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Ghost Hunt - Besessen

von

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Erinnerungen Part 1 oder An einem dunklen Ort ohne Namen

Kapitel 1 – Erinnerungen Part 1 oder An einem dunklen Ort ohne Namen
 

Lin blickte von seinem Bildschirm auf. Es war mal wieder Zeit nach dem Rechten zu sehen. Schnell schnappte er sich seine Tasse, um einen Vorwand zu haben, in den kleinen Empfangsraum des Büros zu gehen.

„Meine Güte, so viel Tee wie in den letzten Paar Tagen, habe ich noch nie getrunken“, sinnierte er vor sich her. Allerdings war er dafür verantwortlich, dass es Kazuya Shibuya gut ging und er seinen Körper nicht durch irgendeine Unvorsichtigkeit unnötig belastete.
 

Im Empfangsraum nutzte er die kurze Zeit, die er hatte, bevor Mai ihn bemerkte, um sie ausgiebig zu mustern. Das Mädchen war wirklich hübsch. Sie hatte Ehrgeiz und ein Gefühl für Verantwortung. Was er aber am meisten an ihr bewunderte, war ihr selbstloses Herz.
 

„Ist etwas Lin?“, fragte die Brünette nach, als sie den Chinesen, mit der Tasse in der Hand, endlich bemerkte. Der Angesprochene lächelte kurz und hielt die Teetasse hoch.
 

„Ach ja, warte. Ich schenke dir nach. Habe ihn gerade erst aufgebrüht.“ Mai lächelte zurück und schenkte die braune Flüssigkeit nach. Lin wollte sich gerade bedanken, als ihr gemeinsamer Chef aus seinem Büro trat.
 

Der Schwarzhaarige war zwar erst siebzehn Jahre alt, doch führte er schon dieses Büro. Das lag daran, das Kazuya – oder Naru, wie er von Mai, Lin und den anderen freischaffenden Mitarbeitern genannt wurde – trotz seiner Jugend ein Genie auf dem Gebiet der Paranormalen Forschung war.
 

Viele Leute mochten nicht an solche Sachen wie Flüche, Geister und – nun ja – auch Dämonen glauben, doch trotzdem lief ihr Büro recht gut. Wie man an ihrem letzten Auftrag sah.
 

Eine Geisteraustreibung aus einer Villa. Die Auftraggeberin war die Schwester eines Politikers gewesen und obwohl ihr Mann vom Geist schwer verletzt worden war, so war sie mit dem Resultat ihrer Arbeit doch sehr zufrieden. Frau Usui – so der Name der Auftraggeberin – versprach auch unbedingt die SPR weiterzuempfehlen. Wie hatte die Frau es noch so schön ausgedrückt?

„Man merkt, dass sich etwas verändert hat. Es fühlt sich an, als wäre die Luft rund um das Haus nicht mehr so schwer und sehr viel reiner.“
 

Nun, das hieß, ein weiterer zufriedener Kunde. Eigentlich alles gut. Der Auftrag an sich, war auch nicht dass, was den Chinesen beschäftigte. Etwas war an dem Abend passiert, als er Herrn Usui und seine Frau ins Krankenhaus gefahren hatte. Etwas, was Mai jedes Mal rot werden ließ, wenn sie den Schwarzhaarigen sah oder hörte. Erst gestern hatte sie seinen Lieblingsbecher zerbrochen, weil Naru hinter sie getreten war und etwas von ihr wissen wollte.
 

Das Schlimmste für Lin war aber, dass Bou – san – der blonde Mönch – zu wissen schien, was in dieser Nacht passiert war und es wurmte ihn, dass dieser sich darüber ausschwieg.
 

Nun, der Assistent war froh darüber, dass sein Boss die Schülerin wieder eingestellt hatte, nachdem ihr kurzzeitiger Arbeitgeber – Reimei Minami – das Zeitliche gesegnet hatte.
 

Der Chinese schnappte sich die nachgefüllte Tasse, bevor Mai diese wieder fallen lassen konnte und verschwand zurück in sein Büro.
 

Wieder am Computer sitzend, machte sich Lin Gedanken darüber, was sich in dem Verhältnis der beiden verändert hatte.
 

Kleinigkeiten, die nicht mehr so waren, wie sie noch vor einpaar Wochen waren, hatte er schon festgestellt. Nur waren das nur Kleinigkeiten, nicht zu vergleichen mit der Auseinandersetzung – oder viel mehr dem Fehlverhalten von Seiten Narus – die zur Folge hatte, dass Mai gegangen war.
 

Das Naru sie nach dem Tod von Minami wieder eingestellt hatte, war gleichzusetzen mit einer Entschuldigung. Obwohl also eigentlich alles beim alten war, machte sich Lin doch große Sorgen. Sein Zögling war noch nie so emotional gewesen. Zumindest nicht seitdem sie sich kannten.
 

Lin hatte da schon eine Vorahnung, warum diese Veränderungen in Naru vorgingen. Er musste schmunzeln, wenn der Schwarzhaarige jemals das über Mai erfahren würde, was er seit mehreren Wochen wusste, dann würde das, seine Welt ins wanken bringen.
 

Lin lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück, schloss kurz die Augen und erlaubte es sich an diese merkwürdigen Tage zu erinnern. Diese Tage hatten sein Verhältnis zu der jungen Japanerin komplett neu definiert…
 

oOo Flashback oOo
 

Es war vor gut zwei Monaten. Der Auftrag war eine relativ komplikationsfreie Geisteraustreibung. Der einzige, der Mai, Naru und Lin begleitete war John Brown gewesen. John war ein sehr junger katholischer Priester, der sich auf die Kunst des Exorzismus verstand. Das vierköpfige Team brauchte nur fünf Tage, um alle Tests durchzuführen und das Bürogebäude – welches abgerissen werden sollte – von seinen Geisterbefall zu befreien. Lin war gerade dabei die Messgeräte einzupacken. Einen kurzen Moment lang fühlte er sich beobachtet. Nach einem kurzen Blick hinter sich, verflüchtigte sich aber dieses Gefühl. Einige Sekunden vergingen. Dann spürte der Chinese warmen Atem in seinem Nacken und zeitgleich setzte ein brennender Schmerz seinen Körper außer Gefecht. Dankbar sank er in die aufkommende Dunkelheit, als die Ohnmacht ihn endlich von der Qual befreite.
 

