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Tour of Troubles

von

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Kapitel 1

Es war nun Ende Juli und die Band befand sich im letzten Drittel ihrer Tour. Der nächste Gig fand in Las Vegas statt und der Tourbus bretterte durch die staubige Sandwüste Nevadas. Weit und breit war kein weiteres Fahrzeug ausfindig zu machen, nur der Tourbus der Schockrock Band Marilyn Manson glühte förmlich in der Sonne. Der Chef selbst lag gerade in seinem Bett und dachte wie immer über den bevorstehenden Auftritt nach. Die Setlist stand schon fest und sonst war auch alles vorbereitet, doch Manson hatte immer das Gefühl, dass irgendwas fehlte. Twiggy machte sich in der Tourbus-Küche etwas zu essen, als Ginger lautstark anfing zu fluchen.

„Verdammt noch mal Pogo!!! Mach die Tür auf! Ich will mich endlich waschen!“

Twiggy schüttelte nur leicht den Kopf und setzte sich auf sein Bett. Langsam schälte er seine Banane und sah zu John rüber der ihm gegenüber saß. John las in einem Buch und achtete eigentlich nicht wirklich auf seine Umwelt. Twiggy schmunzelte leicht und drückte ihm seine ohnehin matschige Banane ins Gesicht. John sah ihn daraufhin erst einmal etwas verwirrt an fing dann aber auch an zu lachen. Twiggy grinste frech und setzt sich zu ihm aufs Bett. „Was liest du da?“, fragte er den Gitarristen mit den platinblonden Haaren und den tätowierten Armen. John wischte sich noch die restlichen Bananenstücke aus dem Gesicht und hielt ihm das Buch hin. „Das Tagebuch des Teufels. Ein super Buch. Kann ich nur empfehlen.“, sagte er lächelnd und blickte zu Ginger rüber, der immer noch wütend gegen die Tür hämmerte und lautstark fluchte. Pogo war wahrscheinlich wie letztes Mal auf dem Klo eingeschlafen, weil er wieder die Nacht durchgemacht hatte. Jede Nacht saß er vor seinem Laptop und surfte im Internet. Nach geschlagenen 10 Minuten kam der Keyboarder aus dem Badezimmer und überließ es an den Drummer. Dieser flitzte auch sofort rein. Allerdings hörte man kein erwartetes „Na endlich!“, sonder ein: „Verdammt nochmal Pogo! Mach das nächste Mal ein Fenster auf!“ Twiggy schmunzelte und schüttelte nur leicht seinen Kopf. Marilyn war nun sichtlich genervt von dem Gelaber und setzte sich seine Kopfhörer auf. Morgens ließ er sich gerne mit KISS oder Alice Cooper zuhämmern, damit er den restlichen Tag lang einen klaren Kopf behalten konnte. John legte sein Buch beseite und zog sich erstmal ein paar frische Jeans und ein schwarzes Shirt an. Kurz sah er aus dem Fenster, doch der Staub und Sand der Wüste hatte es schon blickdicht gemacht. Seufzend ging er in die Küche, um sich ein Brot mit Käse zu genehmigen, als der Tourbus plötzlich immer langsamer wurde. Man hörte immer wieder leises Krachen und dann stand das Fahrzeug. Mike, der Tourbusfahrer, stand von seinem Platz auf und ging nach draußen, in die unendliche Hitze der Wüste Nevadas. Marilyn, der spührte, dass sich das Fahrezeug nicht mehr bewegte, setzte seine Kopfhörer ab und stand von seinem Bett auf. „Hat einer ne Ahnung was los ist?“, kam er von Ginger, der gerade aus dem Badezimmer schlich. Pogo zuckte mit den Schultern und ging nach vorne, um aus der Frontscheibe zu Mike zu blicken. Der Motor qualmte ordentlich und Mike versuchte vergeblich die Motorhaube auf zu machen. Doch der Stahl war glühend heiß und so war es unmöglich, in den Motor zu sehen. Pogo ging zu ihm raus und betrachtete die Motorhaube. „Tja... überhitzt.“, meinte er und seufzte. Mike nickte zustimmend: „Und Sand ist wahrscheinlich auch noch drinnen.“ Twiggy seufzte. Jetzt steckten sie also in der Wüste fest? „So ein Scheiß!“, fluchte der Bassist und verschränkte trotzig seine Arme. Hier zu bleiben war nun gar nicht seine Absicht. Er schaute aus einem der dreckigen Fenster raus und kniff die Augen etwas zusammen, um noch etwas sehen zu können. Allerdings brachte das auch nicht viel, denn außer einem endlosen Strand hatte er nichts vor Augen. Pogo kam wieder rein und gab seinen Bandmembern bekannt, dass sie wohl eine Weile hier bleiben müssten bis der Motor abgekühlt war. Was wahrscheinlich erst in der Nacht sein würde, denn bei der Hitze würde der Motor nur noch heißer werden. Twiggy verstand die Welt nicht mehr. „Aber wir müssen doch zu unserem Gig.“, meinte er mit fast weinerlicher Stimme zu dem Keyboarder. Mike sah den kleinen zierlichen Bassisten an. „Keine Panik. Das schaffen wir noch.“,versicherte er. Mike hatte bisher noch nie Unrecht gehabt, was Zeit anging und so vertraute Twiggy ihm einfach.

Marilyn allerdings war einem Nervenzusammenbruch nahe. Er schaute panisch in seine Utensilien und musste erschreckt feststellen, dass sich seine Kosmetikartikel langsam aber sicher dem Ende hin neigten. Wie sollte er die Zeit ohne Haarspray, Lippenstift und Make up bloß überstehen? Schließlich wollte er auch in der ödesten Wüste noch seinem Schockrockerimage nachkommen. Man konnte ja nie wissen, wer sich hier sonst noch rumtrieb.

John hingegen war eher besorgt, was seine Gitarren angingen. „Was machen wir, wenn der Bus im Sand versinkt?“, fragte er ohne dabei den Gedanken an seine kostbaren Schätzchen zu verlieren. Mike lachte kurz. „Das wird nicht passieren, John. Wir stehen ja schließlich nicht im Treibsand.“

„Aber das Wasser wird in jedem Fall knapp“, erinnerte Ginger. Der Drummer hatte es sich gerade so herrlich gemütlich gemacht, als ihm diese Info wie ein Schlag ins Gesicht bewusst wurde. „Deswegen müssen wir vor allem daran sparen. Wasser ist jetzt das kostbarste was wir haben.“ John schmunzelte. Er würde bestimmt nicht sein Leben für Wasser aufs Spiel setzen. Schließlich hatte er seine Gitarren im Gepäck. Pogo nickte und musste Mike sowie Ginger Recht geben. Daher müssen wir die nächste Zeit wohl auf längeres Duschen verzichten.“ Dabei blitzte der Keyboarder Marilyn gefährlich an. „Mach dir mal keine Gedanken, Pogo. Ich werde mich zurückzuhalten wissen.“

Kapitel 2

Die Sonne knallte gnadenlos auf den Tourbus der Schockrockband Marilyn Manson. Das Gefährt stand seit ungefähr zwei Stunden am selben Fleck und den Insassen wurde es von Minute zu Minute langweiliger. Ginger war dazu übergegangen die übrig gebliebenen Chips aus seiner Tüte nach ihrer Größe zu sortieren; Marilyn zählte seine Haare; Pogo versuchte sich an einem Kartenhäuschen; John versuchte irgendjemanden per Handy zu erreichen; Mike las in seinem Buch weiter und Twiggy lag paranoid in der Ecke und heulte. Er wollte hier nicht bleiben. Die Wüste war auch nicht der geeignete Ort für einen drogenabhängigen dürren Bassisten mit schlechter Allgemeinbildung.

Schließlich brauchte der gute in etwa einer viertel Stunde wieder seine tägliche Dosis Koks und niemand von uns hatte etwas dabei – nicht einmal Brian und das wollte wirklich was heißen.

„Wieso stehen wir eigentlich hier?“, fragte Pogo nach weiteren zehn Minuten und schaute zu Mike rüber, der ja eigentlich ihr Fahrer war. „Pogo, wie oft denn noch“, in den letzten zwei Stunden hatte er geschätzte sieben Mal die gleiche Frage gestellt, „Weil der Bus überhitzt ist und wir warten müssen bis der Motor abkühlt.“

„Sollten wir dafür nicht lieber in den Schatten?“, fragte der Keyboarder nach und erntete nur böse Blicke und Twiggys Geheule, das immer noch nicht aufgehört hatte.

„Pogo... zeige mir in der Wüste einen Schatten und du kannst den Bus dort hin schieben“, witzelte Ginger und beschäftigte sich weiter mit seinen Chips.

Twiggy unterdessen wischte sich die Tränen von den geröteten Wangen und hörte auf zu weinen, schluchzte noch ab und an tief, hatte sich aber damit abgefunden hier zu bleiben.

„Apropos Schatten“, begann er und schaute in die Runde. „Wie nennt man einen Keks unter einem Baum?“, fragte er und lächelte dabei verräterisch.

„Twiggy... niemand will wissen, was ein Keks unter einem Baum ist. Nenne uns doch lieber ein paar gute Beschäftigungsmöglichkeiten bis es dunkel wird.“

„Wieso bis es dunkel wird?“

„Na weil es dann kühler wird und der Motor vielleicht wieder funktioniert.“

„Ach so.“

„Also? Hast du einen Vorschlag was wir tun könnten?“

Twiggy überlegte scharf, tippte sich dabei nachdenklich mit dem Zeigefinger gegen das Kinn und blickte in die Höhe.

„Wir könnten uns doch interessante Geschichten erzählen!“

Brian verdrehte nur kurz die Augen. „Jeordie, wir sind keine Kinder mehr. Wir brauchen keine Geschichten, sondern etwas ordentliches!“

Twiggy seufzte enttäuscht und sank wieder in seiner Ecke zurück.

Nun meldete sich auch John zu Wort, der sein Handy zur Seite gelegt hatte und recht enttäuscht drein schaute. Er hatte keine Frau erreichen können. Funkloch. Echt super.

„Wie wäre es, wenn wir uns draußen mal ein wenig umsehen. Nicht, dass wir ganz in der Nähe von einer Tankstelle oder sonst was liegen und wir so blöd sind und hier auf die Nacht warten.“

Da sprach er allerdings ein wahres Wort. Es wäre absolut dämlich, wenn sie in der Nacht dann fünf Minuten fahren würden und dann erkennen mussten, dass sie an einer Tankstelle vorbei kamen, wo man ihnen hätte helfen können.

„Gute Idee. Aber wir sollten nicht alle gehen. Hinterher raubt man uns aus.“

Twiggy stand gleich darauf auf und knurrte leise. „Ich habe meinen Baseballschläger dabei. Wenn jemand wirklich vor hat uns auszurauben gibt es Ärger!“

„Gut. Aber du bleibst trotzdem nicht hier. Ein wenig Bewegung tut dir gut, Twiggy. Enge Räume sind nicht gut für dich.“

„Na schön. Dann komme ich mit. Aber wer bleibt hier?“

Mike hob sogleich seine Hand. Die Chance mal Ruhe vor Twiggy zu haben musste er einfach ausnutzen. „Ich bleibe.“

„Ich auch“, sprach Ginger und legte die Chipstüte weg. Es hatte keinen Sinn jeden Krümel zu sortieren, wenn man Sachen von denen durchsuchen konnte, die sich auf die Suche nach einer Tankstelle begaben.

„Gut. Pogo du bleibst auch hier. Dann werde ich mit John und Twiggy losgehen. Drei hier, drei draußen. Hört sich doch vernünftig an.“

Twiggy nickte und war bereits dabei seine Boots anzuziehen. John schwang sich von seinem Bett herunter und schüttelte seine Hose zurecht.

„Na dann lasst uns mal losgehen.“

Nachdem Brian sich seinen schwarzen ledernen Cowboyhut aufgesetzt hatte nickte er und ging zur Bustür. Twiggy folgte und John kam hinterher.

„Wir müssen Richtung Süden, oder?“, fragte Twiggy nach und schaute zum Frontmann der Band.

„Richtig Twiggy.“ Man musste dem Kleinen ja auch mal das Gefühl geben etwas gut gemacht zu haben. Tatsächlich mussten sie nach Westen und der Bassist lief natürlich nach Norden.

„Twiggy!“, rief Brian hinter ihm her und deutete mit der Hand zu seine Linke.

„Dort ist Süden.“ Natürlich war dort Westen.

Twiggy schlug sich gegen die Stirn, als hätte er es natürlich gewusst und lief in die richtige Richtung.

Kapitel 3

Nachdem Brian, Twiggy und John den Bus verlassen hatten und ein Stück weiter weg gingen machte sich Ginger daran sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.

„Also... Wir können hier ja auch nicht einfach sitzen bleiben“, versuchte er seine Kameraden anzustiften, „Was haltet ihr also davon, wenn wir uns mal ein wenig durch das Gepäck wühlen?“

Mike grinste auf der Stelle.

„Oho! Kenny, was ist denn mit dir los? Lässt dich die Hitze hier böse werden?“

„Ich war schon immer ein bisschen böse, mein Bester.“

Pogo kratzte sich kurz an der Stirn und legte die andere Hand in die Seite.

