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Ciel Noir

von

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Prolog.

Sie kennen bestimmt das Gefühl, wenn man etwas von großer Bedeutung verliert, oder? Es ist ein drückender, unbeschreiblicher Schmerz, der durch den Magen kriecht und langsam und qualvoll an unseren Eingeweiden nagt. Es lässt nicht schlafen, lässt nicht vergessen...Und seit wir fein abgestimmte Wesen sind, lässt es uns auch nicht darüber hinweg kommen. Dieses Gefühl lässt den Himmel über uns erdunkeln und wirft sogar auf's Sonnenlicht einen grauen Schleier und es ist uns, als würde es nie wieder gut, der Schmerz. So als wolle man selbst sterben.
 

Der Winter, mit drückend grauen Wolken und leisem Schneefall unterstützt solche Gefühle und lässt sie erflammen, tief in unseren Herzen. Und der November ist es, in dem diese Geschichte beginnt und vielleicht auch endet...je nach dem, wie man das Ende definieren mag...!

1. Requiem

Sie lauschte den Wind in den Blättern und konnte hier und da auch das Schneetreiben beobachten, das um sie herum spielte. Seit ein paar Minuten spürte sie ihre Finger nicht mehr. Das Mädchen, von dem ich rede, heißt Mireille. Ein blumiger und warmer Name, passend zu dem so liebevollen Charakter und den zart rosanen Wangen. Doch all ihre wärme ist ihr entfleucht und ihr leuchtendes, rotes Haar, verbarg sie unter einer schwarzen Wollhaube. Nur ein paar Strähnen trauten sich, einen Blick hinaus zu werfen. Ihre Lippen, die sonst so rot und voller Liebe schienen, waren jetzt schmal und bleich, nahe zu an der weißen Farbe ihres Gesichtes. Sie saß auf einem Gedenkstein und rieb sich die Hände. Es war Nachmittag und die Kirchturmglocke läutete zur Nachmittagsmesse. Sie aber verharrte in ihrer Position und starte in die ferne, durch die schneebedeckten Bäume und Büsche. Der Himmel war dunkelgrau und eine Träne, die auf der kalten Haut brannte, bahnte sich ihren Weg über ihre Wange, hielt an ihrer Lippe und begann auf ihrer Lächellinie zu zerfließen. Diesen unendlichen Schmerz, den sie fühlte.

Sie konnte nun nicht mehr weinen, alle Tränen waren schon ihren Weg gegangen und benässten ihre blassen Wangen. Das schwarze Kleid, was sie trug hing leblos herunter, es war nichts besonderes. Sie lockerte die Schnüre an ihrem Dekoltée und begann danach das ganze Korsett zu öffnen. Ihre weiße Haut blendete fast. Der Friedhof war leer und sie blickte auf einen großen, schweren Stein, auf dem nur Initialien eingemeißelt waren. Mireille atmete tief ein, doch sie bekam nur schwer Luft, auch ohne die Korsage ihres Kleides. Der Schmerz lag ihr auf der Brust wie ein Nachtmar beim Schlafen. Ihre offenbarte Brust erhärtete sich an der Spitze, durch die Kälte, die sie umwob, doch es erfrischte. Hier wollte sie sterben, sagte sie sich immer wieder im Kopf. Hier wollte das Mädchen, von erst 17 Jahren, sterben. Langsam öffnete sie die Haube und zog sie sich vom Kopf, das wallende rote Haar fiel ihr auf die Schultern und bedeckte ihre Brüste, dann stieg sie aus dem Kleid und ging den kleinen Weg entlang über den Friedhof. Die Kälte machte sie fast wahnsinnig, als stachen sie tausende Nadeln, doch sie ging voran, nichts konnte sie aufhalten. Dann stand sie an einem See, die Gischt floss ihr an die Zehen. Die blauen Augen gerade aus gerichtet, ging sie Schritt für Schritt, immer weiter hinein und es war, als zeriss sie das Wasser, die Taubheit kletterte ihre Beine hinauf, an das Becken, dann an den Bauchnabel. Sie spürte nun einen anderen Schmerz und es lenkte sie ab.
 