Als er wieder zu sich kam, umfing ihn immer noch die Dunkelheit. Hatte Lin diese vorher noch als gnädig empfunden, so engte sie ihn ein. Um ihn herum war nichts als Schwärze. Sie fühlte sich warm an, aber nicht angenehm, es war so, als würde diese Dunkelheit atmen. Fühlen. LEBEN!
 

Der Chinese versuchte um Hilfe zu rufen. Schrie die Namen seine Kollegen. Doch ihm antwortete nur sein eigenes Echo.
 

Wie lange er in dieser Dunkelheit und Stille gesessen hatte, wusste er nicht mehr. Waren es Stunden? Oder doch schon Tage? Vielleicht auch eine Woche? Hier in dieser seltsamen Welt verlor Lin langsam das Zeitgefühl. Es machte ihm Angst. Nicht zu wissen wo er war. Ob er jemals wieder in die normale Welt zurückkehren würde?
 

Auf einmal flog ein kleines Licht an ihm vorbei. Umrundete den hockenden Mann einmal und landete auf seiner ausgestreckten Hand. Lin war verwundert. Woher kam den dieses Glühwürmchen? Da tauchte auch schon ein weiteres auf. Dann noch eines und zum Schluss wimmelten etwa zehn dieser Tierchen um ihn herum.

Lin fragte sich, woher die Glühwürmchen kamen, als er die Anwesenheit einer zweiten Person wahrnahm.
 

Der Chinese blickte auf und sah in dunkle Augen, die er doch so gut kannte.

„Hallo Lin“, begrüßte ihn der Junge, der vor ihm stand und von den leuchtenden kleinen Lichtern umgeben war.
 

„Was machst du hier?“, fragte der Chinese absolut perplex.

„Wir haben uns lange nicht gesehen Lin“, sagte die Erscheinung. „Ich existiere hier, um deine Frage zu beantworten.“

„Aber wie…was…?“, stotterte Lin absolut fassungslos.

„Komm mit, ich bringe dich an einen Ort, wo du Hilfe bekommst.“
 

Lin stand auf und folgte dem Jungen vor ihm. Immer noch staunte er über die Person, die vor ihm schritt.
 

Die Glühwürmchen folgten den Beiden. Sie erleuchteten die bedrückende Dunkelheit.
 

In Lins Kopf war nur für einen Gedanken Platz: „Wir war das möglich?“

Noch bevor er eine Frage stellen konnte, hielt der vor ihm Gehende an.

„Hier sind wir schon.“

Lin sah sich um. An diesem Ort war es genauso dunkel und schwarz, wie an dem Platz, an den er vorher gewesen war.
 

„Was…ich verstehe nicht…?“

„Warte es nur ab, gleich wirst du verstehen.“ Lin sah in diesem Moment ein, dass es keinen Sinn hatte weiter zu fragen.

„Du bist mir aber trotzdem eine Erklärung schuldig Gene…“

„Danach“, antwortete sein Gegenüber mit einem sanften Lächeln. Auch die Frage nach dem „wonach“ sparte sich der Chinese.
 

Da setzte auch schon die Veränderung ein. Aus dem finsteren Nichts zu Lins Füßen wurde eine Straße und ein Fußweg. Eine richtige Landschaft erschreckte sich nun vor ihnen. Das Wort „Landschaft“ stimmte aber nicht so ganz. Es war eine Umgebung, die dem Älteren der beiden bekannt vorkam. Es war das Bürogebäude, in dem die SPR, den Exorzismus durchgeführt hatte.
 

Doch etwas war seltsam. Das Hochhaus war zwar in etwa denselben zustand, wie Lin es in Erinnerung hatte, aber diesmal war es nicht der Zerfall; der in die Stahlträger sehen ließ. Diesmal war es der Aufbau des Gebäudes.
 

Das sagte Lin, dass das Bild, welches ihm gezeigt wurde aus den Siebzigern stammen musste. Er runzelte verwirrt die Stirn. Was hatte das zu bedeuteten? Noch bevor er eine Frage stellen konnte, hörte der Chinese eine wohlbekannte Stimme.
 

„Lin?“, entfuhr es Mai ganz entgeistert. Auch der Angesprochene schaute die Schülerin absolut verblüfft an.

„Was suchst du hier?“, wollte das Mädchen wissen.

„Das selbe wollte ich dich auch gerade fragen.“

„Hehe…“, Mai lachte verlegen auf und kratze sich am Hinterkopf. „Na ja, das ist meine Traumwelt…denke ich mal. Jedes Mal, wenn ich einen „dieser“ Träume habe, dann ist Naru hier um mich zu führen und dann fühlt es sich auch so seltsam an. Nicht wie ein Traum.“
 

Da erst wurde der Brünetten klar, dass sie Lin – ausgerechnet Lin! – verraten hatte, dass mehr oder weniger regelmäßig von ihrem Boss träumte. Schlagartig wurde sie rot und blickte verlegen zur Seite.
 

„Nun“, meldete sich eben erwähnter Schwarzhaariger zu Wort, „du hast mir doch erzählt, dass seit dem Tag, als ihr von dem Exorzismus bei der “Recycling Envelopment Ltd.“ durchgeführt habt, Lin sich so merkwürdig verhalten würde. Er verhält sich so, als ob er keinen von euch kennen würde. Als wäre Lin nicht Lin, das hast du doch gesagt?“
 

„Ja, und seit zwei Tagen ist Lin…also du…also dein Körper…ähm…der, der so tut als wäre er du“, stotterte Mai in Richtung des Chinesen, da sie nicht wusste, wie sie es ausdrücken sollte, “ist seit zwei Tagen nicht mehr bei uns im Büro gewesen. Naru hat gesagt, er hätte versucht dich zu erreichen, aber weder Zuhause noch am Handy hättest du abgenommen.“
 

„Zwei Tage…“, murmelte Lin leise. „Wie lange bin ich denn, schon hier und wann habt ihr gemerkt, dass ich nicht ich bin?“

Die Frage, WO er denn überhaupt war sparte sich der ältere lieber für Narus Ebenbild auf.
 

