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Dreaming Society

Fortsetzung von Dead Society
von

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Ein neues Leben

Willkommen zum zweiten Teil von Dead Society ^.^

Danke an alle Leser, dass ihr mir noch immer treu seid und die Wartezeiten ertragen habt. Aber auch danke an jene, die das nun fertig gestellte Dead Society gelesen haben und sich danach sogar an Teil 2 wagen ^.^ Ich hoffe, wir werden wieder ein ähnlich gutes Team, ich gebe mir Mühe und ihr kritisiert, damit es besser wird und gebt Rückmeldungen, sodass ich den Standard halten kann ^.^

Das Buch "Tote Gesellschaft" (vorläufiger Arbeitstitel) ist derzeit bei zwei Korrektoren, sodass ich keinerlei Einfluss habe und warten muss. Sollte es etwas Neues geben, werde ich allerdings weiter informieren.

Und für alle, die Eisengel lesen: Entschuldigt, ich kann einfach nicht warten mit DS2 weiterzumachen ^.^" Aber ich schreibe auch weiter an Eisengel. Das nächste Kapitel ist fast fertig.

Viel Spaß beim Lesen und Reviewen!
 

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„Am Donnerstag ist die richterliche Anhörung.“

Katsuyas Blick schnellte zur Seite, die Lider über den Augäpfeln weiteten sich, richteten sich starr auf den Fahrer der Mercedes Limousine. Ein wunderschöner Mann, achtundzwanzig Jahre, braunes Haar, tiefblaue Augen – der tat, als hätte er gar nichts gesagt, der wortlos auf die Straße sah und der in derselben Spannung wie sonst hinter dem Lenkrad lehnte.

„Hier rechts siehst du übrigens das Gebäude, in dem ich früher gearbeitet habe, das ist der Hauptsitz der Kaiba Cooperatio-“

„Ich weiß.“, unterbrach der blonde Neunzehnjährige ihn scharf, „Was soll das heißen, am Donnerstag ist die Anhörung? Welche Anhörung?“

„Deine.“, man konnte heraus hören, dass Seto versuchte seine Stimme ruhig zu halten. Man könnte wohl sagen, er bekam es auch ziemlich gut hin, ein Außenstehender hätte sicher nichts bemerkt.

Aber Katsuya war ganz klar kein Außenstehender. Dieses Detail war für ihn in diesem Moment jedoch nebensächlich.

„Seto, was soll das heißen?“

„Du hast am Donnerstag schulfrei.“, der Brünette atmete tief ein und rollte mit den Schultern, „Ich habe mir auch frei genommen. Wir fahren zusammen zum Familiengericht und da ist die Anhörung.“

Familiengericht. Das Wort reichte, um Katsuya dazu zu bringen seine Nägel in das weiche Sitzpolster mit Lederüberzug zu rammen. Seine Befürchtung stimmte wohl. Es ging um sein Aufenthaltsrecht und den Pflegeantrag.

„Du wirst noch einmal die ärztlichen Dokumente bestätigen und knapp schildern müssen, was dein Vater verbrochen hat. Genauso, wie du es bei dem Herrn vom Jugendamt getan hast. Nur nicht so pampig.“, das Lenkrad wirkte wie ein Anker, an den Seto sich klammerte, „Du wirst ablehnen bei deiner Mutter wohnen zu wollen und erklären, wieso dem so ist. Und schließlich sagen, dass du bei mir leben möchtest. Aber was du zu sagen hast, wollte ich eigentlich später mit dir durchsprechen...“, er warf einen kurzen Blick zur Seite, „Wenn du weniger aufgewühlt bist.“

„Ich bin nicht aufgewühlt!“, erklärte der Blonde, doch merkte selbst, wie aggressiv er klang. Scheiße... Donnerstag schon. Das waren nur noch vier Tage. Warum erzählte ihm Seto das erst jetzt? Warum gerade hier, auf dem Weg zum Altar von Setos jüngeren Bruder Mokuba Kaiba und dem noch lebenden Bruder Noah Kaiba, den Katsuya noch nicht kennen gelernt hatte? Warum wühlte er ihn jetzt auf, wo er doch Seto eine Stütze sein musste? Wieso hatte er gestern Abend nichts gesagt? Oder vorher? Warum erzählte er das unbedingt jetzt? Verdammt!

„Deine Mutter wird anwesend sein.“
 

Alle Geräusche schienen sich schlagartig auszuschalten.

Katsuya konnte sein Blut pulsieren hören. Er spürte den Druck auf seinen Fingerknochen, die kreideweiß aus dem Polster lukten. Er schmeckte die Staubtrockenheit seiner Zunge. Sein Körper war so wahr, so nah und so unglaublich fremd gleichzeitig, als sich ein Riss in seiner Brust durch sein Herz zog.

Mutter.

Er würde sie sehen. Am Donnerstag. Würde sie treffen im Gericht, vor dem Gericht, wo er aussagte. Aussagte, wie sein Vater ihn misshandelt hatte.

„W- w- wird... wird... wird sie... also... ist s- sie- sie...“, der Blonde schluckte, schloss den Mund, um seinen zitternden Atem zu verbergen. Was auch immer er gerade in seinem Kopf formulierte, es wurde unterbrochen.

Die Reifen quietschten, sein Körper wurde nach vorn gerissen, nach hinten, zur Seite, während der Wagen sich halb fahrend, halb schlitternd um neunzig Grad nach rechts drehte und in eine Einfahrt einfuhr, wo er mit einem weiteren Quietschen zum Stehen kam.

„Seto!“, die Lider weit aufgerissen starrte Katsuya auf das fröhlich winkende Tankstellenmaskottchen, deren monotones Auf und Ab seine Nerven mehr strapazierte als beruhigte, bevor sein Blick zur Seite schnellte, „Bist du verrückt geworden?“

„Ich wollte dich nur aus deinen Gedanken holen.“, der Fahrer drückte seelenruhig auf die Automatiktaste vor dem Schalthebel, der das Fenster an seiner Seite herunter fuhr, während er in sein Jackett griff.

„Wir sind an einer Tankstelle! Du wirst hier nicht rauchen!“, fuhr der Jüngere ihn scharf an, was mit einem genervten Knurren gedankt – aber befolgt – wurde, „Heilige... okay, das war ablenkend... scheiße...“, er ließ seinen Oberkörper nach vorne sacken und vergrub sein Haar in seinen Händen, während er seine Ellenbogen auf seine Oberschenkel stützte, „Seto...“

Das Fenster fuhr wieder hoch, schloss sich fast lautlos, bevor sich eine Hand auf Katsuyas linke Schulter legte, nach der er nur Sekunden später griff. Er umschloss die kühlen, leicht rauen, doch femininen Finger mit beiden Händen und übte leichten Druck auf sie aus, während er sprach: „Bei der Anhörung... wenn ich aussage... ist sie dabei?“

„Ja.“, antwortete der Ältere leise, doch fügte dem keine weiteren Worte hinzu.

„Und ich... ich muss alles erzählen?“

„Ja.“, erwiderte er wiederum.

„Auch über das... was sie tat?“

„Wenn man dich danach fragt.“, der Geruch von Setos Aftershave drängte sich dem Blonden auf, als der Ältere sich zu ihm lehnte.

Ein Hupen ließ in im selben Moment wieder zurückschnellen. Sein Blick wandte sich zum Rückspiegel, zum linken Außenspiegel, während er dem Blonden die Hand entzog, um den Motor zu zünden und dem ungeduldigen Autofahrer hinter ihnen Platz zu machen.
 

„Seto... ?“, der Kopf des Jüngeren drehte sich ein wenig zur Seite, während er die Umarmung von sich selbst fester zog.

„Ja?“, der Blauäugige ließ den Wagen wieder aus, bevor er sich seinem Schützling zuwandte.

„Könntest du mich bitte in den Arm nehmen?“, flüsterte der Jüngere leise.

„Wir sind in der Öffentlichkeit.“

„Das ist mir scheißegal!“, schrie Katsuya den anderen an.

„Ruhig...“, der Brünette hob abwehrend die Unterarme, „Ist gut...“, er streckte eine Hand aus, um mit ihr über den Rücken des Kleineren zu fahren, doch dieser warf sich förmlich gegen den neben ihm Sitzenden, auch wenn sich dafür die Mittelkonsole in seine Seite drückte.

Seto kam der Bitte nach und legte die Arme um den Neunzehnjährigen.

„Hey... ist gut... beruhige dich...“, der Ältere gab ihm keinerlei Komfort außer der losen Umarmung und den dahin gesäuselten Lauten, doch es war mehr als Katsuya in seiner derzeitigen Laune von ihm erwartet hatte.

Das war allerdings nur einer von vielen Gedanken in seinem Kopf. Die Worte Setos schwirrten durch ihn, vermengten sich mit den Worten des Mannes vom Jugendamt, bei dem er vor einigen Wochen gewesen war, knäuelten sich zusammen und ergaben einen Batzen Last, der sich irgendwie auf seine Schultern zu legen schien.

„Er hat es damals schon getan...“, Katsuya unterbrach sich selbst durch ein Schluchzen, „Als sie noch zusammen waren, da hat er schon... hat er das schon gemacht...“, er krallte sich an Setos guten, dunkelblauen Sonntagsanzug, den er mit Tränen benetzte, „Sie hat mich trotzdem da gelassen... was soll ich denn... ich kann doch nicht...“

Die Arme, die lose auf und um seinen Rücken lagen, schlossen sich fest um ihn, zogen ihn an die Brust des Älteren und hoben ihn an, damit er sich auf die breite Armablage setzen konnte.

„Ssssch... ruhig...“, der Achtundzwanzigjährige wiegte ihn wie ein kleines Kind nach rechts und links, während er ihn fest an sich drückte.

Katsuya versuchte einen weiteren Satz zu formulieren, doch er wurde von seinen Schluchzern verschluckt. Seinem eigenen Schluchzen. Ein Schmerz fuhr brennend durch seine Brust, auf, nieder, auf, nieder, genau wie der Arm des Tankstellenmaskottchens. Und mit einem Mal breitete er sich aus, wie als wenn das Feuer unter seine Haut kroch und zu Stahl wurde, um ihm die Luft abzuschnüren. Als würde sich eine dicke Platte schweren Metalls auf seinen Oberkörper legen.

„Seto... seto...“, das letzte Wort klang nur noch heiser, erstickt von Tränen und der zugeschnürten Kehle.

„Ich bin hier. Ich bin hier.“, die Stimme des Älteren klang sicher und ruhig, „Ich bin bei dir. Ich bin hier und ich bleibe hier. Beruhige dich...“

Mutter.

Seine Mutter.

Sie würde alles erfahren. Alles, alles, was man ihm angetan hatte. Was sie ihm antat, als sie ihm bei diesem Monster zurückließ. Was sie getan hatte...

Sie würde zuhören. Würde jedes Wort hören.

Katsuya merkte, dass er seit geraumer Zeit keinen Atemzug mehr getan hatte.
 

„Katsuya... Katsuya...“, ein Fingerrücken strich über seine linke Wange, doch die Zärtlichkeit wurde überschattet durch die Kälte der Fensterscheibe, gegen die sein Kopf weit überdehnt lehnte, „Hey... Komm zu dir, Kleiner... gut so...“

Er blinzelte, brummelte, richtete sich auf, nur um Sekunden später zur Seite zu kippen – mit Absicht, da dort Seto war, auf dessen Schoß er saß. Der Ältere legte wortlos die Arme um ihm, als müsste er ihn vor Kälte schützen.

„Danke...“, flüsterte der Blonde kraftlos.

„Schon gut...“, wahrscheinlich hatte sein Lehrer solch eine heftige Reaktion nicht erwartet, „Was macht dir solche Angst?“

„Mutter...“, er schloss die Augen, um die neu aufsteigenden Tränen zu unterdrücken, „Warum... warum muss sie das hören?“

„Um eine eigene Aussage zu machen. Für oder... gegen dich.“, mit der Stirn, die an Setos Hals lag, spürte er, wie dieser schluckte und tief Luft holte, „Genauso wie alle anderen Betroffenen eine eigene Aussage machen müssen und deshalb zuhören werden. Dein Vater und deine Schwester.“

Katsuyas Lider fuhren in die Höhe, die Pupillen verengten sich, seine Zunge klebte am Gaumen.

Shizuka.

Seine Schwester.

Sie... am Donnerstag... im Gericht... Wiedersehen... die Aussage...

„Nein!“, der Blonde drückte sich von Seto weg, packte ihn mit beiden Händen am Kragen, „Sie müssen das verhindern! Sie darf das nicht wissen! Nicht sie!“, er versuchte den Älteren zu sich zu ziehen, doch im Endeffekt schüttelte er nur sich selbst, „Bitte nicht! Bitte nicht!“, sein Kopf sank herab, „Nicht sie... bitte nicht... nicht sie...“, seine Hände lösten sich von dem Stoff, während er zurück zu Setos Brust sank, „Nicht... nein...“

Ein Arm des Größeren legte sich um seine Schultern, drückte ihn wieder an das faltige Jackett. Er machte es schmutzig... er machte das Jackett schmutzig... er brachte Seto in Bedrängnis... sie dürften hier nicht so sitzen...

Shizuka.

Katsuya schluchzte haltlos. Shizuka. Seine kleine Shizuka. Sein Stern, sein Engel. Seine Familie. Sein einziger Hoffnungsstrahl in endlosen Zeiten von Dunkelheit. Sein unbefleckter, unbekümmerter, kleiner Liebling...

„Warum?“, seine Stimme klang heiser, „Warum? Warum muss sie das wissen? Ich habe alles getan, damit sie nichts erfährt. Alles! Was soll sie denn für eine Aussage machen? Sie weiß doch nichts. Sie soll es nicht wissen. Darf nicht...“, er steckte seine Nasenspitze zwischen Jackett und Hemd, um seinen Kopf in der Dunkelheit und Wärme von Setos Kleidung zu versenken.

„Katsuya, es ist so – Ende. Das ist unser Gesetz. Finde dich einfach damit ab.“, der Brünette drückte ihn von sich, fuhr ihm mit einem Taschentuch über die verweinten Wangen und Augen und reichte ihm ein zweites, „Du wirst alles sagen und alle werden zuhören. Dein Vater wird wahrscheinlich alles leugnen, deine Mutter vielleicht auch und je nachdem, welch einer Gehirnwäsche deine Schwester unterliegt, sie ebenso. Und sie werden mir das Aufenthaltsrecht trotzdem geben. Das ganze ist nur eine Formalität. Alles, was du tun musst, ist halbwegs zusammenhängend deine Lebensgeschichte zu erzählen.“, der Lehrer seufzte, „Und jetzt zeig mir wieder den Kats, der problemlos nach einer Nacht draußen zwei Lehrer zu verführen versuchte und danach trotz offen sichtbarer Wunden mit Netzshirt in die Klasse zum Unterricht marschierte.“
 

„In diesem Land ist wirklich alles teuer... demnächst nehmen sie noch eine Bodenreinigungspauschale.“, der Blauäugige schoss einen Eisblick in Richtung der Kasse, bevor er Katsuya einen großen Becher reichte, von dem leicht weißlicher Dampf aufstieg.

„Was ist das?“, fragte der Jüngere mit dünner Stimme.

„Heiße Schokolade.“, der adrett gekleidete Herr – dessen Jackett, nachdem er damit gerade in der Toilette war, bis auf einen noch trocknenden Fleck Wasser wieder perfekt aussah – setzte sich mit seinem Kaffee in der Hand ihm gegenüber, „Wenn du jetzt noch lächelst, wird mein Herz nicht in fünf Minuten vor Sorge aufhören zu schlagen.“

Irgendwie verzogen sich die Muskeln um seinen Mund und etwas, was man wahrscheinlich annäherungsweise als müdes Lächeln bezeichnen konnte, formte sich auf seinem Gesicht.

„Danke.“, Seto lächelte nicht und sein Ton blieb auch ohne bestimmten Ausdruck. Wären sie zuhause gewesen, wahrscheinlich hätte er zurück gelächelt. Aber nicht hier. Hier war die Öffentlichkeit. Hier zeigte er seine Gefühle nicht – wenn es sich vermeiden ließ.

Tja, Seto... sein großer Babydrache. Auf der einen Seite ein verspieltes Kind, auf der anderen die graue Eminenz, der eiskalte Geschäftsmann, die verletzte Seele. Der Mann, an dessen Seite er sein Leben zu führen gedachte.

Und er... ja, was war er? Wer war er? Er war blond und braunäugig, aufgeweckt und lebenslustig. Ein Sonnenschein von einem Mensch. Aber er war auch immer noch ausgezehrt, hatte noch einige weniger dramatisch aussehende Blutergüsse und eine rot leuchtende Narbe auf der Stirn, die vor einigen Wochen eine Platzwunde gewesen war. Die echten Wunden trug er jedoch unter der Haut. Die Angst, das Misstrauen, der Hass, der Schmerz, die unbändige Wut – es brodelte in ihm und kochte hoch, wenn man ihm den geringsten Anlass dazu gab.

Nicht anders als bei Seto, wenn man so wollte. Sie hatten ihre fröhliche, sanfte, bisweilen kindische Seite, ihre verletzte, wütende und hassende Seite und eine Maske, hinter der sie beides versteckten. Und doch waren sie vollkommen unterschiedlich. Ihre Masken konnten nicht unähnlicher sein, ihre Reaktionen auf Verletzungen nicht andersartiger. Und ihr Lebensweg...

Setos Misshandlung war Jahre her. Seine Eltern waren tot, sein Adoptivvater ebenso, sein kleiner Bruder – sie alle hatten den Tod gefunden. Unfälle, Krankheiten, Suizid. Oder eher Krankheit, Unfall, Suizid, Unfall, um die Reihenfolge zu wahren. Niemand war mehr da, der die Schrecken bezeugen konnte. Höchstens das Kindermädchen, die Wissenschaftler der Forschungsabteilung der Kaiba Cooperation, vielleicht einige Hausangestellte der Kaibavilla. Vielleicht sein Stiefbruder Noah...

Aber es war ihm vergönnt sich in Schweigen zu hüllen. Er hatte seine Probleme gelöst, indem er Gozaburo Kaiba in den Tod getrieben hatte. Er hatte seinen Missbrauch beendet. Er musste nie zum Jugendamt, musste nicht vor Gericht in Anwesenheit der Täter und Opfer aussagen. Er musste nicht darüber sprechen... er hatte es dennoch getan. Zu ihm. Zu seinem kleinen, blonden, geliebten Haustier.

Und jetzt war er an der Reihe. Er musste erzählen. Musste aussagen gegen seinen Vater, gegen seine Mutter, direkt neben ihm seine Schwester, seine geliebte Schwester, die er seit zehn Jahren nicht mehr gesehen hatte. In vier Tagen...

Er trank seinen Becher heißer Schokolade in einem Schluck.

Noah

Meine Güte, die Resonanz hat mich umgehauen o.o Danke!

Wie schnell ich hochladen kann, weiß ich leider nicht, es gibt Kapitel, wenn ich welche habe, so einfach ist das ^.^ Aber länger als einen Monat dazwischen plane ich nicht ein. Dreaming Society wird übrigens genau so lang wie Dead Society.

Und für alle, die die Hinweise nicht im erstem Kapitel gefunden haben (im zweiten sind aber noch mehr), es ist der Sonntag der sechsten Woche.

Viel Spaß beim Lesen ^.^
 

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„Fühlst du dich einigermaßen präsentabel?“, fragte Seto den jungen Mann neben sich, der mit noch immer herunter hängender Kinnlade das Gebäude vor sich betrachtete, „Katsuya?“

„Was... das... das ist die Villa?“, der Blonde schaffte es nicht den Blick abzuwenden.

„Hattest du etwas Größeres erwartet?“

„Nein!“, stieß er aus, „Das Ding ist echt monströs... das ist ein Schloss, verdammt noch mal. Hier hast du früher gewohnt?“

„Sicher.“, mit einem Klick wurde sein Gurt gelöst und schnellte an seine rechte Schulter, „Katsuya... komm, aussteigen. Sei brav und benimm dich.“, während er noch immer schwieg, seufzte der Brünette tief und verließ den Wagen, um ihm die Tür zu öffnen, „Wenn sie sich nun heraus bequemen würden, Madame...“

„Guten Mittag, Mister Kaiba.“, ein Mann im schwarzen Anzug, der auf Höhe der Stoßstange stand, verbeugte sich. Sein Name war James, wetten? Er sah genau so aus, wie das Klischee vorschrieb.

„Ah, Roland.“, nicht James? Der Mann neben dem nun Ausgestiegenen griff in seine Hosentasche, zog den Autoschlüssel hervor und übergab diesen im Vorbeigehen dem Mann, der zu Katsuyas Verwunderung eine Sonnenbrille trug, obwohl es bewölkt war – er war also doch nicht ganz so klischeehaft wie auf den ersten Blick.

„Wer war das?“, fragte der Blonde, während er zu dem mit festen Schritten auf das Eingangsportal zu strebenden Mann aufschloss.

„Roland, mein früherer PA.“

„Was ist ein PA?“, wieso konnte der Ältere nicht einfach mal verständlich sein oder erklären, was das für Fachbegriffe waren, die er verwendete?

„Persönlicher Assistent.“, und wie redefreudig er war... Katsuya seufzte. Seto war wahrscheinlich extrem angespannt. Es war fraglich, ob er in den fünf Jahren seit Mokubas Tod jemals an dessen Grab oder seinem Altar gewesen war. Ob er überhaupt mal hier gewesen war. Der Blonde warf einen Blick zur Seite. Wahrscheinlich... nicht.

Nun ja, wenigstens ging es ihm wieder einigermaßen.

Die Tür schwang wie von selbst auf, doch Katsuya stoppte dennoch vor der Schwelle. Was zur Hölle... er schluckte. Vor ihm breitete sich ein langer roter Teppich aus, der bis zur Doppeltreppe am Ende des Raumes reichte, wo er sich zu beiden Seiten hin teilte, um die Stufen zum oberen Stockwerk auf beiden Seiten zu bedecken. Mehr Angst machte ihm aber, was links und rechts vom ersten Teppichstück stand – gut zwanzig Diener, die sich vor den vorbei gehenden Seto Kaiba verbeugten, als wäre er der König persönlich, während er sie keines Blickes würdigte.
 

„Du hast Geld wie Heu, oder... ?“, murmelte Katsuya leise, als er zu dem anderen aufgeschlossen hatte.

„Ich hatte.“, sie bogen in einen langen Flur ein, an dessen Ende der rote Teppich, der anscheinend jeden Gang bedeckte, unter den Flügeltüren des Endzimmers verschwand, „Das gehört nun alles Noah. Ich habe einen Schlussstrich hiermit gezogen.“

Hiermit... Katsuya schluckte. Das hier waren die Gänge, durch die ein Zwölfjähriger an einer Leine durch die Gegend gezerrt worden war. Zwei Etagen unter ihnen war der Keller, in dessen Zellen man das Kind eingesperrt hatte. Das Kind, das jetzt als Mann neben ihm ging.

Seto blieb kurz vor der Tür stehen, hob die Hand und klopfte mit der Rückseite von Zeige- und Mittelfinger auf das schwere, dunkle Holz, sodass ein dumpfes, tiefes Pochen erklang. Dieses Haus hatte wirklich etwas von einem Schloss – nur die großen Fenster, durch die das Sonnenlicht die Gänge erhellte, passten nicht dazu.

„Herein.“, rief eine Stimme aus dem Raum jenseits der Tür, was Katsuya zusammenzucken ließ. Nicht, dass sie so furchtbar klang – nur hatte er sie irgendwie nicht erwartet. Es war ihm eher, als hätte stilvoll ein Butler die Tür zu öffnen und sie zu den Gemächern des Schlossinhabers zu führen, der kränklich in einem riesigen Bett mit Seidenwäsche lag.

Noah hingegen war kein Märchenprinz im Seidengewand, er war ein junger, sehr auffälliger Mann im schwarzen Anzug. Auffällig nicht nur, weil er gut aussah – bei weitem nicht so gut wie Seto, aber immerhin – sondern auch, weil seine Haare und Augen türkis waren. Es stand im krassen Kontrast zu der sehr seriösen Ausstrahlung, die er hatte – dem Anzug, der Brille, dem schweren Schreibtisch, den Massen von Ordnern und Papieren, dem Laptop. Ganz, wie man sich halt den Chef eines Großkonzerns vorstellte.

„Du hast es also wirklich geschafft...“, ein erfreutes Lächeln legte sich auf die Lippen des schätzungsweise Mittzwanzigers, der sich aus seinem Chefsessel erhob und ihnen beiden entgegen schritt.

„Kompliment zurück. Du kannst laufen.“, sie reichten sich die Hände zum Händedruck, griffen allerdings nach dem Unterarm des jeweils anderen und platzierten die freien Hände auf der Schulter ihres Gegenübers. Aber was sollte das mit dem Laufen? Hatte er mal wieder was vergessen? Hm... ach, verdammt, ja, Noah war ja querschnittsgelähmt. Oder eher es gewesen. Anscheinend hatten sie sich wirklich lange nicht gesehen.

„Was mich mehr erstaunt, ist, dass du in Begleitung kommst.“, der Mann mit den türkisen Haaren schritt zu Katsuya und reichte ihm ebenfalls die Hand – diesmal zu einem normalen Händedruck, „Ich bin Noah Kaiba, sehr erfreut.“

„Ähm... ich bin Katsuya.“, der Blonde schluckte, „Guten Tag.“

„Wollen wir uns vielleicht duzen?“, bot der Geschäftsmann mit einem Lächeln an.

„Ja, gern.“, im Geheimen seufzte Katsuya erleichtert. Wenigstens etwas persönliche Ebene. Schließlich war er ja irgendwie so etwas wie sein Schwager. Obwohl man das nach einer Woche Beziehung zu einem gleichgeschlechtlichen Partner wahrscheinlich schwer sagen konnte. Noah schien davon nichts zu wissen... aber er wusste, dass sein Bruder homosexuell war, oder? Das war doch in der Presse gewesen. Eigentlich müsste er es sich denken können.
 

„Wie geht es dir?“, wandte sich der Schwager-in-spe an seinen Stiefbruder.

„Immer noch schlechter als vor zwei Monaten, aber ansonsten geht es wieder bergauf.“, Noah wies ihnen den Weg zu einer Sitzgruppe an der Seite des Raumes, an der Tee und Gebäck bereit stand, „Aber derzeit erwarte ich keine größeren Zusammenbrüche mehr.“

„Du gehst also nicht wieder in die Psychiatrie?“, sie setzten sich, Seto und Katsuya nebeneinander auf der Couch, Noah rechts von ihnen auf einem Sessel.

„Ich denke nicht. Außer ich besuche ihn.“, die blauen Augen warfen einen schnellen Seitenblick zu dem Blonden, während ein boshaftes Lächeln mit Setos Lippen spielte, was sich aber im selben Moment schon wieder verflüchtigte.

„Steht etwas in die Richtung an, wenn ich fragen darf?“, Noah sah zwischen ihnen beiden hin und her.

Eigentlich hätte Katsuya jetzt wütend reagieren müssen und es verneinen sollen. Er tat es allerdings nicht. Er wusste selbst nicht ganz, warum, aber irgendwie war dieser Geschäftsmann dort einschüchternd, auch wenn er sehr sympathisch klang. Vielleicht lag es an diesem ganzen Reichtum... im Zimmer standen zwei massive Marmorstatuen, die Zimmerpflanzen waren symmetrisch zugeschnitten und alles war von Licht wie durchflutet. Irgendwie... so andersartig. Wie eine Märchenwelt. Eine ziemlich bedrohliche Märchenwelt.

„Nein. Sollte ich nicht einen schweren Rückfall haben, steht das nicht an.“

„Sehr beruhigend.“, das Lächeln des Mannes war warm und herzlich, auch wenn er ansonsten eher erhaben wirkte, „Und wie genau... steht ihr zueinander?“, dieses Mal blickte er in Katsuyas Bernsteine, als wollte er ihn zu einer Antwort provozieren – was Seto direkt aufzugreifen schien, denn auch er wandte sich zu seinem Freund.

„Ähm... äh...“, unbewusst tastete der Jüngste nach der Hand des Brünetten, „Wir... also...“, dieses verdammte amüsierte Lächeln auf Setos Lippen, das machte einen wahnsinnig! „Wir sind ein Paar.“, die Erklärung machte er mit fester, willensstarker Stimme.

Die Augenbrauen des Türkishaarigen schnellten in die Höhe, senkten sich wieder, während sein Blick zu Seto glitt und verharrten in einer ganz leicht zusammengezogenen Pose. Der Blick drückte keine Abwehr aus. Eher Zweifel... und Sorge. Ob er ihn für nicht gut genug für seinen Bruder befand? Ob er an Setos Verstand zweifelte sich so etwas als Freund anzuschaffen? Oder zweifelte er, dass dieser ihre Verbindung auch für eine Beziehung hielt? Was bedeutete dieser Blick?

Setos Finger schlangen sich um Katsuyas, sodass er Druck auf die Hand ausüben konnte, ohne sie zu verletzen, während auch seine Augenbrauen sich ein wenig zusammenzogen und sich sein Kopf senkte.

„Herzlichen Glückwunsch.“, Noahs Miene verwandelte sich plötzlich zurück in das lächelnde, offene Gesicht von vorhin, doch sein Blick wich schnell von ihnen, indem er seine Aufmerksamkeit auf die erhitzte Kanne lenkte, „Möchte einer von euch Tee?“
 

Der Tee war gut. Keine Ahnung, was für einer es war, aber er war süß, fruchtig und doch fast geschmacklos. Wahrscheinlich war es nicht Setos Geschmack, aber sein Gefallen traf er.

„Habe ich das am Telefon richtig verstanden, dass ihr Mokis Grab besuchen wolltet?“

Setos Tasse verharrte in der Luft, irgendwo zwischen dem Teller in seiner Hand und seiner einen Moment lang bebenden Unterlippe. Sein Adamspafel wanderte unter seiner Haut den Hals entlang, bevor er den zu schluckenden Tee überhaupt trank. Mit einer schnellen Geste trank er den kompletten Rest in seiner Tasse auf ex.

„Ja.“, das Porzellan traf die Untertasse, „Das war der Plan.“, Letzteres wurde auf dem Couchtisch abgestellt, „Gibt es irgendein Problem damit?“

In seiner Stimme schwang ein feindlicher, aggressiver Unterton, der Katsuyas freie Hand zu ihren verschränkten schnellen ließ, um sich um sie zu legen. Brachte ihn das so aus dem Konzept? Machte ihn der Besuch so labil? Hatte er etwa auch davor Angst? Aber wo konnte man da Angst haben?

„Nein, Seto, es gibt kein Problem.“, Noah seufzte, „Ich wollte nur fragen, ob ich dich begleiten darf. Aber nicht, wenn ich dich noch mehr aufrege.“, er schüttelte den Kopf und nippte an seinem Tee, bevor sich ihre Blicke wieder trafen, „Diesmal hat es dich echt erwischt, oder? Gab es einen bestimmten Auslöser?“

Katsuya zuckte zusammen. Anscheinend hatte Noah wirklich nur grob von allem erfahren, wenn er nicht einmal wusste, dass der Grund für die Labilität direkt vor ihm saß. Ihr Zusammentreffen war es gewesen, dass Seto so zurückgeworfen hatte. Aber wenn er das nicht wusste, dann wusste er auch nicht-

Der Blonde schluckte.

Dann wusste er auch nicht, dass er dem Mörder seines jüngeren Stiefbruders gegenüber saß.

Setos tiefblaue Augen wandten sich in einer quälend langsamen Geschwindigkeit zur Seite, bevor sein Kopf folgte. Seine Augenbrauen waren zusammen gezogen, die Lippen an die Zähne gesaugt, die Augen glänzend.

Die kleine Kinderseele schrie nach Hilfe.

Bitte nicht jetzt... Katsuya seufzte und hob einladend den freien Arm ein wenig, damit sich der knapp über zwei Meter große Mann bei ihm einkuscheln konnte. Wenn nicht einmal seine Maske noch hielt, dann war das hier wirklich zum Scheitern verurteilt. Er hätte es wissen müssen. Es war einfach noch zu früh.
 

„Wegen mir...“, flüsterte Katsuya leise, während er Setos Kopf sanft gegen seine Schulter drückte, sich zurücklehnte und dem Größeren somit eine Liegefläche gab.

„Dir?“, Noahs türkise Augen hafteten an seinem Bruder, während sich seine Brauen gewaltig zusammenzogen – kannte er solche Zustände überhaupt von Seto, wenn er ihn schon bei ein wenig Aggressionen für labil hielt?

„Ja, ich...“, wenn Seto ihm nichts gesagt hatte, dann sollte er auch nichts sagen, oder? „Ich habe eine Menge Gefühle in ihm ausgelöst. Das hat ihn sehr zurückgeworfen.“

„Was ist los mit ihm?“, das von Sorge gezeichnete Gesicht hob sich ein wenig, während die hellen Augen Katsuyas Blick suchten.

„Er ist regressiv. Oder eher peritraumatisch dissoziiert.“, ja, er hatte die Begriffe mittlerweile auswendig gelernt, da war er stolz drauf, „Seine Kinderseele verdrängt seine Erwachsenenseele, weil er überfordert ist. Aber da er sich sicher fühlt, depersonalisiert er nicht.“, kannte Noah diese Begriffe denn überhaupt?

„Depersonalisation waren die Zustände, wo er apathisch wirkte, richtig?“, erkundigte sich der Geschäftsmann, während er seine Hände zu Fäusten ballte.

„Ja. Das hier ist eine gesündere Art der Verarbeitung. Man muss das Kind nur beruhigen.“, der Blonde hatte längst mit der freien Hand – mit der anderen hielt er seinen Freund – in dessen Haar gegriffen und kraulte seinen Nacken.

„Er ist also jetzt wie ein Kind?“, vergewisserte sich der Andere.

„Drache.“, Katsuya tippte mit zwei Fingern auf die Schulter des halb auf ihm Liegenden, „Augen auf. Schau mal her.“

Aus der Falte zwischen Kapuze und Brustteil des schwarzen Pullovers zog sich das Gesicht des Brünetten ein wenig hervor, sodass ein Auge in Richtung Umgebung blinzeln konnte, während die Nase noch halb versteckt blieb.

„Guck mal da drüben.“, Katsuya zeigte auf den Mann ihnen gegenüber, dessen Lippen einen Spalt Luft ließen, durch die man zusammen gepresste Zähne sehen konnte. Wenigstens hatten sich die Augenbrauen ein wenig voneinander gelöst. „Kennst du den?“

„Das ist Noah.“, der leicht aufgerichtete Seto drehte seinen Kopf zu seinem Aufpasser, „Der ist lieb. Aber er kommt nie zum Spielen und Kuscheln mag er auch nicht.“, der rote Mund bildete eine Schnute, „Er redet andauernd über Geschäfte, das ist langweilig.“

„Er weiß nur nicht, dass dich noch viel anderes interessiert.“, Katsuya verwuschelte seinem Drachen die Mähne, „Magst du einen Keks?“

Aufklärung

So, bin wieder da ^.- Mit viel Neuem!

Zum einen wären da drei neue Kapitel bei Dreaming Society, ein neues bei Eisengel, eine neue FF, aber auch etwas ganz anderes: Dead Society ist von den Korrektoren zurück. Es wird also einige kleinere Änderungen in Teil 1 geben, genau so wie im Buch - und danach ab in die Post zum Verlag (nicht das Buch, okay, aber ein Exposee).

Und die Planung ist fertig ^.- So, wie es aussieht, wird Dreaming Society sogar noch ein Stück länger. Derzeit ist die Planung bei 114 Kapitel - normalerweise kann man da bis zu 20% draufschlagen. Wir werden sehen ^.^

Aber nun viel Spaß beim Lesen!
 

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„Schmecken die Kekse?“, fragte Katsuya – mehr überflüssig, da Seto sich längst die komplette Schale genommen und auf seinen Schoß gestellt hatte, um sie zu futtern. Aber wenigstens er sollte wohl irgendwie einen erwachsen klingenden Anstand besitzen, wenn sein Freund gerade dazu schon nicht in der Lage war.

Noah währenddessen hatte eine Menge seiner Steifheit eingebüßt, indem er sich in seinem Sessel zurückgelehnt hatte – schon fast ein wenig liegend – und seinen Kopf auf einem Arm abstützte, dessen Ellbogen die Armlehne hielt. Die Sorge und der Hauch von Entsetzen über das Benehmen seines Bruders hatten sich in ein stilles Amüsement gewandelt, bei dem er den Achtundzwanzigjährigen mit einem leichten Schmunzeln beobachtete.

Nun ja, man sah nicht oft Zweimetertypen im Businessdress breit grinsend Schokokekse in sich stopfen. Auf seine Art und Weise war Seto ja schon irgendwie süß. Ziemlich eigen und ausgeprägt krank, aber süß.

„Ich vermute, damit bist du ausgelastet.“, murmelte Noah mit einem schiefen Lächeln in Katsuyas Richtung.

„Ich? Joah... Klein-Seto ist ja brav. Zehn bis fünfzehn Minuten, dann geht es ihm wieder gut. Im schlimmsten Fall ‘ne halbe Stunde. Er beruhigt sich schnell.“, das Sonnenschein-Lachen legte sich auf die Lippen des Blonden, „Kompliziert wird es nur, wenn sich Wahnvorstellungen in solche Phasen mischen und er keine Luft mehr kriegt, versucht sich umzubringen oder andere angreift. Und natürlich, wenn niemand zur Stelle ist. Aber es geht bergauf.“

„Es ist schon richtig, dass er gerade den Antrag durchsetzt dein gesetzlicher Betreuer zu sein, oder?“, eine schwarze Augenbraue – die Haarfarbe war also nicht seine Naturfarbe – wanderte in die Höhe.

„Klingt ein bisschen verkehrt herum, was?“, Katsuya stieß die Luft durch die Nase aus, „Aber auch ich habe Aussetzer, wo sich Seto dann um mich kümmert. Einer von uns ist eigentlich immer in der Verfassung den anderen zu stabilisieren. Zumindest bisher. Ansonsten haben wir einen Notfallpsychologen.“

„Dürfte ich für den Fall der Fälle dessen Nummer haben? Nur falls Seto mal in meiner Nähe solch einen Aussetzer hat, ich wüsste nämlich sicher nicht, was ich tun soll. Und deine Nummer vielleicht auch.“

Mit einer fließenden Handbewegung zog Katsuya sein Handy aus seiner hinteren Hosentasche, klappte es auf und öffnete das Telefonbuch, bevor er es Noah reichte.

„Der Psychologe ist ein Freund von uns beiden, der normalerweise nachts wach ist und tagsüber schläft. In Notfällen ist es aber okay ihn jederzeit anzurufen. Ansonsten können sie mich auch anrufen, obwohl ich wahrscheinlich nicht oft helfen kann. Sollte Seto sich wieder weh tun, die Nummer des Arztes ist unser Hausarzt, er behandelt alle nicht krankenhauspflichtigen Verletzungen unter größter Verschwiegenheit.“, ihre Blicke trafen sich für einen Moment und irgendwie konnte er die Gedanken des Geschäftsmannes erraten, „Gegen ein leicht erhöhtes Entgeld.“

„Ich hätte von meinem Bruder nichts anderes erwartet.“, ihre Blicke fielen auf Setos, der sich genüßlich seine schokoladenbeschmierten Finger ableckte, „Auch wenn er gerade nicht nach dem eiskalten Geschäftsmann aussieht, der er normalerweise ist.“
 

„Ich gehe mir die Hände waschen.“, verkündete der Brünette mit seiner relativ dunklen Stimme, bevor er elegant den Schneidersitz löste, mit dem seine kindliche Hälfte sich auf das Sofa gesetzt hatte.

Noah sah nur kurz auf, lächelte und setzte das Übertragen der Nummern in seine drei Handys fort – wozu auch immer er drei Handys hatte. Vielleicht ein geschäftliches und ein privates, aber wozu das dritte? Falls eins kaputt ging? Nun gut, das war nicht seine Sache.

„Habe ich das richtig erkannt, dass er jetzt ruhiger ist und gleich als der erwachsene Seto zurückkommt?“, fragte er über die Handys hinweg, nachdem sich die Tür hinter dem Blauäugigen geschlossen hatte.

„Ich denke, ja.“, Katsuya seufzte, „Ich weiß nicht, ob es wirklich so eine gute Idee ist das Grab zu besuchen.“

„Den Altar. Das Grab ist relativ weit weg.“, der Geschäftsmann verstaute auch sein letztes Handy und reichte dem anderen seins zurück, „Aber ich stimme dir zu, das setzt Seto anscheinend wirklich unter Druck. Ich habe ihn noch nie so gesehen. Auch was du gerade sagtest, suizidal, fremdaggressiv... ich hätte es nicht zu glauben gewagt. Ich muss noch einiges über ihn lernen.“

Ob er Noah vielleicht die Narbe an seiner Schläfe zeigen sollte, die er von seinem letzten Missverständnis mit Seto hatte? Oder ihn auf die Bandagen an dessen Armen hinweisen sollte, unter denen eine Woche alte Schnittwunden weilten? Oder seinem Freund beiläufig über die Wange fahren sollte, um das Make-up etwas abzuwischen, das einen zumindest noch grünblauen Bluterguss verdeckte? Nein, besser nicht.

„Ich werde ihn gleich einfach mal fragen, was er für sich selbst am besten hält. Erstmal müssen wir wohl schauen, ob er sich für seinen kleinen Ausfall gerade wieder in Selbsthass versenkt. Ich hoffe, dass er jetzt wirklich nur zur Toilette geht und nix Blödsinniges anstellt... bei ihm weiß man manchmal echt nicht, was er denkt.“

„So weit geht das?“, die Augenbrauen des Älteren zogen sich wieder zusammen.

„Ich habe in den letzten sechs Wochen – also seit wir uns kennen – so einiges mit ihm mitgemacht. Ich kann gar nicht glauben, dass es echt erst knapp über einen Monat ist...“, Katsuya schüttelte abwesend den Kopf, „Die eine Woche, die wir jetzt zusammen sind, kommt mir echt wie ein Jahrzehnt vor. Es ist echt einiges passiert.“

„Ich kann es mir vorstellen...“, murmelte Noah und ließ seinen Blick zu den Fenstern schweifen, „Ich kenne ihn über ein Jahrzehnt und es kommt mir vor, als wäre es nur eine Woche.“
 

„Na, verirrt?“, neckte der Blonde seinen herein kommenden Freund, der souverän eingetreten war, die Tür hinter sich geschlossen hatte und sich neben ihm nieder ließ.

„Nein, hier gibt es nur zu wenige Bäder.“, die blauen Augen richteten sich auf Noah, „Entschuldige, dass ich dich nicht vorgewarnt habe bezüglich meines Zustands.“

„Kein Problem.“, dieser blinzelte recht überrascht.

Anscheinend war er auch keine größeren Stimmungsschwankungen von seinem Bruder gewöhnt. Der war augenscheinlich – was Katsuya mittlerweile nicht mehr wirklich aus der Fassung brachte – stabiler als zuvor. Ein sehr wechselhaftes Wesen halt. Welches Wort hatte er für ihn gefunden? Ach ja: Bizarr.

„Und du hast ihn aufgeklärt?“, der kühle, distanzierte Blick traf den Blonden.

„Grob. Nur über die Risiken deines Krankheitsbildes.“

„Falls ich dir irgendwie zu viel werde...“, Seto schluckte, Kopf wieder zu Noah gewandt, „Sag das einfach, ja? Du brauchst mich nicht aushalten, wenn du nicht willst. Lieber habe ich wenig Kontakt als gar keinen.“

„Mir geht es gut, danke.“, der Geschäftsmann machte eine kreisende Bewegung mit den Unterarmen, „Ich bin nur überrascht, wie perfekt du das bis heute vor mir verborgen hast. Woher die plötzliche Offenheit?“

„Der ist Schuld.“, einer der femininen Finger stupste an Katsuyas Wange, was ihn automatisch danach schnappen ließ – ein Spiel, das beiden so vertraut war, dass er den Finger bis heute noch nicht erwischt hatte.

„Ihr seid wirklich zwei...“, Noah schüttelte den Kopf, „Kaum bist du erwachsen, wird er zum Kind.“

„Du meinst zum Hund.“

Als Antwort auf den Seitenkommentar knurrte Katsuya nur. Diese ewigen Hundevergleiche! Wenigstens war er nicht mehr bei „Hündchen“, das war schonmal fast eine Steigerung.

„Nicht, Hündchen?“

Rargh!

„Seto, wenn ich dich zerfleischen soll, sag' Bescheid.“, seine Lider verengten sich zu Spalten.

„Bescheid.“, die Nase in die Höhe gereckt sah der Ältere auf ihn herab, lächelte und lehnte sich zufrieden zurück.

„Elende Giftspritze.“, Katsuya verschränkte die Arme und wandte sich ab, „Nach deinen Attacken bist du entweder albern oder fies – aber albern gefällst du mir viel besser.“, er seufzte, wonach sich seine Gesichtszüge glätteten, „Aber mal ernst... bist du sicher, dass du noch zu dem Altar möchtest? Wird dir das nicht zu viel?“

Seto atmete tief durch, ließ sich nach hinten gegen die Lehne fallen und starrte einige Sekunden hinauf zur Decke, bevor er antwortete: „Es ist mehr dieses Haus, was mir zusetzt... dieses Zimmer...“

Noch einmal tief durch atmend erhob er sich, reichte Katsuya eine Hand, nickte Noah zu und verließ das Zimmer, aus dem beide ihm schweigend folgten.
 

„Möchtest du über deine Gefühle schweigen?“, fragte der Blonde vorsichtig den neben ihm Gehenden, nachdem sie das Haus durch eine Terrassentür verlassen hatten.

„Nein.“, Setos Atem war flach, „Ich muss nur weg.“, sein Schritt beschleunigte sich, bis er schließlich joggte und erst ungefähr vierhundert Meter von dem Gebäude entfernt stehen blieb.

Kats kam nur Sekunden später neben ihm zum Stehen, während Noah weit hinter ihnen zurückgeblieben war – nicht verwunderlich, er konnte schließlich kaum gehen.

Der Blonde beugte sich vornüber, stützte die Arme auf die Knie und holte ein paar Mal tief Luft – verdammte Unterernährung – ohne den Blick von Seto zu nehmen, der dem Haus den Rücken gekehrt sein Jakett und seine Krawatte richtete.

„Was ist...“, Luft holen, „...los, Seto?“, er schluckte und richtete sich auf.

„Flashbacks.“, der Ältere warf einen Blick über die Schulter, „Viel zu viele beschissene Erinnerungen an dieses Haus.“, autsch... wenn Seto Kraftausdrücke benutzte, war etwas nicht in Ordnung.

„Was für welche?“, fraglich, ob er noch mehr erzählen würde. Aber Katsuya konnte seine Neugier nicht verhehlen, wenn er ehrlich war.

„Was Gozaburo so angestellt hat.“, Seto seufzte, „Aber auch an Mokuba. Auf einem der Flure, wo wir waren, habe ich ihn mal geohrfeigt, weil er wieder wegen irgendeiner Kleinigkeit geheult hat und ich einfach nicht wusste, was ich tun sollte. Seine kleinlichen Probleme haben mich immer so sauer gemacht, er hat geheult, weil seine Play Station kaputt gegangen ist und weil er keinen Pudding bekommen hat und wegen noch mehr Schwachsinn. Eigentlich wollte ich mich ja immer nur selbst zusammen schlagen, weil ich mich nicht gegen die Scheiße gewehrt habe, die man mit mir gemacht hat, aber an manchen Tagen hat es ihn getroffen... ich war so unglaublich neidisch auf ihn, obwohl ich wusste, dass er seine ganz eigenen Probleme hatte. Ich könnte heute noch...“, die blauen Augen fixierten die Hand, mit der er seinen Bruder wohl geschlagen hatte, „Verdammt, ich habe so viel Scheiße gebaut...“, er schüttelte den Kopf, „Es gibt echt viel, für das ich mich entschuldigen muss.“

„Dafür sind wir hier.“, erwiderte Katsuya mit sanfter Stimme und strich Seto mit den Fingern über die Wange, bevor er sie in dessen Nacken fahren ließ, um ihn dort ein wenig zu kraulen, „Und wenn es so etwas wie eine Seele gibt, dann wird dein Bruder dich auch hören und dir verzeihen.“

„Sicher?“, die blauen Augen glänzten.

„Ja, sicher.“, Katsuya lächelte ihn an, „Wollen wir jetzt zu dem Altar gehen?“

Der Blickkontakt hielt einige Sekunden, bevor Seto ihn brach, seufzte und nickte.
 

„Geht es wieder, Seto?“, fragte Noah nach, dem die beiden ein Stück entgegen gekommen waren.

„Ja, danke der Nachfrage.“, Seto versuchte sich an einem Lächeln, doch es gelang ihm nicht gut, „Wie ist es mit dem Laufen?“

„Derzeit geht es noch. Bis zum Altar schaffe ich auf jeden Fall. Wir werden sehen, wie es mit dem Rückweg aussieht.“, Noah hingegen hatte kein Problem seinen Stiefbruder anzulächeln, auch wenn dieser ihn gerade stehen gelassen hatte.

„Du sagst Bescheid, wenn du Hilfe brauchst, oder?“, Seto hatte den Kopf ein wenig eingezogen und hob nur alle paar Sekunden den Blick zu Noah.

„Klar. Mein falscher Stolz zu versuchen ohne jegliche Hilfe auszukommen ist nicht mehr da. Zumindest nicht so schlimm.“, der Türkishaarige schüttelte über sich selbst den Kopf, „Mittlerweile denke ich, es hat seine Vorteile, wenn man sich einfach so von seinem Bruder durch die Gegend tragen lassen kann.“, das Lächeln verwandelte sich in ein Grinsen, „Du gehst doch noch ins Fitnessstudio, oder?“

Halt – was? Fitnessstudio? Deswegen war Seto so durchtrainiert! Endlich war auch mal das Rätsel gelöst. Katsuya hatte sich schon seit letzter Woche gefragt, warum der Typ so athletisch war, obwohl er als Lehrer arbeitete.

„In letzter Zeit nicht mehr. Aber ich wollte nächste Woche wieder hin gehen.“

„Wann?“, fragte sein Mitbewohner und Freund an – war schließlich immer mal gut zu wissen, wo sich der eigene Partner so rumtrieb.

„Dienstag, Donnerstag, Samstag normalerweise. Zumindest den Dienstag wollte ich versuchen.“

Und ihn zwei Tage vor der Verhandlung allein lassen? Na, ganz klasse...

„Dann werde ich da zu Yami gehen.“, entschied Katsuya spontan.

„Und ich dich nach dem Training abholen.“

Sie bogen von dem Hauptweg des riesigen Parks, der um die Villa lag, in einen Seitenweg ein, der von Zierbüschen umsäumt wurde. Der Weg teilte sich nach wenigen Meter, umrundete einen Brunnen und setzte sich auf der gegenüberliegenden Seite noch zwei Meter fort, bevor er vor einer offenen Gruft aus weißgrauem Marmor endete, deren Seiten von Engeln flankiert wurden.

„Wow...“, entfuhr es Katsuya, bevor er auf seine Unterlippe biss. Sie waren nicht hier, um die Architektur zu bewundern, verdammt. Das hier war im Gedenken an Setos Bruder Mokuba gebaut worden.

Ob Seto so etwas wohl auch für ihn bauen lassen würde, sollte er vor ihm sterben? So ein Monumentaldenkmal hatte schon echt Stil. Mokuba hatte ein kurzes, trauriges, aber ziemlich wichtiges Leben gehabt.

Am Altar

Fünf Jahre.

Katsuya strich über die in Marmor gemeißelte Schrift, die Mokubas Namen, seine Lebensdaten und seine Geschichte für die Ewigkeit festhielt. Die letzten Zeilen fesselten seinen Blick.

„Dieser junge, begabte, wundervolle Mensch starb in der Nacht des dreizehnten März als Opfer einer Jugendbande, die ihm eine Pulsschlagader durchschnitt und die Kehle zerfetzte.“, murmelte er kaum hörbar.

Ein Unfall. Yamis sanfte Stimme durchschnitt seine Gedanken. Es war ein Unfall gewesen. Er hatte es nicht gewollt. Und er war dennoch Schuld. Er war schuldig am Tod von Mokuba Kaiba.

Sein Atem verflachte sich, bis er kaum mehr als ein Hauch war, der über seine Nasenwände strich. Da war der Altar. Sein Blick fiel auf die davor knieende Figur. Seto. Sein Seto. Sein Geliebter.

Er war es gewesen. Er hatte Mokuba ermordet. Er hatte diesem Mann den einzigen Grund zum Überleben genommen. Er hatte zu seiner Zerstörung beigetragen. Er und nur er. Immer nur er.

War es richtig, dass Seto dort kniete und um Vergebung bat? Sollte nicht eigentlich er es sein, der sich auf den kalten Boden zu werfen hatte? Sollte nicht er an Noahs statt die Blumen austauschen? Sollte man nicht ihn hassen?

Ohne es wirklich zu wollen oder befohlen zu haben trugen seine Füße ihn neben Seto, wo ihm die Beine weg klappten und ihn mit einem dumpfen Geräusch zu Boden brachten. Das Muster des kalten Marmors schwamm vor seinen Augen, während er die Hand hob und über die abgeflachte Kante des Altars strich.

„Katsuya?“, fragte Seto besorgt, bevor sich eine Hand auf seine Schulter legte, „Hey... Katsuya...“, sie rüttelte ihn ein wenig, wodurch sein Kopf zur Seite fiel.

Die blauen Augen hatten sich durch den Lichtmangel verdunkelt, die Pupillen waren erweitert. Die Brauen zusammengezogen, ein Spalt Luft zwischen den Lippen, das ganze Gesicht dem seinen so nahe-

„Katsuya! Hey!“, eine zweite Hand griff ihn, drehte ihn zu dem Brünetten, „Was ist los?“

Warum hasste er ihn nicht? Warum schlug er ihn nicht? Warum ignorierte er ihn nicht? Er war doch Schuld. Er war doch die ganzen Probleme Schuld. Nur er war schuldig. Warum taten sie so lieb?

„Was kann ich tun?“, fragte Noah und kniete sich neben den anderen.

„Ruf Roland an, er soll Eiswürfel bringen. Schnell.“, wies Seto an, „Ich schaffe ihn erstmal hier heraus.“
 

Frische Luft umspülte den kalten Körper.

Kalt. Es war kalt. Alles war so dumpf und kühl. So weit entfernt.

In völliger Ruhe und Gleichgültigkeit beobachtete Katsuya, wie Seto ihn heraus trug, sich mit ihm auf einer Bank am Brunnen niederließ und den Kopf so auf seinem Schoß platzierte, dass Katsuya nur mit äußerster Anstrengung das Marmorbauwerk hätte erspähen können. Aber das war jetzt auch egal. Alles war egal. Es war alles nur ein dumpfes Nichts, das ihn umgab und im Schweben hielt.

„Hier hinten!“, unterbrach Noahs Rufen den Schwall von Worten, der aus Setos Mund auf ihn prasselte. Über was sprach Seto? Er hatte kein einziges Wort vernommen, auch wenn die Lippen sich bewegt hatten.

Seine Lider waren so schwer. Warum ließen sie ihn nicht einfach in Ruhe? Haut legte sich über seine Pupillen, sodass die Welt sich in ein verschwommenes Farbenmeer verwandelte.

„Au!“, der junge Körper zuckte heftig zusammen, rollte von der Bank und robbte noch sicher einen Meter weiter von Seto weg, um ihn aus panischen Augen anzusehen, „Was... was war das denn?“

Warum zur Hölle hielt Seto einen Eiswürfel in der Hand? Katsuyas Hand schnellte zu seinem Hals, betatschte die kühle Stelle. Hatte Seto ihm gerade den Eiswürfel gegen den Hals gedrückt? Was zur Hölle sollte das?

Etwas Nasses traf sein Handgelenk. Durchsichtig? Er strich über seine Wange. Tränen? Er weinte? Was war denn los mit ihm?

„Katsuya?“, er fand Setos Blick, „Komm her, Kleiner.“, der Mann hatte den Eiswürfel weggelegt und breitete die Arme aus.

Warum wollte er ihn denn jetzt im Arm haben? Gerade hatte er ihn doch verscheucht. Wieso machte Seto das mit ihm? Katsuya schluchzte. Was sollte er tun? Er verstand das alles nicht.

„Okay, Katsuya, ich werde zu dir kommen. Bleib einfach sitzen. Ich komme.“, Seto ging vor der Bank in die Hocke und kam mit zwei langsamen Schritten heran.

Was wollte er von ihm? Was sollte Katsuya jetzt tun? Warum geschah das hier?

Seto griff unter seine Achseln, hob ihn in die Höhe, während er sich selbst mit einer Halbdrehung gegen den Brunnenrand lehnte und setzte ihn auf seinen Schoß. Eine Hand schlich sich an seinen Nacken heran und drückte ihn gegen den Älteren, sodass seine Wange auf dessen Schulter zu liegen kam.

„Entspann dich...“, flüsterte Seto leise, „Ist okay... ganz ruhig...“, sein ganzer Arm legte sich über Katsuyas Kopf, nahm ihm Sicht und Gehör, „Komm zurück, wenn du wieder klar bist...“

Klar? War er denn betrunken? Nein, er hatte nichts angerührt. Aber warum war sein Kopf dann so chaotisch? Gedankenfetzen. Was machte er hier? Wo war er? Seto. Wer war Seto? Wieso wurde er festgehalten?

„Katsuya? Kannst du mich hören, Katsuya?“

Wer war Katsuya? Er atmete tief durch. Er selbst war Katsuya. Man fragte nach ihm.

„Ja?“

Der Arm wurde weg genommen, was ihm Blick auf einen großen, besorgten Mann mit wunderschönen Augen ließ.

„Erkennst du mich?“

„Seto.“, Seto? Das war Seto? Woher wusste er das? Seto. Sein Lehrer. Sein Geliebter. Sein Mitbewohner.

„Weißt du, wo wir sind?“

Katsuya hob den Kopf etwas. Ein Kiesweg. Ein Brunnen. Eine Bank. Büsche. Ein Mann mit türkisen Haaren und Augen. Mehr Büsche und Kies. Ein Haus aus Marmor. Mokuba.
 

„Er ist tot.“, flüsterte Katsuya, den Blick an das Denkmal gefesselt.

„Ja, das ist er.“, bestätigte der Ältere, der ihn mit beiden Armen an sich drückte.

„Ich habe ihn umgebracht.“

„Ja...“, Seto schluckte, „Das hast du.“

„Was?“, flüsterte eine andere Stimme leise hinter ihnen.

„Warum?“, fragte Katsuya unbeirrt.

„Weil...“, Atem streifte seine Schulter, „Also...“, rhythmisch drückte die Brust gegen seine Seite, „Das war... es war ein Unfall.“, die Stimme war überzeugungslos.

Die Gedanken klärten sich langsam. Er hatte Mokuba umgebracht. Es war kein Unfall. Er hatte es nicht gewollt, aber er hatte es getan. Das wusste er. Das wusste auch Seto.

„Hasst du mich?“

„Nein.“, die Aussage hatte an Festigkeit gewonnen.

„Warum?“

Der Brünette fasste wieder an seinen Hinterkopf und zog ihn zurück an seine Brust, bevor er nach vorne gebeugt flüsterte: „Weil ich dir vergeben habe.“

Vergeben?

Vergeben für eine Tat, für die es kein Vergessen gab? Wie konnte Seto vergeben? Wie konnte er ihn ertragen? Wieso vergab er den Menschen, die sein Leben zerstörten? Er war so krank, so schrecklich krank und vergab dennoch den Schuldigen. Er vergab seinen Eltern, seinen Pflegern, seinen Lehrern, seinen Freunden – und ihm. Wie konnte er ihm vergeben?

Ein Messer namens Schmerz fuhr durch sein Herz.

Hatte Seto ihm wirklich vergeben? Gab er es nicht nur vor? Würde er ihn nicht genauso töten wie Gozaburo? Aber auch Gozaburo hatte er vergeben. Er hatte ihn getötet und ihm vergeben. Setos Vergeben hieß nicht, dass er mit den Erinnerungen klar kam. Es hieß nicht, dass er seinen Hass begrub. Oder hatte er ihn erst getötet und dann vergeben? Was musste man tun, um vergeben zu werden? Musste man dafür sterben? Alle, denen Seto vergeben hatte, waren tot... sollte er sterben?

„Katsuya.“, die Hand hob sein Gesicht, streichelte sanft über seine Wange, „Bitte glaube mir. Ich meine es ernst. Ich habe dir vergeben. Und wenn Mokuba mir vergeben kann, wird er auch dir vergeben. Bitte vertraue mir. Dir wurde vergeben.“

„Wie kannst du nur?“, murmelte der Kleinere und verkrallte seine Hand in dem blauen Hemd.

„Du bist ein wundervoller Mensch, Katsuya.“, ein Kuss wurde auf seine Stirn gesetzt, „Das macht es möglich. Glaube mir, bitte.“

Katsuya drückte sich gegen Seto. Er wollte es glauben. Er wollte es einfach nur glauben und vertrauen. Er wollte glauben, dass man ihn lieben konnte. Er wollte nicht sterben.
 

„Seto?“, fragte Noah vorsichtig.

„Ja, bitte?“, der Blauäugige behielt seinen Freund eng an sich gepresst.

„Kann ich noch irgendwie helfen?“

„Gerade nicht, danke.“, eine Hand kraulte seinen Nacken, die andere hielt ihn sicher auf dem Schoß.

„Würdest du mich vielleicht darüber aufklären, was hier los ist, bitte?“

„Ich habe nur einmal wieder viel zu sehr an mich gedacht. Und ich habe meinen Generalsfehler begangen und mal wieder mich auf andere projeziert. Katsuya kann sich noch nicht so gut einschätzen. Wir haben beide nicht daran gedacht, dass das hier auch ihn belasten kann.“, er konnte sich nicht einschätzen? Treffer, versenkt. „Er war Teil der Jugendbande, die vor fünf Jahren Mokuba getötet haben. Genau genommen war er sogar der, der ihm die tödliche Wunde versetzt hat. Es war keine Absicht und hat ihn wohl auch ziemlich traumatisiert.“, Seto seufzte.

„Dann... dann ist er der Junge, nach dem du fünf Jahre gesucht hast?“

„Ja.“, er legte seinen Kopf mit der Wange auf Katsuyas blonden Schopf, „Deswegen hatte ich auch diesen heftigen Rückfall.“

„Aber jetzt bist du mit ihm zusammen?“, er konnte Noahs Gesicht zwar nicht sehen, aber der Stimme nach zu urteilen dürfte es tief in Falten liegen.

„Irgendwie hat es sich so ergeben, ja.“

„Nun... normalerweise weißt du ja, was gut für dich ist...“, ein Seufzen, „Hattest du eigentlich jemals eine feste Beziehung?“

„Nein.“, gab Seto ehrlich zurück.

„Hm...“, tiefes Durchatmen, „Nun, ich denke nicht, dass ich voreilig ein Urteil bilden sollte. Aber ich mache mir ehrlich gesagt Sorgen um dich.“

„Danke.“, durch seine Kopfhaut konnte er spüren, wie sich Setos Mund zu einem Lächeln verzog, „Du erlebst uns heute aber auch in einem denkbar schlechten Zustand. Es geht eigentlich nur noch schlimmer, wenn wir beide Streit haben.“

„Den hattet ihr letztens, oder?“, Noahs Stimme wirkte irgendwie ein wenig dunkler.

„Wie kommst du darauf?“, der Arm um seine Hüfte übte mehr Druck aus.

„Deine Arme.“, die Arme? „Du hast dich geschnitten.“

„Ja... letztes Wochenende bin ich vollkommen abgedreht.“, die Hand strich über Katsuyas Stirn zu seiner Schläfe, „Ich habe ihn hier gegen einen Türrahmen gescheppert. Und danach habe ich wegen der Schuldgefühle einen zweiten Anfall gehabt.“

Noah seufzte nur tief.
 

„Katsuya?“, Seto lockerte die Umarmung ein wenig.

Schon wieder aufhören? Dabei war es so schön in Setos Armen. Er wollte noch etwas da bleiben. Nur noch ein bisschen. Was also tun?

Er attackierte seinen Freund mit einem herzerweichenden Hundeblick.

„Anscheinend geht es dir besser.“, stellte dieser nur mit hochgezogenen Brauen und gesenkten Lidern fest, bevor er seine Umarmung wieder schloss, „Dieses Biest hat echt gemeine Techniken.“

„Welpenblick of doom?“, fragte Noah mit Amüsement in der Stimme nach.

„Kannst du ja als Inspiration an die Entwicklungsabteilung geben. Ein Spiel mit einer Menge süßen Kindern und dem Welpenblick wird sicher gut ankommen.“, Seto konnte sicherlich alles gut vermarkten, wenn er wollte, „Übrigens wollte ich Katsuya in den Herbstferien mal die Firma zeigen. Geht das in Ordnung?“

„Sicher, kein Problem. Solange ihr keine solchen Anfälle in der Firma kriegt, bitte.“, warum? Würde das den Ablauf zu sehr stören? Wahrscheinlich. Aber er kriegte auf der Arbeit auch keine Anfälle, das würde sicher gehen. Er bekam sowieso selten welche. Wirklich problematisch war nur Seto.

„Als würde ich Anfälle in der Öffentlichkeit kriegen.“, der Brünette warf den Kopf in den Nacken, „Tz.“

„Hey, das ist mein Text.“, nörgelte Katsuya.

„Du machst gerade einen auf labil, also hast du hier nicht rumzumosern.“, meinte Seto nur von oben herab.

„Du bist ganz schön eingebildet, Drache.“

„Ich bin schließlich auch ein Genie.“, das amüsierte Schmunzeln auf seinen Lippen strafte seine ansonsten arrogante Haltung allerdings Lügen, „Ich bin nicht eingebildet, ich bin einfach zu gebildet für den Rest der Menschheit.“

„Und ich kann dir nicht einmal erzählen, dass du zurück auf den Teppich kommen sollst.“, Katsuya seufzte, „Zum einen hast du Recht und zum anderen haben wir hier keinen Teppich.“

Noah versteckte sein Schmunzeln hinter seiner Faust und übertönte sein Kichern mit einem Räuspern.

„Wollen wir vielleicht ins Haus zurückkehren?“, sein Blick wurde durch Setos Anblick ein wenig getrübt, „Oder zu irgendeinem Ort, der keinen von euch beiden labilisiert?“

„Spazieren gehen ist nicht drin, oder?“, erkundigte sich Katsuya.

„Tut mir Leid.“, Noah senkte den Blick, „Das machen meine Beine nicht mit.“

„Würdest du dich sehr beschämt fühlen, wenn wir dich im Rollstuhl durch den Park fahren?“, fragte Seto vorsichtig.

Hm... hörte sich schon ein wenig beschämend an, wenn man eigentlich allein laufen und sicher auch allein Rollstuhl fahren konnte. Aber auf Kies war das wahrscheinlich auch nicht gerade leicht.

„Keineswegs. Hört sich für mich nach einem guten Kompromiss an.“

Anscheinend hatte sich der Geschäftsmann doch relativ gut mit seinen Einschränkungen angefreundet. Katsuya wäre das peinlich gewesen.

Spaziergänge

Mau ^~^ Ich hatte einen schönen Tag. Viel gespielt, viel gelacht, habe jetzt gerade einen Teller mit Tomaten und Mozarella gebracht bekommen - ich fühle mich pudelwohl ^v^ Ich muss nur noch eine Woche arbeiten und habe vier Abende davon geplant an DS zu schreiben. Hoffe, das ist in eurem Sinne ^.-

Ohne viel weiteres Gelaber nun also zum Kapitel - viel Spaß beim Lesen.
 

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„Dieser Roland hat etwas von einem Chefbutler.“, murmelte Katsuya, als der Mann, der den Rollstuhl gebracht hatte, außer Hörweite war.

„Das kommt der Definition von einem persönlichen Assistenten sehr nahe.“, erklärte Seto ohne Scham, „Nur dass die meisten anderen Butler nicht unbedingt in der Lage sind die eigene Arbeit zu übernehmen. Außerdem können sie keine Helikopter fliegen.“

„Cool...“, der Blonde sah ihm noch einmal hinterher, „Ich will auch lernen, wie man Helikopter fliegt.“

„Ich bringe es dir beizeiten bei.“, Seto griff nach den Lenkstangen des erschreckend einfachen Rollstuhls – bei Menschen wie den Kaibas hatte er eher ein Modell erwartet, das fliegen konnte – und fuhr zu ihm herüber.

„Du kannst Helikopter steuern?“

„Klar. Zu den Meetings nach Tokio bin ich selbst geflogen.“, sie begannen den Kiesweg weiter hinab zu spazieren, weg vom Haus.

„Äh... wie wäre es einfach den Wagen zu nehmen? Oder die Bahn? Das ist umweltschonender, weißt du?“, und nicht so sauteuer, aber das sagte er lieber nicht laut – wahrscheinlich war das sogar der Grund, warum Seto es getan hatte.

„Es hat weit weniger Effekt als im weißen Anzug aus einem Helikopter zu steigen.“, na, ganz toll... Poser.

„Du bist nicht nur eingebildet und arrogant, du bist auch noch eitel.“

„Erstens: Veträge zu meinen Gunsten sind so viel leichter abzuschließen. Zweitens: Ich bin schwul.“

„Was ist das für eine Begründung?“, fauchte Katsuya.

„Es ist ein Klischee, dass Schwule eitel sind. Lass mich den Erwartungen der Allgemeinbevölkerung doch mal nachkommen. Was sollen die armen Menschen denn denken, wenn sie ihre Vorurteile nicht bestätigt sehen?“

Bei allen Göttern, waren wir doch mal wieder ein wenig sarkastisch. Seto ging es sichtlich gut, sonst täte er nicht so selbstüberzogen. Mal ganz ehrlich: Wollte er wirklich, dass Seto wieder stabil wurde, wenn das das Endergebnis war? Der Typ konnte echt kein Mittelmaß finden.

Zumindest amüsierte er Noah damit ganz gut.

„Ist das der Seto, den du kennst, Noah?“

„Original.“, bestätigte dieser nur, „Genau so, vierundzwanzig sieben.“

„Äh... was heißt das?“, fragte Katsuya nach.

„Vierundzwanzig Stunden täglich, sieben Tage die Woche.“, grummelte der Drache, „Praktisch immer.“

„Außer wir arbeiten mal wieder achtundvierzig Stunden täglich.“, der Türkishaarige legte den Kopf in den Nacken und warf Seto ein schelmisches Grinsen zu, „In dem Fall gab es glatt Stunden, wo er brav schweigend hinter einem Schreibtisch gesessen hat und Papierkram machte.“

„Papierflieger falten?“, neckte der Jüngste seinen Freund, der ihm hinter Noahs Rücken frech die Zunge rausstreckte.

Hach... dieses Kind sollte es stundenlang sitzend aushalten? Nun gut, Seto war beim Lesen ja wirklich ruhig, aber nur wenn das Buch hoch spannend war, er nebenher Musik hörte, etwas aß und sich am besten noch unterhielt. Oder verlangte der Papierkram eines Firmenchefs viel Aufmerksamkeit?
 

„Wenn man zuhört, wie ihr beide euch neckt, würde man nicht darauf kommen, wie krank ihr seid.“, warf Noah leise ein.

„Wenn man bedenkt, dass ich sein Lehrer, Pflegevater, Vermieter und Geliebter in einem bin und wir so miteinander umgehen, könnte man es doch.“, konterte Seto nur trocken.

„Wenn man das bedenkt, hält man mich einfach nur für ein intrigantes Biest, dass sich Noten, Wohnung, Verpflegung und Freiheit erschläft.“

„Um dem Bild gerecht zu werden, bist du zu aufmüpfig.“, Blauauge warf ihm einen herablassenden Seitenblick zu, „Du schmierst mir bei weitem zu wenig Honig um den Mund dafür.“

„Den Honig schmier ich dir ganz wo anders hin.“

„Katsuya!“, hey, Noah nahm das locker und lachte – Seto sollte mal nicht so zugeknöpft sein, normalerweise machte er solche Kommentare schließlich selbst, „Du legst es heute echt darauf an genagelt zu werden, oder?“

„Du bist hier der Sexsüchtige, warum bin ich nicht ausgelastet?“, auf Katsuyas Lippen legte sich ein maliziöses Lächeln, „Außerdem war das heute der erste Kommentar in die Richtung.“

„Erstens: Ich bin nicht sexsüchtig, sonst wäre ich nämlich auch nicht monogam, denn alleine kannst du einen Sexsüchtigen keinesfalls befriedigen. Zweitens: Du hattest heute schon zwei Anfälle, das wiegt mehrere Seitenkommentare auf.“

„Wieso das denn?“, der Blonde stemmte die Hände in die Seiten. Was hatten Anfälle mit Seitenkommentaren zu tun?

„Weil ich zu pervers bin, um nicht die Möglichkeiten abzuwägen, wenn sich ein sexy Blondchen hilf- und wehrlos an mich drückt.“, wie konnte der Typ dabei keine Miene verziehen? Meinte er das wirklich ernst? „Schließlich lässt du fast alles mit dir machen, wenn du dissoziativ bist.“

„Idiot.“, knurrte Katsuya nur und verschränkte die Arme.

„Aus Dissoziationen holen nur Reize, die die Reizschwelle überschreiten. Diese ist nach Einsetzen der Dissoziation am höchsten und nimmt danach konstant ab. Wenn man die Schwelle also nicht überschreitet und sich beeilt oder immer neue dissoziationsauslösende Reize sendet, kann man mit dissoziativ Gestörten praktisch alles machen.“

Sie zu vergewaltigen zum Beispiel. Katsuya seufzte. Der Anfangsimpuls warf in die Dissoziation, der Rest hielt darin. Sowohl Seto als auch Yami als auch Ryou dürfte man demnach ziemlich einfach vergewaltigen können. Vielleicht sogar Bakura. Er hatte ihn zwar noch nie dissoziativ gesehen, aber Ryous Erzählungen ließen darauf schließen, dass er es auch war. Er schüttelte sich. Ob es bei ihm auch einfach sein würde? Er konnte es sich eigentlich nicht vorstellen. Er würde bis aufs Blut kämpfen... glaubte er zumindest.
 

„Wie oft habt ihr solche dissoziativen Zustände?“, fragte Noah nach.

„Gar nicht.“, erwiderte Seto wie aus der Pistole geschossen, „Normalerweise. Derzeit so dreimal die Woche.“, er wandte sich an Katsuya, „Oder?“

„Eher mehr.“, er seufzte, „Ich habe sie wirklich nur als Abwehrreaktion aus heftige Sachen.“, er schoss einen Seitenblick, „Wie zum Beispiel, wenn ich dieses Wesen da im Bett meines besten Freundes finde.“

„Hey... wir waren nicht zusammen. Wir wohnten nicht einmal zusammen.“, verteidigte sich der Brünette, „Ich fühle mich da wirklich nicht schuldig.“

„Habe ich gemerkt.“, Katsuya schnaubte, „Schließlich bist du wieder zu ihm gefahren, nachdem du wusstest, wie sehr mir das weh tut. Und behaupte nicht, du hättest nicht gesehen, dass ich versucht habe mich umzubringen danach.“

Seto öffnete den Mund, die Mimik wütend verzogen, doch hielt inne, schloss die Lippen und sagte ruhig: „Es tut mir Leid. Das war wirklich gemein von mir.“

Der Jüngere strich sich mit einem Finger über die Augenwinkel, atmete tief durch und wandte seinen Blick zu Boden, während er weiterging.

„Entschuldige mich bitte kurz.“, Seto brachte den Rollstuhl zum Stehen, ging festen Schrittes auf seinen Freund zu, legte einen Arm um dessen Taille und drehte ihn mit dem anderen so, dass er den unterernährten, zerbrechlich wirkenden Jugendlichen an sich drücken konnte.

„Es tut mir Leid...“, wiederholte er noch einmal sanft, küsste den Jüngeren auf den Kopf und wiegte ihn in seinen Armen, während dieser eher zögerlich die Arme hob und sie um seinen Freund legte.

„Küss mich einfach.“, verlangte Katsuya nur – was auf eine sehr sanfte, sehr liebevolle Art und Weise erfüllt wurde. Bei Suizidversuchen wurde Seto wirklich vorsichtig. Anscheinend hatte er tatsächlich extremste Ängste noch mehr Menschen zu verlieren, wenn er sogar seine unkontrollierbaren Gefühle dafür in Schach halten konnte.

„Ich denke, Mokuba kann in Frieden ruhen.“, sagte Noah leise, um nicht allzu sehr zu stören, nachdem sie sich wieder voneinander gelöst hatten, „Ich habe Seto noch nie so fürsorglich gesehen.“

„Nicht?“, fragte Katsuya erstaunt. Auf seine Bedürfnisse ging er immer ein... wenn sie nicht gerade in der Öffentlichkeit waren.

„Nein. Früher war es schon eine extreme Zuwendung, wenn er mal den Arm um einen legte. Bisweilen hat er einen sogar noch weiter fertig gemacht, wenn es einem eh schon schlecht ging.“, der Geschäftsmann seufzte leise, „Das waren die einzigen Momente, wo Mokuba mal zu mir gerannt ist, um sich trösten zu lassen.“, Seto wandte den Kopf ab, während sich Katsuya gegen ihn lehnte, „Nach Vaters Tod war er wirklich extrem aggressiv. Er hat nichts anderes getan als die Fehler anderer breitzutreten. Das ist gar kein Vergleich zu der Liebhaftigkeit, die er dir gegenüber zeigt.“

„Tja... dafür sind seine Aggressionen, wenn sie jetzt mal auftreten, wahrscheinlich schlimmer. Oder, Seto?“

„Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts.“, Seto drückte dem Kleineren einen Kuss gegen die Stirn, schubste ihn in eine gerade Haltung und stellte sich wieder hinter Noahs Rollstuhl.

„Das sagte der holländische Massenmörder namens Hase bei seiner Gerichtsverhandlung auch.“, flüsterte der Sitzende mit Sorge in der Stimme.
 

„Dein Bruder ist cool.“, meinte Katsuya beim Einsteigen in Setos Wagen, „Freundlich, fürsorglich und humorvoll. Und ich finde es bewundernswert, wie gut er mit solchen Schwierigkeiten wie seiner Lähmung oder unserer Psyche umgehen kann.“

„Mittlerweile.“, der Fahrer überprüfte seine Spiegel und seinen Sitz, „Früher hatte er ziemliche Probleme damit. Der war richtig froh mich los zu sein damals.“, er ließ den Wagen an, „Ich kann es ihm nicht verübeln.“, mit einem Winken Richtung Eingangstür der Villa fuhr er los, „Deswegen wollte ich ihn eigentlich auch nicht so sehr in meine Probleme einbeziehen. Aber er ist belastbarer geworden.“

„Höre ich da eine mögliche Annäherung an deinen Bruder?“, fragte der Blonde lächelnd.

„Vielleicht.“, ganz, ganz leicht zogen sich auch Setos Lippenränder in die Höhe, „Ich könnte ihn ja mal zum Kaffeetrinken einladen.“

„Gute Idee.“, bekräftigte Katsuya das Vorhaben, beobachtete den Mann neben sich und spürte das Lächeln in seinem Gesicht verblassen, „Sag mal... wie fühlst du jetzt?“

„Hm?“, ein schneller Seitenblick aus den blauen Augen, „Ganz gut, wieso?“

„Ich habe deine Andacht ziemlich gestört...“

„Kein Problem.“, ein träumerisches Lächeln zog über das ebene Gesicht, „Wenn Mokuba als so etwas wie eine Seele noch vorhanden ist, wird er meine Entschuldigungsschreie wohl gehört haben. Auch wenn ich am Altar selbst nur einen Bruchteil ausgebracht habe. Aber er versteht mich schon – er hat mich schließlich sein Leben lang gekannt und jede Krankheitsphase mitgemacht.“, eine Hand löste sich vom Lenkrad und fuhr für einen Moment in Katsuyas dichtes Haar, „Mach dir keinen Kopf deswegen.“

„Okay...“, er fühlte sich trotzdem ein wenig schuldig. Das war eine Aktion für Seto gewesen und er hatte das Vorhaben zerstört durch seinen Anfall. Aber irgendwie glaubte auch er, dass Mokuba verziehen hatte – Seto wie auch ihm.

„Wollen wir noch etwas unternehmen oder möchtest du nach Hause?“, erkundigte sich der Fahrer.

„Was denn unternehmen?“

„Eis essen oder schwimmen gehen oder noch mehr spazieren... was immer du möchtest.“, Schwimmen gehen? Bei seinen offenen Wunden? Seto hatte wohl den letzten Spatz nicht mehr gehört.

„Ich möchte mir Yami schnappen und mit euch beiden bei McDonalds Burger essen gehen.“, entschied der Blonde spontan – sein bester Freund hatte ihm schließlich versprochen mit ihm einen Burger zu essen, wenn es ihm besser ging.

„Dann ruf ihn an.“, in Setos Stimme schwang ein leichter Seufzer mit. Anscheinend war er nicht so ein Burger-Liebhaber wie seine zwei Liebsten.
 

„Yami!“

„Kats!“, die beiden fielen sich in die Arme, wobei es der Blonde nicht lassen konnte den Leichteren einmal um die eigene Achse zu schwingen.

„Ihr seid so schwul...“, moserte Seto vom Auto aus und trommelte mit den Fingern auf das Aluminiumverdeck.

„Meine Güte, heute noch keinen Sex gehabt?“, der Sechsundzwanzigjährige mit den rotvioletten Haaren mit blonden Ponysträhnen verdrehte die dunkelvioletten Augen, pustete noch einmal über seine frisch lackierten Nägel und schlenderte währenddessen zum Wagen.

Katsuya entging nicht, wie die blauen Augen den gutaussehenden Stricher musterten, aber ganz ehrlich – mittlerweile war es ihm egal. Er musste seinen eigenen Blick auch erstmal von der Lackhose und dem schwarzen Tanktop lösen. Yami war wandelnde Erotik, dagegen gab es einfach nichts zu sagen.

„Ich hoffe bloß, ich vertrage das Fett noch immer so gut. Nicht, dass mich die Dinger in die Breite gehen lassen.“, der Rothaarige pfefferte seine Handtasche in den Wagen, bevor er sich elegant auf der Rücksitzbank niederließ – Seto verdrehte nur die Augen, während er sich selbst auf seinen Platz zurück setzte.

„Ein paar Pfund mehr schaden dir auch nicht.“, der Fahrer warf durch den Rückspiegel einen Blick auf Yami, der sein Make-up im herunter klappbaren Spiegel des Autos betrachtete, „Wenn man schon einen Körper bezahlt, sollte man auch etwas zum Anfassen haben.“

„Aber ein paar Pfund schmerzen an den Füßen.“

„Selbst Schuld, wenn du mit solchen Nuttenstiefeln rumrennst.“, Katsuya unterdrückte ein Lachen und schnallte sich schleunigst an, während die beiden weiter diskutierten.

„Die gehören zufällig zum Beruf.“

„Mal ehrlich, wie viele Stricher in dieser Stadt laufen so rum wie du?“

„Keiner, ich bin schließlich einzigartig.“, er klappte den Spiegel wieder zurück, anscheinend zufrieden mit seinem Äußeren, „Für mich persönlich gehören sie trotzdem dazu.“

„Schon gut, du eitle Bazille.“

„Selber eitel. Ich fahre nicht mit der Limousine zur Arbeit.“

„Nein, du nimmst das Motorrad, das dein Freier dir geschenkt hat.“

Wie sie leibten und lebten... wer war wohl schlimmer? Seto mit ihm oder Seto mit Yami? Mit wem diskutierte er mehr? Wahrscheinlich Yami, der war gebildeter. Er musste langsam mal anfangen mit der intensiven Weiterbildung, wenn er irgendwann mal Seto nahe kommen wollte.

Aber vielleicht sollte er damit noch warten, bis der Stress der Verhandlung ausgestanden war.

Burger und Burgunder

Grüße an alle ^.^ Mein Praktikum ist beendet, ab jetzt bin ich arbeitslos ^.- Heißt: Viel Schreiben ^v^ Endlich Zeit *jubel*

Da Dark-Roxas heute nach Italien fährt, kommt das Kapitel früher als die Beantwortung der Kommentare - das habe ich mir für heute Abend vorgenommen. Bitte entschuldigt, dass ich noch nicht dazu gekommen bin.

Und schaut vielleicht noch einmal bei Dead Society vorbei, da gibt es ein neues FA und neue Cosplay-Bilder ^.-

Viel Spaß beim Lesen!
 

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„Am Donnerstag ist übrigens die Gerichtsverhandlung.“, informierte Katsuya nun auch Yami.

„Diesen?“, der Rothaarige blätterte in seinem Terminkalender, den er sowieso gerade in der Hand hielt, „Um wie viel Uhr?“

„Du kommst?“, der Blonde drehte sich in seinem Sitz und sah den Älteren über seine Schulter hinweg an.

„Setz dich ordentlich hin.“, befahl der Fahrer scharf und zog an Katsuyas Schulter – irgendeine Angst musste er wieder geweckt haben, sonst wäre der nicht so ruppig, also ließ er es mit sich machen, „Wenn du nicht ordentlich sitzt, kann dich ein einfacher Auffahrunfall umbringen.“, Seto griff zurück ans Lenkrad, „Neun Uhr morgens.“

„Geht in Ordnung.“, der Jüngste konnte im Seitenspiegel beobachten, wie Yami eine Notiz in sein Buch machte, „Außer natürlich du möchtest nicht, dass ich komme.“, ihre Blicke begegneten sich über den Spiegel.

„Doch, klar...“, der Blonde strahlte ihn kurz an, „Danke.“

„Ich denke, ihr könnt an dem Tag beide etwas Unterstützung gebrauchen.“, der hinten Sitzende klappte den Terminkalender zu, verstaute ihn wieder in seiner Tasche und zog deren Reißverschluss zu.

„Sollen wir dich abholen?“

„Danke, nein.“, ein Lächeln Richtung Rückspiegel, „Ich werde die Bahn nehmen. Wir haben hier ja zum Glück gute Verbindungen.“

Nach einem Moment des Schweigens steuerte Seto auf einen McDonalds-Parkplatz zu, ließ die beiden Jüngeren vor dem Haupteingang aussteigen und brachte den Wagen weg.

„Ganz der Gentleman.“, schwärmte Yami ein wenig und sah ihm nach.

„Eher will er heraus zögern hier rein zu müssen, denke ich.“

„Möglich. Mokubas Lieblingsessen waren Spagetthi und Burger mit Pommes.“, er schüttelte in Gedanken versunken den Kopf, „Der Kleine war echt knuffig. Wie ist es heute eigentlich gelaufen?“

„Bestens... den Anfall habe ich bekommen.“, Katsuya seufzte, „Einen, als Seto mir das mit der Verhandlung erzählte und einem im Denkmal. Seto selbst ist nur einmal auf Kind abgerutscht, als wir im Arbeitszimmer waren.“

„Erfreulich für Seto, verständlich für dich.“, Yami griff nach der Hand seines besten Freundes und drückte sie, „Und sonst?“

„Habe ich Noah kennen gelernt.“, die trübe Miene wandelte sich zu einem fröhlichen Lächeln.

„Ein ziemlich schmucker Typ, was?“

„Äußerst.“, aus dem Lächeln wurde ein Grinsen, „Sehr sympathisch. Der ist voll dein Typ, oder?“

„Hm-hm.“, der Rothaarige nickte, „Nur leider hetero.“

„Alle guten Männer sind hetero, was?“, Katsuya zuckte mit den Schulter und seufzte.

„Sagt unbedingt der, der Seto an der Angel hat.“, Yami zwickte ihn in die Seite, „Aber eine Schnecke ist der wirklich. Wo bleibt er denn?“

„Der redet mit einem Typen da hinten.“, stellte der Jüngere fest, der sich auf Zehenspitzen gestellt hatte.

„Wo?“, Katsuya zeigte auf einen reichlich komisch gekleideten jungen Mann mit einer Kamera in der Hand, „Ach du Scheiße. Presse.“, der Rothaarige zog an dem Shirt des anderen, „Komm, lass uns rein gehen. Da wird uns Seto gerade haben wollen.“
 

„Aber mal so eine Frage...“, die beiden Freunde setzten sich mit ihren zwei Tabletts, „Ist dir in dieser Hose nicht viel zu heiß, Yami?“, er nickte zur Lederhose des Kleineren.

„Nachts ist sie ganz angenehm.“, was im Endeffekt wohl eine Zustimmung war... ihm war zu heiß, „Aber ich trage Kühlpflaster, das beugt der Überhitzung und dem Schwitzen vor.“

„Wo das denn?“, eng anliegende Kleidung, der Rest der Haut frei – wo zur Hölle sollte er die untergebracht haben?

„Betriebsgeheimnis.“, der Ältere zwinkerte.

„Ich glaube, ich will es auch nicht wissen...“, mit den Augen rollend sah er ihm zu, wie er sich einen Eiswürfel aus seiner Cola nahm, zwischen seine Lippen legte und mit der Zunge in das Loch stieß, „Du bist nicht zufällig ein bisschen notgeil?“

Der Eiswürfel landete in einer Wange.

„Ich bin immer so.“, er wechselte zur anderen Seite, „Dir ist es nur noch nicht aufgefallen.“

„Mein Retter!“, Katsuya strahlte Seto entgegen, der soeben an ihren Tisch gekommen war und sich nun setzte, „Sag Yami, er soll nicht so erotisch sein.“

„Bitte was?“, die Augenbraue über einer der blauen Iriden hob sich, „Sonst geht es dir aber gut, ja?“

„Klar, ich habe meinen Burger.“, er zog fünf eingepackte zu sich, „Magst du auch etwas?“

„Nein... danke...“, die eben gehobene Braue zog sich in Richtung der anderen, „Eine interessante Verwendung des Singulars...“, sein Blick glitt zu dem Tablett, „Für wen sind die anderen drei Burger?“, und die Cola und die tütenweise Pommes...

„Für mich natürlich.“, der Rothaarige schnappte sich sein Getränk und führte den Strohhalm an seine Lippen, als wäre er eine Zigarette, „Was wären wir Unterernährten ohne unsere dreißig Burger im Monat?“, er grinste zu seinem besten Freund herüber.

„Jupp. Wir gehen ziemlich oft Burger essen.“, eher gesagt, sie hatten es einmal getan, war allerdings sicher ein Jahr her.

„Wieso seid ihr dann so dünn?“

„Weil ich das Zeug sowieso wieder auskotze.“, der Stricher machte eine wegwerfende Handbewegung, „Aber ich esse sie trotzdem gern.“

„Halt mal.“, die Lider des Blauäugigen weiteten sich, „Du hast Bulimie?“

„Nein, nur einen bescheuerten Magen.“, Yami seufzte, „Nicht alles kommt bei mir durch die Psyche. Irgendetwas stimmt nicht mit irgendwelchen Muskeln. Yugi hat das auch.“, wenn sein Zwillingsbruder es auch hatte, dann war es anscheinend etwas Ererbtes. Vielleicht irgendeine Verengung. Aber sein Freund war ja in Ernährungslehre bewandert, also würde der schon auf sich Acht geben können.

Aber es war selten, dass er freiwillig über seinen Bruder sprach...
 

„Aprospos... wie geht es ihm?“, fragte der Sechsundzwanzigjährige Seto.

„Yugi...“, der Lehrer fuhr sich mit einer Hand durch das braune Haar, „Keine Ahnung. Seit Mittwoch redet er nicht mehr mit mir.“

Seit sein Bruder und er sich in ihrem Haus begegnet waren... Yugi war in letzter Zeit echt eigenartig gewesen. Eigentlich seit Katsuya heraus gefunden hatte, dass auch dieser Mann ihn sehr... attraktiv fand. Seitdem hatte er sich ihm vollkommen entzogen, nur als der Blonde auf ein Gespräch gedrängt hatte, war eine Woge von Abscheu vor sich selbst heraus gestolpert. Anscheinend hatte er noch mit Seto geredet, bis er seinen Bruder in dessen Haus begegnet war – der Kontakt wurde nun auch gekappt. Wollte Yugi wirklich nur weglaufen? Warum hielt er das nicht aus? Sicher ließen sich doch Kompromisse finden...

„Er kapselt sich vollkommen ab. In den Pausen sitzt er allein, manchmal verschwindet er sogar. Wenn er mich sieht, tritt er die Flucht an. Und seine Abwesenheit nimmt zu. Wenn das so weiter geht, habe ich morgen die Krankmeldung und Freitag die Kündigung auf dem Tisch. Die Anwesenheit von einem von uns beiden scheint für ihn ein Zustand zu sein, den er nicht aushalten kann.“

„Hm... das hört sich schon fast nach einer stressinduzierten Symptomatik an... und ihr seid die Trigger.“, Yami lehnte sich seufzend zurück und verschränkte die Arme, „Gibt es noch irgendwelche Menschen, mit denen er engeren Kontakt pflegt? Außer seinen Eltern, meine ich.“

„Es...“, Seto beugte sich vor und legte die Arme auf den Tisch, „Ich weiß es nicht... mir wäre es unbekannt. Dir?“

„Keinen Schimmer.“, brachte der Jüngste zwischen zwei Burgern zustande.

Der Rothaarige seufzte, ließ seinen Blick zur Fensterwand schweifen und beobachtete die Kinder auf der Rutschkonstruktion – oder was auch immer gerade vor seinen Augen stand, während er sich in seine Gedanken versenkte. Die Augen richteten sich zu Boden, bevor er eine Hand in sein Blickfeld hob und diese betrachtete.

„Dieser neue Nagellack ist echt gut.“, wie? Was? Ah, Themenwechsel... „Aber keinen Menschen interessieren mehr meine Nägel. Niemandem kann ich die mehr sorglos in die Haut rammen. Magst du mir nicht mal deinen Freund ausleihen, Kats?“, er sah mit einem schiefen Lächeln auf, „Der freut sich immer, wenn man ihm weh tut.“

Mit seinen Bernsteinen versuchte der Angesprochene seinen besten Freund zu durchbohren, während er noch an seinem letzten Biss kaute, bevor er nach dem Schlucken antwortete: „Ich lehne das ab. Er ist mein und bleibt mein.“

„Uuuh...“, die Grinsen breitete sich aus, „Hörst du, Seto, da erhebt jemand Besitzanspruch.“

„Meinetwegen.“, die blauen Augen weilten auf der Angebotsliste über der Kasse, „Ich gehe mir einen Kaffee holen. Möchte noch jemand etwas?“

„Nein...“, Yami blinzelte, bevor er die Augenbrauen hob, „Danke...“
 

„Was ist denn mit dem los?“, der Ältere lehnte sich weit zu Katsuya rüber, „Seit wann ist der so handzahm?“

„Keine Ahnung... wundert mich auch etwas.“, gab er zu und kratzte sich am Hinterkopf, „Er scheint mir in Gedanken. Ich denke, die Sache mit Yugi nagt an ihm...“, sein Blick fand Yamis, der auswich, „So wie bei dir.“, er seufzte, „Yugi hat ihn zwar oft nicht verstanden und genervt, aber er war echt wertvoll für ihn. Er hat ihn gemaßregelt, wenn er zu sehr in Verhalten abwich und ihm konnte man viel erzählen. Selbst Seto scheint ihm ja einiges anvertraut zu haben.“

„Im Gegensatz zu mir...“, murmelte der Ältere leise, während sein Blick den Brünetten verfolgte, „Ich hätte ihn jetzt nicht im Stich gelassen. Ich wäre nicht wie ein Grashalm eingeknickt. Warum hat er entschieden sich unbedingt von meinem labilen Bruder stützen zu lassen?“, er fuhr mit der Hand ins Haar, ließ sie auf dem Kopf ruhen und stützte sich auf diesen Arm auf den Tisch, „Jetzt bricht eine weitere Stütze weg, während er sowieso durch die Veränderungen dünnhäutig ist... warum passiert ihm immer so viel Scheiße?“

„Yami...“, mehr nagte an ihm doch, dass Seto ihm nicht vertraut hatte, obwohl er über zwei Jahre nahezu alles für ihn getan hatte... „Das ist das Leben.“, er griff nach der freien Hand des anderen und drückte diese kurz, „Seto muss für sich selbst sorgen. Halte das, was du predigst, ein.“

„Lieber suche ich deine Splitter als den Balken in meinem Auge zu sehen.“, griff der Ältere den Bezug zur Bibel auf, „Es tut weh für ihn so... so... ja, schon fast wertlos zu sein. Ich weiß, ich kann ihn auch nicht retten. Ich kann ihm nur so viel helfen, wie mir möglich ist. Aber das ist so verdammt wenig...“

„Yami.“, Katsuya nahm die Hand und legte sie zwischen seine eigenen, „Was ist los? Sonst bin ich es, der zweifelt und du, der mir wieder Halt gibt. Warum bist du nun so unsicher? Du weißt doch selbst, dass du ihm unglaublich viel hilfst und er das auch sehr schätzt. Er zeigt es nur anders.“

„Ich...“, Yami hob den Kopf und wischte über seine Augen ohne den Maskara und Eyeliner zu verwischen, „Verdammt, ich weiß auch nicht... ich glaube, ich suche derzeit verzweifelt nach eurer Aufmerksamkeit und Anerkennung. Es ist, als würdet ihr beide irgendwie entschwinden... ich habe Angst allein zurück zu bleiben.“, er schüttelte sein Haupt, „Es ist verdammt ernüchternd das, was einem lieb ist, entrissen zu bekommen.“

„Aber wir sind doch hier...“, flüsterte der Blonde, hob die Hand, die er noch immer fest umschloss und küsste sie, „Dir wurde nichts entrissen.“

Yami hob langsam den Kopf, stützte ihn schräg liegend auf einen Arm, sah aus Augen unter losen Lidern zu Katsuya herüber und flüsterte noch leiser zurück: „Das kann ich aber nicht spüren.“
 

„Die haben echt keine Ahnung vom Kaffeekochen...“, grummelte der Drache, der sich zu den beiden in Schweigen Versunkenen setzte, „Was gäbe ich dafür jetzt meinen eigenen hier zu haben... oder zumindest welchen aus einem guten Cafe...“, er seufzte, „Ihr und eure Burgermanie.“

Katsuya ignorierte ihn einfach mal geflissentlich, indem er keine Reaktion darauf zeigte. Yami konnte nicht spüren, dass sie bei ihm waren? Oder eher gesagt, er fühlte, dass sie ihm entglitten? Kompliziert... wie auch die Eifersucht auf seinen Bruder zeigte, er wollte die wichtigste Person im Leben von anderen Menschen sein. Er konnte kaum jemanden an dieser Stelle akzeptieren. Das war... seine Lider weiteten sich. War das nicht genau das, was er erst gestern in Yamis Psychologieordner über Borderline gelesen hatte?

Eine ähnliche Symptomatik wie Setos komplexe posttraumatische Belastungsstörung: Angststörungen, Panikattacken, dissoziative Störungen, kaum Impuls- und Affektkontrolle, Umweltwahrnehmungs- und Verhaltensstörungen, ein intrusives Syndrom und bisweilen eine somatische Symptomatik. Aber Yami hatte noch nie über Schmerzen geklagt, die nicht wirklich medizinisch fundiert waren, er hatte seines Wissens nach auch keine Flashbacks und seine Umweltwahrnehmung war meistens äußerst korrekt. Angst hatte er, ja, Panikattacken auch schon ein paar in Katsuyas Nähe, dissoziativ war er auf jeden Fall und seine Affektkontrolle war auch bisweilen ein bisschen... na ja. Aber alles davon erfüllte er nun wirklich nicht.

Vielleicht spann er hier auch irgendetwas zusammen, wirklich Ahnung davon hatte er ja nun nicht. Yami war immer die Stärke an seiner Seite, seine Stütze und ein Licht, das einem immer wieder den Weg weisen konnte. Er war nicht ganz gesund, klar, aber so was Schweres brauchte man ihm nun wirklich nicht anzudichten. Aber Seto hatte Ahnung davon... vielleicht sollte er ihn heute Abend darauf ansprechen und ein paar mehr Informationen einholen. Konnte nie schaden.

Denn wenn er Recht hatte, kamen da massiv Probleme auf ihn zu: vier Freunde, einmal Borderline, einmal PTBS und zweimal DESNOS. Und das waren die Menschen, auf die er sich stützte.

Borderline

"Freizeit" ist wirklich eine extrem stressige Sache, wenn es keine festen Tagespläne gibt. Du hast Berge von Arbeit, aber meist sitzt du davor und weißt nicht, was du tun sollst. Du ruhst dich aus, weil das deine einzigen Ferien sind und bist gleichzeitig sauer, dass die ganze Arbeit liegen bleibt. Und machst du doch Arbeit, so kommen tausend Zufälle zusammen, weil Menschen denken, du hast ja jetzt "Zeit" und dich für tausend Sachen einplanen.

Ja, ich bin ein Workoholic, ich stehe dazu. Meine größte Freizeit ist die Arbeit - ich halte keinen Monat ohne aus. Darum werde ich mich die nächsten zwei Tage in einen reizarmen Raum verbarrikadieren und schreiben. Das ersetzt "Arbeit" relativ gut. Ich hoffe, wir werden alle davon profitieren und es kommt niemand auf die glorreiche Idee, ich hätte Zeit X.X (Solche Ideen enden nämlich darin, dass ich Menschen bei ihrer Arbeit zusehe und sie unterhalten soll - was meinen Aggressionspegel auf Maximum bringt, weil das in meinen Augen die größte Art von Zeitverschwendung ist)

So, jetzt habe ich mich abreagiert ^.^ Viel Spaß beim Lesen ^.-
 

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Ende des Liedes – er war das, wovor Yami ihn gewarnt hatte. Eine Person, die sich notorisch mit psychisch schwer kranken, traumatisierten Menschen umgab. Und das ohne es gemerkt zu haben – schließlich hatte er vor seiner Bekanntschaft mit Seto, Ryou und Bakura seine Freunde Yami und Yugi für normal gehalten. Was in beiden Fällen nicht der Realität entsprach.

Katsuya seufzte. Wo sollte das mit ihm noch hingehen?

„Alles in Ordnung?“, fragte Seto kühl, aber mit einem Hauch Besorgnis in der Stimme.

„Passt schon...“, er seufzte, „Mir ist nur vorhin aufgefallen, dass ich von echt kranken Menschen umgeben bin.“

„Das hast du aber früh bemerkt.“, die braunen Augenbrauen hoben sich, während die Lider sich fast schlossen – natürlich noch genug Platz lassend, damit er die Verkehrssituation beobachten konnte.

Katsuyas Muskeln lösten sich ein wenig, sodass er spannungslos zur Seite gegen die Scheibe kippte und mit einer schlappen Hand den Gurt aus seinem Gesicht entfernte.

„Kleiner... wenn ich jetzt einen Unfall baue, bist du tot. Bitte setz dich ordentlich hin.“, er legte eine Pause ein, „Wie meinst du das, dass du von kranken Menschen umgeben bist?“

Der Blonde atmete tief durch und folgte der Bitte, indem er sich wieder aufrichtete und den Sitz ein Stück nach hinten absinken ließ.

„Nun... jeder hat irgendwie irgendwas. Und meistens etwas Schlimmes. Selbst Yami. Was, glaubst du, hat er?“, fragte er zwei Ampeln später.

„Yami? Gute Frage. Etwas Dissoziatives. Keine dissoziative Identitätsstörung und keine peritraumatische Dissoziation. Aber irgendetwas davor.“, der Fahrer ließ die Schultern kreisen, „Was glaubst du denn?“

„Ich habe gestern über Borderline gelesen. Und das passt zu Yami.“, erklärte Katsuya.

„Einmal darüber zu lesen gibt nicht viel Wissen.“, der Ältere atmete tief durch, „Borderline... damit ist nicht zu spaßen. Borderline muss man wirklich erlebt haben, um es zu verstehen. Damals... in der Klinik...“, er schluckte und setzte erneut an, „In der Klinik... du weißt ja, ich... sie haben mich aus dem Hafenbecken geholt und... na ja... auf jeden Fall... in der Klinik hatten wir harte Borderliner da. Die lagen teilweise zusammen gekrümmt und schreiend irgendwo rum, weil sie sich selbst nicht ertragen konnten. Sie taten alles, um nicht dissoziativ zu werden und schafften es nicht... man...“, er seufzte, „Es ist schwer darüber zu reden. Es hat mir viel geholfen, aber für einen Außenstehenden muss das wirklich... also... es ist schwer.“

„Bitte erzähle.“, flüsterte Katsuya vorsichtig, doch unstillbar neugierig.

„Man hat uns Ammoniak zum Schnüffeln gegeben. Eiswürfel in den Händen, Gummibänder um unsere Gelenke... es mussten halt starke Reize sein, die den Körper nicht verletzen. Es gibt eine Übung, da drückt man sich gegen die Wand, als würde man auf einem Stuhl sitzen. Das tut sehr schnell verdammt weh in den Oberschenkeln, aber es hält in der Realität. Aber das alles hat immer weniger Effekt, je öfter man etwas nutzt. Bei mir funktioniert heute schon nichts mehr davon.“, früher musste Seto wirklich eine Menge heftiger Dissoziationszustände gehabt haben – dagegen war er heute wahrscheinlich pflegeleicht. Kaum vorzustellen...
 

„Man nennt so etwas Skills. Bei dir funktionieren die noch, weil sie noch nie angewandt wurden. Du hast heute ja heftig auf den Eiswürfel reagiert.“, Seto atmete tief durch, „Ich sehe einen Unterschied zwischen DESNOS, der komplexen posttraumatischen Störung, und BPS, der Borderline-Persönlichkeits-Störung. In meinen Augen sind Borderliner noch schwerer heilbar... eigentlich gar nicht. DESNOS kann man eingrenzen, Borderline... nun ja... die Ärzte sind da noch unsicher. Manche sagen, beide seien dasselbe, manche sagen, Borderline ist nur eine Art von DESNOS, für manche sind es verschiedene Krankheiten...“, er seufzte, „Ich weiß auch nicht...“

Okay, die Theorie hatte wirklich ein anderes Bild gegeben. Es hörte sich weit einfacher an als die Praxis war. Er hatte Setos Anfall mit dem Keine-Luft-mehr-kriegen für das Schlimmste gehalten. Aber anscheinend ging es noch weit, weit schlimmer.

„Yami ist in gewisser Weise vernachlässigt worden. Emotional vernachlässigt und misshandelt. Das dürfte auf jeden Fall posttraumatische Wirkung haben. Und wenn es nur ein abnormales Verhalten ist und sonst nichts. Aber... ich weiß nicht... das wichtigste Merkmal von Borderline, woran man es eigentlich immer erkennt, ist, dass Borderliner sozial gestört sind. Läuft etwas nicht in ihrem Sinne, dann werden sie unglaublich aggressiv oder brechen zusammen und verletzen sich manchmal sogar, um ihren Willen zu kriegen. Oder sie schreien halt lauthals oder ähnliches. Sie tun alles Erdenkliche, um Aufmerksamkeit zu kriegen.“, der Brünette steuerte den Wagen auf ihre Einfahrt, parkte ihn und stellte ihn ab, doch blieb sitzen, „Ich gebe zu... das spiegelt bisweilen Yamis Verhalten. Aber ihm fehlt so viel anderes, was Borderliner haben. Das ausgeprägte Schwarz-Weiß-Denken. Entweder ist etwas vollkommen gut oder schlecht. Um in dieses Schema zu passen wird etwas völlig idealisiert oder halt entwertet. Der Abwehrmechanismus Spaltung wird krankhaft eingesetzt. Das wäre mir noch nicht bei ihm aufgefallen. Und die meisten Borderliner versuchen normal zu wirken und schauspielern deshalb extrem. Sie geben sich selbstsicher und lebensfroh, obwohl sie innerlich vor Angst zerrütten. Sie lachen und weinen von einer Sekunde auf die andere, bisweilen im selben Moment. Borderliner sind das komplette emotionale Chaos. Und sobald sie nicht mehr kämpfen, sind sie nur noch dissoziativ. Das wird zum chronischen Dauerzustand. Und die Dissos werden eigentlich grundlos schlimmer. Es braucht keinen Trigger, es reicht einfach nur zu existieren, um sich immer weiter in den inneren Nebel zurückzuziehen.“

Katsuya griff nach Setos Hand, die noch immer am Schalthebel lag und strich sanft mit dem Daumen über dessen Handrücken.

„In meinen Wochen in der Psychiatrie habe ich manche echt dahin vegetieren sehen. Sie lebten einfach nur, hangelten sich von Anfall zu Anfall und hofften, dass ein Wunder sie erretten möge. Im Vergleich zu Yami... er hat definitiv einiges von der Krankheit, aber nicht sehr schlimm. So viel, dass er nicht wirklich normal ist, aber auch nicht so viel, dass er wirklich krank ist.“, Setos freie Hand legte sich um den großen Ledergriff in der Tür und krallte sich daran, „Er... ich weiß nicht... er hangelt sich von Nacht zu Nacht, von Freier zu Freier. Es wechselt sich ab mit Vergewaltigungen und Dissos. Und in der anderen Zeit recherchiert er, lernt oder sorgt für uns. Obwohl sich selbst verausgabend für andere zu sorgen auch eine Verhaltensstörung ist, die man bisweilen auch bei Borderlinern findet... oder anderen Posttraumatischen, das kommt auf die Definition an. Ich weiß nicht...“

Seto seufzte, schloss die Augen und ließ den Kopf hängen.

„Jetzt ist erstmal mein Kopf Chaos. Das darfst du wieder richten. Ich sollte nicht so viel an solche Sachen denken.“

„Tut mir Leid...“, für Seto – nicht dafür ihn dazu gebracht zu haben das alles zu erzählen. Denn das waren lebenswichtige Information. Im Bezug auf Yami, doch auch im Bezug auf Seto. Das war die erste Erzählung aus seiner Psychiatriezeit.
 

BPS also. Borderline-Persönlichkeits-Störung. Eine Persönlichkeitsstörung. Zählte aber auch zu den posttraumatischen Störungen. Und keiner war sicher, wie sie mit DESNOS zusammenhing – sie hatten nur ähnliche Symptome. So weit die Theorie.

Setos Erzählung zeigte eine ganz andere Seite – wie es in der Praxis aussah. Weit härter als die Theorie es vermuten ließ. Es gab Borderline als Krankheit und ein Borderline-Verhalten. Yami tat anormal viel für Aufmerksamkeit und hatte auch von den anderen Symptomen ein wenig, aber er hatte bei weitem nicht das, was Seto da beschrieben hatte. War nun beides Borderline zu nennen? Wie hart mussten die Symptome sein, damit es zu einer solchen Diagnose ausreichte?

Und wie unterschied sie sich nun wirklich von Setos DESNOS? Denn was Seto genannt hatte... das konnte man in gewisser Weise auch über ihn sagen. Aber es stand bei weitem nicht so sehr im Vordergrund. Hatte nicht Yami auch mal etwas über Seto im Bezug auf BPS gesagt? Was war das noch mal gewesen? Verdammt – jetzt beschäftigte er sich so sehr damit, dass einzelne Erklärungen Yamis schon in den Hintergrund rückten. Er musste ihn fragen, wenn er ihn wieder sah. Und er musste diesen Ordner weiter lesen, der war ziemlich informativ.

„Hey, Kats.“, eine Hand wedelte vor seinen Augen, bis er das dazu gehörende Gesicht identifizierte, „Hier ist die Realität. Bleib hier. Wir sollten beide etwas machen, was uns wieder stabilisiert, der Tag war anstrengend.“

Das konnte man sagen! Und sie glitten gerade beide ab – keine gute Sache.

„Was schlägst du vor?“

„Lass uns ins Haus gehen und ich zeige es dir.“, der Ältere hielt den Zeigefinger vor die Lippen und zwinkerte Katsuya zu, während er mit der freien Hand den Schlüssel zog, einsteckte und die Handbremse aktivierte.

Der Blonde hob eine Augenbraue leicht und zögerte kurz, doch folgte seinem Freund schließlich widerstandslos ins Haus. Irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, dass er schon wusste, an was Seto gerade dachte...

„Also?“, fragte er ungeduldig, nachdem er die Tür geschlossen hatte.

„Ich dachte, Katzen seien neugierig...“, ein amüsiertes Lächeln legte sich auf die Lippen des Größeren. Woher hatte er diese plötzliche Stabilität? „Wie wäre es, wenn du rätst?“

„Seto, meine Nerven liegen blank. Dass deine es nicht auch tun, ist für mich ein reines Wunder. Mach mit mir, was du magst.“, wetten, er hatte damit genau dessen Intention erfüllt?

Das Lächeln verlor sich, während der Angesprochene seufzte und sich mit der Hand durchs Haar fuhr, bevor er sie Katsuya hin hielt, der sie müde ergriff. Er führte ihn die Treppe hinauf, direkt in Schlafzimmer, wo er sich vor ihn kniete, da der Jüngere sich sofort auf die Matratze fallen ließ.

„Möchtest du schlafen?“, fragte Seto vorsichtig, während er die Schuhe von der herunter hängenden Füßen zog und auch den Unterkörper aufs Bett verfrachtete, auf das er sich setzte, um Katsuyas Nacken zu kraulen.

„Bin ich zu müde zu... sorry...“, nuschelte der plötzlich extrem schlappe Junge. Woher kam bloß diese plötzliche Ermattung?

„Normalerweise hilft Schlafen da.“, die Worte wurden begleitet von einem Geräusch, was einem herben Kichern gleich kam, „Bist du durch mich schon so geschädigt, dass jeder Schlaf für dich Beischlaf ist?“

Was auch immer Seto noch sagte, er bekam es nicht mehr mit.
 

Dunkelheit.

Alles um ihn war getränkt von Schwarz. Er befand sich in einem leeren, dunklen Raum. Den Boden konnte er einen halben Meter um seine Füße gerade noch erkennen. Gras? Unkraut? Blumen? Eine wilde Wiese mitten in der Finsternis?

Er machte einen Schritt vorwärts. Ja, es fühlte sich an wie eine Wiese. Der Boden gab leicht nach und Halme knickten unter seinen Schuhen ab.

„Hallo?“, rief er, „Ist hier jemand?“

Wie war er hier hin gekommen? Wo war er? Er wollte zurück nach Hause. Wo ging es hier nach Hause?

„Du bist doch zuhause.“, antwortete eine Stimme hinter ihm – doch da war keiner. Niemand, den er erkennen konnte. Hatte er seine Gedanken etwa auch ausgesprochen?

„Wer ist da? Zeig dich!“, er drehte sich um die eigene Achse, stierte in die Schwärze ohne etwas erkennen zu können.

„In der Ferne wirst du mich nicht finden...“, säuselte die junge, männliche Stimme leise, „Ich bin ganz allein in deinem Kopf...“

Katsuya fuhr noch einmal herum. Nichts. Niemand. Flach atmend drehte er sein Haupt nach rechts und links, ging in die Knie und ließ sich langsam auf dem Gras nieder. Wieso war da keiner? War das wirklich... war es in seinem Kopf?

„Wer bist du?“, hauchte er, während er die Arme um seinen Oberkörper schlang und den Kopf senkte.

„Du.“

Er zuckte zusammen, ließ sich nach links fallen und starrte auf den neuen Ursprung der Stimme – sich selbst. Ein Neunzehnjähriger, blond, am Hals tätowiert, die Ohren gepierct. Eine vernarbte, tiefrote Platzwunde über seinem linken Auge, eine kleinere an der rechten Schläfe. Abgeschwollene Blutergüsse an beiden Wangen und der linken Unterkieferseite. Rote Stellen am Oberkörper von den Schürfwunden, die fast verheilt waren und ein großer blaugrüner Fleck, wo seine Rippe von einer Eisenstange fast zertrümmert worden wäre. Kleine Hautveränderungen an der Innenseite des Unterarms, wo er die Spritzen gesetzt hatte, darunter zahlreiche rote Striemen, überlagert von dem riesigen Kreuz, was er den kompletten Unterarm herunter geschnitten hatte, um sich umzubringen. Ein ausgezehrtes, dürres Knochenskelett mit sehnigen Muskeln, das nackt vor ihm auf dem Gras hockte.

„Und... was willst du?“, der schützend vor seinen Kopf gehaltene Arm senkte sich langsam.

„Hilf mir...“, flüsterte sein Ebenbild mit heiserer Stimme, während aus der Dunkelheit ein dicker, rauer Arm schnellte, die Hand sich brutal um den dünnen Hals legte und bevor Katsuya reagieren konnte, den anderen in die Finternis zerrte.

„Nein!“
 

Katsuyas Nägel krallten sich in seinen Unterarm, während er heftig atmend vor und zurück wippte.

Ein Traum. Nur ein Traum. Nur ein weiterer, gottverdammter Alptraum.

„Sssh...“, starke Arme legten sich von hinten um seinen Bauch, bevor ein warmer Oberkörper gegen seinen Rücken lehnte und sich ein Kinn auf seiner Schulter platzierte, „Ganz ruhig, Kleiner...“

Seto. Seto war da. Er war zuhause und Seto war da.

„Seto...“, er drehte sich in den Armen, schlang seine eigenen um den Größeren und zog sich selbst an ihm.

„Ja, ich bin hier.“, er strich beruhigend über seinen Rücken, „Ich bin hier...“

Katsuya atmete tief aus, ließ sich in die Umarmung fallen und schloss die Augen.

„Hast du wieder geträumt?“

Klar hatte er, das wussten sie beide. Er hatte geträumt und war aus Angst aus dem Schlaf geschreckt – so wie er es praktisch jede Nacht tat. So wie Seto es tat, auch wenn er es nicht mitbekam. Zumindest war das aus seinen Worten zu schließen, dass er praktisch nie schlief.

„Da war ich selbst. Das Ich saß nackt vor mir und bat mich um Hilfe. Und dann... dann... da war diese Hand. Sie hat das Ich am Hals in die Dunkelheit gerissen. Das war so... ich... was war das? Wer war das?“

Seto ließ sich langsam zurück auf die Matratze sinken und zog den Jüngeren mit sich, bot ihm seinen Oberarm als Kissen an und strich nur noch über ein Schulterblatt.

„Was denkst du denn, wer das war?“

„Weiß ich doch nicht... ich... mein Vater vielleicht?“, er sah auf in die vom Mondlicht glänzenden, graublauen Augen.

„Möglich. Sah die Hand denn nach seiner aus?“, die Hand fuhr von seiner Schulter zu seinem Kopf hinauf in das volle, blonde Haar.

„Schon... so... grobschlächtig. So massiv. Das genaue Gegenteil von deinen.“, oh ja, Seto hatte grazile Hände. Zwar fest und nicht unbedingt schlank, aber doch irgendwie mit einer femininen Eleganz.

„Dann war zumindest nicht ich es.“, er setzte einen Kuss auf die Stirn des Kleineren, „Wollen wir weiter schlafen?“

„Hm...“, Katsuya kuschelte sich enger an ihn, während Seto die Decke wieder über sie zog.

Seto hatte gesagt, die Alpträume würden irgendwann aufhören. Wenn sein Kopf sich klar war, dass er nicht mehr in einer Misshandlungssituation war, würden die Alpträume aufhören. Es brauchte nur Zeit, Kraft und viel Zuwendung. Eines Tages würde er wieder ruhig durchschlafen können.

Eines Tages, wenn der ganze Horror vorbei war.

Verantwortung

Leben gestaltet sich echt schwierig, wenn man von Eltern abhängig ist v.v Wem es schon aufgefallen ist, ich habe wenig Zeit und noch weniger Nerven. Aber zumindest meine Vierstundenfahrten zur Wohnungssuche (hin UND zurück) sind ausreichend zum Verfassen sehr vieler Kapitel - und ich hoffe auch guter.

Denn - wie lange ersehnt - wir verlassen den Teil der Fachwörter auf kompensierten Raum und gehen über zur Geschichte! Auf ins Vergnügen ^.^

Viel Spaß beim Lesen ^.-
 

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„Katsuya... Katsuya...“

„Nghm...“, er wandte sich unter der Hand, die über seine nackte Brust strich.

„Aufwachen, Schlafmütze.“, jemand pustete ihm ganz, ganz gemein ins Ohr, was ihn sofort die Lider aufschlagen ließ, „Guten Tag zu diesem wunderschönen Montagmorgen.“

„Lass mich in Ruh‘...“, der Jüngere verzog das Gesicht und drehte sich von Seto weg.

„Was? Du zeigst mir die kalte Schulter?“, ein Kuss wurde zwischen seine Schulterblätter gesetzt, während eine Hand über seine Seite zu seinem Bauch fuhr, „Soll ich sie etwas anheizen?“

„Hattest du heute schon Kaffee oder was?“, nuschelte der Blonde gegen das Kissen, in das er sich vergrub.

„Ich bin schon seit zwei Stunden wach, klar hatte ich welchen. Übrigens redest du im Schlaf.“, Zähne schlugen sanft in seine Schulter, „Und du siehst verdammt gut aus, wenn du dich halb schlafend nackt im Bett windest.“

Nackt? Halt – wo waren seine Klamotten? Okay, er trug Unterwäsche, aber...

„Wo sind meine Sachen?“, er drehte sich ein Stück zu dem Größeren und packte dessen Hand, die ungeniert über seine Brust fuhr.

„In deinem Zimmer. Zumindest habe ich sie da gestern hingebracht, nachdem du einfach eingeschlafen bist.“, der Mund küsste sich nach vorne über seine Schulter zu dem Platz, wo vorher die Hand gelegen hatte.

„Ist das ein Vorwurf?“, fragte Katsuya amüsiert. Klar war es einer, Seto hatte seit mindestens vierundzwanzig Stunden keinen Sex mehr gehabt – Katastrophe für ihn. Wie der bloß zwei Wochen ohne ausgekommen war, war ein Rätsel.

Statt einer Antwort durchbrach die Lippen eine Zunge, die rau über Katsuyas linke Brustwarze fuhr. Die Hand entwand sich sich seinem Griff, fiel über die andere Brustseite her, was dem Jüngeren dann doch ein Keuchen entlockte.

Warum musste Seto bloß so gut darin sein? Und seit letzten Donnerstag noch besser – und er persönlich noch schärfer auf diesen Typen? Ihre Wir-machen-es-mal-liebevoll-Aktion war nach einer Dreiviertelstunde auch nur ein animalisches Übereinander-herfallen gewesen. Ihre Hormone spielten wohl bei ihnen beiden ziemlich verrückt derzeit.

„Seto...“, murrte Katsuya, „Wir müssen uns fertig machen.“

„Es ist sechs Uhr, genug Zeit also.“, wehe, er ging mit der Hand noch tiefer, wehe ihm... „Ich hatte diese Woche noch gar keinen Sex...“

„Die Woche hat auch erst vor sechs Stunden begonnen!“

„Haarspalterei...“, wehe ihm, wehe ihm, wehe ihm-

Katsuyas Hand fuhr an den Bund seiner Retro, um diese darin zu hindern nach unten gezogen zu werden.

„Katsuya...“

„Nein.“, er rollte sich gekonnt zur Seite, landete auf seinen Füßen und brachte Sicherheitsabstand zwischen sich und das Bett, von dem aus sein Freund ihm hinterher sah. Ein nackter, muskulöser Oberkörper, der halb von der Decke verdeckt war, verwuscheltes, volles, braunes Haar und ein Schlafzimmerblick mit graublauen Augen.

Katsuya atmete tief ein. Dreimal verflucht sei dieser Typ für seine Schönheit! Und für diesen Blick, der einen schwach werden ließ.

„Besprechen... wir das in der Dusche...“, entschied er.
 

Dieses verfluchte Grinsen.

Und wieder einmal war er schwach geworden. Wieder einmal hatte er sich verführen lassen. Welch eine verfluchte Woche! Welch ein verfluchter Typ!

Beleidigt biss Katsuya in seinen Toast mit Marmelade.

Nicht, dass es ihm nicht gefallen würde. Nicht, dass er nicht wusste, dass er Seto wichtiger war als nur dafür. Aber trotzdem... Seto wusste viel zu gut ihn rumzukriegen. Und er war einfach nur verrückt nach diesem Kerl. Wo sollte das noch hinführen?

Er hing vollkommen an Setos gutem Willen. Er machte sich abhängig von einem potenziell höchst existenzbedrohenden Typen. Und er war sich dessen vollkommen bewusst.

Grummelnd sah er über seinem Toast eben genannten Individuum dabei zu, wie er Zeitung lesend seinen Kaffee trank. Wie er in aller seiner Herrlichkeit da saß, ein Bein über das andere gelegt, ihm die Sohle eines schwarzen Lederschuhs zugewandt. Ein rotes Hemd, ein schwarzer Anzug, das Jackett über die Lehne des Stuhls gehangen – und ihm kam nur der Gedanke, wie es wäre dieses Hemd aufzuknöpfen und mit der Nasenspitze über die Marmorhaut zu fahren.

Der Typ sah mit seinen achtundzwanzig Jahren verdammt erwachsen aus. Ob er mit Mitte vierzig auch noch so da sitzen würde? Ob er dann auch immer noch so gut aussehen würde? Oder sogar besser? Wenn sein Alter und Aussehen seiner Reife und seinem Verhalten entsprachen, wäre er nicht noch schöner?

Katsuya seufzte halb sehnsüchtig, halb genervt von seinen Gedanken – sie waren eine Woche zusammen und er machte sich Gedanken, wie der Mann in fünfzehn Jahren aussehen würde. Er hatte sich auf Wichtigeres zu konzentrieren. Zum Beispiel auf die Japanischarbeit über schriftliche Argumentation heute. Ob er wohl Vorteile bekam, weil er mit dem Lehrer schlief?

Na gut, das konnte er sich beantworten, die bekam er nicht. Genauso wie er keine schulischen Probleme bekam, wenn sie sich stritten. So waren die Regeln festgelegt. Und so wurde sich dran gehalten. Ohne Regeln würde es bei ihnen wahrscheinlich schnell den Bach runter gehen.

Und er wollte, dass diese Beziehung hielt. Er wollte wissen, ob Seto in fünfzehn Jahren noch genau so da sitzen würde. Er wollte wissen, ob er noch genau so ein sarkastischer Bastard sein würde, wie er es heute war. Er wollte wissen, ob er noch genau wie heute bisweilen ein kleines, schutzsuchendes Kind sein konnte.

Er wollte bei ihm bleiben.
 

„Morgen!“

Oh nein, nicht noch so ein Frühaufsteher, der jeden Tag mit einem glücklichen, vorfreudigen Lächeln begann. Wie konnte man Montag morgens so... so... so wach sein?

„Morgen, Ryou...“, erwiderte der Blonde, fuhr sich über die Augen und ließ sich auf seinen Stuhl fallen, „Was bist du denn schon so wach?“

„Wir schreiben doch jetzt die Klassenarbeit. Das macht mich echt nervös.“

„Ach ja...“, hatte er schon wieder verdrängt, „Die Klassenarbeit... du wirst sie doch eh als bester hinkriegen. Warum nervös? Ich für meinen Teil kriege verdammt Ärger, wenn ich sie verhaue.“

„Hey, ich schreibe auch nicht einfach so gute Noten. Ich muss auch lernen und üben und alles.“, der weißhaarige Fünfzehnjährige zog eine Schnute, „Und ich kriege auch Ärger, wenn ich sie verhaue. Mein Bruder achtet schließlich auf meine Schulbildung.“

Okay, wenn eine schlechte Note Ärger mit Bakura bedeutete, dann wäre er auch extrem nervös. Da wählte er sogar lieber Ärger mit Seto – Bakura war weit aggressiver und bedrohlicher. Dagegen war Seto nur ein domestizierter, kleiner Drache.

Was natürlich nicht das Bild spiegelte, das er hier vor der Klasse gab. Ein kühler, unnahbarer, mächtiger Erwachsener. Eine Schönheit im Anzug mit einem eleganten Gang und einer herrischen, schon fast abwertenden, aber gleichzeitig anspornenden Stimme. Für Katsuya vereinigte der Mann alles in sich, was er brauchte.

Wenn er nur nicht so verdammt abhängig von ihm wäre. Der Blonde seufzte, während er das Blatt der Klassenarbeit durch las. Zuerst die Aufgaben lesen, um zu schauen, ob die Aufgabenstellung an sich klar war. Dann eine Liste erstellen, was alles erledigt werden musste und in welcher Reihenfolge er das tun würde. Erst danach auf den Text und das Thema schauen – so hatte Seto ihm das beigebracht.

Ihn erwartete eine Blockargumentation als erste Aufgabe und ein kreativer Schreibauftrag – ein Zeitungsartikel war zu verfassen – als zweite. Hörte sich nach einer fairen Aufgabenstellung an, die für ihn vollkommen klar war. Er hatte erst einmal den Text zu lesen und die allgemeinen Daten zu sammeln. Eine Pro/Contra-Tabelle war zu erstellen, eine eigene Position zu beziehen, die Argumente mussten geordnet werden. Erst, wenn er das alles erledigt hatte, sollte er mit dem Schreiben beginnen. Zuerst musste er sich nur auf die erste Aufgabe konzentrieren, die mindestens sechzig Prozent der Note ausmachen würde, da die zweite nur eine Zusatzaufgabe war.

Ran an den Text. Katsuya legte das Ende des Bleistiftes, mit dem er die bisherigen Punkte auf einen Schmierzettel gekrakelt hatte, zwischen die Zähne, um ihn bei Bedarf zum Unterstreichen zu nutzen. Es war ein sehr kurzer Zeitungsartikel, das konnte man durch das Layout auf den ersten Blick erkennen. Eine Kurznachricht aus dem Teil der politisch eher unwichtigen Seitenartikel von ungefähr fünf Sätzen – eine Nachricht, die andere Zeitungen auf die Titelseite bringen würde, wenn sie skandalös genug war. Er begann zu lesen.

Tokio. In einem Mehrfamilienhaus wurden bei einer Durchsuchung am Sonntag fünf Kinderleichen auf dem Dachboden des Hauses entdeckt. Die Körper seien durch zahlreiche Schnitte bis auf Gesicht und Hände entstellt, besonders die Unterleiber der fünf Mädchen im Alter von ca. drei bis zehn Jahren wiesen schwere äußere und innere Verletzungen auf, teilte die Polizei mit. Die Suche nach dem/n möglichen Täter/n blieb bisher ergebnislos.

Sollte eine staatliche Institution auch ohne konkrete Hinweise auf Missbrauch Familien in regelmäßigen Abständen kontrollieren, um solche Vorkommnisse weiter einzudämmen?
 

Katsuya dehnte seine Finger, bevor er die linke Hand um sein schmerzendes Handgelenk legte. So viel hatte er noch nie in seinem Leben geschrieben. In zwei Stunden hatte er über zwölf Seiten verfasst, der Zeitungsartikel war demnach in den letzten fünfzehn Minuten nur eine Seite lang geworden – klang aber trotzdem nicht schlecht. Seine Blockargumentation an sich füllte gerade mal fünf Seiten, aber er hatte einfach mehr schreiben müssen, mögliche Fälle und Ideen ausführen müssen. Selbst wenn das seine Note schmälerte, es hatte verdammt gut getan das alles nieder zu schreiben.

Herr Lehrer Kaiba, wie er ihn in der Schule zu nennen hatte, nahm das Heft von seinem Platz auf und legte es hinter den Stapel der bereits eingesammelten Hefte auf seinem Arm. Wollte er seine Arbeit als letzte lesen? Oder als erste? Warum? War er so interessiert an dem, was er geschrieben hatte? Anscheinend war er irgendwie etwas Besonderes... vielleicht war es ihm im Anbetracht der Verhandlung am Donnerstag wichtig. Vielleicht erwartete er auch einfach nur die meisten Formfehler bei ihm und hatte wenig Lust auf die Korrektur. Er würde es wahrscheinlich heute Abend wissen, so wie er seinen Freund kannte.

Wahrscheinlich war er sogar interessiert daran, was seine Schüler zu dem Thema geschrieben hatten. Obwohl er bei der Auswertung objektiv sein und jede Meinung akzeptieren musste – was Katsuya an seiner Stelle wahrscheinlich nicht könnte. Das Thema ließ ihn kaum kalt.

Und es war eine verdammt gute Frage. Mal ehrlich, wie viele der Missbrauchsfälle wurden wirklich bekannt? Die Kinder meldeten sich kaum, hatten im Zweifelsfall vom Jugendamt noch nie etwas gehört – und glaubten meistens nicht, dass sie missbraucht wurden, weil es für sie alltäglich war. Man hatte ihnen eingeprägt, dass sie eh zu nichts anderem wert waren, dass sie nicht das Recht auf etwas Besseres hatten, dass man ihnen nicht glauben würde oder dass ihnen etwas sehr, sehr Schlimmes passieren würde, sollten sie jemals etwas verraten – und Kinder, die sie nun mal waren, nahmen sie es auf, glaubten es und vergruben es in ihrem Unterbewusstsein, von wo es stets wirkte und sie davon abhielt sich selbst zu helfen. In ihnen wohnte die Angst.

Angst etwas zu sagen. Angst vor Strafe. Angst vor Ablehnung. Und Angst, dass die Antwort lautete, dass das kein Missbrauch war – dass sie nur undankbar, nur größenwahnsinnig, nur dreist waren etwas Besseres zu wünschen. Etwas Besseres, das sie nicht verdient hatten, schlechte Kinder wie sie waren. Denn wäre das der Fall, so stürbe sogar die Hoffnung jemand würde kommen und sie retten.

In ihm wohnte genau das alles. Und tief in ihm brodelten noch immer die Worte, die Kaiba ihm vor Wochen an den Kopf geschmissen hatte. Ein Insekt, das zertreten gehört. Ein undankbarer Bengel, der heulte und schrie, weil man sich nicht seinem Willen beugte.

Er wusste, er hatte diese Worte nur gesagt, weil er ihn verletzen wollte. Weil er selbst glauben wollte, dass Katsuya verachtenswert war. Weil er damals nichts von dem Missbrauch wusste, dem Katsuya ausgesetzt gewesen war. Weil er labil und verzweifelt gewesen war.

Aber dennoch brannte es unter seinen Lidern, wenn er daran dachte. All das hätte vielleicht nie sein müssen, wenn man ihn früher aus seiner so genannten Familie geholt hätte. Oder wenn man Seto von seinem Adoptivvater befreit hätte.

Er spürte Ryous Hand auf seiner Schulter, seinen bohrenden, fragenden, besorgten Blick. Der Kleine wusste nicht einmal einen Bruchteil dessen, was sein Vater mit Katsuya angestellt hatte. Er wusste nichts von der Verhandlung in drei Tagen, bei der entschieden wurde, ob er zu diesem Mann zurück musste. Und dennoch sah er instinktiv, dass etwas nicht stimmte. Solch ein sensibles, verletztes Kind.

Er war der, den man von ihnen allen am nötigsten hätte früher befreien müssen. Um so erstaunlicher, dass sein Bruder, der den Schwerstmisshandlungen neunzehn Jahre ausgesetzt gewesen war, es getan hatte. Die älteren Misshandelten retteten die Jüngeren. Warum brauchte es sie? Warum musste man gerade sie damit belasten, wenn es Institutionen gab, die eigentlich dafür zuständig waren? Warum hatte niemand die Polizei informiert? Warum sahen Menschen über die Blutergüsse, die Wunden, die abnormen Verhaltensweisen einfach hinweg? Warum hielt man immer jemand anderen für zuständig? Warum waren die Menschen so verdammt feige, damit sie keine Verantwortung übernehmen mussten?

Zweifel

Abend ^.^ Ist spät geworden mit dem Kapitel, aber zumindest ist es noch Sonntag.

Zur allgemeinen Info, ich habe jetzt eine Wohnung gefunden, ich habe also weniger Stress und mehr Freizeit ^.- Die wird in diesem Fall aber nicht auf Dreaming Society verwendet, weil ich mit der Korrekturlesung von Tote Gesellschaft (Buch) fertig bin und diese morgen und übermorgen in das Manuskript übertrage. Heißt, es wird zu dieser Zeit auch Änderungen in DS1 geben (kleine allerdings nur, für alle anderen gibt es das Buch ^.- Mit Extrakapitel und neuen Szenen ^.-). Sobald das erledigt ist, wird das Exposee fertig gestellt und Verlage kontaktiert, heißt - nächster Sonntag, neue Infos.

Bs dahin viel Spaß mit diesem Kapitel ^.-
 

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Katsuya klopfte und betrat das Büro ohne auf eine Antwort zu warten. Darauf hatten sich Seto und er geeinigt, weil er nicht lange zu warten hatte und die Chance bemerkt zu werden geringer war. Nach außen hin bekam er in jeder Mittagspause Nachhilfe.

In den meisten Fällen spiegelte sich diese Nachhilfe darin, dass er ohne Klamotten auf dem Tisch endete – alternativ an der Wand, die weniger weh tat als erwartet, wenn sie nicht zu wild waren. Das hier war erst das zweite Mal in ihrer Beziehung, dass er Setos Büro ohne diese Hintergedanken betrat.

Und die Haltung seines Lehrers sagte ihm, dass dieser das auch schon gewusst hatte. Statt ohne den Kopf zu heben den Blick auf ihn zu richten und die Lippen zu einem Raubtiergrinsen zu verziehen, erhob er sich vollständig, kam um den Tisch herum und schloss den Jüngeren in seine Arme. Sah man es ihm an, dass es ihn genau danach verlangte? Einfach jemanden da zu haben, der bei ihm war und ihn seiner Existenz versicherte? Auf jeden Fall war es äußerst angenehm.

Katsuya seufzte wohlig, schlang seine Arme um Setos Nacken und drückte sein Gesicht seitlich gegen dessen Brust. Er ließ sich vollkommen fallen, während der Größere mit dem Arm über seinen Hintern strich und die Beine darunter seitlich gelegt in die Höhe zog, um ihn zu tragen und im Sessel auf seinen Schoß zu setzen. Mit dem Sessel rollten sie wieder an den Tisch heran, wo der Lehrer ihn mit einer Hand hielt, mit der anderen weiter Korrekturen vornahm, während Katsuya seinen Kopf auf dessen Schulter legte und die Augen schloss.

„Die Einrichtung einer solchen Erziehungskontrolle widerspricht dem Gesetz und würde eine unbezahlbare Summe kosten. Das sind die einzigen Punkte, die du vergessen hast.“, sagte er mit seiner ruhigen, tiefen Stimme.

Er hatte es also schon gelesen? Sie hatten die Arbeit doch erst vor zwei Stunden geschrieben! Und die beiden Stunden hatte er genauso Unterricht gehabt wie Katsuya!

Einfach unfassbar. Der Kerl hatte eine dreizehnseitige Arbeit anscheinend in seiner Fünfminutenpause gelesen. Es hatte ihn wohl wirklich interessiert.

„Und wo sollen Grenzen festgelegt werden? Was ist Missbrauch und was ist Erziehung?“

„Körperliche Gewalt ist auf jeden Fall Missbrauch.“, murmelte der Blonde leise.

„Und was ist körperliche Gewalt? Prügel? Ohrfeigen? Jemanden nicht zu berühren? Was zählt da alles rein?“, Seto sprach, während er weiter Arbeiten korrigierte, „Ist es körperliche Gewalt jemandem nichts zu essen zu geben? Oder ihn unter Androhung von Strafe zum Essen zu zwingen?“

Katsuya schwieg. Eine verdammt schwere Frage... was war Gewalt? Physisch und psychisch verschwammen, ebenso wie Gewalt und möglicherweise notwendiger Gewalt.

„Du kannst Menschen nicht unendlich ihren Willen lassen. Du musst sie eingrenzen, wenn sie die Freiheit anderer zu sehr einschränken. So gilt es unter Erwachsenen. Aber wie gilt es nun mit Kindern?“

Katsuya krallte seine Finger in Setos Hemd und drückte sich näher an den warmen, beschützenden Körper.

„Was habt ihr heute in Kunst gemacht?“
 

Wie? Was? Themenwechsel?

Entweder wollte Seto keine Antworten und ihm nur Anregungen geben oder er hatte Angst Katsuya würde hier einen Anfall kriegen. Wäre auch reichlich ungünstig, schließlich hatte er heute noch ein paar Stunden Schule. Also lieber ein anderes Thema.

„Wir haben Menschen im expressionistischen Stil gezeichnet.“

„Eckig und seelenlos?“, hey, coole Kurzbeschreibung des Stils. Das war besser als die ellenlange Erklärung, die sie in der letzten Stunde erarbeitet hatten.

„Und ein bisschen verformt. Ich habe meinen Vater gezeichnet. Eher gesagt, ich habe ihn mit einem Cutter ins Papier geschnitten. Die Lehrerin fand das echt originell und hat mir eine Eins gegeben.“

„Das ist auch eine sehr originelle Abreaktion...“, der Lehrer legte den Stift ab, lehnte sich im Sessel zurück und zog Katsuyas Kopf mit seiner nun freien Hand sanft zu sich, um einen Kuss auf sein Haar zu setzen, „Es ist weit besser Papier als deine eigene Haut zu nehmen.“

„Hä?“, ach, er meinte seine Arme, „Oh... ja... stimmt...“, ein schadenfreudiges Lächeln legte sich auf seine Lippen, „Das kann ich dir aber auch erzählen. Deine Wunden sind weit frischer als meine.“

Und taten sicherlich noch immer verdammt weh. Acht Tage war es her, dass Seto sich geschnitten hatte. Na gut, wahrscheinlich spürte er den Schmerz nicht, aber wenn er ihn am Arm packen würde, würde er ihn ganz sicher wieder spüren. Na, wenigstens hatte kein Schnitt genäht werden müssen. Nur Stripes wurden benutzt. Und jeden Morgen Verbände wechseln, jeden Morgen mit Tüten um die Arme in die Dusche – ein Grund mehr für Seto jeden Morgen schlechte Laune zu haben. Da war nur zu sagen: Selbst schuld. Wenigstens würden heute Nachmittag Verbände und Stripes abkommen, wenn alles so weit verheilt war.

Welch ein Horror... Montag hieß Arzt, hieß Untersuchung, hieß Blutabnahme und EKG. Hoffentlich auch das zum letzten Mal. Donnerstag wäre alles vorbei – eine Entscheidung des Richters und er durfte bei Seto bleiben. Eine Entscheidung, die seinen Vater ins Gefängnis brachte.

Oder eine Entscheidung, die ihn zurück zu seinem Vater beorderte.

„Seto?“, Katsuyas Stimme zitterte.

„Ja?“

„Was... was machen wir, wenn die nein sagen? Wenn die das mit dem Missbrauch nicht glauben und mich zu meinem Vater zurück schicken?“

„Das wird nicht passieren.“, ein Kuss auf seine Stirn folgte, „Das Schlimmste, was sie entscheiden können, ist, dass ich nicht die geeignete Person für deine Versorgung bin. Dann kommst du entweder in eine Pflegefamilie, in ein Heim oder in eine eigene Wohnung, vermutlich mit betreutem Wohnen. Aber auch das ist unwahrscheinlich.“, die Hand fuhr in seinen Nacken und kraulte ihn, „Sei unbesorgt.“

Das war leicht gesagt... aber er wollte Seto glauben.
 

Tja, was folgte auf diese wunderschöne, entspannte Mittagspause? Eine Doppelstunde Englisch – mit Herrn Lehrer Kaiba. Er hatte heute wirklich fünf Stunden und eine Mittagspause mit diesen Mann, nebst zwei Stunden Kunst. Das war einfach nur ein traumhafter Tag.

Setos volle, voluminöse, tiefe Stimme lenkte perfekt von den ganzen Gedanken und Fragen in seinem Kopf ab. Sie unterdrückte die tausenden Was-wäre-wenns. Gedanken wie „Was wäre, wenn ich mich einfach umbringen würde?“. Gedanken, die er in diesem Moment nicht haben wollte. Die er genau genommen nie haben wollte, erst recht nicht jetzt, wo er glücklich war. Wieso hatte er sie, wenn es ihm gut ging? Wieso kam ihm beim Ansehen seiner Tintenfeder der Gedanke, wie weh es täte, würde er sie in seinen Handrücken rammen?

Seto hatte ihm ja gesagt, dass das bis Donnerstag wahrscheinlich öfter kommen würde. Ja, dass es schon fast normal war, dass er extreme Angst hatte und am liebsten alles tun würde, um der Verhandlung aus dem Weg zu gehen. Er hatte sogar gesagt, dass Katsuya jederzeit seine Aggressionen gegen ihn richten durfte, wenn er sie hatte – aber Katsuya wusste selbst, dass er nachher nicht damit umgehen könnte, würde er Seto noch einmal schlagen. Das eine mal, wegen dem er sich noch immer täglich den Bluterguss überschminkte, war wahrlich schon zu viel gewesen.

Irgendwie entwickelte er sogar so etwas wie Verständnis für seinen Vater. Wenn er so etwas durchgehend spüren würde, vielleicht sogar schlimmer, würde er auch versuchen es zu betäuben und an allem auslassen, was er finden konnte. Es entschuldigte seinen Vater nicht, aber... nun ja... es machte ihn ein wenig nachvollziehbar.

Hoffentlich würde sich das Chaos in ihm nach der Gerichtsverhandlung legen. Sonst wäre wahrlich nicht Seto die Bedrohung, sondern er. Seto hatte sicherlich Aussetzer, aber die Chance, dass die in Aggressionen endeten, erschien ihm nicht wirklich groß. Gut, wenn er nun in vollkommener Unsicherheit irgendwelche Gesten in Angriffe umdeutete, war das wahrlich nicht lustig, aber zumindest hatte es ihn beim letzten Mal ja ziemlich entsetzt, dass er wirklich handgreiflich geworden war.

Im Gegensatz zu Katsuya, der Gewalt besser als alles andere kannte, erst recht auch von ihm angewandt. Er bereute seine tätlichen Übergriffe auf Passanten, Mitschüler und Obdachlose kein Stück, auch wenn er wusste, dass es nicht richtig war, was er getan hatte. Er bereute nicht einmal die Messerstechereien mit anderen Gangs oder innerhalb ihrer eigenen. Das einzige, was in dem Sinne an ihm nagte, war der Unfall mit Mokuba, Setos Bruder. Wie groß war also die Chance, dass er sich selbst zurück nahm, sollte er in einem aggressiven Schub Seto angreifen?

Kaum mehr als minimal. Wahrscheinlich würde erst Blut ihn stoppen.

Vielleicht nicht einmal das.
 

„Du bist sehr nachdenklich heute.“, stellte Seto fest, während Ryou und er an jeweils einer Seite von Katsuya zu Kaibas Büro gingen, um dessen restliche Sachen von dort zu holen.

„Ich habe nur Angst vor dem, was ich derzeit fühle...“, flüsterte der Blonde als Antwort.

„Was fühlst du denn?“, der Fünfzehnjährige schnappte sich seinen Arm und schlang die eigenen darum.

„Ich... weiß nicht. Keine Ahnung. Angst.“, halt mal. War das nicht das, was Seto ihm letztens erklärt hatte? Dass er immer Angst fühlte? Vor so ziemlich allem?

War DAS etwa das, was Seto durchgehend spürte?

Verdammt, dann war es echt ein Wunder, dass er noch lebte. Das war ja grauenhaft. Er fühlte es erst seit heute Morgen und kam jetzt schon kaum damit klar, obwohl nicht einmal etwas Belastendes passiert war.

„Oh... vor was?“, die Augenbrauen des Jüngsten zogen sich zusammen, während er die Stirn in Falten legte.

„Keine Ahnung...“, Katsuya seufzte, „Ist es das? Was...“, er sah sich schnell um, dass sie auch niemand belauschte und senkte die Stimme, „Das, was du mir beschrieben hast?“, er sah zu Seto auf.

„Ja.“, der Größere legte eine Hand auf seine Schulter, „Das ist das Gefühl.“

„Das fühlst du wirklich durchgehend?“, Katsuyas Gesicht spiegelte eine Mischung aus Entsetzen, Angst, Sorge und Mitleid.

„Mal mehr, mal weniger.“, Seto seufzte, „Ich denke, dadurch kannst du nachvollziehen, warum ich so oft dissoziiere, wenn ich labil bin.“

„Dissoziieren? Was ist das?“, fragte Ryou vorsichtig und beugte sich zu ihnen, indem er sich mehr an Katsuyas Arm hing.

„Das ist ein krankhafter Abwehrprozess. Wenn wir davon sprechen, meinen wir Depersonalisations- und Derealisationszustände.“, erklärte der Lehrer, „Dabei nimmt das Bewusstsein vom eigenen Körper und der Umwelt Abstand. Die Seele zieht sich in sich selbst zurück, wenn du es so ausdrücken willst. Zuerst werden die Gefühle und die Wahrnehmung von Körper und teilweise der Umwelt getrübt, bis sie kaum noch vorhanden sind. Eigenständiges Handeln wird soweit eingeschränkt, bis es nicht einmal mehr möglich ist auch nur den Finger zu heben. Dementsprechend gibt es kaum noch Mimik und Gestik. Es kann sich bis in einen komatösen Zustand verschlimmern.“

„Oh...“, Katsuya spürte ganz leicht Nägel in seine Haut drücken, „Das kenne ich von Bakura. Und ein ganz klein bisschen von mir.“, gab Ryou zu, „Auf der Feier letzten Mittwoch...“

„Warst du derealisiert.“, beendete Katsuya den Satz nach wenigen Sekunden, „Dissoziativ also. Und du hast dich in der Realität gehalten, indem du deinem Bruder die Haare gekämmt hast. War etwas verwirrend, aber man hat es mir ja zum Glück erklärt.“

Seto nickte nur schweigend als Zustimmung und nahm die Hand wieder von Katsuyas Schulter, bevor sie um die Ecke bogen und vor der Tür von seinem Büro die Schulkrankenschwester Isis entdeckten.
 

„Guten Nachmittag, Herr Kaiba.“, als Antwort erhielt sie nur ein kurzes Nicken, während sie mit zwei Schritten bei ihnen war, „Ich habe die Unterlagen zusammengestellt, die sie haben wollten. Es sind jetzt allerdings alles Kopien.“

„Die dürften ausreichen.“, er nahm den Ordner entgegen, den sie ihm reichte, „Danke für ihre Mühen.“

„Wenn es darum geht etwas für meinen Lieblingspatienten zu tun, dann mache ich es gern.“, sie zwinkerte Katsuya zu, „Kommst du morgen früh auf einen Saft vorbei?“

„Diesen Eisen-Kirschsaft?“, das Zeug war viel leckerer als die Tabletten, die er täglich nehmen musste.

„Genau den.“, sie schenkten sich gegenseitig ein Lächeln.

„Darf ich auch kommen?“, fragte Ryou zaghaft nach.

„Öh...“, Katsuya wandte sich kurz zu ihm, doch schwenkte seinen Blick zurück zu Isis, „Ja?“

„Ich müsste nur kurz mit Katsuya etwas besprechen morgen. Ansonsten ist das kein Problem.“

„Was denn?“, gar nicht neugierig, das Kerlchen...

„Etwas Privates.“, sie zwinkerte dem Kleinsten trotzdem freundlich zu, „Ein paar Geheimnisse machen eine Frau erst interessant.“

„Und faltiger.“

„Seto!“, zischte der Blonde seinem Freund zu.

Die dunkelhäutige Dreißigjährige seufzte nur tief. Die Dame hatte auch einige Eskapaden mit mit dem stellvertretendem Schulleiter durch und anscheinend über dessen Ego resigniert. Würde er nur diese Seite von Seto kennen, hätte er es wahrscheinlich auch.

„Sind das Unterlagen über mich?“, versuchte Katsuya das Thema zu ändern.

„Das ist die Dokumentation deiner Verletzungen im letzten Jahr.“, erklärte Isis ruhig, „Da du ja weder bei einem Arzt noch in einem Krankenhaus warst, bin ich die einzige Person für medizinische Auskünfte über dich. Aber darüber wollte ich mit dir morgen reden, das müssen wir nicht heute zwischen Tür und Angel klären.“, sie lächelte kurz und wandte sich an ihren Vorgesetzten, „Gibt es noch etwas, was ich für sie tun kann, Herr Kaiba?“

„Nein, danke.“, er blätterte sie missachtend in dem Ordner.

„Dann mache ich jetzt Feierabend. Noch einen guten Tag.“

Seto antwortete darauf schon gar nicht mehr – welch ein angenehmer Chef...
 

„Du könntest ruhig netter zu Isis sein, sie hat dir nichts getan.“

„Sie weiß zu viel...“, murmelte Seto nur, während er seinen Mantel schnappte, sich über den Arm warf und mit Katsuya zurück zu Ryou auf den Flur trat.

„Angst ist kein Grund anderen gegenüber aggressiv zu werden.“

„Hm.“, nebst der aussagelosen Antwort wandte er nur den Blick ab.

„Ist Bakura auch aus Angst aggressiv?“, fragte Ryou leise nach.

Katsuya fixierte ihn mit seinen braunen Augen, überlegte einen Moment und wandte seinen Blick schließlich zu Seto. Auf irgendeine ihm noch unbekannte Weise verstanden sich die beiden schließlich – vielleicht wusste Seto etwas, was sie nicht wussten.

„Ja, ist er.“, antwortete Seto nach einer schieren Ewigkeit, in der sie bereits die Eingangstüren der Schule passiert hatten.

„Wovor hat er denn Angst?“

Irgendwie... Katsuya hob die Augenbrauen und schüttelte leicht den Kopf. Bakura schien mit seinem Bruder nicht über seine Psyche zu sprechen. Warum? Wollte er der große, starke Bruder bleiben, dessen abnormes Verhalten einfach Charakter und nicht Störung war? Wollte er lieber unverstanden und gehasst sein als eine Schwäche in seinen Augen zu zeigen? Oder wusste er gar nicht, was eigentlich mit ihm los war?

„Verletzt zu werden. Verlassen zu werden. Etwas Liebgewonnenes zu verlieren. Er hängt dem Gedanken an lieber gar keine Freunde zu haben als möglicherweise von ihnen verlassen zu werden. Ein einsamer Wolf.“

Seto verglich ihn auch mit einem Wolf? Einem Wolf, der ewig allein bis aufs Blut das verteidigte, was er als seins ansah? Sein erster Eindruck war wohl gar nicht mal schlecht gewesen.

„Warum stößt er mich dann nicht von sich?“, flüsterte der Weißhaarige, „Wie kann er mich lieben?“

„Er vertraut dir, denke ich.“, er überwachte seine Freunde, seine Freizeitaktivitäten, seine Interessen... „Zumindest mehr als anderen Menschen.“

Die Frage war wohl eher, wie Ryou es schaffen konnte ihm bei dem wenigen Vertrauen und Lieben auf einer nicht körperlichen Ebene überhaupt tiefere Gefühle entgegen zu bringen.

„Er ist wie ich.“, gestand Seto den beiden Jugendlichen, „Nur noch nicht therapiert. So war ich vor über zehn Jahren.“
 

„Echt?“, fragte Katsuya erstaunt.

So war er vor zehn Jahren gewesen? So aggressiv und gewalttätig und unfreundlich und... so Bakura halt? Mit jedem Wort verletzend und abwertend? So war Seto einmal gewesen? Da war es echt kein Wunder, dass Mokuba als Jugendlicher zu den Drogen gegriffen hatte. Ob Noahs extreme Gelassenheit über Setos jetzige Störung noch aus der Zeit herrührte, wo Seto anscheinend emotional Amok gelaufen war?

„Ja. Das ist auch der einzige Grund, warum wir uns halbwegs verstehen. Wir müssen einander nichts sagen, um zu wissen, wie der andere tickt.“, Seto blieb am Abgang zum Lehrerparkplatz stehen, zog eine Schachtel aus seiner Jackeninnentasche und steckte sich eine Zigarette an, „Bisweilen ist das gruselig, wenn jemand genau weiß, was du denkst, wie du fühlst und was du tun wirst. Aber es erleichtert auch. Da ist irgendwie... eine Kontrolle. Man muss nicht nur selbstverantwortlich sein. Es sorgen auch andere für einen.“, er nahm einen Zug und blies den Rauch aus, bevor er weiter sprach, „Nur hält man sich gegenseitig nicht lange aus. Komplextraumatisierte neigen dafür zu sehr zur psychischen und physischen Selbstverstümmelung.“, er seufzte, „Und Fremdaggression...“, er widmete sich wieder seiner Zigarette.

„Vielleicht... ist es dreist das zu fragen, aber...“, die Röte schlich sich auf Ryous blasses Gesicht, „Also... sie hatten auch keine atemberaubende Kindheit, oder?“

„Atemberaubend ganz sicher, nur nicht im positiven Sinne.“

Eher im wörtlichen Sinn. Mutter gestorben mit fünf, danach praktisch allein erziehend für den neugeborenen Bruder bis zum Tod des Vaters mit sieben, danach im Waisenheim bis zum zehnten Lebensjahr, adoptiert von einem bis zur Folter missbrauchenden Industriegiganten, der ihn mit Halsband und Leine durch die Gegend zerrte, in dunkle, unbelüftete Stehzellen einschloss und Drogen und Elektrostöße an ihm ausprobierte. Diesen trieb er mit fünfzehn in den Selbstmord, übernahm dessen Firma und machte daraus einen Spielzeughersteller, bis er die Firma und all sein Geld mit achtzehn seinem Stiefbruder schenkte und mit seinem kleinen Bruder in eine Vorstadtgegend von Domino zog und zwei Studiengänge aufnahm, die er ein Jahr vor dem Tod seines Bruders beendete.

Wenn er sagte, dass er solch ein Verhalten vor über zehn Jahren gezeigt hatte, dann meinte er wahrscheinlich die Zeit nach dem Tod seines Adoptivvaters Gozaburo Kaiba. Tja... ob man sich so etwas als Chef einer der größten Firmen der Welt erlauben konnte?

„Hat... hat ihnen Katsuya von meiner erzählt?“

„Nein.“, Seto hob eine Augenbraue, „In solch persönlichen Dingen scheint er vertrauenswürdig zu sein.“

Nicht auszudenken, was wäre, wenn Seto heute noch nicht Vertrauen schenken könnte...

Alltag

Ich hätte das Kapitel doch gestern morgen hochladen sollen. Eigentlich dachte ich ja früh genug zuhause zu sein, aber halb zwei war nicht mehr wirklich Sonntag *drop*

Am Freitag ziehe ich um! Heißt, ich werde es vielleicht nicht schaffen nächsten Sonntag ein Kapitel hochzuladen (weil da wegen die Waldfee - nein, kein Internet ist das Problem). Kein Internet ab nächster Woche heißt ebenfalls, dass es mit dem Beantworten von ENS etc. ziemlich karg bei mir wird. Möglicherweise werdet ihr also noch länger warten müssen T.T Tut mir sehr Leid. Ich hoffe, es wird mir noch möglich sein Kommentare zu beantworten, aber leider kann ich das jetzt noch nicht garantieren.

Vorerst aber erstmal viel Spaß mit diesem ^.^
 

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„Soll ich denn von ihr wissen?“, erkundigte sich der Lehrer vorsichtig – und vorsichtig hieß mit noch sanfterer, langsamerer Stimme, als wenn er Katsuya tröstete und beruhigte.

„Nun... hat ihnen Bakura irgendetwas erzählt?“, der Weißhaarige knetete seine Hände und biss auf seine Unterlippe.

„Nein, das hat er nicht. Genau genommen habe ich mit ihm noch nie ein persönliches Wort geteilt.“

Wow... da hatte er ja sogar mit Katsuya mehr geredet. Dem hatte er wenigstens ein- oder zweimal eine Begebenheit aus seiner Arbeit erzählt – eher gesagt Ryou in seinem Beisein.

„Ich weiß nicht so recht... sie strahlen auch irgendwie so eine Sicherheit aus. Ganz wie Katsuya. Irgendwie... so eine verständnisvolle Aura.“

Seto beugte sich etwas nach vorn, hielt die Hand vor den Mund und hustete einige Male, bevor er entsetzt erwiderte: „Bitte was? Entschuldige, Ryou, ich möchte dich nicht zu sehr enttäuschen, aber ich glaube, du unterliegst einer Wahrnehmungsstörung.“

„Tut er nicht.“, unterstützte Katsuya den Jüngeren, „Ich finde auch, dass du das ausstrahlst. Ohne dich hätte ich niemals den Mut gehabt meinem Vater den Rücken zu kehren und dich zu fragen, ob ich zu dir ziehen darf. Du kannst zwar ein echt herablassendes, sarkastisches Arschloch sein, wenn du es darauf anlegst und bist eigentlich nur chaotisch und psychisch echt durch den Wind, aber deine Anwesenheit macht einen irgendwie auch stark und sicher.“

Seto ließ seine blauen Augen von einem zum anderen wandern, während sich seine Augenbraue immer weiter in die Höhe zog.

„Jungs... das macht mir ehrlich gesagt Sorgen... so eine Ausstrahlung haben nur Borderliner. Das sind zwar auch Komplextraumatisierte, aber... ich wollte mir nie vorstellen Borderline zu haben...“, er richtete sich wieder auf, „Auch wenn das möglicherweise dieselbe Störung ist wie die meine.“

„Wenn ich dich bei deinen Ausführungen richtig verstanden habe, liegt der entscheidende Unterschied allerdings darin, dass man sich auf dich stützen kann – auf Borderliner nicht.“, meinte Katsuya mit schief gelegtem Kopf.

„Es kommt bei beiden Krankheiten auf die Therapie an.“, der Brünette nahm einen Zug, „Aber ja... ich bin belastbar. Ein wenig.“

„Du hältst mich aus, das setzt eine hohe Belastbarkeitstoleranz voraus.“, er murmelte die Worte nur, aber die beiden hatten sie sicher trotzdem gehört.

„Darf ich mich bei ihnen melden, wenn ich Hilfe brauche?“, Ryous Stimme zitterte und war kaum mehr als ein Flüstern.

„Sicher, jederzeit.“, Seto legte dem über vierzig Zentimeter Kleineren die Hand auf die Schulter – für sicher eine Sekunde, danach hatte er sie durch das Zusammenzucken des Jungen wieder entfernt – und redete weiter, als wäre nichts geschehen: „Vor einigen Jahren war es auch noch Standard, dass Lehrer nebst Lehrkörpern auch Vertrauenspersonen und Ansprechpartner waren. Meine Mutter erzählte mir mal, wie ihre Schwester eines nachts nicht nach Hause kam, während ihre Eltern nicht da waren. Sie war so verzweifelt, sie hat ihren Lehrer aus dem Bett geholt und der ist mit ihr durchs Dorf gezogen und hat alle Freunde des Mädchens besucht und nach ihr gefragt. Und als sie sie nach Stunden nicht gefunden hatten, sind sie auch noch zusammen zur Polizei gegangen.“, er trat die abgebrannte Zigarette aus, „Für mich gehört das auch heute noch zum Lehrerberuf.“
 

Wow.

Das war echt mal so gewesen? Lehrer waren Vertrauenspersonen? Warum war das heute nicht mehr so? Lehrer heute waren irgendwie nur nervige Sklaventreiber... okay, Seto war anders, definitiv und manche Lehrer waren auch etwas anders, die zeigten wenigstens etwas Spaß an ihrem Beruf und scherzten manchmal mit ihren Schülern – so wie Yugi früher – aber der Großteil der Lehrerschaft bestand aus Leuten, die ihren Beruf nicht mochten, nicht wollten oder einfach nur frustriert waren.

„Hast du denn akut ein Anliegen?“, fragte Seto den Jüngsten vorsichtig.

„Ähm...“, er wurde rot, „Nun ja...“, seine Hände verschränkten sich hinter seinem Rücken, während er den Kopf senkte, „Schon... also... normalerweise sage ich das Bakura, aber als das schon mal vor kam, da... da... da war der Typ danach auf der Intensivstation... der psychiatrischen Abteilung...“, der Fünfzehnjährige schluckte.

„Worum geht es denn?“, der Lehrer ging in die Hocke, um so zu dem Kleinen aufblicken zu können – ob er gemerkt hatte, dass Ryou extreme Angst vor großen Männern hatte?

„Es... nun... die anderen wissen ja, dass ich schwul bin... und... in der Klasse über uns... da...“, der Weißhaarige versteckte sein Gesicht hinter den Händen, „Immer betatscht er mich! Und er bedrängt mich, wenn Katsuya nicht da ist! Andauernd finde ich irgendwo Briefe, die sich wie Liebesbriefe anhören, aber sie machen mir Angst! Ich habe ihm gesagt, ich sei vergeben und er solle mich in Ruhe lassen, aber er macht immer weiter! Und er lungert in der Nähe der Wohnung rum! Jeden Morgen fängt er mich irgendwo ab. Ich habe Angst!“, den letzten Satz schrie er nur noch.

„Ryou...“, Katsuya hob leicht die Arme in seine Richtung, was den Weißhaarigen dazu veranlasste sich sofort an ihn zu klammern und seinen Kopf hinter der geöffneten Uniformjacke zu verstecken.

„Da ist also jemand, der dich stalkt, ist das richtig?“, fasste Seto das Problem zusammen.

„Ja...“

„Weißt du seinen Namen?“

Der Kleine nickte nur, was der Lehrer anscheinend trotzdem mitbekam.

„Würdest du ihn mir sagen?“

„Was... was werden sie tun?“, die kleinen Finger krallten sich in Katsuyas Shirt, der beschützend seine Arme um das Nervenbündel legte.

„Erst einmal werde ich mit ihm reden. Wenn er dann immer noch weiter macht, werde ich wohl Sanktionen verhängen müssen. Und hat das keine Wirkung, dann muss er angezeigt werden.“, Ryou wagte es sich in der Umarmung ein wenig zu drehen, um den Sprechenden anzusehen, „Das heißt, ich werde auf jeden Fall weiter deine Hilfe und Rückmeldung brauchen. So wie dein Vertrauen.“

Der Weißhaarige schluckte, krallte seine Nägel in Katsuyas Arm, den er nun umfasste und nickte kurz, aber entschlossen.
 

„Warum muss der Kleine nur immer so viel Pech haben?“, fluchte Katsuya, während er sich anschnallte.

„Natürliche Opfer-Aura. Menschen ohne Selbststabilität wehren sich nicht, wenn man sie ausnutzt oder missbraucht. Und genau das strahlen sie auch aus.“, der Fahrer ließ den Wagen an, „Wenn ich in meine Kinderpersönlichkeit wechsle, bin ich auch so ein Opfer. Deswegen unterdrücke ich es auch allen gegenüber.“

„Mir gegenüber nicht.“, Katsuya wandte sich zu ihm, doch natürlich konzentrierte er sich vollkommen auf die Fahrbahn.

„Dir... vertraue ich auch... ein bisschen.“, quetschte Seto hervor.

Pamm.

Pamm.

Pamm.

Katsuya konnte sein Herz mal wieder in seinem Kopf schlagen hören. Er vertraute ihm? Seto vertraute ihm? Wirklich? Oh shit... er schniefte. Verdammt, er musste wirklich heulen... nur wegen dieser Worte...

„Katsuya?“, die Stimme klang erschrocken, „Was ist mit dir? Was ist los?“, er hielt den Wagen praktisch mitten in der Ausfahrt an und wandte sich sofort zu ihm.

Der Jugendliche spürte Tränen über seine Wangen rinnen und brachte stockend hervor: „Das... das ist einfach nur... das Schönste, was du mir je gesagt hast.“

Sein Blick traf auf ein vor Sorge verzogenes Gesicht mit tiefen Falten zwischen den Augenbrauen und auf der Stirn, die sich durch seine Aussage noch etwas vertieften.

„Ehrlich?“, flüsterte der Brünette leise.

„Ja.“, bestätigte Katsuya.

„Wieso... ?“, und genau da war es, das Gesicht ohne Maske, das kleine, liebesuchende Kind mit den sehnsüchtigen, fragenden Augen und den unverkrampften Muskeln.

„Weil ich weiß, dass es etwas ganz besonderes ist, wenn du jemandem dein Vertrauen schenkst, kleiner Drache.“, Katsuya fuhr mit seiner Hand in das seidige, braune Haar und schnappte sich eine der kurzen Strähnen, „Weil es mir viel bedeutet, dass ich für dich wichtig bin.“

„Wie viel denn?“, oh Himmel, dieser Blick war so unschlagbar...

Das war doch wie in der Geschichte, die er seiner Schwester immer vorgelesen hatte. Ob Seto die wohl kannte?

„Bis zum Mond und wieder zurück.“, er setzte seinem kleinen Drachen einen kurzen Schmatzer auf die Lippen, „So sehr hab ich dich lieb.“
 

Katsuya hatte keine Ahnung, wie sie es zum Arzt geschafft hatten. Er hatte auch keine Ahnung, welche Persönlichkeit Setos den Wagen gefahren hatte. Er hoffte einfach mal, dass es die erwachsene gewesen war.

Peritraumatische Dissoziation – die Aufspaltung einer Persönlichkeit in drei genau festgelegte Personen. EP, die emotionale Persönlichkeit, Setos Kinderversion. ANP, die anscheinend normale Persönlichkeit, Setos erwachsenes Ich. Und TI, das Täterintrojekt, welches immer irgendwie dabei, aber ihm noch nicht in Reinform begegnet war – und er wollte ihm auch nicht begegnen.

Er liebte den erwachsenen Seto und er liebte den kleinen Seto, das war ihm mittlerweile klar. Was er über das mögliche TI zu denken hatte, das wusste er noch nicht. TI enthielt die ganzen Minderwertigkeitsvorstellungen, den Selbstverletzungsdrang, Wut, Hass und Aggressionen auf die Welt und sich selbst und daher das Bedürfnis bis zum Umkippen zu arbeiten, um nicht über sich selbst oder die Gefühle nachdenken zu müssen. Von TI kam der Kontrolldrang und der Perfektionismus und die ständige Angst vor allem und jedem – und damit auch das Misstrauen. TI war immer da, steuerte immer seine Impulse ein und wurde deshalb von Seto abgelehnt – was definitiv nicht heilsam war, denn es war ein Stück seiner Persönlichkeit. Aber Katsuya konnte sich auch nicht erwehren sich zu wünschen niemals das unkontrollierte TI zu treffen.

Das TI lehnte sicherlich auch Katsuya ab, denn der war definitiv eine Bedrohung für die Gesamtpsyche, da er Seto nahe stand. Und dennoch war es ihm erlaubt zuzusehen, wie die Verbände und Stripes entfernt, die Wunden noch einmal desinfiziert und gesalbt und erneut in Verbände gepackt wurden. Bitte bis übermorgen anbehalten, danach konnte Seto ohne rumrennen. Der Arzt war zufrieden über den Heilungsprozess und die gute Mitarbeit seines Patienten – der sich mit den Wunden schon einfach zu gut auskannte, wenn Katsuya das richtig deutete, anscheinend hatte er sich früher wirklich oft geschnitten – und wechselte über zu seinem anderen Sorgenkind, das sich wie immer nicht wirklich an den Ernährungsplan gehalten hatte, aber zumindest brav Tabletten schluckte. Eine Untersuchung der Vitalwerte, der Pupillen, der Reflexe, bestimmter Muskelpartien, ein EKG, heute sogar noch ein EEG – was ziemlich angenehm war, er war dabei eingeschlafen – Blutentnahme und fertig war er.

„Ich schreibe dann gleich noch den Bericht und sende alles per Kurier morgen zum Gericht. Ist das so in ihren Sinne, Herr Kaiba?“, irgendwie wurde Katsuya das Gefühl nicht los, dass da gleich ein weiterer Batzen Geld unausgesprochen den Besitzer wechseln würde... bestechbare Ärzte halt.

„Vollkommen. Unsere Krankenschwester hat die Berichte des letzten Jahres zusammengestellt, schreiben sie dazu bitte auch noch einen persönliche Note und senden sie die Unterlagen morgen zusammen hin. Der Richter weiß Bescheid.“

Oh Himmel... Seto hatte nicht auch den Richter bestochen, oder? Langsam machte ihm das Angst... zumindest im Ordner lag schon mal ein weißer Umschlag, der fraglos irgendeine horrende Summe enthielt.

„Bitte an diese Adresse.“, der Lehrer reichte dem älteren Herrn einen gefalteten Zettel.

„Ganz, wie sie wünschen, Herr Kaiba.“

Vollkommen der durchtriebene Geschäftsmann – konnte man das wirklich als anscheinend normale Persönlichkeit bezeichnen?
 

„Endlich daheim.“, der Lehrer streckte sich genüßlich, ließ seine Tasche neben die Einganskommode sinken, zog die Schuhe aus und ging mit der Leinentasche mit ihren Klassenarbeiten ins Wohnzimmer, „Habt ihr in Kunst Hausaufgaben?“

„Nein, hab' alles in der Stunde geschafft.“, Katsuya trabte ihm brav hinterher, „Hätten sie sich in Englisch zurückgehalten, hätte ich heute keine Schulaufgaben mehr.“

„Ach komm, das ist eine Sache von fünf Minuten. Es ist nur eine Grammatikübung.“, Seto ließ sich aufs Sofa fallen und legte die Beine hoch, „Aber du kannst mich sicher dazu bringen sie mit dir zusammen zu machen, wenn du das Essen vorziehst.“

Oho – das war mal ein Angebot.

„Was hätte der Herr denn gern?“

„Ein Fünfminutensteak mit den Beilagen von deinem Ernährungsplan.“, der Liegende schenkte ihm ein schier unwiderstehliches Lächeln, „Danke.“

„Kein Problem.“, schließlich machte Kochen ihm Spaß, „Wir müssen morgen einkaufen, ja?“

„Angemeldet und genehmigt.“, er seufzte und wandte sich der Arbeit zu, „Ruf mich, falls du irgendwo Hilfe brauchst.“

Was? Seto, die absolute Kochniete, wollte ihm in der Küche helfen? Dann wurde er mindestens zum Zwiebelschneiden verdonnert. Wenn er das schon anbot...

Lächelnd machte sich Katsuya an die Arbeit. Wer weiß, vielleicht würde Seto ja doch noch kochen lernen? Wäre auch cool. Dann musste er nicht massenweise Essen vorkochen, sollte er mal nicht da sein.

Na gut, Seto hatte sich die letzten fünf Jahre selbst versorgt, wahrscheinlich würde er ohne ihn auch problemlos überleben, aber ein Seto Kaiba hatte sich einfach nicht von Dosensuppen, Tiefkühlpizzen und Instantnudeln zu ernähren. Das passte nicht.

Zugestanden, ein Seto Kaiba beim Kochen war auch ein wenig abstrakt, aber zumindest nicht so schrecklich abwegig.

Schluss der Überlegungen: „Seto! Kommst du helfen?“

Zermürbung

Guten Morgen ^.^ Komme ich doch dazu ein Kapitel hochzuladen ^.- Und nächste Woche Sonntag habe ich auch einen PC, da müsste ich es also auch schaffen. Nur ob ich alle Kommentare entsprechend beantwortet kriege oder das erst zwischen Donnerstag und nächsten Sonntag schaffe, weiß ich leider nicht. Heute schaffe ich es wahrscheinlich nicht.

Bei diesem Kapitel möchte ich mal wieder eine Warnung aussprechen. Mich persönlich reißt es nicht herunter, aber ich vermute, dass es manchen aufs Gemüt gehen könnte. Ich wünsche dennoch viel Spaß beim Lesen ^.^

Übrigens ist das, was Seto tut, KEINE therapeutische Art mit Dissoziativen umzugehen. Sie verstärkt die Dissoziationen auf Langzeit sogar.
 

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Katsuya öffnete die Augen, blinzelte und versuchte sich zurecht zu finden. Was zur Hölle... der Raum war klein. Klein und weiß. Zu klein für ein Krankenhauszimmer, zu einheitlich weiß für eine moderne Gefängniszelle. Er saß auf einem Stuhl, einem relativ harten und kalten Stuhl. Er schien direkt auf Metall zu sitzen.

Katsuya senkte den Blick, entdeckte, dass seine Hände an dem Metallstuhl fest geschnallt waren. Wenn seine Hände... er versuchte die Füße zu bewegen, doch scheiterte. Sein Unterleib und sein Hals waren ebenso angekettet. Er wusste nicht einmal womit genau. Das um die Handgelenke war metallisch grau, doch biegsam und flexibel wie ein Lederriemen.

Wie kam er hier hin? Was machte er hier? Wo war er überhaupt?

Schritte.

Katsuya zuckte zusammen, spürte Eis unter seiner Haut seinen Rücken hinab laufen. Er schluckte, was durch den Riemen Schmerzen bereitete.

Dieser Jemand war etwas Besonderes. Er wusste nicht, wieso, aber die Person machte ihm eine so panische Angst, dass er sich nicht einmal in der Lage fühlte zu schreien.

Die Schritte waren langsam, hallten auf dem Boden wider und klangen nach schweren, breitsohligen Stiefeln. Stiefel, wie er sie trug. Stiefel, wie sein Vater trug.

Katsuya hielt die Luft an.

Die Geräusche stoppten. Wer oder was auch immer das war, es war hinter ihm. Direkt hinter ihm, nur getrennt durch die hohe, metallene Lehne des Stuhls. Ganz leicht streifte ein Lufthauch über seinen Kopf.

„Spürst du es?“, eine herbe, trunkene Männerstimme. Definitiv sein Vater.

Katsuya wagte es nicht zu antworten. Er wagte es nicht zu atmen. Er konnte nicht einmal zittern. Sein Körper gehorchte nicht. Er konnte nicht atmen.

„Spürst du das Gift in deinen Adern?“

Er konnte nicht weinen. Er konnte nicht schreien. Er war wehrlos.

„Ich bin dein Gift.“, an seinem Kopf vorbei griff ein aufgedunsener Arm, eine Spritze in der Hand. Sie wurde an seinen Unterarm gesetzt, eingestochen und ausgedrückt.

„Süßes Gift...“

Er konnte sich nicht bewegen. Er konnte nicht schreien. Er konnte nicht atmen. Und langsam benebelte das Gift seine Sinne.

„Lass dich fallen.“, die Stimme war in ein lockendes Zischen übergegangen, „Sei mein Kind. Wähle den Abgrund, der kein Ende hat. Mein Kind...“

Der Stuhl war ein Todesstuhl. Die Spritze war die letzte, die nach dem Schlafmittel. Es war eine Todeszelle. Er war in der Todeszelle und er war der Verurteilte – und sein Vater der Henker.

„Dein Vater?“, die Stimme klang belustigt, eine Gestalt tauchte in seinem rechten Augenwinkel auf und trat vor ihn – er konnte den Blick nicht heben, „Der bin ich nicht.“

Die Gestalt beugte sich hinab.

Katsuya sah in seine eigenen Augen.
 

„Guten Morgen, Katsuya.“, Isis lächelte ihm entgegen, als er wie jeden Dienstagmorgen die Krankenstation betrat – Seto hatte die ersten beiden Stunden, er nicht.

„Morgen...“, mit einem müden Andeuten eines Lächelns zog er sich den fahrbaren Hocker heran.

„Kein guter Morgen?“, fragte sie mit etwas gedämpfterer Stimme.

„Alpträume.“, Katsuya lehnte sich nach vorne und begrub sein Gesicht in seinen Handinnenflächen, „Was wollten sie mit mir besprechen?“

„Nun...“, sie seufzte, „Ich weiß nicht, ob das jetzt der richtige Zeitpunkt ist.“

Zeitpunkt für was? Wirkte er so labil? Es war nur ein weiterer, verdammter Alptraum, wie er ihn mittlerweile sogar mehrmals die Nacht hatte. Wenigstens war Seto für ihn da...

„Sagen sie es einfach.“, befahl er mehr als er bat und bereute seinen Ton noch im selben Moment.

„Es geht um Donnerstag.“, konnten sie das Thema nicht einfach bis Donnerstag verdrängen? Und wieso wusste Isis davon? „Ich bin ebenfalls geladen, das heißt, ich werde dort auch eine Aussage machen.“, okay, das klärte zumindest die zweite Frage, „Und darüber wollte ich mit dir sprechen.“

„Warum?“, wieso klang er so verdammt kalt und unfreundlich?

„Ich bin dort, um über meinen Eindruck von dir im letzten Jahr zu sprechen.“, sagte sie langsam und eindringlich, „Das heißt, ich darf über nichts, was mit deinem Körper geschehen ist und wie ich dich als Mensch empfand, schweigen.“

Das hieß, sie würde seine komplette Verletzungsgeschichte und die Endzüge seiner Rebellionszeit dem Gericht offenbaren... klasse. Katsuya könnte kotzen. Das ging die verdammt noch mal nichts an!

„Ich sehe, das lässt dich nicht kalt.“, sie hob die Hand, legte sie auf seinen Oberarm und drückte kurz, „Katsuya?“

„Lass mich.“, er riss seinen Arm los, stand auf, nahm Abstand von ihr, „Du weißt einen Scheißdreck von mir!“

„Katsuya, bitte nicht...“, sie stand auf und hob vorsichtig die Arme, als wollte sie ihn mit der Geste beschwichtigen, „Beruhige dich, bitte.“

„Gar nichts tu' ich!“, sie machte einen Schritt auf ihn zu, „Bleib stehen! Fass mich nicht an!“

Sie riss die Lider auseinander, erstarrte in der Bewegung und zog schließlich ihre Arme an ihren Körper.

„Du machst mir Angst.“

Er starrte in ihre Augen, sah ihre Lippen zittern und atmete tief durch. Beruhigen. Er musste sich beruhigen. Sie hatte ihm nichts getan. Er zeigte eine aggressive Abwehr aus Angst. Er war überspannt. Er musste sich beruhigen.

„Rufen sie Seto, bitte.“, er stützte sich an das Regal neben sich, „Ich weiß nicht, ob ich das allein kontrollieren kann... stehen sie nicht rum, gehen sie ihn holen, verdammt!“, schrie er.

Isis nutzte die Chance zur Flucht.
 

Seto und Isis fanden einen Scherbenhaufen.

Die Stühle und die Liege hatte Katsuya umgeworfen, mit dem Hocker hatte er die Glastüren eines Schranks eingeschlagen. Aber der Scherbenhaufen war nicht der auf den Boden, es war der, der an der Wand hockte.

Irgendeine der Scherben trug den Namen Katsuya.

Der Rest war nur ein diffuses Ich, Du und Es, dass sich über den ganzen Raum verteilt hatte. Zumindest war das ungefähr das, was der Blonde gerade empfand.

Nichts und alles war er.

„Wie erwartet...“, flüsterte Seto nur, „Es wird schlimmer. Danke, dass sie mich geholt haben. Lassen sie uns bitte allein und halten sie Ryou hiervon fern.“

Katsuyas Körper hob nicht einmal den Blick. Er hatte den Kopf zwischen seinen Beinen vergraben und hielt diese mit seinen Armen beieinander. Seto war sicher sauer. Seto würde... würde...

Er krallte die Nägel in seine Beine.

Seto würde ihm helfen.

„Katsuya?“, er spürte eine Präsenz direkt vor sich, hörte die Stimme aus kurzer Entfernung, „Katsuya, kannst du mich hören?“

Ja, konnte er. Er wollte ihm das sagen. Aber seine Lippen bewegten sich nicht.

„Katsuya, ich werde dich jetzt berühren.“, Hände legten sich auf seine, zogen die Nägel von seinen Beinen und fuhren seine Arme hinauf, „Dies sind deine Hände... deine Unterarme... deine Oberarme... deine Knie... deine Unterschenkel.“, er zog an den Fußfesseln des Jungen, um so seine Beine zu strecken – sein Oberkörper folgte dem nachgebenden Halt.

Die Hände lösten sich, legten sich auf seine Schultern, drückten ihn zurück gegen die Wand, fuhren unter seine Achseln und zogen ihn – den Beton im Rücken als Halt – nach oben.

„Wäre die Liege nicht auf dem Boden, würde ich dich darauf legen.“, Seto trat auf ihn zu, drückte ihn mit seinem kompletten Körper an die Wand, die Beine drängten sich zwischen seine. Eine Hand fuhr zwischen seine Schulterblätter, die andere zu seinem Hintern hinab, bevor sich Seto etwas von ihm lockerte und ihn in die Höhe zog, um ihn wie ein Kind auf dem Arm zu tragen.

„Komm, Klammeräffchen, hilf ein bisschen mit.“, er musste die Beine über Setos Hüften ziehen und sich festklammern. Er musste. Aber es ging nicht. Sein Körper gehorchte nicht.

„Dich hat es echt erwischt.“, er wurde wieder herunter gelassen, Hände und Körper entfernten sich, nur zwei Finger legten sich an seinen Hals und blieben dort.

„Sechzig... das geht.“, die Person entfernte sich, kehrte zurück, zog ihm die Jacke aus und band etwas um seinen Arm, legte etwas Kaltes in die Armbeuge, bevor plötzlich ein Druck seine Hand taub werden ließ, „Neunzig sechzig.“, ein Seufzen, ein Reißen, das Ding von seinem Arm war weg, „Puls und Blutdruck sind stabil, wir müssen also nicht ins Krankenhaus.“, der Körper verschwand wieder für einen Moment, „Glück gehabt, Kleiner. Ich frage mich trotzdem, ob ich dich in die Psychiatrie bringen sollte. Ich kann dich nicht rund um die Uhr betreuen, ich muss arbeiten.“, die Stimme bog seitlich ab, „Frau Ishtar!“
 

Die Decke war weiß. Wie im Krankenhaus. Aber er war nicht im Krankenhaus. Er lag auf einer Liege in der Krankenstation der Schule.

Katsuyas Kopf kippte zur Seite. Argh... das knackte. Egal, wenigstens ein bisschen hatte er mitgemacht. Komisch eigentlich. Seine Reaktionen sagten ihm, dass er dissoziativ war. Aber er fühlte sich gar nicht so. Er fühlte sich vollkommen wach. Nur sein Körper gehorchte ihm nicht.

Es war... wie in seinem Traum...

Aber er fühlte keine Angst. Isis würde ihm nichts tun. Sie wirkte nicht einmal sauer. Sie fegte in aller Ruhe die Scherben weg. Ganz anders als Ryou, der ihm immer wieder besorgte Blicke zuwarf und nun mit dem Stuhl an ihn ran fuhr, sich zu ihm beugte und flüsterte: „Kannst du mich hören?“

Warum fragten das alle? Er war nicht debil, verdammt. Er konnte nur nicht reagieren. Zumindest konnte er Ryou ansehen.

„Isis? Was ist los mit ihm?“, die Stimme war weinerlich.

„Das weiß ich auch nicht genau. Ich weiß nicht viel über Psychologie.“, sie seufzte und sah zu dem Liegenden rüber, „Herr Kaiba sagte, Katsuya würde nach und nach wieder Kontrolle über seine Körperfunktionen gewinnen. Man muss nur warten.“, sie warf dem Liegenden einen besorgten Blick zu, „Ich halte mich einfach an das, was Kaiba sagte. Immer wieder versuchen ihn zum Reagieren zu bringen.“

„Aha...“, Ryou hob die Hand und bewegte sie von links nach rechts, was Katsuya kurzzeitig verfolgte, bis er wieder den Jüngeren fixierte, „Kann er verstehen, was wir sagen?“

„Lass uns um Gottes Willen davon ausgehen, bitte.“

„Dann kann ich ihm etwas erzählen?“, der Weißhaarige wandte sich der Schwester zu, „Wacht er eher auf, wenn ich ihm was erzähle?“

„Ich denke schon.“, Isis lächelte, doch die Hilflosigkeit stand ihr zu Augen, „Einen Versuch ist es wert.“

Katsuya blinzelte einmal.
 

Jemand klopfte.

Der Jemand war Seto, das wusste Katsuya schon. Es musste neun Uhr sein, die erste Fünfminutenpause. Und Seto sah nach ihm.

„Herein.“

Natürlich war es Seto. Sein besorgter Seto. Katsuya versuchte ein Lächeln zustande zu bringen, doch es endete in einem kläglichen, kurzen Zucken seiner Mundwinkel. Nun ja, wenigstens lag er nicht mehr, sondern saß aufrecht, ein Kissen und eine Wand im Rücken. Die beiden schwachen Aufpasser für ihn hatten sich ganz schön anstrengen müssen, als er ihnen mit zwei bewegbaren Fingern anzudeuten versuchte, dass er sich aufrichten wollte. Dieser Zustand war echt verdammt nervig.

Und es machte ihn sauer so hilflos zu sein. Was immer das hier war, es war bescheuert. Er wollte nicht mehr. Mit aller Kraft hob er seinen Arm in die Luft, der wie ein geworfener Ball nach oben schleuderte, auf Höhe seiner Schulter kurz verharrte und krachend auf die Decke, die man über ihn gelegt hatte, zurück fiel.

„Oho? Etwas koordinierter, bitte.“ Seto schritt zu ihm herüber, griff seinen Oberarm mit Daumen und Zeigefinger und kniff zu – oder etwas in der Art, Katsuya spürte nur ein leichtes Drücken. Aber das Drücken wurde zu einem Pressen, zu einem Schmerz, der wie Punkte auf seine Haut klatschte, bevor ein großer Fleck Schmerz daraus wurde.

„Herr Kaiba! Das reicht!“, schrie Isis erschrocken und eilte an seine Seite.

Katsuya verzog plötzlich das Gesicht, versuchte von dem Schmerz zurück zu zucken und zischte: „Au!“

Der Druck lockerte sich kurz, dafür wurden die Fingerkuppen durch Nägel ersetzt, die sich in seine nackte Haut bohrten.

„Herr Kaiba!“, sie griff mit wilden Augen nach seinem Arm, was ihn nicht einmal den Blick von Katsuya abwenden ließ.

Der Blonde kniff die Lider zusammen und heulte leise auf.

„Berühr meine Hand und ich höre auf.“, Kurz über der Höhe seiner Augen hielt der Brünette seine zweite Hand.

Die sollte er berühren? Er bemerkte im Augenwinkel, dass Isis Setos Arm losgelassen hatte. Er musste nur den Arm heben. Katsuya versuchte es, sein Arm sank nach zwei Zentimetern zurück – kein Grund aufzugeben. Das hier war zu schaffen. Nächster Versuch.

Zehn Zentimeter.

Zwanzig Zentimeter.

Seine Hand war nur Millimeter von Setos entfernt, erzitterte, sank ein Stück herab, doch schnellte schließlich doch in die Höhe, tatschte Setos an, was sofort den Schmerz von seinem Arm nahm.

„Sehr gut.“, lobte der Ältere ihn, „Gib mir deine Hände.“, er hielt beide hoch und Katsuya versuchte die Aktion noch mal mit beiden, wobei der eine Arm immer noch vor Schmerz pulsierte, „Wenn ich das nächste Mal komme, kannst du aufstehen, gehen und am Unterricht teilnehmen. Hast du mich verstanden?“, ja, das hatte er verstanden, „Hebe einen Finger, wenn du mich verstanden hast.“

Der Lehrer sah auf seine Hände, nickte, drehte sich um und verließ die Krankenstation.

Ein Blick zu seiner Hand sagte Katsuya, dass er eine seiner Fingerkuppen um einen Zentimeter gehoben hatte.

Klare Diffusität

Zum Glück konnte die Lösung schnell gefunden werden ^.^ Word an den Unirechnern funktioniert wieder. Mein Internetaccount über die Uni funktioniert nicht, deswegen bin ich auf spärliche Rechnerzeiten angewiesen und kann derzeit keine Kommentare beantworten, aber an dem Problem bin ich dran *sturbin* Und ich versuche auch bald eine eigene Internetleitung für meine Wohnung aufzurichten, dann können auch ENS und Mails wieder beantwortet werden. Ich bitte um Entschuldigung.

Wenigstens das Kapitel kann ich dank ausgefallener Vorlesung hochladen, wenn auch verspätet. Unter den derzeitigen Umständen ist es mir unmöglich Sonntags Kapitel hochzuladen, aber ich werde auf jeden Fall versuchen MONTAGS Kapitel on zu stellen. Da ich dank mehrerer Prüfungen allerdings keine Zeit zum Schreiben habe, kann ich nicht garantieren, dass es jeden Montag ein Kapitel geben wird.

Dennoch viel Spaß beim Lesen ^.^
 

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„Ich mag seine Art nicht.“, murmelte Isis, verschränkte die Arme vor der Brust und schwenkte den Blick von der Tür zu Katsuya, „Okay, ich bin hiermit überfordert, aber... das gerade...“

„War richtig.“, sagte Ryou mit fester Stimme, „Mein Bruder hatte das früher oft. Irgendwie ist es mir gerade erst aufgefallen, es ist dasselbe.“, er schüttelte sich, „In den Zustand hat er sich begeben, wenn er zusammen geschlagen wurde, damit er es nicht fühlen musste. Katsuya hat von dem Kneifen gerade fast nichts mitbekommen.“

Isis wandte sich mit weit auseinander gerissenen Lidern zu Katsuya, fixierte seinen Arm und sprach mit hoher Stimme: „Das soll er nicht spüren? Das ist jetzt schon ein gräßliches Hämatom, das wird in einigem Stunden vollständig violett sein!“

„Ja.“, Ryou legte die Arme um seinen Körper, „Das wird dann sicher auch weh tun... aber entweder Schmerz oder riskieren, dass es schlimmer wird und nur abwarten. Es kann bis zu einer Woche dauern, bis das abklingt.“, die Blicke der beiden trafen sich, „Ich denke, Herr Kaiba weiß, was er tut.“

„Und ich hoffe, dass es nur eine Notlösung ist, damit Katsuya am Donnerstag aussagen kann.“, sie seufzte und fuhr sich durch die Haare, „Das kann doch keine Lösung sein... will er ihm Schmerzen zufügen, damit er in der Realität bleibt? Das sorgt doch längerfristig sicher nur dafür, dass er noch... noch mehr so wird.“, sie hob schwach den Arm im seine Richtung, deutete auf ihn, „Das da kommt doch von Schmerzen, oder? Weil man ihn geschlagen hat...“

„Ich weiß es nicht.“, Tränen liefen Ryous Wangen hinab, „Das weiß ich nicht!“, er kam zur Liege gerannt, schmiss sich halb auf diese und vergrub seinen Kopf in der Decke auf Katsuyas Schoß.

Es kam mehr von den Erinnerungen als von den Schmerzen. Die Schmerzen konnte Katsuya kaum fühlen, er war ihnen gegenüber taub geworden. Ab einem gewissen Punkt spürte er es nicht mehr, wenn man ihn schlug. Er wurde nur dissoziativ wie jetzt, wenn er Zeit hatte zu denken. Was er eigentlich brauchte, war jede Menge Ablenkung oder die Beruhigung seiner Gedanken.

Also entweder Workaholic wie Seto werden oder eine Therapie... vielleicht wäre eine Therapie eine gute Idee...

Katsuya schluckte.

Das hier geriet außer Kontrolle. Wenn Seto sogar schon Gewalt anwandte... hätte er ihn doch in die Psychiatrie bringen sollen? Wäre das der bessere Weg gewesen?

Und, wie sollten die ihm in der Psychiatrie helfen? Was konnten die, was Seto und Yami nicht konnten? Eher wäre er dort noch weniger beschäftigt. Er musste sich verdammt nochmal selber aus seinen Dissos holen, die beiden hatten ihm schließlich gezeigt, wie.

„Eis.“

Isis und Ryou sahen auf, blickten blinzelnd in sein Gesicht.

„Eis?“, fragte der Jüngere nach, sah zu der Schwester herüber, „Was meint er?“

„Warte...“, sie kam herüber, beugte sich zu Katsuya hinab, „Meinst du Eiswürfel?“

Er blinzelte einmal, während er in ihre Augen sah.
 

„Ich erinnere mich wieder, in meiner Ausbildung ist mir das einmal begegnet.“, erzählte Isis dem Besitzer der blauen Augen, deren Blicke sie unablässig verfolgten, „Meine Güte, das ist so lange her... ich habe auch nur sechs Wochen in der Psychiatrie gearbeitet, aber ja, da war etwas. Da war eine junge Frau, der habe ich auch mehrmals am Tag Eiswürfel gebracht. Mensch, dass ich das jemals noch einmal brauchen würde...“, sie drückte zwei aus der Packung in eine Nierenschale und kam wieder zu den beiden herüber, „Hier, Katsuya, bitte sehr. Ich gucke auch mal, ob ich Gummibänder finde.“

„Gummibänder?“, Ryou wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und betrachtete sie mit Neugier.

„Ja, davon hatte die Frau auch immer welche um den Arm.“, sie sah ihre Schubladen durch, „Meine Güte, ich muss doch irgendwo welche haben...“

„Ist okay.“, murmelte Katsuya leise, der je einen Eiswürfel in seine Fäuste gelegt hatte und fest zudrückte.

Sie sah zu ihnen herüber und seufzte erleichtert, bevor sich ein Lächeln auf ihre Lippen legte.

„Geht es dir besser?“, fragte Ryou leise und sah knapp von Höhe seiner Brust aus hoch.

Er erwiderte den Blick, blinzelte zur Bestätigung. Diese Würfel waren echt verdammt kalt... tat irgendwie gut. Er musste gegen den Reflex ankämpfen sie loszulassen. Er legte den Kopf zurück und schloss die Augen, hörte sanftes Rauschen und das Knurren eines großen, schwarzen Drachen.

Sein Hausdrache. Sein Haustier, das ihn von seiner einsamen Südseeinsel ans Festland brachte, wenn er wollte und das für ihn Ausschau nach Schiffen und Flugzeugen hielt, damit niemand ungebeten sein Reich betrat. Bei Tag lag er am Strand oder ging schwimmen, nachts wanderten sie beide zu seiner Höhle an der Felswand des Berges, der auf seiner kleinen Insel war. Ein stiller Vulkan. Sie ernährten sich von wilden Früchten, die rot und orange und pink und gelb und knallbunt an den Sträuchern hingen, die süß und saftig und riesengroß waren. Sein innerer, sicherer Ort...
 

„Was, liegst du immer noch im Bett?“, die Lider senkten sich über die graublauen Augen, während sich die Innenseiten der Brauen hoben, bevor auch die Außenseite der rechten von beiden folgte, während Seto an sein Bett trat.

Die Außenwinkel von Katsuyas Lippen hoben sich – die Winkel seiner Augen folgten zwar nicht, aber bitte, es war ein Anfang – und er erwiderte: „Ich armes Ding muss doch leidend spielen.“

Die wachsamen Augen musterten den nackten Oberkörper des Jüngeren, den Isis vor einer Viertelstunde eingecremt hatte – hey, sie hatte da einen verletzten Jungen, der völlig still hielt und sich über die Behandlung gar nicht beschweren konnte, was wollte man mehr? – und blieb an den geballten Fäusten hängen, über die er mit dem Zeigefinger strich, worauf Katsuya sie öffnete und halb aufgetaute Eiswürfel zum Vorschein kamen.

„Hat es geholfen?“, erfragte Seto leise.

„Ein bisschen.“, der Blonde schloss kurz die Augen, „Hab auch brav meine Imaginationsübungen gemacht.“

„Gut.“, der Größere setzte sich auf die Liegenkante, „Entschuldige, dass ich dir weh getan habe.“

„Ist okay...“, er griff leicht unkoordiniert mit kindlich grabschenden Bewegungen nach Setos Hemd und zog sich zu ihm, „Meinst du, man kann mir in der Psychiatrie helfen diese Dissos besser zu beherrschen? Also... besser helfen als du und Yami?“

Er hatte geflüstert und anscheinend hatten die anderen beiden ihn auch nicht verstanden, da Isis dem Jüngsten gerade einen fragenden Blick zuwarf.

Seto schüttelte den Kopf, ließ die Lider sinken und seufzte leicht, bevor er hinzufügte: „Nein, die Psychiatrie bietet nur einen sicheren Rahmen. Die Leute sind rund um die Uhr für dich da und es gibt halt immer welche, die ungefähr wissen, was sie mit dir machen können. Ich würde dich nur hinbringen, wenn ich mich überfordert fühle oder der Meinung bin, dass man dir da mehr bieten kann. Aber ich glaube, es ist besser, du bleibst in deiner gewohnten Umgebung, auch wenn sie vielleicht retraumatisierend ist.“

„Ich bin dir echt nicht zu viel?“, hauchte Katsuya.

„Nein, Kleiner.“, der Ältere hob die Hand und fuhr ihm durchs Haar, „Zur Zeit nicht. Du strengst dich an und kämpfst, das ist wichtig. Und ich habe viel Unterstützung.“, er nickte zu den beiden anderen herüber.

„Und bisweilen brauchst du mich ja auch...“, ein Lächeln legte sich auf Katsuyas Lippen, während er seine Stirn auf der Schulter vor ihm ablegte und die Augen schloss.

„Richtig.“, die Hand wuschelte weiter in seiner nicht mehr vorhanden Frisur, kraulte ihn kurz und schlug ihm schließlich auf die Schulter, „Auf jetzt mit dir, wir haben Japanisch.“
 

Er hatte schon einmal festgestellt, dass Kaibas Stimme äußerst ablenkend war. Es bewahrheitete sich heute nur wieder. Sie hielt ihn in der Realität.

Sie war ähnlich haltend wie der Arm, an den gekrallt er sich zum Klassenzimmer bewegt hatte. Das hatte ihnen doch einige irritierte Blicke eingebracht – Seto schien das keinen Deut gestört zu haben, er hatte keine eiskalten Blicke verteilt und die anderen Schüler und Lehrer einfach ignoriert. Was auch immer derzeit mit ihm los war, es war erfreulich, wie stabil und mutig er war.

Vielleicht war es, wie Noah gesagt hatte – sie hatten beide ihr Mittelmaß zwischen Normalität und Krankheit. Ansonsten waren sie wie zwei Waagschalen – ging die eine runter, ging die andere rauf. Er war derzeit unten, Seto dafür oben. Zumindest hatte er so mal eine Vorstellung davon, wie Seto ohne Anfälle und heftigste Ängste war.

Und wie vermutet machte es ihn noch unwiderstehlicher... wann zur Hölle hatte er ein Faible für sarkastische Bastarde entwickelt? Okay, Seto entsprach nicht ganz dem Profil – er war zwar emotional schwer zugänglich, weil er diese meistens unterdrückte – aber insgesamt war er ein ziemlich emotionaler, phantasievoller Mensch. Blieb nur die Frage, ob er Yamis Horrorszenario seine ganze Kraft aufzuwenden, um seinen Partner zu „heilen“, wirklich verfehlte. Aber wenn er ihm entsprach, so hatte er zumindest die Sicherheit, dass es Seto genauso ging.

Irgendwie hatte Katsuya nicht das Gefühl sich um die Beziehung wirklich Sorgen machen zu müssen. Sie verstanden sich, sie halfen sich, sie liebten sich – mehr konnte er gar nicht kriegen. Er wusste zwar nicht, was das war, aber sein Gefühl sagte ihm gerade und in diesem Moment, dass er mit Seto glücklich war.

Nur mit sich selbst nicht, das war das Problem. Seinem Gefühl nach ging es ihm eigentlich nur durchgehend schlechter. Okay, vielleicht lag das wirklich an der nahenden Verhandlung, aber... nein, jetzt mal ehrlich, es lag an der Verhandlung. Klar machte ihm die Angst. Er hatte ja sowieso schon alle möglichen Gedanken, was alles passieren könnte...

Hieß, es sollte ihm besser gehen, wenn der Stress mit dieser Verhandlung vorbei war. Wenn er fest bei Seto wohnte und das nicht in der Schwebe hing. Wenn er keine Angst mehr haben musste zu seinem Erzeuger zurück geschickt zu werden. Wenn er diese Angst nicht mehr hatte.

Wenn er keine Angst mehr haben musste.
 

„Meinst du, die nächsten zwei Stunden schaffst du?“, fragte Seto leise, nachdem er neben seinem Tisch in die Hocke gegangen war.

„Mathe mit Yugi?“, was konnte schon groß passieren, als dass er wieder in seine Dissos zurück sank? Er nickte müde.

„Falls nicht, dann gib Ryou ein Zeichen, damit er dich raus bringt, ja? Ich bin in A2.“

„Ich weiß...“, der Blonde legte einen Arm auf sein Pult.

Seto hob nur eine seiner dunklen Augenbrauen.

„Hab' deinen Stundenplan aus dem Sekretariat...“

„Dürfen die den rausgeben?“

„Nö.“, ein sanftes Lächeln legte sich auf Katsuyas Lippen, „Böse?“

„Nein.“, der Ältere seufzte kaum hörbar, „Ich würde dich echt gern küssen...“

„Später, Schatz...“

„Hab' dich lieb.“, eine Hand wuschelte durch seine Haare, während er Seto beobachtete, wie er sich erhob, umdrehte und wegging.

„Dito...“

„Kats...“, Angesprochener hob schwerfällig den Kopf und drehte ihn zur anderen Seite, bevor er ihn wieder auf seinen Arm sinken ließ, um zu Ryou zu sehen, „Entschuldige, aber... wolltet ihr die Beziehung nicht geheim halten?“

„Ja...“

„Man sieht euch an, was zwischen euch ist. Wirklich.“, das junge Gesicht lag in Falten, „Ich vermute, auf kurz oder lang werden das auch die anderen sehen...“

Verdammt schlecht... das war wirklich verdammt schlecht...

„Wie fallen wir denn auf?“

„Ganz unbewusst...“, Ryou rückte noch etwas näher, „Eure Blicke sind so... liebevoll. Und eure Körperhaltung... als würde ein Magnet euch zusammenziehen. Ich kann es nicht beschreiben, es ist eure ganze Mimik und Gestik.“

Das hörte sich nicht so an, als würde das einfach zu ändern sein. Eher... als würde es gar nicht zu ändern sein.

„Wie lange?“, fragte Katsuya, die Stimme ernst und ruhig.

„Ich... vermutlich halten die Ferien das gut auf... aber... ein paar Mädchen werden es schnell herausfinden. Besonders die, die danach suchen.“

„Wieso sollten sie?“, eine Augenbraue hob sich, worauf Ryou nur seufzte.

„Katsuya, Herr Kaiba ist jung, schön und unverheiratet. Dafür muss es in ihren Augen einen Grund geben. Und der liegt auf der Hand...“

Er glaubte in den hellblauen Augen des Jüngeren etwas Dunkles schwellen zu sehen.

Hauswirtschaft

So, kommen wir mal wieder in seichtere Gewässer ^.^ Mal ein Kapitel ohne Zusammenbrüche.

Bei mir persönlich hat sich das Meiste nun geklärt, die Vorlesungen sind eingesetzt, keiner wurde rausgeworfen, wir haben zwei Extraleichen, alles paletti... irgendwie ein sehr komischer Satz ô.o *nochmalles*

Das Internetproblem hat sich zur Hälfte geklärt, ich werde die Kommentare also beantworten können, wenn Zeit da ist - da die Prüfung um eine Woche verschoben wurde, habe ich da zum Glück einen Puffer.

Danke, dass ihr die kleine Krise mit mir durchgestanden habt, danke für die ENS und Kommentare und viel Spaß beim Lesen ^.^
 

P.S.: Ich habe leider noch keine Lösung für das Formatierungsproblem ab dem zweiten Absatz! Die "Gänsefüßchen" lassen sich nicht mehr unten machen. Kann mir einer sagen, was mein PC da wieder angestellt hat und wie ich es ändern kann?
 

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Katsuya seufzte.

Das hier war echt nicht sein Tag. Extreme Dissoziationen, Ryous Enthüllung gerade und jetzt diese blöde Hauswirtschaftslehrerin, die für ihren Kampf für schulinternen Zusammenhalt und Sozialisierung der Schüler die Gruppen für ihren Unterricht neu einteilen wollte. Wahrscheinlich würde er entsprechend seines heutigen Glücks mit einem Typen von der Clique, die Ryou andauernd fertig machte, in eine Gruppe kommen.

„Ich möchte dieses Mal ein faires Losverfahren. Bitte nehmen sie sich einen Zettel, schreiben sie ihren Namen darauf und bringen sie ihn – einmal gefaltet...“, sie machte es mit einem Beispielzettel vor, „...nach vorne.“

Katsuya, der nach hinten gegen ein Regal gelehnt stand, hob eine Augenbraue. Lächelnd faltete er seinen ausgefüllten Zettel zweimal, bevor er ihn nach vorne brachte.

„So, ich werde nun immer zwei Zettel ziehen, sie laut vorlesen und die Genannten stellen sich dann bitte an je einer Arbeitsfläche zusammen.“, sie betonte jedes Wort.

Gemessen an der Schüleranzahl ihrer Klasse – vierunddreißig – hatte er eine Chance von ungefähr drei Prozent mit Ryou in eine Gruppe zu kommen. Nicht gerade viel...

„Kawaru und Hijiri.“, drei Komma zwei Prozent, „Tzusuki und Sato.“, drei Komma vier, „Ohara und Fuji.“, drei Komma sieben, „Bakura...“, ja? Ja? Ja?, „...und Le-Lang.“, verdammt... na, wenigstens ein netter Partner für Ryou. Zumindest hatte er bisher noch nichts Böses gegen einen von ihnen verlauten lassen. Ein stiller, ruhiger Halbchinese – hörte sich nicht gefährlich an. Aber er würde für Bakura ein Auge auf Ryous Umgang werfen.

„Jonouchi...“, Katsuya merkte auf, „...und Wakaba.“, öh... Wakaba? Der Blonde stieß sich von der Wand ab und ließ seinen Blick schweifen – wer war Wakaba? Das zierliche Mädchen, dass da auf ihn zu tänzelte? Vermutlich. Lange, braune, leicht gewellte Haare, Augen in der Farbe von Haselnüssen, eine zu kleine Nase und errötende Wangen, als sie zu ihm aufblickte. Hübsch war sie, aber keine Schönheit. Wahrscheinlich kokettierte sie mit mädchenhaften Gehabe, um Jungs anzulocken. Mal sehen, was das werden würde...

„Katsuya.“, er neigte den Kopf zur Begrüßung.

„Ich... ich bin Ayumi.“, noch weiter errötend wandte sie den Blick ab. Wetten, Ryou verhielt sich gerade ähnlich diesem Le-Lang gegenüber? Bei allen Göttern, wo hatten die Menschen eigentlich ihr Selbstvertrauen gelassen?

„Welchen Tisch hättest du gern? Such dir ruhig einen aus.“, bot er höflich an.

„Danke schön.“, sie verbeugte sich kurz und zeigte auf einen Tisch nahe dem Fenster, relativ in der Mitte der Reihen vom Pult aus gesehen, „Der da hinten vielleicht?“

„Gern.“, wenigstens keine Entscheidungsneurose, „Soll ich deine Tasche nehmen?“, die arg schwer aussah für so ein zierliches Ding – oben sahen nämlich schon die Bücher raus.

„Vielen Dank.“, wie rot konnte man werden? Da war ja selbst Ryou blass gegen.

Seufzend schnappte Katsuya sich ihre und seine Tasche und schlenderte herüber zu dem Tisch, Wakaba schweigend hinter sich her tapsen lassend – so wie auch Ryou und Le-Lang. Hatte sein Kleiner den Typen überredet einen Tisch in seiner Nähe zu nehmen? Katsuya sandte ihm über seine Schulter ein Lächeln.

Vielleicht wurde das doch lustiger als erwartet.
 

„Mit ihren neuen Partnern werden sie, wie ich gestern überrascht feststellte, nur eine Woche arbeiten. Ich hoffe, sie können sich dennoch entsprechend näher kommen. Nach den Ferien werden wir erst einmal eine Sektion theoretischen Unterricht einlegen.“, nur noch eine Woche bis zu den Ferien... himmlisch. Und nur noch die eine Arbeit morgen... „Bis zum Ende der Woche werden wir erst einmal das Zubereiten von Fleisch erlernen.“

Er musste nur vorher widerstehen sich selbst zu töten, indem er sich aus Verzweiflung über das Niveau dieses Unterrichts aus dem Fenster neben sich warf.

„Keine Sorge, das ist nicht so schwer.“, zwitscherte Wakaba neben ihn als Antwort auf sein Seufzen, „Meine Eltern führen ein Restaurant, die haben mir schon Kochen beigebracht.“

„Erfreulich. Ich koche auch schon seit über sieben Jahren.“, wenn auch aufgrund von Lebensmittelmangel nicht oft in dieser Zeit, „Mich nervt nur dieser Unterricht.“

„Oh!“, sie errötete wieder, „Tut mir Leid.“

„Kein Problem.“, er musterte sie kurz, „Traut man mir wahrscheinlich auch nicht zu, was?“, lächeln... wenigstens ein kleines Lächeln – sie konnte nichts für seine Laune.

„Nein, gar nicht.“, sie wagte es aufzusehen und ihre Lippenränder ein wenig zu heben, „Ich dachte, du wärst ein... nun, etwas grober.“, ihre Hand fuhr in ihr Haar, wo sie eine ihrer Locken um ihren Zeigefinger wickelte, „Nicht so galant.“, noch röter...

Das hier wäre sicherlich der Punkt, wo sich Seto spätestens einmischen würde, um zu verdeutlichen, dass Katsuya vergeben war. Die schmachtete ihn hier vielleicht an... na, egal. Er würde eh kaum etwas mit ihr anfangen.

„Mein Vergnügen.“, er neigte kurz sein Haupt, bevor er sie stehen ließ, um die Anweisung ihrer Lehrerin zu befolgen und sich eines der dünnen, mickrigen Steaks von vorne zu holen. Genau so eins, wie er gestern Abend erst für Seto gemacht hatte. Nur war das von weit besserer Qualität gewesen.

Ach ja... wie wäre es wohl mit Seto hier Kochkurs zu haben? Für ihn wäre diese Lehrerin genau das Richtige. Und Katsuya könnte aufpassen und Tipps geben. Warum konnte er nicht einfach noch mal Jugendlicher sein? Wäre das nicht echt klasse mit Seto zusammen zur Schule zu gehen? Und keinen würde ihre Beziehung auch nur einen Deut interessieren... wahrscheinlich würden die meisten es einfach nur als enge Freundschaft abstempeln.

Katsuya schüttelte den Kopf. Tagträumereien einer heilen Welt konnte er sich nach der Gerichtsverhandlung leisten. Vorher musste er sich der Realität stellen.
 

"Meinst du nicht, wir sollten noch einen Schuss Paprika hinzufügen?”, Wakaba hob die Gewürzdose ein Stück.

“Ich wäre eher für Curry. Paprika ist zu lau.”, er ließ den Blick kurz schweifen, “Oder haben die hier vielleicht frischen Thymian? Wir könnten beides zusammen anbraten.”

“Da wäre ich eher für Dill und einen Senfaufstrich.”

Sein Blick blieb an ihren Haselnussaugen hängen, während er den Zeigefinger ans Kinn legte, sein Gewicht auf eine Hüftseite stützte und murmelte: “Eigentlich gar keine schlechte Idee... haben wir denn Dill hier? Und Lyonsenf?”

“Ich gehe nachsehen!”, zwitscherte sie lächelnd und zischte ab.

Was für ein Energiebündel... noch aufgekratzter als Ryou, noch sturer als er selbst und eine noch schlimmere Schnute als Klein-Seto. Und anscheinend hoch begeistert von ihm. Was war das bloß für eine Mischung? Seufzend schüttelte Katsuya den Kopf und sah zum Nebentisch herüber, wo Le-Lang hinter Ryou getreten war, die Gewürzdose und Ryous Hand umfasste und ihm etwas über das Dosieren erzählte.

Wer’s glaubte... so naiv war nicht einmal Katsuya. Ryou aber anscheinend schon. Leichte Röte auf seinen Wangen, eine begeisterte Stimme und – nein, der Typ legte nicht gerade seinen Arm um Ryous Hüfte, oder?

“Hrgh-hm...”, räusperte sich der Blonde, was den Halbchinesen von seinem Freund zurückweichen ließ, “Ryou, ich vermute, du bemerkst das selbst nicht, aber ich denke, dein Freund...”, er betonte das Wort unmissverständlich, “...wäre nicht sehr glücklich darüber zu hören, welch Körperkontakt du zu manchen Mitschülern pflegst.”, war das höflich genug ausgedrückt? Wäre Bakura hier, wäre nämlich mindestens Le-Lang Katzenfutter – möglicherweise Katsuya wegen Vernachlässigung seiner von ihm auferlegten Aufsichtspflicht auch.

“Oh...”, die Gesichtsfarbe des Jüngsten wechselte schlagartig in ein tiefes Rot, “Entschuldige.”

“Bei mir brauchst du dich nicht zu entschuldigen.”, Katsuya warf den Schwarzhaarigen hinter jenem einen eiskalten Blick a la Seto Kaiba zu und wandte sich zu seiner anstürmenden Kochpartnerin.

“Hab’s gefunden!”, rief sie erfreut und drückte ihm das Senfglas praktisch mitten ins Gesicht, weswegen er ein paar Zentimeter zurückwich, “Aber an dem Dill hängen Viecher...”, sie legte die Stängel, die sie zwischen Zeigefinger und Daumen geklemmt hatte in Katsuyas offene Hand.

“Ich mach sie ab. Beschmierst du das Fleisch mit Senf?”

“Mach ich!”, sie stürzte sich förmlich auf die Arbeit.

Ne, ne, ne... Alltag konnte schon anstrengend sein.
 

“Wie geht es dir?”, erkundigte sich Seto mit gesenkter Stimme auf dem Weg zum Wagen.

“Besser, danke.”, Katsuya seufzte leise, “Nur der Umgang mit Menschen ist anstrengend.”

“Kenne ich.”, auf seinen Lippen bildete sich ein schiefes Lächeln, “Aber das vergeht. Das taucht nur auf, wenn du überlastet bist.”

“Bin ich das?”, die blonden Augenbrauen zogen sich zusammen und legten die Stirn in Falten, “Warum?”

“Wegen der Gerichtsverhandlung. Du hast keine Ahnung, was da auf dich zukommt, oder?”

“Na ja... ich muss dem Richter erzählen, was mein Vater mit mir gemacht hat, richtig?”

Seto nickte einmal.

“Und Isis wird über meine Verletzungen und mein Verhalten im letzten Jahr berichten.”

Nicken.

“Und sie, wie sie mich erlebt haben und was sie von der Misshandlung mitgekriegt haben.”

Nicken.

“Und... was noch?”, Katsuya drängte sich etwas näher an den Größeren, der leise antwortete.

“Dein Vater wird aussagen. Ebenso deine Mutter wahrscheinlich. Möglicherweise sogar deine Schwester.”

“Muss Shizuka aussagen?”, flüsterte der Blonde und blieb stehen.

“Nein, muss sie nicht.”, Seto hielt ebenso und drehte sich zu ihm, gab seine Tasche in die Hand, dessen Arm seinen Mantel hielt und legte die nun freie Hand auf Katsuyas Schulter, “Aber sie kann. Ich habe leider zwischen Sonntag und heute keine neuen Informationen bekommen. Ich weiß also nicht, ob sie darum gebeten wird.”

“Aber was sollte sie schon sagen? Sie haben sie immer geschützt... Mutter hat sie immer geschützt. Sie hat doch nichts davon mitbekommen.”, ein Schluchzer verließ Katsuyas Lippen, “Ich hoffe, sie hat nichts mitbekommen...”

“Deine Schwester ist jetzt sechzehn, richtig?”

Er nickte nur. Würde er sie überhaupt noch erkennen? Zehn Jahre waren eine verdammt lange Zeit.

“Meinst du nicht, damit ist sie alt genug, um die Wahrheit zu erfahren? Du musst sie nicht vor der ganzen Welt beschützen. Ich wette, sie weiß selbst, dass nicht alles schön und fröhlich ist. Und wenn sie es nicht weiß, dann ist es höchste Zeit es zu lernen. Und am besten auf eine Art und Weise, die nicht allzu schmerzhaft ist – aus den Erfahrungen anderer.”

“Aus... meinen?”, durch einen Tränenfilm sah er zu Seto auf.

“Ja, aus deinen Erfahrungen. Genau das wollte ich sagen. Damit hilfst du ihr mehr, als wenn du sie von allem Leid fern hältst – weil du das auf Dauer nicht schaffen kannst.”, der Brünette trat einen Schritt zur Seite und schob den Jüngeren neben sich her, bis er von selbst wieder auf gleicher Höhe weiterging, “Denk doch mal an Yugi. Yugi ist ein Mensch, den man sein Leben lang von allem Leid ferngehalten hat, während Yami die Hölle erlebte. Du hast doch gesehen, was für einen Keil das zwischen sie getrieben hat, weil Yami ihn nicht belasten wollte, nicht?”

Oh ja, das hatte er. Heutzutage konnten sie es kaum im selben Raum aushalten. Yami konnte Yugi nicht ertragen und der dessen Worte nicht... so sollten Shizuka und er wirklich nicht enden. Vielleicht war es doch gut, dass sie bei der Verhandlung dabei war... vielleicht...
 

“Etwas im Wert schätzen?”, Seto versuchte immer noch verzweifelt Katsuyas Sitzart zu imitiieren, aber der Schneidersitz wollte noch nicht so klappen – erst recht, wenn man nur eine Hand hatte, um seine langen Beine auf dem Sofa zu ordnen, weil die andere durch ein Buch belegt war.

“To appraise something.”

“Etwas schätzen, mögen, zustimmen?”, der Brünette warf einen musternden Blick auf Katsuyas Beine und zog seinen rechten Fuß in die richtige Position.

“To approve of something.”

“Etwas mögen, lieb haben?”

“To like something.”

Seto sah hoch zu Katsuyas Augen und fragte: “Etwas lieben?”

“To love something... or someone.”

“In jemanden verliebt sein?”

“To be in love with a special someone, here named Seto Kaiba.”

“Hm... das steht so gar nicht im Buch.”, sein Gegenüber grinste ihn an, “Ich muss mich bei den Autoren beschweren."

“Idiot...”, murmelte Katsuya nur und gluckste trotzdem ein wenig, “Wäre schlimm, wenn alle Welt in Seto Kaiba verliebt ist.”

“Wieso? Dann hätte mein Egozentrismus wenigstens einen plausiblen Grund – und mein Verfolgungswahn auch.”, er warf wieder ein Blick in das Buch, “Ich glaube, du kannst die Vokabeln.”

“Jetzt müsste ich sie nur noch intelligent einsetzen können.”, der Jüngere entwirrte seine Beine und kroch zu seinem Freund herüber, “Zum Beispiel für ein weiteres Gedicht. About approving your... skills.”

“Was höre ich da für einen Unterton mitschwingen?”, etwas Lüsternes zog durch die blauen Augen.

“Keinen besonderen...”, der Blonde nahm die Lippen in Beschlag, die sich rot leuchtend von Setos glatter Marmorhaut absetzten.

“Wirklich nicht?”, murmelte der andere zwischen zwei Küssen.

“Vielleicht ein klein wenig besonders...”, eine Hand legte sich in Katsuyas Nacken und zog ihn näher – eher gesagt mit ihm, als Seto sich zurücklehnte und seinen Rücken an das Sofa schmiegte und den Jüngeren über sich zog.

“Krieg ich eine Belohnung dafür, dass ich dich abgefragt habe?”, schnurrte der Drache ihm entgegen.

“Was möchtest du denn?”, fragte Katsuya nicht weniger verführerisch.

“Lass mich dir das oben erzählen...”

Die Englischarbeit

Da denkt man, man baut mal wieder ein Kapitel ohne Anfälle zur Beruhigung, weil man letztens einen drauf bekommen hat, weil zu viele Anfälle kommen und schon kriegt man den nächsten drüber XD Nun, ich versuche ein Mittelmaß zu finden ^.- Dieses Kapitel ist gemischt.

Am Freitag habe ich meine erste Anatomieprüfung, bitte drückt mir alle die Daumen! Und nun viel Spaß beim Lesen ^.-
 

P.S.: Exposee des Buches ist fertig. Wenn ich jetzt endlich Internet und Telefon kriege, was ich morgen beantrage, komme ich auch mal an die Verlage...
 

Disclaimer: Shakespeare's Sonett gehört definitiv nicht mir ^.^" Da die Rechte aber frei sind, bin ich so frei es zu benutzen.
 

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"Hrm...", Seto zog die Augenlider zusammen und drehte den Kopf einige Zentimeter in Katsuyas Richtung.

"Tut mir Leid... bitte wach nicht auf...", flüsterte der Blonde beschwörend und drückte sich enger an dessen Seite, "Nicht aufwachen..."

"Katsuya?", murmelte der Ältere leise, während seine Lider flatterten, "Hey...", ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, während er die Arme um den Jüngeren schlang, "Was ist los? Wieder Alpträume?"

"Tut mir Leid, tut mir Leid, tut mir Leid...", flüsterte Katsuya wie ein Mantra.

"Hey, ist okay...", seine Stirn wurde in Setos Halsbeuge gezogen, "Sssh... ist okay... sssh...", eine kühle Hand strich seine Wirbelsäule hinab.

"Tut mir Leid... ich weiß doch, dass du schlecht schläfst. Ich wollte dich nicht wecken. Tut mir Leid."

"Katsuya.", ein Arm langte an seinem Kopf vorbei, bevor es hinter seinen geschlossenen Lidern hell wurde, "Komm, sieh mal her."

Ganz viel rotgelb beschienene, mamorne Haut... Katsuya lehnte sich etwas zurück und sah zu den graublauen Augen auf.

"Es ist kein Problem, wenn du mich weckst, weil du Alpträume hast. Wirklich.", ein kurzer Kuss wurde auf seine Lippen gesetzt, "Ich nehme mir das Recht schließlich auch.", dieses verfluchte, schiefe Grinsen...

Ein Lächeln legte sich auf die Lippen des Jüngeren.

"Sehr schön.", seine Belohnung war ein weiterer Kuss, "Und jetzt erzähl mal – was hast du geträumt?"

"Ich hab'... ich bin gerannt... da war ein Tor, das war irgendwie gruselig. Aus grauem Stein mit Totenköpfen und skelettierten Engeln und... ich weiß, ich hatte Angst, total Panik, als würde mich etwas verfolgen, deswegen bin ich trotz meines schlechten Gefühls durch das Tor. Und dann...", die Atmung des Jüngeren war schnell und unregelmäßig.

"Ruhig... was geschah danach?", ein Finger strich über seine Wange, während die blauen Augen seinen Blick gefangen hielten.

"Ich kam auf ein Feld, das war voll mit Kreuzen, an denen Leichen hingen. So richtig mit Nägeln, wie Jesus. Und... da hing Yami. Und Ryou...", eine Träne rann über seine Wange, "Und du."

"Waren wir tot?", fragte der Ältere.

"Ja...", hauchte der Blonde, "Ihr ward praktisch... zerfleischt... da waren Raben, die haben an euch gefressen... und Würmer...", ein Schluchzen, "Ich krieg' die Bilder nicht aus meinem Kopf!"

"Katsuya... konzentrier' dich. Konzentrier' dich auf mich. Sieh in meine Augen.", Seto griff nach seiner Hand und zog diese an seine Brust, "Fühle meinen Herzschlag. Ruhig... ganz ruhig..."

Bomm. Babomm. Bomm.

Ruhig. Gleichmäßig. Tief. Stark. Kräftig.

Stetig. Katsuya versank in einem Meer von Graublau. Wie konnten diese Augen so fest wie ein alter Baum wirken? Wie konnte dieser Blick so stark und sicher sein? Die Seiten Setos Seele wechselten schneller als Herbstlaub seine Farbe änderte und doch war seine Präsenz unverrückbar wie ein Fels in der Brandung. Und auch wenn diese Augen von strahlendem Südseewasser zum Nebel auf schottischen Wiesen reichten, waren sie wie eine Konstante, die parallel zu seinem Lebensweg verlief.

“Komm...”, Setos Hand fuhr seine Wirbelsäule hinauf in das blonde Haar und drückte den Jüngeren sanft gegen sich, “Gib’ dem Schlaf noch eine Chance.”, die kühle Nasenspitze wanderte über seine Kopfhaut, während ihnen Schmetterlingsküsse folgten, die mit der sanften Umarmung und der Nacht zu einer wohligen Wärme in Katsuyas Herzen verschmolzen.
 

“Ich fühl’ mich so tot...”, murrte der Blonde und schlürfte in die Küche.

“Passiert bei Schlafproblemen schon mal.”, Seto warf einen Blick über seine Zeitung hinweg, “Kaffee?”

Braune Bernsteinaugen taxierten den Becher in der Hand des anderen mit einem Blick, bevor er sich mit einem unbestimmten Grummeln auf den ihm nächsten Stuhl fallen ließ und den Kopf in die Hand stützte.

“Ich vermute, das heißt nein.”, Papierrascheln der Zeitung und schon wurde der Lehrer wieder von einer weißschwarzen Mauer verdeckt.

“Was schreibe ich heute wann?”, Katsuyas Stimme hatte etwas Brüchiges, Resignierendes.

“Englisch in der ersten und zweiten Stunde.”, weiteres Papierrascheln, “Eine Gedichtanalyse von einem Sonett von Shakespeare.”

“Von welchem?”, sein Kopf sank Richtung Tischplatte.

“Sonnett Nummer neunundzwanzig.”

“Das sagst du mir?”, Katsuyas blinzelte überrascht.

“Ich glaube nicht, dass du vor der Arbeit herausfindest, welches das ist.”, Seto legte die Zeitung auf den Tisch und hob seine Reisschale zum Mund, während er nach den Stäbchen griff.

“Höchstwahrscheinlich...”, der schwere Kopf legte sich seitlich auf Ober- und Unterarm, “Worum geht es denn?”

“Um Liebe.”, ein gemeines Grinsen, “Wie in praktisch jedem Sonnett.”

“Weswegen ich nicht hinschreiben darf, dass es um Liebe geht, richtig?”

“Richtig.”, Seto nahm einen Bissen, kaute und schluckte, “Ein Fakt, den sicher mindestens die Hälfte der Klasse vergessen hat, wetten?”

“Schlimm?”, Katsuyas Mundwinkel zogen sich ein klein wenig in die Höhe.

“Ich werde mich schwarz ärgern.”, der Lehrer seufzte tief, “Manchmal frage ich mich, wo Schüler mit ihren Gedanken sind, während sie mich wie hypnotisierte Kaninchen anstarren.”

“Bei einer möglichen Zukunft an deiner Seite.”, murmelte der Jüngere leise und zog sein Reisschälchen zumindest in die Nähe seines Gesichtes – in das Sichtfeld auf Seto.

“Was meinst du damit?”

“Ryou meint, unsere Gestik und Mimik würde uns verraten. Er glaubt, dass es nicht lange dauern wird, bis jemand das mit uns bemerkt.”, antwortete er mit leiser, monotoner Stimme.

“Gut möglich.”, Seto schnappte sich mit den Stäbchen ein weiteres Reiskügelchen, “Aber wir können es wohl nicht ändern. Zumindest fällt mir spontan keine Lösung ein – außer, dass ich die Schule verlasse.”

“Wirst du das tun?”, fragte Katsuya mit einem Zittern in der Stimme.

“Nein.”, der Blick graublauer Augen bohrte sich in seinen, “Solange ich mich darauf verlassen kann, dass du selbst unter Wahrheitseid aussagst, dass wir nur zusammen wohnen und du nicht von mir bedrängt, belästigt oder erpresst wirst – und das absolut nichts Intimes zwischen uns läuft.”

“Das... wäre eine Lüge...”, der Blonde ließ die Stäbchen wieder sinken, die er gerade aufgenommen hatte.

“Ja, das wäre es.”, Seto schluckte, “Aber mit jeder anderen Aussage bringst du mich vors Gericht. Schließlich bist du minderjährig.”
 

Minderjährig... was sagte dieser Begriff? Nicht alt genug? Für was? Um zu arbeiten? Um alleine zu leben? Um eigene Entscheidungen zu treffen? Um für sich selbst verantwortlich zu sein?

Seto war mit fünf Jahren für sich selbst verantwortlich geworden. Okay, er war danach auch ein paar Jahre im Waisenhaus, wo für ihn gesorgt wurde, aber spätestens mit zehn war er selbstverantwortlich gewesen. Er war fünfzehn gewesen, als er als Präsident eines riesigen Wirtschaftsunternehmens komplett ins Berufsleben eintrat und die Verantwortung über tausende von Mitarbeitern übernahm. Und in genau demselben Alter hatte er schon das Sorgerecht – auch offiziell – für seinen Bruder, wenn er es wahrscheinlich auch auf keinem legalen Wege erworben hatte, da er nicht einmal volljährig gewesen war.

Auf der anderen Seite Yugi, der mit seinen jetzt sechsundzwanzig Jahren bei seinen Eltern wohnte und ihnen vollkommen hörig war. Der es nicht schaffte die Einstellung seiner Eltern auch nur zu überdenken, obwohl er deswegen seinen Bruder und seine zwei einzigen Freunde verloren hatte. Freunde, vor denen er jetzt davon lief oder sie ignorierte...

Was sagte also das Alter über einen Menschen aus? Konnte man wirklich sagen, ein Dreißigjähriger habe mehr Erfahrungen als ein Kind? War das nicht einfach völliger Blödsinn?

Katsuya seufzte. Sollte er nicht einfach jemanden fragen, der sich damit auskannte?

“Seto?”, der Fahrer gab einen Ton von sich, der ihm bestätigte, dass er zuhörte, “Warum gibt es diese Volljährigkeitsgrenze? Woran misst man die?”

“An der Normalentwicklung eines Kindes.”, antwortete er ohne jegliche Überraschung in der Stimme, “Die Pubertät setzt zwischen dem zehnten und vierzehnten Lebensjahr ein. Das ist zum einen die hormonelle, zum anderen die kognitive Entwicklung, die dort wichtig ist. Sie erst macht einen Menschen fähig unabhängige Entscheidungen zu treffen. Danach, mit sechzehn ungefähr, gibt es noch einen letzten kognitiven Schub, wonach man einen Menschen von seiner Entwicklung her als Erwachsen bezeichnen kann. Das ist dann normalerweise mit siebzehn oder achtzehn. Danach beginnt spätestens – meistens fängt sie schon in der Pubertät an – die Identitätsfindungsphase. Für einige Menschen ist ein Kind erst danach erwachsen.”

“Das ist die Phase, in der ich bin, oder?”, Katsuya ließ sich etwas tiefer in den Sitz und den Blick zu seinen Turnschuhen sinken. Es ging also nicht um Lebenserfahrung oder Verhaltensweisen.

“Du erinnerst dich, dass du erst vor einer Woche die ersten Häarchen im Gesicht hattest?”, fragte der Ältere leiser, vorsichtiger nach.

“Ja?”, Katsuya schlang die Arme um seinen Oberkörper.

“Das ist Teil einer hormonellen Umstellung. Du bist also in den letzten Zügen der Pubertät. Yami vermutet, dass die Sache mit deinem Vater deine Entwicklung praktisch vollkommen lahm gelegt hat.”

“Ich bin in der Pubertät?”, Entsetzen schwang in seiner Stimme mit.

“Ja, Kats, bist du. Aber bei weiten in den Endzügen, keine Sorge. Du bist kein unausstehliches Balg mehr.”, Seto löste eine Hand vom Steuer und griff ohne hin zu sehen zielsicher nach einer Strähne hinter Katsuyas Ohr, wickelte sie um seinen Finger und kraulte seinen Freund kurz, bevor er ihm die Hand wieder entzog.

“Nicht mehr?”, fragte der Blonde lauernd.

“Als wir uns vor anderthalb Monaten kennen lernten, warst du defintiv ein klein wenig unausstehlich.”, ein schon fast liebevolles Lächeln legte sich auf Setos Lippen, “Kleiner Rebell.”

“Sie auch, Herr – Lehrer – Kaiba.”, konterte Katsuya neckisch.

“Was, ich bin nicht mehr unausstehlich?”, fragte der Brünette mit gespieltem Entsetzen und gluckste, während sein Freund auflachte, “Na, warten wir erst einmal die Arbeit ab.”
 

Gedichtanalyse.

Grausam.

Eine sehr passende Alliteration. Nun gut, auf in den Kampf. Aufgabenstellung lesen, Aufgaben notieren, Vorgehen planen, Text nach Stilmitteln durchsuchen, Text auf Inhalt lesen, Text ein Thema geben, Text einteilen und Unterthemen bestimmen.

Einfaches Schema, gar nicht so einfache Ausführung. Aber wenigstens hatte Kaiba Wörterbücher Englisch-Englisch zugelassen. Ohne wäre Shakespeare wahrlich zu schwer. Okay, wenn man es daran maß, wie manche sich im Unterricht angestellt hatten, war es sowieso zu schwer, aber hey – wahre Kunst musste gewürdigt werden.

Okay, ein Haufen Stilmittel war gefunden. Auf zum Thema. Und nicht Setos Tipp vergessen: Nicht “Liebe” schreiben. Oder zumindest nicht nur das.

When, in disgrace with fortune and men’s eyes,

I all alone beweep my outcast state,

And trouble deaf heaven with my bootless cries,

And look upon myself, and curse my fate...

Meine Güte, das hörte sich verdammt nach Seto Kaiba an. Verdammt vom Schicksal, verzweifelt und traurig, ausgestoßen, sein Leben verfluchend, innerlich nach Hilfe schreiend mit niemandem, der die Schreie hörte.

Wishing me like to one more rich in hope,

Featured like him, like him with friends possest,

Desiring this man’s art, and that man’s scope,

With what I most enjoy contented least...

Definitiv ein Gedicht, was Seto ausgewählt hatte, weil es verdammt gut auf ihn passte. Hoffnung wollte er also haben. Hoffnung, Freunde, Talent... er schätzte sich selbst wirklich kein Stück. Wenn es ein Wunderwerk an Mensch gab, dann war es doch er. Aber er selbst sein... Katsuya seufzte. Nein, Seto Kaiba wollte er definitiv nicht sein. Er wollte keine solche Vergangenheit haben, nicht solche Ängste, nicht solch einen Hass auf sich selbst, nicht den Reichtum, nicht die Macht, nicht die Verantwortung. An seiner Seite zu sein war vollkommen in Ordnung. Doch er würde nicht mit Seto tauschen wollen.

Yet in these thoughts myself almost despising...

Katsuya gab ein trockenes Lachen von sich. Almost war gut. Das war die Untertreibung des Jahrhunderts. Er verachtete sich nicht fast, er verachtete sich zutiefst.

Haply I think of thee – and then my state

Like to the lark at break of day arising

From sullen earth, sings hymns at heaven’s gate...

Katsuyas Blick schnellte in die Höhe und fixierte die graublauen Seen, die sich in seine Richtung wandten. Pamm, pamm, pamm, pamm, pamm – er spürte unter dem intensiven Blick die Röte in seine Wangen steigen. Meinte Seto das ernst? Verstand er das so, wie er dachte es verstehen zu sollen? War es richtig es so zu verstehen, wie er dachte? War das Setos Intention? Er löste die Augen von den rauchigen Saphiren, mit deren durchdringendem Blick Seto ihn fesselte.

For thy sweet love remember’d such wealth brings,

That then I scorn to change my fate with kings.

Eine einsame Träne rann Katsuyas Wange hinab. War das hier... als Liebesgeständnis zu verstehen?

Wut

Ich muss eine Ankündigung zurücknehmen, denn das Studium gestaltet sich anders als erwartet - es ist nicht so, dass ich bisweilen nicht ein Kapitel die Woche schaffe, es ist eher so, dass ich weit mehr schaffe. Derzeit bin ich bei Kapitel 18, ich könnte also theoretisch ein paar mehr Kapitel veröffentlichen. Ich werde darüber nachdenken ^.^

Wir befinden uns derzeit übrigens am Mittwoch, siebte Woche. Und dieser Mittwoch wird ein langer Tag von mehr als fünf Kapiteln, nur zur Vorwarnung. Dieses Kapitel hier ist Reunion-Kadaj gewidmet, weil sie genau heute Geburtstag hat ^.^ (aus keinem anderen Grund, ja, Spatz? Ô.o) Ich hoffe, sie findet es heute noch ^.- Ihr und auch allen anderen viel Spaß beim Lesen!
 

P.S.: Ich kann es nicht oft genug sagen - danke für eure Kommentare! Ihr helft diese Geschichte zu entwickeln!
 

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“So, Ende. Stifte weg und Arbeiten nach vorne.”, wies Seto die noch Schreibenden an – was niemand außer Wakaba und Ryou waren, die fiebernd noch einige Sätze hinkritzelten, bevor sie die kostbaren Blätter in Setos Fänge legten – zumindest drückten das ihre Gebärden aus, so wie sie ihm ihre Arbeiten gaben, “Ihr habt noch fünf Minuten, bis euer Chemieunterricht beginnt. Also raus mit euch.”

Der Lehrer packte den Stapel Blätter zusammen, während Wakaba, die noch vor ihm stand, die Stimme erhob: “Herr Kaiba, wann kriegen wir die Japanischarbeiten wieder?”

Seto übertönte das genervte Stöhnen der Klasse: “Montag.”

“Schaffen sie es bis morgen nicht?”, ihre Stimme war fast quengelig.

“Da erinnerst du mich an etwas...”, er hob den Blick in den Raum, “Klasse? Ich bin morgen nicht da. Ihr habt die ersten beiden Stunden frei und eine lange Mittagspause.”

Wow... das war mal ein ganz anderer Effekt. In die Luft springende Schüler, Jubel und lächelnde Gesichter. Wäre Katsuya Lehrer, er würde sich reichlich verarscht vorkommen, wenn alle sich freuten einen nicht zu sehen. Wenigstens Wakaba und Ryou sahen halbwegs traurig darüber aus.

Der Blonde schüttelte den Kopf und packte seine Sachen zusammen.

“Bist du morgen auch nicht da?”, flüsterte Ryou ihn von der Seite an.

“Hm-hm...”, murmelte Katsuya zurück ohne den Blick zu heben.

“Wo seid ihr?”

“Gericht. Verhandlung gegen meinen Vater.”, presste er hervor, bevor er praktisch alle Muskeln seines Gesichts anspannte und stur weiter packte – alles wieder raus, in neuer Ordnung wieder rein.

“Tut mir Leid, ich wollte nicht... kann ich etwas für dich tun?”, eine Hand legte sich auf seinen Oberarm, doch er schüttelte sie sofort ab.

“Lass mich einfach... geh schon mal. Ich muss...”, Katsuya hob gehetzt den Blick und sah Seto im Gespräch mit Wakaba, “Schnapp dir Wakaba, damit ich mit Seto allein sein kann, ja?”

“Mach’ ich.”, sicherte Ryou zu, warf ihm noch einen besorgten Blick zu und wandte sich ab, um am Pult seine Mitschülerin von ihrem Lehrer loszueisen.

Katsuya hörte noch ein “Was hast du denn geschrieben?”, eine Art Quietschen und eine ins Schloss fallende Tür, bevor er fest an eine harte Brust gezogen wurde und sofort die Arme um die Person vor ihm schlang.

“Hey... ruhig...”, flüsterte Seto in sein Ohr und wiegte ihn sanft von links nach rechts, “Ganz ruhig... was hat dich so aufgeregt?”

“Ryou hat gefragt, wo wir morgen sind...”, Katsuya hörte seiner eigenen Kehle ein Schluchzen entkommen, während er Setos Brustkorb zwischen seinen Armen quetschte.

“Und du hast ihm geantwortet?”, der Größere hustete.

“Ja.”, er versuchte seinen Griff ein wenig zu lockern, um Seto atmen lassen zu können.

“Und was regt dich so auf?”

“Ich... ich...”, er krallte die Nägel in das dunkelblaue Jackett, “Ich weiß nicht... ich... ich hab’ Angst! Ich hab’ so verdammt Angst!”, ein weiteres Schluchzen ließ seinen ganzen Körper beben, “Ich hab’ Angst...”

Seto ließ nur eine Hand in seinen Schopf fahren, drückte seinen Kopf näher an seine Brust und kraulte den blondbehaarten Nacken.
 

“Seto?”, fragte Katsuya nach einer halben Ewigkeit.

“Ja?”

“Was... ähm... du... also...”, er löste seine Nägel aus dem teuren Stoff und zog sie an seinen Körper, um ein ganz klein wenig Abstand zwischen ihnen zu schaffen.

“Ja?”, in der Stimme des Älteren schwang ein Amüsement mit.

“Ich... ähm... sollte... also...”, Katsuya seufzte, “Soll ich das Gedicht aus der Arbeit so verstehen, als hättest du es geschrieben?”

Ein Handrücken fuhr über seinen Hals hinauf zu seinem Kinn und hob es, damit er Seto in die Augen sah, der leise zurückfragte: “Möchtest du das denn?”

Ob er das wollte? Was für eine Frage! Der Typ hielt echt viel zu wenig von sich.

“Ja, das...”, oh nein, er wurde nicht schon wieder rot, oder? “Das möchte ich gerne...”

“Warum ist diese Situation bloß so verdammt kitschig?”, flüsterte Seto, während er sich vorbeugte und ohne eine Antwort abzuwarten einen Kuss auf Katsuyas Lippen setzte.

“Weil ich mich wie eine naive Jungfrau verhalte?”, schlug der Jüngere vor und küsste retour.

“Weil ich dich so behandele?”, Setos Lippen pressten sich intensiver auf die seinen und öffneten sie beide, während die Hand an seinem Hinterkopf sich in sein Haar krallte und seinen Kopf ein wenig rabiat in den Nacken zog.

Eine heiße Zunge duellierte sich mit seiner, die noch im selben Moment hervorgeschnellt war, sodass beide um ihr Territorium kämpften. Sie krachten aufeinander, drückten einander und glitten aneinander ab, nur um ihren Tanz von vorne zu beginnen.

Ein entferntes Räuspern ließ Seto von ihm zurückschnellen, während beider Blicke zur Tür flogen.

“Wäre hier irgendwer anders als ich reingekommen...”, Ryou ließ den Satz unvollständig, doch Katsuya konnte ihn sich problemlos weiterdenken.

“Richte eurem Lehrer aus, dass Katsuya ein Gespräch mit dem Direktor hat und deswegen nicht erscheinen wird.”, befahl Seto verärgert, was nicht nur Ryou sondern auch Katsuya aufhissen ließ.

“Seto?”, das Gesicht des Blonden drückte pures Erstaunen aus, “Du willst uns schwänzen lassen?”

Anbei... das Wort schwänzen kam nicht daher, was ihm gerade durch die Gedanken schoss, oder? Er spürte seine Wange einen tiefen Rotton annehmen.

“Nein, der Direktor will dich sehen wegen der Beurlaubung für morgen. Er ließ sich nicht davon überzeugen, dass ich ihm das genauso gut erklären könnte wie du.”, ein kalter Schauer rann seinen Rücken herab und vertrieb das Rot mit einem Schlag.

“Was... wieso... was will er... was geht den das denn an?”, schrie Katsuya laut.

“Ruhig, Kleiner, ruhig...”, Seto seufzte, “Das zur sanften Vorbereitung...”

“Tut mir Leid...”, nuschelte Ryou.

“Ab mit dir.”, befahl der Lehrer und sein Schüler gehorchte sofort.
 

Der Direktor.

Er wusste, wo sie morgen waren. Er wusste... wusste er über seinen Vater? Wollte er ihn deshalb sprechen? Wollte er deshalb... ?

“W- was... was will der?”, brachte Katsuya mit zitternder Stimme hervor, während Setos Hand auf seiner Schulter ihn durch die Gänge lenkte.

“Ich weiß es leider auch nicht genau. Tut mir Leid. Er wird vermutlich wissen wollen, warum wir morgen beide nicht da sind, obwohl ich ihm das schon erklärt habe. Morgen ist die Verhandlung gegen deinen Vater und ich begleite dich, weil du dich mit dem Problem an mich gewandt hast und ich jetzt aussagen soll – das zum Stand der Dinge in seinen Augen.”

