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Weg zum Vertrauen

in wahrheit ist es einfach (Watchmen)
von

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Die Stadt ertrinkt

Autor: Silent_Watcher

Teil: 1/?

Fandom: Watchmen

Disclaimer: I don´t own Watchmen

Rating: R

Genre: violence, crime, action, drama, (dark)

Von mir: Ich bin begeistert, dass der kleine Anstoß von mir sowas hier bewirkt hat!^^

Ihr seid allesammt super und fleißig! So macht es auch richtig Spaß!

Ich hoffe das bleibt noch eine Zeitlang erhalten! Wir haben immerhin fast die 40 Punkte geschafft. Jetzt nochmal Endspurt und viel Spaß bei meiner Fanfiktion!^^v

Watcher
 


 

Kapitel 1
 

Die Stadt ertrinkt
 

Es goss wie aus Eimern.

Der Regen besuchte diese Stadt in letzter Zeit so oft, wie man einen guten Freund besuchen würde. Doch ein solch starker Regenguss war hier selten. Es fiel nicht einmal mehr schwer sich vorzustellen, dass das Ende der Welt bereits gekommen war. Der Strom würde alle Kloake, allen Abfall der Menschheit und die Menschen eingeschlossen, mit sich reißen und die Welt irgendwie wieder neu erstrahlen lassen…

Durchaus eine wunderbare geradezu romantische Vorstellung, doch was man sah, zeigte das vollkommene Gegenteil. Der Regen wirbelte den dicken Staub und Dreck auf den Straßen auf und schuf einen undurchsichtigen Vorhang.

Die Rinnsale verstopft, kein Durchkommen für das Leben bringende Wasser. Es starb selbst!
 

Doch die Zeit blieb nicht stehen, sie lief weiter somit auch die Aufgaben, die die Menschen hatten. Es gab Warnungen in Fernsehen und Radio von Sturm und Überschwemmung und der ausdrückliche Rat zu Hause zu bleiben.

Die Straßen waren wie eh und je überfüllt von der Menschenmasse. Was gesagt wurde, interessierte niemanden.
 

Der Besitzer des kleinen Kiosks hatte derweil kaum noch Zweifel an dem, was auf dem Holzschild direkt vor ihm stand…

>Das Ende ist nah<

Der Schildträger machte sich nicht die Mühe dieses schützend über seinen Kopf zu halten. Lässig über seine Schulter geworfen, blätterte er in der Tageszeitung herum, die er sich regelmäßig zu Gemüte führte.

Todesanzeigen, Mordanschläge auf dem Titelblatt, Politik. Ohne Ausnahme waren diese Seiten immer gleichvoll bedruckt. Eine Tat schlimmer als die Andere. Und doch Alltag.
 

Der Unterstand des Kiosk war an diesem Tag einfach nur vorhanden. Er bot kein bisschen Schutz weder vor Regen noch vor Wind, die aushängenden Zeitschriften, Comics und Zeitungen sogen sich mit Feuchtigkeit voll.
 

Sieht so aus, als wäre es tatsächlich bald so weit!”, rief er Besitzer durch das laute Prasseln des Regens dem Leser zu.

Der rothaarige Mann schien sich nicht daran zu stören, dass sämtliche Buchstaben auf der Zeitung vor seinen Augen geradezu davon schwammen und das dicke, aufgeweichte Papier sich zwischen seinen Händen verflüchtigte. Er sah nicht einmal auf.

“Sag ich doch die ganze Zeit!”

Der alte Mann lachte kurz auf.

“Ja. So ist es. Hör zu, vielleicht solltest du nach Hause gehen. Sonst wirst du hier noch weggespült oder holst dir den Tod oder sonst was!”
 

Der Rotschopf starrte auf einen Artikel, der ihn unzufrieden stimmte, faltete anschließend das was von der Zeitung noch übrig war sah aber noch immer nicht hinüber.

“Würde nicht auffallen!” Er drehte sich zum gehen.
 

Der Rausch des Regens verschluckte seine Worte. So sehr sein Gegenüber auch versuchte sie zu verstehen. Sie kamen nicht an.

Nach nur wenigen Schritten die Straße hinunter wurde Walter Kovacs von dem endlosen Regen- und Dreckvorhang verschluckt.
 

Ende Prolog

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Ich denke das nächste Kapi dürfte nicht lange auf sich warten lassen!

Hoffe ihr bleibt weiterhin dabei! *knuddl*

nichts währt ewig

„Nichts los heute, was?“ Nite Owl ließ sich in den Pilotensitz von Archie zurückfallen. Schon seit 3 Stunden waren sie auf Patrouille durch das nächtliche und vom Regen graue und feuchte New York. Doch bisher ohne Erfolg. Einzig ein paar Jugendliche hatten sie davon abhalten können ein paar Flaschen Alkohol aus einer Tankstelle zu stehlen. Für Nite Owl war es entspannend mal nichts zu tun zu haben. Nach dem Keene-Erlass waren er und Rorschach die einzigen Superhelden, die noch übrig waren und weiter gegen das Verbrechen kämpften und in letzter Zeit wurde Nite Owl immer unsicherer, ob das wirklich die richtige Entscheidung gewesen war. Die Polizei machte es ihnen immer schwieriger, wieder unbemerkt von den Schauplätzen zu verschwinden und die Schlinge um sie schien sich enger zu ziehen.

Sein Blick ging zu seinem Partner hinüber, der im Sitz in Archies zweitem Auge platz genommen hatte. Es war Rorschach deutlich anzumerken, dass er sich langweilte und noch weitaus frustrierter war als Dan. Die schwarzen Flecken auf seiner Maske waren in ständiger, ruhiger Bewegung, doch schienen die Augen dahinter ins Leere zu starren. Nein, für ihn war es keine gute Nacht. Sein innerer Drang Kriminelle zu bekämpfen war unermesslich groß. Etwas wie der Keene-Erlass interessierte ihn nicht. Für ihn galt es nur so viele Kriminelle wie möglich aus dem Verkehr zu ziehen. Dan hatte sich ein ums andere mal gefragt was das war, dass Rorschach so antrieb und ihn so gefährlich für seine Gegner machte. Doch er hütete sich natürlich ihn danach zu fragen. In der Zeit in der er jetzt mit Rorschach zusammenarbeitete, hatte er gelernt, dass sein Partner diese Gespräche hasste und ihnen so gut es ging auswich.

„Wollen wir nicht Schluss machen für heute?“ fügte Dan hinzu, als er keine Reaktion von seinem Partner bekam. „Ich meine, wir fliegen schon seit Stunden immer im Kreis und…“.

„Nein.“, wurde er unterbrochen.

„Ach komm schon, wir können doch auch mal blau machen. Seit Wochen sind wir…“

„Nein.“, kam es diesmal etwas angespannter.

Mit einem Seufzer fuhr Nite Owl fort die unter ihnen vorbeiziehenden Hausdächer und Gassen zu beobachten.

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Wut. Rorschach war wütend. Unzufrieden. Frustriert. Nichts hatten sie in dieser Nacht bisher erreicht. Diese paar Jugendlichen, das war nicht der Rede wert. Und Daniel? Schien es nicht zu stören. Wollte blau machen. Unmöglich. Er verstand es einfach nicht. Dass Rorschach es tun musste. Und es brauchte. Seit diesem unseligen Erlass vor ein paar Monaten war Nite Owl anders geworden. Fühlte sich unwohl mit ihm unterwegs zu sein. Rorschach sprach ihn jedoch nicht darauf an. Er sprach nie etwas an. Unnötig.

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„Sieh mal.“, sagte Dan und zeigte auf eine der Hauptstraßen. „Schon wieder eine Polizeistreife da unten. Wenn die so weiter machen brauchen die uns irgendwann nicht mehr…“, sagte er mit einem leichten Lächeln. Nite Owl beobachtete sorgfältig die Reaktion seines Partners. Sofern man das eine Reaktion nennen konnte. Die schwarzen Flecken nahmen Geschwindigkeit auf, aber das war auch alles. Ansonsten blieb Rorschach reglos, wie zu Stein erstarrt und schien weiter die Straßen zu observieren. Dan fuhr fort:

„Hast du nicht mal daran gedacht aufzuhören?“, fragte er und versuchte möglichst beiläufig zu klingen. “Ich meine…“ Die Tintenflecke stoppten abrupt. Rorschach drehte seinen Kopf zu Daniel und sah ihn für einen langen Moment an. Die Flecken begannen wieder zu wandern. „Nein, aber du.“, sagte Rorschach mit seiner tiefen, für ihn typischen Stimme.

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Wusste es. Er hatte es gewusst. Schon seit Wochen. Dan war für Rorschach wie ein offenes Buch. Jede Regung, jeden Gedanken konnte er ihm am Gesicht ablesen. Und seit einigen Wochen las er darin Unsicherheit. Angst. Zögern. Er hatte geahnt dass er irgendwann damit konfrontiert werden würde. Und wenn schon, wieso nicht jetzt. Die Nacht war ohnehin nicht mehr zu retten.

