen hat ..."

Dramag - wer auch sonst - offenbarte sofort seinen Plan.

"Jeder von uns greift einen an. Da Priesterin Delrissa die wohl Stärkste von ihnen ist, soll jeder, der seinen Feind niedergestreckt hat, auf sie losgehen. Ich werde hinter euch stehen und heilen. So. Wer möchte wen angreifen?"

"Ich werde Delrissa übernehmen", sagte Arthas sofort.

Die Schergen, die sich um Delrissa befanden, waren ein Schamane, ein Hexenmeister, ein Jäger und ein Schurke.

"Ich werde den Schurken dort übernehmen", sagte Sylvanas. "Der wird mir am meisten Spaß machen."

Kynarus übernahm den Hexenmeister, Abbendis den Schamanen und Nawrya widmete sich dem Jäger zu.

Gleichzeitig griffen sie an, jeder auf den von ihn besagten Feind.

Priester Delrissa war stark. Da sie sechs Arme besaß - was Arthas außerdem an Lady Vashj erinnerte -, und dazu noch in zwei Händen davon Schwerter trug, hatte es Arthas umso schwieriger, ihre Schläge abzuwehren. Er konnte von Glück reden, dass Damrag da war und ihn heilte, wenn er schwer getroffen wurde.

Aus den Augenwinkeln sah er, wie Sylvanas ihren Feind niederschlug. Jetzt kam sie zu Arthas und fing an, Delrissa zu bekämpfen.

Minuten vergingen. Kynarus besiegte seinen Feind, kurz darauf auch Nawrya und Abbendis.

Priesterin Delrissa wurde zorniger, je mehr ihrer Schergen starben, doch die Kraft ihrer Feinde stellte ihre Wut in den Hintergrund.

Delrissa bewegte sich langsamer, ihre Wunden wurden immer stärker.

Irgendwo hasste Arthas das Töten. Diese Angst in den Augen seiner Feinde, diese Angst vor dem Tod, die weckte sein Mitleid, sein Verständnis. Aber es musstes ein.

Schließlich starb Delrissa und ihr schlaff gewordener Körper fiel zu Boden.

Arthas wischte sich den Schweiß von der Stirn, dann schaute er zu dem magischen Tor, welches sich gerade auflöste.

Sylvanas grinste.

"Seid gegrüßt Kael'thas, Euer Tod wartet."

Arthas schluckte. Er wusste nicht, ob sie es so einfach haben würden.

Zusammen gingen sie durch die Tür, durchschritten den Gang und standen dann schließlich, in der Entfernung von mehreren Metern, vor Kael'thas Sunstrider.

Arthas war leicht schockiert - sein Aussehen hatte sich enorm geändert. Seine haut war dunkel, nicht mehr so hell wie eins. Seine einst blonden, langen Haare, waren nun ebenfalls dunkel. Sein Blick war grimmig und einfach nur noch böse. Aus seiner Brust ragte ein großer Splitter, der ihm möglicherweise mehr Magie verlieh.

Er war magiesüchtig geworden.

"Glaubt nicht, dass ihr mich übertreffen könnt. Meine Macht ist stärker als eure!", rief er laut und lachte.

"Nicht nur magiesüchtig sondern auch noch dumm? Oh, Kael'thas, Eure Ehre sinkt von Sekunde zu Sekunde weiter! Ihr seid eine Schande für die Hochelfen!", sagte Sylvanas.

"Oh, Sylvanas Windrunner ... Was sagt Ihr da zu mir, selbst aber seid Ihr Anführer von Untoten?", meinte er nur gehässig.

Sylvanas ballte die Fäuste, schwieg aber.

"Ich habe recht, nicht wahr?"

Dann wandte er sich zu Arthas. Dieser wurde nervös, zuckte jedoch nicht einmal mit der Wimper.

"Und du, Arthas ..."

Er kam nur einen Schritt auf ihn zu, dann blieb er wieder stehen.

"Jaina hätte es bei mir sichtlich besser gehabt. Nicht nur, dass du sie so lange im Stich gelassen hast ... Nein, jetzt weist du sie auch noch ab. Pah, du widerwärtiger Abschaum."

Arthas biss die Zähne aufeinander. Dieser Trottel hatte überhaupt keine Ahnung!

"Jaina ist glücklich. Sie hat einen festen Freund und ich bin mir sicher, dass er sie besser behandeln wird als ich. Ich brauche mich deshalb nicht um ihr Wohlergehen zu sorgen."

"Sie ist dir also völlig egal?", grinste Kael'thas ihn an.

"Sie ist eine Freundin, wie in vergangenen Zeiten so auch jetzt."

Arthas blieb völlig locker. Er wusste, dass das, was er sagte, der Wahrheit entsprach. Kael'thas wollte ihn nur provozieren - das durfte er nicht zulassen!

Der Magier schüttelte nur lächelnd den Kopf.

"Tja, was soll's. Es wird Zeit für den Tod von euch allen."

"Auf ihn!", rief Kynarus voller Vorfreude auf den bevorstehenden Kampf und rannte los. Den anderen blieb gar keine Wahl, als mitzurennen. Nur Damrag blieb im Hintergrund, um zu heilen.

Aus einer Flamme kam Al'ar, der Phönix Kaels.

"Sylvanas! Abbendis! Kümmert euch um den Phönix!", befahl Arthas und die beiden gehorchten. Während sie gegen den Phönix kämpften, widmeten sich die anderen drei Kael'thas zu.

Der Blutelf erwies sich als geschickt, schnell und flink - die Paladine taten schwer daran, ihm Schaden zuzufügen.

Durch eine arkane Druckwelle wurden die drei Angreifer zurückgeworfen.

Arthas prallte hart auf den Boden auf.

"Du wirst lernen, was es heißt, Schmerzen zu erleiden, du Wurm!", brüllte Kael'thas.

Er richtete eine Hand auf ihn und sofort spürte Arthas Schmerzen, ohne Wunden zu erleiden.

Er schrie. Die Schmerzen waren unerträglich. Er konnte an nichts anderes mehr denken als an diesen Schmerz, der seinen gesamten Körper durchfuhr.

"Arthas!", rief Nawrya erschrocken. Als sie Kael'thas angriff, hörte der Schmerz mit einem Mal auf, auch wenn es noch etwas nachklang.

Keuchend richtete Arthas sich auf, seine Augen vor Schreck geweitet.

Sie mussten ihn so schnnell wie möglich besiegen. Wer weiß, wozu er noch alles fähig war!

Arthas hob seinen Hammer und rannte auf Kael'thas zu, der gerade Kynarus mit einem Magiestrahl wegschleuderte, danach Nawrya am Hals packte und einfach wegwarf.

Seine Robe schien stabiler zu sein, als es aussah.

Arthas blickte nach rechts, wo Nawrya betäubt an der Wand lag, nachdem sie mit dem Kopf aufgeschlagen war.

Kynarus schien nicht weniger schlimm aufgekommen zu sein und stützte sich an der Wand ab.

Sylvanas und Abbendis kämpften weiterhin gegen den flammenden Phönix, Damrag heilte angestrengt weiter.

Kael blickte wieder zu Arthas, der ihn gerade schlagen wollte.

Er wich jedoch aus und wirkte einen Zauber in Arthas' Rücken, sodass dieser nach vorne geschleudert wurde und auf einer kleinen Treppe landete.

Arthas keuchte.

"Du wirst als erstes sterben", hörte er Kael'thas sagen, seine Stimme überschlug sich fast vor dem Hass.

Arthas drehte sich etwas um, dann spürte er wieder diese Schmerzen. Er konnte zusehen, wie Kael'thas seine andere Hand hob und einen gewaltigen Magieball formte.

In diesem Moment dachte Arthas nicht an die Konsequenzen seines Todes. Er dachte nur daran, dass die Schmerzen wenigstens vorbei sein würden.

Auf einmal sah er Nawrya vor sich stehen. Ohne jeglichen Schutz.

"Nein! Nicht Nawrya! Nicht Nawrya!", dachte sich Arthas verzweifelt, sagen konnte er es nicht, das einzige was aus seinem Mund kam waren die Schmerzensschreie.

Kael'thas zögerte nicht, seinen Magieball trotzdem abzuschießen. Der gewaltige Ball, der von tausend verschiedenen Magien zu bestehen schien, sauste auf Nawrya zu, die den Weg zu Arthas blockerte ...

"Nein!", hörte Arthas die Stimme einer anderen Person.

Jemand anderes fing den Ball ab, bevor er Nawrya erreichen konnte, doch dieser jemand wurde so gewaltig zurückgeschleudert, dass er gegen Nawrya prallte.

Arthas' Schmerzen verebbten.

"Du verdammtes Gör!", brüllte Kael'thas.

Arthas hob seinen Kopf. Nawrya hielt die Gestalt, die sich gerade für sie beide geopfert hatte, unter den Armen fest.

Es war Sylvanas.

Vor Verwunderung weiteten sich Arthas' Augen.

Nawrya legte sie vorsichtig nieder. Nicht einmal der beste Heiler der Welt vermochte die gewaltige, klaffende Wunde in ihrem Bauch zu heilen.

Sylvanas lebte noch ... ein kleiner Rest ihres Lebens war noch in ihr, doch dieser drohte sie jeden Moment zu verlassen.

"Sylvanas ... Wieso hast du das getan?", fragte Arthas. Der Schock in seiner Stimme war nicht zu überhören.

"Weil du ... das Leben mehr verdient hast als ich", sprach sie leise, schwach. Ihre Augen waren auf Arthas gerichtet.

"Schon seltsam, was ... man für Leute, die man hasst, nicht alles tut ..."

Ihr Gesicht verzog sich wegen ihren Schmerzen.

"Und außerdem ... Braucht dich die Welt. Die Untoten ... Kommen ohne mich auch zurecht."

Ihre Stimme wurde immer schwächer.

Unwillkührlich stiegen in Arthas die Tränen hoch.

Nicht noch jemand, der wegen ihn sein Leben ließ. Aber er konnte ihr nicht mehr helfen ...

"Trauert nicht um mich", sprach sie. Die folgenden Worte waren die letzten ihres Lebens.

"Endlich Frieden. Endlich bin ich frei ..."

Ihre Augen verloren den Glanz und die Lider schlossen sich langsam.

"Nein ..."

Fassungslos starrte Arthas auf die Leiche von Sylvanas.

Sylvanas, seine eigentliche Feindin.

Sylvanas, die sich für ihn geopfert hatte.

Sylvanas, die nun endlich ihren heißersehnten Frieden erhalten hatte ... Den Frieden vor dem Schmerz, den Arthas ihr angetan hatte.

Weitere Tränen rollten über seine Wangen. Aber die Trauer musste warten. Die Gerechtigkeit musste jetzt stattfinden ...

Er stand auf und umgriff fest seinen Hammer.

"Dafür wirst du sterben, Kael'thas."

Arthas' Stimme klang finster. Auch, wenn er und Sylvanas niemals gute Freunde gewesen sind, so war er bestürzt über ihren Tod. Seine Stimme zitterte kaum merklich.

Aus den Augenwinkeln sah er, wie der Phönix tot am Boden lag und Abbendis Sylvanas' Leiche stumm betrachtete.

Kael lachte nur hämisch.

"Dann zeig mir, was du kannst."

Arthas schrie wütend auf und rannte auf Kael'thas zu.

Dieser schoss einen Magieball nach ihm, doch Arthas wich diesem aus.

Da Kael erwartet hatte, dass Arthas getroffen wurde, war er nicht auf dessen Schlag vorbereitet und wurde hart in der Seite getroffen. Er taumelte.

Nawrya und Abbendis kämpften nun ebenfalls wieder mit. Kynarus stützte sich immer noch an der Wand und hielt sich den Kopf, schien jedoch gleich wieder kampfbereit zu sein.

"Ich werde eure Welt auf den Kopf stellen!", schrie Kael'thas.

Sekunden später fanden sie alle sich in der Luft wieder - Kael'thas stand unten und kontrollierte die magischen Ströme, die sie in der Luft hielten.

Arthas machte instinktiv Schwimmbewegungen in der Luft, um wieder auf den Boden zu gelangen. Dann griff er erneut an und traf Kael'thas in den Rücken.

Dieser stolperte nach vorne und bekam den nächsten Schlag sogleich von Kynarus ab.

Der Blutelf erzeugte wieder eine arkane Explosion, sodass sie weggeworfen wurden.

Abbendis und Nawrya, die zuerst aus der Luft heruntergefallen waren, wurden nun sogleich weggeschleudert.

Ächzend stand Arthas wieder auf. Kael'thas hielt sich seine Seite, er war also erfolgreich angeschlagen worden.

Kael machte Handbewegungen in der Luft. Dann erschien ein kleiner, wirbelnder Lichtkreis, der sich zuerst auf Abbendis zubewegte.

Diese schrie auf, als der Kreis sie berührte.

"Aua!"

Arthas schluckte und ein zweiter Kreis erschien.

"Lasst euch nicht von ihnen erwischen und greift ihn an!", rief Arthas nervös.

Er selbst stürmte danach sofort auf Kael'thas zu.

Kael drehte sich um, die magischen Wirbel blieben jedoch bestehen.

Er hob seine Hand und Arthas spürte wieder diesen unerträglichen Schmerz.

Doch dieses Mal ging er nicht auf die Knie, nein, schreiend vor Wut holte er aus und schlug Kael'thas auf den Brustkorb, so fest er konnte.

Damit hatte er den Blutelf sichtlich stark getroffen.

Er keuchte auf und taumelte zurück.

Das Atmen schien ihm schwer zu fallen.

Auf einmal schoss ein Bolzen an Arthas vorbei und grub sich in Kael'thas' Brustkorb.

Er fiel auf die Knie.

Eine unglaubliche Last viel von Arthas, als er dies beobachtete.

Aus den Augenwinkeln sah er, wie Kynarus seine Armbrust zurücksteckte.

Schweigend beobachtete er den sterbenden Elf.

"Die Welt ... soll ... brennen ...", sprach er flüsternd. Zu mehr reichten seine Kräfte nicht aus.

"Ihr sollt ... alle ... sterben!"

Kael'thas wirkte seinen letzten Zauber, mit dem Arthas nicht gerechnet hatte.

Ein harter Magiestoß traf Arthas auf seine Brust und schleuderte ihn zurück.

Als er gegen die Wand prallte, wurde alles schwarz um ihn.
 

Arthas erwachte wieder in seinem eigenen Bett.

Die Sonne schien durch das Fenster hinein, er war allein im Zimmer.

Er wandte seinen Kopf nach links und nach rechts und war enttäuscht, Nawrya nirgends ausfindig machen zu können.

Arthas setzte sich auf und bemerkte dabei, dass seine Wunde, die er durch Kael'thas erlitten hatte, geheilt worden war. Dann stand er auf.

Im Speisesaal traf er die anderen an, die bereits einen Plan für den Besuch in den Höhlen der Zeit schmiedeten.

Arthas' Herz sprang höher, denn dies bedeutete, dass Kael'thas' Phiole tatsächlich unversehrt gewesen war.

