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Field of Illusions

two visions in black
von

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Seelenblut

Ein leises Stöhnen drang durch die Nacht, sein verschwitzter Körper wandte sich und seine Hand krallte sich tief in das Holz. Sein Körper erbebte und ein weiteres, leises Stöhnen verließ seine Kehle. Seine Augen bewegten sich fiebrig unter den geschlossenen Liedern und ein heiserer, gequälter Schrei drang über seine trockenen Lippen. Sein Atem ging schnell und seine weit aufgerissenen Augen starrten Schock genährt in die schwarze Nacht. Er hörte das leise Atmen und Schnarchen seiner Freunde. Fahrig wischte er sich über die Augen, streifte durch sein kurzes Haar und langsam drang es in sein Bewusstsein:

Es war nur ein Traum.

Sein rasendes Herz beruhigte sich langsam, seine Muskeln entspannten sich allmählich und er versuchte seinen schnellen Atem zu drücken. Schwer erhob er sich von den Dielen und stolperte in das Badezimmer. Er schlug sich das kalte Wasser in sein heißes Gesicht. Der Schock ebbte ab und eine Frage schlich sich wie selbstverständlich zwischen seine wirren Gedanken:

War es noch immer nicht vorbei?

Er hasste diese Träume, die ihn immer wieder heimsuchten um ihn zu erinnern. Als ob er es je vergessen würde, könnte. Auch ohne diese Träume war es ihm nicht möglich diese Bilder zu vergessen. Er wollte es gerne, ja, aber er konnte es einfach nicht. Er würde es nie vergessen.

Er sah in den Spiegel, blickte in seine giftgrünen, kalten Augen und fragte sich, was aus ihm geworden war.

Er war kalt, brutal und tötete ohne darüber nachzudenken, konnte dem ganzen sogar Freude und Spaß abgewinnen, wenn er einem Opfer sein Schwert in die Brust stieß und das fremde Blut an der Schneide hinunter lief.

Er war ein Monster, ein blutgieriges Ungeheuer.

Er tötete zum Spaß und fieberte schon dem nächsten Kampf entgegen, wenn er das nächste Mal töten würde. Er wollte das Blut anderer fließen sehen, auf seinen Lippen schmecken und auf seiner Haut fühlen, wie es langsam und warm hinunter rinnt.

Er ekelte sich selbst an.

Er hasste seine giftgrünen Augen, die ihn kalt und mordhungrig aus dem Spiegel heraus ansahen. Er hasste seine grünen Haare, die ihn als das auszeichneten, was er eigentlich war. Er hasste seinen muskulösen und gestählten Körper, der zu nichts anderem fähig war, als zu töten. Er hasste seine Seele, die nach fremdem Blut gierte, und er hasste seine Gedanken, die immer nur Mord und Totschlag im Sinn hatten.

Er klatschte sich noch einmal eine Hand voll Wasser in sein Gesicht, wollte seine Gedanken fortspülen.

„Warum bloß…?“, fragte er mit schwacher Stimme sein eigenes Spiegelbild. „Warum lassen sie mich nicht in Ruhe…? Woher kommt ihr nur…?“, fragt er in den Raum hinein, betrachtete weiter das beinahe fremde Gesicht im Spiegel und wartete auf die Antworten seiner Fragen. Aber die würde er niemals bekommen.

Eigentlich wusste er die Antwort auch schon längst: Er lebte um zu Töten. Anderen Leuten das Leben zu nehmen, war seine Lebensaufgabe, dafür war er geboren worden. Er hatte nie etwas anderes als Tod und Mord kennen gelernt und den Spaß daran hatte man ihm beigebracht, gepredigt und eingeprügelt. Er kannte es einfach nicht anders und das hasste er am aller meisten.

Er seufzte leise, wandte sich von dem Spiegel ab und ging langsam wieder zurück in die Jungenkajüte. Er legte sich zurück auf die Bretter. Er lag auf dem Rücken, neben Sanji und starrte hoch. Auch wenn er die Decke nicht sah, es war zu dunkel dazu, sah er sie an, studierte sie, obwohl er sie zu genüge kannte und versuchte nur halbherzig wieder einzuschlafen. Er wollte diesen Traum nicht zweimal in einer Nacht träumen, obwohl es vielleicht grade erst Mitternacht war. Einmal pro Nacht reichte dieser Traum und er fragte sich, warum er ihn nie bekam, wenn er Tagsüber schlief. Lag es an der Dunkelheit, die ihn nachts umgab? War das Licht der Sonne wie Gift für seine Träume? Oder bildete er sich das nur ein?

Er seufzte leise, drehte sich auf die Seite und schloss die Augen. Auch wenn er nicht wirklich schlafen wollte, etwas Besseres fiel ihm grad nicht ein, was er tun könnte und so schlief er schlussendlich doch wieder ein.

Als er am nächsten Morgen aufwachte, weckte ihn der laute Ruf Ruffys, der nach Essen verlangte. Er war froh, nicht noch einmal geträumt zu haben.

Er erhob sich von den Dielen, die sein Schlaflager waren.

Wieder eine Nacht vorbei. Zum Glück.

Langsam schlurfte er über das Deck zur Kombüse aus deren Tür Ruffy mal wieder angeflogen kam und fest gegen den Mast prallte.