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Daniel war perplex. Er fühlte sich ertappt. In der Tat hatte er daran gedacht aufzuhören. Schon oft. Es war ihm einfach zu viel. Er hatte Angst. Er war nicht wie Rorschach. Er war weich. Das hatte sein Partner ihm schließlich oft genug an den Kopf geworfen.

„Ich….Rorschach, es ist doch so…“, stammelte er.

„Denkst es schon eine ganze Weile. Wieso sagst du es nicht?“, bemerkte Rorschach und drehte sich in seinem Sitz nun vollends zu Daniel um.

„Sagst was?“

„Angst. Du hast Angst.“, antwortete Rorschach.

„Nein, es ist anders… Ich…“. Daniel konnte nicht die Worte finden die er wollte, bis er erneut unterbrochen wurde.

„Hör auf. Du fürchtest dich. Fürchtest die Konsequenzen. Nimmst dich selbst wichtiger als Gerechtigkeit. Kneifst, wenn es darum geht Opfer zu bringen.“ Mit einem verächtlichen Schnaufen stand Rorschach auf, steckte seine Hände in die Manteltaschen und ging ein paar Schritte in Archies Bauch hinein.

„Rorschach, das ist ungerecht und das weißt du.“ Daniel versuchte ruhig und sachlich zu bleiben, als er sich mit dem Sessel zu Rorschach umdrehte, aber es fiel ihm schwer. „Ich habe mein Leben oft und lange genug riskiert um irgendwelche Kriminellen festzusetzen und Unschuldige zu retten. Aber in letzter Zeit…“, Dan zögerte kurz. „In letzter Zeit scheint es mir als habe ich gar kein Leben mehr außer diesem hier bei Nacht. Und wenn die Menschen uns nicht mehr wollen, na ja dann sollten wir das eben akzeptieren.“ Warum log er? Er wusste es nicht. Das war es nicht was Dan hatte sagen wollen. Das waren nicht die Worte, die ihm im Kopf rumschwirrten und die ihn bewegten und zweifeln ließen.

„Menschen wissen nicht was sie wollen. Wussten es nie. Geht nicht darum ob sie uns wollen, sondern ob sie uns brauchen. Mord. Vergewaltigung. Hass. Blut. Alles da unten in dieser widerlichen Stadt.“, sagte Rorschach, während er wie ein Tiger in Archie umherlief, die schwarzen Flecken nun mit raschen Bewegungen. „Kann das nicht ignorieren.“

Daniel stand nun ebenfalls auf. „Denkst du denn nicht eine Sekunde daran, was passiert wenn sie uns erwischen? Wir kommen für immer in den Knast! Und du? Herrgott, du kommst vermutlich in die Psychiatrie. Verstehst du denn nicht? Ich mache mir Sorgen. Das ist es einfach nicht wert…“ Dan war verzweifelt. Wie konnte er es Rorschach nur begreiflich machen?

Rorschach blieb stehen. Reglos für einen Moment. Er wandte Dan den Rücken zu.

„Daniel…. Du bist ein Feigling.“, sagte er langsam.

„Was?“ Dan glaubte sich verhört zu haben.

„Du bist ein Feigling. Und ein Weichei. Du gibst einfach auf. Du bist ein Versager.“

Nite Owl spürte wie ihm das Blut vor Wut in den Kopf schoss. Er baute sich gegenüber von Rorschach auf. Die Stimmung war auf einmal wie elektrisch. So als knistere die Luft.

„Das nimmst du zurück.“, sagte Dan langsam und mit zitternder Stimme. Er konnte nicht verleugnen, dass er sich vor Rorschach ein wenig fürchtete. Er war ungeheuer stark und zum Feind sollte man ihn nicht haben. Doch er hatte hier eine Grenze überschritten.

„Nein“, antwortete Rorschach, nahm bedrohlich seine Hände aus den Taschen und begann die Fäuste zu öffnen und wieder zu ballen.

„Immerhin bin ich nicht durchgeknallt und ein psychisches Wrack! Ich meine

was bildest du dir eigentlich ein?“, fuhr Daniel seinen Partner an.

„Hör auf…“, Rorschachs Stimme bebte vor Zorn.

„Nein, jetzt bin ich dran. Niemand weiß wer du bist, du übst an Kriminellen Selbstjustiz in dem du sie verletzt oder sogar tötest. Ganz zu schweigen davon, dass du ständig an mir rum nörgelst, ungebeten in meiner Wohnung auftauchst und Rücksicht auf niemanden nimmst. Du…“

Rorschach bewegte sich so schnell, dass Dan seine Faust im halbdunkeln kaum kommen sah. Aber den Einschlag spürte er dafür umso mehr. Ein so fester Schlag in sein Gesicht, dass er ihn fast ausknockte. Dan taumelte gegen die metallene Wand. Er spürte warmes Blut aus seiner Nase und seinem Mund laufen. Rorschach stand schwer atmend vor ihm. Für einen Moment bewegte sich keiner. Stille.

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Es tat ihm schon leid, als er zum Schlag ausgeholt hatte. Dämlich. Er fühlte sich so dämlich. Dan war sein Freund. Oder nicht? Wut. Aber auf wen? Auf Dan? Oder sich selbst? Wieso hatte er das auch gesagt? Er hätte ihn nicht geschlagen, hätte er das nicht gesagt. Zu spät jetzt um es zurückzunehmen.

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Ein Piepston durchbrach die eisige Stille, die sich über die zwei Freunde gelegt hatte. Archies Armaturen hatten begonnen zu blinken. Nach einer Zeit, die wie eine Ewigkeit schien, raffte sich Daniel auf und setzte sich zurück auf Archies Pilotensessel. Rorschach folgte ihm schweigend und sah ihm in einigem Abstand über die Schulter.

„Archie hat einen Polizeifunkspruch aufgefangen.“, sagte Dan mit ausdrucksloser Stimme. Rorschach schwieg.

„Überfall auf eine Frau, einen Block von hier. Ein paar Schläger auf der Suche nach Geld offensichtlich.“

„Lass mich raus.“, sagte Rorschach.

„Was?“

„Lass mich hier raus. Erledige das.“

„Was meinst du mit „du“?“, fragte Daniel, während er Archie in einem der Hinterhöfe landete.

„Hast gesagt du willst es nicht mehr. Gut. Nichts dagegen.“, meinte Rorschach, während er sich in Richtung Archies Ausstiegsluke bewegte. Daniel spürte den Zorn erneut aufsteigen.

„Ach, bin ich etwa gefeuert? Machst du da jetzt deine One-Man-Show draus?“, fauchte er spöttisch den Rücken seines Partners an.

„Tu was du willst. Brauche dich nicht.“, waren Rorschachs letzte Worte bevor er durch die Luke in den dunklen Hof und in die Nacht verschwand.

Dan blieb zurück. Es war ihm nicht wohl dabei, Rorschach alleine gehen zu lassen. Es war auch nicht so als habe er ihm nicht folgen wollen. Aber er konnte nicht. Das hier war eine neue Situation. Diese Auseinandersetzung war anders als die, die sie bisher hatten. Sie stritten sich über die Wohnungstür, die Rorschach regelmäßig einzutreten pflegte, oder Dans Kühlschrank, den sein Partner regelmäßig leerte. Aber das waren Kleinigkeiten. Diesmal war es persönlicher. Es war der grundlegende Unterschied, der zwischen ihnen bestand und der immer zwischen ihnen stehen würde. Rorschach, der nichts zu verlieren zu haben schien und Dan, der eigentlich mehr vom Leben erwartete. Dan, der ewig vorsichtige und zögernde und Rorschach, der handelnde, kompromisslose.

„Und trotzdem sind wir doch Freunde…“, murmelte Dan nachdenklich zu sich selbst, als er sich mit Archie wieder in die Luft erhob und in den schwarzen Nachthimmel flog.

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Rorschach ging über den dunklen Hof in Richtung Straße.

Allein. Wie es früher war. Rorschach war immer allein zurechtgekommen. Sehr gut sogar. Er brauchte niemanden. Niemanden. Für einen Moment stockte er und ließ die vergangenen Monate Revue passieren. Die Fälle, die er und Nite Owl gelöst, die Kriminellen, die sie aus dem Verkehr gezogen hatten. Immer zu zweit. Immer jemand der ihm den Rücken frei hielt. Jemand auf den er zählen konnte.

„Hurm…“, entfuhr es ihm, während er dastand und nachdachte. Ist es falsch gewesen zu gehen? Hätten sie darüber… reden sollen? Nachdenklich blieb er in der Gasse stehen, bis das scheppern einer Mülltonne ihn aus seinen Gedanken hochschrecken ließ. Er schüttelte sich ein wenig. Diese Gefühlsduselei. Hatte bereits von Daniel auf ihn abgefärbt. Rorschach wurde langsam aber sicher genauso weich wie er. Es war die richtige Entscheidung gewesen zu gehen.