„Ich weiß ja nicht. Du kennst Brian. Dem gefällt das garantiert nicht, wenn wir seine Sachen durchwühlen.“

Ginger seufzte nur und rollte mit den Augen. Meine Güte. So kannte er den Keyboarder gar nicht. Normalerweise war er doch immer der Erste, der für jeden Scheiß zu haben war – zusammen mit Twiggy. Vielleicht war es genau das. Twiggy fehlte.

„Ach komm, Pogo. Das wird lustig. Wetten John hat ein paar interessante Heftchen für dich?“

Das stachelte ihn natürlich an und er war der erste an Johns Tasche, die in dessen Kabine lag. Der Reißverschluss wurde aufgezogen und Pogo fing an zu kramen.

„Hm... Also ich finde hier... Kondome, eine Dose Roodbeer, Zigaretten. Seit wann raucht John denn?“ Schon seltsam. Pogo hatte den Gitarristen noch nie mit einer Zigarette in der Hand gesehen. Er selbst rauchte schon ab und an, Twiggy auch, aber der zog sich was anderes rein, als Tabak. Und Brian war wegen seiner Anti-Raucher Meinung ja außen vor.

Ginger zuckte nur mit den Schultern, während er in der Tasche des Frontmannes herum schnüffelte.

„Keine Ahnung. Er meinte er würde sich schon ab und an mal eine rauchen, wenn er unter Stress steht.“

Und wenn man auf Tour war gab es sehr oft Stress.

„Na schön. Aber Heftchen finde ich nicht.“ Mit einer fast schon enttäuschten Stimmlage zog er den Reißverschluss wieder zu und seufzte aus.

„Dann schau doch mal in den Seitenfächern von der Tasche nach.“

Mike hatte doch wirklich oft die besten Ideen! Pogo schnippte mit den Fingern seiner rechten Hand, als hätte er selbst gerade diesen Einfall gehabt, und schaute gleich mal in den Seitenfächern nach.

Tatsächlich! Dort befand sich seine Rettung.

„Haha!“ Triumphierend holte er die einzelnen Seiten aus verschiedenen Magazinen heraus und hielt sie in die Höhe, als wäre es der größte Schatz seit Menschen gedenken.

Aber wieso waren das nur einzelne Seiten? Und wieso waren die zusammengefaltet? Pogo stutzte kurz, beäugte seine Trophäe doch mal ein wenig kritischer und begann jede Seite aufzufalten.

„Igitt...“ Eigentlich war pogo ganz und gar nicht empfindlich, aber diese verklebten Blätter waren verdammt ekelhaft.

„Boah... Wie oft hat der die Teile hier als Vorlagen genommen?!“ Und da war seine Rettung verschwunden. Da konnte man absolut nichts mehr drauf erkennen.

Nur vage Vermutungen, wie die nackte Schönheit mal ausgehen haben mochte konnte der Keyboarder anstellen.

Anscheinend war sie blond – was allerdings auch falsch sein konnte. Die zahlreichen Flecke hatten das Bild recht verunstaltet. Die Frau konnte ebenso gut brünett gewesen sein, oder rothaarig.

„Scheiße...“

Mike kam zu ihm rüber und wollte sich selbst ein Bild von dem Elend machen. Als er die Seite sah verzog er schon angewidert das Gesicht.

„Das ist wirklich eklig. Der Kerl sollte sich mal neue Hefte besorgen. Sehen alle Seiten so aus?“

Pogo nahm noch die anderen herausgerissenen Blätter, die in der Seitentasche steckten und faltete sie auseinander. Jede einzelne war verklebt, ausgeblichen, teilweise sogar eingerissen.

„Jupp, der sollte sich wirklich neue Hefte kaufen.“

Ginger lachte schon fast schadenfroh.

„Wir können ihm ja welche zum Geburtstag schenken!“
 

Unterdessen hatte Brian wirklich Mühe seinen besten Freund nicht auf der Stelle zu erschlagen. Wie ein Kleines Kind trottete er ihm und John hinterher.

„Wann sind wir denn jetzt endlich da?“, kam es zum gefühlten sechshundertsten Mal von hinten und langsam reichte es.

„Ich weiß es immer noch nicht, Twiggy. Du musst dich gedulden. Hier in der Wüste steht nicht hinter jedem Kaktus eine Tankstelle!“

Der Bassist stöhnte genervt und strich sich seine nassgeschwitzten Dreads zurecht. Zum Glück trockneten die wieder schnell und solange ihm da keine Insekten hinein flogen, darin krepierten und langsam verwesten war alles okay.

„Schau mal, Twiggy. Wenn du es schaffst in den nächsten fünf Minuten nichts zu sagen, dann kaufe ich dir einen Schokoriegel, wenn wir an der Tankstelle sind, okay?“

Twiggy horchte auf. Schokoriegel. Das klang verlockend.

„Abgemacht!“

John nickte zufrieden und schickte sein erstes Stoßgebet in Gedanken gen Himmel.

Kapitel 4

Das zweite Stoßgebet gen Himmel schickte John, als Twiggy anfing überall irgendwelche Dinge zu sehen.

Am Anfang hatten sie ihm ja noch geglaubt.

Da sah er einmal ein Kaninchen davon hoppeln oder mal eine Klapperschlange.

Aber als der Dreadhead anfing weiter zu fantasieren und aus dem hoppelnden Hasen ein feuerspuckender Drache mit dem Kopf Tony Wiggins und dem Arsch Jennifer Lopez´ wurde hörte der Spaß auf.

„Twiggy, nun halt doch bitte die Klappe“, seufzte der Gitarrist genervt und wünschte sich er hätte dem Bassisten gesagt er solle länger als bloße fünf Minuten den Mund nicht aufmachen.

„Aber es ist doch wahr! Schau doch hin. Da!“

Mit dem rechten Zeigefinger wies Twiggy gen Süden und zog mit der anderen Hand am Arm des Gitarristen.

Brian hatte aufgehört auf die Stimmen zu achten, die hinter ihm tobten.

Sollten sich John und Twiggy ruhig niedermetzeln, solange er heil und möglichst ohne Sonnenbrand an einer Tankstelle ankommen würde war ihm fast alles egal.

Auch, wenn es ziemlich schade um seinen besten Freund wäre.

Allerdings war sich Brian ziemlich sicher, dass Twiggy ein Wüstenduell gegen John gewinnen würde. Der Junge konnte aus fast allem eine Waffe machen und ungeheure Kräfte entwickeln, wenn er wütend war – oder weder Dope noch Alkohol intus hatte, was im Moment jedoch nicht ganz zutraf.

„Hey, Twiggy. Halt doch lieber Ausschau nach Ufos“, meinte der Frontmann nun und hoffte seinen Freund damit ein wenig ablenken zu können. Der Herr war schließlich ein Science-Fiction Fan.

„Glaubst du hier kommen welche vorbei?“

John verstand Brians Masche.

„Vielleicht stürzen ja welche ab. Kann mans wissen? Sicherlich nicht. Und wenn du es als erster entdeckst darfst du das Alien darin bestimmt behalten.“

Twiggy blickte skeptisch zum Blonden herüber, richtete seinen Kopf aber dann Richtung Himmel, um nach Ufos Ausschau zu halten. Zwar glaubte er nicht, dass die Regierung ausgerechnet ihm gestatten würden ein Alien bei sich zu Hause halten zu dürfen, aber die Hauptsache war ja, dass er das Ufo zuerst sah, in welchem der kleine Freund den Planeten ansteuerte.

Brian schaute kurz zu seinem besten Freund nach hinten, lächelte über den Erfolg seines Plans und nahm ihn schließlich an die Hand.

Nicht, dass der Gute noch in eine völlig andere Richtung lief, wenn er nur in den Himmel starrte.
 

Von merkwürdig aussehenden Fabelwesen und Aliens, deren Ufos in Wüsten abstürzten blieben Ginger, Pogo und Mike zum Glück verschont.

Allerdings mussten die drei im Tourbus mit einem aufkeimendem Gestank kämpfen.

Zunächst vermutete Ginger, dass Pogo mal wieder die unterschiedlichen Funktionen einer Toilette außer Acht gelassen hatte. Schnell wurde aber klar, dass es sich bei dem Gestank eher um das Resultat Johns nächtlicher Aktivitäten handeln musste.

Nachdem Mike die schöne Bescherung in Johns Etagenbett entdeckt hatte – ein wunderschöner großer weißer schleimiger Fleck und dazu noch diverse gebrauchte Frauenunterhosen – beschloss man zu lüften.

Was allerdings die Situation nicht unbedingt besserte.

Nun stieg mit dem Gestank auch noch die unerträgliche Hitze in dem Tourbus auf und die drei Geschändeten litten auf dem Boden.

„Oh man... Haben wir hier drinnen keine Lüftung?“, fragte Pogo, der schon versuchte den Gestank mit einem kleinen Plastikfächer aus dem Tourbus zu wedeln.

„Doch. Aber die arbeitet schon auf Hochtouren. Wir müssen uns etwas anderes überlegen.“

Jetzt hieß es Hirne anstrengen.

Kapitel 5

Nach einer gefühlten Stunde – und realistischen drei Stunden – kam die Dreiertruppe an einer Tankstelle an. Endlich!

John schickte ein weiteres Stoßgebet gen Himmel, dankte dem Herrn, dass Twiggy nicht noch mehr Blödsinn angestellt hatte und beobachtete Brian, wie dieser schon fast die morsche Außenfassade der Hütte küssen wollte, es aber aus hygienischen Gründen dann doch nicht tat. Sicher war sicher. In dieser Einöde einen Arzt zu suchen war wohl aussichtslos.

Twiggy, der immer noch in den Himmel starrte in der Hoffnung ein paar Außerirdische zu sehen, lief geradewegs in John hinein, weil dieser einfach stehen blieb.

„Ey“, kam es von dem Bassisten, der kurz den Kopf schütteln musste, um die Lichtflecken vor seinen Augen los zu werden.

John schaute zu dem Dreadhead nach hinten, lächelte kurz und ließ schließlich seine Hand los. Jetzt musste der Gute ja nicht mehr ständig nach oben schauen.

„Schau mal, Twiggy. Wir sind an der Tankstelle. Kannst du dich noch daran erinnern, was dir versprochen wurde?“

Kurz blickte sich der Bassist skeptisch um. Tankstelle. Na ja. Sah mehr so aus, wie eine Kulisse aus einem schlechten Horrorfilm, in welchem eine Gruppe Teenager von irgendwelchen Mutanten angegriffen wurden, die am Benzin gelutscht hatten.

„Schokoriegel“, kam es aber schließlich noch von ihm und er verschränkte siegessicher die Arme vor der Brust.

„Richtig. Und du bekommst jetzt auch deinen Schokoriegel.“ Wenn es in dieser Bude überhaupt welche gab. Hier sah es ja nicht einmal so aus, als ob es halbwegs sauberes Wasser gab.

Brian schaute zu seinen beiden Bandkollegen nach hinten und seufzte betont laut. „Leute. Wollt ihr da noch lange stehen bleiben oder können wir rein?“

John ging gleich darauf zum Frontmann herüber, lächelte ihn kurz vielsagend an und meinte im Flüsterton, dass Twiggy vielleicht mal ein Buch lesen sollte. Vielleicht wuchs der Intelligenzquotient dann ein wenig.

Brian lachte kurz auf und winkte schließlich seinen besten Freund zu sich rüber.

Eigentlich war er ja recht intelligent, allerdings in anderen Bereichen und der Gute hatte sicherlich einfach nur zu viel Sonne abbekommen.
 

„Glaubt ihr die drei kommen mal langsam wieder zurück? Ich fange an mir Sorgen zu machen.“ Mike seufzte leise und sank weiter in seinem Fahrersitz zusammen. Im Bus wurde es immer wärmer. Selbst sein Schweiß schwitzte schon.

„Klar. Keine Panik. Die drei kommen schon zurecht. Wahrscheinlich sind sie wieder auf dem Rückweg und haben eine gute Lösung parat“, sprach Ginger, der sich in der Busküche bedient hatte und ein paar Eiswürfel aus dem Gefrierschrank heraus genommen hatte. Allerdings schmolzen die Teile schneller, als er es erhofft hatte.

„Hey... Wir haben fast kein Wasser mehr.“ Pogo drehte den Wasserhahn an der Spüle auf, um zu demonstrieren, dass wirklich nicht mehr allzu viel heraus kam.

„Alles klar. Dann heißt es ab jetzt Wasser sparen! Ich hoffe die drei sind so intelligent und bringen ein paar Kanister Wasser mit, damit wir auffüllen können.“

„Eis wäre auch nicht schlecht.“

„Pogo... Sei nicht dumm. Als ob Eis lange überleben würde. Selbst hier drinnen schmelzen die Eiswürfel schneller, als dir lieb ist. Wasser würde schon reichen. Und Kühlflüßigkeit.“

Mike nickte kurz und schaute zu den beiden Bandmembern nach hinten. „Wenn es die an der Tankstelle hier gibt. So mitten im Nirgendwo.“

Ginger seufzte erneut und setzte sich mit der verbliebenen Wasserpfütze in der Hand auf sein Etagenbett. Er klatschte sich das bereits lauwarme Wasser ins Gesicht und strich es sich noch durch die Haare.

„Wir können einfach nur warten und hoffen.“

Kapitel 6

Brian betrat die Tankstellenhütte durch die lautstark quietschende Tür. Er kniff kurz ein Auge zusammen und schüttelte sich am ganzen Körper. Oh wie sehr er solche Geräusche doch hasste. Sie taten in den Ohren weh!