“Und dass ich bei ihnen wohne?”, warum siezte er Seto plötzlich? Hier war doch kein Mensch, der sie belauschte... nun, es könnte ja jederzeit jemand auftauchen. Daran musste es liegen.

“Im Notfall wird er das erfahren müssen. Allerdings von mir, ja? Ich schreite in das Gespräch ein, sollte er dich zu sehr bedrängen. Du kannst mir jederzeit ein Zeichen geben, dass es dir zu viel wird, ja?”, Setos Augenbrauen waren leicht zusammengezogen, was seine Stirn in Falten legte. Die Lippen pressten sich fest aufeinander, während sein Blick musternd über Katsuyas Gesicht glitt.

“Sieh es als eine Probe.”, sagte der Blonde sich selbst ohne es laut auszusprechen, “Eine Probe für morgen. Es ist nur eine kleine Befragung über Dinge, über die ich nicht reden will. Ganz einfach...”

Versuchte er wirklich gerade sich selbst davon zu überzeugen, dass da nichts Schlimmes auf ihn zukam? Was, wenn ihre Abwesenheit morgen nur ein Vorwand war? Was, wenn irgendwer über sie beide herausgefunden hatte und der Direktor sie deshalb jetzt rief? Was, wenn... wenn sein ehemaliger Mathelehrer, den er von seinen alten Kumpels hatte hospitalisieren lassen, etwas gesagt hatte? Oder einfach irgendein Schüler oder Lehrer ihn fälschlich angeschwärzt hatte?

Katsuya schluckte.

Oder wenn Yugi sein Versprechen für nichtig ansah und ihn doch verpfiffen hatte, weil er am Anfang des Schuljahres sechs Mitschüler zusammengeschlagen hatte? Oder wenn Yugi sie beide verraten hatte... Yugi...

Die Nägel des Blonden drückten in seine Handinnenflächen.

“Seit wann wissen sie das mit dem Gespräch, Herr Kaiba?”, zischte Katsuya leise.

“Seit gestern.”, verriet dieser in einer ruhigen, entspannten Tonlage – man hörte trotzdem heraus, dass sie erzwungen war, “Ich wollte dich nicht frühzeitig beunruhigen, damit du deine Arbeiten nicht versaust.”

“Ach, so wichtig sind die?”, das Zischen wurde unterlegt durch ein Knurren, “Wichtiger als meine Bedürfnisse? Dass ich mich vielleicht gerne darauf vorbereitet hätte? Wie kommen sie dazu für mich Entscheidungen zu treffen?”

Das war nicht fair. Seto war doch nicht schuld, dass der Direktor ihn sehen wollte. Und er hatte nur das Sinnvollste – scheiß drauf, sein Leben lang hatten andere für ihn entschieden. Dass er Prügel verdiente, damit sie ihn männlich und erwachsen machten, dass er bei seinem Vater bliebe, weil ein so lebendiges Kind ja ein großes Haus brauchte und dass eine Mutter ihm keine Liebe zu zeigen habe, damit er nicht weich oder gar schwul würde. Alles nur irgendwelche bescheuerten Vorwände, um zu vertuschen, dass man nur Macht über ihn wollte. Das alles, was sie sehen wollten, seine Angst, seine Tränen und seine Schreie waren. Es war nicht fair ihm gegenüber.

“Katsuya... du steigerst dich in deine Angst und wirst aggressiv. Bitte, beruhige dich.”

“Darf ich nicht einmal wütend sein, so wie sie mit mir umgehen?”, schrie der Jüngere und riss sich von der haltenden Hand weg, um ein Stück von Kaiba zu weichen, “Ich bin es Leid wie ihr alle mit mir umspringt! Ich bin es Leid! Ich hasse euch, ich hasse euch alle!”
 

“Wunderbar... wenn ich jetzt nicht schreie, steigerst du dich weiter in deinen Wutanfall und wenn ich schreie, brichst du zusammen... kannst du mir mal bitte sagen, was ich jetzt machen soll?”, fragte der Brünette seufzend und verschränkte die Arme vor dem Körper, während er die Schultern ein Stück nach vorne zog.

“Hören sie auf mit dem scheiß Psychogesülze! Tun sie nicht so, als wüssten sie irgendetwas über mich!”

“Katsuya – ich komme mit deinem Verhalten gerade nicht klar. Du machst mir ehrlich Angst. Ich werde Yami anrufen, ja? Und du sprichst mit ihm, okay?”, Kaiba trat einen Schritt zurück und zog langsam das Handy aus seiner Innentasche.

“Tz.”, Katsuya stemmte die Arme in die Seiten, “Angst vor dem kleinen Psycho, was? Doch nicht so übermächtig und allwissend, wie du immer vortäuschst, 'ne? Wirst gleich feige und ziehst den Schwanz ein, wenn ich mich mal nicht von dir terrorisieren lasse. Du bist ein elender Feigling.”

“Wenn du so weitermachst, Kleiner, kann ich echt nicht garantieren, dass meine Angst nicht in Aggressionen umschlägt und ich dich angreife, also bitte, beruhige dich.”, etwas zwischen Grummeln und Fauchen begleitete Setos Aussage, verbunden mit einem hilfesuchenden Blick in Richtung seines Handys, das bereits das vierte Tuten von sich gab.

“Erzähl der kleinen Hure ruhig deine Lügen, wenn dich das besser fühlen lässt. Deine Macht gibt es dir nicht zurück. Ich lasse mich nicht weiter von dir herumschubsen!”

“Du kannst nicht wirklich wollen, dass ich dir deine Angst aus dem Leib prügle, Katsuya... ich weiß, das hat dein Vater gemacht, aber bitte... bitte versuche nicht mich an seine Stelle zu setzen.”, Setos Augen glänzten verdächtig, während die Lider über ihnen weit aufgerissen waren und sein Gesicht in tiefen Falten lag, “Yami? Reib dir den Schlaf aus den Augen, Katsuya rastet mir hier gerade vollkommen aus. Sag mir, was ich tun soll!”

Anscheinend war er doch noch ans Telefon gegangen. Die blauen Augen pendelten zwischen dem Handy und dem Jüngsten hin und her, als wollte er nicht wahrhaben, was er im Begriff war zu tun – Katsuya gewaltsam wieder gefügig zu machen.

“Bitte rede mit ihm.”, flüsterte der Ältere und reichte ihm das Handy, indem er den Arm vollkommen in seine Richtung ausstreckte.

“Wozu sollte ich?”, zischte der Blonde zurück und missachtete die Geste.

“Katsuya, du enttäuscht mich.”, antwortete ihm das Handy mit Yamis Stimme, “Wolltest du nicht alles daran setzen gesund zu werden? Warum benimmst du dich noch schlimmer, als du es vor diesem Sommer getan hast?”

“Komm mir nicht mit der Leier! Versucht nicht mich mit Gewalt oder Schuldgefühlen dranzukriegen, das haben schon meine Eltern ausreichend getan!”, schrie er dem Handy entgegen.

“Seto?”, Angesprochener zog das Gerät wieder zu sich.

“In der Schule. Auf dem Flur.”, wieso war es Yami wichtig, wo sie gerade waren? “Bist du sicher?”, über was? Was redeten die da? “Wenn du meinst...”

Seto seufzte, hob seinen Blick kurz zu Katsuya, bevor er sich bückte, seine Tasche nahm, sich abwandte und weiter zu den Treppen ging.
 

Nein.

Katsuya spürte ein Zittern durch seinen Körper laufen. Er ging doch nicht etwa, oder? Yami hatte ihm nicht gesagt, er solle einfach gehen, oder? Ein Träne lief Katsuyas Wange hinab. Das war es, was seine Mutter immer gemacht hatte. Ihn ignorieren und gehen. Und was Yami schließlich auch getan hatte, als er bei ihm ausgetickt war. Wenn er Yami beleidigt und angeschrieen hatte, dann war er einfach nur schweigend gegangen.

Ein Schwall kaltem Wasser rauschte durch sein Herz. Er hatte Seto angeschrieen. Angeschrieen, weil er das Gefühl hatte, man wolle ihm einen fremden Willen aufzwingen. Weil er wütend gewesen war. Weil er Angst gehabt hatte.

“Seto! Warte!”, rief der Blonde und rannte ihm nach. Hoffentlich war er nicht sauer. Bitte, bitte, er durfte nicht sauer sein. Bitte nicht.

Da war er. Gerade am Ende der Treppe angelangt, von der Katsuya fünf oder sechs Stufen auf einmal nahm, um mit der Wucht seines Aufpralls den unten Stehenden umzureißen, der ihm mit Entsetzen im Gesicht entgegen sah.

Wamm.

Haut, Knochen und Fleisch kollidierten mit den Steinboden, das Handy flog mit einem kratzenden Geräusch den halben Flur der Etage entlang, ein schmerzerfülltes Stöhnen verließ Setos Kehle, der die Zähne zusammen biss und die Lider fest aufeinander presste, während er so ruhig wie möglich versuchte durch die Zähne hindurch zu atmen, was die in Stille liegende Etage mit einer Art regelmäßigen Schmerzenslaut erfüllte und von einem unterdrückten Wimmern begleitet wurde.

“Es tut mir Leid!”, rief Katsuya aus, “Ich wollte dich nicht so anfahren! Tut mir Leid!”, er verstummte mit einem Blick auf den unter ihm Liegenden, “Seto? Alles okay?”

“Geh... runter...”, brachte der Lehrer hervor, während er das Gesicht zur Seite drehte, “Hol... Isis...”

“Was? Bist du verletzt?”, der Blonde stützte sich vorsichtig ab und verlagerte sein Gewicht, bevor er sich ganz von ihm weg drückte.

“Geh!”, zischte Seto nur.

Scheiße... das war zu stürmisch gewesen. Warum war Seto ihm dann nicht ausgewichen? Warum war er einfach stehen geblieben? Schock? Katsuya rannte die Treppen entlang. Hoffentlich hatte es nicht zu schlimm weh getan.

Er war so ein Idiot.

Er war so ein verdammter Idiot.

Er tat nichts anderes als die Menschen um ihn herum physisch und psychisch zu verletzen.

Ein paar blaue Flecken

Ich habe zu viel Stress zurzeit, aber irgendwie habe ich immense Lust ein Kapitel hochzuladen... sehr konträr ô.o Vermutlich bleibt das vorerst eine einmalige Aktion, aber wer weiß, möglicherweise beflügelt mich der Stress auch nächste Woche wieder.

Bis dahin viel Spaß hiermit ^.^ Und danke für die lieben Kommentare und die Kritik ^.-
 

P.S.: Das Kapitel widme ich dem nächsten Geburtstagskind - Sunkiss!
 

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“Oh mein Gott.”, Isis bekreuzigte sich und flog an Setos Seite, “Sind sie von der Treppe gestürzt?”

“Nein... hab’... Kats... aufgefangen...”, brachte der noch immer am Boden Liegende hervor.

“Oh Gott, oh Gott...”, die Schwester schloss kurz die Augen und atmete tief durch, “Wo haben sie Schmerzen?”

“Praktisch überall. Ich konnte mich mit den Armen ein wenig abstützen.”, die tiefblauen Augen fixierten die Schwester, während eine Träne seitlich Setos Schläfe entlang lief, “Meine Wirbelsäule dürfte okay sein. Aber ich vermute, ich habe mir den rechten Oberarm ausgekugelt. Und mein Brustkorb schmerzt wie Hölle. Ich habe keine Ahnung, wie es meinen Rippen geht.”

Katsuya schluckte und krallte seine Nägel tief in das Fleisch seiner Arme.

“Katsuya, komm her.”, befahl der Liegende.

Er trat ein Stück heran und ließ sich auf Setos freier Seite auf seine Knie sinken. Der Brünette war bleich wie eine Leiche. Die Muskeln um sein eines Auge zuckten unkontrolliert, bis er sie für einen Moment wieder völlig anspannte.

“Es tut mir Leid...”, flüsterte eine gebrochene Stimme leise.

“Ist gut. Hör auf dir wehzutun.”, wie auf Schalterdruck zuckten alle Finger im selben Moment von Katsuyas Oberarmen und verharrten in gekrümmter Stellung über ihnen.

“Herr Kaiba?”, unterbrach die Schwester ihr kleines Gespräch, “Darf ich ihr Hemd öffnen und ihre Rippen grob abtasten? Ich möchte ausschließen, dass wir sie sofort ins Krankenhaus bringen müssen.”

“Bitte.”, der Lehrer seufzte nur und schloss ergeben die Augen.

Die Verfärbung von Setos Brust hatte schon begonnen. Der untere Rippenbogen war klar erkennbar, weil er der dunkelste war. Die Verfärbung setzte sich ein kleines Stück nach unten und ein großes nach oben fort. Wenn auch leicht, so konnte man sie derzeit schon bis zum fünften Rippenpaar hoch verfolgen. Und das würde noch alles nachdunkeln...

“Glück im Unglück. Ihr Knorpel konnte den Druck wohl auffangen. Ich befürchte trotzdem, dass ihre siebte Rippe nicht allzu gut aussieht. Wir müssen sie auch wegen ihres Oberarms röntgen lassen. Meinen sie, sie schaffen es, zu meinem Wagen zu gehen? Sonst rufe ich einen Krankentransportwagen.”

“Katsuya, hilf mir auf.”, befahl der Liegende, griff mit seinem linken Arm nach der Schulter des Jüngeren und zog sich an ihr in eine sitzende Position, wobei er scharf die Luft einzog.

“Sind sie sicher, dass sie ihrem Körper nicht zu viel zumuten?”, fragte Isis besorgt und stoppte ihre Hände mitten in der Luft nach Seto zu greifen.

“Passt schon...”, sein Gesicht war eine Miene des Schmerzes, “Kats, geh hinter mich und greif an die Rippen unter meinen Achseln, um mich hochzuziehen.”

Achseln, Rippen, Greifen – “Hier?”

“Ja.”, während der Prozedur biss der Lehrer die Zähne zusammen, doch es hinderte den Schmerzenslaut nicht zwischen seinen Zähnen hindurch an die Außenwelt zu dringen. Mit zwei weiteren Tränen im Gesicht belastete er seine Beine verschieden, bevor er einen Schritt nach vorne machte und feststellte: “Ich kann laufen. Katsuya, hol meinen Mantel aus meinem Büro und nimm meine Tasche. Frau Ishtar, gehen sie bitte zum Direktor und sagen sie ihm, was geschah und dass wir deshalb nicht zum Gespräch erscheinen können.”

“Sie beide?”, versicherte sie sich und Seto belastete vorsichtig seine Halswirbel, indem er langsam nickte.
 

“Entschuldigung, wenn ich das sage, aber sie beide machen wirklich Arbeit...”, Isis seufzte und fuhr den Wagen zurück auf den Parkplatz.

“Kommt vor, dass man in ihrem Job auch mal arbeiten muss.”, giftete Seto zurück und strich vorsichtig über seinen Oberarm. Wie er vermutet hatte, war seine Schulter ausgekugelt gewesen – nur hatte sie sich im selben Moment auch wieder eingekugelt.

“Wirkt das Betäubungsmittel nicht ausreichend oder habe ich sie bis zum heutigen Tag zu sehr idealisiert?”, konterte die Fahrerin mit einem wütenden Schnauben.

“Im Zweifelsfall immer beides.”

Katsuya seufzte leise, hob die Hand an seine Stirn und schüttelte den Kopf, während er seine Schläfen massierte. Seto konnte echt unausstehlich sein, wenn er sich keine Mühe gab freundlich zu wirken. Verdammter Idiot.

“Oh-oh...”, murmelte Isis, “Das ist doch der Direktor, oder?”

“Scheint Todessehnsucht zu haben.”, Setos Lider hatten sich zusammen gezogen, sodass nur noch ein minimaler Spalt zwischen ihnen bestand.

“Seto, reg’ dich ab, okay?”, zischte der Jüngste von der Rücksitzbank.

“Sei leise, sonst lenke ich meine Wut noch auf dich.”, gab der Angesprochene mit unterdrückter Lautstärke zurück. Nun... bei Katsuya wäre es wenigstens legitim. Er war den ganzen Schlammassel schließlich schuld. Oder war es der Direktor? Es wäre nie so weit gekommen, hätte dieser nicht ein Gespräch gewollt. Oder sein Vater, ohne den gäbe es keine Verhandlung und keinen Stress... okay, Teilschuld an alle. Und der größte Teil an ihn.

Isis parkte und stoppte den Motor, was den Direktor veranlasste zu ihnen herüber zu kommen, während die Wageninsassen ausstiegen. Anscheinend wollte er wirklich zu ihnen. Wollte er etwa immer noch ein Gespräch... ?

Katsuya hob die Hand, legte sie auf seine Magengegend und beugte sich etwas nach vorn. Uuurgh... körperliche Reaktion auf psychische Ursache. Wie hieß das noch mal? Er musste bei Yami nachfragen.

“Herr Kaiba! Was ist passiert?”, war das in seiner Stimme Wut oder Sorge? Es war nicht deutlich heraushörbar.

“Der Schüler und ich haben uns an einem Doppelselbstmord im freien Fall von der Treppe versucht. Leider brachte es nur eine Quetschung und einen ausgekugelten Arm.”, antwortete der stellvertretende Schulleiter mit triefendem Sarkasmus.

“Ich hörte, das sei schmerzhaft.”, der alte Mann schürzte die Lippen.

“Ist es.”, bestätigte Seto, “Aber das Schmerzmittel macht die Sache erträglich. Wie kann ich ihnen helfen?”

“Ich möchte noch immer den Ablauf des morgigen Tages mit ihnen und dem Schüler besprechen.”

Hallo, sein Name war Katsuya Jonouchi – und er stand direkt neben ihm.

“Ich halte das noch immer für eine äußerst schlechte Idee.”, jetzt wahrscheinlich noch mehr als vorher...

“Herr Kaiba, ich lasse da nicht mit mir reden. Ich möchte eine Klärung der Situation. Wenn sie mir bitte folgen würden.”, sein Blick wandte sich zu Katsuya, “Sie bitte ebenso.”

Isis Hand auf seiner Schulter drückte fest zu, bevor sie sich löste.
 

Katsuya versuchte noch immer seine Magensäfte bei sich zu behalten, während er sich vorsichtig in den Stuhl vor dem Tisch des Direktors sinken ließ. Es wäre sicher nicht produktiv, wenn er hier den guten Teppich voll kotzen würde. Aber das war es, wonach es seinen Körper gerade gelüstete – sich übergeben und wegrennen.

Nun ja... wie gesagt, eine gute Vorbereitung für morgen, wo er das alles mehrmals so schlimm erleben würde.

“So, Mister Jonouchi...”, für seinen Namen hatte der sicher fünfzig Jahre alte Mann mit Schnäuzer einen Blick auf die Akte auf seinem Schreibtisch werfen müssen, “Bitte schildern sie mir doch, was Herrn Kaiba und sie morgen vom Unterricht fern hält.”

“Wir haben morgen einen Gerichtstermin.”, presste Katsuya hervor und schlug seine Nägel in den Armlehnenüberzug.

“Was ist das für ein Termin? Worum geht es da?”

“Mein Vater ist angeklagt wegen Kindesmisshandlung.”, wow... war das seine Stimme? So tief war die noch nie gewesen, oder? Grabestief.

“Und wen hat er misshandelt?”, der Direktor verschränkte die Finger ineinander und legte die Hände vor sich auf den Tisch.

“Mich.”, schwer zu erraten, was? Katsuyas Nägel stießen tiefer in das Leder.

“Was hat er ihnen denn angetan?”

“Er... das...”, der Blonde schluckte, “Darauf möchte ich nicht im Detail eingehen.”

Dieser Typ sollte ihn einfach nur in Ruhe lassen. Er sollte endlich schweigen und ihn gehen lassen. Warum diese Befragung? Was sollte das bringen? Was wollte der Kerl von ihm?

“Warum?”

“Weil... weil...”, musste er antworten? Sollte er antworten? Hatte nicht Seto einst gesagt, dass kein Mensch dieser Welt die Pflicht habe sich zu rechtfertigen? Und er hatte erwidert, dass das aber zum gegenseitigen Verständnis nötig wäre... “Weil die Worte Erinnerungen zurückbringen, denen ich mich zum jetzigen Zeitpunkt nicht stellen möchte.”

“Aber es ist doch vorbei, oder? Sie sind doch in keiner Misshandlungssituation mehr?”

“Nein.”, der Blonde schluckte, “Aber... also... es... es tut halt weh sich zu erinnern. Können sie das nicht verstehen?”

“Nein, mein Junge, tut mir Leid, das kann ich nicht. Doch ich nehme es zur Kenntnis.”, der Mann seufzte und rückte mit seinem Stuhl näher an den Tisch, “Wie lange ging das denn mit der Misshandlung?”

Wie lange? Wann hatte es begonnen? Hatte es überhaupt einen Beginn? Irgendein Datum? Im Endeffekt war es doch einfach über die Jahre nur immer schlimmer geworden...

“Seit ich mich erinnern kann.”, antwortete der Blonde daher, löste seine Nägel kurzzeitig aus dem Leder und stieß sie erneut hinein.

“So lange?”, der Direktor lehnte sich ein wenig zurück, “Warum hast du denn vorher nichts gesagt?”

“Weil... weil...”, warum? Ja, die Frage hatte er sich sogar schon gestellt, als er noch fast tot geprügelt wurde, “Ich hatte Angst...”

“Wovor denn?”, sein Oberkörper näherte sich dem Jüngeren wieder.

“Dass... dass... dass man mir nicht hilft. Dass man mir nicht glaubt. Dass alles schlimmer wird. Dass man mich in ein Heim steckt, wo sie die Kinder auch verprügeln, weil sie sich nicht zu helfen wissen. Oder wo man mich einsperrt, weil... weil ich selber gewalttätig bin... weil... weil...”, Katsuya schlug die Zähne in seine Unterlippe.

“Nicht wehtun...”, flüsterte Seto leise und streichelte mit seinem Daumen über das leicht stoppelige Kinn, dass Katsuya heute morgen nicht rasiert hatte. Sein Blick flackerte zu der Gestalt neben sich, deren rechter Arm starr ein Stück nach vorne und zur Seite ab stand und unbeweglich wirkte, während der Rest voller Sorge und tiefer Emotionen war.
 

“Aber es hätte doch die Möglichkeit bestanden, dass ihnen jemand hilft. Wäre nicht das es wert gewesen?”, die wulstigen Lippen des Ältesten waren zusammen gepresst, nachdem er gesprochen hatte. Er verstand es nicht. Er verstand es einfach nicht. Genau das drückte er aus... sollte Katsuya versuchen es zu erklären?

“Also... wenn... wissen sie...”, ein hilfesuchender Blick Richtung Seto, der ihm zur Unterstützung seine Hand anbot, die der Blonde gerne ergriff, “Es ist... wenn sie nichts sagen, dann bleibt alles, wie es ist. Das kennt man, das hat man bis heute überlebt, das bleibt immer so. Das ist... sicher. Und man kann hoffen, dass eines Tages irgendwer einen rettet. Da ist immer... Hoffnung. Aber wenn man sich äußert und wird abgewiesen... dann stirbt diese Hoffnung endgültig und alles wird unerträglich, auch weil es schlimmer wird, wenn die Eltern hören, dass man geredet hat...”, er seufzte, “Ich weiß, eigentlich soll man nicht hoffen, sondern handeln, aber es ist so verdammt schwer. Es ist... wenn man abgelehnt wird, dann ist das praktisch der Tod. Und selbst wenn man es nicht wird, wer sagt, dass es besser wird? Es gibt keine Sicherheit. Es ist... wer um Hilfe bittet, der ist verdammt mutig.”, unsicher hoben sich die braunen Augen, musterten das Gegenüber.

Der Direktor atmete tief durch, löste die Finger voneinander, lehnte sich zurück und überkreuzte die Arme.

“Können sie das verstehen?”, fragte Katsuya mit einem Flehen in der Stimme.

Der Direktor legte den Kopf ein wenig schief, atmete ein weiteres Mal tief durch und sprach leise und ruhig: “Ja... ich denke schon. Ja, ich glaube, das kann ich nachvollziehen. Aber wenn ich es richtig verstanden habe, dann bist du auf Herrn Kaiba zugegangen, oder?”

“Ja...”, er wandte sich mit einem schwachen Lächeln in die Richtung des Mannes, dessen Hand er noch immer in seiner zerquetschte.

“Warum?”

“Weil...”, ja, warum? Gute Frage. “Weil... also... Herr Jonouchi hat mein Zimmer betreten.”, er war nicht mehr sein Vater. Er würde es ab morgen nicht mehr sein. “Er hat... er hat meine Statue zerstört. Die, die meine Schwester mir geschenkt hat. Und er hat meine Bilder mit Alkohol begossen. Das war... irgendwie war das für mich eine Grenze, die er nicht hätte überschreiten dürfen.”, Katsuya schüttelte seufzend den Kopf, bevor ein kehliges Lachen über seine Lippen glitt, “Das muss für sie echt komisch klingen. Mein Körper ist mir egal, aber bei meinen Bildern kriege ich dann die Wut...”

“Nein, ich...”, die Arme vor seiner Brust sanken in seinen Schoß, “Ich denke, ich verstehe. Bitte erlaube noch eine letzte Frage.”, der Blonde nickte, “Wie geht es nun weiter?”

Nein. Das konnte er nicht sagen. Das durfte er nicht wissen. Das war... das durfte nicht... er... er beugte sich nach vorne und krümmte sie zusammen. Nicht übergeben. Nicht jetzt. Nicht hier.

“Ruhig, ganz ruhig...”, flüsterte Seto neben seinem Ohr und strich über seinen Rücken, “Ich werde antworten. Du hast es geschafft. Beruhige dich. Du hast es hinter dir.”, Nägel fuhren seinen Nacken hinab, “Psst... es ist vorbei...”

Der Jugendliche drückte sich ein wenig gegen die Hand und ließ unter den Kratzspuren, die sie hinterließen, die Schultern kreisen. Nicht auf die Übelkeit konzentrieren. Nur an die Hand denken. Ablenken.

“Was geschehen wird, wird morgen entschieden.”, informierte Seto den Direktor, “Zum einen wird also die Strafe für seinen Vater festgelegt, zum anderen sein Aufenthaltsort im nächsten Jahr. Entweder er wird in eine Pflegefamilie gegeben, seiner Mutter überantwortet, wenn er das wünscht und sie es erlaubt, bekommt eine eigene Wohnung vom Staat oder er wird zu mir ziehen.”

“Zu ihnen?”, fragte der ältere Mann mit Überraschung in der Stimme.

“Ja, ich habe ein großes Haus und verdiene gut. Ich habe kein Problem damit einen Jungerwachsenen für einige Monate oder Jahre aufzunehmen.”, Setos Ton verdunkelte sich kaum merklich, “Und wie sie wissen, habe ich auch das nötige Vorwissen dazu.”

Der Direktor schwieg.

Realitätswahrnehmung

Wie können Professoren das Wort Vorlesung so wörtlich nehmen? -.- Na ja, kein Kommentar. Selbst an den besten Unis gibt es wohl schwarze Schafe.

Zu Sunkiss Geburtstag habe ich ihr übrigens eine FF geschenkt, welche ich nachher noch unter den Nebensequenzen von Dead Society veröffentliche - ihr kennt sie zwar nicht (sie hat einen Gastauftritt, genau so wie feuerregen), aber vielleicht gefällt euch die Sequenz trotzdem ^.-

Zum letzten Kapitel muss ich noch eine Entschuldigung aussprechen, es ist nicht klar geworden, dass Isis, als sie mit den beiden wieder auf den Parkplatz fährt, gerade VOM Arzt kommt. Ich werde das noch ändern, wenn ich eine gute Idee habe, wie man es umschreiben kann. Seto war also beim Orthopäden, wurde geröngt etc.

Und nun viel Spaß beim Lesen des neuen Kapitels ^.^ (Ich schreibe gerade an Kapitel 19 und es ist immer noch Mittwoch ô.o)
 

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“Ich bin stolz auf dich...”, flüsterte Seto in das Ohr seines kleinen Schützlings, als sie die Tür des Büros des Direktors hinter sich geschlossen hatten.

Röte schoss auf die Wangen Katsuyas, während er sich sanft gegen die Seite des Älteren drückte, der einen Arm um seine Schultern legte. Wow... das war echt mal ein Kompliment. Ein Kompliment von Seto Kaiba. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen.

“Du hast dich tapfer geschlagen.”, ein Kuss wurde auf seinen Schopf gesetzt, “Gehen wir in mein Büro, ja?”

Uuh... kalt, Seto. Das konnte er wahrlich besser. Die Intention war so klar... egal, Ablenkung war Ablenkung. Der Blonde ließ sich in den Raum mitnehmen.

“Stellst du die Tasche an meinen Tisch und hängst meinen Mantel auf, bitte?”

“Prinzipiell kannst du das alles selber.”, neckte Katsuya ein wenig, doch tat, worum man ihn gebeten hatte.

“Prinzipiell sollte mein Arm auch nicht mehr schmerzen.”, gab der Lehrer zurück, trat von hinten an seinen Schüler heran und flüsterte: “Prinzipiell sollte er eigentlich gar nicht schmerzen, du Wirbelwind.”

“T’schuldigung...”, murmelte der Blonde zum x-ten Male.

“Ich kann immer noch nicht ganz fassen, was du da angestellt hast...”

“Hast du eigentlich Yami noch mal angerufen?”, fragte er plötzlich laut und fuhr mit weit gespannten Augenlidern herum.

“Ja, habe ich.”, Seto ging zu seinem Sessel herüber, ließ sich darauf nieder und legte den rechten Arm vorsichtig auf der Lehne ab, “Mein Handy hat den Stunt wundersamer Weise überlebt.”

“Tut denn auch deine Brust noch weh?”, mit leicht schwingender Hüfte folgte Katsuya dem Älteren. Auch seine Intention war nicht gerade gut verborgen, wenn man es so betrachtete...

“Es geht...”, ein Lächeln legte sich auf Setos Lippen, “Was hast du für den Rest des Tages geplant?”

“Hm...”, der Jüngere stellte sich vor ihn und lehnte sich nach hinten gegen den Tisch, während er einen Blick auf die Uhr warf, “Ich habe noch drei Stunden Schule...”

“Von Sport bist du befreit. Und ich vom ganzen Unterricht für heute.”, oh, dieses verdammte, freche, unwiderstehliche schiefe Lächeln...

“Scheint, ich müsste gleich zu Mathe.”, versuchte Katsuya den anderen zu ärgern.

“Und danach?”

“Bin ich eigentlich mit Ryou verabredet.”, Betonung auf eigentlich.

“Ja?”, Seto lehnte sich vor und rückte näher heran, um den Stehenden an seinem Platz einzukeilen, “Gehst du heute zu ihm?”

“Wenn ich nichts anderes vorhabe... ?”, ein Grinsen schlich sich in Katsuyas Mimik.

“Hm...”, der Ältere erhob sich und drückte ihn gegen den Tisch, indem er sich etwas nach vorne lehnte, “Ich könnte dir meine Briefmarkensammlung zeigen.”

“Ich liebe Briefmarken...”, der Rest des Satzes wurde durch einen Kuss verschluckt.
 

“Katsuya!”, etwas Weißes rauschte durch sein Sichtfeld, bevor ein Gewicht gegen seine Brust prallte und ihn überrascht husten ließ, “Wo warst du? Geht es dir gut?”

“Bestens...”, der Größere hüstelte, griff nach Ryous Armen und löste sich ein wenig aus dem harten Griff, “Ich bin versehentlich in Herrn Kaiba gerannt und habe ihm den Oberarm ausgekugelt dabei...”, er kratzte sich leicht errötet am Kopf.

“Oh shit!”, Wakaba trat an sie beide heran und schien wie so ziemlich alle anderen zugehört zu haben, “Ist er sauer?”

“Er war... und er ist definitiv noch ziemlich angepisst.”, flüsterte Katsuya schuldig.

“Das muss echt peinlich gewesen sein.”, sie presste ihre breit gezogenen Lippen zusammen.

“War es... aber hey, dafür bin ich vom Sport befreit.”, er zuckte mit den Schultern, “Ich kann früh nach Hause gehen und einen freien Nachmittag genießen.”

“Von wegen.”, Ryou löste sich von ihm und stemmte die Arme in die Seite, “Du hast den Schulstoff eines halben Tages verpasst. Den musst du nacharbeiten. Und die Hausarbeiten sind auch nicht gerade wenig heute.”

Na super. Der Boden der Tatsachen war unerwartet hart. Das zu ein paar erholsamen Stunden mit Seto...

“Und das gleiche gilt für den Stoff morgen. Und du musst endlich Physik aufarbeiten, nach den Ferien schreiben wir schließlich einen Test.”

“Weißt du was?”, einen Grinsen schlug sich auf Katsuyas Gesichtszüge, “Für so etwas hat man Ferien. Ich brauche mir da jetzt gar keine Gedanken drum machen.”

“Ich dachte, du arbeitest in den Ferien?”, der Kleinere lehnte sich ein Stück vor und musterte das Gesicht des anderen.

“Ähm... nun... Wochenende?”, eine weiße Augenbraue hob sich, “Und vielleicht arbeite ich ja auch nicht die ganzen zwei Wochen.”, sie schoss höher, “Mann, Ryou... man kann doch nicht die ganze Zeit nur Lernen.”

“Katsuya.”, er löste die Hände von seinen Hüften, lehnte sich zurück, atmete tief ein und verschränkte die Arme vor seiner Brust, “Die Schule ist eine Vorbereitung auf das Berufsleben. Sie lehrt uns, was wir an Kompetenzen bei der Arbeit brauchen. Und die oberste und wichtigste Eigenschaft ist Disziplin.”, Wakaba stellte sich neben ihn und nickte mit ernstem Gesichtsausdruck, “Faulheit, Strukturlosigkeit und fehlende Motivation sind der Beginn eines jeden Moralverfalls, der zwangsläufig zur Verschlechterung der beruflichen Kompetenz führt. Darum ist die Disziplin von außerordentlicher Wichtigkeit. Was soll denn aus unserer Welt werden, wenn Menschen nicht fähig sind Regeln einzuhalten und als Grundlage eines effizienten Miteinanders zu akzeptieren?”

Katsuya ließ seinen Blick zu den Fenster schweifen. Ja, Ryou meinte das spaßhaft. Aber die Worte waren es im Endeffekt nicht.

Eine Welt, wo Menschen die Regeln des Miteinanders überschritten? Das war die Welt, in der sie beide bis vor kurzer Zeit gelebt hatten. Eine Welt der Gewalt und des Missbrauchs.
 

“Guten Mittag.”, die Stimme war wie immer leise und kaum verständlich.

“Guten Mittag, Herr Muto.”, gut die Hälfte der Klasse war direkt sitzen geblieben und hatte nicht einmal ihre Gespräche beendet, als wäre der Lehrer gar nicht erst aufgetaucht. Yugi hatte definitiv keine Autorität über diese Klasse mehr, seit er so... so abwesend war. Zu Anfang hatte er das Fach mit Freude und Lebenslust unterrichtet, nun wirkte er eher... verloren.

Wie er da stand, die Schultern schlaff herabhängend, den Blick zu Boden, auf das Buch oder die Tafel gerichtet, kaum eine emotionale Regung auf seinen Gesichtszügen, war er nicht mehr als ein schaler Abklatsch seiner selbst. Als hätte er die Happy-Pillen eigenmächtig abgesetzt. Das ganze letzte Jahr war er ein echtes Energiebündel gewesen, immer lächelnd, voll von Lebensfreude und Humor – das alles war wie weggewischt durch den einen Abend, wo Yugi seinem Bruder begegnet war, der ihm seine Abscheu verkündete, und herausgefunden hatte, dass der Junge, in den er verliebt war, in einer festen Beziehung mit seinem besten Freund steckte.

Okay, das war wirklich kein leichter Schlag, es war erst eine Woche her, aber... warum konnte Yugi diese verqueren Vorstellungen von sich selbst nicht ablegen? Einmal glaubte er, dass Homosexualität eine Krankheit war, weswegen er seinen besten Freund, seinen Bruder und sich selbst ablehnte. Und zum anderen verneinte er die Misshandlung seines Bruders. Warum? Warum konnte er diese Einstellung nicht einmal überdenken? Das war doch auch alles, was Yami verlangte, um ihnen eine Chance auf Bruderschaft zu geben. Nur überdenken. Nicht ohne zu fragen die Einstellungen ihrer Eltern zu übernehmen sondern sie zu überprüfen.

Aber er konnte es nicht. Wieso? Was würde passieren, würde er diese Einstellungen ablegen? Er müsste sich selbst damit konfrontieren, dass seine Eltern keine wundervollen Übermenschen waren. Aber warum war das so schlimm für ihn? Irgendetwas in seiner Psyche musste ihn abhalten.

Wenn das abweisende, misstrauische, oft sogar verletzende Verhalten von Traumatisierten ihren Grund darin hatte, dass dieses Verhalten sie vor weiteren Verletzungen, überstarker Angst und Zweifeln an ihrem Welt- und Menschenbild schützen sollte, dann musste auch der Grund für Yugis Verhalten ein solcher sein. Natürlich, es würde sein Weltbild verändern, wenn er seine Einstellung über seine Eltern ändern musste – aber so sehr erschüttern, dass er lieber seinen Bruder und alle seine außerfamiliären sozialen Kontakte aufgab als die Wahrheit zu realisieren? Warum waren seine Eltern so wichtig für ihn? Wichtiger als alles andere auf dieser Welt?

Hatte ihr Verhalten ihren beiden Söhnen gegenüber auch bei ihm Spuren hinterlassen?
 

“Katsuya?”, sprach Seto ihn leise von der Seite an, als sie gerade den Parkplatz überquerten.

“Ja?”, der Blonde hob den Kopf und sah zu ihm auf.

“Ist irgendetwas passiert?”, die braunen Augenbrauen bildeten Falten auf der Haut zwischen ihnen.

“Nicht wirklich. Yugi ist weiterhin ein Schatten seiner selbst. Er kann seine Einstellungen nicht ablegen, weil das einen großen psychischen Tumult auslösen würde, oder?”, der Ältere nickte bedächtig, “Aber warum?”

“Ich kann es dir leider nicht sagen.”, antwortete er flüsternd, “Ich verstehe Yugis Verhältnis zu seinen Eltern nicht. Aber sie scheinen ihm überaus wichtig zu sein. Wichtiger als alles andere in seinem Leben... er tut praktisch alles, um ihnen zu gefallen. Ihr Wort ist für ihn Gesetz. Er ist ihnen vollkommen hörig. Es... es ist, als wäre er ihr persönlicher Sklave.”, die blauen Augen richteten sich auf einen Punkt in der Ferne, “Gewissermaßen trifft Yamis Beleidigung eigentlich vollkommen zu. Er ist ein Schoßhündchen.”, er seufzte, “Yami, du und ich... das sind die einzigen Leute, die je sein Herz erreicht haben. Aber Yami kann ihn nicht mehr erreichen, wie wir letzte Woche gesehen haben. Und vor uns beiden rennt er davon. Er vermeidet alles, was ihn davon abbringen könnte, weiter an die heilige Instanz Eltern zu glauben.”

“Ist es dann nicht ungewöhnlich, dass er letzte Woche überhaupt bei uns aufgetaucht ist?”, Katsuyas Schultern und sein Blick sanken herab, “Er muss doch schon vermutet haben, dass du und ich... oder war das einfach zu wenig, um sein Weltbild nachhaltig zu stören?”

“Zwei arme, kranke Wesen, die er retten kann – warum sollte er von ihnen Abstand nehmen? Aber wenn sie gute Freunde seines Bruders sind, der seine Wirklichkeit heftig angreift...”, Seto brauchte nicht weiter zu sprechen. Katsuya verstand schon. Yami weckte als einziger in Yugi den möglichen Widerstand, die möglichen Zweifel. Er war die größte Gefahr.

“Aber wieso ist er dann dem Gespräch mit Yami nicht ausgewichen?”

“Weil es die tiefste und nachhaltigste Bestätigung der Richtigkeit seiner Wirklichkeit wäre, wenn Yami schuldbewusst zu seinen Eltern zurückkehrt. Ganz wie er gespottet hat... “das schwarze Schaf, der Schandfleck der Familie” – wenn Yami diese Rolle annimmt, ist Yugis Welt wieder sicher.”, zitierte Seto ihr beider Freund.

“Aber wenn er Yami als Gefahr wahrnimmt... dann ist nicht alles verloren, oder? Dann kann Yami ihn noch retten?”, mit einem hoffnungsvollen, doch verzweifelten Blick sah Katsuya zu dem Älteren auf.

“Wahrscheinlich könnte er das... aber dazu hat er nicht die Kraft. Du hast selbst erfahren, wie heftig Yami ihn aggressiv abgewehrt hat.”, oh ja, das hatte er wahrlich – für einen Moment hatte er ja glatt geglaubt, Yami hätte vollkommen den Verstand verloren, “Ich denke, wir können nicht mehr tun als zu hoffen, dass Yugi von selbst zur der Erkenntnis kommt, dass... dass etwas nicht in Ordnung ist.”

Katsuya schnaubte. Äußerst verschönernde Worte.

“Wir sind machtlos?”

Seto seufzte nur tief, doch es war Antwort genug.
 

“Ich frage mich, was für ein Leben ich geführt hätte, wenn ich mit ganzem Herzen geglaubt hätte, ich würde die Schläge verdienen...”, flüsterte Katsuya unvermittelt, den Blick auf den ausgeschalteten Fernseher gerichtet.

“Ich glaube nicht, dass dein Kopf das geschafft hätte.”, kommentierte Seto die Aussage mit leicht abschätziger Tonlage, “Es gibt noch so etwas wie einen Überlebensinstinkt.”, er atmete tief durch und sprach ernsthafter weiter, “Vielleicht hättest du es wie die typische psychisch abhängige, misshandelte Frau gemacht. Du hättest dir gesagt, er sei krank und du seist der einzige, der ihn retten kann. Die Schläge wären nur ein Ausdruck seiner Krankheit. Und bald würde alles besser werden. Du würdest ihn schon heilen...”, Seto schluckte, “Ungefähr das, was wir beide wohl übereinander denken, dass es uns zusammenhält...”

Ein Dolch aus Eis durchstieß Katsuya bei dem letzten Satz.

“Das tat weh...”, presste er hervor, während Tränen aus seinen Augen schossen, “Ist es das, was dich dazu bringt mich hier zu behalten?”

War es das? War Setos Liebe nur eine Lüge? War da überhaupt Liebe? Seto hatte ihm kein einziges Mal gesagt, dass er ihn liebte. Er mochte es angedeutet haben, hier und da, aber... im Endeffekt war es nur Katsuyas Interpretation gewesen. Hatte er sich nur eine rosarote, heile Welt gebaut?

Die erste Träne tropfte auf einen seiner Arme, die er um seinen Körper geschlungen hatte, um schweigend vor und zurück zu wippen.

“Ich...”, Setos Atem war beschleunigt, während er durch den Mund atmete, “Ich wüsste nicht, warum du sonst behaupten solltest mich zu lieben.”

“Schieb’ deinen verdammten Selbsthass zur Seite, dann könntest du sehen, warum ich dich liebe!”, schrie der Blonde zurück.

“Hör dir doch mal selbst zu.”, entgegnete der andere nur und erhob sich, “Du denkst, ich sage das nur, weil ich mich hasse. Du siehst keinen Grund, warum ich nicht liebenswert sein sollte. Aber Tatsache ist, dass ich dich schlage, dass ich ständig auf dir rumhacke, dass ich... dass ich andauernd dissoziiere und dich damit dazu bringe dich vollkommen hilflos zu fühlen und an dir selbst zu verzweifeln. Du bist ein neunzehnjähriger Junge. Du bist minderjährig, verdammt!”, er fuhr sich durch die Haare, “Du solltest auf Partys gehen und tanzen und lachen und ganz viele bekloppte Dinge ausprobieren, bei denen sich sorgende Mütter vor Angst um dich erbleichen würden. Du solltest einen Freund haben, der dich unterstützt, der für dich da ist und dich verstehen kann.”

“Aber das bist du doch...”, flüsterte der Blonde erstickt unter Tränen, “Du verstehst mich und du bist für mich da und du machst all meine Macken mit... wenn du nicht gerade mit so einer Selbsthasstirade kommst.”, er versteckte sein Gesicht in seinen Händen.

“Und du findest eine Macke, die das einzig Schlimme an mir ist und nur durch meine Krankheit kommt. Aber das wird sich mit der Zeit ja bessern, nicht?”, ein tiefes Seufzen, “Sieh dich doch an. Ich verletze dich immer und immer wieder. Was du brauchst, ist eine Familie, die dir Liebe und Geborgenheit geben kann.”

“Ach wirklich?”, Katsuya fuhr auf und wurde laut, “Tut mir ja Leid dich zu enttäuschen, aber die gibt es leider nicht. Ist dir entfallen, dass morgen die Verhandlung ist, wo mein Vater wegen Missbrauch an mir angeklagt ist? Wo meine Mutter sein wird, die mich bei ihm gelassen hat, obwohl sie genau wusste, was er mit mir tut?”

“Das ist nicht die einzige Familie auf dieser Welt.”, giftete Seto zurück, der die Arme in die Hüften stemmte, “Nicht alle Eltern sind so. Es gibt Pflegeeltern, die sich wirklich um die Kinder sorgen, die bei ihnen wohnen. Und vielleicht tut es deiner Mutter ja auch Leid und ihr könntet wieder-”

“Hör auf!”, schrie der Neunzehnjährige, “Hör auf, hör auf, hör auf!”, er bedeckte die Ohren mit seinen Händen, “Erzähl mir nichts von einer glücklichen, schönen Welt, die es eh nie geben wird. Sie wird mich nie lieben. Nie!”

Gedankenspiralen

Eine weitere Woche ist rum ^v^ Morgen steht mein Extremitätentestat an, wo ich alle Muskeln, Arterien, Venen und Nerven für können muss... wie lustig -.- Und das alles darf ich dann an der Leiche zeigen. Die Unterarmmuskeln kann ich bei ihr einfach nicht zuordnen, egal, wie sehr ich mich anstrenge. Nun gut, wird schon irgendwie klappen...

Ich möchte kurz Sunkiss für das Päckchen und Little-Hope für die Übernachtung danken und Grüße an Lunatik ausrichten, wenn ich schon derzeit alle Kapitel mit Widmungen versehe X.X Seid bitte nicht beleidigt, wenn ich jemanden vergesse, der unter Garantie eine verdient hätte. In diesem Sinne widme ich das Kapitel allen Lesern ^.^ Und besonders den Kommentarschreibern ^.-

Danke und viel Spaß!
 

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“Ich weiß, es ist falsch dir Hoffnungen zu machen, aber hast du nur einmal ernsthaft darüber nachgedacht zu deiner Mutter zu ziehen?”, Setos Schultern verloren ihre Spannung, “Katsuya, selbst wenn sie dich nicht plötzlich liebt, so bringt sie dich wenigstens nicht in Lebensgefahr, so wie ich es tue.”

Katsuya konzentrierte sich auf seine Atmung. Ruhig. Ein, aus, ein, aus... keine Panikattacke kriegen, nicht Seto angreifen, ruhig...

“Hast du mal darüber nachgedacht, was meine Psyche macht, würde ich hier ausziehen? Glaubst du, meine Mutter oder irgendein Pflegeelternteil würden mich jede Nacht trösten, wenn ich Alpträume habe? Würden mich wieder in die Wirklichkeit bringen, wenn ich dissoziiere? Würden versuchen mich zu beruhigen, wenn ich drauf und dran bin die mir nächste Person windelweich zu schlagen?”, Setos Stirn legte sich in Falten, “Glaub es mir, außer dir tut das keiner. Ich gebe ja zu, ich kenne nicht gerade viele normale Menschen und ich weiß nicht, wie eine glückliche Familie aussieht, aber ich bin mir sicher, dass niemand auf dieser Welt mehr für mich tut als du. Sicher gibt es Menschen, die einen Teil davon machen würden und dabei auch sicher nicht so gefährlich und verletzend sind wie du beizeiten, aber was ich brauche, bist du. Du allein und nicht meine Mutter, nicht die besten Pflegeeltern dieser Welt und auch nicht diese ominöse Mutter Theresa, sondern nur du!”

Ein mageres Lächeln legte sich auf die Lippen des anderen.

“Das hast du dir gemerkt?”, fragte er leise.

“Ich merke mir alles, was du mir erklärst.”, gab Katsuya in eben der gleichen Lautstärke zurück, “Ist “Ich brauche dich” auch der typische Satz einer psychisch abhängigen, misshandelten Frau?”

“Nein.”, gab Seto flüsternd zu und schloss die Augen, während er den Kopf ein wenig hängen ließ.

“War das dein Ernst, als du sagtest, dass du nur glaubst mich zu lieben, weil du von mir abhängig bist?”, Tränen wallten wieder vor den braunen Iriden auf.

“Ich...”, der Ältere wandte den Kopf ab, “Bitte frag mich nicht nach Gefühlen.”

“Tu ich aber.”

Katsuya stand vor der Couch, die Arme verschränkt, mehrere glänzende Spuren auf seinem Gesicht, die unter dem Kinn zusammen liefen. Zwischen ihm und Seto nur der Couchtisch, der ihnen beiden gerade bis zu den Knien reichte. Und doch schaffte er Distanz. Dieselbe Distanz, die die Worte schafften.

“Ich weiß es nicht.”, Seto fuhr sich noch einmal durchs Haar und versuchte die Tränen wegzublinzeln, “Ich weiß doch nicht... ich verstehe das nicht. Ich weiß nicht, ob ich dich liebe, ob ich dich brauche, ich weiß nicht einmal, ob ich dich überhaupt mag.”, ein Tropfen trennte sich auch aus seinem Auge, “Ich weiß nicht, warum ich das hier alles sage. Eigentlich will ich dich nicht verletzen und ich will auch nicht, dass du gehst, aber gleichzeitig denke ich, dass es viel besser wäre, wenn du nicht da wärst, eben weil ich dich immer nur verletze, weil... weil ich Dinge sage, die ich gar nicht sagen will, aber denke, ich wollte es, bis ich merke, was ich da eigentlich anrichte. Ich...”, eine Hand ballte sich zur Faust, “Tut mir Leid. Es tut mir Leid, dass ich dir schon wieder weh getan habe.”
 

“Warum dann die Sache heute morgen mit dem Gedicht? Kam das nicht von Herzen?”, fragte der Blonde mit erstickter Stimme.

“Ich... ich... also... ich hätte das nicht tun sollen. Ich mache dir nur Hoffnungen, die ich eh nur wieder zerstöre, weil ich deine Erwartungen nicht erfüllen kann.”

“Welche Erwartungen, Seto?”, Fazit... Seto dachte viel zu viel nach.

“Die, die man an seinen Freund in jeder normalen Beziehung nunmal stellt.”, er seufzte, doch ließ den Blick abgewandt.

“Ich erwarte Folgendes von dir: Dass du mich nicht wegschickst, weil du glaubst, das wäre besser für mich. Überhaupt dass du etwas gegen meinen Willen tust, weil du glaubst, es sei besser. Ich erwarte, dass du versuchst gegen deine Krankheit anzukommen und so wie jetzt gerade zumindest irgendwann merkst, dass du mal wieder Mist baust. Und ich erwarte, dass du wenigstens ein klein bisschen für mich da bist und dich um mich kümmerst, wenn es mir schlecht geht. Klar soweit?”, der Größere hob schüchtern die blauen Augen und sah einen ganz kurzen Moment zu Katsuyas Gesicht auf, “Ansonsten wünsche ich mir ein paar Dinge, bei denen ich mich sehr freue, wenn du sie tust.”

“Und...”, ein weiterer kurzer Blick, “Was ist das?”

“Dass du mir treu bist, dass du Hilfe suchst, wenn es dir schlecht geht, dass du bisweilen ein paar süße Aktionen reißt wie die Sache mit dem Gedicht heute morgen und dass du jetzt herkommst und mich küsst.”

Den Kopf schuldbewusst gesenkt machte Seto drei Schritte um den Tisch herum und blieb ein paar Zentimeter von Katsuya entfernt stehen. Erwartungsvoll hob er den Kopf, doch von seinem Emo-Drachen kam keine weitere Regung. Brauchte er eine Extraeinladung oder was?

“Seto...”, nörgelte er ein klein wenig, “Glaub mir einfach, so wie du bist, bist du wunderbar und alles, was ich brauche. Und jetzt küss mich endlich, damit wir diesen dämlichen Streit beenden können.”

“Das widerspricht sich...”, flüsterte der Brünette leise, sah vorsichtig unter den ihm ins Gesicht gefallen Haaren her, legte den Kopf ein wenig schief und beugte sich vor, um mit einer federleichten Berührung seiner eigenen Katsuyas Lippen zu liebkosen.

“Okay...”, gab der Jüngere leise zu, “Jetzt bist du alles, was ich brauche.”, er nahm von sich aus den Mund des anderen gefangen, “Obwohl...”

“Was?”, fragte Seto mit zittriger Stimme.

“Du wolltest mir deine Briefmarkensammlung zeigen.”, gab der Blonde mit einem Grinsen zurück.

Das zauberte doch glatt auch ein Lächeln auf die Lippen des Größeren, bis Katsuya diese wieder in Beschlag nahm, während starke Arme seinen Körper in die Höhe hoben und Richtung Treppen trugen.

“Hm...”, schnurrte der Getragene fast, “Geht es deinem Arm wieder gut?”

“Schmerz ist relativ.”, war alles, was er als Antwort bekam.
 

“Au...”, murrte Seto leise.

“Warum sagst du au, wenn ich unten lag?”, der auf dem Rücken Liegende schnaubte und begann das brünette Haupt zu kraulen, was auf seine Schulter drückte.

“Sex verbrennt Schmerzmittel.”, behauptete das gekraulte Etwas.

“Das könnte nicht vielleicht an der Überlastung liegen mich bis ins Schlafzimmer getragen zu haben?”

“Nein.”, meinte Seto stur, “Da hat es schließlich nicht weh getan.”

“Idiot...”, zu der netten Beleidigung gab es aber wenigstens einen Kuss, “Hat es neben dem Schmerzmittel denn auch Kalorien verbrannt und du jetzt Hunger?”

“Ja...”, was war das für ein Ton? War Seto... beschämt? So leise und ein wenig bittend, die letzte Silbe wie bei einer Frage gehoben.

“Soll ich uns etwas zu Essen machen gehen?”, fragte Katsuya lächelnd.

“Nein.”, er biss sich auf die Unterlippe. Okay, diese Tonlage kannte er zu gut. Solch ein stures Nein kam nur von Klein-Seto.

“Wirklich nicht?”, er schloss das große kleine Etwas in seine Arme, “Warum denn?”

“Weil ich kuscheln will.”, Katsuya grinste. Der erwachsene Seto hätte in diesem Zusammenhang keinesfalls das Wort “will” benutzt, er hätte ganz brav “möchte” gesagt. Nebst der Tatsache, dass er das nie zugegeben hätte. Es waren Kleinigkeiten, die Setos verschiedene Seiten unterschieden, aber die jede einzelne von ihnen individuell und liebenswert machte.

“Okay...”, murmelte der Blonde, setzte sein Kraulen fort und fuhr mit seiner freien Hand über Setos muskulösen Rücken, “Und wie geht es dir, Minidrache?”

“Gut.”, lächelnd rückte der große Körper näher, die trainierten Arme schützend vor die Brust und das Gesicht gehalten, dass er auf Katsuyas Arm legte – fehlte echt nur noch, dass er begann am Daumen zu lutschen.

“Wirklich? Du bist nicht einsam oder ängstlich?”, wann hatte man schon die Chance mit der unverfälschten Gefühlswelt seines Partners zu reden?

“Wieso? Du bist doch da.”, ein Schwall Hitze schoss durch Katsuyas Adern und zauberte ein glückliches Lächeln auf seine Lippen. Ja, warum auch einsam sein, nicht? Klein-Seto war so unglaublich... pur.

“Hast du mich lieb?”

“Natürlich hab ich dich lieb!”, schmollend sahen die blauen Augen zu ihm auf, “Du mich etwa nicht?”

“Doch.”, Katsuya küsste dem anderen auf die Stirn, “Ich liebe dich über alles.”

“Dann ist gut.”, Klein-Seto schloss zufrieden lächelnd die Augen.

Ja, dann war es gut. Wenn Setos innerstes Selbst ihm sagte, dass er ihn lieb hatte, dann war wirklich alles gut. Sein erwachsenes Selbst mochte mit Gefühlen nicht umgehen können, aber seine Kinderversion sagte, was er dachte – die Wahrheit.
 

“Kats?”, der Angesprochene warf einen Blick über die Schulter und sah – wie nicht anders erwartet – seinen Seto mit etwas zerzauster Frisur, sich mit einer Hand den Schlaf aus dem Augenwinkel wischend in einem dunkelblauen Bademantel ins Wohnzimmer treten.

“Na, wieder wach?”, ein Blick zur Uhr sagte ihm, dass der andere knapp anderthalb Stunden geschlafen hatte, “Ich habe schonmal meine Hausaufgaben begonnen. Möchtest du jetzt gern etwas essen?”

“Ja, bitte.”, ein müdes Lächeln schlich sich auf Setos Lippen, während Katsuya sich erhob.

“Sicher, dass du nicht lieber noch etwas hinlegen willst? Du hast die letzte Nacht doch wahrscheinlich kaum geschlafen, so viele Alpträume, wie ich hatte... und diese wird sicher noch schlimmer.”, zärtlich strich er dem Größeren mit dem Handrücken über die Wange, die Augenbrauen ein wenig zusammen gezogen.

“Ich hab doch jetzt geschlafen. Reicht.”, tat der Brünette das ab, “Was steht auf deinem Ernährungsplan?”

Sie gingen hinüber in die Küche, wo Katsuya einen Blick auf die Pinnwand warf, um ihm mitzuteilen, dass es Spagetthi geben würde, was Seto mit einem zufriedenen Grummeln zur Kenntnis nahm, sich setzte und seinen Kopf auf seine auf der Tischplatte verschränkten Arme legte.

“Anderthalb Stunden sind nicht wirklich viel Schlaf für eine Nacht.”, murmelte der Jüngere, während er sich an die Zubereitung des Essens begab.

“Nein, ich brauche drei.”, kam es gedämpft durch den Bademantel zurück, “Aber die anderen anderthalb kriege ich sicher heute Nacht noch.”

“Das ist krank.”, die Spagetthi wurden in den Topf gegeben, “Drei Stunden sind bei weitem zu wenig.”

“Wenn du bis ein Uhr arbeitest, bevor du nach Hause fährst und deinen Bruder morgens um sechs Uhr wecken musst, merkst du schnell, dass drei Stunden völlig ausreichen. Obwohl ich ganz zu Anfang glatt noch vier brauchte.”

“Workaholic.”, kommentierte Katsuya das nur, während er die Zutaten für die Sauce zusammen suchte.

“Auf diese Art hat man kaum Panikattacken und schläft traumlos durch. Man ist zu erschöpft für so etwas.”, Setos Kopf richtete sich auf, sodass er auf seinen Armen liegend seinem Freund zusehen konnte.

“Sollten sich meine Ängste so entwickeln, dass ich das ernsthaft als Lösung in Betracht ziehe, gehe ich freiwillig zu jeder Therapie, die du mir empfiehlst.”, spottete der Blonde.

“Habe ich dein Wort darauf?”, ups... war doch nur ein Scherz gewesen. Warum war er plötzlich so ernsthaft?

“Äh... wie magst du deine Spagetthi?”, ganz toller Themenwechsel, Katsuya, gar nicht auffällig.

Seto seufzte nur und vergrub seinen Kopf wieder.
 

“Seto...”, Katsuyas Stimme zitterte leicht, während sein Kopf in die Höhe schnellte und sein Blick sich auf den Couchtisch legte.

“Ruhig, Kleiner...”, der Ältere warf seinen Stift auf die Unterlagen, kam zu ihm und hockte sich neben den über seine Hausaufgaben Gebeugten, “Was fühlst du?”

“Immer weniger...”, Katsuyas Atmung beschleunigte sich, bevor sie vollkommen aussetzte und sich so schwach fortsetzte, dass sich nicht einmal mehr seine Brust hob. Seine Augen fixierten einen Punkt auf dem Tisch und blieben starr auf ihm, während seine Muskeln erschlafften.

Heiße Haut drückte gegen seine Lippen, zwang sie auseinander, damit eine raue Zunge über die seine streichen konnte. Arme zogen ihn an einen warmen Körper, an dem sich Bügelweiß mit teurem Herrenparfüm mischte. Chemie, Lavendel, Moschus und irgendetwas sehr Scharfes, in der Nase Stechendes. Eine feste Umarmung. Ein brennender Kuss. Und dieser unvergleichliche Geruch nach Seto...

“Gut bemerkt.”, urteilte dieser mit leiser, leicht seduktiver Stimme, “Du beginnst mit dir umgehen zu können. Was hat dir Angst gemacht?”

“Gedanken...”, flüsterte Katsuya.

Gedanken. Würde Mutter seine Seite verstehen? Würde sie sich gegen ihren Ex-Mann stellen? Würde sie den Missbrauch überhaupt als solchen ansehen? War es... wirklich Missbrauch? Yami hatte das so lange mit ihm durchgekaut, vor Jahren schon, ja – aber auf der anderen Seite hatte ja auch... war er ja auch böse gewesen. Was, wenn Yami sich geirrt hatte? Wenn es doch...

“Was für Gedanken?”

Sowieso die Sache mit seiner Mutter. Auch das hatte er mit Yami besprochen. Wenn er sich einmal irrte, warum nicht oft? Katsuyas Mutter hatte ihn nie misshandelt. Zu Shizuka war sie immer liebevoll gewesen. Vielleicht brauchten Jungen einfach nicht so viel Zuneigung und er war nur übersensibel gewesen. Er hatte sicher einfach nur übertrieben. Als Kind hatte er sich doch auch gar nicht abgelehnt gefühlt. Vielleicht lenkte er seine Wut, die er auf die Welt gehabt hatte, jetzt nur auf seine eigentlich unschuldige Mutter. Er hatte doch gar kein Recht sauer auf seine Mutter zu sein, die immer gut für ihn gesorgt, die ihn eingekleidet und ernährt hatte.

“Katsuya.”, eine Hand packte fest seine Schulter und schüttelte ihn, “Rede mit mir. Sag einfach, was dir durch den Kopf geht.”

Im Endeffekt war er nur ein völlig undankbares Kind. Okay, sein Vater hatte wirklich übertrieben, das hatte er nicht verdient, aber seine Mutter? Er konnte doch nicht sie mitverantwortlich dafür machen, was sein Vater... aber...

“Warum hat Mutter mich bei ihm gelassen?”

Mutter

Ich bin verrückt... in vierzig Minuten beginnt meine Terminologieprüfung und ich habe nichts Besseres zu tun als Kapitel hochzuladen -.- Irgendetwas stimmt nicht mit mir *drop*

Was mich aber mächtig aufgemuntert hat, ist, dass feuerregen ein neues Fanart hochgeladen hat *v* Vielen Dank! Das kommentiere ich aber nicht mehr vor der Prüfung ^.- Dafür lass ich mir Zeit...

Zeit, noch so ein Punkt. Eine große Entschuldigung an alle, die mir ENS schreiben, derzeit kann ich leider nicht antworten, ist relativ stressig. Ich hoffe, ich komme da in nächster Zeit zu.

Ansonsten viel Spaß mit dem neuen Kapitel ^.^
 

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“Warum deine Mutter dich bei ihm gelassen hat...”, murmelte Seto, “Was kannst du dir vorstellen, warum?”

Was er sich... Tränen schossen in seine Augen. Er wusste es doch nicht. Weil er ihr zu viel war? Aber warum er und nicht Shizuka? Weil sie ihn einfach weniger lieb hatte? Vielleicht war das auch irgendeine Entscheidung vom Gericht gewesen. Oder sie hatte wirklich gedacht, dass sie ihm damit etwas Gutes tat. Aber warum sollte sie?

“Ich weiß es nicht...”, seine Stimme klang weinerlich.

War er ihr zu anstrengend gewesen? War es, weil er kein Mädchen war? Oder weil er so anspruchsvoll war? Vielleicht weil er sich immer gerauft hatte. Ja, seine Schwester war ein süßes, kleines Bündel gewesen. Er war nur ein ungezogener Rotzlöffel.

“Denkst du, es ist wegen dir?”

“Natürlich!”, eine Träne rann Katsuyas Wange entlang, “Es muss doch an mir liegen.”, die braunen Brauen über den tiefen, blauen Augen zogen sich ein Stück zusammen, “Oder... nicht?”

“Ich kenne deine Mutter nicht, aber ich kann es mir eigentlich nicht vorstellen.”, sagte Seto ruhig, fuhr mit einem Arm unter die Kniekehlen des Jüngeren und hob ihn in die Höhe, um ihn auf dem Sofa auf seinen Schoß zu setzen.

“Dein Arm!”, tat der nicht schrecklich weh?

“Vergiss meinen Arm.”, aber den sollte er doch nicht belasten... “Deine Mutter war doch lieb zu deiner kleinen Schwester, oder?”

“Ja...”, der Blonde zog die Arme zu sich und lehnte sich seitlich an Setos Brust, wo er von dessen Armen gehalten wurde, die sich um ihn legten.

“Aber dich hat sie größtenteils ignoriert, richtig?”

“Ich weiß nicht...”, er biss sich kurz auf die Unterlippe, “Sie hat doch nur... also... sie hat mich nur nicht so oft in den Arm genommen und... na ja, Shizuka hat sie immer in ihre Kleidchen gesteckt, hat ihr die Haare geflochten und sie immer auf dem Schoß gehabt. Also... so was macht man mit Jungen ja nicht.”

“Wenn sie in dir nur den Funken des Gefühls erweckt hat vernachlässigt zu werden, dann war es auch Vernachlässigung. Es kommt vor, dass man mal kein Zeit für sein Kind hat, ja, es kommt vor, dass man überarbeitet ist, dass man einen schlechten Tag hatte, dass man mal aggressiv ist oder sogar mal handgreiflich wird. Das kommt alles vor – bei allen Eltern. Aber es wird Misshandlung, wenn es chronisch wird, also wenn es praktisch immer oder zumindest sehr oft so ist. Wenn ein Vater jeden Abend nach der Arbeit ins Bett fällt ohne mal ein paar Worte mit seinen Kindern zu wechseln, dann ist das Vernachlässigung. Wenn eine Mutter ihre Kinder nicht umarmt oder ihnen einfach nur mal sagt, dass sie sie lieb hat, dann ist das Vernachlässigung. Ein Kind kann es aushalten, wenn es mal Opfer eines Wutanfalls wird, obwohl es nichts dazu kann, aber kein Kind hält es aus, wenn es außer der Übergabe an die Kindergärtnerin, dem Umziehen und dem Essen nichts von seinen Eltern sieht.”

Ja... war irgendwie schon verständlich... keine Eltern waren perfekt, klar. Und Misshandlung war nicht immer nur das, was man Kindern antat sondern bisweilen auch das, was man nicht tat. Aber ob man seine Mutter wirklich vernachlässigend nennen konnte?

“Katsuya?”, er hob unsicher den Blick, “Du sagtest, dass deine Mutter wusste, was dein Vater tat... ist das richtig?”

“Ja?”, worauf wollte er jetzt hinaus?

“Findest du nicht, dass es ganz klar Vernachlässigung ist, wenn man der Misshandlung seines eigenen Kindes widerspruchslos zusieht?”, Katsuya schluckte tief und hielt den Atem an, “Genau genommen ist das sogar noch weit mehr als Vernachlässigung... ich persönlich würde es als Co-Misshandlung bezeichnen.”
 

Krack.

Zwei Platten Metall brachen, schleuderten den Rost von sich, um heiße Lava aus dem entstehenden Spalt freizugeben, die sich dahinter aufgestaut hatte. Die Hitze ergoss sich in Katsuyas Adern, überschwemmte seine Glieder, seine Gedanken, seinen Geist, ließ heiße Tränen aus seinen Augen schießen, über denen er die Lider zusammenkniff.

Ein Schluchzen entkam seiner Kehle, um die sich ein Strick gelegt hatte, um ihn am Schreien zu hindern.

Mutter.

Nur eine weitere Person, die ihn verraten, die ihn allein gelassen hatte. Die sich abgewandt hatte, wenn er sie brauchte. Die ihre Pflichten als Mensch vernachlässigt hatte. Die ihre Pflichten als Mutter vernachlässigt hatte. Die ihn vernachlässigt hatte.

“Warum bin ich ihr so egal?”, er krallte seine Finger in Setos Hemd, “Warum hatte sie mich nicht lieb? Was habe ich denn falsch gemacht?”

“Psst...”, der Größere wiegte ihn in seinen Armen, “Nicht immer du, Katsuya. Es ist nicht deine Schuld. Ich weiß nicht, was sie bewogen hat dir gegenüber so ignorant zu sein, aber es war ganz sicher nicht deine Schuld.”

“Woher willst du das wissen?”, rief Katsuya, doch seine Stimme brach noch in der Mitte des Satzes zurück ins Weinerliche, nachdem er sich ein Stück von jenem weggedrückt hatte, “Ich meine, es muss doch meine Schuld sein, dass sie mich nicht leiden konnte und dass Vater mich... dass er damit angefangen hat...”

“Stress, Frust, Angst, psychische Krankheit... es gibt eine Menge Gründe, warum Eltern ihre Kinder misshandeln.”, Seto seufzte und strich mit seiner Hand über Katsuyas Wange, “Meistens tun sie es nicht einmal, weil sie ihren Kindern etwas Böses wollen. Oft kennen sie es nicht anders oder sind nicht in der Lage sich anders zu verhalten. Und fast immer realisieren sie nicht, dass das, was sie tun, Missbrauch ist. Sie sehen es als legitime Erziehung an. Oder sie sind einfach nur hilflos... sie kriegen Kinder, weil sie Eltern brauchen. Weil sie selbst innerlich Kinder sind und sich nach Liebe und Anerkennung sehnen.”

Katsuyas atmete tief durch, löste seine Finger und legte seine Arme um Setos Schultern, bevor er leise fragte: “Kinder wie du?”

“Ja... genau genommen wie ich, wenn ich mein Alltagsverhalten zeige.”, eine kühle Nase strich über seine Schläfe, “Weil sie niemanden haben, dem sie so sehr vertrauen, dass das Kind in ihnen sich hervor wagt.”, ein Schlucken, “Deren Kind überhaupt noch in der Lage ist heraus zu kommen...”

Noch eine Fähigkeit, die man mit weiterer Verbitterung im Leben wohl verlor... weil man gar nicht mehr vertraute. Aber Seto hatte ihn. Und er hatte Seto. Das war alles, das zählte.

Alles, das zählte.
 

“Seto?”, Katsuya fühlte unter seiner Stirn den stetigen Puls von Setos Halsschlagader, dem er seinen Atem anpasste.

“Ja, Kleiner?”

“Was denkst du denn, was Missbrauch ist?”, da hatte er doch sicher auch eine eigene Meinung, oder? Eine gut begründete. Eine voll von Fachwissen. Seto war schließlich eine noch unerschöpfte Quelle der Weisheit, die es zu plündern galt.

“Missbrauch an einem Kind ist ein Verhalten der Umwelt des Kindes, der dazu führt, dass ein Kind als Erwachsener ein gestörtes Selbstbild entwickelt. Jeder Mensch, der sich selbst nicht schätzen kann, ist in meinen Augen ein missbrauchter Mensch. Egal, ob die Lehrer des Kindes sich ständig über ihn lustig gemacht haben, ob seine Mitschüler ihn mieden oder ob seine Eltern ihn schlugen. Irgendwer hat den Missbrauch initiiert und die Umwelt hat darauf nicht adäquat reagiert, was sie zu Mittätern macht. Also wurde das Kind von seiner Umwelt missbraucht.”

“Von der ganzen Umwelt?”, fragte der Blonde nach.

“Ja.”, Seto begann seinen Nacken zu kraulen, “Wenn, sagen wir, ein Physiklehrer ein Kind ständig vorführt und klein macht, dann ist das sicherlich ein missbräuchliches Verhalten. Aber wenn dem Kind niemand hilft, ist das in meinen Augen ebenso Missbrauch. Natürlich kann man nicht jedem helfen, jeden vor Leid beschützen und alles für andere tun, aber das sollte einen nicht abhalten Menschen beizustehen, ihnen ein Freund und Gefährte, ein Helfer und Berater auf dem Lebensweg zu sein. Aber davon gibt es eine Ausnahme: Kinder. Kinder sind einfach noch zu klein, um sich selbst zu helfen. Man kann von keinem Kind erwarten, dass es seine eigenen Eltern anzeigt. Da muss man helfen. Und darum mache ich die komplette Umwelt schuldig, wenn ein Kind missbraucht wird.”

Die komplette Umwelt... ja, dann war auch seine Mutter schuldig. Natürlich war sie schuldig. Sie hatte ihn nicht vor dem Missbrauch geschützt. Sie hatte ihn sogar ausgeliefert, indem sie ihn allein ließ. Sein Vater wie auch seine Mutter – wie auch alle Lehrer, die ihn lieber verhöhnt und verspottet hatten als zu sehen, dass es ihm schlecht ging – trugen Schuld. Und morgen sollte zumindest einer dafür gestraft werden. Der, der die Hauptschuld trug. Und alle anderen ließen sie ungestraft...

“Und wie erkenne ich Missbrauch? Ich kann nicht wissen, wie das Selbst eines Menschen in vielen Jahren sein wird.”

“Doch, das kannst du. Du kannst fühlen.”, Setos Hand griff nach seiner und legte sie an dessen Brust, an der er schwach denselben Schlag wie am Hals spürte, “Du kannst es spüren, wenn ein Kind leidet. Und wenn du ein paar gesehen hast, wird es immer leichter. Irgendwann kannst du es auf den ersten Blick sehen. Du musst nur ein Wort hören und du kannst fühlen, wie es diesem Menschen geht.”
 

“Gibt es... nicht irgendwelche Regeln? Festlegungen?”, Katsuya öffnete die Augen und fixierte die noch stehende, vom Hals größtenteils verdeckte Seite des Kragens des weißen Hemdes.

“Empfindest du Geschlechtsverkehr eines erwachsenen Mannes mit einem minderjährigen Jungen als Missbrauch?”

Uuh... prinzipiell immer ja. Aber Seto war erwachsen und er minderjährig – und ihre Beziehung war kein Missbrauch.

“Das... kommt darauf an. Ich zum Beispiel möchte das ja... aber wenn man es nicht möchte, ist es Missbrauch.”, jetzt würde Seto sicher ein Beispiel bringen, wo es nicht klar war, ob der Junge es wollte oder nicht.

“Und wenn ein zehnjähriger Junge das wünscht, weil es zum Aufnahmeritual in die Gemeinschaft der Erwachsenen gehört jedem Mann des Dorfes beizuwohnen?”, uuh... shit... falsch geraten. Das war ethisch noch schwerer....

“Ähm... und er schläft dann echt mit jedem Mann des Dorfes?”

“Ja.”

“Das ist echt krank.”, urteilte Katsuya und atmete tief durch, “Ich denke, das ist schon Missbrauch... obwohl der Junge es will und wahrscheinlich keine seelischen Schäden davonträgt.”

“Tut er nicht, das ist der Clou.”, Setos Finger kratzten sanft über seine Haut, “Der Junge sieht die Vergewaltigungen als Ehre an und ist stolz darauf, genauso wie seine ganze Umwelt. Deswegen ist es für mich kein Missbrauch, obwohl es praktisch eine Massenvergewaltigung ist.”, ein Kuss wurde auf seine Stirn gesetzt, “Dieses Ritual gibt es übrigens nicht mehr. Aber es gibt zum Beispiel noch Ureinwohnerstämme, wo Jungen vom zehnten bis zum fünfzehnten Lebensjahr praktisch Sexspielzeuge sind. Danach dürfen sie heiraten und selbst Jungen vergewaltigen. Und alle sind psychisch auf der Höhe.”, das war... also... das... “Das beweist auch, dass die Normen vollkommen von der Umwelt abhängen. Auch die Normen, was Missbrauch ist. Und somit auch, was als Missbrauch empfunden wird – und was die Psyche belastet und zu Krankheiten führt.”

Das... unglaublich. Massenvergewaltigungen und es störte keinen? Und es schadete keinem? Was zur...

“Was sich allerdings durch alle Kulturen zieht und Schäden hinterlässt, ist, wenn Kinder im Kindsalter – also bis zum zehnten beziehungsweise zwölften Lebensjahr – vergewaltigt werden, wenn sie Todesangst bekommen und wenn sie in den ersten Lebensjahren zu wenig Liebe spüren.”, die Umarmung lockerte sich ein wenig, sodass Katsuyas Kopf zu Setos Schulter rutschte, doch weiterhin durch seinen Arm aufrecht gehalten wurde, “Es reicht nicht Kleinkinder zu ernähren und zu kleiden. Ohne Umarmungen, ohne konstante Liebkosungen, freundliche Worte und liebevolle Blicke sterben auch schon Säuglinge einfach ab. Ihr Immunsystem schaltet sich komplett aus, sie verweigern jegliche Nahrung und siechen dahin...”, der Brünette seufzte, “Das hat man erst vor wenigen Jahren herausgefunden. Vorher fragte man sich, warum Waisenkinder und Kinder im Krankenhaus reihenweise umkamen.”

Katsuya hob den Blick zu den schönen blauen Augen, die schimmernd auf ihn herab sahen.

“Dein Bruder... hat überlebt...”, flüsterte er leise.

“Aber zu welchem Preis? Zwei Jahre habe ich ihn versorgt. Danach drei Jahre im Waisenhaus. Die nächsten fünf allein mit Kindermädchen. Und schließlich vier Jahre praktisch einsam mit zwei größeren Brüdern, die eine Firma führten. Im Nachhinein ist mir vollkommen klar, warum er so... zerstört war.”

Zerstört, weil ein fünfjähriges Kind nicht allein in der Lage war sich um ein Neugeborenes zu kümmern, während der Vater auf Geschäftsreisen war und die Kinderfrau besoffen im Wohnzimmer lag. Niemand hatte ihm etwas angetan – nur hatten alle nichts getan. Der einzige, der etwas getan hatte, war ein Knirps gewesen, der gerade seine Mutter verloren hatte und nun ihre Pflichten übernahm.

Ein Knirps, der ein Kind blieb, während sein Körper mittlerweile fast neunundzwanzig Jahre alt geworden war. Ein ängstliches, überfordertes Kind, das zu viel vom Leben gesehen hatte. Ein Kind mit dem Namen Seto.

Das war der Mensch, der ihm aus seiner Umwelt zur Hilfe geeilt war, weil auch er im Endeffekt nur ein hilfloses Kind gewesen war – es noch immer war.

Sie waren zwei Kinder voller Angst vor dem Morgengrauen.

Morgengrauen

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Morgengrauen - die geschnittene Fassung

Ein Lemonkapitel? Denkt auch nur ihr XD Es ist nur ein kleiner Apperitif ^.^ Aber ich hoffe, es gefällt euch trotzdem. Die entfernten Teile sind mit [...] gekennzeichnet, aber viel war es auch diesmal nicht.

Und ein großes Update: ICH HABE INTERNET *v* Heißt, ich kann wieder ENS beantworten, was ich in nächster Zeit auch alles wieder aufhole. Danke, dass ihr so geduldig mit mir ward! Mein Telefon wird auch im Laufe der Woche kommen, das heißt, bald kann ich endlich die Verlage durchtelefonieren. Es geht voran ^.^

Viel Spaß beim Lesen ^.-
 

P.S.: Zur Frage, welche Quellen ich für Setos Aussagen im letzten Kapitel benutzt habe - Toxic Parents von Dr. Susan Forward und Queer Theory von Annamarie Jagose hauptsächlich. Die Aussagen wachsen nicht auf meinen Mist und entsprechen nicht unbedingt meinen Überzeugungen, aber sie sollen gewollt provokant sein, um zum Denken anzuregen ^.- Ich kann beide Bücher empfehlen! Ersteres ist ein Selbsthilfebuch, Zweiteres eine Abhandlung über Queer-Sexualität (Homo, Bi, Pan etc.).
 

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“Seto?”, Katsuya bewegte sich keinen Millimeter, “Bist du wach?”

“Ja.”, auch der Größere blieb regungslos, die Decke über ihnen verzog sich nicht, “Hast du überhaupt geschlafen?”

“Weiß nicht... du?”, der Blonde versuchte kurz die Lider zu heben, doch sie fielen wieder zurück.

“Nein.”, gab der Ältere zu, “Aber mir ist völlig klar, dass ich dich nicht verlieren will.”, es war zwar stockduster im Zimmer, aber er hatte das Gefühl, dass Seto ihm den Kopf zugedreht hatte, “Bitte bleib bei mir.”

Pamm.

Pamm.

Pamm.

Überraschungen am Morgen... Katsuya griff an die Stelle, wo er Setos Hand vermutete und fand diese nach kurzen Suchen auch, zog sie an seine Lippen und küsste den kühlen Handrücken, bevor er seine heiße Wange an ihn schmiegte und versprach: “Das werde ich. Die kriegen mich hier nicht weg.”

“Wenn du nicht willst, sowieso nicht.”, der größere Körper rückte an ihn heran und zog ihn an sich, “Du bist neunzehn. Da wird Menschen zugetraut über ihr Leben entscheiden zu können. Wenn du sagst, dass du bei mir sein willst, lassen sie dich auch.”

“Sicher?”, Setos Wange legte sich auf seine Kopfhaut, was ihn fühlen ließ, dass er mindestens einmal in der Nacht in kalten Schweiß ausgebrochen war, “Die hören auf mich?”

“Das sind keine Unmenschen, Katsuya.”, flüsterte der Ältere beruhigend und strich über seinen Rücken, “So sie nicht extreme Bedenken haben, dass ich dich misshandele, darfst du. Nur ob und mit was dein Vater bestraft wird, das kann ich dir nicht sagen.”, ein Kuss wurde auf seine Stirn gesetzt, “Und solche Kleinigkeiten wie Besuchsrechte deiner Eltern, Unterhaltszahlungen... im Pflegerechtsverfahren geht es um den ganzen formellen Kram. Da kannst du dich schon entspannt zurücklehnen. Wir müssen nur vorher den Richter überzeugen, dass dein Vater dich misshandelt hat.”

“Wieso sollte man das nicht glauben?”, fragte Katsuya mit einer Spur von Erschrecken in der Stimme, “Das kann man doch wohl sehen.”

“Aber es gibt keinen Beweis, dass dein Vater das war.”, die Antwort war ernst und mit festem, ruhigem Ton gemacht, “Außer deiner Aussage. Die einzige Augenzeugin dürfte deine Mutter sein. Oder irre ich da?”

Seine Mutter... von ihrer Aussage würde es wahrscheinlich abhängen... er atmete tief durch. Yami wusste von den Misshandlungen aus seinen Erzählungen und der Versorgung seiner Wunden und Male. Der Schularzt der Mittelschule hatte ihn nur versorgt, erst Isis hatte er einige Hinweise gegeben, woher er die Verletzungen hatte. Und sonst? Gab es noch jemanden, der im Entferntesten von der Misshandlung wusste?

“Nein... mein Nachbar hat meine Schreie gehört.”, Katsuya schluckte, “Zählt das?”

“Sollte der Richter nicht überzeugt sein, können wir ihn als weiteren Zeugen vorschlagen.”, die Umarmung um ihn festigte sich kurz, bevor Seto ein wenig von ihm ab rückte, “Was hältst du davon, wenn wir uns fertig machen gehen?”

Der Blonde seufzte und erhob sich.

Zeit, sich seinen inneren und äußeren Dämonen zu stellen.
 

Katsuyas Blick war starr auf seine Hände gerichtet, die anspannungslos in seinem Schoß lagen und wie unter Schüttelfrost zitterten. Doch er fixierte sie nicht wirklich. Sein Blick schien durch sie hindurch zu gehen, sich irgendwo zwischen seinen Knien und der schwarzen Fußmatte des Beifahrersitzes in Setos Auto zu verlieren. Sein mittlerweile relativ langer, normalerweise zur Seite gekämmter Pony fiel ihm ins Gesicht und verdeckte seine Augen vor den besorgten Blicken des Fahrers, der seinen Blick so oft wie möglich von der Fahrbahn nahm.

“Katsuya?”, sein Name... “Gib doch bitte mal ein Lebenszeichen von dir.”, Lebens... zeichen... “Ich kann nicht einmal mehr sehen, ob du atmest.”

Der Blonde zog einmal tief die Luft ein.

“Kannst du noch sprechen?”, fragte Seto wenige Momente später.

Klick.

Ein Schalter in seinem Kopf war umgeschlagen.

Er war angesprochen worden. Er war gebeten worden zu sprechen. Er hatte zu sprechen. Aber es war, als wären seine Lippen zusammengeklebt, als wäre seine Zunge betäubt, als wären die Lider zu schlapp um die Augen unter ihnen weiter freizugeben, um seinen Blick auf den Sprechenden wenden zu können. Seine Hände hatten aufgehört zu zittern.

Das Geräusch des Blinkers.

Rückwärtsgang.

Antworten. Er wollte antworten.

Das Surren des Motors erlosch.

Der Arm, den Seto beim Rückwärtsfahren um die Lehne des Beifahrersitzes gelegt hatte, blieb dort, während der Fahrer sich in seine Richtung lehnte und mit dem Rücken seines linkes Zeigefingers an Katsuyas neuer Jeansjacke zu seinem Hals fuhr, bevor er mit der Rückseite seiner ganzen Hand über dessen Wange strich. Die Kuppe seines zweiten Fingers umfuhr sanft den Mund des Jüngeren, während Seto mit einem Seufzen in der Stimme fragte: “Was soll ich mit dir machen, hm?”

Der Blonde öffnete die Lippen ein Stück, was den neckenden Finger zwischen sie rutschen ließ, wodurch er ihn im Vorlehnen in seinen Mund aufnehmen konnte.

Wenn er seine Zunge schon nicht zum Sprechen nutzen konnte, konnte er mit ihr zeigen, was er haben wollte. Hier und jetzt: Das Vergessen.
 

“Du... willst... ?”, Seto leckte sich über die Oberlippe, “Prinzipiell haben wir genug Zeit... aber du musst schon ein bisschen mithelfen, ja? Mit einem völlig Dissoziativen zu schlafen ist wie mit einer Leiche zu schlafen und... das will ich wirklich nicht.”, er griff an ihm vorbei zu der kleinen Tastatur in der Beifahrertür, um die Lehne des Sitzes zurück zu fahren, “Ich meine, es ist verlockend, wenn du praktisch alles mit dir machen lässt, aber... eigentlich ist das nicht das, was ich will. Eigentlich... möchte ich, dass du sagst, was du magst und was nicht und dass du maulst, wenn ich etwas nicht gut mache und keuchst und stöhnst, wenn du zufrieden bist. Und dass... deine Augen sollen strahlen. Sie sind immer so voll von Gefühlen und manchmal sogar von Tränen, wenn du mich nach deinem Orgasmus ansiehst und...”, Katsuya hob unter Anstrengung die Arme, damit Seto ihm sein T-Shirt ausziehen konnte, “Meine Güte, das hört sich echt pathetisch an. Ich bin wirklich nicht gut darin Gefühle auszudrücken. Verstehst du, was ich dir sagen wollte?”

Die braunen Augenbrauen hatten sich über den blauen Augen zusammen gezogen und bildeten kleine Fältchen zwischen ihnen, während der Blick sich auf Katsuyas Bernsteine legte. Sie unterbrachen ihren Blickkontakt nicht, während Seto sein Jackett auf die Rückbank warf und seine Krawatte sowie sein eigentlich frisch gebügeltes Hemd folgen ließ.

Katsuya zwinkerte schließlich zweimal, um ihm zu bedeuten, dass er verstand. Seto kümmerte sich auch um seine Bedürfnisse. Er konnte nicht glücklich mit ihrem Sex sein, wenn er es nicht auch war. Und er wollte wenigstens ein bisschen, dass dieser Körperkontakt ihre Gefühle spiegelte. Er wollte Emotionen spüren... das war schon echt eine Leistung so etwas zu erkennen und auszudrücken, wenn man nicht in der Lage war seine Gefühle wahrzunehmen. Seto bemühte sich wirklich verdammt um ihn.

Und er würde nie in der Lage sein ihm das wiederzugeben. Er würde nie so für Seto da sein können, wie er es für ihn war. Auch wenn sie gleichberechtigte Individuen waren, Seto war der Ältere, der Erfahrenere, der Klügere. Er konnte Rat geben, Probleme lösen, konnte einen wieder aufbauen, wenn man mit der Welt am Ende war, er analysierte sich selbst und konnte seine schädlichen Auswüchse wie Aggression eindämmen, er war selbst noch stark, wenn es ihm schlecht ging. Er baute einen auf und lies einen gut fühlen, selbst und gerade wenn er ein Kind war, er konnte seine Anfälle sogar mit einer gewissen Art von Humor nehmen und er kannte seine Grenzen. Er wusste so oft, was man tun musste, was man sagen musste, er konnte andere verstehen und sich in sie einfühlen, er... er war der, den Katsuya für sich brauchte.

Weil er schwach war.

Weil er dumm war.

Weil er unsicher war.

Weil er Angst hatte, die ihn lähmte.

Weil er Aggressionen hatte, die er nicht kontrollieren konnte.

Weil er noch weit schlimmer als sein Vater war.
 

“Katsuya...”, Seto küsste die Träne hinfort, die über die Wange des Blonden lief, “Ich wünschte, du würdest mir sagen, was du denkst. Du machst dich doch nicht selbst fertig, oder?”

Doch, genau das tat er. Katsuya schluckte und presste die Lippen zusammen. Diese verdammten Gedanken. Er war nicht so schlimm. Er war aushaltbar, das hatte Seto ihm doch bewiesen. Er machte sich nur wieder fertig.

Und wenn es nun doch stimmte? Wenn Seto sich irrte? Wenn er recht hatte damit, dass er in Wirklichkeit nur abhängig war? Schließlich konnte er Gefühle nur schwer empfinden. Er hatte selbst gesagt, dass er nicht einmal wusste, ob er Katsuya überhaupt mochte. Was, wenn er sich nur selbst belog und das stimmte, was seine Mutter und sein Vater ihm mit ihrem Verhalten gezeigt hatten?

Dass er nichts weiter war als ein Straßenköter. Ein Hund, ein Tier, eine Bestie, die nur ihren niederen Instinkten folgte und ausgemerzt gehörte zum Wohle aller. Aber... es gab selbst Menschen, die Straßenköter aufnahmen und pflegten. Die sich erbarmten um die, die kein gutes Los gezogen hatten, um andere vor diesem Schicksal zu bewahren.

Durfte er leben? War es ihm erlaubt zu leben, obwohl er nur ein niederes, gefährliches, unterentwickeltes Wesen war? Obwohl seine Seele verkrüppelt und verdorben war? Durfte er... durfte er auch ein ganz kleines bisschen Glück haben?

Durfte er?

Bitte?

“Katsuya...”, Seto kam nicht nach die nassen Spuren auf seinem Gesicht wieder zu trocknen, “Bitte sag doch was, Kleiner... was ist denn los?”

“Bitte...”, die Stimme war nur ein Hauchen, ein Krächzen, ein gebrochener Laut, ein schlecht gesetzter Ton auf einer verzogenen Violine.

“Bitte was? Was kann ich tun?”, der Größere legte einen Arm um den auf dem Beifahrersitz Liegenden und zog ihn ein Stück in die Höhe an seine heiße Brust.

“Bitte... zeig mir... dass ich... was ich... wert bin... bitte...”, die Luft wich aus dem Körper Katsuyas, der sich angespannt hatte, um die Worte hervor zu bringen, “Lieb mich...”, es war nur noch ein Flüstern.

“Bitte lass dich lieben.”, entgegnete der Obere mit fester, ruhiger Stimme, die voller Verständnis war, bevor Lippen die seinen belegten und in einem langen, warmen, sehnsuchtsvollen Kuss die Tränen zu Tränen der Freude werden ließen.

Seto verstand.

Er konnte ihn verstehen.

Ihn plagten dieselben Gedanken, derselbe Hass, dieselbe Selbstabwertung. Auch er war nervös und hatte Angst, auch er wusste nicht, mit welcher Art von Schmerz der heutige Tag enden würde, mit welchen Trennungen und mit welchen Erleichterungen.

Und er war für ihn da.

Er war für ihn da und kämpfte an seiner Seite. Mehr zählte nicht.
 

[...]

“Uh... urgh...”, ein Laut zwischen Knurren und Schnurren rollte durch Katsuyas Rachen seinen Oberkiefer entlang, da er die Luft durch den Mund einsog, “Tu’s...”

“Jetzt schon?”, in Setos Stimme schwang ein Hauch von Überraschung und Entsetzen, “Aber-”

Der Liegende schlug nur die Lider auf und durchbohrte ihn mit einem kalten, herrischen Blick. Der Adamsapfel des Oberen hob und senkte sich, die Augenbrauen verzogen sich noch weiter, [...].

“Ich spüre nichts.”, erwiderte Katsuya trocken.

“Und ich möchte, dass du nachher noch normal laufen kannst.”

Er senkte den Kopf ein wenig, um Seto kurz unter seinen Oberlidern hindurch beobachten zu können.

“Kats... ich fühle mich hierbei echt nicht gut.”, der warme Körper entfernte sich ein Stück von ihm, “Das kann sogar ich spüren. Alles in mir lehnt Sex gerade ab.”

Warum musste er gerade jetzt auf seine unsinnigen, sowieso andauernd widersprüchlichen Gefühle hören, verdammte Scheiße? Der Jüngere verzog das Gesicht. Was für ein...

“Okay, okay...”, Setos Stirn lag mittlerweile tief in Falten, “Kompromiss, okay? Ich mach’ es dir...”

Tz... als hätte er irgendeine Wahl. Sein Blick wandte sich zur Seite. Schönes Wetter. Sonnenschein, hübsche Bäume, ein verlassener Parkplatz... und er lag praktisch nackt vor einem Typen, der ihn nicht vögeln wollte. Na ganz toll.

Einige Engelsküsse wurden auf seine pulsierende Haut gesetzt und schon der erste Zungenschlag verwischte auch die Gedanken, die wild durch seine Bewusstsein rasten – ebenso die Wut. Dieses Gefühl, als würde es tief in ihm brodeln, als würde Lava unter seiner Kopfhaut hindurch nach oben fließen, als würde ein Biest in ihm kämpfen, um auszubrechen.

Das alles konnten Setos Lippen ausradieren.

Ob es das war, was Seto empfand? Diese innerliche Leere von dem, was sonst da war und dem Ausgefülltsein von etwas anderem, etwas noch Fremden, aber Aufregenden, Schönen und im Endeffekt zutiefst Beruhigendem?

An und in sich war es... fantastisch.

Aber dieses Fremde blieb fremd. Es wollte Katsuya nicht zu eigen werden. Er spürte es, hier und jetzt, [...] – aber auch das Gefühl würde wieder schwinden. Verschwinden mit dem warmen Körper.

Ankunft im Gericht

Wollen wir doch mal hoffen, dass dieses Kapitel ein bisschen aufrüttelt. Ein alter, guter Bekannter taucht wieder auf (ganz unerwartet, was?), den ihr sicher alle noch aus Teil 1 gern habt (Sarkasmus lässt grüßen). Nein, jetzt mal ernsthaft. Das Wiedertreffen von Katsuya und seinem Vater sollte von manchen bitte mit Vorsicht genossen werden. Zwar hat Katsuya eine außerordentliche gute Unterstützung dabei, aber seinen Gefühlen hilft das trotzdem nicht.

Ansonsten möchte ich ankündigen, dass ich ab jetzt auch ein Telefon habe ^.^ Ich kann also die Verlage durchtelefonieren ^.- Abgeschickt werden die Manuskripte dann Ende Dezember/Anfang Januar. Darauf folgen drei Monate Sendepause, so lange brauchen Lektoren normalerweise zum Studieren. Die komplette Zeitplanung hat sich durch die Verzögerung der Korrektur und der fehlenden Anschlüsse demnach um ein halbes Jahr verzogen *seufz* Heißt, das Buch kommt frühestens im Herbst 2009.

Und nun viel Spaß beim Lesen und BITTE beim Kommentieren. Gerade in den nächsten Kapiteln ist das für mich von außerordentlicher Wichtigkeit. Ich danke euch!
 

P.S.: Ja, das Gerichtsgebäude sowie die Abläufe sind sicherlich nicht 100% authentisch. Ich habe mich am Strafgericht Berlin und Erzählungen einiger Juristen orientiert und mir deutsche Verhandlungen zur Grundlage genommen, weil das japanische Rechtssystem dem deutschen nachempfunden wurde. Ich weiß leider nicht, ob das in Japan wirklich so abläuft, ich kann nur sagen, wie es hier ist.
 

WICHTIGE INFO: Herr Sarowski, der in diesem Kapitel vorkommt, ist der Beamte, der sich um Katsuyas Fall beim Jugendamt kümmert. Die Szenen mit ihm sind nur mit dem Buch erhältlich.
 

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“Na, euch beide gibt es auch noch?”, ein strahlendes Lächeln unter Augen, die nicht lächelten – die nur von Sorge und halb durchwachten Nächten erzählten.

“Es tut gut dich zu sehen...”, murmelte Katsuya leise, müde, doch ehrlich, während er seinen besten Freund in die Arme schloss.

“Euch ebenso.”, auch Yamis Stimme klang abgekämpft und er machte keinerlei Anstrengung sich von dem Blonden wieder zu lösen, “Dienstag Abend keine Meldung, obwohl du doch kommen wolltest, Seto geht nicht ans Telefon, Mittwoch dieser Anruf, plötzliche Funkstille, ich rufe zurück und es meldet sich Setos Mobilfunkanbieter... echt, ihr kostet mich so einige graue Haare.”

“Du färbst sie dir doch eh.”, brummte der daneben Stehende nur.

“Tut mir Leid, Yami...”, flüsterte Katsuya stattdessen, während die beiden sich langsam wieder voneinander lösten, “Mir ging es echt reichlich bescheiden in den letzten Tagen...”

“Schon klar.”, der Ältere schlug kumpelhaft auf seine Schulter, “So lange noch alles dran ist, bin ich beruhigt.”

“Hast du schon reingesehen?”, fragte Seto, die Stimme nicht mehr von Spott durchdrungen sondern ruhig und nachdenklich.

“Ja...”, die Hand, die auf Katsuyas Schulter geschlagen hatte, schloss sich um diese, während der Rothaarige sich zu ihm wandte, “Ich war kurz im Vorraum und habe einen Blick in die Eingangshalle geworfen. Dein Vater und deine Mutter sind schon da. Sie standen zusammen bei einem schwarz gekleideten Herrn... wahrscheinlich einem Anwalt. Deine Schwester habe ich nicht entdeckt.”

Ein Zittern durchlief den jungen Körper, während ein Brennen seine Brustgegend durchfuhr und in ihm einen Hauch von Übelkeit hinterließ.

“Wir sind bei dir.”, versicherte Seto ruhig und legte ebenfalls eine Hand auf seine noch freie Schulter, “Du brauchst keine Angst zu haben. Wir lassen dich nicht im Stich.”, Katsuya schluckte tief und versuchte das Gefühl zurück in seinen Magen zu verbannen, “Bringen wir es hinter uns, ja?”

Er nickte nur, spürte die beiden festen Griffe sich lösen und die Hände von seinen Schultern gleiten.

Stark sein.

Nach der Verhandlung konnte er zusammenbrechen, wie er wollte, Seto und Yami würden ihn auffangen und auf ihn aufpassen. Aber vorher musste er das hier durchstehen. Er musste stark sein. Stark genug seiner Mutter gegenüber zu treten. Stark genug seine Stimme gegen seinen Vater zu erheben. Stark genug dies vor den Augen und Ohren seiner geliebten Schwester zu tun. Stark genug sich vor der Welt zu verantworten und Verantwortung für sich selbst zu übernehmen – und einen Teil davon einem der Menschen zu geben, die für ihn sorgten und sich um ihn kümmerten.

Seinem Seto.
 

Das Gebäude selbst war alt und stand sicher unter Denkmalschutz. Die Außenwände bestanden aus dicken, harten Sandsteinblöcken, die über die Zeit bereits schwarz geworden waren. Am Eingang waren mannsgroße Figuren in den Stein gemeißelt, zwei Frauen mit verbundenen Augen, die in ihren Händen jeweils eine Waage und ein Schwert hielten.

“Weißt du, wer das ist?”, fragte Seto, der seinen Blick bemerkt zu haben schien, mit dem dieser die eindrucksvollen Figuren angesehen hatte, “Das ist Justitia, der griechischen und römischen Mythologie nach die Göttin der Gerechtigkeit und des Gerichts. Ihre Augen sind verbunden, damit sie sich bei ihrem Urteil nicht vom Schein lenken lässt und mit dem Schwert straft sie jene, die sie verurteilt. Die Waage ist ein Relikt des ägyptischen Glaubens, wonach nach dem Tod das Herz eines Menschen mit einer Feder aufgewogen wurde. Das letzte Gericht der Ägypter.”, der Blonde blinzelte interessiert zu ihm herauf, “In Europa stehen diese Damen in und an praktisch jedem Gerichtsgebäude und oft auch bei Anwälten. Hier in Japan ist das nicht so Gang und Gäbe, aber wie du siehst, ist der Trend irgendwann auch hierher gekommen.”

Während Seto sprach, hatten sie bereits das Gebäude betreten und erreichten ein kleines Pforthaus, neben dem ein Band lief und ein Bogen war, durch den man wahrscheinlich zu treten hatte. Dahinter erstreckte sich eine große Halle, die jedoch ansonsten durch ein Gitter vom Eingangsbereich getrennt war, an dem drei Polizisten standen.

“Guten Morgen.”, grüßte Seto den Pförtner, “Wir sind hier für die Verhandlung von Herrn Jonouchi.”, Herr Jonouchi... das klang kalt.

“Namen, bitte.”, brummte der Mann nur und tippte etwas auf eine Tastatur.

“Jonouchi, Katsuya. Muto, Atemu. Kaiba, Seto.”

“Hm...”, das Geräusch der Tastatur, “Ja, in Ordnung.”, eine Art tiefes Qietschen, Metall, das schnell auf etwas anderes Hartes schlug, schließlich ein Laut, der dem ähnelte, wenn in alten Historienschinken im Fernsehen einem Veruteilten der Kopf von der Guillotine abgeschlagen wurde, “Bringen sie diese auf ihrer Kleidung an.”, Seto wurde ein Streifen mit klebbaren Papierschildern auf die Theke geworfen, “Saal 2.4, linke Treppe, zweiter Stock.”

“Danke.”, der Größte drehte sich zu den anderen beiden, zog jeweils einen Klebestreifen von dem gelben, glänzenden Papier und drückte diesen auf die linke Brust der beiden, bevor er dasselbe mit dem letzten Streifen bei sich tat, wo Katsuya dessen Namen und darunter “Zeuge Fall JY10B02” lesen konnte.

Fall JY10B02.

Seine neue Nummer. Das war die Verhandlung, die über den weiteren Verlauf seines Lebens entschied, die Entscheidung, an der sein ganzes Lebensglück hing. Und sie hatte eine Nummer. JY10B02.

Er folgte Setos Beispiel, der Handy, Gürtel, Schlüssel und Portmonnaie in eine der Kisten legte. Anscheinend war das hier wie bei den Flughafenkontrollen, die er früher im Fernsehen gesehen hatte. Man musste überprüfen, dass er keine Waffen mitnahm... Katsuya seufzte. Okay, deshalb hatte Seto heute morgen das Klappmesser aus seiner Hose genommen. Und er dachte schon, dass Seto Angst hatte, er würde seinen Vater attackieren...

Während sein Freund erhobenen Hauptes durch die Kontrolle schritt und seine Sachen auf der anderen Seite wieder entgegen nahm, beobachtete der Blonde, wie Yami die Reißverschlüsse seiner halbhohen Stiefel löste und diese von den Füßen streifte.

“Übertreibst du nicht ein bisschen?”, murmelte Katsuya leise.

“Wieso?”, er deutete auf die Schuhe, die der Ältere gerade aufs Band stellte, “Die? Die enthalten genug Metall, dass ich für diese Detektoren als schwer bewaffnet gelte.”

Na, ein Glück, dass er heute Turnschuhe und nicht seine Springerstiefel anhatte... die konnte man schließlich wirklich als Waffen durchgehen lassen. Was nichts daran änderte, dass das Gerät bei ihm piepste und er sich von einem Handdetektor nochmal genauer untersuchen lassen durfte – die Polizisten schoben es auf seine Piercings, Seto auf die wöchentlichen Eiseninfusionen und Yami auf das Schicksal. Wenn es einem schon schlecht ging, musste schließlich alles schief gehen.
 

“Ah, da sind sie ja.”, ein mittelgroßer Mann in einem gut geschnittenen Anzug trat auf sie zu und wenn Katsuya ihn nicht allein daran erkannt hätte, dann tat er es an dem slawischen Akzent.

“Guten Morgen, Herr Sarowski.”, grüßte Seto und schüttelte dessen Hand, bevor der man sich dem Blonden zuwandte.

“Guten Morgen, Katsuya. Wie geht es dir?”, wieder diese sanfte, beruhigende Stimme, die gar nicht zu dem Aussehen des Mannes zu passen schien.

“Besser, danke.”, warum war seine Stimme so brüchig und leise?

“Ist es dir gut ergangen in letzter Zeit?”

“Ja.”, Yamis Hand suchte von hinten ihren Weg unter Katsuyas T-Shirt, sodass er ihn von den anderen unbemerkt sanft streicheln konnte, “Ja, vielen Dank. Ich bin froh, dass diese ganze Sache bald vorbei ist.”, seine Stimme gewann an Kraft.

“Das kann ich mir denken.”, ein breites Lächeln legte sich auf die Lippen des anderen, “Deine Familie ist übrigens schon da. Sie warten am Ende des Ganges bei den Bänken.”

“Danke.”, erwiderte Katsuya nur. Ob der Mann ihnen extra entgegen gekommen war, um ihn darauf vorzubereiten? Nett von ihm.

Er tauschte kurz einen Blick mit Seto, während Yamis Hand sich wieder von ihm löste. Jetzt zählte es also. Vater, Mutter, Shizuka. Er spickte kurz an Herrn Sarowski vorbei und sah am Ende des Ganges allerdings nur eine Gestalt. Von Größe und Statur her dürfte es sein Vater sein... auf in den Kampf.

Katsuya atmete tief durch und machte einige kurze Schritte in dessen Richtung, Yami rechts von ihm, Seto links und daneben noch Herr Sarowski. Der Typ würde ihn nicht mitten in der Öffentlichkeit und vor aller Augen schlagen, oder? Er schluckte und senkte für einen kurzen Moment den Blick zu Boden. Selbst wenn... konnte es ihm nicht egal sein? Es wäre der unumstößliche Beweis für die Misshandlung und er würde eh kaum etwas fühlen, nicht? Er war über die Jahre immer tauber geworden, hatte den Schmerz nur durch Nebel wahrgenommen, wenn er ihn schon kannte. Sein Körper hatte ab einem gewissen Punkt aufgehört zu empfinden. Zum Glück nie ganz, wie Yami immer wieder betont hatte, während er glücklich gelächelt hatte, weil Katsuya es spürte, wenn man ihn umarmte, wenn man über seine Haut strich und andere Zärtlichkeiten zeigte.

Und doch... plötzlich hatte er Angst. Angst vor den Schlägen und dem Schmerz. Angst wieder abgelehnt, wieder nur als ein Etwas und nicht als ein Jemand zu gelten. Angst vor seinem Vater. Warum? Was konnte der ihm denn jetzt noch antun? Warum... warum löste der Mann diese Gefühle in ihm aus? Was hatte er denn jetzt noch für eine Bedeutung?

Sie kamen der Gestalt langsam näher, die Katsuya unverkennbar als seinen Erzeuger erkannte. Groß, mit straßenköterblondem Haar, das noch frisch vom Duschen war, ein Dreitagesbart im Gesicht, die von einer Jeans verhüllten Beine breitbeinig, die in einer Lederjacke steckenden Arme vor der Brust verschränkt und die Hände – Katsuya schluckte gegen einen Schwall Übelkeit an – in schwarzen Raufaserlederhandschuhen. Auf den zweiten Blick sah man die tiefen Augenringe, die Auszehrung, die auch sein Gesicht und seinen Körper dünn gemacht hatten und den leblosen, ja fast apathischen, glasigen Blick.

Er war nicht betrunken. Aber er war auch nicht nüchtern. Wie Katsuya wusste, war das die gefährlichste Mischung.
 

“Guten Morgen.”, grüßte Katsuya mit leiser, vorsichtiger, aber doch starker, intensiver Stimme, in der ein Hauch der Wut mitschwang, die sein Geist irgendwo in ihm eingesperrt hatte.

Der Ältere antwortete nicht, musterte ihn nicht einmal, sondern fixierte stumm die Augen seines Sohnes, bevor er mit überraschend klarer, fester Stimme antwortete: “Wo hast du deine Freunde gelassen?”

“Stehen neben mir.”, Katsuya ballte die Hände zu Fäusten. Worauf spielte sein Vater an? Was sollte das werden?

“Ich meinte die Bande, mit der du Drogen konsumierst und um die Häuser ziehst, um nachts Leute abzufangen.”, er zog scharf die Luft ein und wich ein kleines Stück zurück, wo Yami bereits seine Hand hin hielt, um ihn mit einem festen Griff seiner Anwesenheit zu versichern, “So Leute wie deinen alten Mathelehrer.”

“Ich weiß nicht, wovon du sprichst.”, seine Stimme zitterte leicht. Er wusste, von was sein Vater da sprach. Die vier Typen, mit denen er vor zwei Monaten noch unterwegs gewesen war.

“Tu nicht so scheinheilig, das weißt du ganz genau. Genauso wie diese Bande um dich herum es wissen sollte, meinst du nicht?”, ein abfälliges Lächeln legte sich auf die Lippen seines Erzeugers, “Ich werde angeklagt wegen Kindesmisshandlung, weil ich meinen Sohn davon abhalte noch mehr Schrott zu bauen, während der Alkohol säuft wie ein Fass ohne Boden, sich eine Line nach der nächsten zieht und ansonsten nichts Besseres zu tun hat, als Geschäfte und Leute auszurauben und die eigenen Lehrer zusammenzuschlagen.”, er rümpfte die Nase, “Glaubst du echt, dass du damit durch kommst? Meinst du nicht, dein Vorstrafenregister spricht für dich? Einen Monat wegen Diebstahl und schwerer Körperverletzung, Strafzahlungen und Sozialarbeitsstunden für den ganzen Rest, wegen dem sie dich dran gekriegt haben. Unerlaubter Waffen- und Drogenbesitz, Erpressung, Körperverletzung, Gegenwehr bei einer Festnahme, Beleidigung gegen einen Beamten im Dienst... und jetzt kommst du plötzlich mit der Misshandlungsnummer. Was ist?”, die Stimme wurde lauter, “Ist dir langweilig oder was soll plötzlich der Mist?”

“Zügeln sie sich mal.”, meinte Seto mit einer Stimme, die kälter als Eis schien, “Das hier ist ein Gerichtsgebäude. Außerdem können sie sich ruhig mal überlegen, was ihren Sohn überhaupt dazu gebracht hat solcherlei Dinge zu tun.”

“Erstmal können sie sich da raus halten, sie Fatzke, das ist immer noch mein Sohn. Und sie sollten nicht über Dinge reden, von denen sie keine Ahnung haben. Sie wissen nicht, wie schwierig dieses Kind ist. Und eine Scheidung ist wahrlich kein Grund so am Rad zu drehen, wie er es tut.”

“Ich verbitte m-”

“Sehen sie ihn sich doch an. Das Ding ist doch drauf und dran wieder irgendso eine Attacke zu kriegen und alles in Schutt und Asche zu legen. Wissen sie, wie oft der Kerl unsere Möbel zu Kleinholz verarbeitet hat? Das Vieh hat mich und meine Frau geschlagen! Können sie sich das überhaupt vorstellen?”

Er hatte nie – niemals – Hand an seine Mutter gelegt. Das war eine Lüge. Das war alles Zeug, was sein Vater getan hatte. Katsuyas wutverzerrtes Gesicht wurde mit einem Mal fast ausdruckslos. Halt. Was sein Vater getan hatte? Vor seinen Augen war in schneller Reihenfolge die Küche, der Flur, das Wohnzimmer, alles Orte, wo er seine Mutter weinend am Boden sah und sein Vater über ihr mit dem Gürtel, mit den Porzellan, auf dem das Essen, was sie gekocht hatte, war oder einfach nur mit erhobener Faust. Wie er schrie und auf sie einschlug und-

“Katsuya?”, Yamis Stimme war seltsam verzerrt, “Katsuya, bitte lass los, das tut weh...”

“Ist das nicht Beweis genug, wie aggressiv dieses Ding ist?”

“Er ist weder ein Ding noch ein Vieh noch sonst etwas in diese Richtung, er ist ein junger Mann, der darunter leidet, dass sie ihn geschlagen haben und hungern ließen. Dass sie ihn in keiner Form geliebt, sondern sich sogar noch an seinem Elend ergötzt haben!”, Setos Stimme war schneidend, doch sie übertönte nicht die Worte, die immer wieder durch Katsuyas Kopf schossen.
 

“Nimm ihn...”

“Was?”, die beiden streitenden Erwachsenen drehten sich zu ihm und Yami schloss die Hand, die er anscheinend von seinem Arm hatte lösen können zwischen den seinen ein.

“Das hat Mutter gesagt, als du sie mal wieder zusammen geschlagen hast. Sie hat auf mich gezeigt und gesagt... gesagt...”, er hob die Blick und starrte mit wilden Augen seinen Vater an, “Das hat sie doch gesagt, oder? Das waren ihre Worte.”

“Ich habe keine Ahnung, was du da jetzt wieder zusammen fantastierst.”, grollte sein Vater nur und stemmte die Hände in die Hüften, was ihn noch bedrohlicher wirken und Katsuya sofort wieder seiner Übelkeit bewusst werden ließ.

“Wo ist sie?”, fragte Katsuya, die Stimme grabestief und emotionslos, als käme sie aus einer fremden Welt.

“Wer? Deine Mutter?”, sein Erzeuger schwieg einen kurzen Moment, “Die ist Shizuka suchen. Wollte unbedingt das Gebäude ansehen.”

Katsuya drehte ab, die Gedanken bei seiner Mutter, doch ein kräftiger Griff um seinen Oberarm hielt ihn zurück – ein schmerzhafter Griff.

“Lass mich los!”, schrie der Blonde auf, die Lider weit auseinander gezerrt, der zitternde Blick auf seinen Vater gerichtet, der ihn zurück hielt, “Lass mich! Lass mich!”, nur noch ein hohes Kreischen, das seine Kehle verließ.

“Du bleibst- Lassen sie mich los!”, donnerte Herr Jonouchi und versuchte Seto von sich weg zu drücken, der sich von der Seite zwischen die beiden drängte.

“Lassen sie ihn los.”, entgegnete dieser nur, die Stimme die eines extrem bösartigen, missgestimmten Tieres – er klang noch schlimmer als Bakura, bevor er Katsuya damals angegriffen hatte, “Jetzt.”

“Komm her, Kats...”, flüsterte Yami beruhigend, hielt den Kopf des Jüngeren mit beiden Händen und zog ihn zu sich, weg von dem Mann, der seinen Griff ausreichend gelockert hatte, dass Katsuya ihm entkommen konnte, “Beruhige dich, Kleiner... ruhig...”, seine Hand strich sanft über die Wange des Größeren, der Yamis stummen Befehl folgte so zu atmen, wie dessen andere Hand an seiner Brust es ihm vorgab.

“Sie werden ihn nie wieder anfassen.”, zischte Seto den einen halben Kopf kleineren Mann an, von dem er nur noch wenige Zentimeter entfernt stand und ihn dennoch nicht berührte.

“Und sie haben mir gar nichts zu befehlen. Ich kann mit meinem Sohn machen, was ich für richtig halte.”

“Das können sie nicht.”, diese gräßliche, angsteinflößende Stimme wurde durch ein tiefes Grollen ergänzt, “Genau deswegen sind wir hier, meinen sie nicht?”

“Sie nehmen mir den Jungen nicht weg.”

“Das brauche ich nicht.”, stellte Seto klar, “Er ist von sich aus zu mir gekommen.”, Katsuyas kontrollierte Atmung kam einen Moment aus dem Takt, während er starr den gefließten Boden fixierte, “Wenn sie ihn nicht verlieren wollten, hätte ihnen das früher einfallen sollen.”

“Das muss ich mir von ihn-“

“Katsuya!”, der Blonde zuckte zusammen. Diese Stimme... sie war tiefer, weiblicher, weniger schrill... aber sie war...

“Shizuka?”, er hob den Blick, löste sich von Yamis Händen und stolperte in die Richtung, aus der er die Stimme wahrgenommen hatte.

Ja.

Sie war es.

Dasselbe braune Haar, dieselben warmen Augen, dasselbe herzerwärmende Lächeln. Das Gesicht war schon so erwachsen und – kaum zu fassen – sie war sicher einssiebzig groß, aber sie trug noch immer Kleider, die gerade an ihre Knie reichten, immer noch Halbschuhe, immer noch die Haare lang und immer noch lief sie voller Freude auf ihn zu, um sich in seine Arme zu werfen – das änderten auch zehn Jahre nicht.

Nur hatte sie vor zehn Jahren keinen dicken Bauch und so breite Beine gehabt, aber das machte nichts, es war Shizuka, seine Shizuka, seine geliebte kleine Schwester, die er endlich wieder in seine Arme schließen konnte.

Shizuka

Wir kommen Weihnachten näher ^.- Nächste Woche Montag bin ich auf einer Geburtstagsfeier, das Kapitel wird also entweder spät abends oder Dienstagmorgen on gestellt.

Bis dahin habe ich leider auch noch eine Prüfung, aber was will man machen? Zum Glück ist mein Prüfer nett ^.^ Der für die danach leider nicht T.T Der macht mir Angst (auch wenn er wahrscheinlich trotzdem nett ist).

Ab Kapitel 26 ist die Formatierung übrigens wieder normal. Bis dahin bleibt sie leider so komisch, ich habe keine Umstellungsmöglichkeit gefunden. Und möglicherweise gibt es Freitag auch ein Kapitel... mal schauen.

Genug geredet, viel Spaß beim Lesen ^.^ Und wie bei allen Gerichtskapiteln: Bitte mit Vorsicht genießen.
 

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“Katsuya...”, jener fühlte Tränen sein T-Shirt durchnässen, an das seine Kleine sich drückte, die Seite des Gesichts an seine Brust gelegt, während er vorsichtig die Arme um sie geschlossen hatte, damit er sie mit seiner brutalen Kraft ja nicht erdrückte – sie war schließlich ein Mädchen, die waren zerbrechlich.

Ein Lächeln zog bis hinauf zu seinen Wangen, während sich die Tränen aus seinen Augenwinkeln lösten. Sie hatte ihn auch vermisst. Sie hatte ihn auch nicht vergessen. Zehn Jahre hatten keinen Keil zwischen sie geschlagen. Sie war und blieb seine Kleine, sein Schatz, sein Engel.

Lebenskraft strömte in ihn, fuhr in seine Muskeln, hob die Last von ihm. Shizuka war hier. Shizuka. Seine kleine Shizuka. Er wagte es seinen Griff um ihre Schultern ein wenig zu festigen und sie in seinen Armen nach rechts und links zu wiegen. Shizuka. Er hatte Shizuka wieder.

“Ich hab dich so vermisst...”, murmelte sie und sah auf mit ihren tränengetränkten, strahlenden, gleichzeitig lächelnden und angstvollen Augen. Angstvoll? Dachte sie etwa... in Katsuyas strahlendes Lächeln mischte sich ein “Klar-hab-ich-dich-auch-vermisst-Dummerchen”-Blick. Er drückte sie ein Stück von sich, doch behielt ihre Schultern in seinem Griff, während er sie musterte.

Also irgendwie... ihr Gesicht und ihre Arme waren so schrecklich dünn und dann...

“Gut siehst du aus.”, verdammt gut, auch wenn sie reichlich komisch proportioniert war, aber ihr Gesicht war wunderschön, “Aber was ist das?”, er tippte auf den Bauch, der weit unter ihrer reichen Oberweite hervor sah.

“Ah...”, Röte schoss auf ihre Wangen – lag das in der Familie? “Das... ich...”

“Neunter, oder?”, fragte eine neugierige Stimme direkt über Katsuyas Schulter hinweg, die definitiv seinem besten Freund gehörte. Und was sollte die Fr- ... oh...

“Du bist schwanger?”, fragte Katsuya mit einem Hauch von Entsetzen in der Stimme.

Seine Schwester? Schwanger? Aber sie war doch erst sechzehn! Was hatte sie sich dabei gedacht? Das hieß ja, dass er bald Onkel war... und er hatte bis heute nichts davon gewusst! Und wenn sie schon Kinder hatte? Wenn er längst Onkel war? Mann, seine Kleine war echt frühreif.

Der Neunzehnjährige seufzte und stemmte die Fäuste in die Seiten, bevor er sich vorbeugte und grummelte: “Und sowas erfahre ich erst jetzt?”

Die Arme, die sie vor ihre Brust gezogen hatte, sanken sofort wieder hinab, während mit einem Mal Begeisterung wieder auf ihre Züge schlug und sie ausrief: “Du bist nicht sauer? Echt nicht?”

“Sollte ich?”, er hob nur eine Augenbraue, “Also, für wann bist du ausgezählt?”

“Danke, danke, danke!”, mit einem Mal waren ihre Arme wieder um seinen Hals geschlungen, während er dieses mal den dicken Bauch gegen seinen drücken spüren konnte, “Du bist der beste große Bruder dieser Welt!”

Na ja... es gab bessere. Welche, die ihre Schwestern nicht zehn Jahre im Stich ließen, egal, was los war. Aber wütend brauchte er kaum werden, wenn er nicht mal die Umstände kannte, durch die seine Kleine schwanger war. Und wenn sie sich das zutraute, bitte...

“Ja, ja...”, murmelte der Ältere so muffelig, wie es bisweilen eigentlich Setos Art war, “Nun, wie lange noch?”

“Nächste Woche.”, sie strahlte ihm mit ihrem Lächeln wieder entgegen.

“Was, nächste Woche?”, okay, das war nun wirklich ein Schocker, “Solltest du nicht in der Klinik sein?”

“Schon...”, sie ließ sich von ihren Zehenspitzen wieder auf ihre ganze Fußsohle sinken und lockerte ihre Arme ein wenig, während das Lächeln langsam von ihrem Gesicht wich, “Aber Mama hat gesagt, das hier sei wichtig und ich müsste kommen...”, ein wenig Röte legte sich auf ihre Wangen, “Ähm... was ist denn passiert, dass du zum Gericht musst?”

“Hat sie dir das nicht gesagt?”, fragte Katsuya leise, die Stimme zwar nicht grabestief, aber dennoch weit emotionsloser als bevor.

Seine Kleine schüttelte nur schnell den Kopf und sah zu ihm hoch mit ihren erwartungsvollen, großen, rehbrauen Augen.
 

Okay... scheiße...

Katsuya schluckte. Und jetzt? Sollte er ihr etwa erklären... er atmete tief durch. Seto hatte gesagt, dass es besser war sie nicht von allem Bösen dieser Welt abzuhalten, sondern aus seinen Erfahrungen lernen zu lassen. Und gerade jetzt, wo sie selbst bald Mutter war... vielleicht... also...

“Tja... das ist...”, sein Atem beschleunigte sich.

“Hey, Katsuya.”, Yami tippte auf seine Schulter, “Was hältst du davon uns erst einmal vorzustellen? Das würde die Situation sicher entspannen.”

Die Luft entwich Katsuyas Lungen. Danke, Yami. Das gab ihm weit mehr Zeit seine Worte vorzubereiten.

“Gute Idee.”, murmelte er daher, löste die Hände von seiner Schwester und machte einen Schritt zur Seite, “Shizuka, das hier ist mein bester Freund Yami.”

“Hi, Kleines.”, er hob die Hand, als würde er winken, während er breit lächelte. Aber Kleines war gut... sie war einen halben Kopf größer als Yami. Ganz entgegen der Person, die einen Schritt hinter diesem war und noch immer als zwei Meter Muskelmasse zwischen Katsuya und seinem Vater stand.

“Und das hier ist mein Pflegevater Seto Kaiba.”

“Pflegevater...”, wiederholte Shizuka leise und ließ nach dem Sprechen zwischen ihren Lippen einen Spalt Luft.

Oh ja, so war das wirklich verdammt einfacher. Nach der Vorstellung konnte sie sich denken, um was es ging. Ein Glück, dass Yami mit seinen Ideen hier war.

“Und der Herr dort im Hintergrund ist Herr Sarowski vom Jugendamt.”, Katsuya seufzte und wandte ein wenig zu seinem Vater hin, “Und der Typ da, der uns beide anscheinend gezeugt hat, ist hier als Angeklagter.”, er unterdrückte die blanke Wut in seiner Stimme erst gar nicht. Hier waren genug Leute auf seiner Seite. Sein Vater konnte ihm nichts tun. Gar nichts.

“Sei vorsichtig, Köter...”, grollte dieser nur, doch trat nicht an Setos Arm vorbei, den dieser zur Seite angewinkelt hatte, während die Hand auf seiner Hüfte lag und somit Herrn Jonouchi die Grenze aufzeigte, die dieser nicht überschreiten sollte, wollte er nicht noch einmal Ziel des Drachens werden.

“Er hat nicht damit aufgehört, oder?”, murmelte Shizuka plötzlich, ihre zur Faust geballte Hand vor ihrem Gesicht wegziehend, bevor ihre Stimme an Kraft gewann, “Diese Verfärbungen in deinem Gesicht sind Blutergüsse, oder? Er hat nicht aufgehört auf dich einzuschlagen.”

Der letzte Satz war nicht einmal mehr eine Frage. Es war eine Feststellung. Sie hatte es gewusst. Die ganze Zeit gewusst.

“Du...”

“So brauchst du mich nicht anzusehen, Katsuya, ich bin nicht dumm.”, sie griff nach seinem Arm und zog ihn mit plötzlicher Kraft in ihre Richtung, weg von dem Mann, dem sie gerade einen äußerst hasserfüllten Blick sandte, “Ich war vielleicht klein, aber das heißt nicht, dass ich nicht gesehen habe, dass du über und über voll blauer Flecken warst und dich bei weitem nicht so oft geprügelt hast wie Mutter immer erzählte.”
 

“Erzähl nicht solche Lügenmärchen, Shizuka.”, herrschte ein dominante weibliche Stimme das Mädchen an.

Katsuya erstarrte in seiner Bewegung, schluckte nicht weiter, atmete nicht weiter.

Sie.

Kein anderer Gedanke raste mehr durch seinen Kopf. Nur das eine Wort: Sie. Er ließ die Luft leise aus seiner Lunge entweichen, bevor er tief einatmete. Ja, natürlich hatte er sie gesehen. Sie war mit Shizuka gekommen. Sie war einige Meter von ihnen entfernt stehen geblieben.

Aber... dass sie sprach... dass sie... ihre Stimme...

“Guten Morgen... Mutter.”, presste der Blonde hervor, während seine Augen ihre Richtung suchten, ohne, dass er seinen Kopf bewegte.

“Ach, bemerkst du mich auch mal?”, ihre hohe Stimme war voller Herablassung, “Dein Vater hat wahrlich recht daran getan dir Benehmen beibringen zu wollen.”

Ein Messer fuhr seitlich durch Katsuyas Brust, bohrte sich durch sein Herz und beide Lungenflügel und ging in seinem Körper in Flammen auf.

Sie...

“Das können sie nicht ernst meinen!”, erwiderte Yami mit lauter, hallender Stimme und ging zwei Schritte auf sie zu, “Haben sie eigentlich eine Ahnung, was ihr Mann ihrem Sohn angetan hat?”

“Ex-Mann.”, korrigierte sie ihn, “Und schreien sie nicht so, das bekommt meiner Migräne nicht.”

“Lenken sie nicht vom Thema ab.”, er schraubte die Lautstärke wirklich zurück, was ihn allerdings nicht minder wutentbrannt machte. Die Hände zu Fäusten geballt, die Füße fest auf dem Boden, die Haltung leicht gebügt wie eine Raubkatze, die darauf wartete ihr Opfer niederreißen zu können.

“Ich wüsste nicht, warum ich auf solch eine Unverschämtheit reagieren sollte.”, konterte sie nur und wandte den Blick ab.

“Du hast dich in das perfekte Abbild deiner Mutter verliebt.”, flüsterte eine Stimme ganz nah an Katsuyas Ohr, während sein Arm in Richtung der Bänke gezogen wurde, die dem Eingang des Saals gegenüber lagen.

“Seto?”, hauchte der Blonde, den Blick starr zu Boden gerichtet, während er sich von der Person mitziehen ließ, die seinen Oberarm in einem festen Griff hatte.

“Ja, ich bin hier. Setz dich.”, nachdrücklich wurde Hände auf seine Schultern gelegt und er auf das hervorstehende Holz gedrückt.

“Seto... ich kann nichts fühlen...”, die Stimme verließ zitternd seine Kehle.

“Kann ich... ähm... irgendetwas tun?”, ein verzweifeltes Mädchen, dass die Tränen unterdrückte.

“Setz dich auf seine andere Seite und halte ihn, ja?”

“So?”, ein Hauch von Wärme...

“Feste. Er muss dich wirklich spüren. Tu ihm ruhig ein bisschen weh.”, Seto beließ es dabei Katsuyas freie Hand zwischen die seinen zu legen, “Er verliert den Kontakt zu seinem eigenen Körper leider recht schnell.”

“Ist... ist das schlimm?”, Fingernägel in seiner Schulter, ein warmes Brett an seinem Oberarm, ein Gewicht an einer Seite.

“Nein, keine Sorge. Im Anbetracht der Vorgeschichte ist das ganz normal. Da wurde er gezwungen das Gefühl seines eigenen Körpers abzugeben.”, Hände kurz über seinen Knieen, “Jetzt passiert genau das als Schutz, obwohl es für die Situation nicht angemessen ist. Das muss man nur wieder abtrainieren.”

“Das wird noch ein bisschen dauern, aber dein Bruder kommt wieder in Ordnung.”, versicherte Yami mit seiner samtenen, ruhigen, entspannenden Stimme, der sich zu Katsuyas Füßen hingehockt hatte, “Er ist ein Kämpfer. Er ist stark.”

“Das ist er.”, bestätigte Shizuka einem Hauch von Optimismus und Kraft.
 

“Danke, dass sie sich um meinen Bruder kümmern.”, hörte Katsuya seine Schwester sagen und versuchte sich auf ihre Stimme zu konzentrieren. Er durfte jetzt nicht abgleiten. Nicht jetzt.

“Dafür braucht man mir nicht danken. Ich tue es gern. Dein Bruder ist ein wundervoller Mensch.”, erwiderte Setos samtene Stimme von der anderen Seite.

“Wie- ähm... wie lange ist er schon bei ihnen?”, sie senkte die Lautstärke erheblich, was es schwerer machte sich zu konzentrieren.

“Seit... was sind das jetzt? Viereinhalb Wochen?”, er könnte Yamis Zustimmung ausmachen, “Ein Monat also.”

“Ein Monat erst...”, Shizukas Kopf legte sich auf seine Schulter, “Er hat diese Hölle also noch zehn weitere Jahre mitgemacht?”, irgendwer musste ihr wohl geantwortet haben, denn ihre Reaktion nach einem kurzen Moment war ein Schluchzen, “Das... das tut mir so Leid...”

“Du hättest nichts tun können.”, versicherte Yami ihr, während sich eine Hand von Katsuyas Knie löste, “Wirf dir das bitte nicht vor. Glaube mir, es bedeutet ihm sehr viel, dass du heute hier bist und an seiner Seite kämpfst.”

“Er hat ja auch sonst alle gegen sich.”, ihre Stimme war gedämpft, gefolgt von einem Schluchzen, “Wie immer...”

Katsuya gab seinem eigenen Kopf einen Ruck, damit sich dieser an Shizukas anlehnte.

“Großer Bruder...”, die Nägel schlugen tiefer in seine Haut, zogen ihn weiter an die Oberfläche, “Es tut mir Leid. Ich hätte dich früher suchen sollen. Ich hätte...”

“Sssh...”, hauchte er unter größter Anstrengung, “Es ist... nicht... deine Schuld...”

“Sehr gut, Kleiner.”, lobte Seto ihn und strich über sein Haar, “Tauch’ langsam wieder auf. Die Verhandlung hat begonnen.”, das ließ Katsuya seine Umwelt fokussieren – alles sah aus wie zuvor, “Dein Vater wurde schon gerufen. Derzeit sagt Herr Sarowski als Kläger aus. Als nächstes wird deine Anhörung kommen.”

“Schon?”, fragte der Blonde leise.

“Die Zeit vergeht bisweilen schnell, wenn man dissoziiert.”, klärte sein Liebster ihn auf, “Hast du deine Lebensgeister wieder beisammen?”

“Ja... denke schon...”, Katsuya schluckte. Es hatte begonnen. Die Verhandlung hatte begonnen. Heute würde sich alles entscheiden. “Kommst du... mit mir?”

“Ich muss leider hier warten.”, antwortete Seto mit ruhiger Stimme, “Yami wird dich begleiten. Vorne vor dem Richterpult steht ein Tisch und ein Stuhl, da setzt du dich hin, beantwortest ausführlich alle Fragen und setzt dich dann zu Herrn Sarowski und Yami. Alles klar?”

“Ja... klar...”, bestätigte der junge Mann leise.

“Ganz ruhig... du brauchst keine Angst zu haben. Den Richter kenne ich. Er ist sehr fair.”, die Hand, die über sein Haar gestrichen hatte, begann seinen Nacken zu kraulen, “Du schaffst das.”

“Ja, du schaffst das.”, Shizuka lächelte von seiner Schulter zu ihm hoch, was ihn automatisch zurücklächeln ließ.

“Schaffe ich das?”, wandte er sich an Yami, der mittlerweile vor ihm stand und ihm eine Hand hin hielt, um ihm aufzuhelfen.

“Ja.”, er wurde hoch gezogen, “Das weiß ich. Du schaffst das.”, ein aufmunterndes, ehrliches Lächeln lag auf dessen Lippen, was auch nicht wieder verblasste, als sie sich dem Gerichtsdiener zuwandten, der Katsuya anscheinend gerade aufgerufen hatte.

Es begann.

Die erste Aussage

Weiter im Text, würde ich sagen ^.-

Ich habe auch meine letzte Prüfung erfolgreich hinter mir, sodass es erst im neuen Jahr weitergeht. Das heißt seit langem zum ersten Mal wieder FERIEN!!! Genau die Zeit, um Manuskripte an Lektoren zu senden (die armen Leute...). Mein derzeitiger Favorit ist der Heyne-Verlag. Mal sehen, ob das was wird ^.^

Euch wünsche ich viel Spaß beim Lesen, eine besinnliche Weihnachtszeit und möchte mich für die Kommentare bedanken ^.- Ihr seid klasse!
 

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Der Gerichtssaal hatte relativ wenig Ähnlichkeit mit denen, die er im Fernsehen gesehen hatte. Zwar gab es auch hier ein halbrundes Podest am Ende des Raums und einen kleinen Tisch mit einem Stuhl, hinter dem einige Bänke standen, die auch aus einer Kirche hätten sein können, aber der Raum war nicht einmal so groß wie Setos Schlafzimmer.

Hinter dem Podest saßen auch nur drei Menschen, aber alle trugen eine schwarze Robe. Die junge Dame links notierte fieberhaft etwas auf einem Block, der Herr rechts betrachtete nachdenklich Herrn Jonouchi, der ganz außen in einer der hintersten Bänke neben einem Mann saß, der wahrscheinlich sein Anwalt war. Der Richter befand sich in der Mitte der schwarzen Gestalten und verfolgte Katsuya mit seinem Blick, lächelte jedoch, als er bemerkte, dass auch der Blonde ihn ansah. Während Yami also in der ersten Reihe neben Herrn Sarowski Platz nahm, steuerte Katsuya das kleine Pult an und setzte sich auf den dazu gehörigen Stuhl. So weit, so gut.

“Guten Morgen, Katsuya. Darf ich sie duzen?”, fragte der Richter nach.

“Ja... klar. Morgen.”, gab der Blonde mit gerunzelter Stirn Antwort. Der war aber höflich. Wie ungewohnt.

“Gut. Dann erstmal deine Personalien.”, was hieß das? “Dein Name ist Katsuya Jonouchi?”

“Ja.”, waren wohl einfach nur seine Daten... das war einfach.

“Du bist neunzehn?”

“Hm-hm.”

“Und du gehst in die erste Klasse der Oberstufe?”

Katsuya bestätigte ein weiteres Mal.

“Du bist ledig?”, äh... er warf Yami einen Blick zu, der nickte und bestätigte die Aussage, “Du kannst ruhig nachfragen, wenn du ein Wort nicht verstehst.”, der Richter lächelte ihn väterlich an, “Das ist kein Beinbruch.”

“Danke...”, murmelte der Blonde leise. Das hier würde schon hinhauen. Irgendwie.

“Du wurdest darüber aufgeklärt, dass du die Wahrheit sagen musst?”, er nickte nur, “Und der Angeklagte ist dein leiblicher Vater, richtig?”

Er schluckte und nickte noch einmal, die Lippen zusammen gepresst. Sein leiblicher Vater...

“Es ist sehr mutig von dir, dass du jetzt aussagst. Sollte es zu unangenehm sein, kannst du jederzeit stoppen, ja?”, wow, der Typ wusste echt was von seinem Job... Seto hatte Recht, der Mann war gut und fair – und meinte es nicht böse mit ihm, “Bitte erzähle ganz von vorne, was dein Vater getan hat.”

Und Katsuya erzählte ohne in einer Viertelstunde auch nur eine Pause zu machen.
 

Die junge Dame links schluchzte. Sie schrieb zwar trotzdem noch mit, was er sagte – sie protokollierte hier wohl das Ganze – aber sie hatte die Hand vor ihre Lippen gelegt und stieß gelegentlich wehklagende Laute aus. Dem Mann zur Rechten hatte es alle Farbe aus dem Gesicht getrieben, er starrte stur auf die Notizen, die vor ihm auf dem Tisch lagen, als wären sie ein Anker der Sicherheit, während die Welt um ihn herum zerfiel. Der Richter wiederum bedachte Katsuya nur mit traurigen Augen und einem Blick voller Mitgefühl. Er schien ihm zu glauben.

“Danke, Katsuya... danke, dass du alles erzählt hast. Möchtest du noch etwas sagen?”

“Nein... danke. Das war alles.”, versicherte der Blonde und erhob sich auf das Nicken des Richters hin, um sich zur Belohnung in Yamis Arme zu kuscheln. Das hatte er – seiner Ansicht nach – jetzt wirklich verdient. Yamis Ansicht nach anscheinend auch, denn er hob fragend einen Arm, bevor der Jüngere sich auch nur setzte.

“Nun... wir haben zwei gegensätzliche Meinungen.”, wandte sich der Richter an den Mann auf der rechten Seite, “Welche Zeugen sind gemeldet?”

“Die Mutter, die Schwester, der derzeitige Pfleger und die Krankenschwester der Schule.”, antwortete jener in einer leisen, relativ hohen Stimme, schenkte dem Richter allerdings keinen Blick, sondern behielt ihn auf den Unterlagen. Isis war mittlerweile also auch da? War sie gekommen, nachdem er gegangen war?

“Schicken sie bitte die Pflegeperson herein.”

Allen Göttern sei Dank! Seto würde bei ihm sein, wenn seine Mutter befragt wurde. Katsuya atmete tief durch und schloss zufrieden die Augen, während er seinen Kopf auf Yamis Schulter ablegte. Es war wirklich nicht so schlimm, wie er befürchtet hatte.

“Alles okay bei dir soweit?”, fragte sein bester Freund leise, worauf er nur nickte, während er Seto hinterher sah, der sich vorne niederließ und den Richter grüßte.

“Guten Morgen.”, dieser lächelte zurück, “Würden sie uns ihre Personalien geben, bitte.”

“Seto Kaiba, achtundzwanzig Jahre, morgen neunundzwanzig...”, was? Setos Geburtstag war schon morgen? Verdammt, das hatte er über den Stress vollkommen verpennt! “...ledig. Ich bin stellvertretener Direktor an Katsuyas Schule und weder mit ihm noch mit seinem Vater verwandt.”

Katsuyas Blick schwenkte zum Richter, wo er stutzte. Was... ? Der Mann war plötzlich kalkweiß, die Lider weit geöffnet und hielt sich an dem Podest fest, an dem er saß. Die braunen Augen schweiften zwischen Seto und dem Richter hin und her. Halt... Seto wusste, dass der Richter fair war... woher eigentlich? Kannten sich die beiden?

“Seto... Kaiba...”, presste der Mann hervor, presste die Lippen zusammen, schluckte und atmete tief durch, “Ich erinnere mich... der Yagahashi-Fall anno neunundachtzig, nicht wahr?”

“Ist wahrlich schon ein Weilchen her.”, erwiderte der Brünette nur lächelnd. Neunundachtzig? Da war Seto sechzehn gewesen. Ein Fall aus seinem Wirtschaftsleben? Es war nicht der um seinen Adoptivvater, das war klar.

“Und ich dachte, gerade im Familienrecht würde ich sie nie wieder sehen...”, murmelte der Richter leise, doch noch vernehmbar, “Nun gut. Entschuldigen sie bitte meine Überraschung. Man trifft doch relativ selten in einem solchen Fall auf Mediengiganten wie sie.”

Seto schien dem Mann in keiner guten Erinnerung geblieben zu sein...
 

“Nun...”, der Richter wandte den Blick ab und ordnete einige Unterlagen vor sich, griff scheinbar wahllos ein Blatt, las einige Zeilen und sah wieder zu Seto, “Dann... berichten sie doch bitte.”

“Gern.”, der Brünette zog den Stuhl näher an den Tisch, setzte sich gerade hin, schlug die Arme nach vorn, um sein Jackett zu glätten und ließ sie auf dem Tisch nieder, die Finger locker ineinander verschränkt, “Ich bin seit dem neunten September an der Schule tätig in der Funktion eines Beauftragten der Schulbehörde, um die neuen Richtlinien praktisch durchzusetzen.”

Katsuya sah den Richter die Lippen zu einer Linie zusammenpressen und tief einatmen. Die Worte “Die armen Schüler...” schienen ihm ins Gesicht geschrieben. Er musste wirklich schlechte Erfahrungen mit Seto haben.

“Um die Schule kennen zu lernen und ihre Besonderheiten zu verstehen, wurde mir eine erste Klasse zugeteilt, sodass ich schon an meinem ersten Tag auf Katsuya traf. Er wurde bereits in der ersten Stunde durch ein höchst disrespektables Verhalten auffällig.”, ein was? Oh! Achso... “Nach der Schule führten wir ein Gespräch über dieses Verhalten. Auch dort war er sehr rebellisch, konnte sich jedoch auf ein Abkommen einlassen, wonach er die Schuluniform zu tragen und im Unterricht zu erscheinen hatte. Ich erkundigte mich bei seinen früheren Lehrern, welche mir sagten, dass auch sie schon mit seinem Verhalten konfrontiert worden waren und im vergangenen Jahr keine Lösung für dieses Problem gefunden hatten. Ihrer Beschreibung nach war Katsuya ein notorischer Schulschwänzer, der jede Form von Autorität ablehnte und auf Konflikte höchst aggressiv mit Androhungen von Gewalt reagierte.”

Hey... Seto? War das nicht ein bisschen... unvorteilhaft? Hallo... ? Katsuya schluckte und wandte den Blick ab, als der Richter zu ihm herüber sah.

“Ich sprach jedoch auch mit zwei Lehrern, die den Jungen in höchsten Tönen für sein Engagement im Unterricht und seinen Lerneifer lobten. Das waren namentlich Frau Miyagi Kiba, Hauswirtschaftslehrerin und Herr Yugi Muto, Sportlehrer.”, war das eine gute Idee den zu erwähnen? Was tat Seto da? “Beide erzählten mir unabhängig voneinander, dass sie sich Sorgen um den Jungen machten, weil dieser ihren Aussagen nach abgemagert war und in jeder Stunde neue Wunden am Körper hatte. Beide versicherten mir versucht zu haben mit Katsuya darüber zu sprechen, doch dieser hatte Gespräche in diese Richtung abgewehrt. Diese völlig konträren Darstellungen machten mich natürlich stutzig und ich nahm mir vor den Jungen genau zu beobachten.”, was er auch so getan hätte, schließlich hatte er zu dem Zeitpunkt längst erkannt, dass Katsuya der Kerl gewesen war, der seinen Bruder getötet hatte.
 

Der Blonde warf dem Richter einen schnellen Blick zu, der es mittlerweile zu wagen schien Seto in die Augen zu sehen und sich ebenfalls zu dessen Aussage einige Notizen machte.

“Und direkt der nächste Tag bestätigte die Thesen, die ich mittlerweile hatte. Katsuya tauchte fast zu spät zum Unterricht auf, doch er hatte alle Punkte des Abkommens befolgt. Für mich war das der Beweis, dass er gewillt schien sich anzupassen und Autoritäten durchaus respektieren konnte. Auffällig war der Verband um seine Stirn und die Aussage, dass er gerade von der Krankenstation kam. Da ich wusste, dass er auswich, wenn man ihn mit dem Thema Misshandlung konfrontierte, fasste ich den Plan zu versuchen sein Vertrauen zu gewinnen statt ihn schon zu diesem Zeitpunkt zu fragen. Ich begab mich im Nachhinein auf die Krankenstation und befragte Schwester Isis Ishtar, die ja auch heute als Zeugin bestellt ist. Ihrer Aussage nach stammte die Platzwunde an Katsuyas Stirn von der Kollision mit einem harten, wahrscheinlich runden, länglichen Gegenstand, da sein Schädel um die Wunde kleinere Risse aufwies. Die These kann leider nicht belegt werden, weil auf dem späteren Röntgenbild keine zu sehen sind. Doktor Murashi erklärt dies in seinem ihnen vorliegenden Bericht damit, dass dazwischen genug Zeit lag, dass das Gewebe verheilt ist.”

Der Richter räusperte sich, ließ seine Augen zu Katsuya schweifen und fragte leise: “Kannst du uns sagen, woher diese Wunde stammte?”

Schluck. Wurde er etwa auch außerhalb seiner Aussage befragt? Er spürte, wie Yamis warme Hand sich um seine legte und sie sanft drückte. Ja... genau... ganz ruhig bleiben. Keine Panik. Er schluckte noch einmal und antwortete: “Von einem Eisenrohr, Sir.”

“Wurde dir diese von dem Angeklagten zugefügt?”, hakte der Mann nach, worauf Katsuya nur schwach nickte, weil sein Hals sich zusammengezogen hatte und keinen Laut mehr hervor bringen wollte.

“Das ist eine Lüge.”, fuhr Herr Jonouchi auf, “Welcher Vater in rechter Gesundheit käme auf die Idee seinen Sohn mit einem Rohr zusammen zu schlagen?”

“Wie erklären sie sich die Wunde?”, wandte sich der Richter zu ihm.

“Sehr einfach. Mein Sohn kam oft mit einem solchen Eisenrohr heim. Die Bande, mit der er sich rumtrieb, schien solche als Schlagwaffen zu gebrauchen. Er könnte sie aus jeder möglichen Prügelei haben.”, was leider vollkommen der Wahrheit entsprach. Sie hatten Eisenrohre als Schlagwaffen benutzt. Aber die Wunde hatte er ganz sicher nicht von einem aus seiner Bande.

“Möchtest du dazu etwas sagen, Katsuya?”

“Ich... ich... es...”, er schluckte und schloss die Augen, wobei eine Träne über seine Wange rann, “Das... das ist wahr. Ich besaß so ein Ding. Ein paar andere aus der Gang hatten auch welche. Aber die Wunde hat er mir zugefügt...”, seine Stimme zitterte, während er die Lider hob und zu dem Richter aufsah, “Wir hätten das nicht tun sollen... aber selbst, wenn wir jemanden damit schlugen, dann nur auf die Arme oder Beine. Selbst wir wissen, dass das lebensgefährlich ist. Wir... wir sind doch...”, keine Mörder? Oh doch, allein Setos Bruder hatten sie getötet. Und wer wusste, wie viele von denen umgekommen waren, die sie irgendwo hatten liegen lassen. Katsuya schluchzte auf.
 

“Das war es auch, was ich sehr schnell bemerkte.”, setzte Seto nach einigen Momenten, die von Katsuyas Schluchzen und dem Schweigen aller anderen erfüllt waren, wieder an, “Man kann mit Katsuya auch über problematische Themen reden, ohne dass er aggressiv wird. Man darf nicht versuchen ihm Angst einzujagen, ihm drohen oder seine Autorität ihm gegenüber geltend machen. Innerhalb einer Woche war ich mir sicher, dass er misshandelt wurde. Hinzu kamen die Dinge, die man ihm ansehen konnte. Zwar konnte ich bis Freitag keine weiteren Verletzungen feststellen, aber auch ich sah, dass er völlig ausgezehrt war. Man kann es auf den Bildern, die Doktor Murashi anderthalb Wochen später machte, gut sehen. Außerdem brachte Katsuya niemals Schulunterlagen mit sich. Keine Schultasche, keine Bücher... ich habe ihm als Test einen Block und einen Füller geschenkt, die führte er täglich mit sich, es schien also nicht daran zu liegen, dass er nichts mitbringen wollte. Am folgenden Montag führten wir also ein weiteres Gespräch, in dem thematisiert wurde, dass es nicht so weitergehen konnte, dass er ohne Unterlagen und meist auch ohne Hausaufgaben kam. Im Laufe dieses Gesprächs gab Katsuya zu, dass er kein Geld erhielt, von dem er sich solche Dinge hätte kaufen können. Ohne, dass ich nachfragen musste, erklärte er bereitwillig, dass er samstags arbeiten ging, das Geld aber brauchte, um sich etwas zu Essen leisten zu können.”

“Das kann doch alles nicht wahr sein!”, rief die junge Frau in Schwarz laut auf und starrte Herrn Jonouchi hasserfüllt an, während Tränen über ihre Wangen rannen.

“Julie, fassen sie sich bitte.”, ermahnte der Richter sie, “Wenn sie eine Pause machen möchten, reichen sie ihren Kollegen bitte das Protokoll.”, dieser erwachte aus seiner Starre, sah auf, fuhr hektisch mit den Blick zwischen beiden hin und her.

“Nein... entschuldigen sie bitte...”, sie wandte sich Seto zu, “Es tut mir sehr Leid sie unterbrochen zu haben.”

“Kein Problem.”, versicherte dieser und schenkte ihr ein scheinbar freundliches Lächeln, “Ich war nicht minder geschockt als sie, glauben sie mir.”

Das war eine aalglatte Lüge. Und dieses Lächeln war so unglaublich falsch. Aber es brachte die Dame namens Julie dazu lächelnd zu nicken und den Stift wieder aufzunehmen, um Protokoll zu führen.

“Ich sollte allerdings lernen, dass dies praktisch nichts war im Gegensatz zu dem, was Katsuya sonst erlebte. Am nächsten Tag suchte mich Herr Yugi Muto auf, der Sportlehrer, mit dem er sich im ersten Jahr gut verstanden hatte. Er berichtete mir auf seinem Rundgang in der Schule Katsuya in dessen Klassenzimmer auf den Fußboden liegend vorgefunden zu haben, ein Messer in der Hand haltend.”

Oh... bitte nicht... warum erzählte er das... Katsuya krallte sich an Yamis Jacke fest und vergrub sein Gesicht an dessen Brust, während dieser die Arme um ihn legte.

“Auf seine Nachfrage hin hatte Katsuya zugegeben vorgehabt zu haben sich mit dem Messer selbst zu verletzen und zeigte ihm seine Unterarme. Herr Muto beschrieb diese als von Narben völlig zerfleddert. Sie sind auch jetzt noch genauso gut sichtbar.”

“Katsuya?”, der Blick des Richters legte sich wieder auf ihn.

Warum, Seto? Warum tat er das? Warum...

Katsuyas kaum hörbares Schluchzen und das Zucken seiner Schultern stoppten mit einem Mal, während er sich mit unfokussiertem Blick von Yami löste, seine Jacke abstreifte und beide Arme mit den Unterseiten nach oben von seinem Körper streckte. Er hörte alle drei Personen in Schwarz als auch Herrn Sarowski links von sich scharf die Luft einziehen.

“Das Kreuz an seinem linken Arm...”, erklärte Seto weiter, “...ist eine Selbstmordwunde. Ein so gesetzter Schnitt ist in fast allen Fällen tödlich. Doktor Murashi hat auch darüber einen Bericht geschrieben. Der junge Mann neben Katsuya, Atemu Muto, fand ihn am Ende der Woche an einer Häuserwand lehnend, kurz nachdem er sich selbst diese Wunde zugefügt hatte.”

Betroffenheit

Ab nächstem Kapitel gibt es wieder normale Zeichensetzung, hallelujah!

Ansonsten gibt es wie versprochen spät abends das Kapitel. Ich schaffe es leider nicht mehr Kommentare zu beantworten, da ich in den letzten Nächten kaum Schlaf gefunden habe (das passiert, wenn man mehrere Tage feiert). Nebst der Tatsache, dass wegen eines Todesfalls der Haussegen schief hängt.

Ich wünsche euch einfach viel Spaß beim Lesen und eine fröhliche Weihnacht! Dieses Jahr als Weihnachtsgeschenk gibt es eine Kingdom Hearts Fanfiction mit dem Titel "Behind the scenes".
 

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“Ist das so richtig?”, wandte der Richter sich nach einigen Sekunden, in denen er wie hypnotisiert mit Entsetzen – und auch einer Spur Ekel – auf Katsuyas Arme gesehen hatte, an dessen besten Freund.

“Ja, ist es.”, bestätigte dieser.

“Dürfen wir ihre Antwort ins Protokoll aufnehmen?”

“Natürlich.”, erwiderte er ruhig, während er eine Hand auf Katsuyas Schulter legte und einen kurzen Blick auf dessen Gesicht warf, “Benötigen sie meine Daten?”

“Bitte.”, der Richter machte mit der Hand eine halbrunde, von sich weg geführte Bewegung mit der Hand, um ihn zum Sprechen aufzufordern.

“Mein Name ist Atemu Muto, ich bin der Zwillingsbruder des genannten Sportlehrers Yugi Muto. Wir sind beide sechsundzwanzig Jahre alt und ledig. Ich arbeite als freiberuflicher Künstler in der Unterhaltungsbranche...”, wahrlich eine sehr freundliche Umschreibung, Yami, “...und habe Katsuya dadurch kennen gelernt, dass er mich vor einer Bande gewalttätiger Jugendlicher gerettet hat. Ich stelle mich auch gerne als Zeuge zur Verfügung.”

“Ich werde möglicherweise auf sie zurückkommen.”, erklärte der Richter und wandte sich wieder Seto zu, “Fahren sie bitte fort.”

Yami währenddessen griff nach Katsuyas Armen, legte sie in dessen Schoß und hang die Jacke um seine Schultern, bevor er auch seinen Arm um diese schlang und den Blonden zu sich zog. Mit der freien Hand kniff er in Katsuyas Wange, bevor er mit ihr eine der kühlen Hände griff und sie drückte.

“Yugi Muto sprach mich am darauf folgenden Montag in der Mittagspause das nächste Mal an. Er hatte Katsuya am Morgen gefunden, als dieser orientierungslos vor der Schule her irrte. Im Lehrerzimmer, in das er ihn zuerst brachte, ließ Katsuya sich neben der Heizung auf dem Boden nieder. Er hatte Erfrierungen an Händen und Füßen und behandelte diese selbst mit Tüchern und warmen Wasser, dass Herr Muto ihm auf dessen Bitte hin brachte. Auf ihn hat es den Eindruck gemacht, dass Katsuya diese Verletzungen gut kannte.”

Der Blonde nickte nur stumm, ohne auch nur vom Richter aufgefordert zu werden.

“Katsuya erzählte ihm auf Nachfrage hin, dass er am Abend zuvor die gemeinsame Wohnung mit seinem Vater verlassen hatte, da dieser sein Zimmer verwüstet habe.”

“Noch einmal – merken sie auf was für absurde Ideen das Kind kommt?”, schallte Herrn Jonouchis Stimme durch den Raum.

“Er verbrachte die Nacht im Freien.”, Seto ignorierte die Unterbrechung vollkommen, “Und erzählte Herrn Muto sogar von der Wunde, die er sich zugefügt hatte.”, er atmete einmal tief durch, “Wir entschieden gemeinsam, dass es so nicht weitergehen konnte. Herr Muto bat mich die Sache zu übernehmen, da er selbst noch unter Schock stand. Ich erkundigte mich beim Jugendamt, was in einem solchen Fall zu tun sei und bereitete mich darauf vor am nächsten Tag mit Katsuya ein ernstes Gespräch zu führen – er kam mir allerdings zuvor.”, ein leichtes Lächeln spielte mit Setos Lippen, “Katsuya war länger geblieben, um mit mir zu sprechen. Er bat mich bei mir wohnen zu dürfen und ich stimmte dem nach kurzer Überlegung zu. Wir waren noch am selben Tag beim Arzt, wo die Fotos gemacht wurden, die sie in den Berichten von Doktor Murashi finden, und im Jugendamt bei Herrn Sarowski, der freundlicherweise für uns Überstunden machte.”
 

Der Richter betrachte Seto einen Moment regungslos, bevor er langsam nickte und den Blick zu Boden fallen ließ. Sein Kopf stützte sich auf beide Hände, deren Finger ineinander lagen, während er sich selbst auf seinen Stuhl nach vorne gelehnt hatte. Diese Haltung gab er nun auf, ließ sich nach hinten und die Hände in seinen Schoß sinken und atmete hörbar aus.

“Gibt es jemanden, der zu der bisherigen Aussage etwas hinzufügen oder anmerken möchte?”, seine Lautstärke hatte er merklich gesenkt, doch man verstand ihn dennoch hervorragend. Als nach mehreren Sekunden noch niemand geantwortet hatte, fuhr er fort: “Katsuya hat sich seitdem in ihrem Haus aufgehalten?”

“Das ist korrekt.”, bestätigte der Aussagende.

“Hatte er Kontakt zu seinem Vater?”

“Nicht, dass ich wüsste.”, Seto hob die Hand einige Zentimeter, doch ließ sie in selbiger Geschwindigkeit wieder sinken, “Ich denke es auch nicht. Seiner Aussage nach hatte er nicht einmal Kontakt zum Nachbarn seines Vaters, Hiroto Honda, mit dem er ein relativ gutes Verhältnis pflegte.”

“Diese Taktik ist so was von subtil...”, flüsterte Yami mit Faszination in der Stimme in Katsuyas Ohr, welcher unfokussiert seine Augen auf einen Punkt zwischen Tisch und Podest gerichtet hatte.

“Wie haben sie ihn in der Zeit erlebt, seit er bei ihnen ist?”, forschte der Richter nach.

“Als schwierig.”, gab Seto zu, was Katsuyas dazu brachte zumindest mal seinen Blick in dessen Richtung zu lenken, “Zu Anfang war er vollkommen verängstigt. Als ich ihn morgens wecken wollte, versteckte er sich hinter dem Bett und flehte mich an ihn nicht zu schlagen. Er war sehr vorsichtig, traute sich kaum etwas zu sagen oder sprach äußerst leise. Danach wurde er praktisch unberechenbar. Er traf sich mit Freunden ohne mir Bescheid zu sagen, gab freche Antworten und schmiss Pläne über den Haufen. Gleichzeitig war er brav wie ein Lamm, hielt sich an alle Abmachungen und benahm sich wie ein verantwortungsvoller Schüler. Von pädagogischer Seite her würde ich sagen, er hat seine Grenzen ausgetestet. Mittlerweile hat sich beides gelegt, er ist frech, aber nicht dreist, er ist spontan, aber nicht unzuverlässig, er hat also für den Alltag ein sehr umgängliches Verhalten, das ich persönlich sehr schätze.”

Katsuya regte sich nicht, atmete weiter flach und sah Setos Hinterkopf an. Ob er das wohl ernst meinte? War da von Setos Seite doch mehr als Abhängigkeit? Was sein eigenes Verhalten alles ausgelöst hatte, strich er hier ja vollkommen aus seiner Aussage... war das eine Lüge, die er dem Richter hier auftischte oder war das so ernst? War das nur eine vorgefertigte Geschichte, die Yami und Seto ausgeklügelt hatten, weil sie glaubwürdig war?

“Wenn allerdings eine unbekannte Situation auftaucht, reagiert Katsuya mit Panik, Dissoziationen...”, der Brünette warf einen Blick über die Schulter, “Das ist der Zustand, in dem sie ihn gerade sehen. Er hat alle emotionalen und sensiblen Verbindungen zu seinem Körper und seiner Außenwelt gekappt.”, hatte er? Katsuyas versuchte in sein Inneres zu sehen, doch da befand sich nichts, “Nun, Panik, Dissoziationen oder Aggressionen.”

“Aggressionen?”, hakte der Richter sofort nach.

“Ja. Er schreit andere an oder lässt seine Wut an Gegenständen aus, nachdem er sichergestellt hat, dass er keine anderen dabei verletzt. Dieses Verhalten ist erst in der letzten Woche aufgetaucht.”
 

“Das ist das Verhalten, dass ich seit über zehn Jahren kriege. Nur dass es ihn in meiner Gegenwart noch nie interessiert hat, wen er alles verletzt.”, brummte Herr Jonouchi aus der letzten Reihe, “Daran sieht man doch nur, wie krank dieses Kind ist.”

“Da stimme ich dem Herrn vollkommen zu.”, lenkte Seto sofort ein, “Daran sieht man, wie krank Katsuya ist. Er zeigt dieses Verhalten, wenn er Angst bekommt, weil ihm die Situation neu oder er unsicher ist. Für mich persönlich macht das klar, was dieser Junge seit über zehn Jahren für seinen Vater empfindet.”

“Was erdreisten sie sich eigentlich-”

“Meine Herren, bitte.”, der Richter fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar und seufzte.

“Entschuldigen sie, bitte.”, erwiderte Seto mit leicht gesenkter Stimme, “Da sie nun wissen, was ich von Katsuya erlebt habe, hoffe ich, dass sie verstehen können, dass ich Herrn Jonouchi eher feindlich gegenüber stehe.”

Der Richter hob die faltigen Lider, schürzte die Lippen und straffte sich in seinem Stuhl, bevor er trocken erwiderte: “Dazu werde ich mich zu diesem Zeitpunkt nicht äußern. Vielen Dank für ihre Aussage, setzen sie sich, bitte.”

Der Achtundzwanzigjährige nickte, erhob sich würdevoll und war mit zwei Schritten bei ihnen, wo Yami den Jugendlichen mit sich zur Seite zog, um ihm Platz zu machen.

“Er hat dazu gelernt seit dem letzten Mal.”, flüsterte der Elegante rechts von dem Blonden seinem besten Freund zu seiner Linken zu, während der Richter bat, dass man Isis Bescheid sagte.

“Die eingeflossenen Namen hat er dennoch aufgeschrieben.”, erwiderte der andere, “Die Taktik hat er nicht durchschaut. Und deine Beschreibung war erstklassig, wenn auch sehr detailliert.”

“Er mag Details.”, Isis schritt an ihnen vorbei, warf Katsuya einen besorgten Blick zu, setzte sich und beantwortete die Fragen zu ihrer Person, “Und schließlich hat es ihn wirklich dazu gebracht bei kritischen Stellen nicht genauer nachzufragen. Das hätte Komplikationen geben können.”

Der Rothaarige lächelte nur und legte seinen Kopf an die Schulter des in der Mitte Sitzenden, um den er auch den anderen Arm legte.

“Katsuya?”, fragte Seto leise nach.

Dieser hatte die Schwester mit seinem Blick verfolgt, der auf ihr liegen geblieben war, als sie sich setzte. Sein Atem war nicht einmal für ihn selbst noch hörbar.

“Wenn er will, kommt er zurück...”, Yamis Stimme war ein einlullender Singsang, “Und wenn er muss, können wir ihn holen.”

“Du willst ihn einfach so lassen?”, er sah es nur im Augenwinkel, aber Setos Stirn lag ganz bestimmt in Falten. Seine Stimme führte einen Hauch von Entsetzen mit sich, der in Katsuya ganz leicht etwas Positives aufsteigen ließ.

“Vielleicht ist es besser so...”

“Aber... wir...”, Seto beugte sich zu ihnen, “Wir haben versprochen, dass wir für ihn da sind.”

“Und wir sind hier.”, die Umarmung schloss sich enger um ihn, “Der Rest liegt bei ihm. Wenn er wieder kommen will, wird er das schon tun. Er weiß, wie.”

“Ab... also...”, er seufzte, sein Ton erkaltete wieder, “Gut.”, er lehnte sich auf seinem Platz zurück, den Blick auf dem Richter und sagte kein weiteres Wort.
 

“Und haben sie bei Katsuya eine Veränderung erlebt, seit er seinen Wohnsitz geändert hat?”, sagte der Richter gerade, nachdem er sie darüber befragt hatte, wie sie ihn im letzten Jahr erlebt habe.

“Oh ja, außerordentliche Veränderungen!”, sie griff nach dem Stuhl, auf dem sie saß und rückte näher an den Tisch, bevor sie sich wieder vorlehnte und ihre Arme auf diesen stützte, “Genau genommen, seit er Herrn Kaiba überhaupt begegnet ist. Er wich nicht mehr aus, wenn ich ein Gespräch begann, wir konnten uns ganz normal unterhalten. Er machte manchmal sogar Witze und lachte. Es gab zwar auch Momente, wo er lieber schwieg, weil er Schmerzen hatte, aber er war bei weitem nicht mehr so unfreundlich und aggressiv. Je länger er bei Herrn Kaiba war, desto besser wurde das sogar.”, aus ihrer Stimme sprach pure Begeisterung, es schien fast, als würde sie für ihn schwärmen, “Er stellte mir einen Freund von sich vor und wir unterhielten uns prächtig. Wenn er frei hatte, kam er freiwillig zu mir, einfach nur auf ein Glas Saft oder damit ich einen Blick auf seine Wunden warf. Und er hat sogar ein-, zweimal von sich aus über seine Gefühle gesprochen. Das hat mich außerordentlich gefreut.”

Isis hatte ihn echt lieb. Katsuya versuchte zu lächeln, doch das einzige, was er erreichte, war, dass eine Träne über seine Wange rann. Isis hatte ihn lieb.

“Und wussten sie, woher er seine Wunden hatte?”

“Im letzten Jahr habe ich nur vermutet. Ich glaube, er hat es mir bis heute nicht ins Angesicht gesagt, aber natürlich ist mir mittlerweile klar, woher sie stammen.”, antwortete sie immer noch leicht lächelnd.

“Selbst wenn sie nur vermutet haben, warum haben sie nie das Jugendamt informiert?”, verlangte der Richter zu wissen.

“Leider aus schlechten Erfahrungen...”, sie seufzte und ließ den Kopf ein wenig hängen, “Im Nachhinein tut es mir auch sehr Leid. Ich hätte über meinen Schatten springen sollen. Ich habe damals nur seinem Klassenlehrer gesagt, was ich vermute und der meinte, dass das nicht sein könne. Und ich hatte Angst, was aus dem Jungen werden würde, wenn ich das täte... wissen sie, ich habe einmal das Amt informiert, als ich noch nicht sehr lange im Beruf war. Sie haben jemanden in das Haus des Mädchens geschickt und... und...”, sie hob die Hand vor den Mund und hickste leise, “Entschuldigen sie bitte... es steckt mir noch heute in den Knochen. Am nächsten Morgen verstarb sie uns auf der Intensivstation. Der Vater ging zwar wegen Totschlag für ein Jahr ins Gefängnis, aber...”, sie schüttelte nur den Kopf und ergriff das Taschentuch, das Seto ihr reichte, “Danke...”

Aber im Endeffekt fühlte Isis sich schuldig für ihren Tod. Dabei hatte sie das Richtige getan. Einzugreifen änderte die Situation auf jeden Fall – ob nun zum Guten oder Schlechten. Wäre es ihm das Risiko wert gewesen? Doch die Antwort konnte Katsuya in seinem leeren Kopf nicht hören.

“Gut... ich hätte keine Fragen mehr.”, gab der Richter zu und sandte der Dame, die ihre Tränen trocknete, einen fragenden Blick.

Diese sah kurz auf, nickte nur, erhob sich und wählte die Reihe hinter Katsuya, von wo aus wenige Momente später nach einem Schnauben auch nichts mehr zu hören war. Ein weiterer Mensch, der auf seiner Seite stand.

Katsuya atmete scharf ein.

Im Gegensatz zu ihr.

Eine hübsche Frau von Anfang vierzig ließ sich auf dem für sie viel zu einfach wirkenden Stuhl nieder, schlug die Beine übereinander, rückte ihre Brille zurecht und strich sich eine Strähne ihres dunkelbraunen Haars, dass sie hochgesteckt hatte, zurück hinter ihr Ohr.

Sein Atem beschleunigte sich, als er nach Setos Hand griff und diese sehr fest in seiner hielt.

Der Auftritt seiner Mutter.

Nichts als Lügen

Mei je, die Weihnachtszeit bringt keine schönen Kapitel mit sich. Auftritt Katsuyas Mutter. Wie ich sehe, habt ihr sie alle schon lieb gewonnen... mal sehen, wie das nach diesem Kapitel aussieht.

Ansonsten: Sehe ich das richtig, dass die Allgemeinheit sich eine Ausarbeitung der Befragung Isis wünscht? Bzw. dass ich ihre Aussage, die ich komplett weggelassen habe, einfüge?

Zu "Tote Gesellschaft" gibt es noch eine kleine Neuigkeit, die ersten drei Manuskripte sind draußen. Bei den restlichen Verlagen muss ich mich erst telefonisch melden. Von ullstein und List habe ich direkt eine Absage bekommen, ich brauchte nicht mal das Manuskript hinsenden... passt nicht in ihr Verlagsprogramm, sowas würden sie nicht veröffentlichen. Ich vermute, das kriege ich noch von vielen zu hören. Aber erstmal hben die Lektoren alle Weihnachtsferien...

Nun denn, viel Spaß beim Lesen ^.^
 

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„Guten Morgen“, der Richter warf einen Blick in seine Unterlagen, „Sind sie Tomoe Kamiya, die Mutter von Katsuya Jonouchi?“

„Die bin ich.“, antwortete sie in ihrer hohen, strengen Stimme, die ein unsichtbares Band um Katsuyas Brust legte, das sich mit jedem ihrer Worte weiter zusammen zog, „Ich bin dreiundvierzig Jahre alt und geschieden.“

„Sind Katsuya Jonouchi und Shizuka Kamiya ihre leiblichen Kinder?“, waren sie? Irgendwie kam ihm gerade wieder die irre Idee in den Kopf, dass er doch nicht ihr leibliches Kind war. Dass irgendwo eine Mama darauf wartete, dass er die Wahrheit entdeckte.

„Leider ja.“, entgegnete sie kühl, was Katsuya einen Eisdolch ins Herz jagte. Leider?

„Leider?“, fragte auch der Richter nach.

„Es gibt Grenzen.“, erklärte Frau Kamiya, die Arme unter ihrer ausladenden Oberweite verschränkt, „Natürlich liebe ich meine Kinder, aber beide sind langsam in dem Alter, in dem sie Verantwortung für ihr eigenes Leben zu übernehmen haben.“, sie... liebte... ihn? Katsuyas Mundwinkel senkten sich merklich. „Von meinem Sohn kriege ich nichts als Polizeiberichte über Verhaftungen, Bußgeldstrafen und Beschwerdebriefe der Schule. Ich frage seinen Vater und alles, was ich zu hören kriege, ist, wie er am Alkohol und an den Drogen hängt. Zuerst wollte ich das ja alles gar nicht glauben, aber auch sie haben die Arztbriefe gelesen, nicht wahr? Der Junge ist kriminell und krank.“

Jeder seiner Muskeln zitterte. Die Zähne biss er zusammen, damit sie keine Laute machten. Ihm war kalt. Gräßlich kalt. Seto atmete hörbar durch und warf ihm zwei kurze, aber mit Sorge erfüllte Blicke zu.

„Manche Dinge kann man sicher akzeptieren und an ihnen arbeiten, aber bei einem so verkommenen Charakter kapituliere ich als Mutter. Ich weiß, das hört sich grausam an, erst recht bei dem, was dieser Junge seinem Vater jetzt alles anhängt, aber ich weiß, was ich mit ihm erleben musste. Und mir hat es schon gereicht, als er neun Jahre alt war. Ich kann seinem Vater nur meine Hochachtung dafür zugestehen, dass er sich all die Jahre um den Jungen gekümmert hat.”

Der Richter atmete tief ein, streckte den Rücken durch und setzte sich auf, die Arme symmetrisch vor sich auf dem Podest liegend. Nach einem Moment der Betrachtung der Zeugin setzte er seine Befragung fort: “Was hat der Junge denn getan, dass sie ihn als solch eine Belastung empfanden?”

“Hah!”, ihr rechter Arm schnellte von ihrem Körper, während sie den Kopf in den Nacken warf, “Wenn sie wüssten... streitsüchtig war er, das war kaum zu fassen. Und aggressiv. Jeden Tag hat er wieder mit einem Mitschüler eine Schlägerei angezettelt oder rannte schreiend durchs Haus. Er hat wirklich nie gehorcht, egal, was man ihm sagte. Er half nicht im Haus, er räumte nie auf - stattdessen schmiss er die Küchengeräte gegen die Wand oder bespuckte mit seinem Essen den Tisch. Das Kind ist der wandelnde Horror!”

Der Richter wandte ihm seinen Blick zu, aber er merkte nur, wie gerade ein langes, warmes Stück Stoff um ihn gelegt wurde und er in den Arm von jemandem gezogen wurde, der für ihn antwortete: „Ich kann nicht für die damalige Zeit sprechen, denn ich war nicht dabei. Aber so ungewöhnlich das Verhalten dieses Jungen bisweilen ist, ich habe noch nie eine solch asoziale Verhaltensweise bei ihm erlebt.“

„Wenn ich etwas dazu sagen darf...“, begann Herr Sarowski vorsichtig und fuhr auf das Nicken des Richters fort, „Durch meine Arbeit beim Jugendamt bin ich schon auf einige misshandelte Kinder gestoßen. Ein solches Verhalten, wie Frau Kamiya beschreibt, ist nicht ungewöhnlich für misshandelte Kinder. Entweder sie lassen ihre Gefühle unkontrolliert aus oder sie fressen sie auf, verlieren jegliche Lebensfreude und ziehen sich in sich selbst zurück. Normalerweise kommt so ein Ausbruch erst im Laufe der Pubertät, aber es soll auch Fälle geben, wo er früher auftritt.“

„So ein Verhalten kann also Reaktion auf Misshandlung sein?“, versicherte sich der Jurist noch einmal, worauf Herr Sarowski nur nickte.
 

„Genau so gut gibt es Stoffwechselkrankheiten und Hirnschäden, die dieses Verhalten auslösen.“, hielt die Frau dagegen, die dem Beamten nicht einmal einen Blick geschenkt hatte, „Ich habe das Balg zu genug Ärzten schleppen müssen. Die meisten haben ADHS diagnostiziert.“

„Eine ADHS-Diagnose wird bei einer Mehrzahl von misshandelten Kindern gestellt, weil ihr Verhalten dem von ADHS-Kranken ähnelt. In beiden Fällen hat das Kind überschüssige Energie, die es abbauen muss – bei ADHS aus organischen Gründen, bei Misshandlung, weil die Kinder Unmengen von Wut und Angst in sich tragen.“, erklärte eine ruhige, intensive Stimme ganz in Katsuyas Nähe. Yami? Hatte er das gesagt? Das klang nach Worten, die aus seinem Mund kommen würden.

„Sind sie Arzt?“, die Worte schnitten durch Katsuyas Seele. Worte so kalt, so abschätzend, so demütigend...

„Nein.“, erwiderte die ruhige Stimme nur mit vollster Selbstsicherheit.

„Frau Ishtar, können sie uns möglicherweise weiterhelfen?“, wandte sich der Richter an die Krankenschwester.

„Ich kann bestätigen, dass sich das Verhalten beider Gruppen ähneln, so weit ich weiß.“, sagte sie langsam mit leiser Stimme, die mit jedem Wort an Kraft gewann, „Außerdem ist bewiesen, dass sehr viele Kinder mit ADHS später mit Borderline diagnostiziert werden, was meines Wissens nach durch Misshandlung entsteht.“

„Borderline entsteht durch Vernachlässigung oder Misshandlung zwischen dem zwölften und achtzehnten Lebensmonat.“, bestätigte die ruhige Stimme das. Wenn es um Psychologie ging, dann war es doch sicher Yami, der es sagte, oder? Katsuya hätte gerne nachgesehen, ob sich seine Lippen bewegten, aber er lehnte seitlich gegen eine Wärme, die er nicht missen wollte.

„Was soll das hier, lustiges Rätselraten?“, fauchte Frau Kamiya, „Sowohl sein Vater als auch ich sind immer seinen Schwierigkeiten entsprechend mit dem Jungen umgegangen.“

„Was bedeutet das konkret?“, fragte der Richter nach.

„Dass er kein Essen bekam, wenn er es gerade erst auf meinen Teller gespuckt hat, dass er Zimmerarrest hatte, wenn er Haushaltsgeräte oder Möbel zerstört hat und ja, das gebe ich zu, bisweilen hat es auch eine Ohrfeige gesetzt bei seiner Unverschämtheit. Wollen sie mir sagen, dass ich all seine Eskapaden hätte mitmachen sollen? Das können sie von keinen gesunden Eltern erwarten.“, giftete sie unfreundlich. Für Katsuya war es Gift, das durch seine Adern lief und seine Nerven lähmte. Seine Nerven und seinen Verstand.

Eine warme Hand legte sich auf sein noch freies Ohr. Es dämpfte ihre Worte nicht wirklich, aber es sandte sein ganz eigenes Gegengift in den jungen Körper, der von sich selbst nichts mehr wusste – vielleicht nicht einmal mehr wissen wollte. Aber die Nachricht kam an.

Er war nicht allein.
 

„Ihnen wäre also nicht aufgefallen, dass etwas in der Beziehung ihres Mannes zu ihrem Sohn nicht stimmte?“

„Keineswegs.“, erwiderte sie sofort, „Er ist ja besser mit diesem Blag klar gekommen als ich. Meine Geduld lässt sich wahrlich nicht so weit dehnen wie seine. Was den Jungen angeht, so hat er das Beste getan, was er konnte, davon bin ich überzeugt.“

„Nun...“, der Richter seufzte und verschränkte die Hände, „Katsuya berichtete davon, dass er auch schon zu der Zeit, als sie und ihr Exmann sich noch nicht getrennt hatten, sehr brutal behandelt wurde. Seiner Aussage nach wurde er mit Gegenständen wie Kleiderbügeln oder Kochlöffeln geschlagen, bis diese zerbrachen. Sind sie sicher, dass ihnen nichts aufgefallen ist?“

„Vollkommen.“

Warum deckte sie ihn? Warum tat sieh das? An ihren zum Schutz erhobenen Armen war ein Platte mit Braten zerbrochen, ihr Körper hatte auch einst die breiten Striemen eines Gürtels getragen. Sie wusste, was es hieß, wegzurennen und sich zu verstecken, obwohl man wusste, dass man doch gefunden und am Arm oder Fuß aus seinem Versteck gezerrt wurde. Sie kannte diesen Schmerz doch.

Aber sie war es auch gewesen, die mit ihrem nackten Finger auf ihren kleinen Sohn gezeigt hatte und ihren Mann angefleht hatte seine Wut an dem Kind auszulassen. Nimm ihn. Als mehrere Stimmen in verschiedenen Geschwindigkeiten prasselten die beiden Worte immer und immer wieder auf Katsuya ein. Sie hatte ihn verkauft. Sie hatte ihn ausgeliefert, um sich selbst zu schützen. Sie hatte das...

Er schloss die Augen.

Sie hatte nicht einmal nur weggesehen. Sie hatte nicht einmal nur ignoriert, was sich vor ihren Augen abspielte. Es war das gewesen, was sie wollte. Er war der Sandsack geworden. Weil sie ihn dazu gemacht hatte. Weil sie es wollte. Weil sie ihre Ruhe wollte.

„Wie sah der Körper ihres Sohnes aus? Gab es sichtbare Verletzungen?“

„Massenweise.“, und er hatte es bis heute verdrängt. Er hatte sich bis heute nicht erinnern können. Er hatte sich bis heute gefragt, warum seine Mutter ihn nicht liebte. „Er ist freiwillig gegen Schränke gerannt. Die Sachen, die er zerstörte, haben ihn verletzt. Er hat sich geprügelt mit Gleichaltrigen, wie ich ja schon erzählte, aber auch mit weit Älteren. Die Lehrer wollten ihn schon von der Schule werfen, so unausstehlich war er.“, dabei war es nur zu klar. Er war ihr gerade genug wert gewesen, dass er als ihr Ersatz als Prügelknabe herhalten durfte. Aber im Endeffekt war er für sie auch nur ein Es gewesen. Nur ein Gegenstand, den man nach freiem Willen benutzen konnte. „Natürlich hatte er da sehr viele blaue Flecken. Selten auch mal Schrammen oder Schnitte. Aber nicht so, dass es wirklich besorgniserregend gewesen wäre.“, nur ein Es. Seine Schreie, sein Wimmern, seine Tränen waren ihr nicht nur egal gewesen – sie waren lästig. Für sie war er nur der Klumpen Fleisch, den sie für ihr Wohlergehen irgendwo abstellen konnte.

„Gibt es medizinische Berichte aus dieser Zeit?“

„Die Berichte über seine Störungen habe ich noch. Wegen der anderen Sachen habe ich gar keine bekommen.“, eine Hand strich durch sein Haar, eine andere über seinen Rücken, „Ich weiß nicht, ob der Arzt die Unterlagen wohl noch hat. Ich weiß nicht einmal, ob es ihn noch gibt, ich wohne ja nicht mehr dort.“

„Wie ist der Name dieses Arztes?“, sie antwortete dem Richter, doch ihre Stimme vermischte sich mit denen in Katsuyas Kopf, die ihm sagten, dass er auch gar nichts anderes wert war als das, was seine Mutter getan hatte und denen, die ihm befahlen sofort damit aufzuhören, weil er sich nur selbst in einen Anfall reinritt. So wirklich zu gewinnen schien keine Seite.
 

„Euer Ehren?“, diese kalte, feste, sichere Stimme... Katsuya fühlte ihren Bass durch die Brust, an der er lehnte.

„Ja, Herr Kaiba?“, der Richter seufzte tief, schürzte die Lippen und wandte sich dem Brünetten zu.

„Wie ich bereits erklärte, weiß ich nicht, wie Katsuya damals war. Ich weiß auch nicht, was er selbst denkt, wie er damals war. Aber was ich weiß, ist, wie seine Schullaufbahn aussah. Er war die ersten sechs Schuljahre Klassenbester in praktisch jedem Fach. Seine Zeugnisse loben ihn in höchsten Tönen, auch wenn sie andeuten, dass er soziale Probleme hatte. Und obwohl er seitdem praktisch keinerlei schulisches Wissen mehr bekam, hat er in den letzten Wochen durch Nachhilfe alle seine Noten ins obere Klassendrittel gebracht. Er spricht fließend Englisch und ist ein Genie, was Kunst angeht. Die Hirnschädigung, die ein solches Phänomen beschreibt, nennt man im Allgemeinen Hochintelligenz.“, was?

Katsuya atmete tief ein, konzentrierte sich auf die warme Hand in seinem Haar und diese kühle, melodische Stimme und fokussierte seine Mutter, die mit verengten Lidern und gespitzten Lippen zu dem Mann herüber sah, der ihm im Arm hielt.

„Hochintelligenz hat seine dunkle Seite. Da sie meist nicht erkannt wird, wird sie nicht gefördert und die Kinder verkümmern innerlich. Das macht sie aggressiv und lässt sie anderen gegenüber desinteressiert, arrogant und altklug wirken, weil sie Dinge meist schneller als Erwachsene verstehen. Diese Aggressionen und ihre schnelle Langeweile an Dingen bringen ihnen meist eine ADHS-Diagnose ein.“, die Brust hob sich stark und hob Katsuya mit sich, „Wie Atemu hier bin ich kein Arzt und kann daher nur aus Erfahrung und meiner pädagogischen Ausbildung sprechen. Doch meiner Meinung nach sprechen sehr viele Gegebenheiten gegen ADHS. Es dürfte jetzt zwei Wochen her sein, da saßen Katsuya und ich über sechs Stunden an ein und derselben Stelle und haben uns unterhalten – das schafft kein ADHS-Kranker. Und selbst wenn die Ärzte von der Sache überzeugt waren – wie kommt es, dass Katsuya kein Methylphenidat in Form von zum Beispiel Ritalin bekam?“

Der Blick des Richters schwenkte nur zur Mutter zurück.

„Das... er hat es bekommen. Kurzzeitig. Es wurde wieder abgesetzt, weil er davon vollkommen benebelt wurde.“, erklärte die Mutter.

„Wurde einmal ein Intelligenztest bei dem Jungen durchgeführt?“, fragte der Herr in Schwarz ohne seine Mimik zu verändern.

„Meines Wissens nach nicht.“, sie schluckte und blähte die Nase auf, „Vielleicht war er ja nicht gestört und es wurde einfach nicht bemerkt, was wirklich mit ihm war. Wollen sie mir das jetzt vorwerfen? Wer kommt schon auf so etwas? Das müssen Ärzte wissen.“, giftete sie den Richter an.

„Bitte, das war kein Angriff.“, erklärte dieser ruhig und hob und senkte die nach unten geöffneten Hände beschwichtigend.

„Hm...“, sie rutschte auf dem Stuhl ohne die verschränkten Arme oder überkreuzten Beine zu lösen, „Nun, da hätten wir doch eine schöne Hypothese, warum er so ein asoziales Mistvieh war. Was soll dann die Anzeige gegen seinen Vater?“

Hochintelligent... Seto hielt ihn für intelligent? Konnte das sein? Er war doch ein totaler Versager. Wie sollte er da intelligent sein? Das war doch Quatsch. Seto irrte sich. Er würde Seto enttäuschen. Seto würde herausfinden, dass er nicht so toll war, wie dieser dachte. Und wenn er erst merkte, würde er gehen... er würde ihn allein lassen. Seto würde ihn allein lassen.
 

„Ein weiteres Begleitsymptom...“, setzte Seto wieder an, nachdem Katsuyas Kopf noch einmal ein Stück in die Höhe gehoben wurde, „...ist die Sensibilität. Hochintelligente Kinder sind auch hochsensibel. Das sorgt ebenfalls für soziale Probleme. Die Kinder fühlen sich nicht akzeptiert und in ihrer Art abgelehnt. Sie sind anormal für ihre Umwelt. Das macht sie unsicher und ängstlich. Diese Angst ist einer der wichtigsten Faktoren, der sie aggressiv macht. Es ist nachgewiesen, dass sie nur aggressiv werden, wenn man sie für dumm hält und dementsprechend behandelt, wenn man ihre Fragen nicht beantwortet und ihre Neugier nicht stillt. Die Kinder beginnen betreffende Personen als schlecht zu empfinden und reagieren dadurch rebellisch und frech auf sie, um sich Respekt zu erarbeiten. Werden sie weiter abgelehnt, beginnen sie die Person zu hassen – ist diese Person eine direkte Bezugsperson und das Kind noch zu jung, wird der Hass auf sich selbst umgelenkt. Das erklärt in gewissen Maßen selbst verletzendes und auch das undisziplinierte Verhalten.“

„Bitte, das klärt das Ganze doch.“, entgegnete die Mutter nur und schnaubte, „Aus und fertig. Es war also ein Missverständnis.“

„Um ein Kind in solchen Maßen in seinem Verhalten entarten zu lassen, braucht es aber mehr als das.“, fuhr Seto eisig fort, „Ein aggressiveres Verhalten gegen andere und sich selbst kann – rein psychisch – nur durch mehr Angst hervorgerufen werden. Und mehr Angst kann nur durch Vernachlässigung oder Misshandlung bedingt sein.“

Der Richter machte sich einige Notizen auf seinen Zettel, während der Brünette sprach. Herr Jonouchi schnaubte. Frau Kamiya verdrehte die Augen. Der andere Herr in Schwarz hatte den Kopf mittlerweile auf eine Hand gestützt. Julie schrieb. Yamis Blick lag auf Seto, das konnte Katsuya praktisch spüren. Da er noch immer an dessen Brust lehnte, konnte er nicht hinsehen, aber er war sich sicher, dass sein bester Freund darüber nachdachte, wie das alles auf die Intelligenzbestie Seto passte. Er würde es auch tun, wäre sein Kopf nicht so verdammt leer.

Leer...

Mit seinem Blick verfolgte er das Geschehen, mit seinen Ohren das Gesagte. Ob seine anderen Sinne auch noch arbeiteten, wusste er nicht ganz. Ach, doch, er spürte Setos Wärme – sie taten doch noch ihren Dienst. Vielleicht. Vielleicht glaubte er es auch nur. Wollte es glauben...

„Sie bleiben bei ihrer Aussage?“, fragte der Richter, was Frau Kamiya bejahte, „Möchten sie ihr noch etwas hinzufügen?“

„Nur eines.“, erwiderte sie, hielt einen Moment im Sprechen inne und atmete tief durch, „Sie werden vermutlich noch meine Tochter verhören... sie wird unter Garantie gegen ihren Vater aussagen. Sie hat sich einen Kerl angelacht und ist jetzt hochschwanger. Deswegen liegen wir im Streit. In ihrer Trotzigkeit wird sie alles tun, was mich verärgern kann. Möglicherweise erhofft sie sich auf irgendetwas von ihrem Bruder, das weiß ich nicht, aber sie hat vorhin schon gesponnen. Geben sie also nicht zu viel auf ihre Worte.“

Damit erhob sie sich und nahm einen Platz in der ersten Reihe ein – auf der anderen Seite. Der Seite seines Vaters.

Auch eine Lüge?

Ha~ach ^v^ Ich bin wieder in Heidelberg. Und ich habe noch zwei freie Tage *froi* Außerdem liegt hier Schnee *v* Richtig hoch! Und es schneit schon den ganzen Tag. Einfach wunderschön.

Was soll ich erzählen? Ich will schon den ganzen Tag irgendetwas zusammenschlagen, aber ich habe mich auf Einkaufen und Putzen beschränkt. Derzeit versuche ich es mit Schreiben. Ein Energieüberschuss kann wirklich nervig sein. Vielleicht sollte ich es mit Tanzen probieren, das klappt meistens. Hat aber nur bedingt etwas mit dem Kapitel zu tun ^.- Es macht mich noch ein bisschen mehr aggro, wie wahrscheinlich manche von euch auch. Die Reaktionen auf das letzte Kapitel haben mich schon ein wenig vom Hocker gefegt. Ich hatte Abneigung gegen Frau Kamiya erwartet, aber so heftige? Nun, hier also noch ein wenig mehr Informationen über sie.

Viel Spaß beim Lesen ^.^
 

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„Mir ist übel…“, flüsterte Katsuya leise, den Kopf noch immer gegen Setos warme Brust gelehnt und bedeckt von dessen Mantel.

„Möchtest du eine Runde rausgehen? Soll ich um eine Pause bitten?“, fragte der Brünette sanft nach, doch der Jüngere achtete mehr auf die kalte Hand, die über seinen Schopf strich und ihn seinen Kopf heben ließ.

„Alles okay?“, murmelte Shizuka ein Stück zu ihm gebückt mit zitternder Stimme, die andere Hand unter ihren dicken Bauch gelegt, die Augen ein wenig gerötet.

„Geht schon…“, der Blonde atmete tief durch. Was für eine kranke Realitätswahrnehmung musste seine Mutter eigentlich haben, wenn sie glaubte, seine Schwester würde ihn nur aus irgendeinem Nutzen heraus mögen? Das war nun ehrlich barer Quatsch, so viel Selbstvertrauen hatte ja sogar er. Seto an seiner Stelle hätte sicher zu zweifeln begonnen, aber nicht er. Nicht bei seiner Schwester.

„Fräulein Kamiya?“, meldete sich der Richter nach einem Räuspern.

„Oh, Entschuldigung.“, sie sandte Katsuya ein kurzes Lächeln und eilte so schnell es ihr Körper zuließ nach vorne und setzte sich dort vorsichtig.

„Geht es?“, fragte der Richter mit besorgter Miene und erhob sich ein wenig in seinem Stuhl.

„Keine Sorge.“, irgendwie merkte man ja, dass sie beide verwandt waren – sie hatte ein ähnlich sonniges Gemüt wie er, zumindest wenn es ihm gut ging, „Ich mach das schon seit Monaten, auch wenn ich zugeben muss, dass es immer schlimmer wird. Ich denke, ich muss mal zum Arzt.“

Der Richter schmunzelte auf ihre Aussage hin und lehnte sich wieder zurück mit der Frage: „Für wann sind sie denn ausgezählt?“

„Nächste Woche Mittwoch. Ein bisschen habe ich also noch.“, sie versuchte es sich so bequem wie möglich auf dem harten Holzstuhl zu machen, „Sie können mich aber ruhig duzen.“

„Wunderbar, das wäre sowieso meine nächste Frage gewesen.“, sein Schmunzeln wurde zum Lächeln, „Bist du Shizuka Kamiya, sechzehn Jahre alt, nicht verheiratet, in der dritten Klasse der Mittelschule?“

„Ist alles richtig.“, Katsuya sah ihre hochgezogenen Mundwinkel, doch auch die zitternde Hand, die sie erst unter dem Tisch versteckte und schließlich wie die andere auf ihren Bauch legte.

„Dann werde ich jetzt einen Haufen Fragen stellen, ja? Wenn du etwas nicht beantworten möchtest, musst du das einfach nur sagen, das ist in Ordnung. Du musst für niemanden lügen.“

„Habe ich auch nicht vor.“, ihre Stimme war plötzlich weit dunkler als vorher, „Ich lüge für niemanden.“

„Sehr gut… weißt du, worum es in dieser Verhandlung geht?“

„Wenn ich meinen Bruder richtig verstanden habe, hat er unseren Erzeuger endlich wegen seiner Gewaltsamkeit angezeigt.“, die Hand löste sich wieder von ihrem Bauch und bildete eine Faust, die Mundwinkel waren längst abgesackt.

„Endlich?“, hakte der Herr in Schwarz nach.

„Der hat ihn schon geschlagen, da war ich noch im Haus. Und das ist schließlich über zehn Jahre her.“, Katsuya spürte eine Träne über seine Wange rinnen. Woher kam die denn? War das seine? Wieso sollte er weinen? Aus Trauer, dass sein Vater ihm so etwas angetan hatte? Aus Angst, was mit ihm passieren würde? Aus Freude, dass seine Schwester wirklich auf seiner Seite stand? Wenigstens sie war bei ihm. Wenigstens sie…
 

„Woher weißt du, dass euer Vater deinen Bruder geschlagen hat?“, der Richter überkreuzte die Finger und stützte sein Kinn darauf ab.

„Er hat jeden von uns geschlagen, wenn ihm was nicht passte.“, giftete sie schon fast.

Katsuya schluckte.

Er hatte… Shizuka… auch… er biss die Kiefer zusammen und richtete sich auf. Oh nein. Nicht seine Schwester. Das hatte er nicht… die tiefschwarzen Pupillen fixierten durch zu einem Spalt zusammen gezogene Lider seinen Alten. Dieser Mistkerl.

„Mutter, Katsuya, mich… wir standen alle auf der Abschussliste. Aber irgendwann hat es plötzlich aufgehört. Er hat keinen mehr angerührt… dachte ich zumindest.“ sie schluckte und richtete sich in ihrem Stuhl ebenso ein wenig auf, „Aber dann tauchten die blauen und violetten Flecken auf Katsuyas Körper auf… ich meine, ich war nur drei oder vier, aber ich kann mich ganz genau erinnern, wie wir baden gingen und ich mich schrecklich erschrocken habe, weil sein ganzer Körper voll davon war.“, ihre Augen füllten sich mit Tränen, „Ich habe öfters mal eine Ohrfeige bekommen, nichts großartig Schlimmes, aber Katsuya sah… sah ganz schrecklich aus.“

„Und das tat er ab dann immer?“, der Richter klang, als hätte er einen Kloß im Hals.

„Ich… ich denke schon… ich kann mich leider nicht wirklich erinnern. Nur besonders diese Erinnerung hat sich eingebrannt.“

„Und du sagtest… eure Mutter wurde auch geschlagen?“, sein Blick wechselte zwischen seiner Zeugin und der Frau in den Bankreihen.

„Ja, wurde sie. Sie hat es immer überschminkt, aber daran habe ich auch Erinnerungen. Einmal hat sie mich angeschrieen, weil sie sauer war, dass ihre Lippe aufgeplatzt ist…“

„Shizuka, das geht langsam zu weit.“, unterbrach Frau Kamiya ihre Tochter, „Was sollen diese Märchen? Ich weiß ja wohl am besten, was mit mir geschah und dein Vater hat niemals Hand an mich gelegt. Wer soll dir diese Lügen denn bitte abkaufen?“

„Sag mir doch mal, warum du ihn deckst!“, schrie die Sechzehnjährige plötzlich auf, „Wieso hasst du Katsuya so? Wieso gehst du so weit vor Gericht zu lügen, nur um ihm eins auszuwischen? Er ist dein Sohn, verdammt!“

„Frau Kamiya, Shizuka, bitte-“, begann der Richter ruhig.

„Dieses Ding ist nicht mein Sohn! Nicht mehr! Nicht nach allem, was er uns angetan hat!“

„Was zur Hölle soll er uns denn angetan haben?“, Tränen rannen Shizukas Wangen hinab, während sie ihren Bauch fester hielt und sich ein Stück nach vorne lehnte, nachdem sie sich auf dem Stuhl gedreht hatte.

„Das weißt du ganz genau!“, Katsuya riss sich vollkommen von Seto los, schlüpfte vor seinen Beinen entlang und trat auf seine Schwester zu, um ihr beruhigend die Arme auf die Schulter zu legen, „Er ist ein Monster!“

„Warum soll er ein Monster sein?“, doch ihre Stimme war schon ruhiger und sie wandte sich Katsuya zu, der der Kopf schüttelte und sanft ihre Haut mit seinen Daumen massierte, „Was soll das? Ist doch wahr… warum lässt du sie so über dich reden?“

„Es bringt doch nichts…“, flüsterte der Blonde nur, „Sie hasst mich eben. Warum auch immer. Zum Punching Ball war ich gut genug, damit sollte ich mich zufrieden geben.“, er kniete sich vor sie und versuchte ein Lächeln, „Pass lieber du auf dein Kind auf. Zu viel Aufregung ist nicht gut für euch.“
 

„Danke für die allgemeine Beruhigung der Situation, Katsuya.“, der Richter lächelte erleichtert zu dem jungen Mann herab, „Aber das Ganze wirft nun wirklich Fragen auf. Sagten sie nicht selbst vorhin, dass die damalige Situation möglicherweise nur ein Missverständnis war, weil die Fähigkeiten ihres Sohnes nicht ausgeschöpft wurden, Frau Kamiya?“

„Er… also… ich…“, ihre Nägel drückten sich in ihren Blazer – er schien diese Angewohnheit wohl von ihr zu haben – und die Farbe wich ihr ein wenig von den Lippen, „Das heißt trotzdem nicht, dass ich ihn mögen muss.“

„Aber er ist ihr Sohn.“, die Augenbrauen des Richters zogen sich zusammen.

„Na und? Steht irgendwo im Gesetz, dass man seine Kinder abgöttisch lieben muss?“

„Lass dich nicht von ihr fertig machen.“, murmelte Katsuya leise, gab seiner Schwester einen Kuss auf die Stirn und setzte sich wieder zu Seto, der völlig distanziert wirkte – aber nur ein Blick in seine Augen machte klar, dass er in Wirklichkeit auf Alarmstufe Rot stand. Sorge um Katsuya mischten sich mit Wut auf die Mutter – in dem tiefen, dunklen Blau kochte es förmlich.

„Gut…“, der Richter seufzte, fuhr sich mit der Hand über die Stirn und blinzelte mehrfach schnell, bevor er sich wieder Shizuka zuwandte, „Hatten deine Mutter und dein Bruder schon immer so ein gespanntes Verhältnis?“

„Nun ja… ja.“, sie atmete tief durch und drehte ihren Körper wieder zu dem Podest hin, „Obwohl Mutter ihn früher eher ignoriert hat. Sie hatte nur selten solche Aussetzer, wo sie so aggressiv wurde.“

„Ich bin nicht aggressiv.“, fauchte Frau Kamiya leise, „Ich bin wütend über diese ganzen Unterstellungen, die mir hier gemacht werden. Und du machst die Situation nicht gerade besser, Tochter.“

„Frau Kamiya, bitte beruhigen sie sich. Ich würde jetzt gerne in Ruhe mit ihrer Tochter sprechen.“, rang sich der Richter doch noch zu einem Machtwort durch. Er mochte ja alles sehr ruhig angehen, aber Katsuyas Mutter schien selbst seine Nerven anzuspannen, wie es aussah. „Wie sieht denn dein Verhältnis zu deinem Vater aus, Shizuka?“

„Wie? Mein…“, sie blinzelte verwirrt, „Wie meinen sie das, bitte?“

„Was denkst du von ihm? Wie steht ihr zueinander?“, versuchte der Herr die Frage umzuformulieren.

„Nun… ähm… ich habe ihn seit zehn Jahren nicht gesehen.“, sie legte den Kopf ein wenig schief.

„Du hast ihn und deinen Bruder nie besucht? Und sie dich nicht?“

„Nein, das… wir haben uns nicht gesehen. Am Anfang war ich sehr traurig, aber irgendwann habe ich mich dran gewöhnt. Auch wenn ich nun wünschte, ich hätte mal eher versucht meinen Bruder zu finden.“, sie ließ den Kopf ein wenig nach vorne sacken und wandte den Blick auf den spärlichen Tisch hinab.

„Hast du es mal versucht?“, fragte der Richter nach und beugte sich vor.

„Nicht wirklich.“, gab sie zu, „Ich habe Mama nach der Nummer gefragt und die Auskunft angerufen, aber… nein, nicht wirklich.“

Damit hatte sie immer noch mehr getan als er. Er hatte nur seinen Vater angebettelt seine Schwester treffen zu dürfen in der Hoffnung, er würde das einrichten – falsch gedacht natürlich. Aber da sie auch seit Jahren kein Telefon mehr hatten, war er auf so etwas Simples wie die Auskunft gar nicht gekommen… dachte er möglicherweise doch auch so kompliziert wie Seto?
 

„Und dein Verhältnis zu deiner Mutter, wie ist das?“, die Stimme des Richters holte ihn aus seinen für ihn wirr erscheinenden Gedanken. Denn wäre es wahr, dass er kompliziert und um viele Ecken dachte statt das naheliegende zu nehmen, so wäre er Seto in seinem Denken ähnlich, wodurch die Möglichkeit bestände, dass dieser Recht hatte, was die Sache mit der Hochintelligenz anging – was Katsuya aber nicht glaubte.

„Was hat das damit zu tun, wie mein Exmann sich dem Jungen gegenüber verhalten hat?“, fragte Frau Kamiya im selben Atemzug, mit dem der Herr in Schwarz seine Frage beendet hatte.

Shizuka ließ nur seufzend den Kopf sinken und schüttelte diesen. Erst auf eine kurze Erklärung hin, dass die Dynamik der ganzen Familie Aufschluss über das Verhalten einzelner gab, erhob sie ihre Stimme schließlich: „Mein Verhältnis zu meiner Mutter finde ich sehr schwer zu beschreiben... sie kann eine liebende, fürsorgliche Mutter sein, aber es kann genauso plötzlich in Extreme umschlagen. Es kann sein, dass sie vollkommen überbesorgt ist und mir praktisch alles verbietet-“

„Wohl nicht genug, wie man ja jetzt sehen kann.“, zischte diese nur.

„Frau Kamiya, ich warne sie, noch eine Unterbrechung und ich muss sie aus dem Saal entfernen lassen.“, der Richter klang bei weitem nicht mehr freundlich mit seiner Aussage, „Bitte fahr fort, Shizuka.“

„Wie gesagt, es kommt vor, dass sie völlig überbesorgt ist.“, sie atmete tief durch, „Genauso kann es sein, dass ich sie plötzlich gar nicht mehr interessiere. Das kann so weit gehen, dass sie einfach für ein paar Tage verschwindet. Ich verstehe sie einfach überhaupt nicht und kann sie nicht einschätzen. Als ich ihr sagte, dass ich schwanger bin, hatte ich alles Mögliche erwartet, aber sie hat mir liebevoll ihre Hilfe zugesichert. Und nur eine Woche später begann sie mich zu beschuldigen, wie ich mich von irgend so einem Dahergelaufenen hätte schwängern lassen können und wie ich mir dachte, wie mein Leben weitergehen solle, ob ich genauso wie sie enden wolle und so weiter und so fort... sie hat selbst noch weitergemacht, als ich weinend zusammengebrochen bin. Und am nächsten Tag verhielt sie sich wie eh und je, als wäre nie etwas gewesen.“

„Von wem kennen wir bloß solch wechselhafte Verhaltensweisen?“, fragte Seto leise, sodass nur Katsuya und vielleicht die hinter ihm sitzende Isis ihn hören konnte.

„Es ist, als hätte ich nicht eine sondern viele Mütter. Ich kann alles, was sie tut, gar nicht in ein Bild fassen. Es ist, als würde sie nur nach ihren Launen leben. Es ist, als... ich kann es nicht einmal richtig vergleichen. Aber es macht mich ziemlich fertig, wenn ich ehrlich bin. Ich weiß, dass ich auch mit meinem Kind bei ihr leben darf, aber was ansonsten ist, kann ich kaum sagen, weil sie ihre Meinung darüber alle paar Sekunden ändert.“

„Weißt du denn dann überhaupt, wie es mit dir und dem Kind weitergeht?“, die Stirn des Richters hatte sich in Falten gelegt.

„Sollte es mit Mutter unaushaltbar werden, so hat mein Freund mir zugesichert, dass ich bei ihm und seinem Vater leben darf.“, sie machte ein Geräusch, das sich anhörte wie das, was Seto machte, wenn ihm etwas nicht passte – eine Mischung aus Grummeln und Räuspern, „Aber Mutter ist ja sowieso der festen Überzeugung, dass er mich bald verlassen wird.“

„Wieso sind sie das?“, wandte sich der Richter schließlich doch Frau Kamiya zu, die brav still geblieben war.

„Weil der Junge noch ein Kind ist, kaum in der Lage so eine Verantwortung zu tragen. Er ist auch nur sechzehn und interessiert sich für wenig anderes als Frauen und Würfelspiele. Und in der ganzen Nachbarschaft ist er als Playboy und Draufgänger bekannt.“, sie arrangierte die Hände in ihrem Schoß um, „Und diesen ominösen Vater, den er angeblich hat, habe ich bis heute noch nie gesehen.“

„Er geht halt nicht gern unter die Leute, weil sein Gesicht durch Verbrennungen entstellt ist.“, erklärte Shizuka in einem Ton, der sofort klar werden ließ, dass sie ihrer Mutter diesen Satz schon zum x-ten Mal sagte, „Spätestens bei der Geburt wird er aber da sein, das hat er versprochen.“

„Was er ganz zufällig durch seinen Sohn ausrichten ließ...“, Frau Kamiya schnaubte, „Sehr überzeugend.“

Katsuya schluckte. Ein wenig gab er seiner Mutter ja Recht... das Ganze war schon irgendwo verdächtig. In was hatte sich seine Schwester da gebracht?

Teste über Teste

Hilfe! Warum sagt mir keiner, dass Montag ist?

Nun ja, wenigstens habe ich noch dran gedacht ^.- Aber ich habe echt das Gefühl, als hätte ich schon seit Wochen pausenlos gearbeitet... und das, obwohl ich ein entspannendes Wochenende hatte ô.o Dabei war der Tag nicht einmal anstrengend. Ich glaube, ich rutsche in eine Down-Phase *seufz* Komisch, ich habe das Gefühl erst seit dem Wäscheaufhängen. Eine plötzliche Wäschekrise? XD

Nein, kein Scherz an ernster Stelle. Weiter im Text mit unserer Gerichtsverhandlung. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen ^.^
 

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„Hast du diesen Vater deines Freundes denn mal getroffen?“, fragte der Richter nach.

„Ich habe mit ihm telefoniert.“

Also auch nicht... Katsuya atmete tief durch. Wäre sein Leben ein Roman, so hätte Shizuka sicher die Liebe ihres Lebens gefunden und rettete sich mit ihrer Schwangerschaft aus den Fängen der bösen Mutter – auch nicht unbedingt positiv, aber ein „Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende“ ließ sich möglicherweise drunter schreiben. Aber das hier war kein Roman. Das hier war Realität. Das hieß, dass es genauso gut sein konnte, dass ein Playboy seine Schwester geschwängert hatte und jetzt nicht wusste, was er tun sollte. Seinen Eltern hatte er davon wahrscheinlich nichts erzählt. Und die Sache mit der möglichen Unterkunft war wahrscheinlich auch nicht mit seinen Eltern abgesprochen. Möglicherweise gab es da nicht einmal mehr Eltern.

„Das Ganze ist schon eine sehr unsichere Sache...“, gab auch der Richter zu bedenken.

„Ja, ich weiß... aber was soll ich sonst tun? Ich will mein Kind nicht weggeben.“, sie legte beschützend die Arme über ihren Bauch.

„Es gibt zum Beispiel Mutter-Kind-Heime. Da werden Frauen aufgenommen, die sich nicht allein um ihre Kinder kümmern können, zum Beispiel, weil sie sehr jung sind oder sehr unsicher oder weil sie noch zur Schule gehen und jemanden brauchen, der auf die Kinder achtet. Das Jugendamt kann einen in solchen Fällen beraten.“

„Mutter meinte, die nehmen mir mein Kind weg, wenn ich da anrufe.“, Katsuya sah im Augenwinkel, wie Herr Sarowski eine Hand auf sein Gesicht legte und es somit von der Umgebung abschirmte. Anscheinend hatte das Amt große Probleme mit diesem Ruf.

„Das Jugendamt ist vor allem da, um Jugendliche zu beraten und zum Beispiel ein klärendes Gespräch mit den Eltern zu führen. Es kommt nur selten vor, dass ein Kind aus der Familie genommen wird. Nur bei sehr großer...“, der Blick des Richters wandte sich einen Moment zu Katsuya, „...Gewalt.“

„Das wusste ich nicht.“, gab Shizuka zu, „Ich wusste auch nicht, dass es solche Häuser gibt... was muss ich tun, um in so eins zu dürfen?“

„Mit dem Jugendamt sprechen, die können das für dich einrichten.“, der Herr in der Mitte seufzte leise, „Du kannst aber auch bei deiner Mutter bleiben und jeden Monat kommt jemand, um nach euch zu sehen und bei Bedarf Probleme zu besprechen.“

„Oh... okay... ich werde da anrufen.“, sie schluckte und lächelte matt, „Danke für die Beratung, auch wenn es nicht zur Verhandlung gehört.“

„Tut es...“, der Richter lehnte sich in seinem Stuhl zurück, „Herr Jonouchi, Frau Kamiya... mir scheint, ihre Kinder sind beide nicht unbedingt mit Liebe und Vertrauen zu ihren Eltern erfüllt. Wonach liegt das ihrer Meinung nach? Herr Jonouchi?“

Katsuya schluckte.
 

„Dass mein wunderbarer Sohn sich lieber von einem schmucken, jungen Kerl aushalten lässt statt sich wie jeder andere sein täglich Brot zu verdienen, kann ich sicherlich nachvollziehen. Es ist weit leichter ein naives Jungchen davon zu überzeugen, man würde sich nicht mit Drogen und Alkohol vollpumpen als seinen Vater, der das seit Jahren mitmacht und versucht es einzuschränken.“, erwiderte Herr Jonouchi nur voller Überzeugung mit einem Funken Abscheu in der Stimme, „Testen sie ihn ruhig, sie finden ihn hundertprozentig positiv.“

Der Richter atmete tief durch und wandte sich Katsuya zu mit den Worten: „Würden wir?“

„Ähm... ich weiß nicht, wie lange so was hält. Die letzte Line war... ähm... zwei Monate?“, er warf Seto einen Blick zu, „Das war über eine Woche vor Schulbeginn.“

„Das wären acht oder neun Wochen.“, gab dieser Auskunft. Wie erwartet hatte er einen Terminplaner im Kopf.

„Seitdem hattest du keine mehr?“, der Mann in Schwarz lehnte sich vor, die schon etwas ermüdeten, alten Augen plötzlich hellwach.

„Äh... nein?“, der Blonde legte den Kopf schief, „Wieso?“

„Verspürst du keinen Drang was einzunehmen?“, die Finger verhakten sich, bevor er sie vor auf die Tischplatte legte und somit noch weiter nach vorne lehnte.

„Nicht wirklich... manchmal, klar, besonders am Anfang, aber es geht.“, Katsuya verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich seitlich gegen Seto, „Ich will nix mehr nehmen, das hab‘ ich mir geschworen.“

„Exzellent.“, lobte der Richter und nickte, „Das ist wirklich vorbildlich.“, er richtete sich lächelnd wieder auf, „Herr Kaiba?“

„Ja?“, die blauen Augen wandten sich langsam von seinem geliebten Mündel zu dem Herrn, der über ihre Zukunft zu entscheiden hatte.

„Ich vermute, dass sie noch immer weder Kosten noch Mühen sparen, um ihren Kopf durchzusetzen?“, wow, Nagel auf den Kopf und Schuss direkt ins Schwarze. Wenn Seto eins konnte, dann das bekommen, was er haben wollte. Dafür ging er über Leichen, das hatte er unlängst bewiesen. Anscheinend war das auch bei dem Herrn hängen geblieben.

„Und sie, Herrn Sarowski...“, er wandte sich dem anderen Herrn im Anzug zu, „...brauche ich ja gar nicht erst zu fragen, wir kennen einander ja. Ich schlage vor, wir legen eine Mittagspause ein.“

Eine Mittagspause? Katsuyas Gesichtszüge fielen. Das war nicht sein Ernst, oder? Was sollte das? Und was sollten die Fragen? Da kam noch ein Nachsatz, oder?

„Nur um deine Aussage amtlich zu machen ordne ich ein Drogenscreening an, ist das in Ordnung, Katsuya?“, er blinzelte kurz und nickte – deswegen die Pause? „Danach fährst du zu einem unserer Gerichtspsychologen für einen Intelligenztest. Ist das auch in Ordnung?“, Intelligenztest? Okay... wenn er meinte. Seinetwegen. „Währenddessen stelle ich dir, Shizuka, mein Büro zur Verfügung für ein Gespräch mit Herrn Sarowski. Der kann dich besser aufklären als ich. Und sobald dein Bruder wieder da ist, werden wir drei uns einen Moment zusammensetzen.“, der Richter, seine Schwester und er? Was sollte das werden? Hoffentlich konnte Seto ihm das erklären. „Julie, schnapp dir doch bitte deinen Kollegen und überarbeite das Protokoll in der Zwischenzeit. Ich erwarte deine Anwesenheit um vierzehn Uhr vor meinem Büro. Die Verhandlung wird fortgesetzt um fünfzehn Uhr, ich wünsche allen einen guten Appetit.“, zum ersten Mal hörte Katsuya das berühmte Hammerklopfen, das er aus den Filmen kannte. Also gab es doch etwas Wahres daran.

Dass Seto mit einer Hand unter seine Schulter packte und ihn mit in die Höhe zog, ließ ihn allerdings erst realisieren, dass der Hammerschlag auch hier eine Entscheidung unterstrich – die zur Mittagspause.

„Komm, Leuchtrakete, auf zum Drogenscreening.“, Seto nahm seinen Mantel auf und zog ihn wieder an, bevor er die zwei Adressen vom Richter entgegen nahm, „Erde an Katsuya... let’s get moving.“
 

Das alles ging zu schnell. Einfach zu schnell. Sein ganzes Leben ging derzeit zu schnell.

„Seto?“, Katsuyas Stimme zitterte, ebenso wie sein Körper – er hatte keine Erinnerung mehr, wie er es bis zum Wagen geschafft hatte.

„Ja, Schatz?“, der Ton war ruhig und einlullend.

„Nein... Seto.“, er schluckte. Ob der Fahrer wohl überhaupt verstand, was er von ihm wollte?

„Was ist los, du Brezel?“, jetzt war er weit genervter. Diese Mischung aus Arroganz, Herablassung und Desinteresse. Seto hatte verstanden. Was er brauchte, war keine liebevolle Hilfe sondern Ablenkung.

„Krank, was?“, erwiderte er auf die unausgesprochene Frage, ob er wirklich meinte, dass er das gerade jetzt brauchte – irgendwie wusste er, dass Seto sie mit der Frage eben auch gestellt hatte, wie auch immer er das tat.

„Extrem. Was fällt dir ein mir mit deinen niederen Bedürfnissen so auf den Senkel zu gehen?“

Katsuya prustete leise los, während sich ein Lächeln auf seinen Lippen ausbreitete. Das war echt zu komisch, wie Seto versuchte umgangssprachlich zu sein... nun ja, wahrscheinlich versuchte er eher komisch zu sein mit seiner gespielten Abneigung.

„Es tut mir ja so Leid.“, erwiderte der Blonde mit dem besten Sarkasmus, den er in seinem Zustand finden konnte.

„Gar nichts tut dir Leid. Mich hält man für den Stinkstiefel, aber wenn die Leute wüssten, was für ein Aas du bist, würden sie dir die Raben nachsenden.“, keifte der Ältere vom Steuer aus und schob die Unterlippe vor, als würde er schmollen – diesmal schaffte er es sogar wirklich, dass Katsuya in Gelächter ausbrach.

„Du- ha- haha... danke... danke, Seto.“, brachte er hervor, atmete tief durch und ließ sich nach hinten in den Sitz fallen, „Oh Himmel... ohne euch beide wäre ich Matsch.“, gab er leise gemurmelt zu und machte es sich auf der Ledergarnitur bequem.

„Matsch quatscht wenigstens nicht.“, auch auf Setos Lippen lag ein Lächeln, „Du hast mir beigebracht, dass die beste Medizin gegen Dissoziationen das Lachen ist.“

„Ich würde sagen mit der Erkenntnis habt ihr alle Psychologen und Psychiater dieser Welt geschlagen.“, mischte sich Yami von der Rückbank ein, dem Katsuya über den rechten Außenspiegel ein Lächeln zuwarf, was dieser zu gern erwiderte.

„Ruhe auf den billigen Plätzen.“, Seto sah kurz zum Rückspiegel, „Wir sind in geheimer Mission unterwegs.“

„Und was ist unser Ziel, Käp’ten Kaiba?“, gab der Rothaarige frech zurück.

„Wir müssen diese Geisel hier neben mir an den bösen Wissenschaftler Doktor Frankenstein abliefern, der ihn für seine Menschenversuche braucht.“, erwiderte der Fahrer mit dem Ernst, den er aufbringen konnte – was hieß, würde er nicht lächeln, könnte Katsuya wirklich Angst bekommen.

„Seto, sei nicht so intellektuell. Bösewichte bringen höchstens zwei Informationen in einem Satz und hängen nicht auch noch einen Nebensatz mit Zusatzinfos dran.“, tadelte Yami.

„Mach‘ mir nicht mein selbst gebasteltes Abenteuer kaputt.“, wow... war das gerade Setos Kinderstimme gewesen? Hoffentlich war die erwachsene Version auch anwesend und fuhr den verdammten Wagen!

Aber Seto hatte wirklich gerade sein Kind auch für Yami kurz raus gelassen. Er hatte es echt getan.

„Auf jeden Fall sind wir da.“, informierte die wieder gefasste Version seines Freundes und fuhr den Wagen auf einen kleinen Parkplatz vor der Praxis, zu der sie beordert waren.

„Seto?“, auch Katsuyas Stimme hatte den Ernst wieder gefunden.

„Ja?“

„Was... was passiert bei einem Drogenscreening?“, er schluckte. Wahrscheinlich war es nur Blut oder so, aber... er wollte keine Überraschungen. Nicht heute. Nicht jetzt.

„Sie brauchen eine Urinprobe. Du kriegst ein Becherchen, in das du machen sollst und das wird es wahrscheinlich sein. Im Zweifelsfall krallen sie sich auch noch ein Haar, aber mehr ist es nicht.“

Katsuya seufzte erleichtert. Nicht einmal Blut. Das war nun wirklich einfach.
 

War es. Seto hatte vollkommen Recht gehabt. Sie brauchten nur eine Urinprobe. Und schon ging es weiter.

Die nächste Station war der Psychologe, bei dem Katsuya einen Intelligenztest machen sollte. Diesmal hatte er direkt die ganze Fahrt genutzt, um sich die Prozedur von Seto erklären zu lassen. Er würde eine Reihe von Aufgaben – wahrscheinlich schriftlich – bekommen. Für jede Aufgabengruppe hatte er nur eine bestimme Zeit, die er nicht überschreiten durfte, weil das sonst das Ergebnis verfälschte. Die Aufgabengruppen waren Rechnen, räumliches Vorstellungsvermögen und Kombination – und wahrscheinlich noch vieles mehr – Merktests, Konzentrationstests... die ganze Palette. Ihm wurde sogar auf sein verzweifeltes „Beispiel...“ geantwortet und er bekam einige Beispielaufgaben abwechselnd von Seto und Yami erklärt. Hörte sich nicht allzu schwierig an.

„Und erschreck‘ dich nicht, die Tests sind darauf ausgelegt, dass man niemals alle Aufgaben schafft. Also sei einfach locker und du selbst.“, erklärte Seto noch.

„Aber...“, Katsuya atmete tief durch, „Was ist, wenn... wenn ich nicht... also...“

„Wenn du nicht hochintelligent bist?“

Er schluckte und nickte mit geschlossenen Augen.

„Dann bist du es halt nicht. Auch egal. Wer mir Contra geben kann, ist in meinen Augen immer ein Genie, egal, was irgendein blöder Test sagt.“, Seto löste eine Hand vom Lenkrad, um Katsuya damit über die Wange zu streichen, „Und die Verhandlung wird das Ganze auch nicht groß beeinflussen. Den Richter habt ihr beiden Geschwister perfekt um den Finger gewickelt, da sei dir mal sicher. Deine Eltern mögen gut argumentiert haben, aber nicht gut genug, um dich wieder zu sich zu kriegen.“

„Sicher?“, fragte Katsuya mit zitternder Stimme nach.

„Ja, ganz sicher.“, bestätigte auch Yami, „Sonst hätte er auch noch mich nach vorne gerufen und die anderen genannten Zeugen holen lassen. Der ist sich seiner Sache sicher.“

„Er könnte sich auch sicher sein, dass Shizuka und ich lügen...“, selbst in seinen Augen hatte der Richter nicht so gewirkt, das war wahr. Schließlich hatte er seiner Mutter den Mund verboten.

„Dann hätte Shizuka jetzt kein Gespräch mit Herrn Sarowski. Er will sie auch von euren Eltern weg kriegen, scheint mir.“, gab Seto seinen Eindruck preis, „Deine Mutter hat ihm wirklich extrem missfallen – schließlich hat sie sich wie ich früher verhalten. Und mich kann er nicht leiden.“

„Warum eigentlich?“, Katsuya schluckte die Wut, die schon wieder aus seiner Brust hoch stieg bei der Erwähnung seiner Mutter, „Was war das für ein Fall?“

„Ein Wirtschaftsfall. Der Geschäftsführer der Firma hat mich angezeigt ihm mit einem Hinterhalt die Firma gestohlen zu haben. Man hat nicht genügend Beweise finden können, um mir das wirklich anzuhängen.“

Das... hörte sich danach an, als hätte Seto es getan. Es schien keine Fehlanklage gewesen zu sein. Er atmete tief durch und meinte: „Es muss deprimierend für einen Richter sein zu wissen, dass jemand schuldig ist und ihn trotzdem gehen lassen zu müssen.“

„Das ist es immer. Aber hohe Persönlichkeiten macht man nicht so einfach dingfest. Du kannst einen Waffenhändler da sitzen haben, der deine Feinde mit deinen Raketen beliefert hat, die deine Leute umgebracht haben und musst ihn gehen lassen, weil deine Feinde dir sonst den brandneuen Friedensvertrag wieder kündigen. Kein Gericht ist wirklich frei von allen anderen Einflüssen.“

„Warte... der Staat befiehlt einfach, dass man jemanden frei lässt? Warum erfährt man von so etwas nichts?“, sie hatten doch eine freie Presse, da musste das doch irgendwer schreiben, oder?

„Katsuya... wir leben in einer heilen, schönen Welt. Wenn am anderen Ende eine Bombe Menschen in den Tod reißt, dann ist das eine Sensation. Aber wenn dein eigenes Land dich betrügt, dann will man das lieber gar nicht wissen. Das ist wie das, wo Yami ermittelt... wenn du eine Yakuza hast, die den Stoff verkauft, die du mit ihr ausgehandelt hast und dafür sorgt, dass keine Kleindealer irgendeinen Scheiß verkaufen, der deine Bevölkerung krank macht, wo ist dann das Problem?“

Zurück im Gericht

Noch einmal Entschuldigung für die Sprunghaftigkeit des letzten Kapitels - dieses ist da hoffentlich wieder sehr viel klarer. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen und danke für die kreativen und kontruktiven Kommentare!
 

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„Hey, Kats.“, Shizuka lächelte ihm entgegen, als er zu seiner kleinen Schwester trat, die sich auf einer der Bänke gegenüber des Büros des Richters niedergelassen hatte, während Seto und Yami sich zu Herrn Sarowski begaben, der etwas abseits stand.

„Hey, Kleine.“, er setzte sich neben sie, „Wie war dein Gespräch?“

„Aufklärend. Dein Beamter ist nett.“, sie strahlte mit ihrem Lächeln, „Er wird mir einen Platz in einem dieser Heime besorgen. Er sagt, es könnte sein, dass ich nicht sofort einen kriege, aber dann sucht er auch noch nach einem alternativen Heim, falls das mit Mutter zu arg wird.“

„Ich hatte immer gedacht, sie würde liebevoll mit dir umgehen...“, gestand Katsuya leise mit einem Seufzen, „Es tut mir Leid, dass ich nicht vorher nach dir gesucht habe.“

„Ist okay. Sie ist ja auch liebevoll. Aber... manchmal halte ich sie einfach nicht aus.“, sie seufzte, rückte etwas näher und lehnte sich vorsichtig zur Seite, um ihren Kopf auf seine Schulter zu legen, „Ich vermute, es ist weit einfacher, als mit unserem Erzeuger zu leben.“

„Weiß nicht...“, der Blonde legte einen Arm um sie, „Meistens war er einfach betrunken vor’m Fernseher oder hat geschlafen. Er ist nur aufgestanden, um sich etwas zu essen zu holen oder neuen Alkohol einzukaufen. Oder... um mich zu schlagen. Mehr hat er nicht gemacht.“

„Ich habe Angst...“, flüsterte Shizuka plötzlich mit zitternder Stimme, als hätte sie einen Kloß im Hals.

„Wovor?“, vor ihrer Zukunft, vor ihrem Leben mit einem Kind, einem Leben als sechzehnjährige, wahrscheinlich allein erziehende Mutter, die in einem Heim vom Staat lebte und neben ihrem Kind noch ein eigenes Leben zu verantworten hatte, dass noch mindestens ein Jahr Schule vorsah? Zumindest würde das Katsuya Angst machen. Eher gesagt mindestens das. Er war mit neunzehn nicht fähig sein eigenes Leben wirklich zu verantworten, wie sollte eine Sechzehnjährige gleich zwei Leben tragen?

„Mit so einer Mutter, wie ich sie hatte... meinst du, ich kann überhaupt eine gute Mutter sein? Ich habe mir geschworen, es nicht so wie sie zu machen, aber wie soll ich es machen? Ich habe außer ihr doch gar kein Beispiel einer Mutter. Ich habe Angst, dass ich genau so wie sie werde. Und das... das könnte ich nicht ertragen.“, er spürte etwas Nasses in sein T-Shirt ziehen und brauchte nicht zu ihr zu sehen, um zu wissen, dass sie still weinte. Er würde es tun.

„Dann such dir ein Beispiel. Du kommst doch in ein Heim mit ganz vielen anderen Müttern und Erzieherinnen, wenn ich das richtig verstanden habe. Da hast du viele Vorbilder. Und falls es trotzdem nicht klappt, gibt es ganz viele Menschen, bei denen du um Hilfe bitten kannst. Du bist nicht dazu verdammt wie Mutter zu werden.“, hoffte er zumindest. So wie auch er hoffte nicht wie sie zu werden. Oder wie sein Vater.

Er schluckte. Deshalb hatte Seto die Bilder in seinem Nachtschrank. Als tägliche Erinnerung, dass er nicht so wurde. Dass er unter allen Umständen niemals so werden durfte. Keine Drogen nehmen, keine Menschen missbrauchen, nicht sich selbst töten, nicht andere töten – seine eigenen kleinen zehn Gebote.
 

Der Richter streckte den Kopf hinter der Bürotür hervor und sprach nach einem kurzen Lächeln: „Wunderbar, sie sind wieder da. Herr Kaiba, hier sind die Unterlagen.“

Seto trat vor und nahm drei Seiten Papier entgegen, die er in der Geschwindigkeit scannte wie er Zeitungen las – drei Sekunden für eine Seite – bevor sich auch auf seinen Lippen ein Lächeln zeigte.

„Was denn?“, murrte Katsuya, als die blauen Augen ihn trafen, „Bin ich auch schwanger?“

„Nein.“, der Lehrer trat auf ihn zu und hielt ihm die zweite Seite vor die Nase, „Sie haben heraus gefunden, dass du strohdumm bist.“

„Haha...“, sein Blick fiel auf das fett Gedruckte in der Mitte, „Und was genau soll mir diese Zahl jetzt sagen?“

Einhundertzweiundvierzig. Stand da. Woher sollte er wissen, was ihm das brachte? Gab es eine Gebrauchsanweisung?

„Hach...“, Seto seufzte tief, „Deine Wissenslücken sind bisweilen echt unfassbar. Hundert ist Durchschnitt. Ab hundertdreißig beziehungsweise hundertvierzig – je nach Test – gehört man zu den zwei Prozent der Hochintelligenten auf diesem Planeten.“

„Äh...“, hieß das jetzt, dass er hochintelligent war? Er zog die Stirn in Falten. „Hundertzweiundvierzig liegt darüber, richtig?“

„Yami, gib‘ ihm eine Kopfnuss.“, befahl Seto, „Ich bringe es gerade nicht über’s Herz.“

„Dein Haustier, deine Erziehung.“, erwiderte dieser nur und lächelte – war da eine Spur von Stolz in seinem Blick? – bevor er sich seinen Kopf schüttelnd wieder Herrn Sarowski zuwandte.

„Menno...“, grummelte der Blonde, verschränkte die Arme vor der Brust und schob die Unterlippe vor, „Ihr seid alle gemein.“

Wenigstens seine Schwester hatte es wieder zum Lachen gebracht, also bitte. Was nichts daran änderte, dass Katsuya sich mit einem Schlucken wieder aufrichtete und tief durchatmete, als der Richter die Tür zu seinem Büro ganz öffnete und schweigend einen einladenden Arm darauf richtete.

„Scheint wir müssen...“, er vernahm seine eigene Stimme in einer ihm fremden Tonart und schluckte noch einmal, „Komm.“, er reichte Shizuka eine Hand, um ihr aufzuhelfen.

Der Richter nickte nur und ging schon einmal vor, die Tür hinter sich offen stehen lassend.

Mit Shizuka am Arm machte er einen Schritt in die Richtung, zog den linken Fuß aber nur bis zum vorne stehenden rechten nach, den Blick starr auf die Tür gerichtet, während seine Hand nach Setos griff, der seitlich zu ihm stand.

„Ruhig...“, flüsterte dieser sanft und drückte die dargereichte Hand, „Er will euch nur ohne den Druck durch die Anwesenheit eurer Eltern noch ein paar Dinge fragen. Das tut er für euch.“

Katsuya beruhigte seinen Atem und erwiderte so leise er konnte, dass nur der andere und Shizuka ihn hörten: „Seto?“

„Ja?“

„Danke.“, er sah zu dem Brünetten auf, seine Hand von dessen angenehm kühler sanft umschlossen, „Und...“, er senkte den Blick kurz, schluckte, sah wieder auf, „Das andere weißt du hoffentlich, auch wenn ich es nicht aussprechen darf.“

Seto atmete hörbar ein, sog die Lippen zwischen seine Zähne, wandte den Blick ab und nickte kaum merklich. Die Pose änderte sich auch nicht, als Katsuya ihm seine Hand entzog und zu dem Büro schritt.
 

„Setzt euch doch, bitte.“, der Richter wies auf die beiden Stühle, die einem anderen gegenüber standen, auf den er zustrebte, „Ist es in Ordnung für euch, dass Julie unserem Gespräch beiwohnt?“

Die so bezeichnete junge Frau saß hinter dem Schreibtisch, Block und Stift schon in der Hand, ein eher unsicheres Lächeln auf dem Gesicht.

Katsuya warf Shizuka einen Blick zu, die nur mit den Schultern zuckte, bevor er fragte: „Wie kommt es, dass wir das entscheiden dürfen?“

„Das hier ist nicht die Verhandlung, das ist so etwas wie ein privates Gespräch.“, der Richter lächelte sie beide an, während sie sich setzten, „Natürlich ist es für die Verhandlung, aber mir ist es wichtig, dass ihr beide euch so wohl wie möglich fühlt. Schließlich möchte ich eure ehrliche Meinung hören.“, irgendwie hatten seine Augen etwas Warmes, obwohl sie recht dunkel waren, „Darum führe ich diese Gespräche normalerweise alleine. Doch für einen guten Juristen ist es äußerst wichtig solch eine Gesprächsführung zu beherrschen und deshalb habe ich Julie erlaubt dabei zu sein, wenn meine Gesprächspartner damit einverstanden sind. Sie ist eine Studentin aus England, die ein Auslandssemester hier in Japan macht.“

Ach so... diese Julie war gar keine Juristin. Nun ja, noch keine. Deshalb war sie wahrscheinlich auch die, die das Protokoll führen musste. Immer auf die armen Praktikanten halt.

„Okay.“, Katsuya versuchte es sich auf dem Stuhl – mehr ein Sessel als ein Stuhl eigentlich – bequem zu machen, „Und... sie möchten jetzt etwas von uns wissen, wo wir nicht bei der Antwort unter Druck stehen, weil unsere Eltern anwesend sind?“

„Ganz genau.“, der Richter nickte, „Erstmal möchte ich euch beiden sagen, dass ich euch glaube. Das, was eure Eltern sagen, macht zwar auch Sinn, aber da passen mir zu viele Dinge nicht zusammen. Zum Beispiel habt ihr beide praktisch dieselbe Meinung von beiden, obwohl ihr den jeweils anderen Elternteil zehn Jahre nicht gesehen habt. Und auch die Reaktionen, die Herr Kaiba beschrieb und die ich heute sehen konnte, sagen mir, dass es wahr ist, was du sagst.“, der ältere Mann sah Katsuya tief in die Augen, „Mein Gefühl ist aber nicht genug, um ein Urteil zu fällen.“

Der Blonde nickte nur, die Lippen zusammen gepresst, die Lider über seine Augen zuckend. Allen Göttern sei Dank – man glaubte ihm. Der Mann glaubte ihm wirklich. Er hielt ihn nicht für einen Lügner. Er glaubte ihm...

„Das heißt, die Verhandlung kann jetzt verschiedene Richtungen verfolgen. Wir können das alles fortsetzen, mehr Zeugen einladen und Beweise gegen deinen Vater sammeln. Ich kann auch jetzt ein Urteil fällen. Das hieße fünf Jahre Haft mit zwei Jahren auf Bewährung.“, er schwieg kurz, „Der Anwalt eures Vaters wird ihn aber aufklären, dass er dieses Urteil anfechten kann. Und das wird er mit Sicherheit tun. Dann wird der Fall noch einmal aufgerollt und ein anderer Richter einer höheren Gerichtsbarkeit wird den Prozess von heute noch einmal führen – mit mehr Zeugen, mehr Richtern möglicherweise, mehr Anwälten, einfach mehr von allem. Das sind die beiden Möglichkeiten deinen Vater verurteilen zu lassen.“

Fünf Jahre. Fünf Jahre mit zwei davon Bewährung? Das hieß drei Jahre im Gefängnis... drei Jahre? Drei Jahre für neunzehn Jahre? War das der Tausch? Katsuya schüttelte mit geweiteten Lidern den Kopf.

„Ein Urteil mit mehr als fünf Jahren wird nicht getroffen werden, wenn das deine Frage ist.“, wenigstens zeigte das Gesicht des Richter mit den zusammen gekniffenen Lippen eine Spur von Mitgefühl, „Selbst mit versuchtem Mord, was man ihm sicher für die Sache mit dem Eisenrohr anrechnen kann, wird wahrscheinlich kein höheres Urteil gefällt.“
 

„Da... kann man nichts tun?“, fragte Shizuka mit zitternder Stimme.

Katsuya schluckte und wandte den Blick zu ihr. Sie fragte nicht einmal nach, was die Sache mit dem Eisenrohr gewesen war... er schloss kurz die Augen. Sie war auch von ihm verprügelt worden. Wenn er damals auch bei weitem sanfter war... ein Kind interessierten die physischen Schmerzen nicht so sehr. Die Ablehnung, die Hilflosigkeit, die Angst... das tat weit mehr weh. Die Gefühle, die die Schläge einem gaben, das war es, was einen zerriss.

„So leid es mir tut...“, der Richter schüttelte den Kopf, „Eine lebenslängliche Strafe ist nur für die drin, die einem Kind mehrere oder mehrfach Knochen brechen, mit Waffen in den Körper eines Kindes eindringen oder... nun, es gibt da verschiedene Maßstäbe. Es gibt sicher einige Richter, die diese schon erfüllt sehen würden, aber ich kann nicht ohne weitere Beweise wie Arztberichte solch ein Urteil fällen. Du warst ja leider nie im Krankenhaus...“, er atmete tief durch und richtete den Blick auf Katsuyas Schuhe, „Ich kann mich nicht über unsere Gesetze hinweg setzen.“

„Ich...“, der Blonde schüttelte den Kopf und wischte eine verirrte Träne von der Wange, „Schon gut, ich verstehe.“, er schluckte, „Gibt es noch mehr als diese zwei Möglichkeiten, wie es weitergehen kann?“

„Ja.“, der Richter sah wieder auf, unterstrich die Aussage durch ein Nicken und lehnte sich in seinem Stuhl nach vorne, „Du kannst entscheiden, dass es dir mit Verhandlungen reicht und du auch zufrieden bist, wenn dein Vater nicht bestraft wird. In dem Fall wird aus dieser Verhandlung die Anhörung, die normalerweise vorgesehen ist, wenn ein Kind oder Jugendlicher nicht mehr bei seiner Familie leben kann oder will. Dann setzen deine Eltern, du und ich uns zusammen und wir verhandeln, wie es weitergehen soll. Ich denke mal, dass Herr Sarowski und Herr Kaiba aber auch teilnehmen werden.“

Katsuya atmete tief durch. Als er Seto damals fragte, da wollte er nichts anderes als von seinem Vater wegzukommen. Er wollte im Endeffekt auch jetzt nichts anderes. Aber die Möglichkeit, die ihm gegeben worden war, die Möglichkeit Gerechtigkeit zu kriegen... er schluckte. War das Gerechtigkeit? War es gerecht, wenn man jemanden für das, was in der Vergangenheit lag, einsperrte? War nicht eher der Sinn, dass er niemand anderem so etwas antat und Zeit bekam seine Taten zu bedenken und... und schließlich... einen Weg zu finden sein Leben ohne Gesetzesverstöße zu leben? War das Gefängnis nicht eher eine Möglichkeit als eine Strafe? Er seufzte. Er selbst hatte es als Strafe empfunden. Es war herabwürdigend, willens- und selbstwertbrechend... es ließ einen wirklich wie Abschaum fühlen. Genau so, wie er Schule empfunden hatte. Ein Gefängnisaufenthalt würde seinen Vater auch kaum von seiner Alkoholsucht kurieren. Und was immer noch dahinter steckte, was sein Leben so kaputt machte und ihn erst zum Alkohol getrieben hatte.

„Ich kann drauf verzichten.“, entschied der Blonde, sah auf und somit dem Richter direkt in die Augen, „Ich möchte eine Chance glücklich zu sein und auch wenn es mir Angst macht zu wissen, dass mein Vater noch frei herum rennt, so ist dennoch der wichtige Punkt, dass ich überhaupt die Möglichkeit kriege mich daran zu erfreuen, dass ich lebe.“

Der Mann ihm gegenüber schluckte, presste die Lippen zusammen und meinte einen Moment später: „Es... macht mir Angst, wie kalt und abgeklärt du das sagst, auch wenn die Worte erfreulich sind. Doch ich denke, ich kann es nachvollziehen...“

Kühle, kleine Hände drückten die seine, die Shizukas Stuhl nahe lag.

Getroffene Entscheidungen

Da fiel mir doch gestern auf, dass ich das Kapitel für heute noch gar nicht fertig hatte ô.o Dabei ist es eins meiner Lieblingskapitel ^///^ Obwohl fast nichts passiert, ist es für mich einfach eines der schönsten der ganzen Story... es ist einfach so... ha~ach... ich mag es ^v^

Mal sehen, was ihr denkt ^.- Ich freue mich auf eure Kommentare, besonders wenn sie voller Verbesserungsvorschläge und Änderungswünsche sind ^v^ Nur so kann die Geschichte immer besser werden! *knuddel* Viel Spaß beim Lesen ^.-v
 

P.S.: By the way - Freitag ist Kopf-Hals-Testat, Montag Geschichtsprüfung, Freitag ZNS-Prüfung, Mittwoch dann Virtuelle-Anatomie-Prüfung und Freitag Physik und irgendwo zwischendurch noch Chemie XD
 

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Seto hob überrascht die Unterarme nach vorne, blinzelte und richtete seine Augen auf das blonde Wesen, das mit beiden Händen an seinem Jackettkragen hing und das tränennasse Gesicht gegen seine Brust drückte. Langsam – sehr langsam – atmete er wieder aus, wandte den Blick nach rechts und links und legte zögernd seinen rechten Arm um Katsuyas Schulter.

„Hey... Kleiner...“, er beugte den Kopf vor, um leiser sprechen zu können, „Was ist los?“

Der Jüngere löste nur die verkrampften Finger von dem feinen Stoff und ließ seine Hände sanft über Setos Brust hinweg hinter seinem Rücken zusammen wandern, wo sich seine Unterarme überkreuzten, um sich näher an den anderen zu drücken.

Seto schluckte, atmete tief durch und ließ seinen eigenen Arm zu Katsuyas Taille sinken, zog diesen an sich, fuhr mit der anderen Hand in dessen blondes Haar und kraulte sein Hinterhaupt, während er sich an die Person hinter seinem Kleinen wandte: „Was ist passiert, Shizuka?“

„Es... es...“, ein Aufschluchzen, das schnell von Händen zurückzuhalten versucht wurde, ein Schniefen.

„Ganz ruhig...“, Setos Stimme nahm einen sanften Ton an, während Yami ihr schon ein Taschentuch anbot, für das sie sich bedankte, „Ich bin ein Mensch, der immer vom schlimmsten ausgeht. Du kannst mir also nur gute Nachrichten bringen.“

„Da kannst du ihn beim Wort nehmen.“, Yami versuchte es so fröhlich und humorvoll wie möglich, „So einen Pessimisten sieht man sonst kaum.“

Setos Hand an seinem Kopf zitterte.

„Ich weiß gar nicht, wie ich das sagen soll...“, ein weiteres Schniefen, „Ich bin einfach so unglaublich sauer! Das ist nicht fair! Das ist einfach nicht fair!“, ein dumpfes Stampfen – wie schaffte sie es bloß bei ihrem Zustand die Balance auf einem Bein zu halten? – füllte die Pause, die sie ließ, „Sie können den Kerl nicht einbuchten. Oder eher, sie könnten es, aber er dürfte einfach nein sagen und es gäbe eine neue Verhandlung. Das ist einfach so... so... rargh!“, ihr Schrei ging bis zu den höchsten Tönen rauf.

„Das ist leider meistens so.“, erklärte Yami ruhig, „Kindesmisshandlung ist in gewisser Form immer noch ein Kavaliersdelikt, weil bei Aussage gegen Aussage Kindern eher wenig Glauben geschenkt wird. Solche Aktionen wie die False-Memory-Bewegung verhindern das. Das ist traurig, aber Realität...“

„Was ist das?“, verlangte Shizuka mit giftigem Ton zu wissen.

„Die False-Memory-Theorie besagt, dass Menschen sich selbst Erinnerungen schaffen, die sie für wahr halten. Es ist wahr, dass das vorkommt, aber die Theorie auszuweiten, dass Menschen sich eine komplette Misshandlungsgeschichte zusammen basteln, halte ich persönlich für baren Quatsch.“

„Wer zur Hölle glaubt so einen Mist?“, schrie die Jüngste schrill.

„Täter, weltfremde Forscher, Opfer, die nicht wahrhaben wollen, dass ihre Erinnerungen Wahrheit sind...“, erklärte Yami leise, „Und bisweilen leider auch Anwälte, Richter, Polizisten – jene, auf die es bei der Beurteilung ankommt.“

„Können sie nicht sehen, wie Menschen darunter zu leiden haben?“, Shizukas Stimme brach zum Ende hin und beendete die Frage mit einem Schluchzen.

„Möchtest du auch eine Umarmung, Kleine?“

Katsuya legte sein Gesicht zur Seite und lauschte Setos Herzschlag.
 

„Wie wird es weitergehen?“, fragte der Brünette leise, doch Katsuya konnte das leichte Vibrieren unter seiner Haut spüren, „Katsuya?“, das Kraulen wurde kurzzeitig zu einem Kratzen.

„Hm?“, er legte nur den Kopf ein wenig weiter nach links, um die Nässe seiner Tränen auf Setos Hemd nicht mehr zu spüren.

„Würdest du mir mal bitte antworten, Scherzkeks? Dein Typ wird verlangt.“, der Größere strich einige Strähnen des blonden Haares hinter sein Ohr und streichelte seine freie Wange dabei.