Er schüttelte leicht den Kopf und schmunzelte. Ihr Kapitän würde es wohl niemals lernen.

„Ah, Zoro!“, rief Ruffy ihm zu, „Willst du auch in die Kombüse? Pass auf, Sanji schlägt aus.“ Ruffy grinste ihn an.

Er schüttelte leicht den Kopf: „Ich warte noch.“

„Okay“, Ruffy zuckte mit den Schultern und versuchte selbst noch einmal, wieder in die Kombüse zu gelangen.

Sanjis laute Rufe hörte man aus jeder Ritzte zwischen den Holzbrettern.

Es war alles wie immer.

Er nickte sich selbst leicht zu. Nichts änderte sich, egal wie oft er diese Träume auch hatte. Sie hatten keinen Einfluss auf sein Leben. Es war beruhigend, das zu sehen.

Das Leben mit seinen Freunden war schön, so wie es war. Das musste sich nicht großartig ändern. Hauptsache sie hatten ihren Spaß am Leben.

Das war doch wirklich das einzige, was zählte.

Sanjis Ruf zum Essen durchbrach die morgendliche Ruhe und war der Startschuss für einen aufregenden Tag voller Abenteuer und Lebensfreude.

Für ihn hieß das allerdings zu erst Sanji beim Abwasch zu helfen. Für diesen Tag war er nun einmal eingeteilt worden.

Schweigend nahm er die sauber gespülten Teller von Sanji entgegen, trocknete sie ab. Sie schwiegen meistens bei dieser Arbeit. Er war noch nie besonders redselig gewesen.

Dieses Mal unterbrach Sanji jedoch das Schweigen: „Lass dich mal von Chopper durchchecken, Marimo.“

„Hm?“ Er hatte keine Ahnung, was Sanji meinte.

„Wegen diesen Träumen, Hohlbirne. Das nervt!“

Er sah Sanji überrascht an, zog eine Augenbraue nach oben: „Wovon spricht du, Schmalzlocke. Ich bin Kerngesund!“

„Das glaub ich nicht“, hielt Sanji dagegen, „Es turnt mich echt tierisch ab, dass du mich fast jede Nacht aufweckst.“

Zoro schnaubte: „Dann lass dich halt nicht wecken, Kochlöffel.“

„Wenn du mir nicht deine Krallen in den Arm jagen würdest, wäre das auch sicher leichter, Algenkopf! Was träumst du überhaupt für ’nen Müll?“

„Geht dich nichts an“, maulte er zurück. Er wollte es Sanji nicht erzählen. Niemandem! Das war ganz allein seine Sache und das würde sie auch bleiben.

„Sturer Esel!“, protestierte Sanji und gab ihm den letzten Teller.

„Suppenkelle.“

Als auch der letzte Teller im Schrank stand, klaubte er sich noch eine Flasche Rum aus dem Schrank und verlies die Kombüse. Er setzte sich in den Schatten der Orangenbäume und hoffte, seine Freunde würden ihn in Ruhe lassen.

Dass war das schlimmste an diesem Schiff: nie war man wirklich mal allein.

Glücklicherweise kam aber niemand zu ihm. In Ruhe trank er den Rum, verbannte die Gedanken an seinen Traum. Symbolisch schluckte er sie runter in die Tiefen seines Magens, irgendwo in seinem Körper sollten sie einen anderen Platz finden.

Sie fanden und er widmete sich wichtigeren Dingen: Seinem Training.

Das war wirklich wichtig und forderte seine ganze Aufmerksamkeit. Schließlich musste er stärker werden. Er musste seinen Traum verwirklichen, sein Versprechen erfüllen. Einfach der Beste werden! Er musste seinen Freunden im Kampf beistehen, sie unterstützen und beschützen. Sie verließen sich auf ihn, er durfte sie nicht enttäuschen.

Er starrte auf das ruhige Meer. Keine Wellen schlugen zusammen, spielten nicht miteinander. Der Wind lag still. Sie kamen nicht voran.

„Eine Flaute…“, hinter ihm stand Nico Robin, stellte sich neben ihn und lehnte sich an die Reling.

Er nickte leicht.

Sie schwieg einen Moment, stand einfach nur da und sah mit ihm auf das Meer hinaus. Er unterbrach sein Training nicht; es könnte schon in ihrem nächsten Abenteuer über Leben und Tod entscheiden – ihr Leben oder ihr Tod.

Minutenlang schwiegen sie, standen nur da. Sie sah auf das Meer hinaus, er stählte gewissenhaft seine Muskeln.

„Mann kann die Welt nur bekämpfen, wenn man sich ihr stellt“, erklärte Robin plötzlich, ihren Blick noch immer auf das weite Blau gerichtet. Leichter Wind wehte durch ihr schwarzes Haar, war zurückgekehrt.

Er blickte sie kurz an, fragend. Er wusste nicht, was sie ihm sagen wollte. Wie so oft, wenn sie etwas sagte. Sie war ausgesprochen klug, aber richtig ausdrücken gehörte nicht zu ihren Stärken.

Sie lächelte ihn nur zuversichtlich an.

Er richtete seinen Blick wieder auf das Meer, zählte weiter seine Trainingseinheiten. Er hielt Robins Worte nicht für besonders wichtig. Auch wenn er wusste, dass sie meist nie etwas ohne Grund sagte.