Nawrya drehte sich zu ihm um, als sie ihn kommen hörte.

"Arthas! Du bist wach!", sie eilte zu ihm und umarmte ihn.

Dann lächelte sie ihn an, ein Lächeln, welches Arthas' Herz weich werden ließ.

"Kaels Phiole war also unversehrt?", fragte sie in einem sanften Ton und legte seine Arme um sie.

Nawrya nickte eilig.

"Ja! Jetzt müssen wir beide nur noch in die Höhlen der Zeit und das Wasser aus dem Brunnen der Ewigkeit holen und aufpassen, dass uns niemand dabei erwischt!"

Sie grinste ihn frech an.

"Aber das sollte wohl kein Problem sein!"

"Ja, dieses Mal müssen wir nichts anderes tun, als den Kämpfen aus den Weg zu gehen, anstatt sie zu verursachen."

Sie lachte.

"Ohja, das wird ein Kinderspiel."

Damrag stellte sich neben die beiden.

"Vergiss nicht, dass Archimonde dort sein wird. Wer weiß, ob ihr ihm so leicht entkommen könnt."

Nawrya jedoch zuckte nur mit den Schultern.

"Wir packen das schon."

Damrag seufzte, er schien sich zu sorgen. Er schaute zu Arthas.

"Einen richtigen Plan können wir hier natürlich nicht machen. Es wird nicht allzu schwierig sein hineinzugehen, unbemerkt hindurchzukommen, das Wasser zu holen und wieder zu verschwinden. Da keine Kampftechniken überlegt werden müssen, sollte es einfach für euch beide sein."

Arthas nickte.

"Einverstanden. Wann geht es los?", fragte er dann an Nawrya gewandt.

"Am besten sofort", antwortete sie ihm und lächelte.
 

Als sie vor dem Eingang zu Hyjal standen, atmete Arthas tief durch.

Die Phiole hatte er in seiner Tasche verstaut und sie vorsichtshalber mehr gepolstert.

Er hatte wegen der ganzen Sache nachgedacht. Das alles tat er nur wegen Illidan ... und Sylvanas war somit auch wegen Illidan gestorben.

Es war eine seltsame Vorstellung, aber Arthas dachte immer wieder daran, was Sylvanas vor ihrem Tod gesagt hatte. Sie hatte nun ihren Frieden.

Er dachte an Sylvanas' Begräbnis, welches sie nach ihrer Rückkehr stattfinden lassen wollten.

Beerdigung konnte man es nicht nennen - sie wollte sie in die Räume von Arthas' Vater niederlegen, ebenfalls in einen steinernen Sarg.

Dies sollte die letzte Ehre sein, die Arthas Sylvanas erweisen wollte. Sie hatte für ihn und Nawrya ihr Leben gegeben, so sollte sie beim ehemaligen König ruhen.

Über diese Angelegenheit musste er jedoch später nachdenken. Nun galt es, seine ganze Aufmerksamkeit auf den Brunnen der Ewigkeit zu richten.

Nun gingen er und Nawrya los, um sich genau dieser Aufgabe zu widmen.

Nachdem sie die Höhle durchquert hatten, traten sie wieder hinaus ins Freie.

Die Sonne schien auf sie herab und die Natur war wunderschön.

"Ab jetzt dürfen wir uns nicht mehr auf der Straße aufhalten", meinte Nawrya leise.

Sie hielten sich versteckt auf und gingen los, um zum Brunnen der Ewigkeit zu gelangen.

Sie kamen auch am Lager der Allianz vorbei. Selbst von weiter Entfernung aus sah Arthas Jaina.

Jetzt, hier in diesem Moment, muss es ihr wegen ihm noch schlecht ergangen sein. In diesem Moment war Arthas vielleicht soeben in Northrend unterwegs, ohne dass der Lichkönig von ihm Besitz ergriffen hat.

Arthas wendete seinen Blick ab. Es musste weitergehen!

Während sie das Lager hinter sich ließen, bemerkten sie nicht, wie die erste Untotenwelle in das Lager eindrang.

Ihr Weg war lang. Überall mussten sie aufpassen, dass sie nicht entdeckt wurden, doch schließlich lag vor ihnen das Tal, in dem der Brunnen der Ewigkeit und der Weltenbaum waren.

"Gleich geschafft", meine Nawrya und lächelte.

Im Tal jedoch stand Archimonde und entzog dem Weltenbaum seine Macht.

"Beeilen wir uns besser", flüsterte Nawrya und schluckte.

Sie machten einen weiten Bogen um Archimonde und gelangten zum Ufer des Wassers.

Eilig zog Arthas die Phiole aus seiner Tasche und füllte die Flasche auf. Nachdem sie voll war, verschloss er sie wieder und steckte sie ein.

"Sieh doch", sagte Nawrya dann.

"Sie beginnen, gegen Archimonde zu kämpfen!"

Arthas wandte seinen Kopf zu dem Gefecht und sah, wie die Horde und die Allianz verbündet gegen den Eredar kämpften.

Der König atmete tief durch.

"Verschwinden wir schnellstens von hier", sagte Arthas leise. Er nahm Nawrya an die Hand und zog sie mit sich, als sie Anstalten machte, das Gefecht bis zum Ende mitverfolgen zu wollen.

Geschickt und unentdeckt kamen sie wieder den Weg nach oben, von der aus sie einen grandiosen Blick über den Weltenbaum, Archimonde und die Streitmächte hatten.

Kurz blieben sie stehen, als sie Pferde hinter sich hörten.

Arthas und Nawrya versteckten sich hinter einem Hügel.

Arthas konnte die Stimme Jainas hören.

"... Ja, ich weiß. Aber trotzdem vermisse ich ihn sehr."

Die andere Stimme kam von einer ebenfalls weiblichen Person, die eine Freundin Jainas zu sein schien.

"Ich weiß, wie du dich fühlst. Aber keine Sorge. Du wirst einen besseren finden ..."

Jainas nächste Worte klangen traurig.

"Ich wünschte, es wäre so."

Sie beschleunigten ihre Pferde, um sich der Schlacht anzuschließen.

Arthas kniff die Augen zusammen.

Wie gerne hätte er Jaina jetzt gesagt, dass es stimmte, was ihre Freundin da sagte. Es würde sich alles zum Guten wenden. Aber hätte er es getan, wäre die ganze Zukunft durcheinander geraten.

Nawrya zog ihn sanft am Arm.

"Bitte, lass uns jetzt gehen."

In ihrer Stimme klang Trauer. Die Worte hatten ihr wohl doch weh getan und Arthas nickte.

"Ja."

Bevor sie jedoch gehen konnten, sahen sie noch, wie die Ahnen der Nachtelfen zum Weltenbaum gelangten, nachdem Archimonde zu ihm gelangen wollte und die Streitkräfte ihn daran schlecht hindern konnten.

Der Baum schien die Ahnengeister in sich aufzunehmen, dann leuchtete er auf und eine gewaltige Druckwelle ging von ihm aus, der Archimonde und seine Handlanger, die ihm zu Hilfe gekommen waren, mit einem Mal auslöschte.

Als die Druckwelle auch Arthas und Nawrya erreichten, spürte der König die Macht, die darin gelegen hatte.

Danach flüchteten sie aus Hyjal, bevor die Streitkräfte sie einholen konnten.
 

Mit dem Wasser des Brunnens der Ewigkeit kehrten sie zuerst nach Lordaeron zurück. Arthas beschloss, zuerst Sylvanas' Begräbnis stattfinden zu lassen. Erst dann wollten sie in die Scherbenwelt zurück, um Illidan das Wasser zu überreichen.

Viele Untoten waren dabei, als Sylvanas in den steinernen Sarg gelegt wurde und nur wenige Menschen, darunter Arthas, Nawrya, Kynarus, Damrag und Abbendis.

Arthas und Nawrya blieben am längsten bei ihr.

Bevor sie gingen, legte Nawrya eine Hand auf den steinernen Sarg.

"Danke, Sylvanas, dass du Arthas und mir das Leben gerettet und dafür gesorgt hast, dass wir glücklich weiterleben können."
 

Als Arthas und Nawrya in Shattrath ankamen, wurden sie bereits von dem Dämonen erwartet.

"Endlich seid ihr zurück", sagte er.

"Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, wenn ich nach Lordaeron zurückgekehrt hätte, aber A'dal hat mir, während ihr weg wart, meinen alten, guten Geist wieder hervorgeholt."

Arthas lächelte ihn an und holte die Phiole aus seiner Tasche.

"Dann ist es jetzt Zeit, dass du auch von Außen wieder so aussiehst wie früher."

Fast schon ehrfürchtig nahm Illidan das Fläschchen entgegen.

"Ich danke euch."

Er öffnete es, mit seinen großen Händen etwas unbeholfen, und trank den Inhalt.

Für die ersten Sekunden geschah nichts und Arthas befürchtete schon, dass das Wasser nichts bewirkte, doch dann verschwanden die Tätowierungen von Illidans Körper, seine Hörner wurden immer kleiner und verschwanden ganz, ebenso seine Flügel.

Seine Hände, Beine und Füßen wurden wieder wie die eines Nachtelfen und sein Körper nahm an Muskeln und Größe etwas ab.

Vor ihnen stand jetzt der Nachtelf Illidan, zwar immer noch blind, aber ein Nachtelf.

Arthas beobachtete lächelnd, wie Illidan seinen Kopf befühlte, seine Füße und seine Arme.

"Ich bin wieder ein Nachtelf", sprach er leise.

"Ich kann ... wieder nach Hause zurückkehren."

Arthas nickte.

"Ja, das kannst du."

"Ich werde sofort aufbrechen!"

Die Vorfreude auf sein zu Hause war so offensichtlich, dass Arthas lachen musste.

Illidan sah aus wie ein kleines Kind, dass sich auf seinen Geburtstag freute.

Dann komm mit uns, wir werden dir eine Eskorte zur Verfügung stellen.
 

Als der Nachtelf zusammen mit zwei Paladinen seine Heimreise antrat, saß Arthas im Schlossgarten zusammen mit Nawrya auf einer Bank und entspannte sich.

"Es war anstrengend", gab Arthas zu.

"Und traurig", fügte Nawrya hinzu.

Der König nickte.

"Ja, das ist wahr. Aber zumindest konnten wir ihn glücklich machen."

Sein Mädchen schloss die Augen und lehnte ihren Kopf auf seine Schulter.

"Jetzt endlich Frieden", flüsterte sie leise.

Arthas legte ihr einen Arm um.

Beim Licht, hoffentlich hatte sie recht.

Einmal Freund, immer Freund

Es vergingen mehrere Tage, als Arthas gerade mit Nawrya durch die Stadt spazierte und eine Wache auf die beiden zukam.

"Es sind einige Zwerge hier eingetroffen", sagte der Mann.

"Sie suchen nach Euch, Hoheit."

"Einige Zwerge?", dachte sich Arthas.

Irgendwie hatte er da ein flaues Gefühl im Magen.

Der Wachmann nickte.

"Sie warten am Tor auf Euch."

Nachdem er einen nervösen Blick zu Nawrya warf, ging Arthas los. Selbstverständlich folgte ihm seine Freundin.

Sie gingen durch die verschiedenen Gassen und Straßen, bis sie schließlich das Haupttor erreichten.

Und da stand er dann. Muradin Bronzebeard.

Zwar nicht ganz so, wie ihn Arthas in Erinnerung hatte, aber dennoch war es Muradin, sein alter Schwertkampflehrer und Freund.

Aber Arthas wusste, dass Muradin wahrscheinlich aus Rache da war und nicht, um mit ihm eine heiße Tasse Tee zu trinken und ihn danach zu fragen, was er denn als Lichkönig so alles schönes getötet und zerstört hatte.

Nein, Rache war sicherlich der Grund dafür. Rache dafür, was Arthas alles getan hatte.

Er näherte sich dem Zwerg, der ihn dann bemerkte und mit einem unglaublich gelassenen Blick entfang.

"Hallo, Junge", begrüßte ihn der Zwerg.

In seiner Stimme schwang Freude mit. Die Anrede, die Muradin wie in früheren Zeiten gegenüber Arthas benutzte, löste in diesem eine Art Freudegefühl aus.

"Schön, dich mal wieder zu sehen."
 

Ganz gegen Arthas' Erwartungen, saßen sie Minuten später am Tisch und tranken heißen Tee - heute war ein etwas kühlerer Tag.

Außerdem tauschten sie die Erlebnisse der letzten Jahre aus, Arthas aber genügte es, nur die Ereignisse zu erzählen, die er seit seinem Ich-bin-Wieder-Ich-Selbst-Moment erlebt hatte.

Das schien dem Zwerg auch schon zu genügen.

Muradin erzählte, sein Gedächtnis nach der Sache mit Frostmourne verloren zu haben. Später wurde er zum König der Frosterben ernannt. Durch seinen Bruder Brann, der ihn als Muradin also wiedererkannte, erinnerte er sich wieder an alles.

Zwar hatte er wirklich zuerst an Rache gedacht, doch nun wurde ihm klar, dass Arthas kaum Schuld an dem Geschehenen trug.

"Nun, Junge ... Ich bin froh, dass du wieder der alte bist", meinte er grinsend und trank seinen Tee, der ihm aber anscheinend nicht mundete. Wahrscheinlich würde er lieber ein ordentliches Bier verputzen.

Arthas lächelte.

"Ich freue mich ebenfalls, dass Ihr Euch wieder bester Gesundheit erfreut."

Auch wenn ihn der Zwerg nun dutzte - was Arthas keineswegs schlimm fand - so siezte er seinen alten Lehrer noch. Er fand es als Art ... Höflichkeit, weil er ihm irgendwo etwas schuldig war.

"So, Muradin", fing Arthas dann an.

"Was führt Euch nun zu mir?"

Der Zwerg stellte seinen Tee weg und lächelte.

"Aus reiner Neugier, was du alles aus deinem Reich gemacht hast."

Er sah sich um.

"Nicht schlecht, nicht schlecht."

Er grinste Arthas an und beide lachten amüsiert.

Nawrya war bei dieser Unterhaltung nicht dabei. Sie wollte die beiden unter vier Augen lassen.

Der Zwerg seufzte, nahm einen weiteren Schluck Tee und blickte dann wieder Arthas an.

"Hoffentlich passiert was Spannendes, während ich hier bin."

Arthas lächelte verunsichert, denn er wusste nicht, was er sagen sollte.

Zwar wollte er, dass der Zwerg durch die Erfüllung dieses Wunsches fröhlich wurde, aber andererseits hatte Arthas in letzter Zeit genug um die Ohren gehabt.

Deshalb schwieg er nur und Trank weiter seinen Tee.

Er setzte die Tasse ab.

"Es ist schon spät", sagte er dann.

"Man wird Euch auf Euer Zimmer bringen, Eure Begleiter ebenfalls. Wir sehen uns morgen früh beim Frühstück."

Der Zwerge nickte. Sie verabschiedeten sich und dann ging jeder seiner Wege - zumindest für den Rest des Tages.
 

Spät in der Nacht stand Arthas auf dem Balkon. Er grübelte, dachte nach. Das viele Denken ließ ihm einfach keine Ruhe.