Der Frontmann sah sich im Raum um den er soeben betreten hatte. Der Staub wirbelte herum, man konnte ihn gut im eindringenden Sonnenlicht sehen, ansonsten war es ziemlich dunkel. Und besonders stickig.

Die Fenster waren von innen mit Brettern vernagelt und die Regale an den Wänden waren nicht mehr sonderlich gefüllt. Einzelne Konserven standen in den Regalen oder lagen auch mal auf dem Boden. Zentimeterdicke Staubschichten auf ihnen verriet, dass sie wohl schon seit einigen Jahrzehnten dort standen.

„Ich glaube hier findest du keinen genießbaren Schokoriegel mehr, Twiggy“, seufzte John, der kurz nach Brian die Tankstelle betreten hatte.

„Hier riecht es ziemlich muffig.“ Der Frontmann nahm seinen ledernen Cowboyhut ab und fächerte sich mit diesem etwas Luft zu. Das bestätigte seine Aussage nur noch. Es roch nach Schimmel, Sägespänen und Urin. Die perfekte Mischung also.

Twiggys Gestöhne ließ die beiden Bandmitglieder zu ihm rüber schauen. „Hier sieht es aus, wie bei meinem Vater“, kam es von dem Dreadhead, der mit einem angewiderten Gesichtsausdruck eine Konservendose aus dem Regal neben ihm nahm.

„Abgelaufen am 23. April 1976“, las er vor und stellte sie wieder zurück.

„Ah das macht nichts. Konserven halten sich sehr lange. Aber wir haben im Tourbus genug zu Essen. Wir brauchen eher Wasser und Kühlflüssigkeit für den Motor“, meinte John, der ein Stück weiter in den muffigen Raum hinein ging.

Ob es hier so etwas wie Kühlflüssigkeit überhaupt gab? Brian bezweifelte das. So wie es hier aussah war hier schon seit einiger Zeit niemand mehr gewesen. Und das, obwohl Brian eigentlich gedacht hätte eine Tankstelle mitten in der Wüste würde sich rentieren.

„Aber mir wurde ein Schokoriegel versprochen. Also will ich auch einen haben!“

John seufzte leise, schaute sich noch einmal um und ging hinüber zu dem ziemlich ramponiertem Tresen. Normalerweise fanden sich hier ja einzeln verpackte Schokoriegel, Kaugummis und Pfefferminzbonbons. Und tatsächlich fand der Gitarrist ein paar Schokoriegel.

„Hier, Twiggy.“ Er nahm einen heraus, schaute kurz mit einem Grinsen auf den Lippen auf das Verfallsdatum und warf ihn schließlich dem Bassisten entgegen, der ihn zwar fing, aber nicht gerade überzeugt davon war.

Twiggy begutachtete den Planetenriegel und warf John schließlich einen grimmigen Blick zu.

„Ha ha... Abgelaufen vor fast zwanzig Jahren. Wie lustig, John.“

Der Gitarrist kicherte und zuckte schließlich mit den Schultern. „Wir haben ja auch nie behauptet, dass du einen frischen Schokoriegel bekommst.“

Brian schmunzelte. Ja, da hatte er Recht.

„Jetzt hört auf euch zu streiten. Wir haben eine anderen Mission zu erledigen und ich will nicht die ganze Zeit durch die Sonne gelaufen sein, um hinterher mit leeren Händen dazustehen.“

Wenigstens Wasser musste sich hier doch finden lassen.

„Und was suchen wir genau?“, erkundigte sich Twiggy, der den Schokoriegel zu den Konserven ins Regal gestellt hatte. Den würde er unter Garantie nicht mitnehmen.

„In erster Linie Wasser. Und dann noch Kühlflüssigkeit. Das lässt sich bestimmt hier finden. Mit etwas Glück und optimistischem Denken.“

Brian hatte wohl in der Hitze den Verstand verloren. Wasser hier drinnen? Na ganz sicher nicht. John jedenfalls glaubte nicht daran, dass ihr kühles Nass zu finden war. Twiggy war da jedoch anderer Meinung.

Er zog gleich los, hatte hinter dem Tresen einen kleinen Gang gefunden und schlenderte diesen entlang. Na mal schauen. Wenn mitten in der Wüste eine Tankstelle stand musste es hier auch eine Küche, ein Badezimmer und vielleicht sogar ein Schlafzimmer geben. Welcher Idiot würde schließlich jeden Tag mitten in die Wüste zu seinem Arbeitsplatz fahren wollen? Da lag die Vermutung doch nahe, dass hier der Besitzer auch gelebt haben musste.
 

Ginger und Pogo waren dazu übergegangen miteinander Karten zu spielen. Natürlich warf jeder von ihnen a und an mal einen Blick Richtung Johns Bett. Dieser weiße Fleck war schon ziemlich gruselig. Ginger war sich nicht so sicher, ob der Gitarrist das alles an einem Tag fabriziert hat oder ob das tagelange Arbeit war. Besonders: Wann hatte er das gemacht? Ginger hatte einmal erlebt, wie sich der Tätowierte einen runtergeholt hatte und dabei war er nicht unbedingt leise gewesen.

Das hätten sie doch also mitbekommen, hätte John sich nachts im Tourbus befingert, während sie am fahren waren. Andererseits stand die Frage, wann John denn mal alleine hier drinnen gewesen sein sollte. Ein Mysterium.

Mike war noch einmal rausgegangen und hatte nach dem Motor gesehen. Immer noch brüllend heiß. Allerdings nicht verwunderlich, wenn der Bus nur in der Sonne stand.

Er legte sich eine Hand wie einen Schirm an die Stirn und spähte in die Ferne. Nichts zu sehen von den Dreien. Wie lange waren sie jetzt schon weg? Drei Stunden? Bestimmt schon.

Mike seufzte leise auf. Vielleicht hätten sie erst gehen sollen, wenn es etwas kühler wurde. Nicht, dass sie in der Wüste lagen, langsam verdursteten und versuchten zum Bus zurück zu kriechen.

Der Busfahrer schüttelte sich kurz bei diesem Gedanken. Nein, dass wollte er sich auf gar keinen Fall vorstellen! Die drei waren heil an der Tankstelle angekommen und waren jetzt wahrscheinlich schon wieder auf dem Weg zurück. Da war er sich sicher.

Kapitel 7

Twiggy ging den verdreckten Gang entlang auf der Suche nach Badezimmer oder Küche. Kaputte Stühle und Scherben von den Fensterscheiben lagen überall verstreut herum. Dort wo einst die Scheiben angebracht waren hingen große Spinnweben. Der Putz hing von den Wänden und es lag der Geruch abgestandener Luft, Urin und nassem Holz in der Luft.

Der Bassist rümpfte die Nase. Hier roch es schlimmer, als im Schuppen seines Hauses, den er noch nie aufgeräumt, geschweige denn betreten hatte.

Der Gang war nicht sonderlich lang, vielleicht gerade einmal vier Meter. Es befand sich nur noch eine weitere Tür hier, die geschlossen war und nicht gerade einladend aussah. Pechschwarz mit einem großen Plastikschild daran genagelt.

Darauf stand:

„Enter on your own risk“

Solche Sätze kannte Twiggy nur von abgesperrten Feldern oder Baustellen, aber doch nicht von irgendwelchen Türen in irgendwelchen Tankstellen, die irgendwo in der Wüste lagen.

Nachdenklich kratzte sich der Dreadhead am Kopf und überlegte scharfsinnig, ob er dem Rat des Schildes folgen oder ob er einfach geradewegs die Tür öffnen sollte.

Er entschied sich für ersteres.

Nach kurzem Vergewissern, dass die Tür nicht abgeschlossen war drückte Twiggy die Klinke herunter und ließ die Tür aufschwingen. Ein Schwall aus Düsternis, Kotgestank und warmer Luft kam ihm entgegen, sodass er kurz die Augen zusammenkneifen musste, um sich die Sehorgane nicht vom beißendem Gestank wegätzen zu lassen.

„Widerlich...“, entkam es dem Bassisten, der gleich darauf Gesellschaft mit einer Krähe machte, die aus dem dunklen Zimmer auf ihn zugeschossen kam, kurz krächzte und sich durch eines der zerbrochenen Fenster davon machte. Dabei zerstörte sie natürlich das schöne Spinnennetz.

Twiggy hatte vor Schreck aufgeschrien und war einige Schritte nach hinten getaumelt, konnte sich aber noch rechtzeitig fangen, bevor er über einen der kaputten Stühle gestolpert wäre.

Brian, der von dem Schrei seines besten Freundes aufgeschreckt war, lief Richtung Gang und sah den Bassisten noch mit einem etwas panischen Gesicht dort stehen, wie er einfach nur zu einem Fenster starrte.

„Was ist passiert?“, erkundigte sich der Frontmann und legte Twiggy eine Hand an die Schulter, der gleich darauf erschrocken zu ihm herumfuhr.

„Ach du...“, seufzte er erleichtert, schon fast enttäuscht und atmete einmal tief durch.

„Ach nichts. Mich hat so ein blöder Vogel erschreckt.“

John kam direkt nach Brian in den Gang und grinste schon fast schadenfroh. „Ja. Mit Vögeln verbindest du sonst was anderes, hm?“, lachte er kurz auf und sah dann zu der geöffneten Tür in das geballte Schwarz. „Wo geht’s denn dahin? Geradewegs in die Hölle?“

Twiggy, der Johns vermeintlichen Scherz überhörte, blickte nun auch wieder zur geöffneten Tür und zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung“, meinte er, „Auf jedenfall ist das Betreten auf eigene Gefahr.“

John schaute skeptisch drein, hielt das offensichtlich für einen Scherz weswegen Twiggy seinen Satz vervollständigte. „Steht auf dem Schild an der Tür“ Er deutete kurz auf die aufgeschwungene Tür und John schob diese kurz zur Seite, um sih selbst von dieser Tatsache zu überzeugen.

„Verstehe...“ Kurz lugte der Gitarrist in den Raum, kniff dabei die Augen zusammen in der Hoffnung etwas zu sehen, scheiterte allerdings.

Das einzige was zu sehen war, war der Boden, der vom einfallenden Licht ein wenig erleuchtet wurde. Staubbedeckt natürlich und John meinte den Schwanz einer toten Ratte erkennen zu können.

„Was meint ihr? Betreten auf eigene Gefahr?“, grinste John schließlich und schaute zu seinen beiden Bandkollegen zurück.
 

Ginger hatte das zehnte Kartenspiel in Folge gewonnen und beschloss daher aufzuhören, sehr zum Entsetzen Pogos, der sich keine andere Beschäftigung im Moment vorstellen konnte.

Mike war in der Zwischenzeit wieder in den Bus gestiegen und versuchte einen Radiosender rein zu bekommen, woran er allerdings scheiterte. Natürlich bekam man mitten in der Wüste nichts anständiges rein, außer einem Bibelsender und etwas, das sich verdächtig nach Polizeifunk anhörte. Den wollte Mike nicht abhören. Auch wenn er die Band Marilyn Manson quer durch die Vereinigten Staaten fuhr musste er nicht kriminell werden.

Pogo, der noch eine Weile mit sich selbst Solitaire gespielt hatte bekam so langsam Hunger. „Hey Leute... Ich hab Hunger“, gab er auch gleich bekannt und bekam einen zustimmenden Blick des Drummers zurück. „Nicht nur du...“, seufzte dieser schwer und ließ sich in seinem Etagenbett fallen. Wann kamen die drei denn endlich zurück?

„Wann sind die noch mal losgegangen?“ Mike zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Hab nicht auf die Uhr gesehen.“ Pogo seufzte tief. Na klasse. Also konnte sich das Ganze nur noch um Jahre handeln.

„Haben wir noch Tiefkühlpizza?“, erkundigte sich Pogo, der schon auf dem Weg zur Gefriertruhe war, Mike zerstörte seinen Wunsch.

„Ja, aber die dürfte mittlerweile schon weich wie Butter sein, Pogo. Die kannst du nicht mehr essen.“ Pogo seufzte erneut.

Es konnte einfach nicht noch schlimmer werden.

Kapitel 8

Twiggy hatte den Raum bereits betreten musste aber gleich darauf anfangen fürchterlich zu husten. „Bah... Hier drinnen stinkt es!“

„Schlimmer, als bei dir zu Hause?“, erkundigte sich John mit einem breiten Grinsen im Gesicht und folgte dem Bassisten ins Innere. Er erntete nur einen bösen Blick von Twiggy, sagen wollte er dazu nichts.

„Phu... Du hast Recht. Hier drinnen riecht es wirklich fürchterlich. Was ist das für ein Gestank?“

Auch Brian verzog das Gesicht und hielt sich eine Hand vor den Mund, um seiner Magensäure nicht den Gefallen der Freiheit zu tun.

„Riecht nach vergammeltem Fleisch.“

Twiggy wurde mit einem Mal ganz hibbelig. Vielleicht hatte er jetzt Gelegenheit eine echte Leiche zu sehen? Oder vielleicht lag hier ja sogar ein toter Alien herum? Was ja im Grunde auch eine Leiche war.

John hielt sich mit Daumen und Zeigefinger die Nase zu, hatte wegen diesem Gestank schon Tränen in den Augen. „Hat einer von euch eine Taschenlampe oder so dabei?“ Twiggy schüttelte kurz den Kopf. Als ob er irgendwo in seinem Kleid eine Taschenlampe verstecken konnte. Aber Brian hatte eine – zwar sehr kleine – Taschenlampe in der Hosentasche.