„Hrmgh...“, murmelte Katsuya nur, schüttelte seinen Körper, ohne sich von Seto zu lösen und seufzte tief. Konnte sein Freund ihn nicht einfach mal ein paar Minuten halten? Nur still stehen, seinem Herzschlag lauschen, sanft über seine Haut streichen, ein paar geflüsterte Worte und... Nähe spüren. Wenn schon keine Liebe, dann wenigstens Nähe. Einfach ein wenig Zuneigung.

„Komm, Kleiner... aufwachen, das Leben geht gleich weiter.“

„Gleich...“, wiederholte Katsuya nur, die Stimme wie ein Schlaftrunkener.

„Lass ihm doch einen Moment. Wir haben noch vierundzwanzig Minuten.“, unterstützte Yami ihn von irgendwo hinter ihm.

„Sagt der mit der hübschen Frau im Arm.“, erwiderte Seto in seiner kühlen, sarkastischen Lehrerstimme – shit, Herr Sarowski, der Richter, Julie!

Katsuya schreckte auf, hob den Kopf, schnellte von dem anderen, als hätte er sich verbrannt und stotterte: „Ah- shit- sorry- also... tut mir Leid... ähm... äh...“

„Ist gut.“, beendete der Ältere das, legte ihm eine Hand auf den Schopf und strich über seine Haare, „Ich wollte dich damit nicht loswerden. Natürlich wühlt dich die Sache sehr auf, das kann ich verstehen.“

„Tut mir Leid, Herr Lehrer Kaiba.“, Katsuya verbeugte sich förmlich, wie es der japanischen Tradition entsprach, „Ich habe sie schon den ganzen Tag in Verlegenheit gebracht-“

„Ich sagte, es ist gut.“, Seto nickte lächelnd, „Mach dir keine Sorgen deswegen.“

Hieß das, die Show war ausreichend? Katsuya wandte sich zu seiner Schwester, die nahe bei seinem besten Freund stand und sich mit einem neuen Taschentuch – so eins, wie Yami auch ihm entgegen hielt – die Tränenspuren aus dem Gesicht wischte und nur schüchtern lächelte.

„Welch ein emotionsreicher Tag.“, sprach Katsuya es noch einmal direkt aus, nachdem er sich die Nase geputzt hatte, „Wie geht es dir, Shizuka?“

„Besser...“, sie senkte den Kopf und sah einen kurzen Moment zu dem Rothaarigen, bevor auch ihr Blick fiel, „Ich hab‘ mich ausgeschrieen, denke ich...“

„Yami ist gut in so etwas.“, er legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter, „Ein sehr verständnisvoller, zuverlässiger Mensch.“

Sie nickte ohne aufzusehen.
 

„Es wird also eine außergerichtliche Entscheidung getroffen?“, fragte Herr Sarowski, der zu ihnen getreten war, „Wie bei einer Anhörung?“

„So sieht es aus.“, Katsuya schluckte und nickte.

„Das war eine sehr mutige und reife Entscheidung, alle Achtung.“, der Mann wölbte die Lippen nach innen, was zwar seine Mundwinkel hob, aber ihn nicht wirklich lächeln ließ, „Auch wenn ich zugebe, dass ich es nicht als Verlust gesehen hätte deinen Vater nicht mehr unter den frei herumlaufenden Menschen zu sehen.“

„Ich glaub‘, ich kann das alles noch gar nicht fassen...“, murmelte der Blonde leise, „Manche Leute ziehen vor Gericht, weil ihr Nachbar den Gartenzaun ihrer Meinung nach ein Stück zu weit nach rechts gesetzt hat. Und ich bin hier, weil ein anderer Mensch mich ohne eine Jacke, ohne Essen oder Trinken und vor allem ohne einen Grund aus meiner eigenen Wohnung geworfen hat, sodass ich zusammengerollt auf Parkbänken unter einer Decke aus Zeitungen und Pappresten übernachten musste. Nächte, wo die Polizei mich fand und mit Schlagstöcken vertrieb, wo ich mich in Tankstellengeschäfte schlich, um etwas zu essen zu klauen oder meinen Kopf in den Stadtbrunnen hielt, um nicht zu verdursten.“, er schüttelte den Kopf und griff mit einer Hand hinter sich mehrfach in die Luft zwischen sich und Seto, „Er hat mich immer und immer wieder geschlagen, mit Fäusten, mit Flaschen, mit diesem verdammten Gürtel, mit...“, er hielt die andere Hand vor seinen Mund, was das aufkommende Schluchzen dämpfte.

„Katsuya...“, Shizukas Wangen glitzerten von neuen Tränen, die aus ihren Augen quollen, „Hey...“, sie trat vor ihren Bruder, legte ihm beide Hände an die Schulter, strich seine Oberarme auf und ab, „Denk‘ nicht dran, ja? Das ist Vergangenheit. Bitte...“

„Tut mir Leid.“, Katsuya wandte den Blick von ihr und schluckte, „Ich wollte nicht... dich... ich...“

„Ganz ruhig, Kats.“, Yami trat hinter ihn und begann seine Schulter zu massieren, „Bald hast du es hinter dir. Nur noch ein Gespräch. Du schaffst das.“, leise, aber hörbar verließ die Luft seine Lungen, „Hast du dir denn schon etwas überlegt, was du machen möchtest, wenn wir hier fertig sind?“

„Schlafen...“, erwiderte Katsuya nur und spürte seine Lider praktisch von selbst zufallen, „Ich bin völlig am Ende... ich will einfach nur... schlafen...“

„Schlaf hört sich gut an.“, bestätigte Shizuka ihn, „Hast du ein schönes Zimmer bei Herrn Kaiba?“

„Hm-hm...“, ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, „Es ist groß und schön. Bei Tag ist es hell und nachts ganz heimelig. Die Wände sind weiß, die Möbel und das Bett sind schwarz und zwischendurch sind ein paar hübsche Farbkleckse – wie die rote Bettwäsche.“, er musste die Lider gar nicht öffnen, um zu wissen, dass Seto einer Augenbraue ob der Beschreibung hob – war schließlich sein Zimmer, „Nur fehlen noch Erinnerungsstücke... und Bilder.“, er entspannte sich unter Yamis gekonnter Massage, „Ich liebe Bilder. Und Chaos. Aber ich muss dauernd aufräumen...“

Shizuka kicherte leise.

„Wir könnten das Bild von dem Welpen aufhängen, den du gezeichnet hast.“, schlug Seto vor, „Da lasse ich mich sicher zu bereit erklären.“

„Und du könntest noch ein paar andere Bilder zeichnen.“, warf sein bester Freund ein, während er die Haut zwischen Katsuyas Schulterblättern knetete, „Du wolltest doch wieder anfangen, nicht?“

„Hm...“, der Blonde ließ den Kopf nach vorne fallen, „Ein Drache, der sich um einen kleinen Welpen rollt?“

„Klasse Motiv.“, stimmte Yami zu, während die braunen Augen zwischen leicht geöffneten Lidern hindurch zu Seto sahen, der die Arme vor der Brust kreuzte und den Blick abwandte.

Ach ja... sein Drache. Sein zahmer, kleiner Drache.
 

„Ähm... Katsuya? Shizuka?“, sie alle drehten sich in Richtung der jungen, weiblichen Stimme und erblickten Julie, die Assistentin des Richters, „Die Anhörung beginnt in fünf Minuten. Sie können schonmal im Büro Platz nehmen. Ich gehe ihre... ähm... Eltern holen.“, sie ließ den Blick sinken und eilte davon in Richtung der Treppen.

„Hm...“, Katsuya schloss die Lider, ließ die Schultern kreisen und seufzte, „Okay, wer kommt alles mit rein?“

„Ich.“, antworteten Shizuka und Seto im selben Moment, während Herr Sarowski nickte.

„Was ist mit mir?“, wandte sich Yami an den Brünetten neben sich, „Meinst du, ich kann mitkommen?“, auf ein Schulterzucken drehte er sich zu Katsuya, „Wäre es okay, wenn ich mitkomme?“

„Klar.“, der Neunzehnjährige legte den Kopf nach links und rechts, hob die Fäuste und ließ sie wieder locker, sprang kurz von einem Bein auf das andere und zurück.

„Dann... frage ich den Richter...“, die violetten Augen richteten ihren Blick einen langen Moment auf ihn, bevor Yami die Augenbrauen leicht zusammen zog und sich zum Büro wandte, um in diesem zu verschwinden.

„Katsuya?“, Seto umfasste sanft sein Handgelenk und zog ihn ein kleines Stück von Shizuka und Herrn Sarowski weg, bevor er sich vor lehnte, um Katsuya etwas ins Ohr zu flüstern, „Ich... ich weiß immer noch nicht, ob ich dich bitten soll dir etwas Besseres als mich zu suchen oder flehen soll, dass du bei mir bleibst, aber...“, der Blonde löste sich von Setos Griff und schnappte sich die freie Hand mit der eigenen, um sie ganz sanft zu drücken, „Also... wenn ich ehrlich bin... wenn... also...“

Ein Lächeln legte sich auf Katsuyas Lippen. Ach, Seto... konnte er nicht einfach ehrlich mit sich selbst sein? Heute morgen waren sie doch schon so weit gewesen, dass er sagen konnte, dass er wollte, dass sein Freund weiter bei ihm wohnte. Glaubte er etwa an Katsuyas Wunsch könnte sich in der Zwischenzeit etwas geändert haben? Dummer, kleiner Drache.

„Ich meine... bitte fühle dich nicht unter Druck gesetzt, das ist deine Entscheidung und ich kann es wirklich gut verstehen, wenn... also... ich...“, stotterte der Ältere leise.

„Seto?“, der Blonde drehte sich zu ihm und legte die Hand, mit er Setos umschlossen hatte, auf dessen Wange, „Kannst du nicht einfach nur glauben, dass ich dich liebe? Glauben, akzeptieren, verinnerlichen und... vertrauen?“

Die dunkeln Saphire wichen seinem Blick nicht aus, doch Setos Adamsapfel verschwand praktisch hinter seinem Mund, bevor er zurückfiel. Der eingesogene Atem trat vorsichtig, zitternd wieder aus und strich über Katsuyas Lippen, so nahe standen sie beieinander.

„Es... tut mir Leid...“, flüsterte er selbst für sein Gegenüber kaum hörbar, „Ich wünschte, ich könnte, aber... ich... ich schaffe es einfach nicht...“

„Nicht weinen, Großer...“, der Jüngere fuhr ihm mit dem Daumen über ein Augenlid, „Ganz ruhig... wir kriegen das hin. Wir haben alle Zeit der Welt...“

Bei allen Göttern, das hier musste extrem an Setos Nerven zehren, wenn er in aller Öffentlichkeit die Tränen kaum zurückhalten konnte. Gerade er, der wohl die stärkste Maske von ihnen allen trug. Katsuya presste die Lippen zusammen. Sie mussten das hier beenden und das bald. Er konnte nicht mehr, Seto konnte nicht mehr, Shizuka war auch am Ende – es reichte.

„Ein Gespräch noch und dann kuscheln wir uns zuhause ins Bett, ja? Mit Kaffee und heißer Schokolade.“, wisperte der Blonde, „Nur du und ich und kein Stress mehr...“

„Versprochen?“, Glückwunsch, jetzt hatte er sogar schon Setos Kinder-Ich rausgelockt...

„Ja, versprochen.“, er warf kurz einen Blick über die Schulter des Größeren, bevor er sich einen kurzen Moment nach vorne lehnte und einen Kuss auf Setos Lippen hauchte.

Konfrontation

Darf ich noch einmal hervorheben, dass Kats im letzten Kapitel Seto vor aller Augen geküsst hat? Irgendwie scheint das nicht so ganz rüber gekommen zu sein. Vielleicht muss ich da noch einmal etwas ändern.

Ansonsten frage ich mich, was ich hier gerade mache. Um 11.30 Uhr habe ich meine letzte mündliche Anatomieprüfung und um 14.00 Uhr meine Geschichtsprüfung. Ich glaube, ich bin wirklich mehr Autorin als irgendetwas anderes *lach* Nun ja, vielleicht brauche ich auch nur Ablenkung. Bitte drückt mir die Daumen.

Ansonsten wünsche ich nur viel Spaß beim Lesen ^.- Ich habe das Gefühl, dass Kapitel wird vielen gefallen.
 

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„Haaach... Kats.“, Yami hatte eine Hand in seinen wilden Haaren vergraben und schüttelte den Kopf, „Jetzt hast du deine arme, kleine Schwester geschockt.“

„Die, die ganz klar zu jung und unschuldig ist, um das vollkommen Offensichtliche zu sehen?“, erwiderte diese nur voller Sarkasmus und piekste Yami mit ihrem Zeigefinger in die Seite.

„Hey!“, der Rothaarige grinste sie an, „Hätt‘ doch sein können.“

„Ganz sicher.“, sie stemmte beide Händen in die Hüften und hielt dem neckenden Blick stand.

Herr Sarowski räusperte sich nur und fixierte stumm die Tür zum Büro des Richters, bevor er die Stille brach: „Wollen wir uns dann vielleicht hinein begeben?“

„Äh...“, die Röte schoss auf Katsuyas Wangen – Mist, der Jugendbeamte... das war doch sicher gar nicht gut, dass er direkt vor seinen Augen... ähm...

„Ich habe nichts gesehen.“, murmelte dieser nur mit einem Seitenblick, „Sonst müsste ich dir jetzt Vorträge über Abhängigkeitsbeziehungen halten und den Richter informieren, dass er eine Pflegefamilie für dich suchen sollte.“

Katsuya zuckte zusammen.

Eine Pflegefamilie? Durfte er nicht mit seinem Pflegevater... ?

„Ist das verboten?“, flüsterte der Blonde leise.

„Ist es.“, grollte Seto direkt hinter ihm, „Wie ich dir... viermal? Fünfmal? Wie oft auch immer gesagt habe.“, es setzte eine angedeutete Kopfnuss auf Katsuyas Hinterhaupt, „Deshalb predige ich dir auch von morgens bis abends, dass du sowas in der Öffentlichkeit lassen sollst.“

„Du predigst auch, dass ich es komplett lassen soll und gehst trotzdem immer drauf ein.“, erwiderte der Jüngere nur grinsend und versuchte nach Setos Arm zu greifen, der jedoch gekonnt auswich und von sich aus Katsuya festsetzte, indem er seine griff.

„Bist du wohl brav, du kleines Monster.“, der liebevolle Ton betrug die Worte, sodass Seto nur eine ausgestreckte Zunge entgegen gehalten bekam.

„Hey, ihr beiden.“, Yami kniff Katsuya in die Seiten, der quietschend zusammen fuhr, „Genug rumgealbert, wir haben noch eine Anhörung ausstehen. Also Pfoten in die Hände und Abmarsch.“

„Pfoten in die Hände...“, wiederholte Seto nur verächtlich und ließ die Handgelenke seines Freunds los, „Wie kann man gleichzeitig Pfoten und Hände haben?“

„Du weißt, wie ich das meine.“, murrte der Rothaarige nur, bot Shizuka einen Arm an und ging mit Herrn Sarowski und ihr vor.

„Und du...“, Seto beugte sich wieder zu ihm hinab, „Lass den Richter ja nicht sehen, was zwischen uns ist, klar? Und dank allen Göttern, die dir bekannt sind, dass Herr Sarowski die Situation nicht für besorgniserregend hält.“

„‘Tschuldige...“, murmelte Katsuya nur.
 

Was auch immer der Richter und Seto noch leise miteinander besprachen, das Gespräch verebbte mit dem Moment, wo Frau Kamiya und Herr Jonouchi das nun doch etwas überfüllt wirkende Büro betraten. Sie nahmen die Plätze ein, die Herr Sarowski, Seto und Yami für sie freigelassen hatten, da nicht genügend Stühle für alle vorhanden waren. Die drei lehnten sich stattdessen an die Wand hinter Katsuya und seine Schwester.

„Was hat das hier zu bedeuten?“, verlangte die ältere Dame zu wissen, bevor der Richter seine Einführung überhaupt beginnen konnte.

„Ihr Sohn...“, der Mann versuchte seine Stimme ruhig zu halten, während er auf Katsuya wies, „...hat entschieden die Klage fallen zu lassen, wenn sie dafür beide auf ihr Sorgerecht verzichten und die Vormundschaft für ihn an Herrn Kaiba übergeben.“

Vormundschaft? Ging es nicht vorher noch um Pflege? Hatte sich da zwischendurch was geändert oder war das dasselbe? Er musste Seto später fragen. Und wo war eigentlich der Anwalt, der bei seinem Vater gesessen hatte? Müsste der nicht auch hier sein? Den Gedanken vorbeiziehen lassend versuchte der Blonde sich auf seine Atmung zu konzentrieren.

„Das würde bedeuten, dass ihr Sohn bei Herrn Kaiba wohnt und sowohl die Erziehung als auch die Finanzverwaltung, die gesetzliche Vertretung und die Haftungspflicht an ihn übergehen.“, führte der Richter weiter aus und sah dabei vor allem zu Frau Kamiya.

„Die Haftungspflicht kann er äußerst gern haben.“, brummte Herr Jonouchi nur und wandte den Blick Richtung Decke, „Das bereut man schnell genug.“

Ähm... Haftungspflicht? Was bedeutete das genau? Er versuchte seine zitternden Hände zu verbergen, indem er sie auf die Armlehnen seines Stuhls legte.

„Und wenn wir oder eher ich ablehne?“, fragte die Mutter fast zischend, die Lider zu Schlitzen verengt, aber mehr arrogant als wütend.

„Wird die Einwilligung gerichtlich erteilt.“, der Ton, den der Richter benutzte, klang schärfer – wenn sie es nicht freiwillig tat, wurde es also über ihren Kopf hinweg entschieden, „Und sie können binnen einen Jahres dagegen klagen.“

„Das ist Erpressung!“, sie fuhr auf, die Lautstärke ihrer Stimme drastisch erhöht.

„Das ist das Gesetz.“, erwiderte der ältere Herr nur ruhig, „Da ihr Sohn abgelehnt hat bei ihnen zu wohnen und seine Meinung eingerechnet wird, da er älter als vierzehn Jahre ist.“

Sie rümpfte die Nase, verschränkte die Arme vor ihrer Brust und ließ sich schon fast genüsslich wieder in ihren Stuhl sinken, die Augen dabei mit einer abwertenden, gespielt mitleidigen Blick auf dem Richter.

„Sie lassen sich wirklich von diesem Monster einlullen, nicht wahr? Sie wissen nicht, wie es ist, mit ihm zu leben.“, schmetterte sie ihm voller Verachtung entgegen.

„Ich sehe, dass es jemanden gibt, der seit über einem Monat mit ihrem Sohn zusammen lebt und noch immer bereit ist ihren Sohn aufzunehmen. Und ich sehe, dass ihr Sohn in dieser Zeit weder Drogen genommen hat noch jemanden überfiel noch irgendwelche Nächte an unbekannten Aufenthaltsorten verbrachte.“, die Züge des Richters waren hart, „Das sind für mich die Fakten, nach denen ich urteile. Würde ich nach persönlichen Motiven richten, wäre der Ausgang dieser Verhandlung bei weitem nicht so mild.“
 

Die Blicke der beiden Erwachsenen bohrten sich praktisch ineinander.

Frau Kamiya, die Pupillen verengt, die Lider verzerrt, die Lippen gespitzt, die Wangen eingezogen, ihre Nägel tief in ihre Arme verkrallt. Und im Gegensatz dazu der Richter, massiv und mächtig wirkend in seinem Stuhl, die Fingerspitzen aneinander gelegt, die Falten in seinem Gesicht nur einen kaum merkbaren Grad tiefer. Gegen ihn wirkte sie schon fast klein und hilflos, aber es schien, als umgäbe sie eine Aura, die davor warnte sie zu unterschätzen – als hätte sie ihre Krallen noch gar nicht erst ausgefahren und spielte noch das unschuldige Kätzchen.

„Haben sie Kinder?“, flüsterte sie leise, „Wissen sie, was es heißt, zwei Jahrzehnte für einen anderen Menschen aufzugeben? Sie entscheiden von einer Stunde auf die nächste eine funktionierende Familie auseinander zu reißen, weil ein Deliquenter plötzlich einem Dasein entkommen will, dass er aufgrund seiner Taten verdient?“

„Zum ersten: Ich sehe keine funktionierende Familie. Ihr Mann und sie sind geschieden und haben keinerlei gegenseitigen Kontakt zu ihren Kindern gepflegt. Das führte zu zwei unglücklichen Kindern, die aus ihrer Umgebung entkommen wollen – ganz abgesehen von der Behandlung, die ihr Kind vom jeweiligen Elternteil erhalten hat. Zum zweitem: Absolut niemand hat es verdient in Gewalt, ohne eine angemessene materielle Versorgung und in Abwesenheit jeglicher liebevoller elterlicher Zuwendung aufzuwachsen.“, der Richter atmete tief durch und öffnete den Mund erneut, doch kam gar nicht erst dazu fortzufahren.

„Niemand hat das verdient? Haben sie mal auf die Straße gesehen? Kriegen sie noch irgendetwas anderes mit als die Paragraphen, die sie den Menschen um die Ohren pfeffern? Da draußen wimmelt es von Kindern, die jeglichen Respekt vor Erwachsenen verloren haben und die keine bessere Zeitüberbrückung kennen als Gewalt anzuwenden oder sich selbst zu betäuben. Würden die Eltern das Recht haben nur ein bisschen mehr durchzugreifen, müssten wir uns nicht mit diesem menschlichen Müll rumschlagen!“

„Mich überrascht nicht einmal, wie unglaublich gut ich ihre Meinung verstehen kann.“, warf eine tiefe, mit leichtem Amüsement versetzte Stimme hinter Katsuya ein, was praktisch alle im Raum dazu brachte entsetzt zu dieser Person aufzusehen, „Oho, erschrockene Blicke?“, Seto schnaubte, „Jetzt mal ehrlich, denken wir nicht alle so? Halten wir nicht alle irgendwelche Bevölkerungsgruppen für lebensunwert? Gibt es keine Merkmale an einem Menschen, die nicht irgendwer von uns für verdammenswert hält?“

Katsuyas Lider weiteten sich, zogen sich praktisch über seinen Augäpfeln in die Augenhöhle hinein, während sein Mund nach Luft zu schnappen schien ohne dabei auch nur einen Hauch durch die zugeschnürte Kehle zu kriegen.

„Wir wären keine Menschen, würden wir nicht versuchen uns von anderen abzugrenzen, um unser Selbstwertgefühl zu erhalten. Und je mehr wir selbst uns nicht mögen, desto mehr kompensieren wir es, indem wir andere ablehnen.“, er lächelte – falsch – Frau Kamiya an, „Ich für meinen Teil lehne Eltern ab, die ihre Kinder als wertloses Stück Scheiße betrachten, so wie sie es tun.“, sein Blick wandte sich zu Herrn Jonouchi, „Ich lehne Eltern ab, die ihre Pflichten vernachlässigen und versuchen für sich selbst irgendwelche plausiblen Gründe zu erfinden, damit sie sich nicht zu schlecht fühlen und ihr Missverhalten als Erziehung deklarieren zu können.“, seine Hand legte sich auf Katsuyas Schulter, „Und dabei sympathisiere ich mit den Kindern, die hier die Opfer sind.“, er schnaubte und schloss einen kurzen Moment die Augen, „Was im Endeffekt keinen Sinn macht... weil es dieselben Menschen sind.“
 

Stille.

Kein Laut.

Keine Bewegung.

Nicht einmal ein Atemzug.

„Es gibt bei dieser Verdammung nur eine Sache zu bedenken.“, fuhr Seto ruhiger und auch ein wenig leiser fort, obwohl es in ihrem Schweigen lauter klang als alles, was bis jetzt gesagt wurde, „Die eigene Meinung ist nicht die Meinung der gesamten Menschheit. Wir sehen es daran, dass sie mit denen sympathisieren, die in meinen Augen der letzte Dreck sind, und die verachten, die mir wichtig sind.“, er legte auch seine zweite Hand auf Katsuyas Schulter, welcher sich wieder gerade in seinen Stuhl setzte und mit geschlossenen Augen Seto zuhörte, der hinter ihm stand, „Es gibt dabei kein Falsch oder Richtig. Auch nicht, wenn ein Großteil der Menschheit ihre Meinung beziehungsweise meine Meinung hat. Auch eine Masse kann sich irren. Eine Masse von Menschen war in der Antike überzeugt, dass Nordeuropäer unkultivierte Barbaren sind und versklavte sie deshalb. Eine Masse an Menschen hielt Afrikaner für minderwertig und versklavte und tötete sie. Eine Masse verdammte Juden und vertrieb sie daher aus ihren Häusern, versklavte und tötete sie. In der Geschichte gibt es keine Weiterentwicklung des Menschen – er ist und bleibt durchgehend ein diskriminierender Bastard, daran ist nichts zu ändern.“

Seto... Katsuya schluckte und legte seine Hände vorsichtig auf jene, die warm seine Schultern bedeckten und ihn – wahrscheinlich zu seinem eigenen Besten – unten hielten. Hoffentlich wusste Seto, was er da tat.

„Das, was sich weiterentwickelt, ist das Gesetz. Das Gesetz versucht immer striktere Regeln festzulegen, damit diese Diskriminierung nicht in Vertreibung, Versklavung oder Mord im Namen einer höheren Macht oder der Utopie einer besseren Welt geschieht. Sie...“, Setos Saphire bohrten sich in seine Mutter, da war sich Katsuya sicher, „...glauben, dass es der Gesellschaft besser gehen würde, wenn die Jugendlichen wieder voller Ehrfurcht, Respekt und vor allen Dingen Angst...“, er zischte das Wort fast, „...zu ihren Eltern aufsehen. Denn im Endeffekt wäre dieses Aufsehen nichts anderes als Angst vor Strafe, sollte man es nicht tun, wenn das Mittel ihrer Wahl Gewalt ist.“

Die Daumen Setos drückten fest auf seine Haut und malten Kreise auf seinen Muskeln, als würde er Katsuya massieren wollen. Und es tat gut, das stand außer Frage. Aber dem Blonden war klar, dass diese Geste, die wie wortlose Unterstützung aussah, in Wirklichkeit Setos Versuch war nicht schreiend zusammen zu brechen oder Frau Kamiya zu erwürgen. Sein Drache war fast durch mit seiner Selbstbeherrschung.

„Das ist ihre Meinung und ich respektiere ihre Meinung. Möglicherweise wäre das ja sogar die Lösung. Aber es ist keine Lösung, die ich mittragen könnte, denn weder will ich Kinder schlagen – selbst wenn das Gesetz mich zwingen würde – noch will ich geschlagene Kinder sehen, weil mich der Anblick von ganzem Herzen schmerzt.“

Bei allen Göttern, Seto war so... so... erwachsen. Er fand genau die richtigen Worte. Am liebsten wäre Katsuya einfach aufgesprungen und hätte ihn geküsst – er beschränkte sich allerdings darauf lächelnd mit seiner Wange einmal über Setos rechte Hand zu fahren.

„Ich habe meine eigenen Ideen, wie man mit Jugendlichen umgehen kann und bis jetzt bin ich dadurch mit Katsuya sehr gut ausgekommen. Und da es sie beide überfordert hat, wie sie ja selbst sagten, denke ich, dass die Sorgerechtsübertragung eine für alle tragbare Lösung ist. Meinen sie nicht auch?“

Vater

Ich habe morgen ein Testat, übermorgen und am Freitag - deswegen gibt es bis dahin keine Antworten auf Kommentare. Ich habe sie aber alle gelesen, mich sehr gefreut und möchte mich hier schon mal bedanken!

Viel Spaß mit dem neuen Kapitel ^.^
 

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„Wo soll ich unterschreiben?“

Die Stimme war tief, brummend, schwer von einer Mischung aus Erschöpfung, Resignation und... Trauer? Katsuya schluckte, während seine Augen sich mit Tränen füllten, die Bernsteine auf seinen Vater gerichtet, der gesprochen hatte. Dessen ganze Gestalt war in sich zusammen gesunken, die Lider geschlossen, den Kopf abgewandt. Er wirkte einfach... alt. Alt und müde.

Die Ausdruckslosigkeit schlaffer Muskeln auf Katsuyas Gesicht wandelte sich langsam, mit jeder Sekunde weiteren Schweigens, in ein Lächeln, bis seine Mundwinkel sich schließlich soweit auseinander gezogen hatten, dass es schon fast schmerzte. Unter beiden Augen zog eine Tränenspur nach unten und seine Worte klangen heiser, als wäre er kaum noch in der Lage zu sprechen: „Danke... Papa.“

Der Mann ihm gegenüber schnaubte nur leise, während seine Mundwinkel ein Kleinstel nach oben zuckten – auch wenn sich Katsuya das möglicherweise nur einbildete. Sein Blick blieb auf ihn gerichtet, während sich der Richter von Julie einen kleinen Stapel Papier übergeben ließ und Herrn Jonouchi diesen zusammen mit einem Kugelschreiber reichte.

Der Blonde richtete seinen Blick noch einen Moment länger auf ihn, während er begann die Massen an Papier zu lesen, die ihm gereicht worden waren, bis er sich zu Frau Kamiya wandte und fragte: „Wirst du auch unterschreiben... Mutter?“

Ihre dunkelbraunen, fast schwarzen Augen fixierten ihn, bohrten sich in ihn und verlangten stumm, dass er besser nicht zu weit ging. Ihre Augen drohten, während sie etwas lockerer als zuvor in ihrem Stuhl saß, die Beine überschlagen, den Kopf auf ihren rechten Arm gestützt, die Linke quer über ihren Oberschenkeln liegend.

„Nein.“, erwiderte sie schlicht, während die Muskeln um ihre Augen sich lockerten, „Selbst wenn ich wollte, ich könnte nicht. Deine Schwester scheint ja entschieden zu haben es nicht mehr bei mir auszuhalten. Sie und ein Neugeborenes bedürfen eines Mindestunterhaltes, selbst mit Unterstützung des Jugendamtes – ich habe nicht genug Geld, um dich auch noch zu bezahlen.“

„An Geld soll es nicht scheitern.“, erwiderte Seto sofort, bevor der Eisdolch durch Katsuyas Brust sein Herz auch nur erreichen konnte, „Nicht wahr, Herr Richter?“

„Natürlich nicht.“, der lächelte freundlich, „Die Klausel wird gestrichen und nach Darlegung ihrer Vermögens- und Einkommenserklärungen des letzten Jahres wird die Pflichtsumme neu berechnet.“

„Ich nehme an, das gilt für mich ebenso?“, Herr Jonouchi sah nicht von den Papieren auf, die er noch immer durcharbeitete.

„Sicherlich.“, bestätigte der Richter sofort.

Es war anscheinend die einzige Frage, die sein Vater hatte, denn ohne weitere Verzögerung unterschrieb er an vier Stellen in den Dokumenten, während seiner Mutter ebenfalls die Papiere gereicht wurden.
 

Die Tür des Richters fiel hinter ihnen ins Schloss, was Katsuya tief durchatmen ließ.

Frei.

Er war frei.

Er durfte bei Seto leben. Er musste nie wieder zu seinem Vater, wenn er es nicht wollte. Er musste auch nicht zu seiner Mutter oder in eine Pflegefamilie. Er durfte... ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, während er noch einmal tief atmete. Er durfte das Leben führen, was er schon immer gewollt hatte.

Nie wieder Gosse. Nie wieder pilzbefallene Wände. Nie wieder Müll auf den Straßen. Stattdessen durchgehend warmes Wasser, wenn er duschen wollte. Ein voller Kühlschrank, wenn er Hunger hatte. Kiloweise Papier, um darauf zu zeichnen. Nie wieder Angst nach Hause zu kommen...

Er ließ im Sonnenlicht, das durch die großen deckenhohen Fenster in die Gänge des Gerichts fiel, seine Haut und seine Seele baden.

Er hatte es geschafft. Er hatte sich aus dem Dreck hervorgekämpft. Er hatte sich selbst aus dem Sumpf gezogen, der ihn so lange immer weiter verschlungen hatte. Er hatte gesiegt. Er hatte den Kampf um sein Leben gewonnen.

Er durfte leben.

„Danke...“, flüsterte Katsuya voller Emotionen, die schon wieder seine Augen mit Tränen zu überschwemmen drohten.

„Hm?“, murmelte Seto, der neben ihm stand, leise und wandte ihm das Gesicht zu.

„Danke.“, er sah zu dem Größeren hinauf, „Für alles. Ohne dich hätte ich das nicht geschafft.“

„Oh...“, dessen Kopf wich kaum merklich zurück, während er überrascht blinzelte, „Hm. Kein Problem.“, ein schiefes Lächeln schlich sich auf seine Lippen, „Immer wieder gern.“, die blauen Augen wandten sich zum Fenster, „Auch wenn es mir mit solchen Verhandlungen vorerst reicht.“

„Pf.“, Katsuya sah ebenfalls in die Richtung, „Kann ich verstehen. Mir reicht’s auch.“

„Wollen wir nach Hause?“, die Stimme klang so warm, so liebevoll, so voller süßer Versprechen...

„Nach Hause...“, wiederholte er leise, „Ist das wahr? Ist das jetzt echt mein Zuhause?“

„Eingetragen und anerkannt.“, bestätigte Seto lächelnd.

„Und... du bist?“, der Blonde legte den Kopf schief, während er zu ihm aufsah.

„Dein Vormund.“, eine Hand strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht, „Die Sache mit der Pflegschaft haben der Richter und ich in einer Eilaktion abgeblasen, weil wir es für wichtig hielten, dass du wirklich in keinster...“, Seto betonte das Wort, „...Weise von deinen Eltern abhängig bist.“

„Heißt... du hast alle Rechte, die meine Eltern früher hatten?“, fragte Katsuya genauer nach.

„Alle Eltern gesetzlich zugestandenen Rechte, ja.“

Ein Grinsen schlich sich auf die Züge des Jüngeren.

„Heißt, du darfst mich von der Polizei jagen lassen, wenn ich ausbüchse?“
 

Setos Mimik hatte zum ersten Mal, das Katsuya in Erinnerung hatte, einen sofort erkennbaren Ausdruck: Will ich mir das wirklich antun?

Es verbreiterte sein Grinsen erheblich – aber auch nur, weil er sich ziemlich sicher war, dass Seto das nicht ernst meinte. Er konnte es gar nicht ernst meinen. Er hatte – im Gegensatz zu seinen Eltern – die Wahl ihn aufzunehmen selbst getroffen. Er hatte selbst entschieden, dass er Katsuya bei sich haben wollte. Er hatte bei vollem Verstand beschlossen, dass er ab jetzt für ihn sorgen wollte.

Mit einem schon fast kindlich hohen Lachen warf er sich an die Brust des Älteren, schlang besitzergreifend seine Arme um ihn und bevor Seto auch nur reagieren konnte, hatte er ihn auch schon wieder los gelassen, flitzte auf Yami zu und warf sich dem um den Hals.

„Yo, Kats, Vorsicht mit den alten Männern...“, brachte der Rothaarige nur unter Lachen hervor, doch sein bester Freund hatte auch ihn schon wieder stehen gelassen und kuschelte sich von der Seite an Shizuka.

Die lachte nur hell, während Katsuya weiter raste, wie ein Kind die Arme ausbreitete, als wolle er Flieger spielen und eine Runde um seinen Vater drehte, der mitten im Gang stand – mit gebührendem Abstand. Weiter ging es den Flur wieder hinab, in dem sich Seto allerdings in den Weg stellte und ihm seinen linken Arm um den Bauch schlang, um ihn zu stoppen.

Na gut, er war wahrscheinlich ein bisschen zu schwer, damit Seto ihm beim Herumschwingen in die Luft warf, aber er kam trotzdem um hundertachtzig Grad gewendet zum Stehen – wenn auch Seto es gewesen war, der durch den Schwung herum gerissen wurde. Aber sie standen beide, hatte doch fabelhaft funktioniert. Mit einem Grinsen begegnete er dem spaßhaft verärgerten dunkelblauen Blick.

„Und zweiter Arm ausgerenkt...“, grummelte der Brünette, während er sich wieder aufrichtete.

„Du hast es geschafft einem Zweimeterkerl einen Arm auszurenken?“, fragte Herr Jonouchi mit leicht gerunzelter Stirn nach.

„Ähm...“, selbst jetzt bekam Katsuya das Grinsen nicht vom Gesicht, „Unfall?“, er warf trotzdem einen kurzen Blick zu Setos Schulter – weh tun wollte er ihm ja nicht.

„Zu viel Energie.“, urteilte sein neuer Vormund nur und ließ betreffenden Arm kurz kreisen. Schien, als wäre der in Ordnung.

„Als Vierjähriger hatte er wenigstens noch die richtige Körpergröße für sein Verhalten.“

Seto musterte seinen Kleinen mit einem Blick, bevor er sich mit Amüsement auf den Zügen Herrn Jonouchi zuwandte und fragte: „Meinen sie, den kann man schrumpfen?“

„Sie können ihn ja mal in den Trockner stecken. Vielleicht hilft’s.“, der Mann von Anfang Vierzig zuckte mit den Schultern wie ein Teenager.

„Ihr seid blöd.“, murrte Katsuya nur kindisch, den Körper dabei allerdings halb hinter Seto versteckt.

„Sarkasmus ist das Talent der chronisch Unzufriedenen.“, Seto warf ihm von oben herab ein schon fast sadistisches Grinsen zu, während er mit seinen Händen eine Visitenkarte aus seinem Portemonnaie zog und sich wieder Herrn Jonouchi zuwandte, „Hier, für sie.“
 

„Was ist das?“, fragte Katsuya einfach mal nach und versuchte einen Blick auf die Karte zu erhaschen, die sein Vater – konnte man eigentlich Ex-Vater sagen? – aber schon entgegen genommen hatte und nach einem kurzen Blick und einem Nicken in seine hintere Hosentasche verschwinden ließ.

„Nichts für neugierige Schnüffelnasen.“, gegen genau jene tippte Seto mit seinem Zeigefinger, was den Kleineren auf Abstand brachte, „Was hältst du davon dich verabschieden zu gehen, damit wir fahren können?“

„Okay.“, er drehte sich zur nächststehenden Person, was sein Lächeln verebben ließ, „Hm... Vater...“

Jener schluckte, atmete hörbar aus und streckte Katsuya nach einem Moment des Zögerns seine rechte Hand entgegen.

Hände schütteln? Hm... ja, das war wahrscheinlich... das Angemessenste. Für diese Situation war praktisch gar nichts passend. Es gab keine Verhaltensregeln. An was sich orientieren? An was denken? Wenn er ehrlich war, wollte Katsuya nicht einmal in die Nähe dieser Hand kommen. Andererseits hatte er neunzehn Jahre mit diesem Mann zusammen gelebt. Da konnte man nicht einfach Auf-nimmer-Wiedersehen sagen und sich wegdrehen. Das Ganze war schon echt... verzwickt.

Er schluckte wie sein Vater kurz zuvor, trat vor, hob den Blick zu dessen grüngrauen Augen, ließ ihn zurück zu dessen Hand schnellen, wieder zu den Augen, bevor er die eigene Hand vorsichtig um die des anderen legte.

„Pass auf dich auf, ja?“, seine Stimme war leise und ein wenig zittrig, doch sein Gesicht zeigte keinen Ausdruck, durch den man den Ton hätte deuten können.

„Ja... du auch...“, Katsuyas wieder auf den Händen liegender Blick wechselte ein weiteres Mal den Fokus zu den Augen des Größeren, „Nimm bisweilen mal was außer Alkohol zu dir, damit du nicht verhungerst.“

„Tja... ich versuch‘ dran zu denken.“, ihre Hände lösten sich voneinander, als hätten sie die Kraft verloren einander noch weiter zu halten, „Versau‘ diese Chance nicht durch irgend’ne Dummheit.“

„Ich versuch’s.“, wiederholte Katsuya seine Worte und versuchte auch das schiefe Lächeln nachzumachen.

„Ich denke... das war’s dann...“, Herr Jonouchis Hände ballten sich zu Fäusten, lockerten sich wieder, schwangen nach vorn und hinten, bevor er sich stoppte, indem er die Arme vor der Brust verschränkte.

„Ja... scheint so...“, der Jüngere steckte seine in die Hosentaschen seiner Jeans, „Tja... du kannst dich ja mal melden...“, er wandte den Blick ab, „Wenn du vom Alkohol weg kommst.“

„Hm.“, sein Vater nickte dem Richter und Herrn Sarowski zu, die zusammen standen, drehte sich ganz weg und machte sich auf den Weg zu den Treppen.

Tja... das war es also... Katsuya sah dem Mann hinterher. Blonde Haare, eine dunkle Lederjacke, diese verdammten Handschuhe, eine ausgewaschene Jeans und alte Lederschuhe. Er hätte ja gedacht, er würde Erleichterung spüren, wenn er ihn zum letzten Mal sah. Oder vielleicht einfach gar nichts, weil die Gefühle zu überwältigend wären. Vielleicht sogar Wut, weil er das Gebäude nicht in Handschellen verließ. Vielleicht eine Mischung aus Verzweiflung und Trauer, weil er wusste, dass der Typ sich eh nur mit einer Flasche irgendeines Gesöffs vor den Fernseher schmeißen würde, als wäre nichts gewesen.

Aber es war nichts von alledem. Das, was in Katsuya war, war das drängende, beklemmende Gefühl, dass das hier falsch war. Dass das nicht das war, was er wollte. Dass er... in irgendeiner Form gescheitert war. Und nicht darin seinen Vater ins Gefängnis zu bringen.

Sondern darin sein Leben in Ordnung zu bringen.

Darin seinen Vater zu heilen.

Ja... das war es, was er immer gewollt hatte... alles in Ordnung zu bringen. Das war es, was er in Wirklichkeit immer gewollt hatte. Seinen Vater zu heilen, damit es jemanden gab, der sich um ihn kümmern konnte. Jemanden dazu zu bringen für ihn da zu sein...

Er wandte den Blick von der Treppe ab, wo sein Vater verschwunden war und richtete ihn auf Seto.

Warum hatte er sich nicht jemanden suchen können, den er nicht erst heilen musste?

Das andere Monster

Yeah! Ich habe es endlich geschafft durch eine meiner Prüfungen zu fallen! Endlich kickt mich mal jemand in den Arsch dafür, dass ich so faul bin. Und nur ein zweiter Blick auf diesen Test und ich konnte es... Nun, wenigstens bewegt es mich dazu die Sachen jetzt vor- statt nachzuarbeiten (ich könnte auch die Ergebnisse auswendig lernen, aber das passt meinem Stolz nicht).

Was mir persönlich allerdings wichtiger ist und was meinen Stolz weit mehr berührt, ist Folgendes: Ich habe endlich die lang ersehnte/geforderte Pastszene aus Setos Sicht geschrieben. Ich gebe zu, sie ging mir an die Nieren. Zwar habe ich selbst das nicht mitgemacht, aber mehrere Menschen meines Bekannten- und Verwandtenkreises haben sich wie Seto aufgeführt (wenn auch nicht so schlimm meistens). Und das zu einer Zeit, als ich die Worte Borderline, DESNOS und peritraumatische Dissoziation noch nie in meinem Leben vernommen hatte. Bitte lest es mit gestärkten Nerven:

http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/94684/161177/

Und viel Spaß mit diesem Kapitel ^.- Es kommt ganz passend zur Pastszene...
 

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Vorbei.

Katsuya atmete noch einmal tief durch, ließ die Augen geschlossen und die Lippen zu einem Lächeln gespannt, während er sich einfach bequem im Beifahrersessel zurücklehnte.

Seiner Mutter hatte er auch die Hand gegeben, Herrn Sarowski ebenso, dem Richter, dem anderen Kerl, der bei der Verhandlung da gewesen und anscheinend für den Papierkram zuständig war und letztendlich auch Julie, die auch nicht wirklich zu wissen schien, wie sie mit der Situation umgehen sollte – ihre Hand war kalt und sie zitterte. Seine Schwester hatte noch eine lange Umarmung gekriegt, sie hatten Handynummern ausgetauscht und er hatte versprochen Tag und Nacht auf den Anruf zu warten, dass es so weit war, um bei der Geburt dabei zu sein.

Die Geburt... echt, er würde Onkel werden. Was machte man als Onkel so? Katsuya runzelte ein wenig die Stirn. Sein Vater hatte einen Bruder, oder? Er konnte sich nicht erinnern den schonmal getroffen zu haben. Hatte seine Mutter Geschwister? Er wusste es nicht einmal... im Endeffekt war es wohl auch egal. Hallo, hier der Sohn ihres Verwandten XY, nein, wir wohnen nicht zusammen – sehr überzeugend. Seto war jetzt seine Familie.

Seto und sein Stiefbruder Noah. Und Shizuka, die würde natürlich immer seine Schwester bleiben.

„Hast du außer Noah irgendwelche Verwandten?“, wandte er sich an den Fahrer des Wagens.

„Nicht, dass ich wüsste.“, antwortete Seto ohne sich auch nur einmal zu ihm zu wenden, „Noahs verstorbene Mutter hatte noch Geschwister, aber mit denen habe ich nichts zu tun.“, er schaltete am Lenkrad die Lautstärke der Musik runter, „Noah allerdings auch nicht, so weit ich weiß.“

„Wir haben beide recht überschauliche Familien...“, bemerkte der Blonde leise.

„Ich verstehe unter Familie die Notwendigkeit materieller Spenden und gezwungener Freundlichkeit zu Feiertagen. Dementsprechend wenig stört es mich.“

„Vermisst du deine Eltern nicht?“, dünnes Eis, Katsuya, ganz dünn... Seto war vom Tag schon angestrengt genug. Das hier war nicht der richtige Moment.

„Um was es schade ist, ist die verlorene Kindheit. Aber ich würde mir meine Eltern nicht wieder ins Leben wünschen.“, der Andere blieb ruhig, „Mein Vater war eh nie da und an Mutter erinnere ich mich kaum. Da ist niemand, den ich vermissen würde. Ich wüsste auch nicht warum.“, erst der nächste Satz wurde mit tieferer Stimme gesagt, „Mokuba ist da natürlich eine Ausnahme.“

„Natürlich.“, bestätigte Katsuya sofort, „Ich meine nur... hast du nie jemanden vermisst, an den du dich wenden kannst, wenn du nicht weiter wusstest?“

„Möglich. Aber die Rolle hätten meine Eltern eh nicht ausfüllen können.“

„Warum?“, sie hatten zumindest die Lebenserfahrungen gehabt, oder?

„Weil sie mit ihren Gedanken woanders waren als bei mir.“, meinte Seto nur, „Diese eben beschriebene Rolle nehmen Noah und Yami ein. Je nachdem, mit was ich nicht weiter weiß, wende ich mich an sie. Und sie würde ich auch vermissen, gäbe es sie nicht.“

„Yami scheint nicht ganz so ersetzbar zu sein, wie du mir mal einreden wolltest.“, neckte Katsuya ihn, um den Stich zu überspielen, dass er nicht Teil dieser Menschengruppe war.

„Eine Menge Dinge scheint mir nicht so ersetzbar zu sein, wie ich es bisweilen gern hätte.“, Setos Hand strich Katsuyas Unterarm hinab und schnappte sich die Hand des Jüngeren
 

Okay.

Langsam wurde es besorgniserregend.

Entweder war Seto seit dem Morgen extrem stabil, sich seiner Gefühle bewusst und sich nicht zu schade diese auszudrücken oder er spielte Katsuya schon den ganzen Tag etwas vor. So sehr es ihn auch freute, aber so viel Gesülze kam einfach nicht aus dem Mund eines Seto Kaibas.

„Seto, zieh die Maske ab.“, befahl der Jüngere schon fast kalt – er zuckte ob seiner eigenen Stimme zusammen.

„Nein.“, erwiderte der Fahrer nur ruhig und ließ die Hand los, als wäre sie glühendes Eisen, „Wahrscheinlich würde ich uns vor die nächste Laterne setzen.“

„Was ist los mit dir?“, warum klang er so kalt? Warum klang er so wütend? So... enttäuscht? Er wollte Seto nicht so anfahren! Was war denn bloß los mit ihm?

„Ich bin am Ende. Ähnlich wie du, denke ich. Aber lass uns das bitte besprechen, wenn wir zuhause sind. Ich will uns nicht gefährden.“

Katsuya presste die Lippen zu einem Strich zusammen. In ihm kochte es und er wusste nicht warum. Er wollte Seto zusammenschreien. Aber warum? Warum war er so sauer? Er schluckte.

„Nur eine Frage...“, er ließ eine Pause, damit Seto ihn unterbrechen konnte, wenn er wollte, „Das... das hat... das ist nur Stress, oder? Das ist nichts zwischen uns?“

„Es ist nur Stress.“, bestätigte der Fahrer.

Zumindest wollten sie das wohl beide glauben. Unabhängig davon, ob es irgendetwas gab... aber was sollte es schon geben? Der Sex war gut, sie verletzen sich nicht gegenseitig, er hatte genug zu essen, zu trinken, wurde gefördert und gefordert... Katsuyas Körper sackte zur Seite, sodass seine Stirn auf der kalten Fensterscheibe zu liegen kam.

Was fehlte, war die Entspannung. Einfach mal zusammen zu sitzen – nicht wegen Besprechungen, wegen Essen oder irgendeinem neuen Anfall. Sie hatten noch nie einfach mal einen Film zusammen gesehen. Hatten noch nie ein Date – wenn man Spaziergänge mitten in der Nacht wegen zu viel Kaffeekonsum abzog. Obwohl genau das es gewesen war. Sie hatten um ein Uhr morgens auf einer Parkbank gelegen und die Sterne angesehen.

Eigentlich... waren sie zusammen einkaufen, waren im Restaurant gewesen, hatten stundenlang vor der Couch im Wohnzimmer gelegen. Da war Entspannung. Aber der ganze Stress überlagerte diese Erinnerungen. Wenn das alles jetzt vorbei war, würde er die Ruhe wahrnehmen könnten? Die Sinnlichkeit, die Romantik dieser Beziehung?

Bei allen Göttern, jetzt wurde Katsuya definitiv schmalzig. So pathetisch wollte er sich nicht anhören. Aber wie sagten die Kitschfilme? Liebe verarbeitete das Hirn zu Matsch. Wie viele von Setos Sprüchen hatte er heute wohl ehrlich gemeint?

„Hey, Seto...“, mit einem leichten Lächeln richtete er sich auf und sah zu seinem Freund – und Vormund, nicht zu vergessen.

„Ich verspüre das tiefe Bedürfnis dich anzugiften, bitte gib mir keine Gelegenheit dazu.“, schnitt Seto ein.

„Ähm... okay...“, mit einem kaum hörbaren Seufzer ließ Katsuya sich in den Stuhl sinken.
 

„Wir... sind zuhause.“, stellte er fest, nachdem Seto die Tür hinter ihnen geschlossen hatte – und bewegungslos stehen geblieben war, nachdem er das getan hatte.

„Ja...“, die Hände des anderen ballten sich zu Fäusten, während seine Schultern kurz erzitterten, „Ich... werde nun versuchen meine Gefühle auszudrücken.“

Katsuya nickte bedächtig, obwohl Seto mit dem Rücken zu ihm stand.

„Eine... Seite... möchte sich an dich drücken, dich im Arm halten und küssen.“, sein ganzer Oberkörper bewegte sich mit dem tiefen Atem im Brustkorb, „Die andere... will dich schlagen... sie will – nein – ich will... Blut sehen.“, Setos Kopf legte sich zur Seite, den Blick auf dem Schuhschrank neben sich, sodass Katsuya ihn im Profil sah, „Aber ich will dir nicht weh tun. Ich will dich nicht verletzen.“, die Lider schlossen sich langsam über den blauen Augen, „Ich weiß, ich sollte mich jetzt eigentlich um dich kümmern... aber... meinst du, du könntest mich für eine halbe Stunde entbehren?“

„Sicher...“, flüsterte der Blonde, den Kopf leicht zur Seite geneigt, die Stirn in Falten, „Ich werde einfach... das Abendessen kochen?“

„Ich danke dir.“, der Ältere wandte sich um, schritt ohne ihn zu berühren an ihm vorbei und stoppte am Treppenabsatz, „Dürfte ich... um noch einen Gefallen bitten?“

Katsuya schluckte. Sein Atem stieß zittrig aus seiner Nase, während er die zu Fäusten geballten Hände näher an seine Brust zog. Er wusste, dass Seto diese... Gedanken... hatte, aber er hatte es nie so direkt ausgesprochen. Was war denn bloß los? Natürlich suchte er um Verständnis, aber... seine Schultern verkrampften sich ein wenig. Auf eine gewisse Art und Weise machte diese Ehrlichkeit Katsuya Angst.

„Welchen?“

„Ich werde mich im Arbeitszimmer etwas abreagieren. Könntest du bitte... einfach alle Geräusche überhören?“

„Seto...“, seine Stimme war ein Flehen, ein Hauchen.

„Bitte.“

„Ich...“, Katsuya atmete tief durch, „Wahrscheinlich ist es besser so. Ich vertraue darauf, dass du weißt, was du tust. Nur...“, er stützte sich selbst am Türrahmen der Küche, „Kannst du mir versichern, dass du dich nicht selbst verletzen wirst?“

Die Antwort für gute fünf Sekunden war Schweigen. Einfach nur Schweigen. Es war also, wie er gedacht hatte – auf sein körperliches Wohlergehen war es Seto hierbei nicht bedacht, um es freundlich auszudrücken.

„Nein.“, antwortete der Ältere ehrlich, „Aber ich verspreche, dass ich versuche es zu vermeiden.“

„Gut.“, Katsuyas Stimme brach noch mitten im Wort, „Ich werde in dreißig Minuten nach dir sehen. Also schließ nicht ab.“

Seto setzte seinen Weg fort.
 

Katsuya wusste nicht, ob es schlimmer war, als er bei Setos Worten vermutet hatte. Aber eines konnte man wohl behaupten: Es war sein Vater über und über.

Schwere Gegenstände, die Wände und Boden trafen, letzteres Geräusch gedämpft vom Teppich, der im Arbeitszimmer auslag. Brechendes Holz. Ein Reißen – ob Papier oder Stoff, das konnte Katsuya nicht genau sagen. Und hin und wieder traf etwas – möglicherweise Seto selbst – die Tür, was diese fast aus den Angeln springen ließ.

Er rührte stur die Sauce Mornay, die er zubereitete.

War es für seine Mutter so gewesen? War auch sie so vertieft in ihre Aufgabe gewesen, während ihr Mann neben ihr ihren Sohn gegen den Küchenschrank schubste, wahllos eine der von ihr benötigten Kochutensilien griff und damit auf ihr Kind einschlug?

War es dasselbe Geräusch gewesen?

Dasselbe Gefühl?

Dieser Hauch, diese Spur von Übelkeit, die tief im Magen lag und unter die Zunge stach? Diese Angst den Blick dem Geschehen neben sich zuzuwenden? Dieses stumpfe Wissen, die kleine Stimme im Hinterkopf, die einem sagte, dass das, was man tat, falsch war? Dass man eigentlich einschreiten sollte – aber zu viel Angst um sich selbst hat?

Andererseits... Seto hatte Geld genug sein Arbeitszimmer täglich neu einzurichten, wenn er wollte. War es nicht besser als Katsuya zu nehmen? Im Gegensatz zu Herrn Jonouchi konnte er sich beherrschen... meistens. Aber das Wissen darum besiegte nicht die Übelkeit erregende Angst vor dem „Was wäre, wenn...“.

Es war die Möglichkeit.

Das Wissen um die eigene Hilflosigkeit.

Wenn Seto nur wollte, wenn er sich nur einmal nicht beherrschen würde, wenn... wenn Katsuya ihn nur einmal wieder auf die Palme brachte... er schluckte und rührte weiter. Warum hatte er plötzlich Angst vor Schmerzen? Angst verletzt zu werden? Er seufzte. Okay, zumindest das war ihm klar.

Weil Seto nicht sein Vater war. Weil Seto ihm etwas bedeutete. Weil Seto bei ihm war und er bei Seto, weil sie das wollten, nicht weil sie mussten – obwohl das jetzt auch nicht mehr wirklich gegeben war...

Aber Seto war nicht sein Vater, das war der Punkt. Da war kein Alkohol, dem man die Schuld zuschieben konnte. Keine Frustration wegen eines nicht vorhandenen oder schlechten Jobs. Kein kürzlicher schwerer Verlust. Nichts, was andere Menschen sonst als Ausreden für ein absonderliches Verhalten heran zogen.

Seto hatte keine äußerlich sichtbaren Probleme. Er hatte praktisch kein anderes Problem als sich selbst. Und das würde immer da sein.

Immer.

Katsuya musste akzeptieren, dass das Seto war. Seto war der kleine Junge, der lieb um einen Kuss bat. Er war der Lehrer, der respekteinflößend und souverän eine Schule führte. Er war der leicht sadistisch-masochistische Jugendliche, der sich beim Sex austobte – austoben würde, würde Katsuya es zulassen. Und er war dieses von Wut und Hass erfüllte Wesen, das eine Etage höher ein ganzes Zimmer zerlegte, das sich in Rage an anderen vergriff und in der Besinnung sich selbst verstümmelte.

Seto war das alles.

Und würde es wahrscheinlich auch immer sein.

Absurdität

Dass dieses Kapitel heute noch fertig geworden ist, ist ein Wunder -.- Seit Freitag hatte ich einen full-time-job. Man könnte es Eltern-Sitting nennen. Meine Nerven liegen blank.

Aber ich war noch in der Uni, habe mein Referat noch fertig bekommen und Chemie muss ich halt irgendwann morgen früh machen, habe ja erst um 13.30 Uhr die nächste Prüfung -.- Kein Kommentar also.

Fröhliches Lesen.
 

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„Das riecht gut.“, riss Setos Stimme ihn aus seinen Gedanken und ließ ihn herum fahren.

Kein Blut. Keine sichtbaren Wunden. Die Kleidung war etwas zerknitterter, das Jackett trug Seto nicht mehr, die Krawatte auch nicht, aber sonst schien alles wie gewohnt. Katsuya war wie der Blitz an seiner Seite, griff nach seinem Gesicht, drehte es unter seinen Argusaugen, bevor er die Hände griff.

„Sie sind gerötet.“, stellte der Jüngere fest, „Was ist das für ein Schnitt?“

Ganz dünn, aber erkennbar. Auf Setos linker Zeigefingerkuppe war ein Schnitt.

„Das war nun wirklich ein Unfall.“, es klang schon fast ein wenig kleinlaut, „Ich habe mich an einem Blatt Papier geschnitten.“, sie schwiegen, während Katsuya die Hand in seine schloss und an seine Brust zog, „Habe ich... dir Angst gemacht?“

„Sorgen.“, korrigierte der Blonde, den Blick auf Setos Brust gerichtet, „Und... Angst...“

„Es tut mir Leid.“, er sprach leise, flüsterte schon fast, „Ab nächste Woche gehe ich auf jeden Fall wieder ins Fitnessstudio. Dann gleichen sich meine Energien auch wieder aus.“

„Sicher?“, Katsuya verdammte das Zittern in seiner Stimme.

„Ganz sicher.“, der Größere setzte einen zarten Kuss auf seine Stirn, „Noch Redebedarf?“

„Soll ich... nachher aufräumen?“

„Das mache ich selbst, keine Sorge.“, die braunen Augen hoben ihren Blick vorsichtig zu den blauen Saphiren, „Was hältst du davon, wenn wir morgen nachmittag Möbel einkaufen gehen? Möchtest du auch einen Schreibtisch haben? Und eine Staffelei? Zeichnest du überhaupt auch Bilder auf Staffelei?“

Ein kleines Lächeln legte sich auf Katsuyas Lippen, bis sich sich einen Moment später seine Lippen bewegten: „Sehen deine Entschuldigungen immer so kostspielig aus?“

„Wärst du eine Frau, du würdest längst Juwelen um diesen berückenden Hals tragen.“, antwortete Seto ausweichend und wandte den Blick ab, „Was hast du gekocht?“

„Mit Blumen und Pralinen kriegt man mich aber auch.“, gab der Jüngere zu und überhörte die Frage einfach geflissentlich, „Obwohl deine Art der Entschuldigung schon ein wenig kreativer ist, das imponiert auch sehr.“

„Herzlichen Glückwunsch, du hast etwas gefunden, was mir peinlich ist, können wir das Thema wechseln?“, Seto entzog ihm die Hand, die er bis jetzt gehalten hatte.

„Was ist dir peinlich? Dein Verhalten? Oder dass du langsam ein bisschen durchschaubar wirst?“, ein gemeines Grinsen spielte mit Katsuyas Lippen.

„Ich bin mir peinlich.“, erwiderte der Ältere nur, „Das Essen brennt an.“

„Das Essen ist längst vom Herd.“, kam es als Konter.

„Was willst du, kleiner Teufel?“, die rauchigen Saphire wandten sich ihm wieder zu.

„Einen Kuss?“, Katsuya legte den Kopf schief, „Der geht auch als Entschuldigung durch.“

Uuh... Rache war süß, erst recht, wenn sie auf diese Art kam. Das wischte die dunklen Gedanken von vorhin doch direkt hinfort...
 

Katsuya konnte es spüren, riechen, schon praktisch schmecken, dass er Hals über Kopf roter war als das Fleisch, bevor er es angebraten hatte.

Dabei hatte Seto nicht ein Wort gesagt. Er saß da, aß unschuldig sein Rinderfilet und die Klöße mit Sauce und dachte... nun ja, möglicherweise etwas extrem Versautes, aber das war Interpretation. Fakt war, dass Katsuya die Blicke, die immer wieder über alle sichtbaren Teile seines Körpers flickerten, als äußerst stimulierend empfand.

„Es war köstlich, ich danke dir.“, Seto lehnte sich vor, die Finger ineinander verschränkt, das Kinn darauf und sandte ein Lächeln zu dem Jüngeren, der allerdings mehr auf die halbverhangenen Augen achtete, die auf eine ihm nicht erklärliche Art so wirkten, als würde eine Raubkatze ihre Beute fixieren.

„Was soll dieser Blick?“, Katsuya verfolgte den Älteren mit seinem eigenen, während dieser die Sachen vom Tisch in die Spülmaschine brachte.

„Welcher Blick?“, das wusste er unter Garantie ganz genau... „Ich sehe dich gerade nicht einmal an.“

„Das übelwollende Lächeln auf deinen Lippen dabei ist allerdings dasselbe, selbst wenn du mich gerade nicht ansiehst.“, der Blonde ging ihm zur Hand.

„Das ist eine Unterstellung.“, Katsuya trat neben ihn.

„Es ist Fakt.“

„Es ist Interpretation.“, konterte Seto.

„Ich habe das Gefühl, das hier kommt deiner Definition von Vorspiel nahe.“

„Möglicherweise tut es das.“, er lehnte sich gegen die Arbeitsfläche, jenes unheilvolle – und vielversprechende – Lächeln auf seinen Lippen.

„Und wiederum finde ich kaum Romantik.“, Katsuya trat vor ihn, griff sein Hemd in Ermangelung einer Krawatte und zog ihn in einen Kuss. Mit diesen Lippen konnte man Besseres anstellen, als sich von ihnen necken zu lassen.

Verbal necken zumindest.

Seto hatte sich seine Unterlippe geschnappt, hielt sie zwischen seinen beiden und strich über den gefangenen Teil mit seiner Zunge, bevor er ihn wieder entließ und erneut ertastete, was er als nächstes in Beschlag nehmen konnte – worauf Katsuya mit seiner Zunge antwortete. Der Größere überließ ihm seinen Mund, bevor er sich wenige Momente später um zu entscheiden schien und die Zunge mit seiner eigenen zurück drängte, wobei sie immer wieder aneinander vorbei glitten.

„Warum sollte ich etwas ändern, wenn du auf diese Art von Vorspiel so wunderbar ansprichst?“, fragte Seto mit neckischer Stimme.

„Es wird der Tag kommen, wo ich dir nicht mehr mit ungezügelter Lust erliege...“, warnte der Blonde vor.

„Das wird der Tag sein, wo ich meine Taktiken ändern muss.“, der Andere schnappte noch einmal nach seinen Lippen und schmuste einen Moment mit ihnen, „Meines Empfindens nach ist der Tag aber noch fern...“
 

Klasse.

Katsuya hob eine Augenbraue ob der geschlossenen Tür des Arbeitszimmers. Hatte er nicht eben erst so etwas wie Angst empfunden? War er so naiv und einfach zu haben? Thema abgeschlossen, auf ins Bett?

„Ich habe nicht vor dich zu irgendetwas zu zwingen, Katsuya...“, Seto legte von der Seite die Arme um ihn – anscheinend war er wohl stehen geblieben, „Wenn du Angst vor mir hast, ist das vollkommen okay und verständlich. Ich habe es auch.“

Der blonde Kopf legte sich zur Seite und ein kleines Stück in den Nacken. Stumm betrachtete er die dunkelblauen Augen, die den Blick zu Boden richteten. Ja, er hatte Angst vor ihm gehabt. Irgendwo in sich spürte er sie auch immer noch. Aber irgendwie... irgendwie war sie auch nicht da. Irgendwie trat sie durch seine Gefühle weit in den Hintergrund.

War das dumm?

War das naiv?

War das die Abhängigkeit, die er heute erst wirklich realisiert hatte? Dieses Sich-selbst-aufgeben für einen anderen, was jenseits jeglicher Vernunft, Logik und Gesundheit lag? War das das, was man als krankhafte Liebe bezeichnete?

„Katsuya?“, Seto hatte es mittlerweile geschafft den Blick zu heben.

Angesprochener fixierte unentwegt dessen Augen. Er wusste nicht einmal genau, wann er das letzte Mal geblinzelt hatte. Seine Hand hob sich, während der Rest seines Körpers wie eingefroren schien. Ihre Handinnenfläche legte sich mit einer federnden Berührung auf Setos Wange und mit unmerklicher Kraft zog er durch sie dessen Kopf zu sich hinab und hauchte einen Kuss auf die leicht geöffneten Lippen.

„Hast du dich genug abgeregt?“

Seto blinzelte, verharrte einen Moment, bevor er langsam nickte.

„Gut.“, ein Lächeln formte sich auf Katsuyas Lippen, „Ich vertraue dir.“

Sein Gegenüber löste seine Maske der Ausdruckslosigkeit nicht, sah ihm nur tief in die Augen, als suchte er die Wahrheit in ihnen. Seto vertraute ihm nicht genug, um das einfach anzunehmen – nein, genau genommen vertraute er sich selbst nicht genug dafür – das wusste Katsuya. Und doch wollte er, dass sein Freund es wusste. Von selbst denken würde er es ja eh nie.

„Ehrlich?“, fragte der Brünette kleinlaut nach.

Yes! Er hatte die richtige Ebene erreicht. Das war direkt an den Gefühlsteil, Setos Kinder-Ich, gegangen.

„Ehrlich.“, bestätigte Katsuya und fuhr dem anderen durch die Haare, „Wollen wir das Zimmer aufräumen, dass du kaputt gemacht hast?“

„Tut mir Leid...“, Seto senkte den Blick.

„Ist besser, als wenn du einem Lebewesen schadest, nicht?“

„Ja...“, er legte die Arme hinterm den Rücken zusammen und sank ein wenig in sich zusammen.

„Besser als ein Lebewesen, schlechter als das Fitnesscenter, richtig?“

„Richtig.“, bestätigte Klein-Seto.

„Sehr gut.“, lobte Katsuya, „Und jetzt hilfst du mir beim Aufräumen.“

„Okay.“
 

Wow... das war der Schaden, den ein erwachsener Mann ohne Selbstverletzung mit bloßen Händen anrichten konnte? So viel hatte Herr Jonouchi nicht hingekriegt, selbst mit Alkohol – vielleicht aber auch gerade wegen dem Alkohol. Das Glück des Küchentisches in Katsuyas alter Wohnung hatte dieser Tisch nicht gehabt.

Die Platte war noch ganz, aber jedes Tischbeim war abgebrochen. Der Stuhl sah da nicht besser aus. Eines seiner Beine steckte im Bildschirm des ehemaligen Computers. Dessen andere Bestandteile befanden sich in der Nähe der Wände auf dem Boden, ebenso wie die Aktenordner und Bücher. Lose Seiten hingegen waren über das ganze Zimmer verstreut, oft auch zerrissen. Von den Schränken lag keiner danieder – möglicherweise waren sie an der Wand festgeschraubt.

Möglicherweise war Seto solch eine Zerstörung nicht fremd und er hatte sie extra so montiert.

„So...“, Katsuya ließ den Blick schweifen, „Erstmal räumen wir den groben Müll hier raus. Die kaputten Elektroteile und die Holzreste müssen in den Keller.“

„Keller?“, Setos Stimme war hoch, „Ich will nicht in den Keller!“

„Okay, du bringst sie ins Erdgeschoss und ich in den Keller. In Ordnung?“, Setos Kellerphobie konnten sie ein andermal bekämpfen. Jetzt mussten sie erstmal diese Situation lösen – Setos Versinken in Schuld und Selbsthass und die eigene Befangenheit.

Klein-Seto nickte lächelnd und sammelte die Tisch- und Stuhlbeine zusammen – Katsuya zuckte ob des Geräusches des aus dem Bildschirm gezogenen Beines etwas – während der Jüngere die Tischplatte wuchtete.

Irgendwie war es, als brächten sie Leichen in den Keller.

Katsuya schüttelte über seine Gedanken den Kopf und nutzte die freie Fläche im Bügelraum, um die Platte dort gegen die Wand zu lehnen, bevor er die Beine holte, denen am Treppenabgang gerade elektrische Teile folgten, die definitiv nicht mehr benutzbar aussahen.

„Was soll ich als nächstes machen?“, fragte Klein-Seto einige Gänge später.

„Stapel die Ordner und die Bücher im Flur, bitte.“, bestimmte Katsuya, während er sich mit den Druckerüberresten ins Untergeschoss begab.

„Kats!“, er fuhr hoch, raste ins Obergeschoss – das war nie im Leben Seto gewesen, oder? Die Stimme gehörte zu einem verheulten Kind. Hatte er sich etwas getan? – doch Seto kam ihm schon entgegen, die linke Hand ausgestreckt, über die Streifen einer roten Flüssigkeit liefen.

Katsuyas Atem raste, er schnappte das Körperteil, musterte es, bevor er erleichtert durch atmete. Es war nur ein Splitter. Ein ganz normaler Glassplitter, dem sich der Kleine beim Zusammensuchen zugezogen hatte.

„Du hast mir einen Schrecken eingejagt...“, er schüttelte den Kopf und zog Seto ins Bad, „Tut es weh?“

„Ganz doll!“, bestätigte die brünette Gestalt mit blauen, ansonsten geröteten Augen und Tränen auf den Wangen – wäre das kein Kind, Katsuya würde ihn abknutschen, weil er so süß aussah – und ließ sich die Hand unter kühles Wasser halten.

Der Jüngere – konnte man das überhaupt so sagen? – holte eine Pinzette aus dem Wandschrank und stellte das Wasser ab, bevor er sich über die Wunde beugte. War ja schon ein recht großes Stück.

„Das wird ein bisschen weh tun.“, warnte er vor, „Beiß besser die Zähne zusammen.“

„Hm-hm...“, Katsuya warf noch einen Blick zu ihm und sah, dass Klein-Seto sogar die Augen geschlossen hatte, bevor er das Splitterchen zog, „Aua... machst du jetzt ein Pflaster drauf?“

„Sofort.“, er trat an den Medizinschrank, öffnete ihn und suchte mit seinem Blick die Reihen ab, „Hast du ein Antiseptikum?“, noch im selben Moment schellte er sich einen Idioten, das Wort kannten Kinder nie im Leben.

„Da.“, ein Arm neben ihm zeigte auf eine längliche Packung – PVP-Jod-Salbe.

„Danke...“, er sah dem Größeren in die Augen, doch die Lider waren wie zuvor weiter geöffnet, die Gesichtszüge weicher, die Wangen ein wenig gerötet, „Seto.“

Mit einem Lächeln auf den Lippen legte der den Kopf schief.

Romantik?

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Romantik? - die geschnittene Fassung

Ich will euch doch nicht diese schöne Szene verpassen lassen ^.^ Ich habe mir Mühe gegeben und bin mit dem Ergebnis eigentlich ganz zufrieden.

Was denkt ihr von der Sache?
 

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„Fertig.“, meinte Katsuya stolz und betrachtete die neu eingeräumten Regalreihen, wandte sich um und erblickte einen neben der Tür zusammen gekauerten Seto, „Hey, Schatz... was ist denn?“, er legte ihm eine Hand auf die Schulter.

Der Andere jedoch schwieg nur.

„Bist du der erwachsene Seto?“

Ein Nicken.

„Bist du wütend?“

Keine Reaktion – schließlich ein Kopfschütteln.

„Bist du gerade gefährlich?“

Auch hier brauchte das Kopfschütteln erst einen Moment Bedenkzeit.

„Schämst du dich?“

Und dieses Mal war es wahrscheinlich keine Bedenkzeit, bis das Nicken kam. Aber das konnte Katsuya wenigstens nachvollziehen. Sein Kinder-Ich war zwar lieb und es war gut, wenn es mal raus kam, aber im Endeffekt war es ein Zeichen, wie krank Seto eigentlich war. Und Seto verachtete sich schließlich dafür krank zu sein, wenn das auch sicher schonmal schlimmer gewesen war – wenigstens stand er heute dazu.

„Du kriegst das hin, Drache.“, er drängte sich zwischen die an den Oberkörper gezogenen Beine und die Brust, um seine Arme um ihn zu legen, „Und wenn nicht, dann ist das zumindest ein Teil deiner Krankheit, mit dem ich sehr gut leben kann.“

Seto blieb stumm, doch er gab die Umarmung zurück und drückte sein Gesicht an Katsuyas Shirt.

„Ich hab‘ dich lieb, Großer.“, formulierte er es lieber noch einmal direkt, damit Setos Hirn ja auf keine spinnerte Interpretation seiner vorherigen Worte kam, „Möchtest du noch etwas spielen oder ins Bett?“

„Spielen?“, die Frage war begleitet von einem Grummeln, „Ich bin wieder ich.“

„Du bist immer du.“, er löste sich ein Stück von dem anderen und grinste ihn an, „Und du spielst gern, ob nun als Kind oder als Erwachsener. Das ist dein Bedürfnis.“

„Hast du so fest gelegt?“, der Unterkiefer Setos schob sich vor, als wollte er damit verhindern, dass sich seine Unterlippe über die andere legte.

„Genau.“, Katsuya schmatzte ihm einen Kuss auf die Nase, „Ich mag dich, egal, wie du dich gerade verhältst.“, er beugte sich näher, fing Setos Lippen mit seinen ein und schmuste einen Moment mit ihnen, bevor er sich nur Zentimeter löste, „Alles hat seine Vor- und Nachteile...“

Wieder trafen sie sich, streichelten mit ihrem Atem ihre Wangen und mit ihren Zungen ihre Münder, während einer von Setos Armen zu Katsuyas Taille sackte und er den anderen nutzte, um sich abzustützten, als er sie beide in die Höhe zog.

„Schlafen oder andere Aktivitäten?“, flüsterte der Ältere gegen Katsuyas Lippen.

„Mittlerweile hören sich die anderen Aktivitäten ganz verlockend an...“
 

„Seto?“, murmelte Katsuya zwischen zwei Küssen, er selbst auf dem Bett sitzend und ohne Oberteil, sein Freund vor ihm stehend.

„Ja?“, er konnte das Stöhnen nicht unterdrücken, als er nur in diese tiefen, blauen Augen sah, die im Licht der Nachttischlampe schimmerten.

„Ich habe doch ganz sicher noch von irgendwo einen Wunsch frei, oder?“, mit der Hand in Setos Nacken zog er dessen Kopf zu sich und verging sich an dessen Wange.

„Das kommt ganz drauf an...“, ein tiefer Atemstoß strich kurz vor Katsuyas Ohr entlang.

„Würdest du...“, der Jüngere biss sich auf die Unterlippe und atmete tief durch, „Ähm... würdest du...“, seine Stimme war kaum mehr hörbar, „Ähm... für mich... strippen?“, Röte schoss auf seine Wangen, dass es brannte.

Seto antwortete mit einem Glucksen.

„Mir ist so ‘ne Frage peinlich, verdammt!“, er schlug die Linke als Faust in Setos Seite, worauf dieser aufhustete.

„Ist ja gut... das muss dir aber wirklich nicht peinlich sein.“, der Ältere löste sich ein Stück von ihm, „Das Level von Peinlichkeit in Sachen Sex kannst du nicht einmal mit der Frage erreichen, ob ich mich für dich mit den Füßen an der Decke festketten lasse.“

„Würdest du?“, argh, verdammte Neugier, das war peinlich! Katsuya kniff die Lider zusammen.

„Ich mache noch weit mehr...“, flüsterte eine tiefe Stimme direkt neben seinem Ohr, die ihn wieder aufstöhnen ließ, „Auch wenn ich dafür nicht die passende Ausrüstung hier habe.“

„Muss auch... gerade nicht sein...“, presste er hervor, während er versuchte die Bilder aus seinem Kopf zu verbannen, „Maaann... du machst alles kaputt.“, er schüttelte den Kopf, „Ich wollte das hier romantisch machen und nur zwei Sätze und mein Kopf schreit, dass es alle Gedanken weggevögelt haben will.“

Seto lachte durch die Nase, bevor er fragte: „Ich dachte, du magst kein Dirty Talk?“

„Seto!“

„Ich liebe es, wenn du rot wirst...“, der Brünette schnurrte, während er Küsse auf Katsuyas Hals setzte, „Nur noch eine Frage: Kriege ich auch einen Gefallen, wenn ich für dich strippe?“

„Was denn?“, konnte man diese verdammte Röte bitte von seinem Gesicht wischen? Das war ja grausam... war seine Identitätskrise von schwangere Frau auf unschuldiges Schulmädchen gewechselt oder was tat sein Körper ihm hier an?

„Erinnerst du dich noch an unsere erste Nacht?“, wie könnte er nicht? „Du hast mir den Rücken zerkratzt...“

„Das tut mir-“, Setos Zeigefinger legte sich auf seine Lippen, während dieser den Kopf hob und Katsuyas Blick mit seinen Augen gefangen nahm.

„Tu es nochmal.“
 

Katsuya biss auf seine Lippe.

Das gedimmte Licht, die glänzenden blauen Augen, die sich in seine bohrten, das Hemd, das offen und locker Setos nackten Oberkörper freigab... der Schatten der Grube zwischen seinen Schlüsselbeinen, unter den Erhebungen seiner Brust, das H mit dem doppelten Mittelstrich auf seinem Bauch und die Beckenkämme, über die die marmorne Haut spannte – Katsuya leckte seine Lippen.

Während ihm Seto mit kreisendem Becken langsam den Rücken zudrehte, glitt das Hemd von seinen Schulter, zeigte erst das V, das die Muskeln an seinem Oberarm bildeten, bevor der Bizeps sich spannte, weil er das Stück Stoff in Höhe seiner Ellenbogen zurückhielt. In der Rückenansicht stachen einem zuerst die breiten Schultern ins Auge, bevor der Blick sank und man mit ihm die Umrisse der Schulterblätter nachzeichnen konnte. Langsam drehte der Schöne die Ellenbogen nach außen und hob sie, damit das Hemd von ihnen glitt – und Katsuya ob der Bewegung der Muskulatur in diesem Rücken zu stöhnen begann.

Seto drehte sich wieder ein und versuchte die Gelenke sich hinter seinem Rücken berühren zu lassen, während er die Ärmelenden zwischen seinen Händen spannte. Es ließ die Schulterblätter praktisch aus seinem Rücken springen, bildete eine tiefe Grube über seiner Wirbelsäule – Katsuyas Finger zuckten und wurden hörbar über das Bettlaken gezogen. Das Stoffstück, das Setos Rücken kaum mehr verhüllte, fiel zu Boden, bevor er die Arme ausstreckte und wie auf der Linie einen Kreises in die Höhe hob – was seine Rückenmuskulatur dabei tat, vermochte Katsuya nicht einmal zu beschreiben, es ließ ihn nur sehr tief stöhnen. Wie kleine Flügel zeigten die Spitzen seiner Schulterblätter zur Seite.

Faszinierend.

Einfach nur faszinierend.

Während eine Hand das Gelenk der anderen griff, begannen Setos Hüften wieder zu kreisen. Sein Rücken hielt noch immer Katsuyas Blick, während er beide Arme vor seinem Körper sinken ließ, lockerte und mit weiterhin kreisenden Hüften, die seinen Körper einmal ganz drehten – langsam natürlich – die Knöpfe seiner Hose öffnete. Den Reißverschluss konnte Katsuya nur hören, da ihm wieder die Rückansicht gegeben wurde und Seto sich nicht weiter drehte. Dessen Daumen harkten sich unter den Bund der vorne offenen Hose, zogen diese – Millimeter für Millimeter – zusammen mit Setos Unterwäsche von den kreisenden Hüften.

Dachte Katsuya zumindest.

Nur wenige Zentimeter tiefer lösten sie sich nämlich wieder. Durch den Schwung der kreisenden Hüften drehte Seto sich seitlich zu ihm und sandte ihm einen lasziven Augenaufschlag. Der von Katsuya aus gesehen hintere Unterschenkel winkelte sich an, sodass Seto – nicht mal ein wenig wackelig stehend ohne jegliche Stütze – mit einer Hand den Strumpf von seinem Fuß zupfen konnte.

Katsuyas Blick jedoch wurde mehr von der auf selber Höhe hängenden geöffneten Hose angezogen, durch deren Öffnung sich ein paar dunkle Schamhaare geschummelt hatten. Aber selbst dieser wurde ihm einen Moment später verwehrt, da Seto – wieder auf beiden Beinen stehend – den Oberschenkel seines anderes Beines bis fast an seine Brust hob und – ohne auch nur einmal zu schwanken – den zweiten Strumpf mit beiden Händen von seinem Fuß streifte.

Der Blonde seufzte sehnsüchtig vom Bett aus, krallte seine Finger in das Laken. Das hier war weit, weit besser als er es überhaupt für möglich gehalten hatte.

Mit äußerster Eleganz berührte der nackte Fuß den dunklen Teppich im Zimmer, während der andere kurz darauf auf einer Kreislinie geschwungen vor diesen wieder zu Boden kam. Einen Schritt nach dem anderen, gesetzt auf einer unsichtbaren Linie, die direkt auf Katsuya zu zeigen schien, schlich Seto wie eine Raubkatze auf ihn zu, trat an das Bett heran ohne dieses zu berühren.

Katsuya leckte die Lippen im Anblick der schwingenden Hüfte und der nur noch darauf hängenden Kleidung, die von Setos Unterleib nur noch das Allernötigste verdeckte – und in Katsuyas Augen derzeit nicht verdeckt gehörte.

Er kam Seto mit seinen Händen schon entgegen, als dieser nach ihnen griff, um sie an den Bund seiner Hose zu führen.
 

Katsuya blies alle Vorsicht in den Wind und gab dem Bedürfnis nach Setos Klamotten praktisch von seinem Leib zu reißen. Hose wie Unterhose fiel zu Boden, während er sich nach vorne warf [und] seine Nägel als Stütze knapp über Setos Hintern in dessen Haut jagte [...].

Seto stöhnte auf, riss einen Arm in die Höhe und krallte sich an der Ballustrade des Himmelbettes fest, während seine andere Haut in das blonde Haar fuhr [und] es im Nacken griff [...].

„Oh... verdammt... Katsuya... Ha...“, Seto schluckte, atmete keuchend durch seinen Mund und biss auf seine Unterlippe.

Jener hob scheu den Blick und beobachtete einen Moment lang das lebhafte Mienenspiel, bei dem Seto versuchte seine Erregung nicht so sehr zu zeigen, wie er es gerade tat, bevor er fragte: „Das war eine deiner Fantasien mit mir, oder? Habe ich das richtig in Erinnerung?“

Der Brünette nickte nur, während er es anscheinend aufgab den benötigten Sauerstoff durch seine Nase einatmen zu wollen.

„Leg‘ dich aufs Bett und ich versuch‘ es mal, okay?“

Seto nickte nur und kaum eine Sekunde später fand sich Katsuya im Bett liegend, den Kopf ungefähr auf Brusthöhe Setos, der sich unter ihm befand.

„Hu?“, murmelte der Jüngere verwirrt und brauchte einen Moment zur Orientierung, bevor er die Haut unter seinem Blick zu küssen begann.

[...]

Hm... Seto wusste, dass er keine Ahnung hatte, also konnte er wohl einfach eine Runde Experimentieren. Das Schlimmste, was kommen konnte, war mockender Sarkasmus. Außerdem hatte er dem Älteren schon hierbei zugesehen – also einfach nur nachmachen. Mit Luft in der Brust und Entschlossenheit im Herzen beugte er sich wieder herab [...].

„Kats...“, er zuckte zusammen. Das war nicht lusterfüllt gewesen.

Setos Hand fingerte nach dem Nachtschrank, während er jedoch nicht den Blick von ihm nehmen konnte.

„Suchst du was Bestimmtes?“, gab der Blonde vorsichtig zurück.

„Kondom.“, murmelte Seto nur.

Na klar. Katsuya schlug sich mental vor die Stirn. Körperflüssigkeiten übertrugen Krankheiten, deswegen lief bei Seto wie auch Yami alles nur mit Kondom. Na ja... irgendetwas musste er ja vergessen. Er krabbelte an dem Liegenden vorbei, holte das Gesucht aus der Schublade und bewegte sich auf allen Vieren zurück, wobei eine Hand einem Moment lang über seine noch von einer Hose bedeckten Hinterbacke strich – es ließ ihn ein Lächeln über die Schulter werfen.

Er öffnete die Verpackung, zog das Gummi heraus, packte die kleine Erhebung zwischen Daumen und Zeigefinger, wie er es bei Seto gesehen hatte – ihm fiel jetzt erst auf, dass er das noch nie selbst gemacht hatte – [...] und rollte das Kondom hinab.

„Gut so?“, fragte er vorsichtshalber.

Seto nickte nur, den Blick immer noch lüstern auf ihn gerichtet.

„Magst du das?“, fragte er weiter, [...] was den Liegenden die Lider schließen und den Kopf zur Seite werfen ließ.

Anscheinend ja. [...]

Mal sehen, was er so mit seinen Lippen anstellen konnte.

Im Bett

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Im Bett - die geschnittene Fassung

Es geht weiter ^.- Auch wenn euch vom erotischen Teil dieses Kapitels noch weniger bleibt als vom letzten. Aber das Nachspiel ist dasselbe, ungekürzt und unzensiert.

Und bitte denkt am Freitag an mich T.T Ich habe Chemiescheinprüfung - und um die muss ich wirklich bangen.
 

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Er musste zugeben – das hier machte verdammt Spaß.

[...]

[Setos] Beine lagen weit auseinander, wechselten immer wieder zwischen einem angespannten Anziehen und Entspannung. Schon zweimal hatte sich der Jüngere die Freiheit genommen den auf dem Bett Ausgestreckten – vor Lust Niedergestreckten – im Ganzen zu betrachten. Der Kopf wandte sich, bisweilen blitzte es blau unter den Lidern, der Atem ging schwer, die Brust hob und senkte sich im Takt und der ganzen Unterleib war einfach... offen.

Es war, als würde man ihm eine Delikatesse auf einem Silbertablett mit einem roten Seidentuch dazwischen servieren. Und gleichzeitig kam es dem Bild einer Jungfrau, die zum ersten Mal fleischliche Freuden genoss, sehr nah. Oder dem einer Katze, die gleichzeitig die brennende Sonne und eine kraulende Hand genoss.

Wie zur Hölle hatte er es geschafft einen Mann, der so erfahren und kontrolliert war wie Seto in solch eine Pose zu bringen? Katsuya hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, aber er würde es schlicht und ergreifend ausnutzen, dass Seto alles mit sich zu machen lassen schien.

[...]

„Ka... ats...“, die Stimme war kaum hörbar, als wäre Seto völlig heiser, „Bitte...“

„Bitte was?“, fragte dieser lächelnd, ließ von dem unter ihm Liegenden ab und schob sich nach oben, um in die blauen Augen zu sehen.

Doch Blau war kaum mehr zu erkennen, die Pupillen waren extrem erweitert und ließen allerhöchstens einen Millimeter der geliebten Farbe sichtbar. Die Wangen zierte ein heftiges Rot und der Atem ging durch die halb geöffneten Lippen.

„Nimm... mich...“, keuchte Seto leise.

Katsuya zog eine Augenbraue nach oben. Na gut... war nicht so, als hätte er das noch nie getan. Und Seto sah definitiv danach aus, als würde er das brauchen. Lächelnd langte er zum Nachtschrank – aus dieser Position war er nah genug – und fischte ein weiteres Kondom und Gleitgel heraus, bevor er sich zwischen dessen scherenartig geöffneten Beine kniete und seine Hose und Unterwäsche auszog.
 

„Uh...“, Setos Augen rollten einen Moment lang unter seine Oberlider, bevor er blinzelte und sie schließlich wieder ganz schloss.

[...]

„Oh... bitte...“, eine Hand klatschte unkoordiniert auf Katsuyas Schulterblatt, versuchte dort Halt zu finden, doch rutschte ab.

„Ich schwöre, ich habe nichts in dein Essen gemischt...“, murmelte der Blonde leise [...].

[Seto] unternahm einen zweiten Versuch seine Arme um den Oberen zu legen und schaffte es sie knapp unter seinen Achseln her um seinen Rücken zu legen. Den im Keuchen geöffneten Mund schloss er einen Moment, um zu schlucken, bevor er hörbar weiter durch ihn atmete.

„Dieser Gesichtsausdruck verführt dazu dir einen nassen Waschlappen ins Gesicht zu drücken.“, informierte Katsuya lächelnd [...], „Ich bin gespannt, was ich als Reaktion darauf kriege, wie du hier jetzt liegst.“

Seto reagierte mit keinem sichtbaren Zeichen auf die Worte [...].

„Und bevor du auf die Idee kommst, dass du dafür in irgendeine Krise rutschen musst – du siehst anbetungswürdig aus.“, versicherte der Jüngere, den Blick auf Setos Gesicht, das mit geschlossenen Lidern seitlich in ein Kissen gedrückt wurde, „Und ich gebe zu... es macht mich auch ein bisschen stolz, dass du so unter meinen Berührungen zergehst.“

Setos Lider öffneten sich einen winzigen Spalt, durch den Katsuya eine auf ihn gerichtete Mischung aus Dunkelblau und Schwarz erkennen konnte. Doch sie schlossen sich nur einen Moment später, in dem Seto tief aufstöhnte und den Kopf zur anderen Seite warf.

[...] Die auf [Katsuyas] Schultern liegenden Hände der um ihn geschlungenen Arme fuhren ihre Krallen aus, doch kratzten nur leicht über seine Haut, bevor wieder Fingerkuppen versuchten auf seiner leicht mit Schweiß bedeckten Haut Halt zu finden.

[...] Dieser sanfte, leichte Rhythmus hatte mehr dessen, was er sonst mit Seto irgendwie vermisste. Es hatte Emotionen, es hatte Zärtlichkeit, es war etwas anderes als die immer wiederholten Muster körperlicher Intimität, die schnurstracks zu einem Orgasmus führten.

Es hatte Liebe.
 

Katsuya verlor sich in Seto.

Anders hätte er es nicht beschreiben können. Er hatte keine Ahnung, wie lange sie hier schon lagen, wie lange er schon die unter Flammen stehende, mamorne Haut küsste [...].

Zeit schien unwichtig. Ob sie hier nun seit Stunden waren oder ob nur Sekunden vergingen, es interessierte ihn nicht. In ihm war ein Gefühl, dass er mit aller Macht festhalten und gleichzeitig von sich stoßen wollte. Er wollte, dass es endete, weil er wusste, ihn würden schönere Gefühle erwarten, aber hier und jetzt in diesem Moment war es nicht möglich sich etwas Schöneres vorzustellen.

Es war einfach paradiesisch.

Einen Moment verharrte er in Seto, beugte sich vor und versuchte durch Küsse seine Wange entlang seine Lippen einzufangen, die der Ältere ihm durch seinen abgewandten Kopf noch immer verwehrte. Ein zitterndes Atmen verließ den größeren Körper, fuhr durch diesen und bebte selbst noch durch die angewinkelten Oberschenkel, die sich an Katsuyas drückten.

„Seto...“, flüsterte der Blonde leise und schaffte es, dass die blauen, irgendwie trunken wirkenden Augen zu ihm sahen, „Alles in Ordnung bei dir?“

Er sah aus, als wäre er auf Tabletten oder Drogen, wenn man es genau betrachtete.

Katsuya schluckte und erzitterte. Der Gedanke war wie Eiswasser auf seiner Haut.

„U... hu...“, brachte der Untere hervor und nickte einmal.

„Gut.“, ein unsicheres Lächeln legte sich auf Katsuyas Lippen, „Was hältst du davon, wenn ich schneller werde?“

Seto nickte nur, die Augen unter den kaum geöffneten Lidern auf ihn fixiert.

Der Jüngere beugte sich noch einmal vor [und] küsste ihn auf die nun erreichbaren Lippen [...].

„Oh... Katsuya... schneller!“, das Lächeln verfestigte sich. Es war noch Leben in Seto!

„Bereit für den Endspurt?“, neckte Katsuya.

Wow, was zur... ? [...] Schien der Drache befreite sich langsam von seinem Genusszustand.

„Sehnsüchtigst...“, bestätigte der Brünette, während sich seine Augenlider langsam hoben und er seine Atmung wieder so weit kontrollierte, dass er den Mund schließen konnte – kurzzeitig, bis ein gedämpfter Schrei diesen wieder aufriss.
 

„Himmel...“, flüsterte der Ältere, atmete noch einige Momente tief durch, bevor er Katsuya von sich schob und im gleichen Moment an seine Brust zog, um ihn zu küssen.

„Nah dran...“, gab dieser zu, legte seine Arme um Seto und schloss die Lider, um die heiße Haut auf seiner intensiver zu spüren – und das glitschige Zeug zwischen ihnen, „Soll ich uns sauber machen?“

„Hm-hm...“, murmelte der Größere, zog seinen Arm unter Katsuya weg an seinen Körper und legte seinen Kopf auf den, der sich um ihn geschlungen hatte, während er die Augen schloss.

Einen Moment lang betrachtete Katsuya das ruhende Gesicht still und regungslos. Auf Setos Zügen war keine Anspannung, keine unnatürliche Zerrung, keine Wachsamkeit – er war grundtief entspannt, wie es schien. Er lag einfach da, die Augen geschlossen, ein Lächeln auf den Lippen.

Katsuya schoss kurz der Gedanke durch den Kopf, dass er wie ein Kind wirkte, doch er verbannte ihn – er kannte Seto als Kind. Auf eine gewisse war Seto ein Kind. Ein Blick auf ihre Körper ließ ihn jedoch den Kopf schütteln. Nach solch einer Aktion sollte er nicht von Seto als ein Halbkind denken... in gewisser Weise machte ihn das irgendwie pädaophil, oder? Seufzend wandte er sich ab und griff nach der Tücherbox auf dem Nachtschrank.

Genug mit solchen Gedanken!

Er entfernte die Kondome und wischte sie sauber, ließ den ganzen Müll hinter sich in den Eimer neben dem Bett fallen. So weit, so gut. Er versuchte die Decke unter Seto herzuziehen, doch es wollte nicht klappen – erst recht nicht mit Seto halb auf ihm liegend. Konnte man ihn vielleicht von der Decke kitzeln? Nein, anscheinend keinen Deut, er rückte nur näher, um sich anzukuscheln.

„Hey, Seto...“, er stupste ihn leicht an, „Seto?“

„Hm...“, grummelte dieser nur unzusammenhängend.

„Würdest du bitte die Decke freilassen?“, keine Antwort? „Soll ich dich zwingen?“

„Hrm...“, Seto Augenlider blieben geschlossen, sein Körper wärmesuchend an Katsuya geklammert.

Dieser löste sich, was den Brünetten ein Geräusch zwischen Ärger und Wimmern von sich geben ließ. Er legte einen Arm unter Setos Rücken und hob diesen, während er darunter die Decke weg zog, bevor er mit dem Rest des Körpers ebenso verfuhr.

Ging doch. Lächelnd nahm er die vorherige Position ein und zog das seidene Etwas über sie, bevor er Seto auf die Nase küsste, was ein Lächeln auf dessen Lippen zauberte. Welch ein wunderschöner Mann...

„Hey, Seto?“, der gab irgendein undeutbares Geräusch von sich, drückte Katsuya mit einer Hand in die Rückenlage und bettete seinen Kopf auf dessen Schulter, was diesem die Möglichkeit gab den Brünetten im Nacken zu kraulen, „Was genau ist los mit dir?“

„Mir geht es gut...“, schon richtig liebevoll zog Seto mit den Zähnen an seiner Haut, als wäre er hier der Welpe, der sein noch zahnloses Gebiss ausprobierte.

Katsuya gluckste und küsste sein Haupt, bevor er fragte: „Care to explain?“
 

„Hm...“, ein Arm legte sich quer über die Brust des Jüngeren und ein Bein schlang sich um seines, „Du bist toll.“

„Oh... äh...“, Röte entflammte seine Wangen, „Danke schön... womit habe ich das denn verdient?“

„Weiß nicht.“, entschied Seto, „Einfach so. Ich hab‘ dich lieb.“

„Das sagt dein Kinder-Ich normalerweise.“, er... war doch gerade erwachsen, oder?

„Du hast es vorhin selbst gesagt, das bin alles ich. Und das stimmt. Der Hass, der Ekel, die Wut, das Misstrauen, die Neugier, das naive Vertrauen, die helle Freude und der Spaß am Risiko, das ganze Gefühlschaos was dadurch entsteht, das bin alles ich. Und der Sex war göttlich.“, hä? „Ich glaube, ich habe noch nie so mit jemandem geschlafen. Nicht physisch, sondern irgendwie... psychisch. Und irgendwie fühle ich mich mit mir selbst gerade im Reinen.“

„Ähm...“, Katsuya warf einen Blick zu Setos Gesicht, doch das wirkte wie schlafend auf seiner Schulter, „Tut mir Leid, das sagen zu müssen... aber ich glaube, ich verstehe nicht, was du mir sagen willst. Und wo der Zusammenhang zwischen Sex und deiner Psyche ist.“

„Hm...“, seine Mimik wechselte in gespielte Verzweiflung, „Ich weiß selber nicht, was ich hier fasel‘, wie soll ich dir das dann erklären? Ich versuche nur irgendwie in Worte zu fassen, was ich gerade fühle...“, er seufzte leise, „Hm... ich fühle mich gerade, wie ich mich noch nie gefühlt habe, so weit ich mich erinnern kann zumindest. Einfach irgendwie gut. Dass ich nach Sex entspannt bin, das weiß ich ja, aber irgendwie fühlt sich auch meine Seele gerade entspannt an. Als hätte ich dem Gefühlschaos in der Spüle den Abfluss gezogen.“

Irgendwie hörte sich das hier nicht nach Seto an. Eher wie eine Mischung aus ihm und seinem Kinder-Ich. Als würden beide zusammen versuchen etwas zu sagen. Halt! Vielleicht war es ja genau das! Wenn das Chaos gerade weg war, vielleicht strukturierte Setos Seele irgendwie um. Wie... wie eine Renovierung in seinem Kopf oder so.

Katsuya lachte plötzlich auf. Bei allen Göttern, jetzt kam er auch schon auf solche Gedanken.

„Warum... lachst du?“, fragte Seto mit zitternder Stimme.

Oh shit... das war jetzt falsch angekommen.

„Nicht wegen deiner Worte. Ich habe nur versucht mir vorzustellen, was gerade in deinem Kopf vorgeht. Und da kam mir das Bild, wie du mit deinem Kinder-Ich die Wände deiner Seele neu streichst. Das war ein komisches Bild.“

„O... okay...“, Seto schluckte und klammerte sich an ihn, dass es ein bisschen schmerzte, „Kommen dir solche Ideen öfters?“

„Nein, nur gerade.“, Katsuya legte seinen Arm um den Größeren und erwiderte den Druck, während er einen Kuss auf seine Haare setzte, „Ganz ruhig. Ich verurteile dich nicht wegen deiner Gedanken oder Gefühle oder wie du versuchst sie auszudrücken. Ich brauche nur ein paar Hilfsmittel, um dich zu verstehen.“

Wie kam es, dass Seto plötzlich so verunsichert war? Sagte er nicht, dass er sich gerade mit sich im Reinen fühlte? Hm... vielleicht lag es aber auch genau daran. Seto fühlte sich einfach nie mit sich im Reinen. Natürlich misstraute er seinen eigenen Gefühlen, wenn er es plötzlich tat. Auf seelische Entspannung folgte Angst vor dieser Entspannung. Richtig so?

„Macht es dir Angst, dass du dich plötzlich gut fühlst?“

„Ja.“, die Umklammerung lockerte sich ein wenig, begleitet von dem Geräusch eines tiefen Durchatmens, „Es wirkt irgendwie nicht... richtig. Es ist total gut, aber... irgendwie falsch.“

Anscheinend waren seine drei Seelenanteile gerade relativ nah zusammen gerückt. Die Worte stolperten heraus ohne ganz kindlich oder erwachsen gefiltert zu werden. Und Setos TI schlug mit heftiger Angst zu – er durfte sich nicht entspannen, er durfte nicht nachlassen, er durfte sich nicht gut fühlen.

Katsuya seufzte und begann Seto zu kraulen.

Immer Angst zu haben war eine Sache. Angst davor zu haben keine Angst zu haben eine andere.

Renovierung

Yeah, Lemon durch ^.^ Das nächste kommt erst wieder recht spät (wenn nicht plötzlich irgendeine Idee meinen Kopf ergreift, warum es vorverlegt werden muss). Ich gebe zu, die Dinger zu schreiben ist Hölle für mich. Viel zu viel Bewegung *drop*

Egal, ansonsten empfehle ich allen mal in die Charakterbeschreibung (auch von DS1) zu schauen, es gibt viele neue Bilder ^.^ Und durch die Stuttgarter Truppe hatte ich dieses Wochenende viele Ideen - ich habe sogar Eisengel weiter getippselt. Bei weitem nicht genug für ein neues Kapitel, aber ich habe viel Inspiration. Jetzt muss ich nur noch einen Weg finden morgens um sechs aus dem Bett zu kommen, ohne gleich wie tot wieder zurück zu kippen (das heißt sanft aufwachen und genug wach sein, um hochzukommen). Und im Selbstbehauptungskurs habe ich eine Frau kennen gelernt, die hier in der Nähe in einem Jugendheim (ein Dorf, genau genommen ô.o) arbeitet. Ich plane derzeit dort ein Praktikum zu machen. Mir fehlt einiges an Erfahrung in dem Bereich.

So, genug gefaselt, viel Spaß beim Lesen ^.^
 

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„Happy Birthday to you...“, Katsuya küsste Setos Stirn, dessen Gewicht seine linke Körperhälfte über Nacht betäubt hatte, „Happy Birthday to you...“

Ein Lächeln schlich sich auf die Lippen des Schlaf Vortäuschenden.

„Happy Birthday, lieber Seto... happy birthday to you.“, eine Fingerkuppe fuhr Setos Ohrmuschel entlang, seinen Unterkiefer hinab zu seinem Kinn, um dieses so weit zu heben, dass Katsuya ihn auf die Lippen küssen konnte.

„Ich bin noch nicht mal aufgewacht, aber es ist jetzt schon der schönste Geburtstag meines Lebens.“, flüsterte Seto und schnappte von sich aus nach Katsuyas Lippen, „Und, wie alt bin ich geworden?“

„Hm... deine kleine Seele ist... neun.“, bestimmte der Blonde, „Und die große ist... zweiundvierzig.“

„Daneben.“, ein Lächeln legte sich wieder auf Setos Lippen, doch er öffnete die Augen nicht, „Die kleine Seele ist bei fünf hängen geblieben. Aber mit zweiundvierzig kann ich leben. Dann komme ich bald in die Midlife-Crisis.“

„Bloß nicht, dann sind wir zwei Identitätsgestörte.“

Seto öffnete die Lider, richtete sich ein Stück auf, stützte seinen Kopf mit einem Arm und sah mit einer hochgezogenen Augenbraue auf Katsuya hinab, bevor er einige Momente später fragte: „Und derzeit findest du mich nicht identitätsgestört?“

„Na ja...“, implizierte die Tatsache, dass die eigene Seele in drei Anteile gespalten war eine Identitätsstörung? „Ein bisschen vielleicht.“

Seto verdrehte die Augen, während er ein dumpfes Kichern allerdings nicht zurückhalten konnte.

„Könntest du nochmal versuchen mir zu erklären, was du mir gestern Abend sagen wolltest?“, fragte der Blonde vorsichtig.

„Hm... ich kann es versuchen.“, die gute Laune schien plötzlich wie fortgewischt, ersetzt durch eine Ernsthaftigkeit, die Setos Mimik wieder unter Spannung setzte.

„Hey...“, Katsuya richtete sich auch auf, setzte einen Kuss auf die Lippen des anderen, „Das ist kein Zwang. Ich möchte dir auch nicht das Gefühl geben, dass du dich nachher rechtfertigen musst, wenn du dich einfach mal ein bisschen entspannst. Das würde nur dafür sorgen, dass du dich noch härter kontrollierst... und das wollte ich vermeiden.“

„Danke.“, es kam ein Kuss retour, „Ich versuche es trotzdem. Ich will das irgendwie in Worte kriegen. Ich will das irgendwie... selbst verstehen.“

Katsuya nickte langsam.

„Legen wir uns wieder hin.“, schlug Seto vor, „Kraulst du mich ‘ne Runde?“

Wenn’s weiter nichts war...
 

„Gestern war irgendwie... besonders.“, begann der Ältere, der sich wieder ein Stück auf Katsuya legte, „Normalerweise habe ich Sex und danach fühle ich mich, als wäre ich Marathon gelaufen. Angenehm erschöpft und ein bisschen stolz. Aber gestern... ich weißt auch nicht. Es war, als wäre ich gegen die Sonne geknallt. Mein ganzes Inneres war heiß, aber es war sehr angenehm. Und ich war wie erschlagen, aber so, dass es mich freute. Als hätte ich die Welt gerettet und wäre danach vor Erschöpfung umgekippt.“, er gluckste, „Das sind keine sehr passenden Vergleiche.“

„Aber welche, die ich verstehe.“, ein Lächeln legte sich auf Katsuyas Lippen, „Denkst du, das Gefühl war eine heftige Version dessen, was du sonst hast?“

„Nein.“, Setos Zeigefingerspitze begann Kreise auf seiner Brust zu ziehen, „Es war völlig anders. Besser und intensiver und anders.“

„Und was glaubst du, woher dieses Gefühl kam?“, hatte Seto möglicherweise dieselbe Theorie wie er?

„Die Art möglicherweise. Solch einen Rhythmus hatte ich sonst noch nie, so weit ich mich erinnern kann. Vielleicht auch das überwältigende Gefühl, dass du etwas für mich getan hast, was du vorher eher ungern machen wolltest.“

Katsuya seufzte tief. Wenigstens gab er ja zu, dass es ein intensives Gefühl gewesen war...

„Was?“, fragte Seto, die Stimme wiederum ein wenig verunsichert, die Stirn in Falten.

„Streich‘ die Art und bleib‘ mal auf der emotionalen Ebene.“, empfahl der Jüngere einfach.

„Was soll das?“, der andere fuhr auf, „Nur weil du meinst irgendetwas besser zu wissen als ich über mich, musst du dich nicht so aufspielen. Und was willst du überhaupt von mir wissen?“

„Seto...“, Katsuya blieb einfach liegen, hob eine Hand langsam zu seinem Nacken und begann Seto dort zu kraulen, „Beruhige dich und komm wieder runter, ja?“ – und das war wörtlich gemeint – „Gut... ich wollte dich nicht verärgern, tut mir Leid. Aber ich denke nicht, dass es eine andere Art von Orgasmus durch andere Bewegungen, andere aktivierte Hormone oder sonst etwas gibt, die dafür zuständig sind. Und wenn doch, dann würdest du so etwas unter Garantie in dreizehn Jahren One-Night-Stands und Strichern erlebt haben.“, versuchte er sich zu erklären, „Deswegen wollte ich, dass du diese Möglichkeiten einfach mal missachtest. Das war weder böse noch gehässig gemeint.“

„Entschuldige...“, der Ältere atmete tief durch, „Ich glaube, nach gestern bin ich etwas dünnhäutig. Deine Mutter zu treffen war wie einen Spiegel vorgehalten zu kriegen.“

„Du findest euch so ähnlich?“, flüsterte Katsuya.

Es war nicht so, dass er eine gewisse Ähnlichkeit nicht auch festgestellt hatte. Die gespielte Kälte, die abweisenden Blicke, das innere Gefühlschaos, die teils widersprüchlichen Aussagen, die aggressive, misstrauische Art – seit Yami ihn auf diese Verbindung zwischen den beiden hingewiesen hatte, war ihm der Vergleich nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Aber die beiden hatten auch so grundlegende Unterschiede... sie wollte nicht sehen, dass sie krank war. Dass sie in einer Realität lebte, die der der Welt nicht entsprach. Dass sie nicht in der Lage war ihre Umwelt zu kontrollieren. Dass sie Fehler begangen hatte.

Seto konnte das sehen. Er hasste sich dafür, aber wenigstens verleugnete er es nicht auch noch. Und da lag der grundlegende Unterschied. Er kämpfte gegen sich selbst, um glücklich zu werden. Sie kämpfte gegen den Rest der Welt, weil sie verbittert war nicht glücklich zu sein.

Seto schwieg auch eine halbe Minute nach der Frage noch. Hoffentlich hatte er dieselben Gedanken.
 

„Wenn du meinst, dass ihr euch ähnlich seid, heißt das, dass du gut nachvollziehen kannst, warum sie tut, was sie tut, oder?“, versuchte Katsuya es mit einer anderen Frage.

„Ich... denke.“, murmelte es gegen seine Schulter.

„Warum hat sie meinen Vater unterstützt?“

Es brannte, es ätzte, es fraß sich in sein Herz, wenn er nur einen Gedanken in diese Richtung lenkte. Warum hatte sie einen Mann, den sie hasste, unterstützt? Nur um Katsuya eine rein zu würgen? Verabscheute sie ihn denn so sehr?

„Aus Selbsthass, vermute ich.“, Setos Hand legte sich wieder auf seine Brust und begann dort Kreise zu fahren, „Sie wurde geschlagen und fertig gemacht damals und hielt es nicht aus. Daraus gibt es nur drei Auswege – resignieren und die Wut in sich selbst ertränken, also sich selbst verletzen beziehungsweise betäuben oder resignieren und die Wut an anderen auslassen, also zum Beispiel selbst ihre Kinder schlagen oder versuchen sich irgendwie von dem Missbrauch zu befreien. Das sind die drei Möglichkeiten. Gesunde Leute befreien sich vom Missbrauch, indem sie die Polizei alamieren oder den Frauennotruf anrufen und so viele Wände und Personen zwischen sich und den Täter bringen wie eben möglich. Deine Mutter hat den eher seltenen Weg genommen ihr eigenes Kind vorzuschieben.“

Katsuya schluckte und atmete tief durch, während seine Hand vorsichtig nach Setos griff und sie um diese legte.

„Das Problem ist, dass du deiner Mutter nicht strikt und einfach egal bist und sie auch irgendwann mal gelernt hat, dass Eltern ihre Kinder eigentlich beschützen sollten. Also hat natürlich ihr Kopf rebelliert und sie für ihre Tat angeklagt. Daraus gibt es wiederum zwei Auswege – doch noch handeln und den Missbrauch beenden oder mit aller Macht, die einem gegeben ist, gegen die Klagen ankämpfen. Diese Macht sind in diesem Falle die Abwehrmechanismen.“, Seto seufzte, „Das heißt, ihr Kopf hat zum einen ihre positiven Gefühle für dich betäubt und zum anderen rationale Argumente gesucht, warum du diese Behandlung verdienst. Sie kam auf die absolut irrsinnige Idee, du seist ein Monster, dass andere verletzen würde, wenn man es nicht mit Gewalt dominiert.“

„Und diesen Scheiß glaubt sie immer noch?“, Katsuyas Gesicht verzog sich, „Über zehn Jahre später?“

„Anscheinend würde ihr Kopf die Schuldgefühle immer noch nicht aushalten, würde sie diese Abwehr aufgeben.“, Seto richtete sich ein wenig auf und küsste seinen Freund auf die Stirn, „Bedenke, ihr Selbstwertgefühl dürfte noch zerschlagener sein als meins.“

Katsuya schüttelte langsam den Kopf, den Blick auf die Decke fixiert, bevor er einige Momente später seine Worte wieder fand: „Mal ganz ehrlich... du mit deiner gespaltenen Persönlichkeit, den Dissoziationen, Panikattacken und den Aggressionsschüben bist irgendwie gesünder als der größte Teil der Menschheit in meinen Augen.“

„Es gibt ein Psychiatersprichwort.“, ein Lächeln hatte sich auf Setos Lippen gelegt, „Das heißt: Die gesündeste Person einer Familie ist die, die in der Psychiatrie sitzt.“

„Hat was Wahres...“, murmelte der Blonde.
 

„Kann ich dich noch etwas fragen?“, meinte Katsuya einige Momente später mit etwas mehr Kraft in der Stimme.

Der Andere hob kurz den Kopf, warf einen Blick in Richtung Wecker und legte seinen Kopf wieder auf Katsuyas Schulter ab mit den Worten: „Schieß‘ los.“

„Diesmal geht es allerdings um dich.“, er schwieg eine Sekunde, „Um dein Kinder-Ich, genau genommen.“, auch hier kam keine Unterbrechung, kein Verkrampfen oder sonst ein Zeichen von Unbehagen von der Seite, „Einmal: Woher kennt ein fünfjähriges...“, war doch fünf gewesen, oder? „...Kind solche Worte wie Antiseptikum?“

„Die hat es im Erste-Hilfe-Kurs gelernt.“, ein Lächeln legte sich auf Setos Lippen, „Ich habe es da gelernt. Du musst bedenken, ich habe zwar mehrere Verhaltensweisen, in denen andere Emotionen im Vordergrund stehen, aber ich bin immer noch ich. Das Wissen ist das gleiche. Meine Persönlichkeitsspaltung geht nicht so weit, dass auch Wissen anderen verborgen bleibt. Möglicherweise gibt es Erfahrungen, zu denen andere Teile leichter Zugang haben, das weiß ich nicht, weil ich mich normalerweise nicht mit meinem Kopf unterhalte.“, er stieß die Luft aus, „Aber ich gehe davon aus, dass wir alle auch nur die gleichen Erfahrungen haben. Jedes Fremdwort, das ich kenne, kennen automatisch alle.“

„Das heißt...“, Entsetzen schwang in Katsuyas Stimme mit, „Das Kind in dir kriegt jedes Detail davon mit, wie wir Sex haben?“

„Ich... denke schon.“, murmelte der Ältere leise, „Oder?“, dieses Mal schien er mehr zu sich selbst zu sprechen.

„Möglicherweise solltest du mal versuchen mit deinem Kopf zu reden...“, meinte Katsuya.

„Hast du noch andere Fragen?“, der Blonde zuckte zusammen – Himmelt, der Ton war kalt.

„Uhm...“, sollte er? Besser ja, oder? Setos Laune war eh schon... na ja... „Eine noch.“

Der wieder Aufgerichtete sah mit dunkelblauen Augen auf ihn hinab.

„Dein Selbstverletzungsdrang sorgt dafür, dass du Schmerzen gern hast beziehungsweise größtenteils nicht mehr spürst, richtig?“, Seto nickte nur einmal kurz, „Dein Kinder-Ich hat gestern aber ziemlich geschrieen wegen dem kleinen Glassplitter...“

„Wie gesagt, wir unterscheiden uns in unseren Emotionen und unserem Verhalten. Das TI in mir spürt wegen dem extremen Selbstverletzungsdrang schon praktisch gar keinen Schmerz mehr – das Kind als das Gegenstück balanciert es aus, indem es sehr intensiv empfindet. Ein Glassplitter in der Hand ist wie ein Dolch im Arm für einen Erwachsenen.“, Setos Züge schienen wieder ein wenig weicher, die zusammen gezogenen Lider hatten sich gelockert, „Ich bin nur peritraumatisch dissoziiert. Ich entwickle keine neuen Persönlichkeiten. Ich verteile die Eigenschaften eines Menschen auf drei.“

„Hm...“, der Liegende nickte langsam, „Wie bei einer Waage, oder? Und wenn dein TI so extrem wütend ist, heißt das, dass dein Kind kaum wütend wird, richtig?“

Seto gab ihm statt einer Antwort einen Kuss.

„Letzte Frage: Was hättest du gern als Geburtstagsfrühstück?“

Der letzte Schultag

...zumindest der letzte vor den Herbstferien. Ich hätte sehr gern wieder Schule und Herbstferien T.T Das Medizinstudium ist zwar auch interessant, aber Schule war spannender (und fordernder). Ich gebe zu, Anatomie hat mehr gefordert als die Schule, aber Chemie und Physik hängt mir hier zum Hals raus. Ich lerne Altklausuren auswendig und sonst nix -.-

Ach ja, Chemie habe ich übrigens bestanden. Die nächste fordernde Prüfung wird wahrscheinlich erst die Integrierte Klausur (Zellbiologie, Physiologie und Biochemie), aber den Stoff hatte ich auch komplett schon in der Schule *seufz* Nur die ganzen Genkrankheiten im Detail werden neu sein. Mir ist langweilig.

Nun gut, mehr Langeweile ist mehr Zeit zum Schreiben ^.^ Für irgendetwas müssen Vorlesungen ja gut sein. Hier das neue Kapitel:
 

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„Katsuya!“, Ryou lief ihm schon im Flur entgegen, die Augenbrauen zusammen gezogen, doch lächelnd, nachdem der Blonde aufgeblickt hatte.

„Ryou!“, rief der Ältere übertrieben laut, ging ein wenig in die Knie und hob die Arme, um unter dessen Achseln zu greifen und einmal um sich durch die Luft fliegen zu lassen, bevor er ihn wieder runter ließ – das war vielleicht ein Fliegengewicht...

Ryou blinzelte verdattert, bevor er in Lachen ausbrach.

„Ich will auch.“, verlangte die Person, die auf den Ausruf hin auch aus dem Klassenzimmer gejagt war.

„Ayumi!“, rief Katsuya mit demselben Enthusiasmus, ging wieder in die Knie und hob die Arme, diesmal noch theatralischer als zuvor und wiederholte die Aktion mit ihr, während Ryou sich in Sicherheit brachte.

„Das ist lustig.“, meinte sie nur und grinste hoch, „Duhu...“, mit einem Schlag hatte sie eine dicke Schnute, „Wo warst du gestern? Ryou hat sich geweigert mir irgendetwas zu sagen.“

„Im Gericht. Sie haben meinem Vater das Sorgerecht entzogen.“, antwortete er nur mit Leichtigkeit in der Stimme.

Bei allen Göttern.

Hatte er das wirklich gerade gesagt?

Er schluckte.

Ryous Mund stand offen.

„Oh...“, Ayumi sah zu ihm auf, senkte einen Moment lang die Lider über ihre Augen, doch gewann ihr Lächeln wieder, „Glückwunsch, denke ich. Und was machst du jetzt?“

Katsuya atmete tief durch, ballte eine Hand zur Faust, ließ seinen Blick zwischen Ayumis Augen und dem Boden flackern, bevor er ein Lächeln auf seine Lippen zwang, sich zu ihr beugte und meinte: „Ich lebe.“

Einen Moment lang studierte sie sein Gesicht, bevor sie nickte und den Kopf zur Seite legte, den Blick zwischen Ryou und ihm schweifen ließ und meinte: „Ich bin dann wieder im Klassenzimmer. Ich muss die Sachen für meinen Vortrag vorbereiten.“

„Das war... mutig...“, flüsterte der Fünfzehnjährige und trat näher zu ihm, als das Mädchen außer Hörreichweite war, „Und es hat alles geklappt?“

„Nicht ganz.“, Katsuya seufzte, griff nach Ryous Arm und zog sie beide noch weiter vom Zimmer weg, „Sie haben ihn ohne jede Strafe laufen lassen. Und Mutter hasst mich noch immer.“

„Das tut mir Leid.“, murmelte der Kleinere.

„Ist kaum deine Schuld.“, ein weiteres Seufzen, während Katsuya sich an die Wand lehnte, „Ich hatte Schlimmeres erwartet.“

„Es ist trotzdem nicht fair.“, Ryous Hände ballten sich zu Fäusten, während eine Falte in seine Stirn zog, „Es ist verdammt nochmal nicht fair.“

„Es hört sich süß an, wenn du fluchst.“, murmelte der Blonde mit einem Lächeln auf den Lippen, „Und ja, es ist nicht fair. Aber fairer als manches andere. Ich bin frei, das ist das einzige, was zählt, denke ich.“

„Hm...“, die Luft entwischte dem kleinen Körper, „Manchmal frage ich mich, ob Bakura mit seinen Ideen von Blutrache eigentlich wirklich so unmoralisch ist...“

„Leid mit Leid zu vergelten macht keinen Sinn. Es ist unsinnig. Erst gestern habe ich mir Setos Vortrag angehört, wie der Mensch ewig niederträchtig bleibt und nur das Gesetz sich weiterentwickelt.“

„Hm.“, Ryous Blick richtete sich stur aus dem Fenster, während er die Arme vor der Brust verschränkte, „Ich weiß nicht, ob ich diese Entwicklung wirklich als positiv empfinde... sie hilft den Kindern nicht und verbietet auch noch, dass sie sich selbst helfen.“

„Wer bereit ist zu morden, kann auch zum Jugendamt gehen.“, argumentierte Katsuya.

„Jonouchi!“, kam ein empörter Ausruf irgendwo hinter ihm, „Wagen sie es nicht ihre Mitschüler zu bedrohen!“

„Ich möchte an keinem Ende der Waffe stehen.“, meinte der Blonde noch, drehte sich zu der Person und lächelte, was diese zusammen zucken und die Arme schützend vor ihren Körper ziehen ließ, „Entschuldigen sie bitte meine Wortwahl, Frau Lehrerin Okaya.“
 

„Aufwachen, Schlafmützen.“, meinte Kaiba nur, weil seine Schüler sich eher langsam zur Begrüßung aufrichteten – die Arbeitsmoral schien am letzten Tag vor den Ferien erheblich gesunken zu sein, „Da ich gestern aufgeräumt habe, sind mir glatt noch eure Japanischarbeiten in die Hände gefallen. Also habe ich mir vorgenommen, dass wir die Englischstunde heute ausfallen lassen-“

Ihn unterbrach Jubel von Seiten der Schüler.

„Okay, okay, ruhig...“, er machte eine Bewegung, als wollte er etwas runter drücken, „Das heißt nicht gleich Freistunde. Als euer Klassenlehrer möchte ich mit jedem von euch ein paar Worte wechseln. Kommt also dem Alphabet nach nach draußen. Der Rest hat solange frei. Ihr bleibt aber in der Klasse und haltet den Geräuschpegel klein, ist das klar?“, er ließ kurz den Blick schweifen, „Hijiri, du bist dafür verantwortlich, dass ihr keine anderen Klassen stört.“

„Yes, sir!“, grinsend hob er die rechte Hand an die Stirn.

„Gut.“, der Lehrer packte einen Stapel Hefte, „Hier erstmal eure Arbeiten...“, er teilte diese aus, schrieb einen Notenspiegel an die Tafel, nahm sein Notizheft, rief eine Schülerin auf und nahm einen Stuhl für sich selbst mit nach draußen.

„Hach...“, Ayumi stellte ihren Stuhl mit der Lehne zu ihnen vor die Pulte der beiden Freunde und setzte sich darauf, faltete ihre Arme und bettete den Kopf danieder, „Wir kriegen Englisch wohl wirklich erst nach den Ferien. Und wie ist Japanisch bei euch?“, sie sah zu Ryou.

„Hast du die zweite Bestnote?“, fragte der nur mit einem Hauch Rot auf den Wangen.

„Ja!“, sie grinste breit, „Und du?“, ein Blick zu Katsuya.

„Dreimal so gut wie letztes Jahr.“, er grinste stolz sein Arbeitsheft an, „Die Struktur ist immer noch nicht optimal, aber weit besser als früher. Kaiba hat mir einen Haufen Komplimente aufgeschrieben.“

„Cool.“, sie zwinkerte zum Jüngsten, „Bald kriegen wir Konkurrenz.“

„Nie im Leben. Mit Ryou kann ich mich nie messen.“, obwohl... sie hatten festgestellt, dass er hochbegabt war... das musste irgendeinen schulischen Vorteil bringen, oder? „Und was macht ihr so in den Ferien?“

„Ich helfe meinem Vater im Restaurant.“, beider Blicke richteten sich auf Ryou für seine Antwort.

„Ich weiß noch nicht... anscheinend gehe ich als einziger nicht arbeiten. Obwohl ich es derzeit wohl am nötigsten hätte. Braucht dein Vater noch mehr Leute?“, er lächelte Ayumi an.

„Keine, die er bezahlt.“, ihr Lächeln wurde von einem Seufzen begleitet, „Du gehst auch arbeiten? Haben die noch was?“

„Ich mache ein Praktikum bei der Kaiba Coorperation. Ich glaube nicht, dass die dafür zahlen.“

„Schade.“, sie spitzte die Lippen und sah einen kurzen Moment aus dem Fenster, „Warte mal... Kaiba Cooperation, der Spielzeughersteller? Da, wo unser Herr Kaiba früher Chef war?“

„Ja, der hat mir das vermittelt.“

„Cooool...“, sie dehnte das Wort, während ihre Augen funkelten, „Das ist viel cooler als Kellnerin... warum habe ich ihn nicht auch gefragt? Klar, dass der Mann echt klasse Kontakte hat...“, sie grinste, „Du verstehst dich gut mit ihm, oder?“

„Bakura!“, rief einer der Jungen, der gerade wieder vom Gespräch mit ihrem Klassenlehrer zurück war.

„Bis gleich, Leute.“, Ryou winkte kurz und machte sie auf den Weg nach draußen.

„Alles Gute!“, Ayumi wandte sich wieder zu dem Blonden, „Weißt du, was der eigentlich mit uns besprechen will?“

„Keine Ahnung. Mir hat er nichts gesagt.“

Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen, bevor sie sich langsam hoben und sie fragte: „Wieso sollte er dir sowas sagen?“
 

„Ah...“, Katsuya schluckte. Shit. Verplappert. Was jetzt? „Du weißt doch... nein, wahrscheinlich nicht. Ich kriege Nachhilfe von ihm. Deswegen sehen wir uns öfters.“

„Echt, Herr Kaiba gibt Nachhilfe? Ist ja krass.“, sie blinzelte, „Ich dachte, der wäre als stellvertretender Schulleiter voll ausgelastet. Das macht er nicht für viele, oder?“

„Öhm... weiß nicht. Denke schon.“, Katsuya fuhr mit einer Hand in seine Haare und kratzte seinen Hinterkopf, „Ich bin deshalb in den Mittagspausen oft bei ihm.“

„Ah...“, sie nickte langsam, „Jetzt verstehe ich... ich hatte mich schon gefragt, ob ihr heimlich eine Affäre habt, so wie ihr euch benehmt.“, Katsuya versteinerte, presste die Kiefer zusammen und hielt den Atem an, „Ah, sorry, sorry, sorry, so meinte ich das nicht!“, sie wirbelte mit den Händen vor ihrem Gesicht, „Das war nur ein Scherz, nicht ernst gemeint! Ich wollte dich nicht beleidigen!“

„Hm.“, er atmete tief durch und befahl seinem Körper sich zu entspannen, „Okay...“

„Hast du was gegen Homosexualität?“, fragte sie mit leiser Stimme.

„Ich bin mit Ryou befreundet, oder?“, er hob lächelnd eine Augenbraue.

„Uh... das ist echt Kaiba-like.“, ein Grinsen nahm ihr Gesicht ein, „Ich find‘ ihn echt toll... weißt du, ob er verheiratet ist?“

Katsuya blinzelte.

„W- was?“, brachte er einen Moment später hervor.

„Och komm! Noch nie daran gedacht eine Lehrerin- hach... ne, gut, vergessen wir das. Für uns Frauen sind ältere Männer okay, aber ihr Jungs habt da ja meistens einen an der Klatsche.“, sie winkte ab und ließ ihren Blick zum Fenster schweifen, „Was bist du eigentlich? Schwul oder hetero?“

Halloho... sie hatten sich vor drei Tagen kennen gelernt – richtig so? Er schluckte. Wie lange hatte er schon niemand mehr für zu direkt gehalten? Warum unbedingt dieses Mädchen? Wieso empfand er die Frage überhaupt als direkt?

Seto, die Lider fast geschlossen, die Wangen rot, der Atem keuchend, wie er mit einem Stöhnen den Kopf zur Seite warf und seine Finger im Bettlaken vergrub. Der Blonde spürte Röte auf seinen Wangen. Das war ganz allein sein Seto. Seiner. Das durfte niemand außer ihm sehen.

„Katsuya?“, sie legte den Kopf schief, „So plättend ist die Frage nun auch nicht.“

„Aber das hier ist nicht der Rahmen für ein solches Gespräch.“, gab er kühl zurück, „Ich rede weder gern über meine Familie noch über Sex – und erst recht nicht in der Öffentlichkeit.“

„Ist gut...“, sie hob die Hände, als würde man sie mit einer Waffe bedrohen, „Sorry. Sag‘ ruhig, wenn ich nerve.“

„Haa...“, Katsuya massierte einen Moment lang seine Nasenwurzel, „Das heißt nicht gleich, dass du nervig bist. Das heißt, dass die Frage derzeit einfach unpassend war.“

„Okay.“, ihre Arme legten sich auf sein Pult und ihr Kopf darauf, „Tut mir trotzdem Leid.“

„Schon gut...“, er warf einen sehnsüchtigen Blick zur Tür, „Was meinst du, warum Ryou so lange braucht?“
 

„Hey, Kleiner.“, Katsuya zog den Stuhl seines Freundes näher zu sich, damit sie sich leiser unterhalten konnten, wenn es sein musste, „Ist dein Notenspiegel plötzlich abgesackt oder was war?“

Ryou lächelte schmal, setzte sich und seufzte, bevor er sprach: „Nein, es ist... wegen der Sache... du weißt schon, wo ich Herrn Lehrer Kaiba angesprochen hatte...“

„Was ist damit?“, die Ernsthaftigkeit schlug sich auf seine Züge.

„Nun... Schritt eins ist durch. Ich soll jetzt sehen, ob es Wirkung gezeigt hat.“

„Meinst du, das wird es?“

„Keine Ahnung.“, Ryou seufzte und sein Blick flackerte über Katsuyas Hände, „Ich hoffe es einfach.“, er lachte trocken, „Klingt komisch, was? Ich habe Verantwortung abgegeben...“

„Du hast dich mit einer Aufgabe, die über deine Kräfte geht, an jemand anderen gewandt. Das ist keine Schande.“, nicht mehr... vor zwei Monaten hätte Katsuya so etwas niemals gesagt. Niemals hätte er um Hilfe gebeten.

„Sartre würde widersprechen.“, der Weißhaarige hob den Kopf mit einem schwachen Lächeln.

„Sartre ist weder zu beneiden, wenn er glaubte alles zu können, noch wenn er nie Verantwortung in andere Hände legte. Wer das nicht tut, macht so etwas wie Freundschaft und Liebe unmöglich.“, konterte der Blonde, „Beide gründen auf Vertrauen. Und Sartres Philosophie kann man in meinen Augen mit der Aufforderung gleichsetzen niemals zu vertrauen.“

Ein Mensch konnte niemals für alles Verantwortung übernehmen, was sein Leben betraf, wenn er sich nicht von der kompletten Welt isolierte. Und selbst dann gab es noch die Natur, die er nicht beeinflussen konnte. Kontrolle konnte man nie haben. Nicht über die Welt, nicht über seine Mitmenschen und im Endeffekt auch nicht über sich selbst – jede Erkrankung bewies es einem.

„Hm...“, der Jüngere senkte den Kopf, „Ja, der Gedanke kam mir auch... tut nur weh es ausgesprochen zu hören.“

„Sorry, mit meiner Meinung halte ich mich nicht zurück.“, Katsuya zwinkerte, „Kann ich g'rad irgendwas für dich tun?“

Die hellblauen Augen musterten die Umgebung, bevor Ryou leise seufzend mit den Schultern zuckte und sich auf dem Schoß des Größeren niederließ. Die Lider fielen hinab und sein Kopf sackte gegen Katsuyas Brust.

„Ohren steif, Kleiner...“, flüsterte er, „Du machst das klasse, wirklich. Du hast nicht aufgegeben Vertrauen zu schenken und stellst dich der Welt – trotz aller Schwierigkeiten und deiner Vorgeschichte. Ich bin stolz auf dich.“

Ein Schluchzen wurde von Katsuyas Kleidung verschluckt, während zwei dünne Arme um seine Taille das kleine Bündel Mensch an ihn zogen. Ihn mit einem Arm haltend und mit dem anderen über seinen kleinen Rücken streichend, betrachtete Katsuya den Jungen.

So klein in dieser Welt. So verletzt. So verängstigt.

„Ich will nicht stören, aber... ist alles okay?“, fragte eine Stimme mit Akzent.

Katsuya sah auf.

„Ah... Le-Long, richtig?“, der schwarzhaarige Chinese stand seitlich hinter Ayumi, die sie beide stumm betrachtete, und nickte, „Nur ein wenig emotionaler Stress hier. Bitte belastet Ryou in nächster Zeit nicht so sehr, ja?“, er wandte sich zu Ayumi, „Also vor allem keine Fragestunden.“

Sie zog den Kopf ein wenig ein und sah zu Boden.

Geburtstag

Ich muss Physik machen und schiebe mir derzeit alles an Arbeit dazwischen, was ich finden kann, um es nicht machen zu müssen -.- Ich hasse das Fach echt. Wie kann man dieselben Zeichen für verschiedene Dinge verwenden? Warum kann man Formeln nicht gleich so umformen, dass man nicht auch noch die Einheiten dreimal überprüfen muss, um welche Zehnerpotenz noch umzurechnen ist?

Und warum kriegen wir Aufgaben, wo wir das Erdmagnetfeld in Heidelberg für das Magnetfeld eines ein Meter langen Drahtes, der von Nordwest nach Südost verläuft, einrechnen müssen? Und wofür zur Hölle brauche ich das in Medizin??? Ich will weder in die Forschung noch in die Pharmazie T.T

Egal, genug rumgeheult, das hat hier nichts zu suchen. Ich wollte mich eigentlich noch einmal für die vielen lieben Kommentare bedanken und euch ansonsten viel Spaß mit dem neuen Kapitel wünschen ^.^
 

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„Na, was tut unsere Klasse?“, fragte Kaiba, während sich ein Lächeln auf seine Lippen schlich.

„Die meisten reden über Ferien. Ryou geht es nicht so gut, deswegen würde ich lieber wieder rein.“, der letzte Teil war eher gemurmelt, während Katsuya sein Gewicht auf ein Bein legte.

„Das wäre etwas verdächtig, wenn ich dich nicht kurze Zeit hier hätte.“, Kaibas Blick sank auf seinen Block, „Also, Jonouchi, ihre schulischen Leistungen sind sehr zufrieden stellend.“, entweder er bemerkte es nicht oder er überging es, dass Katsuya ob dieser Ansprache zusammen zuckte, „Sie haben sich in praktisch allen Fächern mündlich um mehrere Noten verbessert. Ihre Klausuren sind so weit auch in Ordnung. Weiter so.“, er blickte auf, „Und rufen sie mir Le-Long, bitte.“

Katsuya blies die Luft aus seinen Lungen, lächelte und machte kehrt, um wieder in die Klasse zu gehen. Das war doch schnell genug verlaufen. Er tippte den Chinesen an, zeigte auf die Tür und setzte sich wieder zu Ryou.

„Und was hat er gesagt?“, fragte Ayumi vorsichtig.

„Mündliche und schriftliche Noten, was er so von meiner Entwicklung hält und was ich in Zukunft tun soll.“, er warf einen Blick auf seinen Freund, dessen Augen wie leer schienen und zog diesen wieder auf seinen Schoß, „Was macht denn deine Familie so? Was für ein Restaurant führt dein Vater?“

Mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen begann sie ihre Erzählung, ratterte praktisch ihren ganzen Stammbaum runter und kam irgendwann darauf, was sie als Kind so angestellt hatte. Hörte sich glücklich an – mit Ausnahme der Tatsache, dass ihre Eltern irgendwie nie da zu sein schienen. Aber auf Nachfrage meinte sie, dass sei ihr ganz recht, sie hätte viel Freizeit. Irgendwo während ihres Monologes gesellte sich auch Le-Long wieder zu ihnen, der danach von seinen Ferienplänen erzählen durfte – Ayumi schien es nicht erlauben zu wollen, dass der Gesprächsfluss abstarb.

So wusste Katsuya nun, dass Le-Long mit seinem Vater nach Shanghai reisen würde, dass dieser Vater irgendeine Art von Geschäftsmann war und dort Verträge auszuhandeln hatte. Anscheinend sollte Le-Long eines Tages seine Arbeit übernehmen und wurde dazu ausgebildet.

Ryou hörte sich das Ganze mit Interesse an, während der Blonde mehr auf seinen Freund als auf die jeweils Sprechenden achtete. Er hatte sonst eher wenig Gelegenheit die Mimik eines Menschen so zu betrachten. Die Lider waren nicht ganz so weit geöffnet, wie Wachheit es vorschrieb, aber auch nicht so tief, dass es müde wirkte. Es bildeten sich kleine Fältchen, die von Nase bis zu den Mundwinkeln zogen, wann immer so etwas wie ein Lächeln auf Ryous Zügen stand – oder bevor es zu einem wurde. Und doch wirkten die Wangen irgendwie seltsam eingefallen. Die Wangenknochen zeichneten sich scharf ab, obwohl das Gesicht doch kindlich wirkte.

Und doch auf eine seltsame Art erwachsen. Als hätte man einem Kind die Maske eines Erwachsenen so lange aufgedrückt, dass die Züge hinein gewachsen waren.
 

„Seto?“

„Hm?“, der Lehrer sah von seinem Schreibtisch auf, den Blick dabei kaum hebend – eine offene Einladung, wie Katsuya wusste, „Ich bräuchte bitte Geld. Ich muss in die Stadt.“

„Jetzt?“, die Züge des anderen entgleisten einen Moment lang, während ein kaum bemerkbarer, weinerlicher Ton sich in seine Stimme schlich, „Warum?“

„Ich möchte dir etwas zum Geburtstag schenken. Ich habe zwar noch einige Dinge vor, aber ein vollkommen materielles Geschenk möchte ich dir auch machen.“

„Das ich bezahle?“, die Augenbraue des anderen hob sich.

„Du kriegst das Geld wieder. Ich habe nur gerade keins dabei.“, Katsuya stemmte die Hände auf den Schreibtisch und blinzelte mit einem Lächeln auf den Lippen, „Bitte...“

„Ja, ja...“, Seto schien mit der Hand imaginäre Staubkörnchen von der polierten Tischplatte zu fegen und griff nach seiner Brieftasche, „Nimm dir, was du brauchst.“

„Danke.“, der Blonde beugte sich über das Möbelstück, schmatzte seinem Freund einen Kuss auf die Wange und machte sich über den Geldbeutel her.

Der andere beobachtete ihn nur stumm.

„Hm?“, Katsuya sandte ihm ein Lächeln, als er den Blick bemerkte, „Ist etwas?“

„Du kochst und gibst das Geld aus, das ich verdiene. Du bist hiermit offiziell der weibliche Part der Beziehung.“, bestimmte Seto.

„Wie verträgt sich das damit, dass ich beim Sex oben liege?“, ganz zu schweigen, dass er ebenfalls arbeiten ging und Frauen nicht ausschließlich für's Kochen zuständig waren – aber im Endeffekt wusste er ja durch das Funkeln in den blauen Augen, dass es ein Scherz war.

„Sehr... Dominas sind der Renner.“, der Brünette leckte sich über die Lippen.

„Will ich wissen, an was du gerade denkst?“, fragte Katsuya laut, während er den Kopf schief legte, „Ich denke... nein. Ich bin dann unterwegs, sonst schaffe ich es nicht vor der nächsten Stunde.“

„Viel Spaß...“, das Lächeln auf Setos Lippen sah irgendwie... bedrohlich aus. Sollte er nachfragen? Nein, keine Zeit. Auf in die Stadt!
 

„Was ist... das?“, fragte Ryou mit weit geöffneten Lidern, den Blick auf den mit Geschenkpapier umwickelten Klumpen in Katsuyas Armen – der Blonde schaffte gerade mal die Arme darum zu legen, um es durch die Gegend zu tragen.

Der Angesprochene stellte das Gekaufte erstmal zwischen seinem Pult, das um ein Stück überragt wurde, und der Fensterfront auf und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. An sich war es leicht – nur der Weg zur Innenstadt war nicht unbedingt kurz und er war gerannt, um es rechtzeitig zu schaffen. Sein Blick wandte sich der im Schweigen liegenden Klasse zu.

„Hm?“, blinzelnd sah er ein paar Mitklässlern in die Augen, die ihn anstarrten, „Ist was?“

„Wieso... schleppst du das Riesenteil hier her?“, fragte das Mädchen, das neben Ayumi stand, „Ich meine... das ist doch sicher gegen die Schulordnung.“

„Nirgendwo in der Schulordnung steht, dass man keine Geschenke mitbringen darf.“, der Neunzehnjährige legte den Kopf schief, „Ich habe die Regeln viermal abschreiben müssen.“

„Ein Geschenk?“, Ayumi quiekte entzückt, „Was ist das denn?“, sie stand von einem Moment auf den anderen plötzlich neben ihm und stupste vorsichtig das Papier an, „Ist weich, oder?“

„Es ist ein Teddybär.“, informierte Katsuya lächelnd.

„So riesig?“, ihr Unterkiefer sackte ein Stück ab, bevor ihre Augen zu glänzen begannen, „Das ist ja so süß! Für wen ist das?“

Das... musste die Klasse jetzt nicht wissen. Aber konnte er Ayumi das anvertrauen? Besonders, wo sie schon irgendeine Beziehung vermutet hatte... Katsuya schluckte. Andererseits – würde er nichts sagen, würde sie selbst Schlüsse ziehen. Und lügen wollte er nicht.

Er krümmte den Zeigefinger und beugte sich selbst ein Stück zu ihr, worauf sie ihm sofort erwartungsvoll ihr Ohr zuwandte.

„Das ist ein Geheimnis, klar? Das ist verdammt peinlich.“, sie nickte eifrig und murmelte eine Zustimmung, worauf er sich noch näher beugte und flüsterte, „Es ist für den alten Grummelbär, der heute neunundzwanzig wird.“

„Grummelbär?“, flüsterte sie zurück – allerdings wirklich schwer hörbar, das musste er ihr lassen.

Er zwinkerte nur und sagte es Ryou, der sich von der anderen Seite mit neugierigem Blick an ihn heran geschlichen hatte. Zumindest dieser verstand sofort, lächelte breit und meinte: „Das passt.“

„Ich blick's immer noch nicht.“, meckerte Ayumi und verpasste ihm einen Schlag in die Seite, „Erklär's.“

„Nö.“, erwiderte Katsuya nur grinsend.
 

Setos Blick war göttlich.

Er hatte das Geschenk noch nicht einmal ausgepackt, aber der Anblick von Katsuya mit dem riesigen, unförmigen Geschenkpapierklumpen hatte ihn einen Schritt zurück nehmen lassen. Dieses leichte Zucken seiner Lider, das kurzzeitige Einfallen der Wangen, der wandernde Adamsapfel – erneut hatte er seinen Freund vollkommen überrascht.

Mit was hatte er wohl gerechnet? Einem Füller? Einer DVD? Musik? Der Mann hatte doch materiell eh, was immer er haben wollte – und keine Probleme das zu kaufen, was er nicht hatte.

„Was... ist das?“, fragte er, wobei Katsuya auffiel, dass er die Frage anders als die meisten anderen betonte.

„Ich glaube, das sieht man.“, der Blonde lächelte und trat näher, damit er nicht laut sprechen musste, „Auspacken darfst du zu Hause, also lass uns los.“

„Ich... aber... die Möbel?“, brachte Seto hervor.

„Wir können auch von zu Hause aus einkaufen fahren. Willst du mich etwa wieder um mein Mittagessen berauben? Der Doktor würde dich sicher kreuzigen.“, grinsend packte der Jüngere das Geschenk in einen Arm, griff nach Setos nicht von einem Mantel belegten Arm und zog ihn mit sich – nach wenigen Metern folgte dieser ihm freiwillig, wenn auch nicht, indem er enthusiastisch in Schlangenlinien lief und alle paar Sekunden stoppte, um den anderen anzulächeln.

Setos Blick schnellte immer wieder zu dem Geschenk, während sich seine Stirn in Falten legte. Einmal sogar biss er sanft in seine Unterlippe, entließ sie aber praktisch sofort wieder. Die Zunge schnellte unter seinen Wangen durch seinen Mund, ein paar Mal seufzte er fast unhörbar.

Ja, sollte der ruhig mal nachdenken. Wahrscheinlich hatte er längst heraus gefunden, was in dem Geschenk war – nur hatte er sicher keine Ahnung, warum Katsuya ihm so etwas schenkte. Aber er würde es erklären. Zu Hause.

Bis dahin musste der Ältere sich gedulden. Eigentlich etwas, von dem der Blonde dachte, dass sein Freund es perfekt beherrschte. Aber schon am Auto wurde er langsam nervös. Er scheuchte den Jüngeren in den Wagen, schlug die Tür zu und schnellte – rennen konnte man es noch nicht nennen – um den Wagen. Wenigstens fuhr er so vorsichtig wie immer. Aber schon waren sie angekommen, ging es weiter. Seto störte sich nicht einmal mehr daran, dass er sich auf seine Lippe biss. Er öffnete die Autotür, den Kofferraum, die Haustür, die Wohnzimmertür – er zog nicht einmal seine Schuhe aus und das war definitiv ein Zeichen.

Katsuya belächelte es nur, küsste ihn und überreichte ihm das Riesengeschenk.
 

Dieser Blick war noch göttlicher.

Der Ausdruck wechselte zwischen einer in Falten liegenden Stirn mit abfälligem Blick und glänzenden Augen mit den Anfängen eines Grinsens. Wenn Katsuya sich nicht völlig irrte, stritt der erwachsene Seto gerade mit dem Kind um das Bewusstsein. Tja, nachfragen oder sich einfach glücklich auf den Teddy stürzen? Der Blonde beobachtete das Schauspiel lächelnd.

„Ein Kuscheltier?“, schluckend, den Blick noch einmal zu dem Stoffwesen wechselnd wandte Seto sich ihm zu – anscheinend überwog derzeit der erwachsene Teil, „Ich glaube... ich verstehe nicht ganz.“

„Einmal weiß ich, dass dein Kinder-Ich sich gerade ein Schnitzel abfreut.“, meinte Katsuya leichthin, „Du hast kaum kuschelige Sachen im Haus und Spielzeug gibt es auch nicht viel.“, Seto senkte den Blick zu Boden, „Außerdem will ich nicht, dass du dich nochmal verletzt. Mit einem Teddy von der Größe kann man gegen Wände laufen ohne sich weh zu tun. Und du kannst ihn gegen Wände schmeißen, ohne dass er kaputt geht. Das ist besser als Möbel zu zerlegen. Du kannst sogar drauf einboxen, das hält er aus.“

Setos Hand hob sich – langsam, zittrig – und griff nach dem riesigen Teddy, hob ihn problemlos mit einer Hand und zog ihn an sich. Wie ein Kind mit einem neuen Kuscheltier – nur ein bisschen groß geraten.

„Na?“, Katsuya legte den Kopf schief, „Willst du ihm einen Namen geben?“

„Teddy.“, entschied ein relativ hohe Stimme aus Seto Mund sofort, „Teddy heißt Teddy.“

„Alles klar.“, der Blonde trat nah heran und legte seine Hand auf Setos Kopf, „Dein Teddy heißt Teddy.“

„Mein Teddy.“, wiederholte Klein-Seto und begann zu strahlen, „Mein Teddy?“

„Ja, dein Teddy.“

Himmel, der Junge war einfach zu süß. Katsuya legte seine Arme von der Seite um den Brünetten und küsste ihn auf die Wange, was Seto zum Lachen brachte. Er versuchte ihn zurück zu umarmen ohne den Teddy loszulassen, was schließlich beide amüsierte. Sie endeten auf dem Boden vor der Couch, Katsuya angelehnt, Seto mit dem Rücken zu ihm in seinen Armen und den Teddy auf ihm – er reichte von unter seinem Kinn bis zu seinen Oberschenkeln.

„Gutes Geschenk?“, fragte der Blonde sanft.

„Jaaa!“, Seto legte den Kopf in den Nacken und grinste hoch, „Danke, Kats!“

„Bitte, bitte.“, der Blonde zerwuschelte seine Haare, „Wollen wir Teddy ins Bett bringen? Wir müssen noch Möbel einkaufen.“

„Okay!“, der Größere sprang auf, das Kuscheltier in seinen Arm und rannte die Treppe hoch, Katsuya etwas langsamer auf seinen Fersen.

Der Blonde fand ihn im Schlafzimmer, wie er Teddy zudeckte und ihm einen Kuss gab – und verlangte, dass Katsuya das auch tat. Aber schaden konnte es ja nichts. Küsste er halt den Teddy.

„Gehen wir jetzt Möbel kaufen?“, Klein-Seto grinste ihn an.

Katsuya schluckte.

Problem – wie bekam er den erwachsenen Seto zurück?

„Ähm... erstmal essen wir etwas.“, Zeit hatte den Trick bisher immer gemacht, „Hilfst du mir beim Kochen?“

„Ja!“

Zeit und Ruhe

Entschuldigt bitte, ich hatte gestern überraschend Besuch und nachts nach Mitternacht keine Lust mehr an einem Laptop mit kaputtem Arbeitsspeicher Kapitel hochzuladen XD Demnach gibt es das Kapitel erst heute.
 

ACHTUNG: Nächste Woche gibt es kein Kapitel!
 

Das liegt daran, dass ich mich ohne Internetanschluss in Spanien befinde. Demnach muss ich meine Geburtstagsgrüße an feuerregen auch schon an dieser Stelle ausrichten, weil ich sonst nicht dazu komme. Ich wünsche allen schöne Ostertage, massenweise Hasen und viel Spaß mit diesem Kapitel ^.^
 

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Zeit und Ruhe – genau das brauchte es, um den erwachsenen Seto wieder zu kriegen. Vielleicht war es aber auch der Zwiebelgeruch gewesen, als Klein-Seto für ihn das Gemüse schnitt.

Ihm war es recht, seiner Meinung nach vertrugen sich Fünfjährige und große, schwere Messer nicht gut. So hatte er also den erwachsenen Seto schweigend und stoisch am Küchentisch.

„Was ist los, Großer?“, fragte der Blonde, als er einen Moment zwischen Zwiebeln und Paniermehl hatte und den Ausdruck auf Setos Gesicht als ekelerfüllt definierte.

„Nichts.“, meinte dieser nur und hackte auf die Paprika ein.

„Du siehst aus, als hättest du auf eine Zitrone gebissen.“

„Ich mag Zitronen...“, flüsterte der Brünette noch leiser, „Es ist... es ist nur...“, er schluckte und legte das Messer weg, „Nichts.“

„Seeetooo...“, Katsuya schlenderte hinüber, beugte sich etwas zu ihm gab ihm gespielt einen auf den Hinterkopf – es ließ Seto heftig zusammen zucken, „Oh... entschuldige. Das wollte ich jetzt nicht.“, er griff nach den großen Händen und drückte sie mit seinen, „Tut mir Leid.“

„Lass mich einfach...“, einen kurzen Moment war noch ein Glitzern zu sehen, bevor er den Kopf abwandte, „Lass mich einfach nur.“

Der Jüngere zog beide Hände zu sich, setzte auf jede einen Kuss, bevor er gegen Setos Hinterkopf pustete und ihn danach auch dort küsste und entschied: „Machen wir das nach den Essen aus, ja?“

Der Andere nickte nur.

Na wunderbar. Irgendwie lief echt alles schief. Seto erzählte über seine Gefühle und er begann zu lachen. Seto schämte sich und er sorgte für einen Flashback. War er eigentlich für irgendetwas zu gebrauchen? Und da meinte Yami noch, er solle nicht so zimperlich mit Seto umgehen? Wie sehr sollte er ihn denn verletzen?

Er unterdrückte einen Laut, während die Tränen über seine Wangen rannen und konzentrierte sich darauf durch das Fleisch kein Ei auf der Küchenablage zu verteilen, bevor er es ins Paniermehl legte.

Scheiße.

Was, wenn Seto ihn so sah?

Dann würde er sich auch noch schuldig fühlen, dass er hier so rumheulte.

Er war so ein Versager.

Er-

Ein Kuss wurde auf sein Haupt gesetzt und zwei Arme legten sich um seine Taille.

„Es tut mir Leid.“, flüsterte der Blonde automatisch, „Es tut mir Leid.“

„Ssssh...“, ein Arm griff nach der Pfanne, stellte sie von der heißen Platte, stellte den Herd aus, bevor Seto Katsuya zur Spüle bugsierte, seine Hände griff und diese wusch, während der Blonde sein Mantra wiederholte, „Hör bitte auf dich zu entschuldigen.“

„Es tut-“, er biss sich auf die Lippe. War er denn schon so dumm nicht einmal das zu verstehen?

„Lass uns ins Wohnzimmer gehen.“, bestimmte Seto.
 

Katsuya lächelte, die Augen geschlossen, den Kopf in Setos Schoß, seitlich auf der Couch liegend, mit einer Hand im Nacken, die ihn kraulte.

Er gab Seto Recht. Er musste etwas gegen die Attacken auf sein Selbstwertgefühl machen. Wenn er unsicher wurde, schlug es ihm praktisch um die Ohren und er steigerte sich hinein.

Der Ältere hatte ihm noch mal versichert, dass es in Ordnung und gut war, was er tat, dass er dankbar für seine Anwesenheit war und er ihm half. Dass es gut war, wenn er auch mal Fehler machte – auch wenn es weh tat – weil es nunmal die Realität war, die Seto mit jedem Menschen erleben würde. Es bereitete ihn auf einen lockeren Umgang mit sich selbst und der Außenwelt vor – und solange Katsuya ihn nicht bewusst verletzte, war es in Ordnung.

Kurz gesagt, Seto hatte logisch, physisch und psychisch sein Wertgefühl wieder aufgebaut.

„Und wie geht es dir?“, fragte der Blonde retour.

„Besser.“, man konnte das Lächeln aus der dunklen Stimme hören, „Ich genieße das hier.“

Sie wurden unterbrochen durch Katsuyas Magenknurren, was Seto dazu brachte ihn lauthals auszulachen, während er sein rotes Gesicht vergrub.

„Sei leise...“, murrte der Jüngere nur.

„Unfair, was? Ich krieg Anfälle, wenn du mich auslachst, aber du schämst dich nur.“, Katsuya seufzte und setzte sich ein Stück auf, um Seto in die Augen zu sehen, während er sprach, „Genau das macht mich fertig.“, die blauen Augen wandten sich ab, „Mein Kopf ist eine psychische Müllhalde. Ich hasse das. Ich habe keine Kontrolle.“

Katsuya zog das Gesicht einfach wieder zu sich – ein bisschen ruppiger, was? – und küsste den Brünetten mit Leidenschaft, während er ihn auf die Couch drückte.

„Mhm- mhm- mhm-mhm!“, Hände drückten ihn nach oben, „Hey! Mach' mal langsam, ja?“

„Nö.“, erwiderte Katsuya lächelnd, „Dummheit muss bestraft werden. Wage es nicht deinen Kopf als Müllhalde zu bezeichnen. Ich liebe dich. Als Erwachsenen, als Kind und selbst als dissoziative Puppe. Wage es nicht meinen Geschmack zu kritisieren.“

„Ah...“, Setos Lippen schlossen sich wieder, bildeten eine Schnute, durch das ein Murmeln drang, „Ich darf mich trotzdem scheiße finden.“

„Ich kann verstehen, dass es dich ziemlich ankotzt, dass du zwischendurch weg dissoziierst, Wutanfälle und Panikattacken kriegst und zu einem Kind wirst. Mir würde das auch Angst machen. Aber es ist doch schon weit besser als vor ein paar Wochen.“, er stupste Setos Nase mit seiner an, „Und es wird immer besser.“

„Irgendwann nicht mehr.“, der blauen Augen wandten sich ab, „Irgendwann habe ich wieder meinen Standard. Und dann? Dann geht es nicht mehr weiter.“

„Vielleicht doch.“, der Jüngere lächelte, „Du hast jetzt einen festen Freund. Du hast viele neue Erfahrungen gemacht in letzter Zeit. Veränderungen von außerhalb verändern auch deine Seele, nicht?“

„Meinst du...“, die Saphire flackerten zwischen ihm und der Wand, „Denkst du, es könnte sich etwas bessern?“

„Ich halte es für möglich.“, Katsuya küsste Setos Wange, „Wir werden es sehen. Erst mal musst du dich wieder stabilisieren.“, er seufzte, „Und ich mich bessern.“

„Oh ja...“, Seto leckte sich über die Lippen, „Bessere dich.“, er knurrte erregt, während sich seine Lider senkten.

„Du bist unmöglich.“, murmelte Katsuya, stand auf und ging Richtung Tür, „Ich mache erstmal das Mittagessen fertig.“
 

„Dieses Stück ist praktisch. Der Aufbau ist einfach, es enthält viele Schubladen und die Beinfreiheit ist optimal.“, argumentierte Seto.

„Es ist hässlich!“, hielt der Jüngere dagegen, „Und so eckig. Was, wenn sich unser Kleiner daran stößt?“, er stemmte die Arme in die Hüfte.

„Ob nun eckig oder rund, weh tut es immer.“

„Aber abgerundete Ecken bringen weniger Platzwunden.“, sie beide gönnten dem Verkäufer, der sie äußerst irritiert ansah, keinen einzigen Blick, „Wir müssen unser Haus nicht extra gefährlich ausstatten, oder?“

„Der einzige, der Gefahr läuft sich an so einem Ding eine Platzwunde zu holen, bist du, nicht unser Kleiner. Der ist vorsichtiger als du.“

„Dann habe ich auch das letzte Wort in der Sache. Wir nehmen diesen Schreibtisch nicht.“, Katsuya verschränkte die Arme vor der Brust.

„Du betrittst nicht einmal das Büro!“, die blauen Augen bohrten sich in ihn.

„Aber ich könnte es betreten.“, ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, „Bedenke, du hast es mir als Kunstraum angeboten.“

Er konnte nicht hören, was genau Seto eigentlich sagte, aber vom Ton her vermutete einen gezischten Fluch. Katsuya grinste. Yeah, er hatte die Oberhand in einem ihrer Argumente.

„Dann eben ein Schreibtisch mit abgerundeten Ecken... aber nur für dich, klar?“, grollte der Ältere.

„Ja, Drache.“

Seto murmelte in seinen nicht vorhandenen Bart, machte sich aber trotzdem auf zu den Schreibtischen in der Nähe der Fensterfront, die alle abgerundete Ecken hatten. Die meisten hatten entsprechend auch runde Flächen, waren eher ausladend und ästhetisch statt funktionell.

„Dieses Holz passt überhaupt nicht.“, urteilte der Ältere mit einem schnellen Blick.

„Natürlich können wir ihnen die Tische auch in einem anderen Holz liefern.“, mischte sich der Verkäufer schließlich doch noch ein, was ihm einen eiskalten Blick von Seto einbrachte. Armer Mann.

„Was hältst du von diesem hier?“, Katsuya zeigte auf einen Tisch mit zwei Seitenflügeln, „Schau, da kann man den Rechner hinstellen und hier sind genug Schubladen. Und die Arbeitsfläche ist immens!“

„Ganz toll.“, der Brünette sah nicht einmal hin sondern lieber aus dem Fenster.

„Soll ich aussuchen oder möchtest du mitbestimmen?“

Seto schnaubte nur und spitzte die Lippen ohne den Kopf zu wenden.

„Drachispatz?“, der Blonde piekste ihm grinsend in die Rippen.

„Du tust doch eh, was du willst.“

„Wenn ich keine Meinung von dir kriege, werde ich das tun, ja. Und dann sind wir beide unglücklich.“, war das noch gespielt oder wurde Seto das hier langsam ernst? Über so etwas zu streiten war doch albern.

„Ach, bin ich jetzt auch noch schuld, dass über meinen Kopf hinweg bestimmt wird?“, uh, giftiger Blick...

„Ja, bist du.“, Katsuya stemmte die Hände in die Hüften, „Wenn du keine Meinung von dir gibst, wird nunmal über deinen Kopf bestimmt.“

„Pah.“, sie wurden abgelenkt durch Setos Handy. Der Größere gab ihm noch einen giftigen Blick, fischte nach dem Gerät in seinem Jackett und trat ein paar Schritte zur Seite, bevor er dran ging: „Kaiba... danke... ja, tut es... wir suchen gerade Möbel aus... ja, habe ich... der Typ ist eine Pest, weißt du das? Wie hast du den erzogen?“ - ging das um ihn? - „Meinst du das ernst? ... Gern. Shitei... alles klar... ja, bis gleich.“

„Jaaa?“, fragte Katsuya, den Fuß auf den Boden tippend.

„Meine Erlösung kommt vorbei.“, informierte Seto ihn mit einem Lächeln, „Welcher Tisch gefiel dir?“
 

Irgendwie missfiel Katsuya die Verbindung des Wortes Erlösung mit seinem besten Freund. Vielleicht war er durch Seto etwas zu sexualisiert, aber irgendwie konnte er es nicht in einen unschuldigen Rahmen bringen.

Es könnte natürlich auch an der herzlichen Begrüßung liegen, bei der sich die beiden praktisch begrapschten und abknutschten. Katsuya seufzte. Er wusste, dass er übertrieb, aber... es war Seto, verdammt. Sein Seto.

„Ist es jetzt mal gut mit euch beiden?“, maulte der Blonde Yami an, der frontal an Seto lehnte, die Hände auf seiner Brust, dessen Hände auf seinen Schultern.

„Uh, eifersüchtiges Blondchen.“, der Rothaarige grinste, ließ von Seto ab und tapste rüber zu ihm, um die Arme um seinen Hals zu schwingen, „Katsuya! Mein Lieb! Was habe ich dich vermisst!“

„Lass den Scheiß.“, knurrte Katsuya nur, drückte ihn von sich, „Sag diesem Idioten dort lieber, dass ich sauer bin, wenn er dich mir vorzieht.“

„Uh, Ehekrach?“, Yami hob eine Augenbraue, „Da will ich mich lieber nicht einmischen. Für welchen Schreibtisch habt ihr euch entschieden?“

Der Verkäufer, der immer noch bei ihnen stand, seufzte leise.

„Keinen?“, vermutete er richtig, „Aber, aber, wo ist eure Kompromissbereitschaft?“

„Nicht mehr vorhanden.“, Katsuya rollte mit den Augen, „Ich sagte, ich möchte einen Tisch mit abgerundeten Ecken, dem hat Seto schließlich zugestimmt. Aber seitdem schmollt er.“

„Oh...“, die Amethyste blitzten zu Seto, „Kriegt unser Spatz etwa mal nicht seinen Willen?“

„Es ist mein Schreibtisch!“, verteidigte sich der Brünette, „Ich arbeite daran und ich bezahle ihn! Wieso darf ich ihn mir nicht aussuchen?“

„Das darfst du doch.“, der Rothaarige lächelte halb amüsiert, halb entzückt, „Aber du wohnst nun nicht mehr allein. Du hast nun auch auf die Wünsche anderer zu achten. In diesem Fall Katsuyas.“, er legte den Kopf schief, „Natürlich musst du nicht alle Wünsche beachten, aber jeder beachtete Wunsch erhöht die Sympathie.“

„Bis es selbstverständlich wird, dass ich sie erfülle.“, Seto verschränkte die Arme.

„Wie oft bist du dem Typen heute schon über die Leber gerannt?“, fragte Yami mit einem Seitenblick.

„Nicht oft. Nur... drei- oder viermal?“, jener prustete, bevor er das Geräusch hinter seiner Hand versteckte, „Ich gebe zu, vielleicht hätte ich ihm in der Mittagspause nicht den Sex verwehren sollen, aber ich wollte sein Geschenk kaufen gehen.“

„Oh, Geschenk, da sagst du etwas.“, Yami drehte sich Seto zu, „Möchtest du deinen Geschenk jetzt oder nachher?“

„Warum schenkt ihr mir alle was?“, maulte der Brünette weiter.

„Also nachher. Hast du Noah auch eingeladen?“, wann hatte er überhaupt Yami eingeladen?

„Ja.“, der Größere verschränkte die Arme und wandte sich demonstrativ einem der Tische zu, „Der hier sieht doch gut aus. Nehmen wir den.“

Katsuya grinste. Das war der Tisch mit den Seitenflügeln.

Kaffee und Kuchen

Ich bin wieder da ^v^ Um den Schocker zu finden, dass die drei Hauptreferenten des Workshops, den ich organisiere, alle gleichzeitig absagen... Heureka -.-

Nun ja, alles uninteressant. Interessanter ist die Tatsache, dass ich drei Kapitel (oder vier?) vertippselt habe. Hier eines davon ^.^

Viel Spaß beim Lesen, hoffe frohe Ostern und schöne Ferien gehabt zu haben und alles Liebe für's REVIEWEN!
 

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„Home, sweet home...“, Yami ging mit schwingenden Hüften ins Wohnzimmer und ließ sich dort auf die Couch sinken, „Habt ihr Eistee da?“

„Im Keller.“, meinte Seto nur, „Geh' ihn dir selbst holen.“

„Och... aber du bist doch gastfreundlich, oder, Kats?“, große, violette Augen blinzelten ihn unschuldig an.

„Du benimmst dich eh, als gehörst du zur Einrichtung. Nix mit Gast.“, entschied auch Katsuya.

„Gemeinheit.“, prompt legte Yami sich komplett auf ihre Couch, „Bei so einer Behandlung verdienst du gar kein Geschenk. Warst nicht artig dieses Jahr.“, er griff in seine Handtasche und zog etwas Rechteckiges hervor, „Aber das zählt ja erst zu Weihnachten. Kannst bis dahin ja noch ein paar gute Taten aufarbeiten.“

„Pah.“, mit vorgezogener Unterlippe griff Seto das kleine Paket und zog es an seine Brust, bevor sich ein Lächeln auf seine Lippen legte, „Das ist groß.“

Der Rothaarige blinzelte kurz, bevor sich ein breites Grinsen in sein Gesicht schlich. Mit einem Blick zu Katsuya ließ er Daumen und Zeigefinger näher zusammen fahren, worauf dieser nickte.

„Darf ich das auspacken?“, fragte Seto noch einmal nach, den Blick schüchtern auf Yami gerichtet.

„Ja, darfst du.“, bestätigte dieser.

Der Blick der blauen Augen fiel auf das Geschenk, schnellte einen Moment noch mal hoch, bevor das Papier in Blitzschnelle auf dem ganzen Boden verteilt war, auf dem Seto mittlerweile hockte.

Katsuya und Yami lächelten sich zu.

„Theorienapotheke...“, las der Brünette vor, warf einen Blick auf den Buchrücken, doch griff relativ schnell nach dem zweiten Geschenk, das auch in dem gewesen war, was er ausgepackt hatte, „Ist das auch ein Buch?“, er schüttelte es an seinem Ohr, „Das klappert!“, breit lächelnd wurde auch dieses Geschenk von seiner Verpackung befreit.

„Gute Idee.“, raunte Katsuya seinem besten Freund zu, der sich so hingelegt hatte, dass sein Kopf in der Nähe des an der Couch lehnenden Blonden war. Ihrer beider Blicke lagen auf Seto, der gerade mit großen Augen eine Packung Straßenkreide betrachtete und mit seinen langen, grazilen Finger darüber fuhr.

„Können wir damit spielen?“, fragte er fast flüsternd.

„Jetzt?“, Katsuya sah kurz Yami, der mit den Schultern zuckte. Freitag Abend, sie hatten eh nichts Besseres vor, Seto hatte Geburtstag – Katsuya nickte ihm zu.

„Da muss ich ja aufstehen...“, maulte der auf der Couch Liegende, streckte sich und stand auf mit einer Hand im Kreuz.

„So gebrechlich bist du nun auch nicht.“, Katsuya setzte ihm gespielt einen Schlag in die Seite, stand selber auf und ging zu Seto, der an der Haustür saß, „Schatz, warte kurz.“

„Hm?“, er sah aus dem Sitzen auf, ein Funkeln in den Augen.

„Geh bitte kurz rauf und zieh dir einen Trainingsanzug an. Ich möchte nicht, dass du deine guten Sachen schmutzig machst.“

„Okay!“, das Energiebündel flitzte an Katsuya vorbei die Treppe hoch.
 

„Er ist so unglaublich niedlich, wenn sein Kind durchkommt...“, flüsterte Yami, der seine Stiefel nahm und sich neben Katsuya an die Wand lehnte, um diese anzuziehen, „Und du kannst gut mit ihm umgehen.“

„Danke.“, ein Hauch von Röte legte sich auf seine Wangen, „Es ist irgendwie... ganz natürlich. Ich kann es gar nicht beschreiben. Ich muss mich gar nicht irgendwie verändern, um anders mit ihm umzugehen, wenn er so ist.“

„Das passt schon mit euch beiden.“, Yami stützte sich mit einer Hand auf ihn, während er mit der anderen den Reißverschluss seines zweiten Stiefels schloss, „So lange du keinen Teil ablehnst und immer daran denkst, dass alle eine Seele sind und nicht verschiedene, läuft das.“

„Das ist schon schwer.“, gab Katsuya zu, „Ich... habe Angst vor seinem TI.“

„Ist wahrscheinlich nur gesund.“, die Amethyste richteten sich auf die Treppe, „Ich weiß ehrlich nicht, ob ich das könnte... ich habe nie wirklich darüber nachgedacht, als ich mit Seto zusammen war, dass er praktisch jeden Moment ausflippen und gewalttätig werden könnte.“

„Na ja... so unberechenbar ist er ja dann doch nicht. Ich kann darauf vertrauen, dass er sich zusammen hält, wenn er nicht unter extremen Stress steht oder sehr emotional ist. In letzter Zeit kann ich sogar darauf vertrauen, dass er sich zurückzieht, bevor er mir etwas tut.“

„Ich weiß auch nicht, ob es mich beruhigen würde, wenn er stattdessen Möbel klein schlägt.“, Yami sah ihm aus dem Augenwinkel an.

„Es löscht die Angst nicht aus.“, gab Katsuya zu, während eine Träne über seine Wange lief, „Aber es geht. Ich denke, ich kann damit leben.“

Ein Arm legte sich um seine Schultern und er ließ sich gern in die Umarmung fallen.

„Du weißt ja, wenn irgendetwas ist...“, flüsterte Yami ihm zu.

„Rufe ich dich an.“, ein Lächeln legte sich auf Katsuyas Lippen, „Ich weiß. Danke.“

„Anrufen, vorbeikommen...“, der Rothaarige seufzte, „Meinetwegen kannst du auch in meine Wohnung einbrechen, falls ich nicht da bin. Nein!“, er zog sich ein Stück zurück, „Ich lasse dir einen Schlüssel für meine Wohnung machen, okay? Dass ich da bis heute nie dran gedacht habe...“

„Danke.“, widerholte der Blonde noch einmal und lächelte, „Was genau ist eigentlich mit dir los? So hyper bist du meistens, wenn du etwas vorspielst.“

Jeder Ausdruck wich aus Yamis Zügen, als hätte man ihm eine Maske vom Gesicht gerissen. Die Lippen bildeten einen Spalt zwischen ihnen, die Lider weiteten sich, bevor die Amethystaugen sich abwandten. Einen Moment schwieg er, holte tief Luft, bevor er zur Antwort ansetzte: „Ich... versuche den Schmerz zu vergessen... zu verdrängen... jedes Mal tut es mehr weh, wenn ich euch beide sehe. Ihr baut euch eine kleine eigene Welt auf, in der ich kaum eine Rolle habe. Ich kann nur zusehen, mir Sorgen machen und euch beneiden.“

„Beneiden?“, flüsterte Katsuya leise.

„Ein Blinder würde sehen, was ihr einander bedeutet.“, Yami blickte mit schimmernden Augen auf, „Eure Beziehung ist fernab von jeglichem Ideal, sie ist gefährlich und gewissermaßen krank, aber ihr liebt euch. Nicht nur du ihn, sodass du an ihm kaputt gehst, sondern er auch dich. Trotz seiner extremen Probleme mit seinen Gefühlen drückt jede Geste aus, was du für ihn bedeutest. Er wird dir nie wirklich zurückgeben können, was du alles in diese Beziehung steckst, aber er gibt sich unglaublich Mühe. Aus psychologischer Sicht weine ich für euch beide Tränen des Glücks, dass ihr das hinkriegt, denn das ist praktisch ein Wunder, aber... wie gesagt... ich bin zu einer Randfigur geworden. Für jeden von euch.“, er seufzte und ließ seinen Kopf gegen Katsuyas Schulter sinken, „Bitte gib mir noch etwas Zeit. Ich muss mich daran gewöhnen.“

Auch der Blonde schluckte, aber nickte langsam.

„Kommst du zu mir, wenn Seto ins Fitnessstudio geht?“

„Klar. Darauf freue ich mich schon.“, und das sagte er nicht nur, weil Yami aussah, als würde er sonst in Tränen ausbrechen, „Wir haben lange nicht mehr allein und ohne Druck miteinander gesprochen.“, hieß, ohne dass Seto da oder das Thema war.

„Danke.“, der Rothaarige zog ihn noch einen Moment an sich, bevor er sich löste, „Meinst du, Seto hat seine Fassung wieder gefunden oder hat er wohl die Wände im Schlafzimmer für bemalenswert gehalten?“
 

Nichts von beidem war der Fall gewesen.

Seto hatte sich nur nicht entscheiden können, welchen seiner Sportanzüge er nahm. Auf Nachfrage meinte er, ihm seien alle zu langweilig, was Yami vorschlagen ließ, dass sie ihm einen Anzug mit kleinen Drachen drauf schenken sollten – das Aufleuchten in den großen, blauen Augen ließ Katsuya allerdings eher schlucken als zustimmen. Eigentlich wollte Seto solcherlei Aufmerksamkeit nicht, oder? War es dann überhaupt richtig jetzt mit ihm spielen zu gehen? Wurde Seto ihnen nachher dafür den Kopf abreißen?

Andererseits... es war eine Seele. Seto war nicht multipel. Er wusste, was er als Kind tat. Wenn er wirklich vollkommen dagegen wäre, würde er einschreiten, oder nicht? Er konnte doch einschreiten, oder? Verwirrend... eigentlich dachte er Setos Krankheit kapiert zu haben.

Da allerdings selbst Yami ihm die Frage nicht beantworten konnte, ließen sie Seto einfach seinen Willen. Wenn er mit Kreide malen wollte, tat er das halt. Und wenn die Nachbarn das blöd fanden, war das deren Problem. Und wahrscheinlich würde auch keine Boulevardpresse groß daran interessiert sein Ex-Stars dabei zu zeigen, wie sie die Straße vollkritzelten.

„Malst du mir einen Drachen?“, fragte Seto erwartungsvoll blinzelnd, während er Katsuya die weiße und blaue Kreide unter die Nase hielt.

„Klar.“, wie lange hatte er nicht mehr mit Straßenkreide gemalt? „Und was malst du?“

„Weiß nicht... was soll ich malen?“

„Eine Familie.“, warf Yami von der Seite ein, „Kannst du das?“

„Klar kann ich das!“, Seto zog eine Schnute und griff nach der roten Kreide, „Was für eine Familie?“

„Das, was dir zu einer Familie einfällt.“, ein warmes Lächeln spielte mit Yamis Lippen, „Lass deiner Phantasie freien Lauf.“

„Das ist dir jetzt ganz zufällig eingefallen, ja?“, flüsterte Katsuya ihm zu, als Seto sich einen passenden Platz der Straße aussuchte.

„Es ist was Therapeutisches, ja.“, das Lächeln stand noch immer auf seinen Lippen, doch seine Augen waren mit Tränen gefüllt, „Der Gedanke, seine einzelnen Teile alltagstauglich zu machen, um die Gesamtperson wieder zu kriegen, ist nicht schlecht. Ich möchte Klein-Seto kennen lernen, um ein Bild davon zu kriegen, was er braucht, um älter zu werden.“

„Sicherheit, Liebe und eine Bezugsperson. Liebe kriegt er von mir und seine Bezugsperson bist du.“

„Ich?“, Yami sah auf und blinzelte, „Wie meinst du das?“

„Noch nicht bemerkt?“, es war an Katsuya überrascht zu gucken, „Was auch immer für ein Problem da ist, sobald es Seto über den Kopf wächst, ruft er dich an.“

„Wenn es um dich geht, ja. So wie du, wenn es um ihn geht.“, der Rothaarige legte den Kopf schief, „Aber sonst? Mir würde nicht einfallen... obwohl doch, ja. Manchmal ruft er mich auch wegen anderen Dingen an. Aber sehr selten.“

„Ich glaube, außer mir und seiner Psyche hat er kaum Probleme.“, sein Gegenüber nickte bestätigend, „Also ruft er größtenteils deswegen an. Du bist für uns beide die erste Anlaufstelle, wenn es um Hilfe geht.“

Yami öffnete den Mund, doch Seto war schneller: „Katsuya! Was ist mit meinem Drachen?“

„Komme!“
 

Ein silberner Mercedes SL 55 fuhr auf der gegenüberliegenden Straßenseite an den Bordstein, hielt dort und einen Moment später stellte auch der Motor sich aus. Yami war längst aufgestanden und ging herüber, um nach einem kurzen Blick durchs Fenster die Fahrertür zu öffnen.

„Guten Abend, schöner Mann.“, konnte Katsuya gerade noch von Yami verstehen, „Haben sie genug Torte für alle mitgebracht?“, worauf ihm eine große Pappschachtel entgegen gehalten wurde, „Sie haben wirklich Torte mitgebracht?“

„Was Besseres fiel mir ehrlich gesagt nicht ein.“, erwiderte Noah, der sich gerade aus dem Wagen befreite und Yamis angebotenen Arm nutzte, um sich hoch zu ziehen, bevor er zu Seto sah, „Was genau habt ihr mit meinem Bruder angestellt?“

„Seine Kinderpersönlichkeit zum Spielen rausgelassen.“

„Seine was?“, zischte Noah, wodurch der Blonde ihn kaum verstehen konnte – doch die Schärfe des Tons ließ ihn die Worte deuten, „Seine... ah... dasselbe, wie als er bei mir Schokokekse gefuttert hat?“

Was Yami kaum wissen konnte.

„Genau das.“, rief Katsuya herüber, „Magst du auch was malen?“

Die Lider zogen sich mehrfach über die grünblauen Augen, bevor Noah den Kopf leicht schüttelnd zu ihm herüber kam und antwortete: „Nein danke. Das machen meine Nerven nicht mit – wörtlich.“

„Oh.“, Behinderungen waren echt bescheuert, „Schade. Ist lustig.“

„Hm.“, murmelte der Stehende unbestimmt, „Und was malst du?“

„Einen Drachen. Seto hat ihn sich gewünscht.“, genau genommen malte er mittlerweile an einer passenden Umgebung für den Drachen, mit dem er schon fertig war, „Ich warte darauf, dass der sein Bild fertig stellt. Yami hat ihm aufgetragen eine Familie zu malen. Ist was Therapeutisches.“

„Etwas Therapeutisches?“, Noah warf einen Blick zur Seite, an die der andere getreten war.

„Ich habe nicht genug praktisches Wissen über peritraumatische Spaltungen. Theoretisch gesehen verkörpert das Kind seine normalen menschlichen Bedürfnisse und Gefühle und nutzt eine kindliche Art, um diese auszudrücken. Das erwachsene Ich ist normalerweise der Filter, um diese auf eine für das Alter annehmbare Weise auszudrücken und mit den traumatisch eingebrachten Grundsätzen und Gefühlen in Einklang zu bringen, die das Täterintrojekt darstellt.“, Yami seufzte kurz, „So die Theorie. Aber normalerweise müsste dann das erwachsene Ich immer als Filter da sein. Wie kommt es also, dass dieses kindliche Verhalten durchschlägt? Beziehungsweise Panikattacken oder Aggressionsschübe, die ein Ausdruck des Täterintrojekts sind? Haben wir hier wirklich die reine kindliche Seele vor uns? Oder aber ist es immer noch das erwachsene Ich, das allerdings das Kinder-Ich zur Zeit weniger blockiert?“
 

„Und das testest du gerade?“, murmelte der Älteste leise.

„Gewissermaßen, ja. Natürlich ist es kein sicherer Beweis, aber wenn dieser Kinder-Seto traumatische Anteile aufweist, dann ist das nicht der reine Bedürfnisausdruck als isolierte Form, sondern einfach nur der normale Seto, der sein Verhalten verändert hat.“, alle drei schwiegen einen Moment und beobachteten den Brünetten, der völlig in sein Kreidebild vertieft war, „Oder aber die Theorie ist Müll und Seto ist dissoziativ identitätsgestört, also multipel, was das Vorkommen von traumatisierten Kinderseelen beinhaltet.“

„Ist es denn so wichtig da zu unterscheiden?“, fragte Katsuya. Wenn das hier nämlich nur formaler Kram war, hätten sie Seto auch ruhig irgendetwas Schönes zeichnen lassen können. Etwas, das auch er als schön empfand. Obwohl... wenn er keine traumatischen Anteile trug, müsste er eine Familie als etwas Schönes empfinden, oder?

„Wenn Seto nur sein Verhalten ändert, aber das hintergündige Trauma dasselbe bleibt, kann man den Erwachsenen oder das Kind behandeln, man behandelt im Endeffekt dasselbe. Wenn es sich um zwei isolierte Wesen handelt, also wenn das Kind wirklich nur ein Ausdruck von Bedürfnissen ist, also kein eigenes Trauma – dann muss das erste Ziel einer Therapie sein Kind und Erwachsenen zu einer Person zu machen.“, Yami verschränkte die Arme vor dem Körper, die Hände jeweils an seine Ellbogen, „Ich versuche hiermit etwas genauer zu bestimmen, was für eine Behandlung Seto braucht.“

„Wir können ihn eh nicht heilen, oder?“, fragte Katsuya, während er den letzten Strich in sein Bild setzte, „Du sagtest, dass man Leute mit persönlichem Bezug nicht therapieren kann.“

„Das ist wahr.“, bestätigte der Rothaarige ohne einen Moment des Zögerns, „Nur sollten wir das Kinder-Ich wirklich rauslocken? Oder sollten wir Wege finden, dass Seto es besser im Zaum halten kann? Was sollten wir ihm raten?“

„Sich mit diesen Fragen an seinen Psychiater zu wenden.“, warf Noah ein.

„Mit dem habe ich schon gesprochen.“, die Amethyste zuckten kurz zu diesem, bevor sie sich wieder auf das vollständige Drachenbild auf dem Asphalt richteten, „Er sagt, er kapituliert. Er hat getan, was er tun konnte – Seto ist alltagstauglich. Rest liegt bei ihm und uns.“, sein Blick legte sich für mehrere Sekunden auf die beiden Gesichter seiner Zuhörer und studierte deren Ausdruck – Katsuya konnte von seinem eigenen sagen, dass er Entsetzen schrie, „Ihr glaubt beide, Medikamente und Psychotherapie würden in der Lage sein psychische Krankheiten zu heilen, oder?“

„Nun ja... dafür sind sie da, oder?“, Noahs Tonlage würde er irgendwo zwischen erstickt und verzweifelt einordnen.

„Nein. Sie sind Hilfestellungen, um Menschen die Bewältigung des Alltags zu erleichtern.“, es war an Yami den Kopf zu schütteln, „Der Glaube, Ärzte könnten etwas heilen, ist eine Illusion. Ärzte können uns helfen und selbst zu heilen.“

Rumps. Ein Klumpen Realität mehr auf seinen Kopf gekracht. Kein Wundermittel für Seto in Sicht – und auch keins für sich selbst. Tief durchatmend sah der Blonde zu Noah auf. Wie lange schlug er sich schon mit Seto rum? Jetzt bald zwanzig Jahre. Zwanzig Jahre, in denen er glaubte, hoffte, betete, dass sich etwas besserte, nur um jedes Mal wieder neue Rückschläge zu erfahren. Und doch hatte er die Illusion, dass es Seto besser ginge, wenn er nur den richtigen Arzt fände, nur genug Vertrauen fassen könnte eine ordentliche Therapie zu machen?

Aus dieser Haltung sprach Verzweiflung.

Und Verbitterung.

Würde er auch einst verbittern, wenn Seto nie heilte? Wenn man jeden Tag wieder vor Augen geführt bekam, was Missbrauch und Vernachlässigung, was andere Menschen aus einem Kind machen konnten?

„Ich stelle die Torte besser in den Kühlschrank.“, entschied Yami.

Seto malte weiter. Keiner wagte es ihn zu stören.

Gespräche in trauter Runde

Na, gibt es euch noch? Oder sind alle in einem Stress, wie ich in letzter Zeit war? Für mich hat es jetzt zum Glück erst einmal vorbei. Ich muss diese Woche das letzte Physikprotokoll überprüfen, habe Vorlesungen und muss für die Klausur im Juni senden, aber sonst habe ich keine Verpflichtungen außer der Nachbereitung des Workshops, den ich letztes Wochenende gehalten habe. Das heißt, ab jetzt beantworte ich wieder Mails und ENS ^-^

Viel Spaß beim Lesen und eine entspannte Zeit wünsche ich! (Und schaut doch mal unter der Charakterbeschreibung das neue Fanwork an ^.-)
 

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„Yami?“, die Zweimetergestalt erhob sich, ordnete dabei die Kreidestücke in die Schachtel zurück, bevor er sich die Hände am Trainingsanzug abklopfte, „Deine Kritzelei ist fertig.“

„Komplett von deinem Kinder-Ich oder hast du nachgeholfen?“, fragte dieser nach und ging direkt zu Seto herüber.

„Sehe ich aus wie jemand, der Kinderkritzeleien mit Straßenkreide ergänzt?“, der Brünette rümpfte die Nase über seine verschmutzten Hände, „Und hast du auch nur die leiseste Ahnung, was du meinen Nagelbetten angetan hast? Wenn sie aufplatzen, ist das deine Schuld.“, warnte er und machte sich auf Richtung Haus ohne noch einmal anzuhalten, „N’Abend, Noah.“

„Hi...“, dieser sah abwesend den Kopf schüttelnd seinem Bruder hinterher, während Katsuya zu Yami hinüber ging.

„Und, was siehst du?“

„Schwarze Wolken. Eine Sternschnuppe im Gürtel des Orion kündet von Unheil.“, krächzte Yami und streckte die Hand von sich, als wollte er etwas Unsichtbares aus der Luft greifen.

„Yami, lass den Scheiß!“, Katsuya erstarrte, warf einen erschrockenen Blick auf seine neben seinem Kopf erhobene Hand – er hatte seinen besten Freund nicht gerade schlagen wollen, oder? Das konnte- nein- scheiße! Verdammt... das konnte doch nicht...

Sein Blick traf auf die durchdringenden, in den Tiefen funkelnden violetten Augen.

„Es... entschuldige.“, der Arm sank sofort wieder, zuckte an Katsuyas Körper zurück, „Ich habe keine Ahnung, was in mich gefahren ist-“

„Stress.“, unterbrach Yami das Gestammel, „Du stehst unter Stress, bist unsicher und weißt mit der Situation nicht umzugehen. Also reagierst du mit dem, was du am besten kennst. Ganz instinktiv.“, er trat einen Schritt auf Katsuya zu und legte die Arme um ihn, „Tut mir auch Leid. Keine blöden Witze mehr heute.“

„Es tut mir so Leid...“, jammerte dieser, umarmte seinen besten Freund ebenfalls und schloss die Augen, damit nicht noch mehr Tränen daraus rannen.

„Ist okay... sssch... ruhig, Kats... ist in Ordnung...“, murmelte Yami vor sich hin und begann ihn mit einer Hand zu kraulen, „Alles in Ordnung... mir ist nichts passiert... und du hast dich viel mehr erschrocken als ich.“, das war von Amüsement begleitet, „Du hast dich doch zurückhalten können. Alles okay.“

„Es tut mir trotzdem Leid...“, Katsuya atmete tief durch und löste sich ein Stück von ihm, „Ich habe dir sicher auch einen Schrecken eingejagt.“

„Ja.“, ein schiefes Lächeln legte sich auf die Lippen seines Gegenübers, „Aber nur kurz.“

„Warum stehe ich denn immer noch unter Stress?“, der Blick des Blonden fiel auf Setos Bild. Die Gerichtsverhandlung war doch vorbei. Er musste keinen seiner Eltern je wiedersehen, wenn er nicht wollte. Er hatte Ferien. Seto hatte Geburtstag. Wo war der Stress?

„Ich vermute, dass dich Seto mehr mitnimmt, als du dir eingestehst.“, Yamis Blick wandte sich einen kurzen Moment Noah zu, der einige Schritte von ihnen entfernt stand, „Wie damals, nach jener Nacht... du weißt schon... wo du deine Gefühle so heftig verdrängt hast...“

Jene Nacht, wo er Seto beinahe die Kehle durchgeschnitten hatte, nachdem er den Betrug an sich realisiert hatte. Wo es zwei Tage und Yamis Provokation brauchte, damit er sie wieder hervor holen konnte.

„Können wir Dienstag darüber reden?“, fragte er nach einem tiefen Schlucken.

„Wenn du dir bis dahin nichts antust...“, Yami packte ihm am Oberarm und drückte einmal fest zu, „Gönn‘ dir was Entspannendes.“
 

„Okay, wenden wir uns dem Bild zu.“, entschied er, was auch Noah an sie heran treten ließ, „Was seht ihr denn?“

„Ein aufgeschnittenes Haus mit einer Etage und einem Dach.“, antwortete der Älteste, nachdem Katsuya einfach nur schwieg, „Zu sehen sind drei Zimmer. Ganz rechts die Küche mit einer Frau am Herd, in der Mitte ein Kinderzimmer mit einem kleinen Jungen und ein leeres links Zimmer. Links neben dem Haus geht ein Mann mit einem Aktenkoffer in der Hand Richtung Haus.“

„Küche und Frau, ja. Schließlich steht da ein dampfender Topf und sie scheint zu rühren. Aber ist das in der Mitte ein Kinderzimmer? Da hockt ein kleines Männchen, das ist wahr, er hält etwas Viereckiges in der Hand, auch wahr, da steht ein Bett, ja... aber irgendwie wirkt es auf mich nicht wie ein Kinderzimmer. Was ist das, was rechts von dem Kind steht?“

„Ein Schrank?“, schlug Noah vor.

„Eine Babykrippe.“, mischte sich Yami in ihre Deutungen ein.

„Haben Mokuba und er ein Zimmer geteilt?“

„Ja, haben wir.“

„Uah!“, Katsuya machte einen Satz zur Seite. Warum stand Seto plötzlich hinter ihm? „Hilfe... Seto, musst du einen so erschrecken?“

„Nicht zwingend.“, ein leichtes Lächeln legte sich auf dessen Lippen, während er die Arme vor der Brust verschränkte, „Nicht, wenn man seiner Umgebung auch nur einen Funken Aufmerksamkeit schenkt.“

„Ja ja...“, Katsuya seufzte und umarmte ihn von der Seite, „Großkotz.“

„Und, was bedeutet das?“, wandte sich Noah währenddessen an Yami.

„Korrigier mich ruhig, Seto.“, der Rothaarige ging um das Bild herum, „Natürlich stellt das hier Setos Familie dar, wie er sie empfunden hat, auch wenn die Aufgabe sagte, dass er eine Familie malen soll. Es gibt darin verschiedene Schlüsselsymbole. Ein Haus steht praktisch immer für die Zusammengehörigkeit einer Familie, sowie ein Baum für Beständigkeit steht. Hier gibt es keinen Baum.“, er hockte sich mittig über das Bild, „Also keine Beständigkeit und dein Vater ist außerhalb des Hauses, also nicht Teil der Familie. Das sind zwei Traumaanteile.“, Seto atmete tief durch, was Katsuya nur durch die Bewegung seiner Bauchmuskulatur ausmachen konnte, um die seine Arme lagen, „Das Haus selber ist aufgeteilt in Räume – genau genommen ziemlich leere Räume. Bei dir steht die Krippe und ein Bett und in der Küche ein Herd. Das ist alles an Einrichtung. Keine Bilder, keine Lampen, keine weiteren Möbel. Dein Haus, also dein Familiengefühl, ist praktisch leer. Da ist kaum eine emotionale Bindung zu irgendetwas. Erst recht nicht, da du und deine Mutter sich nicht einmal im selben Raum befinden – so es überhaupt deine Mutter ist.“

„Weil Mokuba schon auf der Welt ist und die Frau somit die Haushälterin sein dürfte, weil meine Mutter längst tot war?“, flüsterte Seto.

„Bilder sind nicht rational. Es kann auch deine Mutter sein. Auf jeden Fall war die Bindung zur weiblichen Bezugsperson reichlich gestört – wenn auch nicht so sehr wie die zur männlichen.“, Yami deutete auf den komplett leeren Raum, der zwischen dem Eingang des Hauses und dem Kind lag, „Deine einzige emotionale Bindung ist die zu deinem Bruder, der als Säugling dargestellt ist. Als ein völlig hilfsbedürftiges, auf andere angewiesenes Wesen.“

„Meine Verantwortung.“, stimmte Seto der Deutung zu.

„Es klärt meine Frage nicht, ob dein emotionales Kind dein gesamtes Trauma oder ein eigenes Trauma trägt, aber es klärt die Frage, ob es ein Trauma trägt. Die ist offensichtlich mit Ja zu beantworten.“, Yamis Blick legte sich auf die Zeichnung, „Das hier spricht von emotionaler Vernachlässigung – und Missbrauch. Es bestätigt meine These, dass deine Mutter emotional bedürftig war und du auf ihre Bedürfnisse eingingst. Du hast ihr die Eltern ersetzt.“

„Ich habe für meinen Bruder die Eltern ersetzt.“, Setos Mimik verzog sich, „Aber doch nicht für meine Mutter.“

„Sie war immer so traurig, ich wollte nicht, dass sie traurig war – das hast du mir mal erzählt. Seitdem hatte ich die Vermutung.“, Yamis Blick hob sich, „Auch die Tatsache, dass du ohne jeglichen Kommentar mit fünf Jahren die Elternrolle für deinen Bruder übernommen hast, spricht dafür. Anscheinend wusstest du schon sehr gut, wie man für jemanden sorgt. Nicht physisch, sondern emotional gemeint.“
 

Der Größte atmete tief durch – diesmal hörbar – und sah über Katsuyas Kopf hinweg zum Haus.

„Eines noch.“, ah, Yami bemerkte doch, dass es Seto zu viel wurde, „Du bist jetzt peritraumatisch gespalten in einen Anteil, der komplett aus den Gefühlen besteht, die du immer verdrängt hast und einen, der ein Kind ist. Das wäre für mich eine logische Reaktion auf einen Missbrauch, der damit begann, dass du nie ein Kind warst und immer nur Gefühle geschluckt hast, um das Idealbild zu erfüllen, dass andere von dir hatten.“, er wartete, wartete, wartete... nach einigen Momenten begann Katsuya die Sekunden zu zählen, bis Seto sich dem Hockenden zuwandte und dieser fortfuhr – es waren vierzehn, „Du zeigst dein Kinder-Ich nur dort, wo du dich sicher fühlst. Anders herum: Wenn du dich sicher fühlst, beginnt deine Psyche brutal die Fürsorge einzufordern, die du als Kind nicht bekamst.“, Yami hob beide Hände, „Das ist zumindest meine These, was hinter deiner peritraumatischen Spaltung steckt.“

Setos blaue Augen lagen auf ihm, doch er schien zu keiner Antwort anzusetzen.

„Das heißt, dass er diese Fürsorge auch kriegen soll?“, meinte Katsuya einige Momente später.

„Ja.“, der Rothaarige stand auf und trat auf das Bild auf der Straße, um eine Strähne von Setos Haar hinter sein Ohr zu streichen, „Aber eigentlich nicht von dir. Sondern von jemandem, der für ihn einen Elternteil repräsentieren kann.“

„Das kann ich nicht?“, Katsuyas Blick sank zu Boden, während er die linke Seite seines Gesichts gegen Setos Oberarm drückte.

„Das kannst du sehr gut, das habe ich schon gesehen. Aber Eltern schlafen nicht mit ihren Kindern, um es mal grob auszudrücken. Du könntest nicht gleichzeitig Setos Freund sein.“

„Würdest du überhaupt jemanden als Bezugsperson akzeptieren?“, unterbrach Noah ihr Gespräch, indem er sich an Seto wandte.

Die blauen Augen fokussierten wieder, richteten sich auf diesen, musterten sein auf Katsuya ausdruckslos wirkendes Gesicht einige Momente, bevor Seto antwortete: „Du kennst mich seit knapp zwanzig Jahren. Du hast mir mit siebzehn das erste Mal angeboten diese Verantwortung zu übernehmen, aber ich mit meinen damals fünfzehn war eher ein wildes Tier als alles andere. Es ist ziemlich schief gelaufen. Das nächste Mal war, als ich meinen Zusammenbruch nach der Firmenabgabe hatte. Und dann, als Mokuba starb. Ich kann dich nicht wirklich bitten, nachdem ich dich dreimal zurückgestoßen und verletzt habe, oder?“

„Ich traue es mir immer noch zu.“, erwiderte Noah ruhig, „Mittlerweile habe ich gelernt die Manipulation hinter den Worten gerade zu durchschauen und mich auch von den großen blauen Augen nicht beeinflussen zu lassen. Ich muss noch einiges über deine Erkrankung lernen, aber ich denke, das kriege ich hin. Du willst dem Ganzen ehrlich einen Versuch geben?“

„Darf... ich...?“, Katsuya spürte den Körper in seinen Armen wie Espenlaub zittern.

„Komm her.“, Noah hob die Arme und der Blonde ließ seinen Freund gern gehen.

Noch mal revue... Seto brauchte jemanden, der für sein inneres Kind eine Elternpersönlichkeit darstellte, ja? Und Noah hatte ihm das schon dreimal angeboten, aber er war jedes Mal noch nicht stabil genug gewesen, um das Angebot anzunehmen? Und jetzt war Seto stabil genug?

Ein Grinsen zog quer über Katsuyas Gesicht bei den Worten: „Heißt das, ich habe einen Schwiegervater?“
 

„Erdbeertorte!“, Yamis Augen funkelten, während er Noahs Mitbringsel auspackte und auf Setos Kaffeeservice anrichtete.

„Und Zitronenrolle und Sachertorte und gedeckter Melonen-Pfirsich-Kuchen.“, Noah nahm auf einem der Küchenstühle Platz, „Alles Sorten, die Seto irgendwann mal in Massen zu sich genommen hat.“

„In dem Fall hast du die Sahne-Creme-Torte vergessen.“, jener setzte sich zu seinem Bruder, „Beansprucht jemand außer mir Sacher?“

„Kann ich dann die Zitronenrolle haben?“, fragte Katsuya in Noahs Richtung, während er den Tisch deckte.

„Ich bin nicht wählerisch, ich liebe alles aus dieser Konditorei.“, dieser winkte nur ab, „Würde irgendjemand bitte Kaffee anwerfen?“

„Mach‘ ich!“, meldete sich Yami, während er den Kuchen servierte.

„Ich glaube, so viele Menschen hat die Küche lange nicht mehr gesehen.“, murmelte Seto leise.

„Ausgenommen meiner Geburtstagsparty.“, da waren sie schließlich sogar noch eine Person mehr gewesen – auch wenn nicht alle herumgewuselt waren wie Yami und er jetzt.

„Du hattest Geburtstag?“, erkundigte sich Noah, „Herzlichen Glückwunsch nachträglich. Ach ja, Bruder, herzlichen Glückwunsch. Ich bin noch gar nicht dazu gekommen dir zu gratulieren.“

„Zu was? Dass ich nächstes Jahr dreißig werde?“, Seto verdrehte die Augen, „Katsuyas Definition nach bin ich damit ein Fossil.“

„Gar nicht wahr.“, murrte der.

„Wohl wahr. Das war eine unserer ersten Diskussion. Da hast du deine alte Klassenlehrerin als steinalt abgestempelt.“, die blauen Augen wandten sich sehnsüchtig der Kaffeemaschine zu.

„Du bist schlimmer als ein Elefant.“, beschwerte sich Katsuya, während er den Sitzplatz Seto gegenüber einnahm – der sich immer noch abwandte, „Ein koffeinsüchtiger Elefant!“

„Erdbeertorte?“, meldete sich Yami leise, die Kuchengabel – oh ja, er hatte europäisch gedeckt – schon über dem begehrten Stück Gebäck schwebend.

„Ja, du darfst anfangen.“, meinte Seto abwesend, doch wandte sich wieder dem Tisch zu, „So, liebe versammelte Gäste, vielen Dank für euer zahlreiches Erscheinen zu diesem absolut festlichen Tag...“, seine Stimme zeugte von der Begeisterung einer Biene beim Anblick einer Betonmauer, „...mögen derer noch viele folgen, aber ja nicht allzu bald.“

„Das hört sich an, als wärst du auf Sex- und Kaffeeentzug.“, murmelte Noah und wandte sich seinem Kuchenstück zu.

„Kommt hin.“, gab Katsuya zu, „Ich war so dreist die Mittagspause damit zu verbringen sein Geschenk zu kaufen.“

„Armes, vernachlässigtes Seto.“, die beiden tauschten einen Blick aus, „Und, was hast du noch so geschenkt bekommen?“

„Die Kreide, ein Buch und Teddy.“, Seto griff mit den Händen an die Vorderkante seines Stuhls zwischen seinen Beinen und wandte den Blick ab.

„Teddy?“, Noah hob eine Augenbraue, während er Seto im Ganzen musterte, „Zeigst du mir deinen Teddy?“

Und schon war er wieder auf und davon... mal sehen, ob man den erwachsenen Seto mit Kaffee zurückkriegen konnte.

Neue Kundschaft

Muhahaha, wir bewegen uns auf den Plot zu *v*

Ansonsten fiel mir auf, dass ich mal dringend weitertippseln muss, wenn ich das nächste Kapitel bis Montag fertig kriegen will X.X Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und danke für eure Kommentare!
 

WARNUNG: Trigger im ersten Abschnitt
 

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Blut.

Überall Blut.

Das ganze Bad voller Blut.

Die Kacheln auf dem Boden, an den Wänden, die Glastüren der Dusche, das Porzellan der Badewanne, der Marmor um die Badspüle, der Wandspiegel, die Schranktüren, die Toilette – alles über und über von Rot, das sich nahe der Badewanne zu einem sehr dunklen, fast schwarz wirkenden Ton verdickte und aus dem sich geisterhaft ein weißer, bleicher Arm hervorhob.

Setos Arm.

Katsuyas Augen lagen auf der leblos wirkenden Gestalt. An der Brust war keinerlei Regung mehr zu erkennen. Vor seiner Nase kristallierte kein Atem, obwohl es kalt genug dafür war – für Katsuyas Empfinden. Die Gestalt bewegte sich keinen Millimeter. Die Augen bewegten sich keinen Millimeter.

Sie starrten ihn an.

Kalte, leblose, blaue Augen.

Tote Augen.

„Uuargh!“, Katsuya fuhr hoch, der Atem boxte durch seine Lunge, höhlte ihn von innen aus und erfüllte ihn mit Kälte, die er im selben Moment auszustoßen versuchte.

„Ruhig...“, murmelte eine tiefe, dunkle Stimme und warme Arme legten sich um seinen Oberkörper, „Das war ein Traum...“

Mit noch immer rasendem Atem griff er Setos Unterarme, riss sie von sich und drehte sie unter seinem Blick, um die Innenseiten zu betrachten. Seine Augen trafen dunkelrote Striemen, die sich von heller Haut absetzten.

Aber sie bluteten nicht.

Katsuya stieß einen tiefen Seufzer aus und legte die Arme wieder um sich, während er sich nach hinten gegen Setos Brust fallen ließ. Ein Traum. Es war nur ein Traum gewesen. Seto war nicht in seinem Badezimmer verblutet, während er unwissend gewesen war. Seto war nicht tot. Seto war am Leben und für ihn da.

„Seto...“, Katsuya drehte sich in ihrer Umarmung dem anderen zu und hing sich an ihn, auch wenn es nicht sehr komfortabel war.

„Keine Angst... ich bin hier...“, flüsterte der Ältere ihm leise zu und zog seine Beine näher heran, um ihn aus seiner Verrenkung zu befreien.

Ein Schluchzen ließ seinen ganzen Körper erbeben, während er sich näher an ihn zog.

„Ruhig, Schatz...“, Seto setzte einen Kuss auf seinen Kopf, „Ist okay... du bist sicher hier.“

„Warum-“, er unterbrach sich selbst, indem er Luft durch seine geschlossenen Zähne einsog und wieder ausstotterte, „Warum hört das nicht auf?“

„Sssch...“, eine Hand strich über seine Wange, „Das ist ganz normal. Ganz natürlich.“, ein weiterer Kuss auf sein Haar, „Du bist hier und du bleibst hier und du bist sicher. Lass deinem Kopf etwas Zeit sich daran zu gewöhnen.“, von seiner Wange fuhr die Hand seinen ganzen Rücken hinab bis zu seiner Kniekehle, um ihn auf Setos Schoß zu ziehen, „Es braucht etwas Zeit, bis jede deiner sturen Zellen das realisiert hat.“

„Dass ich nicht wieder weg muss?“, fragte Katsuya mit einer leisen, kleinlauten Stimme.

„Ganz genau.“, Setos Stimme strich wie Samt über seine Haut, „Du bleibst hier bei mir. Du musst nicht zurück zu deinem Vater.“

„Muss nicht...“, murmelte er leise und schloss die Augen, ließ sich in die Wärme von Setos Körper fallen.
 

„Morgen, Katsuya.“, Marik hob die Hand zum Gruß, „Na, wie war die Woche? Du hast jetzt auch Ferien, oder?“

„Jupp.“, der Blonde nahm sich einen Stuhl, „Zwei Wochen keine Schule.“

Auf die erste Frage antwortete er lieber nicht. Was sollte er schon sagen? Ein paar Nervenzusammenbrüche wegen der Verhandlung, der verfluchte Donnerstag und Setos Geburtstag – bis auf den letzten Punkt reichlich unangenehme Erlebnisse.

„Ah, da ist ja mein kleines Blondchen.“, Mai stöckelte aus dem Bedienstetenzimmer, dicht gefolgt von Anzu, deren Blick den Laden absuchte, „Los, fertigmachen, unsere Schicht beginnt gleich.“

„Wo ist denn dein Pflegedingsda?“, Anzus blaue Augen kamen schließlich bei ihm an, „Mai hat mir so viel erzählt. Ich will ihn auch sehen.“

„Er kommt heute Abend.“, versicherte Katsuya, „Und nenn‘ ihn bitte einfach Herrn Kaiba. Ich habe keine Ahnung, auf was sich die Rechtssprechung jetzt geeinigt hat. Ich glaube Vormund.“

„Vormund?“, die Älteste legte den Kopf schief, „Das ist wie Adoption, nur ohne Namenswechsel und mit dem Recht dich zu heiraten, wenn du volljährig bist, oder?“

„Ähm... keine Ahnung.“, gab Katsuya zu, „Aber eine Männerhochzeit ist verboten, so viel weiß ich.“

„Schade drum.“, Anzu zuckte mit den Schultern, „Es gibt so viele Typen, an deren Seite ein Mann besser aussieht als eine Frau... Ryou zum Beispiel.“

„Ryou ist ja auch schwul.“, warf der Blonde ein.

„Und Yami...“, kam es verträumt von hinter den Tresen, „Mit mir.“

„Oh-oh, verknallter Barkeeper.“, Mai kicherte und stieß ihrer Nachbarin mit dem Ellenbogen in die Seite, „Wir sollten uns auch ein paar Latten suchen. Kann doch nicht angehen, dass nur unsere männliche Kollegenschaft von Kerlen schwärmt.“

Anzu seufzte und wandte den Blick Richtung Decke mit den Worten: „Manchmal habe ich das Gefühl, ich lerne nur schwule Männer kennen. Ist das eine Krankheit? Alle Männer, die ich mag, stellen sich als schwul heraus!“

„Da sieht man, wie weit unterlegen die Heten doch sind.“, gab Marik von sich, die Nase gen Himmel.

„Komm mal wieder runter.“, murmelte Katsuya nur und ließ sich von Stuhl gleiten, „Der größte Teil dürfte eh bi sein.“

„Bi ist was für Unentschlossene.“, entschied der Barkeeper mit einem scharfen Blick und einem Schmollen auf den Lippen.

„Bi ist was für Leute, die weder dringend anders noch dringend regelkonform sein müssen.“, was er beides irgendwann gewesen war und jetzt abzulegen versuchte, „Ich denke, für jeden Menschen kann jedes Geschlecht, sowieso jeder Körper ansprechend sein, wenn der Charakter der passende ist.“

„Das sagt unbedingt der hübscheste Kerl in mehreren Kilometern Radius, der mit dem schönsten Typen des ganzen Landes zusammen ist.“, Mai verdrehte demonstrativ die Augen.

„Seto ist der schönste Mann auf der ganzen Welt.“, nuschelte Katsuya leise.

„Ha!“, die blonde Kellnerin zeigte auf ihn, wobei ihr Finger nur ein paar Zentimeter vor seinem Gesicht hielt, „Ihr seid also wirklich zusammen!“

Shit. Shit, shit, shit, shit, shit – Katsuya versuchte den Drang zu unterdrücken mit seinen Zähnen zu knirschen. Er war dumm, so unglaublich, unbegreifbar dumm! Argh! Wo war die Intelligenz, wenn man sie mal brauchte? Was zur Hölle sollte er erwidern? Es würde sie doch nur noch mehr anspornen, wenn er das abstreiten würde.

„Hattest du irgendwann einen Zweifel daran?“, fragte Marik mit Herablassung in der Stimme, „Der Typ ist fast so scharf wie Yami. Nicht nur in Aussehen und Coolness sondern auch auf Katsuya.“, er machte eine ausladende Geste mit der Hand, „Seine Blicke sprachen Bände!“
 

Sein Eindruck von Anzu musste anscheinend nicht groß korrigiert werden. Sie war noch immer ein kicherndes Etwas, das es nicht sein lassen konnte hübsche Männer mit Blicken auszuziehen. Besonders einen hübschen Mann.

Seinen hübschen Mann.

„Seto gehört mir.“, teilte er ihr mit aller Kälte mit, die er in seine Stimme legen konnte, während er sich mitten in die Sichtlinie stellte.

„Och komm... lass mir wenigstens die Aussicht.“, sie schob die Unterlippe ein wenig vor und legte den Kopf schief – es passte perfekt in ihre Rolle als Unschuld von Lande, aber ihn würde sie damit nicht rum kriegen, „Ich nehm‘ dir schon nichts weg durchs Angucken.“

„Doch, meine Geduld.“, erwiderte er ruhig und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Das ist kindisch, Katsuya.“

Womit sie vollkommen Recht hatte. Katsuyas Augenbraue zuckte.

„Ich bin neunzehn, ich darf kindisch sein.“, Zitat von Seto Ende, „Das ist mein Freund, verstanden?“

„Ja ja...“, sie verdrehte die Augen, „Warum werden alle Männer unverschämt, nur weil sie Sex hatten?“

„Weil die Gesellschaft ein Statussymbol daraus macht.“, Yami, der plötzlich neben ihnen beiden aus der Erde zu sprießen schien, lächelte ihr zu, „Guten Abend, alte Schreckschraube.“, er nickte zu Katsuya, „Soll ich dir mal zeigen, wo Eifersucht angebracht wäre?“, ein teufliches Grinsen flatterte über seine Lippen und entflammte seine Augen einen kurzen Moment, bevor er mitten zwischen ihnen hindurch ging und auf Setos Tisch zuhielt.

Oh nein. Oh nein, wehe ihm, er würde nicht- Katsuya Unterkiefer sackte um ein paar Zentimeter abwärts.

Yami lehnte sich über den sitzenden Seto, eine Hand auf dem Tisch, eine auf der Lehne der Bank und- und-

„Das geht zu weit.“, zischte der Blonde und schnellte auf die beiden zu, „Pfoten weg, aber sofort!“

„Meine Pfoten kommen ihm nicht nahe.“, sein bester Freund richtete sich wieder auf und warf ihm ein leichtes Lächeln zu, „Siehst du?“, er hob sie unschuldig.

Seto währenddessen lachte lauthals.

„Verarscht ihr beide mich?“, verlangte Katsuya sauer zu wissen, „Lasst den Scheiß, sofort!“

„Woah, ruhig, Blondie...“, kam es von amüsierten Stimme hinter ihm.

Seto verstummte, blinzelte und stand auf, während er fragte: „Pegasus? Hier in Domino?“

Katsuya warf dem Mann einen Blick zu. Was zur Hölle war das denn für eine Gestalt? Ein roter Anzug, ausgebleichtes Haar, das über die rechte Seite seines Gesichts fiel – das Auge war durch eine Klappe verdeckt – und ein Rüschenhemd. War der Typ Stricher oder Setos Ex oder- Katsuya fletschte die Zähne. Egal, was er war, er war unerwünscht.

„Such a lovely pet.“, die Gestalt, die anscheinend den Namen Pegasus trug, musterte ihn lächelnd, „Aber so ungezogen. Neuware?“

„Mein Mündel.“, gab der Brünette kühl zurück und griff Katsuyas Hand, um ihn zu sich zu ziehen. Yami machte wortlos einen Schritt zurück, um den Jüngeren durchzulassen.

„Natürlich, wie dumm von mir.“, Pegasus ließ sich auf die Bank Seto gegenüber sinken, „Du hast doch sicher nichts dagegen?“, ohne eine Antwort abzuwarten wandte er sich Yami zu, „Und du, sag brav dem anderen Blondchen, dass sie mir einen Bloody Mary bringen soll.“, er hielt ihm einen Schein entgegen.

Yami tauschte mit Seto einen Blick, nickte und ging ohne das Geld auch nur anzusehen.

Katsuya schluckte. Was oder wer war der Mann?
 

Seto setzte sich wieder ohne den Blick von seinem Gegenüber zu nehmen. Katsuyas Blick indessen schnellte vom einen zum anderen, während er neben Seto Platz nahm.

Sein Freund war angespannt. Jeder einzelne Muskel seines Gesichtes wirkte, als würde er jeden Moment unter dem Druck reißen. Die Lider lagen enger über seinen Augen, was ihn automatisch sehr gefährlich aussehen ließ.

Das hieß, dass dieser Pegasus weder ein Stricher noch ein Exfreund war, auch wenn er genau danach aussah. Er hatte Yamis Sinn für Extravaganz – wenn sie ihm auch kein Stück schmeichelte – Setos Arroganz und dazu eine Selbstsicherheit, die Katsuya praktisch ins Gesicht schlug. Die Beine lässig übereinander geschlagen, die Arme auf der Lehne der Bank ausgebreitet, ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen musterte er Seto unverhohlen.

„Dein Gesicht hat Farbe bekommen, my boy.“, sein Kopf legte sich zur Seite, „Du scheinst deinen Sinn für Kunst nicht mehr darauf aufzuwenden Krankenhauswände mit Blut vollzuschmieren.“

„Verwendest du deinen noch darauf mit demselben Material zu arbeiten?“

„Ich bitte dich.“, Pegasus hob die Hände, als würde man eine Waffe unter seine Nase pressen, „Blut braucht zu lange zum Trocknen. Ich habe bessere Farbe gefunden.“

Blut brauchte zu lange zum Trocknen? Was sollte der Scheiß denn heißen? Außer er-

Katsuya schluckte.

Oh shit...

Außer der Typ war Auftagsmörder oder Yakuza. Oder Mafiaboss, wenn man seinen Akzent bedachte. Er drückte sich an Setos Seite, der seinen Arm um ihn legte.

„Nein! Du hier? Ich dachte, du seist in Tokio!“, Mai beugte sich zu Pegasus, setzte einen Kuss auf jede seiner Wangen und ließ sich neben ihm auf die Bank gleiten, während sie ein rotes Getränk vor ihm abstellte, „Was verschlägt dich in diese Gegend?“

„Die Geschäfte, wie immer, Liebes.“, sein Arm fiel lässig um ihre Schultern.

„Du hast gar nicht Bescheid gesagt, dass du wieder da bist.“

„Eine Überraschung.“, ein laszives Lächeln ersetzte sein praktisch sadistisch wirkendes.

„Hast du mir etwas mitgebracht?“, in ihren Blick schlich sich ein Funkeln.

„Natürlich.“, er griff in sein Jackett und zog ein Schmuckdöschen hervor, groß genug, um einen Ring zu enthalten und öffnete es mit einer Hand vor ihren Augen.

Okay. Sie konnte sich genauso mädchenhaft benehmen wie Anzu. Sie konnte in derselben Tonhöhe quieken, die Hände an ihre Wangen legen und zu diesem Mann hinaufblinzeln wie ihre Kollegin es getan hätte. Dem Ganzen ließ sie außer einem Danke sogar noch einen Kuss auf seine Wange folgen und zog die – Katsuya schluckte wieder einmal – Perlenohrringe mit Diamantenbesatz an und ließ ihre Metallstecker in die Schmuckdose wandern.

Davon ausgehend, dass sie sich als single bezeichnete und demnach nichts allzu Festes mit dem Typen zu haben schien, musste der Kerl folglich extrem reich sein. Es bestätigte Katsuyas vorherige These.

„Du scheinst nicht zu darben.“, unterbrach Seto ihr Geturtel, „Das überzeugt mich nicht unbedingt von deiner vorherigen Aussage.“

„Meine Aktivitäten sind weit legaler, als sie es einst waren. Ich bin nun im Im- und Export tätig.“

Im- und Export von was? Waffen? Drogen? Menschen?

„Fernhandel.“, Seto nickte bedächtig, „Mit welchen Regionen?“

„Oh... Thailand und Mexiko. Ganz Nordamerika eigentlich.“, Pegasus kraulte Mai unterm Kinn, als wäre sie eine junge Katze, „Ich dachte, ich könnte nach Japan expandieren.“

Katsuya schluckte.

Menschenhandel.

„In dem Fall war es gerade sehr ungünstig, wie du den jungen Mann behandelt hast.“, informierte Seto und lehnte sich zurück, während er Katsuya mit sich zog, „Er ist der Kontaktmann zu allen heimischen Syndikaten – besonders mit solchen Geschäftsinteressen.“

Das fing Pegasus volle Konzentration und wischte jedes Lächeln von seinem Gesicht.

„Sein Name ist Yami. Er ist mit fünfzigtausend Yen die Stunde dotiert, also versuch es nicht mit Geld.“, sprach der Brünette weiter, Kälte und Selbstsicherheit in seiner schneidenden Stimme, „Und er ist ganz sicher nicht dafür bekannt sein Herz auf der Zunge zu tragen. Und noch eine Warnung: Er hat selbst verfeindete Syndikate hinter sich. Also sei sehr, sehr vorsichtig.“

Katsuya konnte beobachten, wie der Typ ihnen gegenüber schluckte, einen Moment später nickte und wieder ein Lächeln auf seine Lippen zwang: „Ich wusste, ich kann mich auf alte Freunde verlassen. Vielen Dank, Kaiba.“

„Guten Abend.“, meinte dieser nur, erhob sich und verließ mit Katsuya im Arm den Tisch.

Ein Glück, dass Dienstschluss war.

Mehr Stress

Die stetig abnehmende Zahl an Kommentarschreibern macht mir ein wenig Angst. Bei vielen weiß ich, warum sie derzeit nichts schreiben, bei anderen vermute ich Stress, aber bei einigen bin ich doch unsicher. Wenn es Kritik gibt, würde ich mich freuen sie zu hören. Wenn ich jemanden verärgert habe, ebenso.

Nun, erst einmal hoffe ich, dass in nächster Zeit das Ziel dieses DS-Teils klar wird. In Teil 1 war praktisch von Anfang an klar, dass ein Ziel ist, dass Katsuya von seinem Vater weg kommt. Dieses ist weniger physisch und daher auch subtiler. Gibt es schon Vermutungen, auf was dieser Teil hinaus läuft?

Ich wünsche viel Spaß beim Lesen und Rätseln ^.^ Und ich freue mich auf nächste Woche...
 

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„Scheiße!“, fluchte Seto, schlug seinen Mantel enger, machte kehrt, ging einen Schritt, drehte sich wieder um und trat neben Katsuya, „Verfluchter Mist...“

„Wer war das?“, verlangte der Blonde zu wissen, dessen Blick ihn verfolgte.

„Pegasus Crawford, amerikanische Mafia.“, Seto griff seine Hand und zog ihn zu seinem Wagen, während er sprach, „Der Typ ist einfach nur krank. Früher war er eine Anlaufstelle, wenn es um Mord und Entführungen ging, mittlerweile handelt er mit Menschen, wie du gerade gehört hast.“

Und so etwas verwies er an Yami?

„Woher kennst du ihn?“

„Steig ein.“, forderte der Ältere, ging um den Wagen zur Fahrertür und startete den Wagen so schnell er konnte, „Der Typ ist noch weit unberechenbarer als ich. Mittlerweile könnte er auf die Idee gekommen sein, dass ich besser tot bin als belohnt dafür, dass ich ihm geholfen habe.“, er warf einen Blick über die Schulter, „Und ich glaube nicht, dass sein Berufswechsel zum Menschenhändler das irgendwie verbessert hat.“

„Woher kennst du ihn?“, wiederholte Katsuya leise, aber mit ruhiger Stimme.

„Er wurde mal darauf angesetzt Mokuba zu entführen.“, Seto atmete tief ein und aus, während er fuhr, „Seine Leute haben ihn sich auf dem Schulweg geschnappt und am nächsten Tag ging ein Anruf bei mir ein, dass ich verschiedene Aktien abwerfen sollte, um ihn wieder zu kriegen. Ich habe ihnen gesagt, sie könnten mich mal.“, Katsuyas Blick schnellte von der Straße zu Setos angespanntem Gesicht, „Tags darauf stand Pegasus in meinem Büro und stellte sich als Leiter von Industrial Illusions vor, der ein Angebot von mir bekommen haben solle. Das war mir neu, aber da es sich um einen renommierten amerikanischen Spielzeughersteller handelte, ließ ich ihn herein. Was ich als Antwort auf die Frage, welches Angebot er meine, bekam, kannst du dir möglicherweise vorstellen.“

Dass Pegasus ihn haben dürfte? Nun ja, wenigstens wusste Katsuya, dass Seto dem nicht zugestimmt hatte. Der Kerl war wirklich schräg. Er hob die Augenbraue ob seiner Überlegungen. Beide waren schräg.

„Er bat mich zu unserem gemeinsamen Vorteil die Aktien abzuwerfen. Mir war klar, dass der Typ gefährlich sein musste, wenn er mir freiwillig sein Gesicht zeigte. Also tat ich es und fand zuhause Mokuba in seinem Spielzimmer.“, Seto schloss einen kurzem Moment die Augen – sie standen an einer roten Ampel – und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, „Das Schlimmste ist, dass er wirklich Leiter von Industrial Illusions ist.“

„Und warum kommt er plötzlich über zehn Jahre später zu dir, um dir zu erzählen, dass er neuerdings mit Menschen handelt?“, irgendetwas an dieser Sache war sehr, sehr faul...

„Nun... nach der Aktion hatten wir verschiedene Geschäfte miteinander... die Kaiba Corp ist noch heute in Partnerschaft mit Industrial Illusions.“, Setos Adamsapfel wanderte seinen Hals entlang.

„Warum wendet er sich mit illegalen Geschäften an dich?“, präzisierte der Jüngere seine Frage.

„Ich... habe damals nicht immer legal gehandelt...“, ein weiteres Schlucken, „Und... er war nicht selten Teil davon.“

„Du hast Entführungen und Morde angeordnet?“, Katsuya hörte seine Stimme, doch spürte sich selbst die Worte nicht aussprechen. Das war alles nicht wahr, oder?

„Ich habe schonmal versucht es dir zu sagen...“, murmelte der Brünette leise, „Direkt am ersten Tag und dann noch etwas später...“, Schlucken, „Ich kann’s nicht ungeschehen machen, ich...“, heftiges Atmen, „Ich wünschte, ich... ich kann’s nicht... ich... ich will nicht...“, eine Träne löste sich aus Setos Augenwinkel, was Katsuya heftiger zusammenzucken ließ als das Hupen des Wagens hinter ihnen – bis sein Gesicht plötzlich jeden Ausdruck verlor und seine Stimme erkaltete, „Wundert dich das eigentlich wirklich? Ich hasse mich, was kann ich mehr tun?“
 

Katsuya schwieg.

Er saß kerzengerade in seinem Sitz, den Blick starr auf die Straße, kein Ton auf seinen Lippen, kein Ausdruck auf seinem Gesicht – kein Wunder, nachdem er dafür angeschrieen worden war, dass er Seto nicht so ansehen sollte, dass er Seto überhaupt nicht ansehen sollte, dass er sich ordentlich hinzusetzen habe, dass er diesen Ausdruck vom Gesicht nehmen solle, dass dass dass...

Er hatte es geschafft Setos Ängste um ihrer beider Leben noch um Angst vor Ablehnung und Verlassen seitens Katsuya zu verstärken, was ihn sichtlich aggressiv machte. Der Brünette hatte freundlicherweise seinen ziemlich waghalsigen Fahrstil auf ein regelverträgliches Maß zurück geschraubt. Auch die Schreierei, die das ersetzt hatte, war mittlerweile versiegt, da Katsuya ihm keinen Anlass zum Schreien mehr gab – außer zu existieren und seine Befehle zu befolgen und wie eine stumme Puppe auszusehen, aber das hatte Seto auch schon durch. Andererseits...

Es war von nichts Sichtbarem ersetzt worden.

Und wenn Seto seine Aggressionen jetzt nach innen lenkte, würde das automatisch zu Dissoziationen führen. Definitiv nichts, was mit Autofahren verträglich war.

Katsuya wagte allerdings auch nicht vorzuschlagen den Wagen am Seitenstreifen zu parken. Er wagte es auch nicht irgendetwas anderes zu tun, was die Schreierei wieder anstellen könnte. Dafür hatte er im Leben zu oft mit geballten Aggressionen zu tun gehabt. Er reagierte instinktiv, das war ihm vollkommen klar. Dass er sich ordentlich hinsetzen sollte, kam auch durch seine Reaktion sich zu einem Ball zusammen zu rollen, um wenig Angriffsfläche zu geben und die Arme um Magen und Bauch zu schlingen, da dies die verwundbarsten Stellen waren. Ihm war die Situation auf eine vollkommen bizarre Art verständlich.

Was nicht half seine Reaktionen zu kontrollieren. Er tat nichts, was helfen würde, weil es Setos Ärger wieder auf ihn lenken könnte. Rational gesehen sollte er genau das tun, weil es besser war, wenn der andere sich ausschrie, als dass er dissoziativ wurde. Der Gedanke kam allerdings durch die in Wellen schlagende Übelkeit, die seine Angst – und möglicherweise Setos Fahrstil – verursachte, nicht an.

Und was erst recht nicht half, war, dass seine Angst sich ebenfalls gegen ihn selbst wandte. Jetzt, wo er wusste, auf was er achten musste, war ihm auch dieser Vorgang vertraut. Die Träne, die über seine Wange rann, bemerkte er erst dadurch, dass sie auf seine Hand fiel. Seine Augen defokussierten. Die Geräusche, die Gerüche, die vorbeiziehende Umwelt – auf der einen Seite rein, auf der anderen raus. Er wurde ebenfalls dissoziativ. Aus Angst vor Seto. Aus Angst vor Schmerzen.

Wurde nicht immer einer stark, wenn der andere schwach wurde? Seto brauchte ihn. Warum verlor er sich? War es eine Utopie, dass sie sich ausglichen?

Er versuchte sich auf Setos tiefes, hörbares Ein- und Ausatmen zu konzentrieren.

Er musste stark sein. Er durfte jetzt nicht- er war wirklich zu nichts nutze. Seto brauchte ihn und er versagte. Nicht mal Kleinigkeiten schaffte er und bei so großen Dingen versagte er vollkommen. Seto würde das mit ihm nicht mehr lange mitmachen, wenn er so unfähig war.
 

Einatmen.

Ausatmen.

Katsuya passte sich dem Rhythmus an.

Er war nutzlos. Er war eine Schande. Er war ein Insekt, ein widerwärtiges kleines Insekt, das zertreten gehörte. Er war sozialer Müll.

Ein.

Aus.

Keiner wollte so etwas wie ihn haben. Er war nutzlos. Er war schlecht. Er war böse. Er war ungewollt. Sein Vater konnte ihn nicht ausstehen. Seine Mutter konnte ihn nicht ausstehen. Seine Schwester konnte ihn- sie irrte sich. Auch sie würde erkennen, dass er ein Nichts war. Schlimmer als ein Nichts. Verachtenswert.

„Einatmen. Ausatmen.“, er folgte Setos leisen Anweisungen, „Konzentriere dich auf das Hier und Jetzt. Einatmen. Ausatmen. Es ist Samstag Abend, sechsundzwanzigster Oktober zweitausendzwei. Du bist stärker als deine Angst. Konzentriere dich.“, er atmete weiter im Rhythmus, „Ich habe mich abgeregt. Die Realität ist wieder sicher. Nichts mehr, wovor du Angst haben musst. Besiege die Angst in dir. Die Gefahr ist vorbei.“

Vorbei... er konnte Seto nicht trauen. Einatmen. Er konnte nicht. Er durfte nicht. Ausatmen. Es war ein Trick. Seto wartete nur, dass er zurückkehrte. Wartete, um ihm weh zu tun. Einatmen. Seto würde ihm nie willentlich weh tun. Wenn er sagte, es war okay, war es okay. Ausatmen. Aber wenn Seto nur glaubte, es wäre okay? Konnte er Seto vertrauen sich selbst zu kennen?

Schluchzen. Sein ganzer Körper erzitterte.

„Gut so. Du bist sicher. Ich werde dir nicht weh tun.“, fern vernahm er, wie Seto lautvoll schluckte, „Es tut mir Leid, dass ich dir Angst gemacht habe. Bitte komm zurück.“, Katsuya testete seine Grenzen, indem er die Beine an seinen Körper zog, „Katsuya? Ich werde dich jetzt anfassen. Ich werde jetzt deinen Nacken berühren.“

Ganz, wie er sagte, berührten kühle Finger den hellen Flaum in Katsuyas Nacken. Sie fuhren über die erhitzte Haut, wechselten zwischen sanften Kratzern und zärtlichem Streicheln.

Seine Lungen leerten sich auf einen Schlag, sein Körper erschlaffte um einige Grade und seine Lider hangen auf Halbmast. Oh, das tat gut. Das tat so verdammt gut. Er legte den Kopf auf seine Knie, um Seto mehr Fläche zu bieten.

„Ist das in Ordnung?“, fragte jener leise, doch der Blonde fühlte sich in keiner Lage, um ihm in irgendeiner Form zu antworten. Er gab einfach ein Geräusch von sich, das irgendwo zwischen Knurren, Seufzen und Schnurren lag.

„Entschuldige meinen Mangel an Intellekt, doch leider kann ich deinen ausschweifenden Ausführungen nicht folgen.“, Amüsement schwang in Setos Stimme mit, „Wir stehen übrigens vor unserem Haus. Ich werde jetzt aussteigen. Wenn du dich in der Lage fühlst dasselbe zu tun, tu es bitte. Ansonsten werde ich mein armes Kreuz mit deinem Gewicht belasten müssen.“

Die Finger entfernten sich und einen kurzen Moment folgte sein Nacken ihnen, um den Kontakt zu halten. Menno... das hätte Seto auch länger machen können. Ein Lächeln legte sich auf die Lippen des Jugendlichen. Für diese Unverschämtheit würde Seto ihn jetzt ins Haus tragen müssen. Pah!
 

„Ah, mein Kreuz, mein Kreuz...“, Seto legte dramatisch eine Hand auf seinen Rücken und richtete sich auf, als hätte er schwere Schmerzen oder Verkalkungen, „Was gäbe ich doch dafür noch einmal jung zu sein!“

Das Lächeln auf Katsuyas Lippen ließ sich kaum eindämmen, obwohl er es zu unterdrücken versuchte. Die Lider hatte er schon geschlossen, damit seine Augen ihn nicht verrieten. Aber wahrscheinlich hatte der Ältere eh längst mitbekommen, dass die komische Atemübung mal wieder geholfen hatte ihn aus seinen Dissoziationen zu holen.

„Und kein Wort des Dankes von meinem Sprössling. Womit habe ich dieses Schicksal verdient?“, der Blonde schielte zwischen seinen Lidern hindurch, um zu sehen, wie Seto theatralisch eine Hand nach oben warf und ausschweifend wieder herabsinken ließ, „Was schweigst du mich an, du Salatgurke?“

Katsuya prustete, musste jedoch husten und rollte sich zur Seite, eine Hand vor seinem Bauch, eine vor seinem Mund. Blut schoss in seine Wangen und erhitzte sein ganzes Gesicht. Salatgurke? Entweder er lebte schon zu lange mit Seto oder seine Gedanken waren von Grund auf sehr sexuell orientiert – auf jeden Fall flogen die Bilder der letzten zwei Wochen nur so vor seinen Augen vorbei.

Setos kalte, blaue Augen.

Die Kratzer auf seinen Schultern.

Wie er in der Dusche den Kopf in den Nacken warf und mit seinen Fingerspitzen den Wassertropfen auf seiner Kehle folgte.

Wie sich die Muskeln unter seiner Haut bewegten.

Wie er auf dem Bett lag, nackt, die Beine schamlos geweitet, diesen Blick von Verlangen in seinen Augen...

„Will ich wissen, an was du denkst?“, fragte der Brünette amüsiert. Er hatte sich nur Zentimeter von Katsuyas Gesicht neben die Couch gehockt.

„Nein.“, erwiderte der Jüngere nur und versuchte die Röte mit purem Willen aus seinem Gesicht verschwinden zu lassen – dieser Ausdruck auf Setos Gesicht, der wohl das Äquivalent zu Bakuras wölfischem Grinsen war, sagte ihm, dass er scheiterte.

„Wirklich nicht?“, Katsuya zog nur eine Schnute und schwieg, während die Züge des anderen sich glätteten, „Ich... wollte mich entschuldigen. Ich bin völlig in Panik verfallen. Und dann habe ich diese Panik in kalte Aggression umgewandelt... das war auch nicht okay. Es tut mir Leid.“

„Du hast uns weggebracht und einen Unfall vermieden.“, der Blonde seufzte leise, lehnte sich ein Stück vor und küsste den anderen auf die Stirn, „Nicht auf die galanteste und beruhigenste Art und Weise, aber okay.“

„Es tut mir dennoch Leid. Ich habe dich grundlos angeschrieen. Ich habe dir Angst gemacht. Das wollte ich nicht.“, glitzernde, unsichere blaue Augen sahen von dem gesenkten Kopf zu ihm auf.

„Setz‘ dich zu mir.“, flüsterte Katsuya und richtete sich auf, um sich an Seto zu lehnen, der neben ihm Platz nahm, „Bitte erzähl‘ mir noch mal ganz genau, warum dieser Typ dir so Angst macht.“

Mörder

Ich muss gleich zur Uni, deswegen kann ich die Kommentare nicht sofort beantworten, aber gleichzeitig möchte ich endlich das Kapitel hochladen ^.^ Ich hatte sogar überlegt es noch letzte Woche hochzuladen, einfach weil ich es on haben wollte. Aber da ich nicht wusste, wie schnell ich mit Weiterschreiben bin, habe ich es gelassen. Es kann allerdings sein, dass diesen Freitag das nächste kommt ^.- Das kommt darauf an, wie diese Woche läuft (morgen ganztags Biochemie und dann drei Tage Kongress sind allerdings nicht so vielversprechend, was Zeit zum Schreiben angeht).

Und vielen Dank für die lieben Rückmeldungen zum letzten Kapitel ^.^ Ich fühle mich wieder erfrischt und es kribbelt mir unter den Fingerspitzen weiterzutippen.
 

P.S.: WARNUNG! Dieses Kapitel enthält keinerlei groß triggernden Anteile, aber positiv ist es ganz bestimmt nicht. Es könnte einem die Stimmung vermiesen.
 

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„Das alles ist jetzt viele Jahre her, aber die Erinnerungen sind so präsent, als wären die Wunden noch frisch.“, begann Seto sehr leise und ruhig, ein ganz leichtes Zittern in seiner Stimme, „Ich war... sechzehn... und sehr... wild. Ja, wild kann man wohl sagen. Ich war entweder ein Geschäftsmann oder... oder mein TI... ich habe es meist zurückgehalten, indem ich andere nur anschrie oder knurrte und zurückwich... aber bisweilen habe ich auch zugeschlagen.“, er schluckte, „Besonders Noah habe ich geschlagen. Er saß im Rollstuhl. Er konnte nicht ausweichen. Und er konnte sich kaum wehren.“

Seto wandte das Gesicht ab und schlang die Arme um seinen Oberkörper, als würde er frieren. Ob es angebracht wäre ihn anzufassen? Katsuya hob die Hand, doch ließ sie wieder sinken.

„Es war nie wirklich heftig. Nicht lebensgefährlich, kein Blut, keine Gehirnerschütterungen. Aber es war gemein... ich habe den Rollstuhl umgerissen und ihn liegen lassen. Oder einfach nur zugeschlagen. Oder an den Haaren auf den Boden gezerrt und... zugetreten...“

„Was genau ist deine Definition von heftig?“, flüsterte Katsuya, während sich seine Stirn in Falten legte.

„Ähm...“, die blauen Augen blickten scheu zu ihm hinüber und senkten sich, „Das... das da...“, sein Finger zeigte grob auf Katsuyas Kopf, „Oder das mit der Brechstange...“

Der Blonde nickte sehr langsam, als würde er mehr erwarten.

„Na ja... nach Noah und Moki war das nicht das Schlimmste an mir. Ich habe mir manchmal die Pulsadern aufgeschnitten. Oder versucht mich zu ertränken. Oder Tablettenüberdosen geschluckt. Habe Drogen ausprobiert und meinen Kopf gegen Wände geschlagen. Einmal habe ich mich aus dem ersten Stock gestürzt.“

Katsuya schluckte und zog die Hand, die zwischen ihnen gelegen hatte, zurück an seinen Körper.

„Im Krankenhaus konnten sie mich nie lange halten. Ich habe Ärzte zusammen geschrien und raus schmeißen lassen, mich selbst entlassen oder andere Patienten angegriffen. Einmal habe ich die Wände mit Bibeltexten vollgeschrieben... mit meinem Blut. Habe gedroht mich umzubringen und damit die Schwestern nach meiner Pfeife tanzen lassen. Sie wollten mich öfters in die Psychiatrie sperren, aber dafür waren meine Anwälte zu gut.“, der Ältere atmete tief durch und wandte sich wieder ab, „Und die Richter geschmiert.“, er biss einen kurzen Moment auf seine Lippe, „Die Krankenhausleitung übrigens auch.“

„Warum?“, flüsterte Katsuya, die Stimme durchsetzt von Entsetzen.

„Weil... ich vermute, das bezieht sich auf alles, ja? ... Weil...“, Seto drückte sich mit den Fersen die Schuhe von den Füßen und zog seine Beine zu sich, „Nun, weil ich sehr, sehr krank war.“

„Aber...“, der Blonde schüttelte den Kopf.

„Weil ich sehr krank war.“, wiederholte Seto, „Weil ich eine schier unendliche Wut in mir hatte, die ich an allem und jedem auslassen konnte, ohne irgendwelche Konsequenzen fürchten zu müssen, die mir etwas bedeuteten.“

„Aber...“, er schüttelte noch immer den Kopf, „Hat es dir nicht weh getan andere zu verletzen? Hattest du keine Gewissensbisse?“, er seufzte, „Ich weiß, ich habe selbst andere angegriffen und verletzen lassen... ich bin wahrscheinlich nicht besser, aber... ich hätte nie meine Schwester angreifen können... oder meine Freunde.“

„Um ein Gewissen zu haben, muss einem ein Gewissen beigebracht werden.“, erwiderte Seto mit Bitterkeit in seiner Stimme, „Ich hatte mehr als fünf Jahre von Gozaburo gelernt... dass ein Gewissen Schwäche ist. Das Schuldgefühle eine Indoktrinierung sind, die uns davon abhält höhere Ziele zu erreichen. Die uns einsperren... dass Eingesperrte schwach sind. Minderwertig. Niederes Volk, dass wir als Werkzeug benutzen. Fehlerhafte Produktionsmittel.“, Katsuya hatte das Gefühl, als würden sich ihm die Nackenhaare aufstellen, „Kreaturen, die aus Neid auf uns uns zerstören wollen. Das... stimmte mit meiner Weltsicht überein.“
 

Katsuya wollte sich übergeben.

Das war doch alles nicht wahr. Das war doch nicht einmal menschlich. Natürlich hatte er selbst schonmal solche Gedanken gehabt, er hatte sich selbst zu menschlichem Müll gezählt, aber... aber...

Aber aus dem Mund eines anderen klang es widerwärtig.

„Ich hatte damals von Gleichaltrigen nur Abwehr erlebt. Immer nur Ausgrenzung. Die Betreuerinnen hatten Angst vor mir und hielten mich für unheimlich. Als würde mein Durst nach Wissen ihnen ihre Kompetenz stehlen. Was war das für ein Wesen, das mit acht bereits drei Sprachen sprach und versuchte mit ihnen über Quantenphysik zu diskutieren? Oder den Sinn des Lebens?“

Zu intelligent. Viel zu intelligent. Wie konnte es da sein, dass er – Katsuya – auch als hochintelligent eingestuft wurde? Es war doch meilenweit von Seto entfernt!

„Die Unterscheidung in eine Minderheit von wichtigen Menschen und genetischem Abfall erschien mir verständlich. Dass diese Wesen uns fürchteten und uns alles nehmen wollten, das war eine logische Schlussfolgerung. Auch wenn ich Gozaburo hasste, er hatte Recht in meinen Augen. Was er sagte und mir beibrachte, das hielt ich für richtig.“, Seto seufzte, „Solch ein Gedankengut war mir praktisch einprogrammiert. Ich hatte keine Ahnung vom Wert des Lebens. Das, was normal...“, er zischte das Wort, „...war, das war in meinen Augen reine Dummheit und Kurzsichtigkeit. Dieses fehlerhafte Genmaterial gehörte ausgelöscht. Wer sich als minderwertig und schwach erwies, war es nicht wert zu leben.“

War das das, was die Nationalsozialisten im zweiten Weltkrieg gedacht hatten? Das war krank!

„Das... dachte ich damals. Dass Gozaburo sich tötete, als ich die Firma übernahm, war die logische Schlussfolgerung.“

Katsuya würgte, was Seto herum fahren ließ.

„Katsuya? Oh, oh...“, seine Hände streckten sich zitternd aus, zuckten zurück, „Es tut mir Leid. Es tut mir so Leid. Bitte... ich hör ja auf. Ich wusste nicht, dass du... dass ich...“, Tränen schossen in seine Augen, was ihn den Blick senken ließ, „Es tut mir Leid, dass ich so ein Monster bin. Es tut mir Leid.“

Der Blonde ließ die Hand, die er auf seine Lippen gepresst hatte, langsam sinken und fixierte Seto, die Lider weit geöffnet.

„Seto...“, den Ton, den der andere von sich gab, kam einem Winseln gleich, „Denkst du das noch immer?“

Er beobachete, wie sich Setos Hände zu Fäusten ballten.

„Ich...“, seine Stimme brach, als hätten sich seine Stimmbänder plötzlich verschlossen, „Ich weiß es nicht.“

„Was heißt das?“, verlangte Katsuya zu wissen.

„Ich... ich weiß es wirklich nicht... ich weiß nicht, was ich denke... ich weiß nicht einmal, was ich fühle. Ich weiß nicht, ob ich dich mag oder hasse. Ich weiß nicht, was ich von mir denke. Ich habe das Gefühl, es ist jede Sekunde etwas anderes... und manchmal alles gleichzeitig.“

„Das heißt... ein Teil deiner Persönlichkeit denkt so?“, Katsuya atmete tief durch.

„Ich weiß es nicht... ich weiß es nicht...“, mittlerweile war es nur ein Flehen, dass Seto hervor brachte.

„Okay...“, murmelte der Jüngere leise und griff nach den Händen, die unbeweglich zwischen ihnen lagen, „Ist okay...“

Yami hatte mal gesagt, Kinder sollte man vor allem dann in den Arm nehmen, wenn sie wirklich Mist gebaut hatten. Für Seto galt dasselbe, das war ihm mittlerweile klar.

Aber zum ersten Mal war er unsicher, ob er das wirklich wollte.
 

„Du hast also sehr wenig... Respekt vor dem Leben gehabt.“, formulierte Katsuya vorsichtig, „Und kaum Mitgefühl für andere.“

Setos gesenkter Kopf nickte fast unmerklich.

„Und in diesem Zustand trat Pegasus in dein Leben?“, Nicken, „Und du hast darin eine Chance gesehen deine Wirtschaftsinteressen mit Gewalt durchzusetzen? Was du als rechtens empfandst?“, Nicken, „Bei allen Göttern...“

Katsuyas Hände zitterten so sehr, dass ihm Setos beinahe entglitten. Er packte zu, um das zu überkommen – Seto zischte kurz.

„Wie viele hast du umbringen lassen?“

Schweigen.

„Seto, antworte mir.“, sein Atem kam unregelmäßig, „Seto!“

„Ein... paar...“, Schlucken, „Keine Frauen... keine Kinder...“, sein Kopf war so tief gesunken, dass durch die Haare sein Gesicht vollständig nicht mehr zu sehen war.

Katsuya löste seinen eisernen Griff, sodass beide Hände wie betäubt auf die Couch knallten. Er schluckte, hob seine Rechte und fuhr durch sein Haar. Sein Kopf wandte sich wie hypnotisiert von links nach rechts, während seine Augen den anderen durch eine klare, durchsichtige Wand, die aus Tränen gebildet war, betrachtete.

Nein.

Einfach nein.

Hatte er Seto eigentlich nicht zugehört? Wie oft hatte er ihm jetzt gesagt, dass – ja – er Menschen hatte töten lassen. War ihm das irgendwie zum einen Ohr rein, zum anderen wieder raus gegangen? Seto hatte Morde angeordnet.

Seto war ein Mörder.

Nicht durch einen Unfall, nicht um sich zu schützen – sondern aus reiner Überzeugung.

Er versuchte zu schlucken, doch seine Kehle war zugeschnürt. Mit einem Ruck war er aufgesprungen, rannte aus dem Zimmer, den Flur nach links, riss die Haustür auf und nach draußen.