Als sie schließlich ging, lächelte sie ihn noch einmal viel sagend an und widmete sich wieder einem ihrer vielen Bücher.

Zoro trainierte unbeirrt weiter. Bewegte die Gewichte auf und ab, ab und auf. Wie ein geöltes Uhrwerk, immer im gleichen Takt.
 

Auch dieser Tag verging und die Nacht brach erneut über das kleine Schiff und seine Mannschaft ein. Wach lag Zoro auf dem Boden der Jungenkajüte, starrte in die Dunkelheit und rezitierte das Muster der Holzmaserung, nur um nicht einzuschlafen und wieder diesen Traum haben zu müssen. Aber er konnte nicht ewig dem Schlaf entkommen, vor der Nacht fliehen. Seine Augen fielen zu, ließen ihn tief in Schlaf versinken. Erneut Träumen.

Er kämpfte mit sich, warf sich im Schlaf unruhig von einer Seite auf die andere und keuchte vor Anstrengung. Kalter Schweiß lag auf seiner Stirn. Er fühlte sich umklammert, wie gefangen. Man hielt ihn fest, raubte ihm die Freiheit, den Atem. Er hielt sich fest, klammerte an der Wirklichkeit. Er suchte nach jedem Strohhalm um sich zu retten, fand nichts und versank immer tiefer zwischen den Waben seiner leidvollen Vergangenheit und seinen unheilvollen Alpträumen. Er hörte sie rufen und schreien, nach ihm. Sie röchelten. Sie starben. Alle hatten Angst…

„Zoro!“

Er riss panisch die Augen auf, sah Licht. Er sah in blaue, schockgeweitete Augen; fühlte den festen Griff.

„Sanji…?“ Was war passiert? War schon wieder Tag?

„Lass mich los…! Marimo…“ Sanjis Stimme klang erstickt, röchelte.

„Zoro! Lass ihn los!“, riefen auch Ruffy und Lysop. Chopper wuselte aufgeregt um sie herum.

Gefangen zwischen Wachen und Träumen lies er los, was er umklammerte, nicht bemerkt hatte: Sanjis Hals.

Sanji hustete, holte tief Luft. Er starrte Zoro böse und misstrauisch an: „Was würgst du mich, du Idiot? Willst du mich umbringen?“

„Du hast doch nur geträumt, oder?“, versicherte sich Ruffy.

Zoro nickte leicht. „Was ist passiert?“, rieb sich den Schlaf aus den Augen.

„Du hast mich fast erwürgt, Mann!“, sprang Sanji auf, wütend.

Zoro sah ihm ungläubig entgegen, schüttelte seinen Kopf. Das würde er doch nicht tun. Sie waren doch schließlich Freunde, auch wenn sie sich gerne prügelten. Das war doch was anderes.

Aber die Male an Sanjis Hals waren eindeutig, hoben sich stark von der blassen Haut des Koches ab.

„Was musst du wohl geträumt haben…?“, fragte Lysop mehr sich selbst, schüttelte leicht den Kopf. Verwunderung lag in seiner Stimme.

„Hm…“, antwortete Zoro nur. Wollte nicht antworten.

Die Wahrheit war so schon schrecklich genug zu ertragen, da kam aussprechen gar nicht mehr in Frage. Er wollte es doch endlich einfach nur vergessen. Ohne diese Schmach, das Elend und den ganzen Schmerz leben.

„Lasst uns wieder schlafen. Ist doch alles wieder in Ordnung…“, meinte Ruffy in mildem Ton.

Sanji schnaubte, kletterte den Mast hoch und an Deck: „Kann nicht mehr schlafen…“, murmelte er dabei.

Zoro saß noch immer steif und aufrecht an seinem Schlafplatz, wollte nicht glauben, was er versucht hatte. Beinahe angerichtet hätte. Er sah seinem Freund nach, langsam schwang sein Blick wieder zurück auf Sanjis Schlafplatz. Das Licht ging erneut aus und er saß wieder im Dunkeln. Wollte wieder nicht einschlafen. Furcht schlich sich in sein sonst so starkes und mutiges Herz.

Er wollte seine Freunde nicht verletzten, versuchen sie zu töten. Er wollte sie nicht verlieren!

„Schlaf noch ein wenig, Zoro…“, hörte er Ruffy in die Nacht nuscheln.

Aber das konnte er nicht. Wie sollte er schlafen, wenn er mit seinen Träumen seine Freunde versuchte umzubringen? Seine Freunde waren ihm heilig! Die rührte niemand ungestraft an – und er? Sollte er wirklich eine Bedrohung für sie sein? Eine Gefahr?

Das konnte er nicht verantworten!

Er stand auf, verließ die Jungenkajüte. Er stand an Deck und sah sich um.

Natürlich, das Licht in der Kombüse brannte. Sanji ging nirgendwo anders hin, wenn er einen Platz für sich brauchte. So war Sanji eben. Suchte man ihn, war er in aller Regel in seiner heißgeliebten Kombüse.

Vor dieser stand auch Zoro jetzt, sah die Tür an und das Licht, das unter ihr hindurch schimmerte. Er seufzte leise.