„Jetzt fragt mich nicht, wieso ich dieses Teil dabei habe.“

„Warum hast du eine Taschenlampe in deiner Hosentasche?“, kam es gleich darauf von Twiggy, der sich zu seinem besten Freund umgedreht hatte. Zur Strafe leuchtete Brian ihm mit dem kleinen Licht ins Gesicht.

Doch was er hinter Twiggy sah verschlug ihm den Atem. Das konnte ja gar nicht möglich sein! Sein Mund blieb offen stehen und sein Blick lag wie gebannt auf das Bild, das sich ihm dort bot. Auch John hatte es gesehen, nur Twiggy fielen die erschrockenen Blicke seiner Bandkollegen erst später auf und er drehte sich langsam um. Er taumelte einige Schritte nach hinten, blieb schließlich neben Brian stehen und hatte den Mund ebenfalls geöffnet.

Der Lichtstrahl von Brians Minitaschenlampe traf auf etwas, dass sich die drei nun wirklich nicht vorgestellt hatten, aber an Twiggys Vermutung einer Leiche kam es schon ran.

Der Kadaver eines Pferdes lag, mehr oder minder zerstreut, auf dem Boden. Der Kopf des Tieres war auf einem Besenstiel aufgespießt worden und lehnte an der Wand. Der Torso lag ausgeweidet vor ihnen, die Beine sorgsam aufgereiht rechts daneben.

„Was zum Teufel...“, gab Brian als Erster von sich und sprach damit seinen Bandkollegen förmlich aus der Seele.
 

Pogo, Ginger und Mike bekamen im Tourbus davon herzlich wenig mit. Allerdings machten sich die drei zunehmend Sorgen, denn es wurde langsam dunkel. Und da allgemein bekannt war, dass es nachts in der Wüste recht kalt wurde musste besonders Ginger daran denken, dass Twiggy nur eines seiner Kleider trug und Boots an hatte. Nicht einmal eine Strumpfhose hatte sich der Gute angezogen und das konnte dann doch relativ kalt werden.

„Vielleicht ist ihnen ja etwas passiert“, gab Pogo von sich, während er nachdenklich aus einem der Fenster in die Ferne blickte. Er mochte sich gar nicht vorstellen, dass die Drei vielleicht irgendwo in der Wüste lagen und ohnmächtig waren oder anderes.

„Mal doch den Teufel nicht an die Wand“, seufzte Mike und blätterte in seinem Buch eine Seite weiter. Er machte sich natürlich auch Sorgen, versuchte sich aber abzulenken da er der festen Überzeugung war, dass die Drei jeden Augenblick zum Tourbus zurück kommen.

„Mir reichts jetzt!“, gab Ginger schließlich von sich, stand auf und marschierte Richtung Tür. Er wollte nicht weiter tatenlos zusehen. „Ich gehe die drei jetzt suchen!“ Pogo nickte und kam dem Drummer gleich hinterher. „Ich komme mit!!“

Mike konnte nur die Augen verdrehen. „Ja... dann geht halt suchen. Ich passe weiter auf den Bus auf. Aber nehmt Taschenlampen mit!“

Kapitel 9

Twiggy hatte sein Gesicht verzogen und bereute schon zutiefst diese Tür geöffnet zu haben. Er war zwar recht hart im Nehmen und mit Brian hatte er schon so einige skurrile Sachen erlebt und gesehen, aber das war wirklich zu viel. Wer tat denn so etwas mit einem Pferd? Und dann auch noch in so einem Raum? Das hier sah nicht aus wie eine Metzgerei.

„Das scheint noch frisch zu sein“, meinte John, der mit einem Stück Holz in dem Torso des armen Tieres herumstocherte.

„John, lass das!“, keifte Twiggy sofort los und nahm dem Gitarristen den Stock weg. „So etwas tut man doch nicht.“

„Sagt der Richtige“, kam es lediglich von Brian, der sich im restlichen Raum noch etwas umsah. Ein kaputter Stuhl dem ein Bein fehlte lehnte an der Wand, auch das Fenster hier hatte ein Loch in der Scheibe, aber es war von außen mit Brettern vernagelt. Die Farbe blätterte von den Wänden und ansonsten hätte jeder, der eine Stauballergie hatte hier wohl ein gewaltiges Problem.

„Ich bin dafür, dass wir hier ganz schnell verschwinden. Wer weiß, was das für ein Geisteskranker war, der das Pferd so zugerichtet hat.“ Twiggy stimmte John durch ein kurzes Nicken zu. Er wollte hier ach so schnell es nur ging verschwinden. Dafür würde er sogar auf seinen Schokoriegel verzichten, den man ihm ja eigentlich versprochen hatte. Aber wenn sich der Bassist entscheiden müsste zwischen Schokoriegel und nicht so auszusehen wie das Pferd nahm er doch wirklich gern Letzteres.

„Dann lasst uns gehen.“

Die drei Bandmitglieder machten kehrt, verließen eiligen Schrittes den Raum und gingen zurück in den Verkaufsbereich. Mittlerweile kam ihnen die Stille nicht mehr nur noch gruselig, sondern auch noch bedrohlich vor. Ob man sie beobachtete? Twiggy rechnete noch immer damit jeden Augenblick ein Ufo zu sehen.

„Hey...“, kam es schließlich flüsternd von dem Dreadhead. „Ob Aliens das waren?“

„Was waren?“

„Na das mit dem Pferd.“

„Mensch Jeordie, mach dich nicht lächerlich.“

Twiggy streckte John kurz neckisch die Zunge raus und schlich sich hinter Brian aus der Tankstelle heraus. So abwegig war das doch überhaupt nicht. Man hatte schon oft gehört, dass Aliens gerne an Kühen herum experimentierten. Und in dieser Wüste gab es vielleicht einfach nicht mehr genügend Kühe. Und wenn sie nicht davor zurückschreckten Pferde zu zerstückeln machten sie vor Bassisten mit langen schwarzen Dreads sicherlich auch keinen Halt.
 

Ginger und Pogo leuchteten mit ihren Taschenlampen durch die Dunkelheit der Wüste.

„Bist du dir sicher, dass sie in diese Richtung gegangen sind?“, fragte Pogo zum gefühlten hundertsten Mal nach.

„Ja, keine Sorge. Ich bin mir ganz sicher.“

Nicht nur, dass Ginger gesehen hatte wohin Brian, Twiggy und John gegangen waren, sondern auch, die Spuren im Sand waren verräterisch. Twiggy hatte wohl die ganze Zeit in den Himmel geschaut und nicht darauf geachtet wohin er ging. Schlangenlinien verliefen rechts von zwei anderen Paar Fußspuren. Ginger schlussfolgerte, dass Twiggy in den Himmel gesehen haben muss. Keiner der anderen beiden würde das über eine so lange Strecke tun. Wahrscheinlich hatte er nach Aliens Ausschau gehalten.

„Sag mal, Pogo. Glaubst du die drei haben die Tankstelle gefunden?“

„Na ich hoffe doch. Ich habe keine Lust darauf hier jetzt stundenlang herum zu laufen. Wenn du mal überlegst. Die sind etwa um den Mittag rum los gegangen und jetzt immer noch nicht da. Und die Wüste ist im Dunkeln nicht gerade der sicherste Ort. Twiggy hat sicherlich schon Angst.“

Ginger konnte sich schon lebhaft vorstellen, wie der Bassist schlotternd an Johns Arm hing.

Kapitel 10

Als die drei draußen ankamen war es deutlich dunkler geworden. Und das war nicht gut.

„Haben wir wirklich so viel Zeit da drinnen verplempert?“, fragte John ungläubig und starrte in die pechschwarze Finsternis vor ihm. Aus welcher Richtung waren sie doch noch gleich gekommen?

„Anscheinend“, seufzte der Frontmann und würde im Augenblick wohl seine Seele für einen Spiegel verkaufen. Ob sein Make-up noch saß? Bestimmt nicht mehr.

Twiggy hingegen war gar nicht besorgt um sein Make-up. Ihm war es ohnehin meistens ziemlich egal, ob da nun was zerlief oder nicht. Und wenn – so fand er – sah es ohnehin besser aus. Vielmehr beschäftigte ihn die Frage, ob da nun ein Ufo auf sie zukam oder nicht.

„Was ist das?“, fragte der Bassist nun und deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger auf einen Lichtkegel in weiter ferne.

„Das ist ein Ufo, oder?“

„Ach Quatsch nicht, Jeordie. Das ist doch kein Ufo!“ John hatte definitiv keine Lust mehr auf dieses Alienzeug. Was auch immer da auf die Tankstelle zukam, es war unter Garantie kein intergalaktisches Raumschiff oder irgendein anderes unbekanntes Flugobjekt. Schließlich waren sie hier nicht in Roswell. Und jeder wusste doch, dass Ufos nur dort abstürzten. Wenn überhaupt.

„Und was ist es dann, hm?!“ Twiggy mochte es gar nicht, wen ihn jemand so anfauchte. Er war der festen Überzeugung, dass da ein Ufo auf sie zukam und er würde erst anders denken, wenn man ihm vom Gegenteil überzeugt hatte. Aus Sicherheitsgründen krallte sich Twiggy an den Arm des Gitarristen und starrte wie gebannt auf den Lichtkegel, der langsam auf sie zukam.

Brian fand das ganze ziemlich lächerlich. Es war ja wohl ganz offensichtlich, dass da ein Tier auf sie zukam, das eine Lampe im Maul hatte. War doch nur logisch. Was konnte es auch sonst sein? Ein Ufo ganz sicher nicht. Wieso sollte das so nah am Boden fliegen und auf sie zusteuern?

John hingegen sah die ganze Sache sehr realistisch.

Für ihn kam da jemand, und zwar ein Mensch, mit einer Taschenlampe in der Hand. Was auch sonst? Das Twiggy an ein Alien oder an ein Raumschiff dachte war ihm schon klar. Hätte er aber Brians Gedanken lesen können hätte er seinem lieben Frontmann wohl am liebsten auf den Hinterkopf geschlagen. Ein Tier mit einer Lampe im Maul. Wie bescheuert war das denn?! Am besten war es noch eine Kuh mit einer Lampe anstelle eines Kopfes.

„Vielleicht...“, kam es nun wieder von Twiggy, der sich die Sache mit den Außerirdischen noch einmal gründlich durch den noch ziemlich bekifften Schädel überdachte, „vielleicht ist das ja auch der, der das Pferd so abgeschlachtet hat.“

Für Brian und John eine durchaus plausible Idee.

„Scheiße...“ John sah sich bereits nach einer geeigneten Waffe um, um im Notfall irgendjemandem eins auf den Schädel zu geben. Und wenn es Twiggy war, der aus lauter Verzweiflung anfing wild herum zu schreien und im Kreis zu laufen.
 

Ginger und Pogo waren der Tankstelle schon etwas näher gekommen, hatten aber noch einen gewaltigen Fußmarsch vor sich. Pogo, der die Taschenlampe in der Hand hielt und vor sich her leuchtete hörte Ginger nur mit halbem Ohr zu, der irgendetwas von „man kann sich auch auf niemanden mehr verlassen“ und „Twiggy, dieses verdammte Kleinkind“ faselte. Gut, der Drummer hatte durchaus Recht damit, dass der Bassist sich sehr oft wie ein Kind benahm, aber was hatte das damit zu tun, dass augenscheinlich alle drei den Weg nicht zurück fanden oder vielleicht irgendwo hier im Sand lagen?

„Was machen wir eigentlich, wenn wir die nicht finden?“

„Wir MÜSSEN sie finden. Denk ja nicht über Eventualitäten nach. Dafür haben wir keine Zeit. Halt lieber Ausschau, ob du einen von denen findest.“

Twiggys Schuhabdrücke im Sand waren noch immer gut zu sehen. Der Junge war ganz schön torkelnd unterwegs. Ob er wohl ein Alien entdeckt hatte? Wie um sicher zu gehen schwenkte Pogo die Taschenlampe einmal kurz hoch in den Himmel bekam aber prompt von Ginger eins auf den Hinterkopf und hielt den Lichtkegel fortan wieder auf dem Boden. Wo waren die drei nur.

Kapitel 11

„Wir sollten uns ein Versteck suchen.“ Da hatte Brian mal eine gute Idee. Twiggy hatte sich bereits hinter eine alten verfallenen Zapfsäule gesetzt und hoffte das Beste. Er wollte nicht unbedingt so aussehen, wie das Pferd. John hatte es sich hinter einem der Holzpfosten gemütlich gemacht. Die Teile waren zwar nicht sonderlich breit, aber in der Dunkelheit konnte man einen Sack Mehl nicht von einem sitzenden Menschen unterscheiden. Also ein Punkt für ihn.

Brian jedoch setzte sich einfach neben Twiggy. Der schubste ihn jedoch weg. „Geh! Das ist mein Versteck.“ Und da duldete er sonst keinen. Brian verdrehte die Augen und setzte sich einfach hinter die nächste Zapfsäule. Da wollte man seinem besten Freund in solchen Momenten zur Seite stehen und der stieß einen einfach weg. Nun gut, wenn Jeordie meinte er käme alleine zurecht wollte ihm Brian da nicht reinreden. Der Gute war ja sowieso manchmal ein wenig störrisch.