„Was ist denn das Letzte woran du dich erinnerst?“, fragte Mai zurück.

„Ich habe die Messgeräte, die für dich zu schwer waren, zusammengepackt und im Auto verstaut. Als ich die Wärmebildkamera samt Monitoren transportfähig gemacht habe, fühlte ich mich kurz beobachtet und dann spürte ich warmen Atem im Nacken. Gleich danach, habe ich mich hier wiedergefunden. Ich weiß aber nicht, wie lange ich hier schon festsitze. Die Zeit scheint an diesem Ort bedeutungslos zu sein.“
 

„Nun, das ist jetzt mittlerweile eine Woche her“, beantwortete Mai seine Frage. „Um zu dem zweiten Punkt zu kommen, wann wir bemerkt haben, dass du nicht du bist. Das ging eigentlich recht schnell. Zumindest für mich. Ich hatte eine Art Vision, als wir auf der Heimfahrt waren. Von da an habe ich dich…viel eher deinen Körper beobachtet. Derjenige, der jetzt von dir Besitz ergriffen hat, kennt sich in unserer Zeit nicht aus. Er saß vor dem PC, wie der Ochs’ vor dem Klavier“, lachte Mai. „Ich glaube, da fiel es auch Naru richtig auf. Trotzdem hat er es noch ausgetestet, aber danach war er überzeugt, dass das nicht du bist.“
 

„Wie hat Naru es denn ausgetestet?“, hakte der Chinese nach.

„Ähm ja…“, begann Mai zu stammeln. Es schien ihr furchtbar peinlich zu sein, denn sie lief rot an, blickte verschämt zur Seite und mied jeden Augenkontakt. „Es war ein narrensicherer Test, dass muss dir reichen“, wich sie zum Schluss der Frage aus.
 

Lin beließ es erstmal bei dieser Antwort, denn das Grinsen des jüngeren Schwarzhaarigen, sagte ihm, dass er die Antwort sowieso bekommen würde.

„Was jetzt?“, fragte er stattdessen nach.

„Tja, schauen wir uns das mal an“, meinte die Traumversion des Chefs der SPR und deutete dabei auf das Hochhaus vor ihnen.
 

Die drei betraten gemeinsam das Gebäude. Von Innen war das Haus noch die Reinste Baustelle. Überall lagen Zementsäcke herum, grauer Beton verunstaltete bereits die Wände und das Glas an den Fensterfronten war noch nicht eingesetzt. Einen kurzen Augenblick nutzte das Grüppchen, um sich ihre Umgebung genau zu betrachten. Dieser Moment währte nicht lange, da ihre Aufmerksamkeit fast sofort von lauten Stimmen beansprucht wurde.
 

Die Drei folgten wie hypnotisiert dem Geräusch. Je näher sie den Stimmen kamen, desto mehr konnten sie hören. Es waren zwei Männer, die sich stritten. Der Herkunftsort dieses Streitgesprächs stellte sich als ein unfertiger Raum heraus, der provisorisch als Büro des Bauplaners benutzt wurde.
 

„Das kannst du nicht machen! Das bedeutet das Ende meiner Existenz. Wenn ich diesen Job verliere, kann ich nirgendwo mehr hin. Ich habe eine Frau und ein Kind zu ernähren“, hörte Mann die tiefe und aufgebrachte Stimme eines Mannes.

„Du hast es doch selber verbockt! Du bist dafür verantwortlich, dass mit dem Material alles stimmt und was machst du? Du wechselst einfach die Lieferanten und lässt extrembillige Baustoffe kommen, nur um die gesparten Kröten in deine eigene Tasche fließen zu lassen!“, hallte nun auch, die nicht minder aufgebrachte Stimme des zweiten Bauarbeiters deutlich durch die leeren Räume.
 

„Ich gebe dir jetzt noch eine Chance“, erklärte der zweite Mann, „entweder du meldest dich morgen sofort beim Vorarbeiter und sagst ihm das oder ich werde das machen.“

„Gut“, schien der Angesprochene einzulenken, „ich werde morgen Herrn Asawari alles beichten.“

„Hör mal, die Sache mit deinen Geldproblemen werden wir schon irgendwie lösen, wenn Asawari dich rausschmeißen sollte, ich habe einen Schwager, der führt eine Reinigung. Der sucht immer neue Arbeitskräfte. Glaub mir, das wird schon“, versucht nun der erste Sprecher beruhigend auf den Zweiten einzureden.
 

Das Grüppchen, bestehend aus Lin, Mai und der Traumversion von Naru, war während des Streits an eine Wand gedrückt stehen geblieben. Obwohl das hier, nicht mehr als die flüchtige Erinnerung an eine längst vergessene Zeit war, so war sich weder Mai noch Lin sicher, ob die Streitende, sie nicht doch sehen konnten.
 

Die Position erlaubte es den Dreien zwar ungesehen Zeuge der akustischen Ereignisse zu werden, dafür konnten sie sich die Geschehnisse im Raum selber nur erahnen.
 

Schritte waren zu hören, so als versuche der eine Mann den anderen schnell einzuholen. Dann ein überraschter Aufschrei und ein dumpfer Schlag. Dann ein zweiter und noch ein dritter.
 