"Kain...Oh Kain, wo bist du nur? Warum hast du mich verlassen?" Ein Schluchtzer durchzog ihren Körper und sie begann erneut in tiefe Trauer zu fallen. Ihre Tränen glitten schnell aus ihren Augen und in ihrem Hals war etwas unschluckbares, als griff jemand fest daran. "Kain...Liebster Kain..." wimmerte sie und begann tiefer in das Wasser zu rennen. Dann erreichte sie die ersten Eiskappen und das Wasser stieg ihr über die Augen, sie tauchte unter. Ihr Körper war starr. Als wäre sie Müde, nahm ihr das eisige Wasser das Bewusstsein, stieß sie in eine Art Trance und ließ sie langsam aber sicher einfach schlafen.
 

"Das Fieber steigt." erklärte Monsieur Salière und schüttelte nachdenklich den Kopf. "Gibt es einen Grund für sein plötzliches Erkranken?" fragte ein stämmiger Mann mit einer Glatze, doch Salière hob unwissend die Schulter. "Wenn Phillipe stirb, verliere ich meinen einzigen Sohn!" protestierte der Mann und schlug auf den Nachttisch. Der junge Mann, von dem die Rede war, ist Pillipe Cabaré, der Sohn eines Fischhändlers. Salière war ratlos, eher hätte er einer Katze das fliegen beibringen können, als dass er wirklich gewusst hätte, was dem Jungen fehlt. Bis zu seinem einundzwanzigstem Lebensjahr war er gut genährt und vital, keiner ahnte, dass er irgendwann so krank sein werden könnte. Er verschrieb dem Jungen weiter Ruhe und ab und an kalte Wickel um das Fieber unten zu halten, mehr konnte er nicht tun. Das Schneegestöber wurde dichter, als Salière das Haus verließ. Der Himmel war fast schwarz, ungewöhnlich, es war erst Nachmittag. Seine Schritte flogen also fast über den schneebedeckten Boden und suchten ein paar Nebenstraßen weiter, das traute Heim. Als er die Tür aufstieß, legte er die Tasche vorsichtig auf den Tisch und setzte sich in seinen Stuhl. Schon der dritte Patient mit den gleichen Symptomen. Er hatte zuerst eine Art Seuche vermutet, doch es ist völlig untypisch, dass eine Seuche eine solch lange Inkubationszeit hat. Er fuhr sich mit der rechten Hand über seinen gestutzten Bart. Es waren nur Menschen im Alter von achtzehn bis zwanzig Jahren betroffen. Sie waren schon ungewöhnlich lange Krank, waren nur ungewöhnlich kurze Zeit von Bewusstsein, verfielen dann jedoch wieder in tiefen Schlaf, in dem sie zu träumen schienen. Kopfzerbrechen bringt dir jetzt nichts, dachte er insgeheim und stand auf um sich etwas Wasser zu holen. Doch es ließ ihn nicht los.

Ein Mädchen, dass er gestern untersuchte, lag schon seit 4 Wochen krank im Bett und schien durchzuschlafen. Offenbar brauchte sie keine Nahrung, was völlig unbegreiflich schien, vielleicht eine Art Meditation. Salière hielt sich den Kopf. Sie redete im Schlaf, ihre Lieder flimmerten und sie schien manchmal einen Namen zu rufen, doch es blieb meistens unverständlich.
 

"Du bist schon zurück?" Er drehte sich um und begann zu lächeln.

"Ja, schon wieder ein neuer Fall von dieser unbekannten Krankheit." Die Frau, die ihm ratlos gegenüberstand, war seine Frau Luise. Ihre schwarzen Haare waren zu einem Dutt gebunden und sie legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Aber Herr Doktor, sie müssen etwas tun." spaßte sie. Salière guckte aus dem Fenster und beobachtete für einen kleinen Moment die Schneeflocken. "Es ist zu merkwürdig. Ich werde mich morgen damit befassen."
 