„Katsuya! Katsuya!“, Panik, Entsetzen, Verzweiflung, Poltern, als würde ein Körper gegen eine Wand knallen – Katsuya rannte.

Weg.

Weg hier.

Er strauchelte, fiel nach vorne, fing sich, indem er weiterrannte.

Immer weiter.

Nur weg.

„Katsuya!“, ein Schrei, ein einziger, hoch, spitz, dann Stille.

Er wandte sich nicht um.

Missachtete den Impuls.

Verdrängte die Schmerzen.

Ertränkte die Stimme, die fragte, was aus Seto werden würde.

Die Straße hinab, immer weiter, einfach nur so weit weg, wie er rennen konnte.
 

Der Atem ging ihm schwer. War nur noch ein Keuchen. Die Luft stach wie Nadeln gegen seine Wangen und seine Seiten. Das durchsichtige Kellnerhemd, das er noch trug, klebte an seinem Körper.

Wo sollte er hin?

Er verlangsamte ein wenig, joggte mehr und versuchte seine Konzentration zu zentrieren. Genau... konzentrieren. Nicht daran denken, was hinter ihm lag. Nicht jetzt. Rennen und keinen Gedanken dahin lenken.

Wohin sollte er? Was sollte aus ihm werden? Er schluckte und drückte die Gedanken zurück in die Ecke, aus der sie gekommen waren. Schritt für Schritt. Konzentrieren.

Sixth Heaven. Da waren seine Klamotten. Vielleicht hatte Marik sogar das Geld hinterlegt. Er hätte warme Kleidung und etwas flüssig. Damit kam man schon recht weit.

Ende Oktober. Scheiß kalte Season. Seine dünne Jacke würde nicht reichen. Er musste einen Unterschlupf finden. Yami stand außer Frage. Ryou auch. Da würde- nicht dran denken.

Nicht jetzt.

Tristan? Sein Vater? Keine bedenkbaren Optionen. Auch wenn eine Tracht Prügel ein warmes Bett möglicherweise wert war.

Katsuya würgte.

Das hatte er nicht wirklich gedacht, oder? Sein Atem takte aus, sodass er sich darauf konzentrierte. Einfach nicht dran denken. Mögliche Plätze... eines der verlassenen Häuser? Eine der Hallen am Hafen? Wo mochte seine alte Clique grad' sein? Die hatten sicher was zu Fressen.

Katsuyas Mimik erschlaffte langsam, kein Keuchen mehr, die Schmerzen dullten ab. An den Weg denken. Nächste rechts. Die Straße hinab. Die Häuser zogen vorbei. Nachtschwärmer. Ein paar giggelnde Mädels. Zwei Ausländer an einer Hauswand. Die nächste Seitenstraße leer. Bürgersteig zu Teer. Leere zu Müll. Menschen zu Ratten.

Er lief.

Keine Laternen mehr. Zu seiner Linken ein Neonlicht über einer stählernen Tür. Mit genug Geld dürfte er beim Vierundzwanzigstundendöner übernachten. Ansonsten das KH? Nein, die Ärzte würden seinen Erziehungsberechtigten- er schloss die Augen. Nicht denken. Laufen.

Mehr Neonlichter. Bunt. Nicht blinkend, aber auffällig. Zwei Frauen lehnten sich ihnen gegenüber an die Wand, der Türsteher hatte sich darunter platziert. Seit wann war da ein Türsteher?

„Hey du.“, der bullige Typ senkte die klischeehafte Sonnenbrille und wandte sich ihm zu, „Haste verschlafen oder was? Der Umura wird verdammt schlecht gelaunt sein, wenner das hört.“, ein Grinsen, was ihm trotz der Gläser einen äußerst minderbemittelten Ausdruck verlieh, „Brauchst 'nen Deal? Ich könnt' schweigen.“

„Ich hatte heute schon Schicht.“, erwiderte Katsuya ruhig, nicht einmal tief durch atmend, während er sich auslief, „Hab' was vergessen. Ist hinten offen?“

„Wenn's nich' wär'?“, was für ein schiefes, dümmliches Grinsen...

„Dann muss ich vorne durch.“, der Blonde stemmte die Arme in die Seiten.

„Vergiss' es.“, sein Gegenüber verschränkte die eigenen, „Du kannst nich' durch den kompletten Laden marschieren.“

„Würdest du mich dann bitte hinten rein lassen?“, brachte Katsuya in aller Höflichkeit mit Ärger im Unterton hervor.

„Was krieg' ich?“, das Grinsen brachte einen dazu dem Typen in die Fresse schlagen zu wollen.

„Ich hab' nix dabei, mein Zeug is' drinnen.“, zur Verdeutlichung zeigte er der Fleischmasse an Mensch seine leeren Handinnenseiten.

„Wer is' so blöd ohne sein Zeug abzuhauen?“, Fleischmasse hob die Augenbrauen.

„Jemand, der versehentlich einen Mafiaboss verärgert. Lässt du mich jetzt rein?“, diesmal klang der Ärger weit weniger subtil.

„Jo, Mann, ruhig Blut...“, er zog einen Schlüsselbund hervor und löste einen der Ringe, „Bring' mir den hier wieder, sonst sieht die Bolognesesauce deiner Mutter besser aus als du.“

Katsuya neigte den Kopf und verschwand Richtung Bedienstetenzimmer.

Nicht denken.

Alles, nur nicht denken.

Der verlorene Sohn

So gern ich es auch früher hochgeladen hätte, vom nächsten habe ich nur eine Zeile, weil ich seit Wochen nicht zum Schreiben komme. Aber die nächsten fünf Tage sind etwas ruhiger. Zeit zum Schreiben!
 

WICHTIG: Ich würde gerne hier bei Mexx das Genre "Psychologie/Psychische Erkrankung/etc." (Namensvorschläge gern genommen) einrichten. Dafür brauche ich circa 150 Geschichten, in denen vor allen Dingen psychische Auffälligkeiten vorkommen. Ich bitte jeden Leser eine Liste der FFs anzufertigen (Name und Autor), die er zu diesem Thema kennt. Muss nicht nur YGO sein, muss nicht lang sein, muss nicht fachlich sein. Es sollte nur einer der Hauptcharaktere Symptome haben (auch posttraumatische). Bitte helft mir bei der Arbeit!

Vielen, vielen Dank!
 

Dank auch an diese überwältigenden Kommentarschreiber ^.^ Ihr seid klasse! Mit Mut und Elan ans neue Schreiben! Viel Spaß mit diesem Kapitel.
 

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Das Zimmer war leer, aber das Licht brannte trotzdem. Seine Sachen lagen genauso auf der Bank, wie er sie dort hinterlassen hatte. Möglicherweise ein wenig... Katsuya hob das Shirt, während ein Lächeln sich auf seine Lippen schlug.

Geld. Achttausend Yen. Damit konnte man so einige Tage überleben.

Er schälte sich aus seiner verschwitzten Kleidung, warf diese in den Wäschekorb und wusch sich am Becken, bevor er seine richtigen Sachen überzog und auf die Bank setzte.

„Huh...“, Baumwolle auf seiner Haut. Das war so viel schöner als Elastin und Polyester. Eine frische Jeans und Turnschuhe. Er legte die Arme um sich und genoss das Gefühl.

Saubere Kleidung.

Ein Dach über sich.

Eine Heizung.

Fließend Wasser.

So lange hatte er all das entbehrt. So lange hatte er ohne diesen Luxus leben müssen. All diesen Sachen hatte er nur durch...

Seto.

Katsuya schluckte, doch verdrängte den Gedanken nicht sofort wieder.

Seto.

Mörder.

Der Blonde atmete tief durch und wiederholte beide Worte so oft in seinem Kopf, bis er das Gefühl, was dabei aufkam, definieren konnte – Abwehr. Abwehr? Abwehr, dass er die beiden Worte miteinander verband? War er so verliebt, dass er sogar verdrängte, dass Seto gemordet hatte, um ihre Beziehung aufrecht zu erhalten? War er so krank?

Seine Hand griff nach der Bankkante, umklammerte sie so fest, dass seine Haut ihre Röte verlor.

Auf der einen Seite war es dreizehn Jahre her. Auf der anderen Seite hatte Seto seine Menschenverachtung nicht groß abgelegt. Er könnte es wieder tun. Er würde es wieder tun, wenn er dem Ziel, was er dadurch erreichte, genug Wert zumaß. Oder? Hatte er richtig verstanden, oder?

Seto würde über Leichen gehen, wenn er musste.

Katsuyas Atem zitterte.

Aber hatte er das nicht längst akzeptiert? Hatte die Geschichte mit Gozaburo es nicht schon bewiesen? Seto hatte es ihm am ersten Tag gesagt. Er hatte es von Anfang an gewusst.

Es war etwas anderes den zu töten, der einen Jahre lang praktisch gefoltert hatte und jemanden, der einem praktisch egal sein konnte. Oder? Katsuya würgte.

Nein.

Kaltblütiger, geplanter Mord unterschied nicht zwischen Menschen. Kein Mensch war es weniger oder mehr wert zu sterben durch seine Taten. Welcher Mensch könnte so eine Entscheidung auf sich nehmen? Eine schlechte Tat machte einen Mensch nicht grundsätzlich schlecht. Eine gute Tat nicht grundsätzlich gut. Gozaburo hatte Kriegswaffen gebaut und Waisenhäuser unterstützt. Seto hatte Menschen ermorden lassen und ihn von seinem Vater befreit.

Gab es so etwas wie gut oder schlecht überhaupt?

Es gab Umstände, in denen Menschen Entscheidungen trafen, die manchen halfen und manchen schadeten. Entscheidungen basierend auf dem Einfluss ihrer Vorgeschichte und ihrem Wissensstand.

War es wirklich an ihm Seto zu verurteilen? Hätte er mit Setos Vorgeschichte unter Umständen dieselben Entscheidungen getroffen? Aber auch gute Gründe entschuldigten keine Taten.

Ob er Seto entschuldigte – oder eher die Schuld als unwichtig für ihr Leben ansah – lag bei ihm.
 

Aber war das wirklich wichtig?

Katsuya zuckte zusammen, die Lider weiteten sich. Nein, das durfte nicht- nein... er ließ sich zurücksinken, atmete durch den Mund und schloss die Lider wieder.

Wenn er wieder nach Hause ginge, würde er Seto wahrscheinlich im Badezimmer finden. Die Pulsadern aufgeschnitten. Verblutet.

Tränen rannen über seine Wangen.

Was hatte er getan? Bei allen Göttern, was hatte er bloß getan? Warum war er panisch geworden, nur weil Seto vor dreizehn Jahren Leute hatte ermorden lassen? Er hatte damals kaum ein Empfinden dafür gehabt, dass so etwas falsch war. Jetzt wirkte es so, als hätte er es doch. Vielleicht würde er es wieder tun, aber sicher nicht so gedankenlos. Seto hatte ehrlich danach ausgesehen, als bereute er es.

Er bereute es, er hasste sich dafür, er verachtete das, was dieser Pegasus tat und getan hatte. Es machte ihm Angst. Was er selbst getan hatte, machte ihm Angst.

Und Katsuya hatte ihn abgelehnt.

Ein Schluchzen entkam seinen Lippen, während er die Beine anzog und sein Gesicht zwischen seinen Knien vergrub.

Tock.

Die braunen Augen richteten sich auf den Gegenstand, der neben ihm auf die Bank gefallen war.

Sein... Handy?

Handy...

Handy!

Katsuya griff das Gerät und drückte auf die Schnellwahl für Setos Handy.

„Lass ihn am Leben sein, bitte, bitte, lass ihn am Leben sein...“, murmelte er wie ein Mantra, die Stimme rau, als hätte er stundenlang geweint oder geschrien.

Ring.

Ring.

Ring.

Er schluchzte erneut. Nein, nein, nein, das konnte nicht, das durfte nicht... nicht Seto... alles, nur nicht Seto...

Ring.

Ring.

Ring.

Nein... er kniff die Augen zu und öffnete den Mund, doch kein Schrei entwich.
 

„Katsuya?“, ein Hauchen, nur ein Hauchen...

Die Lider schossen in die Höhe, seine Augen fixierten die Wand.

„Se... to... ?“

„Hm-hm...“, leise, oh so leise, doch ja, es war er, es war seine Stimme.

„Du lebst?“, flüsterte Katsuya ehrfürchtig.

„Ja, ich... mir geht es gut. Ich habe mich nicht einmal geschnitten. Was ist mit dir?“, die Stimme war langsam, vorsichtig, leicht belegt, doch vor allen Dingen besorgt.

Ihm ging es gut. Seto war am Leben. Dem Blonden entwich ein meerestiefes Seufzen. Nichts passiert. Seto war okay.

„Gut, danke... ich bin ziemlich weit gelaufen... und... und...“, ein weiteres Schluchzen schüttelte seinen Körper, „Bei allen Göttern... Seto... ich- ich... ich dachte, du hättest dich umgebracht. Ich hatte so viel Angst. Es tut mir so Leid... so Leid...“

„Ist okay... okay...“, die Stimme war sanft, beruhigend, „Ich muss mich entschuldigen. Es tut mir Leid, dass ich dir immer so viel Angst mache. Wörtlich. Du hast alles Recht der Welt mich nie wieder sehen zu wollen und das ist okay. Sag es nur. Ich werde mich nicht umbringen. Das will ich dir nicht antun.“

„Ich kann sauer sein und schreien und wegbleiben, ohne dass du dir etwas antust?“, fragte Katsuya leise.

„Ich verspreche es.“, die Stimme hatte an Stärke gewonnen.

„Danke...“, erneut schossen Tränen in seine Augen, „Es tut mir so Leid, dass ich einfach weggerannt bin. Ich... ich hab‘ irgendwie den Satz dreimal gebraucht, damit er in meinen Schädel geht. Und es hat mich trotzdem umgehauen. Und...“, er schluchzte, „Es tut mir so Leid. Das war echt scheiße von mir. Ich hatte plötzlich so eine Panik und... tut mir Leid.“

„Es ist vollkommen in Ordnung.“, erwiderte der Ältere ruhig, die Stimme warm, „Dass du es so lange mit mir ausgehalten hast, ist schon ein Wunder.“

„Nein, nein, das...“, er unterbrach sich, um einen Moment durchzuatmen, „Ich komme wieder zurück, bitte denk nichts anderes. Ich... ich bin nur einfach... ich weiß auch nicht. Mein ganzer Kopf ist Schrott.“

Stille.

„Seto?“

„Ja... ja, ich- ich bin dran.“, ein Schlucken, „Sagtest du gerade, dass du zu mir zurück willst?“

„Ähm... ja?“, Katsuya setzte sich auf und wischte die Tränen von seinen Wangen, „Klar will ich das. Du bist mein Freund. Nicht zu vergessen, dass wir zufällig zusammen wohnen.“

„Aber... aber...“, Seto geriet ins Stottern, „Ich meine, das- also, ja, das- ich-“

„Willst du mich nicht wieder sehen?“, flüsterte der Jüngere mit zitternder Stimme.

„Doch! Natürlich, ich- aber...“, hektisches Atmen am anderen Ende der Leitung, während Katsuyas Unterkiefer etwas nach unten sackte – hatte Seto gerade offen und direkt gesagt, dass er ihn bei sich wollte?

„Aber?“, das Zittern in seiner Stimme war der Hoffnung gewichen.

„Meinst du wirklich... dass du zurückkommen solltest? Ich will dir nicht weh tun.“

„Seto, spätestens nach diesen Worten wäre meine Entscheidung getroffen.“, Katsuya legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen, „So lange ich nicht in konstanter Angst vor dir lebe, will ich bei dir sein.“

Schlucken am anderen Ende.

„Soll... soll ich dich irgendwo abholen? Oder willst du die Nacht woanders verbringen?“

„Mein Zimmer wäre eine passende Abwechslung.“, gab er zu, „Ich bin im Sixth Heaven im Bedienstetenzimmer.“

Seto zog scharf die Luft ein und sprach mit kälterer Stimme: „Bleib da. Ich komme zum Hinterausgang und klopfe dreimal. Mach sonst keinem auf. Hörst du?“

„Ähm... okay...“, Katsuya sah sich kurz um, ob er wirklich allein im Raum war, „Bis gleich. Bau keinen Unfall.“
 

War er so dumm? Durchgedreht? Verrückt? Hatte er Seto jetzt einfach so vergeben? Einmal drüber nachgedacht, gut war’s, alles beim Alten? War doch egal, ob er Kinder massakrierte, solange der Sex gut war?

Katsuya schluckte.

Das... war radikal. Zu radikal. Seto tötete nicht regelmäßig Leute und erst recht keine Kinder und sie waren auch nicht wegen dem erstklassigen Sex zusammen. Nicht einmal Seto mit ihm. Nicht einmal als Vorwand.

Er hatte dennoch töten lassen.

Der Blonde senkte den Blick.

Mal ehrlich – und? Er selbst hatte seinen Kumpels befohlen seinen ehemaligen Mathelehrer krankenhausreif zu schlagen. Weil der ihm eine schlechte Note gegeben hatte – was auch noch völlig gerechtfertigt gewesen war. Wie dünn war die Grenze zwischen lebensgefährlicher Verletzung und Mord? Er war nicht weit besser als Seto.

Er hatte persönlich Jugendliche zusammen geschlagen, weil sie ihm auf die Nerven gingen. Hatte bei den Autos seiner Lehrer Lack verkratzt und Scheiben zerstört. Hatte auf dem Boden liegende Unbekannte getreten, obwohl sie ihnen das Geld längst abgenommen hatten.

Hatte Setos Bruder die Kehle aufgeschnitten.

Katsuyas kompletter Körper zuckte, während seinen Lippen ein Winseln entkam.

Was zur Hölle war er eigentlich für ein mieses Stück Scheiße? Seto war dabei gewesen, hatte zugesehen, wie sein Bruder umgebracht wurde. Von ihm umgebracht wurde. Und er hatte ihn trotzdem aufgenommen, bezahlte alles für ihn, kümmerte sich um ihn – liebte ihn.

Der Blonde schluchzte und krallte die Finger in seine Jeans.

Seto hatte ihm vergeben. Vergeben. Obwohl der Tote sein eigener Bruder gewesen war.

Natürlich hatte Katsuya Mokuba nicht umbringen wollen, aber... seine Brust zitterte unter seinen Tränen. Seine Schulterblätter bebten. Luft zog er durch seine Lippen ein.

„Oh... hey...“, ein Wesen mit dunkler, männlich klingender Stimme kam zu ihm und setzte sich rechts neben ihn, „Wer bist du denn? Was ist los mit dir?“

Zwei Finger griffen nach einigen Strähnen seines Haares, die hoch gezogen wurden. Die Person beugte sich etwas vor, um darunter zu spähen. Katsuya schloss einfach nur die Augen. Wer immer es war, er sollte weggehen.

„Whoa... heftig. Du hast ja Narben.“, der Blonde schluckte, wonach jeder Ausdruck aus seinem Gesicht wich und hob den Kopf, „Heilige... also ohne das Ding an deiner Schläfe und über deine Stirn bist du ja ein ganz hübscher Kerl. Arbeitest du hier?“

Er musterte sein Gegenüber nur. Ein recht muskulöser Kerl mit breitem Kreuz und wildem, langen, schwarzen Haar. Der Typ lehnte sich ein wenig vor und hob die Augenbrauen.

„Hm... willst nich‘ sprechen, was? Ich muss dich allerdings rauswerfen, wenn du nicht g’rad‘ Schicht hast. Und so siehste nich‘ aus.“, der Andere musterte ihn kurz, ließ seine Mimik fallen und erhob sich, „Tja... warte.“, er ging zu einem Platz auf der zweiten Bank und fischte eine Packung Taschentücher aus einer dort liegenden Jeans, „Hier, bitte.“

Katsuya sah zwischen seiner ausgestreckten Hand und seinem Gesicht hin und her, bevor er die Hand hob und das Angebot annahm. Er sprach erst, nachdem er sich die Nase geputzt hatte: „Ich hatte die letzte Schicht. Mein F- Vormund kommt, um mich abzuholen.“

„Vormund?“, das Lächeln, das die ganze Zeit mit den Lippen des anderen gespielt hatte, verschwand vollkommen, „Oh... sorry. Dann kommen die wahrscheinlich von deinen Eltern, oder?“, er zeigte locker auf den Platz über Katsuyas linker Augenbraue, „Tut mir Leid. Du wirst sicher dauernd deswegen angesprochen, ne? Fettnäpfchen. Nochmal sorry.“

„Is‘ okay...“, der Blonde nahm seine Füße von der Bank und setzte sich normal hin, „Ehrlich gesagt bist du der Erste, der es anspricht.“, ein verlegenes Lächeln schlug sich in sein Gesicht, „Der Rest der Leute hat’s einfach hingenommen.“, er fuhr mit der Hand über die Naht, die zwischen Augenbraue und Nase begann und sich schräg bis zu seinem Haaransatz zog, „Sieht es so grausam aus?“

„Ne, ne... rennen nur nicht mehr so viele Kerle mit Narben im Gesicht rum.“, der Typ verschränkte die Arme und warf einen Blick zur Tür, „Tja... ich denke, ich muss wieder ran. Kommst du klar?“

„Sicher.“, Katsuya griff neben sich und hob den Schlüssel auf, „Könntest du den hier dem Türsteher wiedergeben, bitte?“

Der Andere nickte nur und verschwand.

Wie du mir, so ich dir

Moin ^.^ Bin zurück von der DoKomi und endlich aus diesem Kleid raus X.X (habe Aeris gecost) Es ist luftig und schön, aber dieses Pink macht blind. Wenn ich sie je wieder cose, dann mit Waffe - die lenkt den Blick von diesem Kleid ab.

Was "Tote Gesellschaft" angeht, so hat mir übrigens der Heyne-Verlag abgesagt T.T Das hat mich traurig gemacht, es war mein Wunschverlag. Wenn das so weiter geht, muss ich das Buch bei einem kleineren Verlag veröffentlichen. Schade drum. Aber bei einem so abwegigen Thema und einem unkonventionellen Schreibstil habe ich es nicht groß anders erwartet. Ist schon ein Wunder, dass mir erst ein Verlag an den Kopf schmiss, dass man über so etwas (Missbrauch und Homosexualität) doch nichts schreiben kann bzw. so etwas kategorisch nicht veröffentlicht wird.

Egal, ich habe meine sechs Stunden Fahrt gut genutzt ^.^ Hier ist das neue DS-Kapitel. Ansonsten habe ich eine neue Fanfic mit Namen "Starry Night" geschrieben, die auch bald on ist. Und - oh Wunder - es ist keine Shounen-Ai-FF. Durch die Umstellung nach dem neuen Genresystem ist mir mal aufgefallen, dass ich davon eine Menge habe ô.o
 

P.S.: Noch einmal eine WARNUNG - auch dieses Kapitel hat Potenzial zur Depression.
 

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Das Klopfen an der Stahltür ließ Katsuya aus seiner Trance schrecken. Tock, tock, tock – Stille. Der Blonde atmete tief durch.

Das dürfte Seto sein.

Er legte den Kopf in den Nacken, schloss einen Moment lang die Lider, bis er sich erhob und hinüber ging. Seine Hand schwebte einige Sekunden über der Klinke, bevor er sie langsam herunter drückte und die Tür öffnete.

„Seto.“, er selbst konnte seiner Stimme keinen Ton entnehmen. Eigentlich hatte er gehofft, dass sie ihm etwas darüber sagen würde, wie er sich fühlte.

„Hi...“, der Ältere, die Hände in seinen Manteltaschen vergraben, sah vom abgesenkten Weg zu ihm auf und ließ Katsuyas Musterung über sich ergehen, bis er wieder sprach, „Gibt es etwas, dass ich tun kann, damit du dich in meiner Nähe sicherer fühlst?“

Katsuya schwieg.

Ihn zu fesseln wäre ganz hilfreich. Oder eine Pistole zu haben. War alles aber weder der Autofahrt noch ihrer Beziehung zuträglich. Schlagstock vielleicht. Messer...

„Geh zum Auto. Ich folge dir.“, bestimmte der Blonde, was Seto nach einem kurzen Zucken seiner Augenbrauen befolgte. Etwas schräg hinter ihn. Drei Schrittlängen. „Wieso sollte ich niemandem öffnen?“

„Falls Pegasus irgendetwas plant.“, der Ältere sah kurz zur Seite, wandte den Kopf jedoch wieder nach vorn.

„Warum hast du solche Angst vor ihm? Es ist nicht nur eure Vergangenheit, oder?“

Es entging Katsuya nicht, dass Seto bei „eure“ zusammen zuckte.

„Nein, es... Er ist... ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Wie Bakura, nur unberechenbar und mit zu vielen Mitteln.“, er nahm die Hände aus seinen Manteltaschen und ließ sie lose an seinem Körper baumeln, „Jemand tut einem seiner Mädchen weh? Erschießen. Jemand klaut Geld? Hand abhacken. Jemand verrät ihn? Haut abziehen. Jemand tötet einen seiner Männer? Bezahlen und rekrutieren.“, er seufzte leise, „Das sind Grundprinzipien. Aber manchmal hat er einfach irgendwie Launen. Jemand hilft ihm und besorgt Information? Auch erschießen. Es macht keinen Sinn, aber er macht es trotzdem. Ich habe Angst um dich.“

„Um mich?“, oh, er war überrascht. Gut, zumindest seine Stimme hatte schon wieder Emotionen.

„Natürlich um dich.“, Seto blieb stehen und warf einen Blick über die Schulter, „Der Mann ist nicht dumm. Er wird verstanden haben, dass du mir wichtig bist. Und man verletzt einen Menschen am besten, indem man denen weh tut, die ihm wichtig sind.“

„Geh weiter.“, befahl der Blonde leise.

„Entschuldige.“, Seto wandte sich wieder dem Weg zu und führte sie um ein weiteres Wohnhaus, „Da drüben ist der Wagen.“

Sie traten an das Gefährt heran, wobei der Ältere kurz noch mal einen Blick zu Katsuya warf, bevor er zur Fahrertür ging. Gut so. Auch wenn es sehr charmant war, das hier war nicht der Moment, um Türen auf zu halten.

Katsuya ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder, griff neben sich ins Türfach und zog sein Klappmesser hervor. Braune Augen spiegelten ihm entgegen. Keine Spuren mehr von dem Blut – Mokubas Blut, Setos Blut, seinem eigenen Blut. Sein treuer Begleiter durch die Jahre. Er hatte es in den Wagen gelegt, nachdem er es sich von Isis hatte wiedergeben lassen. Stumm steckte er das unausgefahrene Klingenende in seine rechte Jeanstasche.
 

„Wie kommt es, dass du dich nicht geschnitten hast?“

Seto wandte seinen Blick von der roten Ampel, an der sie gerade standen, zu Katsuya. Die Brauen hatten sich verzogen, bildeten Falten.

„Ist irgendwie traurig, dass die Frage nicht lautet „Wie konntest du das tun?“ sondern „Wie konntest du es nicht tun?“...“, er seufzte tief, „Es wäre definitiv eine Situation gewesen, wo ich es möglicherweise getan hätte. Aber zum einen stabilisiere ich mich gerade wieder, was es leichter macht Yami anzurufen statt mir etwas anzutun und zum anderen wurde ich angerufen, was Ablenkung genug war.“

„Von Yami?“, na toll. Das erste Gefühl, was zurückkehrte, war Eifersucht. Katsuya biss zu, um den Druck auf seinen Zähnen zu spüren.

„Der würde nie im Leben Samstag abends anrufen. Nein, deine Schwester war am Telefon.“, die braunen Augen bohrten sich in Setos zur Straße gewandten, „Sie hat dich nicht erreicht, deswegen hat sie meine Nummer probiert. Ich habe ihr gesagt, du würdest noch arbeiten.“, nicht erreicht? Ja, sein Handy war im Sixth Heaven gewesen... aber warum rief sie abends um kurz vor zehn an?

„Ist ihr etwas passiert? Ist was mit dem Baby? Hat Mutter irgendetwas angestellt?“, der Blonde lehnte sich etwas Richtung Seto.

„Nein, nichts dergleichen. Auch wenn ich vom Gefühl her sagen würde, dass sie vorher ein Streit mit eurer Mutter hatte. Sie hat gefragt, ob sie uns nicht vielleicht besuchen könnte, bevor sie Montag ins Krankenhaus geht.“

„Du meinst... morgen?“

Seto nickte, bevor er seine Antwort ausführte: „Ich habe gesagt, dass ich nicht weiß, was du vor hast, aber prinzipiell könnte sie gerne auf ein Stück Kuchen vorbeikommen.“

Katsuya starrte. Die Knöchel seiner Finger weiß durch den Druck, mit dem er die Armablage zwischen ihnen drückte. Da war... viel. Sehr viel Gefühl. Freude seine Schwester zu sehen. Enttäuschung, dass er den Anruf verpasst hatte. Wut, dass Seto anscheinend voraus gesetzt hatte, dass er bis zum Morgen wieder da war. Und Stolz, dass dieses Vertrauen in ihn gesetzt wurde.

Übelkeit, dass diese Erwartung in ihn gesetzt wurde.

„Entscheidest du das einfach mal für mich, ja?“, knurrte der Blonde.

„Was?“, Seto blinzelte und sah kurz zu ihm rüber, „Ich dachte, du wolltest deine Schwester gerne sehen. War das falsch?“

„Nein. Nur vielleicht nicht mit dir.“, entgegnete Katsuya kalt.

Setos Adamsapfel wanderte seinen Hals entlang, seine Brust hob sich, bevor sie in sich zusammen sackte und er antwortete: „Ich muss nicht da sein. Du kannst sie auch ohne mich treffen. Ihr müsst euch auch nicht bei uns treffen. Es war nur eine Idee.“

„Idee!“, der Jüngere schnaubte, „Was war der Plan? Mich zurück ins Haus zu kriegen, indem du sie hinbringst? Wolltest du mich mit meiner Schwester erpressen, wenn ich nicht von alleine wieder angekrochen komme?“
 

„Katsuya, das...“, Tränen schossen in Setos Augen, während seine Gesichtszüge erschlafften und sein Ton erkaltete, „Das ist einfach lächerlich. Ich weiß, dass ich bisweilen Paranoia habe, aber das übersteigt es bei weitem. Lass diese schwachsinnigen Anschuldigungen.“

„Schwachsinnig?“, Katsuyas trockenes Lachen klang selbst in seinen eigenen Ohren reichlich wahnsinnig, „Ach, wenn ich dich mal nicht für alles lobe sondern die Wahrheit ausspreche, ist das lächerlich? Du elender aufmerksamkeitsgestörter Narzisst, weißt du, wie lächerlich das ist? Du hältst mich wie ein Haustier, ich springe gehorsam auf jedes Pfeifen in dein Bett und du hast die Dreistigkeit mir zu erzählen, dass ich lächerlich bin?“

„Ich habe nicht gesagt, dass du lächerlich bist, sondern dass die Anschuldigung keinerlei Grundlage hat. Ich wäre nicht einmal auf die Idee gekommen. Und hör auf mich zu beleidigen.“, eine Träne rann über Setos Wange.

„Keinerlei Grundlage, ja? Wir stecken in dieser ganzen Scheiße, weil du keine Probleme damit hast Leute umzubringen, weil sie dir im Weg stehen. Wie weit hergeholt ist es, dass du meine Schwester nimmst, um mich wieder an die Leine zu kriegen?“, giftete der Blonde.

„Verdammt weit.“, Seto, der am Straßenrand geparkt hatte, drehte sich dem Jüngeren zu, während er einen Knopf neben sich drückte, „Katsuya, du bist mein Freund, nicht mein Haustier oder Spielzeug. Ich habe dich abgeholt, weil ich dachte, dass du dich beruhigt hast. Nicht um dich festzunehmen oder einzusperren.“

„Sehr überzeugend, wo du gerade die Zentralverriegelung aktiviert hast.“, gab der Jüngere zurück, wobei mitten im Satz seine Stimme umschlug.

„Ich möchte nur nicht, dass du abhaust und bewaffnet Samstag nachts durchs Stadtrandgebiet rennst.“, der Brünette hob die Hände und lehnte sich gegen die Fahrertür, „Beruhige dich. Bitte.“

„Ich bin ruhig.“, behauptete Katsuya und bemerkte im selben Moment sein unregelmäßiges, abhacktes Atmen und sein Herz, das ihm praktisch aus der Brust sprang.

Braun starrte in Blau. Blau sah ausdruckslos zurück. Seto saß dort, beide Hände erhoben, die Brust völlig ungeschützt, der Bauch, der Hals... zwei Handbewegungen und er wäre tot. Scheiß Atemübungen. Warum brauchte er sie immer wieder? Sein Herzschlag regulierte sich auch langsam wieder.

„Ich bin ruhig.“, wiederholte er, diesmal wirklich entspannter und klarer in seinen Gedankengängen.

„Okay...“, der Ältere ließ die Hände langsam sinken, setzte sich jedoch nicht um, „Ich denke, dass mit uns beiden klappt erstmal nicht. Ich mache dir Angst und ich denke nicht, dass sich das bessert, wenn ich in deiner Nähe bin.“, er setzte ein Pause, die Katsuya nutzte, um ihm mit einem Nicken zuzustimmen, „Ich kann dich zu Yami oder Ryou fahren. Oder sogar Isis, sie hat mir gesagt, dass sie dich gern auch in den Ferien aufnimmt, sollte irgendetwas sein. Wenn du das alles nicht willst, kann ich dich meinetwegen auch gern zu einem Hotel fahren. Sag mir bitte, was du möchtest.“

Autsch. Das hier war wohl diese unglaublich bescheuerte Sache, die man Realität nannte. Katsuya schluckte und versuchte zu ignorieren, dass seine Sicht ein wenig verschwamm.

„Aber Yami ist doch nicht da... und beschäftigt...“

„Ich habe einen Zweitschlüssel zu seiner Wohnung. Ich kann dich reinlassen.“, entgegnete Seto sachlich.

„Ich will nicht allein sein. Ich will nicht zu Leuten, vor denen ich Angst habe oder denen ich nicht vertrauen kann, ich...“, die Tränen schossen nur so aus seinen braunen Augen, „Ich will dir vertrauen.“, Katsuya wandte sich dem Fahrer zu, die Kehle plötzlich wie zugeschnürt, „Warum kann ich dir nicht vertrauen?“

Lider senkten sich über die schönen blauen Augen, verbargen sie vor seinem durchdringenden Blick. Als Seto sie wieder öffnete, ließ er sie so tief, dass er kaum weiter als bis zu seinen Knien zu sehen vermochte. Sein Atem ging ruhig, doch seine Stimme zitterte, als er sprach: „Weil ich mir selbst nicht vertrauen kann.“
 

Rumps.

Katsuya erstarrte, den Blick auf Seto fixiert, wie er dort in seinem Sitz hing. Die Gedanken in seinen Kopf schwiegen. Seelige Ruhe. Beängstigende Stille. Ganz leise begann eine Stimme zu nagen. Hatte er es nicht die ganze Zeit gewusst? Hatte er schon wieder etwas verdrängt und ignoriert? Hatte er sich ein gemütliches Bild von Seto gemacht und es diesem aufgedrückt? Liebte er nur diese Illusion? Sein Ritter mit strahlender Rüstung, der in ihren privaten, intimen Momenten seine Gefühlswelt freigab?

Wie ein kleines, naives Mädchen. Träume. Wünsche. Utopien. Erwartungen, mit denen er Seto erdrückte, weil er ganz sicher kein perfekter, anmutiger Krieger war, der nur ihm seine verletzliche Seite zeigte.

Was hatte er getan?

Was hatte er nur getan?

Unter Tränen schüttelte er seinen Kopf.

„Es tut mir so Leid...“, Seto, der die Bewegung wohl bemerkt hatte, hob den Kopf, „Katsuya, es tut mir Leid. Ich weiß, dass ich kaum erträglich bin. Es tut mir Leid, dass ich dir das alles zugemutet habe. Dass ich... dass ich so viel von dir nehme und kaum in der Lage bin etwas zurückzugeben. Ich weiß das alles und ich kann es nicht stoppen. Es tut mir Leid. Es tut mir so Leid.“, sein Haupt war längst wieder in Schuld gebeugt.

„Es ist so schwer.“, hörte der Blonde sich sagen und brauchte einen Moment, bevor er die Worte als seine eigenen erkannte, „Ein Teil von dir liebt mich, da bin ich mir sicher. Aber andere hassen mich, verachten mich, wollen mich sogar tot. Ich bin für dich dein Freund, dein Sohn, dein Henker, dein Spielzeug, deine nie gehabten Eltern und irgendwo sogar dein Bruder. Da ist so viel Erwartung, so viel Verantwortung. Du erdrückst mich.“, er krallte seine Nägel in die ledernen Sitzbezüge, „Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich habe Angst, dass ich etwas falsch mache, dass ich dich verliere, aber auch, dass ich mich selbst verliere. Wie viel Ich bin ich eigentlich? Wie viel ist die Person, die du zum Überleben brauchst? Und ich habe noch mehr Angst, dass ich all das wieder verliere, was du mir sonst gegeben hast. Jedes Mal, wo ich unser Haus sehe, habe ich Angst, dass es das letzte Mal ist. Jeder Augenblick erscheint mir der letzte, bevor ich aus einer Ohnmacht im Flur unter meinem Vater aufwache oder wo mich die Nachricht erreicht, dass du tot oder ohne Nachricht verschwunden bist.“, sein ganzer Körper zitterte, seine Stimme schlug um in Panik, „Ich habe Angst! Ich habe solche Angst!“

Eine kühle Hand legte sich sanft auf seine, verharrte dort einen Moment, bevor sie sich um diese schloss.

„Wie viel Ich bin ich? Wie viel sind Gewohnheiten und Gedanken, die meine Vergangenheit mir eingepflanzt hat? Sind all diese Bedürfnisse, all diese Gefühle, all diese Prinzipien meine eigenen? Wie viel meiner anderen Ichs bin ich auch?“, die Stimme war nicht mehr kalt, nicht zugeschnürt, eher voll Sympathie, voller Emotionen, voller... Hoffnung? „Und was, wenn er mich verlässt? Wenn er es mit mir nicht mehr aushält? Wenn er jemanden trifft, der besser zu ihm passt? Oder wenn ihm irgendetwas passiert? Wenn Pegasus ihn sich krallt wegen meiner Fehler? Wenn die Yakuza etwas tut, weil er Yami kennt? Wenn Bakura austickt und Amok läuft? Wenn er ausrutscht und sich das Genick bricht? Wenn er wegen seiner eigenen Probleme zusammenbricht? Halte ich einen weiteren drogen- und alkoholsüchtigen, aggressiven Jugendlichen in meinem Leben aus?“, ein sanfter Kuss wurde auf Katsuyas Hand gesetzt, „Wenn ich ausbreche und ihn verletze?“, ein Daumen strich darüber, „Wenn er ausbricht... und mich verletzt?“

„Ich... dich?“, irgendwo musste er seinen Blick gesenkt haben, denn nun musste er ihn heben, um in Setos Augen zu sehen.

„Es tut weh, wenn du plötzlich kalt und aggressiv wirst. Wenn du mich beleidigt und beschuldigst und ich nicht weiß, wie viel davon wirklich mein Fehler ist und wie viel deine Angst und Wut. Und...“, Setos freie Hand strich über seine Wange – seine geschminkte Wange, „Nun ja, du bist mit Gewalt aufgewachsen. Du reagierst auf schwierige Situation... mit Gewalt.“

„Ich habe auf dich eingedroschen.“, erwiderte Katsuya, seine eigene Stimme kalt, aber die Gedanken klar. Genau das war das Puzzlestück. Seto war unberechenbar, kannte sich selbst nicht, war innerlich ein Nervenbündel, eine tickende Zeitbombe und gefährlich.

Aber das galt anders herum genauso.

Keine Liebe ohne Vertrauen

Mehr hochladen? Keineswegs. Ich verkünde hiermit offiziell, ich habe nur noch dieses Kapitel und nur eine vage Hoffnung, dass ich auf den beiden Zugfahrten am Wochenende das Kapitel für nächsten Montag zusammen kriege. Derzeit ist es echt brenzlig. Ich bin heute 18 geworden, deshalb war das WE hier alles verplant (hat aber sehr Spaß gemacht). Und jetzt schneidere ich gerade wie wild am Cosplay für Samstag (Japantag). Sonntag ist dann die nächste Party. Nebenher habe ich normal Uni, morgen den ganzen Tag Humangenetikpraktikum und Freitag Zellbiologie.

Ist es nicht schön den ganzen Tag im Labor zu stehen? =.= Nie im Leben werde ich Forscher.

Egal, hat wenig mit dem Kapitel zu tun. Ich hoffe, die Qualität hat unter meinem Stress nicht gelitten. Viel Spaß beim Lesen!
 

WARNUNG!!! - sehr heftiger Trigger für Vergewaltigung. Bitte nur mit Vorsicht, Sicherheitsmaßnahmen und/oder anderen Anwesenden lesen, wer da heftig reagiert.
 

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Katsuya wünschte Seto mit einem Kuss auf die Wange eine gute Nacht, schloss die Tür zu seinem Zimmer ab und schrieb Shizuka eine SMS, nachdem er sich auf seinem Bett ausgebreitet hatte.

So weit, so gut. Für alles gab es Kompromisse, nicht? Seto und er näherten sich nicht mehr als zwei Meter aneinander an, außer der andere hatte ausdrücklich bestätigt damit einverstanden zu sein. Und für morgen luden sie außer Shizuka auch Yami und Noah ein. Und nachdem Shizuka gegangen war... na ja... dann wurde geredet.

Für alles, was ihnen derzeit um die Ohren pfefferte, erschien ihm das Ganze wie eine selten einfache Lösung. Reden. Einfach nur ein paar Minuten...

Katsuya seufzte und rollte sich auf die Seite.

Reden. Als wäre das einfach. Um darüber zu reden, wie ein Problem gelöst werden sollte, sollte man irgendeine Vorstellung davon haben, wie man es lösen konnte, oder?

Und bevor man ein Problem löste, musste man auch erstmal wissen, was das Problem war. Er hatte Angst vor Seto? Auf so was kannte er Yamis Antwort gut genug: Warum hatte er Angst vor Seto? Ganz toll. Weiß nicht – das war keine Antwort, die bei Yami galt. Selbst wenn er ehrlich keinen blassen Schimmer hatte.

Dass Seto ihn töten würde, das war absurd. Dass er aus Eifersucht irgendjemandem etwas antat, ebenso. Amok lief er auch sicher nicht. Damit Seto kaltblütigen Mord beging, musste man ihm mittlerweile schon ziemlich gegen den Strich gehen, das war für Katsuya ein Fakt. Aber was er im Affekt, aus Angst oder Wut, tat... wenn er einmal in Panik verfiel, war er wie eine verwundete Beute vor einem Omnivor: Er kämpfte mit allen Mitteln, bis zum Tod.

Die Panik war wie ein Käfig. Und wenn Drachen Käfige sahen, wurden sie zerstört. Und welche Verzweiflung war es, wenn jeder Versuch den Käfig stärker machte?

Nur warum verhielt er selbst sich dann so, wie er es tat? Er wurde bei Panik ruhig, rollte sich zusammen, wurde völlig hilflos... oder vollkommen aggressiv. Objektiv betrachtet, er war wirklich nicht groß anders als Seto. Nur irgendwie...

Er rollte zur anderen Seite und starrte aus dem Fenster in den dunklen Himmel.

Setos meiste Ängste gingen darum ihn zu verlieren oder von ihm nicht mehr geliebt zu werden. Angst vor physischen Angriffen war gerade mal eine Andeutung in seiner Erklärung gewesen. War das ein verdrängter Teil oder war das wirklich eine der geringsten Ängste? Andererseits war gerade Setos Vorgeschichte eine Anreihung von Verlusten, während seine eigene eine der Gewalt war.

War es da ein Wunder, dass auch das ihre größte Angst war?

Wenn man es so betrachtete – hatten diese Ängste wirklich eine logische Begründung oder waren sie eher nur das, was immer vor ihren Augen schwebte – umso mehr, je wichtiger ihnen die andere Person war?

Das weiter gesponnen – war es wirklich Seto, vor dem er Angst hatte?
 

Grinsen.

Katsuyas Lider schossen in die Höhe, sein Atem stockte und er wich zurück – versuchte es zumindest, doch etwas hielt ihn auf der Matratze.

Seto.

Was machte Seto hier?

Was machte er in diesem Bett, warum war er so nah? Sie hatten doch-

Sein Schrei wurde durch die Hand gedämpft, die auf ihn zugeschossen kam und sich auf seinen Mund drückte.

Das Grinsen blieb, die blauen Augen allerdings senkten sich, fuhren mit dem Blick über seinen Hals, seine Brust, seinen Bauch- nein! Katsuya wandte sich, trat aus, doch erwischte nur Luft. Der Bastard lag zwischen seinen Beinen. Wieso konnte- ?

Schmerz fuhr durch seine Handgelenke. Etwas Kaltes, Scharfes, Schneidendes. Er warf den Kopf in den Nacken, um seine Hände mit Draht am Bettende fest gekettet zu finden.

Das war nicht wahr. Einfach nicht wahr. Seto würde nicht... kalte Finger fuhren über seinen nackten Bauch, wodurch sich sein ganzer Oberkörper verkrampfte, um der Berührung zu entkommen. Mit einem Mal setzte sein Atem wieder ein, rasend, laut, zischend, während sich seine Nasenflügel aufblähten.

Nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein – eine Träne rollte aus seinem Augenwinkel. Die Hand hatte die Schlaufe an seiner Pyjamahose gelöst. Kalte Finger hatten sich in den Bund gehakt. Setos Nasenspitze fuhr durch jeden freigelegten Millimeter Schamhaar.

Die zweite Hand lag noch immer wie ein eiserner Griff auf seinen Lippen, verstummte jeden Schrei, der er ausstieß. Seine Arme waren längst blutig, doch der Draht löste sich nicht. Er kriegte die Knie nicht unter Seto. Keine Chance.

Sein Körper erschlaffte.

Kein Entkommen.

Seine Augen defokussierten.

Hilflos.

„Katsuya... !“

Tot.

„Katsuya!“

Er schloss die Augen.

„Katsuya!“, Schläge auf einen harten Gegenstand. Auf ihn? Nein...

Seine Lider flatterten, sein Körper zuckte und er rollte weg – es machte seine Unterlage härter, aber ebener. Keine Drahtfesseln.

„Katsuya!“, kam es sehr laut von der Tür, gegen die mit Fäusten getrommelt wurde.

„Se... to?“, seine Stimme war ein Krächzen.

„Katsuya?“, die Schläge stoppten, „Katsuya, geht es dir gut? Ist dir etwas passiert? Brauchst du Hilfe?“

„Hilfe... Seto?“, der Blonde erhob sich torkelnd, sodass er Richtung Tür kriechen konnte, während ein Schluchzen ihn beinahe zu Fall brachte.

„Ich bin an der Tür.“, der andere wirkte nun ruhiger, „Hattest du wieder einen Alptraum, Katsuya?“

„Alptraum...“, er versuchte den Schlüssel zu drehen, rutschte dreimal ab, doch bekam die Tür schließlich auf. Ja. Seto. Seto war da. Er kroch auf den Hockenden zu, legte die Arme um seinen Nacken.

„Ganz ruhig, Schatz... ganz ruhig...“, ein Schlucken, „Darf ich dich umarmen?“
 

Darf... hä? Katsuya begann zu krallen. Die Abmachung. Keine Annährung, erst recht keine Berührung ohne Erlaubnis. Er hatte versagt. Seine fast stillen Tränen wandelten sich in ein Crescendo von Schluchzern.

„Tut mir Leid... tut mir Leid... tut mir...“, er biss die Zähne zusammen. Er war so jämmerlich. Seto musste ihn doch hassen, so wie er war. Er war einfach nur abscheulich.

„Katsuya... psch... ganz ruhig...“, eine Hand legte sich vorsichtig auf seinen Rücken, „Schatz, ich nehme dich jetzt in den Arm.“

„Nein.“, der Blonde drückte den anderen von sich mit den in sein Shirt gekrallten Händen, „Nein... ich...“, sein ganzer Körper erzitterte, „Seto...“, Tränen schossen unter seinen geschlossenen Lidern hervor, „Seto...“

„Ich liebe dich.“, erwiderte Seto ruhig, hob eine Hand und strich ihm eine Träne von der Wange, „Egal, was du gerade denkst und fühlst, das ist eine Tatsache, die sich nicht so schnell ändern wird.“, er hob sein Gesicht ein wenig und fing Katsuyas Blick, „Ich liebe dich, egal welche Schwierigkeiten wir jetzt gerade haben. Wir können das zusammen durchstehen.“

Zusammen... die blauen Augen falterten nicht. Seto sah so sicher aus. So wissend. Zusammen... so schöne Augen. So tief. So... so...

„Katsuya...“

So einladend. Annehmend.

Der Blonde kroch etwas vor, ließ sich das letzte Stück fallen und wurde von Seto aufgefangen und an dessen warme Brust gezogen. Da, wo sein Herz schlug. Da, wo er geliebt wurde. Da, wo er zu Hause war.

„Kats...“, Seto zog ihn auf seinen Schoß, hielt ihn sicher und kusste sein Haar, „Mein Schatz...“, eine Hand strich beruhigend über seinen Rücken, „Mein Kleiner...“, Seto wiegte ihn mit sich hin und her, „Ruhig... schlaf noch ein wenig... ich bringe dich ins Bett...“, gemäß seinen Worten erhob der Brünette sich mit Katsuya in seinem Arm, schritt langsam die drei, vier Schritte zum Bett hinüber und ließ ihn auf die weiche Matratze sinken.

„Seto...“, murmelte der Jüngere schläfrig und griff unkoordiniert in Richtung der Wärme, die sich von ihm trennte.

„Ich hole nur deine Decke.“, Stoff wurde ausgeschlagen, bevor sich etwas Schweres, Weiches über Katsuya legte, „So...“, die Matratze senkte sich auf einer Seite ein und eine Hand strich über seine Stirn in sein Haar, „Schlaf, mein Schatz.“

„Will... nich'...“, nuschelte der Blonde leise.

„Solltest du wieder schlecht träumen, wecke ich dich auf, okay? Dir wird nicht passieren.“, die Stimme war so sanft und leise und...

Und...

„Lieb'... dich...“

Irgendwo in den Weiten der Dunkelheit registrierte er noch, wie ein Kuss auf seinen Haaransatz gesetzt wurde, bevor er in die Arme des Schlafes sank.
 

Sonnenstrahlen kitzelten sein Gesicht und ließen Katsuya blinzeln. Mit einem stillen Seufzer schloss er die Lider wieder, atmete tief und setzte sich auf, bevor er sich mit gerunzelter Stirn umsah.

Wieso stand hier helles Holz? Seto hatte doch- Seto! Er zuckte und ließ sich zur Seite fallen, um über die Bettkante zu sehen. Seto? Wieso schlief der auf dem Boden? Den Raum hatte er ja mittlerweile erkannt, auch warum er hier war, aber Seto? Wieso lag der da unten?

„Ähm... Seto?“, der Blonde streckte den Zeigefinger aus und piekste dem Älteren in die Wange, „Aufwachen.“

„Grmbl...“, dieser verzog das Gesicht, grummelte noch etwas mehr, doch öffnete langsam die Augen, „Kats... ? Ist schon Morgen?“

„Ja, ist es, Grummeldrache.“, lächelnd legte Katsuya die Arme übereinander und seinen Kopf darauf, „Was machst du da unten?“

„Schlafen...“, das verzogene Gesicht verzog sich noch weiter, während er sich aufsetzte und seine Gelenke knackten, „Mor'n, Schatz...“

„Morgen. Aber warum hast du da unten geschlafen? Ich bin nicht gut im Schätzen, aber zwei Meter sind das nicht ganz.“, der Jüngere lächelte trotzdem. Endlich hatte er mal eine Nacht gut geschlafen.

„Ich habe deine Hand gehalten, bis ich eingeschlafen bin.“, gab Seto zu und rieb sich die Augen, „Erinnerst du dich noch, was heute Nacht geschehen ist?“

„Was... heute...“, Katsuyas Lider verengten sich, „Was meinst du?“

„Du hattest anscheinend einen sehr heftigen Alptraum. Du hast fast eine Minute geschrieen und bist aus dem Bett gefallen.“, die blauen Augen sahen zu ihm hoch, das Gesicht dazu ohne Ausdruck – erwartend, beurteilend, analysierend also, „Du hast auf meine Rufe nicht reagiert. Du konntest dich vor Angst nicht einmal wirklich bewegen. Von den Geräuschen her denke ich, dass du zur Tür gekrochen bist und dich so lange an den Schlüssel gehängt hast, bis sie offen war. Danach bist du in meine Arme gefallen, hast mich um Vergebung angefleht und dich nur sehr langsam beruhigen können.“, Seto holte tief Luft, „Ich habe dich ins Bett gebracht und versprochen, dass ich da bleibe und dich wecke, solltest du wieder träumen.“

„Oh...“, Katsuya blinzelte, „Daran kann ich mich gar nicht erinnern... aber macht Sinn. Die Tür sieht nicht aufgebrochen aus.“, er schluckte, „Ähm... danke. Tut mir Leid, dass ich dir solche Umstände mache.“

„Schon gut.“, ein dünnes Lächeln legte sich auf die Lippen des anderen, „Bei deinen Alpträumen weiß ich zumindest, dass sie irgendwann ein Ende haben werden. Oder zumindest in ihrer Häufigkeit abnehmen. Das bessert sich ganz natürlich.“

Im Gegensatz zu Setos Zustand. Er sagte es nicht, aber es hing eindeutig in der Luft. Seto sah für ihn Hoffnung – für sich selbst nicht. Tief ausatmend ließ Katsuya den Kopf kraftlos zur Seite fallen und schloss die Augen.

„Möchtest du noch etwas liegen bleiben?“, Enthusiasmus ergriff von Setos Stimme Besitz, „Ich könnte dir Frühstück ans Bett bringen.“

Katsuya zog die Lippen zu einem breiten Lächeln, doch sagte nichts.

„Den Kakao warm oder kalt?“

„Kalt.“, murmelte der Blonde leise, spürte, wie seine Decke wieder über ihn gelegt wurde – seine an der Bettseite überhängenden Beine wurden eingepackt – und Seto summend aus dem Zimmer ging.

Unerwünscht

Irgendwo im Nirgendwo, 5:46 Uhr morgens, dat Gepo hängt überm Laptop und tippt DS -.- Leute, ich bin so wahnsinnig...

Nun gut, ich habe das Kapitel fertig gestellt ^v^ Und ich denke, es ist nicht einmal schlecht geworden, dafür dass es heute morgen vor halb zehn ohne Kaffee geschrieben wurde. Was drin sein sollte, ist drin - Setos unglaubliche, bewunderswerte, diplomatische Art mit Wesen umzugehen, die er nicht ausstehen kann.

Viel Spaß beim Lesen ^.^
 

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„Mutter.“, Katsuyas Lächeln erlosch von einer Sekunde auf die andere.

Direkt vor ihm, auf der Türschwelle zu seinem Haus, schwarzer Anzug, Stöckelschuhe, braunes Haar. Definitiv die letzte Person, die er heute gebraucht hätte.

„Wer hätte sie sonst her fahren sollen?“, Frau Kamiya schnaubte, „Ich dachte, sie hätten dir Intelligenz nachgewiesen.“

Einatmen.

Ausatmen.

Ganz ruhig.

Shizuka stand immer noch hinter ihr, den Oberkörper so weit entschuldigend gebeugt, wie ihr Bauch es zuließ. Das war sicher nicht angenehm.

„Schön, dass du kommen konntest, Kleines. Komm doch rein.“

Die Brünette sah auf, wobei ihr Blick von ihm sich sofort ihrer Mutter zu wandte und sie ebenso schnell begann zu sprechen: „Danke, dass du mich her gefahren hast, Mutter.“

„Ich hätte gern einen Kaffee, bitte.“, die Ältere trat an Katsuya vorbei und entledigte sich ihrer Schuhe am Eingang, um in bereit stehende Gastpantoffeln zu schlüpfen.

Shizukas Augen glänzten verdächtig, als sie ihrem Bruder einen Blick sandte.

„Ein hübsches Haus hast du hier.“, sie sah durch die offene Tür in die Küche, „Wo kann ich euer Bad finden?“

„Ah, Frau Kamiya.“, tönte eine dunkle, sichere Stimme von der Treppe, „Schön, dass sie her gefunden haben.“, Seto schritt langsam die Stufen hinab, wobei er lässig die Manschetten seines Hemdes zuknöpfte. Die letzten Schritte tat er mit ausgestreckter Hand, wobei er der bei weiten kleineren Frau näher kam, als der Anstand es gebot – wenn auch nur minimal.

„Herr Kaiba.“, ihr rechter Fuß schob sich ein wenig zurück, „Guten Tag.“, sie griff nach seiner Hand, in der ihre praktisch verschwand.

„Das Bad finden sie im Obergeschoss. Wie trinken sie ihren Kaffee?“, er lächelte, behielt die Nase jedoch soweit oben, dass er auf sie herab sah.

„S- schwarz, bitte.“, das Zittern in ihrer Stimme war nur minimal, aber den Eindruck, den Seto auf sie machte, war unübersehbar.

Katsuya durchlief ein Schauer. Das zum Töten von Leuten, die ihm im Weg standen. Wofür brauchte er das, wenn er Menschen mit wenigen Worten dazu bringen konnte praktisch schreiend vor ihm wegzurennen? Er wirkte wie ein Adler, der aus luftiger Höhe seine Beute fixierte, um sich im nächsten Moment auf sie herab zu stürzen.

Dasselbe schien seine Mutter zu denken, denn sie machte einen merkbar größeren Bogen, um an Seto vorbei zu kommen als sie es bei ihm gemacht hatte.

Seto verfolgte sie mit seinen tiefblauen Augen und ausdruckslosem Gesichtsausdruck, in den man praktisch alles rein deuten konnte. Er wandte sich auch nicht ab, bis sie nicht den kompletten Weg nach oben verschwunden war.

„Alles okay bei dir?“, oh so süß, oh so sanft, die Muskeln entkrampft, die Augen so viel jünger und von Sorge erfüllt.

Wie hypnotisiert hob Katsuya eine Hand und machte einen Schritt auf ihn zu. Viel zu viel Charisma und Charme für einen einzelnen Mann... ein Lächeln bahnte sich seinen Weg auf seine Lippen und er bündelte seine Gefühle in einem Wort: „Danke.“
 

„Um... danke.“, mit abgespreiztem kleinen Finger setzte Frau Kamiya ihre Kaffeetasse ab und kniff ihre Lippen zusammen, um sie nicht missgünstig zu verziehen. Wenn Katsuya es richtig gesehen hatte, hatte Seto einfach mal die doppelte Menge Kaffeepulver in die Maschine geschmissen, was den Filter fast zum Platzen füllte.

„Das ist doch eine Selbstverständlichkeit.“, der Brünette trank ein paar Schlücke, was die Tasse zu zwei Dritteln leerte, „Und – was macht das Geschäft?“

Auf ein kaum merkliches Zucken schnellte ihr Blick zu ihm, weilte einen Moment auf ihm, bevor sie mit Vorsicht – möglicherweise auch Angst – durchzogener Stimme versuchte ruhig zu antworten: „Gut, danke. Ich bin Immobilienverkäuferin. Die Zeiten werden schlechter, aber das Geschäft ist erträglich.“

„Immobilienverkäuferin? Zu meiner Zeit brachte das ein Nettoeinkommen von einer halben bis einer Millionen Yen im Monat. Ist dem noch immer so?“, Seto lehnte sich vor, um seine Tasse abzustellen, doch blieb vorgelehnt sitzen, nachdem er das getan hatte.

„Nun... eine Million ist sicherlich eine Übertreibung... eine halbe ist schon etwas, was nicht leicht zu erreichen ist.“, sie rutschte auf ihrem Sitz, um eine andere Position einzunehmen.

„Ah.“, ein Lächeln, was man als freundlich hätte werten können, wäre die Deutung eines überspielten Zähnefletschens nicht prominenter, schlug sich auf Setos Züge, „Sie sind also sehr erfolgreich. Meinen Glückwunsch. Das gibt ihnen ja die Möglichkeit sich gut um ihre Tochter und ihren Enkel zu kümmern.“

Und ihren Sohn haben sie verrotten lassen.

Die stumme Anklage hing in der Luft. Sie war greifbar, fühlbar, strich über die Haut aller Anwesenden und ließ sie erkalten. Setos Lächeln verwandelte sich in ein selbstgefälliges Schmunzeln.

„Umso erstaunter bin ich, dass sie es geschafft haben ihre Tochter herzubringen. Ist nicht gerade der Sonntag eine der Hauptarbeitszeiten ihrer Branche? Besonders jetzt in den Ferien?“

„Ja, ich... das ist wahr.“, sie schluckte, „Ich habe um vier meinen nächsten Termin. Wir wollten auch nicht lange bleiben.“

„Was?“, flüsterte Shizuka, die außer einer gemurmelten Begrüßung vorhin noch keinen Ton heraus gebracht hatte.

„Wie umständlich. Hätte ich das gewusst, hätte ich ihre Tochter sicher abgeholt. Was halten sie davon, wenn ich sie nachher heim fahre? Dann haben die Jugendlichen ein wenig Zeit. Die beiden haben sich schließlich jahrelang nicht gesehen.“

Woran sie Schuld sind.

Die ungesprochenen Worte, die durch den Raum geisterten, nahmen sicher nicht ab. Eher wurden sie immer dicker, immer erdrückender.

„Das wär' cool, danke.“, erwiderte Shizuka praktisch sofort und schnitt so ihrer Mutter effektiv das Wort ab, „Zeigst du mir dein Zimmer, Katsuya?“

„Klar.“, er sprang förmlich auf, glücklich eine Ausrede zu haben dem Raum zu entkommen, „Lass dir aufhelfen, Schwesterchen.“

Sie zog sich an seinem angebotenen Arm hoch, mit einer Hand ihren Bauch halten, bevor sie scheu zu ihm aufblickte und meinte: „Dein Zimmer ist im Obergeschoss, oder?“

„Jupp. Mit eigenem Bad. Voll krass.“, er behielt ihre Hand in seiner, während sie langsam den Raum verließen.

„Einen Aufzug nach oben habt ihr wahrscheinlich nicht, oder?“

„Darfst du keine Treppen gehen?“

„Doch, schon – erhöht aber die Chance, dass die Fruchtblase platzt Das wäre echt eine Sauerei. Musst du hier eigentlich putzen?“

Ihr Gespräch verlief sich in weitere Nichtigkeiten, während sie ihre Mutter hinter sich ließen.
 

„Hübsch.“, Shizuka drehte sich um sich selbst, „Du bist ein Fan von Black Guardian?“, sie deutete auf ein Poster an der Wand.

„Nicht wirklich.“, er schloss die Tür und setzte sich auf das Bett, „Das hier ist das Zimmer von Setos verstorbenem Bruder. Er hat hier nichts verändert, so weit ich weiß.“, er selbst betrachtete zum ersten Mal die Poster mit Interesse, „Ich habe hier bisher eigentlich nur übernachtet und ein paar Klamotten in den Schrank gelegt.“

„Oh...“, sie betrachtete ihn stumm, seufzte und kam herüber, um sich neben ihn zu setzen, „Du hast keine eigenen Sachen?“

„Nicht mehr.“, Katsuya senkte den Blick, lehnte sich vor und stützte seinen Oberkörper auf seine Arme, die er auf die Oberschenkel legte, „Erinnerst du dich noch an die Drachenstatue, die du mir geschenkt hattest?“, sie nickte vorsichtig, „Die habe ich wie einen Schatz gehalten. Ich habe sie immer betrachtet, wenn es mir beschissen ging und an dich gedacht. Ich habe zu dem Ding praktisch gebetet. Ob nun mein Magen krampfte vor Hunger oder ich blutete, weil unter Vaters Schlägen meine Haut riss. Es war mein Zeichen, dass die Welt aus etwas anderem als Schmerzen und Leid besteht.“, er seufzte, „Sie war mir so wichtig... als Vater sie zerschlug, habe ich die Wohnung für immer verlassen. Ich habe es ohne sie nicht ausgehalten.“, er lachte leise, aber hohl, „Das ist so bescheuert... als hätte mir eine Statue irgendwie helfen können...“, er vergrub das Gesicht in seinen Händen.

Shit. Damit wollte er seine Schwester doch nicht belasten. Verdammt nochmal. Konnte er sich denn gar nicht zusammen nehmen? Sie hatte doch schon genug eigene Probleme. In der Woche vor einer Geburt sollte man sich nicht auch noch mit einem durchgeknallten älteren Bruder beschäftigen müssen.

Von seiner Zimmertür her kam ein Klopfen.

„Seto?“, fragte er mit schwacher, fast brüchiger Stimme nach.

Der Ältere trat schweigend ein und musterte seinen Schützling nebenbei unauffällig, bevor er begann zu sprechen: „Ich habe Frau Kamiya freundlich des Hauses verwiesen. Ich hoffe, das war in deinem Sinn?“

Der Blonde nickte nur schwach und ließ den Kopf wieder sinken.

„Katsuya?“, Seto kniete sich einen Meter von ihm hin und sah das kleine Stück zu ihm auf.

Er sah einen Moment lang in die blauen Augen, die versuchten aus seinem Gesicht einen Ausdruck zu lesen, bevor er schweigend den Blick abwandte.

„Hätte ich das anders machen sollen?“

„Nein.“, flüsterte er leise und schloss die Augen, „Das war klasse. Es tut nur verdammt weh sie zu sehen.“

„Das kannst du ihr sagen, Katsuya. Ich habe auch die Mittel sie ohne jegliche Freundlichkeit wie eben raus zu schmeißen.“, erklärte der Ältere ernst, doch ohne jeglichen Vorwurf in der Stimme.

Braune Augen fanden blaue, badeten einen Moment in ihrer Aufmerksamkeit, bevor sie wieder abschweiften.

„Aber sie hat genug Mittel, um sich zu rächen.“, fast unbewusst griff er nach der Hand seiner Schwester, die neben ihm saß.

„Sie kann ihr nicht den Umgang mit dir verbieten. Sie kann höchstens ihre schlechte Laune an ihr auslassen und sie für weiß Gott was zusammen schreien.“

„Und das tut sie eh, wird also keinen Unterschied machen.“, schloss sich Shizuka ihm an.
 

„Vielleicht.“, gab Katsuya zu, seufzte, richtete sich auf und sah sie an, „Aber für meinen Neffen wird es einen Unterschied machen, wenn ich dich richtig verstanden habe. Du wirst wohl oder übel noch einige Zeit bei ihr wohnen, bis Herr Sarowski einen passenden Heimplatz für dich gefunden hat.“

„So lange ist dein Neffe ein kleines Bündel, das mindestens achtzehn Stunden pro Tag schläft.“, sie lächelte ein wenig amüsiert.

„Was nichts daran ändert, dass er seine Umwelt wahrnimmt. Da verstehe ich Katsuyas Bedenken. Eine Störung in den ersten sechs Monaten bringt entwicklungstheoretisch eine narzisstisch-schizoide Persönlichkeit. Das heißt, das Kind wird unfähig Gefühle wahrzunehmen, auszudrücken und die anderer zu verstehen, nachzuvollziehen und überhaupt zu erkennen.“

„So wie Mama?“, ihre Lider weiteten sich.

„Ich denke nicht, dass es das ist, was mit eurer Mutter ist. Dafür empfindet sie noch zu viel. Reue und Scham habe ich zumindest im Ansatz bei ihr schonmal gesehen. Narzisstisch-Schizoide können wirklich nichts als Aggressivität ausdrücken. Sie trauern nicht, sie zweifeln scheinbar nicht, sie haben nichts außer ihrer Meinung und sind nicht einmal in der Lage zu verstehen, dass es eine andere Wahrnehmung außer ihrer eigenen gibt.“

„Dagegen bist sogar du eine emotionale Leuchte.“, flüsterte Katsuya, doch das Zucken von Shizukas Augenbrauen sagte ihm, dass sie es gehört hatte.

„Da stimme ich dir glatt zu.“, Seto setzte sich und schlug die Beine zum Schneidersitz übereinander, „Ich bin in meinem alten Beruf einigen solcher Persönlichkeiten in Managerpositionen begegnet. Als Verhandlungspartner sind sie ganz gut, weil sie vollkommen vorhersehbar handeln. Aber auf persönlicher Ebene würde ich keinem begegnen wollen. Interessanterweise waren allerdings alle verheiratet... aber auch mehrmals vorher geschieden.“

„Sie waren Manager?“, erkundigte sich Shizuka.

„Kaiba Cooperation. Mein Bruder hat sie übernommen, als ich ausgeschieden bin.“, erklärte der Ältere.

„Ich glaube, ich habe mal davon gehört... Noah Kaiba, oder? Er war in einem Boulevardblatt, was Mutter manchmal liest.“, sie blinzelte, „Sie müssen eigentlich richtig reich sein, oder?“

„Ich habe mein Geld verschenkt.“

„Oh...“, das Aufleuchten ihrer Augen verschwand wieder und sie wandte den Kopf ab, „Ach so...“

„Shizuka?“, Katsuya rückte näher und legte einen Arm um sie, „Was ist?“

„Es... nichts.“, sie drehte sich zu ihm und lächelte, „Schon gut.“

„Bitte, sag, was du denkst.“, schloss sie Seto seinem Freund an.

„Ach nein... es war nur etwas Dummes...“, sie sah auf ihre Knie hinab.

„Soll ich es aus dir rauskitzeln?“, fragte der Blonde mit einem schelmischen Grinsen.

Vorahnung

Noch eines dieser Kapitel, die ich mehr heute als gestern fertig gestellt habe v.v Im Endeffekt habe ich mehr Zeit, aber da ich andauernd lerne (was mich unglaublich ankotzt, weil ich Biochemie und Zytologie langweilig finde), habe ich kaum mehr Lust zum Schreiben. Stumpfes Auswendiglernen von Enzymnamen schadet nachweislich der Kreativität -.- (besonders, wenn die Namen Bax, Bcl2, Hsp70 und RANKL sind) Man denke allein an RINE (=really interesting new enzyme) und frage sich "Kann man wirklich so unkreativ sein?".

Nun gut, abgesehen davon viel Spaß mit den Problemen einer Teeny-Mutter:
 

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Ein schwaches Lächeln legte sich auf Shizukas Lippen.

Statt in Richtung ihrer Seiten oder Knie zu greifen – zumindest waren das früher die besten Plätze gewesen, um sie von etwas zu überzeugen – legte Katsuya seine Hand auf ihre Wange und strich mit dem Daumen über diese.

„Soll ich euch beiden vielleicht einen Tee machen?“, fragte Seto mehr in Shizukas Richtung.

Sie seufzte, schloss die Augen und schüttelte leicht den Kopf, bevor sie zu sprechen begann: „Es ist nur... ich überspiele es zwar andauernd, aber ich habe auch Angst, was Mutter mit meinem Sohn machen wird. Ich weiß eigentlich, dass sie nichts Böses tun wird, aber... mir ist trotzdem schier übel vor Angst.“

„Angst folgt nicht immer den Gesetzen der Realität.“, warf der Älteste in ihre Sprechpause ein, was sie abwesend nicken ließ.

„Ich weiß nicht einmal, was das ist, was sie tun könnte. Sie kann das Kind nicht hinter meinem Rücken wegschaffen oder ihm wehtun oder... also...“, ihre Schultern sackten ab und sie ließ sich gegen ihren Bruder sinken.

„Die Lieblingstaktik ist das Baby versehentlich fallen zu lassen.“

„Seto!“, zischte Katsuya warnend. Verdammt, es gab Momente, da war sein schwarzer Humor verdammt unpassend – spiegelte sich nur zu gut in Shizukas vor Schock geweiteten Augen.

„Was? Die Fontanellen sind offen, die Knochen dünn, die Muskeln, die das Schädeldach bedecken, sind zu schwach... die meisten überleben es, aber gut tut es keinesfalls.“, er zuckte mit den Schultern, „Schon bei Ödipus in der griechischen Legende haben sie es so versucht, bevor sie ihn entführt und im Wald ausgesetzt haben.“

„Halt die Klappe.“, grollte der Blonde, setzte sich näher zu seiner Schwester und zog diese an seine Brust, „Du machst ihr Angst.“

„Aussetzen oder entführen wird Frau Kamiya zumindest nicht, das wird rechtlich zu problematisch.“, Seto verschränkte die Finger und legte sein Kinn darauf, „Ich vermute, sie wird es wie mit Katsuya bei Vernachlässigung belassen.“

Einen Moment lang herrschte Stille, wo die einzige Bewegung Katsuyas über ihr Haar streichende Hand war, bevor er seinen Freund genug in Grund und Boden gestarrt hatte und ihn fragte: „Wenn sie das mit mir getan hat, müsste ich dann nicht diese Narzisstisch-dingsda-Persönlichkeitsstörung haben?“

„Da sind noch mehr Faktoren wichtig. Inwieweit wird man vernachlässigt? Hatte man eine Prädisposition dafür? Wie sieht die spätere Entwicklung aus?“, er setzte eine kurze Pause, „Andere Menschen hätten mit genau derselben Geschichte andere Erkrankungen.“

„Derzeit...“, murmelte Shizuka leise, was beide verstummen ließ, „...ist es so ausgemacht, dass Mutter das Kind nimmt, während ich in die Schule gehe. Ich habe da gefragt. Ich darf den Kleinen nicht mitbringen. Er würde den Unterricht stören und so...“, sie krallte ihre Hände in Katsuyas Shirt und lauschte mit einem Ohr seinem Herzschlag.

„Du bist noch Mittelschülerin, richtig?“, ein zaghaftes Nicken, „Ein Jahr mehr und du hättest zu uns kommen können... hm...“, Seto schloss einen Moment die Augen, „Ich kann gern mit deinem Rektor reden. Ein paar Monate kriege ich garantiert durchgesetzt. Aber oberhalb von einem halben Jahr wird kompliziert...“, er sah wieder auf, „Ansonsten kannst du auch ein Jahr aussetzen. Schon mal darüber nachgedacht?“
 

Shizukas Lider zuckten über ihre braunen Augen.

„Aussetzen?“, ihre Pupillen entspannten sich für einen Moment, sodass sie ins Nichts sah, „Ja, das... Mutter hat gesagt, sie würde mich rauswerfen, wenn ich das tue, aber ich ziehe eh aus, also... ja... warum nicht?“, ein tiefes Seufzen entfuhr ihr, „Nur wo soll ich hin, bis ich meinen Heimplatz habe?“

„Kann sie hier wohnen?“, wandelte Katsuya die Frage für sie um.

„Nein.“, erwiderte der auf dem Boden Sitzende ohne jedes Zögern.

„Seto!“, der Blonde fuhr auf.

„Nein.“, wiederholte Seto und schnitt Katsuya so das Wort ab, „Darf ich dich kurz an gestern Abend erinnern?“

Bamm.

Da war die Faust, die mit voller Wucht in seine Innereien schlug und in seinem Bauch verdrehte.

Der Streit. Seine Angst. Mörder. All die Tränen. Ihr Zwei-Meter-Abstand-Gesetz.

Der Blonde wich auf dem Bett zurück, wobei er Shizuka los ließ.

„Aber es gibt sicher Menschen, bei denen du für ein paar Monate unterkommen kannst. Wenn dir die Sache mit deinem Freund zu unsicher ist, frag einfach meinen Bruder. Der schuldet mir für eine Firma, eine Insel, zwei Villen, vierzehn Häuser und mehrere Milliarden Yen noch einen Gefallen.“, fuhr Seto unbeirrt in Richtung Shizuka fort, „Er wollte gegen fünf Uhr hier sein.“

Mit einem ob diesen Worten herunter gesackten Unterkiefer sah das Mädchen zwischen den beiden Männern her, während ihr Mund sich öffnete und schloss, als wäre sie ein Fisch auf dem Trockenen, bevor sie sich kopfschüttelnd dem Brünetten zuwandte: „Vierzehn Häuser?“

„Tokio, New York, Shanghai, London, die Toskana, Venedig, Rom, Prag... such dir was aus.“, er zuckte mit den Schultern, „Ist angenehmer als andauernd nur Hotelzimmer zu sehen.“

Und dafür hatte er getötet?

Für mehr Geld?

Katsuya wandte den Blick ab. Sollte Shizuka wissen, dass dieser Reichtum, mit dem sie gerade geblendet wurde, auf Blut gebaut war? Es hieß, Bettler könnten nicht wählerisch sein... aber das hieß nicht, dass Prinzipien nur wegen Not zu verwerfen waren. Andererseits könnte sie gut leben... unbeschwert, wenn sie ahnungslos war. Glücklich? Der Blonde ballte die Hände zu Fäusten.

„Ich glaube nicht, dass ich will, dass meine Schwester von diesem...“, er zischte das Wort, „...Geld lebt. In Erinnerung an gestern Abend.“

„Aber warum denn?“, Shizuka begegnete ihn mit einem entsetzten Blick, „Das wäre doch eine großartige Chance, wenn ich das darf.“

„Nein... Shizuka...“, seine Augen zuckten zu Seto, der ihn nur ruhig beobachtete, „Ich kann dir das nicht erklären, aber... bitte... ich habe kein gutes Gefühl dabei. Bitte lass uns eine andere Lösung finden.“

„Was soll das plötzlich?“, sie verschränkte die Arme und verzog die Stirn, „Oder ist sein Bruder nicht nett?“, sie nickte Richtung Seto.

„Nein, nein, nein!“, Katsuya hob beide Hände, „Noah ist sehr freundlich, nur... ich kann dir leider nicht sagen, warum ich so denke, wie ich es tue, weil es nicht mein Geheimnis ist sondern mir nur anvertraut wurde, aber bitte... ich werde es dir nicht verbieten, nur wünschte ich, wir könnten eine andere Lösung finden... okay?“

Seufzend legte sie den Kopf schief und musterte ihn einen Moment lang, bevor sie antwortete: „‘Kay... ist wahrscheinlich wie damals, als du mich gescholten hast, weil ich meine kalten Hände im Backofen aufwärmen wollte. Du wirst schon deine Gründe haben.“
 

„Wie... äh...“, der Blonde rückte wieder etwas näher und faltete seine Beine zum Schneidersitz, „Wie soll mein Neffe eigentlich heißen?“

„Oh.“, Shizuka blinzelte, lächelte und lehnte sich wieder an ihn, „Weiß ich noch nicht. Ich wollte einen japanischen Namen, aber einen, den es nicht so oft gibt. Nicht immer Hiro oder Masa, Shin, Shou, Shun, Dai, Taka, Take, Ken, Kazu und was es sonst noch für immer wiederkehrende Namensteile gibt. Irgendetwas anderes, aber mit schöner Bedeutung.“

„Hm... seltene Namen... Kiyoshi? Ah, nein, da ist ein shi...“, Katsuya legte eine Hand an sein Kinn und fixierte einen Punkt kurz über seinem Türrahmen, „Hattest du schon Ideen?“

„Manabu, aber denen wird immer nachgesagt, sie seien blöde Streber. Naoki für Aufrichtigkeit und Beständigkeit vielleicht. Susumu... aber irgendwie hab‘ ich bei keinem das Gefühl Ja-der-ist-es.“, sie seufzte leise, „Soll ja auch kein Name sein, wofür man sich schämen muss, weil er so altmodisch klingt.“

„Yuuta?“

„Hey!“, sie schlug mit einer Hand nach Katsuya und erwischte seine Brust, „Mein Kind wird nicht fett!“

„Klar.“, ihr Bruder grinste sie an, „Wenn das Kind erstmal auf der Welt ist, wird es riesige Speckröllchen haben!“

„So sollte es schließlich auch sein.“, warf Seto ein, der die beiden mit einem amüsierten Lächeln vom Boden aus betrachtete, „Genauso wie Frauen Speckrollen haben.“

„Ihr seid so gemein!“, sie umschlang mit beiden Armen ihren Bauch, „Ich bin nicht fett.“

„Das war nicht negativ gemeint.“, versicherte Seto – wenn auf um kein Haar hastig, „Es ist schöner, wenn am anderen etwas mehr dran ist, sonst greift man nur auf Knochen und Haut – das vertreibt jegliche Lust auf Sex.“

Katsuya streckte ihm nur die Zunge raus – Shizuka dürfte es nicht sehen können aus dem Winkel, wie sie an ihm lehnte. Bei passender Gelegenheit würde er Seto unter die Nase reiben, dass er schon vier Kilogramm zugenommen hatte.

„Ich dachte, das gefällt euch Kerlen?“, ihr Gewicht wurde etwas schwerer gegen seine Seite – sie schien sich zu entspannen.

„Mir nicht.“, Seto stützte seinen Kopf auf einen Arm, „Aber als geouteter Schwuler bin ich möglicherweise der falsche Ansprechpartner.“, sein Blick zuckte kurz zu Katsuya, „Ich kann nur aus Erfahrung bezüglich einer Frau sprechen, die in einen Mann umoperiert in meinem Bett landete. Bei Männern kann man Muskeln greifen, aber bei Frauen ist Fett das Angenehmste, weil sie weit weniger Muskelmasse haben.“

„Wer würde freiwillig ein Typ werden wollen?“, Shizukas Augenbrauchen zogen sich zusammen, worauf Seto nur mit den Schultern zuckte, „Irgendwie sind wir vom Thema abgekommen.“

„Wo du unterkommst oder wie dein Kind heißen wird?“, ein leichtes Lächeln legte sich auf Setos Lippen, ebenso wie sich ein sanftes Licht in seinen Blick verirrte, „Wie gefällt dir Isamu?“

„Isamu...“, sie setzte sich auf, „Mut und Tapferkeit?“, sie legte ihre Hände wie zum Gebet zusammen, „Das ist wunderschön. Genau so einen Namen hatte ich gesucht!“

„Isamu.“, probierte auch Katsuya den Klang des Namens aus, „Isamu-kun. Isa-chan. Joah... nicht zu weiblich, nicht zu häufig, nicht zu absonderlich.“, er lächelte seiner Schwester zu, „Können wir Seto zum Namensgeber ernennen?“

„Wenn Ryuji zustimmt. Er ist schließlich der Vater. Traditionell hätte er das Recht seinen ersten Sohn zu benennen.“, sie strahlte praktisch, „Ich schreib‘ ihm schnell eine SMS, ja?“, sie fischte nach ihrer Handtasche, die sie vor dem Bett abgestellt hatte.
 

„Ich hab‘ noch ‘ne Frage.“, meinte sie, während sie noch auf die Tasten des Mobilfunkgerätes tippte, „Als ich dich nach deinem Zimmer gefragt habe, war da was mit weißen Wänden, dunklen Möbeln und roter Bettwäsche.“, sie hob kurz den Blick, „Aber dieses Zimmer hat helles Holz.“

„Scharf beobachtet, Sherlock Kamiya.“, antwortete Seto für seinen Freund, „Das war mein Zimmer, von dem er erzählt hat.“

Selbst ihr Daumen hörte auf zu tippen, während sie mit geweiteten Lidern zwischen den beiden hin und her sah – so lange, bis Katsuya sie mit Worten zu stoppen versuchte: „Konnten wir dieses Gespräch bitte nicht auf mein Sexleben verlagern?“

„Gesprochen hat darüber bisher keiner.“, gab Seto amüsiert retour.

„Seto!“, Rot schoss auf die Wangen des Blonden, „Nicht vor meiner Schwester!“

„Was? Dass ich dich anflirte?“, das Kinn auf eine Hand gelegt lehnte der Älteste sich vor, „Meinst du, ich korrumpiere sie, sodass sie sich einen Freund sucht, mit ihm schläft und Kinder in die Welt setzt?“

Mit einer Hand vor dem Lippen und abgewandtem Kopf kicherte Shizuka vor sich hin, bis sie auf einen zweiten Blick lachend zur Seite kippte, weil Katsuya ein Kissen in Setos Blickfeld hielt, damit dieser ihn nicht erröten sah.

„Lass uns über mögliche Unterkünfte für meine Schwester sprechen.“, grummelte der Jüngere leise und zog das Kissen zu sich.

„Und wie sprichst du mit einem Kissen im Gesicht?“

„Sä guk, han-ke.“, kam es gedämpft durch die Masse von Stoff und Federn.

„Hahaha... Kats...“, die Sechzehnjährige legte eine Hand auf ihren Bauch, „Hör auf... bitte...“

Lächelnd schmiss der Angesprochene das Kissen zurück, obwohl seine Wangen noch immer rot gefärbt waren und reichte seiner Schwester eine Hand mit den Worten: „Sorry. Zusammenziehende Bauchmuskeln sind sicher nicht sehr angenehm im neunten Monat.“

„Oh ja...“, sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, „Ich glaub‘, ich hab‘ seit Wochen nicht mehr gelacht. Ich hab‘ ganz vergessen, wie weh das tut.“, zwei Tränen bahnten sich den Weg auf ihre Wangen, während sie die letzten Zeichen ins Handy eintippte und es in ihre Tasche warf, „Und wie schön es ist...“

„Shizuka?“, fragte Katsuya vorsichtig.

„Kannst du dir vorstellen, wie die ander’n einen anseh’n?“, sie schloss die Lider und lehnte sich wieder gegen ihn, wobei er sie sofort in seine Arme schloss, „Als wärst du ein seltenes Tier oder so.“

Was war das denn jetzt für ein Stimmungsschwung? Hatte sie wirklich seit Wochen nicht mehr gelacht? Und von was für Leuten sprach sie?

„Auf der Straße, in der Schule... bei allen Göttern, die Lehrer gucken weg, sobald sie mich sehen.“, ein Schluchzen durchfuhr ihren ganzen Körper, „Alle schämen sie sich... wegen mir...“, sie klammerte sich an ihn, „Ich hab‘ mir das doch auch nich‘ gewünscht... ich hab‘ nur... nicht aufgepasst...“

„Ist gut, Kleines. Ist gut...“, er strich über ihr hellbraunes Haar, „Ich mach‘ dir keine Vorwürfe... ich bin stolz, wie gut du mit der Situation umgehst. Ich kann mir vorstellen, wie schwer das ist... wenn man verzweifelt ist und nicht weiß, an wen man sich wenden kann.“, er schluckte und sah zu Seto, der stumm neben dem Bett verharrte und sich nicht rührte.

Bei allen Göttern, wie viel hatte er diesem Mann zu verdanken.

Wieso musste seine Vergangenheit so unglaublich viele tiefschwarze Flecken haben?

Sonntagstee

Einmal nicht auf den letzten Drücker ^.^ Auch wenn es mich in Bedrängnis brachte, dass letzten Donnerstag für drei Tage Depressionen eingeschlagen haben (keine Sorge, war sehr schnell wieder gut und sie kamen auf ein freudiges Ereignis hin - Nachlassen von Stress). Den letzten Absatz musste ich glatt vorhin noch schreiben. Aber das Kapitel ist so, wie ich es mir vorstellte, demnach will ich nicht meckern ^.^

Was die ENS angeht, ich habe bis zum 16.6 aufgeholt und werde bald auch die beantworten, die danach kamen. Sorry für die Verzögerung. Und Hao hat mir eine total klasse FF geschrieben, schaut doch mal vorbei! Und wenn ich schon bei Werbung bin... mag keiner meine neue FF lesen? T.T Ich fühle mich unkreativ...

Na ja, ich wollte nicht weinen ^.^ Entschuldigungsmäßig für die letzten zwei Wochen tippe ich gerade an einer neuen Nebensequenz - wieder so ein Pilotprojekt wie "Die Milch", ich hoffe, es wird euch gefallen ^.^ Ein bisschen brauch ich aber noch. Also erstmal viel Spaß mit dem neuen Kapitel:
 

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Seto erhob sich auf das Läuten der Haustürklingel hin, nickte den beiden auf dem Bett Sitzenden nur zu und verließ den Raum, wobei er die Tür hinter sich schloss.

„Sorry...“, murmelte Shizuka leise, setzte sich auf und fuhr mit einer Hand unter ihren Augen entlang, „Ich zerstöre mit meinen Problemen den ganzen schönen Tag.“

„Ist okay.“, er griff nach der Taschentuchpackung, die auf seinem Nachttisch lag und reichte ihr eines, „Ich bin vielleicht nicht gut darin Lösungen zu finden, aber ich kann zumindest zuhören.“

„Hm...“, ein Lächeln legte sich auf Shizukas Lippen, „Danke... anderes Thema. Du und Kaiba, ja?“, ein schon fast schmutziges Grinsen ersetzte dieses, was Katsuya von einer Sekunde auf die nächste rot werden ließ.

„Ähm... ja...“, er wandte dezent den Blick gen Zimmerwand.

„Wie kam es denn dazu?“, sie lehnte sich in seine Richtung und sah stur in seine Augen.

„Na ja... es...“, er seufzte – sollte er ihr das wirklich erzählen? Konnte er ihr damit schaden? Eigentlich nicht. Sich selbst oder Seto? Hm... eigentlich auch nicht. „Unser Anfang war ein wenig... kompliziert... erst war er nett, dann wurde er plötzlich unausstehlich... nun ja, ich hab‘ mich irgendwie verknallt und selbst als er dann so gemein wurde, kam ich irgendwie nicht von ihm los... und...“, und dann hatte er erfahren, dass er der Mörder von Setos Bruder war, „Plötzlich wurde mir dann klar, warum er sich so verhielt und... und ich fühlte mich schlecht, weil ich ihm etwas Unverzeihliches angetan hatte. Da war so ein Gefühlschaos in mir, Verliebtsein, Schuld, Wut, Trauer, Freude... alles in allem wollte ich einfach bei ihm sein und ich hab‘ irgendwie Vertrauen zu ihm gefasst... auch wenn er eigentlich jemand ist, dem man nur sehr schwer vertraut.“

„Findest du?“, sie legte den Kopf schief, sah kurz zur Tür und wieder zu ihm, „Ich finde ihn sehr vertrauenswürdig. Klar, er is‘sen bisschen ruppig, aber bei allen, was er tut, wirkt es, als sei es gut durchdacht und logisch aufgebaut... er wirkt sehr strukturiert. Ich würde schon sagen, dass man ihm gut vertrauen kann.“

Gut durchdacht.

Logisch aufgebaut.

Sehr strukturiert.

Vollkommen wahr – bis zu dem Punkt, wo er ein Gefühl empfand, bei dem sich eine seiner anderen Personen einmischte.

„Ja...“, Katsuya versuchte seine Lippen zu einem Lächeln zu zwingen, „So wirkt er. Auf jeden Fall hat er mir erlaubt, dass ich bei ihm wohnen darf und nach ein paar Wochen hat er mich plötzlich geküsst und... tja, eins führte zum anderen.“

„Kats...“, ihre Hand legte sich sanft auf seine, „Ist... das okay mit euch beiden? Du wirkst ganz anders als am Donnerstag...“, sie teilten einen Moment der Stille, „Weißt du... am Donnerstag, da hat dein Freund unsere Eltern praktisch mit Blicken erwürgt und du sahst auch so aus, als würdest du ihm bis ins Mark vertrauen, dass er bei dir ist und dich schützt. Ihr wirktet aus, als könnte euch nicht einmal das Verlieren des Prozesses auseinander reißen.“, wieder ein Moment des Schweigens, „Katsuya... sag‘ doch was.“

Doch der Blonde schüttelte nur leicht den Kopf, während Tränen sich den Weg über seine Wangen bahnten.
 

An der Tür klopfte es zweimal kurz, worauf Katsuya mit einem leisen „Kommen...“ antwortete, bevor er es wagte den Blick zu seiner Schwester zu heben.

„Shizuka... hör zu.“, er wischte sich die Tränen weg und putzte kurz seine Nase, „Die Sache ist die... ich bin derzeit ziemlich durcheinander. Ich hab‘ noch gar nicht ganz realisiert, dass ich wirklich nicht mehr zu Vater zurück muss, dass dieses Leben hier jetzt meins ist... ich weiß nicht, wer ich bin, wer ich sein will... und was genau ich von Seto will.“, fasste er seine Gedanken in Worte, „Ich bin... sehr unsicher... und ein Ereignis gestern hat mich ziemlich aus der Bahn geworfen... ich muss erstmal wieder runter kommen. Mir über mich selbst klar werden. Was ich eigentlich von mir denke und erwarte und von anderen und vom Leben will und... sowas halt.“, er schluckte, „Ich glaube, das ist es auch, woran meine Beziehung zu Seto gerade etwas krieselt... und für ihn ist das auch eine ziemlich neue Situation. Ich glaub‘ nich‘, dass der schon mal einen richtigen Freund hatte. Deswegen ist es derzeit einfach alles ein bisschen... verquer.“

„Er schlägt dich doch nicht, oder?“, Shizuka hatte die Stirn in Falten gelegt. Anscheinend war diese Ansprache mehr verunsichernd als alles andere gewesen.

„Nein, das... normalerweise nicht.“, er schüttelte den Kopf.

„Normalerweise?“, sie fuhr auf und hob die Stimme, „Was heißt denn hier normalerweise? Hat er es getan oder hat er es nicht getan?“

„Er...“, Katsuya sah auf zu ihr, sah ihr direkt in die Augen, in die von Wut und Empörung erfüllten Bernsteine und schloss langsam den Mund ohne den Blick auch nur einmal abzuwenden oder zu blinzeln.

„Katsuya...“, sie legte ihre Hände auf seine Wangen und strich mit den Daumen über seine Wangenknochen, „Nein... bei allen Göttern, nein... bitte nicht...“, ihre Augen füllten sich mit Tränen, „Warum kannst du nicht einmal im Leben jemanden finden, der dir nicht weh tut?“

„Yami tut mir nicht weh.“, er schloss die Lider und hielt still, „Und du auch nicht.“

„Yami ist der hübsche Kerl, der sich auf der Verhandlung um mich gekümmert hat, oder?“, sie hockte sich direkt vor ihn, „Kannst du nicht bei ihm leben?“

„Nein, ich...“, ja... was hielt ihn davon ab? Yami brachte kaum Freier zu sich und auf eine kleine Bitte hin würde er garantiert auch das sein lassen, „Ich...“, er seufzte und ließ den Kopf hängen, „Ich will Seto nicht verlassen.“

„Warum?“, sie hielt seinen Kopf, sodass er ihr in die Augen sehen musste.

Die Antwort konnte er ohne jegliches Stottern und mit Überzeugung geben: „Weil ich ihn liebe.“
 

„Katsuya?“, es klopfte noch einmal, „Alles okay bei euch?“

„Komm rein.“, meinte der Blonde nur und spürte, wie Shizukas Hände auf seinen Wangen sich verkrampften und ihn einen Moment später zu ihr zogen, während sie Seto anfunkelte.

„Habe ich etwas angestellt?“, fragte der Ältere unsicher.

„Shizuka hat gefragt, ob du mich schonmal geschlagen hast.“, murmelte Katsuya leise und beließ seinen Kopf auf ihrer Schulter, wo sie ihn hingezogen hatte.

„Hat er ja gesagt oder die Situationen erklärt?“, wandte sich Seto an Shizuka mit ein wenig mehr Sicherheit in der Stimme.

„Egal, was die Situation war, wie kannst du nur meinen Bruder schlagen? Besonders, wo du weißt, was mit ihm passiert ist!“, zischte sie, doch Katsuya spürte sie zittern.

Das... war zwar prinzipiell richtig... andererseits... er hatte Seto das Gesicht grün und blau geschlagen. Diese Wut hatte eigentlich auch ihm zu gelten... aber ihm war das verziehen worden. Einfach so. Seto hingegen verzieh niemand einfach so. Nicht einmal Yami, auch wenn er gut damit umgegangen war. War das Seto gegenüber nicht irgendwie unfair? Bei vielen anderen Dingen genauso. Ihm verzieh man. Seto nicht. Er war das Opfer, mit dem alle nachsichtig waren. Und Seto?

„Ich sollte das wirklich erklären.“, er lehnte sich zurück und setzte sich auf in dem Moment, wo sein Freund wohl gerade etwas sagen wollte, denn ein kleiner Ton hatte es noch kurz über seine Lippen geschafft.

„Seto hat mich nur einmal tätlich angegriffen und das habe ich ihm verziehen. Ich kann verstehen, warum er das tat und ich bin auch nicht ganz unschuldig an der Sache. Natürlich hätte er das nicht tun sollen und es war falsch – und klar habe ich schon ein bisschen Angst, dass sowas nochmal passiert. Aber es ist keine Sache, für die er sich nicht oft genug entschuldigt hat und von der ich denke, dass sie nicht mehr vorkommt, wenn ich keinen absoluten Bockmist baue.“

„Egal, was du tust, es soll nicht mehr vorkommen.“, fügte Seto leise hinzu, nachdem er den Blick abgewandt hatte.

„Danke, Schatz.“, er sandte Seto ein Lächeln zu und wartete, bis dieser ihn einen kurzen Moment lang ansah, sodass er es mitbekam, „Ansonsten, Shizuka, bin der gewalttätige Part dieser Beziehung ich. Ich kenne praktisch nur zwei Arten auf Probleme zu reagieren und das sind Weglaufen und Angreifen.“, er sah in ihre Augen, deren Lider sich weiteten, „Und im Bezug auf Seto bin ich öfter aggressiv geworden, als dass ich die Flucht ergriffen habe.“

„Aber...“, sie blinzelte, doch Katsuya fuhr fort, bevor sie mehr sagen konnte.

„Shizuka, ich bin krank. Ich bin aus der Sache mit unseren Eltern nicht völlig gesund rausgegangen. Es braucht noch etwas, bis man mich als stabil bezeichnen kann. Und ich bin Seto über alles dankbar, dass er diese Zeit mit mir durchsteht.“, er entspannte etwas und legte den Kopf schief, „Verstehst du?“

Shizukas Halsmuskulatur bewegte sich unter ihrer Haut, bevor sie den Kopf langsam nach vorne neigte, verharrte und ihn wieder hob.

„Ich... verstehe...“, sie atmete tief aus und sah zu Seto herüber, der noch immer bei der Tür stand, „Entschuldige. Das ist eure Sache. Da habe ich... darf ich noch eine Frage stellen?“, der Brünette nickte ruhig, „Habe ich das richtig verstanden, dass er dich geschlagen hat?“

Wiederum nur ein Nicken.

Katsuya rammte es dennoch praktisch ein Messer ins Herz. War er so verblendet? Hatte er sich überhaupt einmal entschuldigt? Seto war keine Sekunde lang böse gewesen und hatte nur souverän die Hämatome überschminkt. Er schluckte und senkte den Blick.

„Yami futtert sich durch unsere Pralinenkiste. Was hältst du davon, wenn wir ihn stoppen, Katsuya?“

Der Blonde sah auf, versank in dem ruhigen, anklaglosen Blick, mit dem Seto ihn bedachte. Keine Beschwerden. Kein böses Blut. Nicht einmal wirklich Angst. Seto, der praktisch Angst vor allem hatte, hatte Vertrauen gefasst. Zu ihm. Dem Typen, der seinen Bruder getötet hatte und von einer Laune in die nächste verfiel. Ihm...

„Der wird doch nur fett.“, ein Lächeln legte sich auf Katsuyas Lippen, „Und dann jammert er uns die Ohren voll.“, er hielt seiner Schwester eine Hand hin, um ihr aufzuhelfen, „Wir haben eine heilige Mission.“
 

„Naschkatze?“, rief Katsuya und warf einen Blick ins Wohnzimmer, doch sah im ersten Moment erstmal niemanden.

„Mau?“, kam es aus der Küche als Antwort.

„Ach, hier bist du.“, sie traten in die Küche, Shizuka an seiner Hand und fanden Yami beim Decken des Tisches, „Wow, fleißig...“

„Als Gast wird‘ ich hier ja ignoriert, also mache ich mich zum Mitbewohner. So kann ich das Trauma besser verkraften.“, ein süffisantes Lächeln legte sich auf Yamis Lippen, „By the way – Seto, was zur Hölle war das für ein Teufelsgesöff in der Kaffeemaschine? Wolltest du dich mit einem Koffeinschock umbringen?“

„Ups.“, mit einem Grinsen zog der Älteste den Kopf ein, „Das war noch von vorhin, als Frau Kamiya um einen Kaffee gebeten hat...“

„Die Rabenmutter ist angeflattert?“, Yamis Lider verengten sich und sein Blick schnellte zu Katsuya, „Mit dir alles okay?“

„Jo, geht schon.“, der Blonde hatte in der Zeit seiner Schwester einen Platz angeboten und sich selbst gesetzt, „Nein, halt! Mir geht es ganz schrecklich schlecht!“, er wandte sich seinem besten Freund zu, „Kochst du mir eine heiße Schokolade?“

Der Rothaarige verbarg seinen Mund und sein Kichern hinter einer Hand, bevor er sich der Küchenzeile zuwandte, während er antwortete: „Du brauchst mir mit keiner Leidensgeschichte zu kommen, ein einfaches bitte tut es auch. Du bist doch nicht Seto, der für jede Bitte für sich selbst eine dreiseitige Rechtfertigung braucht, warum er diese Bitte stellt.“

„Hackt doch alle auf mir rum...“, der Brünette lehnte sich gegen den Kühlschrank und schmollte – erst recht, als er vertrieben wurde, weil Yami Milch brauchte, „Hach... niemand versteht mich. Niemand mag mich. Ich bin ganz allein mit-“, das Klingeln an der Tür unterbrach ihn, „Kuchen!“, und schon war er auf dem Flur, um seinen Bruder zu begrüßen – eher gesagt mit einem Pappkarton vom Konditor wieder herein zu kommen, gefolgt von einem leise lachenden Noah.

„Hätt‘ ich bloß vor dreizehn Jahren gewusst, was man mit Torte alles bei ihm erreichen kann.“, der Neuankömmling schüttelte den Kopf und ließ seinen Blick schweifen, der bei Shizuka stoppte, „Oh, guten Tag. Wir haben uns noch nicht getroffen, oder?“, Shizuka schüttelte lächelnd den Kopf und griff nach ihrer Lehne, „Oh, bitte keine Umstände.“, er trat heran und bedeutete ihr mit einer Handbewegung sitzen zu bleiben, „Noah Kaiba – eine Freunde sie kennen zu lernen.“

„Ich bin Shizuka, Katsuyas kleine Schwester.“, erklärte sie und griff nach seiner Hand.

„Kleine Schwester mit noch kleinerem... Neffen? Nichte?“, sein Blick war auf ihren Bauch gefallen, doch hob sich wieder, wie es höflich war.

„Neffe.“, sie lächelte Seto zu, „Isamu, planungsweise.“

„Isamu.“, Noah nahm neben ihr Platz, „Ein starker Name. Hört sich nach einem Vorschlag von meinem Bruder an.“, sie blinzelte überrascht, „Oh, er hatte schon immer ein Faible für ausgefallene Namen. Er hat eine Achterbahn mal Tuja genannt. Die einzige Frau mit dem Namen, die ich kenne, lebte irgendwo tausend-und-ein-wenig vor Christus.“, er fuhr sich durch die Haare und warf einen kurzen Blick zu seinem jüngeren Bruder, „Und unsere Wachhunde heißen Naob, Assam und Ruben.“

Shizuka kicherte und lehnte sich ihm entgegen, indem sie einen Arm auf ihre Armlehne setzte und ihren Kopf darauf stützte.

„Und seinen Computer hat er Naphtali genannt.“

„Noah...“, ein Hauch von Röte legte sich auf Setos Wangen, „Ich war fünfzehn...“

„Ich lebe von diesen Erinnerungen.“, gab der Ältere ruhig zu, „In den letzten zehn Jahren habe ich dich kaum gesehen. Wenn du willst, dass ich was Aktuelleres erzähle, müssten wir beide uns mal öfter sehen.“

„Von mir aus können wir jeden Sonntag zusammen Kaffee trinken.“, meinte Katsuya leise, wobei er Setos Gesicht genau beobachtete. Er sah eigentlich so aus, als würde er sich in dieser Runde sehr wohl fühlen. Normalerweise hatte er kein Lächeln auf den Lippen. Nur würde er vor so einer Verpflichtung zurückschrecken?

„Gern...“, stimmte der Brünette zu, was selbst Yami am Herd dazu brachte sich blinzelnd umzudrehen.

„Ehrlich? Freiwillig?“, fragte dieser auch sofort nach.

Seto sank ein wenig in seinen Stuhl, wandte kurz den Blick ab, bevor er Yami wieder ansah, nach einem Moment die Unterlippe vorschub, bevor er kurz lächelte und antwortete: „Für Schokotorte immer.“

Grundlagenbesprechung

Ich habe echt seit November keine Nebensequenz mehr veröffentlicht? O.O Dabei hatte ich eine geschrieben... ups. Ich habe sie jetzt mit der neuen veröffentlicht, es gibt also ZWEI neue Nebensequenzen.

Ansonsten lerne ich fröhlich vor mich hin, was durch die Hitze allerdings ein Abenteuer ist... mein Hirn kocht. Ich dachte ja, mit RINE hätte ich den Boden der Tatsachen erreicht, aber mittlerweile kenne ich Sonic Hedgehog (weil das Enzym wie dessen Stacheln aussehen), PUTZIG (weil es anscheinend niedlich aussieht -.-) und FSE - Fucking strange enzyme. Und wieder einmal ist bewiesen, dass Mediziner einen Knall haben.

Dieses Kapitel ist übrigens glatt völlig ohne Zeitdruck entstanden, ich habe sogar schon fast das nächste fertig. Derzeit gehen sie mir sehr leicht von der Hand ^.^ Ich wünsche viel Spaß beim Lesen!
 

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„Dann bis später.“, Seto hob nur lässig die Hand, während er schon das Zimmer verließ, als Shizuka gerade noch einmal ihren Bruder zur Verabschiedung umarmte.

„Gute Fahrt.“

„Bau keinen Unfall.“

„Meld‘ dich, wenn das Kind kommt. Ich wird‘ an deine Seite eilen.“

Mehrere Stimmen redeten durcheinander.

„Hey, was haltet ihr von Kaffeetrinken in der Klinik? Besucht ihr mich und Isamu?“

„Klar, Kleines.“, Yami kniff ihr sanft in die Wange zur Verabschiedung.

„Ob ich da Torte reingeschmuggelt kriege?“, Noah lächelte sanft.

„Du schaffst alles, großer Kaiba.“, sie zwinkerte, winkte und entschwand schließlich auch zu Seto, der sie nach Hause fahren würde.

„Ha...“, Katsuya setzte sich und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, „Und weg sind sie...“

„Hat dieser plötzliche Stimmungsumschwung eine Bedeutung?“, fragte Noah vorsichtig und nahm den Stuhl links neben Katsuya, während Yami sich nach rechts setzte.

„Seto hat mich eingeweiht.“, gab der Rothaarige leise zu, „Ist es okay, wenn Noah davon erfährt?“

„Von mir aus sicher.“, der Jüngste seufzte, setzte sich normal hin zu sah zu diesem, „Mich wundert, dass Seto dich nicht eingeweiht hat.“

„Wahrscheinlich, weil er nicht sicher war, ob es für dich okay ist, wenn sein Bruder davon weißt.“, vermutete Yami, „Seto weiß, dass du mir vertraust und es okay findest, dass ich weiß, was zwischen euch für Probleme sind, aber ich vermute, er wusste nicht, ob das auch für seinen Bruder gilt. Er wollte nicht, dass du wütend auf ihn bist.“

„Haaa...“, Katsuya faltete seine Arme und legte seinen Kopf darauf, „Warum denkt er bloß immer so viel? Da fühl‘ ich mich gleich noch schlechter, weil ich es nicht mal schaffe mich an Dinge zu halten, um die er mich ausdrücklich bittet.“

„Bei Seto ist es auch wichtiger sich an die zu halten, die er nicht ausspricht.“, erwiderte Noah und legte eine Hand auf Katsuyas Oberarm.

„Wenn ich jetzt wüsste, was das ist, gern.“

„Treue, Aufmerksamkeit, Ehrlichkeit, Freude, Höflichkeit, Zuverlässigkeit... das fällt mir spontan ein, was er an anderen schätzt. Und was er gar nicht mag, ist Besserwisserei und Demütigung. Und natürlich, wenn jemand, der ihm etwas bedeutet, sauer, enttäuscht oder verletzt ist durch seine Schuld. Als Mokuba das erste mal high nach Hause kam, ist er Richtung Bad gerast. Wahrscheinlich wollte er sich mal wieder die Pulsadern aufschneiden oder so. Das war das erste und einzige Mal, das er sich von mir eine eingefangen hat.“

„Wollte er.“, Katsuya sah zu Yami auf und bemerkte das Lächeln auf seinen Lippen, „Er hat mir von der Sache erzählt. Seitdem hat er nie mehr versucht sich die Pulsadern aufzuschneiden, weil er allein bei dem Gedanken einen Schmerz verspürt, als würde sich sein kompletter Bauch umdrehen.“

„Ups... tja, ich gebe zu, ich war nicht ganz mein ruhiges Selbst, als mein einer Bruder mit Halluzinationen durch die Eingangshalle torkelte und der andere sich selbst ob seiner Sünde anklagend seinen Kopf an einer Wand zu zertrümmern versuchte.“, Noah fuhr mit einer Hand durch sein Haar, während sein Blick die Wand absuchte, „Und dreizehn Jahre Rollstuhl sorgen für eine recht gut ausgebildete Oberarmmuskulatur.“, er wandte sich wieder Katsuya zu, „Ist euer Problem solch einer Art?“
 

„Hm... jein.“, der Blonde setzte sich wieder auf, „Ähm... Yami, weiß Noah überhaupt von dem, was Seto damals angestellt hat?“

Das wäre definitiv etwas, was er nicht erzählen würde, wenn Seto nicht anwesend war und Noah nichts davon wusste.

„Gute Frage. Weißt du von Setos Geschäften mit Pegasus Crawford?“, Yami sah zu dem Ältesten hinüber.

Diesen verließ jegliches Lächeln. Er seufzte und ließ die Lider fallen, während seine Schultern leicht absackten und er sich auf seinem Stuhl zurücklehnte. Mit Zeigefinger und Daumen seiner rechten Hand fuhr er über seine Augen und massierte einen kurzen Moment lang seine Nasenwurzel, bevor er wieder aufsah und antwortete: „Als Seto mich in der Firmenleitung angelernt hat, habe ich unter anderem mal die Buchführung überprüft. Die horrenden Ausgaben für Patente an Industrial Illusion waren nichts, was einem Steuerprüfer aufgefallen wäre, denn der Verkauf von Patenten ist nichts Ungewöhnliches zwischen Firmen. Mir allerdings fiel es auf, weil das so gar nicht Setos Führungsweise entsprach. Wenn er etwas einmal sah, konnte er es nachentwickeln und verbessert als etwas völlig Neues auf den Markt bringen. So etwas wie Patente brauchte er nicht. Und wenn doch, zerstörte er die andere Firma und besorgte sie sich zu einem Spottpreis von dem dann meist verschuldeten Eigentümer. Oder er kaufte das ganze Geschäft auf. Friedlich Millionen für ein Patent auszugeben war nicht Setos Stil.“

„Du hast ihn konfrontiert und er hat dir die Wahrheit gesagt?“, fragte Yami nach einem Moment des Schweigens.

„Gesagt? Nie im Leben würde etwas über seine Lippen kommen, was ihn verdammen könnte. Zumindest damals nicht. Er hat mir dezent einige Zeitungsartikel über plötzliche Tode von Politikern, Investoren oder Wirtschaftsbossen vorgelegt.“, Noah schüttelte den Kopf, „Ich vermute mal ganz stark, dass ich den richtigen Schluss gezogen habe, dass er über Crawford Morde angeordnet hat.“

„Immer übervorsichtig...“, murmelte der Rothaarige leise, seufzte und wandte seinen Blick zum Fenster.

„Hätte er es ausgesprochen, hätte er mich zum Mittäter gemacht, weil ich damit davon gewusst hätte. So hatte ich nur Vermutungen, wofür man mich nicht verklagen kann.“

„Das heißt, mittlerweile ist die Verjährung für Anstiftung zum Mord erreicht?“, ein Lächeln, was allerdings eher Verzweiflung als etwas anderes ausdrückte, legte sich auf Yamis Züge.

„So weit ich weiß, gibt es dort keine Verjährung.“

„Wie?“, Katsuya blinzelte, „Aber mir hat er es gesagt... war das dann nicht unvorsichtig?“

Noah wandte sich ihm zu, bedachte ihn mit einem langen, gedankenverlorenen Blick, bevor er die Augenbrauen leicht zusammen zog und sprach: „Allein, dass er es sagte, ist... ungewöhnlich. Es hat doch sicher einen Auslöser dafür gegeben, nicht wahr?“

„Ja...“, der Jüngste ließ den Kopf ein wenig hängen, „Pegasus ist gestern Abend in dem Club aufgetaucht, in dem ich arbeite, als Seto mich gerade abholte.“

„Was?“, Noahs Lider weiteten sich und er lehnte sich ruckartig näher, „Katsuya, sag‘ mir alles, was du über die Sache weißt.“
 

„Äh... äh...“, der Blonde wich ein wenig zurück, „Ähm... ja... ‘kay...“, er wandte den Blick ab, „Wo soll ich anfangen? Hm... Seto saß an einem der Tische und Yami und ich sind zu ihm rüber gegangen. Wir haben ein wenig geredet und plötzlich tauchte halt Pegasus mit seinem komischen amerikanischen Akzent auf, hat sich an die andere Seite des Tisches gesetzt und Yami angewiesen ihm was zu trinken zu bestellen.“

„Ich würde sagen, er hat mitgekriegt, was zwischen Katsuya und Seto läuft. Er hat sich sogar kurz über die Beziehung der beiden erkundigt.“, führte Yami aus, „Er weiß also nicht nur über die Morde sondern auch über all neu gebrochenen Gesetze.“

„Das ist genug Material, um uns zu drohen. Genug, um nicht nur Seto, sondern auch mich hinter Gitter zu bringen und die Kaiba Corp. zu zerstören im schlimmsten Fall.“, scharf die Luft einziehend ließ sich Noah auf seinem Stuhl zurück fallen, „Scheiße.“, er schloss kurz die Augen und atmete tief ein und aus, „Okay... wie ging es weiter?“

„Pegasus hat unter der Hand erzählt, dass er jetzt im Menschenhandel tätig ist und auch Japan in sein Netzwerk einbeziehen will. Er hat Seto nach Informationen gefragt, wie er an die Leute kommt, mit denen er Geschäfte machen kann.“, der Blonde nickte zu seinem besten Freund, „Seto hat ihn an Yami hier verwiesen.“

Noah zog die Augenbrauen zusammen und sah ebenfalls zu dem Rothaarigen.

„Ich bin per du mit den meisten Yakuza-Dons.“, erklärte dieser nur mit einem Schulterzucken, „Im Gegensatz zu Seto. Ich weiß nicht einmal, ob er ihre Namen kennt. Erst recht nicht ihre Spezialisierungen. Anscheinend war es Seto zu gefährlich ihm gar keine Informationen zu zu spielen.“

„Hm...“, der Älteste lehnte sich zurück und legte eine Hand vor seine Lippen, während er Yami fixierte, „Und es ist okay für dich, dass er dich ihm so zum Fraß vorwirft?“

„Früher oder später wären wir in diesem Geschäft eh aneinander geraten. Das hätte nicht nur Misstrauen geweckt, dass Seto nichts über mich gesagt hat, als auch gibt mir das eine gewisse Art von Kontrolle über die Situation. Es stärkt meinen Einfluss als politischen Faktor zwischen den Clans. Wenn ich das vorteilhaft nutze, sichert das mein Überleben.“, ein Lächeln schlich sich auf Yamis Züge, „Genau genommen hat er mir also einen Gefallen getan.“

„Und eine Stabilisierung deiner Position stärkt unsere Sicherheit, da die Wahrscheinlichkeit, dass wir zu Kollateralschäden werden, damit sinkt – richtig?“, Katsuya lehnte sich wieder auf seine auf dem Tisch ineinander gefalteten Arme.

„Und es stärkt Setos Position gegenüber Pegasus, der sich denken kann, dass Seto einen großen Einfluss auf mich hat. Es sich mit Seto zu verscherzen heißt es sich mit mir zu verscherzen – und im Rücklauf mit allen Yakuzas, die mit mir zu tun haben. Und das sind praktisch alle, die in diesem Geschäft sind.“

„Gibt es doch einen Zusammenhang zwischen Homosexualität und Kriminalität?“, und Pädophilie, das schwebte allerdings nur im Raum. Das Triplett der Verderblichkeit, die drei Sünden, die man früher nicht einmal groß unterschieden hatte. Das wusste selbst Katsuya.

„Keineswegs, das ist eine mehr praktische Sache. Für den Großteil bin ich mehr Informant und Statussymbol als Lustobjekt. Mit mir schlafen tun nur zwei.“

„Hm...“, Noah legte den Kopf ein wenig zur Seite, „Darüber werde ich mit Seto sprechen müssen...“, er seufzte noch einmal leise und wandte sich Katsuya zu, „Und ihr habt nun ein Problem miteinander?“
 

„Ja...“, schockte es Noah gar nicht, was Seto da getan hatte? Katsuya biss sich auf die Unterlippe. Waren seine Moralvorstellungen höher als die anderer Menschen? War ein Mordbefehl etwa inoffiziell sozial akzeptiert? Zumindest bei jemandem wie Seto? Oder weil es so weit zurücklag? Weil Seto ihnen nahe stand?

War es falsch sich darüber aufzuregen? Die braunen Augen flackerten zwischen den beiden schräg neben ihm Sitzenden hin und her. Nach einigen Momenten zogen sich Yamis Augenbrauen zusammen und er griff nach Katsuyas Arm.

„Kleiner... was ist los?“

„Ich... ist es falsch?“, seine rastlosen Augen richteten sich auf seinen besten Freund, „Macht es euch denn gar nichts?“

Zwischen den rotschwarzen Augenbrauen vertieften sich die Falten und Yami biss von innen auf seine Wange, bevor er nachfragte: „Meinst du, dass Seto diese Morde angeordnet hat?“

Der Blonde nickte wild.

„Tja...“, sein Gegenüber warf kurz einen Blick zu Noah, „Ich persönlich bin da wohl einfach abgestumpft. Ich habe mit Yakuza zu tun, die machen das teilweise beruflich. Drogen- und Menschenhandel, Erpressung, solche Dinge wie Kinderpornografie, Pornografie allgemein... und manche beschäftigen halt auch Attentäter. Das ist für mich einfach Alltag, wie wenig Wert einem Menschenleben beigemessen wird...“, er wandte den Kopf ein Stück Richtung Tisch, „Bei den Kindern trifft es mich noch. Aber sonst... nicht so wirklich.“

Katsuya schluckte, ließ seinen Blick noch einen Moment auf ihm liegen, bevor er sich zu Noah wandte: „Und... du?“

„Mich hat es damals ziemlich getroffen.“, gab dieser zu und lehnte sich vor, sah jedoch die Küchenzeile an, während er sprach, „Seto war damals brutal und gnadenlos, aber gleichzeitig hochsensibel und verängstigt. Er hat in Wut alle geschlagen, aber kurz darauf sich selbst heftig dafür bestraft. Wenn er aggressiv war, dann mehr im Affekt. Seine Stimmung schlug alle paar Minuten um. Seine Entscheidungen konnte man ungefähr eine Viertelstunde für bare Münze nehmen und Versprechen gab er nicht einmal, weil er selbst zu gut wusste, dass er sich eh an keine Regeln halten konnte.“

Das hörte sich nach TI-Seto an. Instabil bis in das letzte Korn seines Seins, aggressiv gegen alles und jeden, geplagt von Wut, Angst, Schuld, Enttäuschung – konfuse Emotionen, die unkontrolliert auf ihn einströmten.

„Nur wie führt so jemand höchst erfolgreich einen riesigen Konzern?“, Noahs grünblaue Augen richteten sich auf Katsuya, „Die Frage habe ich mir gestellt, als ich begann von ihm zu lernen. Nur wenige Stunden gaben mir die Antwort, dass Seto im Beruf ein völlig anderer Mensch ist. Der Geschäftsmann Seto war eiskalt, hatte keine Emotionen, egal, was man ihm entgegen warf. Er begegnete jedem mit einem Hauch von Verachtung, war nie offen respektlos, aber machte einen mit seinem Ton entweder aggressiv oder verängstigt. Ich konnte kaum glauben, dass es sich um denselben Menschen handelte, den ich zuhause regelmäßig aus der Badewanne zog.“

ANP – die anscheinend normale Persönlichkeit. Die Person, die geschaffen war, um in der großen, weiten Welt überleben zu können. Die das Drängen der anderen beiden Personen regulierte und in gesellschaftlich akzeptierte Handlungen umsetzte.
 

Katsuya schloss kurz die Augen, seufzte und sah wieder in Noahs Augen.

„Wie du weißt, hatte ich die ganze Zeit keine Ahnung, dass man seine Seele spalten kann. Also hielt ich diesen Seto für denselben, den ich manchmal stumm weinend neben meinem Bett sitzend fand, wenn ich nachts aufwachte. Und von diesem Seto wusste ich, dass er das Leben sehr hoch wertete – er war schon in Tränen aufgelöst, wenn wir nur einen toten Vogel im Garten fanden. Er hat es sogar immer bemerkt, wenn einer der Fische im Teich fehlte. Einmal habe ich ihn schreiend im Garten gefunden, da war ein gelber Koi mit einem roten Punkt verschwunden, den ich einem Züchter verkauft hatte – ich hatte vergessen ihm das zu sagen.“

Das war demnach Kinder-Seto - EP, die emotionale Persönlichkeit. Ein kleines Kind, für das jeder Verlust ein eigener Tod war. Mit seiner riesigen Liebe hing er wie jedes Kind an allem Möglichen – Gegenständen, Tieren und vor allen Dingen seinen Mitmenschen. Was für Noah eine Dekoration ihres Gartens war, war für Seto ein Teil seines Selbst. Er liebte selbst Vögel, die er nie vorher gesehen hatte. Vergänglichkeit war für ein Kind noch ein kaum fassbares Thema.

„Wie konnte solch ein Mensch auch nur einer Fliege etwas zuleide tun? Wie konnte so ein Mensch kaltblütig einen Mord anordnen? Da war kein Affekt, der ihn handeln ließ. Da war nichts von der kindlichen Unschuld, mit der Seto mein Herz immer wieder einfing, egal wie sauer und enttäuscht und vor allen Dingen müde ich von ihm war.“

Katsuya lehnte sich etwas vor, legte den Kopf schief und fragte: „Und? Wie bist du damit klar gekommen?“

Noah seufzte leise und wandte den Blick ab.

„Tja... wie das halt immer so läuft... ich konnte es nicht glauben... ich wurde wütend... ich habe geschrieen, was in Tränen überging... und schließlich habe ich geweint, weil ich mich gefragt habe, wie sehr es ihn wohl selbst zerriss, dass er all das tat. Dass er uns schlug, dass er mordete... das musste diesen unschuldigen Teil in ihm doch zerreißen und verletzen, nicht wahr?“, er schluckte, „Um ehrlich zu sein, die Toten waren mir egal. Es war Seto, um den ich getrauert habe. Der Gedanke, wie sehr er sich selbst weh tat ohne etwas davon zu merken... das schmerzte mich.“

Katsuya schluckte ebenso.

Wie sehr Seto sich weh tat? Wie sehr es ihn schmerzte? Wie sehr er an seinen eigenen Taten litt? Natürlich. Das kleine Kind in ihm musste schreien und weinen mit jedem Leid, dass die anderen Teile von ihm der Welt zufügten. Und je mehr Klein-Seto verletzt wurde, desto mehr raste das TI, desto mehr Aggressionen quollen über, suchten ihr Ventil in Gewalt... welch ein Teufelskreis. Dass Seto da jemals raus gekommen war, war irgendwie schon ein großes Wunder.

Und doch...

„Hattest du nie Angst? Dass Seto irgendwann auch dich töten würde? Ob nun im Affekt oder kaltblütig... dass er dich ermorden lassen würde oder selbst in Rage tötete?“

Die Antwort

Fortsetzung der Laberkapitel ^.^ Hier mit Noah und Yami, im nächsten mischt Seto wieder mit und schließlich geht das Leben weiter... ich frage mich, wie viele Stunden man braucht, wenn man das alles nachspielen würde.

Auf jeden Fall wollte ich mich bei allen Reviewern bedanken, die hier beim Lesen mithalten. Und nun viel Spaß!
 

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„Angst, dass Seto mich mein Leben kosten würde...“, wiederholte Noah langsam in seinen eigenen Worten und stützte sein Kinn auf eine Hand, „Tja... ich weiß es ehrlich gesagt nicht.“

„Du weißt nicht, ob du Angst hattest?“, Katsuya zog die Augenbrauen zusammen und legte die Stirn in Falten, „Aber... wie?“

„Weißt du...“, ein Lächeln legte sich auf die Lippen des Türkishaarigen, während sein Blick auf die Tischplatte fiel, „Das ist eine Sache, die mich noch heute an meiner geistigen Stabilität zweifeln lässt... es war mir egal.“, er sah langsam auf, „Wenn er mich geschlagen hat... dann musste ich an das verletzte Kind denken, als dass er mir erschien. Ich musste einfach daran denken, wie sehr ihn das selbst verletzte, was er tat. Ich konnte nur traurig lächeln und stumm weinen, egal, was er mir antat.“, er seufzte, „Vielleicht war es meine Art mit der Sache fertig zu werden... mir vorzustellen, dass er ein Kind ist, das sich nicht kontrollieren kann.“

„Solch ein Verhalten zählt zu den psychischen Krankheiten.“, warf Yami leise ein.

„Kann ich mir vorstellen.“, Noah zog seine Tasse heran und griff nach der Teekanne, die auf einem Stövchen warm gehalten wurde, um sich etwas einzuschenken, „Aber ich denke, der entscheidende Unterschied ist, dass ich mich bewusst entschied nicht zurückzuschlagen. Es war nicht so, dass ich vor Angst starr war oder das Gefühl hatte mich nicht wehren zu können. Ich wusste, ich hätte mich wehren können. Mit Mokuba war das genauso. Er boxte in seiner Freizeit. Er war groß gewachsen, ganz wie Seto, obwohl er erst dreizehn war. Was ihn zerstörte, war die Tatsache, dass es Seto nicht besser ging – egal, was er tat. Ob er sich schlagen ließ, ob er zurückschlug, ob er einfach nur Setos Arme griff und ihn festhielt... Setos Reaktion war immer dieselbe. Zwei Jahre lang.“

Das war im Endeffekt auch eine gewisse Art von Zuverlässigkeit. In dem kompletten Chaos zumindest noch gleich zu reagieren. Zwar völlig atypisch – aber wenigstens immer gleich. Wenn man wusste, dass er andere darauf damit reagieren würde, dass er sich schnitt, konnte man sich mental darauf vorbereiten. Es war besser, als über die Sache zu stolpern. Die Reaktion eines Menschen voraussagen zu können, machte einen sicher.

Wie bei seinem Vater.

Egal, was er tat, er wurde geschlagen.

Das war Sicherheit. Das war es, was er kannte. Deswegen hatte er so lange damit leben können – weil es immer dasselbe war. Dass Menschen liebevoll waren, ihn lobten oder ihm Hausarrest gaben, wenn er Mist baute... das war vielleicht nett und richtig. Aber es machte so sehr Angst. Es war so anders. So neu. Ungewohnt. Es machte Angst...

Deswegen hatte er seinen Vater nie angezeigt. Hatte nie in eine Pflegefamilie gewollt. Die Angst davor, was Menschen taten, wenn sie einen mochten, war größer als der Schmerz, den die Gewalt hinterließ. Es war leichter mit dem zu leben, was man kannte.

Aber wurde es wirklich leichter dadurch, dass man es akzeptierte? Dass man sich sagte, dass man dieses Leben freiwillig wählte, weil man größere Vorteile darin sah? War das nicht nur eine Art sich selbst zu belügen?

„Was Mokuba völlig fertig machte, war, als Seto plötzlich wider allem Erwarten zu heilen begann... sich entschuldigte... aufhörte uns zu schlagen... überhaupt aggressiv zu werden... sich selbst zu verletzen... begann Mokuba für schlechte Noten zu rügen und mit ihm zu lernen, sich seine Freunde vorstellen zu lassen und wissen zu wollen, wo er hinging. Er wurde plötzlich der Elternteil, den Mokuba immer gebraucht, sich immer gewünscht hatte... aber Mokuba konnte sich nicht darauf einlassen.“, Noah schluckte und wischte sich mit seinem Zeigefinger unter dem linken Augenlid entlang, „Er hat es nicht geschafft sich mit Seto zu verändern... und es ging nur noch abwärts. Immer öfter auf Drogen, unerklärliche Wunden an seinem Körper, er magerte ab... er verstarb vor unseren Augen und keiner von uns konnte noch etwas für ihn tun.“, der Älteste nahm seine Tasse auf, pustete auf die Flüssigkeit und nippte kurz, „Als mich die Nachricht erreichte, dass er erstochen wurde und verblutet war... habe ich im ersten Moment Erleichterung gefühlt, bevor der Schmerz einsetzte.“
 

Das Trio schwieg einige Minuten lang.

Den Blick auf den Tisch oder das Fenster gerichtet hingen sie ihren Gedanken nach, während es im Raum stetig dunkler wurde. Erst, als Yami seinen Kaffee von Aussehen nicht mehr von Noahs Tee unterscheiden konnte, stand er auf und schaltete das Licht ein, dimmte es jedoch auf Katsuyas Aufhissen hin.

„Manchmal...“, flüsterte der Blonde in die Stille, „Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich Mokuba ersetze. Manchmal behandelt Seto mich wie ein Kind, auf dass man aufpassen muss, dass seine Regeln und seine Führung braucht, um zurecht zu kommen. Manchmal frage ich mich, ob er mit mir das nachholen will, was er mit Mokuba nicht konnte...“, er atmete tief aus und ein, „Und dann ist da wieder der Seto, der meinen Körper begehrt. Und der, der mit mir Karten spielt und Kreidebilder malt. Der, zu dem ich aufsehe, weil er souverän und selbstsicher ist. Und der, der mir Angst macht...“, die braunen Augen sahen kurz zu den anderen beiden, die ihn nachdenklich betrachteten, „Ich weiß nicht, wie ich mit ihm umgehen soll. Und je mehr Seiten von ihm ich kennen lerne, desto mehr habe ich das Gefühl, dass er mich auch spaltet. Ich habe das Gefühl, dass ich mich völlig von mir selbst entfremde.“, er schnaufte, „Bei allen Göttern, ich rede sogar schon wie er!“

Er sah zwischen beiden hin und her, als könnte ihm einer von ihnen prompt die Lösung seiner Probleme liefern. Und eigentlich sollte es doch einer können, oder? Noah kannte Seto seit vielen Jahren und Yami hatte das nötige Fachwissen. Irgendwer musste ihm doch helfen können... Katsuya schluckte. Es musste doch einen Weg geben nicht so verdammt hilflos zuzusehen, wie zerstört Seto eigentlich war.

„Du weißt, normalerweise gebe ich keinen Rat, weil jeder Rat ein Ratschlag und somit auch ein Schlag ist und meist mehr schadet als hilft, doch...“, Yami biss sich einen kurzen Moment auf die Unterlippe, bevor er vorsichtig seine Hand auf Katsuyas Oberarm legte, „Ich denke, du musst dich dringend emotional von ihm distanzieren.“

„Was?“, zischte der Jüngste und entzog sich dem Kontakt, „Was soll das denn heißen? Ich soll meine Gefühle unterdrücken?“

„Nein, nein...“, Yami hob die Arme, „So war das nicht gemeint... das zum Schlag.“, er seufzte auf, „Deine Gefühle für ihn sind vollkommen in Ordnung. Ich denke, ihr seid vor allen Dingen ein Paar. Dass du ihn liebst, ist gut und recht.“

„Was meinst du dann?“, murmelte Katsuya leise und legte die Arme wieder auf den Tisch.

„Wenn ich es erklären könnte, wären wir einen großen Schritt weiter.“, der Andere fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, „Früher oder später wird Seto wieder ruhig werden. Aber auch dann ist er natürlich nicht vollkommen stabil. Eine seiner oft nervigen Eigenschaften ist es dann, dass er völlig übertrieben reagiert. Sei es Freude, Wut, Eifersucht – alles kommt in Extremen. So kommt es auch, dass seine Stimmung sich praktisch flummiartig verändert. Mal ist er aufgekratzt und wirkt, als hätte er definitiv zu viele Liter Kaffee intus, mal ist er zurückgezogen und still. Was er braucht, das heißt, was ihn zwangsläufig schnell wieder normal macht, ist ein Ruhepol. Jemand, der nicht mit ihm in alle möglichen Launen verfällt, sondern der sich von seinen emotionalen Schwankungen zwar berühren, aber nicht verändern lässt. Ist das verständlich?“

„Ich... denke...“, Katsuya setzte sich auf und ließ sich gegen seine Lehne sinken, „Was Ruhiges mit einer durchgehend ähnlichen Stimmung.“, er legte den Kopf etwas schief, „Er hat mir mal gesagt, wenn ich ihn anschreien, umarmen oder sonst etwas sehr Emotionales machen will, soll ich ihn vorwarnen.“

Etwas Ruhiges... oh ja, Noah war der Inbegriff von Ruhe. Dass die Sache mit Pegasus ihn zum Fluchen gebracht hatte, war schon ein richtiger Schocker gewesen. Genauso Yami. Man denke allein daran, wie Seto durch einen plötzlichen Wutanfall die Kaffeemaschine durch die Küche geworfen hatte. Da hatte Yami zwar scharf, aber sehr ruhig reagiert. Man hatte gespürt, dass er wütend war, aber er war sehr... souverän damit umgegangen.

Geduld, Toleranz und Objektivität – das verkörperten die beiden. Eigenschaften, die Katsuya in seinem Leben kaum besessen hatte und auch jetzt in sich nicht wirklich vertreten fand. Er war eher hochemotional und temperamentvoll.

Er war das Gegenteil dessen, was Seto brauchte.
 

„Das hört sich an, als freute es ihn, dass du so emotional bist.“

Hä? Aber... war das nicht genau das Falsche?

„Bisher hat er halt genau diese sehr ruhigen Menschen gebraucht. Er ist langsam einen Schritt weiter, wo er ein wenig Temperament zu schätzen weiß.“, erklärte Yami, „Und da kommst du ins Spiel. Du hast so deine Momente, wo deine Gefühle übersprudeln. Aber meist bist du ruhig, flexibel, doch durchsetzungsfähig. Ich gebe zu, derzeit bist du ziemlich impulsiv, aber das dürfte sich in den nächsten Wochen legen.“

Ach... echt? Dass er das, was er früher unterdrückt hatte, jetzt zeigte, würde wieder weggehen? Würde er es wieder unterdrücken? Oder würden die schäumenden Emotionen gar nicht erst wieder auftauchen?

„Genau das ist derzeit so ein Problem. Ihr seid beide ziemlich durch den Wind durch die ganzen Ereignisse. Was ihr braucht, ist schlicht und ergreifend Alltag.“, ja... doch, das war das, worauf er selbst schon gekommen war, „Und bis dahin wird es sicher noch so einige hochtrabende Emotionen geben. Streitigkeiten, plötzliche Ausbrüche wegen kleinster Ursachen, Aggressionen, ziemlich wilder Sex-“

Katsuya musste husten, weil er sich ob der Aussage verschluckt hatte.

„Was? Ist so. Ihr seid beide voll aggressiver Energie, die ihr derzeit aneinander auslasst. Und deshalb ist es wichtig nicht noch mehr neue Energie aufzubauen, dadurch dass dich Setos Aggressionen verletzen.“

Äh... nicht noch mehr neue Energie aufbauen, indem Seto ihn verletzte. Also verbal und physisch verletzte, was aggressive Energie in ihm sammelte?

„Wie mache ich das?“

„Mit Setos Ich-bin-ein-arroganter-Bastard-Haltung. Die hat er nämlich genau dafür, dass ihn andauernd Menschen angreifen und beleidigen – das prallt einfach auf seiner Haut ab. Nicht alles, aber so einiges. Das macht man zum Beispiel, indem man die Reaktion des anderen nicht damit begründet, dass man das wirklich ist, sondern dass es nur aus einem Impuls heraus übertrieben gesagt wurde oder zum Beispiel aus Krankheit entstanden ist, weil der andere das, was er an sich selbst nicht mag, auf einen projeziert. Bei Seto ist beides relativ oft der Fall, wenn er labil ist. Man muss nur aufpassen, wenn er stabil ist und so etwas auch wirklich so gemeint ist. Viele Dinge werden in der Hitze des Gefechts gesagt oder weil irgendwelche Verdrängungs- und Projektionsmechanismen beteiligt sind, aber natürlich sind einige Dinge auch ehrliche, wohl durchdachte Anliegen. Die darf man nicht überhören.“

„Hm...“, Katsuya stützte sein Kinn auf eine Hand und studierte Yamis Gesicht, „Du meinst, ich soll mir einfach nicht alles so zu Herzen nehmen, auch auf die Gefahr hin, dass ich dabei echte Probleme übersehe?“

„Genau.“, Yami nickte, um das zu unterstreichen, „Es hilft auch Seto, wenn er nicht immer in jeden Weh-weh-chen ernst genommen wird, da er selbst diese auch geringer einschätzen muss, wenn sich seine Stimmung dauerhaft stabilisieren soll. Wenn aus jeder Laune gleich ein Riesentrara gemacht wird, schadet das Seto selbst. Wenn man auf jede seiner Ängste achtet und eingeht, wird er schwer selbst erkennen, dass diese völlig übertrieben sind. Ist das verständlich?“

Katsuya brummte zustimmend und nickte. Ja, das war ziemlich verständlich. Und es war etwas, um das Seto ihn auf der Party letzte Woche Mittwoch sowieso gebeten hatte – wo Yami schonmal versucht hatte ihm das zu erklären. Aber jetzt war es irgendwie verständlicher.

„Sag mal, erklärst du Seto eigentlich auch, wie man am besten mit mir umgeht?“, Katsuya legte den Kopf schief und zog die Augenbrauen zusammen, da Yami ob dieser Frage in Gelächter ausbrauch, „Was... was denn?“

„Haha... oh- haha... ach, Kleiner...“, er schluckte und sah grinsend auf, „Ich maße mir an Setos Ticks verstehen zu können, aber du veränderst dich gerade rapide. Ich kann ihm vielleicht sagen, wie er gestern mit dir hätte umgehen sollen, aber sicher nicht heute. Ich versuche wieder Muster in deinem Verhalten zu finden, wenn es sich stabilisiert hat.“
 

Während Yami gerade auf die Nachfrage hin, was man noch machen könnte, um die Energien abzubauen, seinen Vortrag über Psychohygiene wiederholte und Katsuya noch einmal das Zeichnen ans Herz legte, verschlug es auch Seto wieder nach Hause, was alle ob des Wagenmotors und des Türschlosses hörten.

„Willkommen daheim, Seto!“

„Hu?“, der Brünette blieb auf Höhe der Küchentür stehen, blinzelte und legte die Stirn in Falten, „Wie viele Liter meiner nicht vorhandenen Alkoholbestände habt ihr intus, um so fröhlich zu sein?“

„Gemein.“, beschwerte Yami sich und schwankte, als könne er sich kaum auf dem Stuhl halten, „Wir doch nisch...“

„Du zerstörst das positive Image, das du dir gerade aufgebaut hast.“, Katsuya schlug ihn scherzhaft in die Seite und wandte sich lächelnd Seto zu, „Yami hat ein wenig meine Sorgen zerstreut. Und eine Warnung ausgesprochen, dass jede Menge Streit auf uns zukommt.“

„Ach?“, ein sanftes Lächeln legte sich auf Setos Lippen, das im krassen Gegensatz zu seinem ärgerlichen, arroganten Tonfall stand, „Was hast du denn jetzt wieder ausgefressen?“

„Ach?“, imitierte Katsuya ihn und hob gekonnt eine Augenbraue, „Muss immer ich es sein, der etwas falsch macht? Ist unser über alle erhobener Kaiba etwa unfehlbar?“

„Natürlich.“, erwiderte der Brünette mit dem Brustton der Überzeugung, hob die Nase und sah auf alle Sitzenden hinab, „Sollte etwas nicht klappen, waren die Umstände meiner Umwelt unpassend. Ich mache nie Fehler.“

„Und wie erklären sie sich dann ihre extrem destabilisierenden Schuldgefühle?“

„Artefakte meiner Menschlichkeit.“, mit der Hand machte er eine wegwerfende Bewegung und stolzierte in den Raum, „Dass ich unfehlbar bin, heißt nicht, dass ich gut genug bin.“

„Die Worte nehme ich dir als bare Münze ab.“, mischte sich Yami in ihre Neckerei ein, „Wann hast du nicht Übermenschliches von dir selbst verlangt, du Perfektionist?“

„Einst... anno neunzehnhundertfünfundsiebzig, im Jahre des Hasen, als die Atomkraftwerke in den Himmel sprossen...“

„Welch Nostalgie.“, Noah schüttelte lächelnd den Kopf, „Aber selbst als Zweijähriger hast du wahrscheinlich Äußerstes von dir selbst verlangt. Wetten, dass du damals schon das ägyptische Pantheon beherrscht hast, obwohl du weder lesen noch wirklich sprechen konntest?“

„Du übertreibst...“, Seto verschränkte die Arme, während sich die Röte auf sein Gesicht schlich, „Nur die Hauptgötter...“

Das Gesicht seines älteren Bruders verlor jeden Ausdruck und nach einem Moment des Schweigens fragte er nach: „Du veräppelst mich, oder? Du hast nicht mit gerade zwei Jahren das Pantheon der ägyptischen Götter gelernt?“

„Die sahen so hübsch aus...“, verteidigte Seto sich leise mit abgewandten Blick, „Besonders Isis Flügel. Und ich hab' das nur mitgekriegt, weil meine Mutter mir die alten Legenden als Nachtgeschichten vorlas.“

„Dass du dich überhaupt daran erinnerst, finde ich erstaunlich. Vergisst man nicht normalerweise das, was bis zum fünften Lebensjahr geschieht?“, wandte sich der Türkishaarige an Yami.

„Manche Erinnerungsfitzel schaffen es ins Bewusstsein, aber meist vergisst man alles, ja.“, er lehnte sich vor, den Kopf auf eine Hand gestützt und lächelte Seto zu, „Aber bei dem da wundert mich wenig. Wenn sich ägyptische Legenden in seinen Kopf gebrannt haben, ist das halt so. Katsuya erinnert sich an einen Dinosaurierfilm, wenn ich mich recht entsinne.“

„Jupp.“, der Blonde rückte etwas zur Seite, damit sich sein Freund einen Stuhl heran ziehen und zu ihm setzen konnte, „Mit einem Brachiosaurus. Ich hatte nächtelang Alpträume davon.“

„Alles gut zwischen uns?“, flüsterte Seto leise und sah schon fast schüchtern zu ihm herüber, während eine Hand in seinem Schoß das abgelegte Jackett knetete.

„Nicht ganz.“, der Blonde griff nach der freien Hand, die auf dem Tisch lag und drückte einmal kurz, „Ich möchte alle Dinge, die du mir sonst noch bewusst verheimlichst, wissen. Und zwar jetzt.“

Geheimnisse

Die Kommentarflut bei Ebbe schreibe ich mal dem viel zu heißen Sommer und der Urlaubszeit zu ^.^ Danke an alle, die mit mir ausharren!

Mein Tag besteht derzeit aus Lernen, Essen, Lernen, Essen, Lernen, Essen, Lernen, Schlafen. Der Erfahrung nach geht es meinen Kommilitonen allerdings nicht anders. Am Samstag ist die Jahresprüfung... bitte drückt mir alle die Daumen! Ich kann echt alles Glück der Welt gebrauchen T.T Wenigstens liege ich gut in der Zeit mit dem Lernen.

So - letztes Laberkapitel, jede Menge über Seto. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen ^.^
 

P.S.: Ab nächster Woche bin ich bei feuerregen, ab 10.08 bei Talia-chan - ob ich Kapitel on stellen kann, hängt also davon ab, ob ich dort an die PCs darf und genug Zeit zum Schreiben habe. Ich kann also nicht garantieren, dass es in den nächsten drei Wochen Kapitel gibt - sorry!
 

P.P.S.: http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/230715/ (meine neue FF)
 

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„Alle?“, Setos Lider weiteten sich und er schluckte – Katsuya hätte sogar schwören können, dass seine Hautfarbe noch einen Tick bleicher wurde, „Ähm... alle Geheimnisse...“

„Die du bewusst verheimlichst. Mir ist klar, dass du manches als nicht erzählenswert betrachtest, was ich möglicherweise für wichtig halte. Aber wenn es etwas gibt, was du mir wissentlich verschweigst, wüsste ich es gern jetzt.“, wiederholte Katsuya noch einmal, „Ich möchte nicht mehr so tief erschüttert werden im Wissen, dass du das hättest ändern können.“

„Hm...“, der Brünette senkte den Kopf, „Verstehe...“, sein Blick suchte die Fliesen ab, „Was ich dir verschweige... ähm... möglicherweise weißt du es... ich bin eine ziemliche Schlampe, was Sex angeht... hab' mich, seit ich sechzehn bin, durch alle möglichen Betten gevögelt...“

Katsuya nickte einmal, um zu bestätigen, dass er das bereits wusste.

„Ähm... ich steh' ein bisschen auf S/M... ich habe andauernd Gelüste Alkohol zu kippen oder mich aufzuschneiden...“, die blauen Augen fixierten die Tischplatte, „Außer dunklen Orten, Menschenmassen und Krankenhäusern habe ich eine Phobie vor Türen und Vorhängeschlössern, für die ich mich ziemlich schäme.“

„Vor Türen?“, wiederholte der Jüngste fragend.

„Ja...“, Setos Wangen wurden ein wenig rot, „Deswegen haben die Küche und das Wohnzimmer auch nur Türbögen und keine Türen... am Arbeitszimmer war früher auch keine, aber Mokuba hat immer so laut Musik gehört, dass ich mich da selbst überwunden habe.“, er warf jedem der anderen drei Anwesenden einen kalten Blick zu, „Jedes Mal Angst zu kriegen, wenn man in oder aus einem Klassenzimmer geht, ist sehr nervig.“

„Kann ich mir vorstellen.“, Noah schenkte sich selbst Tee nach, „Von dieser Angst wusste ich gar nichts.“

„Aus gutem Grund...“, grummelte Seto leise und spitzte die Lippen, während seine Wangen nun wirklich Röte annahmen. Noah half dem nicht wirklich, indem er den Kopf abwandte, um sein Grinsen zu verbergen.

Katsuya ging das anders an. Für einen erwachsenen Mann war so eine Angst wirklich ziemlich belustigend. Für ein Kind allerdings war sie süß – also gab es einen Kuss auf die Stirn.

„Sollen wir daran arbeiten?“, fragte er lächelnd.

„Nein.“, der Brünette schob die Unterlippe ein wenig vor, „Ich lebe gut damit. Nur schließt mich bitte nie irgendwo ein.“

„Leicht getan.“, erwiderte Yami nur sanft, der Seto mit schief gelegtem Kopf lächelnd betrachtete, „Nur machen Psychiatrien dir dann nicht Probleme?“

„Geschlossene, ja, ziemlich. Ist für mich keine Sicherheit. Meine Suizidgedanken nehmen in der geschlossenen sogar zu. In der halboffenen ist es für mich passend.“, die Röte ging langsam wieder zurück, während sich Seto dem Rothaarigen zwar zuwandte, jedoch woanders hinsah.

„Und welche Geheimnisse hast du noch?“, versuchte Katsuya das Thema wieder in den Vordergrund zu rücken.

„Nun... ja... ich vermute, dass du das als Geheimnis ansiehst...“, sein Freund schloss die Arme um seinen Oberkörper.

Katsuya lehnte sich etwas vor. Ja? Ja? Das hörte sich an, als ginge er jetzt zu den Sachen über, die er wirklich bewusst verschwieg. Irgendwelche Vergewaltigungen? Sonstige Missbräuche? An ihm oder anderen?

„Ich... na ja, dass ich derzeit ein bisschen labil bin, haben wohl alle schon bemerkt... ich, ähm, ich... habe... meinen Arzt angerufen... meinen Psychiater...“, brachte Seto Wort für Wort heraus, „Ich habe erzählt, was derzeit so alles los ist und er meinte, er will mich gerne persönlich sehen. Er entscheidet dann, ob eine Einweisung nötig ist, er eine empfiehlt oder mir nur ein paar Medis verschreibt...“
 

„Wenn eine nötig ist... bleibst du dort?“, fragte Katsuya nach einem Moment des Schweigens nach.

„Hm...“, Seto sandte ihm einen schnellen Blick, bevor er einmal leicht nickte, „Normalerweise... hat er ein recht gutes Auge... wäre das schlimm?“, mit Flehen in den Augen sah er wieder auf.

„Wie lange würdest du wegbleiben?“, einatmen, ausatmen... es ging nur um den schlimmsten Fall.

„Nur ein paar Tage. Drei oder vier. Beobachtung, Medikationseinstellung, grundlegende Stabilisierung... keinesfalls mehr als eine Woche.“, sein Kopf senkte sich wieder.

„Kay...“, der Blonde nickte. Eine Woche konnte er problemlos verkraften. Wenn es unaushaltbar wurde, könnte er sicher Yami einladen. Bei sturmfreier Bude konnte er im Endeffekt so einiges machen...

Worauf er keine Lust hatte, wenn er daran dachte, dass das nur passieren würde, wenn Seto in der Psychiatrie bleiben musste. Er schluckte. Psychiatrie... das klang so böse. Wollte Seto da wirklich freiwillig hin, nur weil ein Arzt das sagte? Durfte er Seto da besuchen? Irgendwie schien eine Woche vor ein paar Sekunden viel kürzer als es ihm jetzt erschien.

„Ehrlich? Das... ich will dich eigentlich nicht allein lassen...“, der Ältere hob den Kopf ohne jedoch aufzusehen.

„Wie gesagt, ist okay... jetzt bin ich ja darauf vorbereitet. Eine Woche schaffe ich schon. Sonst hol‘ ich Freunde her oder übernachte dort, was auch immer dir besser passt.“, Katsuya versuchte ein Lächeln, doch wie das ausging, konnte er nicht wirklich beurteilen, „Wann hast du einen Termin mit deinem Arzt?“

Schlucken.

Flüstern.

„Wie bitte?“, der Blonde lehnte sich noch ein Stück weiter vor, was Seto das Gesicht abwenden ließ, „Ich konnte das leider nicht hören, was hast du gesagt?“

„Morgen...“

Morgen.

Morgen?

Katsuyas Gesichtszüge erschlafften. Einige Sekunden lang atmete er einfach nur unhörbar ein und aus, bevor er mit einer Hand Setos Kinn griff und dessen Gesicht in seine Richtung zog mit den Worten: „Seto... sieh mich an. Sieh mir in die Augen und wiederhole das.“

Der Ältere schluckte und zuckte leicht zusammen, gehorchte jedoch und wandte den Blick sofort wieder ab.

„Morgen.“, wiederholte auch Katsuya die Antwort tonlos, „Sieh mich an.“, ein Funken Wut hatte sich in seine Stimme geschlichen, sodass sein Gegenüber nicht nur zuckte, sondern auch die Lider zusammen kniff – einen Moment später jedoch tat er wieder wie geheißen, „Du hast für morgen einen Termin ausgemacht, der dich möglicherweise für eine Woche in die Psychiatrie bringt? Wann hattest du vor mir das zu sagen?“

Setos Lippen bebten und seine Augen füllten sich mit Tränen, jedoch hielt er dem Blick stand, während er mit leicht heiserer Stimme antwortete: „Auch... morgen... wenn ich wirklich da bleiben muss... ich glaube nicht... dass ich...“

Er verstummte und entzog sich Katsuyas Hand, während er die Lider wieder zusammen kniff und durch Abwenden des Kopfes sein Gesicht verbarg.

Katsuya atmete tief durch und seufzte.

„Seto... ist dir klar, wie sehr mich das verletzt hätte, wenn das passiert wäre?“, er schluckte und schloss kurz die Augen im Versuch die Tränen zurück zu halten, „Nicht, weil ich plötzlich Angst hätte oder sauer wäre, nein, es hätte mich enttäuscht. Dass du mir nichts gesagt hast. Ich hätte mich gefragt, nein, ehrlich gesagt frage ich mich gerade, ob du mir wirklich so wenig vertraust. Was denkst du denn, was ich getan hätte, hättest du mir das vorher gesagt?“
 

Das war’s.

Jetzt hatte er Seto überfordert.

Katsuya wusste es in dem Moment, wo er das letzte Wort sprach, noch bevor er die Tränen auf Setos Wangen sah. Noch bevor ein leises, kurzes Winseln von ihm zu hören war. Es war die Art, wie seine Schultern ein wenig ihre Spannung verloren, wie seine Mundwinkel leicht zuckten und wie seine Finger sich krümmten.

Noch während der Brünette laut zu weinen begann und die Hände zu seinem Gesicht hob, wusste Katsuya, dass das ANP gerade vollkommen überwältigt worden war. Das hier war EP, eher gesagt Klein-Seto, die einzige Art, wie Seto echte Schuldgefühle ausdrücken konnte – wie ein Kind weinen, möglicherweise noch toben oder wegrennen und ja hoffen, dass man am Ende trotzdem noch lieb gehabt wird.

Der Blonde erhob sich sofort, ignorierte Yami, der wegen irgendetwas seine Aufmerksamkeit wollte, setzte sich direkt auf Setos Schoß, nahm sanft die Hände vor dessen Gesicht weg und schloss seinen weinenden Freund in seine Arme.

Kinder, die absoluten Bockmist gebaut hatten, mussten in den Arm genommen werden. Punkt und Ende. Vielleicht war es falsch Seto als ein Kind zu betrachten, aber irgendwo war er eins – er war gleichzeitig alles andere, aber er war auch ein Kind. Und auf diese Seite würde er eingehen, egal, was andere davon hielten. Demnach bekam auch Yami einen scharfen Blick, der gerade zum Sprechen ansetzte, bevor er den Blick gen Himmel sandte und mit den Schultern zuckte.

Ein Blick zu Noah verriet, dass dieser friedlich Tee trank. Keine Missgunst aus der Ecke also.

Katsuya lehnte seinen Kopf an Setos und fuhr mit einer Hand in dessen Haar. Irgendwie weinte er in letzter Zeit immer häufiger, oder? Der Blonde konnte sich schwach erinnern, wie sehr es ihn geschockt hatte, als das erste Mal eine Träne über Setos Wange rann – und das war, als er zugegeben hatte, dass er ihn nicht hasste, obwohl er Mokuba getötet hatte. Reichlich emotionale Situation. Und dies hier? Eigentlich kein Grund in Tränen auszubrechen. Eine einfache Entschuldigung hätte es eigentlich auch getan... tja – wäre es besser gewesen auf Yami zu hören und Seto klar zu machen, dass seine Reaktion übertrieben war? Wo er wusste, dass Seto Schuldgefühle hatte, die ihn praktisch auffraßen, selbst bei der kleinsten Sache? Kompliziert...

Der Brünette hatte sich mittlerweile beruhigt, doch ließ er Katsuya nicht los. Schämte er sich für seinen Ausbruch und wollte sich verstecken? Oder wollte er so dem Thema entkommen? Oder hatte er Angst vor der Reaktion, die er kriegen würde? Katsuya seufzte und küsste sein Ohrläppchen.

Irgendwie kannte er seinen Freund mittlerweile ziemlich gut.

„Seto...“, rief er ihn leise, „Nicht einschlafen, Großer.“

„Grmb...“, grummelte dieser und zog den Jüngeren mit starken Armen zu sich, „Es tut mir Leid.“, sagte er mit klarer, tiefer Stimme direkt in Katsuyas Ohr, sodass dieser erzitterte, weil der Bass durch seinen Körper vibrierte, „Es war falsch von mir dir das nicht zu sagen. Ich war wirklich sehr durch den Wind.“, er zog sich ein kleines Stück zurück, studierte einen Moment lang die braunen Augen vor sich und sprach flüsternd weiter, „Aber wenn es was Gutes ist... darf ich dich überraschen, oder?“

„Klar, Großer.“, der Blonde gab ihm einen Kuss auf die Nase, „Ich bin kein Fan von Überraschungen, aber ich bin sicher nicht abgeneigt. Meine Geburtstagsparty zum Beispiel hat mir sehr gefallen.“
 

„Aber du weißt, dass du morgen einen Praktikumstag bei uns hast, oder?“, fragte Noah lächelnd.

„Klar weiß ich das!“, Katsuya rutschte auf Setos Schoß etwas tiefer, um sich dem Ältesten zuwenden zu können, „Da freu‘ ich mich schon seit Tagen drauf!“

„Wenn mir morgen kein Termin dazwischen kommt, begleite ich euch auf der Führung durch das Gebäude. Wenn ich Seto richtig verstanden habe, will er eh jeden Abteilungsleiter besuchen, die Gelegenheit ist am Schopfe zu packen. Mit Seto dabei höre ich bestimmt mal etwas ganz anderes von denen.“, der Türkishaarige zwinkerte.

„Oh ja, da bist du der große, böse Ex-Boss, nicht?“, Katsuya grinste seinen Freund an.

„Gefürchtet, gehasst und verabscheut fehlt in der Aufzählung. Die dürften wirklich sehr schlecht auf mich zu sprechen sein.“, ein arrogantes Lächeln legte sich auf Setos Lippen, „Was wahrscheinlich nichts daran ändert, dass sie mich mit äußerstem Respekt behandeln und mir praktisch ihr Leben zu Füßen legen, sobald ich den Raum betrete. Fünf Jahre Abwesenheit haben daran sicher nichts geändert.“

„Nein, denen hast du die Angst vor dir definitiv eindoktriniert.“, der Älteste gluckste dunkel, „Und weil ich nicht jedem mit dem Rausschmiss gedroht habe, haben sie mich zuerst für einen Softie gehalten. Es war echt schwer mir Respekt zu verschaffen. Mit dir aufzutreten wird mein Image auf jeden Fall pushen.“

„Terrorisierst du die armen Mitarbeiter etwa auch?“, mockte Yami ihn.

„Ich?“, Noah wich zurück und legte die Hand auf sein Herz, „Ich doch nicht! Nein, nein, niemals...“, er übertrieb mit seiner Stimme maßlos, „Ich bin ein freundlicher Chef, der gerne auch nochmal die Frist verlängert, wenn man seine Arbeit bis zur zweiten Frist schon nicht geschafft hat.“

„Ich glaube, er ist nicht weniger radikal, nur wirkt er freundlicher dabei.“, ein Lächeln legte sich auf Setos Lippen, „Was allerdings auch nicht schwer sein dürfte.“

„Wenn du deine Leute wie Isis in der Schule behandelst, haben sie auch allen Grund dich zu verabscheuen.“, murmelte Katsuya leise, doch sicherlich verständlich, schließlich saß er auf Setos Schoß.

„Tut mir ja Leid, dass ich ein unfreundliches Arschloch bin...“, der Brünette ließ den Kopf ein wenig hängen, „Ich schaffe es nicht nett zu sein, wenn... wenn da fremde Leute sind.“

„Aber Ryou ist auch ein Fremder, doch du bist trotzdem nett.“, Katsuya hob sein Kinn mit einer Hand, wie er es vorhin getan hatte, um Seto dazu zu bringen ihm in die Augen zu sehen, „Warum Ryou? Warum ich, wenn wir schon dabei sind?“

„Weil ich dich liebe. Weil Ryou dein Freund ist. Weil ich dir vertraue. Weil Ryou harmlos genug wirkt, dass ich wenig Angst vor ihm habe.“, Seto senkte den Blick, doch hob ihn wieder, da Katsuya ihn nicht los ließ.

„Vor Isis hast du Angst?“, er nickte sanft und wieder fielen seine Augen, „Warum schaust du nach jeder Aussage weg? Hast du Angst in meinem Gesicht Ablehnung zu sehen?“

Setos Reaktion darauf war es zu zittern, was Katsuya allerdings kaum bemerkt hätte, säße er nicht auf dessen Schoß.

„Seto...“, er ließ das Kinn los, legte dafür beide Hände auf seine Wangen und strich mit den Daumen unter Setos Augen her als wären dort Tränen, „Schatz...“

„Ich kann nicht mehr.“, der Ältere entzog ihm sein Gesicht, griff Katsuya in Höhe seiner Brust und schob diesen von seinem Schoß, „Es tut mir Leid. Ich brauche eine Auszeit.“, hastig stand er auf, sah keinen der drei an, wandte sich ab und verließ das Zimmer.

Kaiba Corp.

Es lebt *.* Ich bin heil bei feuerregen angekommen und habe mir einen Computer unter den Nagel reißen können. Mit atemberaubender Lichtgeschwindigkeit von geschätzten 128 MB Arbeitsspeicher. Es kann sich also nur um Jahre handeln, bis ich die Kommentare beantwortet habe ^.-

Viel Spaß beim Lesen! Für Rechtschreibkorrektur wäre ich sehr dankbar, mein Hirn ist nämlich gekocht worden heute.
 

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„Was... war das jetzt?“, fragte Katsuya leise und wandte sich rein gewohnheitshalber zu Yami, doch erhielt seine Antwort von Noah.

„Seto ist hochbegabt, das macht ihn auch hochsensibel. Zu laute Geräusche, zu viele Menschen, zu viele Emotionen – seine Grenzen sind weit schneller erreicht als unsere.“, er sah dennoch mit in Falten gelegter Stirn zur Tür.

„Hm...“, der Blonde legte den Kopf schief, „Mich haben sie auch als hochbegabt abgestempelt, warum fühle ich mich dann nicht überfordert?“

„Weil du deine Emotionen filtern kannst. Zumindest besser als Seto. Auf den strömt alles, was er fühlt, mit voller Wucht ein.“, führte nun doch Yami aus, „Seine Grenzen waren schon vorhin erreicht. Andererseits ist es gut zu wissen, dass er seine Instinkte doch unter Kontrolle hat. Den Raum zu verlassen war neben unkontrollierten Aggression und Dissos sicher die beste Wahl.“

„Und... was macht er jetzt?“, fragte Katsuya besorgt nach.

„Sich hinlegen und die Welt um ihn herum ausschalten. Im besten Fall.“, der Rothaarige erhob sich, während er sprach, „Wir sollten ihm ein paar Minuten lassen, damit er sich beruhigt. Danach kann einer von uns ihn wieder aus seinen Dissos fischen.“, er seufzte leise, „Ich werde erstmal abräumen, denke ich.“

„Ich helfe dir.“, bot Noah an, wofür Yami ihm ein Lächeln entgegen warf, „Meinen Bruder werde ich allerdings euch überlassen müssen, zum einen dauert sowas mindestens eine halbe Stunde und zum anderen braucht er nicht noch mehr Stress durch mehrere Leute.“

„Musst du noch arbeiten?“, erkundigte sich der Jüngere von beiden, während er die Spülmaschine öffnete und von Noah einen Tellerstapel entgegen nahm.

„Ich muss ein Meeting morgen Nachmittag vorbereiten. Ich wollte es eigentlich in der Frühe machen, aber das schaffe ich nicht, wenn ich die beiden morgen begleite.“, einige Untertassen wechselten Hände, „Und es ist schon halb acht! Das war wahrlich mal ein langes Kaffeetrinken.“

„Was?“, statt nach der nächsten Tasse griff Yami sich Noahs Arm und warf einen Blick auf die Uhr an dessen Handgelenk, „Verdammt... ich habe um acht Uhr einen Termin. Ich muss auch los.“, er wandte sich zu Katsuya, „Kommst du allein mit Seto klar? Wenn nicht, kannst du ihn einfach liegen lassen, der wacht morgen normal wieder auf. Schalt‘ nur seinen Wecker ein.“

Katsuya, der bisher dem Treiben einfach nur mit leicht geöffneten Lippen zugesehen hatte, blinzelte. Bitte? Er sollte Seto einfach seinen Dissoziationen überlassen? Der Typ hatte schonmal aufgehört zu atmen während seiner verdammten Dissos! Außerdem... er konnte doch nicht einfach gar nichts tun... oder... doch?

„Ich denke, was ich mache, mache ich davon abhängig, wie tief seine Dissos sind.“, erwiderte er leise.

„Gute Idee.“, Yami lächelte, „Soll ich das letzte Stück einfach in Frischhaltefolie packen?“

Stück? Frischhaltefolie? Er folgte Yamis Blick zu einem Stück Kuchen.

„Äh... ja. Klar. Danke.“, Katsuya schüttelte leicht den Kopf. Wie konnte man das Thema von Setos Dissoziationen ohne jegliche Pause auf Himbeercremetorte bringen? Irgendwie... krank. Yami und Noah jedoch ließen sich kein Stück beirren. Das machte beiden nichts. Genauso wie es ihnen nichts machte, dass Seto gemordet hatte. Was mussten sie mal mit ihm mitgemacht haben, wenn ihnen sowas als Normalität erschien? Oder war das einfach ihre Art?

Oder war er selbst wirklich zu sensibel und übermoralisch?
 

„Katsuya?“

„Hu?“, sein Kopf schnellte zur Seite, suchte die Geräuschquelle und fand Seto im Türrahmen lehnen, „Ach, du. Guten Abend.“, ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, „Ich hatte gerade die Sterne betrachtet.“, er setzte sich wieder hin wie zuvor – verkehrt herum auf den Sessel, den er vor das Fenster gezogen hatte.

„Entschuldige. Ich wollte nicht stören.“, ohne einen Laut zu machen kam Seto zu ihm herüber und wandte seinen Blick ebenfalls nach draußen, „Kaum Wolken. Ich habe lange keinen klaren Nachthimmel mehr betrachtet.“, gut eine halbe Minute verging im Schweigen, in der sie beide nur durch das Fenster sahen, „Soll ich die Jalousien ausschalten? Sonst werden sie dir in einer Viertelstunde die Sicht versperren.“

„Schon gut.“, flüsterte Katsuya, „Ich sollte wohl auch bald schlafen. Schließlich ist morgen ein langer Tag.“, sein Kopf fiel ein wenig zur Seite, um eine Sternschnuppe zu verfolgen, „Apropos, was hat dich aufgeweckt?“

Setos Blick fiel auf ihn, wie er im Augenwinkel bemerkte. Einen Moment lang betrachtete der Ältere ihn stumm.

„Die Kälte. Ich war allein.“, auch er wandte sich wieder den Sternen zu, „Ich kann anscheinend nur schlafen, wenn du in meiner Nähe bist.“

In seiner Nähe...

„Setz‘ dich doch was zu mir.“, schlug Katsuya vor und rückte ein wenig auf dem Sessel, „Du kennst die Sterne doch sicher, oder? Kannst du mir ein Sternbild zeigen?“

„Klar.“, Seto setzte sich ebenfalls auf, legte einen Arm um seinen Freund und griff mit dem anderen dessen rechte Hand, „Welche Bilder kennst du denn?“

„Keine...“, der Blonde lehnte sich zurück und ließ sich von dem anderen halten.

„Siehst du das?“, der Ältere zeichnete mit ihren beiden Armen eine Linie zwischen sieben Sternen, „Das nennt man den großen Bären.“

„Das sieht kein Stück aus wie ein Bär.“, erwiderte Katsuya nur lächelnd.

„Traurig, aber wahr. Im Altdeutschen wird es auch der große Wagen genannt.“

Im Altdeutschen? Der Mann wusste einfach viel zu viel. Aber was erwartete er schon? Der Tag, wo er Seto etwas fragte, was dieser nicht wusste, hatte noch zu kommen – abgesehen von der Frage nach seinen Gefühlen. Da hatte der Tag zu kommen, wo er eine Antwort geben konnte.

„Wenn du die Linie zwischen den vorderen zwei Sternen des Wagens fünffach verlängerst, triffst du auf den Polarstern.“, er zog ihre Arme auf die Stelle, „Das ist der hellste und letzte Stern des kleinen Bärens – oder Wagens.“, er bildete aus weiteren sieben Sternen ein kleineres, aber identisches Bild zum vorherigen Sternbild, „Würden wir weiter im Norden wohnen, könnten wir den Polarstern das ganze Jahr über sehen – immer am selben Ort. Es ist der treue Stern der Nordländer. Der Fixstern. Seefahrer orientieren sich daran.“

Katsuya kicherte leise und legte den Kopf zurück, um zu dem anderen hoch zu sehen.

„Egal, welcher Mist passiert, der Polarstern ist trotzdem jede Nacht da?“, er schloss die Lider und atmete tief Setos Geruch ein, „Das ist beruhigend...“

„An was hast du gedacht, bevor ich dich erschrocken habe?“, fragte der Ältere leise, schon fast flüsternd und kraulte mit seiner Linken Katsuyas Bauch.

Dieser rieb seine Wange wohlig an Setos Brust und dirigierte seine rechte Hand ebenfalls um seine Taille, bevor er antwortete: „An früher... wenn ich im Park geschlafen habe, habe ich auch immer die Sterne betrachtet. Es war so verdammt kalt, deswegen konnte man immer erst schlafen, wenn man völlig übermüdet war, also... habe ich mir die Sterne angesehen. Manchmal habe ich sie sogar gezählt. Aber in klaren Nächten sind es fast unendlich viele. Ich habe mal einen riesigen Streifen Sterne gesehen, der zog über den ganzen Himmel...“

„Das war bestimmt die Milchstraße.“, Seto setzte sich langsam auf seine Fersen und zog den Kleineren dabei mit sich, „Das sind Asteroiden und Sternenstaub, die das Sonnenlicht reflektieren.“

„Für Sonnenlicht war’s verdammt kalt.“, der Blonde in seinen Armen begann zu zittern, sodass er mit seinen Händen über dessen Oberkörper rieb.

„Jetzt hast du auf jeden Fall ein warmes Bett.“, Seto küsste sein Haar, „Und stell‘ dir vor: Es ruft schon nach dir. Lass uns schlafen gehen, hm?“

„`Kay...“, Katsuya drehte sich in der Umarmung und legte seine Hände um Setos Hals, welcher mit einem Arm unter seinen Kniekehlen hindurch fuhr und ihn ins Bett trug.
 

„Wow...“, Katsuya legte den Kopf in den Nacken und sah das Gebäude hoch, vor dem er stand, „Das ist deine Firma?“

„Das war mal meine Firma.“, korrigierte Seto und legte ihm eine Hand auf die Schulter, „Komm, lass uns los. Diese verdammte Zündkerze hat uns eine Viertelstunde geklaut.“

„Bin bei Fuß.“, sicherte der Jüngere zu und starrte die beiden Drachenstatuen an, die den Eingang des Stahl- und Glasbaus flankierten, „Hast du das entworfen oder stand das schon so?“

„Das stand glatt so.“, der Brünette sah hoch, „Siehst du das Kreuz, das dort oben in die Dachballustrade eingearbeitet ist?“, Katsuya nickte, „Das ist das einzige, das ich entworfen habe. Von dort ist Gozaburo runter... gesprungen.“

So er denn wirklich gesprungen war und nicht nachgeholfen wurde. Der Blonde wandte den Blick vom Kreuz ab und dem Eingang zu, durch den mehrere Personen im Anzug strebten.

„Sag mal, Seto... bin ich vielleicht underdressed?“, er warf einen zweifelhaften Blick auf seine Jeans.

„Keineswegs. Wenn du nicht gerade mit in die Meetings willst, ist das völlig okay.“, sagte der Mensch, der hier sicher im edelsten Anzug durch die Gegend lief, „Gut... siehst du Noah schon irgendwo?“

„Da drüben.“, Katsuya zeigte auf die Information, „Er flirtet mit der Empfangsdame.“

„Hm...“, Seto legte den Kopf ein wenig schief, „Es gibt Hübschere.“, er lehnte sich verschwörerisch zu dem Kleineren, „Außerdem hat er etwas mit seiner Sekretärin, so weit ich weiß.“

„Dein Bruder ist ein wandelndes Klischee, weißt du das? Gutaussehender Manager, verführte Sekretärinnen, Flirt mit der Empfangsdame...“

„Türkise Haare und abheilende Querschnittslähmung, dreißig Jahre und keine einzige feste Beziehung.“, sie waren endlich durch die Halle geschritten und kamen dem anderen näher, „Morgen, Noah.“

„Moin.“, der hob die Hand zum Gruß.

„Mister Kaiba!“, die Empfangsdame errötete und schien sie beide jetzt erst zu bemerken, „Willkommen zurück, sehr geehrter Herr Kaiba.“, sie verbeugte sich tief hinter ihrem Tresen, „Welch eine Ehre, dass sie uns besuchen.“

„Ich muss doch sehen, wie mein Baby in meiner Abwesenheit verkommen ist.“, Seto lächelte böse auf seinen Bruder herab.

„Ich bin bereit deine volle Kritik entgegen zu nehmen, Giftspritze.“, konterte Noah und verschränkte die Hände, „Du hast sicher einen Plan, in welcher Reihenfolge du alles abgehen willst, richtig? Führ' uns.“, er sah kurz zu Katsuya, „Auch dir einen guten Morgen.“

„Morgen.“, der Blonde lächelte, doch wandte sich wieder der Deko der Halle zu.

„Katsuya, bei Fuß.“, damit wies Seto ihn darauf hin, dass sein Bruder und er bereits ein paar Meter weiter waren.

„Komme!“, mit einem kurzen Sprint heftete er sich an dessen Fersen.

„Ich wusste gar nicht, dass du so leicht zu faszinieren bist. Obwohl, die Villa hat dich schon außerordentlich gefesselt...“, murmelte der Ältere vor sich hin, warf Katsua einen Blick zu und schüttelte schließlich seufzend den Kopf, „Mein Hund ist hypnotisiert.“

„Lass ihn.“, Noah tippte gegen seine Hand, „Wie wäre es, wenn du mich schiebst, dann könnte ich noch durch ein paar Akten sehen.“

„Eine Beschäftigung ist besser als keine...“
 

„Vierter Stock, Marketing-Abteilung.“, kündigte Seto an, der mittlerweile die Aufmerksamkeit seines Freundes wieder gewonnen hatte, „Sie entwerfen die Verpackungen unserer Spielzeuge, layouten die CDs und Gebrauchsanweisungen und haben den PR-Bereich, also machen die Werbung. Hier sitzen die Grafiker, Layouter und Werbepsychologen.“

„Klingt nach meinem Metier.“, meinte Katsuya und sah sich die Bilder an, die wohl verschiedene Entwürfe von Verpackungen darstellten.

„Mit dieser Abteilung hatte ich früher immer die meisten Probleme, weil sie praktisch ewig gebraucht haben, um irgendwelche Entscheidungen zu treffen. Sind die immer noch so faul?“, wurde Noah gefragt.

„Geht so. Ich bin ganz zufrieden. Sie waren noch nie zu stark im Verzug.“, murmelte er abwesend und starrte konzentriert auf eines der Blätter in seiner Hand, „Tokio will seine Technikstudenten durch unsere Produktionshallen jagen. Was denkst du darüber?“

„Die geben sicher gute Teddybären ab. Das ist PR, lass sie kommen, biete noch einen Vortrag an und offeriere zwischen den Zeilen Jobs.“, sie fuhren durch die Tür, die Katsuya ihnen aufhielt, „Ah, Takahashi, es gibt sie ja immer noch.“

Ein untersetzter, adrett gekleideter Herr mittleren Alters zuckte sichtbar zusammen und drehte sich langsam um. Der Mann war aber ungewöhnlich bleich... oder war das Setos Tun?

„Wie läuft das Geschäft?“, ein Lächeln – ein wahrlich sadistisches dazu – legte sich auf Setos Lippen.

„K- K- Kai... Herr Kaiba?“, Takahashi schürzte die Lippen und zog die Blätter, die er trug, an seinen Leib, „Welch eine Überraschung sie zu sehen. Sie sind doch nur zu Besuch da, oder?“

„Fürchten sie sich nicht, die Quälerei überlasse ich meinem Bruder.“, der Brünette legte eine Hand auf Noahs Schulter, „Aber erzählen sie doch mal, was machen sie gerade?“

„Das... äh...“, er schluckte und sah sich hilfesuchend um, „Ihr Besuch kommt sehr überraschend, also...“, aus einer Tür zur Linken kam eine junge Frau mit einem Kaffeebecher, „Mana! Wo liegt der letzte Entwurf für die Robokatzen?“

„Wie? Was?“, sie griff den Stift, der hinter ihrem Ohr klemmte, um sich am Kopf zu kratzen, „Der Entwurf... oh, hallo, Chef!“, sie winkte Noah mit ihrem Becher, „Möchten sie einen Kaffee?“

„Gern. Für meinen Bruder auch einen. Das gibt Herrn Takahashi eine Gnadenfrist den Entwurf zu suchen.“

„Schau, da kennt jemand deine Schwäche.“, neckte Katsuya leise seinen Freund, bevor sein Blick wieder über die Stapel herum liegender Blätter wanderte und schließlich auf dem Arbeitsplatz eines jungen Mannes hängen blieb, den der ganze Trubel nicht einmal aufsehen ließ. Er ging herüber, wobei sein Blick zwischen den wirren dunkellila Haaren, die in einem nachlässigen Zopf geflochten waren, aus dem mehrere Strähnen hingen, und dem Bildschirm wechselten, an dem die Augen des Mannes praktisch klebten – nur war da für Katsuya kaum etwas zu erkennen.

„Was machst du da?“, fragte der Blonde leise.

„Ich kaschiere einen Lichteffekt.“, bekam er als Antwort, bevor der andere sich zurück lehnte und mit mehreren Tastendrücken aus dem Bild raus zoomte und auf den Mundwinkel einer Robokatze zeigte, „Siehst du noch was?“

„Nope.“, Katsuya lehnte sich über seine Schulter, „Sollen ihre Zähne so betont werden?“

„Eigentlich nicht.“, der Typ rollte mit seinem Stuhl etwas zurück, wobei der Blonde ihm ausweichen musste, „Shit, du hast Recht... wer bist du überhaupt?“

„Katsuya.“, Herr Takahashi nutzte den Moment, um wieder ins Zimmer zu stolpern, drei gerollte Bilder unter seinem Arm, „Aber der Chef ruft. Bis dann und viel Spaß noch.“

„Jupp... und thanks.“, er wandte sich wieder seinem PC zu, „Ich bin übrigens Mahad.“

„Merk' ich mir!“, nach einem kurzen Winken schnellte der Blonde wieder an Setos Seite.

Was hatte Seto bloß gegen die Abteilung? Waren doch lustige Leute.

Marketing und PR

Ich habe Ferien, Freiluft und Spaß, schreibe den ganzen Tag lang und komme trotzdem nicht voran, weil ich derzeit an vier Geschichten gleichzeitig schreibe. feuerregen jedoch ist eine stetige Quelle an Inspiration. Sie zeichnet und zeichnet - und liest die Kapitel vorher, um die Bilder zu haben, noch bevor das Kapitel veröffentlicht wird XD Mana ist bereits fertig, andere Charaktere sind in Mache. Mir scheint, wir haben Großes zu erwarten! Ich sitze diesem Talent nur staunend gegenüber.

Euch viel Spaß mit diesem - von feuerregen gebetaten - Kapitel ^.^
 

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„Das ist ein Bild von unserem Produkt auf einem weißen Hintergrund.“, Seto sah auf den Entwurf, schloss einen Moment lang die Augen und ließ das einen Meter große Bild sinken, „Auf einem weißen Hintergrund?“

„Aber dafür ist es ein schönes Bild.“, Takahashi rang mit seinen Händen, „Über den Hintergrund haben wir noch nicht entschieden, aber die Katze ist doch schonmal sehr hübsch, oder?“

Seto rollte schweigend das Bild zusammen, hielt es ihm hin und wandte sich zu Noah: „Wann ist der Abgabetermin?“

„Montag.“, antwortete der Türkishaarige in aller Ruhe.

„Montag.“, wiederholte Seto nur und sah zu Takahashi, „Montag...“

„Das ist noch eine ganze Woche.“, der Mann zog ein Tuch und fuhr sich damit über die Stirn.

„Des Rechnens bin ich glatt noch mächtig, vielen Dank.“, der Brünette hob seinen Kaffeebecher, nahm einen tiefen Schluck, verschränkte die Arme und betrachtete Takahashi schweigend, der immer mehr in sich zusammen zu sinken schien, bevor er sich abrupt zu Katsuya wandte, „Gefällt es dir hier?“

„Äh...“, verdutzt blinzelte der Blonde – warum wurde er plötzlich angesprochen? – und nickte, „Öhm... ja, klar. Mein Metier halt.“

„Gut. Dann hängst du dich heute für den Rest des Tages an Takahashi, damit heute Abend drei Entwürfe zur Einsicht bereit liegen.“, eine Hand legte sich auf seine Schulter, „Bei dir weiß ich, dass ich mich auf dich verlassen kann.“, Seto wandte sich wieder dem Abteilungsleiter zu, „Ich kann ihn doch in ihrer Aufsicht lassen?“

„Sicher, uns sind immer neue Leute willkommen.“, ein kleines Lächeln legte sich auf Takahashis Lippen, „Erst recht, wenn sie mit ihrer Empfehlung kommen.“

„Hm...“, die blauen Augen legten sich wieder auf Katsuya, „Wenn Zeit zum Schleimen ist, machen wir doch fünf Entwürfe draus.“, mit einem Ruck wurde er in Takahashis Richtung geschoben, „Frohes Schaffen. Ich bin gegen fünf Uhr wieder da.“

Wie? Was? Halt jetzt! Er wurde einfach hier gelassen? Und sollte mit dem Abteilungsleiter fünf Entwürfe für den Robokatzenhintergrund erarbeiten? Aber er hatte doch gar keine Ahnung! Die Leute hier waren gelernte Grafiker und Layouter, die das seit über einem Jahrzehnt machten, verdammt! Was hatte er außer einem kleinen Talent für Kunst denn vorzuweisen?

Seto! Hilfe!

„Wunderbar. Falls etwas sein sollte, du findest mich in der sechzigsten Etage. Sag der Sekretärin einfach deinen Namen, sie bringt dich zu mir.“, meinte Noah und steckte die Akten weg, die er gelesen hatte, „Viel Spaß.“, mit einem Lächeln verabschiedete auch er sich und rollte Seto hinterher.

Katsuya sah den beiden nach, schluckte und wandte sich Takahashi zu, der ebenso tief durchatmete. Würde der Mann seine Wut an ihm auslassen? Nein, oder? Und wenn, konnte er Noah hinterher, oder? Aber wie würde das denn aussehen? Das könnte er nicht machen! Und wenn er-

„Kaffee?“, Mana hielt ihm einen Becher unter die Nase.
 

„Nun... und wer genau sind sie?“, wandte sich der Abteilungsleiter Katsuya zu.

„Wie? Äh...“, er drehte sich halb in Richtung der Aufzüge, zeigte mit einer Hand darauf und mit der anderen in die Luft, auf sich, zurück zum Aufzug, „Äh, also, ich meine, Kaiba, also- ich bin-“, er bemerkte seine verschränkten Arme, ließ beide fallen, seufzte und hob eine Hand zum Gruß, „Katsuya Jonouchi-Kaiba, in irgendeiner Form gerichtlich an Seto gebunden.“

„Ach so.“, der Herr lächelte breit und ergriff die Hand, „Also ich bin Masa, der Chef hier.“, er zeigte nacheinander auf seine Leute, „Das ist Mana, da hinten am PC ist Mahad und irgendwo treibt sich noch ein Kuro rum... hat einer den heute eigentlich schon gesehen?“

„Hier!“, kam es von rechts hinten.

„Wo ist hier?“, als Antwort tauchte eine Hand hinter einem der mit Bildern, Akten und Zeichenmaterial vermüllten Schreibtische auf, „Was machst du da?“

„Ich reparier` den Com.“, kam als Antwort.

„Wir haben Gäste, stell` dich vor.“, verlangte der Chef.

„Nur keine Mühen, wenn er beschäftigt ist-“, Katsuya hatte beide Hände gehoben.

„Ach, Papperlapapp, so viel Zeit muss sein, schließlich hilfst du uns heute.“

Währenddessen war hinter dem besagten Schreibtisch ein Kopf mit hellbraunem, langem, hoch gestecktem Haar, in dem sich Staubmäuse verfangen hatten, aufgetaucht und der dazu gehörige Mensch salutierte mit zwei Finger und den Worten: „Jo, Bruder! Willkommen.“

„Hi... ich bin Katsuya.“, stellte sich der Blonde noch einmal vor, während seine Arme sanken, „Sind Mahad und er Brüder?“

„Sehen sich ähnlich, was?“, meinte Mana, „Lange Haare, hohe Wangenknochen, sind auch beide Mitte zwanzig... aber sie sind nur Fans von der gleichen Band, so weit ich weiß.“, sie zuckte mit den Schultern, „Verrückter Haufen hier. Und was machst du so?“

„Ich bin nur Schüler. Ich glaube, Seto überschätzt mich maßlos.“, gab Katsuya ehrlich zu, „Ich kann nur ein bisschen zeichnen.“

„Oh, cool, Künstler.“, sie musterte ihn von Fuß bis Kopf, „Trendy. Ich zeig dir mal, was wir hier so machen und nachher entwerfen wir was, ja?“, sie sah zu Takahashi, der die Entwürfe aufsammelte, die ihm aus der Hand gefallen waren, „‘Kay, Chef?“

„Ja ja, macht ihr mal... ich denke mir eine gute Ausrede für heute Abend aus...“
 

Katsuya grinste, als Seto herein kam. Irgendwo im seinem Hinterkopf war Glück, dass Seto nicht in der Klinik geblieben sowie Sorge, was denn nun genau passiert war, aber in vorderster Front stand Schelm. Schließlich hatte jeder der PRler einen Entwurf in der Hand – fünf fertige Entwürfe, sogar schon skizziert. Seto und Noah sahen sich also von einer Wand von Entwürfen sowie fünf lächelnden Gesichtern umgeben.

Noah nickte breit lächelnd und klatschte kurz, während Seto sofort zum ersten Entwurf strebte.

„Ich bin erst beeindruckt, wenn sie auch gut sind.“, grummelte dieser nur, „Und wenn, dann auch nur von Katsuya.“

„Alter Grummeldrache.“, neckte der Blonde lächelnd und sah das Leuchten in Setos Augen, das er als Stolz zu deuten wusste, obwohl dieser ihn nicht einmal ansah.

„Das alt verbitte ich mir.“, grummelte er weiter und betrachtete den zweiten Entwurf, wodurch Noah Platz am ersten hatte, „Was ist das überhaupt für eine Art mit einem seriösen Kunstkritiker zu sprechen?“

„Meine.“, Katsuya stand in der Mitte, wodurch Seto zu ihm trat und mit einem Lächeln auf den Lippen zu ihm sah, „Und was ist ihre Meinung, Herr Kritiker?“

„Stör mich nicht in meinen Gedanken, ich benötige Konzentration.“, er besah sich auch den dritten Entwurf, „Der hier ist von dir, oder?“

„Im Endeffekt sind alle von ihm.“, meinte Mana lächelnd, „Wir haben hier und da geholfen, aber der Löwenanteil ist sein Werk. Er ist ein begnadeter Künstler.“

„Meine Entdeckung.“, murmelte Seto nur, hob eine Hand und verwuschelte dem Blonden das Haar, bevor er weiter ging.

„Mir scheint, dass wird der erste fristgerechte Entwurf seit zwei Jahren.“, Noah rollte zu dem Entwurf in seinen Händen und betrachtete diesen kürzer als Seto, bevor er weiter machte.

„Und?“, fragte Masa Takahashi schließlich, „Gefällt ihnen einer?“

„Der zweite, der dritte und der letzte.“, urteilte Seto, „Die sind marktfähig.“

„Der dritte ist mein Favorit.“, stimmte Noah zu und lächelte Katsuya an, „Er hat die meiste Energie in sich.“

„Wir fanden ihn auch am besten, darum hält Katsuya ihn.“, meinte Mana und rollte ihren Entwurf zusammen, „Gibt es gewünschte Modifikationen?“

„Der Hintergrund im dunkleren Blau, es sticht sich sonst mit dem Rosa der zweiten Version der Robokatze.“, erklärte Seto, „Außerdem sind diese Dreiecke hier zu spitz, da sollten die Ecken abgerundet werden. Diesen Rotton würde ich mehr ins Orange changieren lassen und hier...“, er zeigte auf einen anderen Teil des Bildes, „Da muss noch etwas hin, der Platz wirkt zu leer.“

„Notiert, Chef.“, wo hatte Mana plötzlich den Block her?

„Sehr gut.“, er nahm von Katsuya den Entwurf entgegen und clipte ihn an das Board, was Katsuya schon als „die Heiligkeit“ kennen gelernt hatte, „Bis Montag kriegen sie das nachgearbeitet und coloriert?“

„Sicher.“, sagte Mahad sein erstes Wort, seit die Chefs eingetreten waren.

Seto nickte ihm zu, sah auch kurz zu Kuro rüber, seufzte kaum merklich und stellte sich neben Katsuya, Blick und Wort allerdings an Takahashi gewandt: „Mein Kleiner war brav?“

„Er ist wandelnde Kreativität.“, der mittelalte Herr lächelte breit, „Von mir aus kann er jederzeit hier anfangen.“

Der Brünette lächelte, strich ihm die Frisur wieder zurecht und fragte: „Wollen wir dann nach Hause?“

Katsuya nickte und genoss noch einen Moment die Berührung, bevor er sich bei allen bedankte und verabschiedete.
 

„Wie geht es dir?“, fragte Katsuya, sobald sie den Aufzug auch nur betreten hatten.

Seto drückte die Taste für das Untergeschoss, atmete tief durch und drückte sich gegen eine Wand, während er murmelte: „Nicht jetzt...“

„Nicht jetzt?“, der Blonde verzog die Stirn.

„Es ist ein Aufzug.“, Noah deutete auf die Tür.

Ach so! Klar, bei einer Angst davor eingeschlossen zu werden, waren Aufzüge natürlich der absolute Horror. Klein, eng, keine Möglichkeit rauszukommen, kaltes Metall – nur dunkel war es nicht.

Schweigend fuhren sie die fünf Stockwerke, verabschiedeten Noah, dessen Limousine direkt vor dem Aufzug wartete, bevor Katsuya noch einmal fragte.

„Geht...“, Seto sah kurz zu ihm, trat auf ihn zu und legte die Arme um ihn, „Halt mich bitte kurz.“

„Klar.“, der Ältere sank gegen seinen Körper, vergrub seine Nase in seinem Haar und atmete tief ein, „Kuschelbedürftig?“

Seto schnaubte, aber antwortete amüsiert: „Ein bisschen.“

Er gab es einfach so zu? Es gab doch nicht eine schlechte Nachricht, oder? War er gekommen, um zu sagen, dass er für längere Zeit in die Klinik musste? Katsuya hob eine Hand und vergrub sie in Setos Haar. Bitte nichts Schlimmes...

„Besuche beim Psychiater lassen mich immer in einer komischen Stimmung zurück...“, murmelte der Brünette und setzte einen Kuss auf sein Haupt, „Danach will ich mich immer am liebsten in ein Loch vergraben und dort zusammenrollen.“

„Ich bin da, wenn du mich brauchst.“, versicherte Katsuya leise.

„Danke.“, Seto lehnte sich etwas zurück, hob mit einer Hand sein Kinn an und küsste ihn, „Ehrlich... danke.“

Katsuyas Lippen teilten sich wie in Erwartung eines weiteren Kusses, bevor sie sich zu einem Lächeln zusammen legten. Seto brauchte ihm das nicht noch einmal deutlich zu machen. Diese Dankbarkeit stand in seinem ganzen Gesicht, strahlte aus seinen Augen, deren Blau in der Dunkelheit des Parkhauses geheimnisvoll schimmerte.

„Der Arzt hat mir Seroquel verschrieben.“, Seto legte seine Stirn an Katsuyas, „Jeden Morgen eine Tablette und einen Termin in einem Monat.“

„Klingt doch gut, oder?“, fragte der Jüngere vorsichtig nach.

„Hm.“, der Ältere nickte mit dem Kopf zur Seite, „Könnte Schlimmeres geben.“, ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, „Eine mögliche Nebenwirkung ist ein erhöhter Sexualtrieb.“

„Das geht bei dir?“, der Blonde hob eine Augenbraue, „Ich glaube, das stehe ich durch.“, seine Stirn legte sich in Falten, „Wegen der Sache am Samstag hatten wir gar keinen Sex, oder? Wann war das letzte Mal? Freitag?“

„So um den Dreh...“, auf Setos Lippen legte sich ein anzügliches Lächeln, „Ist das ein Angebot?“

„Erzähl lieber mehr von heute Nachmittag.“, schlug der Blonde vor.

„Huh...“, der Ältere seufzte, „Der Doc stimmt mit Yami überein. Erhöhte Gefahr für Aggressionen und Dissos, deswegen Seroquel. In der ersten Woche der Einnahme sind Schwindel und Kreislaufprobleme normal, ansonsten hat man mehr Durst durch das Zeug. Nächsten Monat will er sehen, ob es mir damit besser geht und ob sich die Situation im Allgemeinen geglättet hat – und vermutlich um zu hören, wie meine Beziehung läuft. Er meint, es sei ein sehr großer Schritt von mir gewesen.“

„Ein guter?“, fragte Katsuya lächelnd, worauf Seto lächelnd nickte, „Darfst du Auto fahren?“

„Klar.“, er griff seine Hand und ging so mit ihm weiter zum Auto, „Was macht schon ein kurzer Bewusstseinsausfall beim Fahren?“

Nebenwirkungen

Allein in einem fremden Haus - was könnte ich alles anstellen? Kapitel hochladen natürlich ^.^ Wenn es jetzt noch Nahrung in diesem Haus geben würde (oder ein Supermarkt in akzeptabler Entfernung -.-), wäre ich vollkommen glücklich. Aber ich freu mich auch, wenn meine Gastgeber wieder da sind. (Armes Schnuffel ist ungern allein T.T)

Euch auf jeden Fall viel Spaß beim Lesen ^.^
 

Neue Past-Sequenz (adult):

http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/161177/646939/default/#/paragraph-0/
 

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„Danke für das Essen.“, Seto setzte einen Kuss auf den blonden Schopf, „Freier Abend... was machen wir?“

„Karten spielen?“, schlug Katsuya vor, „Haben wir schon lange nicht mehr.“

„Stimmt.“, ein eher müdes Lächeln legte sich auf die Lippen des anderen.

„Wir müssen nicht...“, murmelte der Jüngere besorgt.

„Willst du nun oder nicht?“, fragte Seto ein wenig schroff.

„Reg' dich ab, ich habe mir nur Sorgen um dich gemacht.“, der Blonde seufzte.

„Das kann ich auch selbst.“, der andere schnappte sich seine Karten aus dem Wohnzimmerschrank, legte sie auf dem Tisch wieder ab und trug den Sessel vom Fenster herüber.

Katsuya schüttelte langsam den Kopf, holte allerdings seine Karten aus seiner Schultasche, die noch immer im Flur stand und setzte sich zu Seto, wo sie zu spielen begannen.

„Möchtest du morgen wieder in die Kaiba Corp. oder reicht es dir mit deinem Praktikum?“, fragte Seto in die entstandene Stille.

„Um... wenn ich denen nicht auf die Nerven gehe...“, hatte Spaß gemacht. Und den ganzen Tag mit Seto auf einem Fleck, wo der gerade auf Psychopharmaka war, klang nicht so schrecklich erstrebenswert.

„Wenn du das befürchtest, kannst du auch eine andere Abteilung nehmen. Dir steht alles offen.“, Seto fegte seine Lebenspunkte praktisch davon, „Ansonsten war das heute verdammt gute Arbeit. Die Bande schien ehrlich zufrieden mit dir.“

„Meinst du?“, flüsterte der Jüngere vorsichtig, „Mana war super lieb, aber... na ja... weiß auch nicht.“

„Kleiner.“, Seto besiegte ihn mit einem vernichtenden Schlag, „Auf mich wirkten sie begeistert. Ansonsten ist das dein erstes Praktikum gewesen, oder? Zu Anfang eckt man immer an, das wäre normal. Sobald du mit jemandem arbeitest, gibt es Gruppendynamiken. Sich auf diese einzustellen ist etwas, was man am besten in Praktika lernt. Also probier' ruhig viel aus. Außerdem willst du doch einen Job finden, der zu dir passt, oder?“, sie mischten und tauschten zum Abheben, „Die Kaiba Corp. ist ein guter Ort dafür.“

„Ich dachte, ich leite die Firma, in der du angestellt werden kannst?“, fragte Katsuya unschuldig, was Seto zum Schmunzeln brachte.

„Daran erinnerst du dich noch?“, der Ältere schüttelte leicht den Kopf, „Ich bin fast dreißig. Da wechselt man nicht mehr einfach so den Beruf. Ich müsste noch eine Runde studieren und wäre selbst zehn Jahre jünger noch eine Mumie in der Sparte.“, er seufzte leise, „Die Schulaufsichtsbehörde ist nicht so schlecht.“

„Aber glücklich bist du damit doch nicht, oder?“

Warum gab Seto plötzlich seine Träume auf? Er konnte doch alles haben und erreichen, was er wollte. Warum dieser Gedankenschwung? Wieso nicht mehr kämpfen?

„Ich bin zufrieden, das reicht aus. Ich werde langsam etwas zu alt, um mein Leben wieder und wieder umzukrempeln. Ich brauche mal Ruhe.“, er lächelte amüsiert herüber, „Und du bist genug Bewegung für einen Dino wie mich.“

„Hat die neunundzwanzig dich plötzlich alt gemacht?“, Katsuya schüttelte den Kopf, „Du bist Kind genug dein Leben noch sehr oft umzukrempeln, wenn es dich glücklich machen kann. Ich bleibe bei dir.“

Seto sah kurz auf, betrachtete ihn schweigend, bevor er sich wieder dem Spiel zu wandte. Er ließ die Aussage unkommentiert.
 

„Argh...“, Katsuya gab ein lang gezogenes Stöhnen von sich, erzitterte und richtete sich schwer atmend auf. Von einem Arm Setos aufrecht gehalten, lehnte er gegen diesen und genoss die Hitze an seinem Rücken und das von vorne auf ihn herab prasselnde Wasser der Dusche.

„Der frische Start in den Tag, ermuntert und belebt...“, der Brünette küsste sein Ohr, trennte ihre Körper und griff neben ihm nach dem Duschgel, „Das hatte ich sehr vermisst.“, er verteilte das Gel auf seinen Händen, bevor er nach Katsuya griff, um ihn einzuseifen.

„Schon klar...“, auf den Lippen des Blonden lag ein Lächeln, während die Hände zärtlich über seinen Körper streiften, „Lass mich raten: Das hast du von deinen Strichern nicht gekriegt?“

„Nicht wirklich.“, sogar unter den Füßen wurde er eingeseift, „Und das hier habe ich auch mit keinem gemacht.“

„Na, wenigstens etwas...“, er stöhnte noch einmal, den Blick auf Seto gerichtet, der lasziv zu ihm aufblickte, „Was wollte ich heute noch mal genau machen?“

„Arbeiten. Freiwillig.“, der Brünette erhob sich und zog ihn mit einem Arm um seine Taille an sich, „Anstatt ein wenig Honey-Moon zu feiern...“, seine Lider hingen auf Halbmast, die Wangen noch gerötet von ihren früheren Aktivitäten, „Ich könnte dir einen so schönen Tag machen, den du nie wieder vergisst...“

„Seto...“, wann hatte der seine Tabletten genommen? Heute schon? Wahrscheinlich direkt nach dem Aufstehen, oder? Ob die was hiermit zu tun hatten?

„Du kannst noch dein ganzes Leben arbeiten. Lass uns Ferien haben, Kleiner.“, warme Lippen legten sich auf seine, schmusten sanft mit ihnen, während Setos Hände über seinen Körper fuhren, „Stell' dir vor, aus der Dusche in den Whirlpool, aus dem Pool ins Bett...“

„Seto, wir haben keinen Whirlpool.“, versuchte Katsuya ihn auf den Boden der Tatsachen zurück zu holen, „In welcher Dosis genau nimmst du diese Tabletten?“

„Wieso?“, eine Hand strich über seine Gesichtshälfte, während Setos Lippen auf seinen Hals niederfuhren.

„Weil du so aufgekratzt bist- Seto! Was-“, mit einer Hand an seinem Hintern wurde der Blonde angehoben und gegen die Wand gedrückt, „Stop!“

„Nicht doch...“, der Ältere drängte sich zwischen seine Beine, „Dich macht das hier an, nicht? Ich kann deine Erregung spüren...“

„Klar macht mich das an, aber ich will trotzdem nicht so genommen werden, also lass mich los!“, Katsuya seufzte erleichtert, als der Druck wirklich abnahm und er nach einem kurzen Schauer der Dusche entsteigen konnte, „Geiler Bock...“, sein Blick fiel auf Setos Unterleib, dessen Besitzer schmollend in der Dusche stand, „Kommst du mit ins Schlafzimmer? Da haben wir genug Gleitmittel für dein Vorhaben.“

Seto sah überrascht auf und blinzelte.

Ja, verdammt, Vorschlag angenommen, es war besser als arbeiten und irgendwer musste wohl auf Seto achten, während der unter Drogen stand. Und durch diese Tabletten, die er da nahm, war der Typ definitiv high!

„Erwartet uns irgendwer in der Kaiba Corp.? Müssen wir uns melden, dass ich nicht komme?“, fragte der Blonde.

„Nein.“, ein animalisches Grinsen entstellte Setos Züge, was ihn mehr als Bakura höchstpersönlich nach einem Wolf aussehen ließ.

„Seto... wenn ich Stop sage, dann stoppst du, haben wir uns verstanden?“, der Ältere nickte eifrig, „Gut... und tu mir nicht weh, ja?“
 

Katsuya fischte das Steak aus der Pfanne, das mittlerweile durch war – das mochte Seto zwar nicht, aber er konnte sich das selbst zuschreiben, schließlich war es sein Gedanke gewesen, dass es erregend war, wenn Katsuya vor dem Herd seinen Hintern hin und her schwang.

Genauso wie es ihn plötzlich erregte, wenn er vor der Konsole auf den Teppich lag. Oder Wäsche aufhängte – und ja, Seto war ihm dafür in den Keller gefolgt! Wenn es um Sex ging, war der Typ echt nicht zu bremsen.

Katsuya seufzte theatralisch und wusste im selben Moment, dass es doch nur gespielt war. Es machte ihn an, dass Seto so scharf auf ihn war. Selbst das stetige Brennen, das komische Ziehen machte ihn ohne Ende an. Er konnte es kaum erwarten, dass Seto wieder auf die Idee kam ihn zu nehmen. Das war so... krank, aber irgendwie brauchte er es. Zumindest heute. Irgendwie...

„Ich bin einfach nur neben der Spur...“, murmelte der Blonde und servierte das Essen.

Echt, wenn er so weiter machte, würde er als persönliches Sexspielzeug Seto Kaibas enden, das den ganzen Tag lang in Reizwäsche zuhause auf ihn wartete – oder in seinem Büro.

Aber er konnte seine Augen nicht davon abhalten seinen Geliebten zu mustern, während dieser aß. Als dieser sich vorbeugte, um die Teller in die Spülmaschine zu räumen. Beim Strecken, um seinen Kreislauf im Gang zu halten und durch den Verlust der Energie, die die Verdauung brauchte, nicht umzukippen.

Er konnte die Bilder nicht verdrängen, wie der andere sich über ihn beugte und ihm etwas Schmutziges ins Ohr hauchte. Wie seine Hände über seinen Körper fuhren. Das leichte Kratzen seiner Jeans, wenn sie zu hastig herunter gezogen wurde. Berührungen, die über ihn geisterten, große, warme Hände mit festem Griff, Setos Beine zwischen den seinen... er zuckte zusammen, als dessen dunkelblauen Augen plötzlich von dem Buch hochschnellten und Katsuya beim Starren erwischten.

„Wenn du etwas möchtest, musst du nur etwas sagen...“, hauchte der Brünette nur, doch Katsuyas Nerven standen alle unter Spannung, sodass er jede einzelne Betonung heraushörte.

Der Jüngere bemerkte erst im letzten Moment, wie sich seine Zunge selbstständig gemacht und lasziv über seine Lippen gestrichen hatte.

Ein maliziöses Schmunzeln legte sich auf Setos Lippen, worauf er sein Buch zusammen klappte, sich erhob und zu Katsuya herüber schlich, als wäre er eine Katze mit der Beute im Visier.

„Du kleines, versautes Ding...“, er beugte sich vor und leckte über die Lippen den Jüngeren, bevor er diese mit seiner Zunge durchstieß. Eine Hand legte sich auf seine Schulter, die andere an seine Taille und durch Setos Gewicht wurde er erst zur Seite, schließlich zu Boden gedrückt. Ganz automatisch öffnete er seine Beine und ließ den anderen dazwischen.

„Mein süßes, verdorbenes Luder...“
 

Als das nervige Klingeln ertönte, kam dieses von schräg oben. Einen Moment verwirrte Katsuya das, bevor er daran dachte, dass seine Jeans mit dem Handy wohl irgendwo hinter ihm gelandet war. Er räkelte sich unter Seto hervor und fischte das kleine Ding aus seiner Tasche.

„Katsuya...“

„Hi, Kats.“, begrüßte ihn eine eher hohe, zuckersüße Stimme – definitiv Ryou, „Ich hoffe, ich störe nicht.“

„Nein, gar nicht.“, der Blonde sah zu Seto hinab, der halb müde, halb genervt ein Augenlid hob, „Was gibt es?“

„Ja... ich bin ein bisschen besorgt.“, von anderen Ende der Leitung kam ein Seufzen, „Bakura ist eigentlich nie unpünktlich und er hat gesagt, er sei um vier Uhr zurück...“

„Wie viel Uhr haben wir denn jetzt?“, murmelte der Blonde.

„Sechs.“, den Geräuschen nach zu urteilen biss sich Ryou entweder auf die Nägel oder riss an seiner Lippe, „Ich weiß, er wurde sicher nur aufgehalten, aber... er geht auch nicht an sein Handy. Und... er ist plötzlich los, nachdem er einen Anruf bekommen hat, ich weiß nicht einmal von wem. Das alles macht mir solche Sorgen...“

„Warte kurz.“, der Blonde wandte sich an Seto, „Bakura ist nach einem ominösen Anruf verschwunden und bis jetzt nicht wieder aufgetaucht, obwohl er vor zwei Stunden hatte zuhause sein wollen. Irgendeine Idee?“

„Ruf Yami an.“, grummelte dieser nur, „Wenn der auch nicht abnimmt, gehen wir sie suchen...“, er schloss die Augen, „Wie lange ist er insgesamt weg?“

„Drei Stunden.“, antwortete Ryou, ohne dass Katsuya die Frage wiederholen musste.

„Hm... wie gesagt, Yami ist unsere Informationsstelle.“, mit resignierendem Gesichtsausdruck fuhr der Älteste sich durch die Haare, erhob sich und begann seine Klamotten zusammen zu sammeln.

„Dann bis später, Ryou.“, der Blonde beobachtete seinen Freund, „Ich ruf' dich gleich zurück.“

Katsuya legte auf und ließ das Handy sinken, während er Seto beobachtete. Wie kam er darauf, dass unbedingt Yami wusste, wo Bakura war? Sollte er fragen? Wusste Seto etwas, was er nicht wusste?

Doch er hob nur das Telefon wieder und wählte Yamis Nummer. Nach zwei Klingeln wurde abgehoben.

„Hey, Kats.“, er keuchte, schwere Schritte waren zu vernehmen, leises Geschrei, „Der Zeitpunkt ist gerade schlecht.“

Wurde er verfolgt?

„Ist Bakura bei dir?“

„Ja.“, aus Yamis Stimme klang ein wenig Überraschung.

„Wie können wir euch helfen?“, die beiden zusammen, verfolgt – sie mussten irgendetwas getan haben, wofür entweder die Polizei oder die Yakuza hinter ihnen her waren. Und es sollten besser nicht Letztere sein.

„Bakura, Seto und Kats bieten Hilfe an.“, raunte sein bester Freund vom Handy abgewandt.

„Sie sollen einen Fluchtwagen genau mittig an die Hintermauer des städtischen Friedhofs bringen. Zwanzig Minuten.“, gab eine dunkle, grollende Stimme leise zurück.

„Fluchtwagen genau mittig an die Hintermauer des städtischen Friedhofs in zwanzig Minuten.“, wiederholte Yami im selben Moment, wo Katsuya es auch Seto zuraunte.

Dieser zückte sein Handy, drückte zwei Knöpfe und nickte dem Blonden zu.

„Wird erledigt...“, flüsterte Katsuya mit Erstaunen in der Stimme.

Roland

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Roland - die geschnittene Fassung

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte mich aufrichtig bei ihnen für die Verspätung entschuldigen, ich bin gerade erst nach Hause gekommen. Dafür folgt nun natürlich ohne Umschweife das Kapitel. Nur kurz möchte ich auf die erneuerte Version der Charakterbeschreibung, besonders der Fanworkregion hinweisen, der feuerregen zwei neue Meisterwerke hinzugefügt hat.

Viel Spaß beim Lesen, Anschauen und Kommentieren:
 

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„Roland?“, Seto erwartete kaum eine Erwiderung, bevor er weiter sprach, „Fluchtwagen. Klebeplakette. Zwei Passagiere, abzuholen genau mittig an der Hinterwand des städtischen Friedhofs. Fünfzehn Minuten.“, sein Handy blieb noch einige Sekunden auf Höhe seines Ohrs, doch wurde schließlich gesenkt.

„Ähm... Seto?“, der Blonde legte den Kopf leicht schief, „Was... also...“

„Ich habe die Firma unter ein paar Bedingungen abgegeben. Eine davon war, dass Roland angestellt bleibt und weiter ausgebildet wird... er ist praktisch der Mann für brenzlige Situationen. Er kann solche Dinge wie Schlösser knacken, Kennzeichen in Sekunden wechseln, Papiere fälschen... alles Halblegale halt.“, Seto zog, während er sprach, seine Kleidung wieder an, „Ich kann es auch, aber ich mache mir ungern die Finger schmutzig.“

„Seto...“, Katsuya schloss die Augen und schüttelte den Kopf, „Wofür brauchst du das?“

„Für Situationen wie diese. Wenn ich aus dem Land fliehen müsste, hätte ich die Papiere für mehrere andere unter mehreren Namen. Ich kann jederzeit einen Hubschrauber bestellen und habe im Notfall Zugriff auf alle Konten. Das sind so die kleinen Asse im Ärmel.“, der Brünette beugte sich herab und setzte einen Kuss auf seinen Kopf, „Ich bin ein kleines Kind mit zu viel Spielzeug.“

„Hm...“, was sollte er jetzt davon halten? Anscheinend war das nicht einmal ein Geheimnis, das Seto für erwähnenswert hielt, „Was passiert jetzt mit den beiden?“

„Wenn sie es zum Treffpunkt schaffen, wird Roland sie sicher zu einem meiner Verstecke in der Stadt bringen. Dort sind sie erst mal sicher. Sobald sie dieses erreicht haben, kriegen wir wahrscheinlich einen Anruf. Und dort bleiben die beiden besser erstmal für ein paar Tage.“

„Okay...“, Katsuyas Blick fiel auf sein Handy, „Was soll ich Ryou sagen?“

„Dass sein Bruder wahrscheinlich die Yakuza am Hals hat, aber einen guten Plan aus der Situation raus zu kommen. Wenn er will, kann er ruhig hierher kommen.“, antwortete Seto ernst.

War das derselbe Mensch, der ihn heute wer-weiß-wie-oft überredet hatte mit ihm zu schlafen und wegen seiner Tabletten bester Laune war? Plötzlich war er wieder der berechnende Seto, obwohl er nicht kalt wirkte. Nicht das Kind, nicht der Verführer, nicht der Gequälte, nicht der Sadist, sondern der Geschäftsmann. Objektiv, ernüchtert von der Welt, frei von jedem Glauben an das Gute im Menschen.

Katsuya konnte die Augen nicht von ihm nehmen, während er Ryou anrief und diesem die Situation erläuterte. Der Kleine war höchst dankbar vorbei kommen zu dürfen und versprach so schnell wie möglich da zu sein. Alles unter dem scharfen, beaufsichtigenden Blick Seto Kaibas, der ihn gleichzeitig zu fokussieren und mit den Gedanken ganz wo anders zu sein schien.

Nachdem Katsuya aufgelegt hatte, schlich der andere auf ihn zu, ließ ihn mit seinem durchdringenden Blick erstarren, beugte sich zu ihm hinab und flüsterte rauchig in sein Ohr: „Tust du mir einen Gefallen... solange wir noch alleine sind?“
 

Sein bester Freund war in Gefahr. Ryous großer Bruder war in Gefahr. Der aufgelöste Ryou war auf dem Weg hierher.

Und er hatte nichts Besseres zu tun als Seto einen zu blasen.

(hier findet sich ein sehr langer Blowjob - und meine eckigen Klammern funktionieren nicht -.-)

„Danke... jetzt bin ich bereit für Gäste, Yakuza und Schießereien.“

Katsuya hob nur eine Augenbraue.
 

„Wo wir gerade bei Sex als Thema sind...“, der Blonde legte seinen Kopf auf die Couch, „Ich kann deine Einstellung bezüglich Kondomen beim Sex verstehen, das ist hygienischer, hält die Laken sauber und erspart es mir jedes Mal ins Bad zu wandern. Aber wenn ich dir einen blase... weiß nicht, das fühlt sich reichlich komisch an. Besonders mit dem ganzen Gleitgel auf den Teilen. Schmeckt nicht gerade anregend.“

„Du willst Oralsex ohne Kondome?“, Seto richtete seine Kleidung und ging dabei ein wenig durch den Raum, während er sein Hemd zu knöpfte, „Das erhöht natürlich das Risiko einer Infektion enorm. Die ganze Haut ist mit Bakterien bedeckt – die würden ungeschützt in deinen Rachen dringen und könnten dort Entzündungen hervor rufen.“

Irks. Okay, von der Seite betrachtet klangen Kondome weit angenehmer.

„Passiert das oft?“, murmelte der Blonde mit Verzweiflung in der Stimme.

„Eigentlich nicht bei hohen Hygienestandards. Wir duschen beide jeden Morgen, tragen Unterwäsche, die wir täglich wechseln, putzen zweimal täglich die Zähne... da sollte es eigentlich nicht vorkommen. Kann aber.“

„Hm...“, Katsuya zog die Augenbrauen zusammen.

„Überlege es dir. Ich kann von dir wahrscheinlich nur Herpes bekommen, das wäre unangenehm, aber verkraftbar.“, Seto ließ sich wieder auf der Couch nieder, „Noch einen Monat sind Kondome aber sowieso Pflicht, danach hast du einen Bluttest und dann, aber auch nur dann, kannst du solche Überlegungen anstellen.“

„Warum noch einen Monat?“, der Blonde blinzelte.

„Weil HI-Viren erst nach drei Monaten nachweisbar und die seit deinem letzten Shot noch nicht vergangen sind, deshalb.“, Seto seufzte und sah auf den noch immer auf dem Boden Sitzenden herab, „Was lernt ihr eigentlich in der Schule? Ihr seid längst in dem Alter, wo die ersten Sex haben. Hättet ihr nicht mal irgendwo Aufklärung haben sollen?“

„Vielleicht.“, Katsuya zuckte mit den Schultern, „Ich war nie wirklich in der Mittelschule, vergessen?“

„Wie könnte ich.“, der Brünette schüttelte den Kopf, „Nun ja, wie dem auch sei... hilfst du mir dein Bett neu zu beziehen? Ich vermute, dass Ryou hier übernachten wird, oder?“

„Denke ich auch.“, der Jüngere zog seine Beine an und erhob sich, „Oh Hilfe... heißt das, ich übernachte in deinen Fängen? Zu deiner freien Verfügung?“

„Tja...“, Seto ließ seine Hand schweifen, „Ich nehme Medikamente, um ruhiger und gelassener zu werden.“, ein Schmunzeln legte sich auf seine Lippen, „Entspannung bedeutet bei mir sowieso mehr Lust auf Sex.“

„Süchtler.“, spottete der Jüngere nur, „Los, du wolltest doch zu Taten schreiten.“

„Ja, ja...“, der andere erhob sich und machte sich auf nach oben, Katsuya direkt hinter ihm, „Ich muss zugeben, mit Tabletten und viel Sex geht es mir verdammt besser. Macht es dir etwas so sehr gefordert zu werden?“

„Mein Hintern fühlt sich an, als hätte man einen Presslufthammer rein gesteckt, ansonsten geht es mir gut.“, murrte dieser, „Wenn du Sex willst, darf ab jetzt deiner dafür hinhalten.“

„Auch okay.“, Seto zuckte nur mit den Schultern, „Ich entwickle Sympathie zu der Idee dich dauerhaft oben zu haben.“

Katsuyas Kinnlade klappte herunter.
 

Während der Blonde das Kissen überzog, klingelte Setos Handy.

„Kaiba.“, er hörte einige Sekunden zu, „Apartment zwei, danach über den Highway Richtung Tokio.“, er leckte kurz über seine Lippen, „Versuch eine Finte über das Hyatt, aber nicht über die Tiefgarage“, noch zwei Sekunden, das Handy klappte zu und Seto betrachtete es eingehend, bevor er sich an Katsuya wandte, „Die Aktion mit dem Fluchtauto war erfolgreich. Jetzt müssen sie es unbeobachtet wieder heraus schaffen.“

„Werden sie noch verfolgt?“, fragte der Blonde vorsichtig.

„Ja. Ich versuche die Spur auf Pegasus zu lenken, der im Hyatt untergekommen ist. Das Apartment liegt in der Nähe, das ist nützlich. Und Roland wird sie spätestens in Tokio problemlos abhängen.“

„Hm...“, der Blonde nickte bedacht.

Seto wusste echt, was er da tat. Aber warum? Wieso hatte er dieses Netzwerk? Wieso war Roland so ausgebildet? Wieso kannte er sich mit so etwas aus?

Der Blonde betrachtete seinen Freund stumm, der ausdruckslos zurück sah.

„Was ist los, Katsuya?“, fragte Seto mit sanfter Stimme.

„Ich verstehe dich nicht.“, murmelte dieser nur, „Warum all diese Verbindungen in das nicht Legale?“

Der Brünette schluckte und wandte den Kopf ab.

„Kannst oder willst du mir nicht die Wahrheit sagen?“, die Züge des Jüngeren verhärteten sich.

„Ich... suche die Worte...“, flüsterte Seto vorsichtig, „Ich... ich bin der Meinung, dass dieser Staat nicht die richtige Durchsetzungsfähigkeit hat. Zum Beispiel bei deinem Vater.“, seine freie Hand ballte sich zur Faust, „Ich will dir lieber gar nicht sagen, was ich dem am liebsten antun würde. Ich war Alkoholiker, ich weiß, wie das ist. Ich weiß, wie es sich anfühlt teils voller Wut, teils verzweifelt, teils völlig leer zu sein und zu versuchen die Gefühle zu betäuben. Es ist grausam, aber es ist kein Grund seine Probleme an einer Frau oder einem Kind auszulassen. So etwas ist unverzeihlich.“, die blauen Augen richteten sich langsam auf Katsuya, der das Kissen in seinen Händen fest umschlang, „Der Staat kann nichts tun, denn es gibt zu wenig Beweise. Sollte man es dabei belassen? Unser Gesetz mag sich ja weiter entwickeln, während wir Menschen es nicht tun, aber Gerechtigkeit hat es noch lange nicht erreicht.“

„Sprichst du von Selbstjustiz?“, warf Katsuya ein und rollte sich im Sitzen wie eine Kugel um das Kissen, das er hielt.

„Nein.“, der Ältere seufzte und setzte sich auf das Bett, „So weit möchte ich nicht gehen. Das hat zu viele Menschen in meinem Umfeld unglücklich gemacht.“, war das der einzige Grund, warum er es nicht mehr tat? „Was ich damit sagen will, ist eher, dass der Staat nicht in der Lage ist uns zu schützen vor denen, die in Selbstjustiz richten.“, oder anderen Dingen, die nicht einmal mehr etwas mit Justiz zu tun hatten, „Und wenn es um Schutz geht, bin ich mir nicht zu schade dafür auch illegale Mittel zu verwenden.“

Sein Satz wurde nicht stilistisch von einem Blitz oder Donnerhall untermalt, wohl aber von der Haustürklingel.

„Das wird Ryou sein.“, der Ältere erhob sich und verließ den Raum.

Selbstjustiz

Juhuu ^,^ Neuerdings springe ich sehr zwischen den Fandoms. Eine neue Pastszene - YugiOh - eine neue FF - Final Fantasy - Eisengel - Harry Potter - und jetzt schreibe ich noch einen OneShot - Herr der Ringe. Dazu noch das Theaterstück für den Theaterpreis von Baden-Würtenberg... ehrlich, sehr viel Vielfalt X.X

Ansonsten famuliere (Praktikum für Mediziner) ich in einer Allgemeinarztpraxis am Ende der Welt (Landarztfeeling ^.^) in dieser Woche. Ich hoffe, sehr viel Inspiration dadurch zu gewinnen. Am Samstag hatte ich einen plötzlichen kreativen Schub und ein ganzes Kapitel DS geschrieben, das war toll ^.^ Ich freue mich auf eure Meinungen, wenn ich es veröffentlichen kann (zwei Wochen ^.-), da es mir selbst sehr gefällt. Dieses hier ist auf einer Autofahrt durch Wald und Wiesen entstanden - viel Spaß beim Lesen ^.^
 

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Katsuya schloss langsam die Augen und lehnte sich seitlich gegen das Bett.

Schutz... ungenau betrachtet, sicherlich. Genauer allerdings sah das nicht mehr so rosig aus. Was konnte man im Namen den Schutzes alles tun? Praktisch alles. Mord. Folter. Sogar Terror.

Schutz bedeutete sehr schnell der Gefahr vorzubeugen. Und darunter ließ sich wirklich alles packen. Also musste auch dem Selbstschutz Grenzen gesetzt werden. Wie Bakura jemanden physisch und psychisch krankenhausreif zu machen, war keinesfalls die angestrebte Lösung. Nie und nimmer.

Und was Seto wohl aus Selbstschutz tat... er war Mord ja nicht abgeneigt. Wie weit würde er gehen? Wie viel Realität würde er in Paranoia noch sehen? Was...

Im Hintergrund nahm er Ryous hohe Stimme und Setos beruhigende, tiefe Antwort wahr. Er sollte herunter gehen. Er sollte... eigentlich...

„Seto?“, er sah sich um und wusste doch, dass dieser eigentlich nicht hier war, „Seto...“

„Katsuya!“, es dauerte einen Moment, bis auch Schritte auf der Treppe zu hören waren und schließlich der Ältere im Türrahmen erschien, „Katsuya?“

„Seto?“, seine Stimme war hoch, fragend, flehend.

Der Brünette betrachtete ihn einen Moment lang, bevor er heran kam und ihn in seine Arme schloss. Katsuya entspannte sich sofort, fiel gegen seine Brust und schloss die Augen.

„Seto?“, er klang um Längen sicherer, „Bitte nicht erschrecken... kannst du mir ein Versprechen geben?“

Das folgende Schlucken erklang laut und deutlich.

„Ich möchte, dass du nichts tust, was dich ins Gefängnis bringt. Ausgenommen dem Fakt, dass du mit mir zusammen bist.“

„Realistisch gesehen ins Gefängnis oder nach Gesetz?“, gab dieser nur zurück.

„Seto...“, die Lider enthüllten braune Augen, „Ich will dich nicht verlieren, okay? Und ich will nicht, dass du... Dinge tust, die mich in Bedrängnis bringen. Moralische...“

„Du willst mir nicht Dinge verzeihen müssen, die du eigentlich nicht verzeihst, nur weil du mich liebst?“, Seto klang ruhig und vollkommen ernst.

„Ja...“, hoffentlich hatte er alle Implikationen verstanden, die Seto in diese Frage legte.

„Gut.“, der Brünette beugte sich herab und küsste seine Stirn, „Das ist auch gesund so.“, seine Hand fuhr durch das blonde Haar, „Fühlst du dich in der Lage Ryou zu begrüßen?“

„Ja... schon...“, Katsuya hielt Seto mit einer Hand, da sich dieser erhob, auf, „Seto? Küss mich bitte.“

„Klar.“, der Ältere verdrehte sich ein wenig, um an Katsuyas Lippen zu kommen und verwöhnte diese ein paar Momente, „Lassen mir Ryou nicht warten. Der ist mit den Nerven reichlich durch.“, ein Schnauben, „Und so ein Kakao hält auch nicht ewig.“

Nein... Katsuya betrachtete ihn einen Moment traurig und müde.

Seto hatte rein gar nichts versprochen.
 

„Kleiner?“, Katsuya sah ins Wohnzimmer.

„Kats!“, der Weißhaarige sprang auf und lief herüber, schlang seine Arme um den Größeren und drückte sein Gesicht gegen dessen Brust.

„Hi, du.“, er verwuschelte dessen Haar, „Gut her gefunden?“

„Hm.“, Ryou nickte, „Herr Kaiba hat gesagt, Bakura ginge es gut... aber sie sind noch auf der Flucht.“

„Sie werden es schaffen, ganz bestimmt.“, Katsuya legte die Arme um ihn, „Dein Bruder kennt sich aus, der Fahrer ist gut ausgebildet und Seto organisiert alles. Das wird schon.“

„Ich hoffe. Ich...“, des Kleineren Stimme wirkte mehr und mehr verweint, während er den Kopf abwesend hin und her drehte, „Was hat er denn bloß gemacht, dass er jetzt in so einer Situation ist? Er wollte mit dem illegalen Zeug doch aufhören...“

„Er ist mit Yami unterwegs.“, erklärte Katsuya.

„Mit... ?“, blaue Augen trafen seinen Blick, „Du meinst, ihre Ermittlungen... ?“

Der Blonde nickte nur.

„Du meinst... hinter ihnen sind massenweise Yakuza her... ?“, Ryous Lider weiteten sich, er schluckte und drückte sich an Katsuya, nachdem er diesen einige Sekunden lang betrachtet hatte.

Natürlich nutzte Setos Handy genau diesen Moment, um zu klingeln.

„Kaiba?“, die beiden fuhren auseinander und betrachteten den Telefonierenden, „Glückwunsch. Dann erzählt mal, was ihr für einen Mist angestellt habt.“, Seto nickte ihnen zu und hob einen Daumen, bevor er an ihnen vorbei ins Wohnzimmer ging und sich dort auf die Couch fallen ließ, „Hm... hm-hm... verstehe... ja, sicher.“, er hob das Handy von seinem Ohr, „Ryou, dein Bruder.“

Der Weißhaarige teleportierte praktisch neben Seto und nahm es entgegen, um es sanft an seine Wange zu schmiegen. Seine fast panisch geweiteten Lider entspannten sich ob des ersten Wortes, das er hörte, seine Schultern sackten ab, bis er schließlich neben Seto auf das Sofa sank.

Katsuya schlenderte langsam herüber, ließ sich neben Seto fallen und lehnte sich an ihn.

„Alle drei in Ordnung?“

„Roland flüchtet noch, aber ich bin sicher, dass es ihm gut gehen wird. Yami und Bakura haben es anscheinend ungesehen geschafft abzutauchen.“, Seto setzte ihm einen Kuss auf den Kopf, „Genau genommen jammert unser Freund schon, dass er sich im Knöchel was verzogen hat und heute nicht arbeiten gehen kann.“

„Und was haben sie nun gemacht?“, der Blonde legte seine Hand auf Setos Oberschenkel und drehte sich ein Stück zu ihm.

„Bei einem Don ins Büro eingebrochen. Sie wurden allerdings erst entdeckt, wie sie als verdächtige Gestalten das Haus verließen. Deswegen wurden sie auch nur von wenigen Typen verfolgt.“

„Wurden sie erkannt?“, Katsuyas Atem ging leicht zittrig und er schluckte.

Der Brünette sah sanft zu ihm hinab und schenkte seinem Haupt einen weiteren Kuss, bevor er antwortete: „Wahrscheinlich nicht. Beide sind sehr gut, was Verkleidungen angeht. Bakura ist Einbrüche gewohnt und Yami muss sich nur halbwegs schlabbrig anziehen, Mütze und Kontaktlinsen tragen und kein Mensch erkennt ihn mehr. Es war dunkel und man sah sie nur von hinten. Es ist unwahrscheinlich, dass jemand das durchschaut.“

Der Jüngere schloss die Augen und sank mit seinem Körpergewicht gegen seinen Freund, der ihn sicher hielt. Er hörte Ryou sich bei Seto für das Handy und die Hilfe bedanken und spürte nach einigen gewechselten Worten Ryous Kopf gegen seinen drücken, als dieser sich von der anderen Seite gegen Seto lehnte.
 

„Hey, ihr beiden.“, die ihn haltende Hand piekste ihn mit einem Finger in die Seite, „Wollt ihr die Nacht so verbringen oder nicht vielleicht noch irgendetwas machen?“

„Machen?“, Katsuya hob müde ein Lid, „Hast du Hunger oder Durst, Ryou?“

„Gerade nicht.“, funkelnde, hellblaue Augen sahen aus einem entspannten Gesicht zu ihm rüber, bevor Ryou sich aufrichtete, „Darf ich mich im Haus umsehen?“

„Wir könnten es dir zeigen.“, schlug Seto lächelnd vor und fuhr beiläufig mit seiner Hand durch Katsuyas Haar, „Komm, auf mit dir, Kleiner.“

„Genau, auf mit mir...“, mit einem Seufzen erhob sich der Blonde und streckte sich, „Wie kommt es bloß, dass ich mich so verspannt fühle? Als würde ich sehr bald überall Muskelkater haben.“, aus dem Augenwinkel warf er Seto einen Blick zu.

„Fürchte dich nicht, ich werde mich liebevoll um dich kümmern.“, der Brünette beugte sich zu ihm und leckte einmal kurz über seine Ohrmuschel.

„Warum fürchte ich mich bloß davor?“, Katsuya hob die Arme und zuckte mit den Schultern, „Werden wir wohl sehen, wie diese Pflege aussieht. Gut...“, er wandte sich Ryou zu, „Unverkennbar ist das hier unser Wohnzimmer. Spielkonsole mit Spielen, Fernseher und die Wand da ist Setos erster Bücherschrank.“

„Mit Romanen.“, ergänzte der Brünette, „Einfache Belletristik.“

„Vorsicht.“, Katsuya lehnte sich zu dem Kleineren, „Traue niemals dem Wort einfach aus seinem Mund. Der nennt selbst Mathebücher einfach.“

„Mathebücher sind auch einfach.“, Ryou legte den Kopf schief.

„Irks... ich vergaß... ihr seid beide Freaks.“, mit einem tiefen Seufzer ließ der Blonde den Kopf hängen.

„Gebildet, intelligent und homosexuell. Die neue Elite!“, Seto hatte eine Pose eingenommen, als wäre er Caesar oder Cicero höchstpersönlich.

„Du spinnst.“, gab Katsuya nur zurück.

„Ist nichts Neues, oder?“, der Älteste grinste selbstgefällig herüber, „Aber ehrlich, du ziehst solche Typen an, meinst du nicht? Yami, Ryou, mich...“, er zuckte mit den Schultern, „Gleich und gleich gesellt sich gern.“

„Und was bin ich? Euer Hofnarr?“, Katsuya verschränkte die Arme, „Haushund?“

Seto kam herüber und setzte ihm einen Kuss auf die Lippen, bevor er antwortete: „Nachweislich auch intelligent und homosexuell – und ein kreativer Papagei noch dazu.“

„Sei froh, dass ich gerade nicht bissig bin...“, nuschelte der Blonde beleidigt.

„Nicht?“, der Brünette hob eine Augenbraue, „Woher kommt dann der Gebissabdruck auf meiner Schulter?“

Röte schoss Katsuya ins Gesicht, worauf er stotterte: „Das- das- das- ist nicht- also- ähm...“

„Die komplette David Winter-Reihe! Und Ramses auch!“, Ryou stand zwei Meter von ihnen entfernt und sah die Titel der Bücher durch, von denen er gerade eins aus dem Schrank gezogen hatte und betrachtete, „Darüber habe ich im Internet gelesen, als ich Nelsons Biographie studiert habe.“

„Lohnt sich, wenn man an Englands Flottenwesen um achtzehnhundert herum interessiert ist.“, Seto drehte sich und zeigte auf ein Buch, „Hier ist er in Indien, hier der amerikanische Unabhängigkeitskrieg und hier Napoleon. Irgendwo zwischendurch findet man auch die Verhandlungen mit Katharina der Großen.“, er sah zu Ryou, „Trifft das dein Interesse?“

„Total!“, der Weißhaarige sah begeistert auf.

„Hier hinten habe ich auch noch eine Reihe über das Spionagenetz Ludwigs des vierzehnten. Und diese hier sind über die Meiji-Unruhen. Ach, die hier sind über die Papstkriege. Hier habe ich noch Kreuzzüge und diese sind über das osmanische Reich.“, er zeigte auf einige weitere Bände.

Katsuya schüttelte nur lächelnd den Kopf.

Ja, ja... Setos leichte Lektüre...
 

Der Hausrundgang hatte effektiv an der Bücherwand des Wohnzimmers geendet. Ryou hatte sich massenweise Bücher geschnappt, sich das vorhin ummodelierte Gästezimmer zeigen lassen und dort die Nase zwischen die Seiten gesteckt. Das zu den gemeinsamen Aktivitäten.

Und schon war da wieder dieses Funkeln in Setos Augen, nachdem sie die Tür geschlossen hatten.

„Oh nein...“, Katsuya wich kopfschüttelnd zurück, „Vergiss es. Du hast mich heute... was war das, fünf Mal? Auf jeden Fall oft genug gehabt.“

„Dann nimm mich.“, raubtierartig wurde ein Bein vor das andere gesetzt, „Ich bin vollkommen dein. Hol mich einfach nur wieder aus diesen Klamotten.“, Setos Augen blitzen gefährlich und die Zunge schnellte zwischen seinen Lippen hervor.

„Seto, bitte...“, sein Atem ging vor Vorfreude tiefer. Es konnte doch nicht wahr sein! Musste sein Körper ihn so betrügen?

Der Brünette trat nah an ihn heran, doch sank plötzlich auf ein Knie, ergriff Katsuyas Hand, zog sie zu sich und setzte einen Kuss auf den Handrücken, bevor er sprach: „Euer Wunsch sei mir Befehl.“

Der Kopf hob sich nur leicht, die graublauen Augen blitzten unter den brünetten Strähnen hervor, ein Daumen strich über seinen Handrücken, bevor Fingerspitzen deren Innenfläche hinab strichen und sich sanft von ihm lösten.

Katsuya konnte den sehnsüchtigen Seufzer nicht aufhalten, der sich zwischen seinen Zähnen hindurch einen Weg bahnte. Verrat! Verdammter Körper!

„Das machst du mit mir, wenn ich zitter' vor Gier...“, murmelte der Brünette leise. Seine Hände legten sich auf Katsuyas Knöchel und strichen diese hinauf, stoppten an seiner Hüfte. Er beugte sich vor, hob das Shirt mit seiner Nase und setzte einen Kuss auf den Bauch des Blonden.

„Seto... ich will nicht...“, murmelte er dennoch leise.

„Warum nicht?“, die Stimme klang mehr amüsiert.

„Es reicht.“, der Blonde fiel auf seine Knie und sah Seto in die Augen, „Ich will einfach nicht. Lass uns uns auf die Couch hauen und kuscheln oder sonst etwas, aber ich will keinen Sex. Okay?“

Der Ältere seufzte kurz, doch nickte.

„Danke.“ ein Lächeln legte sich auf Katsuyas Lippen, „Ich mag einen Film schauen. Trägst du mich runter?“

„Hm.“, Setos Arme legten sich um ihn und hoben ihn hoch, „Du nimmst langsam zu, weißt du das? Bist ziemlich schwer geworden.“

„Weiß...“, der Blonde kuschelte sein Gesicht an dessen Schulter.

„Meiner Schulter tut das sicher nicht gut.“

„Weiß...“

„Und interessiert es dich?“

„Nö.“

Missgelaunt

Die Hitze bringt einen um XP

Meine Mutter bat mich ihr im Garten zu helfen, dementsprechend werden die Kommentare im späteren Abend beantwortet. Jetzt aber mal zum Kapitel: Psychiatrien sind vor allen Dingen zur Medikamenteneinstellung wichtig. Ärzte empfehlen bei neuen Psychopharmaka daher immer einen Aufenthalt, so es sich um starke handelt. Seroquel ist ein Mittel, wo so eine Empfehlung sicher nicht falsch ist. Warum - bitte, hier mal etwas, womit Psychiater sich den Tag lang rumschlagen. Viel Spaß beim Lesen ^.^
 

P.S.: Es gibt ein neues Gedicht!
 

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Katsuya überblickte die Lage, bevor er den Arm, der über ihm lag, hob und nach links legte, weg rückte, um das Bein zwischen seinen zu entfernen und sich aus der Decke wandte, um den noch schlafenden Seto damit wieder zu bedecken.

Komisch, dass der noch nicht wach war. Sonst schlief der doch praktisch nie. Auf leisen Füßen schlich Katsuya aus dem Raum, die Treppe hinunter in die Küche.

„Oh, Morgen.“, Ryou lächelte ihn an.

„Moin... früh wach, was?“, der Blonde tappste herüber zur Kaffeemaschine und befüllte sie so, wie er es mittlerweile von Seto gelernt hatte, „Möchtest du etwas haben?“

„Ein Glas Milch, bitte.“, lächelnd ließ der Weißhaarige sich auf einem Stuhl nieder, wo er einige Sekunden später seinen Wunsch gereicht bekam, „Danke. Herr Kaiba schläft noch?“

„Wie ein Stein. Sieht ihm gar nicht ähnlich.“, Katsuya machte sich ebenso ein Glas fertig.

„Liegt vielleicht an den Ferien.“, der Kleinere zuckte mit den Schultern.

Oder an den Tabletten. Brauchte Ryou aber nicht zu wissen. Lockerer war Seto durch diese auf jeden Fall geworden. Und vor allen Dingen noch notgeiler als er sowieso schon war.

„Sag mal, machst du nicht derzeit dein Praktikum?“, fragte Ryou in die entstandene Stille.

„Montag, ja. Gestern wurde ich von Seto überredet nicht zu erscheinen. Und heute habe ich andere Sorgen als Arbeit... wenn Seto wach ist, können wir ihn fragen, ob wir Yami und Kura besuchen können. Ich würd‘ schon gern wissen, was genau da gestern ablief.“

Der Weißhaarige nickte nur und ließ den Kopf ein wenig hängen.

Ob er wohl enttäuscht war, dass Bakura irgendetwas mit der Yakuza zu tun hatte? Und wenn es nur ein Einbruch bei ihnen war? Er wäre sauer, wenn Seto wieder irgendetwas mit dem Untergrund zu tun hätte.

„Kat... suya...“, klang eine leise, zitternde Stimme vom Flur.

„In der Küche.“ die Augenbrauen zusammen ziehend erhob sich der Blonde und ging Seto entgegen, der im Türrahmen auftauchte. Bei dessen Anblick spalteten sich seine Lippen, als wollte er etwas sagen, hielt sich doch zurück.

Seto trug nur einen Bademantel. Das Haar war kaum gekämmt, seine Augen wirkten verklebt, die Stirn lag in tiefen Falten. Er torkelte halb in den Raum, sodass Katsuya ihn an den Schultern griff und zu einem Stuhl herüber brachte. Die zitternde Hand des Brünetten griff in die Manteltasche und zog eine Packung Zigaretten heraus, die der Andere ihm aus der Hand nahm.

„Nicht im Haus, Seto...“

Die graublauen Augen bohrten sich in ihn, eine Hand schnellte hervor, packte die Schachtel und entriss sie seinem Griff. Keine Sekunde verging und das ebenfalls in der Packung liegende Feuerzeug entzündete eine Zigarette.

Katsuya seufzte, schüttelte den Kopf und fragte: „Hast du deine Tabletten genommen, Seto?“

„Lass mich mit dem Scheiß in Ruhe.“, knurrte der Sitzende nur.

„Ich gehe sie holen.“, der Blonde ließ seinen Blick kurz zwischen Ryou und Seto schweifen, bevor er sich ins Bad aufmachte. Der Weißhaarige war wohl einer der letzten, den man vor grimmigen, missgelaunten Drachen schützen musste. Bakura hatte diese Freundlichkeit schließlich durchgehend.
 

„Wie schwer kann es sein den Arsch hierher zu bewegen?“, der Wolf funkelte Katsuya böse an, bevor er Ryou in die Wohnung zog und ihre Lippen aufeinander legte.

„Dir auch einen schönen Mittag.“, Katsuya trat ein und steuerte auf Yami zu, der kurz eine Augenbraue hob, bevor er die Arme für ihn öffnete, „Diese Biester machen mich fertig...“

„War das ein schlechtes Wort über meinen Bruder?“, zischte Bakura herüber.

„Nein, das ging gegen mich. Und dich.“, Seto inspizierte den Gang, bevor er die Tür hinter sich schloss und abriegelte.

„Hmpf.“, der Silberhaarige hob seinen Bruder auf seinen Arm und trat zu dem Ältesten hinüber, „Irgendwelche Ratten in den Gassen?“

„Keine, die ich bemerkt hätte.“

„Was ist los?“, flüsterte Yami Katsuya ins Ohr, während die beiden in eine hitzige, geraunte Halbsatzdiskussion verfielen.

„Seto ist unausstehlich heute.“, der Blonde verlor in den Armen seines besten Freundes praktisch jede Körperspannung, „Gestern ging es ihm wirklich gut, aber jetzt...“

„Er hat wahrscheinlich vor Sorge kaum schlafen können.“, mutmaßte Yami, „Das gibt ihm meistens die Freundlichkeit eines sexuell frustrierten Büffels.“, Katsuya sah nur hoch mit einem Ausdruck, der von Leid und Kraftlosigkeit sprach, „Du wirst sehen, heute Abend mosert er wieder und morgen zerrt er dich im Bett unter sich.“

Klasse Aussicht. Der Blonde verdrehte nur die Augen.

„Den hast du dir ausgesucht.“, neckte Yami ihn, „Du hättest ja mich haben können, aber nein, du nimmst ja unbedingt den alten Grummeldrachen.“

„Was lästert ihr dahinten?“, knurrte der Brünette.

„Wir? Gar nichts.“, na, sehr glaubhaft – Yami musste nur noch unschuldig blinzeln.

„Dass du eine beschissene Laune hast.“, gab Katsuya nur zurück.

„Klar habe ich die. Ein Versteck, das einmal gebraucht wurde, ist nicht mehr nutzbar. Jetzt muss ein neues gesucht werden.“, maulte Seto.

„Und das tut er nicht einmal selbst.“, raunte Yami zur Seite.

„Wenigstens wurde es mal gebraucht.“, Bakura stemmte eine Hand in die Hüfte – mit der anderen hielt er Ryou, „Stell dir vor, der Käse war umgekommen.“

Aus einem Katsuya nicht ersichtlichen Grund ließ der Satz Seto in schallendes Gelächter ausbrechen. Er zog einfach nur eine Augenbraue hoch. Musste er den Witz verstehen? Nun ja, so er Seto von seiner Laune abbrachte, bitte, sollte der Wolf so viel reden, bis der Mond umkippte.

„Lass uns etwas kochen.“, meinte Katsuya kurz entschlossen zu Yami und zog ihn dahin, wo er die Küche vermutete – richtig geraten.

„Sind dir zwei scherzende Spaßbremsen zu viel?“

„Mir wird das ganze Irrenhaus derzeit zu viel. Ich brauche eine handwerkliche, konzentrationsfordernde Tätigkeit.“

„Kochen?“, Yamis Mundwinkel hob sich amüsiert.

„Ist eine Kunst.“, bestimmte Katsuya und durchsuchte die Schränke nach einer Pfanne.

„Dir ist klar, dass es in dieser Bude keine wirklich verderblichen Lebensmittel gibt? Es ist ein Versteck.“, informierte Yami ihn, „Und ich bin ganz sicher nicht einkaufen gegangen, wo derzeit die Yakuza nach bisher nicht gesehen Gestalten in dieser Gegend sucht.“

„Dann sag mir, was man hier kochen kann.“, verlangte der Blonde ohne auf das Thema der gestrigen Verfolgung einzugehen.

„Man kann Würstchen warm machen. Und Wasser für dehydratisierte Gerichte erhitzen.“

Katsuya beließ es dabei seine Laune durch einen sehr abfälligen Blick auszudrücken.
 

„Welch Duft... Fertigsuppe?“, Katsuya ballte seine Hände zu Fäusten und erinnerte sich in Gedanken daran, dass er sich vorgenommen hatte Seto nicht zu schlagen, auch wenn ihm sein Ton es sehr schwer machte.

„Setzen und Klappe halten.“, bestimmte Yami ruhig und der Brünette hörte freundlicherweise darauf.

„Du hast niemandem was zu befehlen.“, knurrte Bakura, was Katsuya die gerade etwas abgesunkenen Schultern wieder spannen ließ.

„Fresse und Platz – gilt auch für dich.“, zischte der Blonde und fuhr herum.

„Sonst was?“, der Silberhaarige hob nur unbeeindruckt die Augenbrauen.

„Sonst schlag ich drauf ein, denn ich hab' eine verdammt beschissene Laune.“

„Uuuh... wie ich mich fürchte.“, der Andere hob nur eine Seite des schwarzen Ledermantels, den er trug, worunter eine Pistole zum Vorschein kam, die mit einem Halfter an seinen Oberschenkel gebunden war, „Aber wenn du eine Prügelei nach guter, alter Manier brauchst, meld' dich.“

„Gute, alte Manier?“, Katsuyas Lider verengten sich noch weiter, sein Bein setzte ihn wie von selbst einen Schritt vor.

„Ich habe auch einen Gürtel. Und Teller sind hier. Vielleicht finde ich auch noch einen Schlagstock.“, ein Mundwinkel Bakuras hob sich, „Oder war es ein Eisenrohr?“

Der Blonde schnellte hervor, packte ihn am Kragen, doch er wehrte sich nicht dagegen und grinste nur.

„Wie kommst du an meine Unterlagen?“, zischte Katsuya.

„Nehme eine ausländische Studentin, schwinge deine Polizeimarke und beginne zu lesen.“, die hellblauen Augen funkelten böse, „Ganz legal.“

„Du bist Hacker! Wieso lässt man dich zu Gerichtsdaten durch?“, der Blonde hob ihn in seinem Griff und zog ihn näher.

„Marke ist Marke. Ob nun legaler Einbrecher, verdeckter Ermittler oder Hacker, auf die eine oder andere Weise kommst du ans Ziel. Ansonsten hätte ich mich nur als Angestellter verkleiden müssen – an der wäre ich sogar mit Flirten vorbei gekommen.“, er wischte Katsuyas Hände, die den Griff gelockert hatten, davon, „Jeder mit halbwegs etwas auf dem Kasten hätte das geschafft.“, er zuckte mit den Schultern, „Auch wenn ich ohne das Mädchen nicht darauf gekommen wäre unter K zu suchen, du Herr Kaiba.“, die letzten beiden Worte spuckte er Katsuya praktisch vor die Füße.