Das kleine Grüppchen, welches immer noch vor dem Raum stand, beeilte sich um ein sicheres Versteck zu finden, denn jetzt kamen die Geräusche aus dem Zimmer immer näher. Hinter einer Betonsäule gut außer Sicht, konnten Naru, Lin und Mai beobachten, wie einkräftig gebauter Typ, mit schwarzen Haaren und dem Gesicht einer Bulldoge. Die Kleidung des Mannes war mit Blutflecken bespritzt. Er zog den bewegungslosen Körper eines zweiten Mannes hinter sich her. Die langen Haare des Gezogenen waren mit Blut verklebt und die rote Flüssigkeit rann in den Stoff seines Hemdes.
 

Während das Bulldogengesicht damit beschäftigt war, den reglosen Körper in Abdeckfolie einzuwickeln, schlichen sich die drei Beobachter in den nun leeren Raum. Was sie dort sahen, ließ Mai zittern und ihr kam das Essen hoch. Die beiden Männer waren etwas gefasster, doch auch ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen.
 

Die Frontwand des Zimmers war mit Blutspritzer übersäht, auf dem Boden direkt davor hatte sich eine Lache mit der Flüssigkeit gebildet. Das war wohl die Stelle, an der der zweite Mann unter den Verletzungen zusammengebrochen war. Vergessen lag etwas weiter entfernt ein blutbeschmierter Hammer. Man musste kein Genie sein, um sich zusammenzureimen, was sich hier ereignet hatte.
 

Noch absolut unter Schock verließ die Brünette das Zimmer. Dicht gefolgt von den beiden Schwarzhaarigen. Das Rattern und Dröhnen einer Maschine, die gerade gestartet wurde, lenkte nun die Aufmerksamkeit der Drei auf einen Betonmischer, der etwas verdeckt von den Trägersäulen, im hinteren Bereich des Erdgeschosses stand.
 

Eine Erkenntnis machte sich in Lins Bewusstsein breit und gleichzeitig mit dieser kam auch das Wissen, dass sie der Wahrheit entsprach. Er blickte zu Mai. In ihren Augen konnte er erkennen, dass auch sie wusste, was gerade passierte. Zu dritt verließen sie das Gebäude so schnell wie es nur möglich war.
 

Mai stand vor dem Hochhaus und blickte hoch. Sie war zu geschockt um zu weinen und zu reden.
 

Nun, zumindest wusste er im Groben, was mit ihm passiert war.

So wie es aussah, war der Geist der Buchhalterin, die bei einem Brand gestorben war, nicht der einzige gewesen, der die Firma heimgesucht hatte. Auch dieser Mann schien noch eine Rechnung offen zu haben, mit der Welt der Lebenden.
 

Dem Chinesen fiel nur nebenbei auf, dass die Umgebung sich wieder auflöste. Nach wenigen Sekunden standen sie wieder in der warmen Schwärze. Diesmal war es Lin nicht unangenehm, er fühlte auch keine Furcht mehr.
 

Jetzt hieß er die Dunkelheit willkommen, denn sie befreite ihn von der Erkenntnis. Die gesehenen Bilder verloren an schärfe und wirkten nur noch surreal – wie in einem schlechten Krimi.
 

Der langhaarige Bauarbeiter war ein Teil des Bürokomplexes geworden. Einbetoniert in das Fundament einer der Trägersäulen. Beim Exorzismus schien der Geist wohl auf das Team der SPR aufmerksam geworden, soviel war Lin klar geworden. Doch viele Fragen waren jetzt noch offen.
 

Hatten sie den Geist durch die Austreibung vielleicht erst geweckt? Was wollte der Mann mit seinem Körper? Vor allem wollte er aber wissen, wie er es geschafft hatte, seinen Körper zu besetzen und ihn an diesen Ort zu verbannen?
 

Der Chinese blickte zur Schülerin. Sie lächelte ihn traurig an. Auch ihr war klar, was dem Bauarbeiter widerfahren war. Während er sie betrachtete, überlegte er sich, ob jeder ihrer Träume für das junge Mädchen so war? Ob sie wohl jedes Mal diese Erkenntnisse hatte? So viel Brutalität und Horror, so viele traurige Schicksale und die unvorstellbare Furcht, der sie sich mit jedem Fall aussetzte, erlebten die meisten Menschen in ihrem alter nicht.
 

Jetzt erst konnte er sich vorstellen, wie schrecklich es für sie gewesen sein musste, den Tod dieses Dienstmädchens am eigenen Leib zu erleben - durch den Traum im Haus von Urado. Jetzt erst konnte er sie verstehen.
 

Lin wurden in diesem Moment zwei Dinge klar: erstens, das Mädchen würde alles dafür tun, um ihn seinen Körper wieder zu beschaffen und zweitens, ihr Verhältnis würde sich von diesem Zeitpunkt an, für immer verändern.
 

„Ich werde dafür sorgen, dass dieser Mann zur Ruhe kommt und du wieder zu uns zurück kannst!“, bestätigte Mai ihm seine Vermutung und in der nächsten Sekunde war sie schon verschwunden.
 

„So“, meldete sich Naru zu Wort, „jetzt haben wir genug Zeit, dass ich dir alle deine Fragen beantworten kann.“
 

oOo Flashback Ende oOo
 

Lin zwang seine Gedanken in das Hier und Jetzt zurück. Er schaute auf die Digitalanzeige auf seinem PC.

„Eine weitere viertel Stunde um…Zeit für einen neuen Tee“, seufzte der Mann.
 

Gott sei Dank hatte er die Aufzeichnungen der letzten Aufträge bereits in die Diagramme ihrer Studien eingetragen. Das Büro sollte ja immerhin weiterfinanziert werden und da mussten er und Naru auch schon öfters Berichte und Studienergebnisse an ihre Sponsoren weiterleiten.
 

Jetzt konnte er die Zeit nutzen und sich ein wenig entspannen und seinen Erinnerungen nachhängen.
 

Doch zuerst das Wichtigste für den Moment: die fünfte Tasse Tee für den heutigen Tag – oder war es schon die sechste?