Er blickte zu der friedlich schlafenden Nawrya, dann wieder nach draußen und in den Sternenhimmel.

"Beim Licht", dachte er sich.

"Soll ich? Ja oder Nein?"

Er war verunsichert. Das hätte sogar ein Blinder bemerkt.

Er atmete tief durch und zwang sich zur Ruhe.

"Alles wird gut gehen", dachte er sich. Dann lächelte er.

Ja. Alles würde gut gehen.

Weiterhin lächelnd drehte er sich wieder zum Bett um. Er legte sich wieder zu seiner Freundin und schlief schnell ein.
 

Am nächsten Tag war Arthas eine Weile alleine in der Stadt unterwegs. Von Nawrya hielt er sich zunächst fern - er hatte einiges vor.

Die meiste Zeit verbrachte er nun mit Muradin, führte ihn durch die Stadt, zeigte ihm wichtige Standorte wie den Marktplatz und wie der Weg dorthin war und vieles mehr.

Es war wichtig, dass Muradin auch alleine zurechtfand, während er wir war. Sicherlich wollte der Zwerg auch nicht unbedingt auf Arthas angewiesen sein.

Nachdem dieser ihn nun überall herumgeführt hatte, redeten sie wieder über ernstere Dinge.

Dazu setzten sie sich auf eine etwas abseitsstehende Bank am Straßenrand.

"Wie ist die Lage in Northrend, seit ich ... oder eher ... der Lichkönig ... weg ist?"

Muradin wollte ihn wohl auf die lange Folter spannen, denn er zündete sich zuerst gemächlich eine Pfeife an und tat ein paar Züge, bevor er antwortete.

"So wie ich das sehe, geht der Kampf gegen die Geißel gut weiter, obwohl sie hart und unberechenbar zuschlagen, seit sie niemand mehr führt."

Arthas nickte etwas gedankenversunken.

"Ja, das klingt realistisch."

Muradin zog wieder an der Pfeife.

Arthas wurde etwas nervös.

"Aber als du noch da warst, konnte die Geißel gut zurückgeschlagen werden, oder?"

Muradin nickte.

"Ja. Ohne große Probleme."

Erleichtert atmete der König aus.

"Das sind wirklich erfreuliche Nachrichten. Hast du dir schon überlegt, wie lange du nun da bleiben wirst?"

"Ich werde so lange da bleiben, bis etwas passiert, wobei ich helfen kann, Junge. Und wenn ich dafür immer hier bleiben muss!"

Der König grinste breit. Diesen Zwerg hatte er damals schon sehr früh ins Herz geschlossen und daran hatte sich auch nichts geändert.

Er schloss die Augen und genoss den warmen Sonnenschein. Wieder kreisten seine Gedanken um ein wichtiges Thema.

Er stand auf und verabschiedete sich von dem Zwerg, danach ging er zurück in den Palast und schritt auf die Gemächer seiner Schwester zu.

Arthas wollte diese wichtige Angelegenheit, die ihn beschäftigte, unbedingt mit Calia bereden ...
 

Als er das Zimmer seiner Schwester verließ, strahlte er vor Glück. Sein Herz schlug schnell vor Freude.

Er konnte es kaum erwarten, Nawrya zu sehen - glücklicherweise war es ein sonniger und warmer Tag, sodass er sich das, was er vorhatte, erlauben durfte.

Eilig ging er aus dem Schloss und verstaute einen kleinen Gegenstand in seiner Jackentasche.

Arthas holte zwei weiße Pferde und machte sich auf, seine Freundin zu suchen. Schließlich fand er sie auf dem Marktplatz zusammen mit Abbendis - die beiden gönnten sich einige Süßigkeiten. Lächelnd ging er auf die beiden Frauen zu, die Pferde am Zügel.

"Dürfte ich mir deine Freundin ausborgen?", fragte er lächelnd an Abbendis gewandt.

Diese lächelte.

"Oh, mit Vergnügen."

Nawrya warf Arthas einen neugierigen und fragenden Blick zu, aber er grinste nur breit.

"Komm, steig auf."

Sie lächelte und stieg auf ihr Pferd, während Arthas sich auf seines schwang.

Zusammen ritten sie zunächst zum Blendwassersee, danach bog Arthas jedoch in den Wald ein, in dem Arthas und Nawrya zusammen gekommen waren.

Als Nawrya es bemerkte, sah Arthas, wie sie rot wurde und sein Grinsen wurde breiter.

Schließlich gelangten sie auf die Lichtung, auf der sie sich das erste Mal geküsst hatten. Die Abendsonne tauchte den Wald in ein romantisches rot, die Sonnenstrahlen fielen durch die Bäume und ein klitzekleiner Bach plätscherte durch die Lichtung, der das Sonnenlicht ein wenig refliktierte.

Sie stiegen ab und banden die Pferde fest.

Arthas nahm Nawrya an die Hand und schaute sich um, von der Schönheit des Waldes begeistert. Der warme Wind rauschte durch die Bäume und die Harmonie wirkte vollkommen.

Dann blickte er Nawrya an.

"Weißt du noch, was hier passiert ist?"

Sie lehnte ihren Kopf auf seine Schulter.

"Hier sind wir zusammenkommen", antwortete sie. Er lächelte und streichelte über ihren Kopf.

"Ja", bestätigte er ihre Antwort.

"Und jetzt hilft uns dieser Ort, einen weiteren Schritt in unserem Leben zu gehen."

Er sprach leise, sanft und liebevoll.

Sie nahm ihren Kopf wieder von seiner Schulter und sah zu ihm auf. In ihren Augen zeigte sich das Gefühl von Überraschung und Erwartung.

"Nawrya, wir sind jetzt schon seit mehreren Monaten zusammen. Auch, wenn es vielleicht nicht die längste Zeit ist, so will ich dir sagen, dass du mir gezeigt hast, dass du die richtige für mich bist."

Er drehte sich nun ganz zu ihr um.

"Ich kann mir keine andere mehr für mich vorstellen als dich ..."

Er ging auf die Knie und nahm Nawryas Hand.

Er schaute zu ihr auf, während sie mit einem fassungslosen Blick zurückschaute. Er wusste nicht, ob das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war.

"Nawrya ...", fing er an und drückte ihre Hand etwas fester.

"Möchtest du meine Frau werden?"

Die nächsten Momente vergingen, ohne, dass es etwas passierte.

Dann verwandelte sich Nawryas fassungsloses Gesicht zur puren Freude.

"Ja, Arthas! Ja!", rief sie aus, lachte und umarmte ihn stürmisch.

Vor lauter Erleichtertung lachte er ebenfalls. Heiraten ... er würde Nawrya bald heiraten!

Auf einmal ertönte ein lautes Brüllen, welches ihr Glück störte.

Es klang drachisch ... und nah. Außerdem schien es ein sehr großer Drache zu sein, der Stimme nach zu urteilen.

Ein gewaltiger Schatten flog über sie hinweg und raubte ihnen das Sonnenlicht.

"Beim Licht", flüsterte Arthas und sah gen Himmel. Seine Augen verfolgten den riesigen Schatten und weiteten sich vor Angst.

"Ich hätte nie gedacht, ihn jemals hier zu sehen ... Deathwing ..."

Neben ihn hörte er, wie Nawrya schockiert und ängstlich aufatmete.

Der letzte Kampf

Die Pferde der beiden Verlobten ritten so schnell durch den Wald, wie ihre dünnen Beine es konnten.

Als sie aus dem Wald herausritten, preschten sie geradewegs auf Lordaeron zu. Arthas hatte durch Deathwing nicht einmal die Möglichkeit gehabt, Nawrya den Verlobungsring zu geben, den er gekauft hatte. Aber dies wollte er später tun, wenn sie für, auch wenn nur für einen kurzen Moment, Ruhe hätten.

Arthas beobachtete, wie der riesige schwarze Drache neben Lordaeron landete und laut brüllte.

Sein Brüllen drang Arthas durch sämtliche Knochen. Es war, als würde er nur noch dieses Geräusch hören, dass erschreckend und faszinierend zugleich war; er nahm nicht einmal mehr das laute Hufgeklapper der Pferde war, während der Drache brüllte.

Die Geräusche drangen erst wieder zu seinem Ohr, als Deathwing verstummte.

Der König beobachtete, wie scheinbar verzweifelte Bogen- und Armbrustschützen auf den Drachen schossen, doch die für Deathwing winzig kleinen Bolzen und Pfeile prallten wirkungslos an dessen schwarze Rüstung ab.

Arthas blickte zu Nawrya.

"Hör mir zu! Du musst nach Dalaran aufbrechen. Nimm am besten Kynarus und Damrag mit, wenn du willst, noch ein paar, aber ich muss hier bleiben und Lordaeron verteidigen. Suche Rhonin in Dalaran auf! Ich weiß, dass er schon einmal gegen diese Bestie gekämpft haben soll. Er wird wissen, was zu tun ist!"

Nawrya schaute zu ihm, ihr Gesicht zeigte sichtlich Sorge um ihn und Tränen traten in ihre Augen.

"Aber du könntest sterben ..."

Arthas schluckte schwer.

"Ich weiß, aber dieses Risiko muss ich eingehen."

Sie erreichten Lordaeron und schafften es, hinein zu gelangen.

Die beiden stiegen von ihrem Pferd ab.

"Such die beiden und reite los", sprach er noch einmal zu ihr.

"Nehmt ein Schiff."

Er fasste in seine Hose und holte das kleine Schächtelchen heraus. Er öffnete es, entnahm der Schachtel den Ring und steckte ihn Nawrya an ihre Hand.

"Nimm ihn, bevor du gehst."

Nawrya betrachtete für einen Moment den Ring an ihren Finger, dann rollten Tränen über ihre Wangen. Sie umarmte Arthas fest.

"Bitte, riskiere nicht mehr als sonst. Ich will die Zukunft, die du für uns geplant hast, erleben."

Arthas umarmte sie ebenfalls und hielt aufsteigende Tränen zurück. Er konnte nichts versprechen, musste sie dennoch beruhigen.

"Das wirst du ..."

Er küsste sie leidenschaftlich, bevor sie getrennte Wege gingen.

Als er sich einige Minuten auf den Stadtmauern befand und Magier und Soldaten anwies, was sie zu tun hatten, sah er, wie Nawrya zusammen mit Kynarus, Damrag und Abbendis Lordaeron verließ.

Ihm wurde schwer ums Herz.

"Wir werden uns wiedersehen", dachte er sich und sah ihr hinterher. Sie drehte sich ein letztes Mal um, aber sie war zu weit entfernt, als dass Arthas ihr Gesicht hätte erkennen können.

Dann drehte er sich wieder zum riesigen Drachen. Die Magier waren die einzigen, denen es durch ein magisches Schutzschild gelang, den Drachen zumindest einigermaßen von einer kompletten Zerstörung abzuhalten.

Er hörte schwere Schritte hinter sich.

"Arthas, Junge! Die Bewohner Lordaerons! Was sollen wir tun?"

Arthas drehte sich schlagartig zu Muradin um.

"Schick Soldaten los! Die Bürger sollen ihr Nötigstes zusammenpacken! Bringt sie nach Undercity!", befahl er knapp.

Der Zwerg nickte, gab den Befehl weiter und mehrere Soldaten entfernten sich daraufhin von der Stadtmauer. Nur wenige Momente später eilten die ersten Bürger einem Soldaten hinterher, auf den Weg zum Palast, um in die Sicherheit Undercitys zu gelangen.

"Wir müssen ausharren", sagte Arthas.

"Etwas anderes können wir nicht tun ..."

Muradin nickte.

"Und wir harren aus, bis ... was passiert?"

Arthas schloss die Augen.

"Bis Nawrya Rhonin in Dalaran erreicht hat und er Maßnahmen getroffen hat."

Muradin schlug sich an den Kopf.

"Das halten wir nicht aus! Wir müssen den Drachen von hier weglocken, damit er Lordaeron nicht beschädigt."

"Locken? Wohin?", fragte Arthas und sah Muradin verwundert an.

"Irgendwohin, auf jeden Fall weg von hier. Wir wissen weder, was er will, noch, was er vorhat. Vielleicht erfahren wir das, wenn er uns verfolgt und uns derweil sagt, dass wir sterben und nicht mehr mitbekommen, was er alles anstellen wird."

Arthas zog eine Augenbraue hoch.

"Meinst du, er ist so bescheuert?"

Muradin zuckte mit den Schultern und ein Lächeln stahl sich auf sein bärtiges Gesicht.

"Welcher Bösewicht ist das nicht?"
 

Auf ihren Pferden ritten die Soldaten, Muradin und Arthas aus dem Stadttor heraus. Nur die Magier erhielten angestrengt den Schutzschild aufrecht, solange bis Deathwing abgelenkt wurde, dann würden auch sie in Undercity Schutz suchen.

Sie ritten in die Richtung Deathwings, jedoch immer noch in einem gewissen Sicherheitsabstand.

Tatsächlich drehte sich der Drache zu ihnen um und brüllte erneut.

Fast wären die Pferde ausgerissen, besonders die der Zwerge, da diese Zwerge für gewöhnlich nicht bevorzugten.

Dennoch konnten sie ihre Pferde wieder unter Kontrolle bringen und ritten weiter.

"Schneller!", rief Arthas.

Aber welches Pferd war schneller als ein riesiger Drache?

Deathwing holte sie in zwei seiner großen Schritte ein, überholte sie mit einem dritten und stellte sich ihnen in den Weg.

Die Pferde blieben ruckartig stehen und Arthas starrte in Deathwings rote Augen. Sie fesselten ihn. In den Augen schien ein riesiges, brennendes Inferno zu lodern, welches sich Arthas nicht entziehen konnte.

Wie betäubt hörte er Muradins Stimme.

"Weg da, Junge!"

Er konnte den Blick erst abwenden, als Muradin ihm hart auf die Schulter klopfte. Sie wendeten ihre Tiere und ritten nach rechts.

Deathwing öffnete sein gigantisches Maul und stieß einen Feuerschwall aus. Das magische Feuer bildete eine undurchdringliche Wand vor Arthas und den anderen. Wiederum mussten sie stehen bleiben.

Arthas drehte sich um und sah mit Schrecken, wie sich eine Klaue Deathwings auf ihn zu bewegte. Nur Sekunden später wurde er von seinem Pferd gerissen und befand sich eingeschlossen in der riesigen Hand.

In dieser Hand hörte er nichts mehr. Keine Geräusche von außen, kein Zeichen, was mit den anderen passierte.

Nach einer Weile jedoch spürte er, wie Deathwing abhob - und in seiner Klaue wurde er von ihm zu einem ungewissen Ziel gebracht.
 

Irgendwann spürte er, wie sie landeten. Als sich die Hand öffnete und er sich auf dem Boden wiederfand, brauchte er einige Momente, um sich an die Helligkeit zu gewöhnen. Doch diese verschwand wieder, nachdem sich eine riesige Pforte schloss.

Er schaute sich erschrocken um - er befand sich in einem Berg.