Der Frontmann hatte sich hinter seiner Zapfsäule, die er liebevoll Willie getauft hatte, da dieser Name in die Rückenverkleidung hinein geritzt worden war, und wagte es nicht nachzuschauen, welches wundersame Wesen denn da auf sie zukam. Natürlich war er nicht so geistig begrenzt und glaubte jeden Augenblick von Aliens entführt zu werden, doch fand er die Idee mit dem Tier und der Taschenlampe äußerst plausibel.

Twiggy aber glaubte felsenfest jeden Augenblick in einem Raumschiff zu sein, von irgendwelchen Wesen – denn die Behauptung Außerirdische würden wie kleine grüne Menschen aussehen verweigerte er seit den Star Wars Filmen vehement – untersucht oder gar aufgeschnitten zu werden. Es war ja bekannt, dass sich Aliens zuerst ein paar Exemplare der Planetenbevölkerung besorgten, um sie auf Schwachstellen hin zu untersuchen. Und welche Alienkolonie war schon so blöd und suchte nicht in einer Wüste nach Menschen, die so blöd waren und nachts dort herum liefen. Welcher Idiot hatte noch gleich die Idee die Tankstelle zu suchen?

John, der als einziger einen Blick riskierte und das Licht anstarrte, das noch immer auf sie zukam, war noch immer von seiner Theorie überzeugt. Aber er entschied sich dagegen ein tapferes „Hallo?“ zu rufen. Man konnte ja nie wissen was für ein Mensch da kam. Schließlich waren auch im Gedächtnis des Gitarristen diverse Serienmörder und andere Verrückte gespeichert. Und wenn er sich an das niedergemetzelte Pferd in der Tankstelle erinnerte wollte er auch irgendwie nicht mehr wissen, wem diese denn überhaupt gehörte. Vielleicht war es wirklich der Besitzer, der gerade auf sie zukam. Vorsichtshalber schaute sich John noch einmal nach einer geeigneten Waffe um. In unmittelbarer Nähe lag eine Eisenstange. Kurz schaute er noch einmal auf, der Lichtkegel war noch etwas weiter entfernt, also haschte er nach der Stange, griff sie, stellte sich wieder ruhig hinter den Holzpfosten und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Alles klar. Nun hatte er eine Waffe mit der er entweder einem drohenden Angreifer in Form eines Serienkillers, Verrückten, Aliens oder einem Tier mit einer Taschenlampe im Maul eins auf den Schädel geben konnte, oder aber er schlug Twiggy damit auf besagten, damit der ruhig blieb. John konnte deutlich sehen, wie der Bassist hinter der Zapfsäule kauerte, sein Kopf zuckte unruhig hin und her und man konnte beinahe seine Zähne hören, die aufeinander schlugen. Allen Anschein nach hatte der Bassist nicht nur was geraucht.
 

Pogo hatte so langsam echt keine Lust mehr durch die Wüste zu laufen und irgendwelchen Fußspuren zu folgen, die in Schlangenlinien im Sand verliefen.

„Wann sind wir denn endlich da...“

Ginger verdrehte die Augen. Manchmal war der Keyboarder wirklich wie ein kleines Kind.

„Schau mal, Pogo. Dort hinten ist die Tankstelle und dort müssen die drei ja auch sein. Schließlich sehe ich hier nur Fußspuren, die hin führen.“

„Und wenn sie weitergegangen sind?“

„Ganz bestimmt nicht. Wenn die in der Tankstelle nichts gefunden hätten wären sie wieder zurückgekommen. Brian strengt sich doch nicht mehr an, als es nötig ist.“ Da musste Pogo zustimmen. Und wenn man jemanden wie Twiggy im Schlepptau hatte, der zugedröhnt war wollte man ohnehin so schnell es ging wieder bei halbwegs normalen Menschen sein.

Kapitel 12

Das schwankende Licht kam immer näher. Twiggy meinte schon diverse Klicklaute zu hören, wie er sie aus einigen Science-Fiction Filmen kannte. Ob sie hier waren um ihn mitzunehmen? Als Mustermenschen? Sie wollten ihn unter Garantie aufschneiden, an ihm herum experimentieren, ihm vielleicht einen anderen Kopf aufsetzen und seinen auf den einer Kuh pflanzen. Oder vielleicht wollten sie Sex?

Marilyn hingegen war von seiner Theorie abgekommen da käme ein Tier mit einer Taschenlampe im Maul auf sie zu. Absurd! Es war ja wohl ganz klar, dass sie es hier mit einem psychopathischen Massenmörder zu tun hatten, der zunächst mit Tieren geübt hatte und sich nun seine ersten menschlichen Opfer suchte. Vielleicht hatte er bereits jemanden im Schlepptau und wenn nicht würde er hier ja drei finden. Ein unschöner Gedanke.

John, die Eisenstange fest umklammert, fixierte das grelle weißgelbliche Licht an und meinte bereits einen menschlichen Umriss erkennen zu können. Dann, nach einigen weiteren Minuten, auch Stimmen, die ihm vertraut vorkamen.

Als ein noch viel vertrauteres Gesicht deutlicher wurde seufzte John erleichtert auf. Sein Herz wäre ihm beinahe in die Hose gerutscht und er hatte das Gefühl im Kopf keinen Tropfen Blut mehr zu besitzen.

Das war Kenny!

Auch Brian hatte seinen Drummer erkannte, hatte kurz die Augen geschlossen und sich selbst für gänzlich verrückt erklärt. Aliens, Massenmörder, Tier mit Taschenlampe im Maul. Die Idee, die anderen würden nach ihnen suchen war ihm natürlich nie gekommen.

Nur Twiggy schien das noch nicht ganz verstanden haben. Denn der Bassist sprang mit einem Mal auf, lief schreiend auf die Gestalten mit der Taschenlampe zu, warf sich dem ersten todesmutig gegen die Brust und kniff dabei die Augen zu. „Nehmt nicht mich mit! Ich will keinen Kuhkörper!“, schrie er panisch und riss Kenny, der total perplex die Taschenlampe fallen ließ, zu Boden. Pogo kratzte sich nachdenklich am Kopf, hob erst einmal die Lampe wieder auf und versuchte anschließend Twiggy von dem Drummer runter zu bekommen. Der hatte sich aber so festgekrallt, dass bei dem Versuch ihn loszureißen ein tiefer Riss in Kenny T-Shirt entstand.
 

„Das sieht echt unschön aus“, meinte Ginger, der sich das Pferd kurz von näherem betrachtet hatte. „Wie seid ihr denn darauf gestoßen?“

„Twiggy hat die Tür geöffnet.“ Wie sollte es auch anders sein? Der kleine Bassist war schon immer recht neugierig gewesen. Besonders, wenn Türen verschlossen waren.

„Was hältst du davon, hm?“ Brian hatte die Arme vor der Brust verschränkt und schaute zu seinem Drummer herüber, den er im Moment für den Vernünftigsten hielt. Twiggy, der recht peinlich berührt in der Ecke stand und sich für seine Attacke ziemlich schämte, glaubte, dass es sich bei diesem Abschlachten um eine satanistische Gruppe Jugendlicher handelte. Ginger sah das im Grunde nicht anders. Allerdings fehlten für seinen Geschmack dann noch diverse Pentagramme an Wänden und Boden. Pogo leuchtete mit seiner Taschenlampe den Raum ab, während er den Schokoriegel aß, der vor zwanzig Jahren abgelaufen war.
 

Mike seufzte gelangweilt. Nachdem er wieder jede einzelne Tasche durchwühlt hatte und nicht wirklich etwas interessantes gefunden hatte schaute er einfach nur noch nach draußen und hoffte, dass die fünf Bekloppten bald mal wieder auftauchten.

Natürlich hätte er Twiggys Gras rauchen oder sich die komischen Blättchen auf die Zunge legen können, aber er wollte nicht. Wer wusste schon, was der Dreadhead da alles drunter gemischt hatte? Mike konnte sich noch gut an das Experiment mit den Knochen erinnern, die der Bassist geraucht hatte und anschließend die halbe Nacht über der Kloschüssel hing. Das wollte er dann doch irgendwie nicht riskieren.

Aber, was war denn das für ein Licht, das da langsam auf ihn zukam? Sollten das etwa die Fünf sein?

Kapitel 13

So langsam hatte sich Twiggy wieder beruhigt und gab nun auch den Hinweis mal langsam wieder zurück zum Tourbus zu gehen. Schließlich war Mike dort gerade alleine und es war schon so dunkel draußen, dass man nur knapp einen Meter weit sehen konnte. Alle stimmten ihm zu. Das auseinandergenommene Pferd gab niemand von ihnen als zusätzliche Grund an von hier zu verschwinden.

Twiggy war der erste der draußen war und die frische Luft einatmete. Mit einem Mal stockte er allerdings als er weiter weg einen Lichtpunkt sah. „Ähm... sagt mal... Könnte es vielleicht sein, dass Mike euch gefolgt ist?“

„Nein, wieso fragst du?“ Doch die Frage erübrigte sich, als auch Ginger das Licht sah. Vielleicht war ihnen doch hinterher gelaufen? Hatte sicherlich Angst bekommen so ganz alleine in dem Bus zu sitzen und zu warten. Aber Brian war da anderer Meinung. „Also... wenn das Mike ist ist der ganz schön schnell und macht komische Geräusche.“

In der Tat hörte man ein leises Motorengeräusch aus der selben Richtung kommen.

„Leute... Jetzt denkt doch mal nach. Da kommt ein Motorrad.“

„Oder ein Tier mit einer Taschenlampe im Maul, welches auf einem Motorrad sitzt.“

Und nun fing das wieder an. John verdrehte die Augen, seufzte geräuschvoll und legte sich eine Hand an die Stirn als hätte er gerade einen wahnsinnigen Migräneanfall zu bewältigen.

„Ach Quatsch“, kam es nun auch wieder von Twiggy, „das ist ein Alien auf einem Motorrad, das hier hinfährt, um uns alle zu entführen und unsere Köpfe auf einen Kuhkörper zu setzen.“

Kurz starrten ihn alle an hoben fast synchron eine Augenbraue und John tätschelte ihm schließlich den Kopf. „Du solltest wirklich nicht mehr so viele Science Fiction Serien schauen, Jeordie.“

Pogo hob nun den Zeigefinger, um auch etwas dazu zu sagen, doch Ginger hielt ihm auf der Stelle den Mund zu. „Jetzt fang du nicht auch noch an. Reicht, wenn wir zwei Bekloppte hier haben, die sich wirres Zeug ausdenken.“

Der Keyboarder schob die Hand des Drummers von seinem Gesicht weg, schüttelte kurz den Kopf und setzte noch einmal an: „Ich wollte doch nur sagen, dass das eventuell der Kerl sein könnte, dem die Tankstelle gehört und das Pferd so zugerichtet hat.“

Das klang allerdings einleuchtend.

Nun ging der ganze Spaß also wieder von vorne los. John schnappte sich die Eisenstange, die er beiseite gelegt hatte als sie wieder die Tankstelle betreten hatten und verschanzte sich dieses mal hinter einer der Tanksäulen. Ginger gesellte sich zu ihm und hatte eine Holzlatte als Waffe parat. Pogo und Brian machten es sich hinter der anderen Tanksäule gemütlich und Twiggy musste mit dem Holzpfosten zufrieden sein. Alle schlossen für einen kurzen Augenblick die Augen und hielten den Atem an. Was auch immer da auf sie zukam war höchstwahrscheinlich kein Freund.
 

Mike kniff die Augen zusammen um besser erkennen zu können was oder wer da auf ihn zukam. Nach wenigen Sekunden war sicher: Die Jungs waren das nicht. Für eine simple Taschenlampe war das Licht zu grell. Es hatte mehr etwas von einer Miniaturausführung eines Flutlichtes.

Dann ertönte eine laute, harte Stimme: „Verlassen Sie sofort diesen Sektor!“ Mike zuckte zusammen. Er kannte diesen Tonfall noch von vor nicht einmal drei Jahren, als er gedient hatte. Das war das Militär!

Mike schluckte leicht. Waren sie etwa unwissentlich in einen Militärstützpunkt gefahren? Aber nirgends hatte er Schilder gesehen, die einen darauf hinwiesen nicht weiterzufahren. Also war das eigentlich nicht möglich. Außer es war ein geheimer Stützpunkt.

„Verlassen Sie sofort diesen Sektor!“ Dieses mal waren die Worte deutlich schärfer ausgesprochen. Der Kerl meinte das also todernst. Aber er konnte doch jetzt nicht einfach so davon fahren und die Jungs hier im Stich lassen.

Ob die auch schon entdeckt worden waren?

Kapitel 14

Brian wusste nicht genau, was in den letzten Minuten passiert war. Er konnte sich nur an ein grelles Licht, laute Stimmen und viel Staub erinnern. Danach war alles schwarz. Ob er geträumt hatte? Er war sich nicht sicher. Auch hatte er absolut keine Ahnung wo er nun war. Er saß auf einem Stuhl, vor ihm ein grauer Stahltisch. Sonst war wohl nichts im Raum. Allerdings konnte er auch nicht alles lesen. Nur er und der Tisch waren hell erleuchtet, der Rest um sie herum pechschwarz. Wie in einem dieser Agentenfilme bei denen jeden Augenblick ein Mann in schwarzen Anzug aus der Dunkelheit hervortrat und dem Verdächtigen viele Fragen stellte. Brian sah sich noch einmal um. Einen Mann in einem schwarzen Anzug konnte er allerdings nicht sehen. Gut, die hielten sich in der Dunkelheit natürlich auch verborgen. Wäre ja auch absoluter Schwachsinn, wenn der Anzug jetzt knall gelb wäre. Würde man ja sehen.