Erinnerungen Part 2 oder Schwelgen in fremden Erinnerungen

Kapitel 2 – Erinnerungen Part 2 oder Schwelgen in fremden Erinnerungen
 

Lin saß in seinen bequemen Bürosessel. Die Tasse Tee, die er sich vor wenigen Minuten geholt hatte, stand dampfend vor ihm. Während er im Empfangsraum war, hatte er Mai darum gebeten, ihm die Akte zu dem Geist des Bauarbeiters herauszusuchen.
 

Er strich gedankenverloren über die Schrift auf der Akte. Der Fallname „Exorzismus von Hayate Hatama“ sagte so wenig über die gesamten Ereignisse dieser Tage aus.
 

Er nahm einen Schluck von dem heißen Getränk vor sich.

„Also, Mai kann ja wirklich einen tollen Tee kochen, aber noch eine Tasse und ich werde mich bestimmt übergeben!“, dachte der Chinese sich und verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
 

Er wusste selbst nicht, warum er alle viertel Stunde hinausging, um nach dem Rechten zu sehen. Der Schwarzhaarige fühlte sich schon fast wie eine Anstandsdame.
 

Nur wusste er nicht was er sonst tun konnte, um herauszufinden, was zwischen Mai und Naru vorging. Lin musste automatisch anfangen zu lächeln. Bei dem Gedanken, an die beiden Teenager, wanderten seine Erinnerungen wieder zu dem „Test“.
 

Ob Naru wohl klar war, wie viel er über seine – Lin traute es sich fast nicht, dieses Wort zu denken – „Annäherungsversuche“ wusste. Dem Schwarzhaarigen war schon klar, dass sein Chef es nicht so sehen würde. Nein, er würde sagen, es war nur ein Test. Ein Test um herauszubekommen, ob sein Assistent wirklich sein Assistent war, oder nicht. Wahrscheinlich war es dem Jungen selber nicht klar, was in letzter Zeit mit ihm los war. Was es war, das ihn zu sehr unüberlegten Handlungen verleitete.
 

Nun sah er die Bilder wieder klar vor sich…
 

oOo Flashback oOo
 

„Ja Gene, jetzt kannst du mir alle meine Fragen beantworten. Also, was tust du hier? Warum lässt du Mai glauben, du wärst Naru und woher kennt ihr euch überhaupt? Aber vor allem, wo bin ich hier?“, kamen Lins Fragen wie aus der Maschinenpistole geschossen.
 

„Weißt du Lin, seit meinem Tod saß ich hier in dieser Welt fest. Es ist eine Art spirituelle Matrix. Kaum jemand weiß, wie sie zu benutzen ist, aber Mai scheint ein Naturtalent zu sein. Sie steuert diese Welt hier nach ihrem Belieben, ohne es zu wissen.“
 

Fragend sah Lin seinen Gegenüber an. Er verstand diese Erklärungen nicht.

„Das Bild von den Gebäude der „Recycling Envelopment Ltd.“, dass hat sie erscheinen lassen. Ich weiß nicht wie sie das macht, aber irgendwie projiziert ihr Unterbewusstsein genau die Informationen hier, die sie gerade braucht um in einem Fall weiterzukommen.“

Immer noch begegnete Gene einem verständnislosen Blick. Lin brauchte seine Frage nicht zu stellen, sein Gesprächspartner konnte sie ihm vom Gesicht ablesen: ‚Was haben Mai’s Fähigkeiten mit meinen Fragen zu tun?’
 

„Ich glaube, du musst erst verstehen, wie ihre Träume funktionieren, um zu verstehen, woher – oder besser gesagt warum – wir uns kennen. Lass mich es mit einem Vergleich versuchen…Du weißt, dass Naru immer Probleme hatte seine psychokinetischen und telekinetischen Kräfte* zu benutzen, weil sie immer zu stark für seinen Körper waren.“

Er wartete das Nicken des Chinesen ab, dann erst erklärte er weiter.
 

„Nun, Mai scheint diese ganze Sache unbewusst wesentlich besser geregelt zu haben als er. Jede ihrer Visionen erhält sie im Schlaf. So bald sie in Kontakt kommt mit der Geisterwelt, scheint ihr Unterbewusstsein irgendwie die passenden Informationen anzuzapfen. Sobald ihr wahrnehmendes ich einschläft, oder einen Zustand der Abnabelung vom Körper erreicht, dann zeigt ihr Unterbewusstsein dann diese Bilder. So ist es für sie einfacher.“**

Der junge Schwarzhaarige lächelte sanft und amüsiert.
 

„So in der Art haben wir uns vermutlich auch kennen gelernt. Ich sage vermutlich, weil ich mir hierbei nicht so hundertprozentig sicher bin. Ich kenne mich ja damit nicht so gut aus, wie Naru. Eine Sache weiß ich aber bestimmt: Naru war der Grund dafür, dass ich sie hier getroffen habe! An dem Tag, als sie fast von dem Schrank erdrückt worden ist, kamen diese Glühwürmchen zu mir. Sie führten mich zu Mai’s – das ist kein Wortwitz oder so – bewusstlosen Bewusstsein.“
 

Lin schaute seinen Gesprächspartner an. Warum hatte er seine Erzählung abgebrochen. Ein Blick auf den Jungen erklärte ihm alles. Er dachte gerade an diesen Moment zurück. Der Chinese ließ ihm die Zeit, die er brauchte.
 

In der Stille wurde dem Älteren bewusst, dass sich Gene hier wahrscheinlich noch viel länger allein in dieser Dunkelheit ausgehalten als er. Außerdem hatte Lin noch die Möglichkeit in die reelle Welt zurückzukehren, Gene nicht.
 

Ganz unvermittelt setzte die Stimme des Jüngeren wieder ein.