"Grim Batol?", dachte er sich und riss die Augen auf. Neben sich fand er Muradin, der sich den Kopf hielt.

"Muradin! Alles in Ordnung bei Euch?", fragte er und half dem Zwerg eilig, aufzustehen.

"Ja, ich denke sch- ... eh! Ehhh! Was soll das?"

Orcs traten aus den Schatten hervor und fesselten Muradin. Arthas konnte ihm nicht helfen, da bei ihm dasselbe gemacht wurde.

Danach wurden sie auf karrenähnliche Wegen gelegt und die Orcs zogen sie tiefer in den Berg hinein.
 

Die Greifen flogen Richtung Dalaran. Der kalte Wind schlug den Reitern ins Gesicht.

Nawrya zog die Kapuze ihres Umhanges tiefer ins Gesicht und blickte über die eisige Landschaft.

"Er war jahrelang hier gefangen ...", dachte sie sich und ihr Blick wurde etwas traurig.

"Arthas ..."

Sie hatte große Angst um ihn. Sie hatte Geschichten über Deathwing gehört, Gerüchte, sie seine Macht aussagten. Seine Macht, alles zerstören zu können ...

Sie landeten in Dalaran. Nawrya stieg als erste ab und rannte los. Bevor ihre Begleiter dies wahrnehmen konnten, war sie schon vom Landeplatz verschwunden und rannte durch die magische Stadt Dalaran. Immer hatte sie vorgehabt, diese Stadt einmal zu besuchen, da sie sie fasziniert hatte. Und nun war sie hier und nahm kaum die Schönheit wahr.

Ihre Gedanken kreisten einzig und allein um ihren Liebsten.

Sie eilte zur violetten Zitadelle und rannte die Stufen hinauf. Sie war schon ganz außer Puste, legte jedoch keinen Stopp ein.

"Rhonin!", keuchte sie, als sie hineingelangte. Der rothaarige Mann, der gerade die Treppe innerhalb der Zitadelle hinaufgehen wollte, blieb stehen und drehte sich um.

Er schien verwundert über die Hektik Nawryas zu sein.

"Kann ich Euch helfen?", fragte er freundlich. Am oberen Ende der Treppe stand Vereesa Windrunner. Als Nawrya die Schwester Sylvanas' sah, fiel ihr gleichzeitig Sylvanas' Tod ein ... und dass Vereesa dies unbedingt auch erfahren musste.

"Herr", keuchte sie. Da Rhonin ihr gegenüber wesentlich höher gestellt war, bevorzugte sie eine ehrfürchtige Anrede. Ihre Begleiter erreichten nun auch den Eingang der violetten Zitadelle.

"Deathwing ist zurück! Er griff Lordaeron an. Die Bewohner davon und Arthas sind in höchster Gefahr! Und ganz Azeroth auch, wenn man nichts gegen das schwarze Ungetüm unternimmt!"

Rhonins Augen wurden groß.

"Deathwing?!", rief er erschrocken aus und er blickte zu Vereesa, die nicht weniger schockiert zurückschaute.

"Wir müssen zu Krasus", sagte er zu ihr. Dann schüttelte er leicht den Kopf.

"Ich meine natürlich ... Korialstrasz. Und zu Alexstrasza. Sofort!"

Vereesa nickte. "Ich werde die Greifen satteln."

Sie eilte die Treppen hinunter und wollte nach draußen, doch Nawrya hielt sie noch auf.

"Wartet", sagte sie. Ihre Miene wurde wieder trauriger, als sie an Sylvanas dachte.

"Es gibt da noch etwas, was Ihr wissen solltet."

"Ja?", fragte Vereesa und zog eine Augenbraue hoch.

"Eure Schwester, Sylvanas ... sie ist tot", sagte Nawrya leise.

Vereesa blieb einige Momente verdattert auf der Stelle stehen.

"T...tot? Wie ist das passiert?", flüsterte sie dann schließlich.

Nawrya senkte den Kopf.

"Sie ist beim Kampf gegen Kael'thas Sunstrider gefallen."

Vereesa kam nicht dazu, etwas zu erwidern, denn Rhonin, der das Gespräch wohl nicht verstanden hatte, drängte Vereesa, sich zu beeilen.

Diese kam der Bitte nach und eilte nach draußen. Nawrya sah jedoch, wie eine Träne ihr über die Wange rollte.

Dann wandte sie sich wieder an Rhonin.

"Was wird nun geschehen?", fragte sie ängstlich.

Der Magier schien nachzudenken.

"Krasus wird wie damals wohl wieder einige andere Drachen zusammenrufen, um Deathwing zu bekämpfen. Bis dahin müssen wir uns gedulden, denn nur diese Drachen können Deathwing etwas anhaben. Ihr Menschen könnt zumindest eine Streitmacht zusammenstellen, falls es zu einem Kampf gegen andere Drachen, Orks oder sonst etwas kommen sollte."

Nawrya nickte. Sie versuchte die Tränen zu unterdrücken, die ihr immer wieder beim Gedanken an Arthas emporkamen.

"Wie werden wir benachrichtigt?", fragte sie dann.

Rhonin blickte sie an.

"Wir werden nach Lordaeron kommen, wenn wir soweit sind."

Nawrya nickte ein zweites Mal. Eine Träne rollte über ihre Wange, ohne, dass sie es verhindern konnte.

"Fürchtet Euch nicht", hörte sie die Stimme Rhonins, als sie die Augen schloss und sich die Träne wegwischte.

"Deathwing wurde schon einmal besiegt. Das schaffen wir auch mehrere Male."

Die Frau schüttelte nur leicht den Kopf.

"Darum weine ich nicht."

Sie spürte die Hand von Damrag auf ihrer Schulter.

"Ihm wird nichts geschehen", flüsterte er zu ihr.

"Arthas ist ein schlauer Mann, das weißt auch du. Er wird nichts unnötig riskieren."

Rhonin verfolgte das Gespräch.

"Nun, allerdings könnt ihr auch hier bleiben. Wir können gemeinsam aufbrechen, wenn wir soweit sind."

Nawrya wusste nicht, was sie antworten wollte. Sie wollte so schnell wie möglich zurück zu ihrem Verlobten, hatte gleichzeitig jedoch Angst, dort etwas Schreckliches vorzufinden.

Sie blickte verzweifelt zu Damrag, der sie fürsorglich und beruhigend anblickte.

"Wir kehren zurück", sagte er dann freundlich.

"Falls wir dort nicht bleiben können, aus welchen Gründen auch immer, kehren wir hierher zurück."

Rhonin nickte einverstanden.

"Um die Fährte Deathwings aufzunehmen, müssen wir sowieso zuerst nach Lordaeron reisen. Auch wenn ich schon vermute, wo er stecken könnte."

Nawrya verstand, was er meinte. Er hatte gegen Deathwing schon einmal gekämpft - mehr oder weniger selbst gekämpft.

"Ihr meint Grim Batol?", fragte Nawrya leise.

Rhonin nickte.

"Ja, da habt Ihr recht. Grim Batol ..."
 

Arthas wurde durch viele Gänge gefahren, zusammen mit Muradin. Sie kamen an Orcs vorbei. Ab und zu erhaschte Arthas einen Blick in die Gänge, die zu riesigen Räumen führten, die in ein seltsames rotes Licht getaucht waren, so als wäre dort Lava.

Doch in diese Räume gelangten sie nicht. Irgendwann ging es dann abwärts - die Orcs hätten einmal beinahe den Karren nicht halten können und er wäre ins ungewisse Ende des Tunnels gerauscht. Dann, als sie ganz unten angekommen waren, sah Arthas ein helles Licht - und sie fuhren in einen etwas größeren Raum, jedoch nicht so groß wie die, die Arthas gesehen hatte.

Er blickte sich um. Die Lava, die den Raum hell erleuchten ließ, schien weiter unten zu sein - eine schmale Brücke führte auf die andere Seite des Raumes. Außer, dass die Brücke aus Stein bestand und schmal war, war sie nur durch einen Hebel zu aktivieren, der sich nur auf der Seite befand, auf der sie gerade waren. Von der anderen Seite gab es diesen Hebel nicht. Sie fuhren über die Brücke und Arthas war elend zumute, als er herab blickte. Weit unten loderte die Lava, heiß und hell, wie man sie kannte.

Sie erreichten die andere Seite und befanden sich dann wieder in einem kleinen Raum, in dem es mehrere Gefängniszellen gab. Arthas wurde vom Karren genommen und in eine der Zellen gesteckt, Muradin gesellte sich zu ihm.

Die Zelle wurde verschlossen und die Orcs ließen den Karren stehen, so als würden sie die beiden irgendwann wieder abholen - dann gingen sie zurück und über die Brücke. Arthas krabbelte zur Zelltür und blickte aus dem Raum hinaus und zur Brücke. Ein Orc aktivierte den Hebel und die Brücke ging zurück und verstand schließlich in der Steinwand, aus der sie gekommen war.

"Magie oder eine ausgefuchste Technik?", fragte sich Arthas verwundert.

Dann blickte er zu Muradin, der verzweifelt versuchte, seine Handfesseln abzumachen. Weil er sich dazu am Boden hin und herdrehte, sich rollte und schließlich mit dem Bauch auf dem Boden liegen blieb, musste Arthas grinsen.

"Mit gegenseitiger Hilfe schaffen wir es vielleicht", meinte er und dachte nach.

"Und wie, Junge?", knurrte Muradin.

"Diese verdammten Orcs sind bessere Fesslungskünstler als ich gedacht habe!"

Arthas blickte zu Muradins gefesselten Händen und robbte zu ihm.

"Was tust du da, Junge?", fragte Muradin und blieb auf dem Bauch liegen.

"Ich versuche, den Knoten mit meinem Mund aufzubekommen."

Er beugte sich nach unten und fing an, mit den Zähnen an den Knoten zu ziehen und zu zerren.

Der Zwerg lachte.

"Wenn deine Zähne Wunder bewirken können und übertalentiert sind ... He ... He! Nicht so fest! Wehe, du beißt mich!"

Arthas grinste und zog weiter am Knoten. Tatsächlich schaffte er es, ihn aufzubekommen.

Muradin setzte sich auf und rieb sich die Handgelenke.

"Danke, Junge."

Arthas drehte Muradin wortlos den Rücken zu und dieser entknotete die Fesseln.

Der König streckte sich und rieb sich lächelnd die Handgelenke.

"Das tut gut. Die Fesseln saßen eindeutig zu fest."

Er stand auf und trat zum Gitter.

"Selbst wenn wir es aus der Zelle schaffen, so schaffen wir es nicht auf die andere Seite dieses Raumes. Die Brücke ist weg."

"Ha, hervorragend! Kannst du fliegen?", witzelte Muradin mit Ironie.

Arthas seufzte.

"Leider nein."
 

Nawrya, Vereesa, Rhonin und die anderen flogen mit ihren Greifen in Richtung des Wyrmtempels - dort befanden sich Korialstrasz und Alextrasza.

Als sie dort ankamen, landeten sie auf den höchsten Punkt des Tempels.

Rhonin stieg ab und Korialstrasz ging auf ihn zu - er und Alextrasza befanden sich gerade nicht in ihrer Drachengestalt.

Korialstrasz lächelte Rhonin an, jedoch verriet sein Blick Sorge. Dass Rhonin hier auftauchte, zeigte ihm, dass etwas nicht stimmte.

"Rhonin ... Was bedrückt dich?", fragte er ihn und zog die Augenbrauen hoch.

"Deathwing ist zurück", sagte Rhonin leise und sein Gesicht wurde ernst.

Korialstrasz wechselte einen fassungslosen Blick mit Alextrasza.

"Beim Licht ... Das ist ... schrecklich."

Mehr brachte der Drache wohl nicht heraus.

Alextraszas Miene zeigte große Sorge.

"Wir müssen Nozdormus, Malygos und Ysera sofort benachrichtigen ..."

Korialstrasz' schaute sie etwas bedrückt an.

"Malygos und Ysera, die beiden sind doch ...", fing er an, aber die Königin der Drachen unterbrach ihn.

"Ich weiß, mein liebster Korialstrasz. Jetzt ist die Zeit gekommen, unsere beiden Freunde von ihrem Fluch zu befreien und zu läutern."

Ihr Gemahl schwieg, dann nickte er.

Nawrya verzog leicht das Gesicht. Ihre Sorge um Arthas stieg von Sekunde zu Sekunde immer weiter an.

Sie betete zum Licht, dass es ihm gut ginge, dass sie ihn wiedersehen würde ...

Korialstrasz wendete sich zu Rhonin und den anderen.

"Alextrasza und ich werden uns um unsere Freunde kümmern. Kehrt nach Dalaran zurück und organisiert eine fähige Streitmacht. Sie wird von Nöten sein."

Nur schwach nahm Nawrya wahr, wie sie die Greifen bestiegen und nach zur magischen Stadt zurückflogen.
 

Lange saßen sie in ihren Zellen, ohne dass etwas passierte.

Arthas seufzte.

"Glaubt Ihr, dass sie uns verhungern lassen?", fragte er dann.

Muradin zuckte nur mit den Schultern.

"Hör zu, Junge. Ich mag diese Ansprache nicht. Rede mit mir als wäre ich dein Freund und nicht dein Vorgesetzter."

Arthas lächelte Muradin schwach zu.

"Wie du wünscht, alter Freund."

Sie hörten Schritte, die sich langsam näherten. Arthas konnte hören, wie die Brücke ausfuhr und er schaute auf.

Die Schritte kamen näher - es war eine einzige Person.

Arthas traute seinen Augen kam, als er sah, wer sie besuchen kam. Es war Lord Daval Prestor - der ehemalige Verlobte von seiner Schwester Calia.

Er riss die Augen auf.

"Ihr?!", entfuhr es ihm. Er war völlig durcheinander. Er hatte sich nicht verändert, obwohl er jetzt schon alt sein müsste!

Prestor grinste und lehnte sich an die Gitterstäbe.

"Überrascht?"

Er blickte Arthas in die Augen.

"Ich weiß noch, als ich dich damals als kleinen Jungen sah. Zu der Zeit, als ich deine Schwester heiraten wollte."

Er stieß die Luft aus.

"Eigentlich wollte ich mir nur eine gute Beziehung zu Lordaeron dadurch sichern ... Aber das ging dann alles schief, als mich meine lieben Brüdern und meine Schwester besiegt hatten."

Arthas brauchte einige Momente, um zu verstehen, was er damit meinte.

"... DU bist Deathwing?!"

Prestor nickte.

"Was für ein Blitzmerker!"

Arthas hörte, wie Muradin wütend knurrte.

"Komm her, Abschaum, damit ich dir deinen hässlichen Schädel vom Kopf schlagen kann!"

Prestor lachte laut und amüsiert.

"Ach, halt den Mund, kleiner Zwerg. Als könntest du mir etwas anhaben!"

Muradin stand auf und war noch wütender.

"Ja, natürlich kann ich das!"

"Muradin, beruhige dich", bat Arthas den Zwerg und legte ihm eine Hand auf den Arm.

Der Zwerg atmete tief durch und schwieg.