Entschlossen setzte er seinen Weg fort.

Es dauerte nicht lange bis er auf die besagten Schläger stieß. Es waren sechs Männer, die sich unter einer Straßenlaterne zusammengerottet hatten und dort den Inhalt einer Damenhandtasche untersuchten und das Geld unter sich verteilten. Einige von ihnen waren mit Baseballschlägern bewaffnet. Soweit zu den sichtbaren Waffen. Sie schienen Rorschach nicht zu bemerken. Er überlegte kurz, entschied sich aber recht schnell für den frontalen Angriff. Diese paar Idioten sollten kein Problem darstellen.

Er schlenderte im Schatten der Hauswand langsam näher. Als es nur noch ein paar Meter zu überbrücken waren, setzte Rorschach zu einem Sprint an und stürzte sich mit einem kraftvollen Satz auf den ersten der Schläger. Er wollte es jedenfalls.

Der Mann wich ihm blitzschnell aus, so dass Rorschach ins Leere sprang und sich abrollen musste um wieder auf den Füßen zu landen. Verdutzt drehte er sich um, gerade rechtzeitig um einem Faustschlag auszuweichen. Während Rorschach sich zurücklehnte, um auszuweichen, holte ihn ein weiterer Kerl mit einem gezielten Tritt von den Beinen, so dass er auf dem Kreuz landete. Er hatte den Boden noch nicht ganz berührt, da spürte er wie einer der Baseballschläger seinen Magen traf, der nächste Schlag seine Brust, der ihm die Luft aus den Lungen trieb. Er wollte sich zur Seite rollen, musste irgendwie wieder auf die Beine kommen, bekam aber gleich die nächsten Tritte, diesmal ins Kreuz und in die Seite. Rorschach hörte seine eigenen Rippen knacken. Er krümmte sich auf dem Boden, schwer atmend. Dann spürte er eine Hand an seinem Mantelkragen, die ihn unsanft in die Höhe riss und mit dem Rücken gegen eine Hauswand schmetterte, ohne jedoch loszulassen. Ein Scheinwerferkegel traf sein Gesicht und blendete ihn, selbst unter der Maske. Das waren keine normalen Schläger, wie er schmerzhaft erfahren hatte.

„NYPD. Das war’s dann, Rorschach. Dein letzter Auftritt.“, hörte er eine spöttische Stimme und einiges Gelächter.

Polizei. Eine Falle. Es durchfuhr ihn wie ein Blitz. Einfach hineingetappt. Blind. Wie ein Anfänger. Die aufkeimende Wut gab ihm noch einmal Kraft. Er ballte die Fäuste und schickte den Kerl, der ihn am Kragen gepackt hatte zu Boden. Blieben noch fünf. Der Scheinwerferkegel verschwand augenblicklich und die Sicht war wieder frei. Fünf. Das sollte zu schaffen sein. Musste. Sonst war das hier das Ende. Diesmal gab es keinen Nite Owl, keinen Dan, keinen Freund, der ihm den Rücken frei hält. Diesmal war Rorschach allein.

Zwei waren noch mit den Baseballschlägern bewaffnet, die anderen zückten Messer. Ungewöhnlich für Polizisten aber deren Verkleidung sollte wohl authentisch wirken. Sie wussten dass Rorschach nicht so dumm war auf eine billige Verkleidung reinzufallen. Für gewöhnlich jedenfalls.

Die beiden mit den Schlägern stürzten sich als erste auf ihn. Einen packte er und schleuderte ihn gegen die Wand. Dem zweiten konnte er nicht ganz ausweichen, nur den Schlag mit der Hand abfangen bevor er noch sein Gesicht traf. Ein brennender Schmerz durchfuhr seinen linken Arm als er beim Aufprall des Holzschlägers zerschmetterte, doch mit der Rechten verpasste er dem Angreifer einen kräftigen Schlag. Im gleichen Augenblick entbrannte der Schmerz an seiner Hüfte als ihn eine Messerklinge dort das Bein hinab streifte. Sofort quoll warmes Blut aus der Wunde und rann sein Bein hinab.

Es war aussichtslos. Kein Ausweg. Die beiden übrigen Polizisten hatten ihn wieder mit dem Rücken an die Wand gedrängt. Wieder kam eine Messerklinge auf ihn zu. Rorschach griff mit dem guten Arm nach dem Arm des Angreifers. Er bekam ihn auch zu fassen, allerdings zu dem Preis, dass sich die Klinge in seine Seite bohrte. Er stöhnte vor Schmerz und Wut, schaffte es aber den Angreifer mit einem gezielten Schlag in dessen Gesicht zurückzuschleudern. Mit seiner vor Schmerz und Erschöpfung und Wut zitternden Hand zog er das Messer wieder aus seiner Seite. Die Qual machte ihn fast wahnsinnig. Schwer atmend lehnte sich Rorschach an die Hauswand. Sein linker Arm hing bewegungsunfähig nach unten und gehorchte ihm längst nicht mehr. Seine Beine wollten ihn kaum noch tragen. Das war es also. Das Ende. Hier in einer der schmutzigen Gassen dieser schmutzigen Stadt, die er so hasste und doch nicht ihrem Schicksal überlassen konnte, würde er sterben. Denn in den Knast ging er sicher nicht. Niemals.

Die anderen Polizisten, die er niedergeschlagen hatte, begannen bereits sich wieder aufzurichten. Schwer atmend lehnte Rorschach an der kalten Hauswand.

„Gib endlich auf. Verstärkung wird gleich hier sein. Du kannst nicht entkommen.“, versicherte ihm einer der näher kommenden Männer.

„Das habe ich auch nicht vor“, flüsterte Rorschach, mehr zu sich selbst als zu seinen Angreifern.

Ein letztes Mal stieß er sich blitzschnell von der Hauswand ab und rammte dem nächststehenden Angreifer das Messer in den Oberschenkel. Der Mann heulte auf vor Schmerz und ließ sich auf den kalten Gehweg fallen. Mit einem Ruck zog Rorschach das Messer wieder heraus und wollte sich dem nächsten zuwenden, doch seine Verletzungen machten ihn langsam. Zu langsam. Ein Faustschlag traf ihn mitten ins Gesicht und streckte ihn zu Boden. Sein Hinterkopf knallte auf den Asphalt. Er schmeckte warmes Blut. Vor seinen Augen tanzten bunte Sterne. Er spürte wie zahlreiche Tritte und Schläge seinen Körper trafen, doch es interessierte ihn nicht mehr. Er hörte den verletzten Mann am Boden schreien. „Stecht ihn ab“ und „Tötet den Mistkerl“. In der Ferne erklangen Polizeisirenen. Sie würden zu spät kommen. Er schloss die Augen. Er sah tausend Dinge. Seinen Vater, Hunde und wie sie ein kleines Mädchen zerfleischten, seine furchtbare Mutter, das erste Treffen mit Daniel und der erste Flug in Archie. Man sagt doch das am Ende das Leben vor den geistigen Augen abläuft. War es das jetzt? Verließ ihn jetzt das Leben? Rorschach spürte wie ihm ohne dass er es wollte heiße Tränen die Wangen hinunterliefen. Er öffnete die Augen, sah zwischen den wütenden Gesichtern, die unablässig auf ihn einschlugen, ein Stück des Nachthimmels und die Sterne.

Bevor ihm schwarz vor Augen wurde, glaubte er das Leuchten blauer Triebwerke eines kleinen Flugschiffs zu sehen.

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Die Lichter der Stadt zogen unter ihm vorüber als Daniel auf dem Weg zurück zu der Stelle war, an der er Rorschach abgesetzt hatte.

Er war schon fast zu Hause gewesen, doch plötzlich, er wusste nicht woher, überkam ihn ein Gefühl. Ein Gefühl, dass ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Ein Gefühl plötzlicher Angst. Als müsse er irgendwo anders sein. Er hatte Archie unverzüglich gewendet und sich auf den Weg zurück gemacht. Er würde erst beruhigt sein, wenn er wusste dass Rorschach die Kerle erledigt hatte und in Sicherheit war. Die Wahrheit, die Dan bei dem Streit mit seinem Partner verschwiegen hatte, war dass er sich weitaus mehr Sorgen um Rorschach machte als um sich selbst. Rorschach war der einzige wirkliche Freund den er hatte und er glaubte das beruhte auf Gegenseitigkeit.

Noch ein paar Blocks. In der Ferne sah er die Lichter von Polizeiwagen durch die Straßen huschen. Er erreichte die Stelle und überflog sie in einiger Höhe.

Dann überschlugen sich seine Gedanken. Durch Archies Kameras sah er Rorschach am Boden liegen. Er bewegte sich nicht. Dan sah Männer wie sie auf ihn einschlugen und -traten. Ihm wurde schlecht. Sein Magen schien sich umzudrehen, sein Herz sich zusammenzuziehen.