„Weißt du, sie hat sich Sorgen um ihn gemacht, weil er doch so plötzlich verschwunden war. Na ja, sie wollte etwas mehr über ihn erfahren, denke ich. Auf jeden Fall hat mich diese Sorge um Naru mich zu ihr geführt. Warum ich Mai glauben lasse ich wäre er? Nun, ich finde es ist die Sache von meinem Bruderherz ihr erst einmal von mir zu erzählen, ich glaube, dann wird Mai eins und eins schon zusammenzählen können. Ich kann ihr doch nicht einfach von seiner Vergangenheit – von meinem Unfall – erzählen, wenn er ihr nichts von sich preisgibt. Das wäre, glaube ich, zu privat.“
 

Lin verstand, was ihm Gene sagen wollte. Mai wusste nichts über ihren Chef, zumindest nicht die genauen Details seines Lebens – seltsamer Weise, konnte sie ihn dafür relativ gut einschätzen – also war es Naru’s Sache, es ihr zu erzählen. Wenn er es für richtig hielt.
 

Der Chinese schaute den Jungen vor sich wieder an. Dieser grinste. Sehr hämisch. Seine Augen funkelten erheitert.
 

„Möchtest du den „Test“ gerne sehen, mit dem sie herausgefunden hatten, dass du nicht wirklich du bist?“
 

Lin war wegen des Grinsens im Gesicht des Jungen sowohl überrascht, als auch neugierig. Er nickte bestätigend und wartete ab, was passieren würde.
 

Gene deutete in eine Richtung der unendlich wirkenden Dunkelheit. Beide erhoben sich von dem harten Grund. Lin folgte dem Jungen und war insgeheim froh darüber, dass die Glühwürmchen den Weg erhellten. Er war sich nicht sicher, ob er seinen Begleiter nicht schon längst aus den Augen verloren hätte.
 

Diesmal sah der Chinese seinen Zielort wenigstens, denn Gene führte ihn zu drei weiß – rötlich leuchtenden Kugeln. Sie waren in etwa so groß wie Basketbälle und schwebten frei in der Luft.
 

„Was ist das?“, fragte Lin, als sich Gene direkt vor diesen Kugeln niederließ.

„Mai’s Erinnerungen…sie lässt immer einen Teil davon hier. Meistens das, was sie am sehr beschäftigt.“***

Der Chinese sah ihn skeptisch an. War es nicht gerade er gewesen, der vor wenigen Augenblicken etwas von „zu privat“ erzählt hatte?
 

Gene deutete Lin’s blich sofort richtig und antwortete nur: „Was glaubst du, wie ich auf dem Laufenden bleibe über eure Welt? Außerdem habe ich weder Karten noch Brettspiele hier und du willst dich doch nicht langweilen, bis sie wiederkommt…“
 

Das Argument wirkte. Nach einer Woche in absoluter Schwärze, konnte der Chinese ein wenig Abwechslung gebrauchen. Er setzte sich neben den Jungen. Dieser griff wortlos nach der Kugel, die am hellsten leuchtete.

„Grundregel, je heller sie strahlen, desto mehr beschäftigt es Mai. Diese Erinnerungen haben meistens mit meinem Brüderchen zu tun“, erklärte Gene verschmitzt.
 

Er strich einmal über die Kugel in seinen Händen und ein Bild erschien. Lin erkannte die Innenausstattung eines ihrer Transporter. Die Sicht wurde immer mehr eingeschränkt, die Konturen und die Schärfe wurden schwammig.
 

„Du siehst es aus Mai’s Perspektive“, erklärte Gene es dem Chinesen. „Ich schätze, sie ist kurz davor wegzudösen.“
 

Der Blickwinkel veränderte sich. Nun konnten die beiden Beobachter den Fahrer- und Beifahrersitz sehen. Am Lenkrad saß Lin oder zumindest sein Körper. Neben ihm saß John.
 

Je unschärfer das Bild insgesamt wurde, desto besser konnte man die Veränderung am Fahrer wahrnehmen. Eine dunkle Aura wurde um ihn herum sichtbar. Schwarz und bedrohlich umhüllte sie die Person am Lenkrad. Diese Aura wirkte bedrohlich. Auch der Anblick der Person veränderte sich.
 

Man sah zwar eindeutig Lin, aber da war noch eine zweite Person. Jemanden mit längeren schwarzen Haaren und einer blutigen Wunde am Kopf. Der Anblick wirkte wie ein Foto, welches man zwei Mal belichtet hatte. Diese zweite Person überlagerte kurzzeitig das Bild und sah Mai aus toten, ausdruckslosen Augen an. Dann wurde das Bild schwarz.
 

Die Kugel in der Hand des Jungen schimmerte wieder vollständig rötlich – weiß.

„Nun“, sagte er trocken, “das war die Vision, von der Mai geredet hat. Es scheint so, als würde sie sich gerade sehr um dich sorgen, denn diese Sache, hat sie mehr beschäftigt, als Naru’s Test.“
 

Lin nickte nachdenklich. Irgendwie rührte es ihn, dass die Schülerin sich solche Sorgen um ihn machte. Nun bereute er die Worte erst recht, die er zu ihr in der Villa von Urado gesagt hatte.
 

Sein Begleiter zog sich die nächste Kugel heran. Er war eindeutig neugierig auf diesen – so genannten – „Test“.

Wieder strich der Junge kurz über das leuchtende Gebilde, wieder wurde nach und nach ein Bild sichtbar.
 

Die Kugel zeigte ihnen die Räume der SPR. Um genau zu sein den Empfangsraum. Es war nur ein Flüstern aus einem nicht sehbaren Bereich.

„Oh“, meinte Gene, „das ist mehr so etwas, wie eine Zusammenfassung. Nicht aus Mai’s Sicht, sondern eher so, als würden wir uns ein Überwachungsvideo oder so etwas ansehen.“

Lin hob skeptisch eine Augebraue, kam aber nicht dazu weiterzufragen, weil die Stimmen lauter wurden.
 

„Das ist doch Schwachsinn! Wir müssen das nicht tun, es herauszufinden…“

Dann senkte Mai ihre Stimme und flüsterte gereizt: „Ganz ehrlich, wenn du dir bis jetzt noch nicht im Klaren darüber bist, dass Lin nicht er selbst ist, dann hast du größere Probleme mit deinen sozialen Fähigkeiten, als ich jemals gedacht hätte.“
 

John Naru, die im Türrahmen von dessen Büro standen, sahen sie skeptisch an.