Brian verdrehte leicht die Augen, bevor er sie schloss und die vergangenen Geschehnisse noch einmal Revue passieren ließ.

Ihr Bus war in der Wüste stehen geblieben. Er, John und Twiggy hatten sich auf die Suche nach einer Tankstelle gemacht und auch eine gefunden, in der allerdings ein abgeschlachtetes Tier lag Danach stießen Pogo und Ginger zu ihnen. Lichter, Stimmen, Staub. Und jetzt war er hier.

Als der Frontmann seine Augen wieder öffnete erschrak er nicht, als da plötzlich ein Kerl mit Sonnenbrille vor ihm saß. Irgendwie hatte er sich das schon gedacht.

„Wo sind die anderen?“, fragte Brian zuerst einmal. Er wollte sich sicher gehen, dass seinen Freunden nichts passiert war. Besonders Twiggy. Wenn der auch in so einem Raum saß hatte er sicherlich entweder einen Nervenzusammenbruch oder er dachte er hätte sich in einen Film erträumt und ließ Zitate von sich hören.

„Denen geht es gut. Keine Sorge.“ Gut. Irgendwie glaubte Brian ihm das auch. Der Typ sah nicht wie einer dieser bösen Cops aus.

Brian wollte noch etwas fragen, doch plötzlich hellte sich der Raum so dermaßen auf, dass der Frontmann kurz erblindete. Was war denn nun wieder? Was wurde hier gespielt?
 

Brians Befürchtungen bezüglich Twiggy erwiesen sich als nicht ganz richtig. Denn der Bassist befand sich nicht in so einem Raum wie Brian.

Jeordie kannte dieses Szenario. Matrix. Er saß auf einem Stuhl in einem ziemlich altmodisch aussehendem Raum. Vor ihm ein großer alter Ohrensessel. Allerdings leer.

So langsam verstand er die Welt wirklich nicht mehr. Sollte das so sein? Hatte man ihn auserwählt, um die wahre Welt kennen zu lernen? Aus der Matrix auszubrechen? In die tiefen Tiefen des Kaninchenbaus zu kriechen? Wo war Morpheus?

Der kam gerade die Tür hinein und ließ ein: „Guten Tag“, von sich hören.

Twiggy fuhr kurz zusammen, drehte sich voller Begeisterung um und... und sah einen Anzugträger. Natürlich war ihm sofort klar, dass das ein Abklatsch von Agent Smith sein musste, der ihn dazu überreden wollte in der perfekten Matrix zu bleiben. Aber auf das Spiel ließ er sich nicht ein!

„Hau ab!“, giftete der kleine Dreadhead also sofort. Doch der Anzugträger ließ sich davon nicht beeindrucken. Ihr Auftrag lautete Informationen sammeln und das würde er jetzt auch tun. Obwohl er sich ziemlich sicher war, dass aus diesem kleidertragenden Junkie nicht viel heraus zu holen war.

Der Anzugträger, der vom Nahen jetzt etwas aussah wie einer der MiB, setzte sich in den Ohrensessel, faltete die Hände auf seinem Schoss zusammen und schaute den Bassisten lange und durchdringend an. „Was hattet ihr dort zu suchen?“

„Wo?“

„An der Tankstelle“

„Hä?“

Und nun war er sich wirklich komplett sicher. Aus dem war nichts rauszuholen. Das Gesicht hätte es ihm eigentlich schon verraten müssen. Der Anzugträger schaute kurz nach hinten, schüttelte mit dem Kopf, setzte sich eine Sonnenbrille auf und der Raum wurde mit einem Mal hell wie die Sonne.

Kapitel 15

John traf ein ähnliches Schicksal wie Brian. Er saß in einem sterilen grauen Raum am Tisch, starrte an eine Wand und wartete auf jemanden, der ihm vielleicht mal sagte was hier gespielt wurde. Aber bisher tat sich nichts. Noch hoffte er einfach auf einen bösen Traum, oder, dass er aus Versehen, wie er es formulieren würde, Dope geraucht hatte und sich das Ganze hier einfach nur vorstellte. Aber es wirkte doch ziemlich real. Er hatte den Gestank von diesem abgeschlachteten Pferd noch in der Nase und irgendwie wollte er nicht glauben, dass sich sein Gehirn so etwas wie aus dem Nichts zusammen reimen konnte.

John seufzte laut aus, schaute an die Decke, wieder an die Wand und schließlich auf den Tisch. Leer. Nicht einmal ein Staubkörnchen konnte der Gitarrist sehen.

Sollte Twiggy etwa doch Recht behalten haben und sie waren von Aliens entführt worden? Was war mit den anderen passiert? John hoffte inständig, dass sie wenn dann Pogo oder Mike als Opfer für Experimente nahmen. Twiggy oder Brian wäre eine Katastrophe! Noch bekloppter mussten die beiden nun wirklich nicht werden.

Entschlossen stand der Gitarrist auf, schritt zur Tür, rüttelte an der Klinke. Es tat sich absolut nichts. Knurrend warf er sich nun gegen die Tür. Er wollte hier raus! Er wollte zu seinen Bandkollegen. Er wollte hier weg! Das war das wichtigste. Scheiß egal wer sie hier gefangen hielt, Hauptsache war nur, dass sie auch wieder hier weg kamen.

Gerade als sich John noch ein letztes Mal gegen die Tür werfen wollte ging diese auf und der Gitarrist prallte gegen einen Anzugträger. Dieser taumelte nicht und verzog auch keine Mine. Stand wie erstarrt im Türrahmen, schaute John einfach nur aus kühlen Augen und und verwies auf den Stuhl auf den sich John setzte, nachdem er sich aufgerappelt hatte.

„Wer seid ihr...“, fragte er schließlich zögerlich, ballte eine Hand zur Faust und fixierte den gruseligen Typ, der nun näher schritt.

„Das tu hier nichts zur Sache. Wichtiger ist, wer Sie sind und was Ihre Freunde auf unserem Gelände zu suchen hatten.“ Wahrscheinlich bekam man aus ihm mehr raus.
 

Dem Drummer erging es nicht anders. Als er die Augen öffnete saß schon einer der Anzugträger vor ihm. Er hatte seine Hände gefaltet auf dem Tisch liegen, daneben seine Sonnenbrille.

„Nun...“

Ginger schaute skeptisch drein, legte den Kopf leicht zur Seite und kniff gleich die Augen zusammen. Er hatte wahnsinnige Kopfschmerzen. Hatten diese Typen ihm etwa eins auf die Mütze gegeben? Wenn ja, dann aber mit mega Power.

„Was wollen Sie von uns?!“, knurrte der Drummer schließlich und öffnete die Augen wieder. Wo war er hier gelandet? In einem etwas zu krass geratenem Filmset? Beim FBI? Bei Aliens? Oder trieben Brian und Twiggy wieder ihre Spielchen mit den anderen Bandmemers?

„Ich schwöre dir, Brian. Wenn du das bist werde ich dir deinen Arsch dieses Mal so dermaßen aufreißen, das du nie wieder ordentlich sitzen kannst! Und dir Twiggy schneide ich dir deine gottverdammten ekelhaften verlausten Dreads ab und stopf sie dir in dein Maul!“

Der Anzugheini vor ihm hob nur eine Augenbraue. Interessant. Aus diesem Vogel war wohl nicht so viel rauszuholen. Anscheinend hatten sie ihm etwas zu stark auf den Kopf gehauen. Oder er war schon immer so paranoid.

„Ich weiß zwar nicht von welchen Menschen Sie da sprechen, aber ich vermute mal es werden welche von ihren Freunden sein. Was hatten Sie auf unserem Gelände verloren?“

Also wenn das Brian und Twiggy waren spielten sie ihr Spielchen verdammt gut. Und hatten sich auch sehr gute Kostüme zugelegt.

„Jetzt hört auf mit der Scheiße!“, knurrte der Drummer und schlug mit einer Faust auf den Tisch, sodass die Sonnenbrille herunter fiel. Der Anzugkerl zog noch einmal eine Augenbraue hoch, hob die Sonnenbrille auf, setzte sie sich auf und lehnte sich zurück.

„Leider nicht zu gebrauchen“, kam nur noch von ihm, dann wurde der Raum mit einem Mal hell, sodass Ginger für kurze Zeit völlig erblindete. Was zum Teufel war hier los?!

Kapitel 16

In einem dunklen geräuschlosen Raum wachte Pogo mit einem lauten Stöhnen auf. Sein Schädel brummte und als er seine Augen öffnete sah er zunächst nur Blitze und Sterne vor sich. Was war geschehen? Der Keyboarder konnte sich nur vage an Männer erinnern, die auf sie zu gestürmt kamen und grelle Lichter, die ihnen die Sicht nahmen. Ob das Aliens waren? Pogo war sich da wirklich nicht so sicher.

Kurz rieb er sich über die Augen, um die Blitze und Sterne wegzubekommen, aber leider klappte das nicht so wie er sich das erhofft hatte. Jedoch konnte er jetzt schemenhaft eine Gestalt erkennen, die ihm da gegenüber saß. Wer war das? Brian?

„Brian, bist du das?“ Keine Reaktion. Also war es nicht Brian.

„Kenny?“ Wieder nichts.

„Mike?“ Bald hatte er jeden durch. Er war sich nur sehr sicher, dass das auf gar keinen Fall Twiggy sein konnte. Den würde er erkennen.

„John?“ Nichts. Absolut nichts. Nicht einmal eine kleine Bewegung. Aber das sollte Pogo nicht davon abhalten mal nach der Gestalt zu haschen. Doch irgendwie erreichte er sie nicht, sondern griff stattdessen nur ins Leere.

„Wer bist du?!“, fragte Pogo nun mit mehr Nachdruck und vor allem in einer deutlich höheren Lautstärke. Er wollte sich nicht verarschen lassen. Wenn sich da jemand einen Scherz mit ihm erlaubte sollte er auch wenigstens seinen Mann stehen und sagen, wer er war!

Doch nichts kam. Also ging der Keyboarder in die Offensive über. Das war er schließlich gewohnt und seitdem Ritalin nicht mehr in seinem Medikamentenschränkchen vorhanden war wurde er ab und an doch echt aggressiv. Meistens musste sein Instrument darunter leiden.

Pogo stand also auf, zwar mit leicht wackeligen Beinen, aber immerhin stand er, und griff über den Tisch bis er die Gestalt wirklich zu packen bekam. Er zog diesen seltsam leichten Kerl zu sich heran, knurrte bösartig und fletschte die Zähne. Zwar konnte er wegen der Dunkelheit kein Gesicht erkennen, aber er war sich sicher, dass sich sein Gegenüber nun mächtig vor Angst auf die Unterlippe biss.

„Und jetzt hörst du mir mal zu!“, begann Pogo und schüttelte den Typen kurz. „Ich habe absolut keinen Bock auf diesen Blödsinn! Ich will jetzt wissen, wo die anderen sind und was hier gespielt wird! Ich schwöre dir, wenn das hier einfach nur ein Streich sein soll wird es Tote geben! Ich habe seit mehreren Stunden nichts mehr gegessen, geschweige denn ein Bier gehabt und das ist sehr gefährlich!“

Eine gefühlte halbe Stunde redete Pogo auf den Typen ein, der kein einziges Mal auch nur einen Mucks von sich gab. Er wehrte sich noch nicht einmal gegen die Schüttelattacken. Langsam glaubte der Keyboarder diesen Kerl getötet zu haben. Vielleicht war er vor Schreck gestorben? Die waren es bestimmt nicht gewohnt Kontra zu bekommen. Bestimmt einer von der Regierung.

Als Pogo den Typen los ließ und er mit einem verräterischen Rascheln auf dem Tisch landete wurde der Keyboarder vollends stutzig. Seit wann machten Regierungsheinis solche Geräusche? Pogo beugte sich über die Gestalt und tippte mit dem ausgestreckten Zeigefinger in deren Kopf. Weich. Ziemlich weich.

„Ihr wollt mich doch jetzt echt verarschen, oder?“

Dann plötzlich ging mit einem Mal das Licht an. Wieder zuckten Blitze und Sterne vor Pogos Augen, ehe er diese zusammen kniff und eine Hand als Schirm nutzte und sie an seine Stirn drückte. Was sollte das denn nun wieder?

Aber ein Gutes hatte das Licht ja. Er konnte nun sehen, dass er über eine Halbe Stunde lang auf eine Puppe eingeredet hatte.

„Na das erklärt einiges“, dachte er sich und kratzte sich nachdenklich am Kopf. Kein normaler Mensch hätte es geduldet sich von ihm anpinkeln zu lassen.
 

Mike dagegen hatte mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Vor ihm stand ein gefühltes Dutzend dieser Anzugträger und fragte ihn nach einander aus.

„Was hat Ihr Bus auf unserem Grund und Boden zu suchen?“

„Ja, eh, also. Wir hatten eine Panne und mussten halten und...“

„Jetzt sagen Sie schon!“

„Das tue ich doch gerade! Also, wir hatten eine Panne und haben deswegen gehalten...“

„Wieso stand Ihr Bus auf unserem Grund und Boden?!“

„Man! Alter! Das erzähle ich doch gerade!“

Immer diese Anzugstypen. Hörten einem nie zu!

Mike seufzte laut und schloss kurz die Augen, schreckte aber sofort wieder hoch, als einer der Typen eine Faust auf den Tisch donnerte.