Er zwang sich wieder die Kontrolle über seinen Körper zu übernehmen und landete Archie in dem Hinterhof, in dem er Rorschach gehen gelassen hatte. Gehen gelassen. Allein. Wie konnte er nur? Wie in Trance verließ er Archie, und begann zu rennen. Zu rennen, in der Hoffnung, dass es noch nicht zu spät war. Keine Sekunde dachte er daran, dass er womöglich auf dem Weg ins Gefängnis war, oder gar sterben konnte. Er dachte nur daran seinen Freund noch zu retten. Irgendwie.

Er sah die Gruppe Männer. Nur noch ein paar Meter. Er spürte die Wut, die Verzweiflung, ließ sie durch seinen ganzen Körper fließen. Mit einem Schrei stürzte er sich in vollem Lauf aus dem Dunkel des Schattens der Hauswand auf den ersten Schläger. Er überraschte ihn vollkommen, riss ihn zu Boden und brach ihm den Arm. Er hörte den Schrei des Mannes wie aus weiter Ferne. Egal. Es war ihm egal. Er wirbelte herum. Die anderen starrten ihn an. Sie hatten wohl noch nicht begriffen, dass sie angegriffen wurden. Er knockte den nächsten mit einem einzigen Faustschlag aus, in dem sich aller Zorn kanalisierte. Dem nächsten brach er die Nase, dann das Bein. Er konnte nicht denken, nur handeln, wirbelte herum, verteilte Schläge bis alle um ihn herum am Boden lagen. Schwer atmend blieb Dan stehen. Sein Körper bebte, seine Gedanken beruhigten sich. Rorschach.

Dan wandte sich dem reglosen Körper seines Freundes zu und kniete neben ihm nieder. Auf dem Asphalt war überall Blut. Viel davon war von den Männern, die er niedergestreckt hatte, doch er wusste, dass das meiste davon von seinem Partner war.

Dan zog seine Handschuhe aus. Mit zitternden Händen legte er die Finger an Rorschachs Hals. Gott sei Dank. Ein Puls. Dans Herz machte einen kleinen Sprung. Doch sofort widmete er sich wieder voll seinem verletzten Freund. Die schwarzen Flecken auf seiner Maske bewegten sich nicht. Er traute sich nicht ihn zu bewegen, da er nicht wusste wo und wie schwer er verletzt war. Er sah die Messerwunde an Rorschachs Hüfte und Bein und den kleinen aber vermutlich tiefen Stich in der Seite. Aus diesen Wunden quoll das meiste Blut hervor. Er verfluchte sich dafür, dass er nichts dabei hatte um die Blutungen zu stillen.

Die Polizeisirenen waren inzwischen gefährlich nahe. Sie mussten hier verschwinden. Sofort.

Vorsichtig nahm Dan Rorschachs Kopf zwischen die Hände. „Rorschach?“ fragte er vorsichtig. „Rorschach, hörst du mich?“, sagte er diesmal lauter. Keine Reaktion. „Komm schon Rorschach, “, sagte er diesmal flehender, „bitte wach auf.“

Plötzlich begannen die schwarzen Flecken sich zu bewegen. Langsam, wirklich langsam begannen sie ihre Form zu verändern. „Rorschach?“, fragte Dan erneut. Diesmal bekam er eine Antwort. Ein tiefes, schweres Stöhnen.

„Da-an?“ Rorschachs Stimme war kaum zu hören, nur ein Flüstern.

„Ja! Ja, ich bin hier.“ Nite Owl sah Rorschach an. Er konnte seine Augen nicht sehen unter der Maske, hatte sie noch nie gesehen, und doch spürte er den Moment als sich ihre Blicke trafen.

„Hör zu Rorschach, die Polizei wird gleich hier sein, wir müssen hier verschwinden. Sofort. Verstehst du mich?“, fragte Dan hektisch.

„Da-an.“ kam es erneut von seinem Partner.

Nite Owl seufzte, als er merkte dass Rorschach ihn offenbar nicht verstand. „Okay, ich werde jetzt versuchen, dich aufzurichten, okay?“ Keine Antwort. Nur das langsame wabern der schwarzen Flecken auf dem vom Blut geröteten Weiß von Rorschachs Maske.

Dan packte vorsichtig Rorschachs Arm um ihn hochzuziehen, doch leider erwischte er den, der von dem Baseballschläger bereits zertrümmert wurde. Rorschach schrie vor Schmerz und Daniel ließ erschrocken los. „Scheiße!“ fluchte er. „Verdammte Scheiße! Tut mir leid, Rorschach, tut mir leid.“ Mit dem anderen Arm hatte er mehr Glück. Er schaffte es Rorschach in die Höhe zu ziehen und sich den gesunden Arm über die Schultern zu legen. Mit dem linken Arm umfasste er vorsichtig den Rücken seines Partners und hielt ihn fest, jedoch darauf bedacht die verletzte Hüfte nicht zu berühren. Rorschachs Beine trugen sein Gewicht nicht und so blieb die meiste Arbeit bei Dan. Langsam setzten sie sich in Bewegung. Dan musste Rorschach zu jedem weiteren Schritt zwingen. Bei jedem Schritt stöhnte er und Dan hörte an der Atmung, dass es auch Rorschachs Rippen erwischt haben musste. Sie hatten die halbe Strecke hinter sich und wollten gerade in die Seitengasse einbiegen die zu dem Hof zurückführte auf dem Archie wartete, da hörte Dan die Sirenen um die Ecke biegen. „Nein“, stöhnte er verzweifelt. „Nein, nein, nein…“ Er schleppte sie beide weiter. Hinter ihm wurden Schreie laut. Er hörte das entsichern von Waffen und das Geräusch rennender Menschen. Dan ignorierte die Rufe. Aus dem Augenwinkel sah er zu seinem Partner hinunter, der an seiner Seite mehr hing als stand. Es gab ihm neue Kraft.

Im nächsten Augenblick hörte er Schüsse. Kugeln trafen die Hauswand dicht neben ihren Köpfen. Gerade als sie in die Gasse einbiegen wollten, an dessen Ende Archie wartete, traf eine der Kugeln Rorschachs Wade. Er knickte unter dem Schmerz ein. Dan fluchte, nahm Rorschach kurzer Hand komplett auf seine Arme und begann den Rest des Weges zu rennen. Archies Luke kam in Sicht. Drinnen angekommen, legte Dan Rorschach behutsam auf die kleine Liege in Archies Bauch und schloss die Luke gerade rechtzeitig, als die ersten Schüsse auf die metallene Haut des Flugschiffs prasselten. Dan schwang sich auf den Pilotensitz und ließ Archie in die Lüfte steigen. Das blaue Feuer der Triebwerke flammte auf und sie sausten durch die Nacht in Richtung Dans Haus. Dan lenkte Archie sicher durch den Geheimtunnel und landete ihn in dem geheimen Keller, direkt unter seinem Haus, der ihm, Nite Owl, als Versteck diente. Als die Triebwerke verstummt waren, nahm Dan seine Maske ab und eilte zu seinem Partner. Die Bewegung der schwarzen Flecken war kaum noch wahrzunehmen.

„Scheiße…“, flüsterte Dan. Er nahm Rorschach vorsichtig auf den Arm und hoffte ihm nicht zu große Schmerzen zuzufügen. Daniel trug ihn die Kellerstufen hinauf und in das Gästezimmer seines Hauses im ersten Stock. Dort legte er ihn vorsichtig aufs Bett.

Die Laken unter Rorschach verfärbten sich sofort rot und ließen Dan noch schneller handeln.

Er beschloss sich zuerst die Stichwunde anzusehen. Aus dem Bad holte er eine große Schüssel mit heißem Wasser und alles an Verbandszeug, das er finden konnte. Dann eilte er sofort zurück zu Rorschach.

Er schaffte es irgendwie Rorschach den Mantel und das Jackett auszuziehen, ohne seinem verletzten Arm zu große Schmerzen zuzufügen. Sein Hemd und Unterhemd riss er einfach auf. Rorschach ließ die Prozedur ohne ein Wort über sich ergehen.

Die Stichwunde war nicht groß aber tief. Er reinigte sie mit Wasser und Desinfektionsmittel. Dan spürte wie Rorschach verkrampfte, doch er war zu erschöpft, zu ausgelaugt um wirklich Gegenwehr zu leisten. Auch als Dan geschickt die Wunde mit ein paar Stichen zunähte, blieb Rorschach reglos. Daniel achtete jedoch immer auf dessen Atmung. Er durfte es nicht riskieren, dass er einen Schock bekam und womöglich in ein Koma fiel.

Die Schusswunde war glücklicherweise ein glatter Durchschuss. Die Kugel schien den Knochen nicht getroffen zu haben. Daniel schnitt Rorschachs Hosenbein auf und reinigte die Wunde mit heißem Wasser und Desinfektionsmittel. Sein Partner stöhnte unter den brennenden Schmerzen. „Tut mir leid, aber ich muss die Wunde sauber machen“ sagte Dan mehr zu sich selbst. Doch erstaunlicherweise bekam er eine Antwort.