Arthas schaute zu Deathwing.

"Was hast du vor, Deathwing? Warum hast du uns damals schon belästigt?"

Der Drache grinste breit.

"Ich will eine Welt erschaffen, in der einzige und allein meine schwarzen Drachen herrschen! Die unwürdigen Menschen, Zwerge und alle anderen Geschöpfe sollen von dieser Welt verschwinden. Meine Drachen werden euren Platz einnehmen ... und ich werde als Oberhaupt über alle regieren."

Arthas starrte Deathwing an.

"Verrückt ... Du bist vollkommen durchgedreht!"

"Bin ich das?", fragte Deathwing und zog eine Augenbraue hoch.

"Nun, das wird dir egal sein, wenn du tot bist."

Arthas verengte die Augen.

"Wieso hast du mich nicht schon längst getötet?"

Deathwing wandte sich zum Gehen.

"Ich brauch eine Geisel. Und ... Einen Schock für kommende Angreifer. Ich werde dich töten, wenn sie da sind. Das wird sie schwächen. Und außerdem ... Hätte ich dich in Lordaeron getötet, dann würden sie nicht sofort kommen, weil sie wüssten, dass es hier niemanden gibt, den es zu retten gilt. Jetzt werden sie aber so schnell wie möglich kommen. Je schneller sie kommen, desto schneller werden auch sie sterben und desto schneller werde ich Azeroth unter meiner Kontrolle haben! Ich warte nicht gerne, das hab ich schon lange genug."

Arthas schloss die Augen. Er sah das Gesicht Nawryas vor sich, sah vor sich, wie sie von einem Feuerschwall verbrannte.

Er spannte sich an.

"Nawrya, gib Acht auf dich", dachte er sich und betete stumm zum Licht, dass es sie behüte.

Deathwing verließ den Raum, ohne dass Arthas etwas auf seine Erklärung gesagt hatte.

Der König zog die Beine zu sich und legte die Arme darum, danach stützte er seine Stirn auf den Knien.

"Junge?", hörte er Muradins Stimme, doch er antwortete nicht.

Arthas würde sterben, wenn seine Freunde und eine Streitmacht eintrafen und angriffen.

Er würde sterben, vor den Augen Nawryas. Arthas war sich sicher, Deathwings Macht nicht gewachsen zu sein.

Er würde sterben, und Nawrya würde es sehen und ihr Herz würde brechen.
 

Arthas' Verlobte wanderte durch die Straßen von Dalaran. Es war Nacht. Aber sie konnte nicht schlafen. Nein, das konnte sie nicht ...

Sie setzte sich beim Brunnen auf den Rand und schaute ins Wasser. Die Sterne über Dalaran glitzerten im Wasser.

Sie hatte das Gefühl, dass Gesicht Arthas' im Wasser zu sehen.

"Erst jetzt wird mir klar, wie sehr mit deine Nähe fehlt", flüsterte sie leise. Sie streckte ihren Zeigefinger aus und streichelte über das Gesicht von Arthas, welches sie im Brunnenwasser zu sehen scheinte.

"Ich will dich nicht verlieren."

Eine Träne rollte über ihre Wange und tropfte in das Wasser. Arthas' Gesicht wurde von den Wellen, die durch die Träne erzeugt wurden, vertrieben.

Sie hörte Schritte hinter sich.

"Nawrya, geht es dir nicht gut?"

Es war Kynarus. Sie hätte eher mit Damrag gerechnet, doch der kämpferische junge Mann gesellte sich zu ihr und setzte sich ebenfalls an den Brunnenrand.

Nawrya sah ihn an und schüttelte den Kopf.

"Ich habe solch eine Angst."

"Vor unserem bevorstehendem Kampf?"

Kynarus lächelte aufmunternd.

"Ach, komm. Das wird sicher großartig und spannend!"

Nawrya seufzte leise. Dieses Verhalten war typisch für ihn. Er dachte meist nur an den Kampf, an dessen Vorteile und nicht an dessen Nachteile.

Aber Nawrya hatte ja gar keine Angst vor einem Kampf, sondern nur Angst um Arthas.

"Nein, Kynarus, du verstehst das falsch. Ich habe Angst um meinen Geliebten ..."

Sie schloss die Augen und senkte den Kopf.

Kynarus legte ihr eine Hand auf die Schulter.

"Ihm wird schon nichts geschehen. Arthas ist ein starker Mann. Nicht ganz so stark wie ich, aber er packt das auch."

Nawrya schenkte ihm ein leichtes Lächeln.

"Danke für deinen versuchten Trost, aber ich fürchte, es bringt wenig."

Sie spürte seine Hand an ihre Wange.

"Es tut mir leid, Nawrya. Ich bin kein Mann, der so viel Gefühl aufbringen kann, jemanden zu trösten. Das ist der Fluch, hart zu sein. Ich wünschte manchmal, ich könnte so sensibel sein, wie du es bist."

Er schwieg kurz und nahm dann wieder seine Hand von ihrer Wange.

"Aber ich sage dir eines. Arthas ist beides, eine Mischung aus dir und mir. Er ist stark und gleichzeitig gefühlvoll. Er kann alles schaffen, wenn er es nur will. Er ist schlau genug, Gefahren zu entgehen, die auf ihn zukommen, weil er nicht will, dass du wegen ihm traurig bist. Ich würde der Gefahr blind in die Arme laufen, denn ich weiß, dass es niemanden gibt, der um mich trauern wird. Aber Arthas hat dich, und er will für dich da sein. Dies ist der Grund, weshalb er überleben wird."

Nawrya hörte ihm still zu. Seine Worte verblüfften sie.

"Was du sagst, ist teils richtig, teils falsch."

Ihr Lächeln wurde etwas breiter.

"Du kannst trösten und dein Tod würde sehr wohl schlimm sein, und zwar für mich und deine Freunde."

Sie schloss ihn in die Arme.

"Kynarus, du bist uns allen sehr wichtig. Versprich mir, dass auch du kein sinnloses Risiko eingehen wirst. Versprich es mir, ja?"

Sie spürte, wie er zögerte, dann jedoch auch seine Arme um sie legte.

"Ich verspreche es dir."

Nach einer Weile lösten sie wieder ihre Umarmung.

Als Nawrya wieder in ihr Zimmer im Gasthaus zurückkehrte, konnte sie endlich schlafen.
 

Am nächsten Morgen begaben sich Nawrya und ihre Begleiter in die violette Zitadelle.

Nawrya war begehrt darauf, zu wissen, wie Korialstrasz und Alextrasza die anderen drei Drachen benachrichtigen würden.

Rhonin versprach, es ihnen zu erklären, deshalb waren sie nun auf den Weg zu ihm.

Als sie in der Zitadelle ankamen, setzten sie sich an einen Tisch mit Rhonin und Vereesa.

"Korialstrasz und Alextrasza müssen Ysera und Malygos läutern. Sie sind korrumpiert, weshalb sie wieder auf die Seite der Guten gezogen werden müssen. Ich weiß nicht, wie sie das anstellen, aber ich vermute mal mit Zauberei oder mit feinem Wortgeschick."

"Was passiert, nachdem die beiden wieder auf unserer Seite stehen?", fragte Damrag, der aufmerksam zuhörte.

"Danach werden sie Nozdormu aufsuchen und ihn überreden, gegen Deathwing in den Kampf zu ziehen. Nur wenn Ysera, Malygos und Nozdormu mitkämpfen, kann Deathwing bezwungen werden."

"Und Eurer Meinung nach versteckt sich Deathwing also in Grim Batol?", fragte Nawrya dann.

Rhonin nickte.

"Dort hatte er schon einmal sein Hauptquartier gehabt, dort wird es wieder sein."

Nawrya senkte den Blick auf den Tischrand. Sie musste Arthas unter allen Umständen da herausholen!

"... Wir müssen jedoch wirklich sicher gehen, dass er dort ist. Deshalb müssen wir zuerst nach Lordaeron", fügte er hinzu.

Nawrya nickte.

"Einverstanden."

Rhonin stand auf.

"Stellt eure Streitkräfte zusammen. Wir müssen alle gemeinsam gegen Deathwing vorgehen."

Nawrya stand ebenfalls auf.

"Ich werde Briefe verschicken. Wisst Ihr, in wie vielen Tagen wir in Lordaeron sein werden? Ich habe vor, dazuzuschreiben, wann wir uns dort treffen."

Rhonin überlegte kurz.

"In drei Tagen werden wir dort sein."
 

Die Mahlzeiten, die Arthas und Muradin bekamen, war viel zu wenig für ihre Bedürfnisse. Mehr als ein halbes Laib Brot und Wasser bekamen sie am Tag nicht.

Arthas lehnte an der Wand, erschöpft von der wenigen Ernährung.

"Muradin", sprach er leise, um Kraft zu sparen.

"Meinst du, dass wir schon früher sterben?"

Muradin stand an der Wand der Gefängniszelle.

"Nein. Wir müssen stark sein!", sprach er entschlossen.

Arthas war verblüfft über die Stärke des Zwerges. Leider traf dies für ihn nicht zu.

"Ich schaffe es nicht, Muradin. Ich bin nicht so stark wie du."

Jetzt drehte der Zwerg sich zu ihm und. Er schritt auf ihn zu und kniete sich vor ihm hin. Fürsorglich legte er eine Hand auf Arthas' Schulter.

"Junge, hör mir zu", sprach er beruhigend aber dennoch einschüchternd.

"Deathwing ist stark aber unser Wille ist stärker. Er will uns quälen, aber wir sind immun gegen seine Erniedrigungen! Wir zwei sind zusammen stark und werden das auch immer bleiben, solange man uns nicht trennt. Junge, wenn es etwas gibt, was ich für dich tun kann, dann sag es mir. Ich bin hier und helfe dir, so gut ich es tun kann."

Arthas lächelte schwach. Irgendwie fühlte er, dass ein vertrautes Band zwischen ihnen wuchs.

"Ich danke dir, Muradin."

"Da gibt es nichts zu danken, mein Freund."
 

Drei Tage vergingen, die Briefe waren verschickt.

Abflugbereit befanden sich Nawrya, ihre Freunde, Rhonin und Vereesa am Landeplatz. Außerdem waren noch einige Magier, die Rhonin bereit gestellt hatte, dabei. Dann ging es endlich los. Die Drachen wollten selbstständig nach Lordaeron fliegen.

Die Greifen erhoben sich in die Lüfte und flogen in die Richtung der östlichen Königreiche, um nach Lordaeron zu gelangen.

Es dauerte mehrere Stunden, bis sie wieder zurückkamen. Nawrya schaute sich um, als sie landeten und entdeckte die große, verbrannte Stelle ein Stück weit entfernt von Lordaeron.

Auch erkannte sie verbrannte Leiber und ihr Herz drohte stehen zu bleiben.

"Da hinten!", sagte sie schnell und ritt mit ihrem Greifen darauf zu.

Es waren insgesamt sieben verbrannte Menschen und drei Zwerge, die sie entziffern konnte. Allerdings konnte sie keinen der Menschen als ihren Liebsten identifizieren, obwohl sie die Leichen nicht länger als nötig ansah. Es sah abscheulich aus und Mitgefühl kam in ihr hoch.

Damrag kam neben ihr zu stehen.

"Er muss Arthas mitgenommen haben, Muradin auch", sagte dieser nachdenklich.

Nawrya nickte nur leicht.

"Ich will ihn befreien! Ich will zu Arthas ..."

"Wir kommen noch rechtzeitig zu ihm", versicherte Damrag ihr.

Rhonin kam dazu. Er blickte sich prüfend um, hob seine Hand und schien irgendwas mit Magie anzustellen. Nawrya beobachtete ihn. Rhonins Augen leuchteten kurz auf.

"Er ist in Grim Batol, wie ich vermutet hatte."

Leicht besorgt hob Nawrya die Augenbrauen.

"Wie kommen wir am besten rein?"

Rhonin senkte nachdenklich seinen Kopf.

"Damals konnte ich durch einen Höhleneingang an einer höher gelegenen Position hineingelangen. Aber mit einer riesigen Streitmacht funktioniert das jetzt nicht mehr. Wir müssen wohl oder übel durch die Hauptpforte, wenn Deathwing nicht herauskommt."

Nawrya schüttelte den Kopf.

"Wir müssen rein! Arthas und Muradin sind da drinnen! Wir müssen sie befreien!"

Rhonin nickte einverstanden.

"Dann also sicher rein, in Ordnung."

Nawrya drehte sich um und sah, wie die fünf Drachen auf sie zugeflogen kamen; Ysera, Nozdormu, Malygos, Korialstrasz und Alextrasza in ihrer ganzen Pracht.

"Es sieht ... beeindruckend aus", flüsterte Nawrya ehrfürchtig, als die Sonne die Drachen beschien.

"Ja", bestätigte Abbendis.

"Wunderschön."

Nawrya lächelte sie an und blickte dann wieder zurück. Verwundert erkannte sie, wie fast alle Truppen, die sie zu sich gerufen hatten, gleichzeitig eintrafen - die Gnome und Zwerge, die Orcs und Trolle, die Tauren sichtbar auf einem noch etwas weiter entfernten Schiff und die Nachtelfen und Draenei, die sich wohl zwei Schiffe teilten und sich ebenfalls näherten.

Die Untoten, die sowieso unter Undercity lebten, kamen jetzt auch zum Vorschein.

Nawrya freute sich. Sie hatte ohne die Hilfe Arthas' alleine eine Streitmacht erstellt. Obwohl sie sich über diese Eigenständigkeit freute, wurde ihre Freude durch die Sorge um Arthas wieder verdrängt.

Sie drehte sich um, um die ankommenden Soldaten zu begrüßen. Als alle da waren, bedarf es nicht einmal einer Bitte Nawryas, leise zu sein.

Sie hob ihre Stimme an.

"Danke, dass ihr gekommen seid. Ihr wurdet sicher darin unterrichtet, wie wichtig dieses Anliegen ist. Nicht nur, dass wir den König Lordaerons und Muradin Bronzebeard befreien müssen, nein, auch Deathwing ist eine Bedrohung für ganz Azeroth ..."

Während sie redete, wanderte ihr Blick über die Menge an Soldaten.

Ihre Blicke blieben an verschiedenen Personen hängen.

Tyrande Whisperwind, die Stormrage-Brüder, Brann und Magni Bronzebeard, Varian Wrynn, Cairne Bloodhoof und Thrall waren dabei. Nawrya konnte sich vorstellen, dass Velen nicht gerne bei einer Schlacht dabei wäre und über die Anführer der Horde wusste sie wenig. Wäre Sylvanas noch am Leben, wäre sie sicherlich dabei gewesen.

Illidan lächelte sie zu. Obwohl er blind war, schien er es zu merken, denn er lächelte zurück. Dann drehte sie sich in die Richtung, in der die fünf Drachen soeben landeten.

Alextrasza trat vor.

"Wir sind hier und jetzt bereit, gegen unseren finsteren Bruder anzutreten. Er befindet sich in Grim Batol, richtig?"

Rhonin nickte.