„Suppe ist fertig.“, quatschte Yami einfach mal dazwischen, „Bakura, Ryou, setzt euch, bitte. Katsuya, deck' den Tisch.“

„Ja, Herr Führer.“, der Silberhaarige verdrehte die Augen, „Bin ja schon artig.“

„Besser so.“, knurrte Seto und bedachte zur Abwechslung mal Bakura mit einem eiskalten Blick, „Anscheinend ist er schließlich mein Familienmitglied.“

Ryou kuschelte sich etwas tiefer in die Umarmung, in der sein Bruder ihn hielt. Wollte er den Wolf beruhigen? Wenn der Drache und der in einen Kampf verfielen, würde Katsuya das Weite suchen – und Ryou im Zweifelsfall mit Gewalt mitzerren. Da gehörte keiner in die wahrscheinlich wortwörtliche Schusslinie.

„Jetzt kühlt mal alle eure Gemüter.“, meinte Yami ruhig und trug den Topf herüber, „Alle sind am Leben und es gibt keine Gefahr. Genießt die Harmonie eine Weile.“, er seufzte leise, „Müsst ihr euch unbedingt Stress machen, wenn gerade keiner besteht?“

„Kennst uns doch.“, das erste Mal an diesen Tag legte sich so etwas wie ein Lächeln auf Setos Lippen, „Wir kommen mit Ruhe nicht klar.“

„Weißt du, wie ich das nenne?“, Yami legte eine Hand auf den Tisch und beugte sich zu dem sitzenden Brünetten herunter, „Nervensägen.“

„Essen stopft einem das Maul.“, ließ Bakura nur verlauten, auf dessen Schoß Ryou gerade Platz nahm, während Katsuya die Teller auftrug.

„Sehr richtig.“, der Rothaarige griff sich die Kelle und begann aufzufüllen, „Welch ein Glück, dass du großen Hunger hast.“

Der Angesprochene verdrehte die Augen.
 

Katsuya entspannte sich irgendwo zwischen dem dritten und siebten Löffel seiner Suppe. Zum einen schmeckte sie für eine Fertigsuppe ziemlich gut, zum anderen waren sowohl Seto als auch Bakura still. Ryou hatte es sogar schon wieder gewagt den Kopf zu heben und Suppe vom Löffel des Wolfes zu stehlen. Der ließ sich friedlich beklauen – die Welt schien ihm Reinen.

Eigentlich nicht der richtige Moment die Ruhe zu brechen, doch die Konstellation war selten gut: „Was genau ist gestern passiert? Bisher habe ich nur eine Kurzversion von Seto gehört.“

Bakura merkte nicht einmal auf, Yami schenkte ihm glatt einen Blick und aß den Löffel, den er bereits an seine Lippen geführt hatte, bevor er antwortete.

„Lange Geschichte... von der ich ehrlich gesagt nicht weiß, ob ich sie wirklich erzählen sollte. Je weniger ihr wisst, desto sicherer seid ihr.“, Yami warf einen schnellen Blick zur Seto, der jedoch keine für Katsuya erkenntliche Reaktion zeigte, „Wir sind bei Yakuza eingebrochen und wurden als verdächtige Gestalten beim Rausgehen bemerkt. Zwei bewaffnete Yakuza verfolgten uns und riefen Verstärkung, die in einem Wagen kam. Bakura hat diesen mit einem Täuschungsmanöver zur Seite abgelenkt und ist drüber hinweg. Damit hatten wir allerdings sechs Verfolger, wenn auch ohne Wagen. Es brachte uns aber auf die Idee einen Fluchtwagen zu nehmen und da Bakura ein Taxi für zu unsicher hielt, weil er sicher war, dass man uns nicht erkannt hatte, überlegten wir recht fieberhaft, als du zufällig anriefst. Ich hätte es gar nicht mitbekommen, hätte ich wegen der Taxiidee nicht das Handy in der Hand gehabt. Aber so löste sich unser Problem recht schnell. Wir liefen bis zum städtischen Friedhof, auf dem wir die meisten Verfolger abhängten.“, Yami nahm kurz einen Schluck seines Wassers, „Bakura hievte mich per Räuberleiter über die Mauer und sprang selbst ohne Hilfe drüber, sodass wir in Sicherheit waren.“

„Sehr akrobatisch.“, murmelte Seto ohne erkennbaren Ton mit einem Blick Richtung Bakura, „Das sind sicher zwei Meter Mauer.“

Die hatte er ohne Hilfe überwunden hatte? Respekt.

„Ist mein Job.“

„Dein Job ist es sich über einen Computer zu beugen.“, fauchte Katsuya, „Ich weiß ja nicht, wie der Rest hier dazu steht, aber ich bin nicht sehr begeistert davon in welche Gefahren ihr euch begebt. Sicher ist der Grund ein wichtiger, aber müsst ihr dafür wirklich euer Leben riskieren?“

Bakura hob nur beide Augenbrauen und hielt seinen Blick – Yami jedoch wandte seinen zu Boden.

Zettel

Heyho ^v^ Und wieder eine neue FF! Ein One-Shot, bereits fertig und hochgeladen, allerdings zu "Herr der Ringe". Mir schoss gestern plötzlich eine Idee in den Kopf und die habe ich sofort umgesetzt.

Ansonsten fahre ich morgen zurück nach Heidelberg und bin bis nächste Woche stark eingebunden. Das nächste Kapitel ist zum Glück längst fertig, allerdings könnte es verzögerte ENS-Antwort-Zeiten geben (die es derzeit auch gibt, tut mir Leid v.v).

Dieses Kapitel liegt mir sehr am Herzen, da ich damit mal endlich wieder zu etwas fachlich Psychologischem komme. Es ging mir sehr leicht von der Hand. Ich hoffe, es wird euch gefallen ^.^ Viel Spaß beim Lesen!
 

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„Hach…“, Katsuya lehnte sich zurück und wünschte, über ihm wäre nicht das Autoverdeck sondern der Himmel zu betrachten, „Wann haben wir mal endlich Ruhe? Wann?“

„Im Grab.“, gab Seto nur zurück und bedachte ihn mit keinem Blick – wie meist, wenn er den Wagen fuhr, „Allerdings gebe ich deiner Implikation recht, dass es schön wäre, wenn nicht jeden zweiten Tag eine Katastrophe passieren würde. Ich war eigentlich beruhigt gewesen, dass die nächste Katastrophe die Niederkunft deiner Schwester wäre, aber weit gefehlt, die beiden müssen ja unbedingt Mist bauen.“

„Du bist sauer?“, der Blonde hob eine Augenbraue, „Du hast dir davon nichts anmerken lassen.“

„Ich habe es auch gerade erst bemerkt.“, Setos Mundwinkel verzog sich ein Stück, „Ich bin halt langsam, was meine Emotionen angeht.“

„Du hast erst im Auto bemerkt, dass du sauer bist?“, auch die zweite Augenbraue hob sich.

„Ja, verdammt!“, knurrte der Fahrer, „Hör auf mich zu nerven.“

„Bin ja schon still.“, seufzend verschränkte Katsuya die Arme und wandte sich dem Beifahrerfenster zu. Wenn Seto jetzt unbedingt wieder unausstehlich sein wollte, bitte, sollte er doch. Und wehe, der kam heute wegen Sex angekrochen, das konnte er sich gleich abschminken. Idiot.

„Warum kutschiere ich dich eigentlich andauernd durch die Gegend?“

War der auf Streit aus?

„Weil wir denselben Weg haben und ich keinen Führerschein.“, murmelte der Blonde Richtung Fenster.

„Mach gefälligst einen.“, noch freundlicher, noch ein bisschen, fein, Seto, fein…

„Bezahlst du ihn mir?“

„Wer sonst?“, der Ältere schnaubte, „Das kostet mehr als hunderttausend Yen. Wenn ich dich das zahlen lasse, bist du in einem Jahr noch nicht fertig.“

Hm. Erfreulich. Würde Seto das eine Spur weniger aggressiv sagen, könnte er sich vielleicht wirklich freuen. Vertrug der seine Tabletten nicht oder was war das hier? Katsuya seufzte.

„Seto… warum bist du heute so aggressiv? Was ist los?“, er wandte sich dem Angesprochenen zu.

„Darf ich nicht auch mal schlechte Laune haben?“, fauchte der zurück.

„Doch, natürlich. Ich möchte nur wissen, ob es einen Grund gibt.“, erklärte Katsuya sanft – hoffentlich regte ihn das weniger auf.

„Quatsch’ nicht so salbungsvoll daher. Wenn es einen gäbe, wäre das immer noch mein Grund.“

Der Blonde atmete tief durch, schloss die Augen einen Moment und legte wieder den Kopf in den Nacken. Ohne seinen leicht traurigen Ausdruck zu verziehen hob er seine Lider, sog Luft in seine Lungen und versuchte es noch einmal: „Wenn du den Grund kennst, würdest du ihn mir bitte mitteilen?“

Als er auch nach fünf Sekunden keine Antwort erhalten hatte, seufzte er nur und wandte seinen Blick wieder neben sich aus dem Fenster. Anscheinend kein Drankommen. Prinzessin auf der Erbse musste sich nur mal wieder wichtig machen.

„Weck’ mich…“, vernahm er ein Flüstern und wandte sich wieder dem Fahrer zu, „Wenn… du wach wirst… weck’ mich… bitte.“, quetschte Seto langsam hervor.

„Kriegst du Angst, wenn du alleine aufwachst?“, ein kaum merkliches Nicken, worauf der Blonde zufrieden die Augen schloss, sich zurücklehnte, doch einen Moment später die Stirn verzog, „Und deswegen hast du den ganzen Tag so einen Terz gemacht?“

Auf diese Frage blieb Seto ihm – wie kaum anders erwartet – eine Antwort schuldig.
 

„Sag mal…“, Katsuya wandte sich seinem Freund zu, der lesend im Couchsessel saß, während er an der Konsole gespielt hatte, „Kennst du eigentlich irgendwen, der dieselbe Krankheit hat wie du?“

„Wie kommst du plötzlich darauf?“, der Brünette senkte sein Buch und blickte zu ihm hinüber, „Ich kenne nur die, die ich in der Klinik getroffen habe.“

„Ich habe mich mal wegen meinem Vater bei Selbsthilfegruppen informiert. Da wurde zumindest über Alkoholiker gesagt, dass der ständige Austausch mit anderen auf viele stabilisierend wirkt. Ich war nie bei so was, aber ich stelle mir vor, dass man da auch Tipps und Tricks austauscht, wie man mit vielen Symptomen fertig wird. Ich habe mich gefragt, ob dir das helfen könnte – oder mir, um ehrlich zu sein.“

„Leben mit psychisch Kranken? Da gibt es ein paar Gruppen.“, Seto schnaubte abfällig, „Ich war mal bei den anonymen Alkoholikern – reichlich unanonym, wie du dir vielleicht vorstellen kannst, natürlich wurde ich erkannt. Außerdem waren nur Frauen anwesend. Und danach habe ich mich nicht mehr hin getraut.“, er warf kurz einen Blick auf sein Buch, legte jedoch ein Lesezeichen hinein und es zur Seite, „Mokuba… hat mich auch mal zu einer solchen Gruppe geschleppt. Er hatte auch die Idee, es könnte mir möglicherweise helfen. Das war eine Posttraumagruppe – wo Anonymität wirklich groß geschrieben wurde, denn obwohl man mich ganz sicher erkannt hat, hat keiner etwas dazu gesagt.“, Katsuya, der sein Spiel sowieso gerade gespeichert hatte, schaltete mit einem Finger die komplette Stromversorgung von Fernseher und Konsole aus – das hier schien länger zu werden, „Auch da waren nur Frauen anwesend, aber da war das irgendwie in Ordnung. Männer geben nicht oft zu missbraucht worden zu sein, das ist… Frauen gelten nun mal als das schwache Geschlecht, die können so etwas zugeben und kriegen dafür meist Mitgefühl, aber bei einem Mann erzeugt es oft Wut und Widerwillen. Man kriegt oft zu hören, man solle sich nicht so anstellen oder stark sein oder nicht so rumheulen oder…“, Setos Lider senkten sich ein Stück, „Du kriegst das zu hören, was dir schon die einst gesagt haben, die dich missbrauchten.“

Katsuya schluckte. Indianer kennen keinen Schmerz. Männer flennen nicht. Das hatte er von Klassenkameraden oder deren Müttern gehört. Bei seiner waren es Befehle gewesen. Heul’ nicht so rum. Sei still. Halt die Klappe, du Nervensäge. Bevor sein Vater außer Saufen und Schlafen nichts anderes tat, waren es oft böse Neckereien gewesen, die er von sich gab. Was willst du, Heulsuse? Bist wohl zu klein, Stinker? Schuhe zubinden – kannst du das etwa nicht allein, du Hornochse?

Kleine Mädchen konnten wirklich weinen, was das Zeug hielt. Frauen auch meist. Kleine Jungen vielleicht. Männer? Kaum vorstellbar. Wenn er daran dachte, wie sehr es ihn geschockt hatte, als Seto das erste Mal eine Träne über die Wange rann…

„Aber von denen habe ich das nicht gehört. Ich meine, ich habe auch nichts von mir erzählt, ich…“, Seto brach ab, atmete tief durch und fuhr ruhiger fort, „Nun, man sitzt in einem Kreis und stellt sich erst mal vor, aber nur mit Vornamen und sagt etwas zu sich selbst, wenn man mag. Man kann auch gar nichts sagen, aber… na ja… das Vorstellen habe ich mir schon noch zugetraut und irgendwie war das wirklich eine gute Atmosphäre.“

Hörte sich alles positiv an… Katsuya seufzte so leise, dass der Andere es nicht hören konnte. Irgendwie wollte er das große Aber nicht erreichen.
 

„Ich habe halt gesagt, dass mein Bruder mich her geschickt hat, weil er es mit mir nicht aushält. Weil ich immer aggressiv bin. Da haben zwei oder drei genickt, als würde man ihnen das auch dauernd erzählen… dabei wirkten sie ganz lieb auf mich.“, ein Lächeln legte sich auf Setos Lippen und er sah wie schüchtern kurz zu Katsuya auf, „Nach dem Vorstellen meldete man sich und es gab wie eine Art Redeliste. Eine hat erzählt, dass sie letztens einen Rückfall hatte und wieder angefangen hat sich zu schneiden. Das war, weil ihr Mann einen Wagen gekauft und deswegen einen Kredit aufgenommen hat. Sie hat schreckliche Angst bekommen, dass sie ihren Job verliert und die beiden dann nicht in der Lage sind das Geld zurück zu bezahlen. Das wurde gar nicht weiter besprochen, das blieb einfach so stehen, nur die Leiterin hat gefragt, ob sie es jetzt wieder unterdrücken kann oder immer noch tut. Die nächste hat erzählt, die hatte einen Autounfall und deswegen schreckliche Alpträume und seit neuestem mischte wohl ihr Vater sich in diese Alpträume, wie er auf ihrem Schoß sitzt und sie erwürgt, während sich das Auto dreht… das hat mich ziemlich erschrocken, ich habe ganz schrecklich gezittert.“

So wie er jetzt. Katsuya sah auf seine bebende Hand hinab, ballte sie zur Faust und hob den Blick wieder. Das mussten verdammt unheimliche Alpträume sein – so wie die, die er vor letztem Donnerstag gehabt hatte.

„Ich hab’ mich nie gemeldet, aber ich fühlte mich wirklich viel, viel besser, als ich da raus ging. Keine Ahnung, wieso. Hat irgendwie geholfen.“, der Ältere schluckte, „Schlimm war nur, dass Mokuba mich zuhause fragte, wie es gewesen war… da bin ich wieder ausgerastet. Aber in der nächsten Woche bin ich wieder hingegangen, sogar freiwillig. Hab’ viele wieder erkannt, das war sehr nett. Die Frau mit den Alpträumen hat erzählt, sie läge seit neuestem auf der Rücksitzbank, während der Wagen sich drehte und ihr Vater sie würgte. Aber da war eine Frau, die war mir nicht geheuer. Die wirkte irgendwie falsch. Die anderen haben ihr auch andauernd komische Blicke zugeworfen und es haben sich viel weniger gemeldet. Mir kam die Vermutung, dass sie eine Reporterin ist, also habe ich mich gemeldet und gesagt, dass ich mich durch sie bedroht fühle. Da haben viele genickt. Die Leiterin hat sie gefragt, ob sie wüsste, warum die anderen sich bedroht fühlen, aber sie hat nur hervor gestottert, dass sie es nicht weiß. Also habe ich ins Blaue gefragt, für welche Zeitung sie schreibt und sie hat ganz automatisch Times gesagt, bevor sie sich die Hand vor den Mund gehalten hat.“, Seto seufzte, „Da bin ich weggerannt.“

„Und nie wieder hin gegangen?“, fragte Katsuya nach einem Moment.

Der Brünette schüttelte nur den Kopf.

„Verstehe…“, der Jüngere krabbelte herüber und machte kurz vor Setos Beinen Halt, „Das sind wirklich schlechte Erfahrungen. Andererseits ist das jetzt zehn Jahre her, wo du nicht mehr die Zeitungen gepflastert hast. Magst du es noch mal versuchen?“

Die blauen Augen legten sich kurz auf ihn, bevor ihr Besitzer den Kopf schüttelte.

„Warum?“

„Weil ich nicht ehrlich sein könnte.“, flüsterte Seto, „Ich werde nie anonym sein… das heißt, ich ziehe dich und Noah mit rein. Über unsere Beziehung darf ich nichts sagen, das ist illegal und über die Firma oder Gozaburo, weil das Noah schaden kann… betrachten wir es realistisch: Selbst wenn eine Schweigepflicht bestehen würde, das Risiko kann ich nicht eingehen.“

Katsuya atmete tief ein, öffnete seine Lippen, hielt die Luft, dich ließ sie wieder aus. Seto hatte Recht. Zurzeit war das Risiko zu hoch. Und wieder einmal war er Schuld.
 

„Haben dir denn die Versuche damals etwas gebracht?“, fragte der Blonde schließlich, nachdem beide sicher eine halbe Minute wort- und regungslos beieinander gesessen hatten.

„Bücher.“, das Lächeln kehrte auf Setos Lippen zurück, „Die Wände von dem Raum, wo wir uns trafen, da hangen ganz viele Zettel mit interessanten Bildern und Sprüchen und Zitaten. Da habe ich schon am ersten Tag die Leiterin gefragt, ob sie mir die schicken kann. Und obwohl ich beim zweiten Mal weggerannt und nie wieder gekommen bin, hat sie die mir geschickt… Name und Adresse waren ja wahrlich leicht raus zu finden.“, er hob seinen Blick wieder zu Katsuya, „Warte, ich geh sie holen.“

Das… waren vermutlich die Zettel in seinem Nachtschrank, oder? Die, die er sich damals angeguckt hatte, als… nachdem sie das erste Mal miteinander geschlafen hatten. Der Blonde atmete zitternd aus. Sollte er Seto sagen, dass er seine Sachen durchsucht hatte? Hm… er hatte sich Ehrlichkeit gewünscht, nicht? Er sollte es ihm sagen.

„Seto?“, der Ältere hatte sich gerade wieder niedergelassen, einen Stapel Papier in der Hand, „Ich muss dir etwas beichten. Ich habe mal Interesse halber in die Nachtschränke geguckt und dabei die ersten paar Zettel gelesen.“

„Wann?“, Seto blinzelte – wirkte nicht gerade böse.

„Als ich das erste Mal in deinem Zimmer aufgewacht bin.“

„Bevor du… ich…“, er wandte den Blick ab und schluckte, „Das… hat dich das besorgt?“

„Ja.“, Katsuya atmete tief durch, „Es hat mich ehrlich gesagt vorbereitet auf den Zustand, in dem ich dich gefunden habe. Ich wollte mich trotzdem entschuldigen, dass ich einfach so an deine Sachen gegangen bin.“

„Ist okay… hast es ja erzählt. Wenn auch auf den letzten Drücker.“, Seto sandte ihm ein Lächeln, das Katsuya in derselben Sekunde Tränen über die Wangen sandte, „Wa- was… habe ich etwas Falsches gesagt?“

„Nein.“, der Blonde rückte näher und klammerte sich an ein Bein, „Das… das war nur dieses Lächeln… dieses… das, was du gibst, wenn du stolz auf mich bist, obwohl deine Worte etwas ganz anderes sagen. Das hattest du schon seit Wochen nicht mehr.“

„Ähm… okay…“, Seto blinzelte, sah weg, sah wieder zu ihm, „Also… die Zettel.“, er hob den Stapel in seiner Hand kurz an, um die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, „Was hast du dir angesehen?“

Katsuya nahm den Stapel und legte die Bilder beiseite, wobei sein Blick einen Moment lang von dem obersten – wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her mit der Frau auf den Gleisen – gefangen genommen wurde. Das erste Gedicht nahm er in eine Hand und meinte: „Das hier habe ich noch gelesen. Danach hat mich meine Sorge zu dir gezogen.“

Seto nickte bedächtig, nahm den Stapel wieder und legte einige weitere Seiten mit den Gedicht neben sich, bevor er Katsuya zwei Blätter reichte mit den Worten: „Diese beiden haben mich besonders bewegt. Es sind Auszüge aus Büchern. Das erste hier ist aus einem Buch namens Kinderseele von Hermann Hesse.“

„Wenn ich alle die Gefühle und ihren qualvollen Widerstreit als ein Grundgefühl und mit einem einzigen Namen bezeichnen sollte, so wüsste ich kein anderes Wort als Angst. Angst war es, Angst und Unsicherheit, was ich in allen jenen Stunden des gestörten Kinderglücks empfand: Angst vor Strafe, Angst vor dem eigenen Gewissen, Angst vor Regungen meiner Seele, die ich als verboten und verbrecherisch empfand.“, las Katsuya vor, wobei es ihm beim letzten Halbsatz die Kehle zusammen schnürte, „Gefühle als verboten und verbrecherisch?“

„Besonders Wut. Wut ist verboten… ich vermute, das war sie auch bei dir.“

Der Blonde nickte schwach und sagte: „Ja, das… deswegen bin ich wie wild herum gerannt und habe mich vor Schränke geschmissen. Ich fühlte mich so wütend, so unendlich hilflos und… ich musste all das irgendwie auslassen.“

„Ich verstehe das – nur zu gut.“, bestätigte Seto und strich ihm mit einer Hand über das Haar, „Das Zweite ist von Alice Miller. Sie hat den Zusammenhang von Missbrauch, Krankheit und Hochbegabung erforscht.“

Katsuya wandte seinen Blick einen Moment ihm zu, sammelte Kraft in den blauen Augen und betrachtete die zweite Seite, die der Andere ihm gereicht hatte: „Wie wäre es, wenn ich böse, hässlich, zornig, eifersüchtig, faul, schmutzig, stinkend vor euch gestanden wäre? Wo wäre dann eure Liebe gewesen? Und all das war ich doch auch. Will das heißen, dass eigentlich nicht ich geliebt wurde sondern das, was ich vorgab zu sein? Das anständige, zuverlässige, einfühlsame, verständnisvolle, das bequeme Kind, das im Grunde gar nicht Kind war? Was ist mit meiner Kindheit geschehen? Bin ich nicht um sie betrogen worden? Ich kann ja nie mehr zurück. Ich werde es nie nachholen können. Von Anfang an war ich ein kleiner Erwachsener. Meine Fähigkeiten - wurden sie einfach missbraucht?“

Besuch

Yeah, wir haben die Fünfzig-Prozent-Grenze erreicht! Und ich werde immer langsamer XD In DS1 hatten wir 125 Kapitel auf sechs Wochen, derzeit haben wir 61 Kapitel auf nicht einmal zwei Wochen...

Nun gut, weiter im Text also. Wir befinden uns im Donnerstag, erste Woche der Ferien. Gestern war der für die Geburt errechnete Zeitpunkt. Wird also Zeit, dass Isamu meinem Angestelltenteam beitritt XD Ab jetzt kann praktisch jedes Kapitel plötzlich der Anruf kommen.

Viel Spaß beim Lesen!
 

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„Du hast es schon wieder nicht ins Fitnessstudio geschafft.“, stellte Katsuya fest, doch setzte unbeirrt die Bewegungen seines Zeigefingers fort, der über Setos Brust strich.

„Egal…“, der Ältere hob einen Arm, strich das blonde Haar zur Seite und küsste auf Katsuyas Stirn, dessen Kopf auf seiner Schulter lag.

„Was machen wir heute?“

„Die Welt erobern.“, sein leises Lachen schüttelte seine Brust und ließ tiefe Vibrationen an des Blonden Ohr dringen, „Nein, weit weniger aufregend. Wir müssen einkaufen, weil die Haushälterin Urlaub hat.“

„Damit kann ich sicher leben.“, der Zeigefinger zog eine Schlaufe um Setos Bauchnabel und fuhr wieder nach oben, um die Erhebung der linken Brust nachzufahren, die nicht mehr so klar erkennbar war wie zwei Wochen zuvor, „Und sonst?“

„Wenn wir beide unsere Aversionen gegen Krankenhäuser zur Seite legen, könnten wir deine Schwester besuchen. Das ist ihr vierter Tag im Krankenhaus – aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das verdammt langweilig ist.“

„Auch gut.“, Katsuya drehte seinen Kopf ein Stück, um einen Kuss auf die feste Haut zu setzen, „Sonst noch Ideen?“

„Sicher, aber ich weiß nicht, ob du die hören willst.“, Setos Hand, die unschuldig über seine Seite gestrichen hatte, machte einen Abstecher über sein Hinterteil, was in Verbindung mit dessen suggestiver Stimme kaum Zweifel ließ, dass er schon wieder nicht anderes als Sex im Kopf hatte – der Jüngere seufzte nur tief, „Was denn? Was glaubst du, was das mit mir anstellt, wenn du dich halbnackt an mich kuschelst?“

„Nicht viel anderes als anders herum, aber muss man jedes Mal das Bedürfnis verfolgen?“, Katsuya versuchte es mit gewählteren Worten auszudrücken als jenen, mit denen er dachte.

„Verfolge ich es gerade? Nein, ich bin völlig brav.“, der Andere hörte sich an wie ein Kind, das – ergriffen bei einer Missetat – keinen Funken Reue zeigte, obwohl es genau wusste, wie falsch die Tat war.

„Dann nimm die Pfoten von meinem Hintern.“, schnappte der Blonde, „Meins.“

„Deins? Auch noch Besitzansprüche?“, ein schelmisches Lächeln trat auf Setos Lippen, „Dabei ist der nur so wunderschön ausgefüllt durch das Essen, was du in meinem Haus bekommst.“

„Und die Bewegung, die ich in deinem Haus bekomme.“, die helle Augenbraue hob sich, „Wieso dreht alles auf dieses Thema zurück?“

„Lass mich versuchen es ohne blumige Worte auszudrücken.“, Seto küsste ihn, nahm die Hand von seinem Hinterteil, griff nach Katsuyas und zog diese zwischen seine Beine, wo dieser durch den Stoff eine ordentliche Erregung spüren konnte, „Mach was.“
 

„Ich habe eine Frage.“, meinte Katsuya in die Stille, die nur durch das Glucksen der Kaffeemaschine durchbrochen wurde, „Sind diese Tabletten, die du neuerdings nimmst, nicht zur Stabilisierung da? Sollten die dich nicht runterfahren? Warum bist du erst heiter, dann aggressiv und heute anschmiegsam wie ein Kätzchen?“

„Weil mein Körper sich gegen den Stoff wehrt. Wenn ich so heiter bin, habe ich ein Stück zu wenig genommen, deswegen habe ich – keine Sorge, auf Arztanweisung – gestern etwas mehr genommen, aber das hat total auf meinen Kreislauf geschlagen, der gestern Morgen ja sowieso schon im Keller war. Heute habe ich einfach noch gar nichts genommen. Ich rufe um neun meinen Arzt an, was der meint, wie ich jetzt am besten dosieren soll.“

„Ohne Tabletten ist bisher der beste Zustand.“, urteilte Katsuya und trank seinen Kakao, „Obwohl etwas von deiner Heiterkeit nicht schlecht ist. Ich mag deinen Humor, auch wenn er manchmal auf meine Kosten geht.“, er sah auf seine Armbanduhr, „Wann wollen wir denn dann los?“

„Gegen zehn?“, schlug der Brünette vor, worauf Katsuya nickte, „Ich lese erstmal meine Zeitung.“

„Ich denke, ich mache mich an den Aufsatz für Englisch. Irgendwie habe ich das Gefühl, ich sollte mal was für die Schule tun.“, er reagierte auf Setos gespielt geschockten Ausdruck mit einem Lächeln, „Bleibst du eigentlich unser Lehrer?“

„Das ist rechtlich nicht erlaubt, nach den Ferien solltet ihr einen neuen bekommen.“, die blaugrauen Augen wandten sich wieder der Zeitung zu, „Der kriegt eure Aufsätze, um euch einschätzen zu können. Also gib dein Bestes und lass mich drübergucken.“

„Ist es nicht besser, wenn ich seine Erwartungen nicht zu hoch setze?“, murmelte der Blonde etwas kleinlaut.

„Erwartung, Vorurteil…“, mit einer Hand machte Seto eine wegwerfende Bewegung, „Einschätzung – je besser er dich auf den ersten Blick bewertet, desto besser bewertet er dich im Gesamtbild. Er wird sehen, dass du dir Mühe gegeben hast. Das ist mehr wert als die wirkliche Qualität all dessen, was du später fabrizierst.“, er senkte die Zeitung und sah hinüber, „Auch die Schule ist Psychologie. Sitzt du neben jemandem, der gut ist, wirst du automatisch auch besser bewertet. Die Masse an Meldungen gibt dir gute Noten, nicht die Qualität, so sie zumindest mittelmäßig ist. Wer Leistung erbringt, wird auch sozial positiver eingeschätzt, ebenso anders herum. Wenn der Lehrer dich mag, benotet er dich ebenso automatisch besser. Du kannst noch so gut sein, wenn du störst oder negativ auffällst, wirst du niemals eine faire Bewertung kriegen.“

„O... kay…“, Katsuya hob eine Augenbraue, „Macht das Noten nicht ziemlich hinfällig, wenn sie eh nicht das Potential widerspiegeln?“

„Natürlich.“, Seto stand auf und holte sich einen Kaffee, „Die meisten Hochbegabten kriegen schlechtere Noten, weil sie sozial zu auffällig sind oder aus Langeweile im Unterricht schlafen. Sie kriegen zwar weit mehr mit als die meisten und können es auch besser, aber sie sind als asozial verschrien und werden als unheimlich und abnormal empfunden.“, er setzte sich wieder und pustete auf die schwarze Flüssigkeit, „Ich weiß noch, wie das in meiner Schulzeit war. Ich habe immer die ganze Stunde lang an meinem Laptop gesessen und Entwürfe für die Firma gemacht oder Mails beantwortet und mich ab und zu gemeldet. Die Lehrer haben mir im Mündlichen durchweg schlechte Noten gegeben, obwohl ich mehr und korrektere Antworten als jeder andere Mitschüler gab. In den letzten Jahren musste ich in jeder Stunde Liste führen, wie oft ich mich meldete und die jede Stunde unterschreiben lassen, damit ich eine faire Note bekam.“, er begann plötzlich zu kichern und stellte seinen Becher ab, „Einmal hat eine Lehrerin mir trotzdem eine schlechte Note gegeben, weil sie mir vorwarf meine Antworten im Internet rauszusuchen, bevor ich mich meldete.“

„Was für ein Schwachsinn…“, der Jüngere schloss die Augen und verzog das Gesicht.

„Nach einer Beschwerde beim Direktor ward das Problem sehr schnell gelöst.“, Seto testete die Temperatur seines Kaffees und nahm einen Schluck, „Ha… vielleicht hätte ich ihr einfach mal einen Kaffee mitbringen sollen. Wer kann bei so etwas schon nein sagen?“
 

„Herein!“

Katsuya öffnete die Tür – Holz, man stelle sich das vor, und die Wände waren gelb mit riesigen Elefanten darauf – und trat ein in das Zweibettzimmer, in dem seine Schwester derzeit untergekommen war. Sie hatte das hintere Bett, in dem sie aufrecht saß und gerade eine Teeniezeitschrift, die sie gelesen hatte, zur Seite legte.

„Katsuya!“, ein Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus.

„Guten Mittag.“, er nickte der Dame zu, die im anderen Bett lag und die beiden Neuankömmlinge interessiert musterte, wobei ihre Augen besonders an Seto hingen, „Wie geht es dir, Kleines?“

„Besser, jetzt, wo du da bist.“, sie streckte die Arme nach ihm aus und er beugte sich herab, „Au… Isamu freut sich auch dich zu sehen. Er tritt in seiner Lage derzeit gegen meine Organe.“

Katsuya zog scharf die Luft ein.

„Glaube mir, deine Vorstellung kommt dem Schmerz nicht einmal nahe.“, sie reichte Seto die Hand, welcher sich einen Stuhl heran gezogen hatte, „Ach ja. Frau Kibayasha? Das hier ist mein Bruder Katsuya und sein…“, sie deutete auf Seto und blinzelte in seine Richtung.

„Vormund Seto Kaiba.“

„Stimmt!“, der Blonde merkte auf, „Die ganze Zeit wollte ich dich noch mal fragen, was das jetzt genau für ein Titel ist. Andauernd fragt man mich und ich kann es mir nicht merken.“

„Erst einmal bin ich sehr erfreut sie kennen zu lernen, Frau Kibayasha. Sei höflich, Kats.“

„Oh, Entschuldigung.“, er deutete auch eine Verbeugung an, „Sehr erfreut.“

Sie nickte höflich zurück und lächelte.

„Um auf deine Frage zurück zu kommen, der Vormund ist der Sorgeberechtigte in allen Angelegenheiten, nur ohne Adoption. Das heißt, das Jugendamt hat kein Sorgerecht für dich, aber du bist auch nicht mein Sohn.“

„Das heißt, ich trage auch nicht deinen Namen?“, er ließ sich auf der Kante des Bettes nieder.

„Nein, tust du nicht.“

„Hm… darf ich denn?“, fragte er weit leiser.

„Nur, wenn ich dich adoptiere, so weit ich weiß. Und dann bist du gesetzlich und für immer mein Sohn.“, eine braune Augenbraue hob sich, „Wenn ich dich richtig verstanden habe, war das nicht in deinem Sinn.“

Nicht? Wäre es dann auf immer und ewig verboten mit Seto zusammen zu sein? Na ja, vielleicht sollten sie das nicht mitten in einem öffentlichen Krankenhaus besprechen.

„Okay.“, Katsuya wandte sich wieder seiner Schwester zu, „Und, was machst du so den ganzen Tag lang?“

„Mich langweilen. Ich kann kaum mehr ordentlich gehen, ich watschele nur noch und soll das Krankenhaus eh nicht verlassen. Also sitze ich den Tag lang hier und lese. Nur habe ich die hier…“, sie zeigte auf einen Stapel Zeitschriften auf ihrem Nachttisch, „…sicher dreimal durch. So sehr interessieren mich die Ehekrisen der Hollywoodstars dann auch nicht.“
 

„Und Isamu ist entschiedene Sache?“, fragte Seto leise und ruhig nach.

„Hm?“, Shizuka legte den Kopf schief, „Ach so, ja, ist es. Ryuji war am Dienstag da. Er hat mir sogar eine Melone mitgebracht, schaut.“, sie zeigte auf das Obst, von dem noch vier Stück auf einem Teller auf dem Nachttisch standen, „Und Mama war gestern da. Als hättet ihr euch abgesprochen.“

„Können wir dir denn irgendetwas bringen, damit du dich nicht so langweilst?“, fragte Katsuya lächelnd.

„Mehr Zeitschriften?“, sie zuckte nur mit den Schultern, „Keine Ahnung. Ein spannendes Buch wäre sicher nicht verkehrt.“

„Hast du gerade eins im Ärmel, Wunderknabe?“, warf der Blonde neckisch über die Schulter, doch sah Seto, wie er gerade aus dem Aktenkoffer, den er mit sich getragen hatte, ein Buch zog und ihm reichte, „O… kay…“, er gab es an Shizuka weiter, „Bitte… ein spannendes Buch. Wahrscheinlich über Mathematik oder Bodenanalysen in Alaska.“

„Es ist eines meiner Pädagogikbücher aus dem Studium.“, informierte der Brünette, „Das, was in meinen Augen, am besten die Entwicklung von Kindern beschreibt und Verständnis schafft.“

„Das ist für den normalen Menschen immer noch nicht spannend, Seto.“, meinte Katsuya nur trocken.

„Aber interessant für mich.“, Shizuka hatte die Einleitung aufgeschlagen, doch sah wieder auf, „Vielen Dank, Herr Kaiba.“

„Seto reicht.“, ein feines Lächeln schlich auf seine Züge, „Ich biete es Leuten immer wieder an, aber sie hören trotzdem nicht auf mich zu siezen. Woran liegt das?“

„Ihrer Aura.“, meinte Shizuka im selben Moment, wo Katsuya „Deinem Ego.“ sagte.

„Ich sehe…“, Seto richtete sich auf und fuhr mit einer Hand durch sein Haar, als wäre er ein Model beim Fotografen, „Ich bin umwerfend.“

War er ja auch. Wäre nur mal schön, wenn er das selbst auch glauben würde. Dann müssten die Tabletten nicht sein. Die Stimmungsumschwünge. Die Ängste. Katsuya seufzte. Aber wer war er so zu denken? Er war doch selbst keinen Deut besser. Glaubte er denn an sich selbst? Hatte er denn nicht Stimmungsumschwünge? Konnte so aggressiv werden, dass Seto vor ihm Angst bekam?

„Ego, Shizuka. Das Ego ist das Umwerfende, auch wenn die Aura eine ganz andere Qualität hat.“

Wiedersehen

Yeah! Habe neben dem Kongress in Mainz "Ruhm und Ehre" (ein Theaterstück für den Jugendliteraturpreis von Baden-Württemberg) beendet. Jetzt nur noch das gegenlesen lassen, einschicken und Absage abwarten ^.^ In den nächsten Tagen werde ich auch die Schreiben für die zweite Runde an die Verlage schreiben (für DS 1). Heißt: Ich habe zur Zeit nur noch vier Schreibprojekte XD (DS, Eisengel, SOLDIER, Tradition)

Und ich habe derzeit viel Motivation DS zu schreiben. Ich bin zwar nur im Kapitel nach diesem, aber ich habe endlich mal wieder Zeit auch zu schreiben (woran es in den letzten Wochen mangelte). Allerdings wird es dieses Jahr nicht als Nachsommerbonus mehrere Kapitel pro Woche geben, tut mir Leid, das kriege ich nicht hin. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen!
 

P.S.: Wenn sich jemand fragt, welches Anhängsel Yumi im Japanischen verwendet, es wäre kun, nicht chan. So klein und lieb ist Seto dann doch nicht.
 

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„Seto?“, fragte eine unbekannte weibliche Stimme, „Mein kleiner Seto?“

Katsuya musterte mit einem schnellen Blick die Schwester, die gerade mit mehreren Kilo Bettwäsche im Arm ihren Weg querte, doch mitten auf der Kreuzung der Gänge stehen geblieben war, als sie Seto gesehen hatte. Sie war relativ klein, ein wenig rundlich und ging auf die Ende Dreißig zu.

„Yumi?“, ein Grinsen schlug sich auf die Züge seines Freundes, in dem Katsuya mit geübter Leichtigkeit Klein-Seto erkannte. Kannten die beiden sich so gut?

Anscheinend.

Seto machte zwei Schritte nach vorne und schloss die Frau in die Arme, die die Wäsche einfach mal fallen ließ und rief: „Meine Güte, Seto, nicht so stürmisch! Ich bin doch kein junges Mädchen mehr. Mei, du bist ja noch mehr gewachsen, seit wir uns das letzte Mal sahen. Wie lange ist das her?“

Sie lösten sich und Seto wich ein Stück zurück, wobei er auf seine Unterlippe biss.

„Hm? Du wirst mir auf meine alten Tage doch nicht schüchtern, oder? Was ich noch alles erlebe…“, sie schüttelte den Kopf, doch hatte einen liebevollen und stolzen Gesichtsausdruck, „Wie gut du aussiehst. Isst du etwa ordentlich?“

„Sicher, ich koche für ihn.“, zur Abwechslung mal warf Katsuya seinem Freund ein amüsiertes Lächeln zu, „Guten Tag, ich bin Katsuya Jonouchi.“

„Yumi Kisagi, sehr erfreut.“, sie schüttelte energisch seine Hand, „Und er isst das freiwillig? Ohne Drohung, dass man ihn sonst füttert?“

„Aus welcher Zeit kennen sie ihn?“, formulierte der Blonde so ungenau wie möglich.

„Ach, wann war das…“, sie verschränkte die Arme und warf den Blick zur Decke, „Sechzehn war er da, das ist… zwölf Jahre her, kommt das hin?“

„Fast dreizehn.“, murmelte Seto leise.

„Und so lange habe ich dich auch nicht mehr gesehen.“, sie lächelte zu ihm herüber, „Nicht, dass es mich stört, dass du nicht mehr ins Krankenhaus kamst, aber vermisst habe ich dich schon ein Stück.“

„Sorry.“, Röte schlich sich auf seine Wangen.

„Hach, du bist noch niedlicher als damals. Magst du einen Kaffee haben?“, das ließ Seto begeistert auffahren, „Und doch noch ganz der alte. Manches ändert sich nicht. Ich bring’ schnell die Wäsche weg. Weißt du noch, wo das Schwesternzimmer ist?“

Er nickte schnell, griff Katsuya mit einer Hand und zog ihn den Gang herunter nach rechts.

„Hier ist die Gynäkologie.“, erklärte er schnell, „Und direkt gegenüber die Pädiatrie. Und dazwischen das Zimmer.“, er klopfte schnell, obwohl die Tür offen stand, „Mittag, alle miteinander.“, er ging an einer verwirrt blinzelnden Schwester vorbei zum hinteren Teil des Raumes und zog zwei Stühle unter einem Tisch hervor, „Setz’ dich doch.“
 

„Ähm… Seto…“, Katsuya setzte sich, doch sank ein wenig zusammen unter dem Blick der zwei anwesenden Krankenschwestern, „Yumi hat zwar gesagt, wir sollen hier warten, aber…“

„Das ist okay, ich war schon oft hier.“, erklärte Seto enthusiastisch mit einem Gesichtsausdruck, der immer noch Klein-Seto in Leuchtschrift schrie.

Die beiden Damen warfen sich einen Blick zu, eine zuckte mit den Schultern und sie wandten sich wieder ihrer Arbeit zu. Ein wenig erleichtert ließ Katsuya den Atem frei, den er unbewusst angehalten hatte. Für ein Kind gab es viele Verbote nicht. Sie dachten sich nichts dabei einfach in ein Angestelltenzimmer zu gehen. Daran musste er denken – Klein-Seto war nicht nur süß, er konnte auch Schwierigkeiten machen, wie man hier sah. Wenigstens war das gut gelaufen. Nur was hatte ihn geweckt?

„Du kennst Schwester Yumi also seit dreizehn Jahren?“, der Brünette nickte, „Und du warst damals oft im Krankenhaus? War das nach dem Tod deines Vaters?“, noch ein Nicken, jedoch ohne enthusiastisches Lächeln, „Warst du nebenan auf der Pädiatriestation?“, wieder… Klein-Seto konnte zwar ein Plappermaul sein, aber das hier musste man ihm echt aus der Nase ziehen, „Und du hast dich gut mit ihr verstanden?“, konnte er nicht wenigstens zur Abwechslung ja sagen? „Aber Ärger hast du ihr schon gemacht, nicht wahr?“

Kein Nicken – nur ein schadenfrohes Grinsen. Lausbub.

„Erzähl.“, forderte Katsuya ihn lächelnd auf, worauf Seto sich konspiratorisch vorbeugte.

„Ich habe ganz lange diskutiert, bevor sie mir Spritzen geben durfte. Und das musste sie zweimal die Woche.“, der Brünette biss sich vorsichtig auf die Unterlippe, betrachtete Katsuya für einen Moment, doch schien die Reaktion als ungefährlich einzustufen, „Und gegessen habe ich auch nur so viel, wie ich musste, obwohl ich ganz dünn war. Und immer, wenn sie nicht geguckt hat, habe ich gearbeitet. Sie wollte immer, dass ich mich ausruhe, aber das war schrecklich langweilig. Das hat sie super sauer gemacht. Am Anfang hat sie immer versucht das nicht zu zeigen, da habe ich sie für ausgelacht.“

Katsuyas rechter Mundwinkel hob sich höher. Seto musste echt ein absolut grausamer Patient gewesen sein. Damals war er sicher noch rebellischer als jetzt – und wenn er jetzt Ärzte dazu dezimieren konnte nach seinem Willen zu handeln, konnte er das damals wahrscheinlich auch. Die arme Yumi.

„Und einmal bin ich ausgebrochen, da wurde er plötzlich ganz still.“, meinte eine weibliche Stimme knapp neben ihnen, die beide aufschrecken ließ. Versöhnlich reichte die Schwester Seto jedoch einen Becher Kaffee.

„Hat Angst gemacht...“, murmelte dieser leise und nahm das Gefäß entgegen.

„Da brachen Monate von Selbstbeherrschung entzwei. Ich habe mich direkt entschuldigt, er sah so schrecklich verängstigt aus und hat gezittert. Das war wie ein Schlag ins Gesicht das zu sehen. Aber ab dem Moment haben wir uns gut verstanden und Kompromisse gefunden.“, auch sie zog sich einen Stuhl heran, „Die jugendliche, suizidale Bratze war zu einem artigen Kind mutiert, das auf eine charmante Art seinen Kopf durchsetzte.“, sie lächelte zu Seto, „Obwohl du es den Ärzten nicht leicht gemacht hast.“

Ganz wie vermutet. Der Blick, den Katsuya seinem Freund zuwarf, ließ ihn eine Schnute ziehen. Das sorgte allerdings nur dafür, dass Yumi ihm mit dem Zeigefinger an die Wange tippte – worauf er die Knie anzog, seine Arme darum legte und beide anschmollte.
 

„Die fast fünfzehn Jahre scheinen ihn keinen Tag älter gemacht zu haben.“, Yumi gluckste und hob eine Hand zu ihrem Mund, „Er ist genau so niedlich wie damals. Wenn er noch einmal eingeliefert werden würde, wäre ich wahrscheinlich immer noch dafür ihn auf die Kinderstation zu bringen.“

„Könnte ihm gefallen, auch wenn er das nie zu gäbe.“, stellte Katsuya mit einem Lächeln fest und wandte sich der Schwester zu, „War er oft hier?“

„Einige Zeit jede Woche. Manchmal sogar zweimal die Woche. Wir haben sein Zimmer schließlich gar nicht mehr belegt sondern für ihn frei gehalten.“, sie seufzte, „Meistens blieb er eh nur hier, um ein wenig Schlaf nachzuholen, eine Eisenspritze zu bekommen und etwas zu essen. Er hat sonst einfach weder geschlafen noch gegessen und sich die Arme aufgeschnitten.“, sie runzelte die Stirn, griff langsam nach Setos Jackettärmel und zog diesen und das Hemd darunter ein Stück nach oben, wobei der Brünette sich nicht wehrte, „Verbände... du schneidest dich immer noch?“

Seto schmollte nur weiter statt eine Antwort zu geben, sodass Katsuya das für ihn tat: „Nein, das war eine einmalige Sache. Er macht es normalerweise nicht. Das ist jetzt zwei Wochen her.“

„Hat das ein Arzt gesehen?“, er nickte, „Na gut... es macht mir aber schon Sorgen. Irgendwann kam er plötzlich nicht mehr. Ich dachte schon, er hätte sich endgültig umgebracht. Aber er tauchte immer noch im Fernsehen auf, das hat mich beruhigt.“, sie seufzte, „Ehrlich, ich war geschockt, als die Ärzte sein Zimmer plötzlich wieder an andere vergeben haben. Was hat dich damals so abrupt bekehrt?“

„Um...“, ein Hauch Röte schlich sich auf Setos Wangen, „Ich habe eine... Beschäftigung gefunden...“

Katsuya hob eine Augenbraue, ebenso wie Schwester Yumi, bevor sich beide einen Blick zuwarfen und zusammen Seto zu wandten. Es vergingen einige Sekunden des Schweigens, bevor der junge Mann das Wort erhob: „Was für eine Beschäftigung?“

„Tja...“, Setos blaugraue Augen suchten den Raum ab, doch schienen nichts zu finden, um das Thema zu wechseln, „Ähm... du weißt schon... die Sache mit meiner Schule...“

„Mit deiner Schule?“, wenn das irgendein Wink mit dem Zaunpfahl hatte sein sollen, er hatte ihn nicht verstanden, „Welche Sache mit deiner Schule?“

„Die Jungen. Zu meiner Schulzeit. Yami hat dir davon erzählt, das weiß ich.“, der Ältere zog wieder eine Schnute und seufzte tief, als Katsuya die Stirn in Falten legten, „Ich habe alle hübschen Kerle an meiner Schule durchgevögelt. Klingelt es?“, in seinen Ton mischte sich Aggressivität und er setzte die Beine zurück auf die Erde, lehnte sich vor und verschränkte die Hände – ganz wie ein Geschäftsmann.

„Oh! Sorry, ja- natürlich- ich vergaß...“, stotterte der Blonde hervor.

„Und das hat dich von deinen Selbstmordversuchen abgehalten?“, fragte Yumi voller Verwunderung.

„Ja.“, gab Seto nur kalt und präzise zurück.

„Erstaunlich... von der Selbstverletzungssucht zur Sexsucht... das ist sehr ungewöhnlich, so weit ich weiß.“
 

„Nun, ihr beiden, so gerne ich auch über alte Zeiten plaudere, ich muss wohl langsam wieder an die Arbeit.“, sagte Yumi schließlich wenige Minuten später, „Schließlich ist heute Halloween. Einige Kinder wollen sich verkleiden und die verschiedenen Stationen terrorisieren. Bei ein paar müssen wir auf jeden Fall dabei sein.“, sie seufzte und ließ den Kopf ein wenig hängen, „Es wäre so schön, wenn wir eine kleine Feier machen könnten. Oder zusammen mit allen Kindern etwas unternehmen könnten. So bleiben einige ganz allein heute Abend und vielen mussten wir das Rausgehen verbieten. Wir haben einfach nicht genug Leute und nur zwei Kinder werden von ihren Eltern besucht. Es ist traurig mit an zu sehen, wie die ganzen Kürzungen uns dazu bringen unsere Arbeit so zu vernachlässigen.“

„Können wir helfen?“, fragte Katsuya eifrig, doch warf einen Moment später einen fragenden Blick zu Seto – der war von der Idee sicher wenig begeistert.

„Wenn ihr wollt... willkommen wäre sie auf jeden Fall.“, auch sie sah zu dem Brünetten, „Wie steht es mit dir, Seto?“

„Gern.“, ein Lächeln legte sich auf das Gesicht, das in den letzten Minuten praktisch ausdruckslos gewesen war und überraschte somit beide anderen Anwesenden, „Wenn du mir nicht so viele Blagen an den Hals hängst. Ich vermute, die können mit dem Fitnessstudio konkurrieren, wo ich eigentlich hin wollte.“

Oh. Ja. Das Fitnessstudio. Da war etwas gewesen. Und wieder wurde Seto davon abgehalten. Katsuya lächelte schief und legte den Kopf zur Seite. Ob die Leute dort ihn wohl schon vermissten? Bei seinem normalen Charakter wahrscheinlich nicht...

„Um ehrlich zu sein...“, Yumi lächelte ein wenig verlogen, „Da ist dieser eine Junge... sie haben ihn hierher gebracht wegen Missbrauch durch seinen Vater. Er ist über und über von Hämatomen und hat eine gebrochene Rippe. Ich habe ihn ausgezogen, damit die Polizei Fotos machen konnte. Er hat sich an mich geklammert und zitterte bei jedem Mann, der in seine Nähe kam. In ein paar Tagen wollen sie ihn abholen, um ihn in eine Pflegefamilie zu bringen, aber ich mache mir ein wenig Sorgen, wie er in Zukunft auf Männer reagieren wird. Wir haben hier keine männlichen Pfleger, deswegen kann keiner das übernehmen und gerade jetzt ist eigentlich die kritische Zeit, wo es noch möglich ist große Schritte mit ihm zu gehen...“, sie warf dem Brünetten einen fast flehenden Blick zu, „Ich weiß von damals noch, wie gut du mit solchen Kindern umgehen kannst. Könntest du vielleicht einmal mit ihm sprechen? Es einfach nur versuchen, ob du ihm vielleicht ein wenig Angst nehmen kannst?“

Katsuya sah zwischen beiden hin und her. Sie wusste noch... von vor dreizehn Jahren? Wo Seto noch ein höchst suizidaler, aggressionsgeladener Teenager gewesen war? Wie gut er damals mit missbrauchten Kindern umgehen konnte? Jungen, die von ihrem Vater geschlagen wurden? Er schluckte und wandte den Blick ab.

„Natürlich, kein Problem.“, erklang Setos ruhige Stimme, die er auch bei ihm immer benutzte, wenn er ihn beruhigen wollte, „Hast du noch mehr solcher Fälle zur Zeit?“

„Noch ein Mädchen, aber die ist schon länger hier. Ihr hat man die Hüfte gebrochen. Allerdings ist sie ganz anhänglich und hat kaum Probleme. Sie ist immer froh, wenn sich jemand Zeit für sie nimmt.“

„Hört sich wie ein passender Anhang für dich an.“, Seto legte ihm eine Hand auf die Schulter, „In Ordnung, Katsuya?“

„Sicher... erklärst du mir, was ich zu tun habe und auf was ich achten muss?“

„Natürlich.“, Yumi lächelte breit, „Damit habe ich meine zwei Sorgenkinder vergeben. Bei allen anderen muss sowieso eine Schwester dabei sein, die würde ich keinen Laien anvertrauen. Da muss jemand im Notfall direkt helfen können. Aber die beiden sind einfach nur verletzt.“, sie nickte, doch aus ihren Augen sprach Trauer, „Sagen wir... mit Verletzungen, die ihr kennt.“

Halloween

Halloween ^.^

Mein komischer Computer hatte die Hälfte des Kapitels gelöscht, ich musste es neu schreiben *seufz* Dafür ist es hoffentlich besser als zuvor ^.^ Ansonsten sind die Bewerbungsunterlagen für den Wettbewerb raus. Sobald ich von denen Antwort habe, geht die zweite Runde Unterlagen für "Tote Gesellschaft" raus. Ich sehe viel Papierkram auf mich zukommen X.X

Euch wünsche ich viel Spaß mit diesem ruhigen, lustigen und positiven Kapitel! (Yeah, das gibt es hier auch XD)
 

P.S.: Gibt es irgendwo eine Karte von Deutschland, auf der alle Verkehrsverbünde der Bahn verzeichnet sind?
 

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„Kanae?“, Yumi und Katsuya betraten das Zimmer, dessen Tür offen stand, nachdem die Schwester höflichkeitshalber geklopft hatte.

„Ja?“, eine Neunjährige auf Krücken kam vom Balkon ins Zimmer und sah interessiert zu ihnen hinüber, während sie eine Krücke gegen sich lehnte und mit der nun freien Hand die Balkontür schloss.

„Ich habe dir Besuch mitgebracht.“, das erwartungsvolle Lächeln auf ihrem Gesicht mutierte zu einem zahnerfüllten Grinsen, was auf Katsuya ansteckend wirkte, „Das hier ist Katsuya, der Ziehsohn eines alten Bekannten von mir. Er hat angeboten heute zu Halloween auszuhelfen. So lange er in deiner Nähe bleibt, ist es dir erlaubt auch durch die Stationen zu ziehen.“, wie auch immer das möglich war, ihr Grinsen verbreiterte sich noch einmal, „Stell nicht zu viel Unfug an, ja? Ich verlasse mich auf dich.“

„Ja, Schwester Yumi!“, rief sie enthusiastisch und blickte andauernd kurz zu ihm herüber, „Und danke schön, Herr Katsuya!“

„Katsuya reicht vollkommen und duzen kannst du mich auch.“, sagte dieser sofort, „Hast du schon einen Plan, welche Station wir zuerst unsicher machen?“

„Euch beiden einen schönen Abend.“, Yumi lächelte und wandte sich Katsuya noch einmal zu, bevor sie ging, „Und bring sie mir bitte um neun Uhr zurück.“

„So früh?“, meinte Kanae voller Wehleiden, doch die Schwester schloss die Tür und sah auch nicht mehr zurück, „Mist.“

Katsuya kicherte leise und besah sein kleines Energiepaket: „Hast du eigentlich irgendein Kostüm?“

„Ja!“, sie strahlte wieder, „Ein hübsches Kleid mit hübschen Schuhen! Und Farbe für mein Gesicht! Hilfst du mir das Blut und die Zähne zu malen? Kannst du gut malen? Ich möchte auch eine Spinnwebe auf der Wange. Mit Spinne!“, die Krücken wieder unter die Arme klemmend ging sie zu ihrem Schrank herüber, öffnete diesen und gab Katsuya die Sachen, da er sich zu ihr gestellt hatte, „Kannst du mir die auf mein Bett legen, bitte? Danke schön. Hast du denn ein Kostüm?“

„Leider nicht, ich hatte sogar vergessen, dass Halloween ist.“, gab er zu.

„Was? So was vergisst man doch nicht!“, empörte sie sich, „Aber wir könnten Löcher in ein Bettlaken schneiden und dich als Geist verkleiden.“

„Ich glaube nicht, dass Schwester Yumi das gefällt, wenn wir ein Bettlaken kaputt machen.“

„Hm... stimmt.“, sie stellte ihre Krücken ab und zog sich auf ihr Bett – Katsuya war ja die ganze Zeit versucht ihr Hilfe anzubieten, aber sie schien das alles ganz gut alleine zu können, „Aber wir können dich in eins einwickeln, oder? Dann machen wir es nicht kaputt.“

„Da würde ich auch lieber vorher Yumi fragen.“, gab der Blonde zu.

„Okay. Machst du das, während ich mich umziehe?“, sie blinzelte unschuldig und Katsuya konnte gar nicht anders als zuzustimmen, „Klasse! Dann gehen wir als Geist und Vampir!“, sie grinste wieder, während er sich auf zur Tür machte, „Und bitte warten, bis ich Bescheid sage, bevor du reinkommst!“

„Sicher...“
 

„Oh. Schon geflohen?“, Yumi blinzelte etwas besorgt, doch erwiderte schnell das Lächeln, das Katsuya ihr zur Beruhigung sandte.

„Keineswegs. Kanae möchte mich als Geist verkleiden und fragt, ob wir ein Bettlaken um mich wickeln dürfen.“

„Sicher.“, ihre Mundwinkel zogen sich weiter auseinander, „Da haben wir in den letzten Jahren sogar eine Technik für entwickelt. Du breitest das Laken ganz aus, legst die Mitte an deinen Rücken, ziehst es dann unter deinen Armen her...“, sie versuchte mit Handbewegungen die Erklärung vorzuführen, „Dann ziehst du beide Seiten hier über die Schultern und machst sie vorne und hinten mit einer Sicherheitsnadel zusammen.“, sie ging zu einem der Schränke, „Warte, die haben wir hier...“, sie zog zwei hervor und gab sie ihm, „Bitte. Kanae weiß, wo wir hier die Bettlaken haben.“, ihr Lächeln erhielt einen mütterlichen, gütigen Ausdruck, „Ansonsten alles in Ordnung? Sie überfällt einen oft sehr und ist kaum zu stoppen in ihrem Redefluss und ihren Ideen, aber sie ist sehr brav. Wenn es dir zu viel wird, musst du ihr das nur sagen, dann ist sie leise.“

„Das ist wirklich kein Problem.“, versicherte Katsuya, „Ich finde das sehr erheiternd. Ist eine gute Abwechslung zu Seto, der redet nur, wenn ihn irgendetwas begeistert oder er sich streiten kann.“

Yumi gluckste leise und nickte, bevor sie sprach: „Oh ja... und dann ist auch er kaum zu stoppen. Aber im Gegensatz zu Kanae merkt er es selbst, wenn er anderen langsam auf den Geist geht.“

Ach, tat er das? Mit einem amüsierten Schmunzeln wandte Katsuya sich ab und kehrte zurück zu Kanaes Zimmer, wo er – ganz wie angewiesen – klopfte und auf Antwort wartete, die allerdings prompt kam.

„Schon umgezogen?“, fragte er und steckte vorsichtig den Kopf herein.

„Natürlich! Schon lange! Kannst du mir bitte die Schuhe zumachen? Ich komm da noch nicht so gut ran.“, der letzte Satz war für ihre Verhältnisse richtig leise gesagt, als würde sie sich schämen.

„Sicher.“, meinte er nur, lächelte und ging stilecht vor ihr auf die Knie, obwohl er das – da sie auf dem Bett saß – auch im Stehen hinbekommen hätte, „Und Madam wünscht einen Spinnweben und Vampirzähne?“

„Ja! Und ganz viel Weiß. Und Blut.“, die pure Lebensfreude schlug sich mit einem Mal wieder auf ihre Züge, „Und eine Spinne. Und vielleicht ein cooles Tattoo auf der Stirn. Im Fernsehen hatten ein paar so ganz tolle Zeichen, hier, mitten auf der Stirn.“, sie zeigte mit dem Finger darauf, „Kannst du so etwas?“

„Man sagt mir zumindest, dass ich gut zeichnen kann.“, er sah einmal hoch und runter an ihr, „Das ist wirklich ein schönes Kleid, das steht dir perfekt. Eine echte Vampirlady bist du.“

Oh ha. Das Kompliment brachte ihr Grinsen praktisch zum Explodieren. Mal sehen, ob sie es schaffte für die Zeit des Schminkens still zu halten.
 

Beinahe. Beinahe hätte er die Zeichnung ruiniert, aber zum Glück nur knapp. Eher gesagt, hätte sie sie ruiniert, da sie sich plötzlich enthusiastisch vor gelehnt und die Gäste an der Tür herein gebeten hatte. Aber Kunden waren ja nie schuld, nicht?

„Ihr seid ja doch noch hier.“, erklang Setos dunkle, voluminöse Stimme, darauf folgend der Schritt seiner teuren Herrenschuhe – und kleiner, patschiger Kinderfüße eines über und über mit blauen Flecken übersähten kleinen Jungens, der seine Hände in Setos Hose gekrallt hatte, „Wir haben sie gefunden, Hiroshi.“

„Hallo, Hiroshi!“, Kanae winkte enthusiastisch vom Bett, „Schön dich mal zu sehen! Yumi hat mir erzählt, dass du hier bist, aber sie sagte, ich darf dich erst besuchen, wenn du sagst, dass das okay ist.“, sie grinste, „Willst du mit uns Halloween feiern?“

Der ungefähr Sechsjährige blinzelte kurz und verbarg sein Gesicht hinter Setos Bein.

„Genau das hatten wir vor.“, Seto beugte sich ein bisschen zur Seite und strich ihm über das Haar, „Also dachte ich mir, wir suchen mal die kreative Ecke, um nach einer Idee für ein Kostüm zu fragen. Aber erstmal...“, er kniete sich hin, sodass der Kleine neben ihm stand und dank der Hand auf seiner Schulter sich nicht mehr so leicht verstecken konnte, aber immer noch sehr geschützt stand, „Hiroshi? Dass da ist mein Freund Katsuya und die Bewohnerin dieses Zimmers. Kanae, richtig?“

Sie nickte eifrig.

„Hallo...“, piepste der Junge vorsichtig nach einem Moment des Schweigens und drückte seinen kleinen Körper gegen Setos.

„Hallo auch dir.“, meinte Katsuya, „Ich schminke gerade Kanae zu einer Vampirlady. Und würde sie still halten, würde ich heute auch noch fertig werden.“, er lächelte ihr leicht mockend zu, „Bis du eingetreten bist, Seto, hat sie das sogar geschafft.“

„Hach, alles meine Schuld.“, der Brünette hob Hiroshi mit einem Arm hoch und kam zum Bett herüber, an dessen Ende er sich setzte, „Aber eine wirklich hübsche Lady hast du da. Pass nur auf, dass sie dich nicht beißt.“

Katsuya riss gespielt die Augen auf und sah Kanae mit Erschrecken an, bevor er voll Ehrfurcht fragte: „Das würdet ihr nicht tun, Mylady, oder?“

„Hahaha.“, sie hielt sich den Bauch, „Das kann ich doch gar nicht! Du bist doch ein Geist!“

„Hm.“, Seto sah zu Hiroshi, der von seinem Arm aus das Treiben beobachtete, „Wir müssen uns etwas einfallen lassen, dass sie uns nicht beißt.“

Katsuya warf einen schnellen Blick auf die Farben, bevor er sich lächelnd zu den beiden wandte: „Ich weiß was! Was hältst du davon ein Werwolf zu werden, Hiroshi?“

Der Junge zog kurz den Kopf ein, doch schien Katsuya und seine Frage nach einem Moment für eher ungefährlich abzustempeln: „Was ist ein Werwolf?“

„Ein großer, riesiger Wolf in Menschengestalt!“, Kanae breitete die Arme aus, „Ganz, ganz groß mit scharfen Zähnen und Klauen!“

„Werwölfe sind die natürlichen Feinde der Vampire. Sie sind unglaublich stark und schnell wie der Wind. Sie sehen auch schrecklich bedrohlich aus, aber in Wirklichkeit sind sie zahm wie kleine Hunde – allerdings nur für Leute, die auch nett zu ihnen sind.“, erklärte Katsuya etwas ruhiger und zauberte so ein kleines Lächeln auf Hiroshis Gesicht.

„Ja? Magst du ein Werwolf werden?“, fragte Seto und setzte den Jungen auf sein Knie.

Und mit einem Nicken ward die Entscheidung getroffen.

„Dann schminke ich erst Kanae zu Ende und dann dich, in Ordnung?“, fragte der Blonde.

Und noch ein Nicken. Perfekt. Die zweite männliche Person, von der der Junge sich berühren ließ. Seto konnte bisweilen echt Wunder wirken.
 

„Grr! Grr!“, knurrte Hiroshi sich selbst im Spiegelbild an.

„Hrch!“, meinte Kanae nur, stellte sich neben ihn und zischte so zurück.

„Grr!“, kam von dem Jungen zurück, der mit einem Satz zur Seite sprang, aber grinste.

„So, das müsste halten...“, entschied Seto, der mit der letzten Sicherheitsnadel an Katsuyas Bettlaken hantierte, „Kannst du dich darin bewegen?“

„Jupp.“, der Blonde schritt durch den Raum, „Perfekt. Diese Wickeltechnik ist gut.“, er drehte sich zu seinem Freund, „Als was gehst du eigentlich?“

„Ist ein Seto Kaiba nicht erschreckend genug?“, ein Schmunzeln legte sich auf die Lippen des anderen, „Ich bin dafür, ich spiele die zweite Hälfte vom Werwolf und wir machen Hiroshi wirklich zu einem riesigen Ungeheuer.“

Ob der Erwähnung seines Namens kam der Kleine herüber gerannt und lächelte zu Seto hoch, wurde von diesem unter den Achseln gepackt – vorsichtig – und auf die Schultern gehoben.

„Gute Aussicht da oben?“, fragte Katsuya nach, als der Junge sich mit offenem Mund umsah.

„Wow...“, Seto drehte sich einmal um die eigene Achse, um den Effekt zu verstärken, „Ich will ganz schnell auch so groß sein!“

„Da musst du noch zehn Jahre warten.“, informierte Kanae altklug, „Können wir dann losgehen?“, sie schlug ungeduldig mit einer ihrer Krücken auf den Boden.

„Sicher, Prinzessin- äh- Gräfin.“, korrigierte Seto sich, „Oder Baronin? Welchen Titel tragt ihr Mylady?“

„Lady.“, entschied sie selbstsicher.

„Lady Kanae.“, Katsuya betrachtete seine Gefährten, „Dann lasst uns los. Welche Station gehen wir vergruseln?“

„Die Gyn.“, ein leichten Grinsen legte sich auf Setos Lippen, „Mal schauen, wie deine Schwester zu Geisterbrüdern steht.“, er wandte sich an Kanae, „Kennst du Leute von anderen Stationen?“

„Nur Schwestern.“, Hiroshi verneinte auf die Nachfrage sowieso.

„Dann gehen wir sie einfach der Reihe nach ab.“, entschied Seto, „Wisst ihr denn, was man an Halloween sagt, wenn man jemanden erschreckt?“

„Trick or treat!“, rief Kanae enthusiastisch.

„Genau. Bei Trick werden wir die Leute gruseln und bei Treat kriegen wir Süßigkeiten.“, erklärte Seto, besonders an Hiroshi gerichtet, der sich an der einen Hand fest hielt, die er hoch gehoben hatte.

„Dürfen wir zu dieser Uhrzeit die Leute überhaupt stören?“, fragte Katsuya vorsichtig an Seto gewandt – zum Glück schien es ja diesmal die ältere Version zu sein, die noch einen Sinn für Regeln besaß.

„Es ist Halloween, da muss man alles nicht so eng sehen.“, der Ältere griff einen Moment lang nach seiner Hand und drückte diese kurz, „Wir sollten uns allerdings auf den Stationen vorher ankündigen.“, er hob seine Stimme ein wenig, „Und wenn wir Babys sehen oder Leute, die schlafen, müssen wir ganz leise sein, ist das klar, ihr zwei?“

Kanae nickte ganz ernst, während Hiroshi nur einmal sehr schüchtern den Kopf senkte.

„Dann auf, auf.“, Seto bückte sich, damit der Junge auf seinen Schultern nicht den Türrahmen berührte und hielt Kanae die Tür auf, „Mal schauen, was wir so abstauben können.“

Nächtliche Besuche

Weiß ich denn, dass zwei Städte weiter Rheinland-Pfalz anfängt? Also ehrlich, warum ist Deutschland so kompliziert? Warum wird hier alles in Gebiete aufgeteilt? Die Politik, die Bahn, der Strom, das Wasser, die Stadt, die Telefonanschlüsse - für alles muss man sich neue Zugehörigkeiten merken T.T Ist doch alles nicht wahr.

Stellt euch vor, ein Jurymitglied des BW-JTW (neue Abkürzung für den Wettbewerb) hat sich bei mir gemeldet, um Bescheid zu sagen, dass die Unterlagen angekommen sind o.o Ich war ganz baff. So freundlich war bisher selten jemand in der Literaturbranche.

Egal, Halloween in DS - komplett anderes Thema. Ich persönlich habe das Gefühl die FF ist schon fast kitschig, so gut läuft es - da erzählen mir meine Leser, die komplette FF ist depressiv und düster. Ist jetzt mein Alltag einfach so beschissen oder ist das eine Autorenmacke?

Auf jeden Fall viel Spaß beim Lesen eines eher typischen DS-Kapitels in meinen Augen ^.^
 

Warnung: Andeutung auf die nicht so sonnigen Seiten des Lebens.
 

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„Katsuya?“, aus Shizukas Stimme klang pure Verwunderung, „Was machst du denn-“, sie stoppte, als die geschminkte Kanae eintrat und dahinter Seto mit Hiroshi zu erkennen war, „Stimmt, es ist Halloween!“

Auf Frau Kibayashas Lippen breitete sich währenddessen ein Lächeln aus, als sie die zwei Kinder sah. Kanae steuerte direkt auf sie zu und forderte sofort: „Trick or treat!“

„Mei, mei, du bist aber hübsch geschminkt.“, die Dame lehnte sich vor – erst jetzt fiel Katsuya auf, dass sie gar keinen Babybauch hatte – und betrachtete die Kleine näher, „Lass mich doch mal schauen, ob ich etwas Süßes da habe.“

„Magst du Shizuka fragen, Hiroshi?“, wandte sich Seto an den Jungen und stellte sich vor ihr Bett.

Auf Shizukas fröhliches Lächeln wagte er es sogar zu sprechen: „Trik ohr triet?“

„Sehr gut.“, lobte Seto leise und strich beruhigend mit einer Hand über das Bein, das links neben seinen Hals vorbei zog, bevor er sich etwas vorlehnte, mit beiden Händen unter Hiroshis Achseln packte und ihn von seinen Schultern auf das Bett hob.

„Was Süßes, was Süßes... ich habe doch sicher noch Schokolade...“, murmelte Shizuka währenddessen, drückte ihren Körper mit beiden Armen in eine sitzende Position und griff nach ihrem Nachtschrank, „Hier.“, sie nahm eine Tafel heraus und schlug die Folie beiseite, „Nimm dir ein Stück.“

„Ich auch, ich auch!“, bevor Hiroshi sich auch nur näher gewagt hatte, hatte sich Kanae schon etwas geschnappt und setzte dem Kleinen einen Schokogipfel vor, den sie bei Frau Kibayasha erschnorrt hatte.

„Möchten sie auch etwas?“, wandte sich jene höflich an Katsuya, der das Treiben nur fasziniert betrachte.

„Wie?“, er sah herüber und auf massenweise Schokolade, die sie auf ihrem Laken ausgebreitet hatte – verpackt natürlich, „Darf ich? Vielen Dank.“, er nahm sich ein kleines Täfelchen, öffnete es und brach es auseinander, „Seto? Schoko?“

„Hm?“, der Brünette lächelte zu ihm hinüber, bemerkte das Angebot und leckte sich kaum merklich über die Lippen, sodass Katsuya herüber ging und es ihm einfach zwischen die Zähne schob, „Tzanke...“

„Kriegst du ein Baby?“, wandte sich Kanae währenddessen an Shizuka und zeigte auf ihren Bauch.

„Hm-hm.“, die Sechzehnjährige nickte zur Bekräftigung und lächelte das Mädchen an.

„Willst du ein Baby haben?“, plapperte die Kleine gleich weiter und lehnte sich etwas auf das Bett, um ihre Hüfte zu entlasten.

„Natürlich möchte ich mein Baby haben.“, Shizuka legte den Kopf etwas schief.

„Aber warum?“, Kanae tat es ihr nach, „Hier gibt es doch viele Babys und Kinder. Zum Mitnehmen. Man muss nicht einmal bezahlen, ich habe nachgefragt.“

„Äh-“, die Ältere zog die Augenbrauen zusammen, „Wie bitte?“

„Na, bei uns! Eine Station weiter! Das ist die für Kinder und da gibt es ganz viele, die haben keine Eltern. Und für die kommen Leute und nehmen sie mit. Und man muss kein Geld dafür abgeben. Obwohl...“, sie machte eine überlegende Miene, „Manchmal kommen auch Leute, die wohl Besitzer sind, die preisen uns nämlich an wie die Feilscher.“, sie wandte sich Katsuya zu, „Kriegen die Geld für die Kinder?“
 

Äh... wie bitte?

In Gedanken wiederholte Katsuya die Worte seiner Schwester. Wovon zur Hölle sprach die Kleine da? Kinder, für die man nichts zahlen musste? Und Feilscher? Woher kannte sie so ein Wort überhaupt? Er warf einen hilfesuchenden Blick zu Seto.

„Ich glaube, du bringst da etwas durcheinander, Kleines.“, meinte dieser lächelnd nach einigen Momenten, „Kinder, die keine Eltern haben, haben meist einen staatlichen Vertreter. Das ist eine Person, die beim Jugendamt arbeitet. Diese sucht für ein Kind nach Eltern, die es aufnehmen wollen. Wahrscheinlich sind das die, die du Feilscher nennst. Woher kennst du das Wort?“, er legte den Kopf etwas zur Seite, um etwas unbedrohlicher zu wirken – Katsuya konnte das jedoch nicht über den stechenden Blick hinweg täuschen.

„Das... das haben sie früher immer benutzt. Für die, die Kinder verkauft haben.“, sie sprach unsicher und zog ein wenig den Kopf ein.

Seto seufzte, setzte Hiroshi komplett auf dem Bettende ab und ging zu Kanae herüber, um sich vor sie zu knien.

„Hat man dich schon einmal verkauft?“, fragte er ruhig, sanft und vorsichtig, aber mit ungewöhnlich entspannten Gesichtszügen.

Sie studierte ihn einen Moment, nickte dann, wartete eine Sekunde und begann zu sprechen: „Ganz oft früher sogar. Aber weil einer mich kaputt gemacht hat, haben sie mich an den Mann mit dem weißen Kittel verkauft. Und der hat mich drüben auf die Station gebracht.“

„Bist du sicher, dass sie dich an den Mann verkauft haben? Hast du gesehen, wie sie ihm Geld gegeben haben?“, führte Seto seine Befragung fort, während Frau Kibayashi und Shizuka beide eine Hand vor ihren Mund gelegt hatten und Hiroshi vorsichtig nach einem Finger von Katsuyas Hand griff, sich aber sofort zurückzog, als dieser auch nur einen Moment in seine Richtung blickte. Lächelnd streckte der Blonde seine Finger für den Kleinen aus, war mit dem meisten Gedanken jedoch bei dem Gespräch, was neben ihm stattfand.

„Ja, habe ich! Ganz viel sogar, mehr als sie sonst immer gekriegt haben.“, Kanaes Stimme gewann an Festigkeit.

„Macht der Mann irgendetwas mit dir, was du nicht möchtest?“

Sie schüttelte den Kopf und meinte: „Nein, der ist ganz lieb. Der stellt mir nur immer Fragen. Hier im Krankenhaus ist niemand böse zu mir. Aber... mich will auch keiner mehr haben...“

Sie biss auf ihre Unterlippe und zog den Kopf wieder ein wenig ein.

„Hier darf dich auch keiner haben.“, erklärte Seto, was sie aufblicken ließ, „Das hier ist ein Ort, wo man sich ausruhen darf, damit die Wunden verheilen. Deine Knochen sind gebrochen und die werden noch ganz lange zum Heilen brauchen.“

„Dann bleibe ich auch ganz lange hier?“, fragte sie vorsichtig nach und betrachtete Setos Gesicht mit weit geöffneten Lidern.

„Ja, du bleibst lange hier. Und wenn du nicht mehr hier bleiben musst, sucht jemand vom Jugendamt auch für dich Eltern, die dich aufnehmen wollen.“

„Aber ich will keine Eltern!“, rief sie und drehte sich ganz zu Seto, was sie aber aus dem Gleichgewicht brachte. Der Ältere fing sie problemlos, strich ihr kurz über das Haar und setzte sie auf Shizukas Bett.
 

„Warum möchtest du keine Eltern, Kanae?“, er kniete sich vor das Bett, sodass er sogar weit kleiner als sie war.

Aber sie zog nur, so weit es ging, den Kopf ein und sah zu Shizuka hinüber, der Tränen über die Wange liefen und fragte nach ein paar Momenten: „Warum weinst du?“

„Weil...“, sie schluchzte, doch versuchte es hinter ihrer Hand zu verstecken, bevor sie schluckte und noch einmal ansetzte, „Weil mir das so nahe geht... was haben deine Eltern nur getan, dass du sie niemals wieder sehen willst?“

Kanae warf ihr einen verständnislosen Blick zu, zog die Augenbrauen zusammen und sah kurz jeden im Raum an, bevor ihr Blick auf Katsuya zu liegen kam. Dieser wechselte kurz die Hand, die Hiroshis hielt und setzte sich neben sie, bevor er sprach: „Es gibt viele Arten von Eltern, Kanae. Es gibt Eltern, die mögen ihre Kinder nicht und sind böse auf sie. Und die, die ihnen wehtun. Und welche, die ihre Kinder sogar weggeben. Aber es gibt auch Eltern, die mögen ihre Kinder. Die sorgen für sie und kümmern sich um sie. Es gibt sogar welche, die lieben ihre und sind richtig stolz auf sie, obwohl sie gar nichts groß machen. Und von denen gibt es viel, viel mehr als von den bösen Eltern.“

„Ehrlich?“, nuschelte sie leise, während ihre Augen glänzten, „Denen werden sie nicht langweilig? Die verkaufen ihre Kinder nicht?“

„Nein, das tun sie nicht.“, lächelnd strich der Blonde über ihr Haar.

Sie blinzelte kurz und streckte ihm die Arme entgegen, worauf er näher rückte und einen seiner um sie legte. Die Kleine vergrub ihr Gesicht kurz in seiner Seite, bevor sie es gegen seine Brust legte und fragte: „Kennst du Eltern, die ihre Kinder mögen?“

„Ah-“, Katsuya stockte – ob er Eltern kannte, die ihre Kinder liebten? Nicht wirklich... „Ähm... Shizuka hier.“, er nickte zu seiner kleinen Schwester, „Sie bekommt einen kleinen Sohn, den hat sie sehr lieb.“, er schluckte – ob das ein gutes Beispiel war? Er hatte keinen Beweis, dass sie das Kind auch behalten würde, „Um... Frau Kibayasha, haben sie Kinder?“

Kanae richtete sich ein kleines Stück auf, um zu der Dame herüber zu sehen.

„Ja...“, antwortete diese nach einem kurzen Moment, den Blick voll Stolz, aber auch voll Trauer, „Ich habe eine Tochter, die ist zwölf. Und einen Sohn, der ist jetzt sieben.“, sie schluckte, „Und... hätte ich keinen Unfall gehabt... hätte ich jetzt noch eine Tochter...“, sie wandte den Blick ab.

„Das tut mir sehr Leid.“, Idiot, Idiot, Idiot, „Frau Kibayashi hat ihre Tochter durch einen Unfall verloren, Kanae.“, erklärte er leise für sie, „Und sie ist sehr traurig. Sie wollte ihre Tochter nicht verlieren.“

Er schluckte, als er die Tränen ihre Wangen herab kullern sah.

„Ha- hast du deine Kinder lieb? Nicht... nicht langweilig?“, fragte sie stotternd, was die Dame betroffen aufsehen sah.

„Oh ja! Ich habe meine beiden Kinder sehr lieb.“, sie legte eine Hand auf ihr Herz und wandte sich der Gruppe zu, wodurch diese auch ihre Tränen erkennen konnten, „Und sie sind niemals langweilig. Ich liebe es zuzusehen, wie sie groß werden und sich jeden Tag verändern. Ich... ich koche gerne für sie und erzähle ihnen Geschichten und... ich spiele mit ihnen und freue mich, wenn sie lachen.“, sie fuhr sich mit einer Hand über ihre Wangen, „Ich weiß gar nicht, wie ich es erklären soll. Ich liebe meine Kinder einfach.“
 

„Warum haben meine Eltern mich nicht lieb gehabt, Katsuya?“

Bei allen Göttern. Er schluckte. Die gefürchtete Frage. Woher sollte er das denn wissen? Hatte er die nicht schon Seto über seine eigene Mutter gestellt? Er atmete zitternd aus und strich noch einmal über ihr Haar, den Blick verzweifelt auf seinen Freund gerichtet.

„Das kann dir leider keiner beantworten, Spatz.“, erklärte dieser ruhig und bekam dafür ihre voller Aufmerksamkeit, „Vielleicht waren sie nicht der Typ Eltern, die ihre Kinder lieb haben. Oder sie waren krank. Oder vielleicht sehr unsicher und wussten nicht, wie sie mit dir umgehen sollen. Viele Eltern sind oft unsicher und machen deshalb ganz blöde Fehler. Und schlechte Eltern sind die, die sich keine Hilfe suchen, wenn sie unsicher sind.“, er lächelte zu ihr hoch, „Auf jeden Fall hat es nicht an dir gelegen.“

„Nicht?“, sie klang äußerst verwundert und vielleicht auch einen Hauch hoffnungsvoll.

„Nein, du bist keinesfalls daran Schuld. Jeder ist nur für das schuldig, was er selber tut. Und du hast dich nicht selber verkauft, oder?“

„Nein...“, sie sank wieder gegen Katsuya, „Das waren die Feilscher. Und meine Eltern. Böse Eltern.“, sie fuhr plötzlich auf, „Jetzt habe ich die Schminke verschmiert, oder?“

Katsuya prustete kurz, bevor er sich wieder unter Kontrolle bekam und antwortete: „Nur etwas Weiß, keine Sorge, man sieht es kaum.“, er zog aus einer Hose ein Taschentuch, „Hiermit solltest du lieber aufpassen, dass du nichts verschmierst.“

„Okay...“, sie putzte sich etwas umständlich die Nase, „Noch gut?“

„Sehr gut.“, lobte der Blonde und warf einen Blick zu Hiroshi, „Alles okay, Kleiner?“

Dieser hielt sich noch immer an seinem kleinen Finger fest und sah vorsichtig zu ihm herüber. Antworten tat er nicht – was Katsuya allerdings auch nicht vermutet hatte. Er nickte nur kaum merklich.

„Wollen wir noch mehr Leute gruseln?“, schlug Seto vor und erhob sich.

„Ja!“, rief Kanae voll wildem Enthusiasmus – war es gesund so begeisterungsfähig zu sein?

„Dann auf.“, der Älteste streckte die Hände nach Hiroshi aus, der sich wieder auf dessen Schultern setzen ließ und Katsuya sah zu, wie die Kleine wieder völlig ohne Hilfe vom Bett kam und ihre Krücken wieder nahm, „Sagt tschüss zu Frau Kibayasha und Shizuka.“

„Tschüss...“, murmelte Hiroshi nur leise, während Kanae eine Krücke wieder zurück stellte und beiden zuwinkte, während sie sich verabschiedete.

„Und bleibt liebe Eltern, ja?“, sie sah grinsend zwischen beiden Frauen hin und her.

„Machen wir.“, versprach Shizuka, während der anderen Dame im Raum nur eine Träne über die Wange rann.

„Lass mich anrufen, wenn sich etwas tut, ja?“, bat Katsuya seine Schwester leise und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, bevor sie ihm zunickte, „Alles Gute, Frau Kibayasha.“

„Danke...“

Seto nickte beiden nur zu und hielt erst Kanae, schließlich auch Katsuya die Tür auf, bevor die Kleine ein völlig zufälliges anderes Zimmer auf dem Gang auswählte, deren Bewohner gegruselt gehörten.

Kinder

Oh Graus, ich hänge wieder hinterher. Den letzten Absatz dieses Kapitels musste ich heute noch fertig stellen, so etwas mag ich ja gar nicht. Zwar hatte ich das komplette WE Uni, das ist wahr, aber trotzdem kein Grund...

Und ich habe ein Tief bezüglich Eisengel T.T Ich hasse Lemons! Na ja, manchmal halt. Egal, ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen! Gepo presents your new chapter ^.^
 

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„Du kannst echt klasse mit Kindern umgehen.“, stellte Katsuya auf dem Rückweg nach Hause fest.

„Danke.“, murmelte Seto tonlos und konzentrierte sich wie immer auf das Autofahren, „Passiert, wenn man einen kleinen Bruder groß zieht und drei Jahre im Waisenhaus lebt… manchmal.“, er lockerte sich ein wenig, „Ich glaube, meine Zeit im Krankenhaus mit Yumi und den Kleinen dort sowie später die tausend Pädagogikbücher haben mehr geholfen. Aber ohne alles vorher hätte mir der praktische Teil gefehlt, um mein Wissen umsetzen zu können.“, ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, „Irgendwie ist es halt so gekommen.“

„Um…“, der Blonde ließ den Kopf hängen, wandte den Blick ab und sprach um so einiges leiser, „Sag mal… möchtest du eigentlich… also irgendwann… eigene Kinder?“

„Keinesfalls.“, kam ohne einen Atemzug dazwischen die Antwort vom Fahrer.

Huh? Aber wieso nicht? Katsuya blinzelte und betrachtete seinen Freund. Es schien nicht so, als würde er Kinder nicht mögen, oder? Oder hatte er Angst die Presse würde ihn in dem Fall wieder aufs Korn nehmen? Das war eigentlich ähnlich wie die Sache mit Shizuka, dass er sie und das Baby nicht im Haus haben wollte – hatte er Angst ein Kind zu verletzen? Der Blonde legte den Kopf schief. Ganz ehrlich? Nach dem, was er gerade gesehen hatte?

„Nie im Leben würdest du einem Kind weh tun, Seto.“

Sie verloren einen Moment lang an Gas und machten einen minimalen Schlenker nach rechts.

„Wa-“, Seto warf ihm einen kurzen Blick zu, „Wie bitte?“

„Ich meine das so, wie ich es sage. Unter höchster Garantie wäre ein Kind bei dir glücklicher als an den meisten anderen Orten. Vielleicht bist du ziemlich angsteinflößend, wenn du sauer wirst, vielleicht sogar gefährlich, aber du bist dabei immer noch weit aufmerksamer als die meisten anderen Menschen. Ich glaube nicht, dass ein Kind unter dir Schaden nehmen würde.“

„Ich… habe beste Erfahrungen, dass dem nicht so ist. Mokuba ist Beweis genug, dass ich als Vater ein völliger Versager bin.“, Setos Züge verhärteten sich.

„Weil du mit fünf Jahren natürlich schon genau dieselben Fähigkeiten hattest wie mit dreißig.“, Katsuya legte eine gute Portion Sarkasmus in deine Stimme, „Genau so, wie du als Sechzehnjähriger nach fünfjährigem Missbrauch dieselbe psychische Stabilität hast wie jetzt, dreizehn Jahre später.“

„Katsuya – nein.“, die Stimme wurde eiskalt, „Ich habe Mokuba vernachlässigt, geschlagen, für mich verantwortlich gemacht und an Drogen verloren. Erstens ist es so, dass die Erfahrungen in der Erziehung, die man als Kind gemacht hat, das eigene Verhalten als Eltern immer mitbestimmen und man größtenteils in den negativen Dingen genauso oder genau gegenteilig handelt, was beides falsch ist. Zweitens stehe ich die Schmerzen nicht noch mal durch.“

„Die Schmerzen?“, fragte Katsuya vorsichtig.

„Ein Kind zu verlieren.“, Setos Augen füllten sich mit Tränen, die nicht fielen und ein Hauch von Emotionen suchte ihren Weg in seine Stimme, „Die Angst davor wieder jemanden zu verlieren… den ich über alles liebe.“

„Seto…“, der Jüngere schluckte, wandte einen Moment lang den Blick ab und verzog das Gesicht, „Aber… du hast dich getraut mich aufzunehmen… nicht wahr? Bereust… du das?“
 

Der Fahrer löste eine Hand vom Lenkrad, griff damit nach Katsuyas und verschränkte ihre Finger miteinander.

„Manchmal glaube ich, es wäre besser, ich täte es. Manchmal hasse ich mich dafür, dass ich auch nur darüber nachdenke.“, Katsuya schaffte es nicht die Tränen zurück zu halten, während er das hörte, „Ich habe sehr, sehr viele Zweifel, ob ich das Richtige getan habe. Ob es dir woanders nicht doch besser ginge. Ob ich mich wirklich auf dein Wort verlassen kann oder ob ich zu verdammen bin, dass ich dich so manipuliert habe. Ob ich deine Gefühle annehmen darf oder ablehnen sollte. Ob ich dich wert bin.“, Seto atmete hörbar aus, „Ob ich dich verlassen sollte, bevor du es tun kannst, um mir den größeren Schmerz zu ersparen.“

„Bitte vertrau mir doch einfach…“, flüsterte Katsuya und vergrub sein Gesicht in seiner einen freien Hand, „Ich liebe dich, weil du es wert bist, geliebt zu werden. Und darum verlasse ich dich auch nicht.“

„Sag mal…“, Seto löste kurz ihre Hände, um auf ihre Auffahrt zu fahren und sprach auch nicht, bis er den Wagen geparkt hatte, „Hast du eigentlich keine Zweifel, was mich angeht?“

„Oh doch…“, gab Katsuya leise zu und lehnte sich zurück mit geschlossenen Augen, „Allerdings nicht mehr, ob du mich liebst oder mich doch noch raus wirfst, weil du mich nicht aushältst.“, auf seine Lippen legte sich ein Lächeln, obwohl die Tränen frei über seine Wangen liefen, „Nach allem, was wir zusammen durch gestanden haben, bin ich eigentlich fast sicher, dass das nicht so sein wird. Aber ich habe Angst wegen deiner Angst. Dass du etwas Dummes tust… irgendwen verletzt oder dir selbst etwas antust, was unser Zusammenleben gefährdet. Oder die Beziehung für dich zu viel wird und du abhaust. Oder einen Rückfall hast und für lange Zeit wieder in eine Klinik gehst. Überhaupt… dass du irgendetwas tust, für das ich mir die Schuld geben werde.“

„Ich achte darauf, dass ich das vermeide, okay?“, Seto drehte sich zu ihm, griff mit beiden nach Katsuya Hand und biss sich kurz auf die Lippe, „Das kann ich dir sogar versprechen, okay? Nicht, dass ich es nicht tun werde, aber… dass ich mein Bestes gebe, dass so etwas nicht passiert.“

„Seto…“, mit geöffneten Lippen betrachtete der Jüngere seinen Freund, „Das…“, er schüttelte leicht den Kopf, lehnte sich vor und küsste den Anderen voll Dankbarkeit und Leidenschaft, „Danke… danke…“

„Geht es dir besser?“, fragte der Blauäugige vorsichtig.

„Viel besser. Viel, viel besser.“, bestätigte Katsuya und schloss den Anderen in seine Arme, „Danke…“

„Gut…“, Seto strich ihm über den Rücken, „Wie bist du auf diese Kindergeschichte gekommen? Willst du Kinder haben?“

Öhm… gute Frage. Er drehte seinen Kopf ein wenig, um mit seiner Nase den vertrauten Geruch von Setos Aftershave einzufangen. Fraglos liebte er Klein-Seto wie keinen anderen, aber echte Kinder? So jemand wie Kanae – rund um die Uhr?

„Weiß nicht…“, nuschelte Katsuya gegen Setos Haut, „Vielleicht. Mal schauen, wie es dir geht. Erstmal musst du dir und mir trauen können.“

„Ich werde es versuchen.“, versprach dieser noch einmal.
 

„Müde?“, fragte Seto lächelnd, als Katsuya den Kopf auf seinen ausgestreckten Arm legte und die Decke über sie beide zog.

„Hm-hm… Kinder sind doch anstrengend.“, er rutschte näher an den Älteren und legte einen Arm über dessen Taille, während er Setos Kinn auf seinem Haar sowie dessen leises Lachen an der Stirn spürte.

„Welch Erkenntnis…“, neckte der Ältere ihn und winkelte den Arm an, auf dem Katsuya lag, um ihm fahrig durch das Haar zu kraulen.

„Besonders die beiden… man muss ja wirklich sehr vorsichtig sein, was man sagt.“, dieser strich mit dem Handrücken über Setos Lendenwirbel, „Bei manchen Sachen war ich echt überrumpelt, obwohl mir im Nachhinein genau klar ist, was ich eigentlich hätte sagen sollen. Aber in dem Moment war ich völlig verunsichert, was zu tun ist. Es war wirklich toll, dass du da warst.“

„Dito…“, murmelte Seto und küsste das blonde Haar, „Kanae hätte sich mir nicht so geöffnet. Man hat gemerkt, dass sie jemanden brauchte, der jung und offen wirkt. Ich wäre ihr im ersten Moment wahrscheinlich zu ernst gewesen. Aber du und dein charmantes Lächeln haben sie sofort eingefangen. Und deine Art selbst den größten Mist bedenkenlos mitzumachen.“, den letzten Satz fügte er neckisch hinzu.

„Hey.“, Katsuya piekste seinen Freund in den Rücken, „Das nennt man Spontaneität und Kreativität.“

„Dinge, die ich nicht habe.“, erwiderte der Brünette trocken.

„Kreativität musst du haben, sonst würdest du nicht Spiele entwickeln wollen.“, Katsuya entspannte sich, wodurch sein Kopf ein wenig zurück rutschte und er die Bartstoppeln betrachten konnte, die sich über Tag an Setos Hals gebildet hatten, „Und spontan bist du spätestens seitdem ich hier aufgeschlagen bin.

„Träum weiter...“, murmelte der Brünette leise und schon leicht schläfrig.

„Oh ja...“, Katsuya kicherte, „Dann träume ich doch jetzt mal vom spontanen Seto, der mit mir morgen in die Stadt fährt und mit mir einkaufen geht.“

„Auf seine Karte... welch Manipulation...“, der Ältere drehte sich auf den Rücken und zog ihn halb auf sich, „Meinetwegen....“

„Der mir Rubinohrringe und ein Diamantenkollier für meine Schwester kauft.“, testete der Blonde spaßeshalber.

„Ja, ja... morgen...“

Gehirnwäsche klappte besonders gut, wenn die andere Person übermüdet und erschöpft war. Gut zu wissen, gut zu merken. Und was konnte man damit anstellen?

„Du denkst noch mal über die Sache mit den Kindern nach?“

„Hrm...“, grummelte Seto nur unverständlich.

„Und ab jetzt magst du dich selbst?“

Als Antwort legte sich eine Hand über seinen Mund.
 

„Seto?“, Katsuya setzte Küsse auf dessen Gesicht und strich mit einer Hand durch sein Haar, „Seto...“

„Hrm... hm?“, verschlafen öffnete der Brünette ein Lid und blinzelte schließlich beide nach oben.

„Ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich jetzt aufstehe. Soll ich die Kaffeemaschine für dich anschmeißen?“

„Hm...“, zwei Arme schlangen sich um seinen Oberkörper und zogen ihn wieder an den Anderen. Also ehrlich... kleiner Grummeldrache.

„Hey!“, Katsuya lachte, „Ich muss immer noch samstags arbeiten, auch wenn ich Schulferien habe. Und wenn du mich nicht fährst, muss ich sogar sehr dringend aufstehen.“

„Fahr dich...“, murmelte der Ältere und rieb mit seiner Wangen an dessen Pyjamaoberteil, „Warum trägst du Klamotten?“

„Weil du sie mir gestern ausnahmsweise mal an belassen hast.“, neckte der Blondschopf.

„Hm.“, Seto klang weit wacher, „Na gut. Das Angebot mit dem Kaffee nehme ich an. Sag Bescheid, wenn du fertig geduscht bist.“

„Okay!“, zwitscherte der Jüngere, entwand sich den ihn haltenden Armen und begab sich erst einmal in die Küche. Mit dem Versprechen von Kaffee konnte man Seto schließlich zu vielem bewegen. Zum Beispiel ihn mal wieder zur Arbeit zu fahren.

Er bereitete den Filter vor, füllte das Wasser um und maß die Löffel Pulver genau ab. Jeder Tag, wo Seto mit einem Lächeln aufwachte, wurde ein guter Tag. Heute war so einer. Gutes Wetter – Katsuya warf einen Blick nach draußen, wo seine Vermutung sich bestätigte – viel Freizeit und gute Laune. Allein schon, weil er heute ein paar der Klamotten tragen konnte, die Seto und er gestern gekauft hatten. Apropos! Er könnte Seto in den neuen Pullover stecken.

Katsuya jagte in den Keller, holte die Klamotten vom Wäscheständer und kehrte damit in ihr Schlafzimmer zurück. Er nahm den Rest für sie beide aus den Schränken, öffnete das Fenster und küsste im Vorbeigehen Seto auf die Stirn, bevor er verkündete: „Bin duschen!“

„Junge Hunde gehören an die Leine...“, murmelte dieser nur leicht verwaschen.

Was ihn nicht daran hinderte kaum zwei Minuten später in derselben Dusche aufzutauchen und seinen Freund davon zu überzeugen, dass zehn weitere Minuten kein zeitliches Problem darstellten.

Was es wirklich nicht war, sie hatten ganze zwanzig Minuten zum Frühstücken, bevor sie los mussten. Fröhlich war die Welt mit persönlichem Chauffeur. Und mit Kaffee, zumindest wenn man Seto Kaiba hieß. Und natürlich mit einem kleinen Plüschbärenanhänger am Schlüsselbund, den Katsuya ihm in dem Laden gekauft hatte, wo er sich damals versteckt hatte, als er seinem Freund nachspionierte. Setos einzige Reaktion darauf war das Heben einer Augenbraue gewesen. Da sollte der ihn noch mal undankbar nennen...

„Katsuya?“

„Hm?“, der Blonde merkte von seinem Toast mit Nutella auf.

„Ich habe über die Sache von vorgestern nachgedacht.“, eröffnete der Brünette, „Das mit den Kindern... wenn ich mal davon ausgehe, ich könnte ein guter Vater sein...“, Katsuya lehnte sich ein wenig vor, „Ich denke, ich hätte kein Problem damit ein Kind zu haben. Hätte ich eins, würde ich mich darüber freuen. Aber es ist nicht so, dass ich unbedingt eins wollen würde. Wenn es darum geht jemanden aufzunehmen, der in Not ist, klar, okay. Auch ein Kind.“, Seto senkte den Kopf, „Ich muss aber davon ausgehen, dass ich bin, wie ich bin. Und ich bin ein perfektionistischer Workoholic mit aggressiven Ausbrüchen und einer gespaltenen Persönlichkeit. Ich bin kein guter Vater, kann es in dieser Verfassung auch gar nicht sein. Ich wäre sicher ein besserer als ich es Mokuba war, ich gebe dir Recht... das kann man nicht vergleichen. Aber das heißt auch nicht, dass ich ein guter Vater wäre.“

Katsuya schluckte und betrachtete Seto, der seinen Blick nach einem Moment erwiderte, bevor er sprach: „Das heißt, du möchtest nichts in die Richtung, weil du dich selbst für nicht gut genug hältst, obwohl es dich freuen würde?“

„Ich glaube nicht, dass das etwas mit meiner Selbstwahrnehmung zu tun hat.“, gab der Brünette zurück, „Ich glaube nicht eine gespaltene Persönlichkeit zu haben – ich habe sie. Schlicht und ergreifend.“

„Und jemand mit gespaltener Persönlichkeit kann kein guter Elternteil sein?“, Katsuya nahm seinen Toast wieder und biss ein Stück ab.

„Nein, ich denke nicht.“, Seto seinerseits trank einen Schluck Kaffee, „Ein Kind bildet seine Identität bis ins Jugendalter hinein und die Eltern sind dabei Vorbilder, ob nun gewollt oder nicht. Auch bei dem, was du jetzt hast – eine Identitätskrise – brauchst du feste Vorbilder. Du bist praktisch erwachsen, du kannst mein Handeln relativ objektiv betrachten. Ein Kind kann so etwas nicht. Als Elternteil bist du für ein Kind praktisch die Welt. Lange Jahre das Ein und Alles. Das ist eine ungeheure Verantwortung, der du gerecht zu werden hast, zum Wohl deines Kindes. Würde man mir hier und jetzt Mokuba als Säugling vor die Tür legen, würde ich ihm eine feste Pflegefamilie suchen. Gerade weil ich ihn liebe.“

Hm... das war natürlich eine sinnvolle Argumentation... definitiv war eine nicht gefestigte Persönlichkeit eine Gefahr für die Psyche eines Kindes. Andererseits – war dem wirklich so? Es gab bestimmt gespaltene Persönlichkeiten, die Eltern waren. Waren jetzt all deren Kinder krank? Schwer zu glauben.

„Darüber denke ich nach.“, versicherte Katsuya und kaute abwesend auf seinem Toast.

Fortpflanzungsprinzip

Erst einmal: Es tut mir sehr Leid, dass das Kapitel erst heute kommt. Ich hatte die letzten neun Tage durchgehend Uni, musste jeden Tag um 6.30 Uhr aufstehen und habe Referate gehalten, Kurse geleitet etc. - ich habe mein Bestes gegeben, aber das Kapitel nicht geschafft. Gestern gegen zehn Uhr hatte ich das erste Mal wieder freie Zeit und nicht mehr die Muße einen Absatz zu schreiben. Der letzte ist demnach erst heute entstanden.

Ich musste zwar wieder früh aufstehen und werde es auch noch bis Samstag müssen, aber zumindest hatte ich zwischen 11 und 14 Uhr frei. So etwas stellt zur Zeit für mich Luxus dar - am besten wird jedoch morgen. Ab 10 Uhr (morgens) habe ich frei. Also fast den ganzen Tag! Ich hoffe, es wird kreativ ^.-

Das Kapitel an sich war auch nicht unbedingt leicht zu schreiben, denn es geht um eine Menge Fachliches. Möglicherweise ist das Referat über die medizinisch-ethischen Fragen zu Kindern und Missbrauch aus ärztlicher Sicht mit eingeflossen.
 

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„Hey, Yami!“

„Da ist jemand fröhlich. Noch eine Minute bis Feierabend.“, sie umarmten sich, was ihnen ein Pfeifen von einem der Kunden des Sixth Heaven einbrachte, dem der Rothaarige darauf zu zwinkerte, „Ist das Kind da?“

„Nicht, dass ich wüsste.“, gab Katsuya zurück und zog seinen besten Freund mit sich ins Bedienstetenzimmer, wo er sein Handy aus der Tasche zog, „Nein, kein Anruf in Abwesenheit.“

„Langsam wird es ja Zeit, nicht?“, der mal selten dick Eingekleidete – es mochte am kommenden Winter liegen – ließ sich auf der Bank nieder und sah auf seinem eigenen Handy nach, „Auch kein Notruf von Seto. Wo ist unser Drache eigentlich?“

„Theoretisch müsste er auf dem Weg sein. Zumindest hat er mir nicht gesagt, dass er nicht kommt.“, Katsuya setzte sich neben ihn, „Während des Arbeitens heute ist mir eine Frage in den Sinn gekommen.“

„Welche?“, Yami packte sein Handy wieder ein.

„Warum kriegen Menschen Kinder?“, der Blonde sah die gegenüber liegende Wand an, „Ich meine, klar, da ist dieser biologische Trieb zum Sex haben. Da entstehen meistens unfallartig Kinder draus. Das verstehe ich. Aber wie kommen Menschen dazu die Entscheidung zu treffen ein Kind zu wollen?“

„Oh je...“, Yami musterte ihn einen Moment, bevor er ein Bein anzog und seinen Arm darauf stützte, „Warum fragst du das einen männlichen Prostituierten?“

„Zum einen: Weil du es wahrscheinlich weißt oder zumindest eine gute Theorie hast. Zum zweiten: Weil du vermutlich auch eine sehr nüchterne Sicht hast und mir nicht mit Gottes Wille oder dem großen Plan von Mutter Natur zum Erhalt der Rasse kommst.“, der Blonde stand auf und wandte sich seinen Sachen zu, „Macht es dir was, wenn ich mich umziehe?“

„Sicher nicht – macht es dir was, wenn sich meine Antwort schallplattenartig wiederholt, weil ich von deinem Körper fasziniert bin?“, gab der Andere schlagfertig zurück.

„Keineswegs. Dann merke ich es mir besser.“, Katsuya begann sein Shirt aufzuknöpfen, „Ich höre.“

„Eine ehrliche, nüchterne Antwort. Also spontan fallen mir da noch mehrere Gründe ein, alle nicht sehr schmeichelhaft.“, der Rothaarige lehnte sich zurück und sein Blick schweifte ab, verlor sich in einem Punkt, der wohl außerhalb des Raumes lag, „Von beiden Eltern her gesehen schafft man damit eine finanzielle und moralische Unterstützung für das Alter. Außerdem steht ein Paar meist unter dem Gesellschaftsdruck Kinder zu kriegen. Frauen wollen oft Kinder, wenn ihnen die Ehe zu langweilig wird oder sie unglücklich sind.“

„Ist das nicht irgendwie komisch? Wenn sie unglücklich sind, wollen sie Kinder?“, fragte Katsuya nach.

„Nun, Arbeitsunfähigkeit durch Schwangerschaft und Geburt, Mutterschaftsurlaub, Kindergeld, Babykurse und Elternabende für neue Kontakte – man macht schon einen recht radikalen Umschwung mit. Schwangerschafts- und Rückbildungsgymnastik, die Zeit im Krankenhaus, das erste Mal mit dem Neugeborenen auf der Arbeitsstelle, der Frauenarzt, die vielen sonographischen Untersuchungen...“

„Du weißt verdammt viel.“, murmelte der Blonde trocken.
 

„Das Wichtigste jedoch ist das Bild von der Mutterschaft, denke ich. Viele Religion heiligen die Mutterschaft, machen aus ihr das Paradies, die Erfüllung aller Träume, die höchste Form von Liebe und Selbstaufopferung – die die meisten Frauen als Trieb intus haben und mit Liebe gleichsetzen.“, Yamis Stimme verfiel in einen melodischen Ton, fast ein Singsang, „Natürlich bist du als Mutter stets überglücklich, dein Kind macht dein Leben zu einer wahren Freude und ab dem ersten Moment verbindet euch eine tiefe Liebe, die bis ans Ende eurer Tage und meist noch darüber hinaus währt.“

„Ähm... Yami?“, eine blonde Augenbraue hob sich.

„Du wolltest nicht die religiöse oder gesellschaftliche Meinung, ich weiß. Deswegen komme ich dir lieber mit Fakten, bei denen bin ich wenigstens sicherer. Ich denke, jedem halbwegs normal denkenden Menschen ist klar, dass Kinder Verantwortung, Stress und Zeitverlust bedeuten. Damit ist keiner überglücklich. Wenn sie einem genug zurück geben, dass sie das wert sind, gut, aber meist ist das nicht so – weil Eltern die Erwartungen zu hoch setzen. Kinder machen nicht einfach glücklich. Sie sind Wesen, die komplett von dir abhängig sind und lange Jahre so etwas wie dein persönliches Eigentum, um das du oft beneidet wirst. Es gibt dir ein Gefühl von Macht und Stolz. Du bist etwas Besonderes, wenn du Mutter bist. Du wirst den Anforderungen der Gesellschaft an dich gerecht. Du bist wer. Für dein Kind bist du sogar das Ein und Alles.“ – hatte das Seto nicht genau so gesagt? – „Du fühlst dich groß und stark und toll.“

„Aber?“, warf Katsuya in die rhetorische Pause.

„Aber sie sind auch Arbeit, können manchmal extrem nerven und werfen oft deine Pläne über den Kopf. Kinder sind nichts, was man im Schrank einschließt und zum Spielen immer mal wieder raus nimmt.“, von einem Moment auf den anderen wich alle Farbe aus Yamis Gesicht, ausgenommen den breiten Kajalstrichen, „Nun ja... meist nicht. Ich gebe zu, Seto hat man im Keller eingeschlossen und zum Demütigen, Prügeln und Arbeiten wieder raus geholt.“

„Seto ist nicht die Norm.“

„Nein... Seto ist nicht die Norm...“, wiederholte der Ältere Katsuyas Satz, „Nun ja... vor allen Dingen verbindet dich nicht einfach eine tiefe Liebe. Bei der Geburt legt man dir einen schreienden Klumpen Fleisch in den Arm, von dem du nichts weißt, außer dass er als Parasit in deinem Körper gelebt hat. Man könnte dir auch einen Wurm in den Arm legen, es wäre dasselbe Prinzip.“, der Blonde zog sein Shirt über und schüttelte das Haar, doch er lauschte aufmerksam, „Was dieses Wesen so wichtig für einen macht, sind die Emotionen, die man mit ihm verbindet. Hoffnung, dass es jetzt besser wird. Dass es spannender wird. Dass der Mann seine Affäre beendet. Alle möglichen Erwartungen liegen auf diesem kleinen Bündel. Ein paar davon sind gut, denn ein Kind braucht Ziele und Ideale. Nur wenn du auf deinem Kind die Erwartung ablädst, dass es die Ehe wieder kittet, ist eine Enttäuschung vorprogrammiert. Aber Eltern schrecken auch oft nicht davor zurück die Schuld ebenso auf ihr Kind zu laden, wenn dieser Punkt kommt, auch wenn sie es rational nicht wollen. Die Seele kommt so leichter klar.“
 

„Du meinst, man macht das Kind dafür schuldig, dass die Beziehung kaputt geht?“, fragte Katsuya mit Entsetzen.

„Manchmal.“, ihn traf ein kurzer Blick, „Vielleicht kam es auch nur gehäuft in meinem Umfeld vor. Ansonsten... den Mann finanziell zu binden, das ist mir auch schon als Grund untergekommen.“, diesmal wandten die Augen sich ihm ganz zu, „Und die eigenen Eltern nerven, die immer Moral und Anstand gepredigt haben.“, Yami zog die Augenbrauen zusammen und wandte den Blick gen Decke, „Unsterblichkeitsgelüste? Angst vor dem Tod, sodass man sich selbst in ein anderes Wesen überträgt. Oh ja!“, er schnippte mit den Fingern, „Eine Herausforderung! Wäre Seto gesund, würde er Kinder sicher als interessanten Test an sich selbst bewerten.“

„Klingt irgendwie alles nach nichts, warum meine Schwester ihr Kind will.“, meinte Katsuya trocken.

„Da müssen wir aber auch einen großen Unterschied machen.“, ein Zeigefinger hob sich, „Vor einer Schwangerschaft geht es um die Frage aktiv ein Leben zu schaffen oder nicht. Während der Schwangerschaft geht es um die Frage ein Kind zu töten oder nicht. Und das Recht zu Leben wird nach Gesetz und Religion weit höher bewertet als das Recht auf Nichtleben.“

„Was für ein Recht?“, der Blonde faltete seine Arbeitskleidung, die er mittlerweile abgelegt hatte.

„Nichtleben. Das Recht auf eine Nichterschaffung eines Kindes. Das Recht tot zu bleiben oder nicht künstlich wiederbelebt zu werden. Im weiteren Sinne auch das Recht auf Suizid.“

„Ist Suizid verboten?“, kam sofort die Nachfrage.

„Wird als psychische Krankheit verbucht, wenn du es versuchst. Selbst wenn du über viele Jahre hinweg die Entscheidung getroffen hast. Sterben zu wollen ist für die meisten Menschen eine nicht mit dem gesunden, das heißt normalen Verstand vereinbare Gedankenwelt.“, Yami legte den Kopf schief, „Für die meisten Menschen ist der Gedanke leben zu wollen ein essentieller Instinkt. Sie können nicht damit umgehen, dass ein Mensch möglicherweise ohne psychische Schädigung und aus reiner Überzeugung sterben will.“

„Uh... hu...“, murmelte Katsuya unbestimmt.

„Der Gedanke zu töten ist dementsprechend extrem geächtet, da er ja dem natürlichen Willen zu leben widerspricht. Eine Abtreibung, ergo ein Kind zu töten, ist demnach natürlich auch sehr verpönt. Es ist also weit schwerer zu sagen, man will ein bestehendes Leben nicht als zu sagen, man wolle ein nicht bestehendes und daher rein theoretisches Leben nicht. Es ist also möglich, dass deine Schwester das Kind nicht aus Überzeugung oder einem Wunsch heraus kriegt sondern einfach aus der Notlage heraus es nicht abtreiben zu wollen. Und sicherlich spielt Rebellion gegen eure Mutter eine Rolle.“

„Hm...“, der Blonde schlug das eigentlich gefaltete Hemd aus, dass er jedoch zwischen seinen Händen gedrückt hatte, um es noch einmal zusammen zu legen, „Hältst du es für möglich, dass sie das Kind eigentlich gar nicht will und eine Abtreibung nur als das größere Übel betrachtet hat?“

„Klar.“, ein Hand kam in sein Blickfeld, griff nach seiner eigenen und hielt diese, „Bitte verurteile mich nicht, doch ich halte es sogar für wahrscheinlicher. Shizuka ist minderjährig. Und sie wirkt nicht so, als wäre dieses Kind geplant gewesen.“, ihre Blicke trafen sich, „Ich gebe zu, sie wirkt auf mich sehr robust und scheint gut mit der Situation umzugehen. Aber ich vermute, dass sie sich mit der ganzen Sache trotzdem überfordert fühlt.“
 

„Und... was kann ich tun?“, fragte Katsuya nach ein paar Sekunden des Schweigens und der Betrachtung, „Um ihr zu helfen? Und Isamu? Ich möchte, dass es beiden gut geht...“

Yami sah ihn an, lächelte glücklich, doch ein Schatten legte sich über seine Augen, sodass diese einen Moment später keine Freude mehr ausstrahlten, während seine Lippen noch immer zu einer fröhlichen Grimasse verzogen waren. Seine Mundwinkel senkten sich mit seinem Blick, sodass dieser auf dem Boden lag, als er antwortete: „Wir können die Welt nicht von heute auf morgen zu einem schönen Ort machen. Wir können immer nur weiter daran arbeiten. Jeder ist gezwungen sich mit dem zurecht zu finden, was bei seiner Geburt der Status quo ist. Es ist schon ein großer Schritt, wenn dieser Status nicht Krieg, Hunger oder Angst bedeutet. Gemessen, dass deine Schwester unsicher ist und nicht weiß, wie die Zukunft aussehen soll, ist Angst der Zustand, gegen den wir zu kämpfen haben.“

„Die Angst scheint mein größter Feind zu sein.“, Katsuya seufzte tief und packte Handy und Börse in die Taschen seiner Hose, „Es ist schwer etwas zu bekämpfen, was man weder sehen noch sich vorstellen kann.“

„Wie alle Gefühle.“, dieses Mal war das Lächeln klein, doch wenigstens ehrlich, „Und gleichzeitig sind genau diese auch die besten Waffen.“

„Aber ich fühle mich hilflos.“, die braunen Augen wandten sich der Tür zu, die zurück ins Sixth Heaven führte, „Ob ich nun Seto höre, wie er nicht glauben kann, dass er mich verdient hat und ein guter Mensch ist oder meine Schwester sehe, wie sie einen sehnsuchtsvollen Blick aus dem Fenster wirft oder Kanae zu überzeugen versuche, dass nicht alle Eltern ihre Kinder in die Prostitution verkaufen...“

„Kanae Ishimasu?“, Yami blickte auf, „Domino Hospital, pädiatrische Station?“

„Du kennst sie?“, Katsuya blinzelte, bevor er sich wieder daran machte den Rest seiner Arbeitskleidung in einen Schrank zu packen.

„Die Kleine habe ich aus der Szene geholt. Ein Freier hat ihre Hüfte ausgerenkt und ihr Zuhälter hat seine Wut darüber an ihr ausgelassen. Eine Bekannte hat das mitgekriegt und mich sofort angerufen. Als ich ankam, war eine ihrer Hüften zertrümmert und sie war ziemlich schwer verprügelt. Ich habe den Typen überredet, dass er sie ins Krankenhaus bringt und bin mitgegangen. Er hat den Arzt bestochen, damit dieser ihn nicht meldet und dieser hat zugestimmt unter der Bedingung, dass niemals wieder jemand Kanae belangt und sie dem Jugendamt übergeben wird.“

„Autsch...“, flüsterte Katsuya nur. Dass Kanae vergewaltigt und ihre Hüfte gebrochen wurde, so viel hatte er ja verstanden, aber so... so genau... armes Mädchen.

„Dafür riskiere ich mein Leben.“, die amethystfarbenen Augen fingen seinen Blick und wieder einmal schien es, als würden Yamis Augen innerlich brennen, „Es steht dir frei darüber zu denken, was du willst, aber ich höre nicht damit auf. Nicht, solange Kinder ein Leben wie Kanae führen.“

Ersehnter Anruf

Stellt euch vor, das Kapitel habe ich nicht auf die letzte Sekunde fertig gestellt O.O Auch wenn ich nicht umwerfend viel Zeit habe, so hat sich doch eine Art Normalität wieder eingefunden. Vorlesung, Lernen, Kurse, abends ehrenamtliche Arbeit und irgendwo dazwischen das Schreiben (und so etwas wie Freunde, vielleicht...). Zu meinen Mails und ENS komme ich allerdings derzeit kaum. Am Samstag ist die große Messe für Mediziner, die ich organisiert habe und in der Woche vorher rotiert man natürlich ziemlich. Danach werde ich wieder weit mehr Ruhe haben.

Aber das Kapitel für nächste Woche wird irgendwie rein passen - es ist das, was ich seit Beginn dieses Teils schreiben wollte *v* Wir neigen uns dem Höhepunkt zu, Leute... *muhahahaha*

Viel Spaß beim Lesen ^.^
 

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„Wie eifersüchtig wollt ihr mich eigentlich machen?“, fragte Marik, dessen Kopf durch den Spalt zwischen Tür und Wand herein sah, „Und die Mädels wollen sich auch langsam umziehen.“

„Sorry.“, Yami warf dem Hellblonden ein Lächeln zu, „Danke, dass ihr so auf uns Acht gebt.“

„Süß...“, quietschte Anzu und öffnete die Tür ganz, „Ihr beiden seid echt ein niedliches Paar.“

„Meinst du Yami mit Marik oder mit Katsuya?“, fragte Mai link und verschränkte die Arme, „Nun, husch, ihr Youngster, auf mich wartet heute Abend noch jemand.“

„Dieser Pegasus?“, Anzu verzog einen Mundwinkel, „Der Typ ist irgendwie unheimlich...“

„Aber stinkreich.“, die Blonde stöckelte herein und hob eine Tasche, die auf der Bank stand, „Chanel! Und hier...“, sie zeigte auf die Jacke, „Die ist von Prada.“, sie grinste, „Und denk allein an das goldene Armband, was er vorgestern mit gebracht hat.“

„Weißt du, woher er das Geld hat?“, warf Katsuya provokativ dazwischen.

„Kats!“, zischte Yami und bedachte ihn mit einem harten Blick, „Lass es.“

Der Neunzehnjährige seufzte lautlos, senkte Lider und Blick und hob missbilligend die Unterlippe. Er machte einen Schritt auf Marik zu, ließ sich sein Gehalt geben und verließ den Raum ohne ein weiteres Wort. Yami kämpfte für solche Leute wie Kanae. Gut. Seinetwegen. Er riskierte sein Leben – beschissen, aber es war seine Wahl. Er musste es nicht gut finden. Aber darüber auch noch schweigen? Sich diese Ignoranz anzutun? Still zu bleiben und nichts zu tun? Hilflos zusehen, wie das Schicksal seinen Lauf nahm? Natürlich konnte er nichts daran ändern, dass es Kinder wie Kanae gab, wenn er sich nicht selber in Gefahr begeben wollte, aber... aber...

„Scheiße!“, er schlug mit der Faust gegen die Backsteinwand, die die Außenwand des Sixth Heaven zierte und biss die Zähne zusammen.

„Na, na – so was sagt man doch nicht.“, sein Blick flackerte zu der großen, schlanken, männlichen Gestalt, die rauchend in einem langen Mantel im Schatten einer Seitengasse stand, „Habe ich dir kein Benehmen beigebracht?“

„Seto?“, Katsuya wich ein wenig zurück und zog die Lider zusammen.

„Werde ich jetzt nicht einmal erkannt?“, der Andere trat hervor und ein kaum bewusst gehaltener Atem verließ die Lungen des Jüngeren, „Ich hätte aber wirklich jeder andere sein können. Ich mag diese Gegend nicht. Sie ist gefährlich.“, Seto warf einen Blick über die Schulter und kam heran.

„Ich bin hier aufgewachsen.“, murmelte Katsuya trotzig, „Ich kann ganz gut auf mich aufpassen...“

„Kannst du?“, der linke Arm des anderen schnellte hervor, packte seine gehobene Hand und drückte sie an seiner Seite vorbei. Innerhalb von einer Sekunde befand er sich auf den Knien, bewegungslos vor Schmerz und spürte den gegriffenen Arm losgelassen neben sich sinken. Seine Hand schlug schonungslos auf dem harten Asphalt auf.

Seto ging in die Hocke vor ihm und legte die Hände zusammen.

„Mit etwas mehr Druck kugelt man jemandem damit alle Armgelenke aus, angefangen beim Handgelenk. So kann ein kleines Mädchen einen Kerl wie mich problemlos zu Boden bringen.“, Katsuya nahm die Worte mehr am Rande seines Bewusstseins wahr, während er sich auf seine Atmung konzentrierte, um den Schmerz zu verdrängen, „Mir ist klar, dass ihr Straßenkämpfer keine so eleganten Methoden wählt. Aber ich denke, du verstehst, warum ich mir Sorgen mache?“
 

„Arschloch...“, brachte der Jüngere zwischen zwei Atemzügen hervor.

„Ja, ja...“, Seto hob eine Hand und presste einen kalten Finger seitlich von Katsuyas Hals gegen dessen Haut, wodurch der Schmerz in Sekunden abebbte, „Und was geht ansonsten alles schief in deinem Leben?“

„Du gerade...“, was ihn nicht davon abhielt Seto gewähren zu lassen, „Mais Gequatsche, wie toll Pegasus doch ist. Und Yamis Hurerei.“, sein Atem beruhigte sich langsam, „Und meine Sorgen um meine Schwester.“

„Ich glaube, das ist der Punkt, der dich am meisten aufreibt. Hat die kleine Attacke deinen Kopf wieder frei gemacht?“, aus Setos Tonlage konnte man – wenn man wollte – so etwas wie Fürsorge heraus hören. Katsuya war sich derzeit allerdings nicht sicher, ob er das wollte. Schmerzen zuzufügen war kein geeignetes Mittel seinen Standpunkt klar zu machen.

„Ist dir klar, dass das verdammt weh tat?“, murmelte der Blonde.

„Ja. Das war der Sinn der Aktion.“, Seto beugte sich ein wenig vor, „Wenn Pegasus es auf dich absieht, siehst du dich mit mehr als einer Person konfrontiert, die gemeine Techniken drauf hat. Dann sind das mehrere – mit Schusswaffen, Schlagstöcken und ähnlichen Freundlichkeiten. Und dich in dieser Gegend abzufangen ist denkbar einfach.“

„Aber Pegasus ist nicht hinter mir her.“, knirschte Katsuya, „Und mit mehreren und Schlagwaffen kann ich umgehen.“

Seto seufzte fast lautlos, legte sein Gesicht kurz in seine Hände und zog diese seine Haut hinab, bevor er sprach: „Ich würde es einfach nur lieber sehen, wenn du deinen Job hier aufgibst.“

„Es ist meine Sache, was ich mache.“, gab der Jüngere giftig zurück.

„Schon gut.“, der Andere erhob sich und bot ihm eine Hand an, die jedoch geflissentlich ignoriert wurde, „Kriegst du dich jetzt mal wieder ein?“

„Keine Lust.“, gab der Blonde nur zurück, kam zu Stehen und sah sich um, „Wo ist dein Wagen?“

„Habe ich wirklich Lust dich durch die Gegend zu kutschieren?“, murmelte Seto.

„Was willst du? Sex? Meinetwegen mach ich die Beine breit, wenn wir zuhause sind. Kein schlechter Preis für einen Taxiservice, was?“, zischte Katsuya ihm zu und fixierte ihn durch zusammen gezogene Lider.

„Du kannst einem echt auf die Nerven gehen.“

„Gleichfalls.“

„Komm mit.“, der Brünette wandte sich ab und ging die Gasse hinunter. Katsuya zuckte nur mit den Schultern, bevor er ihm folgte.
 

„Hast du echt Lust auf Sex?“, fragte Seto ohne einen Seitenblick in seine Richtung, als sie schließlich im Wagen saßen.

„Würdest du dich dafür entschuldigen mir weh getan zu haben, vielleicht.“, Katsuyas Augen richteten sich stur auf das Fenster zu seiner rechten, obwohl sich ihr Blick im Nichts verlor.

„Ich muss nicht drum betteln.“, der Ton des Brünetten war eher abfällig als spaßhaft.

„Bisweilen kannst du ein so gottverdammtes Arschloch sein...“, von den sonst warmen, freundlichen, braunen Augen schoss ein eiskalter Blick in die Richtung des Fahrers, „Könntest du so gut sein den Part von dir wieder rauszukramen, der auch nur einen Funken Sympathie für mich empfindet, vielleicht sogar freundschaftliche oder darüber hinaus gehende Gefühle?“

„Wow, wie hat dein Spatzenhirn solch viele Worte aneinander reihen können?“, schnarrte Seto zurück.

„Was ist dein Problem, Alter?“, der Blonde fuhr herum und zeigte auf den anderen, „Was für eine Scheiße geht da jetzt wieder durch deinen Kopf, dass du so abdrehst?“

„Mäßige dich.“, befahl dieser.

„Komm mir nicht auf die Erziehertour! Du tust mir weh, du beschimpfst mich und ich habe keine Ahnung, warum du auf diesem Trip bist. Also erklär‘ es mir.“, Katsuya wartete einige Sekunden still, doch ließ sich seufzend zurück in seinen Sitz fallen, als keine Antwort kam, „Du predigst doch immer die Wichtigkeit von Verständnis in einer Beziehung. Also was ist los?“

„Nichts.“

Der Blonde verdrehte die Augen und meinte genervt: „Pegasus war nicht einmal in der Nähe.“

„Darf ich mir nicht trotzdem Sorgen machen?“, gab Seto aggressiv zurück.

„Ah... wir nähern uns der Sache.“, der Jüngere verschränkte die Arme, „Du hattest Angst, dass Pegasus mir etwas antut?“

„Ja...“, oh, leise... möglicherweise schuldbewusst?

„Ist das der Grund oder gibt es noch mehr, warum du so komisch bist?“

„Weiß‘ nich‘...“, Trotz, abgekürzte Worte – Klein-Seto wurde zur Problemlösung vorgeschickt. War das Kind nicht die Persönlichkeit, die durch die Spaltung geschützt werden sollte? Verrückt...

„Sagen wir, dass sei der Grund. Ist das eine Rechtfertigung mir beinahe den Arm auszukugeln und mir Schmerzen zuzufügen?“

Schweigen.

„Nein.“, antwortete Katsuya selber, „Ist es nicht. Geht das in deinen Dickschädel?“

Schweigen. Nun ja, was anderes hatte er auch nicht erwartet. Seto war eine Entschuldigung meist sehr schwer abzuringen. Aber die Aktion eben war wirklich absoluter Mist gewesen. Wie kam man bloß auf die Idee? Er seufzte. Seto halt... kleines, krankes Hirn. Das fabrizierte echt komische Ideen, wenn es sich Sorgen machte. Vielleicht sollte er den Job wirklich kündigen, allein, um sich den Ärger mit Seto zu ersparen.
 

Das noch immer anhaltende Schweigen wurde wenige Minuten später durch das Gedudel von Setos Handy unterbrochen. Dieser seufzte nur leise und drückte die Annahme auf dem Lenkrad.

„Guten Abend, Herr Kaiba.“

Katsuya zuckte zusammen, während Seto sofort den Blinker setzte und von einer Sekunde auf die nächste am Straßenrand stand und in sein Jackett griff.

„Ich hoffe, ich störe ni-“, der Brünette drückte einen Knopf und hielt das Mobiltelefon an sein Ohr.

„Nein, ganz und gar nicht.“, er warf einen Blick in die Spiegel und drückte einen roten Knopf auf dem Armaturenbrett, „Ja, das ist möglich.“, er studierte Katsuya einen kurzen Moment, „Ungefähr zehn Minuten.“, er wandte seine Augen zur Frontscheibe, „Ja, bis gleich.“

„Was?“, fragte der Blonde leise mit zittriger Stimme, „Was will sie?“

Das war seine Mutter gewesen. Ohne Frage war das seine Mutter gewesen. Niemand sonst hatte eine so hohe, nasale Stimme und solch einen herablassenden Ton.

„Dass wir ins Krankenhaus kommen. Pronto.“, Seto drückte den Knopf noch einmal, setzte den Blinker, sah nach links und fuhr an, „Sie hat nicht gesagt, was los ist, aber ich konnte deine Schwester weinen hören.“

„Was? Aber-“, Katsuya brach den Satz von selbst ab, bevor er ruhig noch einmal ansetzte, „Meinst du, es ist etwas mit dem Kind?“

„Gut möglich.“, sie folgten der Beschilderung, die das Krankenhaus schon hier mit Fahrempfehlungen verzeichnete, „Vielleicht hat sie auch einfach so einen Nervenzusammenbruch. Oder sie ist der Schwangerschaftsdepression zum Opfer gefallen.“

„Einer was?“, eine blonde Augenbraue hob sich.

„Komplikationen während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett depressiver Natur oder so. Frag‘ mich bitte nicht nach dem Fachbegriff. Depression als Symptom einer Anpassungsstörung. Taucht bei zehn bis fünfzehn Prozent der Schwangeren auf.“

„Uh-huh...“, murmelte der Blonde unbestimmt, „Hört sich alles nicht prickelnd an.“

„Wir werden sehen, was wir tun können. Wenn es etwas gibt, was in unserer Macht liegt, machen wir das, hm?“, Seto warf ihm einen kurzen Blick zu, worauf ihn Katsuya einige Momente betrachtete.

„Warum bist du plötzlich wieder nett?“, aus seiner Stimme sprach Verzweiflung.

„Weil du gerade jemanden brauchst, der nett zu dir ist.“, gab der Fahrer nur als kryptische Antwort.

„Ach, und vorhin brauchte ich jemanden, der mir Schmerzen bereitet?“, Katsuyas Lider verengten sich.

„Du brauchtest jemanden, um dich von deinen Gedanken abzulenken. Du schlägst nicht aus Spaß Backsteinwände.“, nicht nur seine Stimme, selbst Setos Gesicht wirkte entspannt, „Ich bin leider noch nicht so gut wie du, dass ich dich mit Worten abgelenkt kriege.“

Backstein... stimmt... er hatte sich wegen Mai aufgeregt. Dass sie von dem Geld schwärmte, was Pegasus mit Kinderhandel machte. Direkt nachdem er fast von Yami überzeugt worden war, dass es eine gute Idee war sich zu prostituieren und bei Yakuzas einzubrechen, um diesen Kindern zu helfen. Er war reichlich verwirrt und aggressiv gewesen... ja – Seto hatte ihn effektiv abgelenkt.

„Wusstest du, dass Yami Kanae kennt? Er hat ihr aus der Szene geholfen.“

„Wirklich?“, der Ältere hob eine Augenbraue, „Die Welt ist ein Dorf. Dann ist mir auf jeden Fall klar, warum es ihr so gut geht. Wahrscheinlich hat Yami sie auch psychologisch betreut. Nur die Traumata hat er mit ihr nicht aufgearbeitet. Vermutlich, weil Yumi ihn irgendwann rausgeschmissen hat... sie hat ein wenig was gegen Schwule. Ich vermute, Yamis Aussehen würde ihr echt gegen jeden Zeiger gehen.“, so etwas wie ein Lächeln legte sich auf Setos Lippen, „Möglicherweise hat er aber auch einfach nicht lange die Therapeutenrolle einnehmen wollen. Ist ja nicht so, als hätte er nicht genug Arbeit.“, er hielt vor dem Klinikeingang, „Willst du schonmal hoch gehen? Ich bringe den Wagen weg. Sei nur vorbereitet, dass deine Mutter da sein wird.“

„Kay...“, murmelte Katsuya, sah kurz zu Seto, setzte ihm einen Kuss auf die Wange und verließ den Wagen. Auf in den Kampf.

Betrug

Ich sagte, es geht Richtung Höhepunkt, nicht dass dieses Kapitel der Höhepunkt ist. Allerdings macht es einen rasanten Schritt vorwärts.

Was mein persönliches Leben angeht, so war sowohl die Messe als auch die Medifete am Wochenende, sodass ich jetzt mehr freie Zeit habe ^.^ Also mehr Schreiben *v* Mir ist nur aufgefallen, dass ich eine noch unveröffentlichte Story bis Donnerstag fertig kriegen wollte, da werde ich jetzt vorerst alle Mühe reinstecken, da da noch so zehn bis zwanzig Seiten fehlen X.X

Euch erstmal viel Spaß beim Lesen des neuen Kapitels ^.-
 

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„Na endlich.“, moserte Frau Kamiya, musterte ihn von oben bis unten und legte den Kopf ein Stück in den Nacken, „Es wurde auch Zeit.“, sie trat ein Stück beiseite und gab die Sicht frei auf seine Schwester, die ihr Gesicht hinter einem Taschentuch verbarg, „Ich denke, ich hole mir einen Kaffee.“, seine Mutter ging an ihm vorbei und stöckselte den Gang hinab.

Katsuya schluckte, trat einen Schritt vor, klopfte an der offenen Tür und trat ganz ein, bevor er sie hinter sich schloss. Ein Blick zum zweiten Bett im Zimmer verriet ihm, dass Frau Kibayashi wohl schon entlassen worden war, denn es war nicht nur leer sondern auch frisch überzogen.

„Schwesterchen...“, er trat zu ihrem Bett, bemerkte dabei im selben Moment ihr flach herab fallendes Oberteil und die Krippe neben ihrem Bett, „Dein... a- Isamu?“, er zeigte auf das neue Mobiliar.

„Huh?“, Shizuka ließ das Taschentuch sinken und sah ihn an, verfolgte die Richtung seines Fingers und zurück, „Hat... Mama dich nicht angerufen?“

„Ähm... doch, vor zehn Minuten. Dass du mich sprechen willst.“, sein Blick wanderte zwischen ihr und der Krippe hin und her, blieb jedoch auf ihr, als sie aufschluchzte und ihr Gesicht wieder verbarg, „Hey... Kleines...“, er nahm auf ihrer Bettkante Platz und strich mit einer Hand über ihr Haar, „Was ist denn passiert?“

„Ach, es- es... so vieles...“, sie schluchzte, presste die Lippen zusammen, strich sich mit dem Tuch die Tränen weg und putzte ihre Nase, „Ja, das ist Isamu.“, sie nickte zur Krippe hin, „Einunfünfzig Zentimeter, dreitausendzweihundertsiebzig Gramm, kerngesund.“, sie schloss die Lider und ließ den Kopf hängen, „Gegen drei Uhr achtundfünfzig heute morgen geboren. Ich hatte Mama gebeten dich unbedingt anzurufen.“, sie schluchzte erneut auf und ballte ihre schmalen Hände zu Fäusten, „Sie hat es nicht gemacht, richtig?“

„Um... nicht, dass ich wüsste. Seto und ich hatten beide unsere Handys auf dem Nachttisch.“, Katsuya atmete tief durch und stellte sich kurz vor, wie er seine Wut packte und in eine Kiste schloss – seine Schwester brauchte ihn erstmal, „Herzlichen Glückwunsch zur Geburt deines ersten Kindes und vor allem, dass er gesund ist. Es tut mir Leid, dass ich nicht dabei war.“

„Danke...“, sie hob schüchtern den Kopf ein wenig, sah zu ihm hoch, setzte sich ein wenig um und legte vorsichtig die Arme um seinen Hals.

„Geht es? Tut das nicht weh?“, erkundigte er sich vorsichtig und legte eine Hand auf ihren Rücken, um diesen damit auf und ab zu fahren.

„Danke, Kats... danke, dass du gekommen bist.“, er konnte sie an seiner Schulter schlucken spüren, „Danke...“

„Immer doch, Kleines, immer...“, er schloss die Lider, „Aber was hat dich denn so aufgeregt, hm? Warum die Tränen?“

Sie schluchzte wieder auf, klammerte sich an ihn, als wäre er ihre Rettungsleine und drückte ihr schmales Gesicht gegen sein Shirt. Tief durchatmend rückte er näher und schloss sie ganz in seine Arme. Hatte sie wirklich irgend so eine Depression vom Kinderkriegen? Na ja, war vielleicht verständlich, wenn man neun Monate ein Kind in sich trug und das plötzlich ein eigenes Wesen außerhalb des Körpers war... dann die Angst, wie es weitergehen sollte, wer sich um die Versorgung von Isamu kümmerte, ob sie ohne Abschluss Arbeit suchen musste oder weiter zur Schule gehen konnte...

War sicher keine leichte Situation.
 

„Na?“, flüsterte er sanft und strich über ihr hellbraunes Haar, als sie aufgehört hatte zu weinen, „Besser?“

„Hm-hm...“, sie nickte schwach und lehnte sich ein Stück zurück, bevor sie zu ihm aufsah, „Darf ich dir deinen Neffen vorstellen?“

„Aber bitte.“, er sandte ihr Lächeln in einem Vielfachem zurück. Sie rutschte auf dem Bett hinüber, während er aufstand und hob Isamu somit auf ihren Arm, als er sich wieder setzte. Auf den ersten Blick war nicht mehr auszumachen als ein riesiges Knäuel weißer Decken. Aber Shizuka lächelte es sanft an, demnach musste darin wohl doch irgendwo ein Kind versteckt sein.

„Komm ruhig näher.“, sie lächelte herüber, „Er kann noch nicht beißen.“, sie sprach leise, also schien das Kind – trotz ihrem vorherigen nicht unbedingt geräuschlosen Weinen – zu schlafen.

Er rückte heran, worauf sie ihm gleich das ganze Bündel gegen die Brust drückte. Er sollte doch nicht etwa- so was Kleines? Das machte er doch nur kaputt! Sie konnte ihm doch nicht ihr Baby anvertrauen!

„Einen Arm hier drunter. Genau... und den anderen so.“, sie zog den zweiten Arm in Stellung, „So ist das genau richtig.“, sie betrachtete sie beide kurz und kicherte, „Du bist ja fast so weiß wie das Laken... ganz ruhig, es ist nur ein Baby. Die sind nicht so zerbrechlich, wie sie aussehen.“

„Nicht?“, seit wann war seine Stimme so hoch? Seit er diesen Kopf gesehen hatte, der kaum größer als seine Handfläche war – wenn überhaupt? Er leckte sich über die Lippen und erinnerte sich selbst daran, dass er Sauerstoff zum Überleben brauchte. „Er ist... winzig.“

„Tut trotzdem ziemlich weh so was zu gebären.“, sie zwinkerte, „Aber er ist ein ganz ruhiges Kind. Seit sie ihn mir auf die Brust gelegt haben, hat er nur noch leise vor sich hin gemault. Selbst, wenn er Hunger hat, macht er nur kleine Geräusche. Mama meint, wir beide wären weit lauter gewesen.“

„Dein Sohn möchte es dir wohl leicht machen.“, er betrachtete lächelnd das doch etwas zerdrückte Gesicht und legte seine eine Hand ein wenig um, sodass er vorsichtig über den schwarzen Haarflaum streichen konnte, „Welche Augenfarbe hat er?“

„Ein bisschen dunkler als deine. Ein Braun so wie mein Kettenanhänger.“, sie hob die silberne Kette, in der ein Tigerauge eingebettet war.

„Wie lange bleibst du noch hier?“, er sah wieder auf und hielt das Baby einfach nur sicher an seiner Brust. So langsam begann er zu glauben, dass er Isamu nicht aus Versehen fallen lassen würde, sobald er auch nur einen Muskel bewegte.

„Eine Woche... wahrscheinlich Freitag oder Samstag.“, sie seufzte leise und sah aus dem Fenster, hinter dem es schon dunkel war, „Am Montag kommt Herr Sarowski, um...“, ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen, „Wegen... dem Heim... und der Finanzierung... und...“, sie schluchzte auf und hob die Hände vor ihr Gesicht, „Bei allen Göttern...“

Katsuya schluckte und warf einen traurigen Blick auf Isamu herab.
 

„Shizuka?“, fragte der Blonde vorsichtig und brachte Isamu zurück in seine Krippe, als sie nicht reagierte. Ein Wunder, dass das Kind so sorglos schlief. Vielleicht hatte er sich an das Geräusch ihrer Tränen aber auch einfach schon gewöhnt. Er setzte sich nah an sie und zog sie wieder in seinen Arm.

„Wozu mache ich das alles?“, brachte sie zwischen zwei Schluchzern hervor, „Warum...“

„Sch...“, vorsichtig zog er ihre Hände von ihrem Gesicht, wodurch sie diese um ihn legte, „Ruhig, Kleines... was ist los?“

„Ich... ich...“, sie entzog sich ihm ein Stück, griff nach einer Taschentuchpackung auf ihrem Nachttisch und putzte sich die Nase, bevor sie sprach, „Ich... ich weiß auch nicht. Ich hatte mir vorgestellt, dass ich zu Ryuji ziehe. Dass sein Vater sich um Isamu kümmert, während wir zur Schule gehen. Oder ich ein Jahr aussetze. Oder ganz aufhöre. Ich weiß auch nicht... ich wollte einfach nur mit ihm zusammen sein. Eine Familie haben...“, sie schluchzte wieder, doch versuchte im selben Moment die Tränen von ihren Wangen zu wischen.

„Ein Heim mit vielen Müttern und Kindern, wo du immer noch zur Schule gehen kannst, ist sicher keine schlechte Alternative.“, Katsuya zog die Augenbrauen zusammen und streckte die Hand nach ihr aus.

„Nein!“, rief sie uns richtete ihre verweinten Augen auf ihn, „Was bringt es ein Kind zu kriegen, wenn es dafür sorgt, dass man völlig allein ist? Ich... ich weiß, dass Isamu nichts dafür kann, aber...“, sie ließ den Kopf sinken und schüttelte ihn, „Wenn er nicht wäre, dann hätte Mama mich noch lieb und Ryuji... Ryuji hätte mich auch noch gern...“

Katsuya erstarrte. Seine Lider weiteten sich. Die braunen Augen fixierten Shizuka und sahen sie doch gleichzeitig nicht.

Das... konnte sie nicht ernst meinen. Das hatte sie nicht gerade gesagt, oder? Isamu war nicht einmal einen Tag alt. Nicht einen einzigen. Und von ihrer Liebe für ihn und der Freude ein Kind zu kriegen war nichts mehr übrig als diese reuevolle Hülle. Hatte sie sich wirklich gerade gewünscht Isamu hätte nie existiert?

Er warf einen hilflosen Blick zur Krippe hinüber. Gab es denn niemanden, der dieses wunderschöne Kind liebte? Alle Großeltern schienen völlig krank zu sein, der Vater war – wenn er Shizukas Worte gerade richtig deutete – nicht sehr begeistert davon einen Sohn zu haben und seine Mutter wünschte ihn weg. Bei allen Göttern, das war ein gesundes, absolut liebenswürdiges Baby! Was war plötzlich los?

„Shizuka...“, er drehte seinen Kopf langsam wieder ihr zu, „Ryuji und du... eure Beziehung läuft nicht?“

Sie schloss die Lider, schluchzte und schüttelte den Kopf.

„Dachtest du, Isamus Geburt würde daran etwas ändern?“, fragte er, die Stimme völlig emotionslos, im Gesicht den Ausdruck einer bösen Vorahnung.

„Na- natürlich!“, sie sah erschrocken auf, „Isamu ist schließlich sein Sohn!“, sie verzog die Lippen, doch unterdrückte das Schluchzen, „Er- ich- wir- irgendetwas müssen wir ihm doch bedeuten, nicht wahr? Es kann ihm doch nicht egal sein, dass er jetzt einen Sohn hat.“

„Und du kannst ihm nicht egal sein, weil du schließlich seinen Sohn geboren hast?“, Katsuya erhob sich, doch durchbohrte sie mit seinem Blick.

Sie sah erschrocken auf, zuckte zusammen, wich ein Stück zurück und flüsterte: „Katsuya?“

„Wolltest du nicht anders sein als Mutter?“, er sah auf sie hinab und verengte die Lider, „Stell dir vor, nur weil sie schwanger war und später ein Baby im Haus war, hat Vater nicht aufgehört zu saufen und sie zu schlagen. Das hat er erst, als du kamst. Und warum? Weil sie mich als Prügelknaben angeboten hat, damit er ihr nicht das Kind aus dem Bauch schlägt. Sie hat jede Emotion für mich abgeschnürt, damit ihr beide eure Ruhe habt.“, er schüttelte langsam den Kopf, „Meinetwegen. Sie wusste es nicht besser. Aber du solltest das. Du solltest daraus wenigstens gelernt haben, das Babyskriegen keine Lösung für Probleme ist.“

Sie schluchzte auf und drückte die Hände auf ihre Ohren.

„Isamu bringt dir nicht deine Beziehung zurück. Er ist einfach nur ein Baby. Nichts anderes. Kein Wundermittel, um dein Leben in Ordnung zu bringen. Kein Wesen, das dir plötzlich unendliche Liebe einbringt. Es wird nicht alles schön und wundervoll, nur weil du ein Kind hast.“, sie schüttelte den Kopf und presste ihre Handinnenflächen stärker gegen ihre Ohren, „Und falls du jemals auf den Gedanken kommen solltest, dass Isamu die Schuld daran trägt, dass dein Leben gerade so den Bach runter geht, werden wir beide ein ernsthaftes Gespräch führen, Schwester.“

Er betrachtete die zusammen gekauerte Gestalt, warf einen letzten Blick auf den – immer noch schlafenden – Isamu und verließ das Zimmer.
 

Da stand sie. Keine zehn Meter den Gang hinunter. Ein Pappbecher mit Kaffee, ihr gegenüber Seto, ebenfalls mit Kaffee. Welch eine Eintracht. Sie musste ihm nur noch die Zunge in den Hals stecken und das Drama wäre perfekt.

Er schenkte beiden nur einen kurzen, wütenden Blick, bevor er an ihnen vorbei rauschte.

„Katsuya?“, Seto versuchte ihm eine Hand auf die Schulter zu legen, doch er schüttelte sie mit einem kurzen Schlag nach hinten ab.

Ohne ein weiteres Wort ging er weiter zum Treppenhaus und machte sich auf den Weg nach draußen. In dem Moment, wo er die Außentür durchschritt und das Telefonverbot aufgehoben war, zückte er sein Handy und tippte auf Ryous Nummer.

Tut.

Wo sollte er zuerst hin?

Tut.

Er hatte keinen Schlüssel von zu Hause. Zumindest nicht...

Tut.

Er zog einen einzelnen, völlig schmucklosen Schlüssel hervor.

Tut.

Der Bezirk lag nicht weit von hier. Nur ein paar Gehminuten.

Tut.

„Katsuya?“, fragte Ryou mit Freude in der Stimme.

„N’Abend.“, sein Ton schwankte im Bereich gefährlicher Ruhe, „Ist dein Bruder da?“

„Ähm... ja...“, der Andere schluckte und sprach leise und eingeschüchtert, „Ich geb‘ ihn dir...“

„Huh?“, kam Sekunden später eine wie immer reichlich genervt klingende Stimme, „Was haste, Töle?“

„Wut.“, antwortete der Blonde schlicht und machte sich auf in Richtung Bezirk neunzehn-zwölf, „Ich brauche eine Adresse.“

„Ich brauche einen Namen.“, gab Bakura nur zurück.

„Ryuji. Geht auf dieselbe Schule wie Shizuka Kamiya, Mittelschule, letzter Jahrgang. Irgendwo in Domino.“, das Geräusch von Tasten war im Hintergrund zu hören und er musste sich nur wenige Momente gedulden.

„Hab‘ sie. In ihrer Freundesliste befindet sich ein Ryuji Otogi.“, Klicken, „Er hat keine Adresse angegeben. Ich versuche mich mal auf den Schulserver zu hacken. Ansonsten suche ich die Daten über die Polizei. Ich ruf‘ dich an, sobald ich etwas habe.“

Der Blonde brummte so etwas wie eine Zustimmung.

„Ach, Katsuya?“, die Stimme des anderen ging in ein bestialisch klingendes Säuseln über, „Als Belohnung für meine Arbeit...“

„Was willst du?“, gab er nur kalt zurück.

Geld? Kaum. Einen Gefallen? Unwahrscheinlich. Ryujis Eingeweide mit rosa Schleife? Schon eher. Irgendwie würde es machbar sein.

„Zuschauen.“

Tut.

Tut.

Tut.

Dreck

Back in da habit ^.^ So, für alle, die mich am Wochenende erlebt haben: Ich bin noch problemlos fertig geworden. Ich habe zwar für heute noch nicht gelernt, aber ich habe mich für meine zwei freien Stunden mit einer Freundin in den Fachschaftsraum geschmissen und Kampfschreiben veranstaltet.

Und ich liebe dieses Kapitel *.* Viel Spaß beim Lesen!
 

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Katsuya rümpfte die Nase.

Was für ein Drecksloch. Hier hatte sich wirklich rein gar nichts verändert. Der Staub lag an denselben Stellen, die Flecken an den Wänden waren dieselben und nur das Ungeziefer schien eine Art von Wandel durchlebt zu haben – es machte den Ort jedoch nicht ansprechender.

Er klopfte – vorsichtig – an der Holztür, um zu vermeiden sie in der Wut aus den gerosteten Angeln zu schlagen. Leise Sohlen schlichen sich auf der anderen Seite an die Tür, ein Gewicht drückte sich gegen das Holz, bevor eine Stimme misstrauisch fragte: „Wer ist da?“

„Kats.“

„Was?“, Hiroto riss die Tür auf und starrte ihm weitäugig entgegen, „Katsuya? Ich dachte, dich hät's erwischt!“

„Mir geht es bestens.“, erwiderte der Blonde mit eiskaltem Ton, „Ich bin umgezogen.“, Hiroto öffnete den Mund, um eine Frage zu stellen, doch er kam ihm zuvor, „Ich wollte nur fragen, ob du kurz mit rüber kommst. Ich muss etwas holen und habe keine Lust auf eine Auseinandersetzung mit dem Alten.“

„Oh... ja...“, Hiroto rieb mit seinem Zeigefinger unter seiner Nase her, „Ehrlich gesagt... habe ich den schon lange nicht mehr gesehen...“

„Du meinst, er ist tot?“, fragte Katsuya nur, die Stimme ohne jede Emotion.

„Weiß' nich'... vielleicht... lass uns einfach mal rüber gehen. Hast du einen Schlüssel?“

Der Jüngere hob jenen wortlos hoch, ging ein paar Schritte zur Seite und schloss die dortige Tür auf. Hiroto griff sich noch etwas, schluckte, zog seine Tür hinter sich zu und trat zu Katsuya.

Kein Müll auf den Gängen. Ein paar leere Flaschen, keine einzige, in der mehr als ein Tropfen zu finden war. Nur die Wände hatten keinen Wandel durchzogen, ein feiner Film von Pilzen zog sich darüber, unterbrochen von Fliegenkadavern. Ein Blick ins Wohnzimmer – leer, sogar mit ausgeschaltetem Fernseher. Die Küche – leer, so wie der Kühlschrank.

„Er ist nicht da.“, schloss Katsuya und ging ohne vorsichtiges Schleichen zu seinem Zimmer hinüber.

„Sicher?“, Hirotos Stimme war eine Etage in die Höhe gerutscht, „Hat er dein Zimmer für sich...“

„Keine Ahnung.“, der Jüngere öffnete die Tür ohne jedes Zögern, „Anscheinend nicht.“

Selbst die Scherben bedeckten noch den Boden. Ebenso wie die Bilder. Katsuya blieb im Türrahmen stehen, sog langsam die Luft ein und ließ seine Züge fallen. Seine Bilder... er ging langsam auf die Knie und griff nach dem ihm am nahe liegensten.

Ein Totenkopf.

Eine abgemagerte Hand, halb von Schnaps verlaufen.

Ein Arm mit aufgeschnittenen Pulsadern, befleckt.

Er bewegte sich ohne sich aufzurichten weiter vor und sammelte die Bilder – oft nur Papierfetzen – ein. Die Motive zeigten nichts als Wunden, Skelette, Waffen. Krieg, Leichen, Schatten.

„Für dich.“, er drückte die Blätter Hiroto gegen die Brust, „Tu' damit, was du willst, aber sag es mir nicht. Nimm sie einfach nur und lass sie verschwinden.“

„Ähm... okay...“, der Brünette blinzelte, ließ den Blick langsam auf das Papier sinken und hob ihn mit derselben Geschwindigkeit, „Das sind deine geliebten Bilder, auf die du immer so stolz warst...“

„Ja.“, Katsuya sah ihn nicht mal an, wandte sich nur dem hinteren Teil des Zimmers zu, wo ein Haufen von Dingen lag, die er zurück gelassen hatte. Ein paar Kindershirts fanden einen neuen Platz, gaben die Sicht frei auf die Eisenstange, die unschuldig auf dem Boden lag.

Blutig.

Von Tieren. Von Menschen. Von sich selbst.

Das Lächeln, das sich auf seine Lippen legte, war bestialisch, doch seine Stirn lag in Falten und die Lider müde über den von Tränen verschleierten Augen.
 

„Ah, hi, Kats...“, Ryous blaue Augen fuhren seine Gestalt auf und ab, „Bakura hat mich schon vor gewarnt, dass du... auftauchst... so...“

„Hat er die Adresse?“, noch immer entfloh seiner Stimme keine Emotion.

„Komm rein...“, der Kleine öffnete die Tür, versteckte sich dabei dahinter und blieb in der Küche, während Katsuya ins Wohnzimmer ging, wo der PC stand.

„Gefunden?“, fragte er ohne jede Begrüßung.

„Bah... wie siehst du denn aus?“, Bakura musterte ihn ebenso wie Ryou, „Hast du keinen ordentlichen Mantel?“

„Zuhause.“, gab Katsuya nur Auskunft.

„Lass dir von Ryou einen geben.“, der Silberhaarige wandte sich wieder dem Bildschirm zu, „Ich suche derzeit die beste Verbindung von hier raus.“

„Ryou?“, rief Katsuya auffordernd.

Im Türrahmen erschien Ryou zögernd, legte zuerst die Hände daran, bevor er mit dem Kopf hervor lugte. Seine Stirn lag in Falten und Tränen standen in seinen Augen.

„Bakura sagt, ich soll mir einen seiner Mäntel holen.“

„Kay...“, der Jüngste schluckte und und wich vom Türrahmen zurück, „Komm mit...“, Katsuya folgte ihm ins letzte Zimmer der Wohnung, wo hinter ihm die Tür geschlossen wurde, „Katsuya... du machst mir Angst.“

„Sorry.“, gab der Blonde ohne jede Reue zurück.

„Bitte sag mir, was ihr vorhabt.“, die feucht glänzenden, blauen Augen wandten sich ihm flehend zu, „Bitte, Katsuya... ich habe wirklich Angst... was ist mit dir passiert?“

„Mich hat jemand verdammt angepisst.“, gab er nur zurück, „Gib' mir einen Mantel.“

„Katsuya...“

Es folgte nur noch ein abschätziger Blick, bevor Ryou schluckte und sich dem Schrank zu wandte, während eine Träne über seine Wange lief.

„Wir werden uns nicht verletzen.“, versicherte Katsuya, „Nur andere.“

„Das macht es nicht besser...“, der Weißhaarige schloss die Augen und hielt ihm nur den Mantel hin, „Ich wünschte, es gäbe nicht dauernd etwas, was euch möglicherweise ins Gefängnis brächte.“

Gefängnis. Katsuya erstarrte. Was euch möglicherweise ins Gefängnis brächte... Gefängnis. So wie Seto. Dinge, die möglicherweise ins Gefängnis brächten. Wie er mit Seto. Er schloss die Lider und atmete zitternd aus. Gefängnis... wie konnte er von Seto etwas verlangen, was er nicht einmal selbst einhielt?

„Du hast Recht...“, Katsuya sah zwischen dem Mantel und Ryou hin und her, „Es wäre falsch... wir sollten nichts tun, was uns ins Gefängnis bringt.“

Ein Spalt brach zwischen die jungen Lippen, bevor sich ein Lächeln auf diese legte. Nachdem Ryou ihn einen Moment studiert hatte, hauchte er ihm ein Danke entgegen.

„Aber wir werden etwas tun. Wenigstens reden... es braucht ein Wort mit diesem Typen.“, Katsuyas Lider verengten sich, „Nun, Bakura wird es wohl enttäuschen. Ich glaube, er hat sich auf ein Blutbad gefreut.“

„Wer hat dich denn so sauer gemacht?“, erkundigte Ryou sich fröhlich und trat an ihn heran.

„Der Freund von meiner Schwester. Ihr Kind ist jetzt da und er taucht nicht auf.“, Katsuya atmete tief durch, „Dieses Arschloch braucht ein wirklich ernstes Wort.“

„Um, deine Schwester?“, der Jüngere legte den Kopf schief.

„Hatte ich dir gar nicht von ihr erzählt?“

Er schüttelte den Kopf.

„Ich habe sie letzte Woche Donnerstag im Gericht wieder getroffen. Hochschwanger.“, der Blonde lächelte und warf sich den Mantel über, „Dabei ist sie erst sechzehn. Unsere Rabenmutter ist natürlich auch wie immer dieselbe und ihr Kerl hat sie wohl verlassen. Von zweiterem wusste ich bis eben nichts, wo ich sie im Krankenhaus besucht habe.“

„Du gehst für deine kleine Schwester?“, der Weißhaarige schloss die Arme um seine Taille und sah zu ihm auf.

„Und wohl für mich auch... die ganze Situation macht mich echt wütend. Eine Runde mit Bakura durch die Straßen zu ziehen, hört sich wie eine gute Ablenkung an.“

„Kay...“, der weiß behaarte Kopf legte sich gegen seine Brust, „Stellt nichts allzu Böses an, ja?“

„Wie gesagt, nichts, für das man uns einsperrt.“

Denn das setzte voraus, dass die Polizei davon erfuhr.
 

„Soll ich dich fragen, was er getan hat oder dämpft das deine Wut?“, erkundigte Bakura sich mit so etwas wie einem Lächeln auf den Lippen – es brachte die anderen Menschen in der U-Bahn dazu noch einen weiteren Meter mehr Abstand zu halten.

„Meine Schwester geschwängert, sie belogen und abgehauen.“, fasste Katsuya zusammen.

„Uh, die Sparte.“, Kuras Lider verengten sich, „Ist sie deine einzige Schwester?“

„Einziges Geschwisterchen. Und wenn es um die Kleinen geht, bin ich wohl nicht anders als du.“, Katsuya lehnte sich zurück, die Arme rechts und links von sich auf der Rückenlehne, die Blick starr auf das Fenster ihm gegenüber, „Erstmal schaue ich, ob er dazu zu bewegen ist mit meiner Schwester ordentlich abzuschließen und ihr ein wenig Unterstützung für ihr Kind zu geben – wenn nicht, heißt es Hölle.“

„Mit Eisenstange und Messer?“, eine silberne Augenbraue hob sich, „Du stehst auf brutale Gewalt, was?“, Katsuya brummte nur unbestimmt, „Es gibt viel schönere Schmerzen... es braucht nur ein paar kleine Schnitte und du kannst Panikattacken künstlich auslösen. Du kannst sie immer weiter steigern, bis das Herz schließlich aufgibt und stoppt. Die angsterfüllten Schreie sind musikalischer Balsam der Seele, glaub es mir.“

„Hast du es ausprobiert?“, fragte der Blonde und legte seinen Blick auf den anderen Neunzehnjährigen neben sich.

„Natürlich.“, ein wölfisches Grinsen, „Wenn auch nur einmal. So was zählt als Mord auf besonders verwerfliche Begehungsweise.“

Oh.

Ha.

Alles klar.

Mord.

Katsuya atmete tief durch.

Man könnte ja positiv denken und sagen, Bakura hätte Vertrauen zu ihm gefasst, dass er ihm verriet, dass er auf diese Art und Weise einen Menschen ermordet hatte. Man könnte auch seinen Gefühlen nachgeben und schreiend davon rennen. Die braunen Augen studierten das von Wut und Hass verzogene, bleiche Gesicht, das von einer Sonnenbrille halb verdeckt wurde. Was hatte den anderen so weit gehen lassen einen Mord zu begehen?

„Warum?“, fragte Katsuya nur.

„Rache.“, gab der Silberhaarige zurück – anscheinend genau wissend, auf was die Frage sich bezog.

„Hat es sich gelohnt?“

Bakura blieb stumm, die Kopf der Fensterfront zugewandt. Sie hielten an einer Station, beobachteten die ein und aus steigenden Menschen, die ihnen furchterfüllte Blicke zuwarfen. Nur eine junge Yankee wagte es einen Sitzplatz in einiger Entfernung einzunehmen.

„Nein.“, antwortete der Andere schließlich, als sie schon längst wieder los gefahren waren, „Die nächste müssen wir aussteigen.“
 

„Hier?“, Katsuya warf einen zweifelnden Blick auf das Apartementgebäude, das wie ein Turm in die Höhe ragte und zwischen den Häusern hervor stieß – gefolgt von einem weiteren und noch einem und noch einem...

„Hier.“, bestätigte Bakura tonlos und zog einen Schlüsselbund hervor, mit dem er nach drei Schlüsseln die Eingangstür des Wohnkomplexes geöffnet hatte, „Siebte Etage, Apartement siebenhundertelf. Ich bin dafür, wir nehmen die Treppe.“

„Roger.“, bestätigte der Blonde, sodass sie sich an den Aufstieg begaben, „Überlass ihn mir, ja?“

„Sicher...“, säuselte der Wolf mit einem dunklen Unterton, „Ich schaue ja nur zu. Vielleicht werfe ich bisweilen einen Tipp ein. Aber ich kenne ja dein Ziel – freundlich zur Humanität bewegen. Mit einem Schuss Nachdrücklichkeit.“

„Du hast sicher schonmal als Schuldeneintreiber für die Yakuza gearbeitet, nicht?“, fragte Katsuya mit einem Schuss ins Blaue.

„Sicher.“

„Verstehe.“, er nickte bedacht und konzentrierte sich auf die Treppe. Stufe, Stufe, Stufe, Schritt, Schritt, Stufe, Stufe... er beruhigte ihn ein wenig. Er konnte sich sammeln. Den Schlüssel für die Kiste suchen, die er im Krankenhaus zugeschlossen hatte.

„Weißt du, wie er lebt?“, fragte Bakura ein Stockwerk später.

„Mit seinem Vater. Angeblich.“

Der Vater. Traute sich nicht raus wegen seinem Gesicht. Hieß, er würde da sein, wenn die Story stimmte. Stellte das ein Problem dar? Möglich... unwahrscheinlich. Es machte die Sache eher leichter. Schließlich waren sie ebenso zu zweit.

„Kannst du deine Wutanfälle unter Kontrolle halten?“, Katsuya beobachtete den anderen aus dem Augenwinkel, doch dieser zuckte nur mit den Schultern.

„Wer weiß?“, ein Lächeln – wie immer verzerrt und entstellt – legte sich auf Kuras Lippen, „Vielleicht. Ansonsten musst du mich von meinem Trip holen. Durch Kaiba solltest du Übung haben.“

„Gewissermaßen.“, gab der Blonde zu, „Aber Wut kann mich auch in Panik versetzen.“

„Ryou ebenso. Mich stoppt es, weil er auf der Liste derer ist, die ich nicht verletzen will.“

Katsuya atmete tief ein, betrachtete den neben ihm Gehenden ohne Scham und rang sich schließlich doch die Frage ab: „Wer steht da noch drauf?“

„Unsere Mutter.“, dieser legte den Kopf zur Seite, sodass das silberne Haar mit einem leisen Geräusch über seinen Mantel glitt, „Sonst keiner.“

„Kurzum... niemand Lebendiges außer Ryou?“, ein Zittern durchlief Katsuyas Körper, sodass er mit einem Mal äußerst glücklich über den geliehenen Mantel war, „Nicht einmal du selbst?“

Bakura hob seinen linken Arm zu sich, griff mit der rechten Hand den Ärmel und zog ihn ein Stück hinab, was einige Zentimeter Haut unter den Lederhandschuhen frei legte. Er drehte den linken Unterarm, sodass Katsuya die dicken, blutverkrusteten Striemen sah, die teilweise mehrere Millimeter breit das weiße Fleisch zierten.

„Gerade ich nicht.“

Begegnung

Wieder einmal ist eine Woche rum, wieder einmal habe ich keine Ahnung, wie ich es geschafft habe ein Kapitel fertig zu stellen und wieder einmal habe ich Kopfschmerzen. Aber egal. Ab morgen habe ich weniger zu tun. Die hoch stressige Zeit, wo ich täglich mindestens zehn Stunden in der Uni war, ist vorbei. Ich muss zwar immer noch morgens um acht Uhr in die Vorlesung (was mich auch immer noch total fertig macht, weil ich echt kein Morgenmensch bin), aber wenigstens trägt ab morgen wieder jemand vor, wo ich nicht neben dem Zuhören noch Schuhe reparieren und mich unterhalten kann ohne dabei etwas zu verpassen -.-

Auch wenn dieses Kapitel in Hast und Stress gedieh, so ist es mir tierisch ans Herz gewachsen. Auf diese Szene habe ich mich schon lange gefreut. Ebenso wie auf eure Reaktion ^.^ Viel Spaß beim Lesen!
 

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Knock. Knock.

„Komme!“, erscholl eine junge Stimme von drinnen und das Geräusch von Schritten auf einem festen Untergrund war zu vernehmen, bevor sich die Tür – mit Vorhängeschloss – öffnete.

Katsuya schob dezent das herab hängende Ende seines Eisenrohrs in den Spalt.

„Äh...“, die Kinnlade des jungen Mannes, der die Tür geöffnet hatte, blieb unten, während sein Blick an den zwei Gestalten auf und ab wanderte. Auf den ersten Blick ein ganz annehmbar aussehender Kerl, schwarze Haare, zwei Ponysträhnen, junges, dünnes Gesicht.

„Ryuji Otogi?“, fragte Bakura emotionslos.

„Äh...“, der Jugendliche schüttelte langsam den Kopf, „Hört mal... ich habe nichts mit der Yakuza am Hut. Wir zahlen ordentlich unsere Miete und Schulden haben wir auch nicht...“

„Es wäre besser, du würdest uns rein lassen.“, informierte ihn Katsuya ruhig.

Ah, die Ruhe... lang nicht mehr getroffen den alten Freund. Jahre in der Gosse ließen ihre Spuren und diese abzuwaschen war nicht nur eine Frage von Zeit sondern auch von Willen. Ob er diesen Willen hatte, war dem Blonden nicht wirklich klar. Diese kalte, ruhige Art half äußerst das Gegenüber einzuschüchtern. Es hatte schon fast etwas von Seto, wenn man es genau betrachtete. Vielleicht hatte aber auch Seto etwas dieser Art – weil sie Menschen mit ihren Erfahrungen die Fähigkeit verlieh andere den eigenen Terror spüren zu lassen. Eher gesagt den, den man selbst erlebt hatte. Genau genommen imitierten sie nur jene, die sie wie große Teufel in ihren Kinderträumen verfolgt und ihre Angst geschürt hatten.

Und jetzt drehte er den Spieß um. Gegen einen Sechzehnjährigen. Gegen einen Vater, der sein Kind vernachlässigte. Ungewollt? Gewollt? Spielte es eine Rolle?

„Jetzt.“, präzisierte Katsuya.

Ryuji schluckte. Sein Atem trat zittrig, leicht hörbar wieder aus. Seine Augen huschten noch einmal die große Gestalt entlang, bevor er die Tür gegen das Rohr drückte und am Öffner hantierte.

„So kriege ich das Schloss nicht auf.“, ließ der Junge unsicher verlauten.

Katsuya hob nur seine Augenbraue, zog die Waffe zurück und stellte sie mit einem leisen Klonk neben sich. Die Tür vor ihnen währenddessen schloss sich – komplett. Still zählte der Blonde bis drei, zeigte Bakura dabei mit seinen Finger die Zahlen an.

„Ryuji... glaube mir, es ist viel einfacher uns reinzulassen. Es kann sehr traumatisch sein, wenn einem Leute die Tür eintreten. Man fühlt sich in den eigenen vier Wänden nicht mehr sicher. Wenn man sie selbst rein lässt, geht es dem Kopf langfristig gesehen besser – und den Finanzen auch.“, erklärte Katsuya ohne größere Emotion.

„Lasst mich in Ruhe!“, schrie dieser mit verweinter, ängstlicher Stimme.

„Ryuji, wir wollen nur reden.“, während dieser Worte begann der Wolf neben ihm bestialisch zu grinsen, „Wir müssen es nicht zu Gewalt kommen lassen.“

„Haut ab! Haut ab!“, gefolgt von einem Schluchzen.

„Wenn du möchtest... geh aus dem Flur, ich will dich nicht wegen einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus bringen.“, ein zweites Mal zählte Katsuya drei Sekunden mit den Fingern ab, bevor er leise seufzte und den Kopf schüttelte, „Er will es nicht anders...“
 

Er reichte Bakura das Eisenrohr, machte einen Schritt zurück und trat mit einer fließenden Bewegung knapp unter den Türknopf. Ein Knacken, ein Splittern, doch keine Öffnung zu erkennen, wodurch er es wiederholte.

„Zähes Teil.“, murmelte er nach dem vierten Mal, nahm sein Eisenrohr zurück und drückte mit der Hand gegen das Holz, wonach es mit einem weiteren hellen Splittern nachgab. In der Ecke des Flurs, der dahinter lag, kauerte Ryuji in der Ecke, wimmerte auf und stolperte in den Raum hinter sich, dessen Tür offen war.

„Hübsch hier.“, urteilte er und sah sich einen kurzen Moment in dem Wohnzimmer um, bevor er wieder Ryuji fixierte, der hinter dem Sofa versuchte seine Tränen und seine hektische Atmung unter Kontrolle zu kriegen.

„Komm raus, du Wurm.“, befahl Bakura und blieb an der Tür stehen, während Katsuya vor trat und sich über das Sofa lehnte.

„Na los. Steh auf, setz dich, nur keine Scheu.“, mit dem Eisenrohr tappte er ihn gegen den Rücken, was beim ersten Mal ein Wimmern hervor rief, „Je besser du kooperierst, desto schneller sind wir wieder weg.“

„Und desto weniger Schaden nehmen du und die Wohnung.“, fügte Bakura leise hinzu.

Mit weit geöffneten Lidern, die Augen zitternd wie die eines in die Ecke getriebenen Kaninchens, sah der Schwarzhaarige hoch, betrachtete einen Moment lang Katsuyas ausdrucksloses Gesicht, bevor er mit einem Schluchzen aufstand und um das Sofa herum ging, um sich zu setzen.

„Geht doch.“, der Blonde drehte sich, sodass er – statt über dem Möbelstück zu lehnen – darauf saß und stellte sein Eisenrohr auf den Boden, eine Hand lässig darauf liegend, „Dein Name ist Ryuji Otogi?“

Der Junge nickte, doch starrte den Fußboden an, die Arme um sich selbst geschlungen.

„Und du bist ein Freund von Shizuka Kamiya?“

„Shizuka?“, der Jüngere sah auf, die Züge von Entsetzen entgleist, „Was ist mit ihr?“

„Sie hat ein Kind bekommen.“, erwiderte Katsuya mit gespielter Ruhe, „Dein Kind, wenn wir richtig informiert sind.“, er lehnte sich näher, „Sind wir doch, nicht wahr?“

„Äh- äh... ja, aber- also- das... das war nicht... das war ein Unfall.“, die Augenbrauen des Jungen zogen sich zusammen und er atmete schubhaft, „Das wollte ich nicht, das... das...“

„Ein Unfall?“, eine blonde Augenbraue hob sich.

„Wir- wir- wir haben nicht aufgepasst.“, Ryuji wich, so gut er konnte, auf der Couch zur Seite, „Ich habe ihr versprochen, dass ich ihr helfe und war mit ihr in der Klinik und, und, und... ich... ich habe es wirklich nicht böse gemeint.“

„Sie ist ein junges, unschuldiges Ding.“, fuhr Katsuya fort, „Noch ganz zierlich und naiv. Für sie ist das nicht leicht...“, er schüttelte mit bedauernder Miene den Kopf, „Sie hat sich gewünscht, dass du bei der Geburt dabei wärst, wusstest du das?“

„Ähm...“, der Schwarzhaarige zog die Beine an sich und kauerte sich dahinter zusammen.

„Setz dich gerade hin, du jämmerlicher Haufen Scheiße.“, wies Bakura ihn zurecht, die Stimme voll eingekerkerter Wut.

„Es tut mir Leid...“
 

Katsuya seufzte.

Okay, er war sechzehn. Er war allein. Er hatte augenscheinlich Angst vor zwei bewaffneten Typen in schwarzen Mänteln. Aber musste er sich so in die Hosen pissen? Sie hatten doch nichts gemacht außer eine Tür einzutreten.

Er langte zu der zusammen gekauerten Gestalt herüber, packte sich einen Arm und zog das Wesen in die Mitte der Couch, bevor er dessen Beine runter drückte, um ihn in eine ordentliche Sitzposition zu stemmen, während das Eisenrohr zur Seite kippte und scheppernd auf dem Boden landete.

„Jetzt mal Klartext.“, seine Lider verengten sich, „Wohnst du hier allein?“

„Mit meinem Vater...“, kam wie ein Piepsen aus Ryuji, während zwei Tränen über seine Wangen rannen.

„Wo ist der?“

„E- er- auf der Arbeit!“, der Junge kniff die Lider zusammen.

„Was arbeitet der?“, setzte Katsuya das Kreuzverhör gnadenlos fort.

„Mu- Museums... ein Führer... im Museum.“

Na klasse. Ganz sicher. Mit Verbrennungen im Gesicht und Angst sich anderen zu zeigen arbeitete man ganz sicher als Führer im Museum. Aber gut, dass das eine Lüge war, hatte man sich denken können.

„Dann habt ihr genug Geld, um Unterhalt für ein Kind zu zahlen, meinst du nicht?“

Ryuji erwiderte nur mit einem Schluchzen, während sein ganzer Körper unter dem Schluckauf erschütterte, den er bekommen hatte. Zu den Tränen auf den Wangen gesellte sich Rotz, der aus seiner Nase über seine Lippen lief. Er versuchte nicht einmal sich gegen Katsuyas Griff zu wehren.

„Hat er sich schon in die Hosen gepisst?“, erkundigte sich Bakura von der Tür aus.

„Wehe ihm...“, murmelte der Blonde nur, „Du hast Shizuka gesagt, sie könnte hier wohnen, falls ihre Mutter sie rauswirft, erinnerst du dich daran?“

Schluchzen.

„War das ein leeres Versprechen?“

Schluchzen.

Katsuya seufzte genervt, packte die Oberarme des Jungen und schüttelte ihn einmal.

„Mach die Augen auf und gib mir eine Antwort, du Dreckskerl!“

„Tut mir Leid...“, fiepte dieser, „...Leid...“, der Rest war nur ein hohes Wimmern.

„Und du hast ihr gesagt, sie könne deinen Vater nicht treffen, weil er Angst vor Menschen hat und Verbrennungen im Gesicht – war wohl auch eine Lüge, was?“

Ryuji zuckte zusammen und hob die Arme, um Kopf und Brust zu schützen, obwohl Katsuya nicht mal eine Hand frei hatte.

„Weiß dein Vater überhaupt, dass er einen Enkel hat?“

Unter jämmerlichen Schluchzen schüttelte der Junge den Kopf.
 

„Heeech...“, Katsuya seufzte tief, ließ den Anderen los und richtete sich auf, „Lass mich schauen, ob ich das richtig verstehe... du schwängerst ein Mädchen, versprichst ihr das Blaue vom Himmel herab, worauf sie sich entschließt das Kind zu behalten, lässt sie dann sitzen und tust so, als wäre nie etwas gewesen?“

„Es tut mir Leid...“, wimmerte dieser noch einmal.

Er fuhr sich mit einer Hand durch das Haar und sah auf Ryuji herab. Nach einem Moment der Betrachtung hob er Bein, schlängelte sich mit einer fließenden Bewegung zwischen den erhobenen Armen empor und drückte mit der Schuhsohle knapp unter der Kehle des Sechzehnjährigen diesen gegen die Rückenlehne des Sofas.

„Ihre Mutter hat sie rausgeworfen, weißt du das?“, nicht ganz wahr, aber auch nicht unbedingt falsch, „Sie muss ins Heim ziehen. Allein mit ihrem Sohn. Sie wird nach der Mittelschule ihre Ausbildung abbrechen, um zu arbeiten, weil sie nicht genug Geld hat, um Schule, Wohnung und Kind zu bezahlen. Sie wird niemals studieren. Und sie ist – ganz – allein.“, betonte Katsuya scharf, „Alles, was sie sich wünschte, war, dass du sie auch nur einmal im Krankenhaus besuchst. Alles, was du tust, ist vor jeder Verantwortung davon zu rennen. Du hast sie belogen, betrogen und im Stich gelassen. Willst du wissen, was ich dir dafür antun könnte, du Kakerlake?“

Ryuji atmete so schnell, dass er sicherlich bald das Bewusstsein verlieren würde. Seine Hände hatten sich um Katsuyas Fußgelenk geschlossen, doch nur ein wenig Umverlagerung seines Gewichts durch Vorlehnen und es war dem Jungen unmöglich den Fuß zu bewegen. Sein Mund stand offen, entließ den Schmerz und Terror, der seinen Körper schüttelte.

Der Neunzehnjährige riss seinen Fuß weg, griff stattdessen mit der linken nach Ryujis Shirt und zog ihn in eine stehende Position. Er trat heran, sodass sein Gesicht sich nur wenige Zentimeter von dem des anderen befand und zischte: „Willst du es wissen?“

Unter weiteren Schluchzern schüttelte der Schwarzhaarige den Kopf.

„Gut.“, er zog sich ein wenig zurück und holte Luft, bevor er weiter sprach, „Du wirst morgen Shizuka besuchen und ihr und Isamu Geschenke mitbringen. Du wirst ihr alles erklären, ihr jede Lüge beichten und dich entschuldigen. Ansonsten wirst du deinem Vater alles sagen und dafür sorgen, dass er Shizuka monatlich Alimente überweist. Und das alles wirst du bis zum Ende dieser Woche tun, haben wir uns verstanden?“

Der Junge nickte wie wild, die Lider fest zusammen gekniffen. Ein Faden von Rotz war auf Katsuya Hand hinunter getropft, sodass er diese zurück zog und am T-Shirt des Sechzehnjährigen sauber machte.

„Ich denke, ich brauche nicht erwähnen, dass es für dich sehr unangenehm wäre unseren gut gemeinten Rat nicht zu befolgen, nicht wahr?“, fügte Katsuya freundlich hinzu, was den starr stehenden, zitternden Jungen nur nicken ließ, „Und falls du auf irgendwelche dummen Ideen kommst...“, meinte er leise und lehnte sich noch einmal vor, „...wir werden es wissen.“

Mit einem letzten Blick auf den verheulten, verrotzten, schluchzenden Teenager trat er zur Seite, hob sein Eisenrohr auf und folgte Bakura, der sich bereits abgewendet hatte und gerade den Flur herunter Richtung Eingangstür ging.

Den Resten der Tür.

Katsuya zuckte im Vorbeigehen mit den Schultern. Sachschaden brachte einen meist nicht ins Gefängnis. Unbefugtes Betreten einer Privatwohnung vielleicht. Aber... na ja...

„Du wirst ein Auge auf die eingehenden Anzeigen bei euch werfen?“, wandte sich der Blonde an den Polizisten, der mit einem breiten Lächeln neben ihm her schritt.

„Aye...“, gab dieser nur mit einem zutiefst befriedigt klingenden Hauchen zurück.

Ein Moment

Ich liebe dieses Kapitel... ich liebe allgemein die Höhepunkte von Storys. Ich wünschte bloß, ich hätte mehr Zeit sie auszukosten. Ich habe das Gefühl, dass selbst, wenn ich frei habe, ich gestresst bin. Es weißt eigentlich auf ein anstehendes Burn-Out hin. Deswegen versuche ich derzeit mich - so gut es geht - zu entspannen und besinnen. Am Mittwoch halte ich mein nächstes Referat, danach habe ich erstmal ein wenig Ruhe damit.

Freitag bis Sonntag bin ich dann in Göttingen - anders gesagt, endlich wieder Zeit zum Schreiben. Ich liebe es in Hotels zu wohnen ^.^ Es regt meine Kreativität ordentlich an! Vielleicht sogar meine Erholung. Wer weiß. Ich wünsche euch allen auf jeden Fall ein interessantes Leseerlebnis ^.-
 

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Seto.

Katsuya erstarrte mitten in der Bewegung, sein Atem stockte und seine Lider weiteten sich merklich. Von einer Sekunden auf die andere schien eine Faust in seinen Magen zu schlagen, mit solch einer Wucht setzte die Übelkeit ein. Er versuchte es zu unterdrücken, doch ein Würgereflex erschütterte seinen ganzen Körper, ließ seinen Kopf nach vorne schlagen. Eine Hand schlug er gegen seinen Bauch, den anderen vor seinen Mund, hinter dem er röchelnd keuchte.

Den Älteren schien das Schauspiel kalt zu lassen. Er lehnte lässig gegen die Beifahrertür seines dunklen Mercedes und nahm mit völliger Ruhe einen Zug von seiner Zigarette, bevor er ohne jede Hektik langsam den Rauch wieder ausblies und der weißlichen Wolke hinterher sah, die durch einen lauen Windstoß hinweg geweht wurde.

„Für einen Job wie diesen ist es unerlässlich sein Gewissen auszuschalten.“, gab Bakura nur von sich und ging ungestört zu Seto herüber, um diesem kurz die Hand zu reichen, „Kein Blut und keine Brüche.“, versicherte er dem Brünetten, nickte ihm zu und ging weiter den Bürgersteig entlang Richtung U-Bahn-Station ohne noch einmal zurück zu blicken.

Katsuya sah ihm hinterher, Angst wie Entsetzen in seinem Blick. Was sollte das denn? Stand der nicht total auf Massaker? Was könnte ihn anderes erwarten als eine gehörige Tracht Prügel, auch wenn es Seto und nicht sein Vater war? Wenn überhaupt... wenn Seto nicht längst entschieden hatte, dass er keinen Delinquenten in seinem Haus duldete...

Dieser nahm nur einen weiteren Zug, während sein Blick sich ohne jeglichen Gesichtsausdruck auf den Blonden legte.

Eine weitere Welle Übelkeit schlug über Katsuya zusammen, die seine Hand diesmal nicht aufhalten konnte. Er drehte sich zur Seite, lehnte sich gegen die Wand neben der Tür, durch die er gerade das Wohnhaus verlassen hatte und versuchte keinen Ton von sich zu geben, während er sich übergab.

Bei allen Göttern. Seto würde ihm weh tun. Sehr, sehr weh tun. Je ruhiger er jetzt war, desto schlimmer war er später. Er würde ihn verprügeln, wenn nicht mit Schlägen, dann mit Worten. Und er wäre im Recht. Katsuya hatte jeden einzelnen Schlag verdient.

Was zur Hölle hatte er sich bei der Aktion gerade gedacht? Was...

Die Pupillen vor Terror zitternd legte sich sein Blick auf Seto. Er hatte sich noch immer nicht gerührt. Stand da, schweigend den Blick auf ihn gerichtet, Gesicht und Augen eiskalt wie ein im Sonnenlicht schimmernder Nordpolgletscher. Er nahm einen weiteren Zug von seiner Zigarette.

Was sollte er tun? Sich entschuldigen? Auf die Knie fallen? Wegrennen? Wohin? Ein Zittern durchfuhr ihn, unterbrach sein Würgen mit einem Schluchzen. Eine Träne rann seine Wange hinab. Da war sie wieder. Genau dieselbe Situation. Sein Vater vor ihm, einen Brief der Schule in der Hand, was er wieder für eine Scheiße fabriziert hatte. Die sich langsam verengenden Lider, bevor eine Vene an der Schläfe unter der Haut sichtbar wurde. Das war der Moment sich zusammen zu kauern. Der letzte Moment, in dem man dazu noch eine Chance hatte. Der letzte Moment, bevor die Realität sich nur noch auf eine einzige Empfindung konzentrierte: Schmerz.
 

„Hat Ryuji sich auch so benommen?“, fragte Seto ruhig, kein Ausdruck in der Stimme und ließ eine kurze Pause, „Hat er sich zusammen gekrümmt? Vielleicht sogar gewürgt? Geweint? Um Erbarmen gefleht?“

Katsuya wimmerte und wich einen Schritt zurück, die zitternden braunen Augen unablässig auf Seto gerichtet.

„Hat er Angst gehabt, so wie du jetzt?“, er nahm einen weiteren Zug seiner Zigarette und wartete, bis der Wind des aufgeatmeten Rauch wieder hinweg getragen hatte, „Oder hast du ihm keine Zeit gelassen vor Angst zu schreien? Sondern nur aus Schmerz?“

Er ließ die Zigarette fallen und trat sie mit einer polierten, schwarzen Schuhspitze aus. Lässig griff er in seine Manteltasche, zog eine Packung Minzdragées hervor und nahm ein solches in den Mund, bevor er weiter sprach: „Bereust du deine Taten aus Angst vor mir oder weil du einen sechzehnjährigen Jungen in die Situation gesteckt hast, unter der du jahrelang leiden musstest?“ – sein Blick fixierte wieder Katsuya – „Bereust du es überhaupt?“

Katsuya wollte weiter zurückweichen, doch sein praktisch unkontrolliertes Zittern hinderte ihn daran auch nur ein Bein zu bewegen. Weglaufen brachte doch sowieso nichts. Niemals. Er würde ihn immer finden. Würde seine große, feste Hand schmerzhaft um sein kleines Bein legen und ihm mit einem Ruck unter dem Bett hervor ziehen, in dessen hinterste Ecke er sich verzweifelt, weinend, schluchzend gedrückt hatte. Es gab keinen Ausweg. Keine Flucht. Niemals. Selbst im Laufen würde er ihn erwischen. Vielleicht könnte er dem ersten Griff noch entkommen. Würde nur stolpern, ins Straucheln kommen. Doch dem zweiten konnte man nicht entkommen. Entweder wurde er am Arm zurück gerissen oder am Fuß, wodurch er der Länge nach zu Boden ging und sich Hände und Knie aufschrammte. Es gab keinen Ausweg. Keine Sicherheit. Niemals.

„Du weißt, was Angst ist.“, sprach Seto weiter, noch immer gegen die Seite des Wagens gelehnt, die Arme hinter sich auf dem Dach des Autos, genauso wie Katsuya vorhin in der Bahn, die Hände entspannt auf Höhe der Brust herunter baumelnd, „In dir tobt ein Biest aus Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Vor deinen Augen siehst du die Szenen dessen, was ich dir alles antun könnte – was man dir früher alles angetan hat.“

Die kalten Augen. Die eiskalten Augen. Den Blick voll Abscheu, voll Ekel, voll von grenzenloser Ablehnung, kein Funken Liebe oder Fürsorge. Dieser Blick, der sagte, dass er es verdiente. Jeden einzelnen Schlag. Jede Beleidigung. Jede Schramme, jeden Flecken abgeschürfter Haut, jeden Fetzen Haut, den er später aus seinen Wunden ziehen würde. Jede blaue, grüne, violette, schwarze Stelle seiner Haut, die den Hintergrund für die Abdrücke großer, männlicher Hände darstellte. Jeden Tropfen Blut, der die Kacheln und die Tapete bespritzte. Er verdiente es alles. Er verdiente alles unter ihrem Blick. Was immer dieser rasende, jähzornige Fremde tat, der so groß über ihn ragte, unter ihrem Blick war alles erlaubt. Sie würde nur die Nase rümpfen und schließlich wegsehen. Sie sah nichts. Sie hörte nichts.

Katsuya schlug noch einmal nach vorne, würgte seinen Magensaft mitten auf den Gehweg. Es brachte genug Bewegung in ihn, damit er einen weiteren Schritt zurück machen konnte. Einen einzigen. Nicht mehr. Sein Blick fuhr wieder auf, um ja keine Bewegung zu verpassen. Man durfte ihn nicht überraschen. Jeder unerwartete Schlag war schmerzhafter als alles, was man ihm antun konnte. Wenn man ihn überraschte, konnte er sein Ich nicht von dem Schmerz trennen.

Seto lehnte noch immer gegen den Wagen. Die blauen Augen beobachteten das Zittern, das Zusammenkrümmen, das Übergeben des jungen Körpers vor sich regunglos. Emotionslos.

Kalt.
 

„Diese Angst lässt einen nicht los.“, fuhr Seto fort, noch immer keinerlei Regung, die man als Anzeichen deuten konnte, dass er sich vom Auto abstoßen würde, „Die Szenen ebenso wenig. Sie kommen immer wieder, mit derselben Wucht und derselben Angst. Es wird nicht leichter. Es lässt nicht nach. Es wird sogar schlimmer, je mehr man realisiert, wie falsch und grausam es war, wie damals mit einem umgegangen wurde. Wenn man nicht mehr mitten in diesem Wahnsinn lebt, jeden Tag, jede Sekunde, immer in Angst vor dem nächsten Schmerz, schlagen sie einem vor dem Kopf wie ein Wagen, der mit Höchstgeschwindigkeit in eine Wand rauscht. Und genau wie dieser Wagen zerschlägt es einen an der Wand, die diese Erinnerungen bilden.“

Zerschmettern. Katsuya konzentrierte sich auf seine Atmung. Die Panik war es, die ihn verletzte. Nicht Seto. Seto stand nur da und sah ihn an. Warum tat er nichts? Warum schlug er nicht zu? Gefiel ihm der Anblick? Wie er nach vorne gekrümmt stand, einen Arm um seinen Bauch geschlungen, den anderen leblos herab hängend, bereit ihn gegen Schläge zu verteidigen.

Zerschellen. Er versuchte sich ein wenig aufzurichten, doch die Bewegung ließ die Übelkeit mit einer Heftigkeit zurückkehren, dass er keinen zweiten Versuch wagte. Der Blick durchbohrte ihn. Blaue Augen, kälter als Eis und doch dunkel wie der Abgrund hinter einer Klippe. Man hörte das Rauschen, doch wagte es nicht zu springen.

Zerreißen. Katsuya zog die Augenbrauen zusammen und studierte das Gesicht des Älteren noch einmal. War es wirklich ausdruckslos? Unterdrückte Seto seine Wut? Tat er emotionslos, obwohl es dahinter kochte? War dem wirklich so? Oder hatte er das nur im ersten Moment erwartet? Er hörte das rasende Schlagen seines Herzens in seinen Ohren. Seto... würde er ihn wirklich verletzen? Vielleicht nicht mit Schlägen, aber doch mit Worten?

„Komm her.“, befahl der Brünette, streckte eine Hand aus und winkte ihn mit zwei Fingern heran.

Es ließ Katsuya zusammen zucken.

Das hatte sein Vater nur gemacht, als er ganz jung war. Als der Typ noch wenig getrunken hatte. Er hatte sich vor ihn gestellt, den Kopf eingezogen, von unten die verfluchte Rechte betrachtet, um sich im rechten Moment zur Seite fallen zu lassen, sodass der Schlag ihn nur so viel traf, dass der Mann glaubte ihn erwischt zu haben. Nur wenn er wirklich wütend war... nein, wenn er unberechenbar war. Er legte dem Jungen die Hand auf den Kopf und fuhr ihm durchs Haar. Erst, wenn er den Nacken erreichte, packte er plötzlich zu und riss die kleine Gestalt nach vorne. Mit dem Kopf knallte er dem Mann gegen das Knie, bevor sein Hosenbund gepackt und er damit auf die Beine des Anderen gehoben wurde. Die Schläge auf den Hintern schmerzten nicht sehr, sie brannten nur. Aber wie sein Kopf dabei immer gegen die Kante der Holzlehne drückte... bevor eine Hand gegen seinen Rippenbogen ihn zu Boden warf. Es setzte noch ein paar Tritte gegen seinen Bauch, bevor er weg rollen und fliehen konnte.

Sein Vater stand nicht einmal auf.

„Komm.“, wiederholte Seto noch einmal und knickte Zeige- und Mittelfinger ab. Genau zwei Mal.

Zitternd ließ Katsuya den Atem fahren. Zischend sog er ihn wieder ein, dreifach unterbrochen, mit klappernden Zähnen. Ein Wimmern, nein, ein Jaulen, ein Winseln gar verließ seine Lippen. Er zog sich weiter in sich selbst zusammen, nicht aus Übelkeit, rein aus der verzweifelten Suche um Schutz heraus.
 

Setos Augenbrauen zogen sich zusammen.

Ärger. Wie Giftgas breitete sich das Gefühl aus, waberte über den Boden, bis es Katsuya überschwemmte. Er sollte gehorchen. Er musste gehorchen.

„Ich will mich nicht wiederholen.“, die Emotionslosigkeit der Stimme wurde durch den Ton einer scharfen Warnung ersetzt.

„Es tut mir Leid...“, flüsterte der Blonde erstickt, hoch, kaum lauter als ein Hauchen und zwang sich selbst einen Fuß vor den anderen zu setzen. Er durfte den Anderen nicht noch mehr verärgern. Er musste gehorchen. Er hatte keine andere Wahl.

Gehorchen.

Ein Schritt.

Ein weiterer Schritt.

Seto schwieg. Keinerlei Ermutigung. Warum auch? Er war wütend. Er würde ihn bestrafen. Er würde ihm weh tun. Und das war in Ordnung. Das war völlig in Ordnung. Für das, was er soeben getan hatte, war alles in Ordnung. Wer jemandem so etwas antat, gehörte bestraft. Seto hatte ein Recht in zu bestrafen.

Er schluckte, richtete sich langsam auf und trat näher. Noch ein kleines Stück. Gleich würde er vor ihm stehen. Um seine rechtmäßige Strafe abzuholen. Er konzentrierte sich auf seine Atmung, um seine Übelkeit unter Kontrolle zu halten.

Seto drückte sich absichtlich langsam von dem Auto, um selbst zum Stehen zu kommen. Keine einzige Sekunde verließ sein Blick Katsuya, während er sich leicht nach rechts wandte, um in seiner ganzen Breite vor ihm zu stehen. Sein Gesicht blieb ausdruckslos. Die Lider über die Iriden, jedoch nicht die Pupillen geschlossen, den Kopf ob des Größenunterschieds ein wenig gesenkt, das ganze Gesicht schlaff. Genau genommen sah es eher aus, als wäre es von Trauer überzogen. Oder Wissen. Nicht unterdrückter Wut. Es war gar nicht angespannt...

„Angst ist eine grausame Waffe.“, erklärte er leise, nur wenige Zentimeter zwischen Katsuyas und seinem Gesicht, „Nie hat der Mensch es geschafft etwas Schlimmeres zu entwickeln als die Natur. Auch wenn wir glauben mit Wasserstoffbomben die ultimative Zerstörungskraft zu haben und den Tod durch die moderne Medizin besiegen zu können... so haben wir nichts, um mit unseren eigenen Ängsten fertig zu werden. Wir haben nichts, was uns hilft, wenn die Seele blutet und schreit.“, ein Arm legte sich um Katsuyas Hüfte und zog ihn bedacht gegen den warmen, großen, starken Körper, „Wir wissen nur dies für uns zu nutzen. Um andere zu verletzen. Angst ist für uns eine Waffe, ein Mittel zum Zweck und bei uns selbst eine lästige Überflüssigkeit. Sie macht uns hilflos.“

Katsuya versuchte seinen Atem unter Kontrolle zu halten, um nicht zu hyperventilieren. Ein. Aus. Ein. Aus. Nicht wegrennen. Aushalten. Bitte, schneide doch jemand dieses Herz aus seiner Brust!

„Die, die die Angst kennen, lernen mit ihr zu spielen.“, ein zweiter Arm legte sich um seine Schulterblätter, zog seinen Oberkörper und seinen Kopf gegen Setos Brust, „Oft nicht einmal bewusst. Es ist schwer gegen die Impulse zu kämpfen. Man findet sich in der Lage andere zu verletzen... immer und immer wieder.“, ein Kinn legte sich auf seinen blonden Schopf, sodass er sich völlig in der Umarmung wieder fand, „Wir können das Gefühl nicht ertragen hilflos zu sein. Wir können nicht zusehen, wie andere leiden, weil es uns daran erinnert, wie wir gelitten haben. Und irgendwann wird uns klar, dass wir andere nicht retten können... nicht, solange wir uns selbst nicht gerettet haben.“

Wie bitte?

Muhahahaha - ich habe drei Kapitel in drei Tagen geschrieben *-* Urlaub ist einfach nur klasse. Mir geht es gesundheitlich zwar immer noch beschissen, aber zumindest mein Kopf kann fröhlich durch die Gegend hüpfen und sich hierüber freuen ^.^

Ansonsten würde ich gern etwas schreiben, aber da mittlerweile eine einfache Frage "Was denkt ihr über..." als Kommentarbettelei gezählt und das Kapitel gesperrt wird, werde ich das wohl nicht tun. Auch wenn ich es sehr affig finde, wenn mir Kapitel wegen Kommentarbettelei gesperrt werden, wo ich allein auf dieser Seite über 3000 Kommentare habe ô.o Und ich hoffe, die habt ihr mir nicht gegeben, weil ihr das Gefühl hattet, dass ich nicht weiterschreibe, wenn ihr nicht unbedingt XX Kommentare hinterlasst.

Manche haben übrigens schon bemerkt, dass es mich jetzt auch auf fanfiktion.de gibt. Das hat einen einfachen Grund - die wollen wir andauernd den Account sperren, weil ich nichts hochlade -.- Also habe ich es jetzt mal getan.

Genug geredet. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen ^.^ Höhepunkte sind eine freudige Zeit!
 

P.S.: Bitte bemerkt, wie ich absolut dem Kitsch fröhne, was Storyführung angeht XD
 

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„Ich habe Mist gebaut...“, gab Katsuya leise zu.

„Nicht wirklich.“, murmelte Seto nur und strich ihm beruhigend mit einer Hand über den Rücken, „Du hast nur ein kleines Rad im großen Kreislauf des Schicksals gedreht. Mögen die Auswirkungen für deine Schwester und Isamu positiv sein.“

„Nie im Leben.“, dem Blonden entkam ein humorloses Lachen, „Wahrscheinlich kriegen sie Geld aus der Sache. Ansonsten habe ich Isamus Chance seinen Vater kennen zu lernen gründlich zerstört, denke ich.“

„Vielleicht. Vielleicht nicht. Vielleicht bestand die Chance nie.“, die Hand hob sich etwas weiter, fuhr durch Katsuyas Haar, „Und finanzielle Unterstützung ist sicher entlastend. Besser als nichts.“, sie schwiegen beide einen Moment lang, „Du hast dich selbst genug gestraft, Katsuya.“

„Ich denke-“

„Dann denk nicht.“, unterbrach Seto ihn einfach und setzte einen Kuss auf seine Stirn, „Lass uns nach Hause fahren, ja?“

Katsuya seufzte leise, legte den Kopf in den Nacken und studierte die schönen, blauen Augen. So voller Liebe. Zuneigung. Trauer. Er versuchte zu lächeln, doch es verzog sich zu einer Grimasse. Angst. In Setos Augen stand immer die Angst. Er wusste ganz genau, von was er sprach.

„Mir ist einfach so vergeben?“

„Mir hast du nichts getan, nicht?“, eine kühle Hand strich über seine Wange, „Wenn du dich entschuldigen willst, dann bei deiner Schwester, Isamu, Ryuji oder dessen Verwandten. Die sind die, die du wirklich geschädigt haben könntest.“

Ein trockenes Lachen entkam Katsuya.

„Manchmal ist deine verquere Art zu denken sehr erfrischend.“

„Deine Art nicht zu denken ebenso.“

„Hey!“, er trat zurück und stemmte die Hände in die Hüfte, „Was bist du plötzlich so gehässig?“

„Ist das alles, was dir dazu einfällt?“, eine braune Augenbraue hob sich, „Mir scheint, du verlierst an Biss. Aber was erwarte ich? Hunde, die bellen, beißen nicht.“

„Und Drachen gehören an die Leine.“, der Blonde verschränkte die Arme und wandte den Blick ab, „Eine sehr kurze. Aus Adamantit.“

„Ab in den Wagen, Flohschleuder.“, entgegen seiner mockenden Worte ließ Seto es sich allerdings nicht nehmen ihm die Tür aufzuhalten und dabei sogar eine Verbeugung anzudeuten.

Katsuya musterte seinen Freund streng, hob das Kinn und trat voran mit den Worten: „Lausschleuder, wenn schon.“

Der coole Auftritt wurde jedoch zweifellos durch Setos Hand zerstört, die ihm das blonde Haar verwuschelte.
 

„Das ist nicht der Weg nach Hause, oder?“, die hellen Augenbrauen zogen sich leicht zusammen.

„Nein.“, erwiderte Seto nur.

Hm... nein? Vielleicht noch etwas mehr Informationen?

„Wo fahren wir hin?“

„Das wirst du schon sehen.“

Äußerst gesprächig... war er doch sauer? Katsuya ließ ein wenig den Kopf hängen und wandte seinen Blick den vorbei schwirrenden Lichtern zu. Wie spät war es wohl schon? Elf Uhr? Zwölf?

Er zog die Brauen zusammen. Halt mal. Er war gegen zehn Uhr an einem Samstag Abend bei Ryuji gewesen. Welcher Museumsführer arbeitete um die Uhrzeit noch? Er blinzelte. Verdammte Hölle. Die kleine Ratte hatte ihn doch belogen. In dem Zustand? War er ein verdammt guter Schauspieler oder... nein, vielleicht gab es hier ein größeres Museum, das lange auf hatte. Oder eine Nacht der Museen oder so. Er musste nicht gleich auf das Schlimmste schließen.

Aber dennoch. Wo wollte Seto um diese Uhrzeit noch hin? Ein Zittern überfiel ihn einen Moment lang, was ihn die Arme um sich legen ließ, bevor er sich in den Mantel wickelte, den er immer noch trug. Bakuras Mantel. Warum hatte er ihn den gegeben? Es hatte ihn in die Zeit zurück versetzt, wo er noch durch die Straßen zog. Seinen ersten Ledermantel hatte er einem Passanten geklaut, dem sie das Geld abgenommen hatten.

Hatte Bakura darauf spekuliert? Dass es ihn gewalttätiger machen würde? Andererseits war es eine sehr freundliche Geste. Einen Mantel zu tragen gab einem das Gefühl von Sicherheit. Von Schutz. Es machte es leichter seine Emotionen zu verbergen. Hatte der Andere das bedacht? Wenn ja, wäre das eine äußerst umsichtige Geste gewesen.

Nein, wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich hatte er nur an den Effekt gedacht, den zwei Schlägertypen mit hellen Haaren in schwarzen Ledermänteln auf Zivilisten machten. Ja... nichts überstürzen. Es war immer noch Bakura, über den er hier nachdachte.

Aber der hatte dennoch einige sehr sentimentale Züge, oder? Wenn er an vor zwei Wochen dachte und die Party, die alle für ihn geschmissen hatten... da hatte er sich wortlos die Haare von Ryou kämmen lassen, um diesen zu beruhigen. Obwohl das doch äußerst komisch auf alle wirken würde – gewirkt hatte. Ihm machte das, was man von ihm dachte, wirklich nicht viel. Oder doch? Schwer zu sagen. War ihm sein Image als Bad Boy wichtig? Man könnte ja mal Ryou fragen, ob er seinem Bruder rosa Schleifen ins Haar flechten würde...

Ein Lächeln schlich sich auf seine Züge. Oh je. Der Wolf würde toben. Seinem Bruder würde er nichts tun, aber sicher dem, der ihm solche Ideen in den Kopf gesetzt hatte.

„Was ist so amüsant?“, fragte Seto, der den Stimmungsumschwung wohl bemerkt hatte, „Lässt du mich mitlachen?“

„Wenn du mir verrätst, wo wir hinfahren.“, forderte der Blonde lächelnd.

„Ein negativer Effekt der Hochintelligenz ist eine ausgeprägte Neugier.“, gab der Fahrer zurück, diesmal allerdings in einem fröhlichen Tonfall.

„Sag's mir!“, nörgelte der Jüngere mit exzellent ausgeprägter Schnute und zog am Ärmel des sicherlich teuren Jacketts, das Seto trug.

„Nein...“, flötete dieser nur.
 

„Ein Museum?“, Katsuyas Gesichtszüge fielen beim Anblick des Gebäudes, auf das Seto zeigte.

„Nein.“, kam wieder nur zur Antwort, allerdings trug Seto mittlerweile den Ausdruck eines Lausbubs, der darauf wartete, dass jemand seine eigens kreierte Falle auslöste, „Eine Kunstausstellung.“

„Seto, vielleicht ist es dir nicht aufgefallen, aber es ist ein Uhr in der Nacht!“, der Blonde zeigte auf eine der öffentlichen Uhren in der Nähe, „Alle guten Intentionen in allen Ehren, aber eine Ausstellung wird kaum um eine solche Uhrzeit aufhaben.“

„Doch.“, der Ältere packte mit beiden Händen Katsuyas Arm und zog ihn Richtung Gebäude, „Es ist eine Nachtausstellung. Es gibt sie nur einmal im Jahr und sie hat nur von null bis drei Uhr auf.“, er ließ einen Arm wieder baumeln, verschränkte aber die Finger der anderen Hand mit Katsuyas, „Ich bin jedes Jahr hier.“

„O... kay...“, eine blonde Augenbraue hob sich, doch folgte der Jüngere ihm brav, den Blick dabei auf ihre Hände gerichtet.

Liefen sie hier wirklich händchenhaltend durch die Innenstadt? Machte es Seto gar nichts, wenn Passanten ihn so sahen? Katsuya senkte den Kopf, um sich selbst von den auf sie einschlagenden Blicken zu schützen. Andererseits wusste jeder, der vor ein paar Jahren die Boulevardpresse verfolgt hatte, dass Seto schwul war, nicht wahr? Also störte es ihn wohl auch nicht...

Hm, er hatte wohl Recht. Es war offen. Zumindest standen die Flügeltüren offen und dahinter war Licht. Licht und Männer in Anzügen, Frauen in Pelzmänteln, zwei adrett gekleidete Sicherheitsmänner an den Türen...

„Ähm, Seto... kommen wir da rein? Das sieht sehr nach geschlossener Gesellschaft aus.“

„Natürlich kommen wir da rein. Ich gehöre zu den VIPs dieser Stadt.“, der Brünette warf ihm über die Schulter ein Lächeln zu, „Und wenn mich nicht alles täuscht, sponsort Noah diese Ausstellung sogar.“

„Ähm... und... also...“, Katsuya legte die Stirn in Falten und zog die Augenbrauen so weit zusammen, dass nur tiefe Furchen zwischen ihnen blieben, „Aber ich bin doch gar sicher nicht passend gekleidet...“

„Katsuya.“, Seto blieb abrupt stehen und wandte sich zu ihm um, die Augen so tiefblau wie das Meer im Neonlicht der Stadt, „Von mir aus kannst du in Lumpen da rein marschieren. Du bist schön, du bist mein Freund und ich bin stolz auf dich.“, er machte noch ein Schritt heran und drückte dem Kleineren einen schnellen Kuss auf die Lippen, „Außerdem werden sie dich eh für einen Künstler halten. Was du ja auch zweifellos bist.“

„Ähm... okay...“

Rot schlich sich auf seine Wangen, während er weiter Seto hinterher stolperte. Er hatte ihn geküsst. Geküsst! Mitten in der Stadt! Und sie hielten Händchen und... ein Grinsen legte sich auf seine Lippen. Oh Hilfe, das war so weibisch. Egal. Es war absolut fantastisch.
 

Wann genau hatte er den Gedanken gehabt, dass in Setos Augen immer die Angst stand? Egal. Weiter ab von der Realität hätte er in diesem Moment damit nicht sein können. Aus Seto sprach unbrechbares Selbstvertrauen.

Sein Rücken aufrecht, sein Kopf gehoben, sein Blick irgendwo in den Raum fixiert, die Brust leicht heraus gestreckt und sein Gang mehr ein Schreiten als ein Gehen, war Seto der Inbegriff von Männlichkeit. Zumindest für Katsuya. Vielleicht auch für andere, aber sein Blick war zu sehr auf seinen Freund fixiert, sodass alles andere von ihm einfach nicht mehr registriert wurde.

Alles, was er wusste, war, dass er einen Moment vorher vor dem Gebäude gestanden hatte und jetzt ein Butler mit der Frage, ob er seinen Mantel ablegen wolle, versuchte seine Aufmerksamkeit zu erhaschen. Währenddessen traten zwei Herren zu Seto und begrüßten ihn überschwänglich – wie schön es sei ihn zu sehen, wie es ihm denn ginge, das ganze soziale Blabla. Während Katsuya also die Frage des Butlers höflich verneinte – erstens würde er ganz sicher nicht seinen emotionalen Schutz abgeben, zweitens nicht Bakuras Eigentum in die Hände eines Fremden legen – und sich wieder an Setos Seite drückte, horchte er plötzlich auf.

„Begleitete sie nicht letztes Jahr auch ein junger Mann? Ich erinnere mich, dass er eine exquisite Schönheit war.“

„Nicht viel anders als dieser.“, die Blicke beider Männer legten sich auf ihn.

„Mein Ziehsohn Katsuya.“, stellte Seto mit einem warnenden Unterton vor, „Ich fördere sein Talent. Meine Begleitung letztes Jahr war unser beider bester Freund.“

Ah, Yami. Ein nicht bewusst angehaltener Atem entwich dem Blonden. Yami konnte Seto ruhig zu offiziellen Anlässen mitnehmen.

„Ihr Talent? Sind sie auch Künstler?“

„Sind auch Werke von ihnen heute Abend ausgestellt?“, die beiden schienen sich perfekt zu ergänzen mit ihren Fragen. Ob das gewollt war?

„Das wäre etwas kurzfristig.“, lenkte Seto ein, „Aber ich wollte ihm das Angebot unterbreiten nächstes Jahr ein paar Bilder einzubringen.“

„Ich?“, Katsuyas Blick schnellte zu Seto, „Wie bitte?“

„Nicht so bescheiden. Du bist ein herausragender Zeichner. Ich freue mich schon darauf weitere Arbeiten von dir zu sehen.“

„A- a...“, seine Lider flatterten einen kurzen Moment lang, „Darf ich das denn?“

„Natürlich. Du kannst dich problemlos mit den heute ausstellenden Malern messen.“, aus Setos Stimme sprach keinerlei Zweifel – nicht einmal Überheblichkeit. Er schien vollkommen von dem überzeugt zu sein, was er da sagte.

„Wundervoll.“, warf einer der beiden Herren ein und zückte eine Visitenkarte, „Wenn ich ihnen meine Kontakte geben darf, Herr Kaiba.“, einen Moment lang verzog sich Katsuyas Gesicht in Verwirrung, dass er damit gemeint war, „Mein Kollege...“, er deutete auf den Herrn neben sich, „...und ich führen eine kleine Kunstagentur. Wir würden uns freuen, wenn wir uns um die Vermarktung ihrer Werke kümmern dürften.“

„Äh... vielen Dank.“, erwiderte der Blonde und schüttelte beiden die Hand, während diese ihm ihre Namen nannten, „Katsuya Kaiba...“
 

„Das war aber eine schnelle Hochzeit.“, auf Setos Lippen lag ein höchst amüsiertes Lächeln, während sie sich den Weg durch die Menge bahnten, um aus dem Foyer zu den Ausstellungsräumen zu kommen.

„Wie? Oh...“, Katsuyas komplettes Gesicht entflammte vor Scham, „Tut mir Leid... es war wie ein Reflex.“

Sie passierten einige Werke, die Katsuya auf den ersten Blick als Expressionismus, auf den zweiten als geschmacklos beurteilte. In seinen Augen hatten sie keinerlei Ästhetik. Aber gut, hier gab es ja sicher viele Ausstellungsräume.

„Kein Problem. Dir ist es erlaubt meinen Namen anzunehmen. Nur muss ich dafür eigentlich noch ein paar Papiere beim Bürgeramt ausfüllen.“, noch immer gingen sie Hand in Hand, „Soll ich?“

Bäng. Katsuya schluckte. Und so eine Frage stellte Seto ihm mitten in der Nacht praktisch im Vorbeigehen? Sein Blick schnellte von den verschiedenen Konstrukten aus Metall und Plastik zu dem Älteren, doch sie dieser nur gerade aus und zog ihn weiter.

„A- a- aber... ist das nicht...“

„Verboten? Nein.“, der Ältere zog ihn zu sich, sodass sie an einer ruhigen Ecke in einer der hinteren Ausstellungsräume standen.

„Nein, ich meinte...“, wie rot konnte er werden? „Ist das nicht... wie heiraten?“, also, nur jetzt mal theoretisch. Seto und ihm war anzusehen, dass sie nicht verwandt waren. Und die Kaibas waren nicht unbekannt, da wusste man wohl, dass es nur zwei Brüder waren. Seto war geouteter Schwuler. Wie fern lag da die Annahme, wenn sie denselben Namen trugen?

„Da hast du Recht.“, gab Seto zu, „Früher war das die Methode für homosexuelle Paare zu heiraten – einer wurde von anderen adoptiert.“, er legte den Kopf ein wenig schief, „Es wäre so etwas wie Heiraten.“

Einen Moment Schweigen.

„Willst du?“, flüsterte Seto leise, den Kopf so weit gesenkt, dass er sogar nach oben blicken musste, um in die Bernsteine zu blicken.

„Was?“, Katsuyas Augenbrauen zogen sich zusammen. Er meinte doch jetzt nicht... das... oder? Also... nein, das konnte nicht sein. Oder doch? Es war Seto, dass sollte man bei jeder Überlegung bedenken. Mit einem Mal fühlte sich sein Mund so trocken an, als hätte er ihn mit Sand gefüllt. War das Setos Ernst?

„Mich heiraten?“, fügte der Größere noch leiser hinzu und senkte den Blick.

Reaktion

Alle ersehnen heiß Katsuyas Antwort, also will ich euch nicht vom Lesen abhalten. Bitte vergesst nur nicht, dass ich versuche REALITÄTSNAH zu bleiben. Viel Spaß beim Lesen ^.^
 

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„Das...“, Katsuya schüttelte verwirrt den Kopf, „Ist das dein Ernst?“

Heiraten? Seto heiraten? Also, im Endeffekt nur seinen Namen annehmen, aber... also... war das nicht etwas sehr, sehr Bindendes? Katsuya schluckte. Hatte Seto nicht extreme Angst vor Bindungen? Seine Gesichtsmuskeln entspannten sich, sein Unterkiefer sackte sogar ein Stück herab, sodass sein Mund offen stand.

Bei. Allen. Göttern. Das Ganze war ganz sicher nicht so spontan, wie Seto versuchte es rüber zu bringen. Ganz und gar nicht. Er meinte das mehr als ernst. Das hier musste ihn verdammt viel Mut kosten. Der selbstbewusste Kerl, der vorhin mit ihm ohne mit der Wimper zu zucken in diese Versammlung geschritten war, war nun einmal nur eine Fassade. Genau der, der jetzt vor ihm stand, war Seto. Sein Seto.

Der Seto, der ihn bat, den Rest seines Lebens mit ihm zu verbringen.

Katsuya biss auf seine Unterlippe, hob vorsichtig die Arme und legte sie um dessen Taille. Wie in Zeitlupe trat er heran, schmiegte seinen Körper gegen den größeren und lehnte seinen Kopf gegen dessen Brust.

„Ich bleibe bei dir.“, versicherte Katsuya ruhig, „Und ich nehme gern deinen Namen an.“, er genoss einen Moment lang das Gefühl der sich langsam heben und senkenden Brust und lauschte dem wirklich fanatisch schnellen Herzschlag Setos, bevor er den Kopf in den Nacken legte, um zu dem anderen aufzusehen, „Aber bis zu meinem einundzwanzigsten Geburtstag muss ich offiziell dein Sohn bleiben. Alles andere wäre illegal. Ich möchte niemandem eine Handhabe geben uns beide zu trennen.“

Mit einem Mal schossen Setos Arme hervor, schlossen sich um ihn und drückten ihn schon fast schmerzhaft gegen diesen, während ein praktisch als gewalttätig zu bezeichnender Kuss auf seine Stirn gesetzt wurde.

„Ich liebe dich...“, flüsterte der Ältere wie verzweifelt, bevor er trocken lachte, „Das war die absolut göttlichste Art und Weise einen Heiratsantrag abzulehnen, die mir je untergekommen ist.“

Katsuya lächelte nur.

Aufgeschoben, nicht aufgehoben.

Das war doch mal wirklich diplomatisch, was? Und es gab ihm zweieinhalb Jahre sich die Sache zu überlegen. Ebenso wie Seto. Sie waren bei weitem noch nicht lang genug zusammen, um wirklich über den Rest ihres Lebens entscheiden zu können, oder?

„Aber ganz ehrlich...“, da sich Setos Umarmung wieder etwas gelockert hatte, konnte Katsuya sich ein wenig zurück lehnen, um seinen Freund anzusehen, „Das war der unromantischste Heiratsantrag, der mir je untergekommen ist. Zu meinem einundzwanzigsten Geburtstag will ich einen ordentlichen haben. Du weißt schon, mit Ringen, Kerzen, irgendwelchem poetischen Gesäusel, Liebesschwüren und einem romantischen Essen. Ganz nach Klischee.“
 

Der Brünette lächelte nur schief, griff in die Innentasche seines Jackets und zog eine mit schwarzem Samt bezogene Box hervor, die er elegant mit einer Hand aufschnappen ließ.

Zwei silberne Ringe. Schlicht, einfach, strahlend im Licht der Ausstellung – in einem Wort: wunderschön.

„Ich wette, deine Planung ging auch eher in die Richtung das ein wenig mehr nach Klischee zu machen, nicht?“, fragte der Blonde lächelnd, während seine Sicht ein wenig verschwamm.

„Ich weiß, ich bin hilflos, wenn es um Gefühle geht.“, gab Seto zu, während sich ein Hauch von Rot auf seine Wangen schlich.

„Du bist eben mein Seto.“, murmelte Katsuya nur, während eine Träne über seine Wange lief, „Hilfe, das ist wirklich so... weiß auch nicht... muss ich unbedingt jetzt zu heulen anfangen?“

„So lange es nicht aus Verzweiflung ist.“, Seto knabberte einen kurzen Moment an seiner Unterlippe, „Andererseits könnte ich das auch verstehen. Du warst heute acht Stunden arbeiten, dann die Situation mit deiner Schwester, Bakura, Ryuji und jetzt komme ich um ein Uhr nachts mit einem Heiratsantrag... irgendwie war das keine sehr gute Planung.“

„Ungewöhnlich chaotisch für dich, ja.“, Katsuya strich mit den Fingerrücken über die Hand, die die Ringe hielt, „Andererseits sehr erfrischend. Damit hatte ich wirklich gar nicht gerechnet... seit wann hast du das geplant?“

„Um...“, mehr Röte auf Setos Wangen – wenigstens war er nicht der einzige, der davon betroffen war, „Seit meinem Geburtstag. Tja... nicht lachen, ja?“, die blauen Augen richteten sich einen kurzen Moment auf ihn und plötzlich wirkte Seto jünger, als Katsuya ihn je erlebt hatte, „Der Teddybär hat mich überzeugt.“

„Der... hä?“, gab dieser als geistreiche Antwort.

„Ja, nun...“, der Ältere wandte das Gesicht ab, weil es ihm sichtbar peinlich war, was er hier ausplauderte, „Ich dachte, mich wird nie im Leben jemand lieben. Nicht ganz. Nur mein Geld oder mein Aussehen oder mein Können oder meine selbstsichere Art oder meine Berühmtheit oder... was weiß ich. Aber nicht mich. Als Person. Als ganze Person.“, er griff mit seiner freien Hand nach Katsuyas und hielt sie, „Aber du hast das. Du hast jede meiner Seiten kennen gelernt, aber du bist trotzdem noch da. Obwohl ich dir auf jede erdenkliche Weise weh getan habe, bist du trotzdem da geblieben. Du hast niemals etwas von mir erwartet, was ich nicht erfüllen konnte.“, er atmete tief durch, „Ich weiß, wir kennen uns noch nicht so lange und wir sind noch viel kürzer überhaupt zusammen, aber du bist der erste Mensch in meinem Leben, der so für mich da war. Und darum... liebe ich dich über alles.“

Mittlerweile rannen mehrere Tränen über Katsuyas Wangen. Diesmal allerdings war es ihm schlicht und ergreifend egal. Er wischte sie nicht weg oder verdeckte sein Gesicht, damit man sie nicht sah.

„Das, Seto...“, begann er, die Stimme gefüllt von Emotionen, „...ist das, was ich unter einem gelungenen Heiratsantrag verstehe.“, er stellte sich auf die Zehenspitzen, um Seto einen Kuss zu geben, bevor er einfach nur einen Moment lang lächelnd zu ihm herauf sah, „Welche Hand brauchst du?“

„Bitte?“, diesmal war es an Seto verwirrt zu blinzeln.

„Für den Ring.“, das Lächeln verbreiterte sich, „Ich denke, den wolltest du mir anziehen, hm?“

„Der... oh, ja, natürlich.“, mit einem Mal fachte die Röte auf seinen Wangen wieder auf, „Entschuldige. Deine linke Hand, bitte.“
 

„Woher wusstest du überhaupt, welche Ringgröße ich habe?“, fragte Katsuya, während er fasziniert mit dem kleinen, silbernen Ding spielte und es zigfach um seinen Finger rotierte.

„Um... ich habe deine Finger vermessen, während du geschlafen hast.“, ein Hauch von Rot war noch immer auf Setos Wangen zu finden, jedoch war er für den ungeübten Betrachter – praktisch also alle außer Katsuya selbst – nicht zu erkennen.

„So fest schlafe ich? Hm...“, eine blonde Augenbraue hob sich, „Was stellst du sonst noch für Sachen an, während ich schlafe?“

„Ich beobachte dich?“, im ersten Impuls wollte Katsuya eigentlich sauer sein, jedoch guckte Seto so... ja, möglicherweise konnte man das auf eine abstruse Weise als niedlich bezeichnen... dass er es irgendwie nicht schaffte.

„Psycho.“, meinte er daher nur mit einem kleinen Seufzen, „Und warum die linke Hand?“, er hob sie zur Verdeutlichung seiner Aussage.

Seto blickte auf, ein kleines Lächeln auf seinen Lippen. Seine Haltung straffte sich wieder. Katsuya legte es einfach mal so aus, dass er sich freute auf ein weniger emotionales Thema zu kommen.

„Links trägt man den Ring, wenn man verlobt oder zumindest in einer sehr ernsten Beziehung ist. Rechts bedeutet, man ist verheiratet.“, der Ältere griff nach seiner Rechten und umschloss sie genauso wie vorhin, als sie zusammen durch die Stadt gegangen waren, „Zur Hochzeit wechselt der Ring traditionell von links nach rechts. Die meisten modernen Paare kaufen jedoch ein zweites Paar Ringe. Somit ist der Konsens heutzutage die Hand zu wechseln und ein zweites Paar Ringe über zu streifen. Somit tragen die meisten Verheirateten heute zwei Ringe rechts.“

Vertraue auf Seto etwas sehr, sehr ausführlich zu erklären. Verstohlen warf Katsuya Blicke auf die Hände der umher Stehenden. Die Damen trugen fast alle links sehr teure Ringe. Zumindest teuer aussehende – nicht, dass er Ahnung von Edelsteinen hatte. Aber richtig, jene Damen, die am Arm eines Herrn gingen, trugen fast ausschließlich halbdicke, goldene Ringe mit kleinen oder keinen Edelsteinen. Anscheinend ihre Hochzeitsringe. Die älteren Damen einen, die von dreißig oder vierzig Jahren zwei.

„Wir sind also inoffiziell verlobt und offiziell bleibe ich dein Sohn?“, fragte Katsuya zur Sicherheit noch einmal nach. Wer sollte sich das denn auch alles merken? Ihr rechtlicher Status schien sich wöchentlich zu ändern.

Seto nickte nur, ein glückliches Lächeln auf seinen Lippen und ein verdächtiges Glänzen in seinen Augen.

„Kriege ich einen Kuss?“, fragte Katsuya leise, den Kopf zur Seite gelegt.

Seto beugte sich nur lächelnd zu ihm, stupste mit seiner Nasenspitze Katsuyas an und hauchte einen federleichten Kuss auf seine Lippen, bevor er eine Hand in dessen Nacken legte und ihn zu einem langen, sinnlichen Kuss ohne Zunge an sich zog.

Alle anderen Anwesenden zu ignorieren war viel einfacher als Katsuya sich das gedacht hatte. Wenn man einfach nicht daran dachte oder sich der Wahnvorstellung hingab, alle würden einen ansehen, war es eine wirklich leichte Übung. Er war mit Seto hier. Seto passte hier rein. Also passte er auch hier rein. Auch wenn er in Jeans, Shirt, Turnschuhen und einem geliehenen Mantel gekleidet sich von einem Kerl abknutschen ließ.
 

„Ihr seht sehr zufrieden aus.“, warf eine amüsierte, leicht sarkastische Stimme von der Seite ein, während sich Katsuya nach dem Kuss an Seto gelehnt hatte.

Der Blonde zog die Augenbrauen zusammen, drückte sich mit einem leisen Seufzer von seinem Freund und drehte sich zu der Person, die sich lässig gegen die Holzverblendung im Durchgang lehnte, bevor er sich dieser in die Arme warf.

„Yami!“

„Kats!“, erwiderte jener, als hätte er den anderen auch gerade erst gesehen, „Welch Überraschung!“

„Und schon tucken sie wieder...“, murmelte Seto vor sich hin und verdrehte die Augen.

„Miesepeter.“, ließ Yami über Katsuyas Schulter hinweg verlauten.

„Der grummelt nur. Der ist glücklich.“, klärte der Blonde auf, löste sich von seinem besten Freund und hielt ihm seine linke Hand mit dem Ring vor die Nase, „Du kommst genau zur richtigen Zeit!“

„Huh?“, der Ältere griff die Hand wie ein Kavalier, der der Dame einen Kuss darauf hauchen wollte und betrachtete das silberne Band, „Was zur...“

„Mir wurde soeben ein Heiratsantrag gemacht.“, klärte Katsuya auf, „Zwei, genau genommen. Weil ich mich über den ersten beschwert habe.“, trotz seiner Worte legte sich ein breites Lächeln auf seine Lippen, „Aber das bleibt unter uns, ja?“

„Die Verlobung oder der verpatzte Antrag?“, Yamis Blick flackerte dabei jedoch zu Seto.

„Beides.“, antwortete dennoch Katsuya, „Bis ich einundzwanzig bin, bin ich sein Sohn und nichts anderes. Aber meinen Namen ändere ich trotzdem auf Kaiba.“

„Oho?“, den Zusatz hatte es wohl gebraucht, um auch Yami zum Lächeln zu bringen, „Dann meinen herzlichen Glückwunsch, das hört sich nach einer guten Planung an. Katsuya Kaiba also...“, er legte den Kopf in den Nacken und sah zur Decke auf, „Katsuya Kaiba... Kaiba, Katsuya... doch, hört sich gut an.“, entschied er und wandte sich wieder dem Blonden zu, „Hört sich sehr malerisch an. Weich. Und gleichzeitig männlich. Ein starker Name.“

„Ich habe mich heute damit versehentlich schon vorgestellt.“, der Jüngste zog lächelnd den Kopf ein wenig ein, „Ich glaube, ich habe mich sogar schon einmal irgendwo anders so vorgestellt. Aber ich kann mich nicht mehr erinnern, wo.“

„Wenigstens ist es nun geklärt. Ich mache das am Montag mit dem Amt aus.“, warf Seto ein und trat zu ihnen, wobei er Yami kurz die Hand gab, „Und mit wem hast du dich hier eingeschlichen?“

„Herrn Narita. Obwohl ich noch zwei andere Anfragen hatte. Genau genommen sollte ich auch wieder zurück, schließlich arbeite ich gerade. Ich sah euch nur hier stehen und habe mich kurz entschuldigt.“

„Keine Eile, würde ich sagen.“, Seto sah über den Kleineren hinweg, „Dein Arbeitgeber kommt direkt auf uns zu.“

„Tut mir Leid.“, flüsterte der Rothaarige schnell.

„Kein Problem, die Yakuza und ich sind miteinander vertraut...“, mit einem Mal legte sich ein strahlendes Lächeln auf Setos Lippen und seine Haltung veränderte sich leicht, sodass er mit einem Mal wieder wie ein einflussreicher Geschäftsmann wirkte, „Herrn Narita, schön sie zu sehen.“, er streckte dem ankommenden Herrn die Hand entgegen, „Ich hörte, sie sind zum Don aufgestiegen?“

„Bitte, bitte...“, der Mann wandte einen Blick nach rechts und links, doch schüttelte Seto dennoch breit lächelnd die Hand.

„Wir sind doch unter uns.“, eine Hand wies plötzlich auf Katsuya, schob ihn etwas vor, „Wenn ich vorstellen darf... Katsuya Kaiba, ein junges Talent, das ich fördere. Katsuya, dies ist Ken Narita, Vorstand der Suzuka Enterprise...“

Das soziale Blabla nahm also seinen Lauf... mal sehen, wie viel er von der Ausstellung überhaupt zu sehen bekam.

Mitten in der Nacht

Hach... Weihnachten. Ich bin schon ganz im Ferien-Fieber. In den letzten sieben Tagen habe ich drei Vorlesungen verschlafen -///- Wenigstens bei meinen Pflichtkursen bin ich gewesen. Allerdings sind meine Gedanken so gar nicht bei Verdauungsenzymen, Ikterus nach Cholesterinüberflutung der Galle und der Funktionsweise der Niere - sie drehen sich darum, wann ich die Geschenke einpacke, für wen ich noch welche brauche, was ich Donnerstag alles packen muss etc. Ich hoffe, ihr seid weniger stressüberflutet.

Liebe Grüße und viel Spaß beim Lesen ^.^

Und entschuldigt bitte die Verspätung, es gab ein wenig Stress mit Mexx.
 

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„Nächstes Jahr ist das Thema Naturalismus und Surrealismus.“, klärte Seto ihn auf, „Meinst du, das wäre etwas für dich?“

„Eher als Impressionismus und Expressionismus. Wird immer im Paradox ausgestellt?“

„Bisher ja.“, sie schlenderten neben einander her zum Auto, wieder einmal Hand in Hand, „Seit acht Jahren. Obwohl wir das Thema dieses Jahres schon einmal hatten, wenn ich mich recht entsinne.“

„Ich hatte die Werke zunächst für moderne Kunst gehalten.“, erwiderte Katsuya kritisch, „Und die mag ich gar nicht. Obwohl ich hiermit sagen kann, dass Neoexpressionismus auch nicht meine Welt ist.“

„Obwohl ich dieses Gemälde mit Öl mit der ästhetischen Fabrik und den verzerrten Menschen sehr beeindruckend fand.“, sie betraten den Fahrstuhl, wobei Seto Katsuyas Hand los ließ, ihm dafür nach Eingeben der richtigen Etage jedoch den Arm um die Schultern legte, „Genau so wie das Bild aus der Weihnachtsgeschichte.“

„Das würde ich allerdings nicht in die Kategorie Neoexpressionismus zählen. Die Intention ist dieselbe, aber die Zeichenführung entsprach dem impressionistischen Stil.“

„Tja... und welcher Stil ist es dann?“, Setos rechter Mundwinkel hob sich.

„Neo... Übergangsphase?“, Katsuya hob die Augenbrauen und zuckte mit den Schultern, „Ich wette, du bist ein besserer Kunstkenner als ich. Du findest sicher was.“

„Wenn es nach mir ginge, hätte ich es in den Bereich Surrealismus gesteckt. Die Blumen aus Zahnrädern wären für mich ein klares Zeichen einer Realitätsabweichung.“, sie erreichten ihr Stockwerk und bogen nach rechts ab, „Ebenso die Tatsache, dass alle Sterne wie das Symbol von Mercedes aussahen-“

„Schwuchteln!“, plärrte eine Stimme von einem der hinteren Parkplätze, wo eine Gruppe Jugendlicher im Kreis auf dem Boden saß, zwischen ihnen ein Haufen Müll und ein paar Flaschen.

„Und interessant fand ich, dass die Hirten Schweine statt Schafe hüteten. Ich glaube nicht, dass...“

„Hey, Weiber! Hier gibt es auch was zu holen, ihr Schwanzlutscher!“

„...es bedeuten sollte, dass die Hirten reich sind.“, fuhr Seto fort ohne sich in irgendeiner Form stören zu lassen, „Eher, dass sie auf Wesen achten müssen, die ihnen die Haare vom Kopf fressen. Schweine essen nämlich dasselbe wie Menschen.“, er tippte sich mit dem Zeigefinger der freien Hand gegen das Kinn, „Natürlich könnte es auch für einen Affront gegen die drei Weisen stehen, die von ihrer Religion her kein Schweinefleisch essen dürfen.“

„Ich glaube, das Letzte wäre überinterpretiert.“, Katsuya warf einen weiteren Blick zu den Jugendlichen rüber, die über sie tuschelten, „Stören die dich gar nicht?“

„Sollten sie das?“, stellte der Brünette als Gegenfrage.

„Vielleicht? Sie beleidigen uns.“

„Soll ich etwas dagegen unternehmen?“, Katsuya schluckte ob dem Gesichtsausdruck, der ihm auf Setos Zügen begegnete. Er lächelte. Nicht freundlich, nicht fröhlich, einfach nur... leblos. Genau genommen verzog er seine Mundmuskulatur. Und seine Augen wirkten dunkler. Gefährlicher. Wenn sich die Pupillen plötzlich zu einem langen Streifen verengt hätte, hätte Katsuya das auch nicht gewundert.

Wollte er Seto auf eine Bande Halbstarker loslassen?

Er nickte. Warum eigentlich nicht?
 

„Guten Abend, meine Herren.“, der Ältere schritt freundlich lächelnd zu den Jugendlichen herüber, während Katsuya aus dem geöffneten Wagen sein Eisenrohr holte – nur zur Sicherheit.

Die fünf Jungen lachten. Leise, unsicher.

„Entschuldigen sie die Störung, bitte.“, noch immer strahlte die falsche Freundlichkeit von Setos Zügen, „Meine Begleitung kam nicht umhin sich durch ihre Aussagen angegriffen zu fühlen. Können wir ihnen weiterhelfen, um mögliche Missverständnisse aus dem Weg zu räumen?“

Auch Katsuya trat heran, stellte sich schräg hinter seinen Freund, das Eisenrohr in einer Hand und auf seine Schulter gestützt.

„Du kannst dich selbst aus dem Weg räumen, du Transe.“, gab einer der Fünf zurück, die überhebliche Stimme mit einem leichten Zittern unterlegt.

„Oh, ich verstehe das Problem.“, Seto nickte bedächtig, „Sie verwechseln uns mit Transvestiten, welche anscheinend von ihnen minderbewertet werden. Wenn ich sie aufklären darf...“, er machte eine ausladende Bewegung mit der Hand, „Transvestiten sind Männer, also Menschen männlichen Geschlechts über ungefähr sechzehn Jahren, die in ihrer Freizeit und, oder beruflich weiblich akzentuierte Kleidung tragen. Darunter fallen Kleider jeder Länge, abzugrenzen dabei von Kaftanen und Togen sowie Roben, die nicht unter diese Kategorie fallen. Auch rituelle Messgewänder sowie in einigen Kulturen Leinenkleider zählen nicht dazu. Ein weiteres als weiblich zugeordnetes Kleidungsstück ist der Rock, nicht zu verwechseln dabei mit den traditionellen türkischen Unterhosen oder den schottischen Kilts, die-“

„Willst du uns verarschen, Mann?“, einer der Typen sprang auf und schlug mit der Faust in die flache Hand, erstarrte aber, als er zu Katsuya sah, der lässig eine Augenbraue hob.

Anscheinend sah man ihm nicht an, dass er innerlich vor Lachen am Boden lag.

„Oh, Entschuldigung, bitte sagen sie doch etwas, wenn ich ihr Auffassungsvermögen überschreite.“, wand Seto sofort ein, den Gesichtsausdruck praktisch eins zu eins von Ryou übernommen. Er wirkte wie ein Lamm mit Zuckerwatte statt Wolle.

Katsuyas Mundwinkel zuckte leicht.

„Um meine Ausführungen also abzukürzen, um sie auch für sie verständlich zu machen – nein, wir sind keine Transvestiten. Sie dort allerdings...“, Seto deutete auf den Jungen mit den weiblichsten Gesichtszügen, „...tragen stark männlich betonte Kleidung, was sie in conclusio zu einer Transvestitin macht.“

Einen Moment lang herrschte Schweigen. Seto lächelte. Katsuya versuchte die Fassung zu halten. Seto auf diese Halbstarken loszulassen war die beste Idee seit Jahren gewesen.

„Ich bin männlich!“, schrie eben Angesprochener doch noch und sprang auch auf.

„Oh, wirklich?“, Seto legte grazil eine Hand an die Wange, „Welch Missgeschick. Ich bin untröstlich. Bitte nehmen sie meine von Herzen kommende Entschuldigung an.“, er wandte sich Katsuya zu, „Schatz, was können wir bloß tun, um das wieder gut zu machen? Wir wollen den armen Jungen doch nicht in seinem Stolz kränken. Nicht, dass das noch bleibende Schäden hinterlässt.“

„Wir könnten einen Spendenfond zur Förderung homophober, schlappschwänziger Schwachsinniger eröffnen.“, gab Katsuya zurück und versuchte dabei Setos zuckersüße Stimme nachzuahmen.

„Eine wundervolle Idee.“, der Ältere wandte sich wieder den fünf zu, „Wir benachrichtigen sie, wenn wir eine adäquate Grundförderung aufgestellt haben. Ich vermute, es wird einer Menge Lehrkräfte benötigen, um ihr Defizit aufzuarbeiten, aber grämen sie sich nicht, mit der Zeit werden sicherlich ein paar Menschen zusammen kommen, deren hohe soziale Gesinnung sogar Abschaum wie ihnen einen Standard an höflichen Benehmen zuführen kann.“

Schweigen. Was war bei Seto auch anderes zu erwarten.

„Ich wünsche ihnen noch einen schönen, guten Tag.“, er nickte ihnen zu, machte auf dem Absatz kehrt und begab sich zum Wagen, Katsuya stets an seiner Seite.
 

„Hach...“, der Fahrer seufzte zufrieden, während sie aus dem Parkhaus fuhren, „Mir war noch nie klar, wie viel mehr Spaß es macht so etwas zu zweit zu tun. Jetzt verstehe ich, warum du Bakura mitgenommen hast.“

Bakura? Wie? Ach so, Ryuji! Ja, stimmt, sie waren zu zweit da.

„Das war seine Voraussetzung dafür, dass er mir die Adresse heraus sucht.“, Katsuya seufzte leise – so wie Seto gerade, so hätte er das auch machen können, „Woher wusstest du überhaupt, wo ich bin?“

„Ich habe deine Schwester gefragt.“, er wagte einem schnellen Blick zu dem Sprechenden – Seto lächelte, „Sie war etwas aufgelöst nach eurem Gespräch. Hat geweint, alles Mögliche hervor gestottert, mich dreimal gebeten, dass ich mich für sie bei dir entschuldige... nun ja, ich habe ihr gesagt, dass wir beide sie morgen besuchen und ich bis dahin mit dir gesprochen habe.“

„Morgen?“, Katsuyas Stimme war nicht mehr als ein hohes Quietschen.

„Heute, genau genommen.“, der Brünette deutete auf die Uhr, die mittlerweile drei Uhr achtundzwanzig anzeigte, „Ich habe Noah schon angerufen und Yami vorhin Bescheid gesagt. Wir werden morgen im Krankenhaus Kaffee trinken.“, mit einem Mal hoben sich seine Mundwinkel noch weiter, „Noah hat mir eine Sahnetorte versprochen!“

Katsuya zog verzweifelt die Augenbrauen zusammen und nach oben, bevor er nach einem Moment des Schweigens nachfragte: „Du bist doch sauer, oder?“

„Sauer?“, der Fahrer blinzelte, „Nein, ich mag Süßes.“

Na klasse. Klein-Seto. Genau der richtige Moment, um ein süßes Kind vorzuschieben. Um es auszuformulieren: Du hast Scheiße gebaut, also zwinge ich dich sie wieder gut zu machen.

Na, vielen Dank auch.

„Dir bringt er Orangen-Sahne-Biskuit mit. Die Bäckerei hat den ohne Likör. Ist das richtig, dass du auch in Kuchen keinen Alkohol haben möchtest?“, plapperte Seto einfach weiter.

„Mir egal.“, murrte Katsuya nur und ließ sich tiefer in den Sitz sinken, „Wegen einem Kuchenstück fange ich nicht an massenweise Alk in mich rein zu schütten.“

„Ich wahrscheinlich schon.“, der Blonde, der schon fast auf Durchzug geschaltet hatte, horchte auf, „Bei mir würde es die Hemmschwelle senken wieder anzufangen.“

„Ein einfaches Stück Kuchen?“, er zog die Augenbrauen zusammen, diesmal allerdings in Sorge.

„Einmal krank, immer krank. Du kriegst eine Alkoholsucht nicht wieder unter Kontrolle, dass du nur noch hier und da mal ein wenig trinkst. Wenn du einmal wieder runter bist, heißt es Abstinenz, komplett und unerschütterlich oder du wirst rückfällig.“

Ups... vielleicht sollte er doch auch abstinent bleiben? Er hatte keine Probleme gehabt mit Drogen und Alkohol aufzuhören, aber wenn das beim nächsten Mal nicht so einfach wäre, sollte er nochmal da rein rutschen... den Stress eines Entzugs wollte er sich eigentlich ersparen. Außerdem war es nicht so, als würde er Alkohol jetzt groß vermissen. Und wenn Seto eh nie welchen zu sich nahm, könnte er eigentlich auch solidarischerweise keinen nehmen, oder?
 

„Und wenn du jetzt doch mal welchen trinkst? Ganz aus Versehen? Falsches Glas gegriffen oder versehentlich was anderes serviert oder so?“

„Das kommt manchmal vor, das ist wahr.“, mittlerweile trug Seto kein Lächeln mehr auf den Lippen, „Sofort aufhören. Nicht aus Höflichkeit doch trinken. Man kann die Vergangenheit nicht ändern, aber man muss es nicht schlimmer machen als es ist.“

„Huh...“, der Blonde legte den Kopf ein wenig schief, „Schränkt ja schon ziemlich ein, nicht?“

„Eine aktive Alkoholsucht schränkt einen noch mehr ein. Ich kann meine Fehler nicht mehr ändern.“, das Kindliche wich vollkommen aus Setos Stimme, „Will ich auch nicht. Ich habe aus ihnen gelernt. Sollte ich was-weiß-ich-weswegen wieder rückfällig werden, wüsste ich, was zu tun ist. Und ich würde es tun. Zumindest ich werde kaum in einen volltrunkenen, aggressiven Schläger mutieren, das kann ich dir versprechen.“

Versprechen. Katsuya konnte einen Moment lang seinen Herzschlag hören. Seto würde niemals, niemals wie sein Vater werden. Obwohl auch er alkoholkrank war und seine aggressiven Aussetzer hatte, niemals würde er so wie Herr Jonouchi werden. Niemals.

„Danke...“, flüsterte Katsuya leise und schlank den Mantel um sich, während seine Augenlider einen Moment lang flackerten und er gähnte, „Ha-haaa... ich bin froh, wenn wir zuhause sind. Langsam werde ich ziemlich müde...“

„Du kannst ruhig schlafen, wenn du möchtest.“, bot Seto ihm mit sanfter, leiser Stimme an, „Ich trage dich auch gern ins Bett.“

„Is' nich' gut für deine Schulter...“, murmelte Katsuya, doch schloss trotzdem seine Lider, „Weck' mich...“

Nur ein wenig dösen. Schließlich war er schon ziemlich lange auf den Beinen. Und hatte so einiges erlebt. Zwei Heiratsanträge zum Beispiel. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. Wer konnte schon von sich behaupten zwei Heiratsanträge am selben Tag bekommen zu haben? Und das vom selben Mann?

Nein, das war definitiv ein besonderer Tag. Er hatte einen Neffen und einen Verlobten. Beides am selben Tag bekommen. Wer wusste schon, vielleicht würde er in ein paar Monaten auf heute als den schönsten Tag seines Lebens zurück blicken? Trotz Schwierigkeiten und Turbulenzen, trotz Ryuji und exzessiven Panikattacken, trotz seiner bescheuerten Mutter, die ihn nicht angerufen hatte.