„O-okay…“ kam es schwach und röchelnd von Rorschach.

„Hey. Hörst du mich?“, fragte Daniel während er den Verband um Rorschachs Wade legte.

„Ja-a…Po-liz-ei?“ fragte Rorschach.

„Wir sind entkommen. Wir sind bei mir zu Hause. In Sicherheit.“, sagte Dan während er sich der Schnittwunde an der Hüfte zuwandte.

Rorschachs Kopf fiel zur Seite, als würde er seine Umgebung mustern und jetzt erst bemerken, wo er sich befand.

Daniel reinigte die Wunde an der Hüfte ebenfalls mit heißem Wasser. Sie war tiefer als er gedacht hatte und hatte zudem extrem stark geblutet. Rorschachs Mantel und seine vielen Lagen Kleidung hatten ihn vor einem solchen Hieb nicht schützen können. Nachdem er auch diese Wunde versorgt hatte, wandte sich Daniel dem Oberkörper zu. Seine Brust war voll von Blessuren und blauen Flecken. Und dann war da noch der Arm.

„Rorschach?“, sprach Daniel seinen Freund an.

„Dan.“, sagte Rorschach, als habe er ihn eben erst bemerkt und das Gespräch vor wenigen Minuten vergessen.

„Ja, ich bin es. Du musst mir jetzt helfen okay? Ich muss wissen wo du verletzt bist.“

„Arm…“, kam es zurück.

Dan begann Rorschachs Arm vorsichtig von der Schulter abwärts abzutasten. Bis zum Ellenbogen schien alles einigermaßen heil, aber beim Unterarm, begann er vor Schmerzen zu schreien. Dan spürte beim Abtasten und leichten Anheben, dass die Knochen zertrümmert waren. Auch als Dan Rorschachs Hand berührte, verursachte das große Schmerzen.

„Kannst du die Hand bewegen?“, wollte Dan wissen.

„Hu-urm…“, kam es von Rorschach. Dan musste zwangsläufig grinsen beim Hören des Geräuschs, das so typisch war für seinen Partner.

„Komm schon, versuch es mal.“ Dan beobachtete die Hand und sah beruhigt, dass sich die Finger leicht bewegten. Erleichtert legte Dan Rorschach eine Schiene an den Arm und verband den ganzen Unterarm und die Hand sorgfältig und vorsichtig.

Als nächstes bandagierte er den Großteil von Rorschachs Oberkörper ein, um die gebrochenen Rippen zu stabilisieren. Dan musste seine ganze Kraft aufwenden um Rorschach irgendwie in einer sitzenden Position zu halten und gleichzeitig den Verband anzulegen. Anschließend zog er die schmutzigen Laken unter Rorschachs Körper weg und warf sie achtlos auf den Boden.

„Okay, das war’s erstmal.“, stöhnte Daniel, als er endlich fertig war. „Ich hole dir jetzt ein Schmerzmittel. Du musst versuchen zu schlafen.“

„Nicht...“, sagte Rorschach.

„Und ob.“, sagte Daniel gebieterisch und verschwand um die Tabletten und ein Glas Wasser zu holen. Als er wiederkam hatte Rorschach es bereits geschafft mit seiner gesunden Hand seine Maske etwas hochzukrempeln um die Tabletten zu nehmen. Daniel half ihm und reichte ihm das Wasserglas an. Rorschach weigerte sich und wollte die Tabletten einfach so nehmen, aber Dan zwang ihn was zu trinken.

„Du hast viel Blut verloren und brauchst wieder Flüssigkeit. Los trink schon.“ Rorschach gehorchte, zu müde zum Widersprechen. Danach ließ er sich erschöpft zurücksinken. Dan breitete behutsam leichte Decken über seinem Freund aus.

„Okay. Rorschach? Ich gehe jetzt ganz kurz weg und ziehe mich um, ja? Ich bin nicht weit weg und gleich wieder da. Versuch einzuschlafen.“ Dan warf noch einen Blick zurück bevor er das Zimmer verließ. Tausend Dinge schossen ihm durch den Kopf. Er hatte die Wunden versorgt so gut er konnte. Aber er war kein Arzt. Was wenn Rorschach schon zu viel Blut verloren hatte? Seine Haut war so blass und voller Schweiß, dass es äußerst beunruhigend war. Was wenn er innere Verletzungen hatte, von denen Dan nichts wusste und gegen die er nichts, aber auch gar nichts tun konnte? Mit einem Seufzer verließ er das Zimmer um Nite Owl abzulegen und nur noch Dan zu werden.

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Schmerz. Mehr nicht. Nur Schmerz. Rorschachs ganzer Körper war ein einziger Schmerz. Die feuchte, schmutzige Gasse war verschwunden und blutgetränkten weißen Laken gewichen. Dan war da gewesen. Er wusste nicht wie er die Gasse verlassen hatte. Nur Bruchstücke. Schüsse. Ein Flug der ihm unendlich lang vorgekommen war. Jetzt war er in einem Zimmer. Ab und an sah er Dans Gesicht. Manchmal verstand er ihn, dann wieder nicht. Manchmal drang seine Stimme wie aus weiter Ferne zu ihm. Dann wieder Schmerz. Rorschach spürte kühles Wasser in seinem Mund, das den Blutgeschmack fortspülte. In seinem Kopf drehte sich alles. Das Zimmer verschwamm vor seinen Augen und verformte sich bis zur Unkenntlichkeit. Langsam wurde es schwarz und Rorschach driftete in einen unruhigen Schlaf.

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Dan wechselte seine Kleidung und kehrte sofort zu Rorschach zurück. Leise betrat er das Zimmer. Sein Partner bewegte sich nicht, doch beim näher kommen, sah er das langsame aber beruhigende Heben und Senken der Brust, das signalisierte, dass er noch am Leben war. „Rorschach?“ Keine Antwort. „Gut“, dachte Dan. „Offenbar ist er eingeschlafen.“ Er kontrollierte ein weiteres Mal die Verbände. Ein paar Stunden würden sie halten, dann würde er sie wechseln müssen.

Daniel seufzte und nahm sich den Stuhl der neben der Tür stand, stellte ihn neben das Bett ans Fenster und setzte sich hin, so dass er nach draußen sehen und gleichzeitig Rorschach im Auge behalten konnte. Auf der Straße vor dem Haus war es menschenleer. Eine Katze wechselte gerade die Straßenseite um in einer der dunklen Seitengassen gegenüber zu verschwinden. Der Himmel hatte sich zugezogen und war nun wolkenschwer. Die ersten Regentropfen hatten bereits die Fensterscheibe verziert und rannen nun unablässig die Scheibe hinab. Dan beobachtete sie, wie sie sich langsam ihren Weg nach unten bahnten. Er war müde. Schrecklich müde und erschöpft. Er spürte wie ihm die Lider schwer wurden. Ein paar Minuten schaffte er es noch gegen die Müdigkeit anzukämpfen, dann übermannte sie ihn und er schlief auf dem Stuhl am Fenster ein.

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Er war wieder in der Straße. Ein Nebel lag vor seinen Augen. In der Ferne sah er Gestalten. Er sah Rorschach. Seine Kleider voll mit Blut. Die Gestalten schlugen und stachen auf ihn ein. Sie drehten sich zu ihm um. „Du bist ein Feigling“, riefen sie ihm immer wieder zu, aus grässlichen Fratzen und mit höhnischem Lachen, dann verschwanden sie in schwarzem Rauch. Dan rannte auf Rorschach zu. Auch wenn die Entfernung nur kurz war, schien es ihm eine Ewigkeit zu dauern, bis er ihn erreichte. Er kniete sich nieder. Streckte seine Hand aus. Fühlte Rorschachs Puls. Es gab keinen. Sein Partner war tot. Sein Freund war tot. Tot. Tot.

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Mit einem Schrei wachte Daniel auf und fiel dabei fast vom Stuhl. Schwer atmend setzte er sich auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Seine Hände zitterten. Was für ein Traum. Rorschach. Es durchfuhr ihn wie ein Blitz. Ruckartig drehte er sich zu seinem Partner um. Er erschrak. Rorschach zitterte am ganzen Körper, seine Haut war blass und feucht von kaltem Schweiß, die Atmung flach und unregelmäßig. Die schwarzen Flecken auf der Maske formten Figuren, die er noch nie zuvor gesehen hatte. „Scheiße“, fluchte Daniel. Wieso war er auch eingeschlafen?

„Rorschach? Hey, hörst du mich?“, sprach er seinen Partner besorgt an.

„Da-an. Kaa-alt…“, kam die Antwort mit gebrochener Stimme. Dan krempelte Rorschachs Maske ein wenig hoch um seine Wangen zu berühren. Sie waren kochend heiß.

„Mist, du hast Fieber Kumpel. Hohes Fieber.“

„Huu-urm….“, machte Rorschach mit zittriger Stimme.

„Hör mal Rorschach, du brauchst einen Arzt.

„Kein….Arzt.“, sagte Rorschach.