Irgendwie verspürte er den Drang mit Sanji zu reden, sich zu entschuldigen. Aber wie könnte er Sanji gegenüber treten? Er hatte ihn umbringen wollen! Außerdem… Er hatte sich noch nie entschuldigt. Hatte es bisher nicht für nötig gehalten. Wer sich entschuldigte, gestand sich Fehler ein und er machte keine Fehler. Normalerweise…

Aber er wusste, jetzt war es angebracht.

„Man kann die Welt nur bekämpfen, wenn man sich ihr stellt…“, hörte er Robins Worte. Er runzelte seine Stirn.

Ob sie vielleicht etwas wusste oder ahnte? Ihm versuchte zu helfen? Bei Robin konnte man nie sicher sein… „wenn man sich ihr stellt…“

Wie sollte er sich seinen Träumen denn stellen? Das war es doch sicher, was Robin meinte, ihm sagen wollte.

Die Kombüsentür schwang auf und Sanji stand im Türrahmen, sah Zoro überrascht an. Hatte natürlich nicht mit ihm gerechnet. Seine Stirn legte sich in Falten. Er hatte wohl auch nicht mit dem Schwertkämpfer rechnen wollen.

„Was willst du?“, murrte er finster.

Zoro schwieg einen Moment, einen langen Moment. Was wollte er? Wollte er etwas?

Er schwieg noch immer, als Sanji sich in der Tür umdrehte und diese hinter sich zu fallen lies.

Zoro seufzte lautlos, stand stumm vor der erneut geschlossenen Tür. Dann straffte er seine Schultern, öffnete die Tür und betrat das Reich des Smutjes.

„Koch…“

„Was is’? Willst du’s noch mal versuchen?“, schnarrte Sanji.

„Nein, natürlich nicht!“

„Was denn dann?“

Zoro holte tief Luft, überwand seinen inneren Schweinehund: „Es… Es tut mir leid…“

Sanji schnaubte, schien nicht besonders beeindruckt. „Du wolltest mich erwürgen!“

„Wollte ich nicht!“, widersprach er heftig. Sanji war doch sein Freund.

„Und warum hast du’s dann getan?“, fragte Sanji.

Zoro zuckte leicht mit den Schultern. Das wusste er auch nicht recht…

„Verdammt Marimo!“, Sanji war wütend, „Spuck’s endlich aus oder erstick dran!“ Dann sah er ihn abwartend an.

Zoro schwieg weiter, zuckte nur wieder leicht mit den Schultern. Er hatte sich entschuldigt, das musste reichen.

Sanji seufzte frustriert und setzte sich an den Tisch, zündete sich eine Zigarette an.

Zoro blieb stehen, bis Sani ihn mit einem auffordernden Blick ansah und eine unwirsche Handbewegung machte. Dann saß er Sanji gegenüber.

„Du erzählst mir jetzt, was lost ist, Marimo, oder ich kick dich so lange bis zum Mond, bis du Flügel kriegst. Verstanden!“

Zoro seufzte innerlich.

„Raus mit der Sprache: Was träumst du, Zoro?“, fragte Sanji, war nah dran, die Geduld zu verlieren.

Aber Zoro schwieg, weigerte es sich zu sagen. Bis er schließlich einlenkte: „Von früher… aus meiner Kindheit…“

Sanji hob eine Augenbraue: „Deswegen bringst du mich fast um?“

Schnell schüttelte Zoro den Kopf: „Nein, nein. Das war nicht meine Absicht… Ich träum nur nicht gern davon.“

„Hab ich gemerkt“, bestätigte Sanji trocken, „Und was genau träumst du?“

Zoro sah Sanji zweifelnd an. Aber dieser zuckte leicht mit den Schultern und versuchte sich an einem schiefen, aufmunternden Lächeln: „Manchen hilft’s, sich ihren Dämonen zu stellen – Außerdem hab ich ein Recht drauf zu wissen, worum’s hier geht. Immerhin wär ich fast abgekratzt, Marimo.“

Zoro blickte auf die Tischplatte, musterte die Holzmaserung. Sah anders aus als die Decke in der Kajüte…

„Wird dir schon keinen Zacken aus der Krone brechen.“

„Naja…“, begann Zoro langsam, wusste nicht, was er genau erzählen sollte: „Damals herrschte Krieg in meinem Dorf…“

Sanjis Augenbraue hob sich interessiert: „Erzähl mal.“

„Hm…“, eigentlich wollte er es ja eben nicht erzählen.

Sanji sah ihn einfach stumm und auffordernd an, wartete ab bis sein Freund soweit war.

Zoro schwieg weiter, verbissen. Er wollte es einfach nicht aussprechen, nicht wieder in die Realität zurückbringen und einfach nur seine Träume vergessen.

„Erzähl mir von deinem Traum…“, sagte Sanji leise, mit warmer Stimme.

Noch einen Moment schwieg er und wollte den Kopf schütteln, doch er besann sich eines Besseren, schloss die Augen und begann, sich den Traum ins Erinnerung zu rufen: „ Ich wisch das Blut von meiner Weste und ich dreh mich um. Es brennt die Stadt… Überall Verletzte und ich seh mich um… Ich kenn die Macht. Das Dunkel kommt und frisst uns auf… Wir werden panischer… Ich steh mit meinem Schwert und halt es auf, als ob es gar nichts wär. Seht ihr meine Klinge?…“ Er hielt inne. Es wirbelte ihn innerlich auf. Seine Hände verkrampften sich ineinander.