Trotz des Streites mit seiner Schwester, den er in weniger als zwölf Stunden klären sollte. Vor Seto, Yami und Noah, mit Kaffee und Kuchen. Komischerweise war der einzige Gedanke, der ihm zu dem Thema kam, ob Seto denn der Krankenhauskaffee schmecken würde. Aber wahrscheinlich ging er einfach im Schwesternzimmer selbst welchen kochen.

So viele unwichtige Gedanken. Er wollte schlafen. Nicht durch Sorgen und Unsinn wach gehalten werden.

Ein kleiner Drache.

Zwei kleine Drachen.

Drei kleine Drachen...

Vier kleine... Drachen...

Klärung im Krankenhaus

Die schwarze Katze, die ihm erzählt hatte, dass seine Schwester ihm den Kopf abhacken wolle, sprang auf seinen Rücken, als er ihr diesen zudrehte. Irgendwie schockte ihn das gar nicht. Ihre Krallen waren seltsam angenehm, ebenso wie ihre raue Zunge, die über sein Ohr leckte. Nur störte ihn irgendetwas, obwohl es angenehm war. Vielleicht, wie die Welt vor seinen Augen verschwamm und er langsam des Gefühls eines Kissens an der Seite seines Kopfes gewahr wurde.

Katsuya grummelte, wie er es sonst nur von Seto zu hören bekam.

Verdammt. Morgen. Schlaf. Traum. Aufwachen.

„Lass mich...“, unkoordiniert patschte der Blonde hinter sich, bis er warme Haut zu fassen bekam. Was genau hatte er... Haar, ein Hügel, ein-

Ups. Nicht ganz das, wo er hin gezielt hatte.

„Oho? Sollte ich dich öfter so wecken?“, erkundigte Seto sich.

„Sorry.“, nuschelte Katsuya, einmal wieder Rot auf seinen Wangen.

„Nicht doch, wir können das gerne vertiefen.“, seine Ohrmuschel fand zwischen Setos Frontzähnen Platz.

„Nei-ein...“, nörgelte der Jüngere und verzog das Gesicht, „Ich muss die Katze fragen, wo Shizuka ist...“

„Bitte?“, dafür wurde sein Ohr wieder freigegeben, „Was hast du jetzt wieder geträumt?“

„Willst du nich' wissen...“, er drehte sich in der Umarmung, in der Seto ihn hielt, drückte ihn zur Seite und legte den Kopf auf seine Schulter, „Wir haben Sonntag, oder? Warum weckst du mich?“

„Weil es bereits zwölf Uhr ist und wir für halb drei verabredet sind.“, Seto küsste ihn auf die Stirn, „Und ich dachte, du möchtest heute vielleicht noch etwas außer Kuchen essen.“

„Zwölf...“, lächelnd warf der Blonde ein Bein über seinen Freund und drückte sich noch weiter an ihn, indem er sich mit der rechten Körperhälfte auf ihn legte, „Das ist viel, viel... viel zu früh.“

„Du legst es darauf an, richtig?“, meinte Seto mit einem leichten Seufzer in der Stimme.

„Auf was?“, fragte Katsuya mit Amüsement in der Stimme, da er am Bein ganz genau spürte, was der Brünette meinte.

„Okay, es reicht.“, entschied dieser, drehte ihn auf den Rücken und positionierte sich über ihm, bevor er begann Küsse über seinem Hals und Oberkörper zu verstreuen, „Du bist – manchmal ein – fach nur – unwiderstehlich.“

„Hach, mein Held der Romantik...“, spottete Katsuya leise, doch begrüßte Setos Bewegungen trotzdem mit einem leisen Stöhnen.

„Ich höre keine Beschwerden.“, meinte dieser nur und küsste sich seinen Weg Katsuyas Arm hinab, „Mach Vorschläge, wenn du etwas anderes willst.“

„Ich melde mich, wenn mir etwas einfällt.“, der Blonde spürte so etwas wie ein Schnurren in seiner Kehle aufkommen, doch schloss einfach nur die Augen, „Oh, ich weiß was! Sag, dass du mich liebst.“

Setos Gesicht tauchte plötzlich wieder in seinem Blickfeld auf, was er durch den Schatten merkte, der sich über seine geschlossenen Augen legte. Er schlug die Lider auf, direkt gefolgt von einem Zucken seiner Mundwinkel. Sein Freund sah stumm auf ihn hinab, eine Augenbraue schwungvoll erhoben.

„Na, zu schwer?“, neckte der Untere.

„Nicht wirklich. Ich bemerke nur gerade, wie unglaublich kitschig unsere Beziehung wirkt, wenn man ein paar Details weglässt.“

„Details wie Narben und blaue Flecken?“, ein Zucken durchlief Seto kurz und die Lider schlossen sich, während sich sein Gesicht einen kurzen Moment in Schmerz verzog, „Wie sehen eigentlich deine aus?“

Katsuya legte die Hand unter Setos Kinn und drehte sein Gesicht ein Stück zur Seite. Von den blaugrünen Verfärbungen, die er Seto vor einigen Wochen verpasst hatte, war nur noch ein Hauch braun zu sehen. Einem Fremden würde selbst dieser wahrscheinlich nicht auffallen.

„Toll, oder?“, der Blonde legte den Kopf etwas schief, „Du bist neunundzwanzig und kannst behaupten, dass du mit jedem Tag schöner aussiehst.“

Seto, der die Lider wieder geschlossen hatte, ließ diese direkt unten, während er antwortete: „Ich frage mich manchmal, ob du dir wirklich selbst zuhörst...“
 

„Seto?“, Katsuyas Finger schlossen sich um den Becher Kakao, den er sich gemacht hatte, wobei sich die Wärme in seine Haut brannte.

„Wie kann ich euch helfen, Monsieur?“, der Ältere ließ seine Zeitung sinken, legte sie aber völlig weg, als er Katsuyas Haltung bemerkte, „Was liegt dir auf dem Herzen?“

„Ich hatte Streit... mit Shizuka.“, gab er leise zu.

„Ich weiß.“, erwiderte Seto ruhig, „Sprich weiter.“

„Nun ja, es ging darum... also... ich war so sauer wegen etwas, was sie gesagt hat.“, der Blonde schluckte, doch behielt den Blick auf dem Dampf, der von seinem Becher aufstieg, „Dass sie erwartet hat, dass Ryuji sie besuchen kommt, sobald das Kind geboren ist. Ich glaube, das in etwa waren die Worte.“

„Warum hat dich das sauer gemacht?“, fragte Seto nach, jedoch ohne Wertung in seiner Stimme.

„Hm... na ja...“, der Jüngere leckte über seine Lippen und rutschte auf seinem Stuhl herum, „Irgendwie... weiß auch nicht. Ich habe total rot gesehen. Habe ihr vorgeworfen, dass sie wie unsere Mutter ist und dumme Erwartungen in aussichtslose Dinge steckt. Und sie hatte gesagt, dass sie Isamu gar nicht haben will, wenn ihr das nur alle Menschen nimmt, die ihr wichtig sind. Das hat mir weh getan.“

„Hat es dich daran erinnert, wie deine eigene Mutter dich abgelehnt hat?“

Katsuya sah auf und blinzelte, bevor er nach einem Moment des Schweigens fragte: „Beunruhigt dich das gar nicht, dass sie das gesagt hat?“

„Nicht wirklich, nein.“, der Ältere lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, „Ich denke, ich würde in ihrer Situation dasselbe denken. Ihr Freund hat sie verlassen und das letzte bisschen Unterstützung ihrer Mutter ist auch weggefallen. Sie fühlt sich haltlos und allein gelassen – dazu hat sie auch ein gutes Recht, meinst du nicht?“, er ließ eine rhetorische Pause, „Sie hat sich ihr Leben sicher anders vorgestellt. Aber bis sie nicht Isamu die Schuld gibt ihr ihre Familie genommen zu haben oder sich selbst hasst dafür ihr Leben verpfuscht zu haben, mache ich mir eigentlich keine Sorgen. Mich würde es eher sorgen, wenn sie diese Gedanken nicht äußern würde – dann blieben sie in ihr und würden sie zerfressen.“, auf Setos Lippen legte sich ein sanftes Lächeln, „Alle lebensverändernden Entscheidungen werden von Zweifeln begleitet. Erst, wenn wir diese durchdacht, geäußert und verarbeitet haben, können wir den neuen Abschnitt mit Kraft und Motivation angehen. Ich gebe zu, es war sehr taktlos von deiner Schwester das so zu sagen, aber ich bin sicher, dass sie es nicht so radikal meint, wie sie es ausgedrückt hat.“

Nicht? Katsuya fixierte die blauen Augen, die dem Blick ohne Schwierigkeiten stand hielten. Shizuka hatte das mehr im Affekt gesagt? Weil sie Angst davor hatte, wie es weiter gehen solle und mit sich selbst haderte?

„Und wenn doch, ist das auch okay. Für Isamu lässt sich sicher eine liebevolle Pflegefamilie finden, wenn sie sich überfordert fühlt.“

Katsuya schluckte und hatte das Gefühl, als zöge sein Magen sich zusammen. Eine Pflegefamilie. Wenn sie sich nicht um ihn kümmern konnte, kam er in eine Pflegefamilie.

„A- a- aber... aber das will ich nicht!“, er sah wieder auf, die Augenbrauen zusammen gezogen und ein Flehen in Stimme und Blick, „Er ist doch mein Neffe. Wenn er in eine Pflegefamilie kommt... dann sehe ich ihn doch nicht wieder... oder?“

„Doch, natürlich.“, Seto lehnte sich vor und stützte sich auf dem Tisch ab, „Die Pflegefamilie würde auch hier in Domino wohnen. Du könntest ihn genauso besuchen, wie wenn er bei Shizuka leben würde.“

„Ehrlich?“, fragte Katsuya etwas kleinlaut.

„Ja, ehrlich. Genauso wie Shizuka Besuchsrecht hat. Schließlich ist das Bestreben stets, dass Kinder zu ihren Eltern zurückkehren... außer in manchen Fällen.“, Seto machte eine vage Handbewegung, die Katsuya mal so deutete, dass zum Beispiel er damit gemeint war.

„Wer entscheidet das?“

„Der Familienrichter. Ansonsten Psychologen, Sozialarbeiter und natürlich die betreffenden Eltern und Kinder.“

„Das heißt, den Pflegeeltern wird das Kind weggenommen?“, auch nicht unbedingt fair, oder? Andererseits gehörte das Kind eigentlich zu Shizuka. Allerdings... tat es das, wenn sie es nicht aufzog? Kompliziert.

Seto nickte nur.
 

Katsuya atmete tief durch, griff nach Setos Hand und drückte sie kurz, bevor er die eigene zur Faust ballte, hob und an die Tür vor sich klopfte.

„Herein!“, hörte er die hohe, fröhliche Stimme seiner Schwester.

Er schluckte.

Er würde sie doch sicher auch nur wieder aufregen, nicht? Hatte sie nicht ein wenig Ruhe verdient? Sie war so fröhlich... wer war er ihr das zu nehmen? Was, wenn sie ihn eigentlich lieber nicht sehen wollte? Sie hatte gar keine Entscheidung. Konnte nicht weg...

„Wer ist denn da?“, kam es etwas lauter.

„Oh.“, er griff nach der Klinke und lächelte entschuldigend zu Seto, „Ups.“

Dessen Hand strich noch einmal kurz über Katsuyas Rücken, bevor dieser eintrat. Sein erster Blick wanderte natürlich zu Shizuka, die den Kopf ein wenig einzog, doch immer noch vorsichtig lächelte, als sie ihn erblickte. Sein zweiter Blick ging Richtung Krippe, wo allerdings nicht mehr als ein Bündel weißer Laken zu erkennen war. Erst sein dritter Blick legte sich auf Shizukas neue Zimmernachbarin, die er grüßte.

Hm... das machte es noch schwerer. Sie waren nicht einmal allein. War der Frau zuzutrauen Informationen gegen sie zu verwenden, die sie zufällig aufschnappte? Konnte man das Gespräch ohne sie führen? Katsuya spannte seine Muskeln. Es machte ihn nervös, dass eine Fremde im Zimmer war.

„Hallo, Shizuka.“, grüßte Seto, legte eine Hand in Katsuyas Rückenbeuge und schob ihn nach vorne, „Wie geht es dir?“

„Besser, danke.“, sie sah vorsichtig zwischen den beiden hin und her, „Ist gestern alles... gut gelaufen?“, sie wandte sich dabei bewusst an den älteren von beiden.

Katsuya schluckte. Gestern? Ryuji. Da war nicht nur der Streit, da war auch die unterschwellige Drohung, dass er ihm etwas getan hatte. Auch wenn der Junge in seinen Augen ein Mistkerl war, für seine Schwester war er ihr geliebter Exfreund. Sie hatte Seto dessen Adresse gegeben, also musste sie etwas erwartet haben.

„Ich habe ihm nicht weh getan.“, erwiderte Katsuya kalt und blieb an ihrem Bett stehen, während Seto einen Hocker heran zog und sich setzte, „Lediglich daran erinnert, dass das Vaterdasein mit manchen Pflichten einher geht.“

„Mit welchen?“, ihre Augenbrauen zogen sich zusammen.

„Es seinem Vater erzählen.“, er stockte einen kurzen Moment, „Der nach seinen Angaben Führer im Museum ist und samstags nachts arbeitet.“

„Ist möglich.“, warf Seto leise ein, „Gestern war die Nacht der offenen Museen.“

Ah. Machte Sinn. Für seine Schwester hieß das trotzdem, dass er gelogen hatte. Dementsprechend fuhr der Blonde fort: „Dass man sich für die Lügen entschuldigen und mal die Verhältnisse klar machen sollte. Und dass es ganz freundlich wäre mal aufzutauchen.“

„Oh... okay...“, sie senkte den Blick und atmete tief durch, „Und du hast ihm wirklich nicht weh getan?“

„Nur etwas eingeschüchtert.“, wenn das nicht mal die Untertreibung des Jahrhunderts war, „Auch wenn ich nicht vermute, dass er mich mögen wird.“

„Gut. Vielen Dank.“, sie lächelte ihm tapfer zu, „Danke, dass du für mich da bist.“

„Um... kein Problem.“, er steckte die Hände in die Taschen und sah zu Boden, während er sich auf eine Seite lehnte, „Ich- ähm... ich wollte mich entschuldigen. Für gestern. Ich bin ein bisschen... ausgerastet. Das war nicht richtig.“

Shizuka sah ihn mit ihren rehbraunen Augen an, blinzelte einmal und lächelte schließlich. Mit einem leichten Seufzer lehnte sie sich nach hinten gegen ihr Kissen und wandte ihren Blick der Krippe zu, bevor sie sprach: „Mir tut es auch Leid, was ich gesagt habe. Ich weiß gar nicht, was da über mich gekommen ist. Ich habe mich nur irgendwie so... schlecht gefühlt. So leer.“

„Du hattest ja auch eine plötzliche Gewichtsabnahme von drei Kilo.“, Seto erhob sich, schob Katsuya seinen Hocker an die Knie, damit er sich setzte und zog sich selbst einen Stuhl heran, in dem er sich zurück lehnen konnte.

Shizuka kicherte. Sie sah einen Moment lang stumm zu den beiden, bevor sie sich erhob und Isamu aus seiner Krippe hob, um sich mit ihm im Arm auf das Bett zu setzen.

Wochenbetttee

Wir sehen, es ist Weihnachten - die Kommentarzahlen nehmen rapide ab. Ich hoffe trotzdem, dass ihr weniger Stress habt als ich. Mir ist (wie nicht selten) mal wieder nicht ganz klar, wie ich bis Montag ein weiteres Kapitel schreiben soll - andererseits geht es mir seit sicher sechs Wochen so und noch hat es immer irgendwie geklappt ^.^ Ich musste nicht einmal heute plötzlich noch schnell etwas schreiben, nein, das Kapitel ist seit Samstag fertig. Irgendwie fügt sich alles passend zusammen in meinem Leben - ich glaube, so etwas nennt man einen Glückspilz ^.^

Nun, ich habe morgen und übermorgen Verabredungen, bin zu Silvester eingeladen und habe von Freitag bis Sonntag eine Party bei mir und danach noch zwei Leute zu Besuch. Vielleicht erklärt es, warum ich noch in der Lage bin zu wissen, dass heute Montag ist x.x Während ich also weiter Partys schmeiße, wünsche ich euch eine ruhige und besinnliche Zeit...
 

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„Wie geht es ihm?“, fragte Katsuya und lehnte sich ein Stück vor.

„Erstaunlich gut.“, die junge Mutter lächelte, „Mama hat mir monatelang erzählt, wie schwierig Kinder sind, dass sie die ersten paar Monate alle Stunde schreien, dass das Stillen Schwierigkeiten machen und sogar wehtun kann und dass jede noch so kleine Temperaturänderung, die man selbst nicht merkt, vom Kind gefühlt und mit Schreien kommentiert wird.“, sie sah auf und blinzelte einmal kurz, „Ich hatte wirklich schon den totalen Horror erwartet. Aber Isamu nörgelt immer nur ein wenig. Wenn man dann schnell genug sein Problem löst, wird er auch wieder still. Nur in der Nacht hatte er eine Schreiattacke, aber hat sich beruhigt, als ich ihn mit in mein Bett hier gelegt habe.“

„Er ist wahrscheinlich ähnlich einsam.“, meinte Seto ruhig und ließ sich das Kind von Shizuka geben, „Es beruhigt ihn, wenn er deinen Atem und dein Herz hört. Dann weiß er, dass er nicht allein ist.“

„Macht Sinn.“, einen kurzen Moment lang flatterte ein Grinsen über ihre Züge und sie rückte näher heran, „Aber ich gebe zu, das mit dem Schlafen ist wirklich ein Problem, da hat Mama nicht übertrieben. Ich wurde in der Nacht viermal geweckt von ihm.“

„Um... warum?“, beide sahen zu Katsuya hinüber, der den Kopf einzog, „Sorry, ich habe gar keine Ahnung von Babys.“

„Sein kleiner Magen kann noch nicht so viel verarbeiten, darum kann er auch nicht viel auf einmal trinken. Und dementsprechend braucht er alle paar Stunden seine Milch.“, erklärte Seto.

„Ungefähr alle zwei Stunden zurzeit. Die Ärztin meinte, das würde sich in den nächsten Wochen auf alle vier einpendeln, wenn ich Glück habe.“, führte Shizuka aus, „Mir macht das alles eigentlich nichts, nur schlafen würde ich gern mal.“

„Ach so...“, Katsuya schluckte und wandte einen Moment lang den Blick ab, bevor er wieder zu Shizuka sah, „Wieso ist das so schlimm oft geweckt zu werden?“

„Hm...“, sie legte den Kopf schief, „Man fühlt sich bleischwer und kraftlos und genervt und nach dem zweiten Mal habe ich sogar geweint, weil ich so müde war und nicht schlafen konnte.“

„Oh...“, er nickte langsam, „Doch, das Gefühl kenne ich. Hatte ich im Winter oft, weil es zu kalt war, um zu schlafen. Das war echt eine Erlösung, wenn man endlich bewusstlos wurde.“

Shizukas Lider weiteten sich und ihr Unterkiefer sackte ein Stück nach unten, sodass sich ein Spalt zwischen ihren Lippen bildete. Sie starrte ihn einen Moment lang an, bevor sie die Hand griff, die er auf das Bett gelegt hatte und zwischen ihre nahm. Mit gesenktem Kopf, den Blick auf seiner Hand fragte sie: „Er hat dich im Winter raus geschmissen?“

Katsuya studierte einen Moment lang ihren Haarschopf und biss auf die Innenseite seiner rechten Wange. Verdammt, er hatte ganz vergessen, wie geschockt andere Menschen auf so etwas reagierten. Bei Freunden wie Yami, Seto, Bakura und Ryou, die das kannten – oder zumindest ihn – und Schlimmeres durchlebt hatten, vergaß man irgendwie, dass nicht jeder so etwas gelassen aufnahm.

„Auch.“, murmelte er leise, „Aber die Heizungen in der Wohnung waren stets abgestellt, darum war es drinnen auch nicht viel wärmer. Aber da hatte ich wenigstens Decken.“

„Bei allen Göttern...“, flüsterte Shizuka leise und sah mit Tränen in den Augen auf, „Ich achte darauf, dass Isamu es immer warm genug hat, versprochen.“

„Danke.“, er lächelte leicht, „Ich weiß, dass du das besser machen wirst. Und auch, wenn ich keine Ahnung habe, ich helfe, wo ich kann.“

Damit konnte er zumindest ihr Lächeln zurück bringen.
 

Es klopfte und eine Schwester öffnete die Tür, wandte sich aber nach draußen und trat zur Seite.

„Vielen Dank.“, konnte man vom Gang vernehmen, bevor Noah herein rollte, eine Schachtel mit einer Konditormarke auf den Beinen.

„Ich bringe ihnen noch Teller und Gabeln.“, sicherte die Krankenschwester zu, ein Hauch von Rot auf den Wangen tragend, „Wie viele sind sie?“

„Fünf Personen. Noch einmal vielen Dank.“, er nickte ihr zu und wandte sich schließlich nach vorn, um zu ihnen herüber zu fahren, „Guten Mittag, allerseits.“

„Noah!“, Seto grinste breit, stand auf und beugte sich hinab, um seinen Bruder mit einem Arm zu umarmen – schließlich hielt er noch Isamu – und sprach weiter, kaum dass sie sich wieder gelöst hatten, „Hast du Schokotorte dabei?“

„Seto, benimm dich...“, murmelte Katsuya leise, bevor er Noah begrüßte und ihm die Schachtel abnahm.

„Hach ja...“, Noah zog die Handschuhe aus und ließ sich zurück sinken, „Eins kann ich euch sagen, dieses Krankenhaus ist wahrlich nicht für Rollstuhlfahrer gemacht. Wer hatte bloß die Idee auf einem Hügel ein Krankenhaus zu bauen?“

„Die Griechen.“, Seto kniete sich neben Katsuya und sah mit großen Augen zu ihm hoch, „Kind gegen Torte?“

Shizuka prustete, Noah lächelte und Katsuya ließ irritiert den Blick zwischen der Schachtel in seinen Händen und Isamu in Setos Armen wandern, bevor er meinte: „Menschenhandel ist zwar nicht erlaubt, aber okay...“

Er stellte die Schachtel kurz auf das Bett und nahm das kleine Bündel Mensch von Seto entgegen. Bei einem kurzen Blick zwischen die Stoffbahnen schreckte er allerdings fast zusammen, als aufmerksame kleine Augen zurück blickten.

„Er ist ja wach!“, rief er überrascht, bevor er blinzelte und schließlich grinste. Sein kleines Gegenüber öffnete zweimal den Mund, bevor auch auf dessen Lippen so etwas wie ein Grinsen entstand, „Ich glaube, er mag mich.“

„Möglich.“, Seto lehnte sich vor und sah über seine Schulter, „Allerdings macht er nur deinen Gesichtsausdruck nach. Also versuch nicht allzu dumm auszusehen.“

„Hey!“, der Blonde spitzte die Lippen und warf seinem Freund einen bösen Blick zu, der jedoch lachte. Als er sich Isamu wieder zuwandte, versuchte dieser auch gerade die Lippen zu spitzen und bekam das mit etwas Phantasie auch gut hin. Das machte irgendwie Spaß. Was konnte so ein kleines Wesen wohl alles?

„Komm, wir versuchen mal Seto nach zu machen.“, er zog die Mundwinkel so weit er konnte nach unten, was Isamu nach einigen Versuchen sogar besser als er selbst hin bekam, „Cool... ähm... kannst du entsetzt gucken?“, er öffnete seinen Mund und die Lider zu weit er konnte, was Isamu auf Anhieb hin bekam, „Super, Kleiner.“, er gab dem Baby einen Kuss auf die Stirn und lächelte, was erwidert und von einem kleinen Quietschen begleitet wurde.
 

„Genau so stelle ich mir einen jungen Vater vor.“, murmelte Shizuka leise und betrachtete die Zwei lächelnd.

„Albern, aufgekratzt und übermütig?“, fragte Seto mit Sarkasmus in der Stimme.

„Glücklich.“, erwiderte sie nur, was Katsuya aufsehen ließ, „Ja, stell dir vor, Brüderchen. So wirkst du zumindest auf andere Leute.“

„Bin ich auch.“, meinte er nur mit Überraschung in der Stimme, als könne er nicht verstehen, wie man etwas anderes glauben könne.

Was er wohl auch gedacht hatte. Seine Lider weiteten sich und er stieß einen kleinen Schrei aus, als Seto ihn stürmisch umarmte und dabei fast vom Stuhl warf.

„Ganz ruhig mit den jungen Pferden.“, Noah schüttelte den Kopf und lächelte, als er Isamu vergnügt quieken hörte, da Seto beide Gestalten in seinen Armen auf dem fahrbaren Hocker um sich herum drehte.

„Mama schimpft immer, dass Männer schlimmer als Kinder sind.“, die Brünette lächelte matt und lehnte sich zurück, „Aber ich glaube, das ist gut für die Kleinen. Frauen sind so ernst.“

„Alle Menschen sind ernst, wenn sie es sein müssen.“, Noah fuhr seinen Rollstuhl so heran, dass er den Platz neben dem Kopfende des Bettes einnahm, wo vorher Seto gesessen hatte, „Frauen müssen es nur öfters, besonders als allein erziehende Mütter.“, er warf ihr ein Lächeln zu, „Ich wette, du kannst genau so ausgelassen sein, wenn du willst.“

„Mister Kaiba...“, sie zog die Augenbrauen ein wenig zusammen und wandte den Kopf ab, jedoch nicht den Blick, „Flirten sie mit mir?“

„Natürlich.“, er lehnte sich zu ihr, sein Kinn auf eine Hand gestützt, „Ich flirte immer mit hübschen Frauen.“

„Im Wochenbett?“, sie kicherte ein wenig unsicher.

„Nie haben sie ein rosigeres Rot auf den Wangen.“, er lächelte charmant, „Nun ja, genug der blumigen Worte. Ich bin eh zu alt für dich.“, er setzte sich wieder auf und sah zu den Dreien hinüber, die sich noch immer auf ihren Stühlen drehten, mittlerweile alle lachend oder lächelnd, „Mein Bruder liegt mir seit Jahren in den Ohren, ich solle eine Frau finden. Und jetzt zieht die Ausrede nicht mehr, dass er ja auch niemanden hat.“

„Und da dachten sie an ihre Schwägerin?“, sie verschränkte die Arme, doch lächelte.

„Du weißt von der Sache?“, er hob beide Augenbrauen, während sie die ihren zusammen zog, „Der Verlobung?“

„Die beiden?“, ihr Kinn sackte hinab, was Seto dann doch mal dazu brachte Katsuya und Isamu nicht weiter zu drehen, „Katsuya, hast du mir da was zu erzählen?“

Der Blonde hob allerdings nur grinsend eine Hand, während Seto Isamu hielt, obwohl dieser an Katsuyas Brust lag und der Ältere hinter ihm saß.

„Spielkinder.“, urteilte Noah, „Darf ich Fossil das Kind auch einmal halten?“, er warf allen Dreien einen fragenden Blick zu.

„Wenn du ihn den beiden da entreißen kannst.“, erwiderte Shizuka und betrachtete die Übergabe mit funkelnden Augen und einem breiten Lächeln im Gesicht, „Bei allen Göttern, ich fühle mich so glücklich...“

„Sieh an, mehr Hormonschwankungen.“, neckte Seto, worauf er sich allerdings einen Ellenbogen einfing, der seine Seite streifte.

„Liegt die Euphorie am Wetter?“, murmelte Noah, doch seine Konzentration galt dem Kind in seinen Armen, „Hilfe, ist der klein...“

„Er wirkt winzig, nicht?“, warf Katsuya ein, der gerade versuchte eine Position zu finden, wo er sich gegen Seto lehnen konnte ohne dass ihm sein Hocker unter den Hintern wegrutschte, „Ich dachte im ersten Moment, ich würde ihn zerbrechen.“

„Wenn ihr so weiter macht, suche ich wirklich eine Frau, allein um der Kinder willen.“, Noah und Seto tauschten einen Blick, bevor er sich zu Shizuka wandte, „Liebes, wenn du mal Hilfe brauchst, auf mich kannst du zählen.“
 

„Juhu.“, nach einem Klopfen war ein bunter Schopf hinter der sich öffnenden Tür zu sehen, „Sorry für die Verspätung.“, Yami lächelte in die Runde und hielt eine Hand hoch, „Dafür habe ich die Gabeln mit, die mir gerade in die Pfoten gedrückt wurden.“

„Gabeln!“, Seto platzierte die Schachtel mit den Kuchen auf Shizukas Nachttisch und kam herüber, um ihm eine abzunehmen, „Brauchen wir nicht noch Teller?“

„Dir auch einen schönen guten Nachmittag.“, Yami winkte den anderen Dreien zu, die ihn ordentlich begrüßt hatten, „Bist du sicher, dass böse Jungen Kuchen kriegen?“

„Hallo, Yami...“, nuschelte der Ältere schon fast und senkte den Kopf ein wenig.

„Sehr gut.“, der Rothaarige zog die andere Hand hervor, in der er fünf Teller hielt, „Artige Kinder werden belohnt.“

„Kuchen!“, lautete Setos Antwort darauf, bevor er sich mit Teller und Gabel bewaffnet zurück zur Schachtel aufmachte, die Noah mittlerweile wieder genommen hatte und offen hielt.

Yami verdrehte nur die Augen und verteilte den Rest des Geschirrs.

„Und, war es schwer dich so früh aus dem Bett zu quälen?“, neckte Katsuya munter.

„Ein bisschen. Ich muss meine Schlafgewohnheiten umstellen, wenn wir jetzt jeden Sonntag Kaffee trinken.“, der noch Stehende grüßte die Dame im anderen Bett und holte sich einen Stuhl, der in der Ecke des Zimmers stand.

„Wieso?“, fragte Shizuka und wandte sich ihm lächelnd zu, während auch Noah fragend aufsah.

„Ups...“, flüsterte Katsuya und zog den Kopf ein. Na toll. Noah hatte er Yami als Psychologen vorgestellt, allerdings hatte dieser ihn auch schon mal als Kartenspieler vor zwölf Jahren kennen gelernt. Und Shizuka kannte ihn als Mitarbeiter der Unterhaltungsbranche...

„Ich arbeite vor allem abends und nachts, daher schlafe ich normalerweise von morgens bis nachmittags.“, erklärte Yami ohne in irgendeiner Weise auf die Art seines Berufes einzugehen.

„Und was genau machst du?“, erkundigte Shizuka sich, was Katsuya dazu brachte auf seine Unterlippe zu beißen.

Er warf einen schnellen Blick zu Seto, der sich jedoch vergnügt seiner Schokotorte widmete.

„Ich prostituiere mich.“, antwortete der Rothaarige mit einer Stimme, als würde er eine Alltäglichkeit erzählen, „Nun ja, nicht mehr oft. Mittlerweile bin ich öfter als Eskort oder männliche Hostess aktiv.“, er nahm von Katsuya sein Stück Kuchen entgegen, das dieser ihm schweigend aufgefüllt hatte, „Praktisch eine Geisha der Yakuza.“

„Oh...“, Noah wirkte einen Moment lang ausdruckslos, doch seine Gesichtsmuskeln zuckten, „Dann hatte ich dich letzte Woche wirklich richtig verstanden... ich hielt es für unhöflich dort nachzufragen. Du schläfst mit Yakuza-Dons?“

„Und Wirtschaftsbossen und Politikern, ja.“, führte Yami sorglos aus.

Freunde

Wie jeden Montag ist heute Schnitzel- äh, DS-Tag. Ich bin ein wenig dem Urlaub verfallen, habe Stress und Depris von mir geschmissen und starte mit Kraft und Kreativität in die nächste Woche, die für mich Folgendes bereit hält: Lernen, lernen, Uni, lernen, Uni, lernen, äh... erwähnte ich Lernen? Der Countdown läuft, nur noch ein Monat bis zur Prüfung.

Aber nichts soll mich hindern nicht dennoch zu schreiben. Dementsprechend viel Spaß mit dem folgenden Kapitel ^.^ (P.S.: Ja, morgen stelle ich die beiden neuen Fanarts in die Charakterbeschreibungen, nochmal ein großes Sorry für die Verzögerung!)
 

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Shizukas Mund stand offen, schloss sich langsam wieder, bevor sie etwas Unverständliches hervor stotterte, tief durchatmete und fragte: „Wie... wie ist das?“

„Was?“

„Mit Leuten... gegen deinen Willen- ich meine...“, sie errötete, „Entschuldige, so was fragt man nicht.“

„Nein, schon okay.“, Yami begegnete ihrem Blick, „Gegen den Willen ist eine Grausamkeit. Mit meinem Willen für Geld ist eine akzeptable Sache. Die meisten Freier, die ich heutzutage habe, betrachten sich praktisch als den heimlichen Geliebten und behandeln mich auch so. Es ist nicht so, dass perverse Lüstlinge über unwillige Prostituierte herfallen, die leider mit diesem Job leben müssen. Ich gebe zu, es gibt natürlich unangenehme Fälle…“, er ließ eine Pause, die Katsuya in Gedanken automatisch zu ihren Gespräch vor vielen Wochen zurück brachte, wo Yami ihm von genau diesen erzählt hatte, „Und der Durchschnittsfreier ist auch nicht das, was ich freiwillig nehmen würde, aber es gibt doch ein paar angenehme Überraschungen.“

Was nichts daran änderte, dass Yami sich am Grunde seiner Seele zutiefst verabscheute und trotzdem nicht damit aufhörte. Und dass er auch schon ganz andere Darstellungen seines Berufs gegeben hatte, die Katsuya sagten, dass er gerade extrem verharmloste. Vielleicht stimmte es für die Freier, die er jetzt – nach acht Jahren – hatte, aber nicht für die, mit denen er damals anfing.

„Ich war letztens im Theater und mir wurde ein Satz vor die Füße geworfen, der mich über Wochen nicht los ließ.“, sprach Noah in die entstandene Still, „Es wurde gesagt, dass Menschen nicht bewusst denken und deswegen handeln – sondern dass sie handeln und das Bewusstsein Gründe für diese Handlungen sucht. Dass wir uns konstant vor uns selbst rechtfertigen und nicht in der Lage sind unser Tun wirklich bewusst zu steuern.“

Der Rothaarige wandte sich ihm zu und erneut breitete sich Stille über die ganze Gruppe. Selbst die Frau im Bett nebenan, die vorher stets sehr tiefe Atemzüge gemacht hatte, schien plötzlich keinen Laut mehr von sich zu geben. Vielleicht hörte Katsuya aber auch nur nichts. Die Welt erschien ihm immer mehr wie in einen Nebel getaucht und auch sein Atem verlangsamte sich.

„Du möchtest mir dezent mitteilen, dass ich gerade rationalisiere, um meinen inneren Konflikt abzuschwächen?“, fragte Yami leise, die Stimme nur so laut wie ein Flüstern, doch klar und trotz der Tonlosigkeit schneidend gesprochen.

„Ich kenne dich kaum.“, gab der Geschäftsmann zu, „Aber ich denke, dass ich das in deiner Situation tun würde. Zumindest stelle ich mir vor, dass ich das tun würde.“, er verschränkte die Hände, die Ellbogen auf den Lehnen gestützt, einen Zeigefinger an seinen Lippen liegend, „Katsuya hat nicht untertrieben, als er dich als Psychologen vorstellte.“

„Ich habe nur geraten.“, die Amethystaugen bohrten ihren Blick in den Ältesten.

„Du hast zu einem subtilen Angriff angesetzt und versuchst mich nieder zu starren.“, Noah legte sein Kinn auf die Hände, „Mache ich dir Angst?“

„Yami bewahrt zumindest gerade die Höflichkeit.“, Seto hob die Hände und legte sie beiden auf die Augen, was diese blinzelnd davor zurückweichen ließ, „Auch wenn es nicht höflich war diesen psychologischen Autoritätskampf überhaupt zu beginnen. Nicht jeder will dir gleich etwas Böses, nur weil er unter deine Haut geht, Yami.“

„Unter meine Haut zu kommen kostet Geld.“, giftete jener nur, stellte seinen kaum angerührten Kuchen auf das Bett, griff nach seiner Tasche und verließ den Raum.
 

Shizuka, die seit einiger Zeit schon wieder Isamu im Arm hielt, sah mit glänzenden Augen zwischen allen Anwesenden und der Tür hin und her. Katsuyas Blick fiel zu Boden, die Iriden gefolgt von seinen Lidern, die sich tief über seine Augen legten.

Noah stieß einen tiefen Seufzer aus, atmete hörbar ein und wandte sich an seinen Bruder: „Würdest du ihm bitte nachgehen, dich in meinem Namen entschuldigen und ihn bitten wieder her zu kommen? Ich bin in diesem Stuhl kaum schnell genug.“

„Eine passende Rechtfertigung.“, erwiderte dieser nur eisig, in seinem Ausdruck dieselbe Du-bist-ein-Idiot-Botschaft, die auch in seinen Worten mitschwang, doch erhob sich und verließ ebenfalls den Raum.

„Es tut mir Leid…“, murmelte der Älteste nach ein paar Sekunden, „Ich wollte euch nicht den Nachmittag verderben.“

„Nein, nein…“, Shizuka schüttelte langsam den Kopf, „Das ist alles heute sehr… ungewohnt. Vertragen, Verlobung, Streit… das ist sehr…“, doch sie sprach nicht weiter und bewegte nur noch einige Male ihr Haupt nach links und rechts.

„Es ist alles zu viel.“, meldete sich Katsuya, die Stimme wie heiser, ein Krächzen gar und äußerst leise.

„Bruder?“, die Brünette zog die Augenbrauen zusammen, „Geht es dir gut?“

„Ich…“, brachte er hervor, doch seine Stimme schien sich im Nichts zu verlieren. Er hob eine Hand, die jedoch zitterte, als hätte er ein späteres Stadium Parkinson. Seine Schwester sog scharf die Luft ein, während Noah sich vorlehnte und eben diese Hand mit seiner griff.

„Was brauchst du?“, fragte er leise.

„Eis.“, hauchte er und fragte sich im selben Moment, warum er das gesagt hatte, bevor wieder Stille in seinen Gedanken herrschte.

„Schön wäre es Laufen zu können…“, Noah griff nach den Rädern seines Stuhles, drehte sich fast auf der Stelle und rollte zur Tür, öffnete sie und verschwand den Gang hinunter.

„Katsuya?“, fragte seine Schwester leise, legte ihren Sohn mittig auf ihr Bett und krabbelte heran, „Was ist los mit dir?“

Ein minimaler Spalt bildete sich zwischen seinen Lippen, der sich doch sofort wieder schloss. Sein Atem vertiefte sich weiter, bis er kaum mehr vorhanden schien und er sackte ein Stück nach vorn, sodass er mit den Armen auf seinen Beinen lehnte und sein Kopf praktisch waagerecht hing.

„Katsuya…“, ihre Stimme schien zu zittern und sie musste die Luft hoch ziehen. Einen Moment später griff sie zu der Schublade ihres Nachttisches, um etwas heraus zu nehmen und putzte sich geräuschvoll die Nase.

Aber auch dieses Geräusch war nur ein Flackern im Hintergrund, das kurz versuchte an ihm zu ziehen und schnell den Enthusiasmus verlor, als er weiter in sich selbst versank.
 

„Es tut mir Leid.“

Katsuya blinzelte und spürte mit einem Mal Finger, die über seine Wangen strichen und einen stechenden Schmerz in seinen Händen. Seine Augen fokussierten auf den Boden, seine Hände, in denen er Eisstücke hielt, hinauf zu Amethystaugen, über denen schwarze Augenbrauen zusammen gezogen waren.

„Es tut mir Leid, dass ich so blöd reagiert und die Stimmung zerstört habe.“, führte Yami aus und fuhr weiter mit seinen Daumen über Katsuyas Wangen, während er sein Gesicht in den Händen hielt, „Wenn du sauer bist, kannst du ruhig jemanden dafür anschreien.“

Anschreien? Sauer? Auf Yami? Nein, warum denn? Der Blonde blinzelte und legte die Stirn in Falten. Warum war ihm so komisch? Als wäre jeder Körperteil zu schwer für ihn, als wäre er müde ohne schlafen zu wollen und… irgendwie so betäubt. Er versuchte etwas zu sagen, doch seinen Lippen schienen wie aneinander geklebt. Mit einem Grummeln stieß er mit der Zunge dagegen, bis er sie getrennt hatte und verzog den Mund in alle möglichen Richtungen, worauf die Lähmung wie weg schien.

Waren das Dissoziationen? Höchstwahrscheinlich. Und so war er noch nie dagegen vorgegangen, aber Not machte erfinderisch, nicht? Zumindest sein Gesicht war wieder beweglich.

„Sorry. Ich hasse meine Dissos.“, er zog den rechten Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln.

„Dissos sind lustig.“, meinte Yami nur, ließ sein Gesicht los und griff nach seinen Händen, „Ich kann komische Dinge mit dir machen und du kannst dich nicht wehren.“, er klatschte Katsuyas Pfoten zusammen.

Beim dritten Mal hatte der Blonde genug Kraft seinen besten Freund davon abzuhalten, bevor er seinen ganzen Oberkörper schüttelte und die Zehen in seinen Schuhen auf und ab hob.

„Wieder da?“

„Denke schon.“, murmelte Katsuya und ließ sich von Seto einen Kuss geben, der heran rückte.

„Mir tut es auch Leid.“, Noahs Blick wandte sich einen Moment zu Boden.

„Schon gut, geht ja wieder.“, der Blonde warf einen kurzen Blick zu der Dame im Nebenbett, die ihn unverhohlen anstarrte, „Haben wir eine Schale für das Eis?“, er öffnete die Hände und hielt diese Yami vor die Nase.

„Klar.“, dieser reichte ihm Setos Kuchenteller an, der bereits geleert war, „Und, was schlägst du vor, was wir mit der ruinierten Stimmung machen?“

„Zum Fenster raus…“, Katsuya probierte die Bewegungsmöglichkeiten jedes Fingers einzeln aus, „Mag jemand etwas erzählen?“

„Au ja.“, der Rothaarige setzte sich wieder, „Noah, erzähl mal einen Schwenk aus deiner Jugend.“

„Bitte?“, dieser hob beide Augenbrauen, „Ähm…“

„Mein Bruder muss nicht sehr oft improvisieren.“, warf Seto mit einem maliziösen Lächeln ein, fuhr seinen Hocker neben diesen und lehnte sich zu ihm, „Und eine wilde Jugend hatte der brave Streber auch nicht.“

„Du warst ja auch wild genug für uns alle zusammen.“, der Älteste kniff seinem Bruder die Nase mit Zeige- und Mittelfinger, „Außerdem habe ich massig schmutzige Storys mit Sekretärinnen zu bieten.“

„Wow… und wie viele von denen hattest du? Drei?“, Seto piekte ihm mit einem Finger in die Seite.

„Vergiss es, du kleine Plage.“, Noah fasste seine Hand, „Ich plaudere keine Intimitäten mitten in einem öffentlichen Krankenhaus aus.“

„Ist das ein weiterer Seitenhieb?“, warf Yami trocken ein.

Katsuya verdrehte nur die Augen. Konnten die beiden es nicht einfach lassen? Welch ein Kleinkrieg ohne jeden Grund. Und warum? Wahrscheinlich, weil sein bester Freund schmollte, dass ein gut aussehender Mann wie Noah hetero war.
 

„Warum zicken Yami und Noah sich so an?“, murmelte der Blonde auf dem Weg nach Hause im Auto, während er den Kopf in den Nacken legte und die Lider schloss.

„Weil Noah den Nagel auf den Kopf getroffen hat und das Yami extrem anpisst.“, erwiderte Seto leise mit völlig trockener Stimme, „Es gibt einen Grund, warum Yami Psychologie lernt, über Ernährungslehre Bescheid weiß, magersüchtig und stets für uns da ist: Er ist ein Kontrollfreak. Und wenn jemand in sein koordiniertes System einbricht und etwas findet, was für ihn Chaos darstellt – wie das Begründungssystem, auf dem sein Leben aufbaut – macht ihm das sehr viel Angst. Das ist praktisch Yamis Macke. Deswegen könnte er auch niemals mit mir zusammen sein, denn ich wäre zu viel Chaos.“

„Und ich bin das nicht?“, Katsuya wandte seinen Kopf nach links und studierte Setos Ausdruck.

„Tja… im ersten Augenblick hätte ich gesagt, dass du absolut chaotisch bist, aber im zweiten… ich meine, ich strukturiere meinen wirren Kopf durch deine Hilfe, also müsstest du eigentlich sehr strukturiert sein.“, der Brünette zog die Augenbrauen zusammen, „Ich bin verwirrt. Gib mir einen Moment darüber nachzudenken.“

„Kein Problem…“, Katsuya verschränkte die Arme hinter dem Kopf, „Du hast alle Zeit der Welt.“

Ein ganzes Leben. Ihr Leben. Der Blonde betrachtete seine linke Hand. Verlobt… tja… Anfang September hatte die Schule wieder begonnen. Jetzt war es Anfang November. Zwei Monate hatten ihn von einem ständig abgeschossenen Junkie und Punchingball eines Alkoholikers zu einem jungen Mann mit guten Noten, einer aussichtsreichen Zukunft, einer festen Beziehung, einem guten Wohnsitz und netten Freunden gemacht. Zwei Monate und er, das unbedeutende Nichts, war zu einem geliebten und erwünschten Etwas geworden.

Er lächelte und setzte einen Kuss auf das kühle Metall.

Wenn zwei Monate so einen Aufstieg bringen konnten – wie schnell könnte diese Welt wohl wieder zusammenbrechen? Es bräuchte nur einen, der sie verriet. Nur einen, der zu viel sah. Nur einen, der im falschen Moment ein falsches Wort fallen ließ.

Oder nur einen Wagen. Einen Autounfall. Ein Erdbeben. Dies alles könnte so schnell einfach vorbei sein und er wäre wieder da, wo er vorher war. Auf der Straße. Hungrig. Allein. Am Ende. Eine Laune des Schicksals und all diese Sicherheit würde wie ein Kartenhaus in sich zusammen fallen.

Er schloss die rechte um die linke Hand und zog beide an seine Lippen. Nein, das würde nicht passieren. Vielleicht würde ein Unglück ihm einen geliebten Menschen nehmen, vielleicht würde das Gesetz ihn von Seto trennen, vielleicht würde er selbst irgendwie draufgehen – aber eines blieb sicher: Den Kreis seiner Freunde konnte man ihm nicht so einfach nehmen.

Schwierigkeiten

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Schwierigkeiten - die zensierte Version

Uni hat wieder gestartet ^.^ Und ich habe die heroische Aufgabe auf mich genommen alles herum Liegende endlich zu beantworten. Ich habe dabei Mails von letztem September entdeckt... irgendwie beschämend v.v Es tut mir Leid, dass ich so unzuverlässig bin. Zumindest meine Kapitel kriege ich pünktlich fertig. Danke, dass ihr so treue Leser seid! Viel Spaß mit diesem ^.^
 

Das Adult war in diesem Kapitel, weil der erste Absatz einen sehr detaillierten, äußerst brutalen Traum enthielt, den ich lieber kürzen werde.
 

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Katsuya schrie.

Er schrie und schlug um sich, versuchte sich von den Fesseln loszureißen, versuchte durch die träge Menge nach vorne zu schnellen und schaffte es nicht sich von der Stelle zu lösen.

[Vor seinen Augen spielte sich eine Szene ab, wie Isamu mit einem Jagdmesser verletzt wurde.]

Katsuya schien wie in Stein gemeißelt, konnte keinen einzigen Muskel mehr bewegen, nicht einmal um seinen offen stehenden Mund zu schließen oder die Tränen, die seine Sicht verschwimmen ließen, aus den Augen zu streichen. Nicht in der Lage seinen Kopf abzuwenden.

[...]

Aufhören! Katsuya wollte schreien. Lasst das Kind in Ruhe! Seine Augen und seine Seele zitterten. Tut ihm das nicht an! Doch er konnte sich nicht regen.

„Ein braves Kind.“, hörte er seine Schwester sagen.

„So winzig.“, fügte Noah hinzu.

Beide Stimmen schienen von überall gleichzeitig zu kommen.

„Das gefällt dir, nicht wahr?“, fragte eine unbekannte männliche Stimme, „Du dreckige kleine Schlampe, das magst du, nicht? Gib doch zu, dass dich das geil macht.“

Er schrie. Er schlug die Lider nieder und schrie. Er krümmte sich zusammen und schrie.

„Katsuya! Katsuya!“, etwas hielt ihn nieder, hielt ihn davon ab zu Isamu zu kommen, hielt ihn auf dem Boden, „Katsuya!“

Er schrie und weinte und kämpfte blind gegen die Kraft, die ihn zu halten versuchte.

„Wach auf! Katsuya!“

Sein Körper bäumte sich auf, Kopf und Füße noch auf der Matratze, doch der Rest zuckte nach oben. Seine Lider schossen in die Höhe und einen Moment schien er in der Luft zu erstarren, als stände sein Körper unter einem nicht enden wollenden Stromschock. Auf ein unsichtbares Zeichen fiel er jedoch in sich zusammen, schlug spannungslos auf die Matratze und gab jeden Widerstand auf. Sein Atem war flach und schneller als der Sekundenzeiger der Uhr auf dem Nachttisch tickte. Hände drückten sich ihm über Mund und Nase, bildeten dort eine Kuhle, in die er atmete.

„Fuck!“, hörte er Seto zischen, während weiße Punkte vor seinen Augen tanzten.

Die Hände entfernten sich, bevor ein Kissen auf sein Gesicht drückte und er kaum mehr atmen konnte. Er versuchte es mit der Hand wegzuschlagen, doch sein Arm kollidierte unkoordiniert mit Setos Ellbogen und glitt einfach ab.

Einen Moment blieb er still, um seine Kräfte zu sammeln. Das Weiß vor seinen Augen verschwand in dieser Zeitspanne und er konnte Setos angestrengten Atem vernehmen. Während er sich noch wunderte, warum sein Freund ihn zu ersticken versuchte, entfernte sich das störende Objekt auch schon und er blickte in angsterfüllte Augen mit weit aufgerissenen Lidern.
 

„Willst du sie anrufen?“, fragte Seto unsicher, bevor er einen Kuss auf Katsuyas Stirn setzte.

Sie hatten sich mit zwei Bechern, aus denen es dampfte, im Wohnzimmer nieder gelassen, der Blonde auf dem Schoß des anderen, den Kopf an dessen Schulter gelehnt und die Beine angezogen.

„Ich störe nur. Es war nur ein Traum. Isamu geht es sicher gut.“, flüsterte er nur und nahm einen Schluck seiner heißen Milch.

„Aber vielleicht geht es dir besser, wenn du weißt, dass alles in Ordnung ist.“

„Vielleicht...“, er seufzte und schloss die Augen, „Aber sie schläft sicher noch.“

„Hm.“, Setos Blick wanderte hinter sie, wo eine Uhr an der Wand hing, „Ich gebe zu, da hast du Recht. Es ist halb sechs.“, er setzte einen Kuss auf Katsuyas Haar, „Ist dir kalt? Soll ich uns zudecken?“

„Passt schon...“, dieser nahm seine Milch auf ex und stellte den Becher auf dem Tisch ab, bevor er sich wieder an Setos Brust kuschelte, „Bist du nicht müde?“

„Ich trinke Kaffee.“, erwiderte jener nur und legte seine starken Arme um ihn, „Gibt es nicht irgendetwas, das ich für dich tun kann?“

„Halt mich einfach...“, Katsuyas Stimme verlor sich in ein Säuseln und zwischen seinen Lippen blieb ein kleiner Spalt, als der Ton versiegte. Die Augenlider sanken erneut herab und sein Atem vertiefte sich.

Setos Nähe war so beruhigend. Seine Wärme so einnehmend. Man könnte Tag und Nacht in seinen Armen verbringen und sich einfach nur wohl fühlen. Geliebt, sicher und geborgen – auch wenn dieser Ersteres kaum aussprach und immer wieder anzweifelte. Wenn er sich also so gut fühlte, warum dann diese Alpträume? Warum die Dissoziationen? Warum diese Gefühle, als würde jemand seine Nerven vereisen?

Er sog die Luft ein und krümmte sich ein wenig zusammen. Oh nein, keine Heulattacke... ein kurzes Wimmern konnte er trotz fest zusammen gepresster Lippen nicht verhindern. Seine Stirn legte sich in Falten, sein Mund zog sich in die Breite und eine einzelne Träne suchte sich den Weg seine Wange entlang.

Setos Arm, der seine Beine gehalten hatte, legte sich um seine Schultern und zog ihn aus seiner seitlichen Position weiter gegen dessen Körper, was ihn zwar etwas ungemütlich sitzen, aber sehr warm fühlen ließ. Seine Tränen rannen frei in dessen Pyjamaoberteil, das die Flüssigkeit gierig aufnahm und ihm so die Tränen trocknete.

„Ich will nicht mehr...“, flüsterte er in den warmen Stoff und schluchzte leise, „Ich kann nicht mehr... das ist alles zu viel...“

Eine Hand begann seinen Kopf zu kraulen und er schaffte es nicht sich weiter zurück zu halten. Ein herzzerreißender Schluchzen brach aus seiner Kehle und er krallte seine Finger in Setos Oberteil, bis er mit Tränen auf den Wangen einige Minuten später einschlief.
 

„Er schläft gerade.“

Wer? Katsuya blinzelte und sah sich kurz um, bevor er die Umgebung registrierte. Er lag auf dem Sofa, eine Decke über sich ausgebreitet und hörte Seto im Flur mit jemandem sprechen.

„Was ist denn los mit dir, Kleines?“

Kleines? Er zog die Augenbrauen zusammen, während er sich wieder zurück sinken ließ. Meinte er Shizuka? Telefonierten sie miteinander? Hm... dann war die schlafende Person wohl er... mit einem tiefen Seufzen richtete er sich auf und sah zum Türrahmen, durch den er Seto an die Wand des Flurs gelehnt stehen sehen konnte.

„Oh, er ist gerade aufgewacht.“

Katsuya streckte nur eine Hand in seine Richtung aus, um zu symbolisieren, dass man ihm das Handy geben solle.

„Moment, ich verbinde.“, der Brünette legte eine Hand auf den unteren Teil des Mobiltelefons und kam heran, „Deine Schwester. Sie klingt ziemlich aufgelöst.“

Der Jüngere seufzte kaum hörbar und schloss die Lider, während er das Handy zu seinem Ohr führte und sich selbst wieder auf das Sofa sinken ließ mit den Worten: „Morgen, Shizuka...“

„Hi...“, ein Atemzug, „Habe ich dich geweckt?“

„Schon okay.“, obwohl es sehr angenehm gewesen war traumlos zu schlafen, „Was ist denn los bei dir?“

„Ach, es ist... es... also...“, sie schluchzte, doch das dämpfte sehr schnell ab – sie schien eine Hand vor ihren Mund zu halten oder das Handy weg, „Tut mir Leid... es... es tut mir so Leid...“

Katsuya öffnete die Augen, zog die Augenbrauen zusammen und sah zu Seto, der mit besorgten Blick auf der Lehne der Couch lehnte, bevor er sprach: „Ganz ruhig, Shizuka... erklär‘ doch, was los ist. Ganz von vorn‘.“

„U-hu... ja... pf-hng, ‘kay...“, brachte sie hervor, „Moment.“, entfernt warf zu hören, wie sie sich die Nase putzte, „Sorry... bin da... also...“, sie holte tief Luft, „Herr Sarowski war vorhin hier. Wir haben das durchgerechnet mit dem Kindergeld, dem von Mom, dem von Herrn Otogi, dem Erziehungsgeld und dem Geld vom Jugendamt. Das klappt so alles. Aber das mit den Mutter-Kind-Heimen klappt nicht...“, ein weiterer hörbarer Atemzug, „Es gibt in dieser Stadt zwei Stück. Das eine nimmt Mütter auf, aber will sie auch schnell wieder loswerden, indem eine eigene Wohnung mit Betreuern gefunden wird. Das andere nimmt Teenagermütter auf, aber die haben keine Plätze mehr und werden im nächsten Jahr auch keine kriegen. Das heißt, ich muss mich zwischen betreutem Wohnen und einer Pflegefamilie entscheiden.“

Katsuya nickte, obwohl seine Schwester das natürlich nicht sehen konnte. Das war problematisch...

„Dachte ich zumindest. Aber es gibt auch kaum Plätze in Pflegefamilien. Und da ich alt genug bin, um allein leben zu können, muss ich eine eigene Wohnung nehmen.“, einen Moment war es still, bevor sie wieder aufschluchzte, diesmal lauter und heftiger als zuvor, „Kats... uh-huh... ich... ich hab‘ Angst... ich- ich kann das nicht. Ich kann das einfach nicht...“
 

Allein leben.

Ein Eisschauer rann durch seinen Körper und ließ ihn scharf die Luft einziehen. Bei allen Göttern. Allein? Mit einem Kind? Sie war erst sechzehn, verdammt! Sie kratzte das Geld zum Überleben aus allen Ecken und Enden zusammen und sollte nebenher eine Wohnung führen, ein Kind erziehen und ihre Schullaufbahn schaffen? Das war absoluter Wahnsinn!

„A- aber... was ist mit diesem Betreuer? Sagtest du nicht etwas von betreutem Wohnen? Was macht der Betreuer?“

Sie weinte, putzte sich die Nase – diesmal recht nah am Handy – und antwortete: „Es... uhuh-hu-pf... das... der... ach, ich weiß auch nicht. Sieht vorbei, fragt, ob alles okay ist, beantwortet mir Fragen. Uh-hu... und eine Hebamme schicken sie mir auch, damit ich Fragen zu Isamu beantwortet kriege.“

„Das... das ist zumindest etwas... dann hast du jemanden, der das mit den Finanzen und Anträgen und Versicherungen macht und jemanden, der dir mit Isamu hilft. Und du hast uns. Du kannst dich jederzeit mit Fragen und Bitten an uns wenden.“, brachte Katsuya hervor, doch er musste sich selbst gestehen, dass seine Worte sehr schwach und hilflos klangen.

„Ja... ja, du hast Recht...“, sie schluchzte jedoch auf und ein sanfter Aufprall war zu vernehmen, bevor alle Geräusche nur noch sehr gedämpft zu hören waren.

„Shizuka?“, Katsuya richtete sich auf zog die Augenbrauen zusammen, „Shizuka!“, er hielt das Handy von sich weg, warf einen Blick darauf und zog es wieder an sein Ohr, „Shizuka...“, er atmete tief, doch ruhig, starrte einen Moment lang ins Leere und sah schließlich mit Flehen im Blick zu Seto auf, „Lass uns hinfahren, bitte.“

„Katsuya...“, zwei tiefe Kuhlen bildeten sich zwischen Setos Augenbrauen und seine Lippen pressten zusammen.

„Bitte...“, in einem weniger ernsten Moment hätte der andere ihn sicher gescholten ihn wieder mit einem Hundeblick zu überreden, doch unter diesen Umständen war Katsuya sich nicht zu schade jede Waffe zu benutzen, die er hatte.

„Katsuya, ich denke, du überforderst dich.“, urteilte Seto mit leiser, doch fester Stimme.

„Seto, hier geht es um meine Familie. Bitte.“, noch immer hörte er verwaschen Shizukas Schluchzer am anderen Ende der Leitung, „Ich werde kaum ruhig hier liegen, während sie leidet.“

„Aber du hilfst ihr auch nicht, wenn du zusammen brichst.“, der ruhige Ton, der Katsuya im selben Moment noch schuldig fühlen ließ, begleitete auch diesen Satz.

„Na und?“, seine Lider verengten sich, „Ich helfe auch nicht, wenn ich hier rum sitze. Im Krankenhaus sehe ich wenigstens, dass es Isamu gut geht, ganz wie du wolltest.“

„Katsuya...“, Seto wandte den Blick ab und seufzte leise.

„Genau genommen brauche ich weder dich noch deine Erlaubnis, um hinzufahren.“, der Blonde zog die Decke von seinen Beinen und sprang auf – einen Moment war es schwarz vor seinen Augen, im nächsten hielten ihn Setos Hände aufrecht, „Oh... ähm... danke...“, er richtete sich auf und spürte Röte auf seinen Wangen brennen, sodass er den Kopf abwandte.

„Ich fahre dich.“, sprach der Andere in die entstandene Stille und schritt zum Flur.

„Sorry...“, murmelte Katsuya leise, „Ich bin so ein Kind...“

Seto blieb im Türrahmen stehen und warf einen Blick über die Schulter. Wie auch schon zur letzten Aussage enthielt er sich jeden Kommentars, wofür der Jüngere äußerst dankbar war.

Am Ende aller Nerven

Bevor ich es vergesse, was ich bereits seit drei Kapiteln sagen wollte:

1. Schaut in die Charakterbeschreibung, es gibt viele neue Bilder und ein neues Gedicht! Noch mal vielen Dank ^v^

2. Von meiner Seite gibt es auch viel Neues. Ich habe zwei neue One-Shots, einer zu Final Fantasy (Humor) und einer zu Harry Potter (ebenfalls Humor).

3. Am 11. Februar habe ich Halbjahresprüfung. Ich drehe am Rad! Ich verbringe mehrere Stunden täglich mit Lernen. Ich versuche stets meine Kapitel zu schaffen, aber garantieren kann ich bis dahin leider nichts.

4. Ich warte auf die Antwort vom BW-Theaterwettbewerb... ich hoffe, sie machen eine Preisverleihung. Ich will nicht einmal gewinnen, ich möchte nur eine schöne Verleihung sehen ^///^ War lang auf keiner mehr.

5. Vielen Dank, dass ihr das hier alles lest! Viel Spaß mit dem Kapitel ^.^
 

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Katsuya lehnte sich im Aufzug einen Moment lang gegen Seto und schloss die Augen. Ohne einen sarkastischen Kommentar oder Bedenken bezüglich des Ortes, an dem sie sich befanden, legte dieser einen Arm um seine Schultern und beließ diesen auch dort, nachdem sie ausgestiegen waren.

Noch ein paar Meter von Shizukas Tür entfernt entfloh Katsuya der Nähe, indem er voraus lief und nach dem Klopfen und zwei Sekunden des Wartens das Zimmer betrat, obwohl niemand ihn herein gebeten hatte. Seto folgte schweigend durch die offen gelassene Tür und schloss diese ruhig hinter sich, während der Blonde – ohne Shizukas Zimmernachbarin, die schlafend in ihrem Bett lag, eines Blickes zu würdigen – zu seiner Schwester trat.

Sie hatte sich zusammengerollt unter der Decke, sodass nur noch ihr Hinterkopf und ihre Schultern zu sehen waren, wenn man die Decke ein wenig hob. Einen Moment lang verharrte Katsuya über ihr Kissen gebeugt, bevor er sich mit einem Seufzen wieder aufrichtete.

„Sie scheint zu schlafen.“, murmelte er Seto zu, der neben ihn getreten war.

„Dann lassen wir sie auch schlafen.“, erwiderte dieser sanft, „Komm, lass uns später noch mal wiederkommen.“

Katsuya blinzelte kurz, zog die Augenbrauen ein wenig zusammen, nickte, doch machte keinerlei Anstalten zu gehen.

„Kats?“, Setos Hand legte sich auf seine Wange und drehte sein Gesicht zu ihm, „Es ist alles gut. Wir können hier gerade nichts tun. Komm.“, einen Moment wartete er, bevor er seine Hand griff und selbst Richtung Tür ging, Katsuya dabei hinter sich her ziehend.

Draußen auf dem Gang blieb Seto stehen und betrachtete ihn einen Moment, was den Blonden den Blick sinken ließ. Erst auf das Seufzen hob er ihn wieder, doch sah nur, wie sein Freund bereits weiter ging und ihn hinter sich her zog, bis Katsuya sich auf gleiche Schritthöhe brachte und Setos stur nach vorn gerichtetes Gesicht von der Seite betrachtete. Es war ausdruckslos, gespannt gar, ein subtiler Ausdruck zwischen Tränen und Wut, zwischen Verzweiflung und Aggression.

„Es tut mir Leid...“, flüsterte Katsuya wie automatisch, obwohl er nicht wusste, für was er sich überhaupt entschuldigte.

„Ich möchte Essen gehen.“, warf Seto plötzlich ein ganz anderes Thema ein, „Hast du irgendwelche Präferenzen?“

Der Blonde blinzelte, hob beide Augenbrauen und sprach etwas lauter: „Ähm... nein? ...was ist das?“

Er biss sich auf die Unterlippe, als sein Freund scharf die Luft durch die Nase einzog und den Blick einen Moment lang zur Decke wandte, bevor er antwortete: „Etwas, was du bevorzugst. Gibt es eine bestimmte Richtung, was du essen möchtest?“

„Äh... nein, nicht direkt.“, sie traten in den Aufzug, „Kann ich mir etwas wünschen?“

„Natürlich.“, Seto verschränkte die Arme und obwohl er sowohl genervt als auch sauer klang, hatte der Blonde das Gefühl, er könnte sich ein wenig was erlauben.

„Mongolisch.“, schlug er daher grinsend vor.

Was er nicht erwartete, war, dass sie fünfzehn Minuten später in einem Restaurant saßen, wo auf einem metallenen Schild über einem offenen Feuer in der Mitte des Raumes Schafsfleisch gebraten wurde, während Seto für sie Suutei Tsai bestellte.
 

Als Katsuya zum zweiten Mal an diesem Tag an Shizukas Tür klopfte, wurde er von deren Zimmernachbarin herein gebeten, die er diesmal auch grüßte. Seine Schwester stand mit Isamu im Arm am Fenster und drehte sich erst herum, als sie seine schweren Schritte hörte. Beim Anblick ihrer vom Weinen roten Augen erstarrte er und mehrere Sekunden lang blieben sie schweigend einander gegenüber stehen und erwiderten reglos den Blick des jeweils anderen. Erst Setos Begrüßung brachte Shizuka dazu sich abzuwenden, um diese zu erwidern.

„Wie ist es mit der Bewegung? Tut es weh?“, erkundigte der Älteste sich.

„Es geht eigentlich.“, sie lächelte ein wenig, aber ihre Augenränder folgten der Bewegung nicht, „Es fühlt sich bisweilen an, als würde mein Körper sich in sich selbst zusammen ziehen, aber es geht...“, sie senkte den Blick und trat so ans Bett, dass es zwischen ihr und ihrem Besuch stand, „Bitte entschuldigt den Anruf heute Morgen. Ich... ich war einfach- also- es tut mir Leid.“, ihr Kopf folgte ihrem Blick, „Entschuldigt bitte den ganzen Terz.“

„Wollen wir uns vielleicht setzen?“, fragte Seto in die Runde, „Alle?“

Katsuya nickte nur abwesend, doch verband die Worte mit einer Tat und zog sich einen Stuhl heran, während Shizuka Isamu auf das große Bett legte, sich setzte und ihre Beine nachzog.

„Was machen wir jetzt?“, flüsterte das Mädchen leise.

„Erst einmal nicht alle in Panik ausbrechen.“, Seto lehnte sich vor, mit den Unterarmen auf seine Knie gestützt, im Gesicht ein Lächeln, von dem Katsuya ehrlich nicht sagen konnte, ob es ehrlich war oder nicht, „Wie lange bleibst du im Krankenhaus?“

„Bis zehn Tage nach der Geburt... Dienstag oder Mittwoch nächste Woche.“, sie seufzte, „Danach... bin ich obdachlos.“

„Du bist niemals obdachlos. Nicht in diesem Land, mit einem gültigen Personalausweis und erst recht nicht mit einem Kind.“, Seto griff nach ihrer Hand, „Wir haben über eine Woche, um dieses Problem zu lösen und sind sechs schlaue Köpfe.“, Isamu blubberte vor sich hin, was den Ältesten kurz stoppen ließ, „Ich wage sogar zu sagen, wir sind sieben schlaue Köpfe. Wir finden eine Lösung, keine Sorge. Mach dir keinen Kopf darum, ruh dich aus, lerne dein Kind kennen und sorge dich nicht um deine Zukunft. Das wird werden, auch wenn es gerade nicht so rosig aussieht. Wir schaffen das – zusammen.“

Katsuya betrachtete seinen Freund mit herunter hängendem Unterkiefer, der erst nach dieser Rede wieder nach oben schnellte. War das wirklich... Seto? Der Typ, der einem normalerweise unverfälscht die Realität an den Kopf knallte und verlangte, dass man selbst damit fertig werde? Der als unverbesserlicher Pessimist lieber die schlimmst mögliche Zukunft ausmalte als Leuten einen Funken Hoffnung zu lassen? Andererseits, er hatte es auch bei ihm geschafft die Stimmung und Lebensart mit nur einem Gespräch völlig auf den Kopf zu stellen. Seto war für Überraschungen zu haben.

Wie betäubt verfolgte Katsuya, wie Shizuka seinem Freund lächelnd dankte, von ihm in den Arm genommen wurde und schließlich auch ihren Bruder an ihre Brust zog, bevor Seto noch einige Worte mit ihr wechselte – ja, anscheinend war Ryuji erschienen, direkt mit Vater, der sich wie auch sein Sohn entschuldigt und versprochen hatte sie finanziell zu unterstützen – und ihn schließlich mit Verabschiedungen von und für Shizuka hinaus komplimentierte.

Der einzige Gedanke, der wirklich hängen blieb, während Katsuya einfach stur befolgte, was sein Freund ihn mit Worten und Gesten sagte, war, dass dieser möglicherweise schon einen guten Plan im Hinterkopf hatte, der nur auf Verwirklichung wartete. So etwas traute er ihm gut und gerne zu.
 

„Ist dir eine Idee gekommen, was das mit Shizuka werden wird?“, fragte er demnach, als sie im Auto saßen und vom Parkplatz des Krankenhauses fuhren. Vielleicht hatte er sich ja um entschieden und war doch bereit die beiden aufzunehmen?

„Keineswegs.“, erwiderte Seto nur und gab vor der Schranke ihre Parkkarte in den Öffner. Sie verließen das Gelände und ordneten sich in den Straßenverkehr ein. Bei der zweiten Ampel kam Katsuya zu dem Schluss, dass der Ältere nicht vor hatte weiter zu sprechen.

„Wie bist du dann so sicher, dass wir eine Lösung finden?“

„Bin ich nicht.“, gab der Fahrer zurück in einem Ton, als würde er vom Wetter sprechen, „Ich hatte nur das Gefühl, dass sie diese Worte brauchte. Ob sie jetzt acht Tage damit verbringt sich Sorgen zu machen oder sich um ihr Kind und sich selbst zu kümmern, ist für den Rest der Situation im Endeffekt egal.“

Einen Moment lang fühlte Katsuya seinen Unterkiefer wieder nach unten sacken, bevor er sich wieder fing: „Bit- ab- Du hast ihr einfach das Blaue von Himmel herunter versprochen, nur weil es sich richtig anfühlte?“

„Eigentlich nicht.“, seine Stimmung war von etwas Fröhlichem unterlegt, als wolle er nach dem Satz ein Lied pfeifen, „Irgendetwas wird organisiert werden, so weit vertraue ich in Herrn Sarowskis Kompetenz.“

„Abe- aber... und... und was machen wir?“, die blonden Augenbrauen zogen sich zusammen.

„Wir, mein Lieber, machen Urlaub.“, ein breites Lächeln legte sich auf Setos Lippen, was Katsuya ganze sieben Sekunden lang betrachtete, bevor er zu dem Schluss kam, dass sein Freund ernst meinte, was er da sagte.

„Wie bitte?“, fragte er daher in einem Das-meinst-du-jetzt-nicht-ernst-Ton.

„Urlaub.“, einen Moment lang wandten funkelnd blaue Augen sich zu ihm, „Das, was man tut, wenn man frei hat. Du packst die Koffer, ich buche das Hotel und wir starten um vier, dann sollten wir heute noch ankommen.“

„Äh... was?“, Katsuya betrachtete den anderen mit Skepsis – nicht, ob er wirklich verreisen wollte sondern ob er noch alle Tassen im Schrank hatte – und schüttelte langsam den Kopf, „Heute noch... wo willst du denn hin? Und warum?“

„Oh, es gibt ein wunderschönes Entspannungsresort an der Küste. Ungefähr dreihundert Kilometer von hier. Und wenn du den Grund wirklich wissen willst, klapp deinen Sonnenschutz runter und schau in den Spiegel.“

Katsuya schwieg und starrte Seto an.

Eine Sekunde.

Zwei.

Drei.

„Sag mal, geht es dir noch gut?“, er schüttelte den Kopf und zog die Augenbrauen zusammen, „Du willst verreisen? Jetzt? Während meine Schwester mit heftigen Stimmungsschwankungen und Ängsten im Krankenhaus liegt und keiner weiß, was jetzt aus ihr und Isamu wird? Wo sie jeden Halt braucht, den sie kriegen kann?“, er wurde immer lauter, „Tickst du eigentlich noch richtig? Ich werde ja wohl nicht verreisen, wenn ich hier gebraucht werde!“

„Oh doch.“, erwiderte Seto fast trällernd, „Und wenn du jetzt brav bist, darfst du sogar dein Handy mitnehmen, um wenigstens noch mit ihr telefonieren zu können.“

„A- aber...“, Katsuyas Mund blieb offen stehen, während er seinen Freund anstarrte. Was – verdammt noch mal – ging denn hier ab? War Seto durch gedreht? Wie kam der darauf plötzlich... und was sollte diese Leier von wegen wenn er brav war? Hallo? Ging’s noch?

Er verschränkte die Arme, spitzte die Lippen und warf sich in seinen Stuhl.

„Verfickter Scheißkerl...“, zischte er leise gegen die Scheibe.
 

Warum tat er das hier?

Die Frage stellte sich Katsuya bereits zum elften Mal, doch entgegen der ersten paar Male hielt er nicht einmal mehr inne. Er packte stur weiter Kleidung in den Koffer, den Seto aus dem Schrank gezogen hatte.

Er machte das, weil Seto das so wollte.

Warum machte er, was Se- ach verdammt, wen belog er hier eigentlich? Er hatte keine Ahnung, warum er es tat, er tat es einfach, weil Seto das gesagt hatte. Eben weil. Weil Seto ein blöder Mistkerl war. So. Mit einem wütenden Schnaufen warf er ein weiteres Hemd zu den eigentlich ordentlich gepackten Sachen, was sich natürlich prompt durch den Aufprall selbst entfaltete – er ließ einen kleinen Wutschrei los und holte es wieder heraus, um es neu zu falten.

Und aus welchem Schrank hatte Seto plötzlich die zwei Yukata gezogen? Warum besaß er so etwas? Zum einen konnte Katsuya sich nicht vorstellen, dass der Ältere traditionelle japanische Kleidung trug, zum anderen hatte einer der Yukata seine verfickte Größe, also warum hatte Seto so etwas? Hatte er diesen Blödsinn etwa geplant? Das war wie die ganze verdammte Heiratsaktion einfach-

Katsuyas Blick schnellte zu seiner linken Hand, von deren Finger er den Ring zog, die rechte hob, um das kleine Band mit einem gekonnten Wurf irgendwo im Nirgendwo verschwinden zu lassen, bevor er inne hielt, tief durch atmete und ihn sich wieder ansteckte.

Verdammter Idiot.

Und da sagte er, er stand nicht auf Überraschungen, weil ihm das zu spontan sei. Und was war diese verflixte Scheiße? Die braunen Augen fixierten die Yukata, als wolle er sie verbrennen.

Geplant.

Lange im Voraus geplant.

Und natürlich im unmöglichsten Moment durchgeführt.

Seto hatte echt das Timing eines Tornados – definitiv immer im falschen Moment. Argh, dieser arrogante, eingebildete, von sich selbst überzeugte Mistkerl, der er ja nicht einmal war, was ihm einen Grund gegeben hätte wütend zu sein! Mit einem weiteren Schnauben begab sich Katsuya wieder ans Packen.

Also – warum machte er das?

Urlaub?

Ich soll weniger schreiben und mehr lernen? Seid ihr verrückt geworden? Ich lerne vier bis sechs Stunden täglich, ich brech bald zusammen T.T Ich muss im Endeffekt weniger lernen und mehr schreiben, sonst renne ich bald ins Burn-Out. Heute bin ich bereits viereinhalb Stunden dran und habe noch sicher eine Stunde Arbeit. Aber danke, dass ihr mich so unterstützt!

Und meine Süßigkeiten sind alle T.T Das ist das Schlimmste an diesem Tag. Ich habe keine Kekse und bin zu faul die hundert Meter zum Supermarkt zu laufen (das ist erbärmlich, oder?). Aber ich habe noch Chips... hey, Chips... wenn ich so darüber nachdenke...

Äh, ja, ich stopfe mich mit ungesundem Zeug voll und ihr kriegt ein Kapitel - alle glücklich. Viel Spaß beim Lesen ^.^
 

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Es hatte Katsuya einige Sekunden der Überzeugung gekostet, bevor er sich wirklich ins Auto gesetzt hatte. Vielleicht – aber nur ganz vielleicht – war Urlaub ja keine schlechte Idee. Was nicht hieß, dass es in irgendeiner Form eine gute oder gar passende Idee war. Sie war sogar völlig unpassend und absurd.

Leider hatte die Erkenntnis, dass Shizuka zehn Jahre ohne ihn ausgekommen war, seine Wut ziemlich abrupt in Niedergeschlagenheit umgewandelt. Nicht, dass Seto das gesagt oder in irgendeiner Form angedeutet hatte. Den ganzen Tag schon kam kein einziger Fakt, der zwar wahr, aber verdammt ernüchternd war von seiner Seite, obwohl sich massig Gelegenheiten ergeben hatten. Er musste auch nichts sagen. Katsuyas Kopf gab sich diese Kommentare selbst und er könnte sich in den Hintern beißen dafür, dass er sich so bescheuert benahm, obwohl er es eigentlich besser wusste. Es war einfach nur zum Mäuse melken.

Irgendwo während der Fahrt versunken in seine Gedanken hatte Katsuya unbedacht genörgelt, dass er sich selbst hasse. Seto hatte sich seine Hand gegriffen, den Ring geküsst und gesagt: „Ich mich nicht. Ich fahre mit meinem Freund in den Urlaub. Sag mir etwas Schöneres.“

Katsuya war stumm geblieben, obwohl ihm sofort ein Gedanke gekommen war – dass Mokuba noch lebe. Dieser Gedanke hatte seine Stimmung nicht sonderlich gehoben. Allerdings war die Reaktion von Seto immer noch besser gewesen als das eigentlich erwartete „Ich auch“. Er schien heute wirklich einen Rekord in Sachen Überraschungen aufstellen zu wollen.

Während Katsuyas blonder Kopf sich also ausmalte, dass – wenn schon Setos Haus nicht Godzillas abgehakten und konservierten Kopf als Eingangstür hatte – ihn ein ziemlich abgefahrenes Hotel erwartete, wenn Seto extra so viele Stunden Autofahrt auf sich nahm, beobachtete er die Umgebung, die immer hügeliger und verlassener wurde. Statt über die Autobahn von einer Großstadt zur nächsten zu rasen führte ihr Weg nach wenigen Stunden über Landstraßen durch Dörfer. Und selbst aus denen wurden nur noch Hüttenansammlungen, als aus den Landstraßen Serpentinen wurden.

„Um... Seto? Wo genau fahren wir noch mal hin?“, er wandte sich dem Fahrer zu, mit dem er seit zweieinhalb Stunden kein Wort gewechselt hatte.

„Weit weg...“, murmelte dieser, bevor er konkreter wurde, „Wir sind auf dem Weg in ein Bergdorf namens Kumogahata. Das ist in der Nähe von Kyoto. Von da aus ist es noch ein kleines Stück zur Quelle des Kamogawa, in dessen Nähe das Onsen ist, zu dem wir fahren.“

„Ein Onsen?“, ein Grinsen schlug sich auf Katsuyas Züge, „Mit heißen Quellen?“

„Das haben Onsen so an sich.“, im Amüsement verzog sich Setos rechter Mundwinkel nach oben, „Besonders, wenn es ein so altes Onsen ist wie das Ikegamu-Kai.“

„Und... was ist der Grund, dass wir gerade zu diesem Onsen fahren?“, die blonden Augenbrauen zogen sich ein wenig zusammen.

„Übermorgen Abend ist ein Feuerwerk. Der vierhundertfünfundzwanzigste Todestag des Daimyo Matsunaga Hisahide von Kyoto, der mit Oda Nobunaga gegen die Miyoshi kämpfte, wird gefeiert. Er trat bei der ersten christlichen Missionierung Japans im sechzehnten Jahrhundert dem Christentum bei, beging aber trotzdem Suizid bei der Belagerung der Burg Shigisan. Er hat sich zusammen mit dem Teekessel, den Nobunaga von ihm wollte, in die Luft gesprengt und ist somit der erste Japaner, der sich selbst ersprengt hat.“
 

„Äh... ja...“, Katsuyas linke Augenbraue hob sich, „Warum genau feiern die seinen Todestag?“

„Warum feiern wir Halloween? Das ist ein Fest des Totenanrufs und der Geisteraustreibung von unbekannter Herkunft. Oder warum feiern Christen Allerseelen? Das ist ein Fest zur Abbitte des Leidens der Seelen Verstorbener im Fegefeuer.“, der Fahrer warf ihm einen kurzen Blick zu, „Menschen neigen dazu sehr ungewöhnliche Dinge zu feiern. Wahrscheinlich passte es gut in den Kalender.“

„Uh... hu...“, Katsuya nickte, „Verstehe... wir gehen zu einem Feuerwerk, um zu feiern, dass sich vor vierhundertfünfundzwanzig Jahren ein Mann in die Luft gesprengt hat?“

„So ziemlich.“, wieder dieses amüsierte Lächeln... „Allerdings würde ich sagen, wir gehen zu einem Feuerwerk, um uns ein Feuerwerk anzuschauen. Nicht um einen Suizid zu feiern.“, während er noch lächelte, zog Seto die Lippen ein wenig in den Mund und senkte die Lider, „Außerdem will ich dich im Yukata sehen.“, seine Zunge schnellte einen kurzen Augenblick hervor, „Und ihn dir ausziehen.“

Wieder einmal hob sich Katsuyas Augenbraue, bevor er fragte: „Wir fahren in den Urlaub, damit du eine Sexphantasie ausleben kannst?“

„Guter Grund?“, Setos Gesichtsausdruck und Ton sagten aus, dass er sich bewusst war, dass er mit schwarzem Humor spielte.

„Du hast einen Schatten.“, den Kopf schüttelnd wandte sich der Blonde dem Fenster zu und sah hinaus, „Wir fahren mitten ins Nirgendwo, um Sex zu haben... habe ich da überhaupt Empfang?“

„Ich weiß nicht, ob du empfänglich bist, aber falls du gerade das Thema von Sex zum Mobilfunk gewechselt hast, so lautet die Antwort nein.“

„Was?“, er schnellte herum, seine Lider verengten sich, „Du Scheißkerl, du hast gesagt, ich kann Shizuka anrufen! Was sollte dann überhaupt der Mist mit dem Handy und brav sein? Du hast das von Anfang an gewusst, oder?“

Seto seufzte, nahm eine Hand vom Lenkrad und griff in die Innentasche seines Jacketts, bevor er Katsuya einen Zettel hinhielt mit den Worten: „Das hier ist die Nummer ihres Festnetzanschlusses im Krankenhaus. Dass dein Handy keinen Empfang hat, heißt nicht, dass es nicht irgendwo im Hotel ein Telefon gibt.“

„Oh...“, der Jüngere biss auf seine Unterlippe und nahm das Papier entgegen, bevor er den Kopf hängen ließ, „Sorry...“

„Schon gut.“, murmelte Seto nur, „Dafür fahren wir schließlich in den Urlaub.“

Katsuya schloss die Augen und lehnte sich mit einem Seufzer in seinem Stuhl zurück. Er war so ein Idiot. So ein verdammter Idiot. Wieso musste er gleich so explodieren? Besonders, wo er wusste, wie schlecht sein Freund auf Wut reagierte... Seto hielt sich wacker gegen seine Aggressionen, aber der Mann hatte auch seine Grenzen. Hoffentlich würde der Urlaub ihn beruhigen. Sonst... ja, sonst was? Was, wenn er so aggressiv blieb? Was, wenn es sogar schlimmer wurde? Wie lange würde Seto das mitmachen?

Ein kalter Schauer ließ ihn erzittern. Auch wenn Seto ihn nicht rauswerfen würde, was, wenn er genug davon hatte mit ihm zusammen zu sein? Könnte er mit Seto zusammen leben ohne mit ihm zusammen zu sein? Könnte er ohne Setos Zuneigung und extreme Aufmerksamkeit und Einfühlsamkeit... er schluckte. Bei allen Göttern. Hoffentlich ging Setos Plan auf. Hoffentlich wusste wenigstens der, auf was er sich da eingelassen hatte.

Sie schwiegen den Rest der Fahrt.
 

„Das ist das Onsen.“, Seto zeigte auf ein altes traditionelles Gebäude, für das sie noch eine Serpentine brauchten, um es zu erreichen, „Das Ikegamu-Kai ist ein sehr altes Haus. Allerdings haben sie ihr Angebot mittlerweile noch etwas erweitert, sodass auch Massagen und Kurdiäten angeboten werden. Sie werden aber trotzdem gutes Benehmen verlangen.“

„Uhm...“, Katsuya griff an seinen Hals, „Werden die mich dann überhaupt reinlassen? Wegen dem Tattoo, meine ich...“, Tattoos waren für konservative Japaner schließlich immer noch ein Zeichen der Zugehörigkeit zu einem Yakuza-Clan.

„Nun...“, Seto legte den Kopf ein wenig zur Seite, während er das Wort in die Länge zog, „Sagen wir, sie sind so exklusiv, dass sie eher mich als dich dort nicht reinlassen würden. Gerade deswegen.“

„Es ist ein Onsen für Yakuza?“, erwiderte der Jüngere entsetzt.

„Tja... ja.“, die blauen Augen legten sich einen kurzen Moment auf ihn, „Das ist der Ort, um diesen und jenen zu treffen, wenn man in der Szene ist. Ich vermute, es werden manche Leute da sein, die mit mir bekannt sind. Bevor ich mich aus diesen Kreisen zurück zog... nun ja. Du kennst die Story.“, er setzte eine kurze Pause, „Es ändert nichts an der Tatsache, dass es ein sehr schönes Onsen ist.“

Katsuya verdrehte die Augen und seufzte, sagte aber nichts mehr dazu. Seto hatte recht, es war ein sehr schönes Onsen. Eine Veranda schien sich um das komplette Gebäude zu schlängeln, das in einem riesigen ummauerten Garten lag. Die Front mit den beiden Seitenflügeln umschloss den Vorhof, in dem viele sehr teure Wagen standen. Männer in schwarzen Anzügen lungerten herum – einer zur rechten und zwei zur linken – und betrachteten ihren Wagen kritisch, als sie parkten.

„Ich vermute, spätestens jetzt wäre mir aufgefallen, dass mit diesem Onsen etwas nicht stimmt.“, murmelte Katsuya leise, als wären sie in Gefahr von den Männern gehört zu werden.

„Hm... es scheinen zwei hohe Clans anwesend zu sein. Vermutlich zwei Bosse, die sich hier zu einem Geschäft treffen. Wir haben natürlich genau den richtigen Zeitpunkt erwischt...“, Seto seufzte kurz, „Störe dich nicht an ihnen und sieh nicht hin, sonst fällst du auf. Tu so, als wäre das ganz normal.“

„O... kay...“, der Jüngere atmete tief durch und stieg aus. Yakuza, die er kannte, waren die Straßenyakuza, die die einzelnen Läden besuchten, nach Leuten fragten oder Stoff vertickten. Es waren nicht die, die als Leibgarde um die Bosse stationiert waren oder in den Büros saßen. Das waren Geschäftsleute – Setos Welt. Das einfachste war es darauf zu vertrauen, dass Seto wusste, was sie da taten.

Er stockte in Gedanken und wiederholte die letzten Halbsätze, die ihm durch den Kopf gefahren waren, bevor er die letzten Tage rekapitulierte.

An welcher Stelle war es einfach geworden Seto zu vertrauen?
 

„Guten Abend, Herr Kaiba.“, eine Dame im doppelten Kimono verbeugte sich vor ihnen, „Willkommen im Ikegamu-Kai. Es ist schön sie wieder bei uns begrüßen zu dürfen.“

„Vielen Dank, Hausherrin Ikegamu.“, er nickte ihr zu, „Ich sehe, es sind hohe Persönlichkeiten anwesend?“

„Der Herr Uebasu und der Herr Shitaka residieren zur Zeit bei uns. Außerdem der junge Herr Sanada, Sohn des Hauses Oki.“, sie richtete sich auf und lächelte mütterlich, „Darf ich nach dem Namen ihrer Begleitung fragen?“

„Katsuya Kaiba, mein Junior.“, eine Hand auf seinen Lendenwirbeln schob ihn ein Stück vor und nach einem schnellen Blick zu Seto verbeugte er sich kurz. Junior? Wieso gerade dieser... oh, natürlich. Es war das Wort für Sohn, aber genauso für einen Nachfolger im Geschäft. Mit einem Mal hatte er das Bedürfnis direkt ins Onsen durchzugehen. Es klang, als wäre er der Erbe eines Yakuzaclans.

„Ich bin erfreut sie kennen zu lernen, junger Kaiba.“, sie nickte, „Mein Name ist Kikyo Ikegamu, ich bin die Herrin dieses Hauses. Sollten sie Fragen haben, wenden sie sich gern an mich oder meine Tochter Akane.“, sie wies auf eine junge Dame, die hinter ihr aufgetaucht war und ebenso wie ihre Mutter einen doppellagigen Kimono trug und sich tief verbeugte, „Akane wird sie zu ihrem Zimmer führen.“

„Vielen Dank, Hausherrin.“, er zog den Autoschlüssel aus seiner Tasche, „Arbeitet ihr Sohn noch mit ihnen?“

„Er hat geheiratet. Kei wird sich um ihr Gepäck kümmern.“, sie hielt ihm beide Handflächen offen hin und er übergab ihr den Bund.

Währenddessen hatte Akane sich wieder aufgerichtet und sah zu den beiden, wobei ihr Blick jedoch ein- oder zweimal zu Katsuya streifte. Es war stets nur kurz, doch er merkte, dass sie ihn musterte. Wahrscheinlich schätzte sie ihn ein, wie auch ihre Mutter es schon getan hatte ohne dabei auf sich aufmerksam zu machen. Mit seinen blonden Haaren und dem Tattoo auf der linken Seite des Halses war er praktisch der Inbegriff eines Yakuza. Die Narbe, die von seiner Nasenwurzel über seine Stirn zum Haaransatz zog, tat wahrscheinlich sein übriges. In ihren Augen musste er wie der typische Straßenyakuza wirken. Vielleicht Anführer des Nachwuchses eines größeren Distrikts, aber sicher weder Regionalleiter noch Jungboss. Das war keine Rolle, die man ihm abkaufte. Vielleicht, wenn er einen Anzug trug. Vielleicht, wenn sich seine Muskeln wieder ausgebildet hatten und er nicht mehr wie der Junkie aussah, der er vor wenigen Monaten noch gewesen war. Wahrscheinlich spekulierten die beiden, wie er es geschafft hatte zum Titel Junior zu kommen ohne Setos leiblicher Sohn zu sein.

Aber sie schwiegen. Sie tauschten nur einen Blick, bevor Akane voraus ging und ihre Mutter zurück blieb. Von der mit Holz vertäfelten Diele traten sie in einen abzweigenden, langen Gang, der zu beiden Seiten Shojis hatte. Akane öffnete ihnen das vorletzte Shoji auf der linken Seite des rechten Ganges, hinter dem ein Washitsu lag. Wie erwartet hatten die Tatami alle einen gelb-bräunlichen Farbton und sowohl auf der anderen Seite des Raumes als auch in der linken Wand waren weitere Schiebetüren. An der rechten befand sich eine Schrankwand.

Akane erhob sich, nachdem sie beide eingetreten waren, kam ebenfalls ins Zimmer und schloss das Shoji hinter sich. Wieder aufgerichtet wies sie auf die Türen zur Linken und erklärte: „Auf dieser Seite befindet sich ihr Bad und ihre Duschen.“ – was Katsuya auch schon an den davor stehenden Pantoffeln erkannt hatte – „Von den Duschen aus führt ein abgeschirmter Weg zu dem Onsen ihres Gartens. Den Rest des Gartens erreichen sie über die Veranda durch die Türen.“ – sie wies auf das andere Ende des Raumes, „Wenn sie zu speisen oder zu schlafen wünschen, sprechen sie bitte meine Mutter oder mich an. Kann ich ihnen derzeit etwas bringen?“

Woah... ein eigenes Onsen? Die Futons wurden von der Hausherrin bereitet? Er war nur einmal als Kind in einem Onsen gewesen, aber auch ohne breites Wissen wurde Katsuya klar, dass sie hier in einem äußerst exklusiven Haus waren. Wahrscheinlich gab sein Freund für diesen kleinen Ausflug ein Vermögen aus.

„Einen schwarzen Tee, denke ich.“, Seto drehte sich zu ihm, „Was darf es für dich sein, Katsuya?“

„Um... ein grüner, bitte.“, das war sicherlich der Moment, wo es sehr von Vorteil war eine Teesorte zu kennen.

„Eine Kanne Lapsang Souchong und ein Gyokuro, bitte.“, er wandte sich wieder zu Akane, „Haben sie noch von dem diesjährigen Flush?“

„Sicherlich.“, sie verbeugte sich kurz, „Wünschen sie später ein feierliches Essen? Ich könnte den Küchenchef bitten Matcha-Mousse vorzubereiten.“

Hah! Matcha! Das kannte er! Das war diese teure Teesorte, die nur in Kyoto angebaut wurde- oh Hilfe... ein Festessen mit Matcha? Seto musste verdammt teure Tees bestellt haben, wenn sie daraus schloss, dass er ein Festessen wünschen konnte.

„Darauf würde ich gern morgen zurückkommen.“, Seto nickte, „Doch vielen Dank.“

„Wünschen sie, dass ich den Tee in ihrem Zimmer zubereite?“, fragte sie noch. Katsuyas Lider weiteten sich. Fragte sie, ob sie eine traditionelle Teezeremonie durchführen sollte? Jetzt? Es war – er sah auf seine Armbanduhr – bereits acht Uhr abends.

„Nein, vielen Dank.“, erwiderte Seto zu seiner Erleichterung, „Wir sollten ihre Mühen genießen können, doch wir sind müde von der Anreise.“

„Sehr wohl.“, sie verbeugte sich und verließ das Zimmer. Zurück ließ sie zwei Männer in einem leeren, riesigen Raum. Zwei Männer und eine erdrückende Stille.

Bis der Page mit ihrem Gepäck kam, hatte Katsuya nicht den Mut zusammen nehmen können, um Seto zu fragen, wie viel das alles kostete. Nachdem dieser gegangen war, lenkte der Blonde sich mit Auspacken ab. Der Tee ließ seine Fragen wieder aufkommen, doch fragte er sich, was der Sinn dahinter war es zu wissen. Seine Gedanken kreisten so lange, bis er beschloss es nicht wissen zu wollen.

Hoffentlich würde er Setos Erwartungen an diesen Urlaub nicht enttäuschen...

Nachtgeflüster

Dieses Kapitel ging mir leicht von der Hand ^.^ Es ist bereits seit Donnerstag fertig. Dafür ist das nächste umso schwerer *seufz* Besonders jetzt, wo ich praktisch im Lern-Endspurt bin. Aber am Wochenende dürfte ich einiges an Zeit haben ^.^ Mal schauen, dass ich es dahin gelegt kriege!

Und kann mir jemand Essen für Stresssituationen empfehlen? Ich habe auf nichts Hunger, schmecke es eh nicht und muss trotzdem gesund essen. Aber seit einer Woche stopfe ich nichts als Fast Food in mich rein... ich habe eigentlich nicht vor mit Mangelerscheinungen in die Prüfung zu gehen -.-

Ich will auch ins Onsen T.T

Viel Spaß beim Lesen!
 

P.S.: Es gibt neue FFs und Nebensequenzen!
 

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„Katsuya?“, flüsterte Seto und brach damit die Stille, die das ganze Abendessen zwischen ihnen gestanden hatte, „Ich habe das Gefühl, es gibt etwas, was du mir sagen möchtest.“

„Hm...“, der Blonde, der aufgesehen hatte, wandte den Blick ab, „Nun... es ist etwas kühl in diesen traditionellen Zimmern.“

Sein Freund legte den Kopf ein wenig schief ohne eine Änderung in seinem Ausdruck. Er musste auch an seiner Mimik nichts ändern, um klar zu machen, dass er das Katsuya nicht abnahm. Er nahm es ja nicht einmal sich selbst ab. Das war eine verdammt beschissene Art zu versuchen dem Thema auszuweichen.

„Wollen wir uns vielleicht auf die Veranda setzen und ich wärme dich?“

Im November nach draußen, in Setos Arme, frische Bergluft und ein klarer Himmel... Katsuya schloss die Augen und atmete tief durch. Den Kopf in Richtung der Türen wendend hob er die Lider, ließ sie jedoch auf Halbmast und flüsterte: „Gern...“

Der Brünette erhob sich, holte eine Decke aus den Schränken, trat wieder zu ihm und hielt ihm eine Hand hin, um ihm aufzuhelfen. Ebenso öffnete er das Shoji für ihn, schloss es hinter ihnen und trat in die im Garten stehenden Geta, bevor er auf der Veranda Platz nahm und Katsuya seinen Schoß anbot. Nachdem sich dieser gesetzt hatte, schlug Seto die Decke um sie und legte dabei seine Arme um Katsuya, um sie geschlossen zu halten.

„Was liegt dir auf dem Herzen, Schatz?“, fragte er sanft.

„Ich... nun...“, das blonde Haupt wurde auf seine Schulter gelegt, während Katsuya sich seitlich an ihn drückte, „Das hier ist alles so teuer...“

„Und?“

Wie... und? Was sollte... einfach... und?

„Wa- aber- so viel Geld für ein paar schöne Tage... es gibt so viele Menschen mit Geldproblemen...“, wie ihm nur wenige Wochen zuvor. Er hatte nicht einmal genug Geld gehabt Essen zu kaufen! Wenn er daran dachte, wie fasziniert er gewesen war, als er einmal von Hiroto in einen Club mitgenommen wurde – auch wenn er nur vom Angestelltenzimmer hinein geschaut hatte. Was hätte er alles getan, um das hier erleben zu dürfen...

„Die gibt es und die wird es immer geben. Es wird immer Menschen geben, die wirklich nicht in der Lage sind Geld zu verdienen und deshalb auf andere angewiesen sind. Aber wir haben ein Staatssystem, was sich theoretisch um diese Menschen kümmert. Also habe ich kein Problem damit das Geld, wofür ich über viele Monate hart gearbeitet habe, auch auszugeben.“

„A... aber...“, Katsuya schluckte und spürte aus einem ihm nicht bekannten Grund Tränen in seinen Augen aufsteigen.

„Aber was?“

„Weiß auch nicht...“, nuschelte er in Setos Hemd und schloss die Lider. Er fühlte sich einfach so... leer und falsch und... komisch...

„Fühlst du dich nicht würdig genug, dass ich dich zu so einem Urlaub einlade?“

Ein Zucken lief durch seinen Körper, bevor er es stoppen konnte. Unwürdig. Nicht wichtig genug. Dass er das hier nicht verdiente?

„Ja...“, gab Katsuya zu, Scham in seiner Stimme und der Art und Weise, wie er die Schultern hoch zog, um seinen Kopf dazwischen zu versenken.
 

„Warum?“, fragte Seto ruhig und hielt ihn fest und sicher.

„Weil... weil...“, keine Ahnung! Er hatte gerade selbst erst gemerkt, dass er das überhaupt fühlte, „Weil... weiß nicht. Weil du vielleicht Erwartungen an mich hast, die ich nicht erfüllen kann. Was, wenn ich durch diesen Urlaub nicht wieder normal werde? Wenn ich so kindisch und aggressiv und dumm und...“, er schluchzte auf, selbst überrascht von dem Geräusch, was über seine Lippen kam, „Es tut mir Leid. Es... ich will nicht so rum heulen. Tut mir Leid...“

„Schhhh...“, Seto begann sanft vor und zurück zu wiegen, wobei er ihn mit sich zog, „Du brauchst dich nicht für den Menschen schämen, der du bist. Ich liebe dich. Launisch, zickig, verheult und strohdoof liebe ich dich.“, die Worte kamen mit einer solch tiefen Überzeugung von seinen Lippen, dass Katsuya einen Stich der Eifersucht zusammen mit der aufwallenden Freude empfand, was fast im selben Moment von Scham über diese Gefühle begleitet wurde.

„Hilfe, was ist mit mir los, Seto?“, fragte er, einen Hauch von Verzweiflung in der Stimme.

„Das nennt man Überlastung, Katsuya. Das ist es, was man als Burn-Out bezeichnet. Du hast all deine Energien darauf verwendet ein neues Leben zu beginnen und den Kampf um deine Freiheit zu gewinnen. Du hattest nicht noch mehr, um dich noch um deine Schwester zu kümmern. Dazu kommt, dass der Alltag mit mir keine leichte Sache ist und du noch immer in einer Identitätskrise steckst. Die ganze Welt um dich ist plötzlich eine andere. Das macht glücklich, aber das macht auch Angst und Zweifel. Leben ist keine einfache Sache.“

„Ich will nicht mehr...“, brachte der Blonde unter Tränen hervor, wobei er sein Gesicht gegen Setos Schulter drückte, „Ich will, dass das aufhört...“

„Ich werde dich nicht schlagen, damit du dich besser fühlst.“, er setzte stattdessen einen Kuss auf Katsuyas Kopf, „Auf lange Sicht täte dir das mehr weh. Ich weiß, dass es jetzt schwer ist. Die erste Zeit ist immer schwer. Aber bald hast du dich an dieses Leben gewöhnt und es wird einfacher.“

„Wann?“, flüsterte der Jüngere nur.

„Drei, vier Monate. Vielleicht auch früher, wenn wir endlich mal Ruhe kriegen. Das ist nichts, was von heute auf morgen geht.“, eine Hand begann seinen Nacken zu kraulen, „Hältst du das aus?“

„Ich weiß nicht...“, er hob die Arme und schlang sie um Seto.

„Kannst du mir versprechen, dass du nicht versuchst dich selbst zu töten? Dass du mir kommst, bevor du so etwas versuchst?“

Sein Schluchzen erstarb. Mit weit geöffneten Lidern starrte er auf die feine Struktur des hellblauen Hemdes, das von seinen Tränen benetzt war. Schweigend hob er den Blick, bis er auf Setos dunkelblaue Saphire traf. Versprechen? Er senkte den Blick, doch rutschte näher heran und legte sein Kinn auf Setos Schulter. Er hatte sein Messer von Isis zurück geholt, weil er sicher war so etwas nicht mehr zu tun. Aber konnte er das wirklich? Er schloss die Lider wieder, als er das Verlangen in sich erkannte und definieren konnte – er wollte seine Arme aufschneiden. Er wollte die Kreuze, die er tief in sein Fleisch geschnitten hatte, wieder aufreißen. Und diesmal beim Längsschnitt nicht die Ader verfehlen. Er wollte durchziehen, was er damals nicht konnte, als er ausgekotzt und allein in dieser Gasse lag und sich von aller Welt verlassen fühlte.

Seto wusste es. Er wusste, dass er das wollte, noch bevor er es selbst erkannt hatte. Seto wusste, dass er in akuter Gefahr war seinen Freund zu verlieren. Nicht wegen irgendwelcher Gesetze oder Unfälle, sondern weil dieser nah dran war sich umzubringen. Wie hatte er das selbst nicht sehen können? Wie nah er dran war etwas absolut Bescheuertes zu tun? Bei allen Göttern, wie sehr musste er Seto verletzt haben... kein Wunder, dass er mit ihm ans andere Ende des Landes fuhr. Seto hatte Angst ihn zu verlieren. Berechtigte Angst.

„Es tut mir Leid. Es tut mir so Leid... Seto, es tut mir Leid...“, murmelte er verzweifelt.

„Schhh... schhhh... ich bin hier.“, die ruhige Stimme schien ihm durch Mark und Bein zu gehen, „Ich bin hier. Und keine Angst, ich bin stabil genug dich aufzufangen. Hab‘ keine Angst dich an mich zu lehnen. Es ist okay. Ich bin hier.“
 

Entgegen seiner Erwartung hatte er nach fünf Minutens des Weinens in Setos Armen nicht den Drang sich das Herz aus der Brust zu reißen. Auch hatte keine Kälte von ihm Besitz ergriffen und ihn von der Welt und seinem Körper betäubt. Er fühlte sich schwer, müde und bis in die letzte Fasern seiner Knochen erschöpft. Er war ein Stück in Setos Umarmung gesunken und ließ sich von diesem aufrecht halten. Wahrscheinlich hatte sein Freund das mit dem an ihn lehnen in einem übertragenden Sinne gemeint, aber Katsuya hatte nicht die Nerven daran zu denken, ob er seinen Freund belastete. Sollte der sich doch selbst melden.

„Noch wach?“, fragte dieser flüsternd.

„Ngh...“, grummelte der Blonde leise, „Zu kalt...“

„Möchtest du schlafen gehen?“, und sich aus dieser Position erheben?

„Vergiss es...“, kam die genuschelte Antwort.

„Okay.“, Seto rearrangierte seine Arme ein wenig, „Mal abgesehen von der Suizidsache habe ich drei Sachen, die ich dir sagen wollte.“

Katsuya, dessen Kopf seitlich auf seiner Schulter lag, schlug die Lider auf und sah hoch, kein Ausdruck in seinem Gesicht, doch ein wenig mehr Spannung im Unterkiefer. Ob Seto es bemerkte, wusste er nicht, da dieser in den klaren Himmel blickte.

„Erst einmal denke ich nicht, dass es unbedingt eine schlechte Sache ist, dass du deinen eigenen Worten nach kindisch, aggressiv und dumm bist. Gefühle zu zeigen und auf eine halbwegs gesunde Art und Weise auszudrücken ist ein wichtiger Schritt der Genesung. Du hast sehr viel Stress und noch mehr davon, weil deine Grenzen längst überschritten sind. Das hat sich darin gezeigt, dass du ein sehr hohes Aggressionspotential hast. Aber du hast diese Gefühle weder geschluckt und viele Dissoziationen gehabt, noch hast du dich geschnitten. Körperlich verletzt hast du auch niemanden, was sonst – ohne dich beleidigen oder beschämen zu wollen – bei dir eine Normalität war. Du bist zur Zeit auf einem rein verbalen Level aggressiv. Es ist nicht so, als würdest du eine körperliche Aggression aussenden, als ständest du kurz davor jemanden zu schlagen. Das hast du bei Ryuji, da bin ich sicher, aber weder deiner Schwester noch mir gegenüber. Das ist ein Meilenstein, wenn du mich fragst. Deine ganze Körpersprache ist aufmerksamer und rücksichtsvoller geworden.

Katsuya blinzelte. Es war ihm, als wolle er etwas erwidern, doch weder wusste er was noch bewegte sich sein Mund. Nach einem Moment trennten sich seine Lippen mit einem leisen Plop, doch als noch immer kein Ton hervor kam, befeuchtete er sie nur mit seiner Zunge und schloss sie wieder. Konnte es sein, dass er insgesamt wirklich weniger aggressiv als vorher war? Natürlich, er hatte lange niemanden mehr geschlagen. Außer bei Ryuji nicht einmal Gewalt angedroht. Aber hatte sein Körper wirklich auch unbewusst in seine Bewegungen eingearbeitet, dass er nicht mehr auf eine einfache Provokation explodierte und auf andere los ging? Konnte es stimmen, dass es ihm wirklich besser und nicht schlechter ging, so wie er dachte? Sollte er in diesem Punkt Seto vertrauen?
 

„Zweitens.“, fuhr Seto nach einer halben Ewigkeit fort, „Was, wenn du in diesem Urlaub nicht wieder normal wirst und ich das ganze Geld zum Fenster rauswerfe. Erst einmal, Geld macht mir wie gesagt wenig Sorgen. Und selbst wenn, so ist das hier auch mein Urlaub. Mein Glück ist nicht einzig und allein von dir abhängig.“, doch der arrogante Ton und der auf ihn herab fallende Blick täuschten nicht über die warmen Augen und das Lächeln in Setos Mundwinkel hinweg, „Als nächstes zum normal werden – kannst du mir sagen, was bei dir normal ist?“, er ließ eine eher rhetorische Pause, „Wenn du den aggressiven Punk meinst, der seine Probleme mit Gewalt löste und ansonsten so kalt war wie ich an schlechten Tagen zu Leuten, die ich nicht mag, so bin ich sehr froh mit dem Menschen, der du bist.“, der Arm um Katsuyas Taille löste sich, damit der Rücken zweier Finger über seine Wange streichen konnte, „Ansonsten weiß ich, dass es mit dir nur aufwärts geht. Genauso wie mit mir zur Zeit. Zumindest hoffe ich, dass du dich in meiner Nähe sicher fühlen und dich entfalten kannst. Ich zumindest sehe ein Menschen, auf den ich mit jedem vergehenden Tag stolzer bin.“

Zum Glück traten nicht schon wieder Tränen in seine Augen, doch spürte Katsuya das Lächeln, das er auf den Lippen trug, in seinem ganzen Körper. Er hob das Kinn ein Stück, damit Seto über seinen Hals streichen konnte, bevor er fragte: „Und drittens?“

„Meine Erwartungen an dich.“, auch mit den Lippen seines Freundes spielte ein Lächeln, „Ich erwarte, dass du so weiter machst wie bisher. Dass du lebst und für dieses Leben kämpfst. Es ist okay Pausen zu machen und sich zu entspannen, aber alles in allem hoffe ich, dass du weiter so sehr für dich da bist. Dass du dich in der Schule anstrengst, dich für deine Familie einsetzt, Freundschaften pflegst und schließt und ein wenig auch, dass du etwas Energie in deine Beziehung steckst. Ich verlange nicht viel, aber ich hoffe, dass ich nicht zur Selbstverständlichkeit und deswegen vernachlässigt werde. Nicht, dass ich mich irgendwie zu beklagen hätte, keine Sorge.“, ein Mundwinkel zog sich höher, „Aber ich denke, dass ich das erwarte, ist normal. Was mich ausmacht, sind wohl meine etwas außergewöhnlichen Erwartungen. Dazu möchte ich eine neue hinzufügen.“

Katsuya blinzelte, um damit zu kommunizieren, dass er aufpasste und zuhörte.

Eine neue Erwartung? Ein außergewöhnlicher Wunsch? Setos Augenbrauen waren etwas hoch gezogen, der Kopf so gehoben, dass er ein Stück nach unten herab sah, das Lächeln noch immer eine Spur schief.

„Ja? Welche?“, fragte der Blonde nach einem Moment.

Setos Lächeln verbreitete sich in ein Grinsen – ein echtes Grinsen, mit Zähne zeigen! – und sein Kinn senkte sich, bevor er antwortete: „Erwarte nicht, dass ich jemals wieder so viel Sülze erzähle wie in den letzten fünf Minuten.“

Katsuyas flache Hand kollidierte gekonnt – und sicherlich auch absichtlich – mit Setos Brust, während sich seine Lippen spitzten, als wolle er den Preis für das beste Schmollen des Jahres gewinnen wollen.

Kyoto

Donnerstag ist die Prüfung. Könntet ihr mir bitte alle die Daumen drücken? Ich bin zwar besser vorbereitet als letztes Mal, aber ich bin trotzdem nervös wie sonstwas. Ich hoffe, ich schaffe das. Die Wiederholungsklausur schreiben zu müssen wäre eine Grausamkeit...

Ich habe euch alle lieb, vielen Dank, dass ihr so treue Leser seid und viel Spaß mit dem neuen Kapitel!
 

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Katsuya räkelte sich und gab ein wohllüstiges Knurren von sich, bevor er mit einem Seufzen die Arme sinken ließ und lächelnd die Lider öffnete. Es war warm. Es war bequem. Die Luft war frisch. Vor allen Dingen war es morgens und er hatte Ferien.

„Guten Morgen.“, grüßte Seto ihn mit Zufriedenheit in der Stimme.

„Mor’n...“, nuschelte der Blonde und sah zur Seite, wo er Seto unter dem anderen Futon liegen sah, „Du bist so weit weg...“

„Impliziert das ein Angebot?“, ein Lächeln meißelte sich in sein Gesicht, bevor er ohne eine Antwort abzuwarten seine Decke zurück schlug und unter Katsuyas kroch, „Hm... warm...“

„Stell dir vor...“, der Blonde streckte die Arme nach ihm aus und zog den größeren Körper an sich, „Ich bin wohl doch nicht aus Eis.“

„Nicht komplett.“, äh... bitte? Seto? Dieser hob den Kopf ein wenig, „Deine Lippen sind ganz kalt. Ich werde sie dir wärmen.“, zärtlich legten sich ihre Münder aufeinander und tauschten wortlos Liebkosungen aus.

„Herr Kaiba?“, fragte eine Dame vom Gang aus, was den Älteren den Kopf einziehen ließ.

„Shit... das hat sie gehört...“, zischte er leise, fuhr unter der Decke hervor und schlug einen Morgenmantel um sich, bevor er zur Wand ging, hinter der sich ihr Schatten abzeichnete, „Guten Morgen, Frau Ikegamu.“

„Guten Morgen, Herr Kaiba.“, sie verbeugte sich leicht, „Früher wünschten sie stets geweckt zu werden, ich hielt es daher für angemessen sie auf die Uhrzeit hinzuweisen.“

„Vielen Dank, das ist sehr freundlich von ihnen.“, er nickte und nur der kaum heraus hörbare genervte Unterton verriet, dass er die Hausherrin zur Zeit auf den Mond wünschte, „Diesmal habe ich jedoch keine Arbeit mitgenommen und bin rein zum Urlaub hier.“

„Sehr wohl.“, sie verbeugte sich noch einmal, „Kann ich ihnen etwas bringen?“

„Zwei traditionelle Frühstücke, bitte.“, er warf einen Blick über die Schulter, „Wir werden uns währenddessen einkleiden.“

Mit einer letzten Verbeugung verabschiedete die Dame sich, während Seto das Shoji zu zog, wieder herüber kam und sich am Kopfende von Katsuyas Futon im Seiza niederließ, bevor er sich herab beugte und einen Kuss auf dessen Lippen setzte.

„Heißt das, ich muss aufstehen?“, nörgelte der Blonde leise und räkelte sich wieder.

„Das heißt es wohl.“, mit dem Zeigefinger fuhr Seto Kreise über seine Wangen, „Aber hast du dir die Duschen mal angesehen? Sie sind riesig. Nicht so eng wie die Kabine bei uns zu Hause.“ – die sowieso schon extra groß war – „Und wenn du es schaffst leise zu sein, könnten wir unser Geplänkel vielleicht fortsetzen...“

„Wenn ich leise bin?“, Katsuya betonte das Ich, „Ich erinnere mich an jemanden, der sehr hemmungslos sein kann, wenn es um Sex geht.“

„Solch vulgären Worte...“, ein Kuss seitens des Älteren unterbrach seinen eigenen Redefluss, „Mir scheint, ich muss dir den Mund auswaschen.“

„Versuch es.“, wurde die Herausforderung angenommen.
 

„Nun, was machen wir heute? Worauf hast du Lust?“, erkundigte Seto sich nach dem Frühstück.

Dich. Katsuya errötete. Bitte? Was für Gedanken liefen ihm denn durch den Kopf? Obwohl es ja wahr war, ihr Sexleben war in letzter Zeit schon ein wenig in den Hintergrund gerückt. Trotzdem... dafür fuhr man nicht nach Kyoto.

„Ähm... wir könnten uns etwas in Kyoto umsehen. Du könntest mir eine Führung geben.“

Setos rechter Mundwinkel hob sich, bevor er sich vorlehnte und fragte: „Und was lässt dich glauben, ich würde mich in der Stadt auskennen?“

Katsuyas Kopf ruckte zurück, er blinzelte und hob die Augenbrauen mit den Worten: „Aber du weißt alles.“

„Ah ja.“, auch der zweite Mundwinkel hob sich, „Auch, wenn ich dem widersprechen mag, hast du Recht, ich kenne die Stadt recht gut. Ich gebe dir gern eine Führung.“, Katsuya hob grinsend eine Faust in die Luft, „Auf wie viele Stunden soll ich diese Führung denn planen?“

„Dass wir zum Abendessen wieder hier sind?“, der Blonde lehnte sich zurück und streckte seine Beine unter dem Kotatsu aus, „Wir könnten etwas essen, danach das Onsen einweihen und... nun... dann schlafen gehen.“, wehe, wehe es legte sich schon wieder Röte auf seine Wangen. Langsam sollte er sich doch wahrlich mit dem Gedanken angefreundet haben.

„Ein guter Plan.“, schloss Seto, „Und ich freue mich, dass dein Kopf sich wieder weltlichen Themen zuwendet.“, dieses Lächeln auf seinen Lippen sagte Katsuya ganz genau, dass sein Freund völlig wusste, auf was er angespielt hatte.

„Welch diskrete Formulierung.“, seine Unterlippe schob sich ein wenig vor und die Lider senkten sich ein Stück, „Na ja, egal. Ich möchte Orangen kaufen.“

„Oran-“, Setos Augenbrauen zogen sich zusammen, „Okay... wenn du möchtest, sicher. Dann lass uns los.“, er griff unter den Tisch, regelte dort die Heizung und erhob sich.

An der Tür zogen beide ihre Hausschuhe an, bevor sie sich in den Eingangsbereich begaben, wo Akane gerade in einem Arbeitsyukata sauber machte. Als sie die beiden erblickte, räumte sie ihre Sachen zur Seite, verbeugte sich und holte ihre Schuhe aus einem Wandschrank hervor. Schweigend und verbeugt wartete sie, bis sie in diese gewechselt waren und sich verabschiedet hatten, bevor sie sich wieder an die Arbeit begab.

„Es ist wirklich sehr traditionell.“, murmelte Katsuya mit einem Blick über die Schulter, bevor er ins Auto stieg.

„Es ist japanische Höflichkeit. Eine Eigenschaft, die diesem Land immer weiter verloren geht, je mehr wir unsere Kultur mit anderen teilen.“, Seto schnallte sich an und überprüfte die Spiegel, „Andererseits bin ich ein großer Liebhaber der westlichen Kultur. Ich finde es eigentlich sehr viel praktischer, wenn man nicht andauernd die Pantoffeln wechselt, nur weil man auf Toilette geht. Und ich bade gern ohne vorher zu duschen. Allerdings würde ich wahrscheinlich reichlich böse reagieren, wenn man mit Straßenschuhen das obere Stockwerk betritt.“

„Ich habe all das nie groß gelernt, wenn ich ehrlich bin. Mutter hat schon auf Benehmensregeln geachtet, aber Vater gar nicht.“, Katsuya seufzte, „Ich habe das meiste eigentlich durch die Schule mitbekommen. Und an deren Regeln halte ich mich.“

„Und alles andere schaust du dir bei mir ab, wie ich gemerkt habe.“, Seto lächelte, „Das freut mich immer noch sehr.“

Der Jüngere lächelte nur und ließ sich in seinen Sitz sinken.
 

„Woah! Das sieht aus wie in den alten Samuraifilmen!“, Katsuya flitzte von links nach rechts über die überfüllte Straße.

Mit einem selbstzufriedenen Lächeln folgte Seto seinem Freund im gemächlichen Schritt. Sie hatten vor wenigen Minuten den traditionellen Markt erreicht, wo sich handgemachte Töpfereien an Messerschleifer anreihten. Den Blonden nahmen in diesem Moment die Windspiele gefangen, wobei sein Blick jedoch verdächtig oft zu dem Stand entglitt, der Oktopusbällchen verkaufte.

„Hast du Hunger?“, fragte ihn der Ältere daher, als er ihn erreichte.

„Nein, aber... ich habe die noch nie probiert. Kann ich eins haben?“, er wandte sich mit einem kindlichen Glänzen in den Augen zu seinem Freund, „Bitte?“

„Sicher.“, Seto hob die linke Hand aus seiner Hosentasche und legte sie auf den blonden Schopf, bevor er sie in den Nacken gleiten ließ und Katsuya einen Moment kraulte. Mit einem kaum hörbaren Seufzen ging er die wenigen Schritte zum nächsten Stand und bestellte vier Bällchen für sie beide.

„So ein höflicher Junge.“, die alte Dame, die den Stand mit den Windspielen hütete, lächelte ihn an, „Das sieht man selten in den heutigen Zeiten. Aber warum trägst du dein Haar so hell?“

„Ich wurde so geboren.“, Katsuya zog eine Strähne vor seine Augen, „Ich glaube, nach dem zweiten Weltkrieg ist sehr viel Blond in unsere Familie gekommen.“

„Ach ja...“, ihr Blick wandte sich zum Himmel, „Das ist lange, lange her... da war ich ein junges Mädchen, weißt du? So alt wie du jetzt ungefähr. Das waren keine leichten Zeiten damals. In einer Nacht haben sie drüben in Tokio Brandbomben abgeworfen, die viele hunderttausend Gebäude verbrannt haben. Damals war dort ja wie hier alles aus Holz. Und nach dem Krieg hat es sieben Jahre gedauert, bis die Amerikaner wieder abzogen. Für uns junge Frauen war das keine leichte Zeit.“

Katsuya schluckte leise. Das war wohl die freundliche Art zu sagen, dass Massen an jungen Frauen vergewaltigt wurden und er praktisch das lebende Exampel dessen war, was dabei raus kam.

„Es ist erstaunlich, dass sie das überlebt haben.“, gab er leise zu.

„Nun, besser als die Angst vor Atombomben war es wohl.“, sie lächelte mit etwas Grimm, „Aber je älter man wird, desto mehr denkt man an diese jungen Tage zurück. Obwohl die Welt immer andersartiger aussieht, wird man um so öfter an früher erinnert. Da denkt man damit abgeschlossen zu haben und dann das.“, sie zuckte mit den Schultern, „Und wie du siehst, kommen selbst die alten Gesten zurück.“, sie lachte über sich selbst.

„Das denke ich derzeit auch...“, gab Katsuya leise zu, unklar, warum er das unbedingt dieser Fremden erzählte, „Dass ich eigentlich mit früher abgeschlossen haben sollte.“

„Wunden verheilen nunmal langsam. Die äußeren schneller als die inneren.“, sie sah zu seiner Stirn, „Und selbst die äußeren sieht man bei dir.“, sie griff an die Seite ihres Laden und nahm dort einen kleinen Ring mit Fäden und Federn, durch dessen oberste Schleife sie ein Lederband zog und knotete, „Hier, trage das.“, er nahm die Kette und betrachtete das Gebilde neugierig, „Das haben uns damals die Amerikaner mitgebracht. Die Ureinwohner ihres Landes haben sie erfunden und nannten sie Traumfänger. Sie behaupten, diese würden böse Träume fangen.“

„Vielen Dank...“, er spürte, wie diese Worte tief aus seinem Herzen kamen, „Wenn ich eins brauchen kann, dann etwas, das mich vor den Träumen rettet.“, er legte sich die Kette vorsichtig um, „Aber schulde ich ihnen nicht etwas?“

„Ach nein. Das ist schon in Ordnung, mein Sohn. Gib einfach nicht auf.“, sie griff seine Hand und drückte diese kurz, „Und nun lass deinen Freund nicht weiter allein, der die ganze Zeit brav auf dich gewartet hat.“, sie deutete in Setos Richtung, der mit einer Schale Essen in der Hand ein paar Meter weiter an einem Holzmast lehnte.
 

Nachdem Katsuya die Yatsuhashi und Orangen in den Kofferraum gepackt hatte, fiel er Seto mit einem Dank in die Arme und ließ ihn für Minuten nicht los, während dieser nur mit einer Hand über sein Haar strich.

Als sie sich schließlich wieder auf den Weg zum Hotel machten, war es bereits dunkel, sodass Katsuya im Wagen ein wenig döste. Dementsprechend entspannt, aber leicht müde fühlte er sich, als er wieder aussteigen musste. Den wieder einmal herum stehenden Yakuza warf er nur einen kurzen Blick zu, bevor er Seto hinterher trabte, der die Einkäufe trug. Sie baten um ein Abendessen bei Akane, brachten die Lebensmittel auf ihr Zimmer und warfen sich in bequeme Hausmäntel.

Keiner von beiden störte sich daran, dass Katsuyas Kopf auf Setos Oberschenkel lag, während dieser sitzend gegen das geöffnete Verandashoji lehnte, als Kei ihren Tisch herein trug und die beiden Damen mit dem Essen folgten. Die beiden Jüngeren entfernten sich, Frau Ikegamu jedoch trat an sie heran und teilte ihnen mit einer Verbeugung mit: „Herr Sanada fragt, ob er ihnen beim Essen Gesellschaft leisten darf.“

„Vielen Dank.“, Seto neigte sein Haupt, „Bitte teilen sie auch ihm mit, dass ich rein zur Erholung hier bin. Gerne nehme ich Briefe entgegen, doch ich habe nicht vor jemanden zu empfangen.“

„Sehr wohl.“, weiterhin verbeugt ging sie in ihrem mehrlagigen Kimono rückwärts, bis sie die Tür erreichte, wo sie das Zimmer diskret verließ.

„Du hattest recht.“, flüsterte Katsuya und fuhr fort, nachdem Seto mit einem kurzen Summen seine Aufmerksamkeit bekundet hatte, „Das hier ist wie eine Insel in einem stürmischen Ozean. Ein Ruhepol.“, er richtete sich halb auf und setzte einen Kuss auf die Lippen des anderen, „Danke, dass du mich hergebracht hast.“

„Hm-hm...“, Seto zog ihn lächelnd auf seinen Schoß, „Ich glaube, du hast noch nie so oft an einem Tag Danke gesagt wie heute.“

„Möglich.“, der blonde Schopf wurde auf seine Schulter gelegt, „Mir ging es auch lang nicht mehr so gut wie heute. Ich hätte nicht erwartet, dass ich mich so gut entspannen kann.“

„Freu‘ dich nicht zu früh.“, Seto schloss die Arme um ihn, „Ich vermute, da folgt morgen oder übermorgen ein Zusammenbruch, weil die Spannung nachlässt. Aber das ist okay. Darauf bin ich vorbereitet.“

„Das heißt, wenn ich mich plötzlich rapide schlechter fühle, ist das normal?“, Katsuya hob eine Augenbraue.

„Ja.“, sie tauschten einen Kuss, „Das kenne ich zumindest von mir. Ich bekomme Heulkrämpfe wegen Nichtigkeiten, kurz nachdem ich ausraste oder bin plötzlich dissoziativ. Vielleicht ging es dir noch gut genug, dass es nicht so heftig wird, aber ein Tief erwarte ich noch. Nicht, dass du unbedingt eins haben musst.“

„Ich könnte ohne leben.“

„Kann ich verstehen.“, Setos Daumen streichelte über seine Wange, „Was hältst du von Abendessen?“, er nickte in Richtung des aufgebauten Tisches.

Onsen

Mein Besuch ist bereits anwesend, aber da die Leute sicher bis Mitternacht bleiben, wollte ich das Kapitel jetzt schon hochladen. Eure wundervollen Kommentare kann ich allerdings erst morgen beantworten, tut mir Leid.

Meine Prüfung habe ich übrigens bestanden ^.^ Wieder sehr knapp, aber durch ist durch. Ich wäre zwar sehr froh, wenn ich für die ganze Arbeit auch mal irgendeinen Effekt sehen würde, aber da hoffe ich wohl vergeblich v.v Ich hasse Multiple Choice. Ich schaffe es Falsches anzukreuzen, obwohl ich die richtige Antwort sogar weiß. Das ist zum verrückt werden X.X

Nun ja, genug von mir, ich mache jetzt eine Runde "Ferien" (heißt, ich lerne nicht jeden Tag mehrere Stunden sondern nur so zehn Stunden die Woche). Für dieses Kapitel hatte ich zum Beispiel schon ein wenig mehr Zeit. Ich habe das Gefühl, man merkt es...
 

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Katsuya zitterte auf dem kleinen, aber sicherlich kühlen Weg durchs Freie zwischen den Duschen und dem Onsen in ihrem Garten. Er tapste mit um sich geschlungenen Armen zum Becken hinüber, löste sein Handtuch und stieg ins Wasser, in das er sich nach einem kurzen Moment bis zu den Schultern sinken ließ. Seto schlenderte hinter ihm her, durch die Temperaturen des Novembers anscheinend wenig beeindruckt, obwohl er frisch geduscht war und nichts außer dem Handtuch trug, was auch er ablegte, bevor er ebenfalls ins Wasser stieg.

„Angenehm.“, befand er und streckte sich, bevor er seine Schultern wärmte, indem er mit seinen hohlen Handflächen Wasser schöpfte und über seine Haut sickern ließ. Die Zunge des Jüngeren flickerte kurz hervor und benetzte seine Lippen. Mit der rechten Hand begann Seto das Wasser in die Haut seiner linken Brust zu massieren, während Katsuya näher rückte, seine Lippen auf dessen Halsschlagader legte und ihren Verlauf entlang küsste.

„Hm...“, der Ältere lehnte sich zurück und stützte sich mit seinen Armen auf den Steinen ab, die die Beckenwand markierten, „Sehr angenehm...“

„Der Stress...“, Kuss, „...hat mich vergessen lassen...“, Kuss, „...wie verführerisch du bist...“

„Ich wusste, dieser Urlaub ist eine gute Idee.“, Setos Augenlider flatterten, bevor sie sich schlossen. Er legte den Kopf in den Nacken und rollte ihn ein Stück zur Seite, um Katsuya einen besseren Zugang zu sichern. Nach einigen weiteren Küssen hoben sich seine Mundwinkel zu einen zufriedenen Lächeln und er gab ein Geräusch zwischen einem erfüllten Grummeln und einem befriedigten Purren von sich.

„Warum sind wir noch einmal hier?“, Katsuyas Zunge leckte den Weg hinauf, den er eben in die andere Richtung genommen hatte und setzte ihn über Setos Ohrmuschel fort, „Wir wollten sexuelle Phantasien ausleben, nicht wahr?“

Der Ältere zog scharf die Luft ein, ließ einen Arm ins Wasser gleiten und schlang diesen um Katsuyas Taille. Während dieser die Berührungen wieder aufnahm, sank jene Hand zu einer Backe hinab, knetete diese, bevor die Finger zärtlich ihren Weg nach oben suchten und von dort aus zwischen die runden Muskelstränge sanken. Der mittlere Finger stoppte kurz über dem vor Erwartung zitternden Muskelring, bevor er den Rückweg antrat und die andere Backe suchte, um diese mit einem gezielten Handgriff gefangen zu nehmen.

Katsuya ließ von Seto ab, als ein Keuchen über seine Lippen kam. Er biss einen kurzen Moment auf seine Unterlippe, bevor er durch halb geöffnete Lider die durch die Feuchtigkeit glänzende Haut fixierte, in die er nur Sekunden später seine Zähne versenkte.

Setos heißer Atem warf sein Ohr in ein Wechselbad aus Wärme und Kälte, eine raue Zunge strich über seine Schläfe und die ungebändigte Hand nahm einen Abstecher über seinen Hüftknochen und seine Leiste hinab zu den zwei Hautfalten, die sich unter den Ministrationen verhärteten.

„Ich will dich...“, hauchte der Blonde leise und rieb seine Wange an seinem Freund.

„Aber wir dürfen das Wasser nicht besudeln.“, mockte ihn dieser, während auch der zweite Arm eine seiner Backen zu fassen bekam und ihn näher heran zog, „Ich glaube, wir müssen noch einmal die Duschen aufsuchen, um uns zu reinigen.“

„Ja...“, keuchte Katsuya nur.
 

„Wenn ich gewusst hätte, was für einen Effekt Urlaub auf dich hat, hätte ich uns freistellen lassen.“, mit einem dunklen Funkeln in den Augen betrachtete Seto die dritte Erektion, die sich an diesem Abend zwischen Katsuyas Beinen bemerkbar machte.

„Sei ruhig...“, murmelte dieser nur, versperrte die Sicht mit beiden Armen und zog die Beine an sich heran, „Ich bin ein junger Mann, der vor wenigen Wochen die Sexualität entdeckt hat. Das ist völlig normal.“, behauptete er und wandte sich Blick zur Holzwand, die ihren Garten vom nächsten trennte.

„Ich erinnere mich an so einige gute Pornos, die mit diesen Worten begannen...“, ein amüsiertes Lächeln legte sich auf Setos Lippen, „Du weißt schon, diese Klischeefilme, wo Lehrer und Schüler etwas miteinander haben. Ich glaube, der passende Satz darauf war „Nun hab‘ dich doch nich‘ so“.“, er imitierte perfekt die alte, ölige Stimme eines ungeliebten Lehrers.

„Seto, wir hatten bereits zweimal Sex heute und in diesem Onsen war ich noch nicht länger als drei Minuten. Lass mich in Ruhe.“, der Blonde verschränkte die Arme und schloss die Lider.

„Dein Körper spricht eine ganz andere Sprache.“, hauchte dieser in sein Ohr.

Mit einem Hauch von Rot auf den Wangen – was natürlich nur durch das heiße Wasser kam, woher auch sonst – musterte Katsuya den anderen und rückte außerhalb der Küssweitreiche mit den Worten: „Solltest du nicht mehr Regenerationszeit brauchen? Du bist schließlich fast dreißig.“

„Ausdauertraining, mein Schatz, Ausdauer...“, Seto rutschte wieder näher, „Die Tage, seit ich sechzehn war und keinen Sex hatte, kann ich in recht kurzer Zeit zählen.“, eine Nasenspitze fuhr langsam über seine Wange, „Sex ist so ein schöner Sport... er hält jung und fit und...“, Arme legten sich um seine Schultern, „...verliebt.“, das letzte Wort wurde von so etwas wie einem Kichern begleitet.

Katsuya blinzelte und wandte sich seinem Freund zu, der unschuldig lächelnd den Kopf auf seine Schulter gestützt hatte. Seine Augenbrauen zogen sich einen Moment lang zusammen, bevor er fragte: „Dir geht es richtig gut, oder?“

„Mhm-hm.“, ein nasser Kuss wurde auf seine Lippen gesetzt, der laut schmatzte, als er gelöst wurde, „Jaha – tut es.“, es klang wie ein Singsang aus Setos Kehle.

„Du lässt gerade das Kind nahe an die Oberfläche, oder?“, ein Schleier legte sich über die blauen Augen, der Brünette hielt einen Moment inne, doch schließlich nickte er lächelnd, „Das heißt, du vertraust mir, richtig?“, ein weiteres Nicken, „Ich dir auch...“

Ihre Lippen besiegelten das Eingeständnis mit einem Kuss.
 

Als Frau Ikegamu gegen neun Uhr fragte, ob sie die Futons bereiten solle, fand sie Katsuya wieder einmal mit seinem Kopf in Setos Schoß, während er sich von diesem mit Orangenstücken füttern ließ. Sie trugen beide Bademäntel, flauschige, dunkelblaue Roben, die sich warm an ihre Haut schmiegten.

Der Ältere ließ sich nicht stören. Mit seiner geheimen Technik Orangen in ihrer Schale in Stücke zu schneiden ohne sie tropfen zu lassen verwöhnte er seinen Freund weiter, anscheinend völlig unbeeindruckt von den Blick, die Katsuya von der Seite spüren, aber nicht sehen konnte. Die Dame beobachtete sie, ohne dass man sie auch nur einmal dabei erwischte zu ihnen zu blicken, während sie ihre Nachtstätte richtete. Sie legte ihnen dieses Mal einen Doppelfuton aus, der eigentlich für Ehepaare gedacht war – sie zögerte an keiner Stelle und Seto erhob keinen Einwand.

Nachdem sie ihre Aufgabe erledigt hatte, kam sie zu ihnen herüber und ließ sich einen Meter von ihnen im Seiza nieder. Seto verharrte in der Bewegung, ein Orangenstück auf der Spitze des scharfen Messers und beugte den Kopf ein Stück in ihre Richtung.

„Nach den wenigen Malen, die sie früher hier waren, hatte meine Tochter es sich in den Kopf gesetzt sie zu heiraten.“, Frau Ikegamu faltete die Hände in ihren Schoß, „Darf ich ihr mitteilen, dass sie dessen eher abgeneigt sind?“

Der Brünette blinzelte zweimal, doch schwieg. Die zwei Sekunden, bevor die Dame seufzte, war keine Regung von seiner Seite aus zu erkennen.

„Sie weint sich die Augen aus deswegen. Gemessen daran, dass sie zehn Jahre daran festhielt, hielt ich es für angemessen sie davon zu unterrichten.“, sie hob ihren Blick und die schwarzen Augen schienen müde, „Bitte entschuldigen sie, dass ich sie mit dieser Sache belaste.“

„Nein, nein...“, Setos Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, „Die Entschuldigung liegt bei mir. Mir war nicht klar, dass sie so fühlt und wüsste nicht, ob ich sie je couragiert habe diese Angelegenheit zu verfolgen. Sollte ich einen falschen Eindruck erweckt haben, so betrauere ich das zutiefst. Es war nicht meine Absicht die Gefühle ihrer Tochter zu verletzen.“

„Vielen Dank.“, Frau Ikegamu nickte, „Ich werde mich zurück ziehen und ihr dies ausrichten.“, sie erhob sich, „Bitte entschuldigen sie alle Unannehmlichkeiten, die das Verhalten meiner Tochter verursacht hat.“

Nachdem sie den Raum verlassen hatte, nahm ein Orangenstück den Platz zwischen Katsuyas offen stehenden Lippen ein, was ihn wieder Seto fokussieren ließ. Er kaute und schluckte es schnell, um zu fragen: „Wusstest du das?“

„Dass Akane in mich verliebt ist? Nein.“, ein weiteres Stück nahm seinen Mund in Beschlag, während Seto sprach, „Manche Frauen erröten, kichern und schauen einen andauernd an und anderen sieht man ihre Gefühle gar nicht an. Akane tendiert sehr stark zu dieser zweiten Klasse.“, Orange und Messer verschwanden einen kurzen Moment aus seinem Sichtfeld, sodass er Seto in die Augen sehen konnte, „Außerdem bin ich nicht gerade für mein wundervolles Verständnis von Gefühlen bekannt, oder?“

„Nicht ganz...“, gab Katsuya zu, „Aber zehn Jahre? Obwohl sie dich gar nicht kannte?“

„Sie hat einen reichen, jungen, gut aussehenden, charmanten Mann gesehen. Ohne meinen Charakter zu kennen, konnte sie sich jegliche Art von Traumprinz ausmalen. Was braucht frau mehr?“

„Das klingt diskriminierend.“, urteilte der Jüngere.

„Nun, meine weibliche Bekanntschaft beschränkt sich auf Menschen wie deine Kollegin Mai und alte Jungfern wie Isis.“, Seto zuckte mit den Schultern, „Nichts zu vergessen Frauen wie deine Mutter. Yumi zum Beispiel hat auch nie geheiratet. Das heißt, alle Frauen, denen ich einen Hauch Sympathie entgegen bringe, sind unverheiratet. Das lässt mich meinen Erfahrungen entsprechende Schlüsse ziehen.“

„Dass Frauen, die heiraten, dumm sind?“, Katsuya hob eine Augenbraue, „Du hast einen Schaden.“

„Dass Frauen, die heiraten, hinter Geld her sind.“, er verhinderte einen Kommentar darauf mit einem weiteren Stück Orange, „Zumindest die, die ich kenne.“

„Dasch isch traurich...“, brachte der Jüngere neben dem Kauen hervor.
 

„Sagen wir mal, dein Bruder würde meine Schwester heiraten.“, warf Katsuya ein paar Momente später ein, „Denkst du, sie wäre hinter seinem Geld her?“

„Ja.“, erwiderte der Andere ohne jeden Zweifel in der Stimme.

„Aber warum sollte sie?“, der Blonde seufzte. Seto konnte echt verquer sein...

„Warum sollte sie ihn heiraten?“

„Warum willst du mich heiraten?“, konterte Katsuya sofort.

„Das ist etwas anderes.“, er verdrehte die Augen, „Wirklich! Uns bringt das alles nichts. Heteros bringt das Steuervorteile, rechtliche und medizinische Absicherung, Witwenrenten...“

„Seto.“, er umfasste mit beiden Händen dessen Gesicht, damit er ihn ansah, „Schalte deine Logik aus und deine Gefühle an. Warum willst du mich heiraten?“

„Weil...“, die blauen Augen wandten sich trotzdem ab, auch wenn Seto damit sein Handgelenk anstarrte, „Das klingt wahrscheinlich komisch und blöd...“, Katsuya schwieg und ließ ihm den Moment seine Gedanken zu sammeln, „Ich möchte ein Zeichen setzen. Für mich und für andere. Dass wir zusammen gehören und dass du bei mir bleibst.“

„Genau das.“, erwiderte der Jüngere sanft, „Und ich wette, für die meisten Heteros ist das nicht anders. Denn das ist der Sinn hinter dem Heiraten. Ein Zeichen zu setzen. Wenn Geld der Hintergrund ist, ist das traurig.“, mit einem Mal legte sich ein Grinsen auf seine Züge, „Was hältst du eigentlich von dem Gedanken? Dein Bruder und meine Schwester?“

„Das wird nie was.“, die blauen Augen suchten wieder Blickkontakt, „Mein Bruder würde sie höchstens als zweites Frühstück nehmen. Er braucht eine Frau, die gleich auf mit ihm ist. Jemand mit derselben geistigen Reife und Selbstständigkeit, völlig unabhängig von ihm, damit er für sie niemals die Rolle des Versorgers darstellt.“, ein Mundwinkel hob sich, „Er sagt, er ist Frauen Leid, die zu ihm aufblicken. Allerdings ist er zu stolz selbst hinauf zu sehen, also sucht er jemanden auf Augenhöhe. Was bei einem Großunternehmer natürlich nicht leicht ist.“

„Und meine Schwester will jemanden, der sich um sie kümmert.“, schloss Katsuya.

„Was gefährlich ist.“, lenkte Seto ein, „Sie könnte dabei sehr schnell in eine Abhängigkeit rutschen. Aber der Typ Mann, nach dem sie sucht, ist zumindest etwas häufiger.“

„Ist dir schon eine Idee gekommen?“, fragte der Liegende etwas leiser, „Was wir jetzt machen?“

„Die Köpfe zusammen stecken.“, erwiderte Seto sanft, nahm das Messer in die Hand, mit der er die Orange hielt und strich Katsuya mit der nun freien über den blonden Schopf, „Ich lade nächsten Sonntag auch Herrn Sarowski zum Kaffeetrinken ein und dann machen wir ein Brainstorming. Ich wette gemeinsam finden wir eine Lösung. Mach‘ dir da keine Sorgen.“

„Und was ist der Notfallplan?“, hauchte der Blonde. Würde Seto sie und Isamu im Zweifelsfall aufnehmen? Wenn gar nichts anderes ging?

„Dass wir ein Hochhaus kaufen und ein Mutter-Kind-Heim draus machen.“, Seto seufzte, „Oder wir bitten die Aliens, dass sie die Zeit stoppen, bis wir eine bessere Idee haben.“

Katsuya kicherte, seufzte und zog die Augenbrauen zusammen. Mit einer Hand fuhr er über seine Wange und hielt sie vor sein Gesicht. Glänzend. Er weinte? Verwirrt sah er zu Seto auf, doch traf dort nur auf ein sanftes Lächeln. Der Andere schien in keinster Weise beunruhigt durch die Tränen.

Katsuyas Atem ging heftig und schnell. Was sollte das? Wieso-

Setos Lippen bewegten sich, doch er verstand ihn nicht. Weiße Punkte tanzten vor seinen Augen. Entfernt spürte er die Hand, die sich über seinen Mund legte und seine Nase zukniff.

Angst raste durch seine Adern.

Was passier...

Sein Atem beruhigte sich, die Hände ließen von ihm ab. Er erkannte Seto vor seinen Augen, doch die Konturen verschwammen. Seine Muskeln erschlafften. Mit einem Geräusch, das er nur peripher wahrnahm, fiel seine Hand wie ein nasser Sack zu Boden und blieb regungslos liegen.

Zusammenbruch

Hätten meine Kapitel noch englische Titel, so hieße dieses "Falling apart". Es ist dunkel und niederdrückend und somit sicherlich ein guter Start in die Woche (>.>). Ich muss zugeben, ich hatte mit diesem Kapitel ziemliche Not und Mühe. Nicht inhaltlich sondern zeitlich. Meine Uni hatte mir plötzlich Kurse in die Woche gelegt x-x Zwei Neunstundenkurse! Und mir zwei Tage vorher Bescheid gegeben ô.o Wahnsinnige!

Aber ich habe es geschafft ^.^ Ich weiß zwar nicht, ob ich dieses Kapitel für gut oder schlecht halte, aber da das sowieso subjektiv ist, überlasse ich jedem einzelnen von euch eine Wertung darüber. Ansonsten wollte ich mich entschuldigen, dass ich mal wieder lahm und faul mit den ENS war. Das hatte ebenfalls mit den Unikursen zu tun ^.^" Aber ich gelobe Besserung!
 

P.S.: feuerregen, ich weiß, dich wird der Schlag treffen - überließ den Traum einfach XD
 

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Keine Gedanken.

Keine Emotionen.

Kein Wille.

Und doch bewegte sich sein Körper. Er legte die Arme um sich selbst, was Seto aufmerksam beobachtete. Er hatte ihn auf den Futon verfrachtet, wo es sicher gemütlich war.

Aber all das spürte Katsuya nicht. Nahm es nicht wahr und bekam es dennoch mit. Es geschah, aber weder konnte er darüber nachdenken noch es sich merken. Als würde er durch zwei Gucklöcher ein Geschehen mitkriegen... aber gleichzeitig wusste er, wie der Körper, in dem er weilte, sich bewegte, ohne dass er es sah und ohne dass er es spürte.

Er fühlte nicht, wie sich seine Nägel in die Haut seiner Oberarme bohrten. Hörte nicht Setos Zischen und spürte nicht, wie dieser versuchte den todesstarren Griff zu lösen. Seine Lider waren geöffnet, doch sah er nicht, wie der Ältere sich aufbäumte und an seinen Armen zog. Er wunderte sich nicht, dass er so starr war, dass es seinen ganzen Oberkörper von den Laken hob.

Er wusste nur, dass es geschah.

Und es interessierte ihn nicht. Zumindest glaubte er das, da kein Gedanke in seinem Kopf laut wurde. Aber hieß es nicht, dass er dachte, wenn er eine Meinung über den Zustand seiner Gedanken hatte? Er versuchte die Brauen zusammen zu ziehen, doch sie gehorchten seinem Willen nicht.

Seto währenddessen hatte seine Nägel aus der Haut gelöst, sodass nur seine Fingerkuppen seine Arme malträtierten und dort Hämatome schafften. Er kniete über Katsuya, die Lippen zu einer Linie gepresst, der Blick scharf. Seine Hände schwebten über dem liegenden Körper.

Katsuyas Fokus wandte sich zur Seite. Es dauerte einige Sekunden, bis er daraus den Schluss zog, dass sein Körper sich zur Seite gedreht hatte. Die Beine zogen sich vor seinen Oberkörper, sein Kinn senkte sich, bis beide am Knie aufeinander trafen. Einen Moment später trennten sie sich wieder, seine Arme lockerten sich und seine Lider sanken auf Halbmast.

Das nächste, was er registrierte, war Wärme. Eine Decke lag über seinem zusammen gekrümmten Körper. Eine Hand fuhr durch sein Haar und Nägel kratzten bisweilen über die Haut seines Nackens. Mit einem zufriedenem Seufzen gab er seinem Körper einem kleinen Schub zur Seite, dem dieser sogar gehorchte, sodass er auf den Rücken rollte – fast zumindest, da seine Beine der Bewegung nicht folgten. Es reichte jedoch, damit er zu Seto sehen konnte, der davor hinter ihm gesessen hatte.

Ihn grüßte ein sanftes, aber müdes Lächeln. Neben Setos Augenlidern bildeten sich kleine Fältchen und die Lider hangen etwas tiefer als sonst.

„Wieder wach?“, fragte der Ältere leise, griff nach Katsuyas Beinen und zog diese in eine bequeme Position, „Du warst zweieinhalb Stunden dissoziiert.“

Er legte sich hin und zog Katsuya an seine Seite. Den Kopf auf seine Brust, einen Arm über seinen Bauch. Die Hand des Armes, der über Katsuyas Kopf und Schulter zog und hinter ihm lag, strich über seine Seite. Mit der anderen Hand richtete er die Decke über ihnen.

„Gute Nacht, Schatz...“, ein Kuss wurde auf seine Stirn gesetzt.

Er zwang seine Lider sich zu schließen.
 

Flüstern. Stimmen im Wind. Ein Jaulen, ein Pfeifen, aber so sanft, kaum hörbar. Sein Blick suchte die Ferne nach der Quelle dieser Laute ab.

Er hatte die große Treppe erklommen, sich jede Stufe hinauf gezogen an seinem Kletterseil mit Enterhaken, die Monster und Illusionen bekämpft und die Spitze erreicht, um seine Freunde zu erreichen. Aber hier war niemand. Jemand hatte ihn betrogen mit Informationen. Doch er musste sie finden. Er wusste nicht warum, aber sein Gefühl sagte ihm, dass man ihn brauchte. Seine Freunde brauchten ihn, aber er wusste nicht, wo sie waren.

Die Geräusche schienen von dem großen Teich zu kommen, an die die Treppe gebaut worden war. Das Wasser hatte einen ekelhaft grün-braunen Farbton, kaum durchschaubar. Er zog das Fernglas von seinem Gürtel und richtete es auf die dunkle Brühe. Die untergehende Sonne half ihm nicht gerade etwas zu erkennen, doch ein glücklicher Strahl ließ einen weißen Arm im Wasser aufblitzen.

Da! Seine Freunde! Sie waren im Wasser gefangen. Entschieden sicherte er sein Fernglas wieder, ebenso sein Seil, nahm Anlauf und sprang. Der Fall von sicherlich achthundert Metern drehte ihm mehrfach den Magen um, aber er ignorierte das Gefühl. Seine Freude waren jede Anstrengung wert. Er hörte nur ein dumpfes Aufschlagen, während er mit der braunen Suppe eins wurde. Er erkannte gerade noch die Hand vor Augen, ebenso die dichten Algenstränge, die sich um seine Haut und Kleidung schlangen. Er orientierte sich kurz, bevor er in die Richtung schwamm, wo er seine Freunde vermutete. An mehreren größeren Algensträngen schlängelte er geschickt vorbei, bis er eine Lichtung erreichte. Ein Baumstamm auf dem schlammigen Boden verhinderte das Wachstum von Algen an dieser Stelle.

Seinem Gefühl folgend tauchte er etwas weiter hinab, um das Holz zu untersuchen. Die Rinde war ein einigen Stellen brüchig, an einer konnte er zwischen den Stücken erkennen, dass der Stamm hohl war. Waren seine Freunde vielleicht darin gefangen? Obwohl er langsam Luftnot spürte, hangelte er sich am Holz entlang und warf einen Blick in die Röhre. Da! Weißes Haar, es musste Ryou sein. Er griff in die Dunkelheit, doch bekam nichts zu fassen. Vielleicht etwas weiter hinein? Er streckte sich, bis sein Oberkörper in der Höhle verschwand. Noch ein Stück... ja, etwas Haariges! Seine Lider weiteten sich. Nein! Die Haare schlangen sich um seinen Arm, zogen ihn in den Stamm. Eine Falle! Eine weitere Illusion!

Er sperrte sich, spreizte die Beine, um sich an den Stammseiten zu halten, griff mit der freien Hand nach seinem Messer. Weiße Punkte mischten sich in seine Sicht – Luft, er brauchte Luft – doch er schaffte es seinen Arm an sich zu ziehen und die haarähnlichen Tentakeln zu durchschneiden. Immer mehr versuchten nach ihm zu greifen, doch er bekämpfte sie grimmig. Mit den Beinen zog er sich aus dem Stamm. Draußen machte er einen kräftigen Armschlag, um aufzutauchen, doch die Tentakeln schlangen sich im letzten Moment um seinen Fuß.

Luft! Seinem Mund entkam die letzte Luftblase. Die weißen Punkte vereinigten sich zu einer einzigen weißen Masse. Mund, Rachen und Brust schmerzten in einem scharfen Schub, bevor seine Wahrnehmung im Nichts verschwand.
 

„Sch... sch...“, Seto beugte sich über ihn und strich verschwitzte Strähnen aus seinem Gesicht, „Es war ein Traum. Nur ein Traum. Du bist sicher.“, er griff nach Katsuyas Kette und tippte ihm mit der Feder daran auf die Nase, „Weg mit den bösen Träumen.“

Katsuya sog scharf den Atem ein, hielt ihn diesmal jedoch an, bevor er langsam ausatmete. Ruhig... ganz ruhig... nur ein Traum... ein Schluchzen entkam seinen Lippen, bevor er sich an Seto drückte. Seine Arme legten sich um den festen Körper, während er ein zweites Mal schluchzte. Seine Schultern zuckten und er ließ sich ohne Gegenwehr auf Seto ziehen, der sich zur Seite drehte. Er hob die Arme, ballte Hände zu Fäusten, die er auf Setos Brust legte und gab den Versuch auf seine Tränen zurück zu halten. Ebenso sein Schluchzen zu unterdrücken. Es brach aus ihm heraus, schüttelte ihn und erfüllte den sonst stillen Raum.

„Ist gut... wein ruhig...“, Setos Hand strich federleicht über seinen Rücken, malte Linien auf den Bademantel, den Katsuya noch immer trug.

„Ich-“, mit einem Schluchzen unterbrach er sich selbst, „Ich will nicht- nicht schwach sein...“

„Das bist du auch nicht.“, erwiderte der Brünette ruhig, „Obwohl du nichts hattest, hast du dich viele Jahre selbst versorgt und am Leben erhalten. Du hast keine Angst davor dich zu wehren und kämpfst für dein Leben und deine Überzeugungen. Und derzeit kämpfst du darum gesund zu werden. Auch wenn es schwer ist, gibst du nicht auf. Du bist ein sehr starker Mensch.“

Katsuya erwiderte mit nichts anderem als verzweifeltem Schluchzen. Er krallte seine Finger in den weichen Stoff von Setos Mantel und zog diesen an sein Gesicht, um die Geräusche zu dämmen.

„Zu weinen ist keine Schwäche. Es ist nichts, für das man sich schämen muss.“, Setos Hand zog träge Kreise auf seinem Rücken, „Weinen zu können, besonders vor anderen Menschen, ist eine Stärke. Viele Menschen sind nicht in der Lage Gefühle auszudrücken und Schwäche zuzugeben. Es sind diese Menschen, die sagen, es sei eine Schwäche – weil sie es selbst nicht können. Ich habe es selbst lange Zeit geglaubt, bis ich bemerkte, wie viel Angst ich davor hatte anderen etwas von mir zu zeigen. Etwas, was mich angreifbar macht.“, zwei Arme legten sich um ihn, hielten seinen von Schluchzen erschütternden Körper fest, „Seine Gefühle offen zu zeigen, ist eine Stärke, Katsuya. Ich bewundere das sehr an dir.“

Das Zittern ließ langsam nach und die Zeit zwischen den Schluchzern verlängerte sich. Der Blonde konzentrierte sich auf seinen Atem, bis er nach einer halben Minute mit einem Seufzen den Kopf hob und mit verweinten Augen Setos Blick suchte.

„Hast du ein Taschentuch?“, fragte er leise und bekam eins gereicht, „Danke...“

Er setzte sich auf und nahm auf Setos Bauch Platz, während er seine Nase säuberte. Der Ältere störte sich an beidem wenig und ließ seine Arme zu Katsuyas Taille hinab sacken.

„Wie viel Uhr haben wir?“, murmelte er leise und warf einen Blick zur Wand, hinter der der Garten lag. Es schien nicht sehr hell auf der anderen Seite.

„Kurz vor drei.“, antwortete Seto nach einem Blick auf seine Armbanduhr, „Willst du nochmal versuchen zu schlafen?“

„Hm... na gut...“, er erlaubte seinen Augenlidern zuzufallen und legte sich wieder neben Seto – die andere Seite diesmal – bevor er sich an ihn kuschelte, „Nacht...“

„Schlaf gut.“, flüsterte dieser leise.
 

„Katsuya?“, hörte der Blonde wie von fern, doch erst das Fingerschnippen direkt vor seiner Nase riss ihn aus seiner Trance und ließ ihn aufblicken, „Hier ist die Realität, Kleiner. Du wirst keine Erleuchtung darin finden dein Frühstück anzustarren.“

„Oh, sorry. Ich war...“, sein Satz verlief ins Leere, während er die blauen Augen fixierte – und schließlich irgendetwas hinter den blauen Augen, durch Setos Kopf hindurch.

„Gerade geistig nicht ganz anwesend.“, beendete Seto den Satz für ihn und seufzte, „Du musst da leider selber raus kommen, Kleiner. Es ist deine Entscheidung, wie viele Stunden du damit verbringst herum zu sitzen und die Wand anzustarren. Sei nur so gut und iss vorher auf.“

Wie mechanisch nickte der Blonde und aß den Rest seines Frühstücks. Seto begnügte sich währenddessen damit die Zeitung zu lesen. Das nächste Mal, das Katsuya wieder bewusst nach ihm sah, hatte er es sich mit einem Buch auf ihrem Futon gemütlich gemacht. Kurz blinzelnd stand der Jüngere vom Tisch auf – er war abgeräumt worden, wie er erst jetzt bemerkte – und ging zu seinem Freund hinüber.

„Oh, ein Moment des Bewusstseins?“, Seto sah auf, „Nur als Vorwarnung, heute Abend schleppe ich dich mit aufs Feuerwerk.“

Katsuya nickte nur und rollte sich auf Höhe seiner Beine zusammen, den Kopf in die Kuhle seines Rückens gelegt. Er spürte das Nichts der Dissoziation wieder an seinem Bewusstsein ziehen, doch schaffte es noch seine Frage hervor zu bringen: „Wie lange dauert das hier?“

„Bei meinem ersten Burnout waren es anderthalb Wochen.“, erwiderte Seto klar, doch kalt, „Bei meinem letzten zwei Tage.“, einen Moment herrschte Stille, in der Katsuya seinen Geist gerade wieder den Dissoziationen überlassen wollte, doch er wurde kurz zurückgehalten, da Seto noch etwas sagte, „Beim schlimmsten Mal waren es vier Monate.“

Monate... was, wenn es bei ihm auch Monate wurden? Was war mit der Schule? Mit seiner Schwester? Eine einzelne Träne rollte aus seinem Augenwinkel über seine Schläfe. Er wollte die Fragen laut stellen, doch seine Lippen bewegten sich nicht mehr. Seine Pupillen weiteten sich und ein Schleier legte sich vor seinen Augen. Alle Geräusche verstummten und die Gedankengänge starben mit dem Entfliehen seines Bewusstseins.

„Hey, Schatz...“, Seto, der nebem ihm kniete, strich mit beiden Daumen über seine Wangen, „Komm ein wenig zu dir, bitte. Hörst du mich?“

Katsuya gab seinem Kopf den Befehl zu nicken, doch dieser gehorchte nicht. Er versuchte zu seufzen darüber, doch nicht einmal das kam an. Allerdings schaffte er es einmal aufmerksam zu blinzeln.

„Sehr gut.“, ein schiefes Lächeln legte sich auf Setos Lippen, „Sehr gut, mein Schatz. Ich werde dich alle paar Stunden kurz aus deinen Dissos holen, ja? Ich habe ein wenig Angst, dass du mir ins Koma sinkst.“, der Brünette beugte sich herab und setzte einen Kuss auf seine Stirn, „Das... war eigentlich schon alles. Bis später... denke ich...“, seine Lippen lächelten noch immer, doch seine Augen waren mit Tränen gefüllt. Mit einem leisen Seufzer schnappte Seto wieder sein Buch und legte sich neben den leblos wirkenden Blonden.

Koma? Er konnte ins Koma sinken, wenn er sich zu sehr gehen ließ? Mit einem Funken Wut kämpfte Katsuya um sein Bewusstsein. So krank war er jetzt auch nicht, ja? Er schnaubte innerlich und sandte immer wieder Signale an sein freches Mundwerk Seto einen sarkastischen Kommentar zuzuwerfen.

Doch seine Lippen blieben stumm.

Neu zusammensetzen

Man könnte ja denken, dass man mehr Zeit hat, wenn Ferien sind, oder? Irgendwie klappt das bei mir nicht ô.o Obwohl meine Kreativität in der letzten Woche blendend war, habe ich nur dieses eine Kapitel geschafft. Andererseits habe ich sehr viel für meine derzeit vier anderen FFs geschrieben, die möglicherweise ein Störfaktor sind...

Ebenso wie die Harry Potter Neuvertonung (um es euphemistisch auszudrücken), an der wir hier derzeit arbeiten. Noch drei Stimmen und ich kann mit dem Schneiden beginnen *v* Und wo wir bei Schneiden sind, Schneidern muss ich auch noch... der Japantag rückt näher! Und für die Uni muss ich auch noch einiges tun... menno >.<

Andererseits - die meisten von euch haben gar keine Ferien. Muhahahaha!
 

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Irgendwann gegen fünfzehn Uhr hatte Seto daran gedacht, dass Mittagessen eine gute Idee war. Katsuya hatte das Essen wie ein Roboter über sich ergehen lassen. Für sich selbst wirkte er danach wacher, wenn er auch immer noch nicht in der Lage war sich willentlich zu bewegen. Aber er hatte das Gefühl, dass seine Gedanken langsam wieder etwas verlauten ließen.

Zumindest konnte er darüber nachdenken, dass es nicht gesund war über sicherlich sechs Stunden dissoziativ in der Gegend herum zu liegen. Ebenso wenig, wie es gesund war zwei Stunden regungslos auf den Garten zu starren, wie Seto es tat. Das Buch, das er gelesen hatte, lag offen in seinem Schoß, aber seit kurz nach dem Essen hatte er keinen Blick mehr hinein geworfen. Und mittlerweile war es halb sechs.

Wollte Seto nicht mit ihm zu einem Feuerwerk? Mussten sie sich dann nicht langsam mal fertig machen und los? Nicht, dass Katsuya sich wirklich in der Lage fühlte das Zimmer zu verlassen oder überhaupt nur aufzustehen, aber in Gedanken fühlte er sich langsam genervt. Und das Schlimmste war, dass er es nicht einmal ausdrücken konnte. Seine Arme gehorchten nicht, seine Beine gehorchten nicht, seine Gesichtsmuskeln gehorchten nicht – er versuchte zu knurren und auch das geschah nicht. Bei allen Göttern, das war echt erbärmlich.

Er seufzte innerlich. Jetzt reichte es. Er würde sich jetzt aus diesen Dissoziationen kämpfen, egal, wie schwer das sein würde. Kleine Schritte. Seine Augen gehorchten doch zum Beispiel schon mal. Also weiter mit den Lidern. Einmal blinzeln... blinzeln! Na also, ging doch. Und ein zweites Mal. Jetzt zwei Mal hintereinander. Sehr schön, sehr schön, Augen und Lider unter Kontrolle. Was als nächstes? Der Mund. Lippen öffnen. Nur einen kleinen Spalt. Einen Hauch... scheiße, war wohl zu viel verlangt. Was war einfacher? Spitzen. Ja, spitzen konnte er die Lippen. Und jetzt bewegen. Rechts oben, links oben, schneller, ja, sehr gut... oh, seine Nasenspitze konnte er auch bewegen. Würde Seto her sehen, würde er ihn wohl für einen Kaninchen halten.

Ha, ha! Seine Lippen hatten sich gespalten! Immer schön bewegen, nicht wieder paralytisch werden lassen. Mission Gesicht zurückerobern bestanden. Nun die Hände. Mit dem Zeigefinger tippen. Mit den anderen Fingern. Die Hand drehen. Den Arm. Ein Grinsen fand den Weg auf sein Gesicht und er stimmte dem Ausdruck zu. Ja, das lief wirklich gut. Mit einem feurigen Funkeln in den Augen begab er sich daran zu Seto zu robben. War ja schließlich nur ein halbes Zimmer, das war doch machbar, oder?

Seinen Freund hatte es wohl auch abgeschossen. Er starrte noch immer auf den Garten und regte sich weder ob der Geräusche noch der Bewegungen im Raum. Woran er wohl dachte? Konnte er überhaupt noch denken?

Katsuya warf sich mutig nach vorn und packte mit der ausgestreckten Hand nach Setos Arm, der schlapp neben dessen Körper hing. Ein Zucken durchlief den anderen Körper, bevor dieser sich erhob und einen schnellen Schritt zurück machte, wobei dumpf das Buch zu Boden fiel.

„Katsuya?“, Setos Ton schwang zwischen Zischen und Zittern.

„Wach.“, erwiderte dieser stolz und sah lächelnd hinauf, „Fast zumindest. Meine Beine funktionieren noch nicht.“, er schüttelte sich und versuchte eins heran zu ziehen, „Aber das kriege ich noch hin.“

„Sehr gut...“, lobte der Ältere und kniete sich auf die Veranda, auf der er stand, „Wollen wir uns fertig machen, wenn du dich wieder bewegen kannst?“
 

„Danke schön...“, murmelte Katsuya mit einem Hauch von Verdatterung in der Stimme und betrachtete sich im Spiegel. Frau Ikegamu nickte mit einem leichten Lächeln auf den Lippen und zog zur Prüfung noch einmal an verschiedenen Stellen des Obis, den sie ihm geknotet hatte.

„Sie sind wahrlich ein hübscher, junger Mann.“, sie sah ihm via Spiegel in die Augen, „Es gibt nicht viele Männer, denen Kimonos stehen. Ich freue mich stets junge Leute in traditioneller Kleidung zu sehen.“

„Es ist... unüblich.“, gab der Blonde zu und machte ein paar Schritte, „Ich fühle mich ehrlich gesagt nackt und schutzlos hier drin. Im Kimono kann man nicht gerade gut kämpfen. Erst recht nicht auf Getas.“

„Kämpfen?“, fragte sie, während sich kleine Falten zwischen ihren Augenbrauen bildeten, „Sind wir dieser Zeit nicht entwachsen?“

„Das werden wir nie...“, murmelte Katsuya mit einem Seufzen und fuhr unbewusst mit einer Hand über die Narbe auf seiner Stirn, „Der Drang zur Gewalt vergeht nicht.“

„Doch müssen wir die Damenwelt damit nicht belasten.“, schalt Seto ihn und hängte ein Täschchen aus demselben Stoff, aus dem auch der Kimono gemacht war, um Katsuyas Handgelenk, „Und du musst dich nicht sorgen. Wir werden heute Nacht sicher in keinen Kampf verwickelt.“

„Wenn du meinst...“, einen Moment lang verlor sich sein Blick, doch er schüttelte den Kopf, um sich in der Realität zu halten, „Was trage ich mit mir?“, er hob das Täschchen.

„Mein Handy, meine Geldbörse, den Autoschlüssel und unsere Ausweispapiere.“

„Wieso muss ich das alles tragen?“, Katsuya schob die Unterlippe vor.

„Weil ich uns durch die Gegend kutschiere und zahle und keine Lust habe eine Handtasche zu tragen.“, Seto lehnte sich vor und gab ihm einen kurzen Kuss, was von Frau Ikegamu mit einem Räuspern kommentiert wurde, „Nun, ich denke, wir sind fertig.“

„Ja, danke noch einmal für ihre Hilfe.“, ein Hauch Rot hatte sich auf Katsuyas Wangen geschlichen, doch er erwiderte ihren Blick und verbeugte sich andeutungsweise.

„Ich wünsche ihnen einen guten Abend. Bitte denken sie an die schlafenden Gäste, wenn sie heimkommen. Ich werde ihr Zimmer für ihre Rückkehr richten.“

„Danke.“, meinte Seto nur knapp, schnappte sich Katsuyas Hand und zog ihn – Getas für sie beide in einer Hand tragend – Richtung Wagen.
 

„Wow.“, murmelte Katsuya und blinzelte, „Das ist ja ein richtiges Volksfest.“

Eine Art von Fest, die er das letzte Mal mit seiner Schwester zusammen besucht hatte. Viele bunte Buden, die meisten mit Essen, andere mit Spielen und Lotterien, sogar ein oder zwei Fahrgeschäfte und eine Bühne. Die Anwesenden waren Jugendliche oder Familien mit Kindern, nicht wenige von ihnen in traditioneller Kleidung wie Seto und er. Auch wenn die meisten Männer Haoris und Hakamas trugen, blendeten sie sehr gut in die Gesellschaft ein.

„Meinst du, das hier wird deine Aufmerksamkeit halten können?“, fragte Seto mit einem Schmunzeln auf den Lippen.

„Vielleicht.“, Katsuya gab den gleichen Ausdruck zurück, „Kann es deine halten?“

„Unwahrscheinlich.“, der Ältere griff eine blonde Ponysträhne zwischen Zeige- und Mittelfinger und ließ sie durch seinen Griff gleiten, „Du hingegen schon.“

Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen wandte Katsuya den Blick ab. Er ließ ihn über die nächsten Stände schweifen und traf spontan eine Entscheidung: „Ich glaube, ich habe aufgehört mich schlecht zu fühlen dein Geld auszugeben. Hier gibt es doch sicher irgendwelche Delikatessen, die man mal probiert haben sollte, oder?“

„Es gibt Daitokuji-Natto und Funazushi-Tempura, das ist aber recht sauer.“, informierte Seto ihn.

„Ich möchte Sushi mit diesem besonderen Natto.“, grinsend sah der Blonde sich um, „Meinst du, wir finden das?“

„Ich sehe da zwei Männer, die Mochi herstellen.“, Seto hob eine Augenbraue, „Ich glaube, in dem Fall halte ich alles für möglich.“

Sie folgten weiter der Reihe an Ständen, von denen der Ältere einige kommentierte. Meist wenig vorteilhaft. Beim dritten Satz über die vermaledeiten Goldfischfangstände verlangte Katsuya, dass Seto ihm einen fing. Leider konnte sein Freund ihm auf die Millisekunde genau berechnen, dass das bei der Dicke des Papiers der Käscher physikalisch unmöglich war, wenn der Fisch nicht gerade direkt an der Oberfläche schwamm oder der Käscher einen Produktionsfehler hatte. Und selbst dann war es wohl eine Kunst. Nach seiner Aussage. Sie sahen zu, wie ein achtjähriges Mädchen einen Fisch gewann. Katsuya hob eine Augenbraue, Seto wandte den Blick gen Himmel und sie gingen in Schweigen weiter.

Das nächste Mal hielten sie an der Bühne. Eine lokale Gruppe in bunten Kostümen führte einen Para Para vor, dem sie einige Minuten zusahen, bevor Seto mit Schnipsen vor seiner Nase seine Aufmerksamkeit wieder gewann, da er erneut in Dissoziationen geglitten war.

„Lass uns dein Natto finden.“, murmelte dieser, griff seinen Oberarm und zog ihn aus der versammelten Masse an Leuten, „Wir haben noch drei Reihen abzusuchen, bevor du dich wahrscheinlich umentscheiden musst. Mir scheint, hier gibt es nur normales Natto.“

„Wenn wir es nicht finden, möchte ich Sate und danach Daifukus.“, Katsuya wechselte sein Handtäschchen in die rechte Hand und fasste mit der linken nach Setos, „Und geh mir nicht verloren. Wir haben nur ein Handy.“

„Und das hast du.“, der Brünette ließ seinen Blick kurz auf ihren Händen weilen, bevor er sich umsah, „Nun...“, die blauen Augen fanden wieder zu Katsuya, „Wenn wir uns verlieren, können wir uns immer noch beim Auto treffen, ja?“, dieser nickte, „So du nicht gerade dissoziativ irgendwo in der Gegend herum stehst. Aber ich glaube, dich würde ich in der Menge wieder finden.“

„Okay.“, Katsuyas Augen blitzten auf, sein Arm schnellte herauf – trotz der Tasche daran – und er zeigte auf einen weiteren Stand, „Gesüßte Früchte! Die will ich zum Feuerwerk!“

„Hast du irgendwie Hunger?“, neckte Seto leise und stupste ihn mit der Schulter an.

„Hey, ich muss noch wachsen.“, erklärte der Andere laut.

„Nach oben oder in die Breite?“, erwiderte sein Freund nur.

Zwei junge Mädchen in Katsuyas Alter waren während des kleinen Debakels stehen geblieben, die eine „Süß!“ quietschend, die andere einen Schnappschuss von ihnen machend, bevor sie kichernd weiter gingen. Der Blonde blinzelte überraschte, begegnete Setos gequältem Blick und ließ den Kopf sinken. Das schadenfrohe Grinsen konnte er sich nicht verkneifen, obwohl er wusste, dass sein Freund verärgert war, dass sie Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten.

„Lass uns... dein Natto suchen...“, brachte Seto durch zusammen gepresste Zähne hervor, bevor er mit einem Seufzen Katsuya an ihren ineinander verflochtenen Händen weiter zog und dabei leise vor sich hin grummelte, „Ich werde weich...“
 

Alles in allem stellte sich die Spezialität als unfindbar heraus. Die Funazushi-Tempura bekamen sie, befanden sie aber beide für zu sauer nach ein paar Bissen, sodass sie den Geschmack mit Daifukus neutralisierten, bevor Katsuya drei Sate-Spieße verschlang und Seto ihn fragte, ob ihm von den Mischungen nicht schlecht wurde. Er sah zu, wie die Hühnchenstücke in Erdnusssauce gebadet wurden und nach und nach im Magen seines Freundes verschwanden, bevor er auf dessen Verlangen dunkelgrüne Zuckerwatte kaufte und gefragt wurde, ob er auch welche wolle.

„Ich glaube, ich stellte letztens bereits ob der Stimmungsschwankungen die Frage, ob du schwanger seist.“, Setos Augenbrauen wiesen tiefe Falten zwischen ihnen auf, „Bist du sicher, dass du mir nicht irgendetwas verschweigst?“, da Katsuyas Mund mit einem frittierten Tintenfischring gefüllt war, erhielt er keine Antwort, „Du hast heute nicht einmal etwas getan, was diesen Kalorienverbrauch rechtfertigen würde.“, dieser legte nur den Kopf schief und blinzelte, „Ja, ich dich auch...“, Seto beugte sich vor und flüsterte, „Erwarte ja nicht, dass ich dich heute noch küssen werde.“

Ein Lächeln legte sich auf Katsuyas Lippen. Das würden sie noch sehen... er lenkte allerdings lieber vom Thema ab: „Lass uns Riesenrad fahren!“

Seto schloss die Lider, zog die Augenbrauen zusammen und öffnete die Augen, bevor er fragte: „Warum?“

„Weil es kitschig ist! In jedem Film, wo ein Paar auf den Jahrmarkt geht, sitzen sie irgendwann im Riesenrad und gestehen einander ihre Liebe oder machen einen Heiratsantrag.“

„Ein Glück, dass wir beides hinter uns haben...“, murmelte Seto nur, doch seufzte und ging mit ihm zu der Attraktion hinüber, „Ein Mal. Und keine Liebesschnulzeninszenierung.“

„Okay.“, Katsuya grinste von einem Ohr zum anderen, „Meinst du, man kann unser Hotel sehen, wenn wir oben sind?“

„Vielleicht.“, entgegnete sein Freund, während sie sich zusammen in die Schlange stellten, „Ich bin ehrlich gesagt nicht ganz sicher. Wir sind auf Höhe des Dorfes, das heißt, das Hotel müsste sich höher befinden... und ich glaube, es ist ein wenig den Berg entlang. Man dürfte es nicht sehen können.“

„Schade. Wir hätten die Mädels im Onsen bespannen können.“, Katsuya stach dem Größeren in die Seite.

„Kein Interesse.“, Seto sah stur voraus und damit über die Mädchen hinweg, die vor ihnen in der Schlange standen und sich ein wenig zu ihnen umdrehten, „Sollte ich das Bedürfnis haben eine nackte Frau zu sehen, bitte ich Yami sich mehr Kleidung anzuziehen.“

„Hey!“, meckerte der Blonde.

„Was?“, ein abfälliger Blick von der Seite, „Dein bester Freund ist ein Transvestit. In Unterwäsche ist er täuschend echt.“

„Gar nicht! Er ist elegant gekleidet, nicht weiblich.“

„Er trägt rosa Strings mit Spitze.“, argumentierte Seto, „Du wirst keinen normalen Mann dazu kriegen das anzuziehen.“

„Anormal zu sein heißt nicht ein Transvestit zu sein.“, giftete Katsuya und verschränkte die Arme, „Obwohl, wenn du so darauf bestehst... wo sind deine Cocktailkleider?“

Das Feuerwerk

Ich muss endlich mit meinem Rosso-Cosplay anfangen, aber mir fehlt die Motivation v.v Ich habe nur noch zwei Wochen, aber irgendwie... *seufz*

Nun ja, zumindest ist mein Körper in den Ferien angelangt. Ich bin sehr entspannt, Kreativität sprudelt über, aber zum Schreiben komme ich trotzdem irgendwie nicht. Wenn man das hier so liest, kann man echt glauben, ich komme zu gar nichts x.x Nun ja, irgendwie ist das auch so... aber mein Psycho-Buch habe ich fast durch ^.^ Wenigstens mein Lernpensum für die Ferien wird eingehalten.

Ich wünsche viel Spaß beim Lesen!
 

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Katsuyas Kopf sank langsam auf Setos Schulter, während er die Glasur einer kandierten Erdbeere ableckte. Ein Arm hatte sich bereits vor ein oder zwei Minuten um seine Hüfte geschlungen. Und das beste von allem war, dass es keinen Mensch störte. Alle schauten mit Faszination zum Himmeln hinauf und beobachteten das bunte Farbspiel. Rot, Grün und Gold wechselten einander ab, während Katsuya zufrieden seufzte und sich vom Herzschlag seines Freundes einlullen ließ.

Er erkannte den Schub Dissoziationen, die das mit sich brachte, noch im selben Moment, doch er ließ ihn zu. Es war im Endeffekt nicht anderes als Schläfrigkeit und Erfüllung, die von ihm Besitz ergriff und seine Konzentration verkleinerte sich auf die Wärme, die Setos Körper ausstrahlte. Als die eisigen Klauen diese auch kappen wollten, warf er seinem Kopf in Gedanken ein entschiedenes Nein entgegen und drückte sich noch näher an den Mann neben sich.

„Ist dir kalt?“, fragte Seto besorgt.

„Nur innerlich.“, erklärte der Blonde leise, „Ich streite mit den Eisklauen.“

„Ah...“, der Größere nickte langsam, „Hältst du gut Stand?“

„Ich denke.“, ein Lächeln hob die Kurven Katsuyas Lippen, „Sie wollten mir deine Wärme nehmen, aber das lasse ich nicht zu.“

„Ist dir klar, wie furchtbar kitschig das klingt?“, die Brust, an der seine Wange lag, bebte unter einem Glucksen, „Andererseits, wir stehen hier eng umschlungen und beobachten ein Feuerwerk. Es ist vielleicht die falsche Zeit, um sich über Kitsch zu beschweren.“

„Ich wünschte, unsere Freunde wären hier.“, er trocknete die Finger, die er vorher abgeleckt hatte, mit einem Taschentuch, um die Reste der kandierten Früchte zu entfernen, „Bei einem Feuerwerk picknicken und Süßes essen... das stelle ich mir schön vor. Obwohl Isamu wahrscheinlich von den Knallern erschreckt werden würde.“

„Höchstwahrscheinlich.“, Seto griff nach seinem Kinn und hob so sein Gesicht, um ihm in die Augen zu sehen, „Bist du sicher, dass du die ganze Bagage hier haben willst?“

„Hm.“, das Lächeln wurde zu einem amüsierten Grinsen, „Nein, ich kann das auch gut mit dir allein genießen. Ich muss trotzdem an Shizuka denken.“, er legte seinen Kopf wieder an die Brust, „Sie und Isamu sitzen im Krankenhaus und langweilen sich bestimmt schrecklich.“

„Ich hoffe, sie genießen die Zeit zu zweit, bevor die Realität sie einholt.“, Seto seufzte leise, „Auch wenn wir Unterkunft, Verpflegung und Fürsorge organisiert kriegen, ist sie immer noch eine allein erziehende Mutter, die gleichzeitig ihr Schulleben regeln muss. Du weißt selbst, wie viele Stunden das in Anspruch nimmt. Und sicher will sie auch mal ein wenig Zeit für sich allein. Ein Kind in solch ein Leben einzuplanen, ist nicht leicht.“

„Aber sie hat Hilfe. Dort, wo sie unterkommt, gibt es jemanden, der sich um sie und ihr Kind sorgt, oder? Jemand, der auch mal einen Abend auf Isamu aufpasst, nicht? Und wir beide können ihn sicher mal ein oder zwei Abende bei uns unterbringen, oder?“

Der Ältere zog scharf die Luft ein und schwieg. Einen Moment wartete Katsuya, bevor er sich von ihm löste und zu ihm hinauf sah.

„Unterbringen, ja.“, murmelte Seto, den Blick starr gen Himmel gerichtet, „Sicher, nein.“, er hob eine Hand, als sein Freund zu einem Gegenargument ansetzte, „Ich weiß, was du sagen willst. Ich kann mit Kindern umgehen. Ich habe über deine Worte sehr gut nachgedacht und ja, ich glaube... ja, ich glaube, ein Säugling überfordert mich nicht.“
 

Katsuya blinzelte überrascht und fragte nach einem Moment: „Warum ist er dann nicht sicher?“

„Weil weder du noch ich stabil sind. Wir rutschen von einer Laune in die andere. Ich empfinde es als Wunder, dass wir uns so wenig streiten, aber es macht mir umso mehr Angst davor, wenn wir es mal tun.“, zwischen ihnen verging ein Moment des Schweigens, „Ich denke, der heutige Tag hat uns beiden bewiesen, dass es dir nicht gut geht. Das mag temporär sein, aber es wird Monate dauern, bis du mit dir selbst wirklich klar kommst. Das ist auch völlig okay, du hast alle Zeit der Welt. Allerdings...“

Ein Eisfaust krallte sich um Katsuyas Herz und drückte mit voller Kraft zu. Seine Augen verloren den Fokus und sein Atem stand einen Moment still, bevor er sich zwang sich zu konzentrieren. Er blinzelte, um wieder zu fokussieren.

„Du hast... aggressive Anfälle.“, Seto wandte sich ihm zu, wobei die Arme, die vorher um seine Taille gelegen hatten, abrutschten, als hätten sie jede Spannung verloren, „Du hast die Krankenstation der Schule verwüstet, du hast jemanden sehr schwer terrorisiert, jemanden angegriffen... das ist eine enorme Besserung zum Zustand vorher, wo du aktiv Gewalt gesucht und dich selbst verstümmelt hast, aber es sind dennoch Aggressionen. Du hast sehr schwere dissoziative Zustände und auch das ist gefährlich. Wenn du handlungsunfähig wirst, weil Isamu schreit und du verzweifelst, weil du nicht weißt, warum – und ja, das passiert am Anfang sehr oft – oder wenn du ihn fallen lässt, weil du ganz plötzlich von Gefühlen überwältigt wirst...“, Seto griff seine Hände und strich vorsichtig mit dem Daumen über sie, „Ein Ausrutscher kann für so ein kleines Wesen den Tod bedeuten.“, er hob jede Hand einzeln und setze je einen Kuss auf deren Rücken, „Und mit mir ist es dasselbe. Ich bin durch die Tabletten mittlerweile ruhiger und gefasster, das merke ich auch, aber damit geht es mir immer noch nicht gut.“

Schmerz und Wut durchfuhr Katsuya gleichermaßen, pulsierte ihn ihm und die Eisklauen säuselten leise, dass sie all diesen Schmerz von ihm nehmen könnten, wenn er nur nachgab, wenn er sie nur ließ, wenn er ihnen Freiheit schenkte. Er schüttelte stumm den Kopf und spürte den Hintergrund seiner Augen brennen.

Seto würde nicht- Seto- er- er selbst war nicht- sein Kopf senkte sich und seine Augen suchten einem Punkt im Nichts hinter dem dunklen Gras. Nein! Nein, nein, nein! Er wollte darüber reden, er wollte nicht, dass seine Gefühle verschluckt wurden, er wollte- er wollte...

Zwei warme Hände legten sich auf seine Wangen und hoben seinen Kopf. Seto wartete, bis die braunen Augen ihn wieder fixierten.

„Ich halte es für keine gute Idee, dass man Isamu mit einem von uns oder uns beiden allein lässt. Egal, für wie lange.“

Zwei Tränen schwappten über Katsuyas untere Lider.
 

Er rannte.

Idiot. So ein verdammter Idiot. Wieso tat er das? Er verstand es nicht. Verstand nichts. Gar nichts. Was machte er hier? Er rannte. Warum? Er wusste es nicht. Er rannte. Sein Atem rasselte.

Er knickte um, da er nur Getas trug. Flog vornüber, schlitterte über den Rasen. Am Rande seiner Warnehmung registrierte er, wie manche Leute um ihn zischten. Eine Dame rief besorgt nach ihm. Doch er sprang auf, obwohl seine Haut brannte. Mit einem Aufschrei zog er die Getas von seinen Füßen und warf sie weg.

Vielleicht traf er jemanden damit.

Vielleicht nicht.

Ein Kind weinte.

Er zog den oberen Teil des Kimonos etwas zur Seite, um genug Beinfreiheit zu haben. Er fuhr mit den Händen in seine Haarpracht, schrie ein zweites Mal auf. Die Menge hatte mit einigem Abstand einen losen Kreis um ihn gebildet.

„Katsuya!“, Seto... Setos besorgte Stimme...

Zwei weitere Tränen entsprangen seinen Augen, bevor er weiter lief. Die Leute machten ihm sofort Platz, nur eine Person, die etwas kleiner war als er, drückte er mit einer Hand zur Seite. Das Gras unter seinen Füßen wurde zwei Meter lang zu Kies, der seine Fußsohlen aufriss. Über das nächste Grasstück humpelte er.

Menschen. Überall Menschen. Sie starrten ihn an. Augen, die ihm folgten. Blicke. Böse, misstrauische Blicke. Verachtung. Mitleid. Dasselbe wie damals. Damals mit zwölf, als er im Supermarkt das Geld zählte, ob es noch für eine Packung Kaugummi reichte. Als er in einer Hand den Fünfliterkanister Milch trug, in der anderen die Plastiktüte von Supermarkt, die über den Boden schlürfte, wenn er den Arm nicht weiter hob. Und es tat weh, so weh, das Plastik schnitt ins Fleisch und die Arme waren so schlapp, jede einzelne Wirbelsäule konnte er spüren, es zog so sehr, aber wenn er sich nicht beeilte, dann wäre Papa sauer und wenn Papa sauer war...

Er schreckte auf, Kopf und Augen suchten die Gegend ab wie ein wildes, verängstigtes Tier. Da war es wieder, das Geräusch, es war- ein Flattern, ein Rascheln der Blätter, der Vogel flog davon. Sein Atem war flach, doch er zwang sich langsam und ruhig ein- und aus zu atmen, sodass er sich langsam beruhigte.

Ein Wald. Wie war er in den Wald gekommen? Er strengte seine Ohren an. Ja, dort, zur Rechten, leise Stimmen. Dort musste das Fest sein. Dort musste Seto sein.

Seto.

Bei allen Göttern, er war weggerannt. Warum hatte er so einen Scheiß gemacht? Aber da war sie plötzlich, die Panik, hatte ihn völlig überfahren und weggerissen. Er hatte nur daran denken können, dass er weg wollte, bloß weg... und war gerannt.

Mit einem Zischen nahm er den Schmerz in seinen Füßen war. Oh scheiße... barfuß über Kies und in einen Nadelwald im Winter. War er eigentlich noch zu retten? Leise jaulend humpelte er zu einem Baum, lehnte sich gegen den Stamm und hob einen Fuß, um den Schaden zu betrachten. Das Schluchzen konnte er kaum eindämmen und Tränen ließen seine Sicht verschwimmen.

Argh... na ganz toll... damit würde er keinen Schritt mehr machen. Nicht aus diesem Wald. Über Gras könnte er sich vielleicht quälen, aber nicht über Nadelboden. Nie und nimmer. Er ließ sich zu Boden sinken, streckte die Beine aus und schloss einen Moment die Augen.

Ruhig. Konzentriert atmen. Nachdenken. Keine Panik. Er musste Seto informieren, wo er war. War natürlich sehr nützlich, dass der Typ kein Handy- das Handy! Erleichternd seufzend hob Katsuya die Tasche, deren Bänder Seto um sein Handgelenk geschlungen hatte, damit sie fest blieb. Dank allen Göttern für diesen Einfall. Der Blonde öffnete das kleine Säckchen, zog das Mobiltelefon heraus und sandte ein weiteres Dankgebet an die unbekannten Mächte der Religionen dafür, dass er Empfang hatte. Er atmete tief durch, überprüfte seinen Puls und die Atmung und wählte die Nummer des Notrufs.
 

„Sir?“, Katsuya schreckte aus seinen Dissoziationen, verkrampfte die Muskeln, bis er die Stimme der Schwester zuordnen konnte, die neben ihm stand und sich etwas zu ihm hinab bückte, „Ist ihnen kalt? Soll ich ihnen vielleicht eine Decke bringen?“

„Um...“, ja, war ihm... nur würde eine Decke nicht helfen, „Geht schon, danke...“

Sie setzte sich neben ihn, legte das Klemmbrett, das sie trug, auf ihren Schoß und lehnte sich vor, um ihm von unten in sein Gesicht zu schauen, da sein Kopf ziemlich auf Halbmast hing.

„Ich wurde geschickt, um sie darauf hinzuweisen, dass sie noch ihre Personalien ausfüllen und ihre Versicherungskarte vorlegen sollen, aber es sieht nicht so aus, als wäre das gerade das wichtigste Problem. Kann ich wirklich nichts für sie tun?“

Er atmete tief ein, wandte ihr sein verweintes, müdes und vom Fall dreckiges Gesicht zu, senkte es kurz, bevor er den Blick wieder hob und zum Sprechen ansetzte: „Ich... ich habe zur Zeit alle Sachen meines Vaters, auch sein Handy.“ – er hob die Tasche, die um sein Armgelenk baumelte – „Und seine Autoschlüssel. Er muss noch auf dem Fest sein. Wir hatten uns aus den Augen verloren, bevor ich hingeflogen bin und... jetzt hat er nichts und kann mich nicht finden und ich weiß nicht, wie ich ihn erreichen soll...“

„Oh je. Welch ein Schlamassel.“, die Dame blinzelte, „Sag mal, bist du schon einundzwanzig?“

Katsuya schüttelte ermattet den Kopf.

„Dann brauchen wir sowieso deinen Vater hier, der soll sich mit dem ganzen Wisch beschäftigen.“, sie warf das Klemmbrett auf den Stuhl neben sich, „Ich rufe einen Streifenwagen her, dann kannst du den Polizisten sagen, wie sie deinen Vater finden können und die bringen ihn her, okay?“

„Echt?“, er sah auf und streckte den Rücken durch, „So was machen die?“

„Ich weiß es nicht. Aber wir können es ja mal versuchen.“, sie lächelte und griff doch wieder nach dem Klemmbrett, um es Katsuya in die Hand zu drücken, „Füll einfach aus, was du weißt, dann nerven dich auch die anderen Schwestern in der Zwischenzeit nicht. Ich sage ihnen, dass du minderjährig bist und ich versuche deinen Vater zu erreichen.“

„Danke...“, murmelte er überrascht und sah hinter ihr her, während sie zurück zum Tresen der Notaufnahme ging. Er konzentrierte sich auf den Bogen und füllte alles aus, was er wusste – Geburtstdatum, Allergien, medizinische Vorgeschichte – während er den Rest einfach leer ließ – wie zum Beispiel seinen Nachnamen, seine Versicherung und seine Impfungen.

Nach ein paar Minuten kam die Schwester wieder, fragte nach einer genauen Beschreibung, wie die Beamten Seto finden könnten, bevor sie ihm einen Rollstuhl hinschob, damit er es ihnen selbst erzählen konnte, da sie sich weder die Farbe des Kimonos noch die Automarke des Wagens, an dem Seto wahrscheinlich stand, noch dessen Parkplatz mit allen anderen Details zusammen merken konnte. Nach der äußerst detaillierten Beschreibung stimmte die Person am anderen Ende der Leitung allerdings zu, dass sie ihn wahrscheinlich sehr schnell finden würden – genau genommen war ihnen eine solche Person schon als verdächtig aufgefallen, weil drei Streifenwagen ihn schon gemeldet hatten. Wahrscheinlich vermuteten sie, er sei Drogendealer, der versuchte, in der Masse unterzugehen. Zumindest würde Katsuya das vermuten, wenn Seto so herum stand, wie er es vermutete.

Die Schwester bat ihn um den Bogen, wunderte sich über den nicht ausgefüllten Nachnamen – der junge Mann erklärte kurz, dass sein Vater ihn adoptiert habe und die Formalitäten um den Namen noch nicht geklärt waren – und wies ihm, da er jetzt im Rollstuhl saß, einen Platz in der Nähe der Theke zu, bevor sie ihn wieder seinen Dissoziationen überließ.

Notaufnahme

...heißt das Kapitel, obwohl nur zwei Szenen wirklich dort spielen. Ich hatte überlegt mehr dort zu machen, aber andererseits ist das eher witzlos. Ich vermute, euch interessiert weder der Papierkram noch die Arztanamnese noch die genaue Behandlung oder weitere Schwestern, die Seto für Jesus halten. Katsuya verbringt eh die meiste Zeit in Dissoziationen und kriegt wenig mit.

So, meine letzte Woche Ferien hier in Heidelberg ^.^ Danach geht es nach Düsseldorf, von wo aus ich zwei Wochen lang Kapitel sende. Die Woche danach bin ich in Ütrecht, da habe ich kein Internet und werde demnach auch kein Kapitel senden können. Ich habe entschieden es in der Woche ausfallen zu lassen - ich wollte nur schon mal vorwarnen.

Und jetzt viel Spaß beim Lesen ^.^
 

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„Katsuya?“

Der Blonde schreckte auf und wandte seinen Blick zur Tür. Dort neben dem in Plastik eingelassenen Glas stand Seto, der Atem ein wenig schwer gehend, und sah sich um, bis er Katsuya ausmachte, bevor seine Schultern absackten und ein Lächeln sich auf seine Lippen legte. Nach einem tiefen Durchatmen kam er ruhig herüber.

„Kleiner, was machst du denn?“, leicht den Kopf schüttelnd kniete er sich neben den Rollstuhl, wobei er seinen Kimono zurecht strich, „Wie geht es dir? Wurdest du schon behandelt?“

Stumm schüttelte der Sitzende den Kopf, doch ließ diesen dabei gesenkt. Was sein Gesicht nicht gerade vor Seto versteckte, gemessen daran, dass dieser hockte.

„Hast du Schmerzen?“, er murmelte eine Antwort, die nicht wirklich eine Bestätigung war, „Was tut dir weh?“, er hob einen Fuß etwas, sodass Seto diesen einen Moment lang besah, „Wie lange bist du schon hier?“

„Stunde...“, gab Katsuya leise zurück.

„Du hast die ganze Zeit hier gewartet?“, sein Freund strich über sein Haar, „Bitte entschuldige. Diese Situation ist ganz allein meine Schuld. Dass ich dir alle Sachen gegeben habe, dass ich dich aufgeregt habe und dass ich dich überhaupt hergebracht habe. Ich habe dich überfordert, das war nicht in Ordnung.“, erklärte er sanft und erhob sich, „Ich spreche kurz mit den Schwestern, ja? Ich bin sofort wieder da.“

Die braunen Augen sahen ihm hinterher, Katsuyas Hand hob sich, als wolle er nach Seto greifen und seine Lippen bewegten sich, ohne dass sie einen Ton hervor brachten. Seto... Seto... Seto... er wollte ihn rufen, doch er konnte nicht. Ein abwesender Ausdruck legte sich über seine Augen und er zog sich zurück in seine im Sitzen ineinander gefallene Pose.

Es war nicht Setos Schuld.

Er hatte auf sich selbst aufzupassen.

Er war für sich selbst verantwortlich.

Oder... nicht?

„Kaiba?“, die dazu gehörende Stimme war eine hoch, mädchenhaft und voller Verehrung, „Sie sind ein- halt! Sind sie Seto Kaiba?“

Als er aufsah, bekam er gerade noch mit, wie sein Freund blinzelnd einen Fuß zurück setzte, aber keinen Schritt nach hinten ging. Die Muskeln in dessen Gesicht spannten sich zu der harten, gestressten Miene, die Seto zu Beginn des Schuljahres täglich gezeigt hatte. Katsuya war gar nicht aufgefallen, wie entspannter und glücklicher der Mann in letzter Zeit ausgesehen hatte, aber der rapide Wechsel machte es unmissverständlich klar, dass eine Menge dieser Veränderung in diesem Moment dahin schwand.

„Meine Güte, so eine Berühmtheit in unserem Städtchen in unserem Krankenhaus! Ich kann es nicht fassen, dass ich sie in Person treffe!“, eine zweite Schwester trat heran, wechselte ein paar Worte mit dem aufgebrachten Etwas in weiß, bevor sich beide begeistert – aber leiser – zu Seto drehten und auf ihn einredeten.

Dieser wandte sich stur ohne ein Wort zu sagen wieder dem Formular zu, was er wohl auch schon vorher ausgefüllt hatte, bis er es schließlich mit wenigen, für Katsuya nicht hörbaren, gezischten Worten zu den beiden Frauen über die Theke schob.
 

„So, das hätten wir.“, der Arzt sah lächelnd auf, lehnte sich zurück und verglich die beiden Verbände, die er gemacht hatte, „Die sollten jeden Tag durch neue sterile Verbände ersetzt werden. Bei jedem Wechsel muss auch neue Salbe drauf, das ist dieses Rezept.“, während er sprach, füllte er bereits einen Schein aus, „Meinen sie, sie kriegen das hin?“, er sah zu Seto.

„Zweifellos.“, gab dieser nur zurück.

„Ich habe es ja erklärt. Sollte ein Problem auftauchen, fragen sie ihren zuständigen Hausarzt. Wichtig ist, dass die Fußsohle bedeckt ist und die Blutversorgung nicht gestaut.“, er reichte einen zweiten Zettel weiter, „Der hier ist für die Krücken. Die kriegen sie hier im Krankenhaus. Sagen sie einfach den Damen an der Aufnahme Bescheid, die leiten sie weiter.“

Der Mann stand auf und lehnte sich gegen die Anrichte, auf der einige Plastikbehälter mit verschiedenen medizinischen Utensilien standen. Mit verschränkten Armen stieß er einen Seufzer aus und sah zum auf der Liege sitzenden Katsuya hinab.

„Da hast du ganz schön was angestellt, Junge. Auftreten und Gehen wird in nächster Zeit die Hölle. Es reicht nicht, dass ich dir einen Rollstuhl verschreiben darf, aber du solltest dich in den nächsten Tagen besser kriechend fortbewegen. Sobald wie möglich solltest du allerdings versuchen wieder zu laufen. Gewebe, das unter dem Druck steht zu heilen, heilt auch schneller. Aber übertreibe es nicht. Alles hat seinen Rahmen. Gehst du eigentlich noch zur Schule?“

Der Blonde blinzelte einmal, sah zum Arzt auf, als würde er einen Geist betrachten und nickte mit einer Verzögerung von einigen Sekunden.

„Ah... gut.“, er schüttelte sich kaum merklich, „Ich schreibe dir eine Entschuldigung für den Schulsport. Erst einmal für einen Monat. Danach solltest du deinen Hausarzt konsultieren, dass er sich die Verletzung noch einmal ansieht.“, er schrieb einen weiteren Zettel, den er Seto gab, bevor er Katsuya einige Sekunden schweigend betrachtete, „Sag mal, was hat dir außer dem Unfall so die Füße zerschunden?“

Der junge Mann wandte weder den Blick ab noch gab er irgendeine Antwort, sodass sein Freund ein paar Momente später sprach: „Erfrierungen. Er hat einige Zeit auf der Straße gelebt, bevor er zu mir kam.“

„Oh?“, der Arzt sah auf, die Lider zum ersten Mal völlig gehoben, als würde er nicht nur durch den Kaffee wach bleiben, „Er ist gar nicht ihr Sohn?“

„Ich habe ihn adoptiert, nachdem ich mir das einige Zeit angesehen habe. Ich bin Lehrer an seiner Schule.“, Seto seufzte leicht, „Das ist erst ein paar Wochen her. Der Junge hat sich noch nicht erholt, sollten sie sich über seinen psychisch abwesenden Zustand wundern.“

„Ah, ach so.“, der Mann nickte, „Ich hatte ihn jetzt vom Auftreten her als autistisch eingestuft. Es gibt einem ja doch zu denken.“

„Danke, dass sie sich Sorgen gemacht haben.“, Setos Mundwinkel zuckten zu etwas, was man als müdes Lächeln bezeichnen könnte.

„Es ist mein Beruf beide Augen offen zu haben. Genau so wie ihrer.“, der Arzt klopfte auf die Schulter des anderen, „Ich weiß, es ist nicht leicht, aber ich wünsche ihnen alles Gute.“

„Danke.“, beide sahen sie zu Katsuya, „Ich wünschte, ihm hätte das alles erst gar nicht passieren müssen.“, er atmete tief durch, „Nun gut. Schauen wir mal, dass ich dich mit diesem Schuhwerk in ein Taxi getragen kriege.“, er legte einen Arm unter Katsuyas Knie, den anderen auf seinen Rücken, „Langsam wirst du schwerer. Ich spür’s im Rücken. Halt mal deine Rezepte, bitte.“

Das rang selbst Katsuya ein kleines Lächeln ab.
 

„Tut mir Leid...“, murmelte der Jüngere leise.

„Oh?“, Seto wandte den Blick von der Straße ab und sah kurz zu ihm, „Du bist noch wach? Schlaf ruhig. Ich muss dich sowieso aufs Zimmer tragen.“

„Es tut mir Leid.“, wiederholte Katsuya mit etwas mehr Vehemenz, „Das wollte ich dir die ganze Zeit schon sagen, aber...“

„Aber die Dissoziationen haben dich nicht gelassen. Kein Problem, das habe ich mitbekommen. Für den ersten Tag nach Einsetzen der zweiten Phase des Burn-Outs hast du dich sehr gut gemacht.“, Seto sprach zur Scheibe, doch sein Ton klang ehrlich, „Du hast dich sehr gut gegen deine Dissoziationen behauptet. Ich weiß, dass das anstrengend ist, also schlaf ruhig. Außerdem haben wir schon halb zwei. Höchste Zeit die Äuglein zu schließen.“, sein Mundwinkel hob sich, während die Lider ein Stück absanken. Es war lahm, aber es war ein freundlich gemeintes Necken. Seto war wahrscheinlich auch unglaublich müde.

„Bau keinen Unfall...“, murmelte Katsuya nur, bevor er tat wie ihm geheißen.

Das nächste Mal, als er die Lider hob, spürte er, wie er auf einem Futon abgelegt und auf die Stirn geküsst wurde. Lächelnd und mit einer warmen Flamme in der Brust schlief er wieder ein.

Natürlich ließen die Alpträume ihn nicht in Ruhe.

Seine Freunde fuhren auf einer hölzernen Galeasse auf einem Fluss zwischen Bergen entlang. Eine sanfte Böe trieb sie vorwärts und sie bestaunten das Panorama, das die Landschaft ihnen bot. Er und zwei andere, die aus einem ihm nicht bekannten Grund nicht mehr im Wasser waren, waren zum Schwimmen von Bord gesprungen. Eine idyllische Szene – bis das Schiff sich entfernte und er nicht mehr hinterher kam.

Und keiner hörte ihn schreien.

Keiner drehte sich nach ihm um.

Keine Rettungsleine wurde ausgeworfen, um ihn wieder an Bord zu ziehen.

Aber zumindest erwachte er ruhig. Zwar fühlte er sich nicht gut, doch er musste zugeben, dass zumindest die Szenerie äußerst schön gewesen war. Außerdem war er in seinem Traum ein außerordentlich guter Schwimmer gewesen... vielleicht sollten Seto und er bisweilen mal schwimmen gehen. Dafür hatte man doch Urlaub, oder?

„Guten Mor-“

„Können wir schwimmen gehen?“

Seto entglitten einen Moment lang die Gesichtszüge. Seine Brauen hoben sich und er schloss den noch offen stehenden Mund, bevor er mit einer tieferen Stimme erwiderte: „Morgen. Danke für die Begrüßung, ja, es ist ein wunderschöner Tag. Wie zur Hölle kommst du darauf?“ – eine Sekunde des Schweigens – „Meinetwegen können wir sicher schwimmen gehen. Wir müssen uns nur Badehosen kaufen und ein Schwimmbad finden. Und deine Füße wasserdicht einpacken.“

„Ach shit. Die hatte ich vergessen.“, Katsuyas Mundwinkel sackten drastisch ab, „Meinst du, das kriegen wir hin?“

„Nun... schon...“, in das Gesicht ihm Gegenüber war noch immer Erstaunen geschrieben, „Wenn es dir dadurch besser geht, lege ich dir die Welt zu Füßen, wenn du willst. Schwimmen gehen ist beträchtlich leichter... ich bin nur überrascht, dass du keine Dissoziationen hast.“

„Och, die kommen sicher noch.“, der Blonde zuckte mit den Schultern, „Aber geht es nicht darum, dass ich lerne, mit mir selbst zu leben? Drohende Dissos sollten mich nicht davon abhalten Spaß zu haben, richtig?“
 

Seto war echt zum Anbeißen. Erst recht in Badehose. Muskulös, aber nicht erschlagend sondern richtig natürlich. Breite Schultern, flacher Bauch, knackiger Hintern. Er zog so einige Blicke auf sich. Vielleicht war das auch, weil sein Rücken voller langer Narben war, ebenso wie seine Unterarme. Vielleicht war es auch, weil er einen dünnen, sehnigen Jugendlichen mit bandagierten Füßen in Plastikisolierungen durch die Gegend trug, der massig unnatürliche braune Flecken hatte.

Der Moment war der erste, wo sich Katsuya ernsthaft die Frage stellte, wie sie wohl auf andere wirkten. Aber er verwarf den Gedanken als unwichtig. Sie waren mitten im Nirgendwo, also was sollte es ihn interessieren, was andere dachten? So lange sie nicht die Polizei riefen oder Storys über sie an Zeitungen verkauften, brauchte ihn das ehrlich nicht zu kümmern.

Auf der anderen Seite hatten die beiden Krankenschwestern Seto gestern erkannt. Mitten in diesem von ihm so bezeichneten Nirgendwo. Anscheinend war sein Freund wirklich mal bekannt gewesen. Waren berühmte Jugendschwärme nicht normalerweise Sänger oder Schauspieler? Was hatte ein Wirtschaftsboss da zu suchen? Andererseits, er war ja anscheinend auch als Kartenspieler berühmt gewesen. Vizeweltmeister, oder? Irgendwie passte das so gar nicht in das Bild, was er von Seto aus jener Zeit hatte – genau so wenig wie die Tatsache, dass er eine Spielzeugfirma betrieben hatte. Irgendwie hatte er wohl doch ein paar kindliche Züge ausgelebt.

„In welches Becken soll ich dich bringen?“, unterbrach sein Freund seine Gedanken.

„Etwas nicht so Tiefes.“, er sah sich um, „Ehrlich gesagt kann ich nämlich nicht schwimmen.“

„Wegen der Füße?“, er setzte seine Begutachtung fort und vermied es auch nur in die Richtung der blauen Augen zu sehen, „Entschuldige. Das war dumm. Natürlich... wer hätte dir das auch beibringen sollen?“, Seto setzte einen Kuss auf seinen Kopf, „Möchtest du es lernen?“

„Danke...“, flüsterte der Blonde leise und sah auf, „Ich weiß, in meinem Alter sollte man das eigentlich können...“

„Nein, nein, schon okay.“, der Andere lächelte und trug ihn in ein größeres Becken, in dem der Boden der Länge nach abfiel, „Mokuba habe ich das Schwimmen beigebracht, da war er vierzehn. Manchmal sind einfach die Zeit und Kräfte nicht da. Dafür muss man sich nicht schämen.“, auf der Leiter trat Seto langsam ins Wasser, bis es ihm bis zu den Hüften ging, bevor er Katsuya so los ließ, dass er knien konnte, „Hattest du jemals Schwimmen im Sportunterricht?“

„Mittelschule... aber da habe ich eh geschwänzt.“, dieser legte die Arme um sich, „Das Wasser ist ziemlich kalt.“

„Man muss sich auch bewegen.“, der Ältere grinste, „Hast du mal einen Hund schwimmen gesehen?“, ein unsicheres Nicken, „Das nennt man Hundepaddeln. Eine gute Idee, um dich aufzuwärmen. Auf, Hündchen, wir müssen zu dieser Beckenwand dort.“

Ausklingen

Tag der vielen FFs: Ein Kapitel DS, Nebensequenzen, Soldier und Eisengel (!!!) sowie zwei neue FFs (!!!). Ein Märchen namens "Von Prinzen und Sternen" aus dem Fandom Final Fantasy und ein krankes Stück namens "Masochism Tango" mit Bakura und Marik. Schaut doch rein ^.^

Und nochmal zur Erklärung: Nächste Woche Kapitel, danach einmal keins, danach wieder normal.
 

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„Theoretisch muss ich morgen arbeiten.“, fiel Katsuya auf.

„Theoretisch.“, erwiderte Seto nur ohne von seinem Buch aufzusehen – es war das dritte oder vierte, was er in diesem Urlaub las, „Theoretisch kannst du auch kündigen. Praktisch musst du sogar kündigen. Mit der Adoption verfällt meine Bescheinigung, dass du neben der Schule arbeiten darfst.“

„Oh.“, der Blonde tippte abwesend mit dem Bleistift auf das Kreuzworträtselheft, das offen vor ihm lag, „Aber ich möchte arbeiten gehen.“

„Dann empfehle ich, dass du samstags Praktikum machst. Vertraglos. Und entgeldlos.“, diesmal sah der Andere auf, „Du kannst noch dein ganzes Leben arbeiten gehen. Gerade deine Jugend ist dafür da Spaß zu haben. An Wochenenden verabredet man sich mit Freunden oder macht Ausflüge zu Freizeitparks.“

„Aber...“, Katsuya seufzte. Wie sollte er Seto erklären, dass das einfach ein schlechtes Gefühl hinterließ? Er wollte nicht einfach so von seinem Geld leben. Er wollte...

„Kats?“, er sah auf, „Was hältst du davon, wenn ich dir Taschengeld gebe? Und wenn du in ein paar Jahren mal arbeiten gehst, zahlst du mir das zurück. Das ist wie leihen.“

Er studierte die blauen Augen einen Moment lang. Huh... Geld leihen... jede Woche etwas... aber er würde es zurückzahlen... wenn er mal arbeiten ging... er legte den Kopf schief und spitzte die Lippen. Eigentlich... ja, warum nicht?

„Aber nur, wenn ich dir das wirklich zurück zahlen darf. Wir legen einen festen Betrag für jede Woche fest. Und wir setzen einen Vertrag darüber auf. Du kriegst das Geld wieder.“, ein plötzliches Grinsen schlug sich auf seine Züge, „Mit Zinsen!“

„Gut...“, einer von Setos Mundwinkeln hob sich, „Ich sehe mir mal die Angebote der Banken durch, wenn wir wieder zu Hause sind, damit ich dir einen realistischen Vertrag anbieten kann.“

„Yeah!“, Katsuya streckte eine Faust in die Luft, „Wie ein Erwachsener!“, er sah träumerisch nach draußen, „Erwachsene kümmern sich um Verträge. Und Rechnungen. Und Versicherungen! Seto, wie bin ich versichert?“

„Das wüsste ich auch mal gern.“, dieser hob eine Augenbraue, wandte sich aber wieder seinem Buch zu, „Das war auch etwas, was ich regeln wollte, wenn wir wieder zu Hause sind. Ich wollte Herrn Sarowski sowieso wegen Sonntag anrufen, da kann ich ihn auch direkt danach fragen. Und mich nächste Woche um deine Versicherungen kümmern.“, er warf einen Blick auf seine Armbanduhr, „Genau genommen sollte ich ihn wohl besser heute noch anrufen. Sag mal, möchtest du heute oder morgen zurück nach Hause?“

„Morgen!“, hier ging es ihm viel zu gut. Gestern schwimmen, heute faul herum liegen, nachher Seto überreden ihn ins Onsen zu tragen... und vielleicht zu ein paar anderen Dingen. Er hatte gestern und heute zusammen genommen nur drei dissoziative Zustände gehabt. Definitiv ging es ihm hier exzellent.

„Dann verlängere ich um eine Nacht.“, Seto legte das Buch mit einem Lesezeichen neben sich und erhob sich, „Ich bin gleich wieder da.“

„Kuss?“, Katsuya zeigte auf seine Lippen.

„Ich bin wirklich nicht lange weg...“, grummelte der Ältere, doch beugte sich zu ihm hinab und setzte einen sanften Kuss auf die willigen Lippen.
 

„Müssen wir wirklich schon fahren?“, Katsuya hing am Fenster, beide Hände auf die Scheibe gedrückt und sah zum Onsen, das langsam aus seinem Sichtfeld verschwand.

„Wenn du nicht deine Schwester versetzen willst, müssen wir wohl, ja.“, Seto konzentrierte sich natürlich völlig auf die Straße und warf dem Gebäude nicht einen einzigen Blick zu, „Wo wir beim Thema sind. Ich hatte überlegt vielleicht auch Bakura und Ryou einzuladen. Was denkst du darüber?“

„Meinst du, dass Bakura sich benehmen kann?“

„Nicht besser als normalerweise.“, gab der Fahrer relativ monoton zurück, „Aber er wird kaum wie ein Irrer Isamu angreifen.“, ein abfälliges Lächeln legte sich auf seine Lippen, „Aus eigener Erfahrung würde ich sogar behaupten, dass es schwer wird unter Irren jemanden zu finden, der auf ein Baby losgeht. Wenn nicht ein Kind der Grund für den Irrsinn ist, sind die Kleinen normalerweise sehr sicher.“

„Uhm… und das gilt für uns beide nicht, weil…?“, fragte Katsuya nach.

„Ein schreiendes Baby, was man nicht beruhigt kriegt, ein sehr potenter Auslöser ist.“, vervollständigte Seto den Satz ohne jedes Zögern in der Stimme, „Ich bin in der Psychiatrie einer Frau begegnet, die hatte drei Kinder und war im betreuten Wohnen, weil sie sich psychisch um nicht viel außer die Kinder kümmern konnte. Allerdings waren ihr wohl auch drei Kinder zu viel. Mit dem ersten gab es nie Probleme, aber seit die Zwillinge da waren, hat man sie wohl als zunehmend gestresst erlebt. Das eine Kind, was nicht aufhörte zu schreien, hat sie so lange geschüttelt, bis es infolge einer exzessiven Hirnblutung aufhörte zu schreien. Das zweite hat man ihr dementsprechend abgenommen, als sie am nächsten Tag ins Krankenhaus kam, weil das geschüttelte Kind keine Reaktionen mehr zeigte. Das erste durfte sie übrigens behalten.“

Schlucken, Einatmen, Ausatmen. Setos Storys aus der Psychiatrie hatten es in sich. Alles wie immer also. Er hatte kein Baby ermordet. Kein Blut an seinen Händen. Keines außer Mokubas. Bei allen Göttern, wie hatte er Menschen angreifen können? Natürlich war der erwachsen gewesen, aber… hatte er denn nie auch mal über andere nachgedacht? Was er da eigentlich anrichtete?

„Was ist aus dem Kind geworden?“, fragte er leise nach.

„Welches der drei?“, Stille, „Das geschüttelte Kind hat eine schwere Behinderung für den Rest des Lebens. Bewusstseins- und Motorikstörung, verlangsamtes Denken, halt eine komplette Behinderung. Die beiden Zwillinge sind somit in Pflegefamilien gekommen. Als ich die Frau traf, war ihre Tochter sechs und für die Zeit, die die Mutter in der Psychiatrie verbrachte, bei der Großmutter.“

„Großartig…“, flüsterte Katsuya und vergrub sein Gesicht in seinen Händen.
 

„Seto?“, murmelte er verschlafen und versuchte mit Blinzeln seine Lider nach oben zu bringen und dort zu halten, „Was is’sen?“

„Nichts, Kleiner.“, dieser setzte einen Kuss auf seine Stirn, „Schlaf weiter.“

Okay, Situationsanalyse: Es war kalt, an seiner Seite jedoch warm, er fühlte sich schwer, lag und saß gleichzeitig und es zog ein wenig unter seinen Knien – er wurde getragen. Seine braunen Augen suchten die Umgebung ab. Ah, zu Hause. Sie waren wieder zu Hause. Mit einem Lächeln legte er den Kopf an Setos warme Schulter und schloss die Augen. Wegen seiner Füße musste er eh getragen werden. Also warum nicht einfach gehorchen?

Der kommende Alptraum handelte von Zügen. Und Schiffen. Und Bahnhöfen. Irgendwie allem. Er wollte seine Freunde besuchen, aber wegen der Bahnverspätung hatte er den Anschluss verpasst. Also suchte er einen anderen Zug heraus, der auch in die Richtung ging – nur verlief er sich auf dem Bahnhof, auf dem auf drei Stöcken Züge fuhren. Ergo, falscher Zug. Er stieg wieder aus, um in die Gegenrichtung zurück zum Hauptbahnhof zu fahren. Nur gab es keine Züge in die Gegenrichtung, sondern nur ein Ausflugsschiff, was ihn zurück bringen konnte – und nicht nur das, es lag auch noch am anderen Ufer. Also auf ins Kanu und rüber paddeln, um mit dem Schiff zurück zum Hauptbahnhof zu kommen, um dort den Zug zu seinen Freunden zu nehmen.

Der Traum ließ ihn mit einem Gefühl der absoluten Orientierungslosigkeit zurück. Er fühlte sich so verloren, dass er sich erst einmal für eine Viertelstunde an Seto krallte. Diesen störte das glücklicherweise wenig oder eher gesagt, er nutzte die Situation, um sich an Katsuyas Haut zu laben, nachdem er eine Erklärung hatte, was mit seinem Freund los war.

Seine Muskeln entspannten sich, während sanft ein Handrücken über seine Seite strich. Angeführt vom Daumen folgte eine Hand ihrem Weg über seine Haut, schaffte kleine Kuhlen und bahnte sich ihren Weg über die Hügellandschaft seiner Knochen. Fingerspitzen schwebten über seinem Bauch, sodass dieser sich an- und entspannte, gefangen zwischen Angst vor Schmerz und freudigem Erwarten einer wohltuenden Berührung. Katsuya drehte sich auf den Rücken und verfolgte den Weg der neckenden Hand. Sein eben beruhigter Atem beschleunigte und vertiefte sich, bis sein ganzer Körper unter Seto erzitterte.

Ihre Lippen verschlossen sich zu einem Kuss. Der Arm legte sich um seine Taille und zog ihn näher, fuhr über sein Hinterteil und zog seinen Oberschenkel über den halb entblößten Körper. Mit einem Arm um Setos Schulter zog Katsuya ihn über sich, indem er sich zur Seite rollte. Es war eine synchrone, fließende Bewegung, ebenso wie die folgenden, eingeübt wie ein Tanz, der in Blut und Knochen übergegangen war. Ein Tanz, der ihn mit zärtlichen Armen wieder in den Schlaf wiegte.
 

„Seto, jetzt beruhige dich doch…“, Katsuya grinste, obwohl sich ein Hauch von Verzweiflung in seiner Brust breit gemacht hatte. Einerseits war die Sache unglaublich lustig, andererseits hatte er jetzt einen schmollenden Freund.

Dieser warf ihm einen kalten Blick zu, trug seinen Becher mit Kaffee zum Tisch, griff seine Zeitung und schlug sie auf, sodass er Katsuya demonstrativ aus seinem Blickfeld ausschloss.

„Seto, das ist kindisch.“, der sitzende Blonde lehnte sich vor und stützte den schief gelegten Kopf auf einen Arm, „Ich war einfach nur verdammt müde und du warst so zärtlich…“

„Hmpf.“, der obere Teil der Zeitung knickte ab, sodass Seto ihm darüber hinweg einen weiteren bösen Blick zuwerfen konnte, „Ich sehe ja, was ich davon habe. Glaub’ ja nicht, dass ich in nächster Zeit wieder so sanft bin.“

„Aber ich liebe es, wenn du so sanft bist!“, Katsuya setzte seinen besten Hundeblick auf, „Das war es, was mir am Anfang so gefehlt hat, diese Einfühlsamkeit und Romantik, die solch leichte Berührungen mit sich bringen-“

„Äußerst romantisch während des Sex einzuschlafen.“, grummelte der Drache in seinen nicht vorhandenen Bart.

„Es tut mir Leid, okay? Ich habe mich doch schon entschuldigt. Ich habe es ganz sicher nicht mit Absicht gemacht. Es war einfach so schön in deinen Armen…“, noch etwas mehr Tränen hinter den Hundeblick, jetzt blinzeln, die Unterlippe leicht zittern lassen, „Ich fühle mich so wohl in deiner Nähe.“

„Ja, ja…“, Seto seufzte und klappte den Teil seiner Zeitung wieder hoch, „Was immer du meinst…“

Yeah! Ausgetrickst! Katsuya grinste und stand vorsichtig auf, um sich einen Becher Kakao zu machen. Seine Gesichtsmuskeln verhärteten sich kurz und er ging langsam mit kleinen Schritten, aber er ging. Man musste nur wissen, auf welche Knöpfe man bei Seto zu drücken hatte. Jetzt schmollte Seto noch eine Runde und dann war alles wieder gut. Bis sie bei seiner Schwester eingeladen waren, war sicher alles wieder in Ordnung.

„Ist morgen wieder ein Arzttermin eingeplant?“, erkundigte sich Katsuya, als er wieder sicher saß.

„Natürlich. Deine Füße müssen untersucht werden. Kannst du damit überhaupt morgen zur Schule?“, die Zeitung senkte sich so, dass Seto sie lesen und gleichzeitig gesehen werden konnte.

„Denke schon… ich muss auf jeden Fall die Krücken ausprobieren. Auftreten ist die Hölle…“, er atmete schwer, als hätte er nicht nur den Weg zum Kühlschrank zurückgelegt sondern wäre ums Viertel gejoggt, „Ich denke, ich übe ein wenig, bis wir fahren. Was machst du?“

„Arbeiten. Ich muss einiges für deine Versicherungen nachsehen.“, ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, „Und ich wollte ja den Vertrag für deinen Kredit ausarbeiten, nicht?“

„Hattest du eigentlich schon bei meinem Chef angerufen?“

„Indirekt.“, die blauen Augen sahen kurz auf, „Ich habe Yami angerufen, dass er seinem Betthäschen Bescheid sagen soll, dass er dich kündigen soll. Die beiden sind übrigens nicht mehr zusammen.“

„Marik und Yami? Warum? Das waren doch nur… ein oder zwei Wochen?“, Katsuya zog die Augenbrauen zusammen, „Ich weiß es schon gar nicht mehr so genau.“

„Ich verfolge Yamis Beziehungen nicht. Auf jeden Fall ist er dich persönlich kündigen gegangen. Wahrscheinlich hat er den Vorwand genutzt deinem Ex-Chef ein wenig Geld abzunehmen.“

„Seto…“, schalt er ihn ohne viel Enthusiasmus.

„Schon gut. Aber selbst ich hätte ihm gleich sagen können, dass man nicht ein Blondchen durch ein anderes ersetzen kann.“, der Ältere sah nicht einmal auf.

Im Stillen stimmte Katsuya ihm zu, doch er schwieg lieber als es auszusprechen. Die Sache war auch so traurig genug.

Problemlösungsverfahren

Hach, letzte Woche Urlaub T.T Einerseits freue ich mich wieder auf die Uni, andererseits... Ferien sind ja schon etwas Schönes... aber es ist wohl, wie mein Freund zu sagen pflegt: Ich brauche erstmal Urlaub von den Ferien.

Und ich freue mich darauf ihn wieder zu sehen und wieder zu nähen und einen ruhigen Alltag zu haben. Einfach auf Heidelberg. Auch meine Freundinnen, die dort wohnen und das Klima. Ich denke, ich hatte genug Auszeit von meinem Leben, langsam vermisse ich es. Ich will wieder über blöde Witze meiner Mitstudenten lachen und mich der Herausforderung stellen in den Vorlesungen die Augen offen zu halten (die beginnen jetzt um 7:30 Uhr =.=). Nur die Prüfungen, die machen mir jetzt schon Angst. Dieses Semester ist das wichtigste meines Lebens. Nach diesem mit seinen vier großen Prüfungen (drei davon Staatsexamen) gibt es nur noch eine große, riesige Prüfung und die ist dann vier Jahre hin (und macht mir bei weitem nicht so viel Angst).

Nun, egal, genug von mir. Nächste Woche gibt es voraussichtlich kein Kapitel, danach aber wieder normal. Ich wünsche euch nun viel Spaß mit diesem ^.^
 

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„Hallo, Katsuya.“, Shizuka lächelte strahlend, lässig gegen ihr Kissen gelehnt, die Beine angezogen, Isamu in ihrem Arm, „Na, wie war der Urlaub?“

„Gut, danke.“, er nickte dem bereits anwesenden Noah und der Zimmernachbarin zu, bevor er einen Stuhl heran zog.

„Wo hast du meinen Bruder gelassen? Und warum bist du mit Krücken unterwegs?“, erkundigte sich Noah.

„Hab’ mir meine Fußsohlen auf Kies eingerissen. Seto organisiert Stühle. Scheint, das wird eine wahre Party. Ich glaube, wir versammeln heute den kompletten Freundes- und Bekanntenkreis.“, er sah, wie sich Noahs Mundwinkel hob, „Haben wir überhaupt genug Kuchen für alle?“

„Ich wurde vorgewarnt. Er sagte etwas von acht Leuten, ist das so richtig?“

„Um… Seto, Yami, Ryou, Bakura, Herr Sarowski und wir vier… sind neun.“, er sah beide grinsen, „Was? Isamu ist auch ein Mensch, auch wenn er keinen Kuchen isst. Er hat ein Recht mitgezählt zu werden!“

„Natürlich.“, die beiden anderen tauschten einen Blick, „Kleiner Isamu, ich glaube, dein Onkel will dich halten.“, Shizuka tätschelte ihr Kind, bevor sie es ihm reichte, „Meinst du, Seto und du werden mal Kinder adoptieren?“

„Wir?“, warum war seine Stimme gerade so hoch gegangen? „Äh- ähm… öhm… also…“

„Ärgert jemand hier meinen Freund?“, fragte Seto nach, der gerade eingetreten war.

„Ach was. Er geniert sich.“, wenn sie wüsste… „Ich habe ihn gefragt, ob ihr beide wohl irgendwann einmal Kinder adoptieren werdet.“

„Werden wir nicht.“, meinte dieser nur und ging sich vom Tisch am Fenster einen Stuhl holen.

„Was? Ist das wirklich eine endgültige Entscheidung?“, sie warf ihrem Bruder einen besorgten Blick zu, „Dabei liebt Katsuya Kinder so. Er kümmert sich immer so aufopferungsvoll.“, ihre Augen huschten zwischen beiden hin und her, „Wollt ihr nicht noch einmal darüber nachdenken?“

„Wir werden sicher noch oft darüber sprechen.“, murmelte Katsuya und bedachte seinen Freund mit einem warnenden Blick. Sie hatten über Isamu gesprochen. Nicht über Kinder im Allgemeinen. Seto hörte sich ja schon fast so an als- nein, das war anders zu formulieren. Natürlich hatte Seto auch Angst vor Kindern und Verantwortung. Er hatte vor allem Angst.

„Erst einmal werdet ihr beide erwachsen.“, warf Noah kopfschüttelnd ein.

„Das vereinfacht die Sache, weil ich das nicht kann.“, der Blauäugige schlang die Arme um sich, „Du hast mich mit Mokuba erlebt. Von dir müsste eigentlich die lauteste Stimme kommen, dass man mich von Kindern fernhalten muss.“

„Wie man mit Hiroshi und Kanae ja bestens sah. Yumi lobt deine Fähigkeiten mit Kindern umzugehen in den Himmel und- oh ja, da gibt es dieses kleine Faktum, dass du Pädagoge bist und dazu noch ein verdammt guter.“, erwiderte Katsuya, bevor Noah auch nur auf die an ihn gewandten Worte antworten konnte.

„Noch einmal – ich darf mich scheiße finden.“, ein kalter Blick wurde in seine Richtung geworfen, „Und du hast mich in den letzten paar Wochen erlebt, teilweise unter Stress, teilweise weniger. Noah kennt mich gestresst und von der Zeit, als ich noch keine zehn Jahre Therapie hinter mir hatte.“

„Die hast du jetzt aber. Du bist das jetzige Du, nicht das damalige. Die Fehler, die du damals begangen hast, würdest du jetzt nicht noch mal machen. Oder zumindest wissen besser damit umzugehen.“, argumentierte Katsuya.

„Klärt das zuhause.“, sprach Noah als Machtwort.
 

„Die kosmischen Schwingungen sagen mir, dass jemand aufgemuntert werden muss.“, stellte Yami nach der allgemeinen Begrüßung fest, „Wem ist hier welche Laus über die Leber gelaufen?“

„Seto und mein Bruder streiten sich über Kinder. Seto will anscheinend keine, Katsuya aber schon.“, erklärte Shizuka leise, „Und Noah meinte, sie sollen das zuhause klären.“

„Wie sah der Streit aus? Dramatisches Geschrei oder ruhiges Besprechen?“, der rechte Mundwinkel des jungen Mannes hob sich und mit einem Arm auf das Bett gestützt lehnte er sich vor.

„Nun… ich würde es Anzicken nennen.“, sie seufzte und schüttelte den Kopf, „Aus irgendeinem Grund scheint Seto sich keine Kinder zuzutrauen. Ich konnte die Argumentation ehrlich gesagt nicht nachvollziehen.“

„Dann müssen wir uns keine Sorgen machen, das klärt sich von selbst.“, meinte er mit Überzeugung, „Das braucht nur seine Zeit. Vor den Kindern brauchen die beiden erstmal ein Leben und danach sieht die Situation sowieso anders aus.“, Noah nickte zu den Worten, sodass Shizuka zwischen den beiden hin und her sah, bevor sie zu Seto hinüber blickte, der mit den Armen zwischen seinen Beinen die Stuhlkante gegriffen und die Unterlippe vorgeschoben hatte.

„Um… was heißt das? Dass sie ein Leben brauchen?“, wandte sie sich wieder an Yami.

„Alltag, Arbeiten, Reisen, Zukunftspläne schmieden, Hobbys… solche Dinge.“, er zog mit der Hand einen weiten Halbkreis, „Spirituell gesehen müssen beide ihre innere Mitte finden.“

„Oh… okay.“, sie legte den Kopf schief und sah über seine Schulter hinweg aus dem Fenster, „Das hätte ich auch tun sollen, bevor ich Kinder bekomme.“, sie seufzte, „Tja, selbst Schuld. Hätte ich auch nur mal etwas nachgedacht… auch egal, jetzt habe ich Isamu, da kann ich mich gleich so suchen, dass er in dieses Leben passt. Auch Spaziergänge und Bücher an Spielplätzen zu lesen sind Hobbys.“, sie lächelte, „Ich starte ein ganz neues Leben. Ich bin aufgeregt, aber auch gespannt.“, sie sah in die Runde, „Hat nun einer eine Idee, wo ich wohnen werde?“

„Kaiba Villa.“, Noah hob die Hand, „Ich dachte, ich schmeiße es mal als Angebot in die Runde.“

„Kein Schrei von deiner Seite?“, Seto warf Katsuya aus dem Augenwinkel einen Blick zu, „Hattest du nicht was dagegen, als ich das anbot?“, der Angesprochene antwortete nicht sondern sah nur stumm zurück, „Etwas von wegen Blutgeld?“

Ja… das war wahr. Ein Großteil der Firma war durch Auftragsmorde, Betrug und Einschüchterung zusammen gekommen. Das verdiente Geld war bei weitem nicht als ehrlich zu bezeichnen. Aber Noahs schon. Noah hatte ja anscheinend die alte Politik abgeschafft und handelte nun moralisch… so weit Katsuya das wusste.

„Keine Einwände.“, erklärte er daher.

„Dann muss das noch mit Herrn Sarowski abgeklärt werden. Da gibt es sicher rechtliche Probleme. Aber vielleicht hat er ja auch etwas Besseres gefunden.“, schloss Noah.

„Nicht schwer.“, Seto lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und legte die Arme auf die Lehnen des Stuhls, „Eine mittellose, allein erziehende Sechzehnjährige in die Hände eines reichen Schwerenöters zu geben könnte man als ethisch nicht vertretbar bezeichnen.“

„Seto!“, zischte Katsuya, „Das ist unhöflich! Als würde dein Bruder ihr etwas tun.“

„Vorsicht, er kennt mich seit fast zwanzig Jahren.“, Noah lächelte dem Blonden zu, „Doch vielen Dank für die Verteidigung. Was dich angeht, Seto, so kann ich ehrlich gesagt nicht fassen, dass du das von mir denkst.“

„Ich gehe immer vom Schlimmsten aus.“

„Auch wieder wahr.“, Noah schüttelte seufzend den Kopf, „Manchmal ist das äußerst frustrierend.“
 

„Guten Mittag.“, sagte Herr Sarowski und legte seinen Hut an die Brust zur Begrüßung, während ein Chor von Stimmen ihn grüßte, „Bitte entschuldigen sie die Verspätung.“

„Kein Problem.“, Noah lächelte ihm zu, „Möchten sie ein Stück Torte? Wir haben noch Erdbeer und Zitronen-Sahne.“

„Erdbeer, bitte. Vielen Dank.“, er setzte sich und nahm sein Stück Gebäck entgegen, „Da sind wir ja eine große Runde heute. Sarowski, guten Tag.“, er reichte Bakura die Hand, welcher zwei Stühle weiter saß.

Katsuya schluckte. Natürlich. Wie könnte es anders laufen? Bitte, bitte, er sollte einfach nur schweigend einschlagen. Den guten Willen in allen Ehren, aber mit Herrn Sarowski sollten sie es sich bitte nicht verscherzen. Nicht, wenn er darüber entschied, ob Katsuya bei Seto bleiben durfte.

Die blauen Augen richteten sich auf die Hand, auf den Mann, auf die Hand, bevor er einschlug und „Sehr erfreut.“ knurrte. Dem Blonden entfuhr ein erleichterter Seufzer. Ryou stellte seinen Bruder zusammen mit sich vor, während er den Herrn begrüßte.

„Nun, was sind die Ergebnisse an der Front?“, erkundigte sich Seto über sein drittes Stück Kuchen hinweg.

„So gut wie schlecht.“, gab der Beamte zu, „Die Finanzierung habe ich eingerichtet, das ist also schon mal gesichert. Es ist nicht viel, aber es reicht zum Überleben. Ebenso habe ich eine Pflegefamilie, die die beiden zumindest für acht Wochen aufnehmen können. Das gibt uns Zeit.“

„Sehr gut.“, der Brünette nickte, „Derzeitige Vorschläge sind das Haus meines Bruders und das Einrichten eines neuen Mutter-Kind-Heims.“, er nahm ein weiteres Stück seiner Sachertorte.

„Einrichten eines neu-“, Herr Sarowski blinzelte, starrte mit geweiteten Lidern, bevor er nur noch den Kopf schüttelte, „Ich vergaß, mit wem ich sprach. Das Einrichten eines neuen Heimes unterstütze ich natürlich sehr. Ich vermute, dass es Shizuka nicht hilft, da es sehr lange Prozedur ist ein Heim einzurichten, aber wenn wir sie für ein Jahr unterbringen, sehe ich da eine realistische Chance. Natürlich müsste sich jemand dahinter klemmen und das mit dem Jugendamt und dem Bürgeramt verhandeln. Es kostet Zeit, Geld und Nerven.“

„Was sagt unser geduldiger Organisator dazu?“, Noah wurde ein Blick zugeworfen.

„Ich?“, der Wirtschaftsboss hob die Augenbrauen, „Ich habe mein Haus angeboten. Das impliziert, dass ich auch auf Isamu aufpasse, wenn Shizuka in der Schule ist. Und nun möchtest du, dass ich ein ganzes Heim organisiere?“

„Ist dir nicht langweilig? Braucht dein Leben nicht ein wenig Nervenkitzel?“, auf Setos Lippen legte sich ein schiefes Grinsen.

„Ist ein Kind nicht Nervenkitzel genug?“, Noah seufzte, „Ich verhandele meinetwegen mit den Behörden, bevor du sie zerfleischt. Aber Gebäude, Einrichtung und Personalgespräche sind dein Metier.“

„Personalgespräche sind Herr Sarowskis Metier.“, Seto wandte sich wieder an ihn, „Sie helfen doch sicher, nicht?“

„Das... das ist ein großes Projekt.“, er schluckte, „Ich traue mir zu gute Leute zu erkennen, aber... nun... ich habe noch nie Personalgespräche geführt.“

„Dann machen wir das zusammen. Ich brauche von ihnen eine Liste, was für Leute gebraucht werden und welche Voraussetzungen das Gebäude haben muss. Danach geh ich suchen.“

„Kann ich mich um die Inneneinrichtung kümmern?“, erkundigte sich Katsuya, „Ich liebe Innenarchitektur! Und du hilfst mir mit Lebenserfahrung, was eine junge Mutter braucht, nicht?“, er lächelte Shizuka zu.

„Hört sich spaßig an.“, sie nickte.
 

„Und wer kümmert sich um die Finanzierung?“, fragte Noah in die Runde.

„Wir beide.“, erwiderte Yami und grinste mit einem schon fast sadistischem Ausdruck, „Welch bessere Idee als die Yakuza ein Mutter-Kind-Heim bezahlen zu lassen? Eine Imagepolitur wird denen gut tun.“, er lehnte sich vor, „Dasselbe gilt für die lokale Wirtschaft. Du kennst die Firmen und ihre Bosse. Wir veranstalten ein Bankett, wo wir mit dem Projekt werben, um Sponsoren zu gewinnen.“

„Gute Idee.“, Seto stellte seinen Kuchenteller ab, „Wir sollten auf jeden Fall auch die Stadtpolitik einladen. Es erhöht den Drang mehr Geld auszugeben. Es ist schließlich ein öffentlicher Zweck.“, er sah zu Shizuka, „Meinst du, du kannst eine ergreifende Rede über dein Schicksal halten?“

„Eh?“, sie quietschte auf, „Ich? A- aber- aber...“, sie sah zu ihrem Bruder, „Kann ich das?“

„Na klar.“, er lächelte, „Wir üben vorher.“

„Und dieses Bankett organisiert wer?“, meldete sich Noah noch einmal zu Wort.

„Oh, ich. Ich liebe es Partys zu schmeißen.“, erwiderte Yami, „Aber Seto kriegt die Koordinationsstelle. Du behältst den Überblick.“

„Ist okay.“, dieser nickte, „Das Projekt erweckt mein Interesse. Ich werde mich erstmal ein wenig informieren und warte die Listen ab, dann schicke ich euch Aufgabenpläne zu.“

„Kann ich auch helfen?“, fragte Ryou kleinlaut nach.

„Sicher.“, Seto lächelte aufmunternd, „Was möchtest du denn gern machen? Was interessiert dich?“

„Um... ich weiß nicht... ich habe in meinem Leben noch nicht viel gemacht.“, er sah zu seinem Bruder, „Ich kann gut recherchieren!“

„Brauchen sie Hilfe mit den Listen?“, wandte sich der Brünette an Herrn Sarowski.

„Sehr gern.“, dieser seufzte erleichtert, „Ich bin schon im Kopf durchgegangen, wen ich um Hilfe fragen kann. Die Heime sind gar nicht mein Metier. Ich rufe nur immer an, um dort Fragen zu stellen.“

„Dann geben sie doch Ryou die Nummern.“, er sah wieder zu dem Jüngsten, „Ich muss wissen, wie viele Leute in welchen Positionen dort arbeiten, welche Ausbildungen gebraucht werden, welche Räume und welche Besonderheiten. Vielleicht besuchst du auch ein oder zwei, um sie dir selbst anzusehen. Wäre das was?“

„Gern!“, Ryou grinste, „Das mach‘ ich!“

„Okay, in sechs Monaten können wir also mit einem Heim rechnen.“, Noah lächelte schief, „Ist es rechtlich möglich, dass Shizuka bis dahin bei mir lebt?“

„Theoretisch. Ich muss ihnen eine Pflegeerlaubnis ausstellen. Dafür brauche ich eine Führungszeugnis von der Polizei und sie müssen ein paar Seminare besuchen. Ich denke, das lässt sich in acht Wochen regeln.“

„Ist das alles, was wir hier besprechen, in Ordnung für dich?“, wandte Noah sich an Shizuka.

„Wie? Oh... ja... ich denke. Ich ziehe für acht Wochen in eine Pflegefamilie, danach zu ihnen und sobald das Heim fertig ist ins Heim, richtig?“, Nicken, „Wer... wer kümmert sich in den acht Wochen um Isamu? Bleibe ich im Haus?“

„Ich denke, es bietet sich erst einmal an.“, bestätigte Herr Sarowski nach einer kurzen Pause, „Wenn du zur Schule möchtest, kannst du Isamu bei deiner Pflegemutter lassen, aber für zwei Wochen solltest du noch nicht wieder hingehen.“

„Wie viele Seminare muss ich besuchen? Für wann sind diese geplant?“, erkundigte Noah sich.

„Wenn sie mir ihre Nummer geben, rufe ich sie gern morgen an und sage ihnen die nötigen Termine.“, der Firmenboss gab ihm die Nummern von ihm und seiner Sekretärin, „Das Führungszeugnis müssen sie allerdings selbst beantragen.“

„Hm... wann komme ich denn mal zur hiesigen Polizei?“, fragte Noah mehr sich selbst.

„Da ich der einzige ohne Aufgabe bin, organisiere ich das Führungszeugnis. Ich kenne den Zuständigen. Ist morgen fertig.“, warf Bakura mit grummeligem, genervten Ton ein, „Was für ein Trubel. Euch ist allen zu langweilig, oder?“

Ferienende

Gleich vorweg: Happy birthday, feuerregen ^.^

So, da gibt es wieder Kapitel ^.- Ich hoffe, die Entzugserscheinungen haben euch nicht zu schlimm zurück gelassen. Für mich hat die Unizeit jetzt wieder begonnen. Außerdem habe ich direkt auch mit Massen an Planungen begonnen - Schulbesuche (für Sexualaufklärung), Workshops, nationale Koordination usw.

Meine Zeit wird also gut eingenommen. Daher bin ich froh das Kapitel für nächste Woche fast fertig zu haben. Ich sage nur... Plottwist...

Viel Spaß beim Lesen ^.^
 

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„Dass sich das alles jetzt gelöst hat, ist echt erleichternd.“, Katsuya lehnte sich gegen die Sofalehne, bevor er sich zur Seite fallen ließ und mit dem ganzen Körper darauf legte, „Dass Shizuka jetzt für ein paar Wochen bei Fremden leben muss, ist zwar nicht so cool, aber das muss wohl sein. Das ist echt ziemlich korrekt von deinem Bruder, dass der sich gemeldet hat, um sie aufzunehmen.“

„Ich hätte auch niemand Besseren vorschlagen können.“, Seto setzte sich mit einer Seite auf die Lehne nahe Katsuyas Kopf, lehnte sich ein wenig zu ihm und kraulte ihm das Haar, „Für meine Kinderseite ist er ja auch ein Vater. Er hat eine schier endlose Geduld und schafft es in Krisen auch einfach mal tief durchzuatmen, die Katastrophe zu ignorieren und nachzudenken, was zu tun ist. Er gehört zu den wenigen Menschen, die es je geschafft haben mir einfach nur zuzusehen, wenn ich meinen Kopf gegen die Wand geschlagen habe.“

„Und das macht ihn zu einem guten Vater?“, Katsuya hob eine Augenbraue und legte die Stirn in Falten.

„Eine Person, die das kann, kann auch im Supermarkt einfach nur ruhig zusehen, wie ein Kind sich schreiend auf dem Boden wälzt, weil man gesagt hat, dass man keine weiteren Süßigkeiten kaufen wird. Ich sehe es praktisch vor mir, wie Noah ruhig nachfragt, ob man glaubt, dass man damit eher an die gewünschten Süßigkeiten kommt.“, Seto gluckste, „Mein Bruder ist ein Fels in der Brandung. Ich habe geflucht, ihn angeschrieen und sogar auf ihn eingeschlagen und er hat trotzdem gesagt, dass er mich mag. Das hat mir so einige Male das Leben gerettet.“

„Noch einmal – das macht zu einem guten Vater?“, die blonde Augenbraue hob sich noch ein Stück.

„Ich denke schon. Die Chance, dass er sich mal hilflos fühlt und aus diesem Gefühl heraus Unsinn anstellt, wie die meisten missbrauchenden Eltern es tun, ist eigentlich gering. Ich denke, in Kombination mit deiner sehr aufopferungs- und liebevollen Schwester ist er eigentlich das Beste, was Isamu geschehen konnte. Sie sind eigentlich das Bild einer Familie, nicht?“, Seto grinste, „Strenger, erfolgreicher Vater und liebevolle, sich kümmernde Mutter. Mal sehen, ob die beiden in einem halben Jahr überhaupt noch über das Heim nachdenken.“

„Warum richten wir dann eins ein?“, Katsuya drückte seinen Kopf gegen die wohltuende Hand.

„Einfach so. Spaß, Langeweile, guter Zweck. Euch Jüngeren gibt das einen Haufen Erfahrung und Ablenkung und uns Älteren eine Imagepolitur. Selbst dieses Mistvieh Gozaburo hat Kinderheime bauen lassen. Hätte er das nicht, wäre ich heute nicht hier.“

„Okay... ich freu mich schon.“, Katsuya grinste, „Ich habe noch nie etwas eingerichtet, aber ich habe tausende Ideen, was man wie machen könnte. Darf ich an deinen Computer? Ich möchte mir ein paar Kataloge von Ausstattern ansehen.“

„Sicher.“, Seto zuckte mit den Schultern, „Kann ich mich mit meinem Laptop zu dir setzen? Dann arbeite ich auch noch eine Runde.“

„Du hast einen Laptop?“, der Blonde blinzelte, „Nein, warte, ich ziehe die Frage zurück. Geschäftsmann und so. Du hast mehrere Computer und Laptops, einen elektronischen Kalender und mehrere Aktenschränke, wetten?“

„Ich stehe auf Papier.“, der Andere glitt von der Couch, kniete sich daneben und küsste Katsuya kurz, „Aber ja, das kommt hin. Auch wenn ich derzeit nur einen Computer habe.“

„Überraschung...“, sie tauschten einen weiteren Kuss aus, „Wie groß ist die Chance, dass du mich nach oben trägst?“

„Gering. Du wirst langsam zu schwer dafür. Was bringst du neuerdings auf die Waage?“

„Siebenundsechzig, zwei.“, murmelte Katsuya gegen die roten Lippen und nahm sie noch einmal gefangen.