„Sie haben hier nichts zu suchen!“

„Ja, schön! Was kann ich denn dafür, wenn der Motor unseres Busses überhitzt und wir mitten in der Wüste stehen bleiben, hm? Außerdem stand nirgends ein Schild mit der Aufschrift: hey, hey, ihr dürft hier nicht lang!“

Manchmal fragte sich der Fahrer ja wirklich in was für einer Welt er gelandet war. Seitdem er für Marilyn Manson arbeitete geriet er in so manch seltsame Szenerie. Vielleicht sollte er sich seinen Arbeitsvertrag noch einmal durchlesen.

„Sie verlassen jetzt unser Grundstück mit Ihrem Bus!“

„Ja gerne! Wenn ihr mich zu meinem Bus bringt, dann fahre ich total gerne!“

Scheiß doch drauf, was aus den Jungs wurde. Hauptsache er kam aus der Sache wieder heil raus und musste sich nicht vor irgendeinem Bundesgericht rechtfertigen.

Kapitel 17

Als Brian seine Augen langsam wieder öffnete und den dröhnenden Schmerz in seinem Kopf spürte stöhnte er leise auf, drehte den Kopf zur Seite und hoffte nicht wieder in irgendeinem Zimmer aufzuwachen.

Er lag auf dem Rücken, spürte den kalten Boden unter sich und hatte das Gefühl ein Elefant würde auf ihm sitzen. So hatte er sich das letzte Mal gefühlt, als er mehr als nur betrunken im New Yorker Hotelzimmer diverse Möbel gegen die Wand geschlagen hatte und irgendwann auf der Couch eingeschlafen war.

Hatte er das Alles vielleicht nur geträumt? Bestimmt! Wahrscheinlich lag er noch immer völlig betrunken in irgendeinem Hotelzimmer oder im Tourbus und sie waren nicht in der Wüste stecken geblieben. Und diese schwarzen Männer waren auch nicht echt. Brian hatte sich schon viel skurrilere Dinge ausgedacht.

Der Schockrocker wischte sich noch etwas benommen über die Augen, kniff diese noch einmal zu und sah schließlich etwas klarer. Allerdings war trotzdem alles um ihn herum dunkel. Nur Sterne leuchteten am Himmelszelt. Himmelszelt? Mit einem Mal saß Brian stocksteif und schaute sich mehr verwirrt als erschrocken um. Er war tatsächlich irgendwo in der Wüste gelandet. Scheiße! Kein schönes verwüstetes Hotelzimmer und auch kein fahrender Tourbus. Nein, die Wüste bei Nacht. Kalt und dunkel.

Langsam stand Brian auf, wischte sich den Sand von seinen Klamotten und schaute sich noch einmal um. Doch alles was er erkennen konnte war Sand, nichts als Sand. „Fuck!“, brüllte er und stampfte mit einem Fuß auf dem Boden herum. Das konnte doch jetzt wirklich nicht wahr sein! Wie zur Hölle war er hier her gekommen? Und wo war der Bus mit seinen Bandmitgliedern?
 

Als Twiggy seine Augen öffnete starte er in den ausgehöhlten Körper eines Pferdes. Der Bassist zuckte mit einem Mal zurück, hatte die Augen weit aufgerissen und hatte das Gefühl sein Herz wäre ihm in die Strumpfhose gerutscht. Der staubige Boden unterm fühlte sich warm an, aber ihm selbst war mehr als nur kalt. Kurz musste Twiggy husten. Der Staub den er aufgewirbelt hatte war ihm in die Augen geflogen und er hatte einiges davon eingeatmet. Ekelhaft. Als Twiggy sich den Mund mit der Hand abwischen wollte zuckte er wieder zusammen. Seine ganze Hand und sein Arm war mit Blut besudelt. Sein eigenes? Schnell tastete er sich ab, konnte aber keine Wunde erkennen. Allerdings waren auch sein Kleid und die Strumpfhose mit Blut befleckt. Vielleicht von diesem Pferd?

Vorsichtig schaute sich Twiggy um und als er die Tür sah atmete er ein Stück weit erleichtert auf. Er war in dieser Tankstelle. Die Tür hatte er aufgebrochen. War er hier vielleicht in Ohnmacht gefallen? Ach Quatsch! Die anderen waren doch bei ihm und hätten ihn nicht einfach hier gelassen, auch wenn sie wirklich ziemlich bösartig sein konnte. Ginger jedenfalls hätte ihn wieder mitgenommen. Er war schließlich der Vernünftigste unter ihnen.

Twiggy stand langsam auf, klopfte sich den Staub von seinem Kleid und schaute noch einmal an sich herunter. Das mit dem Blut sah schon ganz geil aus, aber leider schwer wieder heraus zu waschen. Seufzend schlich Twiggy leise zur Tür. Er war sich sicher, dass ihn keiner seiner Bandkollegen hier gelassen hatte. Also musste er auf anderem Wege hier hin gekommen sein. Vielleicht war dieser schwarze Typ noch hier.

Vorsichtig linste Twiggy am Türpfosten vorbei in beide Richtungen. Niemand zu sehen. Auch hören konnte er nichts. Mit vorsichtigen und langsamen Schritten verließ der Bassist den Raum, ging den Flur entlang und kam schließlich im Verkaufsbereich an. Ja, ohne Frage, das hier war die Tankstelle in der er vorher mit Brian und John war. Wo waren die überhaupt?

Kapitel 18

Mit einem dröhnenden Schädel und dem Gefühl zigtausende Tequila-Flaschen leer gemacht zu haben öffnete Ginger die Augen und starrte in den sternenklaren Nachthimmel. War das jetzt ein schlechter Scherz? Hatte er sich gerade eben nicht noch in einem Raum befunden und wurde von einem dämlichen Anzugträger befragt?

Langsam setzte sich der Drummer auf, verzog dabei minimal ein Auge vor Schmerz und hielt sich eine Hand an den Kopf, um den Druck wenigstens etwas weg zu massieren. Aber es funktionierte nicht so recht, denn sobald er aufstand waren diese pochenden Stiche in der Schläfengegend wieder da. „Scheiße...“, murmelte er leise, schaute sich kurz um und erkannte, dass er mitten in der Wüste stand. Bei Nacht.

„Na fantastisch.“ Ginger ging mal fest davon aus, dass er ein wenig zu viel getrunken – höchst wahrscheinlich wirklich Tequila – und hatte und ihn seine werten Bandkollegen ein wenig ärgern wollten. Der Spaß war ihnen gelungen. Mit langsam Schritten tappte der Drummer in die Dunkelheit voran und versuchte seine Augen an das wenige Licht zu gewöhnen, doch auch nach mehr als zehn Minuten konnte er nur spärlich die Hand vor Augen sehen. Da brachte auch das Blinken der Sterne nicht viel.

Mit nun auch noch schlechter Laune und Kopfschmerzen zog Ginger aber weiter. Er gab doch nicht einfach auf! Falls ihm Brian und Co einen Scherz spielen wollten würden sie ihn schon früher oder später wieder aufgabeln. Schließlich konnten sie nicht ohne ihn – hoffte er jedenfalls. Aber irgendwie hatte er so ein dumpfes Gefühl, dass das hier nicht auf dem Mist seiner Bandkollegen gewachsen war, sondern aus ganz anderer Hand kam.
 

Schon nach fünf Minuten, nachdem er seine Augen geöffnet hatte wusste John, dass hier etwas nicht stimmen konnte. Gerade eben, und da war er sich mehr als sicher, befand er sich noch in der Gefangenschaft dubioser Männer und jetzt saß er mitten in der Wüste auf kaltem Sand und um ihn herum war alles stockfinster. Jeder halbwegs normale Idiot würde merken, dass hier ein ganz fieses Spiel gespielt wurde und der Gitarrist war fest davon überzeugt herauszufinden, was hier abging.

Doch zunächst sollte er vielleicht mal schauen, dass er die anderen fand. Schließlich war er zuletzt mit Ginger, Brian, Pogo und Twiggy zusammen gewesen, also mussten die auch hier irgendwo herum geistern.

„Brian?!“, versuchte er mal auf gut Glück, horchte in die Dunkelheit und wurde enttäuscht. Natürlich. Als ob diese Männer in schwarz sie so nahe zusammen irgendwo abgesetzt hätten. Allerdings hatte John jetzt auch herzlichst wenig Lust quer durch die komplette Wüste zu laufen. Denn er hatte Durst, ihm war kalt und sein Rücken tat weh. Aber es half wohl alles nichts. Er musste sich in Bewegung setzen, um die anderen zu finden. Er konnte nicht erwarten, dass Brain oder Twiggy eine Suchaktion starteten.
 

„Hallo?“, rief er laut aus, bekam aber nur ein Echo seiner eigenen Stimme zurück. Seltsam. Wo war er hier? Alles so staubig und dunkel. Die Luft war abgestanden und roch ein wenig nach Schimmel.

„Hallo?!“, rief Pogo nun noch einmal und hörte ein Poltern, das augenscheinlich von oben kam. Der Keyboarder hob den Blick, konnte die Decke aber nicht sehen, spürte nur, dass ein wenig Staub herunter gerieselt kam.

Kurz verzog er den Blick. War das da oben ein Freund oder ein Feind? Zur Sicherheit sollte er wohl jetzt lieber leise sein und einen Ausweg suchen. Langsam tat Pogo einen Fuß vor den anderen und hielt dabei die Arme nach vorn von sich gestreckt. Irgendwann ertastete er eine Wand. Staubig, aus Holz womöglich. An der Wand konnte er jetzt aber wenigstens entlang gehen und vielleicht mal auf eine Tür oder eine Treppe stoßen. Er hatte keine Lust noch Stunden hier unten zu verbringen, er hatte schließlich Hunger.

Nach wenigen Schritten trafen seine Füße auch schließlich eine Stufe. Pogo musste sich auf die Unterlippe beißen, damit er keinen Schrei los ließ, aber jetzt hatte er wohl endlich das gefunden, was er wollte. Langsam stieg er die Stufen hinauf, keine knarzte. Schon mal ein guter Anfang.

Kapitel 19

Twiggy schaute sich noch ein wenig im Verkaufsraum um, lief in der Dunkelheit gegen diverse Regale und fluchte über diesen widerlichen Gestank. Roch es auch schon so, als er vorher hier drinnen war? Er konnte sich nicht mehr erinnern. Aber vielleicht kam der Geruch auch von den getrockneten Blutflecken auf seinen Klamotten. Wer wusste das schon. Eins war aber sicher, Twiggy hatte Hunger. Auf Schokoriegel aus den Siebzigern hatte er allerdings herzlichst wenig Lust, also durchwühlte der Bassist die Regale lieber nach Dosen und Konserven. Die hielten sich schließlich sehr lange. Und tatsächlich. Nachdem er den elften steinharten Schokoriegel in die nächste Ecke gepfeffert hatte fand er eine Dose Bohnen. Besser als nichts. Nun brauchte er nur noch einen Dosenöffner, um seine Beute von seiner metallenen Schale zu befreien.

Also hieß es wieder suchen.
 

Der Frontmann wischte sich mit dem Handrücken kurz über die Augen, fluchte leise und wünschte sich endlich zurück in den Tourbus, um sein Make-up aufzufrischen, zu schlafen und besonders eine Kleinigkeit zu essen. Vielleicht auch eine Line ziehen, um das Ganze zu verarbeiten. Noch immer hatte er keinen seiner Bandkollegen gefunden und er konnte auch nichts sehen. Was sollte das? Marilyn Manson hatte nicht vor in der Wüste elendig zu verrecken!

Er wollte sich gar nicht ausmalen, in welcher Sorge Twiggy und der Rest um ihn waren. Sein bester Freund hatte wahrscheinlich aus lauter Verzweiflung schon die Koks- und Marihuanavorräte aufgebraucht.

Seufzend hob Brian kurz den Blick gen Himmel. Die Sterne leuchteten immer noch. Ein wenig fühlte er sich ja wie Twiggy, wenn er so mit dem Block nach oben quer durch die Wüste lief. Plötzlich prallte er gegen jemand, kippte nach hinten um und landete mit dem Hintern wieder im Sand. Na große Klasse. „Was zum...“, stammelte der Frontmann kurz, stand vorsichtig wieder auf und rieb sich sein Sitzfleisch. Sand konnte verdammt hart sein.

Als er aber sah wogegen er gelaufen war breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. „Kenny!“, rief er und konnte sein Glück kaum glauben. „Na wenigstens habe ich dann einen gefunden.“

„Das gleiche könnte ich auch sagen“, seufzte sein Drummer, der noch da stand und dem Sänger kurz auf die Schulter klopfte. „Dann hast du wohl auch keine Ahnung wo die anderen abgeblieben sind, oder?“ Brian schüttelte den Kopf. „Nein. Ich weiß auch nicht, was in den letzten Stunden passiert ist. Ich kann mich nur an ein grelles Licht und einen Typ in schwarzem Anzug erinnern.“

Ginger seufzte kurz, schaute in den Himmel und stemmte die Fäuste in seine Hüften. „Genau das selbe wie bei mir.“ Was ging hier vor sich?
 

Als John schlagartig seine Augen öffnete und auffuhr knallte er mit dem Kopf gegen die Decke seiner Schlafkoje. Verdammt tat das weh! „Au...“, murmelte der Gitarrist, rieb sich die Stirn und seufzte laut aus.