Sanji sah ihn neugierig an: „Bist du im Krieg?“, fragte er leise, wollte Zoro nicht stören.

„Ich bin ein Krieger und ich kämpf für euch, renne in die Flammen und kann euch sagen: Keiner wird enttäuscht… Die Stadt umschleichend, falsche Augen überwachen mich… Ich schütze meine Liebsten, denn sie haben Angst und lachen nicht… Sie haben Tränen in den Augen. Keine Hoffnung mehr…“ Er seufzte leise, „Ich rate jedem noch zu glauben, sei es auch noch so schwer… Wie ein Titan werf ich die ganze Welt in einen Krieg. Ich kämpfe, bis der Letzte fällt… Ein Ritter, der die seinen liebt… Mein Herz brennt. Gottes weiße Krieger reisen an, brechen meine Zweifel, ob das Gute sich beweisen kann… Es ist die Ruhe vor dem Sturm, noch ist es leise. Dann schwinge ich das Schwert in die Schlacht… Nennt mich den Eisenmann…“ Zoro hörte auf zu reden. Er konnte die Erinnerungen nicht ertragen, wollte sie wirklich endlich vergessen. Er war schon wieder so tief eingedrungen, dass sein ganzer Körper zitterte.

„Erzähl weiter…“, forderte Sanji leise, gespannt und neugierig.

Zoro schüttelte schwach seinen Kopf. Er konnte nicht mehr. Es war einfach zu viel. Sein innerstes wehrte sich gegen die Erinnerungen, gegen die Bilder aus seiner Vergangenheit.

Er hasste sie.

„Zoro?“, fragte Sanji besorgt.

Zoro atmete tief ein und noch tiefer aus. Versuchte sich selbst zu beruhigen.

„Vergiss deinen Traum“, sagte Sanji, „Schau mich an. Konzentrier dich auf mich.“

Zoro hob seinen Blick von der Tischplatte, blickte Sanji an und durch ihn hindurch. Er saß vor seinem blonden Freund und saß einfach nur so da. Vor den Trümmern seines Wesens.

Sanji sah ihn einen Moment an ohne zu wissen, was er tun konnte. „Lass uns schlafen gehen, noch ein wenig. Bevor die Sonne wieder aufgeht…“, schlug er vor, nicht weiter wissend.

Zoro nickte leicht, hörte Sanjis Worte, verstand sie später.
 

Die Sonnenstrahlen trafen sein Gesicht und blendeten seine Augen. Er blinzelte, vertrieb den leichten Schmerz. Der Morgen erwachte, schon längst konnte man das leckere Frühstück über das Deck wehen riechen. Er stemmte sich auf, sah sich um. Die anderen waren schon alle aufgestanden. Jetzt hörte er auch die leisen Stimmen, die sich um das Frühstück stritten.

Hatte er verschlafen? Hatte ihn niemand geweckt?

Er stand richtig auf, streckte sich. Diese Nacht hatte er nicht noch einmal geträumt, zum Glück. Er bezweifelte aber stark, dass das an dem Gespräch mit Sanji gelegen haben könnte. Was nutzte es schon, wenn er es jemandem erzählte? Eigentlich war das doch nur von Nachteil. Immerhin zeigte er seine Schwäche und legte die Wunden frei, unter denen er noch immer so sehr litt.

Er verließ die Kajüte, kletterte an Deck und betrat schließlich die Kombüse, in welcher das normale, alltägliche Durcheinander herrschte.

„Du hast Sanji erwürgt?!“, donnerte Nami ihm sogleich entgegen und stierte ihn böse an.

Es war nicht ganz so wie immer…

„Gewürgt, Nami-Schatz, nicht erwürgt“, berichtigte Sanji, „Ich lebe ja noch…“

Nami machte nur eine unwirsche Handbewegung. War für sie wohl mehr eine Frage des Prinzips denn der Tatsachen.

„Eben, er lebt ja noch…“, brummte auch Zoro als Antwort. Seinethalben musste man das jetzt nicht für jeden einzelnen breittreten. Es war ihm schon peinlich genug.

Konnten sie es nicht alle einfach im Kollektiv vergessen? Das war alles nicht passiert. Er hatte Sanji nie gewürgt und würde es auch nie tun.

Ganz einfach.

„Und was war da jetzt mit dem Krieg?“, hackte Nami weiter nach und musterte ihn skeptisch.

Er hob leicht eine Augenbraue. Hatte Sanji das etwa weitererzählt? Er hatte es ihm anvertraut, nur ihm allein.

„Shimoshiki hat nie Krieg geführt“, erklärte Robin, aß ihr Frühstück.

„Wie?“ Ihre Freunde sahen sie erstaunt an. Woher sie immer alles wusste…

„Shimoshiki, Zoros Heimatdorf, führt keine Kriege. Es ist ein friedliches Dorf mit einer friedliebenden Bevölkerung. Sie legen nur großen Wert auf ihre Tradition, wie zum Beispiel Kendo. Für seine Kendomeister ist das Dorf weltberühmt. Dabei geht es ihnen aber mehr um die geistige Ausbildung. Direkte Gewalt lehnen sie ab“, erklärte Robin.