„Hör mal, das wird schon nicht so schlimm. Außerdem brauchen wir etwas Handfestes und wenn Lin auf diese offensichtliche Lüge so reagiert, wie erwartet, dann wissen wir, dass er wirklich nicht er ist.“ John startete diesen letzten Versuch Mai für diese Idee zu begeistern.
 

Nein und noch Mal nein. Ich mache da nicht mit.“

Während der im Flüsterton geführten Unterhaltung, war Mai wieder zu ihrem Schreibtisch gegangen. Naru war ihr gefolgt.
 

Als sie sich umdrehte und ihn bemerkte, hörte sie auch gleichzeitig Geräusche aus dem Büro ihres Gesprächsthemas.
 

Noch bevor sie reagieren konnte, spürte Mai, wie sie an Naru gezogen wurde, seine Arme sich um sie schlossen und sein Gesicht ihrem immer näher kam. Gerade, als seine Lippen ganz zart ihre Wange streiften, ging die Tür zu Lin’s Büro auf. Die Person im Türrahmenverharrte in der Bewegung einen Augenblick lang.
 

Naru drehte sich gerade in diesem Moment um und lächelte seinen Assistenten an.

„Ah, Lin“, strahlte er den Älteren an, „hilf mir doch Mai zu überreden. Wir haben heute unser einjähriges Jubiläum und sie weigert sich, heute früher Feierabend zu machen.“
 

Gespielt bittend sah der Schwarzhaarige seinen Assistenten an. Dieser grinste nur und wandte sich zu Mai, deren Gesicht, einer roten Ampel Konkurrenz machen konnte.
 

„Du solltest wirklich früher Schluss machen Mai. So ein Jubiläum muss man doch feiern.“

Er legte eine Akte – wohl der Grund um aus seinem Büro zu kommen – auf den Schreibtisch der Brünetten und verschwand dann wieder hinter seiner Tür.
 

Während Mai noch ganz verdattert dastand und mit zwei Fingerspitzen über die geküsste Wange fuhr, war Naru bereits zu dem wartenden Priester in seinem Büro getreten.
 

Die Beiden unterhielten sich gerade über ihr weiteres Vorgehen, jetzt da feststand, dass der Mann in Lin’s Zimmer, nicht ebendieser war, als die immer noch perplexe Schülerin endlich zu einer Reaktion fähig war.
 

„I…ich ha…habe doch gesa…sagt, d…dass ich bei deinem blöden Test, nicht mitmachen will“, stotterte sie leise.
 

„Wozu sich jetzt noch darüber aufregen?“, fragte ihr Chef in seinem typisch kühlen Ton, nachdem er ihr nur einen schnellen Seitenblick zuwarf.
 

„Jetzt ist es sowieso schon passiert.“

Daraufhin hörte man nur noch Johns Kichern und das Bild der Kugel wurde schwarz.****
 

Vor der Kugel saßen zwei absolut fassungslose Personen. Einige Sekunden vergingen und der jüngere der Beiden, brach in schallendes Gelächter aus.
 

„Das wa…war wirklich ein toller Test“, sagte er, immer noch nach Luft japsend.

„Hättest du je gedacht unseren Naru so schüchtern zu erleben?“

Das Wort „schüchtern“ betonte er extra. Lin sah ihn verwundert an.

„Was meinst du?“, fragte er.

„Na das mein Bruder so einen Vorwand braucht, um die ersten Annäherungsversuche zu starten“, antwortete Gene immer noch breit grinsend.
 

Nun grinste auch der Chinese. Sein Gegenüber hatte Recht.

„Nun, ich muss aber zugeben“, sprach der Junge weiter, „ich bin froh für ihn, dass er so viele Menschen kennen gelernt hat, die ihm so zum Positiven verändern. Ist dir aufgefallen, dass Bou – san, Ayako und John sich verschworen haben, um die Beiden zu verkuppeln?“
 

Erstaunt sah Lin ihn an. Es war ihm zwar aufgefallen, dass sich die erwähnten drei Personen in der Nähe von Naru und Mai seltsam verhielten und sich auch oft zurückzogen und die Beiden allein ließen, er war aber immer davon ausgegangen, dass sie dies machten, um nicht zwischen die Fronten zu kommen, wenn sie sich mal stritten.

So kann man sich täuschen…
 

So verging die Zeit weiter. Gene und Lin sahen sich die dritte Erinnerung an. Diese handelte von Mai’s letzten Mathe – Test. Sie hatte Angst davor durchgefallen zu sein. Lin schwor sich an diesem Tag, sollte das Mädchen es wirklich schaffen, ihn irgendwie hier rauszuholen, dann würde er ihr höchstpersönlich Nachhilfe in diesem Fach geben.
 

Es verging eine große Zeitspanne, in der sich die beiden Gefangenen der Geisterwelt einfach nur unterhielten. Lin erfuhr einige Fakten über die näheren Umstände von Gene’s Tod. Tatsachen, die er weder Mai noch Naru erzählen konnte, da Beide nur jeweils eine Hälfte der Geschichte kannten.
 

Naru wusste wer Gene zu Lebzeiten war und was ihn ausmachte und Mai kannte ihn nach seinem Tod – auch wenn sie das nicht wusste.
 

Irgendwann spürte der Chinese dann ein seltsames Ziehen in und um seinen „Körper“. Er fühlte sich irgendwo hingezogen, wusste aber nicht wohin. Es war wie ein Sog. Ein Tornado, der ihn erfasste und mit sich nahm.
 

Das nächste was er dann wieder wahrnahm, war die raue Krankenhausbettwäsche und das stille Zimmer um ihn herum. Mai saß auf einem Stuhl neben ihm und blätterte in einem Buch. Sie blickte kurz auf. Sah, dass er wach war und sprang mit einem lauten Freudenschrei auf ihn zu. Sie umarmte ihn so fest, dass er Angst hatte zu ersticken, aber ohne dass sie es bemerkte drückte Mai ihn noch einige Sekunden lang fast an sich.
 