„Ich kenne jemanden, der könnte herkommen. Er würde kein Wort…“, versuchte Daniel ihn zu überzeugen.

„Nein!“, schrie sein Partner ihn fast an.

„Rorschach.“, seufzte Daniel. „Das ist einfach zu viel. Ich habe nicht so viel Ahnung von Medizin. Ich kann dir nicht mehr helfen. Ich kann das nicht!“, sagte er verzweifelt.

„D-Du kannst. Weiß es.“, unterbrach ihn Rorschach und versuchte mit klarer Stimme zu sprechen. Doch schon diese kleine Anstrengung ließ ihn vor Schmerzen stöhnen.

Dan war gerührt von dem Vertrauen, dass Rorschach offenbar in ihn hatte. Er hatte seinen Partner noch nie so gesehen, am Ende seiner Kräfte. Rorschach hasste Hilflosigkeit und Daniel hasste es seinen Freund so zu sehen. Es zerriss ihm fast das Herz, wenn er daran dachte, wie stark Rorschach für gewöhnlich war. Das konnte nicht vorbei sein. Durfte nicht. Diese Stärke musste ihn auch jetzt retten.

„Also keinen Arzt…“, seufzte Daniel schließlich und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Ich werde dir ein paar Umschläge machen die das Fieber hoffentlich senken und hole noch mehr Decken. Ich bin sofort zurück.“ Mit diesen Worten verschwand Dan aus dem Zimmer und ließ Rorschach allein.

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Heiß. Kalt. Heiß. Kalt. Rorschach hatte seinen Körper nicht unter Kontrolle. Er zitterte am ganzen Leib. Er konnte sich kaum bewegen, weil alles schmerzte. Von den Schmerzmitteln war ihm ganz schwummerig und übel. Er hatte versucht zu schlafen, hatte aber wirre Träume. Träume, in denen er wieder in der Gasse lag. Dann war er umringt von Gestalten, die immer näher kamen und nach ihm griffen. Gestalten mit fürchterlichen schwarzen Gesichtern und langen Klauen von denen Blut tropfte, die höhnisch lachten und riefen „Du bist allein.“ Wenn er versuchte nach ihnen zu treten oder schlagen, gingen die Tritte ins Leere. Dann sah er Dan. Dan, wie er ihm helfen wollte, während er am Boden lag. Wie er sich mit den Gestalten schlug, mit denen Rorschach es nicht hatte aufnehmen können. Sah wie die schwarzen Gestalten mit den hässlichen Grimassen Dan niederwarfen und Waffen auf ihn richteten und sie abfeuerten. Er hörte Dans Todesschrei, spürte die Verzweiflung weil er nichts dagegen tun konnte. Spürte nur die unendliche Leere, als ihm klar wurde, dass Dan tot war. Tot. Tot. Tot.

Dann wachte er auf. Sah Dan auf dem Stuhl neben seinem Bett sitzen. Sah, dass er ruhig schlief. Sein Herz machte einen Sprung. Heiße Tränen in den Augen. Dann wieder die Schmerzen. Sein Körper begann zu zucken. Er konnte nichts dagegen tun. Aber wecken wollte er Dan nicht. Er ertrug es einfach. Wie er schon so vieles in seinem Leben ertragen hatte. Als die Krämpfe endlich nachließen, schloss er erschöpft die Augen. Aus weiter Ferne hörte er wieder Dans vertraute Stimme und spürte eine kühle Hand auf seiner Wange. Dann rasche Schritte, die sich entfernten und wieder heran eilten.

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„Es ist noch nicht besser geworden, eher noch schlimmer“, dachte Daniel, als er mit den feuchten Umschlägen für Rorschach zurückkehrte. Sein Partner atmete immer noch unruhig, wendete den Kopf von einer Seite zur anderen, als würde er sich gegen das Fieber wehren wollen.

Dan begann zu allererst die Verbände zu wechseln. Er stellte beruhigt fest, dass die Wunden weitestgehend aufgehört hatten zu bluten. Doch das hohe Fieber deutete auf eine Infektion hin. Dan reinigte die Wunden erneut. Rorschach brachten die Schmerzen fast um den Verstand. Er driftete von einer Ohnmacht in die andere. Daniel hatte zitternde Hände und ihm stiegen die Tränen in die Augen, weil er Rorschach so viele Schmerzen zufügen musste. „Tut mir leid. Tut mir leid, Kumpel. Es ist gleich vorbei.“, murmelte er ein ums andere Mal. Nachdem die Verbände erneuert waren, legte er Rorschach die Tücher der Umschläge vorsichtig auf die von Blessuren übersäte Brust. Langsam schien sich Rorschach zu beruhigen. Das Zucken ließ nach. Sein Atem wurde etwas ruhiger. Dan holte tief Luft und legte die restlichen Decken wieder über seinen Partner. Dann ließ er sich wieder an seinem Platz am Fenster nieder.

Seine Gedanken wurden düster. Das war nicht gut. Das war gar nicht gut. Wenn das Fieber nicht verschwand, gab es so gut wie keine Chance, dass Rorschach das überleben würde. So weit kannte er sich aus. Dazu musste man kein Arzt sein. Er verdrängte den Gedanken so schnell wie er gekommen war. „Denk nicht mal dran“, dachte er. „Wag es nicht, das noch mal zu denken!“. Er musste hoffen. Einfach hoffen. Es durfte nicht sein, dass ihr letztes Gespräch dieser dumme, überflüssige Streit blieb. Dan verfluchte sich dafür, was er für ein Idiot gewesen war. Er wünschte sich er könnte alles ungeschehen und ungesagt machen. Aber das konnte er nicht. Und erst jetzt wurde ihm bewusst, dass wenn er Rorschach verlor, er ganz allein war. Familie hatte er nicht und Freunde wie Laurie oder Hollis Mason sah er nur unregelmäßig. Mit Rorschach jedoch war er fast jede Nacht zusammen gewesen. Und es war eine gute Zeit.

„Ich brauche dich. Du darfst mich nicht allein lassen…Bitte gib nicht auf“. Ohne dass er es gemerkt hatte, hatte er den letzten Satz seiner Gedanken laut gesagt. Erschrocken sah er auf und zum Bett hinüber. Keine Reaktion. Rorschach schlief offensichtlich.

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Er konnte die Schmerzen kaum ertragen. Sie betäubten ihn kurzzeitig um dann umso heftiger wieder zu entflammen. Er hörte Dans Stimme. Er entschuldigte sich. Rorschach wollte ihm sagen, dass er es nicht musste, dass es in Ordnung war, doch er brachte keinen einzigen Ton heraus. Nach einer Ewigkeit spürte er etwas kühles, feuchtes auf seiner Brust. Es war wohltuend und er spürte, wie sein Körper zur Ruhe kam. Rorschach fühlte sich erschöpft. Er war müde. Müde von allem. Müde vom Leben, von der Welt. Die Leere, die sich vor ihm ausbreitete, wenn er ab und an in die Dunkelheit abdriftete, schien ihm geradezu paradiesisch. Er wollte für immer da bleiben. Nichts mehr sehen, nichts mehr hören, nichts mehr fühlen. Keinen Schmerz, keine Angst, keinen Hass. Doch dann war da diese Stimme, die ihm sagte, er solle nicht aufgeben und sie brauche ihn. Es war Dans Stimme die ihn immer wieder zurückholte und die es wert war, die Augen immer noch einmal zu öffnen.
 

Der Rest der Nacht war sehr unruhig. Das Fieber wollte und wollte nicht sinken. Dan versuchte nicht einzuschlafen, driftete aber trotzdem ohne es zu wollen vor Erschöpfung regelmäßig ins Reich der Träume ab. Dann schrak er jedes Mal hoch um sich zu vergewissern, dass Rorschach noch da war und atmete. Einmal wachte er jedoch auf und Rorschach befand sich nicht mehr im Bett. Dan blieb das Herz stehen und er sprang auf. Er brauchte jedoch nicht lange um seinen Partner zu finden. Als Dan das Bett umrundete, fand er Rorschach auf dem Bauch liegend auf der anderen Seite des Bettes.

„Scheiße!“, fluchte Dan und eilte besorgt auf die leblose Gestalt zu. Vorsichtig drehte er Rorschach auf den Rücken. Ein Stöhnen verriet Dan, dass er noch am Leben war. Erleichtert atmete er durch. Dan berührte Rorschachs Wange. Sie brannte noch immer wie Feuer. Das Fieber war noch nicht gesunken. Rorschach zitterte und zuckte. Sein ganzer Körper war verkrampft und Schauder schienen sich durch den ganzen Körper zu ziehen. Rorschach versuchte mit seinem gesunden Arm Dans Hand wegzuwischen und murmelte etwas Unverständliches. Dan vermutete, dass er fantasierte und auch aufgrund eines Fiebertraums aus dem Bett gefallen war. Er manövrierte Rorschach so vorsichtig wie möglich zurück aufs Bett. Zu allem Überfluss musste er feststellen, dass bei dem Sturz aus dem Bett, die Wunden wieder aufgegangen waren, und die Verbände bereits durchgeblutet waren. Daniel holte neues Verbandszeug um die Wunden erneut zu versorgen. Als Dan die Verbände abnahm, wurde Rorschachs Zucken immer stärker und stärker. „Er kriegt einen Schock.“, durchfuhr es Daniel. Er ließ die Verbände fallen und beugte sich über Rorschach, dessen Körper nun unkontrolliert durchgeschüttelt wurde.