Zoro fing Sanjis skeptischen und enttäuschten Blick auf. Glaubte wohl, er habe ihn belogen… Dabei fühlte sich Zoro im Moment von ihm betrogen. Zählte das nicht? Er hatte getratscht wie ein altes Waschweib!

„Zoro!“, drohte Nami und sah ihn noch böser an.

Er brummte verstimmt. Warum versuchten sie alles aufzudröseln? Da gab es nichts mehr…

„Sag die Wahrheit!“

„Da gibt es nichts zu sagen“, erklärte er und schaute genauso böse zurück.

Nami keifte, verabreichte ihm noch eine Dosis Kopfnüsse: „Da macht man sich Sorgen um euch Idioten und dann so was!“

„Dann lass es!“, knurrte Zoro und verließ die Kombüse. Ohne sich gesetzt oder was gegessen zu haben.

„… Vielleicht… Vielleicht wurde er ja aus seiner Heimat vertrieben oder ist geflohen oder so?…“, murmelte Chopper. Er konnte sich vorstellen, wie hart das war, und dass Zoro sich nicht gerne daran erinnerte. Es war schwer, seine Heimat verlassen zu müssen, vertrieben zu werden.

„Vielleicht…“, stimmte Lysop zu, blickte zu Robin, „Weißt du dazu auch was?“

„Hm“, sie dachte einen Moment nach, „Eines der Nachbardörfer war sehr kriegerisch. Jahrzehnte lang wallten Bürgerkriege in ihm, Shuanshiji, und trieben es in den Ruin. Selbst die Kinder mussten kämpfen. Sobald sie laufen konnte, gab man ihnen Waffen in die Hände… Aber niemand von ihnen ist geflohen. Sie waren sehr stolz, zu stolz um aufzugeben oder zu fliehen. Heute ist das Dorf verlassen; nur noch Ruinen, die von den schrecklichen und blutigen Kämpfen zeugen. Der Krieg hat die gesamte Bevölkerung gefordert. Keiner soll überlebt haben als die Regierung vor zehn Jahren die Kriege beendete.“

„Mein Gott…“, das war eine schreckliche Geschichte.
 

Zoro saß im Krähennest.

Er war wütend, enttäuscht und fühlte sich von seinen Freunden hintergangen.

Seit wann war ihre Vergangenheit wichtig? Niemand von ihnen interessierte sich für die vergangenen Schicksalsschläge der anderen. Sie sprachen nicht darüber, fragten nicht.

Es war das Hier und Jetzt, das zählte.

Aber bei ihm machten sie eine Ausnahme! Bei ihm war ja immer alles anders. Er war anders…

Er seufzte leise.

Vielleicht war er anders, aber das mussten seine Freunde doch nicht wissen. Er war so, wie er war. Darum ging es doch – und nicht darum, wo er herkam oder was er als Kind alles getan hatte…

„Zoro?“, hörte er leise Sanjis Stimme.

Er sah auf, Sanji kletterte in den Korb.

„Du warst so schnell weg…“, Sanji setzte sich neben ihn, sah ihn einen Moment an, „Bist du ein Flüchtling?“

Verzögert hob Zoro seine Schultern: „Macht’s was?“

„Nein, nein. Nur…“, Sanji stockte, „Es nagt noch an dir, richtig?“ Es war eine Feststellung statt eine Frage. Aber es war auch offensichtlich, dass es Zoro noch immer beschäftigte.

Wieder zuckte Zoro nur mit den Schultern.

Sanji lächelte leicht, nachsichtig. Er hatte keine richtige Antwort erwartet, so klar, wie das alles war.

„Zoro… Marimo, wenn… Wenn du was loswerden willst…“

Zoro nickte leicht. Hatte Sanji ihm schon gesagt.

„Vielen hilft’s… Dann hat man’s los, verstehst du.“

Zoro nickte wieder leicht. Möglich war es bestimmt.

Einen Moment schwieg auch Sanji, bis er noch einmal ansetzte: „Bevor du mich doch noch richtig erwürgst…“, und grinste verlegen und ziemlich missglückt.

„…’kay…“, nickte Zoro wieder, wollte nur, dass Sanji das Thema endlich ruhen lies. Wie sollte er es so in der Versenkung verschwinden lassen, wo es hingehörte? Schon die wenigen Worte, die er Sanji in der vergangenen Nacht anvertraut hatte, hatten ihn völlig überfordert. Er konnte darüber nicht reden, konnte es einfach nicht in Worte fassen – und wollte es auch nicht. Aber es war ihm sowieso unmöglich.

Auch wenn er zugeben musste, dass es sich irgendwie erleichtert in seiner Brust, auf seiner Seele anfühlte. Ein wenig, nicht viel. Aber die Bilder aus seinen Träumen, aus seinen Erinnerungen, das Blut auf den Klingen und die Trümmer der Stadt schienen ihn weniger fest zu umschlingen als sonst. Sie fraßen ihn nicht mehr bis auf den Grund, bis zum völligen Nichts auf. Vielleicht verloren sie wirklich ihre Schrecken, wenn er sie aussprach. Einfach, wenn er sie teilen konnte, jemandem einen Teil der Last abgab.