„Immer noch zu wenig. Bevor wir arbeiten, kochst du Abendessen.“
 

„Und was hältst du davon verschiedene Farben zu nehmen? Ein blaues Zimmer, ein oranges, ein weißes und so. Die Kinderzimmer in Form von Ritterburgen, Piratenschiffen, Drachennestern und so weiter. Sollten die Räume von Müttern und Kindern eigentlich zusammen liegen oder unabhängig voneinander zugängig sein?“

„Das wird Ryou recherchieren. Ansonsten bedenke bitte, dass du einen finanziellen Rahmen einzuhalten hast.“, trotz der mahnenden Worte trug Seto ein Lächeln auf den Lippen, als er aufsah, „Und aus eigener Erfahrung sollten die Möbel so sein, dass ein zweijähriges Kind keine Schubladen aufkriegt oder gegen Kanten rennt. Alle erreichbaren Dinge, mit denen man Unsinn anstellen kann, werden auch dafür benutzt. Die kindliche Neugier kennt kaum Grenzen.“

„Kay...“, Katsuya sah sich um, „Wie groß ist ein Kind dann? Wie hoch kann es greifen?“

„Wenn alle Oberflächen höher als der Schreibtisch sind, ist das auf jeden Fall von Vorteil.“, der Ältere lehnte sich zurück, „Ein Nachttisch ist das Paradies für kindliche Spielwut. Ebenso die Schubladen in Küchen. Das war mit Mokuba echt ein Drama. Ich war selbst zu klein, als dass man die Sachen nach oben hätte räumen können und der blöde Raum hatte natürlich keine Tür...“, er legte den Kopf in den Nacken, „Den Schrank unter der Spüle im Bad hat er auch gern ausgeräumt. Ich weiß gar nicht, wie Mutter das mit mir ausgehalten hat. Ich hätte beim ersten Kind schon umbauen lassen.“

„Apropos, worüber wir heute stritten... du traust dir keine Kinder zu? Niemals?“, Katsuyas Stimme klang leise, vorsichtig.

„Ich weiß auch nicht... ich kenne mich nur als grässliche Vaterfigur. Ich habe Mokuba an Drogen verloren. Das ist nicht die beste Vorgeschichte, meinst du nicht?“, Seto seufzte und rieb die Nasenwurzel mit Zeigefinger und Daumen, „Ich bin zur Zeit halbwegs stabil, aber auch nur, weil ich gut dosierte Psychopharmaka schlucke. Ich möchte nicht von Tabletten abhängig sein, wenn ich mich zu solch einer Verantwortung entscheide.“

„Okay.“, der Blonde wandte sich wieder dem Computer zu.

Da waren noch drei Ausstatter, die hatte er sich noch nicht angesehen. Und diese eine Marke mit dem abgerundeten Holz, da sollte er vielleicht direkt die Seite des Herstellers raus suchen, die hörten sich viel versprechend an.

„Okay?“, riss ihn Setos Stimme aus den Gedanken, „Was... wie meinst du das?“

„Hm?“, Katsuya sah auf, „Dass ich die Begründung verstehen kann. Wir können wieder darüber reden, wenn du keine Tabletten mehr nehmen musst.“

„Einfach so?“, die Lider flatterten über die blauen Augen, „So hartnäckig, wie du bisher bei dem Thema warst, hatte ich mehr Schwierigkeiten erwartet.“

„Nö.“, er sah wieder auf den Bildschirm, „Wie Yami und Noah sagten, wie müssen erstmal unseren Platz im Leben finden. Wir haben massig Zeit.“

„Manchmal bist du erstaunlich erwachsen.“, in Setos Stimme schwang so viel Stolz wie auch Erstaunen mit, „Ich bin gespannt, was für ein Mensch aus dir werden wird.“
 

Ring, ring – Katsuya schreckte auf. Was- ach, ja, Handy. Seinen Kopf schüttelnd griff er zu seiner Hosentasche und zog das kleine Gerät heraus. War er eigentlich schon jemals angerufen worden? Gute Frage, nächste Frage.

„Yami?“

„Oh, wird mein Name auf dem Display angezeigt?“, fragte dieser mit amüsiertem Tonfall zurück.

„Jepp. Nach kurzer Überlegung glaube ich, dass du hiermit mein erster Anrufer bist.“, Katsuya grinste, winkte kurz Seto zu und verließ den Raum in Richtung Wohnzimmer, „Zumindest mit diesem Handy. Irgendwie telefoniere ich öfters mit Setos.“

„Warum, musst du die Rechnung selber zahlen?“

„Öhm... nö. Bisher nicht.“, er biss auf seine Lippe und blieb stehen, „Shit... ich brauche meine Krücken zum Laufen, ohne geht echt nicht lange gut...“, mitten im Flur kniete er sich hin und winkte seinen Freund weg, der mit besorgten Gesichtsausdruck im Türrahmen stand, „Weißt du was, ich werde einfach ins Bett krabbeln.“

„Ich kann mich auch einfach woanders hin-“

„Ach was.“, unterbrach der Blonde Seto, „Ich muss lernen selbst klar zu kommen. Krabbeln habe ich ja wohl hoffentlich nicht verlernt.“, er stützte sich auf einen Arm und hielt mit dem anderen das Handy, während er sich fort bewegte, „Jedem so seine Schwierigkeiten, was?“

„Klingt kompliziert.“, Yami gluckste, „Hast du Geheimnisse vor Seto?“

„Jede Menge.“, er grinste, „Nein, er arbeitet, ich will ihn nicht stören. Und ich habe lang nicht mehr allein mit dir geredet.“, er schloss die Tür hinter sich, „Meine Fresse, ich habe nicht gedacht, dass Krabbeln so anstrengend ist. Das klärt die Frage, warum der Mensch den aufrechten Gang bevorzugt.“, er hievte sich aufs Bett, „Scheiß auf Biologie und Evolution, unsere Vorfahren waren es nur Leid andauernd den Kopf oben zu halten.“

„Die hatten dafür noch Muskeln... nun, egal. Hast du es dir bequem gemacht?“

„Sobald ich aus diesen Schuhen raus bin, ja.“, Katsuya versuchte mit einer Hand diese zu lösen, „Wieso? Gibt es einen Anlass, der verlangt, dass ich bequem liege? Was Gutes oder was Schlechtes?“, er stoppte in der Bewegung.

„Nichts, einfach so. Irgendwie... hatte ich das Bedürfnis dich anzurufen.“

Katsuyas Zunge bahnte sich ihren Weg zwischen den Lippen hindurch, leckte zum linken oberen Lippenrand, bevor sie sich langsam zurück zog. Er schluckte. Er spürte die Pause, die Stille auf seine Schultern drücken, als würde eine kaum tragbare Last nach und nach auf ihn geladen.

„Entschuldige, das hört sich wahrscheinlich furchtbar kitschig an.“, der Andere lachte und Katsuya wollte einfach nur glauben, dass es ein echtes Lachen war, „Genau so wie der Satz, dass ich dich vermisse. Erst recht, nachdem wir uns erst heute gesehen haben. Es ist nur so... ich bin es ja eigentlich gewohnt, dass ich dich mal oft sehe und mal lange Zeit nicht, aber derzeit fühlt es sich irgendwie... ich weiß auch nicht. Ich vermisse dich halt.“, ein Seufzen, „Sorry, jetzt habe ich es doch gesagt. Manchmal klinge ich echt weibisch, was?“

„Ist okay, Alter... derzeit ändert sich alles so schnell, ich komm kaum noch mit. Da kann man nicht erwarten, dass es anderen besser geht.“, der Blonde stapelte ein paar Kissen hinter sich und lehnte sich zurück, „Wir haben wirklich lange nicht mehr allein miteinander geredet. Oder einfach nur so über dies und das. Wenn wir reden, geht es fast immer um Seto.“

„Nachdem sollte ich mich erkundigen, was?“

„Tz.“, er warf den Kopf in den Nacken, „Wenn ich manche Sätze richtig deute, ruft er dich doch so oft an, dass du jedes Detail unserer Beziehung wissen dürftest.“
 

„Er ruft oft an, das ist wahr.“, Yami seufzte, „Aber ich habe gesagt, dass ich zwischen euch nur vermitteln werde, wenn sonst wirklich nichts anderes mehr geht. Ich habe entschieden, dass ich nicht zwischen den Fronten stehen will. Ihr müsst sowieso lernen alleine miteinander auszukommen. Darum ist das Thema gestrichen, wenn er nicht irgendwelche dringenden Fragen hat.“

„Oh... okay.“, Katsuya fuhr sich durchs Haar, „Das wusste ich nicht. Wir reden nicht so oft über dich, weißt du?“, er stieß die Luft aus, „Unser Hauptthema zur Zeit sind Kinder – wegen Isamu – und wie es mir geht. Mein Burnout ist im Urlaub ausgebrochen. Zur Zeit geht es wieder bergauf.“

„Super.“, er konnte sich genau vorstellen, wie das Lächeln mit Yamis Mundwinkeln spielte, „Fühlst du dich bereit morgen in die Schule zu gehen?“

„Schu- oh shit, ich wusste, irgendetwas hatte ich verdrängt...“, er atmete tief durch, „Scheiße, Alter... da hatte ich echt überhaupt nicht drüber nachgedacht.“, die Spannung verließ seinen Körper, sodass er in sich zusammen sank, „Stimmt, Schule... zum Glück hat Seto mich direkt am Anfang die Hausaufgaben machen lassen, sonst hätte ich jetzt echt ein Problem.“

„Das hat er vermutlich geplant. Wahrscheinlich hat er sogar schon irgendwo eine Krankmeldung rumliegen, fertig ausgefüllt und unterschrieben, die er nur noch einreichen muss, wenn er will.“, Yami gluckste, diesmal mit echtem Amüsement, „Seto plant normalerweise jeden Notfall ein.“

„Du meinst, ich könnte einfach sagen, ich will nicht gehen?“, Katsuya zog die Augenbrauen zusammen, „Einfach so?“

„Wenn du dich nicht gut fühlst, lass es. Deine Gesundheit ist zur Zeit das Wichtigste. Du solltest den Status nicht ausnutzen, klar, aber ich denke, jeder, der dich kennt, wird es verstehen, wenn du eine Pause brauchst.“

„Hm... ‘kay...“, er nickte bedacht, „Ich denke, ich werde trotzdem gehen. Meine Psyche braucht Übung, nicht?“

„Übung, ja, Überlastung, nein. Und du hast dich in den letzten Monaten überlastet, wenn das auch kaum zu umgehen war.“, Yamis Stimme klang sanft, zärtlich, fast so, als würden Setos Finger über seine nackte Haut geistern, „Probier‘ es ruhig aus. Aber wenn es dir zu viel wird, brauchst du dich nicht zu schämen, wenn du Seto bittest dich nach Hause zu bringen. Das ist völlig in Ordnung. Trau deinem Körper nicht mehr zu, als du leisten kannst.“

„Seto hat dich nicht zufällig gebeten mir das zu sagen?“, Katsuya hob eine Augenbraue, obwohl Yami es am Telefon natürlich nicht sehen konnte, „Das klingt auffällig nach etwas von dem, was er mir derzeit verklickern will.“

„Dann wollen wir wohl dasselbe. Und nein, er hat mich nicht darum gebeten.“, Yami seufzte, „Wenn wir reden, reden wir meist über ihn und ein wenig über mich. Seto versucht derzeit sein Bestes mich davon abzubringen mich weiter zu prostituieren.“

„Hey, da wollen wir auch dasselbe.“, ein Lächeln legte sich auf Katsuyas Lippen, „Und, wie weit ist er gekommen?“

„Erstaunlich weit, ich denke wirklich darüber nach...“, die Stimme wurde leiser, „Andererseits habe ich... sehr viel Angst... ich bin mit achtzehn auf den Strich gegangen und habe seitdem nichts anderes gemacht. Wer will schon jemanden einstellen, der sechsundzwanzig ist und in seinem Leben nichts gemacht hat?“

„Gegenfrage – was machst du, wenn du zu alt zur Prostitution bist? Dann bist du noch älter und suchst einen Job.“, konterte Katsuya.

„Stimmt wohl... na ja... ich denke halt drüber nach.“

„Ich hoffe, dass du das schaffst.“, er drehte sich auf die Seite, „Weißt du, Yami, ich habe endlich das Gefühl, dass ich doch nicht dazu verdammt bin unglücklich zu sein. Ich glaube wirklich... ich glaube, ich habe eine Chance. Ich denke... wenn ich es wirklich will, dann kann ich glücklich werden. Dank Seto. Und dir natürlich. Und all den anderen Menschen, die mir geholfen haben. Ich habe das Gefühl, jetzt kommt alles ins Lot. Dass das... wirklich klappt.“

Prostitution

Okay, zwanzig Minuten frei, laden wir schnell Kapitel hoch!

Ich wünsche viel Spaß beim Lesen, so gutes Wetter wie wir hier haben und dass ihr nicht am Flughafen festsitzt. Und ich freue mich sehr auf eure Kommentare ^.^
 

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„Na, wie waren die beiden Schultage?“, Yami servierte ihm einen Becher Kakao und summte vor sich hin, während er ein paar Kochutensilien hin und her räumte.

„Och, ganz gut.“, Katsuya zog sich einen weiteren Stuhl heran und legte seine Füße hoch, „Keine Schwierigkeiten. Ryou war über meine Verletzung ja vorgewarnt. Nur Ayumi schien jedes Detail aus mir heraus pressen zu wollen.“

„Was hast du ihr erzählt?“, der Wohnungsbesitzer tanzte durch seine Küche, balancierte Eier und Öl und lächelte vor sich hin.

„Die Wahrheit. Ich habe meine Getas ausgezogen, weil ich es Leid war mit ihnen zu laufen und bin auf Kies getreten.“

„Getreten ist gut...“, er schüttelte den Kopf, „Setos Beschreibung zufolge sehen deine Füße so aus, als wären sie von Maden angefressen.“

„Urgh...“, Katsuya schluckte, hob eine Hand zu seinem Mund und schloss die Augen, „Das musste jetzt nich' sein...“

„Hast du das schon mal gesehen?“, der Andere warf einen Blick über die Schulter.

„Ja... sie haben einen Mann aus dem fünften Stuck herunter getragen. Außer den Maden lebte da nichts mehr.“, erzählte der Blonde leise.

„Packen die solche Menschen nicht vorher ein? In Leichensäcke? Oder legen zumindest ein weißes Tuch darüber? Ich meine... im Fernsehen haben sie das immer getan.“

„Keine Ahnung.“, er seufzte, „Das war die einzige richtige Leiche, die ich je gesehen habe. Und es war ganz sicherlich kein schöner Anblick.“, die Brust hob sich und sank langsam wieder zurück, „Das war... wenn du das siehst, denkst du darüber nach, was Menschenwürde ist. Wo ist die Würde, wenn du bei lebendigem Leibe von Insekten gefressen wirst, weil du nicht auf deinen Körper achtest? Ich war einfach nur so was von angeekelt...“

„Verständlich.“, Yami rührte mit einem Schneebesen in einer Schüssel, „Vielleicht sollten wir das Thema wechseln... wie ist es mit deinem Burnout? Hattest du noch viele Dissoziationen? Weitere Selbstmordgedanken?“

„Nein.“, der Blonde schüttelte den Kopf zur Betonung, „Also, Selbstmord. Dissoziationen hatte ich noch ein paar. Während Mathe zum Beispiel. Ich kann mich an kein Wort erinnern... nun, obwohl man das schon gewissermaßen als normal sehen kann.“

Ihm wurde ein Grinsen über die Schulter zugeworfen.

„In Hauswirtschaft hatte ich interessante Dissoziationen. Ich war geistig nicht ganz da, aber ich habe alles gemacht, was Ryou mir gesagt hat. Und das Essen war super lecker! Ich sollte öfters dissoziativ kochen.“

„Es trennt nur deine Gefühle und Gedanken ab. Du handelst auf Ebene des Unterbewusstseins. Und das hat Zugriff aus alles, was du je gelernt hast.“, erklärte Yami ruhig.

„Oh, okay... sollte ich meine Arbeiten dissoziativ schreiben?“, Katsuya legte den Kopf zur Seite.

„Wenn du es schaffst die Dissoziationen genau so zu halten, dass du nicht aufhörst zu schreiben, sicher...“, der Andere drehte sich um, lehnte gegen den Tresen und hob eine Hand an sein Kinn, „Genau genommen habe ich von vielen gehört, dass sie in Prüfungen in eine Art Trance verfallen. Ich glaube, das ist auch eine Art von Dissoziationen.“

„Na super.“, Katsuya legte den Kopf in den Nacken, „Halt – heißt das nun, dass ich es in Prüfungen leichter oder schwerer habe?“

„Theoretisch leichter.“

„Oh... cool.“
 

„Ist das eigentlich okay für dich, wenn ich jetzt andauernd hier aufschlage? Ich meine, ich muss nicht immer vorbei kommen, wenn Seto ins Fitnessstudio geht; du musst ja auch arbeiten...“

„Ich arbeite genug, keine Sorge. Seit ich halbwegs an mich selbst denke, arbeite ich ja sogar für meinen eigenen Profit.“, Yami reichte ihm sein Getränk und ließ sich auf dem anderen Teil der zweiflügligen Couch nieder, „Seit ich dich kenne, lerne ich auch für mich selbst zu sorgen und über meine Bedürfnisse nachzudenken. Dich zu sehen gehört dazu.“

„Uhm... danke...“, Katsuya senkte den Blick und trank einen Schluck Eistee, bevor er sich im Raum umsah.

„Ist dir das unangenehm, wenn ich so etwas sage?“, fragte der Ältere nach.

„Was? Oh nein, nein-nein...“, die braunen Augen studierten das Fenster, „Nun... ein wenig vielleicht. Mir war nie bewusst, wie wichtig ich für dich bin. Ich habe immer gedacht, es sei egal, wenn ich einfach verschwinde. Mir war nie bewusst... wie viele Menschen an mich denken. Wie sehr sie an mich denken.“, er schluckte und leckte über seine Lippen, „Wie sehr... du an mich denkst. Mir wird das erst langsam klar.“

„Hm...“, ein trauriges Lächeln legte sich auf Yamis Lippen und er wandte den Blick ab, „Diese Worte erwecken in mir das starke Bedürfnis dich zu küssen.“

„Warum?“, der Rothaarige sah auf, schweigend und antwortete nicht, „Ich meine nicht, warum du mich küssen willst... sondern warum du nie etwas gesagt hast. Wir sind seit zwei Jahren befreundet. Da war so viel Zeit...“

„Das ist wahr.“, die dunklen, intensiven Augen richteten den Blick wieder zu Boden, „Aber ich hatte zu dem Zeitpunkt bereits nach und nach erkannt, wie krank ich war und begonnen mich darüber zu informieren. Ich beobachtete mich selbst. Ich hatte gemerkt, dass ich mich immer wieder an Männer hing, die mittellos oder emotional geschädigt waren. Dass ich alles für sie tat, mich vollkommen aufopferte und... dass ich dabei nichts spürte.“, er leckte sich über die Lippen und schluckte, ein verdächtiges Glänzen auf der Wange, „Ich habe mich benutzen lassen. Mein Körper war auch nur ein Gefäß, was ich gebrauchte, damit es anderen besser ging. Das war meine Welt. Das, was ich durch die Prostitution verinnerlicht hatte. Ich habe meine Beziehungen ähnlich behandelt wie meine Freier und mir eingeredet, ich würde lieben und geliebt werden.“, Yami atmete tief durch, „Dass du damals... dass du nicht mit mir schlafen wolltest... dass du keinen Preis haben wolltest dafür, dass du mich von meinen Vergewaltigern befreit hast... das hat mir so vor den Kopf geschlagen.“, er sah auf, „Ich wollte nicht, dass du einer von ihnen wirst. Einer, den mein Körper behandelt wie jeden anderen. Du bist für mich etwas Besonderes. Und ich wusste, dass ich nicht bereit war... nein, dass ich nicht bereit bin das anzunehmen. Dieses Besondere. Ich komme da emotional nicht raus. Ich bin eine Hure mit Körper und Seele. Das ist so tief in mich eingesunken...“, seine Stimme brach, Tränen rannen frei über seine Wangen, „Entschuldige bitte. Damit muss ich selbst fertig werden.“

„Nein, ist okay.“, Katsuya kam herüber, legte die Arme um den Kleineren und zog dessen Kopf an seine Schulter, „Es ist okay zu weinen. Das hast du mir selbst immer und immer wieder gesagt.“

„Jetzt muss ich es nur noch selbst lernen...“, Yami versuchte zu lächeln, doch sein eigenes Schluchzen unterbrach ihn, „Tut mir Leid... ich- ich beginne langsam... ich denke darüber nach und... es tut so weh... tut mir Leid.“

Katsuya schwieg und festigte die Umarmung, nachdem er den anderen auf seinen Schoß gezogen hatte.
 

„Erzählst du mir mehr darüber?“, fragte Katsuya leise, das stille, kleine Bündel noch immer in seinen Armen.

„Worüber?“, die Stimme klang heiser.

„Was du fühlst.“, mit dem Daumen zog er kleine Kreise über dessen Oberarm, „Und warum du es fühlst, wenn du das weißt.“

„Was ich fühle...“, wiederholte Yami leise und schloss die Lider, „Ich fühle... Wut. Eine Unmenge Wut. Auf alle, die mich ausgenutzt haben, aber vor allem auch auf mich selbst. Dass ich es mit mir habe machen lassen. Dass ich es nie geschafft habe nein zu sagen. Dass ich so viel Angst habe auszusteigen und ein... normales Leben zu führen. Ich suche verzweifelt nach Auswegen- nein, Ausreden.“, er seufzte, „Warum heute nicht. Warum morgen nicht. Ich habe zu viel Angst davor mich meinem eigenem Leben und meinen Gefühlen zu stellen. Ich... kann einfach nicht. Es ist leichter weiter dieses Selbst zu sein, was lächelnd Freiern das Geld aus der Tasche zieht.“

War das wirklich so schwer? Er musste einen Job finden. Das war nicht allzu kompliziert. Aber er musste dabei weg von seinen Freiern, unerreichbar für die Hände, die ihn zurück in den Schmutz zogen. Nicht zu vergessen, dass Yami nur wenig Halt hatte. Keine Familie, kaum Freunde und keinerlei soziale Sicherung. Er hatte Angst diesen Abklatsch einer Existenz zu verlieren, den er selbst aufgebaut hatte. Das Leben, mit dem er versucht hatte sich zu stolz zu machen – auf das er stolz war, solange er sich noch selbst belügen konnte, dass er die Prostitution selbst gewählt hatte und freiwillig ausübte.

„Aber es tut weh?“

„Es tut sehr weh.“, bestätigte Yami, „Ich schäme mich. Nein, genau genommen hasse ich mich für das, was ich bin. Ich bin ein billiges Stück Fleisch, das sich von anderen benutzen lässt. Ich will mich übergeben, wenn ich nur darüber nachdenke. Ich bin... ich ekele mich selbst an.“

„Du bist nicht ekelhaft.“, widersprach Katsuya leise, „Ich gebe zu, das, was du tust, empfinde ich als ekelhaft. Aber das macht nicht automatisch dich ekelhaft. Perspektive, erinnerst du dich? Du bist kein Prostituierter, du wirst prostituiert. Das macht einen Unterschied.“

„Ich prostituiere mich. Ja, das macht einen Unterschied. Es macht es schlimmer. Ich könnte jederzeit aufhören. Niemand zwingt mich das hier zu machen. Aber ich höre nicht auf.“, ein Seufzen, „Entschuldige, das hört sich so nach Selbstmitleid an. Ich wollte nicht-“

„Es ist okay auch mal seinen Herz bei anderen auszuschütten statt immer nur der Kummerkasten zu sein.“, unterbrach Katsuya ihn und hob sein Gesicht mit einer Hand, um ihm in die Augen zu sehen, „Und selbst wenn du nur jammern würdest, wäre das auch in Ordnung. Aber in meinen Augen jammerst du nicht. Du hast ernsthafte Probleme.“

„Ja...“, der kleinere Körper erzitterte und rieb sich kurz an dem Anderen, „Ja, ich bin krank...“, eine Hand hob sich, fuhr in das blonde Haar, „Alles, was ich tue, ekelt mich an... auch dies.“

Yami hob seinen Kopf ein Stück und drückte seine Lippen gegen Katsuyas.
 

Katsuyas Lider flatterten überrascht. Doch seine Zunge reagierte zumindest noch reflexartig und presste wie eine Mauer von hinten seine Zähne, um den Eindringling abzuwehren. Er versuchte Yami sanft von sich zu schieben, doch dessen Arme klammerten um seinen Hals, sodass er – vielleicht etwas grob – nach dessen Kiefer griff und mit Druck darauf von sich drückte.

Der Körper des Anderen sackte in sich zusammen, die Kopf hing schlapp hinunter, doch die Arme blieben auf Katsuyas Schultern. Ein Moment des Schweigens verging. Der Griff, mit dem er Yamis Kiefer gehalten hatte, lockerte sich. Er fuhr mit der Hand unter dessen Kinn und hob sein Gesicht vorsichtig und ohne viel Druck. Der Blick der violettschwarzen Augen blieb jedoch abgewandt.

„Tut mir Leid.“, flüsterte Yami, „Ich bin so... durcheinander.“

„Was willst du wirklich?“, bohrte Katsuya nach.

„Ich... ich will dich für mich. Ich will, dass du mich so ansiehst, wie du es bei Seto tust. Mich so berührst. Mir so vertraust. Ich will... Hilfe, ich bin so eifersüchtig. Er ist einfach aufgetaucht und hat dich mir weggenommen. Ich... ich wollte, dass du glücklich bist, aber... dass es so weh tut... zuzusehen, wie er das hat, was ich immer wollte, das ist so... so ungerecht.“, ihre Blicke trafen sich und verharrten ineinander, „Das Schlimme ist, ich kenne dich. Ich kenne dich so gut. Ich weiß genau, was ich sagen müsste, um dich wieder zu haben. Ein paar gezielte Worte und du misstraust ihm und fühlst dich verpflichtet mit mir zusammen zu sein. Aber ich will nicht, dass du zu mir kommst, weil... weil ich dein Vertrauen missbraucht habe. Wenn du zu mir kommst, dann weil du das willst.“, er atmete tief durch, „Wow, das tat gut...“

„Hm...“, Katsuya lehnte sich zurück und betrachtete Yami, der ihm nach ein paar Sekunden fragend entgegen lächelte, jedoch keinerlei Anstalten machte von seinem Schoß wieder herunter zu krabbeln – eher machte er es sich bequem, „Mit großer Macht kommt große Verantwortung. Ich glaube, der Satz wird mir langsam klar. Es stimmt, wahrscheinlich kannst du mich mit wenigen Worten sehr beeinflussen. Dass dir das Angst machen könnte, darüber habe ich nie nachgedacht. Aber es macht schon irgendwie Sinn...“

Trauer mischte sich in das Lächeln und ein müder Schleier legte sich über die Augen.

„Andererseits glaube ich, dass ich – auch wenn du mich beeinflusst – noch immer für mich selbst entscheide. So viel habe ich schon gelernt. Ich entscheide, was ich mache und deshalb bin ich auch verantwortlich für das, was ich tue oder nicht tue. Wenn du es schaffst mich mit wenigen Worten davon zu überzeugen Seto zu verlassen, kann meine Liebe nicht sehr weit reichen.“

„Oh doch...“, widersprach der Ältere leise und wandte wieder den Blick ab, „Verführung ist eine oft unterschätzte Macht. Stell dir vor, ich würde sagen, ich höre mit der Prostition auf. Aber ich sage, dass ich Halt brauche, weil mir das so viel Angst macht. Also bitte ich dich immer zu kommen, wenn Seto im Fitnessstudio ist. Das würdest du machen, oder?“

„Sicher.“, erwiderte Katsuya ohne jede Umschweife.

„Stell dir vor, ich höre auf. Ich begrüße dich das nächste Mal überfröhlich, umarme dich, küsse dich in meiner Freude. Das würde dich vielleicht kurz verwirren, aber nicht weiter stören. Ich habe dich früher öfters mal geküsst. Einfach so, als Versicherung, aus Freundschaft. Sobald die Freude langsam versiegt, werde ich unsicher und ängstlich. Ich bitte dich mich im Arm zu halten und weine. Natürlich tust du das auch.“

„Uhm... ja? Klar.“, Katsuya zog die Augenbrauen zusammen.

„So laufen mehrere Treffen. Enger, intimer Kontakt wird normal. Ich bitte dich manchmal mich zu küssen, weil mich das besser fühlen lässt. Du fühlst dich hilflos, weil es mir nie besser zu gehen scheint, also tust du es. Irgendwann wird auch das Küssen normal. Ich sage, dass ich meinen Körper nicht mehr spüre, das Gefühl habe, mir würde alles entgleiten. Du kennst das von deinen Dissoziationen. Du hast Angst, dass ich mich umbringen werde. Du berührst mich, zunehmend intimer. Siehst du, auf was das hinausläuft?“

„Dass Angst, Hilflosigkeit und Schuld mich mit dir schlafen lassen?“, Katsuyas Stirn lag tief in Falten.

„Ja. Das sind keine edlen Motive, nicht? Du betrügst Seto mit mir. Nach und nach lasse ich die Frage aufkommen, ob du ihn wirklich liebst, wenn du das tust. Ein paar geschickte Worte, dein Misstrauen gegen ihn wächst, dein Vertrauen in dich sinkt und du beginnst zu glauben, du würdest aus Liebe mit mir schlafen. Bis du ihn schließlich wegen mir verlässt.“, Yami sah ihm tief in die Augen, ein Hauch von Schmerz in seinem Blick, „Einen geschickten Verführer kostet so etwas zwei bis drei Monate. Und weißt du, was das Schlimme ist?“

Katsuya schüttelte langsam den Kopf, im Gesicht noch immer ein stumpfes Entsetzen – denn ja, das würde er tun, das würde er alles so tun. Auch wenn er es gern verneinen wollte, aber es war, wie Yami sagte – er kannte ihn.

„Ich mache das seit acht Jahren. Ich weiß ganz genau, wie es geht. Und es ist mir in Mark und Bein übergegangen. Ich flirte, ich verführe, ich mache die Beine breit und das nicht, weil ich es will, sondern weil ich es tue. Weil ich gelernt habe es zu tun und es mich so vollkommen durchdrungen hat. Es ist wie ein Reflex. Ich kann nicht anders. Oft bemerke ich es nicht einmal. Erst nachher, wenn ich mein Handeln noch einmal bedenke, fällt mir auf wie... nuttig ich mich verhalten habe. Und es lässt mich so unglaublich schlecht fühlen.“

Reflektion

Na, alle wieder bereit für ein wenig Psychokram? Es geht wieder abwärts...

Viel Spaß beim Lesen!
 

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„Hey, Kleiner.“, Seto lächelte, machte einen Schritt auf ihn zu und setzte einen Kuss auf sein blondes Haar, „Na, hattet ihr Spaß?“, er lehnte sich ein wenig zurück, um in Katsuyas Gesicht zu sehen und wartete – mit jeder vergangenen Sekunde verging auch sein Lächeln mehr, „Katsuya, was ist los?“, seine Stirn legte sich in Falten und einen Moment später sah er zu Yami, „Was ist passiert?“

„Tja...“, dieser seufzte, verschränkte die Arme und lehnte sich gegen die Wand, „Meine Worte haben ihn ein wenig schockiert, denke ich. Ich habe Verführung erklärt.“

„Verführung?“, Seto blinzelte unter den zusammen gezogenen Augenbrauen, „Was daran ist schockierend?“

„Zu was man Menschen alles bringen kann...“, erwiderte der Rothaarige leise, „Vielleicht ist es besser, du nimmst ihn einfach mit... er braucht ein wenig Schlaf.“

„Wie du meinst.“, der Andere klang noch immer recht unüberzeugt, doch legte einen Arm um Katsuyas Schultern und zog ihn an seine Seite, „Dann lass uns nach Hause fahren. Sagst du Yami auf Wiedersehen?“

Schweigen.

„Ich denke, er ist ein wenig dissoziiert.“, sein bester Freund drückte sich von der Wand ab, schlenderte herüber und setzte einen Kuss auf seine Wange, „Alles Gute, Katsuya. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.“

„Bye...“, murmelte Seto nur und zog seinen Freund mit ein wenig Nachdruck aus der Wohnung. Sein Griff blieb fest, auch nachdem sie die Treppe erreicht und ein Stockwerk hinter sich gebracht hatten. Mit einem plötzlich Ruck jedoch schubste Seto ihn ein Stück vor, fing ihn jedoch sofort und drehte ihn zu sich, „Was hat er gemacht, Katsuya?“

„Wie...“, flüsterte der Blonde als Antwort, die Stirn in Falten und biss sich auf die Unterlippe, da der feste Griff an den Oberarmen schmerzte.

„Die letzte Person, die ich so aus einer Wohnung geholt habe, war dort von vier Männern vergewaltigt worden. Also was hat Yami gemacht?“

„Er- nichts, er...“, Katsuya blinzelte und schluckte, „Sag mal, wie kannst du so etwas von Yami erwarten? Wir haben uns nur unterhalten.“

„Deine Stimme zittert.“, der Ältere ließ ein wenig locker und strich mit den Daumen über die malträtierten Oberarme, „Sie ist leise und zittert. Du zoomst ein und aus. Du bist sichtbar verstört. Ich werde nicht glauben, dass ein einfaches Gespräch das bewirkt.“, ein Moment des Schweigens, „Katsuya, bitte sprich mit mir.“

„Es war nichts.“, meinte der Blonde mit jedem Funken Überzeugung, den er aufbringen konnte, „Lass es einfach gut sein.“, er schlug eine Hand zur Seite, entriss sich der anderen und ging zum nächsten Treppenabsatz, „Wir haben nur geredet.“

„Katsuya, was immer er auch gesagt hat, ich hasse dich nicht und ich werfe dich auch nicht raus. Und wenn er mich beim Jugendamt anzeigt, schaffen wir es auch dadurch. Bitte sprich mit mir.“

„Seto...“, der Blonde seufzte, blieb stehen und drehte sich zu diesem, „Es war wirklich nichts. Hör auf zu fragen. Yami ist eine der letzten Personen auf dem Planeten, die jemand anderen gegen ihren Willen anfassen würde.“

„Kats-“

„Halt die Fresse!“, er machte kehrt und stürmte die Treppe hinab.
 

Sie schwiegen.

Auf der Fahrt, nach dem Aussteigen, im Haus. Katsuya schmiss die Konsole im Wohnzimmer an und vertiefte sich in Videospiele. Seto nahm mit einem Buch auf der Couch Platz und sah von Zeit zu Zeit zu seinem Freund herüber, der das jedoch geflissentlich ignorierte.

Was dachte Seto eigentlich, wer er war? Yami so etwas zuzutrauen, das war... das war ja wohl krank. Also echt. Bisweilen hatte der Typ wirklich einen Vollschaden. War ja nett, dass er sich Sorgen machte, aber so übertreiben musste er nun wirklich nicht. Wie lange kannte er Yami jetzt? Zehn Jahre? Also echt, dass man es mit so wenig Vertrauen so lange aushalten konnte.

Katsuya ließ den Controller sinken. Wenn Seto in all dieser Zeit nicht mehr Vertrauen zu Yami aufbringen konnte, wie würde es zwischen ihnen in zehn Jahren aussehen? Würde Seto ihm so etwas zutrauen? Würde er auch so über ihn reden? Würde er solche Dinge sagen und dennoch behaupten, er würde ihn lieben? Ihm vertrauen?

„Ja?“, fragte der Brünette und Katsuya blinzelte verwirrt.

Warum starrte er Seto an?

„Ich... nichts.“, er wandte sich wieder um, „Hab‘ nur nachgedacht.“

„Worüber?“, fragte der Andere sanft.

„Geht dich nichts an.“, mit einem Tastendruck beendete Katsuya das Spiel ohne zu speichern und stand auf, um in die Küche zu gehen, „Ich mache Abendessen.“

„Kann ich dir helfen?“, startete Seto einen zweiten Versuch.

„Wenn du kochen gelernt hast.“

Langsam war es mal gut, oder? Warum war er so gemein? Das wollte er alles gar nicht sagen. Das hatte Seto nicht verdient. Warum also machte er es ihm so schwer? Er ließ sich in der Küche auf den Kacheln nieder und lehnte sich gegen den Schrank mit den Töpfen. Seto machte echt etwas mit mit ihm. Andauernd war er anders. Mal erwachsen, mal ein Kind, mal aggressiv, mal einfühlsam, mal kalt, mal sarkastisch und böse – er hatte mehr Gesichter als Seto mit seiner gespaltenen Persönlichkeit. Vielleicht war er nicht ganz so extrem, aber stabil war er ganz sicher nicht. Er hatte nicht einmal ein eigenes Verhalten. Ein Ich.

Wer war er eigentlich? Ein Straßenpunk? Ein hoffnungsvoller Jugendlicher? Ein glücklicher Liebhaber? Ein schmutziger Verführer? Ein selbstmitleidiges Kind? Wozu war er da? Wer sollte er sein? Was erwartete man von ihm? Und wollte er diese Erwartungen erfüllen? Was für Vorstellungen hatte er vom Leben? Was für Wünsche?

Er zog die Knie an seine Brust und legte seine Arme darum. War es in Ordnung hier zu sein? War das, was er tat, okay so? Sollte er nicht schnell ein eigenes Leben finden, um nicht so sehr von Seto abhängig zu sein? Sollte er nicht arbeiten gehen? Sollte er sich nicht um seinen Vater kümmern? Er zuckte leicht zusammen. Herr Jonouchi... lebte er noch? Oder war er verhungert, weil keiner einkaufte? Warum war die Wohnung leer gewesen, als er sein Eisenrohr geholt hatte?

Oder war er bei Mutter gewesen? Mutter war nun auch allein. Shizuka würde nicht wieder zu ihr zurückkehren. Sie hatte keine Kinder mehr. Alle hatten sich von ihr los gesagt. Sollte er ihr nicht vergeben? Ihr eine Brücke anbieten? Sich wieder mit ihr versöhnen? War es nicht das, was man tat, wenn man heilte? Man betrachtete seine Kindheit mit einem Lächeln und sah ein, dass vieles – wenn auch nicht gut – doch eine Notwendigkeit war?

Oder war das auch falsch? War das nur eine Lüge, die man erzählte, um gut zu sein? Um dazu zu gehören? Welcher Erwachsene sagte schon, dass er mit seinen Eltern nichts mehr zu tun hatte?

Aber heilte Zeit nicht alle Wunden? Katsuya lehnte den Kopf hinten gegen den Schrank. Setos Küche... Seto hatte so erwachsen geklungen, als er gesagt hatte, dass er seinen Adoptivvater nicht mochte, aber anerkannte, dass es auch gute Seiten an ihm gab. Aber er hasste ihn noch immer. Die guten Seiten hinderten ihn nicht daran.

War das nun erwachsen? Oder nicht? Seine Wunden waren eindeutig nicht geheilt. Die Zeit heilte nicht alle Wunden. Seto war schwer verwundet und würde es immer bleiben. Er heilte nicht. Vielleicht würde irgendwann aus drei Personen eine werden. Vielleicht würde er irgendwann wieder ohne Tabletten leben. Ohne Selbsthass. Würde es nicht nur durch den Alltag, sondern auch durch Krisen schaffen. Vielleicht... ja, vielleicht würde es eines Tages nicht mehr auffallen, wie krank er war. Und doch würde er es immer sein. Würde nie frei sein. Immer in Angst rückfällig zu werden – nicht nur vom Alkohol, auch von selbstverletzendem Verhalten, von Aggressionen und Asozialität.

Immer ängstlich. Immer unsicher. Niemals wissend, ob man am nächsten Tag noch derselbe war.
 

„Katsuya?“

Der Blonde zuckte zusammen, fuhr herum und sah Seto zwei Meter hinter ihm stehen. Mit einer Hand hielt er den Ellbogen des anderen Arms, der Kopf war zur Seite gelegt und der Ausdruck auf den schönen Zügen sprach von Sorge.

„Du hast mich erschreckt.“, brachte Katsuya hervor, fuhr sich durchs Haar und wandte den Blick ab.

„Das war unübersehbar.“, ein Moment des Schweigens, „Wie geht es dir?“

„Uh... gut. Ja, bestens.“, er drehte sich wieder dem Herd zu, „Ich brate gerade dein Steak an.“

Zumindest lag da ein Stück Fleisch auf einer dünnen Schicht Öl in der Pfanne. Und war er nicht in die Küche gegangen, um Abendessen zu machen?

„Katsuya, der Herd ist nicht eingeschaltet.“, informierte Seto ihn leise, trat heran und legte vorsichtig von hinten die Arme um ihn, „Bitte sag mir, was mit dir los ist.“

„Ich... ich weiß auch nicht, ehrlich gesagt. Ich fühle mich ein wenig komisch.“, den Kopf schüttelnd schaltete Katsuya den Herd ein, „Ich denke, ich mache erstmal das Abendessen fertig. Würdest du ein wenig Gemüse schälen?“

„Sicher...“, der hinter ihm Stehende seufzte und setzte einen Kuss auf seine Schulter, „Macht es dir etwas aus, wenn ich die Jalousien herunter lasse?“

„Wie? Nein.“, der Jüngere blinzelte und sah aus dem Fenster, „Es ist aber schon ziemlich dunkel. Wie spät ist es?“

„Ein Uhr achtzehn.“, Seto drückte einen Knopf nahe der Tür, der alle Fenster des Raumes verdunkelte, „Du warst dissoziativ. Du hast zweieinhalb Stunden auf dem Boden gehockt und seitdem so wie gerade am Herd gestanden.“, ihre Blicke trafen sich wieder, „Es hat mir ein wenig Angst gemacht, um ehrlich zu sein. Dein ganzes Verhalten, seit du bei Yami warst. Bist du sicher, dass nichts passiert ist?“

„Dissos...“, Katsuya lehnte sich gegen die Theke, die Arme vor seiner Brust verschränkt, „So lange...“, er schüttelte den Kopf und hob den Blick wieder, „Was fragtest du bitte?“

„Was bei Yami passiert ist, das dich so aus der Fassung gebracht hat.“

„Yami... gute Frage.“, der Blonde zuckte unsicher mit den Schultern, „Er war so... ehrlich. Ich wusste, dass Prostitution etwas Schweres ist, aber dass es einen so mitnimmt und verändert... ich weiß nich‘... irgendwie hatte ich das nicht erwartet. Also, ich mein‘, eigentlich wusste ich es ja, aber...“, sein Blick sank zu Boden und defokussierte.

„Ja?“, riss Setos scharfes Nachfragen ihn aus der Stille seines Kopfes.

„Sorry. Ich habe mich... ich weiß nicht, was er sagte, hat mir irgendwie Angst gemacht. Als würde die Welt schwanken und ich wüsste nicht, wo ich mich festhalten soll... irgendwie.“, Katsuya fuhr sich durch das Haar und warf dem längst nicht bratendem Steak einen Blick zu, „Ich kann’s gar nicht beschreiben. Es hat mich echt aus dem Konzept geworfen.“

„Gut.“, der Ältere trat heran und legte einen Arm um seine Hüfte, „Es tut mir Leid, dass ich so unsensibel vorgegangen bin. Ich bleibe aber dabei mir um dich Sorgen zu machen. Wenn ich wieder vermute, dass dir etwas angetan wurde, werde ich Maßnahmen ergreifen, um das zu verhindern, ist das klar?“

„Hm...“, die braunen Augen sahen weiter zu Boden, wenn auch nun neben ihnen, „‘Kay...“
 

„Müde...“, murmelte Katsuya mit halb geschlossenen Lidern und torkelte gegen die Bettkante, bevor er sich hinein fallen ließ, „Schlaf...“

„Schlaf einfach. Ich ziehe dir noch die Sachen aus.“, meinte Seto und löste die Schuhe von seinen Füßen. Peripher nahm Katsuya wahr, wie er mit seiner Hose weitermachte und half nur damit, dass er die Arme von selbst ein wenig hob, als ihm das T-Shirt ausgezogen wurde. Fertig in einen Pyjama gekleidet rollte er sich zur Seite und bekam kaum noch mit, dass er zugedeckt wurde.

Mit einer Hand strich Katsuya über seine Stirn und richtete seinen breitkrempigen Hut. Die Feldflasche, die Seto ihm reichte, legte er ohne jede Umschweife an seine Lippen und warf den Kopf in den Nacken. Gestärkt durch das kühle Wasser ergriff er erneut sein Buschmesser und schlug die Pflanzen vor ihnen aus dem Weg.

Ein Fluchen, ein klatschendes Geräusch. Seine Begleiter erschlugen die Mücken, die sich auf ihre Haut setzten. Die matschig klatschenden Geräusche, die ihre Stiefel im Schlamm hinterließen, mischten sich mit dem Sirren und Summen um sie herum. Ein Zisch in der Luft, Knacken, erneut fuhr sein Buschmesser auf das Geäst nieder.

Er musste sie heraus bringen. Es war seine Gruppe. Seine Verantwortung. Sie hatten nur ihn. Er war ihr Führer.

Ein lautes Platschen ließ ihn herum fahren. Yami prustete, keuchte, tauchte in einer schwarzen Suppe auf und unter, während er versuchte sich mit Schwimmbewegungen oben zu halten.

Mit einem Sprung war Katsuya heran. Er versuchte einen wild rotierenden Arm zu greifen, doch fasste nur eine Hand, die ihm im selben Moment wieder entglitt. Er setzte einen Schritt in den Morast, doch ein Arm um seine Taille zog ihn zurück.

„Wir können ihn nicht retten.“, urteilte Seto hart, „Wir müssen ihn zurück lassen.“

„Nein!“, Katsuya schlug um sich, erwischte dessen Bauch und befreite sich so, „Yami!“

Dieser war nichts mehr als ein Kopf mit wild umher blickenden Augen und ein Arm, der sich hilfesuchend in seine Richtung streckte.

„Zusammen können wir es schaffen, Seto.“, der Blonde wandte sich zu diesem, „Gib mir deine Hand!“

Sein Blick fiel auf Setos blaue Augen. Sein von der Feuchtigkeit eng anliegendes Haar. Die Tränen auf seinen Wange. Schwarze Flecken zogen über seinen Körper und vom Arm, der sich ihm entgegenstreckte fiel die verfaulende Hand.

„Katsuya...“, hauchte er noch, bevor Setos Körper sich in Asche auflöste.

Yamis Fingerspitzen wurden vom Sumpfwasser umspült und verschlungen.

Schule

Ein Großteil dieses Textes entstand auf einer Autofahrt, eingequetscht zwischen zwei Leuten, die mitlasen. Kurzum, leicht unter Stress X.X Aber was rede ich? Ich wünsche euch viel Glück in euren Abiturprüfungen! Freut mich, dass trotzdem noch ein paar Menschen Kommentare schreiben, auch wenn die Rate rapide abnimmt.
 

WICHTIG: Der erste Band wird voraussichtlich in ca. sechs Monaten beim Wagner Verlag erscheinen. Nähere Infos folgen mit weiteren Vorwörtern.
 

Und nun viel Spaß beim Lesen ^.^
 

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„Morgen!“, Ryou lächelte ihm entgegen, „Wie geht's?“

„Schlechter.“, meinte Katsuya nur und ließ seine Schultasche fallen, bevor er sich auf seinen Stuhl mehr warf als setzte.

„Oh...“, das Lächeln verging ihm ein wenig, „Wieso? Ist etwas passiert?“

„Er dreht nur mal wieder am paranoiden Rad.“, die braunen Augen wurden genervt verdreht, „Bisweilen geht einem das echt gegen den Zeiger.“

„Wenn du meinst.“, Ryous rechter Mundwinkel hob sich, „Was hat er dir denn verboten? Wolltest du spät nachts ausgehen? Oder irgendwo hin, wo es gefährlich ist?“

„So fast.“, Katsuya verschränkte dir Arme, „Er meint, Yami würde mir was antun. Was für ein Mist.“

„Es ist das Recht der Älteren sich Sorgen zu machen. Sie haben eine Menge Lebenserfahrung, die wir nicht besitzen.“, sie warfen sich einen Blick zu, bevor sie los prusteten, „Das nervt echt, was? Bakura übertreibt's auch immer.“

„Total.“, stimmte der Blonde zu, „Außerdem sind sie gleich berechtigte Partner. Egal, ob sie nun unsere Erziehungsberechtigten sind oder nicht.“

„Na ja...“, Ryou seufzte und lehnte sich zurück, „Sie sagen wahrscheinlich, dass sie zwar unsere Partner, aber immer noch unsere Erziehungsberechtigten sind. Blöde Situation, nicht?“

„Beschissen.“, ein weiteres Seufzen vom Gesprächspartner, „Wie regelt ihr das?“

„Hm... weiß nicht... Bakura spricht wenig. Er zeigt so etwas nicht offen. Er macht sich Sorgen um mich und ist misstrauisch, besonders dir gegenüber, aber er verbietet mir jetzt auch nichts. Man merkt nur in seinem Verhalten, dass er es eher nicht so gut findet, dass ich so viel mit dir zu tun habe.“, er legte den Kopf schief, „Es nervt ein wenig, ehrlich gesagt. Ich kann auf mich selbst aufpassen und bin auch in der Lage zu erkennen, ob ein Mensch nun gute Intentionen hat oder nicht. Er könnte mir und meinen Fähigkeiten ruhig mehr vertrauen.“, er zog den Kopf etwas ein und lehnte sie näher, „Ich meine... ich bin nicht vergewaltigt worden, weil ich leichtfertig mit irgendwem mitgegangen bin. Es gibt keinen Grund mich so scharf zu beobachten, oder?“

„Tja...“, Katsuya atmete tief durch, „Andererseits weckst du ziemlich die Beschützerinstinkte. Ich glaube, wenn ich dein Freund wäre, würde ich dich auch gegen alles und jeden beschützen. Du hast einfach so eine Ausstrahlung, die Leute anzieht, die es böse meinen.“

„Aber wenn so jemand auftaucht, sage ich doch Bescheid, damit man denjenigen abwehrt! Ist doch nicht so, als würde ich mich auf so jemanden einlassen. Ich kann schon auf mich alleine Acht geben.“, argumentierte Ryou und schob die Unterlippe vor.

„Mag sein. Aber du hast dich noch nie selbst ernährt, hast gearbeitet oder dich geprügelt. Wenn man dich überfällt oder entführt und aussetzt, kann man nicht sicher sein, wie du dich so schlägst. Ich zum Beispiel sorge für mich, seit ich zwölf bin. Das ist eine andere Grundlage.“, er zog angesichts des vernichtenden Blickes, den er dafür bekam, ein wenig den Kopf ein, „Das heißt nicht, dass ich glaube, dass du das nicht könntest. Du weißt sicher grundlegend, was du zu tun hast. Nur gibt es keine Erfahrungswerte oder Beweise. Für paranoide Leute wie Seto oder Bakura ist das nicht genug.“

„Wie wir bei dir sehen, ist ja selbst das nicht genug.“, erwiderte Ryou, anscheinend durch die Worte wieder etwas besänftigt, „Selbst wenn ich Karateweltmeister wäre, würde Bakura immer noch so eine Glucke sein.“

„Wahrscheinlich...“, Katsuya seufzte, „Wahrscheinlich...“
 

„Mei, mei, was macht denn mein Sorgenkind wieder in meinen heiligen Hallen?“, Isis lächelte ihm entgegen, „Möchtest du vielleicht etwas zu trinken?“

„Gerne.“, der Blonde lächelte müde, „Vielen Dank.“, er ließ sich auf den Besucherstuhl sinken und wandte seinen Blick aus dem Fenster, bis sie ihm ein Glas reichte, für das er sich bedankte.

„Führt dich ein bestimmter Grund zu mir?“, sie hob das Haar, das über die Narbe auf seiner Stirn fiel und zog den rechten Mundwinkel zurück, „Das ist echt eine ziemliche Narbe geworden...“

Ja, ja, scheiße, hässlich, vielen Dank - wusste er selber, sah er jeden Morgen im Spiegel. Er schüttelte den Kopf, damit sein blonder Pony wieder darüber fiel.

„Hm... mir geht’s eigentlich gut...“, er trank einen Schluck des roten Safts, „Huh? Das ist immer noch das Zeug mit viel Eisen, oder?“

„Richtig. Ich habe es für die Mädchen hier. Sechzig Prozent der heranwachsenden Mädchen leiden unter Eisenmangel.“, erklärte sie und zog sich ihren Stuhl heran, „Irgendwie siehst du aber nicht so aus, als kämst du nur der Freundlichkeit halber her.“, sie lehnte sich vor.

„Ich kann auch wieder gehen.“, mit einem lauten Geräusch stellte er das Glas auf dem Schreibtisch ab und erhob sich.

„Katsuya, warte.“, sie griff nach seinem Handgelenk, „Setze dich doch bitte wieder. Ich habe das nicht so gemeint. Ich werde nicht weiter fragen, wenn du nicht darüber sprechen möchtest.“

„Bla, bla.“, er warf ihr einen kalten Blick zu, „Schon klar. Ihr meint es alle nicht so. Nein, natürlich befehlt ihr einen nicht rum, ihr macht euch nur Sorgen. Klar. Klingt ja auch viel schöner. Belügt euch doch selbst, wenn ihr Spaß dran habt.“, er entriss ihr seine Hand, „Lass mich in Ruhe.“

„Katsuya!“, sie sprang auf und wich ein wenig zurück, während sich ihre Stirn in Falten legte.

„Angst?“, fragte er mit trockenem Humor in der Stimme, „Kann ihnen wohl keiner verübeln. In dieser Haut stecke immer noch ich. Auch ohne Drogen, Alkohol und Gewaltexzesse bin ich noch ein verdammter Straßenköter.“, er stieß die Luft durch die Nase aus, drehte sich ab und ging zur Tür.

„Katsuya... was ist mit dir?“, mit einem Blick über die Schulter sah er sie verständnislos den Kopf schütteln.

Er lachte freudlos und verließ den Raum.
 

Katsuya schlug seinen Kopf gegen das Geländer, jaulte ob des Schmerzes und verzog das Gesicht. Die Luft scharf zwischen den Zähnen hindurch einziehend wandte er sich um und lehnte sich mit dem Rücken gegen besagtes Geländer, während er sich zu Boden sinken ließ.

Aua... verdammt tat das weh. Gut. Weh.

So ein Idiot. Er war so ein bescheuerter Idiot. Schrie und giftete Leute an, machte andere fertig, war gemein... nur ein wenig mehr und er schlug wieder zu. Ein wenig mehr und er war wieder die Gestalt, der er zu entkommen versuchte. Warum plötzlich?

Warum ließ er seine Aggressionen wieder durch so etwas aus statt Dissoziationen zu haben? Warum schlug er auf einmal um? Hatte er nicht sonst Aggressionen bekommen, wenn Dissoziationen nicht mehr halfen? Wenn alles einfach nur noch heraus brach? Aber wenn dem so war, warum nahmen diese zerstörerischen Energien zu? Warum nicht ab? Sollte es nicht besser werden?

Oder hatte die Sache mit Yami ihn wirklich so verstört? Aber warum? War das wirklich so eine Neuigkeit gewesen? Er hatte immer gewusst, dass es Yami beschissen ging. Dass er sich hasste. Er hatte den anderen so oft dissoziativ gesehen. Weinend. Sich selbst nieder machend. Stumpfte er wieder ab? Senkte sich seine Toleranzschwelle für Leid? Weichte er auf, sodass so eine einfache und alltägliche Sache ihn so fertig machte? Was war denn los? Wurde aus ihm irgendso ein beschissener, ignoranter Idiot, der bei dem Wort Suizid das Gesicht verzog und den Sprechenden für geistig behindert erklärte?

„Wenn ich euch noch einmal mit Zigaretten erwische, werdet ihr euch wünschen, ihr wärt nie schreiend aus dem Bauch eurer Mami gekrochen.“, blaffte eine genervte, abschätzige Stimme, bevor eine Gruppe Jugendlicher sich davon machte.

Katsuya sah schwarze Herrenschuhe in seinem Blickfeld erscheinen. Eine dunkelblaue Anzughose aus feinem Stoff – sehr feinem, wie er aus eigener Erfahrung wusste – legte sich darüber. Er wagte es nicht höher zu sehen. Durch den Nebel seiner Gedanken bohrte sich ein emotionales Messer aus Schuld.

„Du hast meine letzten beiden Stunden verpasst.“, ein paar Sekunden des Schweigens vergingen, „In der Klasse, die du übrigens auch besuchst.“

Der Blonde schluckte. Shit... konnte er eigentlich irgendetwas richtig machen? Seto war sauer. Seto war mehr als sauer. Das war niemals ein gutes Omen. Abwenden. Er musste die Wut irgendwie umleiten. Doch er bemerkte nur, wie sich wie von selbst seine Arme über seinen Kopf hoben.

Der Ältere seufzte und meinte: „Was soll ich mit dir machen, hm?“

Mit einem Knacken im Knie und einem beiläufigen Kommentar über sein Alter ließ Seto sich neben ihm nieder, zog die Knie an und legte seine Ellbogen darauf.

„Deine Hose... wird schmutzig...“, murmelte Katsuya leise.

„Dafür gibt es die Reinigung.“, der Andere stieß zufrieden die Luft aus, streckte ein Bein und zog seine Zigaretten hervor, „Es ist gewissermaßen hypokritisch, wenn ich Schüler anmaule, wenn sie rauchen, oder? Nun ja, es muss Vorteile haben für diese Rasselbande verantwortlich zu sein.“

Ein Lächeln zog ungewollt an Katsuyas Mundwinkeln, während er vorsichtig einen Blick zur Seite warf. Fasziniert betrachtete er, wie Seto nur mit den Rändern seiner Lippen die Zigarette hielt und diese mit seiner Hand verdeckte, welche er schützend um die Flamme legte.

Katsuya entkam ein nicht hörbarer, sehnsuchtsvoller Seufzer, doch schaffte er es nicht seine Hand zu bewegen. Nicht einmal sich nur zur Seite zu lehnen. Nicht einmal seinen Blick zu heben, damit Seto seine Tränen sah.
 

„Katsuya!“, Ryou lief heran und stoppte kurz vor ihm geweiteten Lidern, „Ist dir was passiert? Hattest du Streit?“

„Schon gut...“, er machte nur lasche, wegwerfende Handbewegung, „Ich hatte einfach nur... Gedanken. Mach dir keine Sorgen.“

„Aber-“

„Ich sagte, du brauchst dir keine Sorgen zu machen.“, wiederholte Katsuya etwas schärfer, „Sorry... lass mich heute besser.“, mit einem tiefen Seufzen torkelte er zu seinem Stuhl hinüber und ließ sich darauf fallen.

„Was ist denn los mit dir?“, fragte Ayumi leise, wobei er diesmal nur seinen Blick hob – nicht den Kopf, „Okay, sorry, sorry, ist ja gut...“

„Was haben wir als nächstes?“, er schloss die Lider, um den kalten Ausdruck wieder aus seinen Augen zu vertreiben.

„Sozialwissenschaften.“, Ryou nahm ebenfalls seinen Platz ein und verschränkte die Arme, „Mit unserem neuen Thema Drogen.“

„Oh ja.“, Katsuyas Stimme tropfte vor Sarkasmus, „Genau das Richtige.“

„Auch wenn es dir so geht wie jetzt, nimmst du keine, oder?“, die Frage war nur ein Flüstern, doch er warf einen vorsichtigen Blick in die Runde. Allerdings war selbst Ayumi abgetrabt und unterhielt sich mit besser gelaunten Gestalten.

„Hm.“, erwiderte er unbestimmt ohne dabei den Mund zu bewegen.

Nein, eigentlich nicht. Hätte er auch früher nicht. Dafür hatte er höchstens Geld gehabt, wenn sie mal wieder jemanden ausgeraubt hatten. Und auch das hatte er in den letzten Jahren vermieden. Hatte nur noch Alkohol oder Lebensmittel geklaut. Wie wäre das alles gewesen, hätte er mehr Geld gehabt? Oder weniger Skrupel? Oder eine stärkere Sucht? Wäre er dem Teufelskreis aus Drogen und Kriminalität völlig verfallen? Für ihn war es irgendwie so leicht gewesen aufzuhören. Dabei ging es vielen anderen so schlecht... aber irgendwie hatte er auch damals nie aufgegeben. Hatte immer gekämpft, um raus zu kommen.

Meist nicht sehr effektiv. Oft sogar eher das Gegenteil. Aber er war nie intox in die Schule gegangen. War stets nüchtern gewesen... wenn er denn mal in die Schule ging. Aber es hatte gereicht, um in die Oberschule zu kommen. Es hatte gereicht, um sich zu retten, bis er Seto traf. Er hatte ausgehalten, bis er sich in diesen jetzigen Status der Glückseligkeit retten konnte.

Also warum war er nicht glücklich?

Warum war er aggressiv? Warum blaffte er andere so an? Er war doch echt das Letzte. Ihm ging es so gut und er war trotzdem nicht... nein. Das war das, was er nicht denken sollte. Seto hatte gesagt, es sei in Ordnung... nein, es sei normal, wenn man Schwierigkeiten hatte sich anzupassen.

Ach scheiße... wieso konnte er sich nicht einfach zufrieden fühlen und gut war's? Warum musste es schwieriger sein glücklich als unglücklich zu werden? Das war doch irgendwie echt nicht fair. Er seufzte und vergrub sein Gesicht in seinen Händen.

Glücklich sein war echt kompliziert.

Glück

Ich bin genervt. Da arbeitet man Tag und Nacht, schuftet, freut sich auf seine Freizeit und... deine Freunde rufen an und sagen fünfzehn Minuten nach der verabredeten Zeit ab. Das ist echt ein scheiß Verhalten. Bitte seid so gut und tut das eurem Freundeskreis nicht an.

Viel Spaß beim Lesen!
 

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Katsuya seufzte, ließ sich nach hinten auf die Couch sinken und streckte die Arme aus. Die müden Lider hoben sich, sodass seine Augen Yami verfolgen konnten, der auf Höhe seines Beckens Platz nahm und sanft zu ihm hinab lächelte.

„Hey, Yami... wie wird man glücklich?“

„Glücklich?“, der Ältere zuckte blinzelnd und mit darauf geweiteten Lidern zurück, legte die Stirn ein Stück in Falten und den Kopf schief, „Wie kommst du plötzlich da drauf?“

„Na ja, ich meine... eigentlich geht es mir doch gut, oder? Ich habe ein sicheres Haus, genug zu essen, Freunde, Seto... ich weiß nicht, fehlt mir irgendetwas?“, die blonden Augenbrauen zogen sich zusammen, „Ich weiß, das alles macht nicht einfach so glücklich, aber sollte es mir nicht besser statt schlechter gehen? Also... ich meine... ich weiß auch nicht. Ich habe das Gefühl, mir geht es irgendwie immer miserabler. Ich bin so aggressiv und...“, er fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, „Ich habe heute Isis und Ryou angeblafft und Seto hat irgendwann auch nur noch geschwiegen. Das ist... ich meine, ich benehme mich wie Bakura, verstehst du?“

„Sicher.“, Yami rutschte etwas höher und begann mit einer Hand beruhigend über seine Haut zu fahren, „Du lässt die Wut, die in dir ist, an anderen aus. Das hat Seto früher auch getan, unterbrochen von kurzen Episoden, wo er sie wieder gegen sich selbst wandte. Das war ein Wechselspiel von extrem risikohaften Verhalten und Gewalt gegen Mitmenschen. Das nimmt mit der Zeit ab.“

„Aber...“, Katsuya versuchte sich aufzurichten, doch wurde von der Hand auf seiner Brust sanft zurück gehalten, „Ich meine, ich kann nicht einfach Jahre warten. Ich verletze Menschen und das akut. Also, jetzt und hier. Was kann ich tun?“

„Dir einen Ausgleich suchen. Seto geht kickboxen. Ich bin sehr froh, dass er da jetzt auch wieder hin kommt.“, der Ältere sah aus dem Fenster, „Ich meine, was macht man in deinem Alter? Fußball, Tennis, Schwimmen... fällt dir etwas ein, was dir gefallen würde? Ihr habt doch sicher viele Clubs an der Schule. Magst du nicht einem beitreten?“

„Hm... jo, das krieg‘ ich hin. Und damit gehen die Aggressionen weg?“

„Es werden auf jeden Fall weniger.“, Yami lächelte zu ihm hinab, „Und ich empfehle immer noch, dass du wieder anfängst zu zeichnen.“

„Sport und Zeichnen?“, der Blonde wandte sein Gesicht der ihn liebkosenden Hand zu.

„Ja, das wäre schon mal ein guter Anfang.“, bestätigte der Andere, „Viele Krankheiten und Probleme lassen sich durch einfache Änderungen im Tagesablauf verändern. Man muss sich nur dran halten können. Aber ich bin sicher, du schaffst es jede Woche zu einer Clubzeit zu gehen, oder?“

„Sicher.“, Katsuya schloss die Augen, „Davon gehen die Aggressionen dann weg-“

„Sie werden weniger.“

„Womit kriege ich sie dann ganz weg?“, er merkte, wie er Trotz in seine Stimme legte ohne es zu wollen.

„Mit Zeit. Manchmal gar nicht. Setos Aggressionen sind normalerweise kaum vorhanden und brechen nur unter Stress wieder aus.“, Yami lachte plötzlich los, „So- haha... so wie... aah... so wie Herpes. Kennst du, oder?“

„Klar kenne ich Herpes.“, Katsuya spitzte beleidigt die Lippen, „Das sind diese weißen Bläschen in den Mundwinkeln, die bei manchen Menschen andauernd wiederkommen, oder?“

„Genau. Die brechen auch vor allem bei Stress wieder aus.“

Na toll. Seine Aggressionen verhielten sich so wie kleine Schaumblasen...
 

„Wenn die Aggressionen weg sind – nein, wenn sie weniger sind – bin ich dann glücklich?“

„Was beharrst du so auf dem Glück?“, Yami schüttelte belustigt lächelnd den Kopf, „Erinnerst du dich daran, wie ich dich vor anderthalb Jahren mal gefragt habe, was für dich Glück ist?“

„Huh?“, die blonden Augenbrauen zogen sich zusammen, „Ähm... nicht wirklich...“

„Macht nichts. Ich glaube, du warst damals auch ziemlich high.“, der Ältere streifte seine Hausschuhe ab und legte sich neben Katsuya mit dem Kopf auf dessen Schulter, „Auf jeden Fall hast du geantwortet, dass eine warme Mahlzeit dich glücklich macht. Die hast du jetzt, aber du bist nicht glücklich. Weißt du, warum?“

„Weil ich damals fast nie welche hatte.“, erwiderte dieser ohne groß darüber nachzudenken, „Jetzt habe ich die. Zur Genüge.“

„Exakt. Glücklich macht es uns unter anderem Dinge zu kriegen, an die wir sonst nicht so einfach kommen. Das bedeutet unter anderem auch, dass Glück etwas Vergängliches ist. Es gibt niemanden, der immer glücklich ist.“, Yami kuschelte sich näher, wobei Katsuya automatisch einen Arm um ihn legte, um ihn zu halten, „Das heißt auch, je weniger man hat, desto einfacher ist es glücklich zu sein. Weil man leichter Dinge bekommt, die man sonst nicht hat. Das hat natürlich auch Grenzen, wenn man wie du früher kein sicheres Heim und praktisch nichts zu essen hatte, löst ein einfaches Essen natürlich keine überschäumenden Glücksgefühle aus.“

„Hm... verstehe...“, mit dem Arm, den er um Yami gelegt hatte, begann er mit einer dessen blonden Ponysträhnen zu spielen, „Es ist normal unglücklich zu sein und man wird nur zeitweise glücklich?“

„Nein, man ist normalerweise weder glücklich noch unglücklich und tendiert nur durch verschiedene Ereignisse zeitweise zum einen, zeitweise zum anderen.“, die Hand, die ihn vorher gestreichelt hatte, machte ein paar unterstützende Gesten in der Luft, „Wie ein Schiff auf dem Meer. Manchmal ist es ruhig, manchmal gibt es Wellen mit Hoch und Tiefs. Bei psychisch Angeschlagenen wie Seto und dir zur Zeit ist nur meistens Sturm.“

„Dann sollten wir aufpassen, dass wir nicht kentern.“, warf Katsuya spaßhaft ein.

„Das wünsche ich von ganzem Herzen.“, erwiderte der Andere mehr als ernst.

Der Jüngere zog den Kopf ein. Idiot. Er sollte denken, bevor er redete. Kentern hieße wahrscheinlich Tod. Natürlich wollte keiner, dass einer von ihnen starb... oder sich umbrachte. Erst recht Yami nicht. Und der hatte wahrscheinlich eine berechtigte Angst um sie beide.
 

„Willst du mehr über Glück wissen?“, fragte der Ältere in die entstandene Stille.

„Jo.“, Katsuya zuckte mit den Schultern, „Warum nicht? Wenn es vergänglich ist, muss man ja wohl dauernd darum kämpfen, nicht? Da ist es gut die Regeln zu kennen.“

„Ah ja.“, Yami kicherte, „Kennst du den Satz Money can’t buy happiness but it can buy marshmallows which is sort of the same thing?“, der Blonde wandte nur den Kopf zur Seite und stempelte die Frage als rhetorisch ab, „Um glücklich zu sein, gibt es ein paar Grundvoraussetzungen. Unter anderem, dass du genug getrunken hast, damit dein Blut flüssig genug ist, um keine zähe Brühe zu sein. Das sind zwei bis drei Liter am Tag – mehr, wenn du Fieber hast oder in einem Gebiet lebst beziehungsweise eine Arbeit hast, wo man viel schwitzt. Ansonsten frisst dein Gehirn Glucose, das ist ein Zucker. So etwas wie Fett oder Eiweiß kann dein Gehirn nicht verstoffwechseln. Daher ist es wichtig Stärke und Zucker zu sich zu nehmen. Wenn man viele Stunden nichts gegessen hat, ist es kein Wunder, wenn man schlecht gelaunt ist.“

„Daher die Marshmallows?“, fragte Katsuya nach.

„Exakt. Zucker ist nichts Verdammbares.“, Yamis Hand strich sein Shirt hinab und legte sich darunter auf die straffen Bauchmuskeln, „Und auf Stress muss man achten. Jeder hat so sein individuelles Stresslevel. Seto zum Beispiel wäre nur durch seine Arbeit niemals ausgelastet. Ryou wird durch die Schule praktisch schon überstrapaziert, weil soziale Situation ihn sehr anstrengen. Und wäre meine Arbeit meine Hauptbeschäftigung, würde ich völlig durchdrehen.“

„Genug trinken, genug essen und sich nicht überanstrengen, aber auch nicht unterfordern.“, fasste Katsuya für sich zusammen.

„Ganz genau. Weiterhin ist es natürlich wichtig weitere Grundbedürfnisse zu erfüllen. Es ist leichter glücklich zu sein, wenn man nicht stets Angst um sein Leben, seinen Schlafplatz und seine nächste Mahlzeit hat.“, ja, natürlich, das war mehr als verständlich, „Und eine sehr wichtige Voraussetzung ist die Wahrnehmung des Selbst. Wenn du nicht weißt, was du fühlst und brauchst, wie kannst du dich dann glücklich machen? Also achte darauf, was du willst und dir wünscht, was dich zum lachen bringt und was dir das Gefühl gibt zufrieden zu sein.“

Katsuya schluckte.

Sich selbst wahrnehmen. Das tat er. Er wusste als Straßenkind stets, was er haben wollte. Er hatte geflucht und geschrieen, hatte gekämpft, war gescheitert und hatte vieles aufgegeben, aber er war stets seinen teils unerreichbaren Träumen nachgejagt. Er hatte immer ein Ziel gehabt. Sein Ziel war es gewesen ein anderes Leben zu haben – das hatte er nun. Was sollte er jetzt mit sich anfangen?

„Yami?“, der Angesprochene bezeugte mit einem Laut seine Aufmerksamkeit, „Hast... hattest du nicht große Probleme dich selbst wahrzunehmen? Ich weiß, du hast mir mal gesagt, dass du dich in deinem Beruf aus deinem Körper löst und oft zweifelst, ob du danach wirklich wieder zurück kehrst.“

„Ja...“, ein trauriger Schleier legte sich über die Augen des anderen, „Ja, das ist richtig. Ich glaube nicht, dass ich noch viel davon wahrnehme, was ich wirklich will... die Sache mit dir ist das beste Beispiel. Ich habe nicht einmal bemerkt, wie unglaublich ich dich liebe.“, Lider bedeckten die Amethyste, „Ich habe meine Eifersucht und meine Wut auf mich selbst nicht gespürt. Ich habe... ich habe praktisch die Verbindung mit meinem Körper verloren und kann sie nicht wieder finden.“

Katsuya seufzte leise, legte auch den zweiten Arm um Yami und zog diesen enger an sich.
 

„Glück hat zwei große Komponenten.“, fuhr der Ältere fort, die Stimme leicht belegt, „Sich selbst glücklich zu machen und andere glücklich zu machen.“, er schluckte seine Tränen, „Menschen sind soziale Wesen. Sie sind so konstruiert, dass es sie mehr freut anderen zu helfen als selbst glücklich zu sein. Darum täuschen viele über ihr eigenes Unglück hinweg, indem sie sich für andere aufopfern.“

„So wie du?“, warf Katsuya schonungslos ein.

Einen Moment lang kam keine Antwort, doch er spürte die Muskeln des Anderen sich zusammen ziehen.

„Sicherlich auch so wie ich... aber ich glaube, ich achte dabei noch genug auf mich.“, erwiderte Yami mit leicht zitternder Stimme.

„Ich will ehrlich sein. Ich glaube, du bist in deinem Beruf todunglücklich. Dass du das nicht spürst, ist für dessen Ausübung vielleicht besser, aber nicht für dich. Im Kontrast dazu bist du echt viel für andere da. Aber das ist meine persönliche Meinung.“

Schweigen.

Stille.

Zehn Sekunden.

„Anderen zu helfen verlangt nichts außer dem Vertrauen anderer. Natürlich muss man dafür Menschen und soziale Grundregeln kennen. Man muss in Kontakt mit anderen treten.“, fuhr Yami ohne ein weiteres Wort zur vorherigen Thematik fort, „Um diese Kontakte dauerhaft zu halten und ihnen wirklich eine Hilfe zu sein, ist es aber von äußerster Notwendigkeit, ein guter Freund zu sein. Das ist man am leichtesten, indem man stabil ist. Und das ist man vor allem, wenn man mit sich selbst zufrieden ist. Natürlich heißt das, dass man immer noch nach Zielen strebt, aber um sich zu verbessern, nicht um sich mögen zu können.“

„Du magst dich nicht, aber du bist dennoch ein guter Freund.“, widersprach Katsuya ihm sanft.

„Könnte davon kommen, dass ich nicht einmal merke, dass ich mich hasse.“, zischte dieser nur mit einer Verbitterung, die der Blonde noch nie bei ihm gehört hatte, „Aber vielleicht... nein, im Endeffekt muss man mit sich selbst zufrieden sein, bevor man anderen damit helfen kann. Wie will man Selbstliebe vermitteln, wenn man sich selbst nicht lieben kann?“

„So wie du gerade?“, lenkte der Blonde ein, „Als Therapeut muss man sicherlich stabil sein. Um wirklich fundiert Hilfe zu geben, ist es sicher wichtig, dass man das, was man erklärt, selbst erstmal verstanden hat. Aber als Freund kann man Menschen helfen auch ohne dabei glücklich zu sein.“

„Aber das ich keine richtige Hilfe.“, Yami sah auf, „Was tue ich denn schon außer dich mit mir runter zu reißen? Du fühlst dich schuldig und hilflos, weil es mir beschissen geht. Dass du mich nicht sitzen lässt, um glücklicher sein zu können, ist ein wahres Wunder... das ich nicht verstehe.“

„Bei allen Göttern, warum sind all meine Freunde solche Selbsthassfanatiker? Bin ich so ein Sadist?“, der Kleinere senkte schuldig den Kopf, „Ihr verfallt unter Stress alle in dieses Verhalten, oder? Seto ist selbstbewusst, stark und kümmert sich um andere und nur ein Körnchen zu viel und ich habe ein weinendes Kind im Arm, was danach zu einem Jugendlichen mutiert, der seinen Ekel vor sich selbst an seinem Körper auslässt. Und du erst! Ich kenne niemanden, der so mutig ist wie du. Du traust dich, du wagst, du riskierst, aber sobald deine Verlassensängste einsetzen, steigerst du dich in deinen Hass hinein. Ihr seid alle so... extrem!“

„Das macht die Angst...“, flüsterte Yami kaum hörbar, „Wenn man die richtigen Knöpfe drückt, werden aus Mücken Elefanten. Und je mehr Unsicherheit da ist... desto leichter wird das Drücken.“, seine Arme legten sich um Katsuyas Schulter und der zitternde Körper schmiegte sich enger an diesen, „Tut mir Leid, dass ich dich nun auch so belaste...“

Loverboys

Big revelation! Dieses Kapitel liegt mir wirklich sehr am Herzen. Ich freue mich schon auf eure Rückmeldungen ^.^

Und ich hoffe, alle sind gut durchs Abitur gekommen! (so ihr eins geschrieben habt)
 

Warnung: Dieses Kapitel hat Potential verstörend zu sein.
 

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„Langsam wieder ruhiger?“, fragte Katsuya nach einer Weile, in der er Yami stumm im Arm gehalten hatte.

„Ja... danke...“, mit einem Seufzen löste dieser sich, rutschte hoch und lehnte sich gegen die Armlehne der Couch, während der Blonde liegen blieb, „Hast du Hunger? Oder Durst? Kann ich dir sonst etwas Gutes tun?“

„Erzähl mir, wie man sich selbst glücklich macht.“, verlangte Katsuya lächelnd und legte den Kopf gegen die Hüfte des anderen, was diesen dazu brachte ihn wieder zu kraulen.

„Fragst du ja jetzt genau den Richtigen...“, mit einem leisen Seufzen legte Yami den Kopf zur Seite, „Ich denke, sehr viel hängt von der Einstellung und den Erwartungen an sich selbst und der Umwelt zusammen. Wenn du stets den Anspruch stellst, der Beste zu sein, bist du natürlich auch andauernd enttäuscht. Man sollte wohl nicht zu perfektionistisch und selbstkritisch sein.“, er warf Katsuya einen Blick zu, „Das bedeutet auch, dass man darauf achten muss, mit wem man sich vergleicht. Wenn du meinst, dass es dein Traum ist gut in der Schule zu sein, solltest du dich nicht gleich mit Seto oder Ryou vergleichen. Fang klein an und arbeite dich voran, auch mit deinen Idolen.“

„Meinst du, es wird enttäuschend, wenn man seinen Erfolg an Typen festmacht, die fehlerlos durch Prüfungen kommen?“, der Blonde lächelte. Natürlich war dem so. Wer käme auch auf die beknackte Idee sich für minderwertig zu halten, weil er nicht hundert Prozent in jedem Test hatte? Außer vielleicht Seto und Ryou.

„Glücksgefühle werden außerdem durch Momente hervor gerufen, in denen man stolz auf sich ist oder wo man Normalität als Geschenk empfindet. Also nach bestandenen Herausforderungen oder einer schweren Zeit, durch die man es geschafft hat.“

„So wie ich nach dem Gerichtsbescheid.“, ein Lächeln legte sich auf Katsuyas Lippen, „Ich hatte das erst gar nicht realisiert, aber dann gab es immer wieder kleine Momente, wo der Gedanke plötzlich in meinen Kopf schoss und ich mich freute.“

„Leid und Schmerz können uns schwach machen.“, der Ältere klang traurig, den Blick dabei auf die Wand gerichtet, „Aber sie können uns auch unglaublich stark machen. Es kommt ganz darauf an, wie wir mit den Erfahrungen umgehen und wie wir sie beurteilen. Ob die zurück gebliebenen Spuren uns Angst und Trauer bereiten oder ob wir sie als Herausforderungen sehen, die es noch zu überwinden gilt.“

Katsuya ließ einen Moment des Schweigens vergehen, in dem er sich seine Worte zurecht legte, bevor er fragte: „Wenn du jetzt plötzlich mit der Prostitution aufhören würdest – was für Wunden würden bleiben? Wie würdest du mit ihnen umgehen?“

Wieder Stille. Er hatte auch sicher nicht direkt eine Antwort erwartet. Für so eine Antwort brauchte man sicher Zeit – erst recht, wenn man ehrlich sein wollte. Aber würde Yami überhaupt antworten? Katsuya schluckte. War das vielleicht eine dumme Frage gewesen? Es war schon irgendwie ziemlich dreist eine solche Antwort haben zu wollen, oder? Bohrte er da nicht einfach nur in offenen Wunden?
 

„Ich werde mich stets für minderwertig halten.“, flüsterte der Ältere nach einer halben Ewigkeit, nachdem die Hand auf dem blonden Schopf begonnen hatte zu zittern, „Ich werde meinen Körper auch weiterhin als Werkzeug ansehen statt als Möglichkeit gute Gefühle zu empfinden.“

Katsuya hob den Kopf und stützte den Oberkörper auf beide Arme, um sich etwas aufzurichten. Sein Blick fuhr über Yamis Gesicht, das sich von ihm abgewandt hatte. Hieß das nun, dass er es nicht mochte, wenn man ihn berührte? Oder dass er einfach gar nichts empfand? Er hob die Hand, um sanft über die Wange des anderen zu streichen und fragte: „Was fühlst du dabei?“

„Eine Berührung.“, erwiderte Yami monoton.

„Keine Gefühle?“

„Nicht wirklich.“, trotz des abgewandten Blicks hielt Yami zielsicher eine Hand vor Katsuyas Augen, die praktisch bebte, „Ich unterdrücke gerade die Bewegung meiner Hand nicht. Wenn ich die meines Körpers nicht unterdrücke, passiert dies.“, mit einem schnellen Griff war die Hand des Jüngeren gepackt und schmerzhaft verdreht, bevor sie losgelassen wurde, „Wenn ich jedoch meine Gefühle durchlasse...“

Katsuya schluckte und zog sich ein wenig zurück.

Von einer Sekunde auf die andere waren Tränen in Yamis Augen, quollen über und liefen seine Wangen hinab. Er sprach weiter: „Da hört es auf. Näher komme ich nicht. Ich sehe die Reaktionen meines Körpers, aber Gefühle habe ich dabei nicht. Ich kann nur Vermutungen anstellen, warum ich so reagiere.“

„Und was vermutest du?“, Katsuya griff hinter sich und reichte dem anderen eine Packung Taschentücher.

„Danke.“, dieser putzte sich die Nase und wischte die Tränen von seinen Wangen, „Damals...“, er säuberte noch einmal die Nase, „Damals, als ich mit der Prostitution begann... da wurde ich so angefasst.“, er schmiss das Tuch hinter sich auf den Boden, wo es nicht mehr zu sehen war, „Ich habe... ich habe weggesehen, aber... erst haben sie meine Wange gestreichelt...“, Yami schloss die Augen und sog die Luft ein, „Sie haben mich am Kiefer gepackt und mir gesagt, ich soll sie ansehen. Und ich sollte stöhnen. Ich sollte... ich musste so tun, als würde es mir gefallen. Sonst wurden sie gewalttätig.“

„Tut mir Leid.“, Katsuya senkte den Kopf, „Daran wollte ich dich nicht erinnern.“

„Kannst du ja nicht wissen.“, ein liebloses Lächeln legte sich auf Yamis Lippen, „Du warst ja nie mein Freier. Genau genommen bist du der einzige meiner Freunde, mit dem ich noch nie geschlafen habe.“

Wie unschwer. Wer außer Seto und ihm war auch wirklich als Yamis Freund zu bezeichnen? Die Liste war nicht gerade lang. Vielleicht noch Marik? Obwohl, jetzt wahrscheinlich nicht mehr. Hiroto? Nun ja... eher spärlich.

Katsuya schloss die Lider und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand die Stirn. Hatte es denn damals für Yami wirklich keine Alternative gegeben? Warum gerade Prostitution? Selbst als Bettler hätte er besser leben können. Er atmete tief durch. Die Lider hoben sich leicht. Mit einer langsamen Seitenbewegung des Kopfes drehte er sich Yami zu.
 

„Wie bist du damals in die Prostitution gekommen?“, der Rothaarige wandte sich ihm blinzelnd zu, „Ich weiß, du hattest deine Papiere nicht, aber es war sicher nicht dein erster Gedanke als Lösung Stricher zu werden.“

„Hm...“, dieser seufzte, hob seinen Blick kurz, doch wandte ihn wieder ab, „Ehrlich gesagt... habe ich damals gelogen, als ich dir das erzählt hatte.“

„Äh... hö?“, Katsuya blinzelte überrascht, „Du hast gelogen?“, ein weiterer Moment des Schweigens, „Warum das denn?“

„Weil... was genau hatte ich erzählt? Dass ich ohne Ausweis war, deswegen zum Amt gerannt bin, aber dass sie den neuen Ausweis verschickt hatten? Und dass ich nicht wusste, dass es Hilfsorganisationen gab? So etwas, oder?“

„So ziemlich genau das.“, bestätigte der Blonde, schlang einen Arm um Yami und legte seinen Kopf darauf.

„Tja... ich meine, man muss schon ziemlich blöd für so eine Aktion sein, oder?“, der Ältere schüttelte den Kopf, „Das, was wirklich geschah, zeugt von weit mehr Idiotie meinerseits. Ich war so... naiv und jung und dumm und...“, sein Gesicht verzog sich schmerzhaft, „Verdammt, es... es macht mich so unglaublich wütend... ich wollte... wenn ich ändern könnte, was damals geschah, wenn ich gewusst hätte, was ich heute weiß, wenn ich nur... nur...“

„Yami.“, sagte Katsuya nur mit ruhiger, doch leicht ermahnender Stimme.

„Ich war dumm.“, wiederholte dieser trotzdem, „Ich war wirklich, wirklich dumm. Meine Eltern mochten mich nicht, ließen mich schlecht fühlen und das war für mein damaliges Ich praktisch das Ende der Welt. Ich dachte, ich hätte wahrlich Besseres verdient.“, er schnaubte, „Ich glaubte sogar, anderen würde es besser gehen als mir. Ich war einfach nur dumm und verblendet.“

„Yami, was deine Eltern gemacht haben, war schlimm.“, stellte Katsuya klar, „Sie haben dir ebenso, wenn nicht sogar mehr weh getan als meine Eltern mir. Nur weil du nicht geschlagen oder vergewaltigt wurdest, als du dort gelebt hast, musst du nicht sagen, dass es dir dort gut ging.“

„Aber ich hatte zum Beispiel zu essen.“, argumentierte Yami und sah ihm wieder in die Augen, „Ich hatte ein Dach über dem Kopf, ein Bett und konnte zur Schule gehen!“

„Hatte ich auch, bis meine Eltern sich trennten.“, konterte der Jüngere, „Würdest du sagen, mir ging es in der Zeit gut?“

„Ich... nein...“, mit einem Seufzen wandte der Rothaarige wieder seinen Kopf ab, „Du hast wohl Recht...“

„Natürlich habe ich das.“, er streckte die Nase in die Höhe, „Und für was für eine Dummheit von damals schämst du dich heute noch so sehr, dass du sogar mich dafür angelogen hast?“

„Es... nun... weißt du, ich bin natürlich erstmal zu einem Bekannten.“, Yami hob seine Arme und verschränkte sie vor seiner Brust, „Habe mich nach einem Job umgesehen, aber nicht wirklich ernst. Er meinte, ich kann ruhig eine Runde bei ihm bleiben. Wir sind tanzen und trinken gegangen und... nun... ich habe diesen Typen kennen gelernt. Du weißt schon, gut aussehend, reich, interessiert.“, er atmete tief durch, „Praktisch Seto in nett und im Verführermodus. Natürlich war ich Feuer und Flamme. Wie konnte ich Idiot ihm schon widerstehen?“

Klang nicht so, als wäre das gut ausgegangen. Aber bis hierhin hörte es sich doch wie eine gute Partie an. Katsuya löste seine Muskeln und bereitete sich auf eine längere Geschichte vor. So direkt war ja noch nicht zu sehen, wie das zur Prostitution geführt hatte.

„Er holte mich nach seiner Arbeit ab und-“, Yami stockte, „Genau genommen weiß ich gar nicht, ob er wirklich noch irgendwo arbeitete oder es nur erzählte. Er kam auf jeden Fall immer wieder abends, nahm mich in seiner Limousine mit und lud mich zum Essen ein.“, er schnaubte, „Ich war so stolz und glücklich und fühlte mich besser als alle anderen. Ich stellte mir immer wieder vor, wie ich zu meinen Eltern gehen und ihnen ins Gesicht schmeißen würde, wie glücklich ich ohne sie war. Ich verlor echt komplett den Bezug zur Realität. Ich hechelte ihm hinterher. Ich war verrückt nach ihm. Ich erzählte ihm alles, die Sache mit meinen Eltern, meinem Bruder, meinem Ausriss.“, er schüttelte den Kopf, das Gesicht in Verbitterung und Ekel verzogen, „Ich dachte immer wieder, wie verständnisvoll er doch war. Und als er mich fragte, ob ich zu ihm ziehen wollte... ich war einfach so verblendet. So was von...“

„Jung.“, warf Katsuya ein, „Außerdem hörte sich bis hierhin nichts irgendwie verdächtig an. Eher wie die perfekte Beziehung. Bisschen zu perfekt vielleicht.“, einen Moment richteten sich die Amethyste in seine Richtung, „Mir wäre da nichts Ungewöhnliches aufgefallen.“
 

„Vielleicht.“, murmelte Yami unbestimmt, „Trotzdem, mir hätte etwas auffallen sollen. Ich meine... ich weiß nicht genau, was, aber irgendetwas... dass er mich gar nicht liebte! Dass er... ich weiß auch nicht. Manchmal war da so ein Brennen in seinen Augen. Andererseits hat Seto das auch und die beiden sind sich vom Charakter her... na ja, sie sind sich von ihrer Handlungsweise her nicht ähnlich.“, seufzend wandte er wieder den Kopf ab, „Mir hätte etwas auffallen müssen. Aber das tat es natürlich nicht. Ich zog bei ihm ein. Hmpf...“, er schüttelte den Kopf, „Ich war sogar Feuer und Flamme, als er meinte, ich habe etwas Besseres als seine schäbige Wohnung verdient. Er sagte, wir sollten zusammen etwas suchen und zusammen einrichten...“

„Er muss ziemlich viel Geld gehabt haben.“, warf Katsuya ein.

„Ja, ich hatte da auch meine Zweifel... aber er meinte, das sei kein Problem, mit einem Kredit ließe sich das alles regeln. Er würde mir die Welt zu Füßen legen... Himmel, was der alles geschwafelt hat. Und ich treudoofes Ding habe es natürlich geglaubt.“, der Ältere legte eine Hand an seine Stirn und schloss die Lider, „Ich war so blind. Selbst mir hätte damals klar sein sollen, dass etwas faul war, wenn irgendein Typ von Anfang zwanzig eine Wohnung mitten in der Innenstadt mietete. Aber ich verbrachte meine komplette Zeit mit dem Einrichten und damit ihn sehnsüchtig zu erwarten. Irgendwo in all dem Trubel hatte ich mein erstes Mal mit ihm. Das war noch auf einer auf dem Boden liegenden Matratze, weil wir noch kein Bett hatten.“

Scheiße. Es klang ja so, als wäre der Typ dafür verantwortlich, dass Yami in die Prostitution gegangen war. Wenn er mit dem sein erstes Mal gehabt hatte, hatte er auch nur einmal Sex gehabt ohne im Nachhinein nur schlecht davon zu denken?

„Wir waren gerade mal einen Monat zusammen zu dem Zeitpunkt.“, die Mundwinkel des anderen zogen sich nach unten, mit tiefen Falten, die sich hoch zur Nase in die Haut furchten, „Ich war unglaublich unsicher, ob das alles so richtig war, aber gleichzeitig fühlte ich mich schrecklich erwachsen. Ich lebte mit meinem Freund in einer Wohnung und wir hatten jede Nacht Sex. Ich vertraute ihm und ließ mich mitziehen. Er schlug andauernd irgendwelche Sexspielzeuge vor, die immer abartiger wurden. Wir gingen in Clubs und aus Cocktails wurden Aufputschmittel und schließlich Drogen. Er meinte, ich soll ruhig auch mit anderen rummachen, er nähme mir das nicht krumm. Und ich war jung und naiv und probierte das Leben aus...“

Ein typischer Jugendlicher, dem keine Grenzen mehr gesetzt wurden. Dessen Bezug zur Realität schwand, weil er nur noch einen Menschen hatte, an dem er sich orientieren konnte. Und dieser lenkte ihn in genau die Bahnen, in denen er ihn brauchte. Katsuya schluckte. Langsam konnte er sich den Rest der Story zusammen spinnen.

„Wir gingen in Swinger-Clubs. Ich trieb es mit massig Männern, sah ihm zu, wie er es mit anderen trieb und schließlich nahmen wir Typen aus Diskos mit zu uns nach Hause. Er lud Freunde ein, mit denen wir schliefen. Schließlich lud er Freunde ein, die mit mir schliefen. Er machte mir Komplimente, er machte mir Geschenke und irgendwann meinte er, dass es diesen Monat vielleicht mit der Miete knapp werden würde. Er erzählte, dass einer seiner Bekannten, mit dem wir schon geschlafen hatten, ihn gefragt hätte, ob er nicht mal allein mit mir ausgehen könnte. Er meinte, der Typ hätte ihm Geld geboten. Ob ich etwas dagegen hätte. Es wäre ja nur ein Date.“

Genau so. Katsuya schloss die Lider. Wenigstens war es nicht über Drogenabhängigkeit, Gewalt oder Erpressung gelaufen. Andererseits... machte es die Sache wirklich besser? Ob man nun ein Junkie abhängig vom Dealer war, ob man von seinem Zuhälter geschlagen wurde oder mit dem Tod der eigenen Familie bedroht wurde... oder von seinem Freund langsam in die Prostitution gedrängt. Alles schädigte das Vertrauen in die Menschheit irreperabel.
 

„Es war wirklich nur ein Date. Da waren wir gerade drei Monate zusammen. Er meinte, damit könnte ich echt was verdienen. Er hätte einen Bekannten, der würde solche Dates vermitteln. Und ich sähe aus, als hätte ich meinen Spaß daran...“, eine Träne rann über Yamis Wange, „Ich hatte mich wirklich amüsiert. Es hatte sogar Geld gegeben. Ich dachte, ich sei charmant und wunderschön und jeder wäre hinter mir her. Ich fühlte mich noch immer unbesiegbar. Ich erstickte all diese Unsicherheit und sagte mir, ich würde jetzt mein eigenes Leben leben.“

Stark. Unbesiegbar. Unabhängig. Dieses Bild, das Yami vor sich selbst hatte aufrecht erhalten müssen. Er hatte vor sich selbst nicht zugeben können, dass das alles nicht mit rechten Dingen zuging.

„Aus Dates wurden Liebeleien. Daraus Vorspiel. Daraus Sex. Ehe ich mich versah, war ich nur noch eine Hure. Arbeite in diesem Betrieb, der sich freundlich Eskortservice nannte und nicht mehr als ein Puff war. Warum sollte ich mit den Typen noch groß ausgehen, wenn wir genau so viel Geld bekamen, wenn ich nur mit ihnen schlief? Und es machte mir doch Spaß, nicht wahr? Und mein Freund war immer da und meinte, das sei voll in Ordnung, das würden viele so machen.“

Katsuya strich die Tränen von Yamis Wangen, obwohl er wusste, dass es ein sinnloses Unterfangen war. Es würden immer neue kommen. Aber andererseits hatte er keine Ahnung, wie er anders sagen sollte, was ihn das alles empfinden ließ. Wie konnte man das einen Menschen antun? Wie konnte man nur...

„Ich hatte ein schönes Zimmer im Bordell. Zwei weitere Monate und er fragte, ob es nicht umständlich war stets zur Wohnung zurück zu fahren. Außerdem seien die Straßen bei Nacht ja nicht gerade sicher. Er mache sich Sorgen um mich. Ich solle doch am besten dort bleiben und er käme mich besuchen. Ja, warum auch nicht, was?“, Yami hob seine Hand, unter denen völlig verweinte, gerötete Augen mit geweiteten Lidern zum Vorschein kamen, deren Blick sich auf die Wand richtete, „Erst kam er noch täglich. Dann hatte er natürlich immer mehr mit der Arbeit zu tun. Und es hat Monate gebraucht, bis es mir dämmerte... er kam tagsüber. War das nicht die Zeit, wo er arbeiten ging? Was arbeitete er überhaupt? Ich wurde aufmerksam... ich befragte die anderen im Bordell. Und es dauerte noch acht Monate, bis ich die Wahrheit nicht mehr vehement verneinte.“, plötzlich legte sich der Blick auf Katsuya, der als Reaktion zusammen zuckte, „Er war das, was man einen Loverboy nannte. Einen Mann, der andere verführte, bis sie für ihn anschaffen gingen. Der vorspielte der einzige und wahre Geliebte zu sein, obwohl er nichts Besseres war als ein Zuhälter. Denn alles Geld war natürlich in seine Taschen geflossen. Ich hatte anderthalb Jahre im Bordell verbracht und nicht einmal einen Personalausweis.“, er lachte plötzlich auf, als hätte der Wahnsinn von ihm Besitz ergriffen, „Genau genommen hatte ich einen! Einen gefälschten. Yami Isukara hieß ich darauf. Ich war zwei Jahre älter als ich es in Wirklichkeit war. Auch das fand ich alles nur raus, indem ich ins Büro der Puffmutter einbrach.“

Katsuya schwieg und schlang seine Arme um Yami. Nicht, nicht Yami... Atemu. Sein Name war Atemu. Zumindest steckte Atemu noch irgendwo hinter diesem Wesen, das sich Yami nannte. Yami, dem Stricher.

Umzug

Das Wetter bringt um, nicht? Andererseits sehr gut zum Cosplayen... apropos, die Dokomi war schön ^.^ Freut mich, dass ich doch gekommen bin. Nur wann ich noch für die Uni lernen soll, ist mir schleierhaft...

Es freut mich, dass das letzte Kapitel so ernst genommen wurde. Loverboys sind ein kaum bekanntes Problem in Deutschland, dem jährlich tausende von Jugendlichen zum Opfer fallen. Achtet auf euch selbst und eure Beziehungen, lasst euch nicht in Abhängigkeit bringen (z.B. für andere Leute Verträge unterschreiben) und lasst euch bitte niemals zur Prostitution zwingen, egal von wem und egal wofür.

Und nun weiter im Text, viel Spaß beim Lesen ^.^
 

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„Katsuya?“, Ryou legte den Kopf schief, „Hast du wieder schlecht geträumt?“

„Beschissen.“, erwiderte Katsuya nur und massierte seine Schläfen, „Ein Transvestit in einem roten Kleid hat mich verfolgt und mich schließlich in einem dunklen Keller eingesperrt, wo andauernd Leute runter kamen, um mit Gürteln auf mich einzuschlagen.“

„Oh...“, die Stirn des anderen legte sich in Falten, „Das ist ein echt bescheidener Alptraum.“, Katsuya zog es vor zu schweigen und nickte daher nur kaum merklich, „Irgendetwas Gutes in deinem Leben? Shizuka müsste doch die Tage aus dem Krankenhaus kommen, oder?“

„Heute.“, bestätigte der Ältere monoton.

„Super.“, die Falten glätteten sich wieder, „Braucht sie Hilfe? Sollen wir ihr vielleicht ein paar Taschen schleppen?“

Ein schmales Lächeln legte sich auf Katsuyas Lippen. Ja, sie brauchte Hilfe. Deswegen fuhr er auch nach der Schule zu ihr. Aber mit Ryou? Also, natürlich mit Ryou, aber Ryou beim Schleppen von Umzugstaschen? Wahrscheinlich könnte Shizuka mit Babybauch mehr wuchten als der Weißhaarige. Aber er war jemand mit einem guten Überblick, wenn es viel zu tun gab, könnte er sicher gut Arbeiten einteilen und Zeitpläne machen. Es befreite Katsuya von der Verpflichtung im Zweifelsfall nachdenken zu müssen, was er da eigentlich tat.

„Danke. Sie wird sich freuen.“, er sah auf und blinzelte, ob des Gesichtsausdrucks des anderen, „Was is'?“

„Das war das erste Lächeln von dir diese Woche.“, stellte Ryou fest, „Du warst die ganze Zeit ziemlich mies drauf und wirktest völlig überanstrengt. Ist schön wieder etwas anderes zu sehen, wenn auch nur kurz.“

„Sorry.“, Katsuya sank wieder ein wenig in sich zusammen, „Das Hobbypsychologenteam meint, ich hätte ein ausgebrochenes Burn-Out. Meine Aggressionen sind anscheinend eine Art von Erholung.“, er sah noch einmal zu Ryou, der interessiert den Kopf zur Seite gelegt hatte, „Tut mir Leid, dass ich zur Zeit so unausstehlich bin.“

„Ich hatte es ehrlich gesagt gar nicht mitgekriegt.“, der Blonde zog die Augenbrauen zusammen, „Dass du aggressiver bist. Dass du genervt bist, ja, aber nicht wirklich aggressiv. Also, nicht irgendwie ungewöhnlich.“

„Bist du banane?“, mischte sich Ayumi ein, die beide aufschrecken ließ, „Kats, du warst die Woche einfach nur unausstehlich! Du hast die Lehrer angemotzt, die Schüler böse angestarrt und in Sport sind wir alle vor dir weg gerannt, weil du gar keine Rücksicht auf andere genommen hast. Dass Ryou nicht schreiend davon gelaufen ist, hat mich schon gewundert.“

„Morgen, Ayumi...“, Katsuya hob eine Augenbraue, „Und wie geht es dir an diesem wunderschönen Freitag morgen?“

„Gut, danke.“, sie ließ sich nieder und grinste, „Erst recht jetzt, wo du wieder mit mir redest. Ich hatte ehrlich schon vermutet, es läge an mir.“, sie verschränkte die Arme auf seinem Pult und legte ihr Kinn darauf, „Wie war dein Ferienjob?“

Nun... wenn es damit geklärt war... Katsuya begann leicht verwirrt zu erzählen.
 

„Hey, Schwesterherz.“, der Blonde rang sich ein Lächeln ab, grüßte sogar die Zimmernachbarin und ging zu Shizuka hinüber, die ihr Buch zuklappte und in eine der drei dort stehenden Reisetaschen packte.

„Hallo, ihr Zwei.“, sie stand auf und umarmte ihn, „Danke, dass ihr gekommen seid.“

„Kein Problem.“, versicherte Katsuya, während Ryou und sie sich grüßten, „Und du bist wieder gut zu Fuß?“

„Auf jeden Fall.“, sie lächelte, „Ich habe viel geübt und schon einige Stunden Gymnastik gehabt. Ich fühle mich zwar immer noch etwas wackelig, aber ich bin ganz zuversichtlich.“, sie senkte etwas schüchtern den Blick, „Meinst du, die Familie wird nett sein? Ich bin ja nicht lang dort, aber... das ist, als bekäme ich eine Mutter auf Zeit. Irgendwie ein komisches Gefühl. Andererseits freue ich mich schon total.“

„Echt?“, Ryou legte den Kopf schief, „Ich hätte schreckliche Angst an deiner Stelle. Ich meine, die tun dir wahrscheinlich nichts Böses, aber... ich weiß nicht... ich hätte sehr viel Angst. Dass sie mich nicht mögen oder nicht annehmen oder...“

„Kann ich verstehen.“, bekräftigte Katsuya und legte Ryou eine Hand auf die Schulter, „Wenn das eine Pflegefamilie ist, heißt das, die sind eine prinzipiell normale Familie. Nur was, wenn man da nicht rein passt? Oder wenn dort Streit oder sogar Gewalt ist?“, er seufzte, „Was ist dann falsch? Man selbst oder die ganze Menschheit?“

„Man erwartet irgendwie Perfektion, nicht?“, der Weißhaarige lächelte erleichtert und sah zu Katsuya hoch, „Und man hat Angst enttäuscht zu werden.“

„Hm... so viele Gedanken habe ich mir darum eigentlich nicht gemacht.“, Shizuka blinzelte leicht verdattert, „Aber ja, sowas in der Art wohl.“, sie zog einen Zettel aus ihrer Tasche, „Herr Sarowski hat mir eine Beschreibung gegeben, wie ich hinkomme. Wir treffen ihn dort. Er kann uns hier leider nicht abholen, aber er hat mir die U-Bahn-Verbindung durchgegeben.“

Ryou nahm den Zettel und vertiefte sich sofort in die Beschreibung. Es hob Katsuyas Mundwinkel merklich – das war genau das, was er erwartet hatte. Der kleine Planer halt. Er währenddessen nahm eine der Taschen, hängte sie sich um und griff die anderen beiden mit je einer Hand.

„Nimmst du dir Isamu?“, er nickte zur Krippe, „Hast du dich schon verabschiedet?“

„Sicher.“, sie warf noch einen zweifelhaften Blick zu den Taschen, die nun alle Katsuya trug, doch lud Isamu in ihre Arme, „Können wir trotzdem am Schwesternzimmer vorbei?“, er nickte nur.

„Wi-“, Ryou merkte auf, „Lass mich dir doch etwas abnehmen, bitte.“

„Du kannst Isamu tragen, wenn er Shizuka zu schwer wird. Sie sollte noch nicht wieder schwer heben.“, der Blonde wandte sich der Tür zu und verabschiedete die Zimmernachbarin, „Und du könntest mir die Türen öffnen, bitte.“

„Uhm... okay.“, der Jüngste ging vor, „Sicher, dass das in Ordnung ist?“

„Ich bin ein guter Packesel, auch wenn ich dünn bin.“, Katsuya schnaubte, „Ich bin gut trainiert. Man sieht es nur nicht. Vielleicht sollte ich mit Seto kickboxen gehen. Ich mag seine Muskeln.“

„Ja, Herr Kaiba sieht wirklich klasse aus.“, Shizuka sah lächelnd zur Decke, „Er ist ein exzellenter Fang. Freundlich, aufmerksam, schön, erfolgreich, geldschwer... obwohl ich manchmal das Gefühl habe, dass er irgendwie gehemmt ist.“, sie sah zu Katsuya, „Als könnte er sich nicht freuen. Er wirkt immer so... kühl. Distanziert.“

„Findest du?“, ihr Bruder blinzelte überrascht, „Dabei lacht er doch so viel, wenn wir uns treffen.“

Shizuka zuckte nur mit den Schultern, lächelte und sagte im Zimmer des Pflegepersonals Bescheid. Ryou nahm die Entlassungspapiere entgegen, da er als Einziger die Hände frei hatte und Katsuya starrte auf die Wandbemalung.
 

„Theoretisch... hier.“, Ryou vergewisserte sich noch dreimal, ob die Adresse auf dem Zettel mit der des Hauses vor ihnen überein stimmte.

„Sieht okay aus.“, urteilte Katsuya nach einem Moment der Betrachtung. Ein Vorstadthaus, ganz wie das, was er mit Seto bewohnte. Zwar gab es keine vier Quadratmeter Rasen, dafür aber eine Garage. Die zwei sichtbaren Fenster waren mit Fingerfarbe bemalt und auf der Straße befanden sich verwischte Kreidezeichnungen. Ganz klar wohnten hier Kinder. Aber dasselbe hatte man von ihrem Elternhaus damals auch sagen können.

„Hm... sollen wir klingeln?“, Shizuka zog Isamu näher an ihre Brust.

Die leuchtend blauen Augen des Weißhaarigen lugten unter dem Fischerhut hervor, den er trug – der Blick dabei voll Unsicherheit zitternd, die Lider flehend erweitert.

„Uhm... würdest du klingeln, Katsuya?“, sie sah mit eben demselben Blick zu ihm auch, wenn dieser auch nicht so einen einschlagenden Effekt wie Ryous hatte. Ein kurzer Schwenk zu Isamu zeigte ihm, dass sogar dieser ihn ansah – wenn auch nicht flehend oder unsicher, sondern neugierig.

„Wie ihr meint.“, der Blonde trat vor, stellte die beiden Taschen aus seinen Händen ab, knackte beim Strecken mit seinen Schulterblättern und drückte auf die Klingel, über der auf einer Tonscheibe der Name Ishiyaku stand.

„Komme!“, hörte man von drinnen nur, bevor ein dumpfer Aufprall zu hören war, „Au! Ryouga, räum dein Spielzeug aus dem Flur!“, ein paar schwerere Schritte, wobei ganz klar ein Humpeln heraus zu hören war, bevor sich die Tür öffnete.

Vor ihnen stand eine typisch japanische Hausfrau, die Haare schwarz und mittellang, eine Schürze über Rock und Bluse und gerade an die Eins-sechzig-Grenze reichend. Ihr Blick fiel zuerst auf Katsuya, worauf sie ihr Lächeln verlor und zurück schreckte, die Tür jedoch nicht sofort wieder zuwarf.

„Guten Tag...“, sie verbeugte sich, nahm ihre Augen jedoch niemals von Katsuyas überragender Statur, „Wie kann ich ihnen helfen?“

„Einen schönen guten Mittag.“, erwiderte dieser freundlich und versuchte sie durch ein Lächeln zu beruhigen. Hatte er wirklich für einen Moment vergessen, welch ein Abschaum er in den Augen der meisten Menschen war? „Mein Name ist Katsuya Kaiba. Ich geleite meine Schwester Shizuka Kamiya und meinen Neffen Isamu Kamiya.“, er nickte zu den beiden, die sich schräg rechts hinter ihm befanden.

„Ah, ich verstehe.“, die Dame lächelte erleichtert, „Kommt doch rein, nur rein.“, sie öffnete die Tür weit und ließ sie alle in den Eingangsbereich, wo sie in für Gäste bereit stehende Hausschuhe wechselten, „Shizuka, nicht wahr?“, begrüßte sie seine Schwester, „Ich bin Yuko. Und das ist Isamu?“, lächelnd sah sie auf das Kind hinab, das Shizuka stolz präsentierte, „So ein süßes Kerlchen. Bitte kommt doch durch. Möchtet ihr gern einen Tee?“, sie winkte alle ins Wohnzimmer, wo sich die Explosion von Spielzeug, die sich auf den Flur erstreckte, fortsetzte, „Guten Tag, ich bin Yuko Ishiyaku.“, wandte sie sich an den Jüngsten.

„B- Bakura, Ryou...“, stammelte dieser mit gesenktem Kopf.

„Sehr erfreut.“, sie blieb in der Tür stehen und verbeugte sich noch einmal, „Ich hole schnell den Tee.“

Sie drei währenddessen grüßten den circa fünf Jahre alten Jungen, der stumm zu ihnen hinauf blickte und nahmen am Esstisch Platz, der einen Großteil des Raumes ausfüllte.
 

„Ich habe noch nie ein so chaotisches Haus gesehen.“, flüsterte Katsuya, während er sich umsah.

„Mama hätte uns niemals erlaubt Spielzeug liegen zu lassen.“, fügte Shizuka hinzu und streichelte Isamus Kopf, „Aber es sieht nach Kindern aus. Irgendwie mag ich das.“, ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen, „Ich denke, ich werde hier einiges über Erziehung lernen.“

„Wow...“, Ryous Augen lagen auf Shizuka, „Ich finde es toll, dass du Mutterschaft so ernst nimmst. Ich wette, Isamu wird es gut gehen.“

„Oh, ich-“, Shizuka senkte errötend den Kopf, wobei ihr Blick auf den kleinen Jungen fiel, der neben ihr stand und sie stumm ansah, „Hallo.“, er blieb stumm wie ein Fisch, „Ich bin Shizuka. Wie heißt du?“

„Ryouga.“, erwiderte der schwarzhaarige Junge.

„Und wie alt bist du, Ryouga?“

„Fünf.“, antwortete dieser ähnlich einsilbig, bevor sein Blick auf das Bündel vor ihren Bauch fiel, „Ist das ein Baby?“

„Ja, das ist mein Sohn Isamu.“, sie sah zwischen beiden hin und her, „Magst du ihn sehen?“

„Nein.“, auf das fünfjährige Gesicht legte sich Ärger, „Ich will kein neues Baby. Wenn Babys kommen, dann müssen wir Kinder gehen. Nimm es wieder mit.“

„Ryouga!“, rief Frau Ishiyaku empört, „Was redest du da?“, sie stellte das Tablett auf den Tisch, während das Kind in die Ecke rannte und sich dort verkauerte, „Ryouga, komm her zu mir.“, sie setzte sich auf halber Strecke zwischen dem Tisch und der Wand im Seiza auf den Teppich, „Komm bitte her.“

„Bitte... lassen sie ihn doch. Ich habe mich nicht angegriffen gefühlt.“, beteuerte Shizuka.

„Das muss angesprochen werden.“, erwiderte die Dame ruhig, „Darum komm bitte her, Ryouga.“

Der Junge weinte geräuschlos und sah mit zitternden Augen zu ihnen hinüber. Sein Blick wechselte zwischen Frau Ishiyaku, Shizuka und Katsuya, der das Ganze stumm mit verschränkten Armen betrachtete. Eine halbe Minute verging, bis Ryouga langsam näher kroch, mit jedem Zentimeter heftiger weinend und mittlerweile schniefend.

„Gut so.“, die Mutter lächelte und zog ein Taschentuch aus ihrer Tasche, „Erstmal Nase putzen.“, sie hielt ihm das Tuch ins Gesicht und er schnaufte laut, bevor sie Tränen und Schnodder aus seinem Gesicht wischte, „Das, was du Shizuka gesagt hast, war sehr gemein, Ryouga. Sie und Isamu brauchen für einige Zeit ein Zuhause. Sie werden acht Wochen hier bleiben. Hotaru ist nicht umgezogen, weil wir sie nicht mehr wollten oder jemand anderes ihr Zimmer brauchte, sondern weil eine Mama und ein Papa sie als ihr Kind haben wollten.“

„Ich will keine Mama!“, schrie Ryouga, „Ich will nicht weg! Bitte nicht wegschicken!“

„Wir schicken dich nicht weg, Ryouga.“, erklärte Frau Ishiyaku ruhig, „Magst du in meinen Arm kommen?“, sie hatte kaum eine Hand gehoben, da drückte sich der Junge schon gegen ihre Brust, „Du kannst so lange hier bleiben, wie du möchtest. Hotaru mochte ihre neuen Eltern, da war das für alle in Ordnung. Du wirst nicht gegen deinen Willen weggeschickt.“

„Aber Koharu wurde weggeschickt!“, Ryouga sah wieder auf, die Hände in Frau Ishiyakus Bluse verkrallt, „Er wollte nicht weg! Hat er gesagt!“

„Koharu hat allerdings auch viele böse Dinge getan.“, sie strich dem Jungen mit einer Hand über den Kopf, „Er hat viele Dinge kaputt gemacht und den anderen Kindern weh getan. Deswegen konnte er nicht bleiben.“

„Aber ich darf bleiben?“, fragte Ryouga etwas kleinlaut, „Wenn ich brav bin?“

„Natürlich.“, sie lächelte und setzte einen Kuss auf seine Stirn, „Du bist ein braves Kind, deshalb freuen wir uns, dass du hier bist.“

„Okay.“, er ließ sie los und rannte zu Shizuka herüber, „Isamu, du musst brav sein, hörst du? Dann darfst du hier bleiben.“

„Wir werden brav sein.“, versicherte die Brünette lächelnd.

Pflegefamilie

So, endlich ein neues Kapitel. Tut mir sehr Leid, dass ich für letzte Woche keins fertig gekriegt habe. Ich habe die komplette Woche mit dem Nähen meines Kostüms verbracht und wurde durch die spontane Idee "Feuerregen, du wirst Sephiroth cosplayen" leicht aufgehalten, da wir zusammen innerhalb eines halben Tages ein Cosplay geschneidert haben. Schaut euch doch die Bilder an, wir hatten viel Spaß ^.-

Und nun will ich euch nicht weiter aufhalten - ich präsentiere: Das neue Kapitel!
 

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„So... bitte.“, Frau Ishiyaku reichte auch Ryou eine Tasse Tee, bevor sie sich selbst einschenkte, „Und habt ihr gut her gefunden? Herr Sarowski hat angerufen, er wird leider erst in einer Stunde kommen und entschuldigt sich.“

„Ist kein Problem, danke.“, Shizuka zog ihre Tasse vor ihre Lippen und lehnte sich gegen ihren Bruder, „War eigentlich ganz leicht zu finden. Ryou kennt sich aus.“

„Wirklich? Lebst du schon lange hier?“, wandte sich die Dame lächelnd an diesen.

„Ah... nein.“, er zog den Kopf ein wenig ein, „Seit einem halben Jahr ungefähr. Aber ich bin vorher schon ein halbes Jahr in der Weststadt zur Schule gegangen.“, sein Blick senkte sich, „Ich habe vorhin nur die Karte auswendig gelernt. Sonst wüsste ich den Weg auch nicht.“

„Wow. Erstaunlich.“, Frau Ishiyaku lächelte, „Ich kann Karten nicht einmal lesen. Ich habe irgendwie keine Orientierung. Selbst Ryouga weiß meistens besser den Weg als ich. Er passt immer auf, dass ich mich beim Einkaufengehen nicht verlaufe.“, sie legte den Kopf zur Seite, „Ich hatte einen Schlaganfall, der muss irgendwie für diesen Ausfall gesorgt haben.“

„Oh.“, Ryou sah vorsichtig auf, „Das tut mir Leid.“

„Ach, das macht nichts.“, sie winkte ab, „Ich habe meinen Beruf aufgeben müssen, aber dafür habe ich nun genug Zeit mich um Kinder zu kümmern. Und ich habe bei weitem nicht das Gefühl, dass mir das geschadet hat. Ich glaube, ich bin weit glücklicher als früher.“, sie hob ihre Tasse, „So bin ich Pflegemutter geworden. Ich kümmere mich jetzt seit vierzehn Jahren um Kinder.“

„Da hatten sie aber sehr früh einen Schlaganfall.“, warf Katsuya ein.

„Ja, das stimmt. Ich hatte sehr viel Stress im Beruf, habe gleichzeitig geraucht und nicht auf meine Gesundheit geachtet... nun, ich habe dazu gelernt.“, sie sah zu Shizuka hinüber, „Und was hat dich hierher gebracht?“

„Hat Herr Sarowski das nicht erzählt?“, Shizuka hob Isamu an ihre Brust.

„In groben Zügen, sicher. Ich würde nur gern hören, wie du deine Situation siehst. Außer natürlich, du möchtest nicht darüber reden.“

„Uhm... nun...“, sie sah zu Katsuya auf, „Vor zehn Jahren haben sich unsere Eltern getrennt. Kats blieb bei unserem Vater und ich bei Mutter. Sie hat... viel gearbeitet. Ich habe sehr viel Zeit bei Freunden verbracht und auch öfter mal ein bisschen Blödsinn gemacht... tja... ich habe nie die Pille genommen, das Kondom ist gerissen, wir wussten nicht, was wir tun sollten, haben es ignoriert... und ich war schwanger.“, sie streichelte Isamu sanft über die Wange, „Mein Freund meinte, wir kriegen das hin, meine Mutter wollte, dass ich abtreibe... ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich konnte das nicht entscheiden. Aber... ich habe darüber nachgedacht, was das bedeuten würde, abzutreiben. Ich habe mich gefragt, wie es mir gehen würde, wenn ich das getan hätte. Und ich habe mich so schlecht gefühlt, dass... na ja, ich habe mich bei einer Freundin einquartiert, bis ich im vierten Monat war. Damit Mama mich nicht zwingen kann. Na ja... sie sagt, Isamu käme ihr nicht ins Haus. Aber ich will mich nicht von ihm trennen.“, ihr Blick sank zu Boden, „Deshalb... bin ich nun hier. Ich habe kein Zuhause mehr.“
 

„Es tut mir weh zu hören, dass deine Mutter dich in solch einer Situation heraus geworfen hat.“, Yuko lehnte sich vor, „Und dass sie ihren Enkel so ablehnt. Auch er ist ihre Familie. Mir scheint, dass sie das nicht realisiert hat.“

„Ich glaube, sie mag einfach nur keine Kinder.“, warf Katsuya ein, als Shizuka einige Momente nichts sagte, „Uns hat sie schon kaum ausgehalten. Irgendwie denke ich nicht, dass sie je welche haben wollte. Sie hat uns nur ausgehalten, nicht gewollt.“

„Habt ihr je mit ihr darüber gesprochen?“

„Ich sicher nicht.“, antwortete wieder einmal Katsuya, da seine Schwester schwieg, „Sie hat mich angeboten, damit sie nicht geschlagen wird. Danach haben wir nicht mehr viel miteinander gesprochen.“

„Wer hat sie geschlagen?“, Yuko wich verwirrt blinzelnd etwas zurück.

„Vater.“, hauchte Shizuka, „Er war... ist sehr aggressiv. Sie hat ihm Katsuya gegeben, damit er sie in Ruhe lässt.“, Katsuya behielt seine Augen starr auf seiner Schwester, um Yukos – und auch Ryous – Blick nicht zu ertragen, „Meine Güte, sie ist echt krank.“, die Brünette hielt eine Hand vor ihre Lippen, „Das wird mir erst jetzt langsam klar...“

„In ihrem Kopf läuft wirklich etwas nicht richtig.“, Yuko legte die Arme um sich, als würde sie frieren, „Es ist wahr, dass Frauen heutzutage nicht mehr so leicht zu erreichen sind. Viele gehen arbeiten und das nicht im Haus. Aber wenn solche Urinstinkte wie das Beschützen der eigenen Kinder aussetzen...“, sie seufzte, „Es erschreckt mich stets aufs Neue, was für Menschen es auf dieser Welt gibt. Und wie wenig man es ihnen oft ansieht, dass sie krank sind.“

„Manche Kranke machen gute Eltern, manche Gesunde schlechte.“, Katsuya lehnte sich zurück, verschränkte die Arme und sah zu Yuko, „Man kann ihnen ihr Verhalten nicht ansehen. Man muss schon beobachten, wie sie sich Kindern gegenüber verhalten. Nach außen hin war unsere Mutter wahrscheinlich ein Musterbeispiel. Sie hat uns nicht geschlagen, kaum angeschrieen, hat uns zum Einkaufen mitgenommen und am Wochenende gekocht.“

„Und mir gegenüber war sie eine weit bessere Mutter im Vergleich. Nach der Trennung war sie für mich da und hat die ersten paar Jahre wirklich viel mit mir gemacht.“, verteidigte Shizuka sie, „Nur danach hat sie wohl die Lust verloren...“

„Sie war nicht das Schlimmste, was man als Mutter haben kann.“, fügte der Blonde hinzu, „Nur in Kombination mit ihrem Mann war sie echt... unbrauchbar.“

„Auch Vernachlässigung ist Misshandlung.“, erwiderte Yuko sanft, „Ihr braucht sie nicht vor mir zu rechtfertigen. Ich bin sicher auch alles andere als perfekt. Ich versuche nur sie nachzuvollziehen, da ich diese Fehler nicht machen möchte.“
 

„Meinst du, du kannst hier acht Wochen bleiben?“, fragte Katsuya leise, bevor er Shizuka umarmte.

„Denke schon. Yuko ist nett.“, sie lächelte vorsichtig zu ihm hoch, „Trinken wir am Sonntag wieder Kaffee? Darf ich mit Isamu kommen?“

„Sicher.“, er setzte einen Kuss auf ihre Stirn, „Irgendwo zwischen vierzehn und fünfzehn Uhr? Und wenn irgendetwas ist, ruf mich an, ja?“

„Mach' ich.“, versicherte sie lächelnd, löste sich, doch trat wieder auf ihn zu, „Katsuya? Bitte pass' auf dich auf, ja?“, zwischen ihren Augenbrauen bildeten sich Falten, „Ich weiß nicht, was los ist, aber irgendwie... ich weiß nicht, wenn ich dich ansehe, kriege ich Angst. Ich verstehe nicht, warum. Aber irgendwie wirkst du plötzlich unheimlich. Nicht, dass man Angst vor dir, aber Angst um dich haben muss. Ich weiß nicht... du bist mir nicht böse, oder?“, sie hob unsicher den Blick.

„Nein.“, er strich mit einer Hand über ihre Haare und lächelte müde, „Ich schlafe nur schlecht in letzter Zeit. Wahrscheinlich ist es das.“, er griff einen kurzen Moment nach ihrer Schulter, bevor er los und seinen Arm sinken ließ, „Du brauchst dir keine Sorgen machen. Kümmere dich gut um Isamu und dich selbst, ja?“

„Kay...“, sie trat zurück, doch blieb auf der Türschwelle noch einmal stehen, „Katsuya?“, er legte den Kopf schief, „Ach, schon gut.“, sie schüttelte den Kopf und umarmte Ryou zur Verabschiedung, der mit Yuko zu ihnen kam, „Kommt gut nach Hause. Und nochmal danke!“

„Kein Problem.“, der Jüngste lächelte breit, „Danke für den Tee, Frau Ishiyaku.“

„Gern doch. Und nenn mich doch bitte Yuko.“

„Danke, Yuko.“, er winkte und ging zu Katsuya hinüber, „Wir machen uns dann auf. Bis Sonntag, richtig?“

„Ja, bis dann.“, ein letztes Winken, sie drehten sich um, die Tür schloss sich.

Schweigend ging Katsuya den Weg zurück, den sie hier her genommen hatten, während Ryou etwas erzählte, dem er nur mit halben Ohr zuhörte, um hin und wieder irgendeine unbestimmte Reaktion einzuwerfen.

Seine Schwester hatte Angst? Vor ihm- nein, um ihm? Weil er plötzlich eine beängstigende Aura hatte? Er seufzte unwillkürlich und richtete seinen Blick auf den Himmel, während sie gingen. Er war erschöpft. Er hatte Kopfschmerzen. Er wollte irgendetwas zerschlagen, weinen und in Setos Arme. Irgendwie war alles einfach nur... verquer. Das war eine Reaktion auf Stress, oder? Aber er hatte doch gar keinen gehabt. Nur Schule und... ach ja, Burn-Out. Weil er ja anscheinend so viel Stress gehabt hatte.

Er sah ein paar Momente zu Ryou, der noch immer fröhlich erzählte und sich nicht daran störte, dass Katsuya kaum antwortete. Was stresste ihn so? Was sorgte dafür, dass er derzeit wie eine wandelnde Leiche durchs Leben ging? Warum hatte er diese ganzen Alpträume?

„Katsuya?“

Er blinzelte und sah Ryou vor sich, der mit beiden Händen seine Oberarme fest umklammert hielt und ihn mit hilfesuchenden Augen ansah.

„Bist du wieder da?“

„Öh... ja.“, er sah sich um, „Was ist denn?“

„Du warst so weit weg mit deinen Gedanken. Du hast dich nicht einmal mehr bewegt.“, der Kleinere ließ ihn los und zog die Arme an seinen Körper, „Das waren Dissoziationen, richtig?“

„Ah... ja.“, Katsuya kratzte sich hinten am Kopf, „Sorry, dass ich dir Sorgen gemacht habe. Ich habe gar nicht gemerkt, wie ich abgeschweift bin.“, er trat neben Ryou, legte einen Arm um seine Schulter und zog ihn weiter, „Ich bringe dich noch nach Hause und werf mich dann bei mir ins Bett, denke ich.“
 

„Katsuya?“, Seto öffnete die Tür und warf einen Blick hinein, „Ah, da bist du.“, er kam heran und ließ sich auf der Bettkante nieder, „Alles in Ordnung mit dir?“

Eine Hand strich sanft über Katsuyas Schläfe. Der Blick, mit dem er den Älteren verfolgt hatte, wurde von der Lidern verdeckt, die zu flatterten. Er rückte etwas, um seinen Kopf auf Setos Bein zu betten.

„Bin nur müde... die Alpträume sind blöd.“, er drückte seine Stirn sanft in Setos Seite, „Legst du dich zu mir?“

„Sicher.“, die große Hand legte sich auf die Seite seines Gesichts, „Ich werde kurz die Einkäufe auspacken, dann komme ich wieder, ja? Ist das in Ordnung?“

„Kay... bis gleich...“, er nahm verschwommen wahr, wie er zurück auf das Kissen gelegt wurde und Seto das Zimmer wieder verließ.

Er erwachte wohlbehalten, weich und warm. Da war keine Frage, wo und wann er sich befand, was er hier machte und warum er noch am Leben war. Im Moment, wo sein Bewusstsein einsetzte, wusste er, dass er sich an Seto drückte, den Kopf auf seine Brust gelegt und gehalten wurde von dem Arm um seinen Rücken. Es roch und schmeckte nach Heimat.

„Katsuya?“, in Setos Stimme lag Sorge, „Was ist denn?“

„Hm?“, seine eigene klang rau und vertrocknet, „Was’n?“

„Du weinst.“, der Rücken eines Daumen fuhr über seine Wange, verwischte eine Tränenspur und rieb sie in seine Haut, „Hast du wieder schlecht geträumt?“

„Hrn?“, Katsuya richtete sich ein wenig auf, betrachtete die dunklen Flecken, die er auf Setos Oberteil hinterlassen hatte und schüttelte den Kopf, „Uh-uh...“, er fuhr sich fahrig über die Wangen, „Was...“

„Schon gut.“, Seto strich mit einer Hand über sein Haar, legte sie in seinen Nacken und zog den Kopf wieder an seine Brust, „Ruh dich aus, Kleiner.“, der Griff des Arms um seinen Rücken festigte sich wieder, „Ist okay...“

Katsuya schluchzte auf. Heißer Schmerz zog wie ein Riss durch seine Brust, brannte sich durch seine Knochen und ließ seine Lungen kochen. Jeder Atemzug ließ ihn aufflammen, jedes Hicksen, Schluchzen, jeder Schrei, bei dem sich sein ganzer Körper verkrampfte. Tränen schossen unter seinen Lidern hervor, gruben Schluchten in seine Wangen, hinterließen einen heißen Film, der zu Krusten erstarrte.

„Ist okay... ist okay...“, flüsterte Seto leise, drehte sich zu ihm, schlang beide Arme um den zitternden Körper und drückte sein Kinn gegen dessen Kopf. Alle weiteren Worte gingen in den Schreien unter, die Katsuya noch immer ausstieß.

Eine halbe Ewigkeit später erschlaffte dessen Körper und von einer Sekunde auf die andere verließ ihn jedes Gefühl und jede Wahrnehmung.

Betturlaub

Ich wurde vor wenigen Minuten eingeladen, deswegen lade ich jetzt schnell noch Kapitel hoch und mache mich dann fertig. Meine Gäste warten draußen schon. Daher beantworte ich die Kommentare auch, wenn ich wieder da bin - was vermutlich morgen sein wird *pfeif*

Viel Spaß beim Lesen ^.^
 

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„Mor’n...“, murmelte Katsuya verschlafen, gähnte und streckte sich, während er in die Küche tapste und im Schneidersitz auf seinem Stuhl Platz nahm, „Ich bin so müde...“

„Wirklich?“, Seto sah von seiner Zeitung auf, „Dabei hast du über zwölf Stunden durchgeschlafen.“

„Hab’s vielleicht übertrieben...“, mit einem Brummen stützte er seinen Kopf auf seinen rechten Arm und griff mit dem Linken nach der Müslipackung, „Und du?“

„Ich kann nicht klagen.“, der Ältere nippte an seinem Kaffee, „Hast du schon irgendeine Planung für heute? Oder Wünsche?“

„Hm... oh ja. Samstag. Und ich arbeite nicht mehr.“, Katsuya lehnte sich zurück, „Was macht man denn als normaler Schüler an Samstagen?“

„In eine Paukschule gehen.“, auf Setos Lippen legte sich ein leicht sadistisch angehauchtes Lächeln, „Oder lernen. Oder Hausaufgaben machen. Oder den Unterricht für die nächste Woche vorbereiten. Oder-“

„I got the idea, thank you very much.“, Katsuyas Lider verengten sich zu Schlitzen, während sich ein Mundwinkel zur Seite zog, „Und was macht man, wenn man kein lernbesessener Freak ist?“

„Man könnte seinen Freund auf ein Date einladen.“, schlug der Ältere lächelnd vor, „Oder einen entspannenden Tag zuhause verbringen und sich von seinem Freund massieren lassen.“

„Das klingt doch schon weit besser...“, zu seinem Müsli gesellte sich Milch, bevor der er sich darüber her machte, „Und wasch ischt da auscher einer Maschasche drin?“

„Man spricht nicht mit vollen Mund.“, Setos Gesichtsausdruck verzog sich, „Ehrlich, ich habe dir bessere Manieren beigebracht. Was deine Frage betrifft, so haben wir einige gute Bücher in diesem Haus und ein Auto vor der Tür, mit dem sich sicher Ausflüge planen lassen.“

„Alles klar.“, der Löffel wurde wieder ins Müsli getaucht, doch diesmal sprach er, bevor er aß, „Dann werde ich eine Runde zocken.“

„Und natürlich könntest du etwas zeichnen.“, fuhr der Andere fort und ignorierte den Kommentar, „Außerdem habe ich gestern einfach mal recht zufällig ins Regal gegriffen und Zutaten eingekauft. Ich weiß nicht, ob du etwas daraus machen kannst, aber ich habe alles mitgenommen, was interessant aussah.“

„Uhm... kay...“, Katsuya hob eine Augenbraue, „Interessante Art einzukaufen. Wo finde ich die Sachen?“, ihm wurde der Weg zu einem der Küchenschränke dirigiert, „Lass mal sehen... Artischocken? Taschenkrebsfleich... Marshmallows?“, er warf einen Blick über die Schulter, „Dinge, die du interessant fandest?“, er packte weiter aus, „Was ist...“

„Pitaya. Ich habe noch nie so teures Obst gesehen. Also habe ich es gekauft.“, erklärte Seto mit völligem Ernst in der Stimme.

„Sind die nicht normalerweise rot?“, Katsuya rollte die gelbe handgroße Frucht unter seinem Blick, „Na egal. Eine Dose Kokosnussmilch, eine Tube... dir ist schon klar, dass man das zur Dekoration von Kuchen verwendet, oder?“, ein weiterer Blick über die Schulter, „Und Rinderzunge... daraus soll ich etwas zu essen machen? Und das soll schmecken?“

„Ich vertraue auf deine Kochkünste.“

„Prost Mahlzeit...“, er hob eine Packung Kondome mit Schokoladengeschmack hoch, „Die sollen auch rein?“

„Die sind für den Nachtisch.“, Katsuya verdrehte nur die Augen.
 

„Seto?“, Angesprochener brummelte etwas Unverständliches und ließ sich weiter kraulen, „Du wirst langsam schwer.“, ein unfriedvolles Brummen, „Doch, du wirst jetzt runter gehen.“, Katsuya gab ihm einen Stoß gegen die Schulter, was jedoch keine Reaktion hervor rief und stemmte den Größeren daher hoch, um unter ihm hervor zu robben, „Walross.“

„Gar nicht...“, murrte Seto, griff mit einem Arm blind nach seinem Freund und zog sich wieder an ihn, „Du hast viel zu viel Energie. Gegen Stress hilft Entspannung...“

„Dafür, dass du zu Beginn unserer Beziehung im Bett praktisch kalt wie ein Fisch warst, bist du ziemlich kuschelbedürftig geworden.“, mockte Katsuya ihn lächelnd und begann erneut ihn zu kraulen.

„Ich habe die Vorteile einer festen Beziehung erkannt...“, der Andere griff nach seiner freien Hand, zog sie zu sich und küsste ihren Verlobungsring.

„Na wunderbar. Heißt das, du klebst mir jetzt längere Zeit an der Backe?“, Katsuya versuchte fies zu grinsen, doch gab es auf, da Seto nicht zu ihm auf sah.

„So sexgeil bin ich nun auch nicht.“, dieser griff um ihn herum und kniff in seine Backe, „Ich klebe lieber komplett an dir.“

„Zumindest muss ich dann nicht mehr auf mein Gewicht achten. Davon habe ich dann fraglos genug.“, der Blonde schnappte sich die Hand, die schamlos einfach mal auf seinem Hintern geblieben war.

„Aber, aber, dann umso mehr.“, die Hand legte sich dafür auf seinen Bauch, „Schließlich trägst du für zwei, mein schwangeres Eheweib.“

„Idiot.“, Katsuya drehte sich mit Kraft zur Seite, warf Seto dabei auf dessen Rücken und sich selbst auf ihn, „Ich glaube, du vermisst da schmerzlich etwas zwischen deinen Beinen, wenn du glaubst, ich wäre eine Frau.“

„Oho? Da habe ich mit plötzlicher Gewalt zu tun...“, der Untere hob eine Hand zu seiner Stirn und spielte eine in Ohnmacht fallende Jungfrau, „Wie unheimlich männlich... mit Betonung auf unheimlich.“

„Boah, du-“, Katsuya schloss seinen Mund und ging in einen tätlichen Angriff über, indem er Setos Seiten kitzelte.

„Hey!“, dessen Beine flogen in die Luft und schlangen sich um Katsuyas Hüfte, während er versuchte nach dessen Handgelenken zu greifen, „So geht das hier aber nicht, Jungchen.“

„Nenn mich nicht Jungchen, du Dino.“, Katsuya befreite seine Hände jedes Mal wieder und griff erneut an, „Wer ist denn hier schon fast dreißig?“

„Besser dreißig als noch ein Teenager.“, Seto schaffte es seine Handgelenke zu greifen, „Ha! Größer, stärker und weit erfahrener. Das sind die Dreißiger.“

„Warte zehn Jahre und du wärst froh so alt wie ich zu sein. Ich werd' dich sowas von auslachen, wenn du mit einem Hexenschuss im Bett liegst.“, der Jüngere ließ sich nach vorne fallen, presste damit dem Unteren die Luft aus den Lungen und setzte einen Kuss nach, „Und dann hast du Falten und jammerst über deinen Rücken...“

„Und dann muss ich armes Ding mich im Bett verwöhnen lassen, hm?“, Seto ließ mit seiner Beinklammer etwas locker und kreiste mit dem Becken, „Dann zeig doch mal, was für Muskel du in zehn Jahren so haben wirst...“

„Schwerenöter...“, meckerte Katsuya nur, doch ging auf die Herausforderung ein.
 

„Seto?“, wieder einmal lagen sie halb neben-, halb aufeinander auf dem Bett und Katsuya kraulte durch Setos Haar, während dieser mit einem Brummen antwortete, „Du bist doch schwul, oder?“

Der brünette Kopf hob sich etwas, die verschlafenen Augen fragend blinzelnd, bevor ihr Besitzer leise meinte: „Ja... ?“

„Sag mal, würdest du mich auch lieben, wenn ich eine Frau wäre?“, eine dunkelbraune Augenbraue hob sich, zweimaliges Blinzeln, Setos Stirn legte sich in Falten, „Ich meine, rein prinzipiell.“

„Rein prinzipiell habe und werde ich nicht darüber nachdenken, weil du keine Frau bist. Hast du immer noch Angst, dass ich dich nur wegen deines Körpers mögen würde?“

„Ach was, nein. Das kam mehr aus... weiß nicht. Ethisch-philosphischen Überlegungen?“, der Blonde legte den Kopf schief, „Ich meine, ist Liebe etwas Universelles? Oder Spirituelles? Oder eine rein körperliche Reaktion?“

„Glaubst du daran, dass wir eine Seele besitzen, die von unserem Körper unabhängig sein kann?“, fragte Seto zurück, worauf der Untere nach einem Moment den Kopf schüttelte, „Dann ist es eine rein körperliche Reaktion. Weil es außer dem Körper nichts gibt, mit dem man Liebe empfinden kann.“

„Hm... macht auffällig Sinn. Und wenn ich nun an das Konzept der Seele glaube?“, Katsuya verschränkte die Arme hinter dem Kopf, um den auf eine Hand Gestützten besser ansehen zu können.

„Dann ist das – wie du sagst – eine Frage des Glaubens. Und somit individuell. Es macht keinen Sinn diese Frage für alle klären zu wollen, wenn sich nicht einmal alle einig sind, dass es so etwas wie eine Seele gibt.“, Seto machte es sich wieder auf Katsuyas Brust bequem, „Und wie bist du nun darauf gekommen?“

„Nun... wenn Liebe etwas rein Körperliches ist, dann ist das doch irgendwie durch Hormone und Nervenverschaltungen geregelt, nicht?“, der Ältere brummte zustimmend, „Dann müsste man Liebe theoretisch künstlich hervor rufen können. Genau genommen jedes Gefühl. Man könnte über Elektrochips und Hormongaben jedes Verhalten hervorrufen, oder?“

„Theoretisch und praktisch ja. Es ist bereits möglich Roboter nur mit Gedanken zu steuern. Für Bewegungen ist das bereits möglich. An Gefühlen sind sie auch gerade dran. Zum Beispiel bei schwerst Depressiven arbeitet man mit Elektrostimulatoren, die ins Gehirn gepflanzt werden.“, Seto sah zu ihm auf, „Die Medizin hat ein paar interessante Teilbereiche.“, ein Mundwinkel hob sich, „Letztens las ich, dass man die Hirne abgetriebener Föten zur Behandlung von Parkinson benutzt.“

„Irks! Hör auf!“, Katsuya drückte ihn von sich runter und schwang sich vom Bett, „Das ist ja ekelhaft. Ich meine... ne, ey. Ich geh duschen.“

„Medizinische Zeitungen sind so interessant wie sie erschreckend sind.“, der Ältere legte sich wieder auf seine Seite und sah Katsuya hinterher, „Kommst du wieder?“

„Nach dem Duschen.“, entschied dieser, „Ich nehm' mein Bad. Vielleicht nimmst du deins? Und beziehst das Bett neu?“

„Hat das am Wochenende Sinn?“, scherzte Seto.
 

„Wow. Highspeed.“, Katsuya betrachtete erstaunt das frisch gelüftete Zimmer, wo Seto das Bett komplett neu bezogen, den Müll weggebracht und aufgeräumt hatte – während eben dieser ihm im Bademantel mit duftender Haut von hinten umarmte, „Hast du wirklich auch noch geduscht oder ist das eine gute Täuschung?“

„Du bist mein Ein und Alles, mein Augenstern, ich tue alles, um dein Glück zu gewährleisten...“, säuselte Seto, trug dabei allerdings ein reichlich abfälliges Grinsen, „Oder anders... ich habe brav alles getan, was du wolltest. Was ist meine Belohnung?“

„Du kannst unmöglich noch mehr Sex wollen, oder?“, die Stirn des Blonden legte sich in Falten, „Hm... ich weiß was. Du hast doch nichts zu tun, oder?“

„Ich ahne Schlimmes...“

„Model für mich!“, er wandte sich breit lächelnd dem Anderen zu, „Ich soll doch mehr zeichnen, nicht? Ich möchte dich zeichnen!“

„Du musst nicht zeichnen, wenn du nicht willst, nur-“

„Model!“, unterbrach Katsuya ihn aufgeregt und sah zu Seto auf.

„Von einem Hundeblick in die Knie gezwungen...“, der Brünette schüttelte den Kopf und wandelte zum Bett hinüber, „Wie wünscht du mich denn?“

„Moment, ich hole meine Sachen!“, er düste aus dem Zimmer, ließ Seto stehen und schnappte sich sein Kunstzeug, „Noch da?“

„Ja, ja...“, der Ältere lächelte amüsiert, „Ich renn' dir schon nicht weg. So dringend will mein Buch mich wahrscheinlich nicht wiedersehen.“, er lehnte sich gegen einen der Bettpfeiler, „Und was darf es nun sein?“

„Nun...“, Katsuya legte seine Sachen ab, trat heran und stellte Seto vor das Bett, „Kannst du dich bequem an diesen Pfeiler lehnen?“, er trat kurz einen Schritt zurück, „Warte, ohne den Bademantel... oder fast ohne.“, er löste die Kleidung von Setos Brust, sodass sie bis zum Taillengurt fiel, „Sehr gut. Noch mal anlehnen. Stehst du so gut?“, ein Nicken, „Gut... jetzt die Arme verschränken. Aber stolz. Nicht ablehnend.“

„Äh... wie bitte?“, der Ältere hob beide Augenbrauen.

„Fass mal mit links an den Oberarm, knapp über dem Ellbogen... genau. Und die Rechte von unten an den linken Ellbogen. Exakt... jetzt den Daumen hier auf diesen Muskel...“, Katsuya zog und zupfte an Seto herum, „Die Beine verschränkt. Etwas tiefer sinken lassen. Zieh die Schultern noch etwas zurück. Das Kinn senken. Blick heben. Stell dir vor, du bist eine Raubkatze, die Beute gesichtet hat, aber versucht harmlos zu erscheinen. Du bist attraktiv. Du bist dunkel und mysteriös und du weißt es. Du bist ein Vampir, der seine Opfer zu sich zieht, obwohl sie wissen, dass sie nur ein grausamer, schmerzvoller Tod erwartet. Du forderst Aufmerksamkeit und Bewunderung... verstehst du?“

„Ich... versuche mal diese philosophische Tiefe zu verkörpern.“, Seto grinste kurz amüsiert, bevor er voller Ernst die beschriebene Position einnahm.

Katsuya schritt zu seinen Sachen, wandte sich um und stockte. Er schluckte, bevor er hervor stotterte: „Du... du siehst unglaublich gut aus... ähm, sorry. Ich such mir einen Platz.“

Er ließ sich nieder, rutschte noch etwas hin und her, doch begann schließlich zu zeichnen. Wehe, das würde kein Meisterwerk werden. So viel war er dieser göttlichen Gestalt schuldig...

Komposition

Samstag ist Prüfung! Prüfung! Hilfe! Helft mir! Also, nein, das geht nicht, aber bitte drückt die Daumen. Bitte! Hilfe! Erbarmen!

Waaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaargh!
 

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„Was ist denn hier passiert?“, Yami blieb im Türrahmen stehen, blinzelte und sah sich um.

„Hey, Yami!“, Katsuya sah kurz auf und winkte, „Ich räum' gleich auf. Muss nur noch eben das hier zu Ende zeichnen.“, er beugte sich wieder über das Blatt und setzte weitere Striche.

„Das Wohnzimmer ist seit gestern Abend Sperrgebiet.“, erklärte Seto, der hinter Yami aufgetaucht war, „Seine Kreativität ist plötzlich explodiert. Seitdem wage ich mich nicht mehr hier rein.“, er legte eine Hand auf dessen Schulter, „Komm, lass uns in der Küche warten.“

„Nee...“, der Rothaarige grinste, „Störe ich deine Kreativität, wenn ich hier durch gehe?“, Katsuya gab erst gar nicht eine Antwort, „Cool...“

Sehr gut, sehr gut... er musste nur noch mit dem Achter den Schatten verstärken und die Kontur der Wange nachziehen. Mit dem kleinen Finger wischte er kurz unter einer gezeichneten Haarsträhne her, richtete sich auf und betrachtete die Zeichnung. Ja, doch... annehmbar.

„Yami?“

„Hm?“, meldete dieser sich von schräg hinter ihm, was Katsuya aufschrecken ließ, „Sorry, ich hatte mich umgesehen. Wunderschöne Bilder. Was brauchst du?“

„Haarspray.“, der Blonde hielt ihm die Hand entgegen, „Wir haben keins.“

„Klar.“, Yami griff in seine Handtasche, „Ich hab' aber nur die kleine Flasche. Ich weiß nicht, wie lang die reicht.“

„Passt schon.“

„Katsuya?“, sie sahen beide zu Seto, der im Türrahmen stehen geblieben war, „Nicht im Wohnzimmer, ja?“

„Was?“, Angesprochener blinzelte und sah sich um, bis sein Blick auf seine Hand fiel, „Ach so, Haarspray? Nein, nein, keine Sorge.“, er nahm das Bild vor sich mit einer Hand auf und tappste Richtung Tür, „Ich mach's draußen. Tretet mir nicht auf die Bilder, ja?“

„Wohl kaum...“, sein Freund machte ihm Platz, „Vorsicht mit dem Wind. Es hat letzte Nacht geregnet, nicht dass dir deine Bilder fliegen gehen.“

„Thanks.“, auf Setos Höhe blieb Katsuya stehen und wandte sich kurz zu ihm, „Kuss?“, den bekam er natürlich, sodass er lächelnd weiter ging, um draußen das erste Bild einzusprühen.

Nach und nach holte er eine Zeichnung nach der nächsten und sprühte sie ein, bevor er sie wieder im Wohnzimmer auslegte – diesmal geordnet, sodass ein Teil wieder begehbar wurde. Jedes Bild lief dabei natürlich mehrfach an den beiden Älteren vorbei, die ihn reich komplimentierten – und in Setos Fall auch kritisierten, aber das war okay. Er hatte einen wirklich scharfen Blick, mit dem er viele positive, aber auch viele negative Seiten bemerkte.

„Und wie lange hast du mit all dem verbracht?“, fragte Yami irgendwann nach.

„Öhm... irgendwann gestern hab' ich angefangen. Seto?“

„Gegen fünf. Und dann die Nacht durch.“, der Brünette verdrehte die Augen, „Und vorher hat er noch ein Portrait von mir gemacht.“, ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, „Stell dir vor, das gefällt mir ziemlich gut. Obwohl ich das Model bin.“

„Obwohl du...“, Katsuya wandte sich zu ihm um und stemmte die Hände in die Hüften, „Mit was kommst du jetzt? Dass du zu fett bist? Glaub' mir, wenn du mich nur einmal fragst, ob ich deinen Hintern zu fett finde, setzt es was.“

„Wieder einmal... Gewaltandrohungen in der Beziehung.“, Seto hob die Hand vor sein Gesicht, „Ich fühle mich so missbraucht. Was soll ich nur tun?“

„Der Typ ist so eine Mimose.“, Katsuya schüttelte den Kopf und wandte sich Yami zu, „Seit gestern spielt er den sterbenden Schwan. Mein kalter Drache wird zur kuscheligen Tunte.“, er schritt zu Seto hinüber und küsste ihn auf die Lippen, während er seinen Arm um dessen Schultern schlang, „Wer ist noch mal in der Identitätskrise?“

„Ich passe mich dir an.“, der Andere grinste, „Derzeit bist du so dominant... ich mag das unerwartet gern.“, er legte seine Arme um Katsuya, „Und ich habe Spaß daran mitzuspielen.“
 

„Ich geh!“, rief Katsuya auf das Klingeln der Haustür und rannte zu dieser.

„So viel Energie...“, Yami lächelte zu Seto hinauf, „Ist es schwer ihn beschäftigt zu halten?“

„Ach was, gar nicht.“, dieser lehnte sich mit dem Rücken gegen den Türrahmen, „Der Junge kann sich gut allein beschäftigen. Obwohl ich auffällig weniger Bücher lese als sonst und stattdessen mehr mit Menschen kommuniziere.“

„Das sagst das, als wären wir eine abnormale Spezies.“, meinte Yami im Hintergrund, während Katsuya Noah begrüßte, der Shizuka und Isamu auf dem Weg eingesammelt hatte. Sie tauschten ein paar Worte, bevor sie wieder in die Küche traten.

„Ich kann auf sie nicht zugreifen.“, meinte Seto gerade, als sie rein kamen, bevor eine weitere Orgie an Begrüßungen ausbrach.

„Auf was kannst du nicht zugreifen?“, fragte der Blonde durch das Chaos.

„Nichts Wichtiges.“, Seto ging zur Theke und füllte Kaffee in eine Isolierkanne, „Könntest du bitte neue Milch aus dem Keller holen?“

„Sicher.“, na, wenn’s nicht wichtig war – Katsuya ging zur Tür am Treppenaufgang und runter in den Keller. Eine Packung Milch, vielleicht die Tüte Kekse... beides unter einen Arm geklemmt machte er sich wieder auf nach oben.

Das war echt eine rege, bunte Truppe. Mit einem schiefen Lächeln schüttelte er den Kopf. Seto und Noah hatten die Köpfe zusammen gesteckt und warfen mit Fachwörtern um sich, die für ihn völlig unverständlich waren. Shizuka erzählte von der Pflegefamilie, während Yami ihr Tee einschenkte und Isamu blubberte auf ihrem Arm.

„Sie war ganz erstaunt, dass ich noch nie Drogen genommen hatte. Und wenig Alkohol trank. Einen Moment lang wirkte es glatt, als würde sie mir das nicht glauben.“, meinte seine Schwester gerade, „Ich weiß, es steht eine Menge Schlechtes über Kids in den Zeitungen, aber ist das so unglaubwürdig, dass die meisten ganz gut auf sich achten können?“

„Bedenke ihre Situation.“, warf Yami ein, „Sie trifft nur Kinder, die meist gerade aus schweren Missbrauchssituationen kommen. Die meisten Jugendlichen mit der Vorgeschichte haben vielleicht wirklich Probleme mit abhängig machenden Substanzen.“, er legte eine Hand an sein Kinn und lehnte sich zurück, „Teenieschwangerschaften gehen meist mit wenig Geld, wenig Bildung und Substanzmissbrauch einher. Und körperlicher Reife, aber das ist wohl ein anderes Thema.“

„Echt?“, Shizuka legte den Kopf schief, „Ich dachte, das wären eher so die, die dann abtreiben.“

„Wenn sie es schaffen innerhalb der ersten drei Monate den Psychologentermin und die Abtreibung selbst unterzubringen, eine Erlaubnis der Eltern zu bekommen und die vierhundert Euro aufzutreiben, vielleicht, ja. Aber wenn bei jungen Mädchen mal zwei Monate die Tage ausbleiben, denken sich die meisten nichts dabei. Und ab dem vierten Monat ist es zu spät.“, der Ältere zuckte mit den Schultern, „Die meisten jungen Mädchen finden den Gedanken Mutter zu sein auch nicht schlecht. Sie werden ihre Kinder erst Leid, wenn sie dann da sind. Und viele Religionen verbieten Abtreibung. Das ist auch so ein Problem. Ich meine, was würdest du sagen, wie viele Mädchen in deiner Klasse Abtreibung für Mord halten?“

„Oh, ziemlich viele...“, Shizuka nickte bestimmt, „Das war echt ein Dilemma. Als heraus kam, dass ich schwanger bin, ist eine riesige Diskussion ausgebrochen. Und unser Religionslehrer meinte unbedingt Abtreibung als Thema behandeln zu müssen, als er davon erfuhr. Zeitweise hatte ich echt Angst zur Schule zu gehen... andauernd meinten irgendwelche Lehrer mich zur Seite nehmen zu müssen, um mir zu erzählen, was sie denn davon denken und halten.“, sie seufzte, „Und alle haben geflüstert. Immer, wenn sie mich sahen. Das war echt beschissen. Bei allen Göttern, wie die mich in der neuen Klasse angesehen haben... ich meine, ich war im achten Monat, ich war kugelrund. Ich dachte mir ja, dass sie sich die Mäuler zerreißen, aber... das war heftig.“
 

„Ab wann wirst du denn wieder zur Schule gehen?“, fragte Katsuya nach, der sich zu den Dreien gesetzt hatte.

„Nun... theoretisch könnte ich das ab morgen...“, murmelte Shizuka, „Yuko kann auf Isamu aufpassen und ich habe dieses Gerät, um Milch für ihn da zu lassen... aber...“, sie sah auf mit einem verdächtigen Glänzen in den Augen, „Ich... was wenn... was werden die aus meiner Klasse sagen?“

„Was haben sie vorher gesagt?“

„Dass...“, Shizuka wandte den Blick ab und betrachtete Isamu, „Na ja... eigentlich nichts. Sie haben über mich geflüstert. Ein schamloses Flittchen... und dass ein Gönner mir das Kind gemacht hat. Dass ich eine Prostituierte sei und... na ja, so etwas halt. Ein paar der Mädchen haben mich sogar gefragt, warum ich schwanger sei, aber ich weiß nicht, ob sie mir geglaubt haben. Ryouji ist sowas wie der Star der Schule... keiner wollte glauben, dass er etwas mit mir angefangen hat, obwohl wir Monate zusammen waren...“

„Was ist das denn für eine Scheißbande?“, Katsuya verzog das Gesicht, „Das ist ‘ne schlimmere Meute als meine Klasse. Und die sind schon Idioten.“

„Kats... es sind Kinder...“, versuchte Yami ihn zu beschwichtigen.

„Die sind so alt wie Ryou. Teilweise sogar älter. Sie dir den Unterschied mal an.“, der Blonde klopfte mit zwei Fingern auf den Tisch, „Ich weiß, dass Ryou sicher keinen Durchschnitt für sein Alter darstellt, aber einen Hauch dieser Vernunft kann man erwarten, oder? Oder nimm Shizuka.“, er wies mit einer Hand auf seine Schwester, „Sie ist ein sehr vernünftiges Mädchen. Sie würde sich niemals so dreist verhalten.“

Yami wich blinzelnd etwas zurück, bevor er den Kopf schief legte und meinte: „Das klang verdächtig nach Seto.“

„Eine Stimme der Weisheit und Erfahrung.“, Katsuya spürte eisblaue Augen auf seiner Haut brennen, „Aber es stimmt doch, oder? Mit fünfzehn und sechzehn ist man ein Jugendlicher, kein Kind. Man ist ein halber Erwachsener. Also sollte man sich auch so verhalten können.“

„Du machst mir ein wenig Angst, wenn du wie ein Typ von Mitte vierzig redest.“, Yami hob eine Augenbraue, „Vor drei Monaten warst du achtzehn. Hast du dich da wie ein Erwachsener verhalten?“

„Ich bin auch kein Durchschnitt.“, warf der Andere sofort ein, „Nimm dir einen Menschen mit normaler psychischer Entwicklung.“

„Okay, dann anders...“, der Ältere verschränkte die Arme, „Wie viele normalen Erwachsen würden sich die Chance entgehen lassen sich das Maul zu zerreißen?“

„Wie- äh...“

„Wir sind doch nicht besser. Wir urteilen über andere. Wir schwätzen. Wir regen uns auf, wie andere leben, wie sie sich verhalten, was sie denken... wir sind nicht anders. Wir sind da auch normal.“, er seufzte, „Ist es da ein Wunder, wie Kids sich verhalten? Sie sind doch nur ein Spiegelbild unseres eigenen Verhaltens. Sie lernen, was sie zu tun haben, von uns.“

„Aber... aber...“, Katsuya zog den Kopf ein wenig ein.

„Gesellschaftliche Normen werden von der Gesellschaft gesetzt. Was wir nicht verdammen, werden auch Kinder nicht verdammen. Und wir verdammen unter anderen schwangere Jugendliche als nicht fähig Kinder großzuziehen und Mädchen, die früh Sex haben, als unmoralisch. Wir sagen, dass illegitime Kinder nicht gerade eine gute Sache sind und dass sie zwei Elternteile zum Aufwachsen brauchen. Verschiedenen Geschlechts, versteht sich.“, Yami zuckte mit den Schultern, „Auf Grundlage dieser Vorurteile haben sich auch Shizukas Klassenkameraden eine Meinung gebildet.“
 

„Aber... aber...“, Katsuya fuhr auf, „Das ist absolute Scheiße!“

„Katsuya...“, murmelte Seto warnend und senkte den Kopf ein Stück, sodass sein Blick wirkte, als würde er seine Beute fixieren.

„Sorry... aber das ist einfach nicht fair. Man kann Leute doch nicht einfach so abstempeln. Die Situation eines jeden Menschen ist einzigartig. Wie kann man sich eine Meinung bilden, wenn man nicht alle Fakten kennt?“, Katsuya trat missmutig gegen seinen Stuhl.

„So wie du gerade. Wer weiß? Vielleicht haben sie ja auch alle einen Grund so zu denken. Vielleicht war schonmal jemand aus genau den Gründen schwanger.“, mit einer Hand malte Yami einen Viertelkreis in die Luft, „Du kennst die Umstände von Shizukas Klassenkameraden auch nicht. Ich kann nicht sagen, dass ich das Verhalten irgendwie positiv finde, aber ich finde es zumindest verständlich. Verstehst du?“

„Es ist trotzdem bescheuert.“, der Stehende steckte die Hände in seine Taschen, „Was bringt ihnen das sich so abwertend zu verhalten?“

„Makel anderer lenken von eigenen Makeln ab. Wer über andere redet, versteckt damit die eigenen Fehler. Und gemeinsame Feinde machen Freunde. Das ist traurig, aber das ist Realität.“, Katsuya verschränkte als Antwort nur die Arme, „Auch früher schon hat man Kriege geführt, um von der Innenpolitik abzulenken.“

„Ist es denn so schwer an sich selbst zu arbeiten?“, grummelte er leise.

„Natürlich ist es das. Es bedeutet, dass man sich mit Erinnerungen auseinander setzt, die man lieber nicht hätte und sein Verhalten ändern muss, was viel Kraft und Energie verlangt. Es ist leichter auf anderen herum zu hacken.“, Yamis harte Züge glätteten sich merklich, „Das, was du gerade tust... an dir selbst zu arbeiten und mit deinen Erinnerungen fertig zu werden – das ist etwas, das können viele Menschen nicht einmal. Die meisten rennen vor ihrer Vergangenheit davon. In jedem von uns stecken Dämonen.“, er wandte den Blick ab, „Ich bin das beste Beispiel für jemanden, der sein Leben nicht auf die Reihe kriegt...“

„A- aber...“, Shizuka sah auf und blinzelte, „Du bist so ein vernünftiger, lieber Mensch...“

„Und? Ich helfe anderen, weil ich mir selbst nicht helfen kann.“, er schüttelte den Kopf, „Aber damit braucht ihr euch kaum zu belasten.“

„Wieso nicht? Wir geben doch eine gute Selbsthilfegruppe.“, mit einem Seufzen setzte Katsuya sich wieder, „Okay. Du hast also Angst wieder zur Schule zu gehen, Shizuka?“

„Wie? Äh...“, sie wandte sich ihm zu, „Ja, das... ich denke, so kann man das sagen.“

„Soll ich morgen einfach mitkommen? Würde das helfen?“, schlug er vor.

„Aber... hast du nicht auch Schule?“, sie zog den Kopf etwas ein und legte ihn schief, „Du kannst doch nicht wegen mir fehlen...“

„Shizuka, ich habe dieses Jahr schon mehr Zeit in der Schule verbracht als das komplette letzte Jahr zusammen. Ich denke, ein Tag wird mich nicht den Kopf kosten. Oder, Seto?“, er sah zu seinem Freund.

„Soll ich darauf als stellvertretender Direktor, Vormund oder Freund antworten?“, er seufzte, schloss die Augen und schüttelte den Kopf, „Die Einstellung beunruhigt mich, aber die Begründung verstehe ich gut. Du darfst nicht mehr als zwanzig unentschuldigte Fehlstunden in einem Jahr haben... ich denke, ich werde eine gesundheitliche Entschuldigung besorgen.“

„Du hast es mit Aktenfälschung, oder?“, Noah schüttelte mit derselben Geste den Kopf, wie Seto es Sekunden zuvor getan hatte, „Du könntest ihn auch einfach fehlen lassen.“

„Und wie lange habe ich seine Vormundschaft nun schon? Drei Wochen? Bei einem Beamten, der weiß, dass die Sache nicht ganz koscher ist?“, sein Bruder warf dem Ältesten einen abschätzigen Blick zu, „Ich habe Feinde. Ich will keine Ermittlung gegen mich. Ein unentschuldigter Fehltag ist genau das, was man bräuchte, um mich anzugreifen.“

„Oh Hilfe...“, Noah hob eine Hand an seine Stirn, „Du solltest Anwalt werden. Du erwartest echt überall und immer das Schlimmste.“

„Bisher habe ich damit ganz gut überlebt.“, giftete Seto zurück.

„Danke für die Erlaubnis.“, ging Katsuya dazwischen, „Und ich werde den verpassten Stoff nachholen. Es sind eh größtenteils Stunden bei dir.“

Shizukas Schule

Habe bestanden ^.^ Und mich zur Erholung an ein Onlinespiel gesetzt, was mich jetzt gefressen hat T.T Selten hat mich eins so begeistert. Dabei sollte ich eigentlich lernen... lernen...

Nun, viel Spaß mit dem Kapitel und vielen Dank für die Kommentare, die haben mich wirklich gefreut ^v^
 

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„Danke, Yuko! Bis nachher!“, Shizuka winkte der Dame, die mit Isamu auf dem Arm in der Tür stand, bevor sie sich lächelnd zu Katsuya umwandte, „Morgen, Bruder. Danke, dass du mich begleitest.“

„Kein Problem.“, er strich mit einer Hand die Ponysträhne wieder in Form, die er über die Narbe auf seiner Stirn gekämmt hatte, „Ich hoffe, ich sehe ordentlich genug aus. Ich bin ja nicht wirklich der Vorzeigebruder.“

„Du bist mein Bruder.“, lächelnd harkte sie sich bei ihm unter, „Und für mich bist du der beste Bruder überhaupt.“, sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter, „Du kannst dir vielleicht gar nicht vorstellen, was das für mich bedeutet hat, dass du mich einfach so angenommen hast wie ich bin. Einfach so...“, sie hängte sich ihre Tasche über eine Schulter, „Obwohl wir uns zehn Jahre nicht gesehen hatten, warst du sofort derselbe, hast mich in den Arm genommen und warst für mich da. Das... das war wirklich wichtig für mich.“, ihrer Kehle entfloh ein kurzes Lachen, „Meine Güte, was ich alles daher rede. Ich wollte doch eigentlich nur danke sagen.“

Katsuya lächelte nur und piekste sie mit der freien Hand in die Schulter, damit sie ihn ansah. Wie erwartet erwiderte sie sein Lächeln nach nur wenigen Sekunden, bevor sie den Kopf wieder senkte. Schweigend ließ der Blonde sich zur U-Bahn führen, wo sie zusammen die Linien raus suchten, die sie zu ihrer Schule nehmen mussten.

„Weißt du, was komisch ist?“, meinte Shizuka, nachdem sie in dem Fahrzeug Platz genommen hatten, „Das ist alles so... normal. Ich bin so normal. Einfach nur morgens zur Schule fahren und über solche Dinge wie Hausaufgaben meckern.“, sie überblickte die relativ volle Bahn, „Kein Mensch guckt uns schräg an. Das Auffälligste an uns sind deine Haare und dein Tattoo. Wir sind einfach nur zwei Jugendliche.“, sie sah den Gang der Bahn hinab, „Das... ist lange her, dass ich so... normal war.“

„Hängt das mit dem zusammen, was du gestern erzählt hast? Dass alle dich angesehen haben?“, beschimpft und beratschlagt, nicht geglaubt und belogen.

„Ja, das... ich weiß nicht. So gehe ich einfach in der Menge unter. Ich gehöre dazu. Ich bin ein Mensch wie sie. Als ich schwanger war, da... da stand ich irgendwie neben der Menschheit. Ich war wie ein Alien. Ich wollte nie anders sein und plötzlich... das war gruselig.“, sie verschränkte die Arme, „Du hast seit Jahren nicht dazu gehört, oder? Tat dir das auch weh?“

„Nicht wirklich.“, er sank etwas in seinen Sitz und stopfte die Hände in die Taschen seiner Uniformhose, „Ich wollte nicht dazu gehören. Glaub‘ ich... eigentlich wollte ich dazu gehören, aber ich habe irgendwie nie einen Weg hinein gefunden. Also sagte ich mir, ich wolle nichts mit den anderen zu tun haben. Den Normalen.“, er warf den Kopf zur Seite, damit das Haar, was ihm in die Augen fiel, wieder über seiner Narbe lag, „Ich bemerke die Blicke nicht mehr. Mittlerweile. Aber irgendwie bin ich wohl auch normal geworden.“

„Ich bin froh wieder normal zu sein. Oder zumindest normal auszusehen.“, Shizuka sah aus dem Fenster, da die Bahn die Oberfläche erreicht hatte, „Ich... ich möchte einfach nur gut aussehen und gemocht werden. Mit einem coolen Typen zusammen sein und mein Leben genießen. Mit Isamu.“, ihr Kopf rutschte gegen die Scheibe, „Das ist zwar nicht ganz normal, aber er gehört zu mir.“, richtete sich wieder auf, „Und wenn jetzt ein Typ mit mir geht, obwohl ich schon Mutter bin, muss er das ernst meinen, oder? Ich meine, jetzt nimmt mich keiner mehr, weil ich in bin, oder?“

„Ist das gut oder schlecht für dich?“, fragte Katsuya nach einigen Momenten.

„Tja... schützt mich wohl vor solchen Reinfällen wie Ryuji, nicht?“, in ihren Augen wallten Tränen auf, „Ich bin echt ein naives, dummes Ding.“, sie schüttelte den Kopf, „Ich glaube, ich habe es satt cool und in zu sein.“
 

„Das ist meine Schule.“, Shizuka zeigte auf ein großes, graues Gebäude – warum sahen die meisten Schulen eigentlich wie irgendwelche hässlichen Bunker aus? – und legte einen Schritt zu, „Mal schauen, wie viel blöde Blicke wir fangen.“

Mit einem amüsierten Lächeln drückte sie sich an seine Seite, als wäre er ihr Freund, der sie zur Schule begleitete und schritt selbstbewusst auf den Schulhof. Katsuya ließ unauffällig den Blick wandern und entdeckte nach wenigen Schritten die gesuchte Person – Ryuji. Er hob den Kopf, sodass jeder, der zu ihnen sah, seinen Blick verfolgen konnte.

„Da ist dein Ex. Willst du zu ihm rüber oder sollen wir ihn ignorieren?“

„Hin.“, entschied Shizuka kurzerhand, „Aber lass mich reden, ja?“

Wenn sie wollte. Bei dem, was er dem Typen angetan hatte, reichte wahrscheinlich sein Anblick, um jeden Gedanken an irgendwelche Dummheiten zu vertreiben. Aber interessant... ihm wurde nicht mehr übel. Schien, zumindest er selbst war über die Aktion hinweg. Ryuji war es sichtlich nicht. Er war erbleicht, regte sich nicht vom Fleck im Kreis seiner Freunde, doch wandte seinen Blick nicht von ihnen beiden. Auch die anderen drei Jungs und das eine Mädchen bei ihm waren verstummt und sahen zu ihnen hinüber.

„Guten Morgen.“, grüßte Shizuka fröhlich und nickte einem der Jungs zu, bevor sie Ryuji ansah, „Hi, Ryuji. Ich wollte dir nur mitteilen, dass ich mich hiermit offiziell von dir trenne. Und wehe dir, wenn du je wieder so ein Bastard zu einer anderen bist wie zu mir. Ich hasse dich für das, was du getan hast und bin immer noch sauer und enttäuscht.“, sie atmete tief durch, „Leb wohl.“

Sie nickte Katsuya zu, sodass sich beide wieder in Bewegung setzten und die Gruppe Jugendlicher stehen ließen. Wie nicht unerwartet brach praktisch sofort das Getuschel aus, als man sie außer Reichweite glaubte. Katsuya übertönte es lieber: „Das war echt gut.“

„Danke.“, seine Schwester trug ein Lächeln auf den Lippen, „Das tat auch unerwartet gut. Jetzt muss ich nur noch meine Klasse und das Gespräch mit der Klassenlehrerin hinter mich bringen...“

„Mit deiner Klassenlehrerin?“, er hob eine Augenbraue.

„Ja... wegen Mutter.“, sie senkte den Kopf etwas und atmete tief auf, „Dass sie nicht mehr meine Erziehungsberechtigte und Ansprechpartnerin ist. Ich will das alles einfach hinter mich bringen.“

„Alles klar.“, er nickte, „Ich schweige dann einfach mal weiter.“

„Oh.“, sie sah erschrocken zu ihm auf, „Das war nicht böse gemeint! Wirklich nicht! Ich wollte ihm das nur alles selbst sagen und dann... na ja, einfach mit Würde gehen oder so...“, sie strich sich ihr Haar hinter ein Ohrläppchen, „Ich schätze es sehr, dass du bei mir bist.“

„Hab‘ ich auch nicht anders verstanden.“, er lächelte ihr zu, „Was genau planst du für die Klasse?“

„Uhm... spontan sein?“, ihr Blick glich dem eines verlorenen, kleinen Hundes – kein Wunder, dass er Seto damit immer rum bekam, „Ich weiß auch nicht genau... mir fällt aber sicher noch etwas ein. Ich reagiere einfach.“
 

Schweigen.

Wie so oft die Reaktion, die er bekam, wenn er eine Klasse betrat. Alles schwieg und sah ihn mit großen Augen an. In den letzten Jahren war das fast immer der Fall gewesen – was sicherlich damit zusammen hing, dass sein Auftreten auch eine Rarität war – gefolgt vom selben Gefühl. Genervt zu sein und am liebsten alle auf den Mond zu schießen. Die einzige Neuerung hier war, dass man abwechselnd seine Schwester und ihn ansah.

„Hi, Shizuka.“, eines der Mädchen stieß zwei Freundinnen an und trat vor, „Wie war es im Krankenhaus? Alles gut gelaufen?“

„Ja, danke.“, sie kam ihnen entgegen und lächelte, „Ich habe jetzt einen kleinen Sohn namens Isamu.“

„Echt?“, fragte eine andere, „Warum hast du ihn nicht mitgebracht?“

„Wie?“, Shizuka rückte näher an ihn, „Ich denke nicht, dass die Schule so etwas erlaubt.“

„Schreit er oft?“, fragte dieselbe.

„Oh nein, er ist ein sehr liebes Kind. Alle zwei bis vier Stunden nur. Und er lässt sich ganz leicht beruhigen.“, man sah den Stolz in ihren Augen strahlen, „Und kerngesund ist er auch. Ihr könnt mich ja mal besuchen und ihn euch ansehen.“

„Au ja!“, das Mädchen hob beide Hände geballt vor den Hals, „Ich würde sehr gerne ein echtes Baby sehen. Ich bin die Jüngste, weißt du? Und meine große Schwester weigert sich zu heiraten.“

„Ich bin auch die Jüngste.“, lenkte Shizuka ein, „Das ist übrigens mein großer Bruder Katsuya.“

„Kyaaa!“, quietschte die Letzte der drei, „Katsuya? Cool, ich bin Mieko!“, sie reichte ihm die Hand, die er ergriff, nachdem Shizuka seinen Arm los ließ, „Ich war schon ganz enttäuscht, ich dachte, du seist ihr Freund. Wie alt bist du?“

Na klasse. Sechzehnjähriges, begeistertes Girlie. Als hätte er nicht schon genug Probleme.

„Neunzehn.“, er lächelte charmant – oder eher so, wie er Seto lächeln sah, wenn dieser Sex wollte – und sagte sich selbst, dass er das hier für seine Schwester tat, „Seid ihr drei Freundinnen meiner Schwester?“

„Ja!“, erwiderte das Mädchen sofort, worauf die anderen beiden ihr einen schnellen Seitenblick zuwarfen, „Wir kennen uns zwar erst seit diesen Schuljahr...“, hieß entweder zwei oder drei Wochen, da Shizuka danach ins Krankenhaus gekommen war, „...aber wir haben viel miteinander gesprochen.“, wahrscheinlich waren es diese drei, die Shizuka gefragt hatten, warum sie schwanger war.

„Freut mich euch kennen zu lernen.“, er setzte noch einen drauf, indem er den Kopf zur Seite legte, „Danke, dass ihr euch so gut um meine Schwester kümmert.“

„Ach du-“, die Mittlere hob die Hand vor ihren Mund, wich etwas zurück und sah zu seiner Stirn, „Was hast du denn da gemacht?“, sie hob die Hand, um sein Haar zur Seite zu streichen.

„Von einem Kampf.“, er machte eine Bewegung, um ihre Hand vorsichtig zu greifen, doch sie zog sie schon zurück, „Ihr wisst schon. Was Jungs halt so tun.“, wie war er eigentlich zum Mittelpunkt dieses Gesprächs geworden?

„Oh... da ist wohl blöd was daneben gegangen.“, sie senkte ihre Arme, um sie verschränkt an ihren Körper zu drücken und wandte sich Shizuka zu, „Ich wusste gar nicht, dass du einen Bruder hast. Du hast noch nie von ihm erzählt, oder?“

„Ehrlich nicht?“, sie klimperte mit ihren Wimpern, doch ihre Haltung zog sich ein wenig ineinander, „Nun ja, wer redet auch oft von seiner Familie?“

„Über Isamu könntest du sicher den ganzen Tag reden.“, warf Katsuya ein, um das Gespräch wieder auf seinen Neffen zu bringen.

„Stimmt.“, stieg sie sofort ein, „Er ist unglaublich süß. Mit braunen Haaren und braunen Augen und ganz kleinen Babyhändchen. Er schafft es gerade mal meinen Daumen zu umfassen.“

„Süß!“, stieg die eine, die sich auch vorher schon für Babys begeistert hatte, sofort drauf ein, „Aber haben Babys nicht immer blaue Augen?“

„Oft, ja.“, Shizuka nickte, „Die Farbe kommt durch die Pigmente, die der Körper meist erst nach der Geburt herstellt. Aber bei einigen Kindern beginnt die Produktion auch schon vorher. Besonders bei Menschen mit starker Pigmentierung.“
 

„Heißt, der Vater hat dunkle Haare und dunkle Augen?“, fragte die Mittlere nach.

„Äh... ja.“, Shizuka blinzelte und legte den Kopf etwas schief, „Ryuji ist der Vater. Hatte ich das nicht erzählt?“

„Mhm... na ja...“, stotterte die Andere unsicher hervor, „Schon, aber... das ist nicht so ganz glaubwürdig, verstehst du?“, sie sah hilfesuchend zu den Mädchen links und rechts von ihr, „Ich mein‘... wär‘ ich schwanger, würde ich auch sagen, es ist von ihm.“, zu Shizukas gehobenen Augenbrauen gesellte sich das leichte Absacken ihres Unterkiefers bei diesen Worten, „Also... versteh‘ mich nicht falsch, aber der Typ ist halt unglaublich beliebt. Wer würde kein Kind von ihm haben wollen?“

„Wer würde...“, die Brünette schüttelte den Kopf, „Sag mal... willst du mir gerade sagen, dass du glaubst, dass ich lüge, wer der Vater meines Sohnes ist?“

„Na... ja... ich meine... es kann jeder sein... warum sollte Ryuji gerade mit dir was anfangen?“

„Sag mal, geht’s noch?“, giftete Shizuka zurück, „Ich bin jetzt elf Monate mit ihm zusammen gewesen! Ich habe mich heute morgen von dem Scheißkerl getrennt! Du tust ja so, als wäre ich es nicht wert, dass er mich auch nur ansieht.“

„Du hast dich von ihm getrennt? Nach elf Monaten? Bist du blöd?“, sie stemmte die Arme in die Hüften, „Und das, wo du ein Kind von ihm hast? Was für eine bescheuerte Aktion ist das denn?“

„Die einzig vernünftige.“, Shizuka machte einen Schritt vor, „Ich habe seinen Sohn geboren und er ist abgehauen. Ist nicht zur Geburt erschienen und danach auch nicht. Er meinte, ich kann mit Isamu bei ihm wohnen und er würde das finanzieren, aber was ist? Nichts ist! Er hat mich seit Monaten belogen! Wäre mein Bruder nicht gewesen, säße ich jetzt wahrscheinlich auf der Straße und würde mich prostituieren, damit ich Isamu großziehen kann. Wusstet ihr, dass meine Mutter mich rausgeworfen hat, weil ich sein Kind gekriegt habe? Was glaubt ihr, wie ich jetzt da stände, wenn es nicht ein, zwei Menschen gäbe, die nicht wie ich blind, blöd und naiv auf Ryujis Worte vertraut haben? Er ist ein rückradloser, verantwortungsloser Mistkerl.“

„A- aber... das kann nicht sein. So was würde Ryuji nicht machen. Du lügst doch!“, behauptete das Mädchen. Die eine links von ihr nickte, die andere sah unsicher zwischen den Sprechenden hin und her.

„Fragt ihn doch selbst.“, warf Katsuya ruhig ein, „Er wird zwar viele Ausreden bringen, aber unterm Strich steht dasselbe. So ist das abgelaufen.“, er verschränkte die Arme und lehnte sich gegen den Türrahmen, „Ich habe ihm gut die Fresse poliert für die Aktion. Ich glaube nicht, dass er es wagt zu lügen. Wenn doch, bekommt ihm das nicht gut.“

„Aber... aber...“, flüsterte sie und senkte den Kopf.

„Hana ist schrecklich in ihn verliebt, weißt du?“, meinte die Dritte zu Shizuka gewandt, „Sie hat das unglaublich geschockt. Sie meint es nicht so.“, sie stellte sich vor die Mittlere, die wohl Hana hieß, „Darf ich dich immer noch besuchen und mir Isamu ansehen?“

„Uhm... sicher.“, mit einem Blinzeln wandte sich Shizuka von Katsuya ab, „Hast du heute Zeit?“

Ausraster

Das Wetter bringt mich sowas von um... ich bin so tot. Ich konnte heute nicht einmal Lernen, so sehr schwebte ich zwischen Delirium und Hitzekollaps. Dabei war es gar nicht mal so schlimm draußen. Ich bin einfach nur total am Ende - vom Rumsitzen X.X

Ich hasse den Sommer... ich hoffe, euch geht es besser als mir, habt Ferien und genießt sie und viel Spaß beim Lesen!
 

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„Bitte blockiert nicht den Durchgang.“, wies sie eine etwas reifere weibliche Stimme an, „Und geht in eure jewei- oh Shizuka.“, Katsuya drehte sich zu der Sprechenden, die wie erwartet wohl die Lehrerin war, „Schön, dass du wieder da bist. Wie ist gelaufen?“

„Gut, vielen Dank, Frau Lehrerin Matsuka.“, seine Schwester verbeugte sich, „Mein Sohn Isamu und ich sind wohlauf. Dies ist übrigens mein Bruder.“, sie deutete auf ihn.

„Katsuya Kaiba, guten Tag.“, er tat es seiner Schwester gleich.

„Ich bin Hitomi Matsuka, die Klassenlehrerin. Sehr erfreut.“, sie senkte ihr Haupt kurz, „Aber Kaiba? Nicht Kamiya?“

„Darüber würde ich gern nach der Stunde mit ihnen reden, Frau Lehrerin.“, kündigte Shizuka an, „Darf mein Bruder solange hier bleiben und dem Unterricht beiwohnen?“

„Sicher...“, sie warf schnell einen Blick in die Klasse, „Wir haben leider keine weiteren Sitzplätze, aber ich kann ihnen gern meinen Stuhl anbieten. Nehmen sie ihn sich, bitte.“, sie trat ein und schloss die Tür hinter sich, bevor sie – gefolgt von Katsuya – nach vorne schritt, „Guten Morgen, Schüler.“

Während die Klasse sie begrüßte, nahm sich Katsuya den Stuhl und trug ihn zum Tisch seiner Schwester. War schon ein wenig komisch... der Stuhl der Lehrerin. Er zuckte kurz mit den Schultern, bevor er sich setzte und dem Unterricht zuwandte. Auch hier schien die Klassenlehrerin die Japanischlehrerin zu sein. Sie lasen aus einem klassischen Werk und besprachen das Handeln einzelner Charaktere – Shizuka wurde dabei ein Buch von dem netten Mädchen der Dreiergruppe gegeben, dessen Name er nicht kannte. Mitarbeiten war demnach ein wenig schwierig. Zur Hälfte der Stunde ungefähr verlangte die Lehrerin eine Charakteranalyse, die sie zum Ende der Stunde einsammeln würde, bevor sie Shizuka und ihn zu sich bat, während sie zur Tür ging. Seine Schwester gab noch schnell das Buch zurück, bevor sie ihr folgten.

Ein Stockwerk tiefer schloss Frau Matsuka einen kleineren Raum auf, der wohl ein Besprechungszimmer darstellte. Sie bat sie Platz zu nehmen, bevor sie ihren Stuhl hinter dem im Raum stehenden Schreibtisch hervor zog, um diesen nicht zwischen ihnen zu haben. Somit befand sie sich seitlich neben dem Schreibtisch, während Shizuka und er auf den zwei Stühlen vor diesem Platz nahmen.

„Nun, was wolltest du gerne besprechen, Shizuka?“, eröffnete sie lächelnd das Gespräch.

„Oh- ja- also...“, diese legte ihre Hände in ihre Schoß und senkte den Kopf, „Es geht um meine Mutter... sie...“, sie warf ihm einen unsicheren Blick zu, bevor sie die Lehrerin ansah, „Sie hat das Sorgerecht für mich abgegeben.“

Das Lächeln wich aus Frau Matsukas Gesicht. Sie blinzelte, setzte sich auf, verschränkte die Hände und bettete diese auf ihre Oberschenkel. Ihre Brust hob sich merklich, bevor die Luft ihrer Lunge entfleuchte.

„Also... das heißt... ich- also... das Jugendamt kümmert sich nun um Isamu und mich. Wir wohnen vorübergehend bei einer Pflegemutter, bevor ich übernächsten Monat einen festen Wohnsitz kriege.“, Shizuka sah noch einmal kurz zu ihm, bevor sie wieder zu Boden blickte, „Ab dann wird ein Mann namens Noah Kaiba für mich zuständig sein. Er ist der Bruder von Katsuyas Adoptivvater Seto Kaiba.“
 

„Seto Kaiba?“, wiederholte die Dame tonlos und sah zu ihm, „Deshalb... nun, entschuldige. Deine Mutter ist also nicht mehr deine Erziehungsberechtigte?“

„Genau.“, Shizuka nickte und sah auf, „Ich weiß nicht, wer jetzt genau wie zuständig ist und wer überhaupt meine Zettel unterschreibt und Gebühren bezahlt und solche Dinge... also, im Jugendamt ist ein Herr Sarowski für mich zuständig.“

„Sarowski...“, Frau Matsuka griff nach Stift und Zettel, „Wie schreibt man diesen Namen?“, Shizuka diktierte es ihr, „Okay... gut...“, sie starrte den Zettel an, „Ehrlich gesagt weiß ich auch nicht, wie das jetzt geregelt wird. Ich gebe das der Verwaltung weiter und sage dir, wenn ich etwas erfahre.“, sie sah auf und hatte Mitleid in den Augen geschrieben, worauf Shizuka den Kopf senkte, „Die Sache mit deiner Mutter tut mir Leid. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll... wie geht es dir bei der Sache?“

„Mir?“, Shizuka sah kurz überrascht auf, „Also... nun... es... es kam halt so...“, sie strich ihr Haar hinter ein Ohr und wandte den Kopf zu der Seite ab, „Ich... sie hatte mir ja von Anfang an damit gedroht, aber dass sie es wirklich... nun, genau genommen bin ich ja ausgezogen, nicht?“, sie sah auf, wobei Katsuya Tränen in ihren Augen schimmern sah.

„Weil du Angst hattest, dass sie Isamu etwas antut.“, erwiderte dieser sanft, „Und es war eine gute Idee. Ich denke, euch drei wird es damit besser gehen. Sie wollte nie Mutter sein, du wolltest mehr Freiheit und Isamu braucht ein sicheres Umfeld.“

„Zumindest hast du da einen sehr fürsorglichen Bruder.“, Frau Matsuka lächelte Shizuka traurig an, bevor sie zu ihm sah, „Und sie sind demnach auch kein Teil der Familie mehr?“, er nickte nur, „Ihr Adoptivvater... ist das der Seto Kaiba aus der Schulaufsicht? Der früher ein unglaubliches Teenie-Idol war?“

„Seto war berühmt?“, fragte Shizuka überrascht nach, „Ich wusste, dass er reich ist, aber...“

„Er hat vor Noah die Kaiba Corp. geführt.“, erklärte der Blonde mit dem Hauch von einem Lächeln auf den Lippen, „Da war er fünfzehn. Nebenher hat er mit wehenden Fahnen die Schule durchflogen und Milliarden verdient. Das hat ihn ziemlich berühmt gemacht. Aber mit siebzehn oder achtzehn hat er aufgehört und zwei Studien begonnen, bevor er Lehrer im Schulamt wurde.“

„Wow.“, sie blinzelte, bevor sie den Kopf etwas einzog, um ihre Augenwinkel zu wischen, „Kein Wunder, dass er sich solche Projekte zutraut wie Mutter-Kind-Heime zu organisieren.“, sie wandte sich zu ihrer Lehrerin, „Herr Kaiba ist ein ganz außergewöhnlicher Mann, wissen sie?“

„Ich hatte mal die Ehre ihn kennen zu lernen.“, Frau Matsuka senkte leicht errötend ihr Haupt, „Er ist ein wahrer Gentleman. Mir ist völlig klar, wie er mit seinem Charme das Herz unzähliger Frauen gewonnen hat.“, eine ihrer Hände verdeckte ihre Wange, während sie sich abwandte, „Aber was erzähle ich da? Es ist ja nicht so, dass... also...“

Katsuya hob nur eine Augenbrauen. Ein wahrer Gentleman? Welche seiner Persönlichkeiten hatte sie denn da kennen gelernt? Seto konnte einer sein, das sicher, aber normalerweise kramte er diese Seite an sich nur für ausgewählte Personen raus. Er drückte seine Lippen zusammen, um nicht zu grinsen. Für ihn zum Beispiel...

„Nun, die Stunde endet gleich.“, verkündete Frau Matsuka ohne einen Blick auf irgendeine Uhr, „Wir sollten zurück gehen. Vielen Dank, dass du mir das alles mitgeteilt hast, Shizuka.“
 

„Ah, das verlorene Schaf.“, Kaiba schloss die Tür der Klassenzimmers hinter sich und trat an ihn heran, „Alles gut gelaufen?“

„Exzellent. Weit besser, als ich erwartet hätte.“. der Blonde lächelte müde, „Und schau, ich habe es wie angekündigt in den ersten zwei Stunden geschafft.“

„Es erstaunt mich zutiefst.“, erwiderte der Lehrer sarkastisch, „Ich habe es vorhin der Klasse schon mitgeteilt... Yugi ist heute nicht aufgetaucht. Ihr werdet vorerst eine Vertretung kriegen.“

„Oh...“, Katsuya schluckte, seine Schultern sackten herab und er sah mit müden Augen auf, „Weißt du, warum?“

„Offiziell ist er krank. Mit Testat von seinem Hausarzt. Für eine Woche.“, Seto steckte eine Hand in seine Tasche und lehnte sich gegen die Wand, „Wir werden sehen, was daraus wird.“, er wandte den Blick aus dem Fenster, „Erstmal bin ich froh, dass ich den Direktor überzeugen konnte, dass ich diese Stunden nicht auch noch übernehme. Der scheint zu glauben, dass ich zu viel Freizeit habe.“

„Wenn du genug Zeit hast auf dem Gang mit Schülern zu flirten, hast du auch genug, um Unterricht zu geben.“, Katsuya warf einen Blick über die Schulter seines Freundes, „Wenn ich das richtig sehe, ist das der Vertretungslehrer. Ich mach mich mal rein. Ach ja!“, er lehnte sich noch einmal vor, „Wo war ich die letzten zwei Stunden?“

„Beim Arzt. War der einzig freie Termin für deine Blutabnahme.“, der Lehrer hob eine Hand und kniff ihm spaßeshalber in die Nase, „Und sei brav.“

„Ja, Mama.“, der Blonde rollte die Augen, warf sich seine Tasche über eine Schulter und stolzierte in die Klasse.

Echt, das war manchmal echt bescheuert. War ja cool, wenn sich einer um einen kümmerte, aber wenn es der Freund war, der ihn wie ein Kind behandelte, nervte das echt. Sollte man deshalb nicht mit Leuten zusammen kommen, die älter waren? Weil man nie wirklich gleich berechtigt war? Andererseits wäre er das wahrscheinlich auch nicht, wäre Seto genauso alt wie er. Vor zehn Jahren war dieser auch schon um Längen gebildeter, reicher und reifer.

Frustrierend.

Aber das war halt Seto. Eine andere Kategorie Mensch. Wahrscheinlich das, was man guten Gewissens einen Überflieger nennen konnte. Und dabei war er bisweilen so jung, dass sich Katsuya mehr als Großvater als als älteren Bruder fühlte. Ob Seto wohl Komplexe hatte in Wirklichkeit so ein kleines Kind zu sein und daher andere wie Kinder behandelte?

Nicht wirklich. Genau genommen war seine Kinderpersönlichkeit ja von der anderen abgespalten. Demnach war es wohl nur logisch, dass die normale sehr erwachsen war. Aber konnte man bei Seelenspaltungen von Logik ausgehen? War nicht diese Ausgangstheorie schon unlogisch?

„Kaiba, Katsuya.“, hörte er den Lehrer sagen.

„Höh?“, der Blonde sah überrascht um sich, während sich alle Blicke bei Totenstille auf ihn richteten, „Entschuldigung?“

„Wieso heißt du Kaiba? Dein Name ist doch Jonouchi.“, sprach ihn einer seiner Klassenkameraden an, während der Rest starrte.

„Oh, das...“, scheiße... scheiße, scheiße, scheiße! Was jetzt? Was sollte er sagen? Warum musste der Lehrer unbedingt die aktuelle Namensliste durchgehen? „Ähm, nun, das...“, was tun, was tun, was tun? Wahrheit oder nicht? Was war besser? Er atmete tief durch. Eine Entscheidung – jetzt. „Ich wurde von Herrn Kaiba adoptiert und heiße nun Kaiba.“
 

Schweigen und auf ihn gerichtete Blicke – das wäre jetzt etwas Schönes. Etwas Normales. Bekanntes. Aber nein, die ganze Klasse brach in Geflüster aus. Finger zeigten auf ihn. Blicke prasselten auf ihn ein.

„Kein Wunder, dass du plötzlich gute Noten schreibst.“, meinte Hijiri abfällig und verschränkte die Arme, „Ihr Schwanzlutscher kotzt einen echt an. Vögelst du noch mehr unserer Lehrer?“

Klick.

Katsuyas Lider verengten sich. Mit dem Ruck des Aufstehens flog der Stuhl zurück und landete scheppernd auf dem Boden. Ein Fuß setzte sich vor den anderen, womit er mit zwei Schritten bei ihm war.

Ein Mädchen schrie.

Er packte Hijiri am Kragen, hob seine Rechte und schlug zu. Blut spritzte aus der Nase des anderen, seine vorher angstvoll geweiteten Lider fielen auf Halbmast und er erschlaffte in seinen Armen – die Hand am Kragen hielt ihn jedoch. Ein zweiter Schlag fiel.

Schreie. Eine polternde Stimme. Arme, die nach ihm griffen, um ihn festzuhalten. Er brauchte nur eine Vierteldrehung, um sich loszureißen. Eine gegen die Wand fliegende Tür, laute Schrittgeräusche, die sich entfernten.

„Sieh mich an, du Hurensohn!“, schrie Katsuya den fast Bewusstlosen an, „Sieh mich an und sag mir das nochmal ins Gesicht!“, seine Zielführung ließ nach. Vage bewusst, dass er etwas traf, schlug er in Richtung des Kopfes. Er hörte Stöhnen, Röcheln, Schreie. Mehr Hände, die nach ihm griffen, was ihn nach hinten schlagen ließ. Hijiri sackte zu Boden, da er den Griff lockerte, doch er stürzte ihm nach, Fäuste auf dessen Körper gerichtet. Brust, Bauch, Arme, Kopf, er schlug wild, was er erreichen konnte, während er alle anderen abwehrte. Namenlose, gesichtlose-

Eine Hand an seinem Oberarm riss ihn in die Höhe, bevor sein Bauch durch den Druck einer Faust eindellte und er zurück flog. Er fegte einen Tisch und zwei Stühle um, landete schmerzhaft auf der Kante eines der Mobiliare und sackte in sich zusammen. Einen Moment durchfuhr ihn Euphorie, bevor der Schmerz einsetzte und mit Messern in ihn fuhr. Er krümmte sich zusammen, rollte zur Seite und spie seinen Mageninhalt aus sich heraus. So wie dieser wellenartig aus ihm quoll, durchzogen Schmerzpulse seinen Körper.

„Ryou, lauf und hol Isis. Lass sie einen Krankenwagen rufen.“, vernahm er Setos Stimme deutlich aus der Menge heraus.

Ein Arm legte sich um seine Brust, sodass seine zitternden, fast nachgebenden Arme entlastet wurden, bevor er Taschentuch über seinen Mund gezogen wurde. Nach einigen zitternden Atemzügen wurde jenes einfach fallen gelassen und der zweite Arm half dabei ihn aufzurichten.

„Bist du wieder ruhig?“, fragte Seto ihn mit völlig tonloser Stimme, worauf er nur nickte, „Gut.“, der Lehrer erhob sich, „Du wirst mit ins Krankenhaus kommen. Ich begleite beide Schüler. Sie dort, sagen sie bitte dem Sekretariat Bescheid und lassen sie die Hijiris informieren. Wakaba, geh bitte Putzsachen holen.“, dunkle, blaue Augen brannten sich in seine Haut, „Und im Krankenwagen will ich eine Erklärung hierfür, verstanden?“

Wieder einmal Krankenhaus

Ich wurde durch den Wind ausgesperrt und bin jetzt erst wieder in der Wohnung - da ich in wenigen Minuten bei einem Konzert sein wollte, wo ich eine halbe Stunde hin brauche, habe ich leider keine Zeit die Kommentare zu beantworten, aber ich hole es nach! (sobald ich wieder da bin)

Euch viel Spaß beim Lesen ^.^
 

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„Wie geht es deinem Bauch?“, fragte Seto leise, während sie beide auf den ohnmächtigen Hijiri auf der viel zu weißen Liege sahen.

„Passt schon.“, murmelte Katsuya nur.

Scheiße. Scheiße, scheiße, scheiße. Warum war er so komplett abgedreht? Hatte er echt seinen Mitschüler ohnmächtig geschlagen? Vor der ganzen Klasse? Im Schulgebäude, mitten am helllichten Tag? War er denn noch zu retten? Verdammt nochmal, wenn sie ihn dafür nicht von der Schule warfen, wofür dann? Da konnte selbst Seto irgendwann nichts mehr machen. Er war so ein unglaublicher Idiot. Ein hirn- und gewissenloser Idiot. Wie sollte er Hijiri gegenüber treten, wenn er wieder wach war?

Natürlich, er hatte ihn schonmal geschlagen. Als Warnung, dass er Ryou in Ruhe lassen soll. Für sein damaliges Selbst war das völlig okay gewesen. Aber jetzt? Wollte er nicht ein guter Junge sein? Wollte er nicht aufhören Probleme mit Gewalt zu lösen? Leuten Angst einzujagen, weil er aggressiv war und sich kaum unter Kontrolle hatte? Und jetzt andauernd solche Aktion. Wie er Isis Krankenstation auseinander genommen, Ryuji bedroht und Hijiri zusammen geschlagen hatte. Immer wieder so ein Müll.

Dass Seto das aushielt... er zog scharf die Luft ein und kniff die Lider zusammen.

„Es tut mir Leid...“, flüsterte er.

„Sag ihm das, wenn er wieder bei Bewusstsein ist.“, wies Seto ihn an.

„Nein, ich meine... dass ich dir schon wieder Schwierigkeiten bereitet habe... das tut mir Leid.“, er sah zu seinem Freund, die Stirn noch immer in Falten, „Ich wollte das nicht tun, ehrlich nicht. Das macht alles so viele Probleme. Er hatte es vielleicht verdient, aber was jetzt wieder alles an Arbeit auf dich zukommt... ich meine...“, sein Mund verzog sich, als hätte er in einen sauren Apfel gebissen, „Es tut mir echt Leid.“

„Und warum soll er diese Behandlung verdient haben?“, fragte der Ältere ruhig nach.

„Weil er so eine Scheiße-“, Katsuya biss auf seine Unterlippe, „T’schuldige... also, der Lehrer ist die Anwesenheitsliste durchgegangen, da stand ich als Katsuya Kaiba. Also hat die Klasse natürlich gefragt warum. Ich wusste einfach nicht, was ich sagen soll, also hab‘ ich schließlich... einfach die Wahrheit gesagt. Dass du mich adoptiert hast.“, er warf einen schnellen Blick zu Seto, doch dieser betrachtete ihn scheinbar ruhig, „Da meinte der Typ, dass damit klar wäre, woher meine guten Noten kämen und mit welchen Lehrern ich wohl noch so schlafen würde... da bin ich einfach durchgedreht.“

„Und hast auf ihn eingeschlagen? Ohne weitere Worte?“, fragte Seto nach, worauf Katsuya nur nickte und er seufzte, „Nun, falls jemand nochmal die Idee hat, wird er zumindest nicht wagen sie auszusprechen. Ob es alle davon abbringt oder aufhetzt, wird sich zeigen. Aber besser, es gibt Probleme mit der Klasse als das Problem, dass sie mir das Sorgerecht entziehen.“, mit einem weiteren Seufzen lehnte er den Kopf gegen die Wand des Krankenwagens, „Jetzt muss ich nur die Hijiris von der Idee abbringen dich zu verklagen. Aber das dürfte möglich sein. Guck einfach wie ein geschlagener Hund, dem alles furchtbar Leid tut und überlasse mir das Reden.“

„Danke...“, murmelte Katsuya nur und lehnte sich gegen den Älteren.
 

„Wie steht es hier?“, fragte Seto und trat ein.

„Und sie sind bitte?“, raunzte der Arzt, sichtlich pikiert über das grußlose Eintreten.

„Seto Kaiba.“, er stellte sich hinter Katsuya, „Ich hätte gedacht, sie erinnern sich noch an mich. Wenn ich mich recht entsinne, waren sie Assistenzarzt, als wir uns das letzte Mal sahen.“

„Oh- oh-“, der Mann erbleichte und sprang auf, um sich zu verbeugen, „Bitte entschuldigen sie, dass ich sie nicht sofort erkannt habe. Es tut mir außerordentlich Leid. Das wird nicht wieder vorkommen.“

„Sehr wahr, das wird es nicht.“, erwiderte der Brünette nur kalt, „Wie geht es meinem Sohn?“

„Ihr Sohn?“, die Tonlage des Arztes war eine Oktave in die Höhe gesprungen, „Wie- wie dumm von mir... ahaha...“

„Die Diagnose?“, verlangte der Andere mit hörbarer Aggressivität in der Stimme.

„Er- er hat die Haut an seinen Fingern etwas irritiert. Ich wollte gerade eine Salbe applizieren.“, beteuerte der arme Mann. Katsuya schnaubte nur. Ganz sicher wollte er das gerade mit seiner Moralpredigt bezwecken...

„Und das haben sie in einer Viertelstunde gemacht? Das Krankenhaus muss wirklich zu viel Geld haben, wenn sie es sich leisten können jemanden wie sie zu beschäftigen.“, Seto verschränkte die Arme, „Wann hat das letzte Mal ein Mitarbeiter des Qualitätsmanagements diese Klinik untersucht?“

„Nein, nein...“, der Arzt hob die Arme vor den Körper und winkte mit beiden ab, „Wir legen sehr viel Wert auf die soziale Interaktion zwischen Patient und Arzt, um... um eine ausführliche Anamnese erstellen zu können!“, er zog ein Tuch aus seiner Kitteltasche und wischte sich über die Stirn, „Es ist ein Service für unsere Patienten.“

Seto hob nur eine Augenbraue.

Was zur Hölle war denn mit dem los? Der hörte sich echt angepisst an. War etwas passiert? Hoffentlich würde er das nicht nachher auch noch an Katsuya auslassen. In der Laune war sein Freund nicht unbedingt berechenbar und ganz sicher kein guter Umgang. Andererseits... wenn der Mann den Seto von früher kannte, verhielt sich der jetzige Seto vielleicht einfach nur so, wie der andere es wohl erwartete. Er war ja im Endeffekt ein soziales Chamäleon.

„Sie wollten eine Salbe holen?“, meinte der Ältere abfällig und begann mit seinen Fingern auf den unteren Teil seines Oberarms zu tippen.

„Sofort!“, quietschte der Mann auf, drehte sich um und zog mehrere Schubladen nacheinander auf, „Ich habe sie hier... gleich hier...“, er warf einen Blick über die Schulter, „Wie geht es denn ihrer Frau?“

„Ich hatte noch nie eine.“, erwiderte Seto nur, „Wenn sie sich noch entsinnen, dann hatten sie das Problem mich vor dreizehn Jahren nicht in die Erwachsenenpsychiatrie stecken zu können, weil ich zu jung war. In Verbindung mit ihrer Anamnese hätten sie darauf kommen können, dass ich im Alter von zehn Jahren sicher keinen Sohn gehabt habe.“

„Wir konnten sie nicht einweisen, weil sie einen Arzt nach dem nächsten feuern ließen, der es versuchte...“, murmelte der Mann kaum hörbar.

„Ich bin übrigens damit auch noch nicht in dem Alter, wo meine Ohren schlechter werden.“, unfassbar, aber wahr, Setos Stimme hatte noch einige Minusgrade zugelegt.

Der Arzt zuckte zusammen und setzte die Behandlung wortlos fort, nachdem er die Salbe gefunden hatte – er ließ einfach nur schweigend alle weiteren Kommentare über sich ergehen und sah nicht mehr auf.
 

„Se... to?“, versuchte Katsuya leise, nachdem sie aus dem Behandlungszimmer hinaus getreten waren, „Alles okay?“

„Wie sagst du immer? Passt schon.“, seufzend schloss der Ältere einen Moment die Augen, bevor er weiter ging, „Das alles setzt mich schon etwas unter Druck. Ich habe Angst dich wegen der Sache zu verlieren.“, er legte eine Hand auf Katsuyas Schulter und zog ihn etwas zu sich.

Blau in Braun.

Braun in Blau.

Schweigend blickten sie sich in die Augen.

„Ich sollte dich in die Psychiatrie bringen.“, flüsterte Seto und legte einen Finger auf die Lippen, die sich zur Erwiderung öffneten, „Aber ich glaube nicht, dass ich es kann. Ich könnte dich weder verabschieden, noch alleine zuhause bleiben, noch könnte ich die Angst durchstehen, ob und wann du wieder zu mir zurück kommst. Wenn du mich nicht darum bittest...“, er wandte den Blick ab, „Wann bin ich so schwach geworden? So... unglaublich abhängig von dir?“

„In dem Moment, wo du mir dein Herz und dein Vertrauen geöffnet hast.“, Katsuya hob seine Hand, um die Haare, Wange, Haut des anderen zu streicheln, doch zuckte zurück, als er ihrer Umgebung gewahr wurde, „Wir ziehen Blicke auf uns.“

„Du hast Recht.“, Seto richtete sich wieder auf, ging ein paar Schritte und schnippte mit den Fingern, „Komm schon. Die Eltern deines Klassenkameraden dürften bald hier sein. Wir werden vor Hijiris Zimmer warten.“

„Kay...“, Katsuya tappste ihm gesengten Kopfes hinterher, „Ist er wieder bei Bewusstsein?“

„Ist er. Ich habe schon mit ihm gesprochen, bevor ich zu dir gekommen bin. Vielleicht haben sich die beiden Ärzte zwischendurch mal geeinigt, ob sie ihn noch röntgen oder nicht.“, der Ältere schüttelte den Kopf, „Echt, wäre das hier eine Firma, würde sich hier so einiges ändern.“

„Aber hier werden Entscheidungen über Leben und Tod getroffen. Hier ist man, wenn es einem am schlimmsten geht. Ist es da nicht wichtig, dass es genug Leute mit genug Zeit gibt?“, er holte zu ihm auf und ging neben ihm her.

„Doch es ist nicht der Sinn, dass Menschen gerne ins Krankenhaus gehen. Von den Preisen her ist das hier das beste Hotel der Stadt – nur ist das nicht das Gefühl, dass vermittelt werden soll.“, Seto sah sich mit abwertenden Blicken um, „Wozu hat all das Geld geführt, dass man in Krankenhäuser gesteckt hat? Dass es zu viel kostet, als dass es unsere Gesellschaft bezahlen könnte.“

Der Blonde seufzte und betrachtete Seto einige Sekunden, bevor er sprach: „Aber stell dir vor, Yumi hätte keine Zeit für dich gehabt. Wo wärst du dann heute?“

Der Andere warf ihm einen schnellen Blick zu, senkte ihn und zuckte mit den Schultern. Ein paar Momente später vernahm Katsuya ein Flüstern: „Tot.“

„Ganz recht. Oder zwangseingewiesen und danach immer und immer wieder durch Psychiatrien, Hilfsorganisationen und Institutionen. Was hätte das an Geld verschlungen?“, sie gingen einige Sekunden schweigend nebeneinander her, „Ich denke, mit mir und Isis ist das ähnlich. Ohne sie und dich hätte ich vor zwei Monaten nicht überlebt, denke ich. Als... als die Scheidung kam, ist Vater wirklich ausgerastet... wenn ich nichts gehabt hätte, an dem ich mich festhalten konnte... ich war so kurz davor aufzugeben...“

In einer flüssigen Bewegung drehte Seto sich zu ihm, schlang die Arme um seine Hüften und Schultern und zog ihn an sich. Mitten im Flur des Krankenhauses.

„Ich geb` ja nach, du kleine Mistzwiebel.“, die Hand, die auf seiner Schulter gelegen hatte, fuhr hoch in sein Haar, „Es ist wichtig, dass es Stellen und Menschen gibt, die Zeit für einen haben. Aber die müssen nicht unbedingt so gut bezahlt sein wie Ärzte.“

„Aber Ärzte können sicher gut beraten. Sonst würde man beim Psychiater nur Tabletten abholen, oder?“

„Da wird aber anders abgerechnet.“, Seto lächelte, lehnte sich zurück und zerstrubbelte sein Haar, „Wollen wir mal schauen, ob Hijiri wach ist?“
 

„Noch hier?“, Seto steckte den Kopf ins Zimmer, sah sich kurz um und trat ein, „Ich habe Katsuya mitgebracht. Ich denke, es käme allen zugute, wenn ihr die Sache klärt – jetzt und ohne Schlägerei.“

„Ich habe ihn ja nicht mal geschlagen! Der Typ hat einfach auf mich einprügelt.“, der im Bett Liegende zeigte auf den gerade Eingetretenen, „Ich hab` gar nix gemacht.“

„Man kann auch mit Worten zuschlagen.“, knurrte Katsuya und trat ans Bett heran – dass Hijiri zusammen zuckte, ließ ihn den Blick senken, „Hör mal... es tut mir Leid, okay? Ich hab` überreagiert. Nur kotzt mich das echt an, dass ihr andauernd solch eine Scheiße über Ryou und mich erzählt. Das heute hat das Fass echt zum Überlaufen gebracht.“

„Aber es stimmt doch! Ihr seid beide Schwanzlutscher, oder?“, mit fast zusammen gezogenen Lidern sah der auf dem Bett Sitzende zu ihm auf, „Das ist doch ekelhaft, oder?“

„Selbst wenn ich`s wäre, wo ist das Problem?“, der Blonde verschränkte die Arme, „Warum ist das schlimm, dass Ryou schwul ist? Hat er sich schon mal an dich ran gemacht? Hat er schon mal vor deiner Nase Jungs geknutscht? Auch wenn das für dich ekelhaft ist, er bindet es doch keinem auf die Nase, oder?“

„Hast du mal drauf geachtet, wie ihr beide euch benehmt? Würdet ihr vor der Klasse ficken, wäre das nicht weniger abscheulich als das, was ihr jetzt macht. Wie ihr euch immer betatscht und umarmt und redet, das ist so... so...“

„Ryou ist einfach nur ein Freund.“, Katsuya seufzte und zog sich einen Stuhl heran, „Ich habe rein gar nichts mit ihm. Er ist für mich wie ein kleiner Bruder, nichts anderes. Und so behandle ich ihn auch.“, sie sahen sich einen Moment schweigend in die Augen, „Ich geb` zu, Ryou ist ziemlich anhänglich und fasst mich immer an, wenn er Angst vor etwas hat. Aber das ist nicht ekelhaft, oder?“

„Hm...“, Hijiris Unterlippe hob sich, die Mundwinkel zogen nach unten, „Aber daraufhin stellt man sich halt so Zeug vor, das total eklig ist.“

„Wenn du irgendwelche Phantasien hast, die du eklig findest, ist das aber weder meine Schuld noch mein Problem, oder?“, erwiderte der Blonde etwas giftig, „Wenn du irgendwas fühlst, was du nicht fühlen willst, dann solltest du das mit dir selbst ausmachen und nicht an anderen auslassen, meinst du nicht?“

„Pf.“, der Junge schnaubte, „Sagst du so. Nicht jeder ist so mutig wie du und schafft es sich einen Dreck um die Meinung anderer zu kümmern und trotzdem beliebt zu sein.“, Hijiri wandte den Blick ab, „Ich meine, was denkst du, was meine Freunde sagen, wenn ich denen sage, dass ich Ryou echt süß finde? Oder dass ich auch mal ohne Schuluniform zur Schule kommen will? Die erklären mich doch für verrückt und schneiden mich.“

„Ja.“, erwiderte Katsuya nur trocken, „Genau das, was du mit mir machst. Du beleidigst mich und meine Freunde und machst dich über uns lustig.“, sein Gegenüber zog den Kopf ein, „Würde mich nicht interessieren, was andere sagen, hätte ich dich nicht geschlagen, meinst du nicht? Herr Lehrer Kaiba ist mein Vater, okay? Das ist, als würde ich Müll über deine Mutter ablassen.“, er seufzte, „Das rechtfertigt nicht, dass ich dich krankenhausreif geschlagen habe, aber... na ja, denk einfach mal nach, was du das machst. Das tut ziemlich weh. Auch mir.“

Die Hijiris

Da bin ich wieder ^.^ Ich war ein paar Tage in Holland und bin vor einer halben Stunde wieder gekommen. Und natürlich sind jetzt erst mal die neuen Kapitel dran!

Viel Spaß beim Lesen und vielen Dank für die Kommentare ^.^
 

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„Das war erstaunlich erwachsen.“, lobte Seto ihn, während er mit der Hand über das blonde Haar strich, „Ich hatte nicht erwartet, dass du das so fabelhaft löst.“, er lächelte wohlwollend, „Und dass Hijiri darauf eingegangen ist, war sicher auch zum Teil dein Verdienst. Die meisten Leute wollen ihre Motivation ja lieber nicht reflektieren. Dass zwei so junge Menschen wie ihr beiden so viel Weitsicht haben, hebt meine Meinung von der Menschheit doch beträchtlich. Vielleicht sind wir ja doch nicht alle verloren.“

„Du bist einfach viel zu pessimistisch.“, Katsuya grinste breit und sah mit funkelnden Augen auf, „Aber habe ich das richtig verstanden? Hijiri beneidet mich?“

Seto nickte nur, wandte sich nach einem Moment ab und zeigte auf eine Stuhlgruppe, die in einer Nische ein paar Meter weiter zu sehen war und meinte: „Wollen wir uns setzen, bis seine Eltern kommen? Ich könnte einen Kaffee holen.“

„Im Zweifelsfall ist die Dame dahinten es schon, oder?“, der Blonde zeigte auf eine mittelalte, durchschnittlich gekleidete Frau, die gerade die Station betreten hatte und eine Schwester ansprach.

„Meinst du?“, Seto lehnte sich etwas vor und fixierte sie, „Du hast Recht, das ist sie. Ich erinnere mich vom Elternsprechtag.“, er seufzte und warf einen Blick zur Zimmtertür, neben der sie standen, „Da geht mein Kaffee dahin...“

„Wir gehen dir nachher einen holen.“, versprach Katsuya.

„Schweigen und reuehaft schauen, ja?“, erinnerte sein Freund ihn, bevor er der Dame entgegen ging, die schon auf die zukam, „Frau Hijiri?“

„Herr Lehrer Kaiba?“, sie lächelte scheu und reichte ihm die Hand, „Sie haben die Jungs begleitet?“

„Irgendjemand muss ja für Ordnung sorgen. Und stellen sie sich vor, die beiden hatten ein klärendes Gespräch! Ich hoffe, jetzt wird es in Zukunft keine Keilereien mehr geben.“, Seto warf einen warnenden Blick über seine Schulter, „Dass ihr Sohn dabei so sehr zu Schaden kam, tut mir sehr Leid. Ich möchte mich in Katsuyas Namen bei ihnen entschuldigen.“, sein Freund legte die Arme an die Seiten und verbeugte sich.

„A- aber- aber bitte, n- nein, nein...“, sie winkte ab, „Das ist doch- sie müssen nicht- bitte erheben sie- richten sie sich wieder auf.“, sie hob eine Hand an ihre rot glühende Wange, „Mein Junge war sicher nicht unschuldig an der Sache, nicht wahr?“

„Danke für ihr Verständnis.“, der Ältere nickte, „Er hat Katsuya sehr provoziert, nur ist er auffällig stärker geschädigt als mein Sohn.“

„Ihr Sohn?“, sie warf einen schnellen Blick zu dem Schweigenden, „Er hat sich mit dem Sohn seines Klassenlehrers geschlagen? Wo ist er?“

Seto wies auf die Tür etwas hinter ihnen und öffnete ihr die Tür, nachdem er angeklopft hatte.

„Tatsu!“, sie stürmte hinein und baute sich neben seinem Bett auf, „Was muss ich da hören?“

„Mama...“, er zog den Kopf ein und sackte ein wenig in sich zusammen.

„Bitte, bitte. Die Sache ist geklärt. Kein böses Blut auf keiner der Seiten, nicht wahr, Hijiri?“, meinte Seto ruhig, während er ihr ins Zimmer folgte.

Der Junge nickte eifrig, die Augen mit geweiteten Lidern auf seine Mutter gerichtet. War das zu fassen, wie einfach diese Sache in diese Richtung gedreht wurde?

„Sind sie sicher, Herr Lehrer Kaiba? Ich möchte wirklich nicht...“

Er hatte eine Hand gehoben und warf ihr nun ein charmantes Lächeln zu, während er sagte: „Bitte, Madam, sorgen sie sich nicht. Die Hauptschuld liegt auf unserer Seite. Dass wir das klären konnten, freut mich sehr.“

„Nun gut...“, sie verbeugte sich, „Haben sie vielen Dank, dass sie sich meines nichtsnutzigen Sohnes annehmen.“

„Er ist heute natürlich von der Schule befreit.“, er wandte sich Katsuya zu, „Wir allerdings nicht. Wir werden uns demnach wieder aufmachen, in Ordnung?“, er nickte ihr zu, „Wir sehen uns, wenn es dir besser geht, Hijiri. Bis dann.“
 

„Ich fass` es nicht...“, Katsuya schüttelte den Kopf und sah irritiert zu Seto auf, „Die hätten mich verklagen können! Wie hast du so einfach... ich meine... das ist echt unglaublich.“

„Für so einfach hatte ich es auch nicht gehalten.“, der Ältere blickte mit gehobenen Augenbrauen den Krankenhausflur hinab, „Aber über Geschenke soll man sich nicht beschweren, nicht wahr?“, er zuckte mit einer Schulter, das Gesicht in deren Richtung gewandt.

„Wahrscheinlich.“, murmelte Katsuya unbestimmt.

„Wie geht es eigentlich deinen Füßen?“, erkundigte sein Freund sich, während sie die Station hinab schlenderten.

„Gut, danke. Ist wieder verheilt. Ziemlich schnell sogar.“, er sah zu seinen Schuhen, „Schneller als erwartet. Meine Verkühlungen haben mir damals auch nicht groß was gemacht. Meine Füße sind sehr benutzerfreundlich.“

„Das unterstütze ich erst, wenn du mich mit ihnen massieren kannst.“, konterte Seto süffisant, „Es heißt übrigens nicht, dass du sie überstrapazieren musst, weißt du?“

„Ich hab` es nicht extra gemacht, ja?“

„Das behaupten sie alle.“, sie betraten den Aufzug, wo Seto sich kurz umsah und schließlich gegen eine Wand drückte, „Das Versprechen, dass du mir unten einen Kaffee kaufst, gilt noch, oder?“

„Wenn ich dein Geld kriege.“, Katsuya stellte sich ihm schräg gegenüber, um ihm den Eindruck von Platz zu lassen, „Und Yumi willst du nicht besuchen?“

„Wir müssen wirklich zurück zur Schule.“, Seto sah sehnsüchtig zu den schließenden Türen, „Es ist erschreckend, wie viele Fehltage wir schon angesammelt haben. Und irgendwann gehen mir die Entschuldigungen aus.“

„Sag mal...“, die braunen Augen wandten sich zum laminierten Boden des Aufzugs, „Auch wenn ich nicht... in die Psychiatrie gehe... kann ich irgendetwas machen, um diese... diese Kräfte besser unter Kontrolle zu kriegen?“

„Sicher.“, Seto verschränkte die Arme, „Sport. Möglichst aggressiv und schmerzhaft. Mehr Sex. Mehr Zeichnen. Eine Verhaltenstherapie zum Beispiel ist in diesem Fall wirksam. Du kannst auch dämpfende Psychopharmaka schlucken, aber das muss ja nicht sein.“

„Du meinst, ich sollte dich wieder in deinem Büro verführen?“, Katsuya grinste, „Wie steht es damit, wenn ich den Aufzug anhalte? Meinst du, das kuriert vor deiner Platzangst in Aufzügen?“

„Nein.“, er sah zur Tür, „Hab` ich schon ausprobiert.“

Katsuya hustete, als hätte er sich verschluckt, bevor er mit einer gehobenen Augenbraue auf sah mit dem Kommentar: „Sonst geht es dir aber gut, ja?“

„Ich hatte schon dreizehn Jahre Therapie.“, ein Mundwinkel hob sich, „Da probiert man das ein oder andere aus. Das zum Beispiel auch.“, das Halblächeln verschwand, „Aber im Keller habe ich mich noch nie getraut.“

„Seto...“, Katsuya schüttelte seufzend den Kopf, „Eigentlich wollte ich jetzt nicht deine alten Beziehungen aufleben lassen.“

„Was für Beziehungen?“, ein Grinsen, „Schon gut, ich bin ruhig.“

Der Blonde verdrehte die Augen.
 

„Da hast du.“, Katsuya drückte Seto einen Becher in die Hand.

„Freundlich.“, erwiderte dieser voller Sarkasmus, „Und ich dachte, meine Laune sei schlecht.“, er sog voller Genuss den Dampf über dem Gefäß ein, „Aber wer kann schon einem Becher Kaffee widerstehen?“

„Ich.“, Katsuya stopfte die Hände in seine Taschen, „Und ich meinte das nicht böse.“, er legte den Kopf zur Seite und ließ seinen Blick wandern, „Irgendwie läuft heute alles schief... wenigstens hat das mit Shizuka geklappt.“, er sah vorsichtig zu Seto auf, „Und das mit Frau Hijiri. Irgendwie schien sie sauer auf ihren Sohn zu sein, weil er sich vom Sohn des Klassenlehrers hat verprügeln lassen... verquer, oder?“

„Wir leben in einer hierarchischen Gesellschaft. Und der stellvertretende Schulleiter ist da schon ein Wort.“, er probierte, wie heiß der Kaffee war, bevor er noch einmal darauf pustete, „Sie hat das Ganze als Prügelei aufgefasst. Wahrscheinlich glaubte sie, dass ihr euch gegenseitig geschlagen habt. Dass sie das wenig begeistert, kann ich verstehen. Vielleicht war Hijiri früher ja wirklich auch ein kleiner Deliquent. Zumindest ist er nicht das durchschnittliche Opfer.“

„Er ist trotzdem ein Idiot.“, sie traten aus dem Krankenhaus, „Sag mal, wie erzieht man Kinder? So ganz theoretisch.“

„Ganz theoretisch? Du willst, dass ich mich an meinen Block Pädagogik erinnere?“, Seto seufzte und legte seinen Kopf in den Nacken, „Erziehung... ja, da war was... das war ein Diagramm mit zwei Achsen und ganz oben rechts war der als bester deklarierte Erziehungsstil... Moment...“, er zog die Augenbrauen zusammen und sah in die Luft, „Die Achsen war... eins war auf jeden Fall Regeln und Kontrolle... ach ja, Zuwendung. Liebe und Zuwendung. Autoritativ hieß das, wenn ich mich recht entsinne. Der Erziehungsstil zeichnete sich aus durch viel emotionale Wärme, aber auch strikte Regeln und Grenzen. Autoritär war streng mit wenig Wärme. Vernachlässigend war wenig Wärme und wenig Regeln und viel Wärme mit wenig Regeln war... anti-autoritär auf jeden Fall. Aber ich glaube, das hatte noch einen zweiten Namen. Genau, permissiv! Es hieß permissiv. Ich denke, das Konzept ist selbsterklärend.“

„Also sollte man klare Regeln setzen, aber liebevoll sein?“, sie stiegen in den Wagen, wo Katsuya ein Bein ran zog, nachdem er sich angeschnallt hatte, „Ich würde mal behaupten, dass das so ist, wie du erziehst.“

„Ganz sicher.“, Seto schnaubte, „Ich bin ja sehr konsequent. Wir haben es gerade gesehen. Und liebevoll war auch mal anders gemeint. Ich glaube, wenn du proklamierst, dass es liebevoll ist, wenn Väter mit ihren Söhnen schlafen, hast du bald ein größeres Problem mit dem Gesetz.“

„Wenn du das Recht hast dich scheiße zu finden, habe ich das Recht dich gut zu finden.“, die braunen Augen legten sich auf Setos Gestalt, „Ich finde, du erziehst mich gut. Wenn ich mal drüber nachdenke, wie sehr ich mich in den letzten drei Monaten verändert habe, bin ich schon irgendwie... stolz. Ich baue immer noch Scheiße, aber bei weitem nicht so Schlimme. Oder... bereue sie zumindest.“, Katsuya hob seine Augenbraue, „Andererseits... macht es die Sache besser, wenn ich sie bereue?“

„Vor Gericht zumindest.“, Seto seufzte und lenkte den Wagen auf die Straße, „Dann sieh mich ruhig mit rosa Brille. Länger als sechs Monate hält das ja zum Glück nicht.“

„Hattest du nicht Angst, dass ich dich verlasse?“, mit Falten zwischen den Augenbrauen sah der Blonde zur Seite.

„Die... habe ich auch. Nur...“, ein tiefer Atemzug, „Ich hoffe mal, dass du mich zumindest noch ein bisschen magst, wenn die Brille langsam zerfällt.“

„Traust du dir das zu, dass ich dich mögen könnte?“

„Hm... wir sind seit einem Monat zusammen. Das ist mehr Zeit als ich je mit wem anders verbracht habe.“, Seto legte den Kopf von der einen zur anderen Seite und zurück, „Nach Statistik dürften wir wohl noch zwei Monate zusammen sein. Kriegen wir das hin?“

„Da müssen wir wohl unser Bestes geben.“, Katsuya grinste.
 

Schweigen. Stumm auf ihn gerichtete Blicke. Das altbekannte Bild. Es war nicht angenehmer als wenn alle flüsterten, entschied Katsuya beim Betreten des Klassenzimmers. Er sollte etwas sagen. Er wusste, er sollte etwas sagen.

Stattdessen verengten sich seine Lider. Seine Lippen verhärteten sich. Er saugte seine Wangen ein kleines Stück zwischen seine Zähne. Seinem Mund befahl er zu schweigen, doch seine Beine trugen ihn tiefer in den Raum. Die ersten wichen zurück.

„Katsuya?“, fragte Ryou leise und trat ein Stück vor, „Bist du noch sauer?“

Der Blonde schloss die Augen und seufzte tief. Er machte mehr kaputt als heil. Weit mehr. Also sollte sein Körper damit aufhören. Es war nicht sein Ziel alle in Angst und Schrecken zu halten.

„Ja...“, er sah zu dem Anderen, „Aber auf mich. Es tut mir Leid, dass ich so ausgerastet bin.“

„Alles klar.“, zwitscherte Ayumi und tapselte zu ihm hinüber, „Und wie geht es Hijiri? Ist er schon wieder wach?“, einige in der Klasse sogen scharf die Luft ein, während die Blicke zwischen ihnen wechselten.

„Ja, dem geht es wieder gut.“, Katsuya fuhr sich mit der Hand über ein Auge, „Herr Lehrer Kaiba hat seine Mutter erfolgreich davon abgehalten ihm an die Gurgel zu gehen, weil sie dachte, er hätte die Schlägerei begonnen.“

„Na ja, theoretisch hat er das ja auch.“, sie zuckte mit den Schultern.

„Was?“ - „Spinnst du?“ - „Überhaupt nicht!“ - „Geht`s noch?“ - „Bitte?“

Die Klasse brach aus wie ein Vulkan. Fragen wie Ausrufe prasselten auf Ayumi herein. Drei Mädchen waren blitzschnell bei ihr, drehten sie herum und redeten auf sie ein. Ryou schlug mit einem Winseln die Hände über die Ohren und wich zurück aus der Masse. Wenn Katsuya ehrlich war, hätte er gern dasselbe getan.

Stattdessen trat er vor, stellte sich hinter Ayumi und zeigte mit den Armen einen Kreis um sie auf. Es brachte die Klassenschnepfen kurz zum Schweigen. Er verschränkte einfach nur die Hände hinter dem Körper und blieb stehen.

„Jetzt mal ehrlich, Hijiri hat es klar provoziert, oder?“, Ayumi stemmte die Hände in die Seiten, „Ich gebe zu, Katsuya schlägt ziemlich schnell zu, aber immer mit ganz klar erkennbarem Grund. Als Hijiri das alles gesagt hat, war mir sofort klar, was passieren würde. Das hätte er auch selbst wissen können. Also ist er in meinen Augen auch selbst schuld.“

„Hallo?“, eine ihr gegenüber packte sich an den Kopf, „Dass dieser Irre so austickt, kann man ja wohl kaum erwarten. Der gehört eingesperrt.“

„Wie würdest du denn reagieren, wenn ich dir vorwerfe, dass du mit deinem Vater schläfst, um dir deine Handtaschen zu leisten?“, Ayumi zeigte auf die Markenhandtasche am Arm der anderen, „Bleibst du da ruhig? Sagst du dir einfach, dass es doch egal ist, was ich erzähle? Versucht doch mal euch in Katsuya zu versetzen. Klar war das scheiße, aber es war auch zu erwarten, wenn man mal `ne Sekunde drüber nachdenkt.“

„Der Typ ist krank im Kopf. Da will ich gar nicht drüber nachdenken.“, die Mädchen schlang die Arme um ihren zierlichen Leib, „Man verprügelt einfach keine Leute. Das geht nicht. Gott sagt, dass Frieden unter den Menschen herrschen soll.“

„Wenn Hijiri es nicht anders lernt.“, Ayumi hob beide Arme und zog den Kopf dazwischen, „Ich meine, wie viele Warnungen hatte er? Zwanzig?“

„Hab` dich nicht so. Hijiri hat nur Spaß gemacht. Er hat nie irgendetwas... Böses getan.“

„Leute beleidigen und öffentlich anprangern ist ja auch gar nichts Böses.“, sie stemmte die Hände wieder in die Hüften, „Deine Mutter ist `ne fette, stinkende Sau. Und? Jetzt habe ich nichts Böses getan, ja? Schließlich habe ich nicht zugehauen.“

„Das... das ist...“, stotterte die Andere.

„Das ist genau das Gleiche.“, seufzend schüttelte Ayumi den Kopf, „Solche Sachen haben Vorgeschichten. Ich fand`s nicht gut, das hätte man anders machen sollen, aber ich fand es auch nicht falsch. Ein paar Schläge haben dem Typen hoffentlich gut getan.“

Kleine Pfoten

Moin ^v^ Ab morgen bin ich bis zum 07.08 in Kanada, heißt, ich werde nicht on kommen, keine ENS und Kommentare beantworten können und nächste Woche auch KEIN Kapitel hochladen. Danach ist aber alles wieder normal ^.-

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und Kommentieren!
 

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Schläge hatte keiner verdient. Es war nicht richtig Probleme mit Gewalt zu lösen.

Das waren Normen der Gesellschaft, richtig? Aber war Gewalt nur physisches Übergreifen? Es gab doch auch emotionale und soziale Gewalt. Jemanden schuldig fühlen zu lassen oder vor einer Gruppe nieder zu machen, das waren auch Formen von Gewalt. Allerdings war es in Ordnung Probleme damit zu lösen – das Gesetz sah vor, dass Einsperren und damit sozial isolieren eine geeignete Strafe war.

Aber solche Sachen konnten Menschen genauso irreparabel schädigen wie physische Gewalt. In verschiedenen Altern sogar weit mehr als das. War der Schluss daraus, dass es ein geeignetes Maß physischer Gewalt gab? Oder dass auch das derzeitige Strafsystem wenig sinnvoll war? Ihre Kultur war auf Strafen als Konsequenzen aufgebaut. War demnach die Struktur der Gesellschaft zu ändern? Oder war das ein utopischer Gedanke?

Er pinselte nass über den schwarzvioletten Farbverlauf, um beide mehr ineinander übergehen zu lassen. An manchen Stellen zog er den Pinseln weit durch, sodass die Farben ineinander ragten, bevor violett in dunkelrot überging. Er war sich noch nicht sicher, ob er das Bild Tunnel oder Abgrund nennen sollte – aus dem mittigen Klecks Schwarz ging es zu allen Seiten in immer hellere Farben über. Den Rand benetzte ein in orange changierendes Gelb.

Wieder einmal eines der Selbsthilfekursbilder im Kunstunterricht. „Malt den derzeitigen Stand in eurem Leben.“ - sein erster Gedanke war gewesen sich in den Keller eines Hauses zu setzen, während die meisten eine Dachparty feierten. Aber dieses Motiv war ihm stärker im Kopf geblieben. Nicht jeder Tunnel endete irgendwann in einem Licht. Er hatte ja gedacht, Seto sei sein Licht.

Aber Seto war auch nur ein Meilenstein auf seinem Weg. Es war jetzt leichter, aber er musste immer noch weiter gehen. Immer noch kämpfen. Und wenn er richtig sah, so würde das auch nie aufhören.

„Katsuya?“, flüsterte Ryou leise, „Du löst das Papier auf...“

„Hm?“, er hob den Pinsel, „Ups...“, er steckte ihn in ihren Wasserbottich, „Verdammt.“, er pustete auf das fast durch gedrückte Papier, „Ich war gerade irgendwie woanders.“

„Schon klar... kann man dir irgendwie helfen?“

„Kannst du meine Aggressionen abstellen?“, ein schiefes Lächeln legte sich auf Katsuyas Lippen, „Ich wäre gern ruhiger. Ich handle einfach immer wieder aus dem Moment heraus und denke nicht über die Konsequenzen nach. Das ist...“, er schüttelte unbewusst den Kopf, „Irgendwann kommt der Moment, wo es kein Zurück mehr gibt. Wo ich etwas tue, was sich nicht mehr rückgängig machen lässt. Und ich habe verdammt Angst davor.“

„Das... ist wirklich ein Problem.“, Ryou biss auf seine Unterlippe und starrte einen Moment sein Bild an, wo er einen Jungen auf einen winzig kleinen Planeten gezeichnet hatte, „Aber... das ist auch etwas, was ich bewundere. Du denkst nicht stundenlang und tust dann doch nichts. Du machst einfach das, was du für richtig hältst. In genau dem Moment. Ich bin da gelähmt und weiß nicht, was ich bloß tun soll. Aber du handelst einfach. Vielleicht ist das manchmal Mist, aber andererseits ist das so oft einfach... einfach gut und richtig.“, er zuckte mit den Schultern, „Ich weiß nicht, für mich ist das nichts Böses. Ich finde das gut, wie du das machst.“

„Hm...“, vielleicht... vielleicht war es nicht so schlimm, wie er war. Er musste sich etwas mehr unter Kontrolle kriegen, aber... na ja, vielleicht hatte Ryou Recht.
 

„Hey, Kleiner...“, Seto legte von hinten die Arme um ihn und sah über seine Schulter, „Kann ich helfen?“

„Hm...“, murmelte der Blonde unbestimmt, „Kannst du den Salat waschen, bitte? Ich glaube, ansonsten bin ich fertig.“

„Okay.“, er wurde los gelassen und sah seinen Freund neben sich auftauchen, „Und wie geht es dir mittlerweile?“

„Passt scho-“, Katsuya unterbrach sich selbst, indem er einfach den Mund schloss, „Nein, ehrlich gesagt weiß ich immer noch nicht, was ich denken soll. Kann ich darauf vertrauen, dass sich das bessert? Sollte ich was tun? Oder war die Aktion vielleicht sogar richtig?“

„Richtig?“, Seto hob eine Augenbraue, „Wie kommst... also... entschuldige, ich kann nicht ganz nachvollziehen, wie du das auch nur in der Möglichkeit für richtig halten kannst. Gerade du... du, der du weißt, wie es aussieht, wenn man die Kontrolle über sich verliert...“

„A- aber... nein... du hast Recht.“, der Jüngere schüttelte den Kopf, „Ich habe mich wohl irgendwie mitreißen lassen. Ayumi meinte, das sei gerechtfertigt gewesen. Ich muss wohl irgendwie... nein, vergiss es einfach.“

„Nun... ich lehne Gewalt nicht kategorisch als Lösung ab, aber eigentlich nur, wenn sie das Ergebnis einer Überlegung ist, nicht aus dem Affekt heraus.“, Seto hob mit den Fingern den Salat im Wasser durch, „Ich hatte nicht daran gedacht, deine Handlung als möglicherweise einzig richtige Reaktion zu betrachten. Und ehrlich gesagt fällt es mir auch schwer das zu tun.“

„Nein, nein, du hast ja Recht. Ich habe einfach nicht nachgedacht.“, er drehte das Fleisch in der Pfanne und bespritzte sich dabei mit dem Bratfett, „Au, verd- shit... irgendwie scheine ich nie groß nachzudenken.“, er drängelte sich neben Seto und hielt seine Finger ins Wasser.

„Das ist eine Spezialität der Jugend.“, warf der Andere sarkastisch ein, „Da stehst du sicher nicht allein.“, er seufzte, „Mokuba war in deinem Alter noch nicht so vernünftig wie du jetzt.“

„War das sowas wie ein Kompliment?“, fragte Katsuya verdutzt.

„Möglicherweise.“, lächelnd drückte Seto ihm einen Ellbogen in die Seite, „Ich mache dir andauernd Komplimente. Das gehört zufällig zu meiner charmanten Persönlichkeit.“

„Charmant?“, der Jüngere trocknete sich die Hände, „Dieser Charakterzug, der mit der Bezeichnung beliebt korreliert?“

„Welch Lernfähigkeit. Welch Enthusiasmus!“, Seto warf den Salat in die von ihm bereit gestellte Abtropfform, „Das Niveau deiner Syntax ist exorbitant aszendiert.“

„Bitte was?“, Katsuya wich zurück, tiefe Falten zwischen den Augenbrauen, „Nochmal langsam... mit Übersetzung bitte.“

„Bist du im Fremdwörterlexikon etwa noch nicht über den ersten Buchstaben hinaus?“, neckte sein Freund ihn.

„Bist du irre? Wer zur Hölle liest Lexika?“, er hob die Pfanne von der Platte, wartete einen Moment und holte das Fleisch erst dann heraus, „Nein, warte... wer zur Hölle außer dir liest Lexika?“

„Wenn ich nur noch in Fachsprache rede, du. Relativ schnell sogar.“, der Salat fand seinen Weg in die vorbereitete Schale, „Soll ich unterheben?“

„Ja, bitte.“, er dekorierte die beiden Teller mit einem Büschel Petersilie und einem Streifen Kräuterbutter, „Aber bevor ich ein Fremdwörterlexikon lese, nehme ich mir ein Buch mit englischen Vokabeln und lerne das.“

„Wunderbare Idee, welches kann ich dir anbieten?“, sie nahmen Platz am bereits gedeckten Tisch.

„Das hieß nicht, dass ich eins lesen möchte.“

„Nicht?“, Seto lächelte gewinnend, „Dabei war das eine außerordentlich konstruktive Idee.“

„Demnächst servier` ich dir Bücher.“, entschied Katsuya.
 

„Müde...“, murmelte der Blonde und ließ sich tiefer in seinen Stuhl sinken, „Warum ist es noch so früh?“

„Weil wir auch am heutigen Tag nicht verschlafen haben.“, lächelnd kniff Seto ihn in die Seite, worauf er mit einem Fiepen zusammen zuckte, „Du könntest anfangen Kaffee zu trinken.“

„Teufel... verführst mich zur Sucht.“, Katsuya schüttelte den Kopf und sank wieder in den Sitz, „Das Zeug schmeckt ekelhaft. Ich kann nicht verstehen, was du daran findest.“

„Genuss.“, sie schwiegen für einen Moment, „Ich werde nachher mit dem Direktor sprechen. Ich werde die Verlängerung ausschlagen, um die er mich gebeten hat. Ab dem ersten Dezember werdet ihr damit einen neuen Klassenlehrer und stellvertretenden Schulleiter haben.“

„Und du?“, er sah auf, „Was machst du dann?“

„Wer weiß? Telefondienst beim Schulamt? Vielleicht wird auch irgendwo dringend ein Lehrer gebraucht. Oder Direktor. Oder was auch immer. Ich tue das, was man mir zuweist.“, Setos Mundwinkel hob sich, was Katsuya für einen kurzen Moment sicher als das Fletschen seiner Zähne bezeichnet hätte, „Ich bin praktisch Söldner der Bildungsbehörde. Ich mache das, was gemacht werden muss. Ich löse Probleme.“

„Das heißt, die könnten dich auch einfach woanders hin versetzen? Sogar weit weg von hier?“

„Möglicherweise. Ich war in den fünf Jahren an vielen Orten. Aber meist bin ich trotzdem abends nach Hause gekommen. Ich brauchte meinen Anker... und sei es nur ein Haus voll toter Erinnerungen.“, Seto zuckte mit den Schultern, „Jetzt ist es ein Zuhause. Also komme ich zurück.“

„Gut...“, Katsuya seufzte und lehnte seine Wange gegen die kühle Glasscheibe, „Irgendeine Ahnung, wer unser Klassenlehrer werden wird? Und wer Japanisch, Religion und Englisch übernimmt? Und... Mathe...“

„Ich vermute, es wird eure Sozialkundelehrerin. Sie dürfte auch Japanisch übernehmen. Für alle anderen Fächer werden euch neue Lehrer zugewiesen werden.“, der Fahrer entspannte seine Schultern, bevor er den Kopf jeweils kurz zur rechten und linken Seite legte, wobei es leise knackte, „Der Religionslehrer steht schon fest, so weit ich weiß. Diese Ausfälle waren ja beide geplant. Und ich führe diese Woche noch einige Bewerbungsgespräche. Vielleicht ist das was Passendes bei.“, er senkte das Kinn etwas, „Ich habe nicht vor diese Schule in einem weniger als perfekten Zustand zurück zu lassen.“

„Du willst in zwei Wochen noch alle benötigten Lehrer auftreiben? Gute noch dazu?“, die blonden Augenbrauen zogen sich zusammen, „Das ist absoluter Wahnsinn.“

„Vielleicht. Aber das sind Ansprüche, die ich mir zutraue.“, ein Lächeln legte sich auf Setos Lippen, „Wenn ich eins beherrsche, dann ist das Arbeiten.“

„Das ist... einfach... nein.“, Katsuya seufzte, „Das bist wohl einfach du. Unerfüllbare Ansprüche an dich und alle anderen und ein blendender Selbsthass. Ich erinnere mich, dass das die Hauptsymptome von Borderline waren.“

„Vergiss nicht das Schwarz-Weiß-Denken. Und zu hohe Ansprüche sowie Minderwertigkeitsgefühle sind ebenso ein Zeichen von Hochintelligenz. Und verneine nicht, dass du mir bisweilen ähnlich bist in diesen Dingen.“

„Ich stelle keine zu hohen Ansprüche.“, widersprach er heftig, „Ich unterschätze mich sogar. Das, was ich an Noten geschrieben habe, hätte ich nie auch nur erträumt hin zu bekommen. Du warst derjenige, der fest überzeugt war, dass ich das schaffen konnte.“

„Und das nennt sich nicht Minderwertigkeitsgefühle?“

Katsuyas Lippen zogen sich zu einer dünnen Linie zusammen. Irgendwo war ein Haken in der Logik. Irgendwo. Er würde noch drauf kommen. Er sollte es nur schnell tun, wenn er in angebrachter Zeit noch etwas erwidern wollte.

„Du bist viel extremer.“

„Ach wirklich? Das nennt sich Borderline, ganz wie du gesagt hast. Oder aber DESNOS. In meinem Falle.“, die blauen Augen legten sich einen Moment lang auf seine Gestalt, bevor sie sich wieder auf die Straße richteten, „Andererseits, wo ist die Grenze? Bin ich einfach nur extrem hochbegabt? Oder brechen die Symptome stärker durch? Unterscheidet mich etwas von einem Borderliner?“

„Du verwirrst mich...“, murmelte Katsuya nur.
 

„Bei allen Göttern... danke!“, er fiel Yami um den Hals, der blinzelnd im Türrahmen erstarrte und nicht einmal die Hände heben konnte, um ihn zurück zu umarmen, bevor er sich schon wieder löste, „Endlich eine Person, die noch auf dem Teppich weilt. Kann ich reinkommen?“

„Sicher...“, der Rothaarige trat zur Seite, „Ist Seto schon los zum Fitnesscenter?“

„Ja, er hat mich nur raus gekickt und ist direkt weiter.“, Katsuya ging direkt durch in die Küche, wo bereits ein Topf auf dem Herd stand, aus dem Dampf aufstieg, „Du kochst schon?“

„Nur die Kartoffeln. Ich dachte mir, dass du in nächster Zeit kommst.“, der Andere folgte ihm, „Und was meintest du mit auf dem Teppich weilen?“

„Nur Seto. Viel zu kompliziert, der Typ. Er ist einfach genial und stellt noch höhere Ansprüche an sich, als er erfüllen kann und gleichzeitig hasst er sich, weil er sich für nicht gut genug hält – hat der eigentlich überhaupt noch Bezug zur Realität?“, er fuhr sich mit einer Hand durch das blonde Haar und ließ sich auf einen Stuhl fallen, „Das regt einen echt auf. Und dann diese tausend Personen. Er ist krank und braucht Hilfe, aber andererseits ist er für mich da und kümmert sich um mich wie ein Vater – und neben all dem ist er mein... ach, keine Ahnung. Es ist so verquer. Ich weiß gar nicht, wie ich ihn nun behandeln soll... er verwirrt mich.“

„Was ist er denn in erster Linie?“, fragte Yami mit einem amüsierten Lächeln und holte ein paar Dinge aus dem Kühlschrank.

„Keine Ahnung... Idol, Vater, Stütze... ganz viel einfach.“, mit einem Seufzen lehnte Katsuya sich auf seinem Stuhl zurück und sah zur Decke.

„Nicht dein Freund? Freund wie in Liebhaber?“, wurde leise nachgefragt.