Der nächste Morgen begann mit milden Sonnenstrahlen, die sich immer wieder durch die aufblähenden Vorhänge blickten. Salière öffnete die Augen und blinzelte verschlafen, lauschte jedoch sofort danach dem Atem Luises. Mit Mühe drehte er den Kopf. Sie war schön, selbst für ihr Alter. Sie war gute 10 Jahre jünger als er, also Ende der Zwanziger und noch genauso bezaubernd, wie die Frau, die er geheiratet hatte. Sie war strebsam und ordentlich und was Salière besonders an ihr schätzte, war ihre unendlich liebevolle Art. Auf seinen Lippen zeichnete sich ein Lächeln ab und er stand auf.

Nachdem er sich angezogen hatte, sich völlig in Schale warf und sich die Jacke, die leblos über einem Stuhl hing, griff, verließ er das Haus in schnellem Schritt. Der Boden war schneebedeckt und Salière fror etwas auf dem Weg in die Stadt. Er hatte sein Haus in einem Vorort bauen lassen, es schien ihm auch unmöglich in Paris zu wohnen. Der Gestank in den Gassen war nahezu unmöglich zu ertragen, auch wenn die Vielfalt an Gütern fast grenzenlos war. In der Nähe hielt eine Kutsche und er stieg ohne jeden Wortverlust ein.

Erst als die Kutsche losgefahren war, warf er dem Kutscher ein kühles "Rue Lagard." zu. Die Peitschen knallten auf die Pferde ein und Saliére sah nach draußen, auf ein weites, weißes Feld.
 

Als er ankam, aus der Kutsche stieg und sich umsah, wurde ihm klar ws geschehen war. Die Kirchenglocke erschallte in ihren langen und traurigen Zügen und der junge Arzt sah, wie man eine Leiche, verborgen unter einen fahlen grauen Leichentuch, hinaustrug.

Der Leiche folgend verließ der Fischer vom gestrigen Tag das Haus. Phillipe war gestorben. "Tragisch." hauchte eine Stimme neben Saliére und er drehte den Kopf, als er plötzlich eine Frau, nein eher ein Mädchen zu seiner Rechten sah.

Sie hatte schwarzes Haar und trug ungewöhnlich schöne Kleidung. Ein Samtkleid in einem gedämpften Rotton und ihre Lippen waren wohlgeformt, wie auch der rest des blutjungen Körpers. Ihre Augen waren wach und schienen fast bedrohlich.

"Ja durchaus, durchaus. Hatte man irgendetwas als Todesursache feststellen können?" Das Mädchen schüttelte den Kopf. "Man sagt sich nur, dass, als er starb, er heftig geschrien habe, als bedroht ihn etwas." Salière sah sie nachdenklich an. "Monsiuer Salière. Doktor von Beruf."

Die Schöne sah ihn leicht lächelnd an. "Tebetizia." "Was für ein...außergewöhnlicher Name." sinnierte er und sie nickte. "Es ist ein alter Name." damit tat sie die Sache ab und beide wendeten den Blick wieder zu dem Trauerzug.
 

Saliére beschloss sich noch etwas mit Tebetizia zu unterhalten, etwas an ihr faszinierte ihn. Ihre großen Augen sahen in die Ferne, während seine Augen an ihren vollen Lippen hingen. "Ich muss gestehen, Monsieur Saliére...Ich habe Sie gesucht, ich wusste, dass sie heute morgen dasein würden. Ich hörte von dieser Krankheit die der junge Phillipe hatte. Ich muss Sie warnen, etwas böses wandelt hier in Paris, etwas zur Zeit noch nicht erklärbares." Sie warf ihr schwarzes, langes Haar über die Schulter und sah ihn drohend an. "Mehr kann ich momentan nicht sagen." Salière sah sie nachdenklich an. "Nicht einmal, was Sie vermuten?"

"Nein, nicht einmal das. Nicht hier, nicht heute. Ich werde sie wieder aufsuchen, Monsieur Salière." Mit diesen Worten stand die Schwarzhaarige auf und ging die Straße hinab, bis sie in der Menschenmasse verlorenging für seinen Blick.
 