War das der Schlüssel zum Vergessen?

Teilen.

Sein Leben lang schon versuchte er immer nur selbst mit seinen Problemen fertig zu werden, sie selbst zu lösen. Er nahm keine Hilfe an, aus Prinzip nicht. Immer hatten sie ihm gesagt, er sei ganz auf sich allein gestellt. Allein im Kampf und auch im Leben – wenn er überlebte.

Aber er war nicht mehr allein. Er hatte Freunde gefunden. Sie lebten mit ihm, kämpften mit ihm. Seite an Seite. Sie waren immer für ihn da und standen ihm bei, wenn er sie brauchte.

Jetzt doch auch.

Sanji wollte ihm helfen, sich seine Probleme anhören. Einfach für ihn da sein. Und Robin. Sie war niemand, der überall seine Nase hineinsteckte, aber sie hatte versucht, ihm einen Rat zu geben. Aber auch seine anderen Freunde. Sie waren sicher nur so bestürzt gewesen, weil sie sich Sorgen machten.

War es nicht so?

„Ich… Vielleicht“, sagte er schließlich.

„Schon okay“, Sanjis Stimme sprach mild und warm, genau wie seine Hand auf Zoros Schulter.

Er sah auf und ein kleines Lächeln huschte über seine schmalen Lippen. Vielleicht machte es ihn doch nicht so schwach, wenn er diese Geschichte erzählte.
 

Nach dem Abendessen saß Zoro noch immer in der Kombüse.

Er wusste nicht, ob er sich gefahrlos schlafen legen könnte. Vielleicht versuchte er wieder, Sanji zu erwürgen?

Das wollte er auf keinen Fall riskieren.

„Willst du nicht schlafen heute Nacht?“, fragte Sanji, lehnte lässig im Türrahmen.

Es war schon tiefste Nacht am Himmel.

Zoro zuckte leicht mit den Schultern: „Sieht nicht so aus.“

Sanji nickte leicht, stieß sich sanft ab und holte aus dem Schrank eine Flasche Rum und eine Flasche Wein mit Glas und setzte sich zu Zoro an den Tisch. „Dann ist es nicht so einsam.“

Zoro nickte leicht. Sanji war wirklich ein wahrer Freund, auch wenn es manchmal nicht danach aussah, als ob sie sich mögen würden.

„Hm, weißt du…“, fing Sanji an, „Robinchen hat vorhin noch von eurem Nachbardorf erzählt. Shuanshiji, oder so…“

Zoro sah auf den Tisch: „Da bin ich geboren…“, erklärte er wahrheitsgemäß. Aber wahrscheinlich hatten sie sich das schon gedacht. Gerade Robin war ja nicht dumm.

Sanji nickte leicht: „Klang ziemlich übel und blutig… was Robin darüber wusste.“

Zoro blieb stumm. Das war es auch gewesen, wenn man ihn fragte. Mehr als das, man konnte es nicht in Worte fassen und in Büchern niederschreiben, was er dort gesehen und erlebt hatte. Zu was die Menschen dort geworden waren. Sie alle waren Menschen, gezeichnet von Krieg, Tod und Zerstörung. Keiner traute dem anderen, jeder trug seine Waffen, benutzte sie bei allen Kleinigkeiten. Nichts war wohl schlimmer als die Realität.

„Sie meinte auch, es hätte dort niemand überlebt…“, erzählte Sanji weiter, war wohl wieder von seiner Neugierde getrieben.

„Die Regierung hat das Dorf und die Umgebung völlig zerstört“, antwortete Zoro leise, „Wir haben vom Dojo aus mal die Ruinen besucht…“, er schluckte. Er hatte in ihrer alten Wohnung gestanden, doch mehr als Stummel der Wände und Mauern war nicht übrig geblieben. Überall nur Asche, verkokelte Reste ihrer Möbel und Sachen – seiner Eltern. Er glaubte, in das knochige Gesicht seiner Mutter am Boden geblickt zu haben… „Ich hab kaum noch was wieder erkannt.“

Sanji nickte leicht. „Hm… Warst du vorher schon… geflohen?“

Zoro sah auf. Glaubten seine Freunde, er wäre ein unschuldiger Flüchtling, der einfach nur sein Leben gerettet hatte? „Nur ein paar Wochen, nicht lange. Es hat, glaub ich, auch keiner gemerkt, dass ich fort war.“

Wieder nickte Sanji leicht, nippte an seinem Wein.

„Weißt du… Ich hatte vorher noch nie einen Menschen sterben sehen, weil ich ihn getötet hatte…“, er schluckte. Ihre Nachbarn, Freunde, Verwandten – er hatte schon viele sterben sehen. Waren verwundet gewesen, aber nicht durch ihn; soweit er wusste. Er hatte auch schon mit sechs Jahren auf Menschen geschossen, doch immer nur aus der Ferne.

Aber in das Gesicht eines Sterbenden zu sehen und zu wissen, dass es die eigene Schuld war…

Sanji sah ihn an, wollte etwas sagen: „Du hast… Du warst doch noch ein Kind.“ Es schien ihn zu empören, zu schockieren.