"Richtig. Wir brechen dorthin auf. Seid in eurer humanoiden Gestalt und greift erst ein, wenn Deathwing sich zeigt."

Die Lebensbinderin nickte.

"Das werden wir."

Die Streitmacht brach auf in Richtung des Sumpflandes. Dort befand sich ihr großes Ziel: Grim Batol.
 

Muradin schlief gerade, als Arthas Schritte hörte.

Erneut trat Deathwing in seiner humanoiden Gestalt vor die Gefängniszelle.

"Ich grüße dich erneut. Die Streitmacht deiner Freunde ist auf den Weg hierher. Es wird Zeit, euch herauszuholen ..."

Arthas verengte die Augen.

"Ihr werdet unterlegen sein. Das Gute wird siegen, wie immer. Das Licht ist auf unserer Seite."

Deathwing lachte nur. Muradin erwachte durch die Lautstärke des Gesprächs.

"Hör auf mit deinem Gefasel von Licht, Hoffnung und das Gute. Das gibt es nicht, es ist nur eine Illusion. Hörst du? Alles, was dich zuversichtlich macht, bildest du dir nur ein, mehr ist da nicht drinnen", erklärte Deathwing.

Arthas hörte nicht darauf, was er sagte.

"Ich glaube an das, was ich will. Das kann dir gleich sein."

"Oh, das ist es auch, ich wollte dich nur eines Besseren belehren."

"Das schaffst du nicht", erwiderte Arthas ruhig. Seine Stimme klang rau; das Wasser, was ihnen gegeben wurde hatte nicht für beide gereicht.

Deathwing grinste nur. Zwei weitere Orcs kamen in den Kerker und öffneten die Zelle.

Muradins Fäuste ballten sich und Arthas wusste, was er vorhatte.

Er ballte ebenfalls die Fäuste, um zu zeigen, dass er verstand. Dann, als die Orcs sie gerade nehmen wollten, griffen sie an.
 

Die Reise zum großen Berg dauerte lange. Bis zum Arathihochland verlief sie ereignislos, was Nawrya jedoch gerade recht kam.

"Sollen sich unsere Feinde ruhig verstecken, bis wir Grim Batol erreichen", dachte sie sich. Auf große Verluste vor Grim Batol hatte sie keine Lust.

Als sie jedoch den Thandolübergang am Ende des Arathihochlandes erreichten, geschah das, was Nawrya befürchtet hatte. Sie wurden angegriffen.

Im Himmel konnten sie drei feindliche, etwas kleinere Drachen ausmachen.

Rhonin schaute zu Nawrya.

"Sollen unsere fünf Drachenfreunde angreifen?", fragte er sie.

Nawrya dachte schnell nach.

"Nein. Wenn man sie sieht, können sich unsere Feinde zu schnell vorbereiten. Sie müssen vorerst unerkannt bleiben."

Zwar befanden sie sich in ihrer humanoiden Gestalt, doch beim Eingreifen würden sie sich in Drachen verwandeln.

"Soldaten! Macht euch bereit zum Kämpfen!"

Die Magier stellten sich auf, die Bogenschützen legten die Pfeile ein und die Nahkämpfer zogen ihre Waffen. Die Drachen flogen nun gen Boden und auf die Streitmacht zu.

Die Drachen fielen mittendrinnen ein, ohne große Kampfstrategie und schlugen mit ihren Schwänzen und Krallen um sich. Zusätzlich bisschen und zerfleischten sie Soldaten mit ihren Mäulern.

"Bogenschützen!", rief sie laut und beobachtete nervös das Geschehen. Die Schützen schossen ihre Pfeile gezielt auf zuerst einen Drachen. Dieser bekam mehrere Pfeile ab und stieß einen Schmerzensbrüller aus. Dennoch nahm er erneut einen Soldaten in seiner Kralle auf und schleuderte ihn durch die Luft.

Nawrya stieg nun ab und stürzte sich auf einen der anderen Drachen; der andere fiel durch die nächsten Pfeile, die die Bogenschützen schossen.

Sie schlug hart auf die Flanke des Drachen. Er wandte sich zu ihr, hob seine Klaue und beförderte Nawrya einige Meter durch die Luft. Sie schlug auf den Boden auf und verzog vor Schmerzen das Gesicht.

Als sie aufstand, beobachtete sie, wie Kynarus dem Drachen den Garaus machte und dabei vor lauter Freude jubelte, dass es sein erster Drache sei, den er erlegt hatte.

Der letzte Drache hatte keine Chance; er fiel wenige Sekunden später.

Nawrya spürte, wie Alextrasza neben sie trat.

"Ich finde es traurig, wie diese Drachen sich gegen uns wenden. Ich verdamme Deathwing für sein verrücktes Vorhaben."

Nawrya blickte zur Königin der Drachen.

"Welches Vorhaben?", fragte sie.

"Deathwing war schon immer bestrebt danach, dass allein sein Drachenschwarm über diese Welt herrscht."

Sie schüttelte den Kopf.

"So viele Leben, die dadurch zerstört werden ..."

Traurig blickte Nawrya auf die soeben gestorbenen und verwundeten Soldaten.

"Ein unwichtiges Leben für ihn, aber ein wichtiges Leben für die Angehörigen der Toten."

Alextrasza warf Nawrya einen anerkennenden Blick zu.

"So denken wenige. Aber die, die so denken, sind gute Kriegsführer, denn sie achten darauf, so wenig Verluste wie nur möglich zu machen."

Nawrya nickte und lächelte dankbar.

Dann stieg sie wieder auf ihr Pferd und ignorierte die leicht pochenden Schmerzen, die sie im Kampf soeben erhalten hatte.

Nun waren sie im Sumpfland angelangt und Grim Batol war nicht mehr weit entfernt.
 

Die Orcs lagen betäubt am Boden und Arthas und Muradin hatten jetzt Deathwing im Visier, der ihre schnelle und vor Allem kräftige Wehr nicht vorhergesehen hatte.

Nur knapp konnte er ausweichen, stieß Muradin dann aber mit einem magischen Strahl an die Wand.

Arthas schlug Deathwing daraufhin hart ins Gesicht, wurde aber am Hals gepackt und gegen die Gitterstäbe gedrückt.

"Elendes Gesindel", knurrte Deathwing.

"Zu gerne würde ich dich in die Lava werfen und zusehen wie du elendig verbrennst, aber noch brauche ich dich."

Arthas würgte - Deathwing nahm ihm die Luft weg.

Muradin kam von hinten an Deathwing heran und trat ihm hart ins Bein, woraufhin er einknickte und Arthas somit losließ.

"Komm mit, Junge!", rief Muradin und rannte so schnell ihn seine kurzen Beine trugen aus dem Kerkerraum.

Arthas sauste ihm hinterher und über die Brücke.

Willkürlich bogen sie nach rechts ab und rannten zu einem anscheinend kleineren Gang. Arthas blieb neben dem Eingang stehen und lauschte. Als Muradin es bemerkte, blieb er ebenfalls stehen.

Sie hörten die Schritte der Orcs und Deathwings Stimme.

"Sucht sie!", befahl er. Die Orcs nahmen zu ihrem Glück einen anderen Gang. Deathwing wählte den, durch den sie gekommen waren. Sie waren vorerst in Sicherheit.

Arthas blickte den Gang entlang, in dem sie sich nun befanden. Er schien leer zu sein.

"Schnell", flüsterte er.

"Wir müssen einen Weg hier heraus finden!"

Sie fingen an, durch den Gang zu schleichen, in der Hoffnung, herauszufinden, ohne dass man sie erwischte.
 

Die Streitmacht näherte sich Grim Batol. Rhonin erklärte, dass es vier Tore gab, die es zu durchdringen galt, bevor sie vor dem Berg selbst standen. Die Tore wurden von Drachkin bewacht, das heißt, nicht nur das Tor blockierte den Weg sondern auch Feinde.

Da sie unglücklicherweise nicht an einen Rammbock gedacht hatten, mussten sie sich etwas neues einfallen lassen.

"Wir benutzen einfach die Magie", meldete sich Vereesa.

"Die Magier benutzen ihre Frostmagie dazu, die Tore zu zerstören."

Rhonin dachte kurz nach und nickte dann.

"Ja, das klingt vernünftig."

Er wandte sich zu Nawrya und wartete ihre Zustimmung ab. Sie nickte als Antwort.

Die Magier wurden vor dem ersten Tor zusammengerufen. Mit vereinten Kräften schossen sie Frostblitze auf das Tor. Das Tor knackte leicht, mehr geschah nach dem ersten Angriff jedoch nicht. Deshalb schossen sie weitere Frostblitze.

"Gebt nicht auf!", ermutigte Rhonin seine Magier und sie zauberten weiter.

Irgendwann krachte es und das Tor fiel in sich zusammen. Sofort strömten Drachkin in Rüstungen und mit Waffen heraus.

"Wuhuu!", jubelte Kynarus und stürmte als erster auf die neuen Feinde zu.

"Frischfleisch!"

Dem ersten Drachkin schlug er den Kopf ab, bevor dieser überhaupt die Möglichkeit hatte, seine Waffe zu erheben. Danach griff auch das restliche Heer an.
 

Arthas und Muradin kamen an einer Waffenkammer vorbei, in der sich ebenfalls auch Rüstungen der Orcs befanden.

Der König begab sich zu einer der Rüstungen.

"Ich werde mich als Orc verkleiden."

Er warf dem Zwerg einen Blick zu, der sich umschaute.

"Es gibt keine Rüstung für meine Größe."

"Es gibt auch nicht so kleine Orcs."

"Doch, die Kinder von den Mistviechern sind sicherlich so groß ..."

"Sie werden ihre Kinder nicht in Rüstungen stecken."

Für einige Momente blieb es still.

"Ich tue so, als wärest du ein Gefangener, den ich wegbringen muss ..."

"Aha", machte der Zwerg nur und wartete, während Arthas sich die Rüstung anzog. Auch nahm Arthas zwei Schwerter - eines für sich und notfalls eines für den Zwerg.

"Wenn ich nicht wüsste, dass du es bist, Junge, würde ich dir den Kopf abschlagen."

"Dann bin ich gesegnet, dass du es weißt", erwiderte Arthas. Er nahm ein Seil von der Hand und band es dem Zwerg locker um die Handgelenke.

Danach gingen sie wieder nach draußen und liefen weiter durch die Gänge. Arthas bemühte sich, seine Schultern so breit wie möglich wirken zu lassen und lief mit einem etwas krummen Rücken, so wie er es bei den Orcs beobachtet hatte.

Eine Weile trafen sie auf keinen Orc, doch dann kamen sie in einen größeren Raum, in dem es geradezu von diesen Bestien wimmelte.

Arthas schaute sich um und Schweiß trat ihm ins Gesicht.

Ruhig ging er weiter, auf den anderen Ausgang im Raum zu.

Gerade als er dachte, hindurch zukommen, wurde er von einem Orc aufgehalten.

"Halt", sagte dieser rau und Arthas blieb stehen. Er sagte nichts - seine Stimme könnte ihn verraten.

"Die Fesseln sind viel zu locker. Binde sie fester, sonst läuft er dir noch weg!", befahl der Orc streng.

Gehorsam bückte Arthas sich runter und band die Fesseln um Muradins Handgelenke etwas fester.

"Noch fester!", sagte der Orc.

Arthas schluckte und band sie wiederrum fester.

Muradin zog zischend die Luft durch die Zähne ein und fluchte.

"Fester! Bist du taub?!", sagte der Orc laut.

Schweißtropfen liefen Arthas von der Stirn. Er band die Fesseln so fest er konnte zusammen.

Der Orc lachte.

"Das nenne ich fest! Wohin soll das kleine Kind den eigentlich kommen?"

Die Grunzlaute, die der Orc dabei hin und wieder in seinen Sätzen von sich gab, klangen nach einem Schwein.

"Ich bin ein Zwerg!", entfuhr es Muradin.

Beim Aufstehen stieß Arthas den Zwerg an um ihn zu ermahnen, nicht unnötig Aufsehen zu erregen.

Arthas verstellte seine Stimme; er ließ sie tief klingen.

"Er soll raus ... damit er ... gegen die Angreifer kämpft", erwiderte Arthas und grunzte am Ende seines Satzes.

Muradin prustete leise und Arthas biss sich auf die Unterlippen, um mich zu lachen. Er wusste selbst, dass er sich mit seiner vertieften Stimme und dem nachahmenden Grunzern bescheuert anhörte.

"Ah, na dann viel Spaß", lachte der Orc und grunzte dabei.

Arthas konnte sich ein Grinsen nicht mehr verkneifen, welches Dank des Vollhelmes aber nicht zu sehen war.

"Danke ...", bekam er gerade noch so raus und grunzte erneut.

Der Zwerg lachte nun laut los und Arthas konnte sich auch nicht mehr zurückhalten. Verzweifelt versuchte er, dabei zu grunzen, aber da sich dies das Lachen nur noch verstärkte, war seine Menschenstimme eindeutig.

Der Orc hörte schlagartig auf zu lachen und blickte Arthas fassungslos an. Alle Orcs im Raum drehten sich fast gleichzeitig zu ihnen um.

"Ein Mensch!"

Das Lachen der beiden erstarb augenblicklich.

"Was für ein Pech", sagte er.

Die Orcs zogen ihre Waffen. Die einzige Möglichkeit zu entkommen war, dass Arthas und Muradin in den nächsten Tunnel rannten - verfolgt von einer Horde Orcs, die auf ihren Tod geradezu versessen war. Und Arthas wusste nicht einmal, ob dieser Weg tatsächlich nach draußen führte ...
 

Die Streitmacht kämpfte sich durch die Tore hindurch. Es gab bisher nur wenig Verluste. Als sie das letzte Tor durchbrachen, der sie vom Eingang Grim Batols trennten, fanden sie keine Feinde vor.

"Seltsam", sagte Nawrya.

"Gerade hier hätte ich mit den meisten Feinden gerechnet."

Rhonin schaute sich um.

"Kein einziger Feind. Ich wette, dafür warten im Berg die meisten auf uns."

Mit besorgter Miene schaute Nawrya zum riesigen Tor Grim Batols. Es war gigantisch groß, schien undurchdringbar zu sein.

"Aber wie kommen wir hinein?", fragte sie dann.

Rhonins Miene wurde ernst.

"Ich werde den Magiern mit meiner Kraft helfen ... und unsere Drachenfreunde werden in ihrer humanoiden Gestalt mit ihrer Magie mithelfen müssen."

Alextrasza und die anderen schienen es gehört zu haben, denn sie gesellten sich zu ihnen.

"Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht", sagte sie entschlossen und Rhonin nickte dankbar. Er lächelte Korialstrasz an.

"Glaubt Ihr, es wird der letzte Kampf gegen Deathwing sein?"

"Schwer zu sagen", erwiderte der Drache ehrlich.

"Deathwing ist ein harter Brocken. Vielleicht gelingt es ihm wieder, uns auszutricksen und seinen Tod vorzutäuschen."

"Nein!", sagte Nozdormu hart.

"Dieses Mal werde ich ihm den Kopf abreißen, um mich von seinem endgültigen Tod zu versichern!"