Dann erst schien sie sich daran zu erinnern wo sie hier waren und warum. Die Schülerin verständigte sofort eine Krankenschwester. Diese kam dann auch gleich. Die ältere Frau maß seinen Puls und die Temperatur und verständigte danach den zuständigen Arzt.
 

Nach einer Woche stationärer Behandlung durfte Lin endlich nach Hause. Was genau in der Zeit passiert war, während er in der dunklen Welt festgesessen hatte, erfuhr er erst, als er an seinem ersten Tag im Büro, die Akte zu der Geisterjagd las. Die Feier, die extra zu seiner Genesung dort abgehalten wurde, ignorierte er dabei komplett.
 

oOo Flashback Ende oOo
 

Lin überflog kurz den Bericht zu dem Exorzismus. Naru musste ihn geschrieben haben, da der Chinese sich nicht vorstellen konnte, dass Mai so emotionslos von dem Schicksal eines Menschen schreiben konnte.
 

Der ehemalige Bauarbeiter Hayate Hamata war keineswegs auf Rachefeldzug oder Ähnliches aus. Er wollte nur seine Familie wieder sehen. Wollte wissen, wie es seiner Frau und seinen beiden Söhnen ergangen war. Auch er hatte Kinder zu ernähren, genau wie sein Mörder. Auch er hatte Verantwortung zu tragen, genau wie sein Mörder.
 

Nachdem er seiner Familie einen letzten Besuch abgestattet hatte, ließ er sich auch ohne weitere Komplikationen exorzieren. Der Körper des Schwarzhaarigen war durch die Zeit der Besessenheit absolut ausgelaugt worden. So landete Lin dann im Krankenhaus.
 

Es war für jeden der Mitglieder der SPR, die an diesem Fall beteiligt waren, ein Trost, dass durch den Fund der Leiche bald Ermittlungen von Seiten der Polizei eingeleitet wurden. Schon nach wenigen Tagen, wurde der damalige Materiallagervorsteher als Tatverdächtiger verhört.*****
 

Lin klappte die Akte zu und starrte kurz auf den schwarzen Bildschirm vor sich. Seine Augen wanderten auf die Tasse, die leer und fast vergessen neben der Computertastatur stand. Ergeben seufzte er und wollte sich gerade aus seinem Drehstuhl erheben, als es an der Tür klopfte.
 

„Herein“, rief Lin in die Richtung der Tür. Mai trat herein. In ihrer Hand hielt sie eine große, dampfende Tasse.
 

Sie lächelte Lin an und antwortete ihn auf seinen verwunderten Blick: „Ich habe mir gedacht, ehe du wieder rauskommst und nach Tee verlangst, habe ich mir gedacht, ich bringe dir dein Getränk. Zur Abwechslung ist es mal was Süßes. Ein Kakao. Ich kann mir nämlich vorstellen, dass dir der Tee zu den Ohren herauskommt.“
 

Dankend nahm er die Tasse entgegen und nahm einen Schluck. Der süße Geschmack breitete sich in seinem Mund aus und machte ihn froh.
 

„Sag mal Lin? Wann können wir das nächste Mal mit Mathe weitermachen? Ich habe da einpaar Verständnisprobleme bei dem was wir gerade im Unterricht haben…“, fragte die Brünette.
 

„Bring die Sachen einfach morgen mit, dann sehen wir, was ich da tun kann“, antwortete Lin ihr. Dann – aus einer Laune heraus – setzte noch beiläufig an: „Selbst wenn du mit Mathe Probleme zu haben scheinst, andere Tests meisterst du mit Bravur.“
 

Mai, die gerade in der Tür stand, drehte sich um und blickte den Älteren verwundert an. Dann sickerte die Erkenntnis dessen, was er ihr damit sagen wollte, bei ihr durch. Die Schülerin lief sofort rot an und stotterte: „Wo…woher…?“
 

Lin’s Gesicht schien durch die Andeutung eines Grinsens zu erhellen.
 

Als das junge Mädchen die Tür hinter sich zuzog, glaubte sie noch ein „Ein wirklich narrensicherer Test…“ zu hören. Mai ignorierte das, denn sie beschloss, es sei besser für sie, wenn sie nicht näher darauf eingehen würde, woher der Chinese etwas über den „Test“ wusste.
 

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*Also, ich weiß nicht, ob das mit der Bezeichnung seiner Kräfte so genau stimmt, weil ich da

nur Vermutungen anstellen kann. Habe zwar viele – was heißt viele, es waren drei –

verschiedene Varianten in englischen FFs gelesen, aber ich glaube das deckt sich eher mit

dem, was Lin über Narus Fähigkeit Poltergeistphänomene auszulösen gesagt hat. (Cursed

House Part 4)

Genau könnte ich das wahrscheinlich erst sagen, wenn ich die Mangas endlich habe, also

nicht sauer sein, wenn es nicht mit dem übereinstimmt, was ihr bisher darüber gelesen habt.
 

**Auch hier ist es nur eine Vermutung von mir. Diese Idee entsprang echt nur meinem

kranken Hirn und wird wahrscheinlich weder im Anime noch im Manga so erklärt. Hier gilt

dasselbe wie bei Punkt eins.
 

***Dasselbe wie bei Punkt eins und zwei. Ich habe mir halt gedacht, die Traumversion von

Naru weiß ja eigentlich fast immer was passiert und was gerade los ist – auch bei ihr.

Irgendwoher muss das ja kommen…war halt meine Lösung dafür…. *sich vor

umherfliegenden Tomaten duck*
 

****OMG. Das habe ich nicht wirklich geschrieben…das ist doch voll kindisch…na ja, ne

bessere Idee hatte ich für den „Test“ nicht, daher HUGE SORRY.
 

*****Ich hoffe ihr verzeiht mir, dass es sich ein bisschen sehr nach einer zweitklassigen Sat –

1 – Krimiserie anhört



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