„Rorschach!“, versuchte Daniel zu seinem Freund durchzudringen. „Hörst du mich?“. Keine Antwort. „Du bekommst einen Schock. Du musst dagegen ankämpfen. Bitte, Rorschach!“

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Wieder dieser Traum. Versuch zu entkommen. Ein harter Aufprall auf einem Holzfußboden. Stille. Dan. Schmerz. Weiße Blitze. Unmöglich zu denken. Unmöglich zu atmen. Körper gehorcht nicht mehr. Blitze. Zittern. Eine Stimme. Versuch zuzuhören. Konzentrieren. Blitze. Dan.

Rorschach warf seinen Kopf von einer Seite zur anderen. Mit seiner gesunden Hand krallte er sich in die Bettdecke. „Rorschach, konzentrier dich auf mich! Sieh mich an!“, sagte Daniel nun lauter. Kurzerhand nahm er den Kopf seines Partners zwischen seine Hände und zwang ihn, ihm ins Gesicht zu sehen. „Bitte!“, flehte Daniel nun fast. „Bitte! Kämpf dagegen an!“. Minutenlang verharrten die beiden in dieser Position. Dan redete beruhigend auf Rorschach ein und dann endlich, nach Minuten die Daniel wie eine Ewigkeit vorkamen, begann das Zucken nachzulassen. Rorschachs atmen wurde ruhiger. Erschöpft ließ sich Dan auf die Knie fallen. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn. Es war überstanden. Das war verdammt knapp. Dan schloss einen Moment die Augen und atmete tief ein, bevor er sich wieder aufrappelte und endlich die Verbände erneuerte. Anschließend holte er ein neues Glas Wasser für Rorschach, doch der war bereits wieder ohne Bewusstsein. Dan breitete die Decken wieder über seinem Partner aus und nahm erneut seinen Platz am Fenster ein.

Inzwischen waren die ersten Streifen der Morgenröte am Himmel zu sehen.

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Als. Dan das nächste Mal erwachte, war er erneut auf seinem Stuhl eingenickt. Die ersten Sonnenstrahlen fielen durchs Fenster hinein. Er reckte sich kurz aufgrund der unbequemen Haltung in der er geschlafen hatte und sah dann sofort nach Rorschach.

Ihm fiel ein Stein vom Herzen. Rorschachs Atem war normal. Das Fieber schien sich zurückgezogen zu haben. Seine Haut war nicht mehr ganz so weiß und auch der Schweiß war weitestgehend verschwunden. Erleichtert ließ sich Dan auf die Bettkante sinken und vergrub den Kopf in seinen Händen.

„Dan.“

Daniel sah auf und bemerkte, dass Rorschach ihn ansah.

„Hey“, sagte er erfreut. „Du bist wach. Wie geht es dir?“

„Okay.“, kam die knappe Antwort. Rorschachs Stimme klang erschöpft aber sie war kräftiger als am Abend davor. Die schwarzen Flecken auf der Maske bewegten sich in einem ruhigen gleichmäßigen Rhythmus.

„Ich glaub es dir aufs Wort.“, witzelte Dan und musste schmunzeln. „Brauchst du irgendwas?“

„Wasser.“, meinte Rorschach nach kurzem Nachdenken.

„Alles klar, bin sofort zurück“, sagte Dan und kehrte nach wenigen Sekunden mit einem Glas voll Wasser wieder. Er half Rorschach sich etwas aufzusetzen und etwas zu trinken.

Eine Zeit lang saßen die beiden schweigend einfach da. Keiner sagte etwas. Von draußen drang Straßenlärm herein.

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Rorschachs Gedanken waren klar. Nicht mehr verschwommen durch Medikamente oder Fieberträume. Er versuchte sich zu erinnern. Einige Lücken waren da. Aber er erinnerte sich an das Wesentliche: Dan hatte ihm das Leben gerettet. Hatte ihm geholfen, als er am Boden war und die Schmerzen unerträglich waren. Obwohl er ihn verletzt hatte, hatte er trotzdem hinter ihm gestanden. Rorschach befand sich in einem Zwiespalt. Er hasste es seine Gefühle zu zeigen. Aber er wusste auch, dass er es Dan schuldig war und dass, wenn es ein Mensch auf dieser Welt verdient hätte, er es war.

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„Danke, Dan.“, sagte Rorschach und durchbrach das Schweigen.

Dan sah ihn verblüfft an. Rorschach hatte sich noch nie für etwas bedankt. Dan wusste, dass er dankbar war, wenn er mal wieder bei ihm übernachten oder den Kühlschrank ausräumen durfte. Aber er wusste auch, dass er es hasste seine Gefühle zu äußern.

„Rorschach, ich…“, versuchte er zu erwidern.

„Habe fast aufgegeben. Wollte nicht mehr. Hast mich nicht im Stich gelassen. Wäre jetzt tot ohne dich.“, sagte Rorschach. Er drehte seinen Kopf und sah aus dem Fenster, weil ihm die Situation unangenehm war. Daniel blieb sprachlos. Rorschach fuhr fort: „Tut mir auch leid was ich im Streit gesagt habe. Bist kein Feigling. Bist es nie gewesen.“ Rorschach hielt inne. Er dachte einen Moment nach und überlegte sich gründlich seine nächsten Worte. „Du bist ein guter Freund Daniel. Ich weiß das.“

Es trat wieder Stille ein. Es dauerte eine Weile bis Dan Worte fand. Er war bewegt. Es war das erste Mal, dass Rorschach ihm gegenüber so etwas wie Gefühle gezeigt hatte. Insgeheim glaubte er, dass es überhaupt das erste Mal war, dass sein Partner sich jemandem gegenüber öffnete.

„Rorschach, ich....es tut mir auch leid. Es tut mir leid, wie ich ausgeflippt bin. Es tut mir auch leid, dass ich dich als durchgeknallt abgestempelt habe. Ich meine, ich weiß nicht was dir damals passiert ist, dass dich innerlich so zerbrochen und zerrissen hat, aber ich hätte als guter Freund mehr Verständnis haben müssen. Es tut mir leid.“ Er hielt kurz inne, bevor er weiter sprach. Rorschach drehte seinen Kopf wieder zu ihm und sah Dan an. Und wie so oft in der Vergangenheit, sah Daniel Rorschachs Augen nicht, und doch spürte er es, als sich ihre Blicke trafen. „Du bist auch ein guter Freund.“, fügte Daniel schließlich mit einem Lächeln hinzu.

Es war ein guter Moment. Für beide. Ein stilles Übereinkommen und gegenseitiges Verständnis bestand nun zwischen den beiden Freunden. Der Moment dauerte nur Minuten, vielleicht Sekunden und verschwand so schnell wieder, wie er gekommen war. Und doch nahmen beide ihn auf, sogen ihn auf, um ihn über Jahre zu bewahren, als ein wertvolles –wenn nicht das kostbarste – Gut, dass sie besaßen.

Es war Rorschach, dem die Stille langsam unangenehm wurde und beschloss sie kurzerhand zu unterbrechen.

„Dan?“

„Ja?“

„Hunger.“, sagte Rorschach.

Daniel sah ihn verdutzt an und fing fast augenblicklich an zu lachen. „Okay, ich werde mal sehen was ich auftreiben kann.“, sagte er und verschwand wieder einmal aus dem Zimmer.

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Ein komisches Gefühl. Anders konnte er es nicht beschreiben. Komisch. Kein schlechtes Gefühl. Das war es nicht. Aber ungewohnt. Seltsam. Aus einer Welt, die er nicht kannte. Rorschach war verwirrt. Und überrascht. Überrascht, wie gut es getan hatte. Überrascht, wie leicht es ihm doch gefallen war. Und er spürte für einen Moment etwas, dass er in seinem Leben bisher nie, oder vielleicht noch nie, verspürt hatte: Zufriedenheit.

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In den folgenden Tagen, verbesserte sich Rorschachs Zustand merklich. Sein Körper gewann wieder an Kraft und nach einer Woche unternahmen sie bereits die ersten Gehversuche durchs Gästezimmer. Rorschach biss die Zähne zusammen und schaffte es mit Daniels Hilfe ein paar Schritte durchs Zimmer zu machen. Dann wurde ihm allerdings vom langen Liegen etwas schwummerig und er musste sich wieder setzen. Auch seine verletzte Hand ließ sich immer besser bewegen. Nach zwei Wochen schaffte er es bereits bis ins Wohnzimmer zu gehen, wo er mit Dan auf dem Sofa die meiste Zeit fernsah, oder durch Magazine blätterte.