Nawrya lächelte schwach.

"Gütiges Licht, lass den Erfolg auf ihrer Seite sein", betete sie stumm und schaute wieder zum großen Tor.

"Arthas", dachte sie sich dann und ihr Herz klopfte schneller.

"Bald bist du frei, Liebster. Bald bist du wieder bei mir."

Nahezu verzweifelt hielt sie sich am Glauben fest, dass er am Leben war. Auch wenn sie wusste, dass es durchaus möglich war, dass er tot war, so wollte sie es nicht glauben.

Die fünf Drachen, Rhonin und die Magier stellten sich vor dem Tor auf.

Sie richteten ihre Hände auf das Tor und wirkten ihre zerstörerische Magie darauf.

Während die Magie das Tor berührte und sich daran ausbreitete, leuchtete es in einem hellen Licht.

Die Aspekte der Drachen vereint und dazu noch die Magie der Zauberer waren eine enorme Macht. Die Magie breitete sich am gesamten Tor aus und hüllte es ein. Es hatte den Anschein, als würde es langsam schmelzen - von oben herab wurde es immer kleiner.

Von Innen hörte Nawrya die Rufe von Orcs - vielen Orcs. Sie fürchtete sich von der Anzahl an Ungeheuern, die sie sehen würden.

Das Tor schmolz weiter - abgesehen davon, dass nichts übrig blieb als Rauch, konnte man es schmelzen nennen.

Schließlich verschwand das Tor ganz. Sie standen nun einem scheinbar unendlich großen Heer an Orcs gegenüber. Sie grunzten, lachten, hatten ihre Waffen bereits in ihren Händen und warteten nur so darauf, den Menschen die Schädel einzuschlagen.

"Beim Licht", entfuhr es Damrag.

"Es sind mindestens doppelt so viele wie wir!"

Nawrya hatte den Mund weit geöffnet. Dann schüttelte sie den Kopf.

"Wir sind ihnen überlegen, nicht in der Zahl aber in den Fertigkeiten. Wir müssen und werden siegen!"

Die Orcs brüllten laut, dann stürmten sie auf die Streitmacht zu.

"Bogenschützen!", rief Nawrya laut und sofort kam der erste Pfeilregen auf die Feinde nieder. Viele Orcs starben - der Nachteil, wenn man keinen Schild mit sich führte.

Die fünf Drachen zogen sich wieder zurück, die Magier und Rhonin schlossen ebenfalls wieder zur Streitmacht auf.

Zum ersten Mal seit ihrem Aufbruch kam Thrall zu Nawrya.

"Orcs gegen Orcs. Mal sehen, welche Orcs die stärkeren sind", sagte er und zog grinsend seine Waffe.

Nawrya lächelte ihm zu.

"Ich habe vollstes Vertrauen in Eure Truppen."

Nawryas Heer rannte los und die beiden Feinde trafen aufeinander. Es entstand ein wahres Gemetzel, in dem man leicht den Überblick verlieren konnte, was Nawrya zum Glück jedoch nicht geschah. Die Bogenschützen, sie sich rechts und links vom Heer aufstellten, schossen auf die herausströmenden Orcs und verringerten dadurch die Zahl der Angreifer.

Die Magier halfen den Bogenschützen dabei. Vereesa war die aktivste Bogenschützin und schoss so schnell und viele Pfeile, wie Nawrya es noch nie gesehen hatte. Rhonin schoss riesige Feuerbälle auf die Orcs, die in Flammen aufgingen. Die Orcs um den brennenden Kamerad herum blieben davon ebenfalls nicht verschont.

Sie brauchten den gesamten Platz vor Grim Batol zum Kampf. Nawrya und Damrag blieben dicht beisammen und kämpften gegen jeden Orc, der sich ihnen in den Weg stellte.

Sie gerieten ein wenig abseits, ziemlich nah am Berg, wurden von den Orcs jedoch nicht verschont.

Nawrya keuchte - die Anzahl der Orcs schien niemals enden zu wollen. Dann hörte sie ein lautes Brüllen, welches ihr durch Mark und Bein ging.

Ein gewaltiger Schatten flog über sie hinweg. Deathwing ...

Nawrya blickte nach oben, dann hörte sie die Stimme Alextraszas.

"Auf, liebste Brüder und liebste Schwester! Erteilen wir unserem Bruder eine Lektion!", rief sie. Kurz darauf flogen die vier Drachen in die Höhe - Korialstrasz verwandelte sich zwar, half jedoch Nawryas Streitmacht, die Orcs zurückzuschlagen, was sehr hilfreich zu sein schien.

"Wieso kämpft er nicht auch gegen Deathwing?", fragte Nawrya keuchend, als sie den nächsten Orc erschlug.

"Nur die anderen Aspekte der Welt können gegen Deathwing etwas ausrichten. Seine Hilfe würde nutzlos sein", erklärte er und kämpfte weiter.

Ab und zu sah sie nach oben und beobachtete, wie Deathwing gegen die vier Drachen kämpfte. Nozdormu veränderte die Zeit in Deathwing, sodass dieser das Gefühl hatte, jahrelang ohne Schlaf und Ruhe zu durchleben, Ysera ließ Deathwing die schlimmsten Alpträume durchleben, Malygos lenkte Wolken auf ihn, sodass Deathwing hustete und ihm die Luft raubte ... und Alextrasza ließ ihn ihren Schmerz durchleiden, den er ihr damals antat.

Es waren dieselben Attacken, die sie auch damals gegen ihn eingesetzt hatten. Aber es schien weniger Wirkung zu haben. Der schwarze Drache stürzte sich erneut auf seine Geschwister, eine Magiekugel explodierte, als er sie auf die Drachen schickte und sie bei ihrer Ankunft explodierte. Die Drachen flogen kurz auseinander und dann wieder zusammen, um weiter zu kämpfen.

Nawrya schüttelte den Kopf. Sie musste sich auf das Kämpfen konzentrieren!

Dann hörte sie eine Stimme neben sich. Sie schien von einer erhöhten Position zu kommen.

"Nawrya ...", flüsterte die Stimme. Obwohl sie so leise zu sein schien, hörte Nawrya sie laut in ihrem Kopf.

"Arthas!"

Mit Freude im Gesicht schaute sie zu der Stelle, von der die Stimme kam - und erstarrte.

Sie sah Arthas' Körper, durchsichtig, blass. Sein Gesicht war mit Trauer erfüllt. Selbst in dieser durchsichtigen Gestalt sah man eine Wunde in seiner Brust.

"Es tut mir leid, Nawrya ..."

Tränen traten in die Augen seiner Verlobten. Schockiert schüttelte sie den Kopf.

"Nein ... Arthas ... sag, dass das nicht wahr ist!", sagte sie, weinte.

"Verzeih mir, Liebste. Ich habe es nicht geschafft, durchzuhalten, bis du kamst."

Er schwebte zu ihr, befand sich dann vor ihr.

Der Angriff der Orcs setzte für diesen Moment aus. Damrag schüttelte Nawrya an der Schulter.

"Nawrya! Was ist mit dir? Wir müssen weiterkämpfen!"

Er schien Arthas nicht zu sehen. Nawrya schüttelte den Kopf.

Sie weinte lauter.

"Arthas ... das kann nicht wahr sein ... Du hast es doch versprochen ..."

Damrag blickte sie fragend an.

"... Nawrya?", fragte er noch einmal. Er wirkte unsicher.

Nawrya antwortete nicht. Sie blickte nur in die leeren, durchsichtigen Augen von Arthas, der vor ihr stand und sie traurig anblickte. Sie bemerkte kaum, wie Damrag sich entfernte.

Arthas hob die Hand und legte sie an ihre Wange. Sie war kalt, glitt jedoch nicht durch sie hindurch.

"Es tut mir so leid ..."

Nawrya weinte weiter. Ihr Schmerz wollte kein Ende mehr nehmen. Sie hatte ihn verloren. Für immer.

"Nawrya! Vorsicht! Zurück!", hörte sie Rhonins Stimme.

Dann sah sie, wie Rhonin einen magischen Blitz auf Arthas abschoss.

"Nicht doch!", schrie Nawrya entsetzt, doch der Blitz traf Arthas. Er schrie auf - doch dann verwandelte er sich in einen widerwärtigen Orc, dessen Waffe gezogen und sogar schon erhoben war.

Er fiel nach hinten und blieb leblos auf dem Boden liegen.

Wie angewurzelt stand Nawrya auf der Stelle und blickte den enttarnten Orc an.

"W...Was?"

Damrag kam wieder zu ihr.

"Es war eine magische Illusion. Ich konnte sie nicht sehen, aber Rhonin war in der Lage. Er hätte dich beinahe getötet", sagte er und legte ihr tröstend einen Arm um.

"Nicht ... Arthas ...", sagte sie leise. Die Tränen rollten weiter an ihren Wangen hinunter.

"Wo ist er, Damrag, wo ist er?", fragte sie verzweifelt.

Die Illusion hatte sie seelisch schwer getroffen. Ihre Angst, dass Arthas wirklich tot war, war größer als je zuvor.

"Wir werden ihn suchen gehen, sobald sich die Anzahl der Orcs vermindert hat."

Sie nickte einverstanden. Zusammen begaben sie sich wieder zurück zur Schlacht und kämpften mit. Sie hörten immer wieder die Drachen über ihren Köpfen aufbrüllen.
 

Arthas hatte den Zwerg inzwischen auf den Rücken genommen und rannte weiter. Ihn am Seil mitzuziehen hatte sie beide blockiert und es war keine Zeit dafür da, den Knoten zu lösen.

Er eilte durch die Gänge. Das Gewicht des Zwerges schränkte ihn dabei ein, jedoch lief er immer noch schneller als die meisten Orcs.

"Da hinten! Ein Licht!", rief Muradin erfreut.

Arthas lief schneller. Gleich hatten sie es geschafft! Tatsächlich sahen sie den Ausgang.

"Schneller, Junge! Gleich haben wir es geschafft!", rief Muradin freudig.

Sie erreichten den Ausgang - und Arthas konnte gerade noch so stehen bleiben, ohne herunterzufallen. Er hatte erwartet, so gut wie am Boden zu sein, nachdem sie so tief in den Berg gegangen waren, jedoch standen sie nun sehr weit oben und blickten in die Tiefe. Sie erkannten Tore, die aufgebrochen waren. Einige Drachkins und auch Leichen von Humanoiden lagen dort.

Arthas' Augen wurden groß. Nawrya musste angegriffen haben!

"Junge! Spring! Sonst spalten uns die Orcs den Schädel!"

Ohne nachzudenken sprang Arthas - und fiel.

"Und was jetzt?!", rief Arthas. Der Zwerg schrie gegen den Wind.

"Auf Hilfe warten oder sterben!"

Arthas kniff die Augen zusammen und schrie.

In der Hoffnung, irgendjemand würde sie bemerken, schrie er weiter und lauter - mindestens hatten sie die Orcs nicht mehr am Leib.

Beide kniffen die Augen zusammen, bis sie von etwas aufgefangen wurden. Arthas öffnete die Augen. Sie saßen auf einem roten Drachen.

Arthas riss die Augen auf und starrte den Drachen an.

"Ich bring euch runter, damit ihr euch der Schlacht anschließen könnt", sagte er und flog nach unten.

"Junge! Mach mir die Fesseln los! Ich brenne geradezu darauf, ein paar Orcs die Schädel einzuschlagen!"

Arthas drehte sich um und befreite den Zwerg.

Dann landeten sie und die beiden stiegen ab. Der König beobachtete, wie sich der Drache wieder dem Kampf anschloss. Dann blickte er nach oben und sah den Kampf zwischen den vier Drachen und Deathwing.

Dann blickte er sich um.

"Nawrya?!", rief er, erhielt aber keine Antwort.

Er entdeckte Kynarus in der Menge und ging eilig auf ihn zu.

"Kynarus! Wo ist Nawrya?", fragte Arthas besorgt.

Kynarus blickte ihn an und lachte.

"Arthas! Dir geht es gut! Nawrya ist mit Damrag reingegangen, um dich zu suchen. Folge ihnen am besten schnell, damit du sie einholst, bevor sie sich zu weit in den Berg trauen!"

Arthas nickte schnell, reichte Muradin eines der Schwerter und rannte hinein, Muradin war dicht hinter ihm.

"Nawrya!", rief er und hoffte, sie noch einholen zu können. Unterwegs töteten sie mehrere Orcs, die sich ihnen in den Weg stellten.
 

Nawrya eilte mit Damrag immer weiter in den Berg und kämpfte sich durch die Reihen der Orcs. Sie hatten noch fünf weitere Soldaten dabei. Irgendwann kamen sie in einem großen Raum, in dem eine schmale Brücke zu einem weiteren kleinen Raum führte.

"Sehen wir da hinten nach", sagte Nawrya schnell und eilte mit ihren Begleitern über die Brücke. Tatsächlich. Im neuen Raum befanden sich Gefängniszellen, jedoch ohne Gefangene. Nur zwei Stricke lagen am Boden herum.

"Arthas, wo bist du nur?", fragte sich Nawrya verzweifelt. Dann hörten sie wieder die Grunzer und Schritte von Orcs. Dieses Mal hörte es sich nach verdammt vielen Orcs an. Nawrya wandte sich zur Brücke, jedoch zu spät. Die Orcs waren dabei, die Brücke zu passieren. Der kommende Kampf würde hart werden.

Sie trafen aufeinander und fingen an zu kämpfen. Nawrya, getrieben durch ihre Verzweiflung, kämpfte noch heftiger als zuvor.

Dann hörte sie eine vertraute Stimme.

"Nawrya!"

Es war Arthas.

"Oh bitte, lass es dieses Mal keine Illusion sein", dachte sie sich hoffend und blickte sich eilig um. Arthas kam, zusammen mit Muradin auf dem Tunnel, aus dem sie kurz zuvor ebenfalls gekommen waren.

"Arthas!", rief sie freudig und lachte erleichtert.

Sie wollte sich durch die Reihen der Orcs drücken, um zu ihm zu gelangen.

"Nein, Nawrya! Vorsicht!", rief Arthas ängstlich, aber es war zu spät. Ein Orc-Armbrustschütze erwischte Nawrya von hinten, als sie ihm gerade den Rücken zugedreht hatte. Der Bolzen bohrte sich zwischen die Schulterblätter. Zusätzlich traf sie ein Orc in der Seite und sie stürzte von der schmalen Brücke.

"Nein!", brüllte Arthas und rannte los.

Er sah nur noch, wie Damrag Nawrya hinterher sprang, dann blockierten mehrere Orcs ihm den weg.
 

Es dauerte lange, bis er die Orcs endlich aus dem Weg geschafft und nach Nawrya und Damrag sehen konnte. Er rannte zum Abgrund, beugte sich nach vorne und schaute hinunter.

Damrag hing krampfhaft an einen Vorsprung und hielt Nawrya an der Hand fest, die zwar noch nicht ohnmächtig, aber schwach war.

"Damrag! Nawrya! Haltet euch fest!"