"Phillipe ist tot?" das Mädchen war geschockt und hielt sich nur mit Mühe am Tisch fest. "Ja, gestern Nacht ist er verstorben." Augenblicklich brach sie in Tränen aus. Die Schluchzer schüttelten sie und ihre Mutter nahm sie in den Arm um sie etwas zu trösten. "Mama...wie konnte das nur passieren? Wie geht es Papa?" fragte sie hindurch ihres Wimmerns und ihre Mutter seufzte. "Papa ist seitdem nicht mehr nach Hause gekommen, ich denke, er braucht einfach seine Ruhe. Sei stark Valentin." Das Mädchen schaute auf den Boden und grub ihre Fingernägel in ihr Kleid. "Ich bin draußen." sagte sie nun kühls, als sie sich wieder gefangen hatte. "Ja, pass auf dich auf." Die Sorge ihrer Mutter hallte in ihrem Kopf, als hatte sie diesen Satz gleich mehrfach gesagt. "Ja Mama."

Valentin setzte sich nach draußen, in eine Ecke, die überdacht war. Es war einmal ein einsamer Kaufstand, doch die Sackgasse war relativ unbegangen, sodass sie hier keine Geschäfte lohnten, als hier und da ein Pub. Es begann wieder zu schneien und sie dachte an ihren Bruder. Phillipe war wirklich ein einzigartiger Mensch, er hatte mit ihr gespielt, sie in Schutz genommen und nun war er weg. Sie mochte nicht an seine Beerdigung denken. Ihre Finger waren taub und sie beobachtete einzelne tanzende Schneeflocken. "Bruder..." flüsterte sie heiser, bis sie wieder anfing zu weinen. Der Himmel war von einer Wolkendecke bedeckt, als zog sich ein Schleier über den sonst so klaren blauen Himmel.

"Warum sitzt du hier so allein?" fragte eine männliche Stimme sie und Valentin drehte schnell den Kopf in die Richtung. "W-wer ist da?"

Dann erkannte sie neben sich, in einer kleinen, dunklen Ecke eine Gestalt.

Es war ein junger Mann, vielleicht knappe fünf Jahre älter als sie.

"Hab keine Angst, ich sitze hier nur, um dem Schnee zuzusehen." wisperte die Stimme und Valentin nickte. Eine Weile sagten beide nichts, bis Valentin fragte, wer der Fremde sei. Er rutschte etwas aus der Dunkelheit ins Licht und sie sah, dass er lange blonde Haare Haare hatte. Er war bleich, weiß wie eine Kalkstatue und hatte stechende Augen. "Mein Name ist Kain. Wie heißt du?" Sie zögerte, doch dann fasste sie etwas Mut und entgegnete: "Valentin." "Es ist schon spät, Valentin." es stimmte. Sie saß ziemlich lange dort, obwohl es bis auf die Knochen kalt war. "Du erfrierst noch." "Na und?" entgegnete sie trotziger, als sie wollte und er begann etwas zu lächeln. "Nimm meine Jacke." Er legte ihr eine dunkelblaue, anscheinend handgearbeitete Jacke und legte sie ihr um. Nun hatte er nur noch sein Hemd und eine schwarze Knüpfweste an. "Jetzt frierst du." flüsterte sie doch er schüttelte den Kopf. "Ich friere schon lang nicht mehr."

Sie schaute ihn nachdenklich an. "Wie alt bist du, Valentin?" Sie schaute in seine Augen und ihr wurde bewusst, was sie ihm schon alles anvertraut hatte. Vielleicht wollte er ihr etwas böses und sie verriet ihm alles wichtige, was es über sie zu wissen gibt. Doch seine Augen verrieten, trotz ihrer Bedrohlichkeit, Vertrauen. "Ich...Ich bin fast 16." Ein mildes Lächeln umspielte seine Lippen.

"Kennst du vielleicht jemanden, der...Mireille heißt?" Valentin schüttelte den Kopf und blinzelte mit ihren großen blauen Augen. "Nein, leider nicht."

"Ist schon gut, es...hätte nur sein können." Kain schaute wieder zum Schnee und seufzte leise.
 

Fortsetzung folgt ♥



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