„Das... natürlich auch. Irgendwie. Na ja...“, er seufzte, „Es ist nicht so, als würde ich vor Lust brennen, aber natürlich... irgendwie... also...“, er warf Yami einen schnellen Blick zu, „Das ändert sich auch irgendwie, weißt du? Ich weiß gar nicht, wie ich das beschreiben soll. Als wäre... als wäre die Flamme verglüht, aber die Glut wärmt genauso. Macht das Sinn?“

„Sicherlich. Das ist ganz normal. Die Leidenschaft vergeht, aber die Liebe bleibt.“, dieser schnitt eine Packung mit Fleisch auf und verfrachtete dieses in eine Pfanne mit Öl, „Ich vermute mal, dass du Liebe der Leidenschaft vorziehst?“

„Schon...“, mit einem Arm stützte Katsuya seinen Kopf auf die Tischplatte, „Andererseits ist das so... endgültig. Wie dieser Heiratsantrag.“, er sah auf den Ring an seiner Hand, „Wie lange sind wir jetzt zusammen? Etwas mehr als einen Monat? Mir kommt es vor, als würde Seto alles versuchen, um mich an sich zu binden.“

„Dem ist auch so.“, Yami warf einen Blick über seine Schulter, „Seto hat extreme Verlassensängste. Natürlich versucht er alles, um dich an seiner Seite zu halten. Du bist praktisch das Beste, was ihm je passiert ist.“

„Hm...“, er folgte dem Koch mit seinen Augen, „Sag mal... ihr beide habt jahrelang miteinander geschlafen und versteht euch ziemlich gut... warum war eigentlich zwischen euch nie etwas Ernsteres? Tieferes? So wie... eine Beziehung.“

„Mit mir?“, der Rothaarige drehte sich zu ihm, die Augenbrauen gehoben und zusammen gezogen, „Du machst Witze. Ich bin eine verdammte Hure. Seto würde sich nie auf jemandem einlassen, von dem er weiß, dass er untreu sein wird. Wenn der etwas als seins betrachtet, dann ist er ziemlich einnehmend. Dass du mich allein besuchen darfst, verwundert mich schon.“

„Jetzt, wo du es sagst...“, die braunen Augen sanken, bis der Blick auf den Kacheln weilte, „Er ist schon ziemlich... kontrollierend.“

Er wusste stets, wo er war. Bei wem er war. Meist, was er machte. Er kannte all seine Freunde. Entschied bisweilen für ihn. Am Anfang war das schützend und heimelig gewesen, mittlerweile nervte es manchmal schon. Aber Seto hielt sich sichtlich zurück. Ginge es nach ihm, könnte er Yami ja nicht einmal mehr besuchen nach der Sache... nach ihrem Gespräch vom letzten Mal.

Yamis Geschichte.

Die Verführung.

Katsuya schluckte und sah auf. Ein Prickeln fuhr unter seiner Haut her. Hinter einigen blonden Strähnen her beobachtete er seinen besten Freund. Yami war sicherlich nicht unattraktiv. Sie beide verband eine lange Geschichte. Sie hatten schon oft Dinge getan, die für andere sicherlich das Ausmaß einer Freundschaft überschritten. Aber mehr als das? Ein Zucken in seinem Unterleib ließ ihn den Blick abwenden.

Nein... er war der einzige von Yamis Freunden, der noch nie mit ihm geschlafen hatte. Der einzige, der dem anderen das Gefühl gab, nicht nur als Körper einen Wert zu haben. Außerdem hatte er einen festen Freund. Also nein.

Versuchung

Da bin ich wieder ^.^ Wusstet ihr, dass jedes Haus und jeder Laden, ja teilweise jedes Zimmer in Kanada eine Klimaanlage hat? Mein Gesundheit ist echt ruiniert -.- Aber es hat sehr viel Spaß gemacht ^.^ Ich habe alle möglichen Leute kennen gelernt! Nette Japaner, Mexikaner, Türken, sogar Leute aus Ethiopien und Sri Lanka ô.o Selbst die Mongolei war anwesend. Ich habe die deutsche Botschaft besucht und zwei Botschafter kennen gelernt. Total spannender Job!

Meine Lektorin kommt am 16. aus dem Urlaub wieder, ab dann wird mal endlich ordentlich am Buch gearbeitet ^.^ Jetzt muss ich nur noch meine Prüfung am 24/25. bestehen...

Hier mein Geschreibsel aus Kanada - viel Spaß beim Lesen ^.^
 

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„Wie immer – es schmeckt einfach klasse.“, Katsuya leckte sich über die Lippen und lächelte, wobei er zu dem Anderen aufsah, „Warum wirst du nicht Koch oder so?“

„Weil das kein stabiler Job ist.“, Yami biss sich auf die Lippen, „Was meinst du, was da nach der Ausbildung kommt? Die meisten Taxifahrer, die ich in meinem Leben getroffen habe, sind Köche gewesen.“

„Du verallgemeinerst.“, der Blonde lehnte sich vor, den Arm mit den Stäbchen auf den Tisch stützend, „Außerdem ist dein derzeitiger Job auch nicht gerade stabil. Du bist sechsundzwanzig. Was meinst du, wie lange du noch im Geschäft bleiben kannst?“

„Ein paar Jahre.“, seinem Blick wurde ausgewichen, „Genug Zeit, um sich zu überlegen, was ich mit meinem Leben anstelle.“

„Weil dreißigjährige Auszubildende ohne Schulabschluss ja auch so gern eingestellt werden.“, wieder einmal von Seto geklauter Sarkasmus, „Oder denkst du, es wird leichter mit der Zeit?“

„Kaum. Aber immer noch besser als sich planlos in ein Abenteuer zu stürzen.“, Yami piekste mit den Stäbchen lustlos in sein Essen.

„Ein Abenteuer... wie viele Bewerbungsunterlagen hast du denn versandt, seit du selbstständig geworden bist?“, der Jüngere lud seinen Mund voll mit Essen, wodurch eine gefräßige Stille entstand.

„Darum... geht es nicht...“, murmelte sein Gegenüber.

„Nicht? Du versuchst nicht einmal zu entkommen. Vielleicht in Gedanken, die sich dann doch nur wieder drehen, aber nicht in Taten.“

„Katsuya, du verstehst das nicht. Es ist schwer.“, Yami sah auf und seufzte, „Es ist... man denkt nicht so einfach „So, heut' hör' ich auf“, das ist nicht drin. Es ist...“

„Schwer, klar. Aber das ist es jetzt seit ziemlich vielen Jahren, oder?“, er schüttelte den Kopf, „Yami, seit ich dich kenne, hat sich dein Leben nicht sehr bedeutend gebessert. Ich weiß, ich nerve dich seit zwei Jahren damit, aber willst du nicht endlich aufhören?“

„Wollen ist nicht die Frage...“, eine Hand verschwand in den roten, aufgestylten Strähnen, „Nun... vielleicht ist es schon eine Frage. Ich weiß einfach nicht, ich...“

„Warum nicht einfach was anderes probieren? Ein Praktikum. Ein Teilzeitjob. Du hast eh genug Geld, es ist nicht so, als würdest du die Prostitution wirklich brauchen.“, er unterbrach sich mit einem Stück Fleisch, aber vielleicht konnte man es auch getrost rhetorische Pause nennen, „Du musst ja nicht gleich alles hinschmeißen. Es reicht kleine Schritte zu gehen. Damit du dir eingestehen kannst, was du wirklich willst.“

„Und das weißt du, ja?“, Yami atmete tief durch, „Entschuldige, ich wollte dich nicht anfahren. Ich weiß, du meinst es gut.“

„Schön, dass das durch deinen Dickschädel durch ist.“

„Nach der Erörterung meiner Probleme, wie steht es mit deinen? Irgendwelchen Unfug gebaut?“

Katsuya schluckte.

Verdammt. Hatte er das Thema nicht aufgewärmt, um dem über sich selbst zu entgehen? Essen und danach war die Zeit, wo Yami auf solche Ideen kam. Warum musste er unbedingt trotzdem auf ihn kommen?

„Katsuya?“, rüttelte die Stimme des Anderen ihn aus den Gedanken, „Hast du etwas angestellt?“
 

Ja.

Hatte er.

Nur schämte er sich genug, dass nicht noch mehr Leute davon erfahren mussten. Andererseits wusste Yami alles über ihn. Jede Eskapade seit zwei Jahren.

„Ich... hab ' ein wenig Mist gebaut.“, sein Gegenüber hob nur eine Augenbraue, „Ja, ich... habe einen Mitschüler geschlagen. Mitten im Klassenzimmer.“

„So richtig?“, fragt Yami nach.

„Krankenhausrichtig.“

„Au... warum?“, die Züge des anderen verzogen sich, Augenbrauen zusammen, Mundwinkel zurück, Augen auf ihn gerichtet, „Wurdest du verletzt?“

„Nein... er hat Seto und mich beleidigt. Meinte, ich würde meine Noten erschlafen.“, seufzend fuhr Katsuya durch sein Haar, „Da ist mir irgendwie die Sicherung durchgebrannt...“

„Das kann ich nachvollziehen.“, Yami seufzte einfach und lehnte sich vor, „Auch wenn es deine Reaktion nicht rechtfertigt.“, die Wange stützte auf eine Hand, „Und was ist daraus geworden?“

„Wir haben uns ausgesprochen und die Mutter hat entschieden, dass ich nicht verklagt werde. Die Klasse hatte eine riesige Diskussion drüber und ich weiß nicht ganz, was ich jetzt von all dem halten soll.“, er nahm den letzten Bissen von seinem Teller, „Ehrlich gesagt... ich weiß, dass es falsch war, aber ich weiß nicht, wie ich besser hätte reagieren können. Oder... sinnvoller. Zielführender.“

„Dass keiner das denkt und keiner das wagt?“, ein Nicken, „Was denkst du, was passiert wäre, wenn du gefragt hättest, ob er das nochmal vor Seto wiederholen möchte?“

„Hm... aber das ist schwach. Man versteckt sich nur hinter Stärkeren.“, warf Katsuya ein.

„Wenn man sich immer hinter Stärkeren versteckt, ist das feige. Aber wenn man weiß, wann man wen besser um Hilfe fragt, ist viel getan. Wenn deine einzige Handlungsmöglichkeit Gewalt ist, dann ist er sicher nicht feige Seto dazu zu ziehen.“

„Aber... ich meine... ist das wirklich hilfreich?“, Katsuya verzog das Gesicht und legte den Kopf zur Seite, „Hat das auch... na ja. Vielleicht. Es ist wohl sicher besser als zuzuschlagen. Aber meinst du wirklich, dass das denselben Effekt hätte?“

„Vielleicht hätte es die Sache auch nur weiter verschoben. Vielleicht wäre es auch effektiver gewesen als Gewalt zu benutzen. Jetzt wirst du es wohl nicht mehr erfahren.“, Yami begann sein Steak ordentlich zu schneiden, „Wenn die andere Person nicht auf die Idee kommt derartiges nochmal zu machen.“

„Ich denke nicht.“, stimmte der Blonde zu, „Zumindest ist das nicht sehr... wahrscheinlich.“
 

„Und ist sonst noch etwas in den letzten Tagen passiert?“, fragte Yami nach, nachdem sie sich auf dem Sofa niedergelassen hatten, „Hast du deine Arbeiten wieder bekommen?“

„...'n paar.“, Katsuya ließ sich tiefer in die Kissen sinken, „Alle so Mittelfeld. Weit besser als vorher, aber... na ja. Ich hätt's besser hinkriegen können.“

„Das wirst du, sobald der Stress etwas nachlässt.“

Katsuya verdrehte die Augen und wandte den Blick ab.

„Sobald der Stress nachlässt.“, äffte er nach und warf die Arme in die Luft, „Könnt ihr nicht mal was anderes sagen? Soll ich den Rest meines Lebens warten, dass es von allein nachlässt? Brav Bildchen malen und die Beine breit machen, weil mir das ja so gut tut?“, er richtete sich auf und starrte Yami an, „Was ist los mit euch? Ihr habt doch sonst immer Lösungen für alles. Irgendwelche Übungen oder Voodootricks? Irgendein Ass im Ärmel? Rumsitzen und warten kann ja wohl kaum eine Lösung sein.“

„Katsuya, fahr mich nicht so an.“, erwiderte der Andere scharf und verengte die Lider, „Und nein, rumsitzen und warten ist keine Lösung, aber einfach nur normal leben und Routine bekommen ist es. Und das braucht Zeit. Du kannst keine Wunder erwarten.“

„Aber während ich warte, werden Menschen verletzt! Hast du mir eigentlich nicht zugehört? Ich habe einen Typen krankenhausreif geschlagen! Er war über eine Stunde ohnmächtig, sein ganzes Gesicht ist grün und blau, seine Lippe ist aufgeplatzt und er hat Schwellungen und... was weiß ich, was die noch entdecken. Ich hätte ihn umbringen können. Er hätte bleibende Schäden davon tragen können...“, er sprang auf und begann auf und ab zu gehen, „Seht ihr denn nicht, dass es immer schlimmer wird? Erst konnte ich mich beherrschen, da habe ich den Leuten gesagt, sie sollen abhauen und hab' die Möbel zerschlagen. Dann habe ich jemanden bedroht, bis er weinend in einer Ecke lag und sich selbst anpisste. Und jetzt das! Krankenhaus, ja? Das ist ernst! Was ist, wenn ich nächstes Mal jemanden umbringe? Nicht als Unfall, sondern als verdammten Ernst!“

„Warst du nicht gerade noch ruhig? Was ist jetzt wieder passiert?“, Yami zog die Augenbrauen zusammen und stützte den Kopf auf eine Hand.

„Ich bin ruhig!“, schrie Katsuya als Antwort, bevor er mit den Händen in sein Haar griff und den Kopf in den Nacken legte, „Sorry... ich denke nur andauernd darüber nach. Was, wenn es schlimmer wird? Was, wenn ich... wenn ich wirklich bin, wie... ich meine, wenn ich wirklich Prügel brauche, um halbwegs sozial fähig zu sein. Vielleicht habe ich ja eine Störung, die mich diese Dinge tun lässt und die... kontrolliert werden muss.“

„Katsuya...“, die Hand legte sich vor Yamis Lippen, bevor er die andere zitternd hob, „Komm her, bitte... bitte...“

Der Jüngere schluckte, sah zu Boden, hob den Blick vorsichtig zu seinem besten Freund, atmete tief durch und trat näher. Mit einem Ausatmen, das auch ein Seufzer hätte sein können, ließ er sich in die ausgestreckten Arme sinken und legte seinen Kopf auf Yamis Brust.

„Du bist kein Monster. Du bist kein Ungeheuer. Du bist keine Kanalratte, kein räudiger Köter, keine Kakerlake. Du bist mein bester Freund.“, sagte dieser langsam, ruhig und leise, „Schläge sind keine Lösung. Solltest du wirklich eine derartige Störung haben – was ich nicht glaube – so wird es bessere Wege geben damit umzugehen als dir Schmerzen zuzufügen. Ist das klar?“

„Klar und deutlich...“, erwiderte Katsuya und zog die Beine an seinen Körper.
 

„Besser?“, murmelte Yami nach einigen Sekunden.

„Hm...“, Katsuya schloss die Lider, „Tut mir Leid... ich bin schon wieder ausgerastet. Wenn auch nicht so schlimm...“, er legte die Arme um die Taille des Anderen, „Sorry...“

„Ist okay.“, Yami fuhr mit der Hand durch das blonde Haar, „Du lässt deine Aggressionen nicht mehr an Passanten, Mitschülern oder Lehrern aus, die du zusammen schlägst. Irgendwo muss all diese Wut hin. Noch hast du sie nicht unter Kontrolle.“

„Aber das kann ich durch Sport, richtig?“, fragte der Jüngere kleinlaut nach.

„Richtig.“, aus einer Bewegung, wo Fingerspitzen Halbkreise über seine Kopfhaut zogen, bahnte sich die Hand den Weg Katsuyas Unterkiefers entlang, bevor sein Kopf gehoben wurde, „Deine Schule bietet viele Sport-AGs an. Solche Angebote gehören genutzt.“

„Das klingt nur so... lahm. Ich mein', jetzt mal ehrlich... wenn ich an Missbrauchsopfer denke, dann denke ich an Klinikaufenthalte, Gesprächstherapien, Medikamente, Selbsthilfegruppen... ich mein', wie sieht denn ein Doktor aus, der sagt, dass er zweimal die Woche Sport verschreibt?“

„Das denken sich die Ärzte wahrscheinlich auch.“, Yami seufzte, „Stell dir vor, was man alles heilen könnte, wenn die das machen würden – kaum mehr Übergewichtige, weniger Herz-Kreislauf-Patienten, weit weniger psychiatrische Fälle... das wäre eigentlich echt cool.“, ein Grinsen legte sich auf seine Lippen, „Letztens hatte ich ein Abendessen mit einem Arzt, das war ziemlich lustig. Er hat ganz viel aus seinem Alltag erzählt. Er verschreibt zum Beispiel manchmal Rezepte, auf denen steht wortwörtlich „Placebo – dreißig Tabletten“. Ich habe echt gelacht.“

„Klingt nach einem lustigen Mann.“, Katsuya machte es sich auf dem anderen bequem, „Wo hast du den aufgegabelt?“

„Der hatte einen Kongress hier – anscheinend keinen sehr spannenden. Er hat meine Karte im Hotel gefunden und sich wohl kurzerhand überlegt mal etwas Neues auszuprobieren.“

„Okay, ein Kunde, versteh' schon.“, er winkte ab, „Aber warum hat der dich vorher zum Essen eingeladen?“

„Warum nicht? Hatte eine Atmosphäre wie ein Date, das war recht angenehm. Es macht auf jeden Fall mehr Spaß als sinn- und hirnlos durchgevögelt zu werden.“

„Wirklich?“, Katsuya verzog das Gesicht, „Ich glaube, mir wäre das echt unangenehm. Müsste ich sowas machen, würde ich es einfach nur über haben wollen. Ein Abendessen mit so einem Typen... irkh...“

„Du hast auch etwas gegen Freier. Ich habe nichts gegen Menschen, die Prostituierte in Anspruch nehmen. Es ist ein Beruf, eine Dienstleistung. Für mich sind das Menschen wie alle anderen. Ich habe keinen unterdrückten Hass auf sie oder so.“, erklärte Yami sanft und fuhr mit einer Hand weiter durch das blonde Haar, „Also kann ich auch mit ihnen Essen gehen. Das ist für mich, als würde ich mit einem Geschäftspartner essen – man tut halt so, als wäre man interessiert, trinkt ein wenig etwas und schließt am Ende das Geschäft ab. Das Geschäft sieht nur halt bei mir anders aus.“

„Und das kommt nicht aus deiner Selbstgeißelungsphase?“

„Nein, das war eigentlich schon praktisch immer so.“, er grinste, „Ich mag solche Kerle. Sie haben viel Geld, wissen viel und sind meistens recht höflich. Sieht man von der Arroganz und der Einbildung ab, komme ich sehr gut mit ihnen zurecht. Kannst du dir vorstellen, wie viele Männer es gibt, die zwar mit Männern schlafen, aber klar behaupten, dass sie heterosexuell sind? Und das während sie mit dir im Bett liegen?“

Die blonden Augenbrauen hoben sich, während die Mundwinkel etwas absackten.

„Anderes Thema?“, fragte Yami lächelnd.

„Besser... ich werde nicht resignieren über deine Prostitution. Ich bleibe dabei, dass ich das nicht unterstütze.“, Katsuya begann mit seiner Fingerspitze Kreise auf dessen Brust zu malen, „Irgendwann... hörst du auf...“

„Irgendwann sicher.“, Arme legten sich um ihn, „Irgendwann sicher...“

Sport

Ach ja, eine Woche Lernen - ist das nicht schön? Stunden über den Büchern, deren Inhalt dich nicht interessiert für eine Prüfung, die dich beinahe wahnsinnig macht... ich will es hinter mir haben T.T Bitte!

Und ich hätte auch gern Ferien. Seid ihr alle verreist? Die Kommentare lassen darauf schließen. Nun, ich wünsche euch schöne Tage und viel Spaß beim Lesen ^.^
 

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„Ryou? Wo bewirbt man sich für einen Sportclub? Ich meine, hier an der Schule?“

„Ein Club?“, plapperte Ayumi mit funkelnden Augen dazwischen, „Du möchtest in einen Club? Wie steht es mit Handball?“

„Handball?“, Katsuya hob die Augenbrauen so hoch wie er sie zusammen zog, „Das ist ein Mädchensport.“

„Überhaupt nicht! Männer können das genauso spielen!“, sie zog eine Schnute, stapfte auf und legte die Arme an die Seite, „Es macht Spaß und ist sehr strategisch. Ein ausgleichender Sport, sehr empfehlenswert.“

„Aber ihr Mädchen lauft dabei in Unterwäsche und T-Shirt rum. Ist es überhaupt erlaubt als Mann da beizutreten?“, die Stellung seiner Augenbrauen veränderte sich nicht, aber seinen Kopf zog er etwas von ihr weg.

„Uhm... weiß nicht. Ich glaube, es hat noch keiner versucht.“, sie lächelte, verschränkte die Arme hinter dem Rücken und legte den Kopf schief, „Aber du könntest der Erste werden! Toll, oder?“, sie lehnte sich vor und griff seine Hand, „Oh bitte, bitte, sag ja!“

„Eigentlich war der Plan Aggressionen abzuarbeiten... ich denke, es ist nicht gut, wenn ich das an Mädchen tue.“, erklärte Katsuya etwas leiser, „Ich hatte mehr an Basketball oder Rugby gedacht. Du weißt schon etwas... Gröberes. Männlicheres.“

„Du glaubst, Frauen können nicht grob sein?“, sie ließ seufzend die Schultern sinken, „Aber ich weiß schon, was du meinst. Dann ist Handball nicht das Richtige. Aber Basketball würde dir wirklich stehen, das stimmt.“

„Also... wie bewerbe ich mich dafür?“, wandte er sich an sie.

„Du gehst zu einer Clubzeit und füllst dort den Anmeldebogen aus.“, sie zuckte mit den Schultern, „Ryou, weißt du, wann die sich treffen?“, ein Kopfschütteln von diesem, „Hm... die Schülervertretung müsste das wissen. Wir können nach der Schule hingehen und fragen.“

„Uhm... danke?“, Katsuya legte den Kopf schief, „Ich finde es immer noch sehr erstaunlich, dass du nicht schreiend vor mir wegrennst.“

„Wieso sollte ich?“, sie blinzelte, „Du bist voll nett, wenn man mit dir redet und ich liebe unsere Diskussionen im Unterricht. Es gibt viel zu wenige Menschen, die mir die Stirn bieten.“

„Irgendwo habe ich das schonmal gehört.“, er grinste Ryou zu.

„Dem war wahrscheinlich langweilig, bis du aufgekreuzt bist.“, erwiderte dieser das Ungesagte, „Und ich diskutiere auch gern mit dir.“, Rot legte sich auf dessen Wangen, „Du nimmst dir Zeit für mich.“

„Du bist so süß!“, quietschte Ayumi auf und fiel Ryou um den Hals, „Es ist so cool, wenn man nicht darüber nachdenken muss, ob einen die Freunde attraktiv oder begehrlich finden könnten.“

„Warum hält mich jeder für schwul?“, Katsuya verdrehte die Augen.

„Weil dein Vater schwul ist. Nach den Vorwürfen habe ich im Internet geforscht.“, sie griff nach ihrer Tasche und zog eine Kladde heraus, „Hier, seht mal. Die Zeitungen hatten einen Ticker für ihn eingerichtet, der seine Eroberungen zählte. Alle fünfzig haben sie einen Artikel über ihn geschrieben.“

„Alle fünf...“, der Blonde schüttelte den Kopf und zog einige der Artikel hervor, die Ayumi ausgedruckt hatte, „Bei allen Göttern... sah der gut aus mit sechzehn.“

„Das war jetzt ein recht eindeutig schwuler Ausspruch.“, sie grinste breit.

„Wenn Ryou dich hübsch nennt, macht ihn das nicht hetero, oder?“, eine von Katsuyas Augenbrauen hob sich, er warf ihr einen kurzen Blick zu und schnaubte, „Einhundertzweiundsechzig One-Night-Stands in sechs Monaten... das sind fast so viele, wie es da Nächte gab. Und wer hat den Scheiß gezählt?“

„Wusstest du davon?“, fragte sie leise nach, nachdem sie sich vor gelehnt hatte.

„Zum Glück ja. Ich will nicht wissen, wie mich das hier sonst geschockt hätte.“, er schüttelte den Kopf und blätterte durch den Rest, „Der Mann, für den das Wort Schlampe gilt... ich kann nicht fassen, dass jemand das abgedruckt hat.“, er reichte ihr den Packen, „Da sag‘ noch mal einer, wir wären konservativ.“
 

Pong.

Pong. Pong. Pong.

Pong-pong-pong-pong... der orange Ball rollte geräuschlos weiter.

„Was ist denn?“, fragte einer der fünf Jungen, die verwirrt den anderen vier zusahen, die mit entsetztem Blick von der Tür zurück wichen, „Kennt ihr den?“

Klar. Schulkameraden halt. Drei der letzten, einer der jetzigen Stufe. Er lächelte gewinnend und ließ seinen Ranzen von seiner Schulter gleiten. Lässig trat er ein paar Schritte in die Halle und meinte: „Hi, Jungs. Ich wollte in euren Club eintreten. Der Schülerrat hat gesagt, ich soll einfach heute vorbeikommen.“

„Äh... cool.“, der Sprechende sah noch immer verwirrt zu den anderen, „Ich bin Toshi Nakita aus der dritten. Ich bin Teamkäp’ten.“

„Katsuya Kaiba. Ich bin Herr Lehrer Kaibas Sohn.“, er nickte den anderen zu, „Und ich weiß, dass die meisten hier mich wahrscheinlich nicht in allzu guter Erinnerung haben.“, er sah dabei bewusst zu denen aus seiner alten Stufe, „Aber ich hab‘ mich geändert. Ehrlich.“

Ob zum Besseren oder Schlechteren sei mal dahin gestellt.

„O... kay.“, der Nakita warf einen Blick über seine Schulter, „Nun... ich schlage vor, du spielst einfach mal mit und wir schauen, wie es läuft, in Ordnung?“

„Klasse, danke.“, ein Grinsen schlich sich auf seine Lippen, „Ich zieh mich dann um, ja?“

„Super.“, der Andere nickte, „Bis gleich!“, er schlug ihm mit der Faust freundschaftlich gegen die Schulter.

Uff... mit einem Lächeln drehte Katsuya ab und taperte zu den Umkleiden herüber. Hoffentlich war er auch noch willkommen, wenn er wieder kam. Er hatte gar nicht darüber nachgedacht, dass seine alte Stufe ja nun eine über ihm war. Und dass es Leute gab, die ihn nicht als braves Streberkind kannten... bei allen Göttern, es tat weh das auch nur zu denken. War das wirklich erst ein paar Monate her, dass er hier als der absolute Schrecken bekannt war? Dass man ihm auswich oder sogar wegrannte, wenn man ihn sah?

Er seufzte und band sich die Schnürsenkel zu. Warum hatte er seine Sportsachen eigentlich nicht an behalten? Er hatte doch die letzten zwei Stunden Sport gehabt. Zwar in einer anderen Halle, aber so weit war der Weg ja nun doch nicht. Er war ein Idiot. Memo für die Zukunft, nicht wieder solche Nutzlosigkeiten tun. Andererseits... würde er versuchen Nutzlosigkeiten aus seinem Leben zu streichen, würde er wieder fast jeden Unterricht schwänzen. Er stieß die Luft aus und grinste schief, bevor er tief einatmete und die Halle wieder betrat.

Na klasse. Teambesprechung. Wetten, es ging um ihn? Er blieb stehen und sah von der Tür aus zu dem Kreis von diskutierenden Jungen herüber. Scharfes Flüstern, zwei Blicke auf ihn, wildes Gestikulieren. Es dauerte nur einen Augenblick, bevor Nakita aus der Gruppe trat und zu ihm hinüber ging, während der Rest verstummte.

„Hey, Jonouchi...“, er lächelte, doch es erreichte seine Augen nicht.

„Kaiba.“, Katsuya legte eine Hand auf die Hüfte, „Mein Name ist Kaiba.“

„Kaiba, sorry. Also... folgendes Problem.“, der Andere malte mit der Hand einen ausschweifenden Halbkreis in die Luft, „Unsere Schule ist ziemlich bürokratisch. Wir dürfen nur zum Jahresbeginn neue Mitglieder aufnehmen und-“

„Mein Vater ist der stellvertretende Schulleiter, das dürfte wohl kaum ein Problem darstellen.“, fiel er jenem ins Wort.

„Das... ist natürlich wahr. Nur ist da auch noch...“, der Typ hob beide Hände, als würde er einen Ball vor der Nase halten, „Noch...“

„Was?“

„Nun, du weißt schon...“, Nakita kniff die Lippen zusammen und legte den Kopf etwas zur Seite.

„Nein, tu ich eigentlich nicht.“, Katsuyas Züge verhärteten sich, „Was ist das Problem?“

Die Mimik wich langsam aus dem Gesicht des Jungen, die Hände sanken auf Bruthöhe und er wich fast unmerklich einen Schritt zurück. Nach einem Durchatmen fielen beide Arme an seine Seite, der Rücken richtete sich auf und das Kinn hob sich.

„Ja?“, eine blonde Augenbraue zuckte in die Höhe.

„Die Gerüchte.“

„Gerüchte?“, Katsuyas Lider verengten sich, „Und was für Gerüchte?“, er trat einen Schritt vor, sodass sich ihre Nasen fast berührten, „Dass ich ein Punk bin? Dass ich ein Junkie bin? Dass mein Erzeuger mich zusammen schlägt? Dass ich andauernd ausraste und Leute verprügle? Dass ich schwul bin? Welches der ganzen Gerüchte stört euch?“

„Alle.“, Nakita schluckte, doch wich nicht zurück, „Egal, ob du es bist oder nicht, wir können es uns nicht leisten, dass es Gerede über das Team gibt.“

„Und warum?“, der Größere legte eine Hand auf dessen Brust und schubste ihn ein Stück nach hinten, „Das hier ist Sport, wen interessieren da Gerüchte?“

„Die Schiedsrichter? Die Sponsoren? Den Rektor, den wir davon überzeugen müssen, dass er unseren Club nicht auflöst?“, dieser rieb sich über die Brust, „Außerdem ist Sport immer noch eine Frage des Teamgeistes. Bevor du nicht mit dir selbst fertig wirst, brauchst du hier nicht auftauchen.“
 

„Scheiße!“, Katsuya setzte einen weiteren Schlag gegen die Tür, „Mach auf, du Scheißkerl!“

„Was’n?“, es wurde langsam geöffnet, bevor Yami zum Vorschein kam, der sich mit gesenkten Lidern mit einer Hand durchs Haar fuhr, „Hab‘ ich was angestellt, Kats?“

„Nein, verdammt.“, der Blonde schob sich an diesem vorbei in die Wohnung, „Nur diese Scheißkerle vom Basketballclub!“

„Basketball?“, Yami schloss die Tür, lehnte sich mit dem Rücken dagegen und rieb sich über die Augen, „Trägst du deshalb verschwitzte Sportsachen?“

„Verschwitzt?“, er hob einen Arm und roch an seiner Achsel, „In Sport hatten wir Badminton, so verschwitzt kann ich nicht sein.“, er ließ den Arm wieder fallen, stieß einen Wutschrei aus und trat gegen den Türrahmen zur Küche.

„Unter die Dusche...“, er wurde davon gewinkt, „Ich kann dir auch im Bad zuhören.“

„Ja, ja...“, mit verdrehten Augen stapfte Katsuya ins Schlafzimmer, trat aus seinen Schuhen, zog sein Shirt aus und seine Hosen in einem runter, „Diese verdammten Arschlöcher... wir können es uns nicht leisten, dass es Gerede über das Team gibt. Wir haben da Gerüchte gehört...“, äffte er nach und knurrte, „Homophobe Scheißkerle. Gerüchte über Wutausbrüche brechen einem Team kaum das Genick, aber möglicherweise schwul sein, das tut’s sicher.“

„Sicher, dass es daran liegt?“, Yami tappste an ihm vorbei und setzte sich auf sein ungemachtes Bett, „Immerhin ist es erst drei Tage her, dass du einen Mitschüler ins Krankenhaus gebracht hast.“

„Weil er behauptet hat, ich würde meine Noten erschlafen.“, er donnerte sein Shirt gegen die Wand, „Warum geht es andauernd um Sex? Man beleidigt mich wegen Sex, man grenzt mich aus wegen meiner Orientierung, man empfiehlt mir Sex zur Therapie – verdammte Scheiße!“, drei Schritte brachten ihn ins Bad vor die Dusche, die er mit etwas Gewalt anschaltete und die Glastür hinter sich zuschmiss.

„Vorsicht...“, murmelte sein bester Freund, der ihm nach torkelte und am Becken nach der Zahnbürste und Pasta griff, „Sex ist was Intimes und die meisten haben ihn dringend nötig. Genug Gründe, um es zur Staatsangelegenheit zu machen. Und jetzt erzähl mal in Ruhe und von vorne...“

„Kay...“, Katsuya seufzte, legte den Kopf in den Nacken und genoss einen Moment das Wasser auf seiner Haut, „Du meintest ja, Sport wäre eine gute Idee. Also war ich heute beim Basketballclub. Die Hälfte kannte mich, die andere nicht. Dieser Hurensohn Nakita meinte, ich soll mich umziehen und mitspielen, aber als ich wieder kam, hatten die anderen ihm wohl verklickert, wer ich bin – und Überraschung, ich wurde mit Tritt in den Arsch raus geworfen.“

„Wechen Gerüschten?“, fragte Yami an der Zahnbürste vorbei.

„Ja, wenn das die Sponsoren hören und die Schiedsrichter und der Rektor und Buddha höchstpersönlich...“, er schlug mit der Faust Richtung Glas, stoppte jedoch kurz davor und lehnte nur dagegen, „Ich hasse diese Scheiße... warum kann ich nicht einfach sein wie jeder andere? Keine beschissenen Eltern, ganz normales Umfeld und keine Beziehung zur größten männlichen Schlampe der Stadt?“

„Ich dachte, wir wären nicht zusammen.“, der Rothaarige fuhr sich mit dem Handtuch über die Lippen, „Hör mal, dein Leben ist vielleicht alles in allem echt beschissen, aber es ist immer noch dein Leben. Wenn es dich stört, ist es an dir das zu ändern.“

„Au ja.“, Katsuya schnaubte, „Ich klau‘ mir irgendwo ‘ne Waffe und lauf‘ Amok, das wäre ‘ne passende Änderung.“

„Da bist du nicht der Typ zu.“, Yami knöpfte das Oberteil seines Schlafanzugs auf und ließ es von seinen Schultern gleiten, „Du sagst viel zu gern deine Meinung, als dass du all die Wut aufstauen und auf einen Schlag raus lassen könntest. Du würdest eher das Büro des Rektors besetzen.“, er löste die Schleife seiner Hose, sodass diese zu Boden fiel, „Du würdest eine flammende Rede halten und mit einem Haufen Mitschüler durch die Gänge marschieren und demonstrieren.“, er schritt mit einem lasziven Gang auf die Dusche zu und öffnete ihre Tür, „Und jetzt rück‘ rüber, wenn du mich schon so früh aus dem Bett jagst.“
 

„Was ist das für ein Duschgel?“, Katsuya hob die weiße Flasche in die Höhe, „Moschus?“

„Echter Moschus. Aus den Drüsen von Moschushirschen.“, erwiderte Yami mit einem Grinsen auf den Lippen, „Ein seit tausenden von Jahren verwendetes Aphrodisiakum.“

„Irgh... du schmierst dir Hirschdrüsen auf die Haut?“

„Wenn’s wirkt. Wusstest du, dass Kläranlagen nicht in der Lage sind das aus dem Wasser zu filtern? Mit jeder Dusche werden wir von Pheromonen umspült.“, das unglaublich feine Waschtuch mit Yamis Hand dahinter legte sich auf seine Schulter und fuhr seinen Rücken hinunter, „Vielleicht sind Duschen daher etwas so Erotisches?“

„Nicht eher, weil wir nackt sind?“, der Blonde warf einen abschätzigen Blick über die Schulter.

„Möglicherweise auch das. Aber ich bin fest überzeugt, dass subtile Einflüsse mehr Geltung haben, als wir ihnen geben.“, eine Hand schlängelte sich unter seinem Arm her, „Gibst du mir das Duschgel? Dann kann ich dich einreiben.“, mit einem Kopfschütteln von Seiten des Größeren wurde es ihm gegeben, „Du hast ganz schön zugenommen. Steht dir.“

„Hurra, man sieht die Rippen nicht mehr?“, Katsuya seufzte, „Nur sieht man eher Fett als Muskeln, wenn das so weiter geht. Was meinst du, sollte ich auch ins Fitnessstudio gehen?“

„Und die Zeit damit verbringen deinen heißen Körper auf mit schwarzem Leder bezogenen Geräten zu räkeln und geile Kerle in Unterhose anzustarren statt bei deinem langweiligen besten Freund zu sein?“, Yamis Hände fuhren seinen Rücken hinab zu seinem Po, „Ich glaube, ich habe mehr zu bieten. Auch in Sachen Leibesübungen.“

„Du vergisst dabei ein klitzekleines Problem.“, er drehte sich um, sodass dessen Hände knapp vor seinem Gesäß schwebten, „Ich habe einen Freund.“

„Aber der ist doch so schrecklich beschäftigt... die ganze Zeit im Büro, abends im Fitnessstudio, die Planung des Mutter-Kind-Heims – fühlt man sich da nicht wie eine arme, allein gelassene, frustrierte Hausfrau?“, Yami lehnte sich grinsend vor, die Arme auf Katsuyas Brust gestützt, „Und was tut man als frustrierte Hausfrau?“

„Stricken.“, der Blonde kam ihm das kleine Stück entgegen und verschloss die Lippen des anderen kurzzeitig mit seinen, „Und nun sei still, du Unhold, sonst glaube ich noch, du würdest mich wirklich verführen wollen.“

„Oh, das käme mir nie in den Sinn...“

Sie sahen sich in die Augen, violett in braun, Bernstein in Amethyst. Das vom Wasser reflektierte Licht tanzte in ihren Augen, die ohne Lidschlag ineinander versanken.

„Verdammt, du Arschloch!“, fluchte Katsuya und versuchte dem Strahl zu entkommen, indem er sich gegen die Glaswand drückte, während Yami wie verrückt lachte, „Mach das Wasser wieder warm!“

„Hahahaha... oh du... göttlich dieses... hahaha – du schienst die Abkühlung echt zu gebrauchen...“

„Idiot.“, er griff an dem Anderen vorbei zum Hahn und stellte das Wasser ab, „Raus mit dir, du gackerndes Huhn...“

„Ja, mein Gockel.“, der Ältere prustete wieder los.

Aggressionstherapie

Ich bin so tot.

Morgen und übermorgen steht das Physikum an, die schwerste Prüfung des ganzen Medizinstudiums, die die letzten zwei Jahre abprüft. Ich bin mit den Nerven echt voll durch. Ich würde am liebsten wegrennen, mich verstecken und es aussitzen. Mir ist übel, ich bin übernervös und ich will gar nicht erst wissen, wie das morgen aussieht. Ich hoffe, die Qualität des Kapitels hat nicht zu sehr darunter gelitten.

Und vielen Dank für eure Kommentare! Sie helfen mir durch diese schwere Zeit.
 

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„Hast du deine Hausaufgaben fertig?“

„Ja, Mama.“, Katsuya verdrehte die Augen und drückte den Teller mit etwas Wucht in den Spülmaschinenkorb.

„Du bist... ungewöhnlich gereizt heute. Ist etwas vorgefallen?“, fragte Seto etwas ruhiger nach.

„Wann bin ich nicht gereizt?“, giftete der Blonde zurück und warf ihm einen vernichtenden Blick zu, „Das bin ich doch immer. Zu aggressiv, zu anders, zu unbeliebt, zu unsozial, zu schwul-“, einer der Teller glitt ihm aus der Hand und zerschellte mit lautem Klirren am Boden, „Scheiße!“

„Ganz ruhig... lass mich dir helfen.“

„Lass-“, schrie Katsuya, bevor er sich stoppte, indem er tief durchatmete, „Lass mich einfach... es ist alles in Ordnung. Es geht mir gut.“

„Du klingst ein wenig hysterisch, wenn du mich fragst.“, sein Freund hob eine Augenbraue.

„Dich fragt aber keiner.“, zischte er zurück und holte Handfeger und Kehrblech aus dem Schrank unter der Spüle, „Und ja, es ist alles so, wie es sein sollte. Die Leute hassen mich und ich spiele Hausfrau. Alles wie immer.“

„Wer hat dich jetzt wieder beleidigt?“, Seto verschränkte die Arme, lehnte sich gegen den Tisch und legte den Kopf zur Seite.

„Niemand. Gar keiner.“, die Scherben fanden ihren Weg in den Müll, „Vielleicht diese scheiß Arschlöcher vom Basketballclub, aber auch nur vielleicht. Nicht? Vielleicht haben sie ja auch Recht. Das Gerede über mich schadet dem Team, deswegen kann ich nicht mitmachen. Vielleicht haben sie ja Recht.“

„Das haben sie nicht. Aber sie haben das Recht Leute nicht anzunehmen, wenn ein Großteil der Leute im Club es nicht will.“, für den Satz traf Seto ein weiterer bitterböser Blick, „Aber es gibt Clubs außerhalb der Schule. Sportvereine. Ich bezahle dir auch einen Lehrer, wenn du möchtest.“

„Ich will deine Almosen aber nicht. Ebenso wenig dein Mitleid.“, der Rest des Geschirrs wurde in die Maschine gepackt, „Ich brauche keinen Club. Ich brauche gar nichts.“

„Du brauchst etwas, um deine Aggressionen loszuwerden.“

„Ja, ich weiß.“, knurrte der Blonde, „Das sagt ihr alle. Scheiße, wenn`s nicht funktioniert, was?“

„Wir machen einen Spaziergang. Zieh deine Schuhe und eine Jacke an.“, befahl Seto.

„Einen Scheiß werde ich tun.“, die Lider über den braunen Augen verengten sich, während ihr Besitzer die Arme vor der Brust überkreuzte und sich breitbeinig hinstellte.

„Du.“, Setos Finger bohrte sich fast zwischen seine Augen, sodass Katsuya schielend zurück wich, „Du wirst dir jetzt eine Jacke holen und deine Schuhe anziehen. Haben wir uns da verstanden, junger Mann?“

„Ja, Mama...“, der Blonde zog einen Mundwinkel zwischen die Zähne, wandte den Kopf ab und warf noch einen bösen Blick, der gekonnt ignoriert wurde, „Noch irgendwelche Wünsche?“

„Trag‘ was Bequemes. Und bereite dich darauf vor, dass es schmerzhaft werden könnte.“
 

„Der Park. Mitten in der Nacht.“, stellte Katsuya die Fakten klar und sah sich etwas mulmig um, „Und es könnte schmerzhaft werden. Willst du dich zwischen einen Bandenkrieg werfen oder so?“

„Oder so.“, erwiderte der Angesprochene nur kryptisch, „Du kennst hier doch sicher einen guten, abgeschirmten Fleck, wo man fast ungesehen Leute zusammen schlagen kann, nicht?“

„Willst du echt Banden suchen?“, der Jüngere rückte etwas näher an ihn, „Hör mal, ich weiß nicht, was du vorhast, aber ich glaube nicht, dass es eine gute Idee ist. Ich habe mich schon bei Yami aufgeregt und er hat mich wieder beruhigt. Ich werde damit fertig. Ehrlich.“, er schloss eine Hand um dessen Arm, „Ehrlich, Seto, das hier ist keine gute Idee. Glaub‘ mir, ich kenn‘ die Gegend. Ich hab‘ früher hier herum gelungert. Ich weiß, was für Gestalten sich hier aufhalten.“

„Dann beten wir auf keine zu treffen.“, die blauen Augen schienen im fahlen Mondlicht unnatürlich zu leuchten, „Wo ist ein geeigneter Platz?“

Was sollte das? Was hatte Seto vor? Wollte er ihr Leben wirklich aufs Spiel setzen? Es gab einen Grund, warum Parks nachts verlassen waren. Keine Menschen in einem weiten Umkreis. Niemand, der einen hörte, wenn man schrie. Niemand, der die Polizei rief. Niemand, der einen retten würde, wenn jemand sah, dass man in der Klemme steckte. Und doch gab er seinem Freund eine Beschreibung. Seto war vieles, aber normalerweise war er vorsichtig. Größenwahnsinn gehörte nicht zu seinen Eigenschaften, eher das Gegenteil. Nur wo war diese Sicherheitsparanoia gerade?

„Hier?“, Katsuya antwortete nur mit einem Nicken, „Siehst du irgendwelche herumlungernden Gestalten, die uns auflauern könnten?“, Umsehen, dumpfes Starren in die Nacht, Kopfschütteln, „Sehr gut. Hast du etwas Zerbrechliches, Spitzes oder Waffen an dir?“

„Mein Messer?“, er zog es aus der Hintertasche seiner Hose.

„Lass es dort.“, befahl der Andere, „Sonst etwas?“, eine weitere Antwort per Kopfbewegung, „Exzellent. Es ist nicht erlaubt sichtbare Verletzungen im Gesicht oder anderen sichtbaren Stellen zuzufügen. Es ist nicht erlaubt potentiell tödliche Verletzungen zuzufügen. Es ist nicht erlaubt anzugreifen, wenn der Andere auf dem Boden liegt. Ebenso, wenn der Andere um eine Pause bittet. Aufgeben ist nicht erlaubt, bis ich diesen Kampf beende.“

Katsuyas Unterkiefer hatte seinen Weg nach unten gesucht. Seine Lider waren geweitet. Seto wollte sich mit ihm schlagen? Hier? Jetzt? Donnerstag Nacht, im Dunklen, im Park?

„Hast du diese Regeln verstanden?“

„A- a... spinnst du? Wir können doch nicht...“

„Hast du diese Regeln verstanden?“, wiederholte der Brünette seine Fragen.

„Ich-“

„Hast du?“

Katsuya schluckte. Seto meinte das ernst. Todernst.

„Ja.“

„Gut.“, der Andere schnellte vor und setzte einen Schlag in die Magengrube des Blonden, der davon zu Boden ging, „Dann lass uns anfangen.“

Er hustete, keuchte, sah geschockt auf. Eine Hand legte sich schützend über die schmerzende Stelle. Ja, fraglos, er meinte es ernst. Katsuyas Lider verengten sich zu Spalten. Mit einem Brummen tief aus seiner Kehle erhob er sich und fuhr mit dem Handrücken über die Lippen.

„Lass uns anfangen.“, erwiderte auch er.
 

„Oh mein Gott...“, Isis bekreuzigte sich, „Mein Gott... bitte sagt mir nicht... was habt ihr bloß angestellt?“

„Spaß gehabt.“, Katsuya grinste, „Ich hab‘ ihn überredet auch her zu kommen, also Vorsicht, er ist sicher bissig.“, Seto verdrehte nur die Augen, „Oder zumindest sarkastisch. Können wir etwas von der Salbe haben?“

„Sicher, Spatz, sicher...“, die Krankenschwester schüttelte den Kopf und ging zum Medikamentenschrank herüber – ein sichtlich neuer, der beschädigte war wohl irreparabel gewesen – um einige Packungen heraus zu nehmen, „Ich dachte, jetzt wo Herr Kaiba auf dich aufpasst, müsste ich dich nicht mehr wegen Verletzungen sehen. Stattdessen habe ich nun euch beide hier.“, sie warf Seto einen kurzen Blick zu, „Wenn sie Hilfe brauchen...“

„Nein.“, knurrte dieser nur und setzte nach einigen Momenten einen leiseren Dank nach, „Wir haben ein paar Kampfsportübungen gemacht. Katsuya hat noch keine Sportgruppe gefunden, der er sich anschließen will.“

„Diese Hämatome sehen nach mehr als Übungen aus.“, sie seufzte und schüttelte den Kopf, „Dann entledigen sie sich bitte ihrer Oberbekleidung. Und vermutlich auch ihrer Hosen.“

„Ich schlage vor, sie geben mir die Salbe und ich kümmere mich um unsere Verletzungen. Ich bin abgeneigt mich mitten in einem öffentlichen Zimmer auszuziehen.“, gab Seto kühl zurück, „Außerdem dürfte ich kompetent genug sein, um Salbe selbst aufzutragen.“

Katsuya verdrehte nur die Augen, packte diesen am Oberarm, schnappte sich die Salbe aus Isis Händen und zog ihn hinter sich her zu einem der Betten, um das man einen Vorhang ziehen konnte.

„Hier kommt doch eh kaum jemand hin.“, er schubste den Größeren aufs Bett, „Und selbst wenn, die Schüler werden dir kaum etwas abgucken.“

„Aber ich brauche das Gerede nicht, dass ich voller blauer Flecken bin. Ebenso wie du. Wir haben derzeit genug schlechte Publicity.“, Seto ließ sich das Hemd ausziehen, das er vorhin für Isis schon aufgeknöpft hatte, „Au! Pass auf... ich habe echt lange keinen Haken mehr in den Magen bekommen.“

„Mimose.“, der Blonde grinste und machte sich an der Gürtel des Anderen, „Steh mal kurz auf.“

„Du warst derjenige, der mich aufs Bett geworfen hat.“, ihre Blicke trafen sich, genau spiegelbildlich zog sich bei beiden ein Mundwinkel hoch und er erhob sich, „Übrigens gilt auch für dich, dass ich sehr gut allein in der Lage bin mich einzucremen.“

„Ich mache das aber viel sanfter.“, Katsuya ging in die Knie, um unten anzufangen, „Und liebevoller.“, er stupste mit der Nasenspitze mitten gegen Setos Unterwäsche, „Du darfst auch bei mir, wenn du möchtest.“

„Deal...“, flüsterte der Brünette, „Allerdings ohne sexuelle Anspielungen...“, er deutete grob in Isis Richtung, „Das ist dann wirklich etwas gewagt.“

„Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“, er nahm etwas Creme auf einen Finger und setzte am ersten blauen Fleck an, was ein scharfes Einatmen zur Folge hatte, „Außerdem sind die Geräusche dieselben, meinst du nicht?“

„Ich stelle das Radio an, in Ordnung?“, rief die Schwester zu ihnen rüber.

„Kch-“, Seto überspielte das Geräusch mit einem Husten, „Natürlich!“, er sah mit blitzenden Augen zu seinem Freund hinab, „Das büßt du, du kleines Biest.“

Dieser ließ mit den Zähnen von dem Stoff ab, den er mit ihnen ein Stück Setos Beine hinab gezogen hatte. Mit den cremebeschmierten Finger drückte er mit sanfter Gewalt auf den zweiten blauen Fleck, der sich über das Schienbein zog.

„Ich erzittere in Vorfreude.“, Katsuya leckte sich über die Lippen.
 

„Du hast...“, Ryou blinzelte, lief rot an und sah sich schnell noch einmal um, dass sie wirklich allein waren, „Du hast Herrn Lehrer Kaiba im Krankenzimmer einen geblasen? Bist du verrückt?“

„Nein.“, der Blonde grinste, „Ich bin gut gelaunt. Yami und Seto hatten vollkommen Recht. Sex ist die Lösung all meiner Probleme.“

„Ich glaube, es ist etwas übertrieben das zu sagen...“, Ryou legte die Hände auf seine glühenden Wangen, „Hat denn Isis gar nichts bemerkt? Sie weiß doch nicht von euch, oder?“

„Tja... theoretisch weiß sie es nicht.“, Katsuya lehnte sich zu einer Seite, „Andererseits glaube ich, dass sie es trotzdem mitbekommen hat. Vielleicht hat sie auch die Gerüchte gehört und macht sich nichts daraus. Obwohl das ungewöhnlich wäre. Sie ist doch Christin, oder? Die haben was gegen Homosexualität, richtig?“

„Die meisten Christen sind nicht so radikal wie die Bibel vermuten lässt.“, der Andere setzte sich auf einen der Stühle zurück und lehnte den Besen, mit dem er das Klassenzimmer gefegt hatte, gegen seinen Tisch, „Aber das gilt für alle Religionen. Nicht jeder Muslim wandert nach Mekka und nicht jeder Jude trägt nur Kleidung aus einem einzigen Stoff.“

„Wie meinst du das?“, eine blonde Augenbraue hob sich.

„Ein Abschnitt vor dem Absatz über Homosexualität steht, dass man nicht zwei verschiedene Arten Saat auf ein Feld streuen, nicht zwei verschiedene Tierrassen miteinander kreuzen und keine Kleidung aus zwei verschiedenen Garnen tragen darf. Solche Regeln werden alle im selben Atemzug behandelt. Weibliche Homosexualität ist übrigens erlaubt.“

„Lass mich raten, das Buch wurde von Männern geschrieben?“, ihm wurde mit einem Nicken geantwortet, „Hilfe, ich entwickle schon dieselben Vorurteile gegen Heteros wie die Weiber, oder?“

„Heteros?“, Ryou blinzelte, verzog einen Mundwinkel und legte den Kopf schief, „Uhm... bitte werd‘ nicht böse, aber geht das nicht allgemein gegen Männer? Oder willst du mir sagen, dass es unter Schwulen nicht sehr oft um Sex geht?“

„Da... hast du sicherlich einen Punkt.“, er leckte sich über die Lippen, „Ich vermute, meine Aktion heute trägt kaum zu einer gegenteiligen Überzeugung bei.“

„Nicht direkt.“, der Andere lächelte schüchtern und stützte seinen Oberkörper mit beiden Händen auf dem Stuhl zwischen seinen Beinen ab, „Ich muss sagen, ich find’s eigentlich nicht so wichtig. Ich möchte nur, dass Bakura abends nach Hause kommt, sich freut, dass ich gekocht habe und wir uns über unseren Tag erzählen können. Ich möchte im Arm gehalten werden und einfach über alles reden können.“

„Hm...“, Katsuya verschränkte die Arme, „Aber macht das deinen Bruder nicht irgendwie... ersetzbar? Ist es da nicht egal, wer da ist, solange jemand da ist?“

„Was?“, die Augenlider flatterten, „A- aber... nein! Niemand versteht mich so gut wie er! Ich brauche meine Gefühle über manche Dinge nicht andauernd erklären und er weiß, was mich interessiert, was ich gern höre, wie ich gern gehalten werde... er kennt mich einfach. Er kann mit mir mithalten. Selbst wenn ich mich verändere, registriert er das. Ich brauche mich nicht in Erwartungen zwängen lassen. Ich bin so... frei. Aber trotzdem sicher. Es ist einfach nur gut bei ihm zu sein.“, Ryou senkte den Kopf, „Ich weiß leider nicht, wie ich das gut erklären kann. Er ist einfach einzigartig auf diese Art. Ich habe nicht das Gefühl, dass er mir um Längen voraus ist, aber er hinkt auch nicht hinterher. Er ist immer an meiner Seite.“

„Hm...“, wiederholte Katsuya noch einmal und die verschränkten Arme legten sich um seinen Oberkörper, als würde er sich im Arm haben, „Würdest du sagen, das ist Liebe?“

„Liebe?“, blaue Augen trafen Braun, reflektierten, blieben so unbeweglich wie die dazu gehörenden Lippen für kurze Zeit, „Ich... weiß es nicht. Aber ich denke schon.“

Liebe

So! Meiner Hand geht es besser. Immer noch nicht gut, aber besser. Ich hoffe nur, meine Stimme wird bis zur mündlichen Prüfung am Donnerstag auch wieder...

Meine schriftliche habe ich übrigens bestanden ^.- Zwar mit der schlechtesten Note, aber bestanden. Danke für eure Unterstützung!

Und nun viel Spaß beim Lesen ^.-
 

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Liebe... er sagte, er liebte Seto. Aber was war das für eine Liebe? Sie war anders als Ryous Art der Liebe. Er wollte nicht nur das zahme Hausfräulein sein. Er brauchte mehr als liebe Worte und Sicherheit. Er brauchte Aufregung, Herausforderung, Nervenkitzel. Er brauchte Grenzen, um sie zu überschreiten und Regeln, um sie zu brechen.

Im Endeffekt war er wohl die größte Schlampe von ihnen allen, obwohl er weder promiskuitiv noch prostituiert war. Er brauchte Sex in der Öffentlichkeit und einen Freund, mit dem er angeben konnte und um den er beneidet wurde. Gleichzeitig wollte er Romantik und konnte niemanden von seiner absolut nonkonformistischen Beziehung erzählen. Er brachte Seto andauernd ans Ende seiner Nerven und machte ohne Ende Probleme. Ihn bei Laune zu halten war im Endeffekt eine Vollzeitbeschäftigung.

Und Seto ließ sich das gefallen. Hieß das, es war für ihn okay und es ging ihm genau so, dass er es genoss? Oder hieß das, dass er es akzeptierte und hoffte, Katsuya würde sich noch ändern? Konnte er seinen Freund so etwas fragen? Oder würde der das falsch auffassen? Sicher würde er Angst bekommen, dass mit der Beziehung irgendetwas nicht stimmte. Aber war es besser deshalb zu schweigen?

Von allen Seiten hörte er immer, dass es nichts brachte darauf zu warten, dass sich ein Problem von selbst löste. Seto würde diese Fragen kaum einfach so ansprechen. Aber dass er selbst fragte? War das wirklich so ein Problem für ihn? War es überhaupt ein Problem? War das nicht eher ein Problem, dass er mit sich selbst und nichts mit Seto zu tun hatte?

Wie konnte er behaupten Seto zu lieben, wenn er nicht einmal wusste, was Liebe war? Vielleicht brauchte er keine universelle Definition, aber doch eine eigene. Eine persönliche. Ganz für sich allein. Wenn er nicht wusste, was er wollte und brauchte, wie konnte er dann jemandem sein Vertrauen und seine Gefühle in die Hände legen und behaupten, dieser würde gut damit umgehen? In dem Sinne... wie konnte Seto ihn lieben? Er wusste vielleicht, was er wollte, aber konnte Katsuya ihm das geben? Wenn er seinen Freund enttäuschte, war es das Aus des Vertrauens, der Liebe oder beidem? Anscheinend waren die beiden ja doch nicht dasselbe. Man konnte mit verletztem Vertrauen dennoch lieben. Man konnte vertrauen ohne zu lieben.

Was war also Liebe für ein Gefühl? War es ein Gefühl? Wodurch wurde es ausgelöst? Wodurch wurde es aufrecht erhalten? Was brauchte es, um Liebe zu empfinden? Welche Voraussetzungen stellte sein Kopf? Was war es, was ihn in Ekstase versetzte?

War es wirklich Seto? Seto, der sich um ihn kümmerte und der für ihn da war? Oder Seto, der ihn beschimpfte, ignorierte und stets kurz vor einer erneuten Attacke zu stehen schien? Seto, der selbstherrlich, arrogant und ignorant durchs Leben schritt und alles meisterte, was man ihm vor die Füße warf? Oder Seto, der ihn brauchte und alles tat, um ihn bei sich zu behalten?

Seto war das alles. Aber hieß das, dass er das alles haben wollte? Liebte er das alles? Jede einzelne Situation? Oder einen großen Teil, wobei er den Rest einfach akzeptierte? Oder hatte er einen Teil gesehen, sich den Rest dazu gedichtet und wurde jetzt langsam von der Realität eingeholt?

Könnte er für einen anderen Menschen genau dasselbe empfinden, wenn er sich wie Seto verhielt? Würde er dasselbe für Seto empfinden, wenn dieser sich ändern würde? Oder war diese Empfindung vom Verhalten unabhängig? Er wagte es nicht zu denken, dass Liebe möglicherweise nur ein schäbiger Schein war, der Aussehen, Ansehen und andere solcher Faktoren verband, aber konnte er das ausschließen? Oder war sie vielleicht wirklich nur eine biologische Reaktion auf Geruchsstoffe wie bei den meisten Tieren?
 

„Seto?“, der Blonde legte von hinten die Hände auf die Schultern des Sitzenden und begann diese zu massieren, „Hast du einen Moment?“

„Natürlich.“, der Angesprochene schaltete den Fernseher aus und warf einen Blick nach oben, „Möchtest du dich zu mir setzen?“

„Ehrlich gesagt... nein...“, er drückte sanft gegen Setos Hinterkopf, „Ich weiß nicht, wie ich darüber sprechen soll und ich glaube, es ist leichter, wenn ich dir nichts ins Gesicht sehe.“

„Hast du etwas ausgefressen?“, dieser sah brav wieder nach vorne.

„Nein. Ich denke nur den ganzen Tag schon über etwas nach. Es lässt mir einfach keine Ruhe. Aber ich weiß nicht, wie ich es ansprechen soll. Ich habe Angst, dass du das falsch verstehst.“, Katsuya seufzte, „Bei allen Göttern, das muss sich einfach schrecklich anhören. Es ist eigentlich nur eine Frage, aber...“

„Ich habe dir versprochen, dass ich keine Blödheiten mache. Kein Selbstmord, kein Schneiden, kein Substanzmissbrauch. Also was es auch ist, du kannst danach immer noch um Vergebung flehen.“, der letzte Satz wurde mit einer guten Prise Sarkasmus gesprochen.

„Das wird hoffentlich nicht nötig sein. Okay...“, er seufzte und stützte sich auf Setos Schultern, „Also, es geht um Folgendes... scheiße, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Also, ich habe heute über Liebe nachgedacht. Und warum ich so was wohl empfinde, was das auslöst und wie viel mich dieses Gefühl beeinflusst. Und irgendwie... ich weiß auch nicht, irgendwie bin ich ganz unsicher geworden. Ich sage zwar, ich liebe dich, aber habe ich überhaupt eine Ahnung davon, was das ist und warum es das ist? Das ist irgendwie schrecklich kompliziert.“

„Hm-hm.“, der Andere nickte nur.

„Also... das versuche ich gerade rauszukriegen. Also wollte ich dich fragen, ob du mir das von deiner Seite aus sagen könntest. Was du fühlst und warum du das fühlst. Ich weiß, wir haben schonmal geklärt, was du für Erwartungen hast und was dir wichtig ist, aber ehrlich gesagt weiß ich damit nur, was ich nicht tun sollte. Nicht... was dich eigentlich dazu bringt was auch immer für mich zu empfinden.“, erklärte Katsuya mit zunehmend sicherer Stimme.

„Eine gut überlegte und sehr sinnvolle Anfrage. Es freut mich, dass du mich in deine Überlegungen einbeziehst.“, Seto legte eine Hand auf seine, die noch immer dessen Schultern umfassten, „Nur die Praktikabilität möchte ich kurz in Frage stellen. Dir ist schon klar, dass ich meine Gefühle praktisch nicht empfinden kann? Es hat Wochen gebraucht, damit ich determinieren konnte, dass ich für dich etwas anderes empfinde als für alle anderen bisher. Und dass ich dich nicht verlieren will. Das habe ich als Liebe definiert, weil das wohl das Näheste ist, was ich je empfinden werde.“
 

Katsuyas Unterkiefer war leicht herunter gesackt. Er starrte mit einem Ausdruck zwischen Erstaunen und Entsetzen Setos Hinterkopf an, bis er schließlich fragte: „Äh... heißt das... du hast mich in irgendeiner Form – du weißt nicht einmal ob positiv – als besonders wahrgenommen und daher entschieden mich zu heiraten?“

„So ziemlich.“, seine Hand wurde gedrückt, „Im Alter denkt man weit weniger nach als als Jugendlicher. Für mich stellt sich nicht die Frage, ob das so richtig ist und so sein sollte, was besser sein könnte und ob es dort draußen nicht doch noch irgendwo den Mister Perfect gibt. Ich sehe, es funktioniert mit uns beiden und das war es für mich. Und ich hoffe, dass wir auch auf Langzeit so funktionieren.“

„Aber... aber... das ist doch keine Liebe!“, Katsuya zog seine Hände weg, „Das kannst du doch nicht als Liebe bezeichnen! Meine Uhr funktioniert mit Batterien und trotzdem nenne ich das nicht Liebe.“, er wich zurück, „Ich fasse es nicht, wie völlig verdreht du manchmal bist...“

„Katsuya.“, Seto erhob sich, drehte sich zu ihm und sah ihm in die Augen, „Ich bin krank. Ich versuche mit dem eher spärlichen Bezug zur Realität und zu menschlichen, sozialen Kontakten, den ich besitze, mein Sein aufrecht zu erhalten. Ich weiß, dass ich keine romantische oder idealistische Vorstellung der Liebe habe. Ehrlich gesagt weiß ich auch nicht, was das ist. Ich kann auch nicht erfühlen, ob etwas richtig oder falsch ist. Ich kann analytisch feststellen, dass es mir besser geht, seit ich mit dir zusammen bin und dass es weh tut, wenn wir streiten. Ich bin verletzlich dir gegenüber. Das heißt, du bedeutest mir mehr als so praktisch jeder andere Mensch auf diesem Planeten. Noah, Yugi und Yami sind die einzigen anderen Menschen, die das überhaupt können und ich kann klar sagen, dass ich für sie etwas anderes empfinde als für dich.“

„Aber... das Liebe zu nennen...“, der Blonde schüttelte den Kopf.

„Kats, meine Gefühle sind für mich in einem anderen Universum. Ich muss mein Verhalten beobachten, um zu merken, dass ich jemanden nicht mag oder dass ich wütend bin. Wenn ich nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen gehe, muss das jeder, aber normale Menschen schaffen das in Millisekunden, während ich teilweise Wochen brauche. Und während sie – und wahrscheinlich auch du – das einfach völlig unterbewusst tun, muss ich lange darüber nachdenken und Situationen immer wieder im Kopf abspielen, bevor ich verstehe, dass ich wohl zu diesem und jenem Zeitpunkt eine schlechte Laune hatte.“

„Langsam verstehe ich, warum Yami es für ein Wunder hält, dass du es schaffst eine Beziehung zu führen.“, erwiderte er leise nach ein paar Sekunden der Stille, „Wahrscheinlich musst du auch die Gefühle jeder der Personen in deinem Kopf analysieren, bevor du dein Ergebnis hast, was?“, Seto nickte nur stumm, „Das gibt dem Satz „Kenne dich selbst“ eine ganz andere Bedeutung...“

„Es tut mir Leid, dass ich dir nicht helfen kann. Meine Definition von Liebe ist sehr speziell. Und ich muss sagen, ich hoffe sehr stark, dass deine anders ist.“, er lächelte schief, „Sonst liebst du mir noch zu viele andere. Im Gegensatz zu mir bist du ja glatt gesellschaftlich kompatibel.“

„Schon klar... aber ich glaube, es hat geholfen.“, Katsuya fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, „Die Frage, ob ich dich auch lieben würde, wenn du dich ganz anders verhalten würdest oder die, ob ich jemand anderen genau so lieben würde, wenn er sich wie du verhält, streiche ich mal als völlig egal. Ich glaube, dieses Mal habe glatt ich mir einfach viel zu viele Gedanken gemacht...“

„Klingt so.“, eine braune Augenbraue hob sich, „Die Chance, dass du jemandem wie mir noch einmal per Zufall begegnest, ist wirklich gering.“, er lehnte sich vor und stützte die Hände auf die Lehne der Couch, „Kriege ich jetzt noch einen Kuss?“
 

Wenn etwas zwischen ihnen fehlte, war es zumindest nicht das Feuer. Jede von Setos Berührungen brannte auf seiner Haut. Die Linien, die er mit seinen Küssen gezogen hatte, hatten sich in sein Fleisch geätzt und kribbelten noch am nächsten Morgen unter seiner Haut.

Das einzig Schlimme war wohl, dass er wusste, dass Seto ihn verführt hatte, um ihn von den Gedanken über dessen Worte abzubringen. Um ihn vom Zweifeln und Hinterfragen abzulenken – und Katsuya hatte sich in seine Arme gestürzt, als sei er eine Erlösung. Als sei Vergessen und Verdrängen das einzig Richtige. Vergessen, dass Seto so krank war, dass ihre Gespräche – sei es nur harmloser Small Talk – für den Anderen eine Belastung waren. Erst recht alle Gespräche, die sie oder ihre Beziehung thematisierten. Seto musste das gestern Abend schrecklich viel abverlangt haben.

Katsuya seufzte und drehte sich auf den Rücken. War es richtig gewesen sich verführen zu lassen? Hätten sie nicht besser weiter darüber sprechen sollen? Aber hätte das wirklich etwas gebracht, so aufgeregt wie er gestern gewesen war? Wie Seto gewesen war?

Sollte er es jetzt noch einmal ansprechen? Andererseits... was genau ansprechen? Was wollte er denn von Seto hören? Warum hatte er all diese Zweifel und Gedanken? War er nicht schon einmal über sie hinweg gekommen? Warum türmten sie sich jetzt vor ihm auf, als wäre er jemand, der sie von sich schob, bis er sie nicht mehr ignorieren konnte?

Oder hatte er ein Problem ignoriert? Hatte er diese Zweifel ignoriert? Diese Fragen, ob er wirklich liebte und ob das mit Seto so richtig war... hatte er sie nur unterbewusst aufgeschoben? Er dachte doch sie gelöst zu haben. Sicher zu sein, dass er Seto liebte. Dass das so richtig war. Dass Seto für ihn sein Freund war. Sein Partner. Nicht sein Vater, nicht sein Sohn, nicht sein Lehrer – sondern in erster Linie sein Freund. Sein Geliebter. Aber reichte es diese Entscheidung einmal zu treffen? Oder musste er sie immer wieder überdenken, je nach Stand der Dinge?

Nur was sollte sich geändert haben? Zwischen ihnen war es wie immer. Sex, Lachen und eine Menge Zuneigung. Das gehörte zu einer Partnerschaft, richtig? Aber andererseits... was war das zwischen ihm und Yami? Freundschaft? Die Zuneigung war ebenso da, auch das Lachen, nur... aber ging das? Er hatte Yami nie so wahr genommen. Vielleicht, weil er nie vorher über die Möglichkeit nachgedacht hatte. Oder hatte er? Yami hatte sich ihm angeboten. Damals, in ihrer ersten Nacht. Doch er selbst hatte abgelehnt, weil er das nicht als moralisch richtig empfand. Der Dank jemanden vor einem Übergriff zu retten hatte kein selbst gewählter Übergriff desselben Kalibers zu sein.

Aber danach? Sie waren Freunde gewesen. Den größten Teil der Zeit. Die anderen kurzen, flüchtigen Moment waren ein Meer aus Küssen und... weniger jugendfreien Aktivitäten. Sie hatten nie miteinander geschlafen. Aber sie waren oft verdammt nah dran gewesen. Wieso hatte er Yami trotzdem nie als so etwas wie einen möglichen Geliebten gesehen? Weil er sich selbst nie als möglicherweise schwul wahr genommen hatte? Oder hatte er es auch verdrängt? Die Gedanken darüber, die Möglichkeit... warum war es so leicht gewesen es bei Seto zu akzeptieren?

Hieß das, dass Seto eine gute Wahl war? Oder waren andere Dinge dafür verantwortlich, dass er nie so über Yami nach gedacht hatte? Und was war jetzt? War es zu spät darüber nachzudenken? War es falsch? Oder war es sogar... richtig?

Fitnessstudio

CONNICHI! War toll ^.^ Oh, meine Prüfung habe ich auch bestanden (by the way).

Ansonsten bin ich noch immer etwas erschöpft und hole ab nun Schlaf (und Arbeit) nach. Und ich werde gerade von unserer heutigen Betaleserin Lunatik Workoholic geschimpft -.-

Nun, viel Spaß beim Lesen!
 

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Katsuya ließ das Geschichtsbuch unbeachtet auf seinem Schoß, während er durch das Fenster nach draußen sah. So ein schöner Tag. Vögel, die lichtenden Wolken, glitzernder Raureif auf den kargen Pflanzen im Garten. Mit einem Glucksen lehnte er seinen Körper zur Seite und stützte sich auf die Armlehne des Sessels, in den er sich gekuschelt hatte. Träge hob er einen Fuß aus dem kleinen Bassin, dass er vor das Möbelstück gestellt hatte. Die zimmerwarme Luft zirkulierte kühl um seine gewärmten Füße und nahm die verdunstende Flüssigkeit mit sich. Mit seinem Blick verfolgte er einen Tropfen, der von seinem Zeh über seinen Fußrücken vorbei an seinem Knöchel zu seiner Ferse floss und zu Boden fiel.

Er hinterließ einen braunen Fleck auf dem hellblauen Teppich.

Das Lächeln wich von Katsuyas Zügen. Mit zusammen gezogenen Augenbrauen hob er den Blick wieder und sah Rot seinen Fuß benetzen, das langsam trocknete. Er zuckte zusammen, griff die Armlehnen fest mit beiden Händen und zog den zweiten Fuß aus dem mit Blut gefüllten Bassin.

Das Geschichtsbuch rutschte von seinen Beinen und öffnete sich auf einer Seite, von der ihm Seto mit leeren, leblosen Augen entgegen sah. Ein Speer bohrte sich in seine Brust und aus den unzähligen Wunden floss Blut, das aus den Seiten wellte und sich in das Bassin vor sich ergoss.

Katsuya schrie, versuchte aus dem Sessel zu kommen, doch etwas hielt ihn fest. Ein fester Griff packte jede seiner Hände, eine Last lag quer auf seinen Beinen und unter schwerem Atem sah der Blonde zu Seto auf und hörte auf um sich zu schlagen.

„Wieder da?“, fragte der Andere ruhig und ließ ihn los.

„‘Tschuldige...“, er atmete zitternd aus und erschlaffte, „Ich dachte, die Träume... nein, vergiss es. Arm?“, fragte er kraftlos und drehte sich zu seinem Freund, der ihn in seine Arme schloss.

„Schlaf.“, befahl Seto leise.

„Ich muss echt wenig Sorgen haben, wenn ich die Muße habe so viele Gedanken an die theoretische Form der Liebe zu verschwenden.“, murmelte Katsuya und kuschelte sich an ihn, „Ich habe irgendwie die Realität aus den Augen verloren, hm?“

„Selbstreflektion ist nie eine schlechte Sache. Über Liebe nachzudenken erst recht nicht.“, eine von Setos großen Händen schloss sich sanft und beschützend um seinen Kopf, „Morgen früh sieht die Welt wieder besser aus und du hast alle Zeit der Welt dir den Kopf zu zerbrechen.“

Sie schwiegen einen Moment, in dem sich sein Atem beruhigte, bis er für beide nicht mehr hörbar war. Die Spannung löste sich aus Katsuyas Gliedern, sodass er wie ein Sack gegen seinen Freund sank. Es tat so gut nicht allein zu sein...

„Werden die Träume besser werden?“

„Irgendwann.“, murmelte Seto schlaftrunken.

„Und meine Aggressionen?“

„Auch...“

„Ich?“

„Hm...“, gab dieser nur unverständlich als Antwort mit tiefem, stetigen Atem.
 

„Morgen...“, Katsuya schlürfte in die Küche und rieb sich mit der Hand über ein Auge, „Wie spät ist es?“

„Kurz vor elf.“, erwiderte Seto nur, der bereits angezogen mit nur noch einem Kaffee vor sich und der Zeitung in der Hand am Tisch saß.

„Warum hast du mich nicht eher geweckt?“, er nahm von dem frisch geschnittenen Brot, holte Schinken aus dem Kühlschrank und legte ihn ohne jeden weiteren Zusatz auf seine Scheibe, die er gegen die Küchenzeile gelehnt aß.

„Hattest du etwas vor?“, er erwiderte dessen Blick mit einem Kopfschütteln, „Dann hielt ich Ausschlafen für angemessen.“, sein Freund legte die Zeitung weg, schritt zu ihm hinüber und stützte sich mit den Armen rechts und links von ihm gegen die Arbeitsplatte, „Und was planst du – jetzt, wo du wach bist?“

„Spar dir das dreckige Grinsen.“, neckte Katsuya mit einem Lächeln, „Das hast du dir selbst versaut, indem du nicht im Bett geblieben bist.“, er lehnte sich die wenigen Zentimeter vor und küsste die vorgeschobene Unterlippe, „Wie wäre es, wenn du mir das Fitnessstudio zeigst, in dem du trainierst? Vielleicht kann ich mich in so etwas auspowern. Oder entdecke meine Berufung... oder so.“

„Deine Berufung?“, eine braune Augenbraue hob sich, „Wenn du mit diesem Intellekt entscheidest Bodybuilder zu werden, reden wir noch miteinander...“, er betonte das folgende Wort neckend, „...Sohn.“

„Tz.“, Katsuya kniff ihm durch den dünnen Pullover in eine Brustwarze, „Vergiss es. Ich werde, was ich will.“

„Hey!“, Seto wich ein Stück zurück, „Wehe Yami, wenn entgegen seiner Prognose deine Pubertät doch noch einmal ausbricht.“

„Oh?“, er legte das halb gegessene Stück Brot zur Seite und folgte dem Anderen, „Hat der Herr Lehrer etwa ein Problem mit pubertierenden Jugendlichen?“

„Wenn ich sie vierundzwanzig sieben ertragen muss und keine Möglichkeit habe den Eltern vorzuhalten, was für einen missratenen Idioten sie da groß ziehen – ja.“, ein Arm wurde um seine Hüfte gelegt, der ihn näher an Seto zog, „Man fühlt sich irgendwie komisch dabei, wenn man sein eigenes Spiegelbild anschnauzt.“

„Macht auch wenig Sinn.“, Katsuya legte sein Kinn auf dessen Brust und sah zu ihm hoch, „Aber zum Trainieren brauche ich viel Energie. Überlässt du die arme Schnitte Brot also ihrem Untergang?“

„Ihrem Aufstieg zu einer höheren Bedeutung.“, er wurde aus der Umarmung entlassen, „Soll ich dir eine heiße Schokolade kochen?“

„Oh?“, Katsuya, der das Brot gegriffen hatte, drehte sich wieder zurück, „Ohne die Milch anzubrennen?“

„Ich kann es ja mal versuchen.“, Seto verschränkte die Arme, „Man lernt, indem man übt, richtig?“

„Richtig.“, ein Lächeln legte sich auf die Lippen des Jüngeren, „Soll ich mit Anweisungen und Tipps daneben stehen oder willst du es allein versuchen?“

„Ich vermute, ein Rezept wäre nicht schlecht.“

Er ging zu ihrer Eingangskommode, wo immer Zettel und Stifte zu finden waren und schrieb die wenigen Zutaten auf, um diesen seinem Freund zu geben, der währenddessen einen Topf und Milch geholt hatte.

„Würzen mit Chili?“, fragte dieser nach einem Blick auf das Blatt nach, „Das schmeckt?“

„Manche mögen auch Zimt. Ich habe auch mal gehört, dass man Ingwer rein mischen kann. Es gibt sehr viele Rezepte.“, er schnappte sich Setos Hand und biss kurz in einen Finger, „Ich mag scharfe Sachen mit süßen Beigeschmack.“

„Wenn du meinst...“, der Blick der blauen Augen fiel auf ihre verbundenen Hände, „Überlässt du die Milch nun ihrem Schicksal zu Kohle verarbeitet zu werden?“

„Wenn das ihre höhere Bestimmung ist.“, Katsuya grinste und kehrte zu seinem Brot zurück.
 

„Guten Mittag, Yu.“, Seto reichte dem jungen Mann hinter dem Tresen seine Karte, „Mein Freund hier möchte gern mal reinschnuppern. Geht das in Ordnung?“

„Aber sicher.“, Yu lächelte und ließ seinen Blick über Katsuyas Körper wandern, „Eine Woche kostenlos, wenn ich seine Daten in den PC eingeben darf.“

„Und zwei, wenn du seine Nummer kriegst.“, mit einer Hand stützte sich der Brünette auf den Tresen, die andere legte sich an seine Hüfte, „Dieselben Daten wie bei mir, Vorname Katsuya und Geburtstag...“, er wandte sich zu ihm, „Wann hast du Geburtstag?“

„Zweiundzwanzigster Juli Dreiundachtzig.“, über seinen Geburtstag hatten sie noch nie gesprochen? Katsuya zog sich ein wenig in sich zusammen.

„Katsuya... Kaiba?“, Yu sah zwischen ihnen hin und her, nachdem er sich das notiert hatte, bevor sein Blick ihre Hände musterte, „Das wird so einige Herzen brechen.“

„Sie kommen schon darüber hinweg.“, Seto winkte ab und schnappte sich die zwei Vorhängeschlösser, die Yu ihm reichte, „Kommst du, Kats?“

Der Blonde folgte ihm, wobei er noch einen Blick zu Yu warf, der ihnen ebenso hinterher sah. Worum ging es da gerade? Hatte Yu kombiniert, was zwischen ihnen war? Warum störte Seto das so wenig? Und was sollte das mit dem Brechen von Herzen? Der Typ schien schwul zu sein – und nicht unbedingt sehr zurückhaltend damit – aber was bedeutete das alles gerade?

Er wanderte hinter seinem Freund her, der sich den Weg zu den Umklei- nein, der Umkleide bahnte. Er sah sich um. Ja, nur Männer. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen.

„Ähm... Seto?“, sie suchten sich zwei Spinte in der Umkleide – dafür waren also die Schlösser – und stellten die Taschen ab, „Das hier ist nur für Männer, richtig?“, der Andere nickte, „Zufällig auch nur... schwule Männer?“

„Welchen Sinn hätte sonst ein All-men's-Club?“, erwiderte Seto wie selbstverständlich und begann sein Hemd aufzuknöpfen.

„Das... heißt, das hier ist praktisch eine Partnerbörse?“, Katsuya betrachtete diesen nur.

„Eigentlich... nicht.“, jener hielt inne und wandte sich ihm zu, „Genau genommen ist das eine Börse für Sexualkontakte. Eher gesagt, es ist nicht einmal eine Börse – wenn du willst, kannst du einen Blick in die Sauna werfen. Warum sie noch keinen Kondomautomaten vor dessen Eingang aufgestellt haben, geht über meinen Verstand.“

„A- aber...“, oh ja, dann machte natürlich alles Sinn. Warum es Herzen brach, dass Seto nun vergeben war. Wie viele Leute hatte er hier aufgelesen? Wie oft hatte er mit irgendwem in der Sauna geschlafen? Wie viele Telefonnummern hatte er hier zugesteckt bekommen?

Erstklassig. Ihn stellte er also mehrfach die Woche bei seinem besten Freund ab und fuhr dann ins Fitnessstudio- nein, Seto war treu. Aber möglicherweise, um massig andere Kerle anzugucken. Vielleicht nicht einmal bewusst. Aber um „Trainieren“ ging es da nicht in erster Linie, so viel war klar.

„Kats...“, Seto seufzte leise und legte den Kopf schief, „Deine Gesichtsausdrücke sind selbst für mich wie ein offenes Buch. Ich betrüge dich nicht. Ich bin hier zum Training. Man findet nicht oft Anlagen zum Kickboxen. Dass das mit solch einem Club zusammen fiel, war damals Zufall. Ein positiver, aber Zufall.“

„Yus Aussage beweist, dass du hier kein Unschuldsengel geblieben bist.“

„Kats.“, er trat an diesen heran und strich mit einem Finger über dessen Wange, „Ich bin zehn Jahre älter als du. Ich war sicher nicht mehr unschuldig, als ich mit dir zusammen kam. Willst du mir das vorhalten?“

Dieser schnaubte nur und begann sich umzuziehen.
 

Seto das vorhalten... das durfte er nicht. Das war unsinnig und unfair. Aber irgendwie... irgendwie tat er es trotzdem. Wie die Sache an Setos Schule, wo er alle Mitschüler abgegrast hatte. Das war auch nicht fair ihm das übel zu nehmen, aber irgendwie... irgendwie...

Katsuya seufzte, hob abwechselnd die Hanteln in seinen Händen und sah zu Seto, der neben dem Ring – und ja, dass so was nicht in jedem Fitnessstudio stand, glaubte er ihm sofort – auf einen oben und unten befestigten Ball einschlug. Seto hätte sich auch nicht schlecht auf der Straße gemacht. Und bei ihrem kleinen Kampf vor zwei Tagen hatte er sich zurückgehalten, so viel wurde Katsuya langsam klar. Der Typ musste eine irre Kraft in den Armen haben, wenn er das seit Jahren mehrfach die Woche machte. Auch die Beinbewegungen dazu waren nicht ohne. Da erstaunte es nicht, dass er Katsuya durch die Gegend tragen konnte.

War es da ein Wunder, was für Blicke sein Freund einfing? War es verwunderlich, dass dieser – single und ohne Aussicht das je zu ändern – darauf reagierte? Nein, ganz und gar nicht. Das half nur diesem Ziehen in der Herzregion und dem dumpfen Brodeln der Wut nicht. War er wirklich eifersüchtig auf irgendwelche namen- und gesichtslose Fremde, mit denen sein Freund geschlafen hatte, bevor er ihn kannte? Selbst bei der Sache mit Yami hatte er sich doch nicht so aufgeführt.

„Na, versuchst du durch Anstarren seine Aufmerksamkeit zu gewinnen?“, fragte eine junge, männliche Stimme neben ihm, die ihn den Kopf wenden ließ. Neben ihm war ein ziemlich großer, muskulöser Kerl erschienen, der ebenfalls Hanteln hielt. Ein Orientale? Die Haut war recht dunkel, der Kopf bis auf einen Zopf aus einem Kreis von schwarzen Haaren kahl geschoren. Die linke Gesichtshälfte war tätowiert mit Symbolen, die Katsuya schlicht und ergreifend gar nichts sagten.

„Rishido.“, stellte er sich vor und lächelte, „Und du bist?“

„Katsuya.“, erwiderte dieser schlicht.

„Neu hier?“, er nickte nur, „Bist du wegen Kaiba hier oder hast du ihn gerade erst entdeckt?“

„Ihr kennt euch?“, wehe wenn... vor seine Augen schossen Bilder, wie der Kerl seinen Freund in einer Sauna von hinten nahm – nicht sehr angenehm.

„Wir trainieren hier beide regelmäßig.“, hieß das, sie schliefen auch regelmäßig miteinander?

„Kannst du mir was über ihn erzählen?“, Katsuya nickte in Setos Richtung.

„Seto Kaiba... dass er gut aussieht, kannst du ja selbst sehen.“, Rishido sah zu dem über ihre Diskussion Unwissenden hinüber, „Er ist irgendwie berühmt. Vor ein paar Jahren haben ihm hier mal Reporter aufgelauert. Ich weiß allerdings nicht, warum. Ansonsten scheint er nicht hier zu sein, weil er einen Fick sucht. Er nimmt zwar, was man ihm anbietet – manchmal – aber er geht nie selbst auf andere zu. Und zugesteckte Nummern landen bei ihm im Müll.“, er zuckte mit den Schultern, wobei ihn die Hanteln in seinen Händen wenig zu stören schienen, „Wenn du ihn haben willst, kannst du ihn am besten unter der Dusche kriegen. Aber die Chancen stehen nicht hoch.“

„Er lehnt Sex ab?“, die blonden Wimpern flatterten, „Warum?“

„Er lässt sich nicht nehmen.“, erklärte der Andere etwas leiser, „Und Ältere nimmt er auch nicht. So bin ich bei ihm abgeblitzt. Manchmal hat er wohl auch einfach keine Lust. Warum weiß er wohl nur selbst.“

Der erste Teil klang sehr nach Seto, aber der zweite? Dass er keine Lust hatte? Nahm Seto nicht alles, was er kriegen konnte? Mit Katsuya nutzte er doch praktisch jede Gelegenheit... in letzter Zeit nicht mehr so sehr, aber wohl auch nur, weil er selbst meist ziemlich abdrehte. Dass er nicht mit einem emotionalen Igel schlafen wollte, war verständlich. Aber das hier? Das entsprach nicht Katsuyas Erwartungen. Das hörte sich so... brav an.

Sauna

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Sauna - die zensierte Version

Ich startete den Laptop meiner Mutter (weil da wegen bin zu Hause) - Drahtlosnetzwerkverbindung deaktiviert. Kann sie nicht aktivieren, weil nicht Administrator. Also anderer Account, Adminrechte geändert, Netzwerk aktiviert - Netzwerk nicht findbar. Okay, kommt vor. Ist nicht so, als wäre das der einzige Rechner. Ich startete den PC meines Vaters, öffnete DS und bekam die Fehlermeldung, dass das Dokument falsch kodiert sei - es erschienen unlesbare Zeichen. Gut, kommt auch mal vor. Ich öffnete das Notebook, auf dem ich es geschrieben hatte, dort war das DOkument einwandfrei. Kleiner Bildschirm, aber okay, wird schon - nur fand der auch kein Netzwerk. Vater nach seinem Laptop gefragt - konnte das Dokument auch nicht öffnen. Ich nahm meinen eigenen Laptop - seines Zeichens nur noch Schrott - und versuchte es in meiner Verzweiflung - aber er ist wirklich nur Schrott. Mit Moms Laptop durchs Haus gerannt - kein Netzwerk. Mit Notebook durchs Haus gerannt - kein Netzwerk. 23:20 Uhr, bin mit den Nerven am Ende. Ich nehme den Rechner meines Vaters, suche nach Kompabilitätsupdate für Word (zum Öffnen einer ver****ten .doc-Datei). Nicht findbar. Lade ohne Erlaubnis OpenOffice runter (darf ich nicht, glaube ich) und öffne die Datei - unlesbare Zeichen. An diesem Punkt bekam ich einen Wutausbruch, machte eine Atemübung, übertrug die Datei von meinem Notebook per USB-Stick und öffnete die Datei nach Veränderungen der Konfigurationseinstellungen von OpenOffice. Jetzt funktioniert es. Aber ich sage euch eins, ihr schuldet mir etwas für diese Aktion -.-

Und dafür, dass ich gerade DS, Soldier, Eisengel und Masochism Tango hochlade. Allerdings komme ich heute unter Garantie nicht mehr zu den Kommentaren...
 

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„Hey...“, Seto schlang von hinten einen Arm um Katsuyas Hüfte und zog ihn an sich, „Alles klar bei dir?“

„Bestens.“, dieser sah zur Seite, reckte den Hals etwas und setzte einen Kuss auf die Lippen des Anderen, „Ich unterhalte mich mit Rishido. Er hat mir ein paar der Geräte hier gezeigt.“

„Ah ja...“, die blauen Augen wechselten ihre Blickrichtung zwischen ihnen beiden, „Da du eher neu in der Szene bist, nehme ich diese Aussage mal nicht für die Bedeutung, dass du mich zwischendurch betrogen hast, sondern wortwörtlich.“

„Bitte?“, die Lider über den Bernsteinaugen flatterten, „Warum soll das heißen, ich hätte mit ihm geschlafen?“

„Warum sollte dir jemand die Geräte erklären, wenn nicht, um dich danach in die Sauna zu kriegen?“, Seto hob eine Augenbraue.

„Aus Freundlichkeit?“

Sein Blick richtete sich stumm auf Rishido, der ihren Austausch mit einem Lächeln auf den Lippen betrachtete und nach einem Moment einwarf: „Kaiba hat völlig Recht. Ich wollte dich nachher zu einem Kaffee einladen und danach zu mir nach Hause... ich hätte nie erwartet, dass ihr zueinander gehört.“

„Und wie kommt es, mein ehrenwerter, rechtschaffener Freund...“, die Augen schwangen wieder zu Katsuya, „...dass du ihm nicht erzählt hast, dass wir zusammen sind?“

„Es war sehr interessant mal eine objektive Sichtweise über dich zu hören.“, dieser grinste, legte den Expander ab und drehte sich in Setos Armen, „Du bist unerwartet zurückhaltend, was das Angebot hier betrifft.“

„Du musst interessante Vorstellungen von mir haben, wenn du mich als zurückhaltend bezeichnest.“, erneut hob sich die braune Augenbraue, diesmal jedoch mit Blick auf ihn, „Was mich auspowert, ist Sport und Sex. Wenn ich genug des einen habe, brauche ich weniger vom anderen – nach dem Kickboxen Sex haben zu wollen, ist mir eine fremde Vorstellung.“

„Macht Sinn...“, mit einem schiefen Lächeln drückte sich Katsuya an ihn und packte mit einer Hand sein Kinn, „Heißt das, meine Angebote treffen auf taube Ohren?“

„Mach die Angebote, bevor ich die Entscheidung treffe taub zu sein oder nicht.“, erwiderte der Ältere leise, doch hinderte ihn am Sprechen, indem er seine Lippen mit den eigenen verschloss.

„Ihr seid nicht zufällig von einem Dreier zu überzeugen?“, warf Rishido ein, während er sich erhob und ein Handtuch um seinen Hals legte.

Seto und Katsuya tauschten einen Blick. Zwei gehobene Augenbrauen, beidseits ein angezogener Mundwinkel, bevor ihre Lippen einander die Antwort gaben.

„Nein, danke.“, antwortete der Blonde für sie beide, „Wir werden uns nun kultiviert und anständig verdrücken und eine Führung durch die örtlichen Sanitäranlagen anschließen.“

„Du magst öffentlichen Sex, was?“, Seto leckte über seine Oberlippe.

„Aber bitte... nicht so vulgär.“, eben diese schnappte er mit seinen Zähnen, „Kann ich was dafür, wenn ich es liebe deinen Schwanz in meinem Arsch zu haben mit der Gefahr jede Sekunde entdeckt zu werden?“

„Was habe ich da bloß heran gezogen...“, murmelte der Andere und küsste ihn erneut.
 

Katsuya grinste fast bestialisch.

Das hier tat gut. So unglaublich gut. Einfach mal offen seine Gefühle zu zeigen, nicht nur in den eigenen vier Wänden, keine Angst davor haben zu müssen gesehen zu werden... keine Leute, die einen anstarrten, nur weil man nah beieinander stand, kein Tuscheln, keine auf sie zeigenden Finger.

Einfach geküsst werden, bevor Seto locker ihre Finger miteinander verharkte und ihn hinter sich her zog. Noch einen Blick über die Schulter, wo Rishido ihnen beiden sehnsüchtig hinterher sah. Kurz stolpern und dafür mit einem warmen, leicht besorgten Blick bedacht werden.

Seto war so offen. So expressiv. Furchtlos. Die ganze Art nahm einen ein. Wie ein treuer Welpe folgte er ihm mit stets auf ihn gerichteten Blick in die Umkleide, an die sich die Duschen und der Saunabereich anschlossen. Der Ältere zog ihn noch einmal zu ein Kuss an sich, bevor er sich löste, um die auszuziehenden Klamotten in seinen Spind zu tun. Katsuya tat es ihm nach.

Dass Seto es schaffte nichts als ein Handtuch um seine Hüften zu tragen, das nicht nur hielt sondern in dem er auch noch irgendwo ein Kondom versteckte, war eine Kunst. Weiterhin war wohl zu bemerken, dass sein Körperbau insgesamt unter den hier Trainierenden nichts so Besonderes war, aber seine Muskeln waren wenigstens echt und nicht künstlich. Das Einzige, was Katsuya in all seinen Beobachtungen störte, war die Tatsache, dass etwas recht Entscheidendes fehlte.

Was er natürlich auch ansprach: „Irgendwie habe ich nicht das Gefühl, dass du unter dem Handtuch noch Gleitcreme unterkriegst.“

Die blauen Augen richteten sich auf ihn, bevor ein Arm um seine Hüfte ihn wieder an Seto zog – das schien dieser wohl relativ gern zu machen – und dieser seinen Kopf vorbeugte, um in sein Ohr zu flüstern: „Normalerweise wird das hier auch nicht benutzt. Die Kondome haben theoretisch eine ausreichende Menge drauf.“

„Das wird trotzdem weit mehr brennen als sonst.“, Katsuya schob die Unterlippe vor.

„Ich habe auch keins dabei.“, gestand sein Freund und legte seine Stirn an die des Kleineren, „Ich hatte ehrlich gesagt nicht gedacht, dass du... von der Idee begeistert wärst. Oder sie überhaupt vorschlägst.“

„Fehlkalkulation. Was machen wir jetzt?“, sie sahen sich in die Augen, von den Armen des jeweils anderen gehalten, bis der Blonde den Blick abwandte und seufzte, „Dafür liegst du heute und morgen unten.“

„Sicher?“, flüsterte Seto noch einmal.

„Ich bin keine Puppe, okay? Ich zerbreche nicht durch Anstupsen.“, Katsuya schlang seine Finger lose um die des Anderen und zog diesen hinter sich her. Er öffnete die Tür zur Sauna und wurde direkt von heißem Dampf empfangen. Eine Dampfsauna also? Mit mehreren Räumen? Das Fitnessstudio schien echt luxuriös zu sein. Aber was erwartete man schon anderes bei Seto?
 

Nur schienen Fehleinschätzungen heute an der Tagesordnung zu stehen.

Da waren nicht mehrere Räume, in die jederzeit jemand kommen konnte. Da waren mehrere Räume, die alle voll waren. Und nicht mit einem Paar junger Männer sondern mehreren. Das hier war ganz klar öffentlicher Sex. Weit öffentlicher als erwartet. Katsuya schluckte, drückte sich an Setos Seite und sah leicht fragend zu ihm auf.

„Du musst nicht, wenn du nicht willst. Ich nehme dir das nicht übel.“, der schien ihn wortlos zu verstehen, „Ich mag mein Bett zuhause nicht mehr oder weniger als das hier. Das hat ganz verschiedene Qualitäten. Aber ehrlich gesagt ist der Ort mir sehr egal.“

„Ich... möchte es versuchen. Wie das ist.“, brachte Katsuya hervor, doch legte seine Arme um seinen Freund, „Würdest du mich verführen? [..] Bitte?“

Das legte wohl den Schalter um. Der Andere schloss die Augen, suchte seine Lippen, durchbrach sie mit seiner Zunge und bewegte sie dabei mit langsamen, kleinen Schritten in einen der Räume, die in verschiedenen Blautönen gekachelt waren. Eine für Katsuya nicht definierbare Zeitspanne später spürte er eine feuchte, jedoch warme Wand im Rücken, gegen die er sich von Setos ganzem Körper drücken ließ. Dessen Hand fuhr seine Seite hinab, bevor sie den Bund des Handtuches entlang wanderte, das Katsuyas Hüften umschlang.

Der Blonde gab ein tiefes Stöhnen von sich, das von ihrem Kuss gedämpft wurde, bevor er auch seine Hände auf Wanderung gehen ließ. Er knetete sanft Setos linke Brustwarze mit einer, während er mit der anderen an dessen Hinterteil langte. Das Handtuch hielt der Aktion einige Sekunden lang stand, bevor er selbst das Kondom aus dessen Bund fischte und diesen löste, sodass das weiße Stück auf den nassen Boden fiel. Blind öffnete er die Packung, hob sie kurz, um das Kondom richtig zu greifen und zog es Seto über.

Dieser schnappte sich Katsuyas Hände, drehte ihn wie bei einem Tanz und drückte sie gegen die Wand, während er mit seinem Körper dessen Rücken berührte. Die Fingerspitzen fuhren Katsuyas Arme entlang über dessen Brust zu seinen Lenden, wo Seto mit zwei Fingern das Handtuch hob [...].

„Hah-he...“, der Blonde atmete schwer, drückte seinen Rücken in ein Hohlkreuz [...].

[...]

Er versuchte seinen Schmerz abzuatmen, doch wurde durch sein eigenes Keuchen unterbrochen. Er versuchte Halt an der glitschigen Wand zu finden, doch seine Hände glitten immer wieder ab, bis er seine Nägel in die Fugen zwischen den Platten rammte. Er versuchte von Seto wegzukommen, doch drückte gleichzeitig zurück gegen dessen Unterleib. Aus seinem Keuchen wurden kleine Schreie, bis er sich auf die Lippen biss und sein Gesicht gegen die Fliesen drücken ließ. Mit Setos Zähnen im Nacken hielt er es schließlich nicht mehr aus [...].
 

„Alles okay?“, fragte der Brünette leise, bevor er ihm sanft ins Ohr biss und darauf über dessen Muschel leckte, als hätte er ihn verletzt.

„Mein Kopf schwirrt... es ist heiß hier.“, murmelte Katsuya leise und ließ sich nach hinten gegen Setos Brust sinken.

„Passiert, wenn man in einer Sauna Sex hat.“, dieser ging in die Knie, zog den Anderen dabei vorsichtig mit sich, griff ihre Handtücher, legte sie auf ihm ab und hob ihn mit einem Arm unter den Knien und einem am Rücken wieder hoch, um ihn zu tragen, „Ich bring dich unter die Dusche. Kühle Luft und Wasser werden dir gut tun.“

„Danke...“, murmelte der Blonde mit einer Stimme, als wäre er betrunken.

„Brauchst du eine Hand?“, fragte jemand in ihre Richtung.

„Nein, danke. Er ist nicht schwer.“, erwiderte Seto, „Aber wenn mir jemand die Tür öffnen könnte... danke.“, mit einem Schlag wurde er von kalter Luft umweht und spürte das Blut in seinen Kopf schlagen, „Gleich geht es dir besser.“

„Au...“, murrte er nur leise und hob eine Hand zu seiner Stirn.

„Kopfschmerzen? Ich geh dir etwas zu trinken holen, warte. Ich setze dich schnell in der Dusche ab.“, er wurde auf kühle Fliesen nieder gelassen – sowohl am Hintern als auch am Rücken, „Lass dich nicht klauen, klar?“

Er gab nur ein unverständliches Grummeln von sich, nicht einmal sicher, ob Seto ihn überhaupt hörte. Zwischen dem Spalt seiner Lider hindurch konnte er eine größere Masse Kerle in der Gemeinschaftsdusche erkennen – wahrlich kein schlechter Anblick. Aber es dauerte kaum länger als eine halbe Minute, bis Seto mit einer Flasche Wasser zurück kehrte und ihm das – angenehm kühle – Nass gab. Eine halbe Flasche später und die Kopfschmerzen waren praktisch weg und der Schwindel hatte sich ebenso gelegt.

„Besser?“, fragte Seto lächelnd.

„Das war... ein ziemlich cooler Trip.“, Katsuya grinste über das Gesicht, das sein Freund ob seiner Wortwahl zog, „Ich mag das. Da kann ich nicht nur sehen sondern auch spüren, wie stark du bist.“

„Wenn du starke Männer magst, sollten wir vielleicht nicht zu oft herkommen.“, der Brünette warf den Kopf in den Nacken und trank die restliche Hälfte der Flasche, bevor er mit dem Handrücken über seine Lippen strich, „Ich bringe die hier kurz weg und hole unsere Duschsachen.“, er griff auch nach den Handtüchern, die bis dato Katsuyas Unterleib bedeckt hatten, wobei das zusammen geknotete Kondom herunter fiel, was wohl dazwischen gelegen hatte, „Und schmeiß das weg.“

„Wann zur Hölle hast du das gemacht?“, eine blonde Augenbraue hob sich und sein Blick fiel auf Setos Genitalien, „Du hast viel zu viel Praxis damit, wenn ich es nicht mal mitkriege.“

„Willst du es mitkriegen?“, die Lippen auf seinen hinderten ihn effektiv an einer Antwort, „Nein? Gut, dachte ich mir.“, er schnappte sich auch das Kondom und machte sich davon.

„Was hast du bloß angestellt?“, sprach eine Stimme von der Seite mehr zu sich selbst, aber war gut verständlich. Katsuya wandte dem Sprecher den Blick und war nicht ganz überrascht Rishido zu sehen.

„Wie meinst du das?“

„Er.“, der Dunkelhäutige nickte Seto hinterher, „Er ist knallhart, verteilt nur Beleidigungen, blickt auf andere herab und wirkt dabei so erhaben wie ein junger Gott. Und plötzlich kommst du daher und er benimmt sich wie Mutter Maria. Das dreht einem irgendwie den Magen um.“, sollte das jetzt eine Beleidigung sein? „Ich hatte vermutet eher die Götter vom Himmel herab steigen zu sehen als einen verliebten Seto Kaiba.“

„Wunder passieren immer mal wieder.“, ein fieses Lächeln legte sich auf Katsuyas Lippen, bevor er Seto in der Umkleide zu rief, „Denk an meine Haarspülung, Schatz!“

Dumme Kommentare

Womit natürlich nicht ihr gemeint seid ^.- Auch wenn die Zahl derzeit etwas leidet.

Wir starten hiermit den Endspurt. Nicht mehr viele Kapitel, bis auch DS2 beschlossen sein wird. Dafür, dass ich diesen Monat fertig werden wollte, bin ich etwas im Verzug, aber die zwei Monate machen bei zwei Jahren Arbeit auch nicht mehr so viel aus. Das heißt aber auch, dass in nur wenigen Monaten DS3 und damit der letzte Teil der DS-Reihe starten wird.

Danke für eure Treue - und viel Spaß beim Lesen ^.^
 

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„Und wie läuft die Schule? Hast du dich dort wieder eingelebt?“, fragte Yami Shizuka.

„Halbwegs.“, sie sah auf, lächelte und wandte scheu den Blick wieder ab, „Die Lehrer ignorieren einfach, dass ich je schwanger war, ebenso wie die meisten Schüler. Ein paar fragen manchmal nach Isamu... und ein paar sagen böse Dinge.“

„Was für böse Dinge?“, er ließ sich seitlich gegen die Lehne sinken, während sie nach ihrer Tasse griff, bevor sie sich nach einem kurzen Blick ebenfalls zurück lehnte und antwortete.

„Du übertreibst.“, meinte eine Stimme direkt neben Katsuyas Ohr, die ihn zurückschrecken ließ.

„Bakura?“

„Nein, der Teufel.“, dieser rollte mit den Augen und ließ sich neben ihm nieder, „Ich kann Besitzansprüche auf kleine Geschwister verstehen, aber deinem besten Freund solch böse Blicke zuzuwerfen, bringt dir keinen Stein in ihrem Brett.“

„Ich- ich gucke böse?“, Katsuya passte sich der recht geringen Lautstärke an, mit der sein Gegenüber sprach.

„Als wolltest du jemanden umbringen wollen. Wie ein eifersüchtiger Liebhaber.“, dieser grinste und wieder einmal hatte der Blonde das Gefühl, er müsste eigentlich Reißzähne sehen, „Oder gibt es da was, was ich wissen sollte? Hast du Gefühle für deine Schwester?“, er hob beide Augenbrauen, „Oh... oder aber für deinen besten Freund?“

„Schnauze.“, Katsuya wandte sich ab und stieß den anderen mit einer Hand von sich weg, „Das ist krank.“

„Treffer versenkt.“, der Andere senkte den Kopf etwas, wodurch die silbernen Haare vor sein Gesicht fielen, „Allerdings bei uns beiden.“

„Ich bin nicht-“

„Nein... niemals...“, höhnte Bakura und lachte leise, „Ich bin ja ein Freund von Lügen, aber sich selbst zu belügen ist selten dämlich.“, er sah zu den beiden auf dem Sofa rüber, „Er ist auch ein Sahneschnittchen. Und ziemlich talentiert mit seiner Zunge. Gutes Affärenmaterial.“

„Du- du hast...“, Katsuyas Lider weiteten sich, während sein Mund offen stehen blieb.

„Ihn gevögelt? Natürlich, was erwartest du denn?“, der Andere schnaubte, „Obwohl ich meinen Bruder da lieber mag, der ist noch nicht so ausgeleiert.“

Klick.

Der Blonde stürzte sich auf ihn, die Faust gehoben, die andere Hand mit einem Würgegriff an seine Kehle, bevor er zuschlug. Bakura kippte hinten über, griff das Gelenk der Hand, die ihn würgte und zog sie von sich, während der zweite Schlag nieder ging.

„Katsuya!“, schrie Shizuka, Ryous Stimme irgendwo im Hintergrund.

„Scheiße.“, zischte Seto hörbar, während er nach Katsuya griff, um diesen von Bakura zu ziehen. Der Blonde entglitt dem schraubstockartigem Griff einmal, um zuzuschlagen, bevor er gepackt und fest gehalten wurde.

„Monster! Du verdammtes Stück Scheiße! Wie kannst du es wagen?“, schrie er, während sein Freund ihn hielt.

„Katsuya, hör sofort auf!“, fuhr Seto ihn an und zog ihn nach hinten, wodurch er auf seinem Hintern auf Höhe von Bakuras Schuhen landete.

„Du beschis-“

„Katsuya!“, mahnte der ihn Haltende scharf, worauf dieser auch still wurde und nicht mehr gegen die ihn bindenden Hände ankämpfte, „Ganz ruhig... Bakura, was sollte das Ganze?“
 

„Was fragst du mich das? Dein Brutalo von einem Freund hat mich gerade geschlagen.“, eiskalt funkelten Bakuras blaue Augen ihm entgegen, heller und schneidender als Setos es je getan hatten, „Ich bin ganz ruhig.“, was vielleicht an Ryous Hand lag, deren Fingernägel sich in seine Schulter bohrten.

„Passiert, wenn man so ‘ne Scheiße erzählt.“, zischte Katsuya zurück, „Wag‘ es nicht nochmal ihm nahe zu kommen.“

„Oh? Und auf welcher Grundlage erhebst du diese Besitzansprüche? Denk‘ erst mal scharf über deine Position hier nach, bevor du gedankenlos auf Leute einprügelst.“, der Silberhaarige fuhr sich mit dem rechten Handrücken über die linke Wange, „Ryou.“, er griff dessen Hand, strich mit dem Daumen einmal darüber und wandte sich diesem zu, während er sich erhob, „Du wirst von Katsuya Abstand halten, bis er seine Wutausbrüche wieder unter Kontrolle hat. Ich will dich nicht in Gefahr wissen. Wir werden jetzt gehen.“

„A- aber...“, dessen Lider weiteten sich, er sah einem Moment zwischen Katsuya und seinem Bruder hin und her, bevor er den Kopf senkte, „Ja, großer Bruder.“

„Als wären deine Ausbrüche irgendwie besser als meine!“, warf der Blonde Bakura vor, der einen Arm um Ryou gelegt hatte und ihn aus dem Wohnzimmer führte.

„Zumindest weiß ich, dass ich niemals meinen Bruder verletzen würde.“, der Blick der blauen Augen bohrte sich in ihn, die Pupillen dabei nur stecknadelkopfgroß, „Und alle anderen Wesen sind mir egal.“

Katsuya schluckte nur und erwiderte nichts. Es folgte Stille, bis die Haustür ins Schloss fiel. Setos Griff lockerte sich, doch der Jüngere riss sich nicht los. Er atmete nur tief durch.

Wie konnte dieser verdammte Mistkerl... wie hatte er nur... was maß er sich an so von Yami zu sprechen? Das war zutiefst beleidigend gewesen. Jeder hätte da reagiert. Vielleicht nicht so überreagiert wie er gerade, okay, aber es hätte doch wohl jeder für Yami eingestanden, oder? Das musste keine tiefere Bedeutung haben. Wahrscheinlich war Bakura nur wieder auf Streit aus gewesen. Schon der Kommentar mit den Blicken. Das hatte er auch nur getan, um einen Streit zu provozieren. Es war nicht so, als hätte er tiefere Gefühle für Yami. Er war glücklich mit Seto.

Richtig?

Er warf seinem besten Freund einen Blick zu, wobei sich seine Brust innerlich zusammen zog, als wäre sein Herz zu einem schwarzen Loch mutiert.

„Und bei deiner Pflegefamilie ist es auch laut?“, wandte sich Yami an Shizuka, „Der Kleine scheint sich ja wenig aus Geschrei zu machen.“, er lächelte auf das schlafende Kind in seinen Armen hinab.
 

„Katsuya?“, wandte sich Seto an ihn, nachdem er die Haustür gerade hinter ihren Gästen geschlossen hatte, „Was war da vorhin los?“

„Nichts.“, wich dieser nur aus, wandte sich ab und ging zurück ins Wohnzimmer, „Hilfst du mir beim Abräumen?“

„Sicher.“, stimmte dieser zu, „Aber danach werden wir reden.“

Reden. Sehr unschuldig. Was, wenn Bakura recht hatte? Was, wenn er wirklich Gefühle für Yami hatte? Und selbst, wenn nicht, was wenn Seto das trotzdem denken würde? Der Typ hatte doch schreckliche Verlassensängste. Was würde der denn aus der Sache machen? Selbst wenn er nichts sagte, sich nicht aufregte, selbst wenn er all das nicht tat... würde er trotzdem nachdenken. Sich Sorgen machen. Sich selbst dafür schuldig fühlen. Er dürfte einfach nicht erfahren, was da abgelaufen war. Das würde nur Stress zwischen ihnen geben – ganz unnötigen. Selbst wenn er was für Yami empfand, wer sagte denn, dass darauf auch Handlungen folgten? Oder dass er Seto deswegen anders behandeln würde?

„Wollen wir uns ins Wohnzimmer setzen?“, fragte dieser nach und wartete, bis Katsuya ihm folgte, bevor er sie beide zur Couch führte und sich setzte, „Okay, also von vorne und in Ruhe. Was hat Bakura gesagt?“

„Dass- dass...“, wie sollte er das denn sagen? Wie viel sollte er sagen? „Dass er mit Yami geschlafen hat und der eine sehr talentierte Zunge, aber ein ausgeleiertes Loch hat. Zitat Ende.“, er verschränkte die Arme vor der Brust.

„Das war sehr taktlos.“, Seto stützte sich mit einem Arm auf der Lehne ab, „Deine Reaktion war wieder einmal übertrieben, aber verständlich. Ich glaube, selbst ich wäre wütend geworden und hätte das bemerkt. Und es war eine gute Idee, das nicht vor allen anderen zu klären. Zum Glück hat Yami die Stimmung gerettet.“, er lehnte sich zurück, „Warum wolltest du mir das nicht direkt sagen?“

„Es war so- ich war so- also...“, ja, stimmte eigentlich... das war ganz normal als Freund – Bakura hatte ihn echt verwirrt, „Ich wollte echt nicht daran denken. Das war einfach so unmöglich von ihm...“

„Ich kenne und verstehe Bakura. Dass er sowas sagt, traue ich ihm gut und gerne zu.“, der Brünette nickte, „Allerdings würde er deswegen Ryou nicht den Kontakt zu dir verbieten. Ich habe das Gefühl, es ging noch um etwas anderes.“

„Um... etwas anderes?“, Katsuya atmete tief durch, „Nicht... nicht, dass ich wüsste.“

„Sicher?“, der Blick der saphirblauen Augen bohrte sich in ihn.

„Ähm... ja, denke schon.“, er hatte das Gefühl, als würde sich ihm der Magen umdrehen, während er das sagte. Das war eine Lüge. Eine fette, verdammte Lüge, die er seinem Freund mitten ins Gesicht warf. War das wirklich das Beste? Tat er das wirklich für ihre Beziehung? War es richtig... zu lügen? Katsuya atmete tief durch, wobei sein Atem leicht zitterte.

„Ich kann dir sagen, dass Bakura das ernst meinte. Er war wirklich sehr ruhig. Er hat nicht überreagiert. Ich vermute, er wird Ryou vor ein Ultimatum stellen... und ich denke, dieser wird sich daran halten.“, Seto beobachtete sein Gesicht genau, „Er wird Abstand zu dir halten. Bis du die Sache mit Bakura klärst.“

„Wieso ich?“, fuhr der Jüngere auf, „Die Schnapsidee stammt doch von ihm! Er hatte das Bedürfnis Ryou von mir fernzuhalten. Wieso muss ich ankommen und mich entschuldigen?“

„Vielleicht, weil du auf ihn eingeschlagen hast?“, sein Gegenüber hob eine Augenbraue, „Die meisten Menschen finden so etwas nicht gerade witzig. Nur weil Bakura das ebenso wie du gewohnt ist, macht es die Sache nicht weniger schlimm.“

„A- aber...“, Katsuya senkte den Kopf und schluckte, „Na... na gut... stimmt wohl. Ich sollte mich entschuldigen. Aber er sich auch! Der Kommentar war echt scheiße!“

„Das solltest du ihm sagen.“, Seto verschränkte die Finger in seinem Schoß, „Im Zweifelsfall weiß er das nämlich nicht.“
 

„Morgen.“, grüßte Katsuya Ayumi, die ihm im Gegenzug lächelnd zuwinkte, bevor er sich auf seinen Tisch neben Ryou setzte, „Morgen, Ryou.“

„Morgen...“, murmelte dieser leise, „Ich darf nicht mit dir reden. Also rede bitte nicht mit mir.“

Autsch. Und wieder einmal hatte Seto vollkommen recht. Wie konnte man gleichzeitig so scharfsinnig sein, was menschliche Emotionen anbelangte und gleichzeitig so dumm für die eigenen sein? Ein Glück, dass er ihn schon überredet hatte das mit Bakura zu klären.

„Du lässt dir von deinem Bruder so einiges bieten.“, er seufzte und lehnte den Kopf auf eine Hand, „Ich möchte das mit deinem Bruder klären. Könntest du ihm bitte sagen, dass ich morgen vorbei kommen werde?“

„Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist?“, Ryou sah auf und wandte sich ihm zu, „Ich verstehe ihn derzeit irgendwie nicht... es ist nicht so, als wäre er sauer auf dich. Er scheint wirklich überzeugt zu sein, dass du gefährlich bist. Irgendwie... ich weiß nicht, was ich denken soll.“

„Es dürfte nicht schaden mit ihm zu reden, oder?“, oder war die Idee doch schlecht? Bakura war nicht unbedingt jemand, mit dem es sich leicht reden ließ. Vielleicht machte er die Sache ja auch noch schlimmer.

„Wahrscheinlich nicht... ich sage es ihm.“, Ryou warf ihm ein Lächeln zu, „Danke, Katsuya. Ich hasse es zwischen euch entscheiden zu müssen.“

„Theoretisch müsstest du dich nicht entscheiden, wenn-“

„Guten Morgen.“, grüßte Herr Lehrer Kaiba die Klasse, worauf sich alle erhoben und ihn ebenso grüßten, „Setzen.“

„Klären wir später.“, murmelte Katsuya nur noch, bevor sie beide artig ihre Schulsachen hervor kramten.

„Wie manche von euch vielleicht noch in Erinnerung tragen, ist diese Woche meine letzte an dieser Schule.“, ein Raunen ging durch den Raum, „Still, ihr Bratzen. Habe ich euch nichts beigebracht in den paar Wochen?“, die Schüler schienen mittlerweile ganz gut trainiert zu sein, es wurde augenblicklich ruhig, „Ab Montag bekommt ihr eine neue Klassenlehrerin, Frau Ishiyama. Sie ist neu an der Schule, also seid geduldig mit ihr. Sie wird euch in Japanisch und Englisch unterrichten. Der Religionsunterricht wird von jemand anderem übernommen. Da führe ich diese Woche noch einige Vorstellungsgespräche. Euer neuer stellvertretender Schulleiter wird am Mittwoch auf der Lehrerkonferenz bestimmt, wegen der ihr die letzten zwei Stunden frei haben werdet. Noch Fragen?“

Ayumi hob zaghaft eine Hand – eine Geste, die man bei ihr eigentlich eher selten sah, schließlich trug sie alle Beiträge meist mit sehr viel Selbstvertrauen vor.

„Wakaba?“

„Herr Lehrer... was machen sie denn dann? Wenn sie nicht mehr hier arbeiten?“

Gute und hochspannende Frage. Hatte er schon Pläne? Katsuya lehnte sich etwas vor.

„Ich werde den nächsten Monat im Schulamt mit dem Schreiben von Berichten verbringen und danach entweder Telefondienst machen oder in einer Schule mit Lehrermangel eingesetzt werden. Außer es lässt sich eine weitere Schule in einem so erbärmlichen Zustand finden wie diese es war, bevor ich hier her gekommen bin.“, ein arrogantes Lächeln legte sich auf die Lippen ihres Lehrers – man war versucht zu glauben, es wäre echt.

Katsuya wusste es besser. Heute. Es war jetzt fast drei Monate her, dass er es zum ersten Mal gesehen hatte – würde er Seto nicht kennen, würde er es wohl immer noch glauben.

Klärung

Urlaub ist etwas ganz, ganz Tolles ^v^ Rechnungen allerdings nicht. Mein Shoppingwahn gepaart mit widrigen Umständen bringt mich derzeit ein wenig in Bedrängnis. Und die Ansage, dass DS als Buch so viel Papier sein wird, dass es vermutlich ca. 25 Euro kosten wird, stimmt mich nicht gerade glücklich. Allerdings wäre die Alternative gewesen es in drei Bücher zu trennen. Schweren Herzens nehme ich also die erste Version - auch wenn sie zuerst abschreckt, es ist leichter als drei Bücher a 15 Euro und tut meinem Herzens weniger weh. Jetzt mal ehrlich, wie trennt man DS1 in drei Teile?

Egal, ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen ^.^ Ich denke, dieser Teil wird ein wenig Furore nach sich ziehen...
 

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Brzzz. Katsuya öffnete die Tür zum Appartementgebäude und begann die Treppen hoch zu steigen, nachdem er Seto noch einmal zu gewinkt hatte, der darauf hin fuhr.

Es war also schonmal jemand da. Ryou allein schon, schließlich hatte der ein Pflichtgefühl. Und es war ja nicht so, als würde er abends etwas anderes machen als zuhause zu sein. Und es hieß, dass Bakura ihm nicht verboten hatte die Tür zu öffnen – das musste ein gutes Zeichen sein, oder?

Oder auch nicht. Katsuya schluckte und versuchte seinen Blick nicht auf den Lauf der Pistole zu richten, die zwischen seinen Augenbrauen fast seine Stirn berührte. Bakura öffnete die Tür seelenruhig ganz und trat zu ihm auf den Gang.

„Was haben wir denn da? Hat die Ratte sich verirrt?“, ein selbstzufriedenes Lächeln schlich sich in dessen Züge. Der Blonde musste wohl auch nach dem Terror aussehen, den er beim Anblick der Waffe empfand.

„N- nein.“, brachte er hervor und verfluchte sich für das Zittern in seiner Stimme, „Zu dir wollte ich, wie Ryou dir vielleicht gesagt hat.“

„Vielleicht.“, wiederholte der andere und strich mit der Pistole den zu lang gewordenen Pony vor Katsuyas Augen weg, „Und was solltest du von mir wollen?“

Er schluckte. Sein Blick fiel endgültig doch auf die Waffe und wollte auch nicht wieder davon weg. Er hörte das Schlagen seines eigenen Herzens. Seinen flachen, schnellen Atem. Was wollte er nochmal hier? Sein Kopf fühlte sich so unendlich leer an. Als würde die Antwort nicht wieder auftauchen wollen. Bakura schlug ihm neckend mit der Waffe auf den Haaransatz.

Sie war kalt. Sie war hart. Sie war weit schwerer, als Katsuya vermutet hätte. Selbst wenn sie nicht geladen war, könnte ihn Bakura damit zu Brei schlagen. Und es klärte einwandfrei die Frage, ob sie echt war – sie war es.

„Ich höre.“, die silberweißen, kaum sichtbaren Augenbrauen verengten sich.

„Ich...“, quetschte Katsuya hervor, den Blick auf die Waffe gerichtet, „Ich wollte...“, der nächste Atemstoß ging durch seinen Mund, da seine Nase die Funktion zu verweigern schien, „Bitte nimm sie weg. Bitte...“

„Damit du hier in deiner Selbstherrlichkeit rein spazierst, weil es ja dein gottgegebenes Recht ist alles zu tun und zu lassen, was du für gut oder schlecht hältst und dich wie ein Elefant im Porzellanladen aufzuführen? Erinnere dich daran, dass ich dich zu Ryouji begleitet habe. Ich weiß, was du angestellt hast. Ich weiß, wozu du fähig bist.“, Bakura stieß scharf die Luft aus und legte den Kopf in den Nacken, „Ich kenne Seto und ich kenne mich. Und du bist nicht weit anders als wir. Nur lebst du noch nicht sehr lange mit der Notwendigkeit diese Aggressionen, diese Ausbrüche zu unterdrücken. Und im Gegensatz zu uns kannst du es nicht.“
 

„Ich bin ganz sicher nicht wie du!“, Katsuya wandte mit mentaler Gewalt seine Augen von der Waffe ab und erwiderte Bakuras Blick, „Du bist ein Sadist. Du liebst es Schmerzen zu sehen und zu zufügen. Du bist aggressiv und extrem. Die kleinste Kleinigkeit regt dich auf und lässt dich zu radikalen Mitteln greifen. Und du hältst dich dabei kein Stück zurück! Darf ich erinnern, wie du einen Messerkampf begonnen hast, nur weil ich dich einen Langfinger nannte? Oder wie du Yami angegriffen hast, weil du dich bedroht fühltest? Ich musste dich davon abhalten ihn umzubringen, bis dein Bruder reaktionsfähig war!“

Mit einer blitzschnellen Bewegung trat er zur Seite, griff im selben Moment Bakuras Arm am Handgelenk und hielt diesen mit der Waffe somit von sich weg. Die Lider des anderen weiteten sich – noch mehr so, als Katsuya den Meter Abstand zwischen ihnen überwand und sich direkt vor ihn stellte.

„Alles und jeden außer deinem Bruder der Gefahr auszusetzen, dass du sie wegen eines unbedachten Kommentars umbringst, das nennst du Kontrolle? Mein einziger Fehler ist es, dass ich überreagiere, wenn man mich stark provoziert. Ich arbeite daran. Ich werde es ablegen. Ryou ist dabei ganz sicher nicht in Gefahr, der käme nie auf die Idee mich auf die Palme zu bringen. Ganz im Gegensatz zu dir!“, ah, ja, da war es wieder – deswegen war er hier, „Wage es niemals wieder meinen besten Freund derart zu beleidigen und so über ihn her zu ziehen. Und Entschuldigung, dass ich dich geschlagen habe.“

Stille.

In Bewegungen wie Worten. Bakuras Hand, die vorher versucht hatte seinen Griff zu entkommen, war erstarrt. Ebenso ihre Körper. Ihre Blicke. Bakuras war auf Katsuyas Schlüsselbein fixiert, die Pupillen kaum größer als ein oder zwei Millimeter im Durchmesser. Katsuya sah ihm in die Augen. Nach ein paar Sekunden öffneten sich die Pupillen schlagartig, ohne dass eine andere Regung erfolgte. Selbst die Augen zuckten nicht. Es war, als würde Bakura plötzlich mitten durch ihn hindurch sehen.

„Lass mich los.“, verlangte er monoton.

„Lass zuerst die Waffe los.“, forderte Katsuya im Gegenzug.

Ein Moment des Schweigens verging, bevor an der Waffe etwas übereinander scharpte und klickte. Der Blonde wandte seinen Blick und sah, dass Bakura den Zeigefinger vom Abzug genommen hatte und dieser jetzt auf der Seite des Laufes lag.

„Das war die Sicherung.“, erklärte dieser, sein Blick dabei noch immer so seltsam abwesend, „Jetzt lass mich los.“

War... das wahr? Selbst wenn, machte es die Situation weniger gefährlich? Bakura schien ruhig, aber es klang mehr nach Ruhe vor dem Sturm. Wenn er ihn los ließ, wer garantierte, dass der Andere nicht einen Schritt zurück machte, wieder entsicherte und ihn erschoss? Vollkommen kaltblütig? Der Typ hatte seinen eigenen Vater umgebracht. Das vielleicht in ziemlicher Wut, aber... war Wut nicht eigentlich etwas sehr ruhiges? Nein, Hass war ruhig. Wut war aufbrausend, aber Hass war ruhig. Und wer sagte ihm nun, dass das, was Bakura gerade fühlte, kein schillernder Hass war?

„Okay.“, Katsuya schluckte und ließ die Hand langsam los.

Wie nicht unerwartet stolperte der Silberhaarige einen Schritt zurück, machte darauf willentlich einen weiteren und legte die Waffe auf einem Endtisch in der Diele der Wohnung ab.

Katsuya seufzte erleichtert auf, holte Luft, um zu sprechen, doch wurde noch vor dem ersten Wort von der zuschlagenden Tür unterbrochen. Er blinzelte die Holzplatte an, die sich nur wenige Zentimeter vor seiner Nase befand – bevor er tief seufzend den Kopf schüttelte und ging.
 

„N' Abend...“, murmelte Katsuya und schlüpfte an Yami vorbei in die Wohnung.

„Man könnte glauben, du würdest verfolgt werden.“, dieser schloss die Eingangstür wieder und wandte sich dem Größeren zu, der mit leicht eingezogenem Kopf im Flur stand, „Du hast doch nichts angestellt, oder?“

„Nicht... wirklich.“, der Blonde schluckte, sah nach links und rechts und wrang seine Hände.

„Kats? Was ist los?“, die dunklen Augenbrauen zogen sich zusammen.

„Kann... kann ich dich umarmen? Bitte?“

„Sicher.“, etwas verwirrt blinzelnd hielt Yami die Arme auf, in der der Andere sich auch sofort fallen ließ, „Uff... du bist langsam ein wenig schwer. Was ist denn los?“, er ging auf die Knie, um es Yami leichter zu machen, der ihn mit einem Arm hielt und mit dem anderen durch sein Haar fuhr, „Katsuya?“

„Bin nur ein wenig zittrig... hatte grad `nen kleinen Schock.“, murmelte er gegen Yamis ledernes Oberteil und richtete seinen Kopf, sodass er nicht auf dem kalten Reißverschluss lag, „Ich habe das mit Bakura geklärt... er hatte `ne Waffe. Eine echte! Die hat er Seto schonmal an den Kopf gehalten, aber der ist ganz cool geblieben... scheiße, das hat echt Angst gemacht.“

„Oh... du hast sonst noch keine gesehen, oder?“, die Hand strich sanft über seine Haut.

„Du etwa?“, Katsuya legte den Kopf etwas in den Nacken, um von seitlich unten zu Yami hoch zu sehen.

„Ich arbeite für Yakuzabosse. Ein- bis zweimal im Jahr hat man da so ein Ding im Hintern stecken.“

Er erbleichte. Er brauchte keinen Spiegel, er konnte es praktisch fühlen, wie er weiß wurde. Seine Lider weiteten sich. Das ließ Yami doch nicht freiwillig mit sich machen, oder? So ein Ding in seiner Nähe gab ihm Schauer, aber so etwas... nackt... zwischen... in... allein die Vorstellung- nein, oder? Dieses Pulsieren zwischen seinen Beinen bedeutete nicht... wie pervers war er eigentlich? Er konnte nicht wirklich...

„Entschuldige, der Kommentar war unpassend, nicht?“, Yamis Kinn legte sich fast an seinen Brustkorb, während er Katsuyas Blick auswich, „Manchmal kann ich mich nicht halten, da sind die Worte schneller aus meinem Mund als ich darüber nachdenken konnte. Es tut mir Leid.“, er warf einen schnellen Blick zu seinem besten Freund, bevor er schamhaft errötete, „Wollen wir vielleicht... uns setzen? Im Wohnzimmer? Oder hast du Hunger? Ich kann dir auch was kochen.“

„Couch.“, brachte Katsuya einsilbig hervor, während er seine Konzentration darauf verwendete das Ding zwischen seinen Beinen zum Schweigen zu bringen. Yami sollte jetzt besser nicht weggehen, sonst- oder doch, ja, aber jetzt nicht umdrehen-

„Kommst du?“, fragte der Rothaarige mit einem Blick über die Schulter.

„Sofort. Ich... ziehe schnell die Schuhe aus.“, lenkte Katsuya ein.

„Magst du etwas trinken?“

Er sollte sich wegdrehen, bevor sein Blick zu tief sank!

„Wasser, bitte.“

Bei allen Göttern, danke... Yami ging in die Küche. Hoffentlich hatte er nichts bemerkt. Das wäre zu peinlich. Das wäre einfach... vor allem, wie sollte er das erklären? Wenn er über Seto nachdachte, konnte er Ständer kriegen, aber nicht bei Yami und seinen Freiern. Seit wann hatte er solche Gedanken? Er hatte die doch immer gehasst und verachtet und... beschimpft und... er konnte das nicht irgendwie gut finden, oder? Das Yami sich benutzen ließ? Dass er machte, was man ihm sagte, nur weil er mehr Geld dafür nehmen konnte? So eine schale Illusion von Macht konnte nicht... nein...

Katsuya schüttelte seinen Kopf und beugte sich hinab, um seine Schuhe zu öffnen. Nicht weiter drüber nachdenken. Er könnte an seine Mutter denken. Na? Das tat den Trick allemal. Er schluckte gegen das Gefühl von Übelkeit an, dass ihn zu überkommen drohte beim Gedanken an sie. Leise seufzend und etwas falsch lächelnd trat er zu Yami hinüber, der mit zwei Gläsern in den Händen auf Höhe der Küche wartete.
 

„Und konntest du das mit Bakura klären?“, sie ließen sich auf der Couch nieder und prosteten einander spaßhaft zu.

„Keine Ahnung. Ich hoffe schon. Er hat mir die Tür vor der Nase zugeschlagen, nachdem ich mich erklärt hatte.“, Katsuya versteckte sein Gesicht ein wenig hinter dem Glas.

„Waffen, zuschlagende Türen... klingt nach einem guten Gespräch.“, sein Gegenüber hob beide Augenbrauen, „Und was hast du ihm erklärt? Worum ging es in eurem Streit?“

Urkh. Worum es ging? Konnte er nicht irgendetwas anderes fragen? Musste es das sein? Yami konnte man einfach nicht belügen, der bemerkte alles...

„Können wir nicht über etwas anderes reden?“, versuchte er einzulenken.

„Du musst mich nicht schonen.“, dieser legte den Kopf zur Seite und lächelte, „Mir ist schon klar, dass es um mich ging und Bakura mich beleidigt hat. Oder liege ich da falsch?“

Oh shit. Musste der Typ so scharfsinnig sein? Warum... andererseits, mit der Situation konnte man arbeiten, oder? Yami schien nicht irgendwelche unterdrückten Liebesgefühle zu vermuten, oder?

„Nun... ja... stimmt. Er... stimmt es, dass du mit ihm geschlafen hast?“

Perfekt, Katsuya, ganz toll gemacht. Von allen Fragen, die er hätte stellen können, war das die, die ihn am wenigsten anging. Er klang wie ein eifersüchtiger Liebhaber. Yami blinzelte nur überrascht.

„Uhm... ja, schon. Hat das dich so aufgeregt?“

„Nein! Ich meine... ein wenig. Weil er dich beleidigt hat, habe ich mich aufgeregt. Nicht deswegen. Ich meine... er hat dich mit Ryou verglichen und dich dabei beleidigt, deshalb...“, sehr überzeugende Vorstellung, „Ich war geschockt, dass er euch beiden sowas antut und...“

„Kats, es war nur Sex.“, Yami seufzte, „Ich weiß, das Konzept ist dir fremd, aber eine Menge Menschen haben feste Partner, die sie lieben – und dazu einen Haufen Affären. Praktisch jeder meiner Kunden ist verheiratet. Statistisch gesehen macht das jeder Dritte so. Nicht unbedingt mit einem Mann neben einer Ehefrau, aber halt so im Prinzip. Mit Bakura war das auch nicht viel anders. Für ihn ist sein Bruder sein Ein und Alles, da rüttelt nichts dran. Ich habe mich da nicht benutzt, betrogen oder sonstwie gefühlt, ich wusste, dass da nichts Tiefsinniges hinter steckt. Bei Bakura vermute ich sogar, dass sein Bruder von dessen Affären weiß.“

„Aber so etwas kann man doch nicht gutheißen! Nur weil Ryou es sich gefallen lässt, heißt nicht, dass das für ihn okay ist! Erst recht nicht, wenn Bakura so damit umgeht!“, schrie Katsuya und schepperte sein Glas auf den Couchtisch.

„Katsuya, was regt dich so auf?“, auch Yami stellte vorsichtshalber sein Glas ab.

„Was ihr euch alle bieten lasst! Dass Ryou betrogen wird und dass er sich rum kommandieren lässt, als wäre er Bakuras Privateigentum. Dass du dich nicht als emotionales Wesen siehst, dem es wehtut als Gegenstand benutzt zu werden. Du bist genau so ein Mensch wie Ryou oder ich mit dem Recht nein zu sagen, wenn Sex nichts anderes als eine Sportübung ist und keinerlei emotionale Bedeutung hat.“

„Aber für mich ist Sex nichts anderes als eine Sportübung, wenn du es so ausdrücken willst. Ich sehe da keine tiefe emotionale Bedeutung.“, konterte Yami, „Es ist... eine Dienstleistung. Eine Nutzung deiner Fähigkeiten zur Hilfe anderer. Wie einen Teppich zu verlegen oder eine Wand zu streichen.“

„Sex ist weit mehr als das.“, gab Katsuya mit einer plötzlichen Ruhe zurück und kniete sich rechts und links von Yamis Beinen direkt vor ihn, wobei er eine Hand an dessen Wange legte, „Du legst deine Sicherheit und deine Kontrolle in die Hände eines anderen. Du vertraust, dass dieser gut damit umgeht und dir nicht wehtut. Nicht deinem Körper und vor allem nicht deiner Seele. Dass der andere Dinge an dir findet, die schön sind. Dass er Dinge tut, die sich gut anfühlen. Du reißt dein Herz vor einer anderen Person auf, übergibst alles und vertraust darauf, dass du noch mehr zurück bekommst.“

Yami schloss die Augen, atmete zitternd aus und ließ seinen Kopf gegen die Hand an seiner Wange sinken, während eine Träne sich zwischen seinen Lidern hervor stahl und seine Haut hinab perlte. Nach einem Moment der Stille erwiderte er flüsternd: „Ich wünschte, ich würde dieses Gefühl kennen... aber ich habe noch nie mit jemandem geschlafen, den ich liebe.“

Vertrauen

Es ist wahrscheinlich ein echt böser Kommentar an dieser Stelle, aber ich weiß nicht, ob ich nächste Woche das Kapitel schaffe. Die Uni hat wieder angefangen, ist gut stressig und ich habe nebenbei natürlich massig Veranstaltungen. Freitag bis Sonntag bin ich in Aachen, wo ich wahrscheinlich keine Zeit zum Schreiben haben werde. Ich hoffe, die Fahrten hin und zurück werden reichen.

Montag in zwei Wochen geht es dann weiter damit, dass ich ein Praktikum in einem Krankenhaus mitten im Nirgendwo beginne. Da werde ich wahrscheinlich Zeit haben, aber ob ich Internat habe, ist noch eine andere Frage...

Ich kann leider für die nächsten paar Wochen für gar nichts garantieren. Ich hoffe aber weiter regelmäßig Kapitel senden zu können. Viel Spaß erstmal mit diesem ^.^
 

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Er kannte das nicht.

Er hatte nie mit jemandem geschlafen, den er liebte.

Er hatte noch nie so vertrauen, so lieben können, hatte sich nie in den Armen eines anderen aufgegeben. Hatte sich niemals sicher und geborgen gefühlt. Hatte niemals jemandem sein Herz gegeben. Hatte nie jemanden gehabt, für den er so fühlte – und der das erwiderte. Es gab nur einen Menschen, dem er solche Gefühle überhaupt entgegen brachte. Und das war Katsuya selbst.

Er schluckte. Betrachtete stumm das schöne Gesicht mit dem abgewandten Blick. Strich mit dem Daumen über Yamis Wangenknochen. War es wahr, dass er diese Gefühle nicht erwiderte? Ehrlich gesagt wusste er es nicht. Für Seto waren seine Gefühle anders, aber wie, das konnte er nicht sagen. Seto... würde Seto das verstehen? Würde er verstehen, was Katsuya im Begriff war zu tun? Würde er ihm vergeben können? Irgendetwas sagte ihm, dass er es konnte. War das Vertrauen oder blinde Hoffnung?

Egal. Seto würde hiermit leben müssen. Katsuya übte etwas Druck mit seiner Hand aus, um Yamis Gesicht zu ihm zu drehen, während er sich hinab beugte. Er schloss die Augen, legte den Kopf zur Seite und ließ sich von seinen Instinkten leiten. Er traf Yamis Lippen zielsicher, setzte einen sanften Kuss auf sie, bevor er mit einem zweiten dessen Mund zu einer Antwort animierte.

Es war so anders als mit Seto... Seto war in diesen Dingen sehr selbstsicher. Er erwiderte, er forderte gar und trieb sie voran. Yami hingegen war zaghaft, unsicher, bat stumm darum langsamer zu sein. Der Blonde befahl sich selbst sanfter zu sein und schmuste mehr mit den Lippen des anderen als dass er ihn küsste.

„Nein...“, flüsterte dieser in ihren Kuss, während er Katsuya mit einer Hand auf der Brust fast kraftlos von sich drückte und sich nach hinten gegen die Lehne sinken ließ, „Das ist... nicht richtig.“

„Vielleicht nicht.“, stimmte der Andere zu, „Aber du hast es verdient wieder an deine eigene Bedeutung zu glauben. Dich selbst wieder zu lieben und wertzuschätzen. Wenn ich dir das geben kann, dann werde ich das auch.“

„Sehr nobel und romantisch.“, spottete Yami und schloss wie erschüttert die Augen, „Aber ich glaube, jeder würde mit der Beobachtung übereinstimmen, dass du Seto betrügen würdest. Denn das wäre selbst in meinen Augen nicht nur Sex. Außerdem-“

Katsuya hatte eine Hand auf seine Wange gelegt, das Gesicht in seine Richtung gezogen und sah ihm in die Augen. Ein Moment der Stille verging zwischen ihnen, bevor er nachfragte: „Außerdem?“

„I... ich... außerdem...“, man konnte praktisch sehen, wie hinter Yamis Augen ein Krieg ausgefochten wurde – seine Stirn lag in Falten, die Augenbrauen waren zusammen gezogen, die Augen schimmerten, seine Lippen bebten, „Ich weiß nicht, ob... ob ich kann... ob ich überhaupt noch... Gefühle empfinden kann... solche...“

„Du hast Angst und du zitterst.“, stellte Katsuya das Sichtbarste fest, „Dass du es nicht weißt, heißt, dass es die Möglichkeit gibt. Dass irgendwo tief in dir der Glaube an dich selbst noch intakt ist, auch wenn seit sehr vielen Jahren darauf eingeschlagen wurde. Gehen wir ihn einfach suchen, ja?“

„Kats-“, doch dieser erstickte die Worte mit einem Kuss.
 

Yami zitterte.

Nein, er bebte. Und nicht aus Lust. Aus Angst. Er war wie Espenlaub im Wind, wie ein frierendes Kind, wie ein Kristallglas, das durch den hohen Sopran zu zerspringen drohte. Seine Hände, die seitlich Katsuyas unter seinen Armen lagen, kämpften mit sich selbst, ob sie nun zur Umarmung höher fahren oder zur Abwehr hinab sinken sollten. Die Finger krampften sich in den Stoff, als wolle er Katsuyas T-Shirt zerreißen, bevor er sie wie erschrocken wieder löste und über die Baumwolle strich. Derweil mischte sich ein Hauch von Leidenschaft in Form von Zungen in ihren Kuss. In dem Moment, wo sich die Hände entschieden die Linie von Katsuyas Schulterblättern zu überschreiten, sank dieser mit seinen Lippen zum Hals des Anderen hinab.

„Ich... ich will nicht, dass du aus Mitleid mit mir schläfst...“, stotterte Yami hervor, doch zog sich mit seinen Armen gleichzeitig an Katsuyas Körper.

„Mitleid haben Menschen, die vor Verzweiflung nicht wissen, was sie sonst tun sollen.“, zitierte der Obere einen von den Sprüchen, die sich ihm ins Gedächtnis gebrannt hatten, gegen die unter der Haut pulsierende Ader am Hals, bevor er mit der Zunge ihren Verlauf nachfuhr, „Ich weiß, was ich hier tue.“

„Und... was?“, es fühlte sich kaum nach mehr an als ein kleiner Vogel, der man in seinen Händen hielt – so zerbrechlich, so hilflos, so unglaublich winzig.

„Um ein weiteres deiner Zitate zu bringen: Lass‘ dich fallen, ich fang‘ dich auf. Ich will, dass du dich fallen lässt. Und ich will dich fangen, damit du nicht mehr so viel Angst vor dem nächsten Fall hast.“

Yami atmete tief ein, zitternd wieder aus und löste seinen schraubstockartigen Griff, sodass er langsam zurück aufs Sofa sank und Katsuya in die Augen sehen konnte. Nach einem Moment der Stille erwiderte er: „Du willst, dass ich mit der Prostitution aufhöre?“

„Ich will nur, dass du es mal ernsthaft versuchst.“

„Aber...“, er wandte den Kopf zur Seite, „Was, wenn... wenn ich das nicht schaffe? Ich würde mich hassen. Du würdest mich hassen. Ich... ich will dich nicht verlieren.“

„Es ist okay Angst zu haben.“, Katsuya drehte das Gesicht wieder zu sich und setzte einen Kuss auf die roten Lippen, „Es ist auch okay zu scheitern. Ich weiß, dass das schwer für dich ist. Deshalb bleibe ich auch bei dir, wenn es nicht klappt.“, er sah tief in Yamis Augen, „Es ist nur nicht okay immer wieder davor wegzurennen, Atemu.“

Ein Schauern durchfuhr den Körper des Anderen, wobei er wie erschüttert die Lider sinken ließ und den Kopf abwandte, als hätte ihn ein Schlag getroffen. Er schluckte, öffnete die Augen wieder, doch das Gesicht hatte sich wie in Schmerz verzogen. Die Pupillen drehten sich langsam in Katsuyas Richtung, bevor die Lider sich wieder über sie legten und der Kopf mit einem Seufzen auf die Brust sackte, worauf er erwiderte: „Ich bin mein ganzes Leben davon gerannt. Ich bin nicht so mutig wie du.“

„Das bist du.“, murmelte Katsuya nur und küsste ihn erneut.

„Elender Romantiker...“, flüsterte der Andere noch, bevor er sich auf die Couch sinken ließ.
 

Der Blonde strich mit der Zunge seitlich Yamis entlang, drückte ihre Spitzen gegeneinander und glitt daran ab, um wieder tiefer in die Mundhöhle zu stoßen, wobei die andere Zunge in seine fuhr. Seine Beine währenddessen brachte er zwischen Yamis und ließ sich langsam auf den liegenden Körper sinken. Nachdem er einen Arm nicht mehr als Stütze brauchte, strich er mit deren Handrücken über Yamis Seite und versuchte unter dessen Shirt zu fahren.

Nur trug dieser ebenso wenig wie Seto Shirts. Während dessen Hemden für solche Aktionen allerdings geeignet waren, waren Yamis hautenge Lederwesten das nicht. Katsuya löste den Kuss kurz, um einen Blick nach unten werfen zu können. Wie zur Hölle ging das Ding auf?

„Brauchst du Hilfe?“, fragte Yami mit der Andeutung eines Lächelns.

„Gib‘ bloß Ruhe. Du wirst jetzt nur genießen. Ich finde schon noch raus, wie das auf geht.“, ein Grinsen legte sich auf Katsuyas Lippen, „Das kann man auf machen, oder?“

„Sicher.“, mit einem eben solchen Grinsen hob Yami die Arme, legte sie unter seinem Kopf zusammen, doch verzog das Gesicht, als ein Armreif gegen seine Wange schlug. Er versuchte das Metall wegzuschieben, doch löste seufzend seine Arme wieder und befreite sich von den zahlreichen Armreifen und den zwei Oberarmschnallen.

Das gab Katsuya ein wenig Zeit. Das war mit Metallstäben verstärktes Leder – wie bei einem Korsett. Wahrscheinlich wurde es hinten geschnürt. Aber da gab es sicher noch eine einfachere Alternative. Er zog ein wenig an einer Seite – ja, da war ein Spalt. Man konnte es vorne öffnen. Nur wie? Da waren keine Schnallen, keine Knöpfe, keine Riemen...

„Es sind Haken.“, klärte Yami nach einigem Ziehen und Beäugen auf, „Du musst die für dich linke Platte über die rechte schieben.“

Und da sollte man drauf kommen, ja? Eine blonde Augenbraue hob sich, worauf der Andere nur grinste. Die Platten übereinander... ah, ja! Funktionierte und legte eine Menge Haut frei.

„Warum trägst du so etwas?“, Katsuya sank ein wenig hinab, setzte einen Kuss auf den Hals und wanderte mit den Lippen zu dessen Schlüsselbeinen und tiefer.

„Viele empfinden es als... erotisch und... es hält... warm und... ist sehr stabil, wenn... wenn jemand mich... oh ja...“, eine Zunge umspielte seine Brustwarzen, die sich zusammen zogen, „Es sieht... gut aus.“

„Ohne siehst du auch gut aus.“, wenigstens die Knöpfe dieser Hose waren normal – er musste den Anderen wohl nur heraus pellen, so eng war sie, „Magst du die Kleidung?“, er nahm eine Brustwarze zwischen Daumen und Zeigefinger und sank mit den Lippen auf die zweite.

„Ich... weiß nicht...“, Yamis Hände fuhren in das blonde Haar, während er den Kopf in den Nacken warf, „Ha... ha... ja...“
 

Katsuyas Zunge fuhr in Yamis Brustkuhle, in der sich ein dünner Salzfilm gebildet hatte, leckte diesen nach oben hoch und mit der Rückseite der Zunge wieder hinab, bis sie in den Bauchnabel tauchte, sanfte Stöße hinein setzte und im Kreis umfuhr.

Yamis Hände drückten den Kopf unmissverständlich weiter hinab, während er ihm schwer atmend die Brust entgegen streckte. Er massierte mit den Fingerkuppen das blonde Haar, bezirzte ihn, als Druck nicht zu helfen schien, bevor er mit einem leichten Seufzer die Hände sinken ließ und stattdessen lieber eine von Katsuyas Händen zu seiner Brust zog.

Dieser zog sich ein kurzes Stück hoch, widmete sich noch einmal den Brustwarzen, bevor er mit einer Hand über die schöne, leicht gebräunte Haut fuhr und seinen Kopf hob, um zu fragen: „Atemu... was wünscht du dir für dein erstes Mal?“

Ein Schauer durchfuhr Yami – diesmal hoffentlich ein positiver. Das Lächeln auf seinen Lippen könnte es andeuten. Katsuya entfuhr ein unhörbarer Seufzer der Erleichterung. Sie schienen auf demselben Ast zu sein, was diese ganze Aktion anging.

„Küsse... viele Küsse... und süße Qual...“, flüsterte der Rothaarige mit geschlossenen Augen, „Lass mich... für eine Nacht träumen, was es hieße dein zu sein.“

„Und mich beschimpfst du als Romantiker.“, er senkte sein Haupt und begann Küsse auf die freie Haut zu setzen. Brust, Hals, Arme, selbst die Hände, die Schläfen und die Beine, nachdem er Yami von seiner Hose befreit hatte. Mit den Händen fuhr er die Spuren nach, schloss mit ihnen Yamis Rückseite mit ein und wechselte sanftes Streicheln mit den über die Haut kratzenden Nägeln ab.

Der Andere wand sich unter ihm, bis er die Arme um Katsuyas Schultern warf und ihn lose als Stütze benutzte, seine Finger in dessen Haut schlug und so das Abrutschen verhinderte, auch wenn ihre Körper beide langsam mit einem Film von Schweiß bedeckt wurden. Allerdings war er so still geworden, dass nur durch tieferes Atmen oder ein Zucken seiner Gesichtsmuskeln zu sehen war, was ihm besonders gefiel und was eher nicht. Einer der gravierenden Unterschiede zwischen Yami und Atemu war wohl, dass Yami darauf trainiert war laut zu stöhnen. In Wirklichkeit war er weit leiser.

Er kicherte, als Katsuya seine Knöchel küsste. Er sog scharf die Luft ein, als dessen Zunge über die Innenseite seines Schenkels fuhr. Er bat leise, gar vorsichtig darum Katsuya sein Shirt ausziehen zu dürfen. Das war um so viel menschlicher als dieses ständig erotisch wirkende Etwas, das sich bisweilen schonmal auf ihn gestürzt hatte. Dass Yami schließlich vollständig aus seinen Zügen gewichen war, war klar, als Atemu begann zu zittern. Katsuya küsste ihn, bis er mit einem resoluten Seufzer seine Arme fest um den Blonden legte und ihn an sich zog, während sie sich vereinten.

Konsequenzen

Ups... wenn ich das richtig sehe, werden es nicht mehr mehr als ein bis drei Kapitel ô.o Wir rasen dem Ende zu. Mal schauen, wie weit sich der Rest spannt...

Viel Spaß beim Lesen ^.^
 

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Katsuya hatte einen Arm um Yami gelegt, der sich von dessen Brust auf und ab heben ließ, während sie beide dösten. Sex war schließlich anstrengend. Ob Seto und Yami jemals auch so hier gelegen hatten? Oder war es stets so wie an dem Abend, als er ihn hier entdeckt hatte? Seto rauchend, Yami unter der Dusche... Seto hatte noch nie nach ihrem Sex geraucht. Allgemein sah er ihn eigentlich ziemlich wenig rauchen, besonders in letzter Zeit.

Für Seto war Sex mit ihm etwas ganz anderes als mit allem, was er sonst kannte. Genau so wie für Katsuya die Sache mit Yami nicht zu vergleichen war mit Seto. Yami war ein Freund, dem er half. Hier und jetzt und nur dieses eine Mal. Das war etwas ganz anderes als mit Seto. Hier passte er auf und umsorgte. Mit Seto stand er auf einer Ebene, es war ein Hin und Zurück zwischen ihnen, ein stetiges Geben und Nehmen.

Das klärte wenigstens auch seine Gefühle. Das mit Yami war anders. Das war keine Mischung aus Lust, Liebe und Leidenschaft – bei weitem nicht so wie mit Seto. Seto war so viel mehr. Das hatte das hier fraglos bewiesen. Seto war für ihn der einzig Richtige, in jeder Hinsicht. Seto war einfach... kaum mit Worten zu beschreiben.

Katsuya schluckte. Apropos mit Worten beschreiben... er musste das hier seinem Freund irgendwie erklären. Er konnte es nicht einfach verschweigen, oder? Aber wie sollte er sagen, was er selbst kaum in Worte fassen konnte? Wie sollte er das rüber bringen, ohne dass Seto es falsch verstand? Er hatte Seto ja nicht betrogen... oder? Er hatte nicht aus Lust mit Yami geschlafen oder weil er seine Gefühle nicht unter Kontrolle halten konnte oder... warum betrogen Menschen ihre Partner eigentlich normalerweise?

Sollte er das Yami fragen? Der konnte ihm das sicher ausführlich erklären. Andererseits, hatte der nicht gesagt, dass sich die Aktion für ihn wie ein Betrug an Seto anhörte? Katsuya schluckte. Nein... Yami würde er nicht fragen.

Er könnte Seto fragen, was für ihn Treue und Betrug war. Da fragte er auf jeden Fall den Richtigen. Nur sollte er damit warten, bis sich das hier geklärt hatte. Bis Seto das auch ganz sicher richtig verstanden hatte.

Er würde es verstehen, richtig? Katsuya wusste immer noch nicht so ganz, wie er das erklären sollte. Weil er Yami helfen wollte? Weil er glaubte, dass er Yami so helfen konnte? Weil er sich verantwortlich gefühlt hat-

Halt. Selbstreflexion noch mal ganz langsam. Er hatte sich verantwortlich gefühlt? Das rang irgendwie eine Glocke... Yamis Beschreibung, wie er ihn verführen könnte. An Seto zweifeln lassen, selbst Gefühle wecken, ein Verantwortungsgefühl aufbauen und dann über den Betrug... nein. Selbst wenn es Ähnlichkeit hatte, das hatte Yami nicht extra getan. Sonst hätte er ihm das nicht vorher erklärt, damit er auf die Warnzeichen achten konnte, nicht?

Oder hatte er einfach nur die Warnzeichen übersehen? Was, wenn seine Motivation doch nicht war Yami zu helfen sondern er langsam in diese Spirale geriet? Was, wenn das hier doch ein Betrug war?

Was, wenn Seto das so sehen würde? Nach dem, wessen er Yami letztens verdächtigt hatte, wer wusste da, was er hier denken würde? Was, wenn er glaubte, Yami hätte ihn verführt und manipuliert?

Was, wenn er das wirklich getan hatte?
 

Katsuya schlug sich innerlich gegen den Kopf.

Wie oft hatte Yami die Angst geäußert ihn zu verlieren, sollten sie etwas tun, was den Rahmen der Freundschaft überschritt? Und jetzt lag er hier mit seinem besten Freund im Arm und warf ihm in Gedanken vor ihn hinterhältig für seine Zwecke missbraucht zu haben. Ehrlich, bald entwickelte er so eine Paranoia wie Seto hatte.

Andererseits, wenn ihm so etwas schon einfiel, wie leicht wäre es für Seto das zu denken? Es wäre wahrlich kein Kunststück das hier für einen Betrug zu halten. Er musste ihm das ruhig erklären. Am besten weit weg von Yami.

Katsuyas Lider weiteten sich. Shit! Er warf den Kopf zur Seite und sah auf den digitalen Wecker auf dem Nachttisch – vor lauter Grübeln war ihm ein wenig entgangen, dass Seto in zwanzig Minuten hier sein wollte. Und da sollte es nicht unbedingt gen Himmel nach Sex stinken.

Nur wie das Yami sagen, ohne ihn zu verletzen? Ohne so zu wirken, als wolle er das Ganze unter den Teppich kehren? Im Endeffekt wollte er ja dessen Selbstbewusstsein aufbauen.

„Uhm... Yami?“, er tippte den Kleineren vorsichtig gegen die Schulter.

„Handtücher sind unter dem Waschbecken...“, murmelte dieser und ließ sich von dem halb Aufgerichteten sinken.

„Öh... danke.“, konnte er das so... stehen lassen? „Ich kläre das mit Seto am besten zu Hause, denke ich.“

„Du willst es ihm sagen?“, der Liegende sah plötzlich auf, die Augen klar, aber vor Tränen glänzend.

„Natürlich.“, der Blonde legte eine Hand auf dessen Wange, „Was ist denn los mit dir?“

„Ich... dachte, du würdest es geheim halten wollen.“, Yami legte den Kopf in die Hand, wodurch sich sein Blick abwandte.

„Warum sollte ich?“, das konnte er sich perfekt selbst beantworten – weil es wie ein klassischer Betrug aussah, „Das war eine einmalige Sache in der Hoffnung, dass es dir vielleicht hilft. Ende. Ändert nichts zwischen uns und nichts zwischen ihm und mir.“

„Ich... weiß nicht, ob er das so abgeklärt sehen wird.“, fast schamhaft, gar kindlich hob sich Yamis Blick wieder, „Ruf mich besser an, wie es gelaufen ist... ich fühle mich gerade nicht in der Lage ihm wieder unter die Augen zu treten. Ich habe... Angst vor seiner Reaktion, wenn er es erfahren hat.“

„Kay.“, Katsuya nickte, „Aber damit eine ruhige Aussprache überhaupt klappt, sollte es hier nicht so aussehen, als hätten wir sonst was getan. Lass uns duschen gehen.“

So etwas wie ein Lächeln schlich sich auf Yamis Lippen, während er ein okay hauchte. Definitiv war es besser gewesen noch einmal nachzufragen. Für Yami war das gerade ganz klar ein Betrug gewesen. Vielleicht jetzt etwas weniger als vorher. Bei allen Göttern, das war verworren... hoffentlich konnte er das Seto erklären.

Bitte!
 

„Abend.“, Seto nickte Yami zu, trat zu Katsuya herüber und setzte einen Kuss auf dessen Stirn, bevor er etwas zurück wich und den Blick zwischen beiden hin und her schwenkte, „Will ich wissen, was ihr beide getrieben habt?“

„Erzähl' ich dir später.“, meinte der Blonde und zwang ein Lächeln auf seine Lippen. Klasse Formulierung, Seto... gut getroffen.

„Ah ja...“, dieser nickte langsam, legte seinen Kopf ein wenig nach hinten und betrachtete Yami von oben herab, „Dann will ich mal nicht weiter fragen. Hast du schon gegessen?“

„Nein, ich sterbe vor Hunger.“, worauf natürlich dramatischerweise ein Magenknurren folgte – klasse. Das war echt, als würden sie eine schlechte Soap drehen.

„Dann lass uns essen gehen. Jugoslawisch vielleicht?“, er trat zur Seite, die Hand auf der Klinke, als hätte er die Tür gerade für Katsuya geöffnet statt seit gut einer Minute auf der Schwelle zu stehen.

„Was für ein Ding?“, Katsuyas Augenbrauen zogen sich zusammen.

„Fleisch, Kleiner, gut gewürztes Fleisch.“, er deutete Yami gegenüber eine Verbeugung an, „Wenn du uns dann entschuldigst.“

„S- sicher...“, dieser schluckte und ließ den Blick fallen, „Ich wünsche euch noch einen schönen Abend.“

„Danke.“, während die beiden sprachen, ging Katsuya schonmal auf den Flur, sodass Seto ihm folgen konnte, „Dann werden wir dich nicht weiter von deiner Arbeit abhalten. Viel Spaß noch.“, er schloss die Tür.

Katsuya schluckte. Holla, die Waldfee... irgendwie war Seto anders, aber er konnte nicht genau sagen, wie. Er war höflich und galant, wie schon einmal als sie ausgegangen waren. Aber das Yami gegenüber... hatte er sich da etwas bei gedacht? Ach was, er wurde wirklich paranoid. Er war gerade viel zu aufmerksam. Kein Wunder, wenn solch eine Beichte bevor stand.

Ein Essen war eigentlich ein guter Rahmen. Aber wenn Seto es nicht gut aufnahm, war es ein grottenschlechter. Sollten sie eine Szene machen, würde ihm Seto schon dafür kaum vergeben. Also was tun? Es ihm über ihrem Fleischgericht sagen? Oder bis zu Hause warten?

„Wie war dein Gespräch mit Bakura?“, fragte Seto ihn im Auto.

Welch- oh! Das Gespräch... er atmete tief durch. Wo fing er da an?

„Er... hat mir eine Waffe an den Kopf gehalten. So wie bei dir, als du ihn kennen gelernt hast. Und... ich habe mich entschuldigt und ihm meine Sicht der Dinge erklärt. Tja...“

„Ja?“, fragte Seto nach einer Sekunde nach.

„Er hat mir die Tür vor der Nase zugeschlagen danach. Ich weiß nicht, was das bei ihm heißt.“, der Blonde zuckte mit den Schultern.

„Das heißt, er denkt darüber nach.“

„Aha... wenigstens einer spricht bakurarisch.“, Katsuya seufzte und sackte in seinem Stuhl zusammen, „Sag mal, wie machen wir das ab nächster Woche? Wie komme ich zur Schule?“

„So wie jedes Kind – mit Bus und Bahn.“, Setos Lider hingen ein wenig tiefer und seine Stimme trug wenig Amüsement – er schien etwas müde zu sein, „Du wirst dir noch ein Monatsticket kaufen müssen.“

„Wenigstens beginnt der neue Monat da auch.“, der Jüngere drehte den Kopf zur Seite, „Kann ich mit den nassen Haaren eigentlich ins Restaurant?“

„Es sieht aus wie gegelt. Zusammen mit der Schuluniform siehst du nicht groß anders aus als jeder andere Stricher, den ich je dorthin mitgenommen habe.“

Er blinzelte. Jeder andere? Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Seto war definitiv komisch drauf. Er wusste schon noch, dass sie verlobt waren und Katsuya kein gerade aufgelesener Stricher war, oder?
 

„Seto... ich verstehe kein einziges Wort.“, deklarierte der Blonde nach dem ersten Blick auf die Karte.

„Natürlich nicht. Es stärkt meine superiore Stellung, wenn ich für dich übersetze.“, seine was? Katsuya blinzelte, während sein Gegenüber ihm die Karte aus den Händen zog. „Genau genommen werde ich nicht einmal das tun sondern einfach für dich bestellen.“

„Ist... alles in Ordnung, Seto?“, die blonden Augenbrauen zogen sich leicht zusammen.

„Bestens.“, dessen Mundwinkel hoben sich, doch seine Augen verzogen sich um keinen Mikrometer, „Ich bin nur erneut erstaunt, was für ein talentreicher Junge du bist. Hätte ich noch eine Firma, wärst du ein wunderbarer Nachfolger.“

„Uhm... danke.“, Katsuya musterte ihn einen Moment lang, „Weißt du, ich habe das Gef-“

„Was kann ich ihnen zu trinken bringen?“, fragte der Kellner in fremdländischen Gewändern.

„Kahve sade und Sahlep, bitte.“, Seto reichte dem Herrn ihre Karten, „Zum Essen wünschen wir ein Burek mit Fleisch und Adana Kebap.“, dieser nickte nur und verschwand so lautlos, wie er erschienen war.

„Äh... was hast du bestellt?“, fragte der Blonde vorsichtig nach.

„Milch und Fleisch im Teigmantel für dich. Es wird dir schon schmecken.“, Seto verschränkte die Finger und stützte sein Kinn darauf, „Oder vertraust du meiner Wahl nicht?“

„Doch, natürlich.“, Katsuya schluckte, „Nur...“

„Ja?“, die Augenbrauen des Anderen zuckten leicht in die Höhe.

„Ich... schon gut.“, er zwang ein Lächeln auf seine Lippen, „Hattest du einen anstrengenden Tag? Es ist sicher nicht leicht alles bis Freitag fertig zu kriegen.“

„Ich werde das schon schaffen. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich hinterlasse dir eine ordentliche Schule.“, Seto hob einen Mundwinkel wie zu einem Schmunzeln und wandte den Blick ab, „Zumindest das schulde ich dir wohl.“

„Schulden?“, er legte den Kopf schief, zwei kleine Falten zwischen seinen Augenbrauen, „Du schuldest mir doch nichts. Dir verdanke ich praktisch mein Leben. Du bist für mich... fast ein Gott.“, er versuchte ein Lächeln, doch war sich sicher, dass er eher verzweifelt wirkte.

„Bisweilen wünschte ich, ich könnte ein Mensch für dich sein.“, der Ältere stieß die Luft durch die Nase aus und drehte auch den Kopf ein Stück zur Seite, „Aber ich weiß, dass ich pausenlos zu viel fordere und erwarte.“

Von was redete Seto da? Was ging jetzt schon wieder in seinem Kopf vor? Katsuya schüttelte nur verständnislos den Kopf und fragte nach: „Was meinst du damit?“

„Nichts Wichtiges. Wir sollten wohl ein neutrales Thema wählen. Wie kommst du in der Schule zurecht?“

Ein neutrales Thema? Hä? Was sollte das alles? Was war in Seto gefahren? Er benahm sich als wenn... ach, keine Ahnung. So hatte Katsuya ihn noch nie erlebt. Nicht, als würde er vermuten, dass man ihn betrogen hatte. Nicht, als wäre alles normal. Was hatte er jetzt schon wieder für Vermutungen angestellt?

Auf Messers Schneide

Irgendwie habe ich es geschafft noch das Kapitel fertig zu kriegen, daher gibt es eins. Für Antworten auf Kommentare habe ich derzeit leider keine Zeit, aber ich hole es nach!

Bitte drückt mir Freitag die Daumen! Und viel Spaß mit diesem Kapitel :)
 

WARNUNG: Ich denke, das Kapitel hat Angstpotential...
 

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Das Essen war... komisch gewesen. Ungemütlich. Es hatte alles sehr gut geschmeckt und sie hatten jedes Small-Talk-Thema sicherlich mindestens einmal angeschnitten, doch überdeckte das nur schal die darunter liegende Angst. Seto hatte irgendwelche Vermutungen und sprach partout nicht darüber. Also sollten sie sich besser zu Hause hinsetzen und das klären.

„So, da sind wir.“, Seto schlüpfte aus seinen Schuhen und hängte seinen Mantel auf, „Es ist ein wenig später als erwartet. Ich denke, wir sollten schlafen gehen.“

„Ah... ich wollte dir doch erzählen, was Yami und ich gemacht haben.“, so sollte das ganz und gar nicht laufen!

„Du hattest da vorhin genug Gelegenheit zu.“, er sah ihn nicht einmal an und begann die Treppe ins erste Stockwerk zu nehmen, Katsuya direkt dahinter, „Dass du es nicht getan hast, heißt, dass es mir höchstwahrscheinlich nicht gefällt, was du erzählen wirst. Die Optionen, was das nun sein könnte, sind ziemlich dünn, meinst du nicht?“, Seto fuhr herum, atmete kurz tief durch und stützte sich gegen seinen Türrahmen, „Und nicht viel kann Yami dazu bringen sich zu schämen. Das Einzige, was mir da einfällt, ist Versagen und Betrug. Ich kenne ihn bedeutend länger als du, das solltest du nicht vergessen. Aber das ist wohl nur gerecht, was? Schließlich habe ich ihn ein paar hundert Mal gevögelt, nicht?“

Schluck. Heilige... Seto wusste sehr genau, was vorgefallen war. Und seine Meinung zu dem Thema. Er ging damit allerdings ungewöhnlich wenig... hysterisch um. Hätte Katsuya ihn wirklich betrogen, was bedeutete es, dass er es so... gelassen nahm? Für Setos Verhältnisse.

„Seto, das ist wirklich ganz und gar nicht, was vorgefallen ist-“, begann der Blonde.

„Ach nein? Dann sage mir, wo in meiner Deutung ist der Fehler? Und wage es nicht mich belügen zu wollen. Du magst schauspielern können, aber so gut dann doch nicht.“

„Ich will ja auch nicht lügen. Hör mir doch bitte in Ruhe zu.“, bat er mit tiefen Falten zwischen seinen Augenbrauen.

„Ich bin ein Musterbeispiel der Ruhe für diese Situation.“, Setos Augen waren kalt wie grauer Stahl und dass er seine Arme verschränkte war ein wenig vielversprechendes Zeichen.

„Es stimmt, dass ich mit Yami geschlafen hab-“

„Welch Überraschung.“, fuhr dieser dazwischen.

„Bitte, lass mich ausreden.“, Katsuya seufzte leise und schloss kurz die Augen, „Ich habe dich nicht betrogen. Ich habe nicht aus Lust mit Yami geschlafen oder weil zwischen uns etwas nicht stimmt. Es war, weil...“

Ja... weil? Warum? Weil er glaubte, dass er ihm so helfen konnte? Das hörte sich selten dämlich an. Er schluckte und sank ein wenig in sich zusammen. Das hörte sich alles verdammt jämmerlich an. Wie ein Liebhaber, der verzweifelt nach Ausreden suchte. Seto hob nur eine Augenbraue, was wohl sagte, dass er bisher wenig überzeugt war.

„Ich wollte ihm helfen. Er hatte noch nie mit jemanden geschlafen, für den er wirklich etwas fühlte. Für ihn war Sex nur ein Mittel zum Zweck, eine Sportaktivität. Er hat keinerlei Selbstwertgefühl. Ich wollte ihm zeigen, dass das auch anders geht.“

„Dass Sex ein Ausdruck tiefer Gefühle ist?“, Setos Lider verengten sich, „Danke, euer Ehren, das beantwortet alle Fragen restlos.“, er stieß sich von der Wand ab und wandte sich ab, eine Hand auf der Klinke zu seinem Schlafzimmer.
 

„Seto, warte...“, Katsuya griff nach dem Arm des Anderen, doch seine Hand wurde weg geschlagen, noch bevor er diesen erreichte.

„Wozu? Um mir mein Herz noch mehr zerstückeln zu lassen? Glaub mir, jedes weitere Wort macht es nur noch schlimmer.“, ihn traf ein abfälliger, wuterfüllter, enttäuschter Blick, „Ich wusste, dass das früher oder später passiert. Gegen Yami habe ich keine Chance. Ich weiß nicht einmal, ob ich eine haben will. Du bist ohne mich besser dran. Zumindest als Freund. Ich bin mehr Last, als ein einziger Mensch tragen kann, jemand so Junges wie du schonmal sowieso nicht.“

„Aber ich lieb-“

„Du bist auf jeden Fall mehr, als ich ertragen kann!“, schrie Seto und rammte eine Faust gegen den Türrahmen, bevor er tief durch atmete und die Hand lose an seine Stirn legte, „Nein, ich wollte ruhig bleiben... auf, trab ab ins Bett.“, er zeigte hinter sich zur Tür des zweiten Schlafzimmers, „Du dürftest hoffentlich nicht vergessen haben, dass du eins besitzt.“

„Aber ich vergleiche doch nicht zwischen dir und Yami! Ihr seid völlig-“

„Halt den Rand!“, seine Augenlider verengten sich, „Scher dich ins Bett, sofort.“

„A- a...“, Katsuyas Kehle zog sich zusammen. Er spürte seine Beine zittern, seine Hände beben, seine Augen zu allen Seiten flitzen, sodass er sie immer wieder zu Seto zurück zwingen musste. Er wollte weg. Er wollte hier raus.

„Geh.“, wiederholte der Andere nur, trat zurück und schloss seine Zimmertür ohne Gewalt.

Katsuya atmete tief durch. Ruhig. Scheiße, Seto war- ruhig... erstmal sich beruhigen. Eine Panikattacke wäre jetzt nicht hilfreich. Das hier war ganz klar nicht so gelaufen, wie es sollte. Also nochmal von vorne. Diesmal in Ruhe. Er hob die Faust und klopfte gegen Setos Tür.

„Geh. Schlafen.“, zischte dieser nur unweit hinter dem Holz, was sie trennte.

„Ich habe mit Yami geschlafen, weil ich der Überzeugung war, dass es ihm helfen würde sein Selbstwertgefühl aufzubauen.“, begann Katsuya mit angemessener Ruhe der Tür zu erklären, „Ich wollte dich niemals verletzen. Ich wollte nicht, dass das zwischen uns kommt. Ich wollte auch nicht, dass sich dadurch etwas zwischen uns verändert. Es ging nur um Yami. Ich bin mit dir glücklich und ich liebe dich. Das war vorher nicht anders und ist es jetzt auch nicht.“

Hoffentlich erreichte Seto das... er trat vor, legte beide Hände und seine Wange an die Tür und schloss die Augen. Er konnte keinerlei Geräusche hören. Kein wütendes Atmen, kein Weinen, kein restloses Auf-und-ab-gehen. Dachte Seto über seine Worte nach? Konnte er ihnen Glauben schenken?

„Seto?“, Katsuyas Lider sanken herab, während sich seine Stirn in Falten zog, „Bist du noch da?“

Stille. War Seto wirklich da? Hatte er ihm zugehört? Aber wo sollte er sonst sein, wenn nicht in seinem Zimmer? Er- der Blonde schluckte. Er hatte sich nicht aus dem Fenster gestürzt, oder? Nein, das hätte man gehört. Aber das Bad!

„Seto?“, fragte er lauter, „Seto, ich werde jetzt reinkommen.“

Keine Antwort war auch eine Antwort. Er drückte die Klinge hinab, schwang die Tür zur Seite und trat ein. Ein Blick zum Bett – ordentlich und gemacht. Es versetzte einen Stich in Katsuyas Brust. Erst heute Morgen hatten sie darin gelegen. Er riss seinen Blick fast gewaltsam davon los. Die Fenster waren zu. Hinter der Tür versteckte sich keiner.

Das Zimmer war leer.
 

„Seto?“, rief Katsuya und sprintete Richtung Bad, nur um die Tür verschlossen zu finden, „Seto! Du hast versprochen dich nicht selbst zu verletzen!“, er war kurz still – keine Reaktion, „Seto!“

Ein Klicken und mit einem lauten Knall flog die Tür auf, schlug gegen den Badschrank dahinter. Kein Blut, kein von der Decke baumelnder Gürtel, keine kalten, leblosen Augen. Sie funkelten vor Wut, die Lider darüber mit nur einem Strich Sichtbarkeit. Seto stand in voller Montur im Türrahmen mit einer Hand an seiner Hüfte, die andere hielt eine Rasierklinge – eine offene.

„Ich hatte nicht vor mich zu verletzen.“, blaffte er dennoch, „Aber wenn du nicht endlich verschwindest, garantiere ich nicht für deine Unversehrtheit.“

„Ich... ich habe mir nur Sorgen gemacht...“, der Blonde zog den Kopf ein und wich einen Schritt zurück, „Bitte tu dir nichts...“

„Selbst wenn – was würde es dich angehen?“, giftete Seto und trat vor, um ihren Abstand zu halten, „Was bist du schon? Du bist mein Adoptivsohn, also werde ich für dich sorgen, aber mehr auch nicht. Du wirst nicht über mein Leben bestimmen. Du hast kein Recht mir vorzuschreiben, was ich darf und was nicht.“

„Seto... aber...“, es war, als ein Faden seine Kehle zuschnüren. Er wollte etwas sagen, aber die Worte kamen nicht über seine Lippen. Er wollte erwidern, aber in seinem Kopf zerfielen die Sätze zu Scherben.

„Verschwinde aus meinem Zimmer. Sofort. Das hier ist meine Privatsphäre.“, die Hand, die vorher an Setos Hüfte gelegen hatte, streckte demonstrativ einen Finger in Richtung der Tür aus.

Sollte er besser gehen? War das vielleicht doch die beste Idee? Man konnte sicher eher mit Seto reden, wenn er wieder ruhig war, aber was, wenn er dann nichts mehr ändern konnte? Wenn Setos Entschlüsse feststanden, weil er zu spät kam? Weil er in diesem Moment aufgegeben hatte. Wenn er jetzt ging, würde er sich dafür ewig schämen? Würde er Seto verlieren? Aber konnte er ihn jetzt zurück gewinnen? Oder wenigstens gnädig stimmen? Sollte er das Thema ruhen lassen oder wieder aufgreifen? Gehen oder bleiben?

Oder hatte er noch mehr Optionen? Sollte er einen Mittelweg finden? Bleiben, aber das Thema ruhen lassen? Oder gehen und es wieder ansprechen? Oder insistieren... verdammt, warum musste Seto das so verquer sehen?

„Warum hältst du eine Rasierklinge?“, versuchte Katsuya schließlich das Thema zu wechseln.

„Um eine Erinnerung zu schaffen.“, erwiderte der Andere mit Überzeugung, während seine Gesichtszüge erschlafften. Er wandte sich den Spiegel im Bad zu und zog die Rasierklinge auf Höhe seiner Wangenknochen über die linke Wange. Aus dem tiefen Schnitt quoll noch im selben Moment das Blut hervor, spritzte blubbernd heraus, ebbte ab und spritzte leicht wieder auf.

Katsuyas Schrei durchfuhr allein seine eigenen Gebeine. Seine Kehle verließ kein Laut. Es bildete sich nur ein Spalt von wenigen Millimetern zwischen seinen Lippen, während seine Lider wie in seinen Kopf hinein gezogen schienen. Er wollte vorspringen, Seto ergreifen, ihm die Klinge entreißen, doch seine Muskeln zuckten nicht einmal.

„Ich werde nie wieder vertrauen.“, schwor Seto seinem Spiegelbild, während das Blut seine Wange hinab rann und rotbraune Flecken auf seinem Hemd bildete, „Ich werde nie wieder lieben.“, er ließ die Klinge in den Badmüll fallen, bevor er sich zu Katsuya umdrehte, „Und ich werde diesen drei Worten nie wieder Glauben schenken.“, er schloss die Lider, atmete tief durch und sprach weiter mit einer leisen, erschlagen wirkenden Stimme, „Und nun geh.“
 

Wortlos. Stumm. Wie eine Puppe drehte er sich und verließ den Raum. Mechanisch. Wie ferngesteuert. Seine Gedanken, seine Gefühle waren weit, weit weg. Sie schrieen, dass er nicht gehen durfte, dass er Seto helfen musste, ihm etwas sagen sollte, aber diese Stimmen gingen in dem Nebel unter, der sich um seinen Kopf gelegt hatte.

Er stieg aus seinen Schuhen, seiner Hose, seinem Shirt und zog den Pyjama an, der im Bett lag. Setos Pyjama. In Mokubas Bett. Sein Blick schweifte durch den Raum. Hier war nichts von ihm. Gar nichts. Kein Bild. Keine Zeichnungen. Nicht einmal ein liegen gebliebenes Burgerpapier. Alles hier war steril und kalt und fremd.

Seto... er schloss die Augen, hob die Decke und sank auf das Bett, wo er lose die Daunen über sich zog und die Wand anstarrte. Ein Messer. Zwei Messer. Drei Messer... Tränen schossen in seine Augen und rannen seine Wangen entlang.

Ein schwarzes Loch bildete sich auf Höhe seines Herzens und begann alles in sich hinein zu saugen. Unaufhaltsam. Unstopbar. Wie Säure fraß es sich durch seine Eingeweide, stets größer, stets schlimmer. Es saugte sich von innen an seinen Rippen fest und schnappte nach seinem Bewusstsein.

Seto wollte, konnte es nicht verstehen. Er versperrte sich gegen Logik, ließ sich von momentanen Emotionen kontrollieren. Aber er war so ruhig gewesen... war das wirklich sein Ernst? Hatte er gerade wirklich...

Katsuya krallte seine Finger in die Decke, zog sie vor sein Gesicht und versuchte so sein eigenes Schluchzen vor sich selbst zu ersticken. Nein. Seto hatte nicht Schluss gemacht. Er war sauer, aber er würde sich wieder einkriegen. Das würde schon wieder werden. Auch wenn... wenn er... er kniff die Lider zusammen und ließ die Tränen in die Federn der Decke sickern.

Er hatte sich sein schönes Gesicht aufgeschnitten. Einmal quer über seine Wange. So sichtbar, dass nicht einmal Schminke das überdecken konnte. So tief, dass das Blut wie in Strömen über seine Wangen lief. Und Katsuya hatte ihn einfach stehen lassen. Er war gegangen, weil er den Anblick nicht aushalten konnte. Diese stumme Anschuldigung. Diese Wut. Diese Aggression, die durch den Raum waberte. Setos schönes Gesicht... diese Wunde war ganz allein seine Schuld. Nur seine. Wegem ihm hatte Seto sein Gesicht zerschnitten.

Er legte die Arme um sich und bemerkte erst dadurch, dass ihn tiefe Schauer durchfuhren. Seto... das Schluchzen erreichte seine eigenen Ohren. Seto... bitte, bei allen Göttern, er solle das nicht ernst meinen. Er durfte sich nicht von ihm trennen. Nicht so. Nicht deshalb. Niemals... Seto...

Was sollte er denn ohne Seto machen? Wo sollte er hin? Wo sollte er wohnen? Wer kümmerte sich um ihn? Wer hörte ihm zu? Wer wärmte ihn nachts? Wer nahm ihn in den Arm, wenn er Alpträume hatte? Wer küsste ihn, wenn er seine Hausaufgaben ordentlich gemacht hatte? Wer ließ nur mit einem Lächeln sein Herz aufflammen?

Es war doch niemals wegen Yami gewesen. Er hätte nie ohne irgendeinen tieferen Grund mit ihm geschlafen. Warum konnte Seto das nicht sehen? Warum war er so... er würde es noch einsehen, oder? Er würde sich beruhigen, sich entschuldigen und ihn wieder lieb haben, richtig? Seto hatte nur überreagiert. Es war nur seine momentane Wut gewesen, in die er sich gesteigert hatte, oder? Morgen wäre alles wieder normal. Morgen würde er wieder geliebt werden. Morgen würde ihm verziehen.

Morgen würde alles so sein, wie es gewesen war. Als Paar. Als Liebhaber. Als Verlobte. Seto würde ihn nicht so einfach fallen lassen. Seto würde ihn zurück haben wollen. Morgen. Schon morgen.

Katsuya schluchzte erneut in die Decke, unter der er sich zusammen gerollt hatte.

Mein Sohn

Keine Sorge, das hier ist nicht das letzte Kapitel, aber es ist nah dran. Nicht mehr lang und DS2 wird beendet sein. Und im nächsten Jahr gibt es DS3 ^.-

Aber erstmal hierzu viel Spaß!
 

P.S.: Ich möchte nochmal auf die Charakterbeschreibungen verweisen, wo sehr viele neue Bilder sind. Schaut mal vorbei!

Ansonsten WARNUNG - vorsicht, stark deprimierender Inhalt.
 

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„Aufstehen, Schlafmütze!“, erklang Setos Stimme, worauf der Blonde sich murrend zur Seite rollte.

„Noch fünf Minuten...“

„Dann fahr' ich ohne dich.“, kündigte dieser mit einer fröhlichen Singsangstimme an, „Schließlich muss ich dir doch noch einmal eine Strafe für's Zu-spät-kommen aufbrummen, nicht wahr?“

„Uhrm...“, Blödmann... Katsuya blinzelte und sah sich um. Helles Holz? Ein Schreibtisch? Baumwollbettlaken? Ach ja... mit einem Seufzen schloss er die Lider wieder. Sein Zimmer. Der Streit mit Seto. Er drehte sich auf die andere Seite und sah zur offen stehenden Tür. Seto schien nicht mehr sauer zu sein, oder? Hatte er sich beruhigt? Hatte er eingesehen, dass es kein Betrug gewesen war? Katsuyas fast zugeschnürter Hals sagte ihm, dass das zu einfach wäre.

Er schloss einen Moment lang die Augen, bevor er tief durchatmete und aufstand. Schnell duschen, Klamotten zusammen suchen – die sich in diesem Zimmer befanden, obwohl er recht sicher war manche davon in Setos gelassen zu haben – und ab zum Frühstück. Seto saß bereits unten, trank Kaffee und las Zeitung. Eigentlich ein allmorgendlicher Anblick. Nur schlug er heute auf den Magen.

„Guten Morgen.“, er blieb zögernd auf der Türschwelle stehen.

„Morgen.“, der Andere sah kurz auf, „Keinen Hunger? Du weißt noch, wo das Müsli steht, oder?“

„Schon...“, er schluckte und trat langsam ein, den Blick stets auf Seto gerichtet, „Ist es okay, wenn ich hier bin?“

Seto, der bereits wieder in die Zeitung sah, schwieg einen längeren Moment, bevor er seufzte und den Blick hob. In seinen Augen stand ein Hauch von Verzweiflung, Hilflosigkeit und Suche. Wollte er sich entschuldigen? Wollte er Katsuya wieder zurück?

„Es... ist schwer das jetzt zu sagen. Bitte setz' dich doch.“, Katsuya Magen sank zwischen seine Fußknöchel, während Seto die Zeitung weglegte und die Arme auf dem Tisch verschränkte, „Wir hatten gestern Abend einen Streit, richtig? Habe ich dich dabei verletzt?“

„Ob du-“, der Blonde blinzelte und ließ sich auf den Stuhl gegenüber sinken, „Verletzt... nun, ich war ziemlich durch danach. Ich dachte, dass du mich verlassen willst... hast.“, die altbekannte Schnur um seine Kehle zog sich wieder zusammen.

„Nun... ich habe ehrlich gesagt vergessen, warum ich das tun wollte. Mir fehlt die Erinnerung an gestern Abend.“

„Was?“, zischte er, während seine Lider sich weiteten, „Du...“

„Ich habe den letzten Abend komplett in mein Unterbewusstsein verdrängt. Ich weiß nicht mehr, was mich so sehr aufgeregt hat. Es... verunsichert mich sehr das nicht zu wissen. Ich spüre in mir nur Wut gegen dich, aber ich weiß nicht, warum. Was ist passiert, dass es mich so aufgerieben hat?“

A- aber... was... er hatte es vergessen? Verdrängt? Er konnte sich nicht darin erinnern, warum sie sich gestritten hatten? Er spürte nur Wut? Katsuya atmete tief durch. Wäre er in der Situation, er würde echt das Schlimmste vermuten und es nicht seelenruhig klären. Seto war echt unglaublich. War das hier so etwas wie die göttlich eingeleitete Art einer zweiten Chance? Konnte er es Seto diesmal besser erklären?

Er atmete erneut tief durch. Dann mal auf in den Kampf.
 

„Du bist sauer, weil du der Überzeugung warst, ich hätte dich betrogen.“

„Hast du es?“, die Lider des anderen verengten sich.

„Nein!“, ruhig, ganz ruhig... in der Ruhe lag die Kraft, „Das habe ich auch versucht dir zu erklären, aber du hast dich völlig versperrt und mich beschuldigt.“

„Und was hat mich dazu gebracht zu glauben, du hättest mich betrogen?“, das Misstrauen wich nicht wirklich aus Setos Zügen, auch wenn die Furchen zwischen seinen Augenbrauen sich etwas glätteten.

Katsuya atmete tief durch und seufzte dabei. Und hier ging es wieder los... er würde sich ja wohl kaum besser anstellen als gestern, oder? Er fuhr mit beiden Händen durch die Haare, verschränkte sie im Nacken und sank auf seinem Stuhl zusammen. Wie erschlagen antwortete er: „Weil ich mit Yami geschlafen habe. Ich mein', liegt nahe zu glauben, ich hätte dich betrogen, ich würd' wahrscheinlich dasselbe glauben, wenn unsere Situationen vertauscht wären. Aber ich versichere dir, dass es weder darum ging, dass ich dich nicht liebe noch darum, dass ich irgendwelche nicht-freundschaftlichen Gefühle für Yami habe.“

„Was ist dann der Sinn dahinter mit Yami zu schlafen? Wenn du nur ein Freund und mit mir glücklich bist.“, die Falten hatten sich wieder tief in Setos Stirn geschlagen, auch wenn seine Lider nicht mehr verengt waren. Zumindest mischte sich kaum Wut in seine Stimme.

„Tja... mittlerweile bin ich mir nicht mehr so sicher.“, Katsuya lehnte sich vor, die Ellenbogen auf dem Tisch, die Hände noch immer verschränkt, „In dem Moment dachte ich, dass es Yami vielleicht hilft. Dass er sich selbst mehr mag, seinen Körper als angenehm und sich selbst als liebenswert empfindet.“, er sah kurz auf und richtete wie müde den Blick auf den anderen, „Zumindest habe ich mir das gesagt, als ich es tat. Irgendwie erschien mir das sinnvoll. Aber als ich darüber nachdachte, wie ich dir das erkläre, hörte es sich absolut blödsinnig an. Und dann hast du irgendwie gemerkt, dass ich wohl mit Yami geschlafen habe und dementsprechend reagiert. Klarerweise habe ich da nichts Sinnvolles zusammen gebracht, was dich nur noch mehr verärgert hat.“

„Hm...“, der Brünette lehnte sich ebenfalls vor, allerdings mit geradem Rücken und stützte den Kopf auf seine Fingerknöchel, „Und wie genau habe ich reagiert?“

„Nun... mich beleidigt und gesagt, dass es falsch war mir zu vertrauen und überhaupt je eine Beziehung einzugehen und dass du diesen Fehler nie wieder tun wirst, dass ich verschwinden soll... ehrlich gesagt, jetzt wo du es sagst, ich kann mich auch nicht so genau an gestern erinnern. Aber irgendwann hast du die Tür zugeschlagen und nach 'ner Minute habe ich mir Sorgen gemacht, dass du dir vielleicht doch etwas antust... du hattest eine Rasierklinge in der Hand und warst so schrecklich sauer, hast mich wieder angeschrieen... ich hatte Angst, aber du hast dich plötzlich angewandt und dir die Klinge durch das Gesicht gezogen.“, über welchem jetzt ein Kompressionstuch mit Pflasterklebestreifen zu finden war, „Du meintest, das sei deine Erinnerung daran nie wieder jemandem zu vertrauen.“

Seto richtete sich im Sitzen auf und legte seine Arme auf den Tisch, bevor er langsam nickte. Die Lider über seinen Augen fielen zu, die Bewegungen seines Kopfes spärlicher, bis er reglos sitzen blieb. Die Pupillen, die sich nach Öffnen der Augen auf Katsuya richteten, schweiften ein kleines Stück ab, bevor sie sich weiteten. Sein Blick schien in die Ferne zu gehen – Katsuya erkannte es als Dissoziationen.

Er seufzte und begrub sein Gesicht in seinen Händen. Aber es war verständlich, nicht wahr? Gerade mussten Massen an Emotionen auf Seto einströmen. Widersprüchliche Gedanken, diesmal nicht von Wut überschattet. Die Reaktion war bei Seto wohl nur natürlich und zu erwarten gewesen. Aber es tat dennoch weh. Und es war wahrlich nicht zu sagen, ob diese Reaktion eine Steigerung in eine negative oder positive Richtung war.
 

Katsuya warf einen Blick auf die Uhr. Sie mussten in fünf Minuten los. Was sollte er jetzt mit Seto machen? Der wäre sicher nicht glücklich in seiner letzten Woche zu spät zu kommen. Andererseits war es nicht unbedingt einfach ihn aus seinen Dissoziationen zu holen – und in diesem Fall stellte sich ja sogar die Frage, ob sie nicht vielleicht sinnvoll waren. Damit Seto verarbeiten konnte. Damit er in seinem Inneren nach einer Antwort suchen konnte, wie es nun weiter gehen sollte.

Oder war das selbstsüchtig? Seto mehr Zeit zu lassen, damit er sich beruhigte und vergaß. Oder eher die Entscheidung heraus zu zögern, wie das böse Stimmchen in Katsuyas Hinterkopf sagte. Andererseits, er würde Seto eh nicht aus den Dissos raus kriegen, oder? Und der atmete noch, also bestand ja keine Lebensgefahr. Er könnte einfach in der Schule anrufen und sie krank melden.

Aber Seto würde fragen, warum er nichts getan hatte. Warum er ihn einfach sich selbst überlassen hatte. Er sollte es wenigstens versuchen, nicht wahr? Nicht nur hier sitzen und abwechselnd Seto und die Uhr anstarren. Er hätte von Anfang an eigentlich reden sollen, um Seto bei Bewusstsein zu halten. Aber er hatte zugelassen, dass das Gespräch auf diese Weise unterbrochen wurde. Und nicht Seto war daraus geflohen – er war es. Also sollte er sich nun eigentlich um Seto kümmern.

Auch wenn sein Rausschmiss dadurch wohl schneller kam.

Er schloss kurz die Augen, seufzte leise und erhob sich. Und, wie bekam er ihn wieder wach? Er trat herüber, stellte sich neben Seto und legte eine Hand an sein Kinn. Schmerzen waren nicht zu empfehlen. Alles andere, von dem Yami mal erzählt hatte – wie Ammoniak – hatte er nicht da. Also auf die gute alte Methode Reden.

„Seto?“, er packte an dessen Schulter und rüttelte leicht, „Seto, kannst du mich hören? Verstehst du mich? Sieh mich doch mal bitte an.“, er begab sich in dessen Sichtfeld und bewegte seinen Kopf dort ein Stück, doch Setos Blick fing es nicht, „Kämpf' dagegen, Seto. Auch wenn es leichter ist dort zu sein, ich brauche dich hier. Also komm bitte zurück.“

Eine Träne löste sich von Setos Lid und rollte seine Wange hinab, während seine Augen weiter defokussiert in die Ferne starrten.

Katsuya schluckte nur und wandte das Gesicht ab. Eine eisige Faust schloss sich um sein Herz und drückte es zusammen. Seto hatte so lange schon keine solchen Dissoziationen mehr gehabt. Zumindest kam es wie eine Ewigkeit vor. Jetzt – mit etwas mehr Abstand – tat es weh das zu sehen. War das nicht unsinnig? Es hätte ihn früher erschrecken müssen, nicht jetzt, wo er das schon kannte. Wo er sogar wusste damit umzugehen.

Ein Blick auf Seto zeigte eine zweite Tränenspur, aber keine Veränderung in seinem Gesicht oder Blick.

„Warum tut es so weh dich so zu sehen?“, fragte Katsuya leise, „Ist das, weil ich mich schuldig fühle? Aber das fühlt sich irgendwie anders an. Fühle ich mich vielleicht nicht schuldig? Und schlecht, weil ich das nicht tue?“, er legte seine Hände auf Setos Wangen, „Oder weil ich dich so sehe? Weil ich versuche mir vorzustellen, was in dir vorgeht? Ich wollte dir nie weh tun... ich dachte ehrlich, dass du dasselbe darüber denken würdest wie ich. Nicht, dass es dich verletzt. Ich habe mich total verkalkuliert. Und das Schlimmste ist, ich kann nicht einmal davon ausgehen, dass ich das nie wieder tue. Ich kann dir nichts versprechen. Ich werde dich immer wieder verletzen ohne es zu wollen.“, er seufzte und lehnte sich vor, um Seto in die Arme zu schließen, „Tut mir Leid... es tut mir Leid...“

Seto blieb stumm, den Blick irgendwo ins Nirgendwo gerichtet und gedankenlos still.
 

Fokussieren. Das erste Zucken der Augen. Ein Blinzeln.

Katsuya hatte sich auf Setos Schoss gesetzt und beobachtete, wie dieser langsam in die Realität zurückkehrte, eine Hand dabei streichelnd auf seiner Wange. Das erste Zucken der mimischen Muskulatur malte sogar ein kleines Lächeln auf seine Lippen. Ein Lächeln, das verschwand, als Seto schmerzhaft das Gesicht verzog, während er die Muskeln bewegte, die unter dem Schnitt lagen.

„Lass mich los.“, waren die ersten Worte, die der Andere wieder hervor brachte.

Katsuya zuckte zusammen, als hätte man ihn physisch geschlagen. Natürlich! Wenn Seto wieder da war, wartete die Ablehnung... sein Inneres krampfte sich zusammen, sodass er die Arme um sich selbst legte. Er glitt von Setos Schoß und nahm in einer fließenden Bewegung Abstand von diesem.

Die blauen Augen folgten ihm, ohne dass der Kopf sich bewegte. Die komplette Mimik schien neutral, aber das konnte auch daran liegen, dass Seto nicht in der Lage war diese Muskeln zu bewegen. Die Lider zuckten leicht. Katsuya konnte kaum sagen, woran es lag, aber er spürte die Ablehnung gegen seine Haut drücken, obwohl sich außer den Augen nichts bewegt hatte.

„E- Ich- Soll... soll ich gehen?“, flüsterte der Blonde leise.

Setos Blick sank kurz zu Boden und hob sich nach wenigen Sekunden wieder, nachdem plötzlich sein ganzer Körper von einem Zittern von oben nach unten durchfahren wurde. Die Augen wirkten ein wenig eingesunken, die Haltung etwas schlaffer.

„Nein.“, erwiderte dieser mit Resignation in der Stimme, „Ich habe dir versprochen dich nicht rauszuwerfen. Es ist mir auch sicher nicht unerträglich, dass du hier bist. Nur... sollten wir es wohl so halten, wie es von Anfang an hätte sein sollen. Ich bin gesetzlich gesehen dein Vormund. So sollten wir es wohl auch betrachten. Jeder hat sein Zimmer. Ich bin für deine Erziehung zuständig.“, er seufzte und erhob sich, „Und du dafür mich zur Weißglut zu treiben.“

„A- a... nein...“, Katsuya kniff die Augen zusammen, „Du hast wohl recht.“

Nur wenn es richtig war, warum brach seine Stimme, während er das sagte? Verdammt! Er hatte Seto doch nie verlieren wollen. Nie verletzen. Nicht so... er war so ein Idiot gewesen. Wie sollte er das je wieder gut machen? Wie sollte er... konnte er diese Beziehung je wieder retten?

„Ich... ich hole meine Schultasche.“, flüsterte er und drehte sich um.

„Katsuya.“, die Kraft war wieder in Setos Stimme zurück gekehrt, „Ich habe versprochen mich nicht selbst zu verletzen und wieder einmal bewiesen, dass ich Müll im Halten von Versprechen bin.“

Eine Hand legte sich auf Katsuyas Schulter, die ihn zusammen zucken ließ. Mit einem hektischen Atemzug fuhr er herum und brachte einen guten Meter Abstand zwischen sie. Seto stockte kurz, doch überging es schließlich.

„Ich... wollte dich nur bitten dir ebenfalls nichts anzutun. In der Hoffnung, dass du dich besser daran halten kannst als ich. Und bitte schrecke nicht davor zurück mit Problemen zu mir zu kommen.“

„Sei still...“, knurrte der Blonde nur, schluckte die Tränen und bahnte damit seiner Wut den Weg, „Hör auf so verdammt erwachsen damit umzugehen! Macht es dir gar nicht aus...“, er wandte den Blick ab und schüttelte den Kopf, „Du hörst dich so an, als würde es dir gar nichts ausmachen dich von mir zu trennen. Habe ich dir überhaupt mal was bedeutet?“

Hatte er. Natürlich hatte er. Wieso sagte er das hier? Er wollte sich selbst den Mund zuhalten, doch die Worte quollen nur so hervor.

„Ich habe dich geliebt und tue es immer noch. Weißt du überhaupt, was das für ein Gefühl ist? Hat dein kranker Kopf irgendeine Ahnung davon, wie sehr du mir gerade weh tust? Du verdammter Mistkerl! Verreck doch!“

Er wandte sich um und rannte davon.

Was nun?

Ich kann es noch nicht ganz fassen, aber ja, das hier ist das letzte Kapitel von DS2. Damit neigt sich eine weitere Ära dem Ende zu... apropos Ende, DS3 wird mit dem nächsten Jahr erscheinen. Bis dahin habe ich vor Eisengel zu beenden und eine Kurzgeschichte namens "Verloren" zu veröffentlichen, die auf einen Wettbewerb hin entsteht. SOLDIER wird allerdings noch ein gutes Stück gehen ^.-

Und ja, es ist mein Ernst das Buch mit einem Cliffhänger enden zu lassen. Damit wisst ihr auch schon das Thema für DS3, nicht?

Ach ja - der Titel: Der Titel von DS3 wird Delusive Society

Coming 2011 ^.-

Ich wünsche euch damit hier schonmal frohe Weihnacht und einen guten Rutsch ins neue Jahr!
 

_________________________________________________________________________________
 

Katsuya machte noch ein paar Schritte mit bebenden Beinen, bis er schließlich heftig atmend zum Stehen kam. Mit einer Hand gegen eine Wand gelehnt holte er tief Luft und wappnete sich gegen die Gedanken, die sich ihm wieder aufdrängten.

War er denn verrückt geworden? Seto so einen Mist zu sagen, den er gar nicht meinte. Natürlich taten die Worte weh, aber das gab ihm doch kein Recht Seto so... so... nicht einmal zu beleidigen sondern systematisch zu verletzen. Genau das zu sagen, von dem er wusste, dass es am meisten weh tat. Was hatte ihn da bloß geritten? Scheiße... er machte echt alles falsch. Erst das mit Yami, jetzt seine Reaktion...

Nach gestern Abend hätte er das doch erwarten können. Hätte sich darauf vorbereiten können, um heute ein wenig gefasster zu sein. Aber nein, er hatte sich wie ein... ach, was auch immer. Man hätte ihn auch gut durch eine frustrierte Hausfrau ersetzen können, deren Mann sie für eine Jüngere verließ. Die Reaktion wäre kaum dramatischer ausgefallen.

Er seufzte und ließ die Schultern sinken.

Und jetzt? Was sollte er jetzt tun, hm? Eigentlich zurück zu Seto und sich entschuldigen, aber das schaffte er nicht. Schaffte es nicht Seto wieder in die Augen zu sehen... er kniff die Lider zusammen, drückte das Gesicht gegen seine Hand und seine Stirn gegen die Hausmauer.

Was sollte denn jetzt werden? Nicht mehr mit Seto zusammen... er spürte die Tränen hinter seinen Lidern brennen. Nicht mehr mit Seto zusammen? Das war... das war schon fast unmöglich. Seto war... war praktisch seine ganze Welt. Sein Ein und Alles. Sein Anfang und Ende. Die Spannung zwischen ihnen war immer da gewesen und jetzt sollte das alles Schall und Rauch sein? Vergessen und vergraben aufgrund eines Fehlers? Es war doch sonst nichts falsch gelaufen zwischen ihnen, nicht wahr? Warum also... warum sollte es jetzt vorbei sein?

Konnte man nicht über alles reden? Jedes Problem lösen? Sie hatten doch nie groß Stress gehabt – also, miteinander. Es waren immer nur Einflüsse von außen gewesen. Das hatte sich oft auf ihre Psychen ausgewirkt, natürlich, aber... zwischen ihnen... Katsuya atmete tief durch und schluckte. Doch seine Augen folgten seinem Befehl nicht, sodass Tränen seine Wangen hinab kullerten.

Was sollte das? War er nicht ein Mann? Warum war er so nah am Wasser gebaut? Echt ekelhaft. Früher hatte er doch nie geweint. Nicht wegen der Schläge, nicht wegen des Hungers, nicht einmal wegen der Schmerzen, der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Aber jetzt... weil Seto nicht mehr mit ihm schlafen wollte.

Er schnaubte, drehte sich mit dem Rücken zur Wand und glitt diese hinab zu Boden. Wie immer... es war so viel mehr als Sex. Es ging darum, dass Seto ihn ernst genommen und als ebenbürtig betrachtet hatte. Als gleich wert. Dass er ihn geliebt hatte. Dass es wirklich Menschen gab, die seine verkümmerte Seele so sehr mochten, dass sie bei ihm sein wollten. In Setos Fall sogar das Leben mit ihm teilen wollten.

Er hob seine Linke und küsste den Ring, der sich kühl um seinen Finger rankte. Sie waren so viel mehr als Freunde. Sogar mehr als Geliebte. Sie waren... das konnte man gar nicht beschreiben. Auf einer Wellenlänge. Da war einfach so ein unausgesprochenes Verständnis zwischen ihnen. Sie nahmen einander an mit jeder Macke und jedem Fehler. Sie liebten einander, obwohl keiner von ihnen auch nur annähernd perfekt war. Sie liebten die Unebenheiten. Sie liebten sich.
 

Nun abgelehnt zu werden... das war wie ein kleiner Tod. Da war dieses gierige, alles fressende Loch in ihm, das die Eingeweide aufsaugte und alle guten Gedanken stahl. Es war wirklich, als würde ein Teil von ihm sterben. Der Seto-Teil. Der, der fast wie blind Vertrauen geschenkt, Gefühle zugelassen und ihn ihnen gebadet hatte. Der Teil, den ihre Verbindung, ihre Liebe in ihm geöffnet und hervor gebracht hatte.

Alles vorbei. Wegen ihm. Wegen seiner Fehleinschätzung. Weil er genau diesen Teil in Seto zerstört hatte. Diesen ganz kleinen Teil seiner gespaltenen Seele, die es gewagt hatte zu vertrauen... und die bitterböse enttäuscht worden war.

Er zog die Beine an, legte die Arme darum und drückte sein Gesicht dagegen, während ihn ein Schluchzen durchfuhr. Wie hatte er Seto das antun können? Wie hatte er diesen Keimling des Glaubens, dass es in der Welt doch etwas Gutes für ihn gab, in Seto zerstören können? Sie alle würden ihn hassen. Kleiner Mörder. Mokuba hatte er mit seinen Taten getötet. Seto tötete er mit Taten. Yami ebenso, wenn er so weiter machte. All die, deren Leben in seine Hände gelegt wurde, verloren es, weil er so ein Versager war. Jemand, der ohne es zu wollen immer wieder Leute verletzte.

Er war ein Monster. Ohne es zu wollen – ein Monster. Er war abschreckend für die Menschheit. Ein Dämon. Ein Kind Satans, ausgesandt um zu verletzen. Ein Kind Satans... so hatte ihn seine Mutter auch schon genannt. Sie hatte er auch verletzt durch seine Existenz. So wie seinen Vater. So wie all die Menschen, die er angegriffen, überfallen und ausgeraubt hatte.

So viele mussten leiden wegen ihm. Besser, er wäre tot. Besser, er würde einschlafen und nie mehr aufwachen. Besser, er... nein. Falsche Gedanken. Das war eine Spirale, die stets immer tiefer ging. Er durfte sich nicht darin verlieren. Durfte sich dem nicht hingeben. Aber es war so verführerisch... für was sollte er denn nun noch kämpfen? Wer brauchte ihn? Wer war für ihn da? Er hatte alle Bande gesprengt, schwebte frei durch das All, ab von all der Welt. Er war ein Vogel, für den Landen wie Sterben war. Er war ein Meteorit, der ziellos umherstreifte.

„Junger Mann?“, jemand griff an seine Schulter, was ihn reflexartig zusammen zucken und zur Seite ausweichen ließ.

Er stolperte rückwärts auf den Bordstein, brachte einen Arm zwischen sich und die fremde Person und warf über diesen einen giftigen Blick hinweg.

„Mei, so ein hübscher Bub.“, vor ihm stand eine ältere Dame mit Buckel, die sich an ihren Gehstock festhielt, „Aber schreckhaft wie ein junges Kitz. Dabei hast du den Krieg doch gar nicht miterlebt, eh?“

„N... nein...“, Katsuya blinzelte verwirrt und ließ den Arm sinken.

„Und wie heißt du, junger Mann?“, ihr Lächeln zeigte, dass sie keine Zähne mehr besaß, was wohl die leicht verwaschene Sprache erklärte.

„Katsuya-“, was? Kaiba? Jonouchi? Nemo? „Einfach nur Katsuya...“

„Hat deine Familie dir Ärger gemacht?“, sie legte den Kopf zur Seite.

„So was in der Art.“, wich er aus und wandte das Gesicht ab, während er sich erhob.

„Sag, magst du mir nicht meine Tasche tragen? Ich wohne nur ein paar Schritte von hier. Dann kann ich dir einen Kakao machen.“, bot sie an und deutete auf den Beutel, der neben ihren von einem Rock halb überdeckten Beinen stand, deren Stützstrümpfe matt glänzten.

„Ich...“, sollte zur Schule, wo Seto war? Ganz sicher nicht. „Klar. Haben sie noch mehr Gepäck?“

„Nur die Last des Alters.“, sie nickte lächelnd und ging los, „Dann lass uns aufbrechen, junger Katsuya.“
 

„Magst du ein Wässerchen zu deinem Kakao?“, fragte sie, nachdem sie aus ihren Schuhen geschlüpft war und sich langsam Richtung Küche bewegte.

„Uhm... ja, wenn ich darf. Danke.“, er stieg aus seinen Sneakern, die er nicht einmal geschlossen hatte und holte auf, „Wo soll ich die Einkäufe hinbringen?“

„Dort, bitte.“, sie deutete auf den Tisch ihrer sehr spärlich eingerichteten Küche – sie schien vor allem japanisch zu kochen, „Ein sehr manierliches Jüngelchen bist du. Das trifft man nicht oft. Hast du eine gute Erziehung genossen?“, fuhr sie fort, während sie einen Topf aus einem Schrank hob und Milch und Schokolade aus dem Kühlschrank holte.

Nein, hatte er nicht. Seine Erziehung war beschissen gewesen. Aber Seto hatte ihn in nur wenigen Wochen so stark verändert, dass er auch aus einer liebevollen Akademikerfamilie stammen könnte. Wahrscheinlich hörte man den Unterschied nur noch, wenn er mit alten Bekannten oder Jugendlichen sprach. Diese gehobene, höfliche Sprache war ihm irgendwie schon in Fleisch und Blut übergegangen, obwohl er sie noch nicht so lange kannte. Aber Seto prägte... aus jedem Verhalten, jedem Wort, jedem Gedanken war seine Handschrift heraus zu lesen. Seto hatte ihn völlig umgekrempelt, verändert, hatte mit jeder Berührung seine Spuren in Katsuyas Haut hinterlassen.

„Keine, eh?“, die Alte kochte Milch auf, wobei sie ihm den Rücken zugewandt hatte, da er immer noch mitten im Raum am Tisch stand, „Wer hat dir dann Höflichkeit beigebracht?“

„Mein... Vormund.“, ja... so war das wohl ab jetzt. Sein Vormund. Nicht sein Freund, nicht sein Geliebter, nicht einmal sein Lehrer. Sein Vormund.

„Kümmert er sich gut um dich?“, die Dame rührte die Milch mit einem Schneebesen und gab stetig Teile der Tafel hinzu.

„Ja... kümmern tut er sich gut...“, man konnte ja kaum sagen, dass er da vernachlässigt wurde. Er bekam zu Essen, Kleidung, ein sicheres Heim. Er bekam sogar Aufmerksamkeit und Zuneigung. Wie hatte er das alles aufs Spiel setzen können? Wie hatte er all diese Annehmlichkeiten für selbstverständlich nehmen können?

„Was lässt dich dann weinen, junger Katsuya?“

„Nun...“, sollte er ihr das sagen? Die ganze Geschichte war kaum etwas für eine alte Frau, auch wenn sie nett war. „Es geht um meine Verlobte. Ich... ich habe sie schrecklich enttäuscht und nun hat sie sich von mir getrennt.“, er kniete sich auf ein Zabuton, „Ich... ich will sie nicht verlieren. Ich habe nicht gewusst, dass ihr das so wehtun würde. Ich wollte nie... ich weiß nicht, was ich machen soll.“

„Verstehst du denn, warum du sie enttäuscht hast?“, fragte die Dame, während sie das Gekochte auf zwei Becher umfüllte und den ersten zu ihm trug.

„Lassen sie mich doch helfen.“, er sprang auf, nahm ihr das Gefäß ab, griff das zweite, trug beide zum Tisch und schüttelte ein Zabuton auf, damit sie darauf Platz nehmen konnte.

„Danke, mein lieber Junge.“, sie lächelte breit, was ihr Gesicht in tiefe Falten legte, während er sich wieder setzte.

Sie schwiegen einen Moment, bevor der Blonde antwortete: „Ich verstehe es vollkommen. Im Nachhinein ist es so klar, warum sie denkt, ich hätte sie betrogen, obwohl ich nur... es ist doch nicht so, als wäre es wegen ihr gewesen. Oder wegen sonst wem. Ich wollte nur helfen.“

„Eine betrogene Frau, die darunter leidet, hat es am schwersten.“, erklärte die Alte, „Sie hat vertraut und es nicht erwartet. Darum trifft es sie so tief. Es erschüttert sie in ihrem Glauben.“

„Das habe ich zu gut gemerkt.“, Katsuya seufzte und ließ den Kopf hängen, „Aber da war halt diese andere Frau, die sich selbst hasst und für wertlos hält. Ich dachte, ich könnte ihr helfen, wenn ich... es ging nie um meine Verlobte.“

„Aber nun ist sie unsicher.“, die Dame nickte, „Bisher hatte sie das Gefühl die Einzige zu sein. Etwas ganz Besonderes. Jede Frau ist in ihrem Inneren unsicher und will geliebt werden, um sich stark zu fühlen.“
 

Unsicher? Nicht enttäuscht?

Katsuya sah auf und blinzelte. Traf so etwas auch auf Seto zu? Dass es gar nicht darum ging, dass er mit Yami geschlafen hatte sondern darum, dass es Seto das Gefühl gab wertlos zu sein? Oder nur einer von vielen? So wie er selbst zu Anfang gedacht hatte möglicherweise nur einer von vielen zu sein... nur eine weitere junge, heißblütige Eroberung, die ein paar Tage als Spielzeug diente, bevor man sie in der Ecke liegen ließ. Hatte er Seto das Gefühl gegeben nur ein Gebrauchsgegenstand zu sein?

Welch ein irrer Gedanke... Seto war doch erwachsen. Er hatte die Autorität, war der wegweisende Part der Beziehung. Er lag meistens oben. Wie konnte man da das Gefühl haben benutzt zu werden? Aber jetzt, wenn man so darüber nachdachte... Katsuya lebte von Setos Geld, in Setos Haus und spielte zur Zeit mit Setos Gefühlen. Er bekam von Seto alles und gab kaum etwas zurück.

Seto sagte, alles, was er brauchte, war Katsuyas Zuneigung. Weil Katsuya seine Sonne war. Wie schwer wäre es das darauf zu deuten, dass Katsuya ihm das Gefühl gab besonders zu sein? Geliebt zu sein? Gebraucht zu werden? Einen Wert zu haben? Und dann wäre auch die Intention bezüglich Yami egal, er hatte einen Stein ins Rollen gebracht, der eh wackelig befestigt war.

Weil Seto sich selbst hasste.

Weil er sich für wertlos hielt.

Weil er sich als unausstehlich ansah.

Weit schlimmer noch als Yami. Warum hatte er das nicht bedacht? Seto brauchte ihn viel dringender als sein bester Freund. Aber er wirkte stets so stark und selbstsicher... Masken. Es waren alles nur Masken. Setos war nur die beste von allen. Wenn er schon sowas vergaß... war er es wirklich wert an Setos Seite zu sein? Dieser hatte jemanden verdient, der ihn besser verstand, der besser mit ihm umgehen konnte...

„An was denkst du?“, riss ihn die alte Dame aus seinen Gedanken.

„Hu? Ähm... ob... nun, ob ich sie überhaupt wert bin. Vielleicht ist es ja besser so... sie hat etwas Besseres als mich verdient.“

„Das hätte sie sich auch überlegen können, bevor sie einer Verlobung zugestimmt hat. Wenn sie so etwas tut, muss ihr ja etwas an dir liegen.“, erst recht, da „sie“ den Antrag ja gestellt hatte, „Sie scheint sich nur sehr unsicher zu fühlen. Vielleicht noch mehr als du selbst. Vielleicht denkt sie genau dasselbe – dass du möglicherweise mit dieser anderen viel besser dran bist.“

Oh ja, das könnte original von Seto kommen... vielleicht war die Situation gar nicht so verzweifelt wie Katsuya gedacht hatte. Was, wenn das wirklich Setos Meinung war? Dann musste er ihn nur irgendwie überzeugen, dass Seto wirklich sein Ein und Alles war. Na ja, auch das war leichter gesagt als getan.

„Wie überzeuge ich sie denn, dass sie mir wirklich alles bedeutet?“

„Geduld und Zeit. So lange sie lebt, hast du auch eine Chance.“, die Alte nickte, „Wie gut, dass kein Krieg ist. Da hat man Zeit für die Liebe.“, sie nahm einen Schluck Kakao und sah aus dem Fenster, „Wie gut, dass kein Krieg ist...“

Katsuya ballte die Hand zur Faust. Das hieß dann wohl, dass er Seto zurückerobern musste. Mit Überzeugung, Engelszungen und sehr viel Geduld.



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Von:  Kemet
2012-12-21T09:27:26+00:00 21.12.2012 10:27
Diesesmal wird das Kommentar nicht so ausführlich wie das, was ich zu Dead Society geschrieben habe. Das mag daran liegen, dass ich Dir einige Eindrücke schon per ENS mitgeteilt habe, aber auch daran, dass mir die Worte fehlen.
Deswegen mache ich nun auch mit meiner Ansicht der allgegenwärtigen Charakterentwicklung weiter.
Im Grund sind wir wieder am Anfang. Seto baut eine Maske auf, die mehr als nur rissig ist und Katsuya hat sich vorgenommen sie abermals einzureißen. Wird es ihm gelingen? Es lässt hoffen, aber ehrlich glaube ich, dass immer ein Teil zurückbleiben wird.
Anfang des zweiten teiles dachte ich: Hmm.. Im Ersten wurde schon alles gesagt. Warum ein Zweiten?
Richtig: Der Alltag, das Zusammenleben - Die Liebe.
Streckenweise, und da bin ich ehrlich, schreckte ich davor zurück weiter zu lesen. Es schien alles so normal.. Schien so!
Aber auch nur das. Spätestens nach dem 110ten Kapitel, änderte sich meine Aufassung gewaltig. Ich verstand, dass all das vorhergehende notwendig war, um eben bei diesen Schluss anzukommen. So und nicht anders. Zusammen mit dem Ende gesehen, erschien alles auf einmal gnadenlos schlüssig. Dafür ein riesen Lob. So wie ein Buch sein sollte - Man versteht es erst, wenn man es komplett gelesen hat.
Was mir ein Bisschen im Vergleich zum ersten Teil fehlte, waren die ausführlichen Erklärungen, was die und die Reaktionen betraf. Klar, man sollte sie noch kennen, aber ein wenig mehr, wäre doch schlüssiger gewesen. Ebenso fehlte mir irgendwie der Darcfic-Anteil. Ich verwöhntes Biest.. :_:
Wie beim letzten Mal, ist mir eine Szene, nein, sind mir mehrere Szenen im Gedächtnis geblieben. Darunter auch Katsuyas verbaler Angriff auf Ryuji und Bakura dazu. Von diesem hätte ich gern mehr gesehen. ;)
Die Tiefe, mit der Du beschrieben hast, was Katsuyas Motive waren, blieb mir ehrlich im Halse stecken, sodass ich einige Anläufe brauchte, um alles wirklich zu verinnerlichen. Er hat nur Recht gehabt, auch wenn seine Art es auszudrücken, doch sehr... Wie soll man sagen: agressiv war. Auf verständliche Art und Weise.
Eine weitere war gewesen, als sie im Urlaub waren. Katsuya hat ihn kaum miterlebt und flüchtete, weil er es wahrscheinlich selbst nicht verstanden hatte, wie alles sich so entwickeln konnte.
Ich kann es nachvollziehen.
Es gibt noch eine:
Die Nacht im Park. Nie hätte ich erwartet, dass sich Seto da hin stellt, ruhig Regeln für eine Schlägerei erklärt und erstmal sich eien Runde verprügeln lässt, nur um sich, aber vor allem Katsuya zu helfen. Er half sich selbst dabei, weil er dadruch einen ruhigeren Blonden an seiner Seite wusste. Fehleinschätzung.
Dann zu guter Letzt, das Kapitel: Konsequenzen.
Ich kann es nur als übel und mitreißend bezeichen. Nicht übel im Sinne von schlecht geschrieben oder scheiß Chapter - nein.
Übel im Sinne von mitnehmend. Seto war anders, udn doch gleichzeitig so gleich. So er selbst. Auch die ruhige Sprache zeigte es. Seine Reaktionen, aber vor allem seine Worte. Sie sprachen mit Katsuya, als wäre nicht Yami der Stricher, sondern er selbst. Abwertend, irrational und unterschwellig emotional.
Mitreißend einfach.
Ein tiefer Schnitt, wie eine kalte Symbolik auf der Haut. Der Schnitt auf der Wange. Eine Furche zwischen ihnen.
So einfach diese Geste wirkte, umso tiefer ist der Sinn.
Ich schweife ab. Ich hoffe es ist klar geworden, was ich meine.

Ich wollte etwas über die einzelnen Charaktere sagen, nur wenn ich es mir Recht überlege, kann ich es nicht. Alle haben eine Entwicklung durchgemacht - ausser Bakura - die es in sich hatte. Seto begann auf einmal lieb zu werden und Katsuya wandelte sich in einen Seto. So kann man es ansich sehen. Auch wenn der Blonde ansich er selbst geblieben ist, so hat er in der Kürze der Zeit doch Vieles mitgenommen, was er vorher nicht tat. Er ist ansich zu einer Persönlichkeit dessen geworden, was Seto einst war. Oberflächlich betrachtet. Unter der Hülle ist er, wie auch sein 'Vormund' unsicher.

Bevor ich jetzt mit einem Fazit abschließe, muss ich in Gedanken noch über etwas grinsen. Katsuya Kaiba. Wie die Reaktionen auf diesen Namenswechsel waren. Super! XD Ich habe mitgelacht, mich mitgeschämt und mitgefiebert.
Was soll ich noch sagen - Einfach super.

Ich ende nun, bevor ich in das Unwesentliche abdrifte und damit den Sinn eines solchen Kommentares komplett versaue.
Nur noch eines: Auch wenn es ein Cliffhanger ist, so hätte ich mir kein besseres Ende wünschen können. Und auch, wenn einiges, was geschah für mich vorhersehbar war, so staune ich doch immer wieder, wie falsch ich mit meinen Überlegungen liegen konnte.
Es ist wie ein ganzes Leben diese Geschichte zu lesen und wenn ich ehrlich bin, weine ich innerlich. Nicht, weil ich nicht weiterlesen möchte, sondern weil ich Angst vor dem Ende habe, wenn das Universum, welches Du erschaffen hast, mich auf einmal so plötzlich weder ausspuckt, wie es mich eingezogen hat.
Hoffen wir, dass Teil 3 nicht das Ende sein wird.


きら
Von:  Lunata79
2012-10-04T23:49:12+00:00 05.10.2012 01:49
Boah! Ich muss gestehen, die letzten zwei Kapitel waren wirklich herzzerreißend. Ich konnte den Schmerz fühlen. Mein Herz hat sich verkrampft, als wären hundert Messerstiche durchgegangen. Ich habe mit Seto mitgelitten und geweint. Kann aber auch Katsuya irgendwie nachvollziehen, obwohl ich echt geschockt war, als ich gelesen habe, dass er Seto tatsächlich betrügen wollte. Wieso hast du ihn das machen lassen?
Ich hoffe, dass der dritte Teil ein Happy-End beinhält. Ich könnts nicht verkraften, wenn Seto unglücklich ist.
Du hast wirklich ein Talent im dramatisieren. Das ist echt schlimm.
Dann mach ich mich mal in der Hoffnung auf schöneres an den dritten Teil heran.

Lg
Lunata79
Von:  Liirah
2011-03-21T10:35:56+00:00 21.03.2011 11:35
So, jetzt ich! Hm ...

Mir stellt sich grad wie immer ein und dasselbe Problem. Ich würde bei so manchen FFs wirklich gerne einen super Kommentar abgeben, aber ich bin dafür einfach nich' gemacht, glaub' ich. Ich bin auch kein großer Freund davon, FF-Ausschnitte zu zitieren und da was dazu zu schreiben, deswegen fass' ich einfach mal meinen Gesamteindruck zusammen - oder ich versuch' es zumindest.

Fakt ist: Ich liebe diese Reihe, das stand schon nach den ersten Kapiteln von Dead Society fest.
Nachdem dieser Teil dann fertig war, war ich total geflasht und hab' mich total auf die Fortsetzung gefreut. Daraufhin folgte aber meine FF-Pause, ich konnte einfach nichts mehr mit FFs anfangen, also verfolgte ich nicht mehr, ob deinerseits noch Updates kamen.

Und nun entdeckte ich letzt deinen Weblogeintrag, in dem du Delusive Society ankündigtest und ich erinnerte mich wieder, Dead Society gelesen zu haben. Da mir der Spoiler, den du im Weblog-Eintrag ein wenig mit geschrieben hast, total fremd vorkam, schaute ich nach und tada: Da fehlte Dreaming Society zwischen drin!

Also machte ich mich daran, den zweiten Teil zu lesen, obwohl ich sonst kaum noch FFs lese. Und ich war sofort gefesselt!
Anderes beschreibt meinen Zustand nicht.

Ich liebe deinen Schreibstil, immer noch. Ich bin jedes Mal auf's Neue fasziniert, wie du dich ausdrücken kannst und vorallem die doch etwas "gehobenere" Sprache, die die komplette Reihe ausmacht, einem nicht fremd erscheinen lässt. Man liest einfach gerne, was die Charaktere zu erzählen haben, was sie erleben, man leidet und freut sich mit ihnen, man fiebert einfach dauerhaft mit.

Besonders das Ende von Dreaming Society hat mich extrem gefesselt. Ich hatte mir für gestern vorgenommen, die verbleibenden 15 Kapitel in einem Rutsch zu lesen und somit den zweiten Teil der Reihe gestern abzuschließen. Dann kam mir aber unerwartet etwas dazwischen und ich konnte erst am Abend gegen 18 Uhr anfangen.
Ich dachte mir noch: "Naja, das musst du dann wohl auf zwei Tage verteilen, sonst kommst du wieder so spät ins Bett."

Pustekuchen. Das Ende war so einnehmend, dass ich es doch gestern Abend fertig gelesen habe. Ich konnte mich einfach nich' loseisen, spätestens als Katsuya mit Yami geschlafen hat (ich hab' so unglaublich auf diesen Moment hingefiebert, das glaubst du gar nich' xP).

Als ich das letzte Kapitel fertig gelesen hatte, standen mir kurz echt die Tränen in den Augen. Das war echt so ein Wow-das-glaub-ich-jetzt-nicht-Effekt.
Mir war von vorn herein klar, dass Seto das nich' so locker sehen würde, wie Katsuya sich das gedacht hat, aber die Rasiermesserklingenaktion war echt schockierend.

Ich bin schon wirklich gespannt, wie dein - ja, man kann es so nennen - kleines Meisterwerk mit Delusive Society weitergeführt wird; der Prolog ging ja schon vielversprechend weiter.


Ich freue mich, zukünftig auch weiter von dir zu lesen! ♥


LG, Liirah
Von: abgemeldet
2011-01-31T19:52:16+00:00 31.01.2011 20:52
Wow… ok, weil hier in den letzten Kapis so viel passiert, was sich schwer trennen lässt, schreibe ich dir zum Ende von Dreaming Society hier nochmal ein großes Kommi. Was ich dich eigentlich schon immer mal fragen wollte: ist die FF eigentlich an „Der Club der toten Dichter“ / „Dead Poets Society“ angelehnt? Darin geht es ja auch um die Identitätsfindung. Wie auch immer… Beginnen wir also mit:
Klärung:
Ich habe es ja bereits befürchtet, aber ich war trotzdem noch ein bisschen geschockt, als ich das las. Die Überschrift finde ich sogar etwas höhnisch. Was klärt sich jetzt? Die sexuelle Anspannung?
[…] „Damit du hier in deiner Selbstherrlichkeit rein spazierst, weil es ja dein gottgegebenes Recht ist alles zu tun und zu lassen, was du für gut oder schlecht hältst und dich wie ein Elefant im Porzellanladen aufzuführen? Erinnere dich daran, dass ich dich zu Ryouji begleitet habe. Ich weiß, was du angestellt hast. Ich weiß, wozu du fähig bist.“, Bakura stieß scharf die Luft aus und legte den Kopf in den Nacken, „Ich kenne Seto und ich kenne mich. Und du bist nicht weit anders als wir. Nur lebst du noch nicht sehr lange mit der Notwendigkeit diese Aggressionen, diese Ausbrüche zu unterdrücken. Und im Gegensatz zu uns kannst du es nicht.“ […]
Gut zusammengefasst, Hut ab. Bakura ist aufmerksamer als man denkt. Aber das war auch irgendwie klar, dass er Kats‘ den Kopf wäscht. Naja, zumindest versucht er es und er hat auch irgendwo Recht, nur leider drängt sich bei mir der Satz in leuchtenen Reklamelettern auf: „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.“. X_X
[…]So ein Ding in seiner Nähe gab ihm Schauer, aber so etwas... nackt... zwischen... in... allein die Vorstellung- nein, oder? Dieses Pulsieren zwischen seinen Beinen bedeutete nicht... wie pervers war er eigentlich? Er konnte nicht wirklich... […]
Mir scheint, als würde er ebenfalls gern mit ihm schlafen, aber er scehut dieses Machtgefüge, dass die Waffe auslöst.
[…] „Ich wünschte, ich würde dieses Gefühl kennen... aber ich habe noch nie mit jemandem geschlafen, den ich liebe.“ […]
Ich weiß nicht, ich finde immernoch, dass Yami durchaus beteiligt ist an der ganzen Sache. Ich würde nicht unbedingt nur Kats die „Schuld“ geben, zu soetwas gehören sowieso immer zwei, aber ich denke auch, dass Yami die Strippen schon etwas manipulativ in diese Richtung gelenkt hat.
Vertrauen:
[…]Seto... würde Seto das verstehen? Würde er verstehen, was Katsuya im Begriff war zu tun? Würde er ihm vergeben können? Irgendetwas sagte ihm, dass er es konnte. War das Vertrauen oder blinde Hoffnung?
Egal. Seto würde hiermit leben müssen. […]
Schon heftig. Er war bereit, Seto etwas aufzudrücken und alles zu riskieren, nur für diesen einen Moment. Wobei ich glaube, er weiß gerade selbst nicht, was er da tut. Immerhin klingen seine Gründe wie hohle Frasen. Vermutlich war es eher die pure Lust.
[…] „Aber...“, er wandte den Kopf zur Seite, „Was, wenn... wenn ich das nicht schaffe? Ich würde mich hassen. Du würdest mich hassen. Ich... ich will dich nicht verlieren.“ […]
Ich glaube ihm seine Bedenken, aber ich habe auch das Gefühl, dass er sie sehr klever einsetzt.
Was soll man denn darauf erwiedern? Natürlich ist vorprogrammiert, was man darauf erwiedert. Denn ich denke, beide wissen, dass sie einander nicht verlieren möchte, als was auch immer…
[…] „Küsse... viele Küsse... und süße Qual...“, flüsterte der Rothaarige mit geschlossenen Augen, „Lass mich... für eine Nacht träumen, was es hieße dein zu sein.“ […]
Das passt irgendwie so gar nicht. Ich weiß nicht. Diese Unterwürfigkeit Yamis… alles sehr merkwürdig.
 Konsequenzen:
[…]Das klärte wenigstens auch seine Gefühle. Das mit Yami war anders. Das war keine Mischung aus Lust, Liebe und Leidenschaft – bei weitem nicht so wie mit Seto. Seto war so viel mehr. Das hatte das hier fraglos bewiesen. Seto war für ihn der einzig Richtige, in jeder Hinsicht. Seto war einfach... kaum mit Worten zu beschreiben. […]
Da haben wir’s. Es war keine Lust, Liebe und Leidenschaft, eher nur Lust… zumindest bei Kats. So ist jedenfalls mein Gefühl.
[…]Und jetzt lag er hier mit seinem besten Freund im Arm und warf ihm in Gedanken vor ihn hinterhältig für seine Zwecke missbraucht zu haben. Ehrlich, bald entwickelte er so eine Paranoia wie Seto hatte. […]
So paranoid finde ich das gar nicht. Ich kaufe Yami schon seine Gefühle ab, zumindest war Kats der Einzige im nahen Freundeskreis, mit dem er bis dato noch nicht geschlafen hatte…
[…] „Du willst es ihm sagen?“, der Liegende sah plötzlich auf, die Augen klar, aber vor Tränen glänzend.
„Natürlich.“, der Blonde legte eine Hand auf dessen Wange, „Was ist denn los mit dir?“
„Ich... dachte, du würdest es geheim halten wollen.“ […]
Wusste ich’s doch. Ich schätze, Yami hat sich eine heimliche Liebelei erhoft. Aber beide scheinen nicht ganz daran zu denken, WEN sie hier betrogen haben…
[…] „Es sieht aus wie gegelt. Zusammen mit der Schuluniform siehst du nicht groß anders aus als jeder andere Stricher, den ich je dorthin mitgenommen habe.“
Er blinzelte. Jeder andere? Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Seto war definitiv komisch drauf. Er wusste schon noch, dass sie verlobt waren und Katsuya kein gerade aufgelesener Stricher war, oder? […]
Autsch. Da kommt ja schon durch, dass Seto es zu ahnen scheint. Naja, im Endeffekt scheint er sich emotional schon abschotten zu wollen, wenn Kats quasi „wie jeder andere“ ist. Er scheint sehr enttäuscht zu sein und ich habe eine böse Vorahnung, was kommen wird. So wie ich dich kenne, gehst du mit einem Knall…
[…] „Bestens.“, dessen Mundwinkel hoben sich, doch seine Augen verzogen sich um keinen Mikrometer, „Ich bin nur erneut erstaunt, was für ein talentreicher Junge du bist. Hätte ich noch eine Firma, wärst du ein wunderbarer Nachfolger.“ […]
Hinterlistig und zu allem bereit? Y.Y
 Auf Messers Schneide:
Ich hab’s geahnt… *heul*
[…] „Ich wollte ihm helfen. Er hatte noch nie mit jemanden geschlafen, für den er wirklich etwas fühlte. Für ihn war Sex nur ein Mittel zum Zweck, eine Sportaktivität. Er hat keinerlei Selbstwertgefühl. Ich wollte ihm zeigen, dass das auch anders geht.“
„Dass Sex ein Ausdruck tiefer Gefühle ist?“, Setos Lider verengten sich, „Danke, euer Ehren, das beantwortet alle Fragen restlos.“, er stieß sich von der Wand ab und wandte sich ab, eine Hand auf der Klinke zu seinem Schlafzimmer. […]
Allerdings. Schon komisch, dass Kats nicht eine Sekunde daran gedacht hat, wie widersprüchlich er eigentlich handelt.
Da gibt es mehrere Möglichkeiten, z.B. Kats empfindet unterbewusst Liebe für Yami (denke ich eher weniger, könnte aber auch meine Hoffnung ausdrücken…) oder Kats, ganz der Kerl mit dem Helferkomplex, stellt mal wieder seine Bedürfnisse zurück, um andere zu befriedigen… das denke ich schon eher, aber es scheint auch noch nicht ganz hinzuhauen. Einerseits kann ich mir vorstellen, dass Yami Kats‘ Zustand zu nutzen weiß und andererseits denke ich, dass auch Kats einen gewissen Gewinn aus der Sache gezogen hat.
[…] „Selbst wenn – was würde es dich angehen?“, giftete Seto und trat vor, um ihren Abstand zu halten, „Was bist du schon? Du bist mein Adoptivsohn, also werde ich für dich sorgen, aber mehr auch nicht. Du wirst nicht über mein Leben bestimmen. Du hast kein Recht mir vorzuschreiben, was ich darf und was nicht.“ […]
Er schiebt ihn von sich, versucht Distanz zu schaffen auf der „nur mein Sohn“ – Schiene, was gelogen ist, wie er auch weiß. Ich denke, der Schmerz und die Enttäuschung bringt ihn dazu. Ich kann mir auch vorstellen, dass er gerade wieder die emotionale Abhängigkeit zu Kats spürt und jetzt alles daran setzt, wieder „selbstständig“ zu sein.
[…] „Um eine Erinnerung zu schaffen.“, erwiderte der Andere mit Überzeugung, während seine Gesichtszüge erschlafften. Er wandte sich den Spiegel im Bad zu und zog die Rasierklinge auf Höhe seiner Wangenknochen über die linke Wange. Aus dem tiefen Schnitt quoll noch im selben Moment das Blut hervor, spritzte blubbernd heraus, ebbte ab und spritzte leicht wieder auf. […]
Je tiefer man schneidet, umso weniger blutet es doch. Ö.ö
Die Beschreibung ist ein wenig störend… irgendwie denkt man sofort an einen überlaufenden Kochtopf und vergisst, an welchem Punkt man eigentlich ist, wird sozusagen aus der spannenden Szene geschmissen. So ging’s mir zumindest.
[…] „Ich werde nie wieder vertrauen.“, schwor Seto seinem Spiegelbild, während das Blut seine Wange hinab rann und rotbraune Flecken auf seinem Hemd bildete, „Ich werde nie wieder lieben.“, er ließ die Klinge in den Badmüll fallen, bevor er sich zu Katsuya umdrehte, „Und ich werde diesen drei Worten nie wieder Glauben schenken.“, er schloss die Lider, atmete tief durch und sprach weiter mit einer leisen, erschlagen wirkenden Stimme, „Und nun geh.“ […]
Ich kann immernoch nicht ganz überblicken, warum Kats nicht klar war, dass Seto so reagiert. Mein Gott, er weiß doch, wie schwer er vertraut und wie zerbrechlich ihre Liebe ist und dann das…
[…]Es war doch niemals wegen Yami gewesen. Er hätte nie ohne irgendeinen tieferen Grund mit ihm geschlafen. Warum konnte Seto das nicht sehen? Warum war er so... er würde es noch einsehen, oder? Er würde sich beruhigen, sich entschuldigen und ihn wieder lieb haben, richtig? Seto hatte nur überreagiert. Es war nur seine momentane Wut gewesen, in die er sich gesteigert hatte, oder? Morgen wäre alles wieder normal. Morgen würde er wieder geliebt werden. Morgen würde ihm verziehen. […]
Das ist echt heftig. Keinerlei Schuldgefühle… er wundert sich, warum Seto sich so aufregt und beruhigt sich im nächsten Moment selbst, dass er sich morgen schon wieder beruhigt hätte und wieder alles in Butter sei.
 Mein Sohn:
[…] „Nun... ich habe ehrlich gesagt vergessen, warum ich das tun wollte. Mir fehlt die Erinnerung an gestern Abend.“
„Was?“, zischte er, während seine Lider sich weiteten, „Du...“ […]
Zu heftiger emotionaler Stress. So heftig, dass die Verdrängung ganze Arbeit geleistet hat.
[…]Oder war das selbstsüchtig? Seto mehr Zeit zu lassen, damit er sich beruhigte und vergaß. Oder eher die Entscheidung heraus zu zögern, wie das böse Stimmchen in Katsuyas Hinterkopf sagte. […]
Seto soll also nur vergessen und ihn wieder lieb haben? Ja, Schätzchen, das ist selbstsüchtig. Er widerspricht sich immer mehr: einerseits behauptet er, er liebe Seto und nicht Yami, aber Yami will er psychisch weiterhelfen (Selbstbewusstsein), Seto scheint er im Gegenzug eher abzubügeln.
[…] „Sei still...“, knurrte der Blonde nur, schluckte die Tränen und bahnte damit seiner Wut den Weg, „Hör auf so verdammt erwachsen damit umzugehen! Macht es dir gar nicht aus...“, er wandte den Blick ab und schüttelte den Kopf, „Du hörst dich so an, als würde es dir gar nichts ausmachen dich von mir zu trennen. Habe ich dir überhaupt mal was bedeutet?“ […]
Entschuldige, aber das klingt eher nach „typisch Frau“. Er dreht den Spieß um, als wolle er Setos Eifersucht provozieren. Eifersucht bedeutet ja immerhin auch irgendwo, dass derjenige einem nicht egal ist.
 Was nun?:
Und wieder ein lehrreicher Nebendarsteller. Du fügst immer dann solche Personen ein, wenn die Charas allein oder im Kreise der Freunde nicht weiterkommen. Aber manchmal erscheint das etwas unrealistisch. Irgendeine Frau, irgendwo auf der Straße und der Smalltalk fällt immer irgendwie auf das gerade herrschende Thema… *hüstel* naja…
[…]Er zog die Beine an, legte die Arme darum und drückte sein Gesicht dagegen, während ihn ein Schluchzen durchfuhr. Wie hatte er Seto das antun können? Wie hatte er diesen Keimling des Glaubens, dass es in der Welt doch etwas Gutes für ihn gab, in Seto zerstören können? Sie alle würden ihn hassen. Kleiner Mörder. Mokuba hatte er mit seinen Taten getötet. Seto tötete er mit Taten. Yami ebenso, wenn er so weiter machte. All die, deren Leben in seine Hände gelegt wurde, verloren es, weil er so ein Versager war. Jemand, der ohne es zu wollen immer wieder Leute verletzte. […]
Jetzt ist seine Gefühlswelt gekippt: nun gibt er sich vollends die Schuld. Von einem Extrem ins Nächste.
[…]Weit schlimmer noch als Yami. Warum hatte er das nicht bedacht? Seto brauchte ihn viel dringender als sein bester Freund. Aber er wirkte stets so stark und selbstsicher... Masken. Es waren alles nur Masken. Setos war nur die beste von allen. Wenn er schon sowas vergaß... war er es wirklich wert an Setos Seite zu sein? Dieser hatte jemanden verdient, der ihn besser verstand, der besser mit ihm umgehen konnte... […]
Nun, jetzt hat er zumindest Setos Gefühle erkannt.
[…]Katsuya ballte die Hand zur Faust. Das hieß dann wohl, dass er Seto zurückerobern musste. Mit Überzeugung, Engelszungen und sehr viel Geduld.[…]
Und wieder denkt er nicht an Seto. Was ist, wenn Seto gar nicht mehr erobert werden will? Was dann?
Ich finde, auch wenn es ein open end ist, ist es trotzdem ein gutes Ende für einen Mittelteil. Ich bin eigentlich nicht traurig, dass Dreaming Society zuende ist, hast du doch Aussicht darauf gegeben, dass es weiter gehen wird. Und meine Neugier überwiegt. *grins*
Ich freue mich sehr auf das Kommende.
*wink* Pan

Von:  Ayame-chan
2010-12-09T19:35:55+00:00 09.12.2010 20:35
Ja, ich krieg es dann doch noch gebacken das Kapitel zu kommentieren, bevor es weiter geht.
Ich finde, dass es ein sehr schönes Kapitel zum Abschluss ist und ich find auch den Cliffhanger nicht so schlimm, wie ich erst gedacht habe.
Zumindest hat Kats wieder etwas Hoffnung darauf, dass vielleicht doch noch nicht alles verloren ist und eine mögliche Sichtweise Setos.
Ich vermute mal, dass die Frau nicht so hilfsbereit reagiert hätte, wenn Kats von einem Verlobten gesprochen hätte.
Na die hälfte der Wartezeit, bis es weiter geht, ist ja schon rum und oh Wunder, wir leben noch, trotz Entzug xp
Wünsch dir ein schönes Weihnachtsfest und komm gut ins neue Jahr.
Von:  Blanche7
2010-11-19T15:58:49+00:00 19.11.2010 16:58
Ein toller schluss, der einen hoffen lässt!

Ich freue mich schon auf Teil 3! Schreibst du eine ENS wenn es weiter geht?

Bis bald also

-Blanche7-
Von: abgemeldet
2010-11-18T16:09:17+00:00 18.11.2010 17:09
Und ich wünsch dir ganz, ganz viel Glück dabei, Katsuya *^*
Einen Toast auf ihn, auf Gepo, auf die scheidende Ära und auf die beginnende. Vielen Dank dafür ^-^
Von:  MarieSoledad
2010-11-16T23:26:40+00:00 17.11.2010 00:26
Oh man, das ist echt ein sehr sehr gemeiner Cliff.
Aber es ist auch sehr schön, dass es doch einen Lichtblick gibt.
Ich bin schon gespannt, ob die alte Dame im 3. Teil auch weiter vorkommt oder ob sie nur eine Einmalbegegnung war....

Wahhhh...und jetzt wo ich wieder angefangen habe zu lesen gibts wieder eine ewige Wartezeit =( ^^

Ich bin schon so gespannt wie es weitergeht - was bedeutet der Titel des 3. Teils eigentlich? So gut ist mein Englisch dann doch nicht^^

Ich weiß gar nicht wirklich, was ich jetzt dazu sagen soll...irgendwie scheint es, als ob sowieso alles gesagt ist, um Kats irgendwie wieder auf den rechten Weg zu bringen....so nach dem Motto "...und jetzt kanns losgehen"
Aber ja, er hat viel, sehr sehr viel zu richten....
Von:  Eisenprinzessin
2010-11-16T23:00:00+00:00 17.11.2010 00:00
Woah, du bist der gemeinste Autor, den ich kenne - ein Buch mit einem Cliffhanger zu beenden! zzzt! Ich kann mich gerade nicht entscheiden, ob es traurig endet, weil es ja doch positiv klingt. Auf jeden Fall endet es schön und es ist absolut unerlässlich, den dritten Teil zu lesen!
(Bleibt Kats eig im Buch blond? Muss er eigentlich wegen der Storyline, oder? Ich mag ihn blond einfach, auch wenn er dann anders heißt...)

Diese nette alte Dame war mir im ersten Moment suspekt, auch als Mittel zur Erkenntnis, aber du hast sie schön umgesetzt und aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es das wirklich gibt - ich find das schön, es ist nichts abstraktes, sondern lebendig.
Schade das man von Seto im letzten Teil nicht mehr aktiv gehört hat, aber das würde natürlich überhaupt nicht reinpassen jetzt!

Gratulation also erst mal zum 2. abgeschlossenen Roman und zum Studium, dass du nebenher (:D) noch mit Erfolg machst!
Hehe, jetzt hab ich ganz zum Ende doch noch eine Frage - Wie kamst du auf den Gedanken, DS zu schreiben? Hast du gedacht, dass es 3 Teile nach sich ziehen wird?

Liebe Grüße :).
Von:  Shakti-san
2010-11-16T13:18:09+00:00 16.11.2010 14:18
DS2 ist vorbei und noch lange hin bis DS3 *seufz*
das letzte cap passt als abschluss genau. ein kleiner hoffnungsschimmer für Kats, das er vllt doch nicht alles zerstört hat.
ich bin total gespannt, wie es weitergehen wird. ob Seto Kats verzeihen kann, was Yami nun von sich hält als person und als freund, fragen über fragen.
wie du siehst, wirst du mich auch beim dritten teil wieder als fan behalten können.
wünsch dir fürs restliche jahr noch viel erfolg.
LG Ran


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