Arthas holte den Strick aus der Tasche, mit dem er anfangs Muradins Handgelenke festgebunden hatte. Es war lang genug, um Damrag zu erreichen.

"Muradin! Hilf mir!", rief Arthas. Er war froh, dass die anderen Soldaten die restlichen Orcs ablenkten und töteten.

Der Zwerg eilte zu Hilfe und zog Damrag, zusammen mit Nawrya, nach oben, nachdem sich dieser am Seil festgehalten hatte.

Sie zogen und zerrten, bis beide schließlich oben waren. Arthas nahm Nawrya, nachdem Damrag sie losgelassen hatte. Er streichelte ihr liebevoll über ihr Gesicht und schaute sie besorgt an. Sie lächelte ihn schwach an.

"Arthas ...", flüsterte sie leise.

"Ich hab dich ... so vermisst."

Der Schmerz in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

Arthas schluckte schwer. Er hatte Tränen in den Augen.

"Ich dich auch, Geliebte."

Er setzte sie auf und drückte sie an sich.

"Damrag ...", fing Arthas an und musste nicht einmal weiterreden, denn der Paladin verstand.

Er legte seine Hände an den Bolzen und zog ihn vorsichtig heraus.

Nawrya schrie wegen den Schmerzen und fing an, zu weinen. Arthas konnte nichts anderes tun, als sie zu streicheln und zu beruhigen. Schließlich war der Bolzen entfernt und Damrag fing an, die Wunde zu heilen.

Nawrya legte erschöpft ihre Arme um Arthas und schmiegte sich an ihn.

"Endlich ... Bin ich wieder ... bei dir ...", flüsterte sie und genoss die Streicheleinheiten Arthas'.

Er schwieg, schmiegte und drückte sie an sich. Er war unglaublich froh, dass sie wieder vereint waren.

Nachdem Damrag ihre Wunde am Rücken geheilt hatte, kümmerte er sich um die an der Hüfte.

Die Orcs, die sie bedroht hatten, waren inzwischen tot.

Ohne auf die Zeit zu achten, schmiegten sich die beiden weiter.

Damrag legte Arthas eine Hand auf die Schulter.

"Wir sollten wieder nach draußen. Wenn man uns bemerkt, können wir leicht eingekesselt werden."

Arthas öffnete die Augen.

"Ja ... Ja, du hast recht. Nawrya, fühlst du dich imstande, weiterzukämpfen?", fragte er sie.

Sie lächelte und nickte.

"Seit du da bist, ja."
 

Als sie wieder draußen ankamen, waren die Drachen immer noch am Kämpfen und die restlichen Orcs kämpften nun nur noch auf der Wiese vor dem Eingang zu Grim Batol. Auf beiden Seiten gab es Verluste, auf der Seite der Orcs jedoch wesentlich mehr.

"Arthas, sieh nur!", sagte Nawrya begeistert und deutete in den Himmel.

Er folgte ihrem Wunsch und blickte nach oben. Er sah, wie sich Deathwing deutlich geschwächt immer noch gegen die Angriffe wehrte. Geschwächt war er, aber irgendetwas verriet Arthas, dass er durch seine Geschwister nicht sterben würde.

Alextrasza löste sich von ihren Brüdern und ihrer Schwester und flog zum Boden. Sie landete vor Arthas und den anderen.

"Deathwing lässt sich durch unsere Magie nicht töten. Er muss durch eine irdische Waffe besiegt werden."

Arthas runzelte die Stirn.

"Aber deine normale Waffe kommt niemals durch seine Rüstung."

Alextrasza dachte kurz nach.

"Wir werden dafür sorgen, dass er seine Rüstung verliert. Am besten an seiner Brust. Dann muss er von einem von euch getötet werden."

Arthas nickte.

"Ich werde es tun."

Er spürte Nawryas Hand auf seiner Schulter.

"Ich will dich nicht noch einmal verlieren ...", sprach sie leise. Er blickte in ihr trauriges Gesicht.

"Das wirst du nicht, ich verspreche es dir", beruhigte er sie und gab ihr einen langen Kuss. Alextrasza erhob sich wieder in die Lüfte und kämpfte weiter.

Arthas nahm Nawryas Hand.

"Ich pass gut auf mich auf."

"Wie willst du ihn töten? Du kommst da unmöglich hoch ..."

Arthas wandte seinen Blick zu Korialstrasz.

"Ich glaube, ich weiß schon, wie ich zu Deathwing gelange."

Er blickte noch einmal zu ihr, lächelte zum Abschied und begab sich zu Korialstrasz.

"Ich brauche deine Hilfe!", sagte Arthas, als er bei ihm angelangt war.

"Wie kann ich helfen?", fragte dieser und warf einen Orc durch die Luft, der danach von einem Soldaten getötet wurde.

"Du musst mich nach oben bringen, zu Deathwing!", sagte Arthas.

"Weshalb?", fragte der Leviathan verwundert und blickte den König an.

"Alextrasza sagte, Deathwing kann nur durch eine irdische Waffe getötet werden. Ich werde dies erledigen."

Langsam nickte Korialstrasz.

"Ich werde dich hochbringen."

Arthas setzte sich in die Klaue von ihm und wurde von ihm dann in die Lüfte transporiert.

Beim Kampf angekommen, wartete Arthas auf den richtigen Moment - dann sprang er.

Er landete auf Deathwings Rücken, der es zu bemerken schien.

Er brüllte und wirbelte wild herum. Arthas konnte sich gerade noch an einer seiner Rüstungsplatten festhalten, um nicht heruntergewirbelt zu werden.

Das war die Chance, für die anderen Drachen anzugreifen. Alextrasza hob ihre Klauen und riss an der Rüstung, die sich an Deathwings Brust befand, herum.

Deathwing brüllte auf. Da die Rüstung regelrecht an seine Schuppen geschmolzen war, war es schmerzhaft, sie zu entfernen ... nahezu unmöglich.

Arthas hielt sich weiterhin krampfhaft fest. Er konnte nichts anderen tun als warten.

Dann kam Malygos heran, der eine feine, hauchdünne Eisplatte formte und sie auf Deathwing zusausen ließ - sie trennte die Rüstung an seiner Brust ab, zusammen mit einem Teil seines Fleisches.

Der schwarze Drache brüllte vor Schmerz.

"Jetzt, Arthas!", rief Alextrasza.

Arthas sprang auf und verlor beinahe das Gleichgewicht. Er sprang von Deathwings Schulter, wirbelte in der Luft herum und stieß ihm sein Schwert tief in die Brust. Er hielt sich daran fest und hing nun in der Luft. Das Schwert war bis zum Schaft in die Brust des schwarzen Drachens verschwunden. Sein Herz musste durchstoßen sein.

Tatsächlich. Der schwarze Drache brüllte etwas leiser, dann erschlaffte sein Körper und er fiel nach unten, zusammen mit Arthas, an der Wiese der Kämpfenden vorbei und auf das Wasser nahe des Steinwerkdammes zu.

Instinktiv ließ Arthas los. Sein Gefühl hatte ihn nicht betrogen, denn er wurde von Ysera aufgefangen. Sie brachte ihn wieder nach oben. Als er abgesetzt wurde, umarmte Nawrya ihn stürmisch.

"Du hast es geschafft!", lachte sie.

"Deathwing ist tot!"

Der letzte Orc fiel, die Menge jubelte.

Als Arthas zurück ins Wasser guckte, war von Deathwing nichts mehr zu sehen außer ein mysteriöser, schwarzer Rauch, der gen Himmel stieg.

Alextrasza bemerkte seinen Blick.

"Es passiert, wenn wir sterben. Unser Körper löst sich auf und die Seele wandert zum Himmel", erklärte sie mit sanfter Stimme und Arthas lächelte.

Dann war Deathwing also wirklich tot. Durch seine Hand gefallen ... Aber Arthas war nicht alleine für den Tod des schwarzen Drachen zuständig, das wusste er.

"Danke", sagte er deshalb, umarmte Nawrya und lächelte.

"Ich danke euch allen für diese großartige Hilfe."

Eine Person kam auf ihn zu.

"Varian", sagte Arthas etwas überrascht. Der König von Stormwind lächelte ihn an.

"Hör zu, Arthas. Es tut mir leid, was ich damals getan hatte, ich ...", fing er an, aber Arthas bat ihn, nicht weiterzureden.

"Ich weiß, warum du es getan hast und ich kann deine Reaktion verstehen, auch wenn sie vielleicht etwas zu überstürzt war."

"Ich schäme mich für meine Tat. Kannst du mir vergeben?", fragte Varian und seine Miene zeigte, dass er es ernst meinte.

Arthas lächelte und nickte.

"Ich vergebe dir, Varian."

Sie schüttelten sich kameradschaftlich die Hand.

"Wieso hast du dich so schnell umstimmen lassen?", fragte Arthas grinsend.

Varian lächelte und zuckte mit den Schultern.

"Thrall hat mir vorhin das Leben gerettet, das hat mich zum Denken angeregt. Und außerdem ... Wer könnte ihm schon widerstehen?"

Er drehte sich um und zeigte auf Thrall, der gerade dabei war, den Verletzten die Angst vor ihren Verletzungen zu nehmen und dabei Witze riss, die wohl nicht gerade alle verstanden.

Arthas und Varian lachten heiter.
 

Die Glocken läuteten und ganz Lordaeron war in der Kathedrale versammelt. Arthas und Nawrya standen zusammen vor dem Altar, während der Priester sie traute.

Nachdem sie beide ihr Ja-Wort gegeben hatten, küssten sie sich und verließen die Kathedrale. Begleitet von den wichtigsten Leuten aus Lordaeron - ihren Freunden, die wichtigsten Soldaten, sogar Thrall und außerdem Rhonin und Vereesa, gingen sie durch die Straße zum Thronsaal. Blütenblätter wurden auf sie herab geworfen, von Rosen, Tulpen und anderen schönen Blumen. Kein einziges verwelktes Blatt war dabei und Nawryas Gesicht strahlte, als sie Blütenblätter auf sie herabfielen. Im Thronsaal angekommen, gingen sie zum Balkon, von dem aus sie in den Schlossgarten sehen konnten, in dem sich inzwischen die Bürger Lordaerons versammelt hatten.

Arthas lächelte glücklich, als er dort ankam und die Menge überblickte.

"Bürger Lordaerons!"

Es wurde still in der Menge, nur noch die Glocken läuteten, die feierlich ihre Hochzeit bekanntgaben.

"Viel ist Geschehen, seit dieses Reich wieder steht. Vereint ist die Horde und Allianz, vereint ist Azeroth und die Feinde sind geschlagen. Sogar Deathwing, der als einer der gefährlichsten unserer Feinde gilt, wurde besiegt."

Er unterbrach sein Gespräch, als sie Menge jubelte.

Er sprach erst weiter, als sie wieder still waren.

Arthas grinste noch breiter.

"Heute ist ein besonderer Tag, denn Nawrya und ich haben geheiratet. Sehet vor euch eure Königin Nawrya Menethil!"

Die Bürger klatschten, jubelten und riefen Gratulationen empor.

Arthas beugte sich, um Muradin zu umarmen, der sich ebenfalls auf dem Balkon befand.

"Ich bin stolz auf dich, Junge", sagte er. In seinen Augenwinkeln erkannte Arthas Tränen.

Arthas lächelte berührt über diese Emotion, die Muradin zeigte.

Dann umarmte Nawrya Arthas und lachte glücklich, so wunderschön, wie sie noch nie zuvor gelacht hatte und Arthas umarmte sie ebenfalls.

Es war der schönste Tag in seinem Leben und ein wichtiger Tag für ganz Lordaeron.

Jetzt stand seiner guten Zukunft nichts mehr im Wege, kein Feind, nichts.

Alles war gut geworden, genauso, wie er es sich immer wieder gesagt hatte.

Alles war gut ... und so würde es für immer bleiben.
 

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Nach zwei Tagen des Fast Non-Stop-Schreibens habe ich das letzte Kapitel meiner Fanfiction schließlich beendet.

Ich hoffe, dass alle, die die Fanfiction gelesen haben, viel Freude dabei hatten.

Über eine mögliche Fortsetzung denke ich noch nach, aber wenn, wird es um das Kind von Arthas und Nawrya gehen.

Diese Fanfic habe ich bereits angefangen.

Allerdings werde ich sie wahrscheinlich nur auf FanFiktion.de veröffentlichen. Da ich nämlich im Moment so verdammt wenig Zeit habe, zu schreiben, bzw. ich einfach keine Ideen habe, würde ich die FanFiction vom neuen Prinz Lordaerons nicht hier veröffentlichen.

Wer sich die ersten Kapitel schon einmal durchlesen möchte, kann das gerne tun.

Dort bin ich auch unter dem Namen MagicThief zu finden - habe bisher nur zwei FanFictions geschrieben, diese hier und eben die neue. Der Sohn von Arthas und Nawrya heißt Arontar. Die FF ist nach ihm benannt.
 

Ich danke meinem Freund Gurdian, der mir beim 15. Kapitel sehr geholfen hat und für alle kleinen Ideen, der er mir für die Fanfiction gegeben hat.

Ich danke meinen Fans, die mich für die Fanfiction ermutigt haben und mir bewiesen haben, dass ich nicht eine totale Niete in solch einem Schreiben bin.

Ich danke Anna, die mir immer Beistand bei der Fanfiction geleistet hat und mich dazu angetrieben hat, weiterzuschreiben.
 

In der Fanfiction habe ich einen Zitat vorkommen lassen:

"Das nennt man Tränen. Sie kommen, wenn wir traurig sind, wenn unsere Seele krank ist. Es ist, als sei unser Herz so voller Schmerz, dass er nirgendwo anders mehr hin kann."

(9. Kapitel, als Thrall sich an Taretha erinnerte)

Er kam im Buch "Der Lord der Clans" vor.

Einiges habe ich aus den Büchern "Der Tag des Drachen", "Der Lord der Clans", "Arthas - Aufstieg des Lichkönigs" und "Der letzte Wächter" 'übernommen', also von der Geschichte her.

Aber natürlich ist auch nicht alles war, an einigen kleinen Stellen habe ich improvisiert. Tut mir leid wenn ihr besser informiert seid und es nicht wirklich stimmt, was ich an einigen Stellen geschrieben habe.

Im letzten Kapitel geht es um Deathwing. Dieses Kapitel hat nichts mit dem Addon "Catalysm" zu tun, sondern ich habe das meiste aus "Der Tag des Drachen" geholt, da es in diesem Buch ebenfalls um Deathwing geht.
 

Falls ihr noch etwas wisst, was ich hier im Epilog ergänzen kann, schreibt bitte ein Review und ich komme dem Wunsch nach.
 

Soweit,

Eure MagicThief, eure Arthas-FanFiction-Schreiberin aus Leidenschaft



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Gelosia
2010-12-06T21:31:53+00:00 06.12.2010 22:31
Hört sich ja ganz interessant an, mal sehen wie es weiter geht ^^
Aber ich verstehe nicht, warum Du bis jetzt noch kein Kommi bekommen hast...!
Die FF scheint doch ganz gut.

egal,
lg
ヤミ-サマ


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