Nach rund einem Monat war Rorschach wieder so weit auf dem Posten, dass er alleine durch die Wohnung streifen konnte. Der Bruch der Hand und des Armes war noch nicht völlig verheilt und er humpelte noch ein wenig, doch auch das würde mit der Zeit völlig verheilen.

An einem Freitagabend saß Dan in der Küche am Tisch und blätterte desinteressiert durch die Zeitung. Als er kurz aufblickte, sah er das Rorschach im Türrahmen stand. Er hatte seinen Mantel über dem Arm und hielt in einer Hand seinen Hut.

„Denke ich sollte gehen.“, meinte er. „Bin schon sehr lange hier. Glaube es ist nicht länger nötig.“

Daniel wusste nicht was er sagen sollte. Er hatte sich an Rorschachs Gegenwart gewöhnt und war traurig darüber in Zukunft wieder allein zu sein.

„Okay… ja wenn du meinst. Du müsstest jetzt eigentlich ganz gut alleine klar kommen.“, sagte Daniel. „Aber wenn du irgendwas brauchst, bist du natürlich immer willkommen.“ Rorschach nickte stumm und wandte sich um zum gehen. Dan zögerte einen Moment: „Warte Rorschach, da ist noch etwas….Ich meine wegen unserem Job. Verstehst du, ich…. An meiner Meinung hat sich nichts geändert. Ich kann das einfach nicht mehr machen.“

„Ich weiß. Ist okay.“, antwortete Rorschach.

„Was meinst du?“, wollte Daniel wissen.

„Ich meine, ich verstehe. Werde in Zukunft allein arbeiten.“

„W-was meinst du mit allein? Du willst weiter machen?“, fragte Daniel verblüfft.

„Ja. Aber ohne dich. Hattest recht. Ist dein gutes Recht aufzuhören. Hätte deine Entscheidung gleich akzeptieren sollen. War dumm von mir.“, erklärte Rorschach.

„Du meinst das Ernst oder?“, sagte Daniel. „Du wärst fast gestorben und willst trotzdem weiter machen.“ Er seufzte und vergrub den Kopf in den Händen. Dann sah er zu Rorschach. Er stand einfach da und starrte ihn an, die schwarzen Flecken in ständiger Bewegung. Er hatte nie viel gesprochen. Das war einfach nicht seine Art. Daniel stand auf und ging auf Rorschach zu. Er reichte ihm die Hand.

„Ich weiß zwar nicht warum, aber offenbar musst du das tun. Und ich verstehe dich. Versprich mir nur, dass du auf dich aufpasst.“

Rorschach verharrte einen Moment, erwiderte dann aber den Handschlag.

„Tu ich immer.“, antwortete er und Daniel glaubte aus den Flecken etwas zu lesen, dass entfernt an ein Lächeln erinnerte. „Du auch.“, fügte er noch hinzu. „Man sieht sich. “Er drehte sich um, durchquerte das Wohnzimmer, verließ das Haus und schloss die Tür hinter sich. Dan blieb im Wohnzimmer stehen und sah ihm nach. Er wusste, dass das ein Abschied gewesen war. Rorschach würde nicht wiederkommen. Er würde den Job alleine durchziehen, ohne Dan mit hereinzuziehen. Dan fühlte sich erleichtert, dass sie sich im Frieden getrennt hatten, aber leichter machte es das nicht. Natürlich, er musste nun nicht mehr Nacht für Nacht durch die Stadt streifen, sich in dunklen Ecken herumdrücken oder jeden Morgen mit Blessuren nach Hause kommen. Aber die Tatsache, dass Rorschach weiter da draußen umherstreifen würde, bereitete ihm Magenschmerzen. Doch er wusste auch, dass er gut auf sich aufpassen konnte. Er hatte es oft genug gesehen.

„Trotz alledem….Wir hatten eine gute Zeit.“, stellte Dan schließlich fest. „Eine wirklich gute Zeit.“

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Lüge. Er hatte gelogen. Sie würden sich nicht wieder sehen. Jedenfalls in nächster Zeit nicht. Als die Tür hinter Rorschach ins Schloss gefallen war, war das ein Abschied gewesen. Sie hatten ihre Entscheidungen akzeptiert und hatten reinen Tisch gemacht bevor sie auseinander gingen. Trotzdem ein ungutes Gefühl zu gehen. Wenn er in Dans Nähe gewesen war, hatte er wenigstens auf ihn achten können. Er würde seinen alten Partner, seinen Freund, im Auge behalten.

Rorschach atmete die kalte Nachtluft ein. So sehr er sie auch hasste, hatte er die Straßen vermisst. Die Schatten der kleinen Seitengassen schienen nach ihm zu rufen und sich zu wünschen, dass er in ihnen verschwinden und eins mit den Schatten werden würde. So wie immer. Er tat ihnen den Gefallen. Ein letztes Mal sah er zum Haus zurück, nickte kurz und verschwand dann in der Dunkelheit.

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Ein halbes Jahr später.

Dan hatte tatsächlich nichts mehr von Rorschach gehört. Jedenfalls nicht persönlich. Er saß auf seinem Sofa und schaltete ziellos durchs Programm, bis er bei den Nachrichten landete. Und tatsächlich. Es gab einen Bericht über einen vereitelten Banküberfall in der Innenstadt. Die Bankräuber seien aufs übelste geschlagen und in einem Müllcontainer hinter der Bank wieder aufgefunden worden. Der vermutete Täter: Rorschach. Dan musste lächeln. Er freute sich jedes Mal, wenn er per Nachrichten erfuhr, dass es seinem Ex-Partner noch gut ging und dass er der Polizei erneut ein Schnippchen geschlagen hatte. Zufrieden schaltete er den Fernseher aus und nahm seinen Mantel um sich auf den Weg zu seinem wöchentlichen Treffen mit Hollis Mason zu machen. Er verließ das Haus und schloss die Tür hinter sich ab. Die Straße war schon fast leer. Ein Pärchen ging gerade an seinem Haus vorbei und auf der gegenüberliegenden Seite lehnte ein einsamer Demonstrant mit einem selbstgemalten Schild an einer Straßenlaterne und schien sich offenbar zu erholen. Als Dan die Stufen zu seinem Haus hinab ging sah der rothaarige Mann mit dem Schild kurz auf. Dan nickte ihm zum Gruß zu. Der Mann erwiderte den Gruß und machte sich auf den Weg in die entgegen gesetzte Richtung.

Dan atmete einmal tief durch. Es war eine ruhige Nacht.

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Rorschach sah Dan das Haus verlassen. Er stand auf der gegenüberliegenden Straßenseite von dessen Haus. Er ging die Stufen hinunter und sah kurz zu Rorschach hinüber. Natürlich erkannte er ihn nicht ohne seine Maske. Dan nickte ihm zum Gruß zu. Rorschach erwiderte ihn. Gerne hätte er gesagt „Hallo Daniel, ich bin es, Rorschach“. Und gerne hätte er gewusst wie es seinem Partner geht, doch er konnte es nicht. Das einzige was er tun konnte war ab und an wenigstens ein Auge auf seinen Freund zu haben. So auch an diesem Abend. Es war der Abend an dem sich Dan mit dem ersten Nite Owl traf. Das letzte halbe Jahr hatte Rorschach Dan jede Woche unbemerkt zu diesem Treffen durch die dunklen Gassen begleitet, genau wie er es an diesem Abend vor hatte. Insgeheim fragte er sich, ob es jemals wieder so werden würde wie früher. Ob eine Zeit kommen sollte, in der die beiden erneut Seite an Seite gegen Kriminelle kämpfen würden. Oder war das endgültig vorbei?

Rorschach ahnte es zu diesem Zeitpunkt noch nicht, doch das Schicksal wird die beiden ein weiteres Mal zusammenführen. Am 12. Oktober 1985: die Nacht in der der Comedian starb.
 

ENDE



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von:  -Chaos-
2011-10-21T22:25:53+00:00 22.10.2011 00:25
Sehr gut, gefällt mir sehr.
Ich mag die Art wie du Rorschach schreibst. Dieses Kurze geschriebene immer, ich finde du bringst ihn sehr gut rüber. ^^
-daumenhoch-
Von: abgemeldet
2009-05-03T21:59:43+00:00 03.05.2009 23:59
Sehr sehr gut.
Ich mag es.
Rohrschach erscheint mir sehr IC, besonders seine abgehackte Sprechweise.
Und die Freundschaft, die die beiden verbindet, kommt wirklich sehr gut rüber.
Eine super Story.
Von:  LumCheng
2009-04-17T11:50:53+00:00 17.04.2009 13:50
Schon mal ein solider Auftakt ^^
bei DEN prompts, die ihr euch da ausgedacht habt, bin ich gespannt auf alles weitere, was noch folgen wird ^^
kleiner tipp - vllt. vorher nochmal beta lesen lassen, damit die paar kleinen fehler verbessert werden ;)


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