Er hatte so schlecht geschlafen wie schon seit Wochen nicht mehr. In seinem Traum wurde er von einem Mann in schwarzem Anzug ausgefragt. Aber er wusste weder worüber noch von wem genau. Aber wenigstens wohl doch nur ein Traum.

Langsam stand John auf, schaute sich im Tourbus um und musste feststellen, dass niemand hier war. Nicht einmal Mike. Seltsam. John meinte sich daran zu erinnern, dass er, Brian und Twiggy losgezogen waren, um nach einer Tankstelle zu suchen und Ginger und Pogo waren hinterher gekommen. Aber wieso war er dann allein im Bus? Hätte Mike nicht hier sein sollen?

„Uff...“ Vielleicht hatten sie doch ein wenig zu viel getrunken und die anderen waren einfach nur draußen an der frischen Luft. Das musste es sein.

John öffnete die Tür, schaute nach draußen in die kalte dunkle Wüste und kratzte sich am Kinn. Auch hier niemand. „Jungs?“ Alles still. „Jungs?“ Immer noch nichts. Wirklich seltsam.

Zur Sicherheit schloss der Gitarrist wieder die Tür, setzte sich hinters Steuer und machte die Scheinwerfer des Busses an. Vielleicht hatten sich die anderen draußen einfach nur verlaufen.

Kapitel 20

Pogo war die Treppe bis nach oben gestiegen und stand nun vor einer verschlossenen Tür. Er fand keine Klinke oder einen Knauf, geschweige denn ein Schlüsselloch. Anscheinend konnte man diese Tür also nur von außen öffnen. Da ganz große Klasse.

Seufzend kratzte sich der Keyboarder am Kopf und überlegte hin und her. Die Tür war wohl aus Holz, also könnte er sie eintreten. Nur hatte er nicht gerade viel Platz um Anlauf nehmen oder richtig ausholen zu können. Aber einen Versuch war es wert. Pogo wollte schließlich nicht in diesem muffigen Keller verrecken.

Er ging zwei Treppenstufen nach unten, atmete noch einmal tief durch und warf sich mit aller Kraft gegen die Tür, die ein böses Knacken von sich gab. Aber frei war er noch nicht. Das alte Holz war doch widerspenstiger, als gedacht. Also noch einmal. Pogo stieg wieder zwei Treppenstufen herab, rieb sich über den leicht schmerzenden Arm und warf sich mit einem lauten Schrei gegen die Tür, die aus ihren Angeln gerissen wurde und zusammen mit dem Keyboarder auf dem staubigen Flurboden landete.

„Uff...“, hustete er kurz, bevor er sich aufsetzte und sich kurz umschaute. Wo war er denn hier wieder gelandet? Aber irgendwie kam ihm dieser verschmutzte Flur bekannt vor. Langsam setzte sich Pogo auf, klopfte sich den Staub von den Klamotten und setzte sich in Bewegung. Aus diesem Haus wollte er dann doch auch noch heraus. Frische Luft brauchte er jetzt wirklich dringend.

Auf dem Weg durch den Flur kam er an einer offenen Tür vorbei. Ein kurzer Blick in den Raum bestätigte seinen Verdacht. Er war in dieser seltsamen Tankstelle.

„Ach du scheiße...“, murmelte er leise und kratzte sich abermals am Kopf. Wie war er denn hier gelandet? Langsam zog er weiter. Er kam in den Verkaufsbereich und traute seinen Augen nicht. Sollte das denn die Möglichkeit sein? „Twiggy?“ Der Bassist drehte sich ziemlich erschrocken um. „Pogo??“ Die Freude war groß. Gleich umschlang der dürre Kleidchentragende den Keyboarder und ließ dabei die Dose auf den Boden fallen. Das metallische Geräusch ließ Pogo kurz zucken. „Meine Güte. Was war das?“ „Nur mein Essen“, lächelte Twiggy, der die Dose wieder aufhob und sie Pogo reichte. „Das hält sich doch lange, oder?“ Der Keyboarder nickte kurz und schaute sich nach einem geeigneten Dosenöffner um. Hunger hatte er durchaus auch.
 

Mike kam zurück in den Tourbus, hatte ein leichtes Lächeln auf den Lippen und als er John sah wurde dieses zu einem breiten Grinsen. „Hey. Na wenigstens einer ist hier.“

John öffnete die Augen wieder, blickte Richtung Mike und hob eine mittlerweile nachgewachsene Augenbraue. „Woher kommst du denn jetzt auf einmal?“

„Ich bin draußen rumgeirrt und als ich das Licht vom Bus gesehen habe bin ich auf schnellstem Wege hier her gelaufen. Mach das noch mal an. Vielleicht kommen die anderen dann auch wieder.“

Ha, er wusste es doch. John war ziemlich stolz auf sich und seine überragende Brillanz. „Heißt das die anderen waren auch nicht mit dir unterwegs? Die können doch nicht draußen alleine rum laufen!“ Mike zuckte jedoch nur mit den Schultern, setzte sich hinter das Steuer des Busses und schaltete die Scheinwerfer wieder ein. Jetzt mussten sie rein theoretisch nur noch warten.
 

Brians Klagen hingen Kenny langsam zum Hals raus. Sie waren keine zehn Minuten unterwegs gewesen, schon stöhnte der Frontmann über Fußschmerzen, zerlaufenes Make-Up und Koksentzug. Wie hielt das Twiggy mit dem längere Zeit eigentlich durch?

„Wenn du weniger meckern würdest kämen wir auch schneller voran.“ Das hätte der Drummer wohl nicht sagen sollen, denn jetzt ging es erst richtig los. „Was soll das denn heißen? Ich sage nur die Wahrheit! Mein Make-up sieht schrecklich aus und ich habe seit heute Morgen keine Line mehr gezogen. Hallo?! Das ist ja wohl der Weltuntergang eines jeden anständigen Rockstars!“

Ginger konnte nur mit den Augen rollen. Das war doch schrecklich!

Aber wenigstens war da ein Licht am Horizont. Moment. Ein Licht? „Hey, ich glaube da hinten steht unser Bus.“ Das ließ Brian doch wieder aufatmen. Also war er nicht mehr so weit von frischem Make-up und seinen Tütchen unterm Kopfkissen entfernt. „Na dann nichts wie hin!“

Kapitel 21

Einen Dosenöffner hatte sie noch immer nicht gefunden und auch eine andere Möglichkeit an ihr Essen zukommen hatten Twiggy und Pogo nicht gefunden.

„Ich hab so einen verdammten Hunger“, seufzte der Bassist und hielt sich bereits den Bauch. Meine Güte. Wie lange hatte er jetzt schon nichts mehr gegessen? Weil die Wirkung der Drogen nachließ kam dieses grässliche Hungergefühl zurück, genau das konnte er absolut nicht ausstehen. „Wir müssen etwas anderes zu essen finden.“

„Wie wäre es mit Schokoriegeln aus den Siebzigern oder Achtzigern?“, witzelte Pogo und schlug mit einem dieser auf ein Regalbrett. Steinhart.

„Nein danke.“ Wieso verarschte ihn jetzt eigentlich jeder mit diesen verkackten Schokoriegeln? Er wollte keinen Schokoriegel. Er wollte dieses Zeug aus der Dose. Dann hörte sein Magen hoffentlich auch auf zu Grummeln.

„Ist ja gut. Phu. Die Luft hier drinnen macht die ganze Situation nicht besser. Sollten wir nicht lieber nach dem Tourbus suchen? Dort haben wir ja auf jeden Fall etwas zu Essen.“ Twiggy seufzte leise. Da musste er dem Keyboarder durchaus Recht geben. Im Bus waren jede Menge Lebensmittel und vor allem auch Drogen mit denen er sein Hungergefühl anders bekämpfen konnte. „Gute Idee.“ Nur hoffentlich war der Bus nicht all zu weit entfernt.

Zusammen mit Pogo verließ der Bassist diese stickige Tankstelle, schaute kurz in den Nachthimmel und entschied sich seine Gedanken lieber für sich zu behalten. Er war noch immer fest von seiner Alientheorie überzeugt und die letzten Ereignisse bestätigten ihn da ja wohl sehr eindeutig. Wer sonst würde die Mitglieder einer Rockband mitten in der Wüste entführen und irgendwo wieder raus lassen? Das konnten nur Aliens gewesen sein.

„Hey. Da hinten, schau mal!“ Pogo riss Twiggy damit komplett aus seinen Gedanken. Er hatte sich gerade ein so schönes Bild von den Aliens zurecht gelegt.

„Was denn?“ Als der Dreadhead in die Richtung schaute in die Pogo zeigte erkannte er zwei Lichtpunkte. „Was ist das?“ Aliens. Twiggy glaubte fest an Aliens. Schließlich war ihm diese Szene durchaus bekannt. So hatte ja alles angefangen. „Willst du da hin?!“ Zu spät. Pogo war bereits auf den Weg und steuerte die Lichter an. Na ganz große Klasse. Würde er dann wieder in irgendeinem Raum aufwachen und später neben einem ausgeschlachteten Pferd liegen? Darauf hatte Twiggy nicht gerade viel Lust, wenn er ehrlich war. Aber er folgte seinem Bandkollegen trotzdem ins Ungewisse.
 

Als Ginger die Tür zum Tourbus öffnete war er heilfroh endlich wieder in diesem Chaos zu sein. Keine Wüste, kein Sand, keine eklige Kälte. Endlich konnte er sich in seine Koje legen und schlafen. Brians Genörgel wollte er sich erst recht nicht mehr anhören.

„Na endlich!“, tönte dieser auch sofort, als er kurz nach dem Drummer den Bus betrat und gleich zum Bad durchging, um sich sein geschändetes Gesicht im Spiegel zu betrachten. Er sah grässlich aus! Sein Make-up war völlig zerlaufen und die Frisur erst. Von der wollte er gar nicht sprechen.

„Habt ihr Twiggy und Pogo irgendwo gesehen?“ Ginger drehte sich zu Mike um und schüttelte nur den Kopf. „Leider nein.“ Hoffentlich tauchten die beiden noch auf. Die Wüste abzufahren würde Monate dauern und ob die beiden das überleben würden stand ja wohl außer Frage. „Lass die Scheinwerfer einfach an. Dann werden sie den Weg schon finden. Ging uns ja genau so.“ John seufzte leise. Hoffentlich war den beiden nichts zugestoßen. Die Vorstellung, dass Twiggy irgendwo halb verdurstet in der Wüste lag war gar nicht schön.
 

Es hatte wohl eine gute halbe Stunde gedauert bis Pogo wirklich den Tourbus erkennen konnte. Dann war auch Twiggy davon überzeugt, dass ihnen diesesmal wohl keine Aliens auflauern würden. „Ah, der Bus. Was zu Essen.“ Pogo war mehr als erleichtert. Und auch Twiggy hatte wieder ein Strahlen im Gesicht.

Und nach einer weiteren halben Stunde waren sie endlich angekommen. Der Tourbus. Heiligtum einer jeden Rockband, trautes zu Hause während einer gesamten Tournee. Als der Keyboarder die Tür öffnete, die warme Luft in seinem Gesicht spürte und den zarten Duft offener Chipstüten vernahm wusste er, dass alles wieder in bester Ordnung war. Twiggy zwängte sich gleich an Pogo vorbei, lief zu seiner Koje und begrüßte seinen Koksvorrat, den Brian noch nicht entdeckt hatte. Jetzt konnte es nur noch bergauf gehen!
 

Mike schaltete die Scheinwerfer wieder aus, drehte sich zu der Band um und musste kurz schmunzeln. Da waren die Kinder alle wieder im trauten Heim. „Und? Sollen wir über das Geschehene reden?“ Mit einem Mal hatte er die komplette Aufmerksamkeit der ganzen Band. Brian, der gerade mit Twiggy eine Line nach der anderen zog schüttelte den Kopf, nachdem er da zarte Weiß in der Nase spürte. „Was gibt es da zu reden? Ich denke wir können uns alle darauf einigen, dass das ein ganz normaler Tag in der Wüste war.“ Der Rest nickte einstimmig. So beschloss man das eben in einer Rockband. Was sollte man auch groß sagen? Was gab es zu bereden?

Sie waren in der Wüste unterwegs gewesen, seltsame Männer in schwarzen Anzügen hatten sie zu Dingen befragt, von denen hier keiner eine Ahnung hatte und sie waren alle irgendwo in der Wüste aufgewacht. Wichtig war doch nur, dass sie jetzt wieder beisammen waren und die Tour weitergehen konnte.

Da gab es nichts, worüber man sich unterhalten müsste.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Rockryu
2013-07-28T19:46:55+00:00 28.07.2013 21:46
Mir war bis Vorhin nicht bewusst gewesen, dass es hier auch Fanfics zu Marilyn Manson gibt...
Aber cool! Ich bin zwar erst vor Kurzem auf die Musik gekommen, aber ich bin total begeistert! Coolster Amerikaner ever!
Nun ja, meinen Humor hat diese Geschichte nicht unbedingt getroffen, aber ich hab nur ein-zwei Tippfehler gesehen und der Lesefluss war ganz angenehm, das ist ja schon mal was. Ich bin mir außerdem recht sicher, dass Marilyn Manson einigermaßen gebildet ist und keine Drogen nimmt (sonst könnte er schließlich nicht richtig arbeiten), aber es ist ja nicht verboten, darüber Witze zu machen, das entspricht dem alten Image von Rockbands ja durchaus. Ich werde mir in nächster Zeit mal ansehen, was du sonst noch so schreibst ;)


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