Zoro zuckte nur mit den Schultern, trank von dem Rum: „Waren wir nicht. Wir waren nur klein, und jung – aber Kindsein ist was anderes.“

Sanji schluckte, nickte leicht: „… Kanntest du denjenigen denn?“ Immerhin konnte das Dorf ja nicht allzu groß gewesen sein. Zumindest stellte er sich das so vor.

„Ja…“, nickte Zoro mit leiser Stimme. Er nahm wieder einen großen Schluck Rum, seine Kehle war plötzlich so trocken. In seiner Brust hämmerte es und er wusste nicht, ob das Gefühl hinter seinen Lidern Tränen waren. Er machte den Mund auf, wollte Sanji erzählen, wenn er getötet und sterben gesehen hatte. Aber er konnte nicht. Er setzte wieder an, doch es stockte tief in seinem Hals. Kaum hörbar sagte er schließlich: „… Meine Eltern…“

Mit weiten Augen sah Sanji seinen grünhaarigen Freund an. Konnte und wollte es nicht glauben. War sich nicht sicher, richtig gehört zu haben. „D-Deine Eltern?“

Zoro nickte, seine Hände zitterten und hielten sich an der Flasche fest.

Ungläubig schüttelte Sanji seinen Kopf, murmelte: „Das geht doch nicht…“ Konnte es wirklich einfach nicht fassen. „Aber, warum? Wer… wer bringt denn seine eigenen Eltern um?“, fragte er Zoro. Es war ihm unmöglich, das zu verstehen.

Zoro schüttelte leicht den Kopf, musste sich beherrschen seinen Körper unter Kontrolle zu halten. „Ich… Ich hab es nicht gewusst. Sie nicht erkannt…“ Er schluckte, sah Sanji kurz an, dann wieder die Rumflasche in seinen schwitzenden Händen. „Ich hab – getan, was sie mir beibrachten: Erschieß sie, bevor sie dich erschießen. Es überlebt nur, wer stärker, schneller, besser ist… Ich wollte doch nur nicht sterben!… Ich sah zwei Gestalten in das Haus gehen, in dem ich Zuflucht suchen wollte, und stufte sie als potenzielle Gefahr ein… Man kann ja nie wissen und so… Als ich ihre Leichen nach was Essbarem oder Brauchbarem durchsuchen wollte, hab ich sie erst erkannt… Die Frau hat mich noch angesehen, noch gesagt: ‚Das hast du gut gemacht, Zoro-Liebling’ bevor sie wirklich tot war…“

Sanji schlug seine Hand vor den Mund. Er konnte sich nicht vorstellen, wie sich das anfühlen musste, nur dass es schrecklich war. Und viel zu makaber um es zu verarbeiten, ausgerechnet in dem Alter. „Oh mein Gott…“

Zoro nickte nur leicht. Das hatte er in dem Moment auch gedacht, nach ihnen gerufen. Sie waren doch seine Eltern. Er liebte sie. Aber er hatte noch nie daneben geschossen, schließlich gehörte er nicht ohne Grund zur Elite; schon damals. Leider.

„Mit Schwertern kann einem das nicht passieren…“, er lächelte kurz bitter auf. Das war auch kein großer Trost.

„Das… das tut mir leid, Zoro…“

Zoro winkte ab: „Schon gut.“ Er konnte es nicht mehr rückgängig machen, also musste er damit leben. Und er glaubte, das mittlerweile auch schon ganz gut hinzukriegen. Immerhin hatte er schon zehn Jahre überstanden und es sollten noch mehr werden.

„Lass uns schlafen gehen“, schlug er lieber vor. Das Leben ging weiter und außerdem, hatte er eine neue Familie gefunden. Eine, die auch eine Familie war. Sie kümmerten und sorgten sich um ihn, lachten und scherzten mit ihm.

Sanji nickte: „Klar…“ Noch immer schockiert über Zoros Geschichte.
 

In der Kajüte lagen sie in ihren Hängematten. Seine Freunde schliefen tief und fest, schnarchten und brabbelten wirres Zeug vor sich her. Sie waren doch alles nur Kindsköpfe.

Er schmunzelte leicht. Deswegen mochte er sie wohl auch so sehr.

Er sah wieder hoch zur dunklen Decke, versuchte halbherzig ihre Holzmaserung zu erkennen und dachte an seine Alpträume, an die Erinnerungen, an das, was er alles als Kind erlebt hatte.

Vielleicht war Verdrängen doch nicht die richtige Taktik gewesen um damit umzugehen. Vielleicht musste er sich seinen Dämonen stellen, damit sie vergingen und ihn in Ruhe ließen. Die Unterhaltungen mit Sanji hatten ihm zumindest gezeigt, dass es kein verkehrter Weg war. Das war irgendwie beruhigend. Außerdem hatte er seine Freunde, wenn alle Stricke reißen würden…

Er schloss die Augen und wartete auf die Bilder, die kommen würden, auf die Worte, die in seinem Kopf wieder hallen würden. Er wartete auf den Traum, der kommen würde, und wollte ihm stark und mutig entgegentreten, ihn als das entlarven, was er war: Ein Trugbild.

Er war stärker als seine Fantasie, als seine Alpträume und seine Vergangenheit.
 

Adrenalin. Mein Herz springt aus der Brust hinaus. Der Berg, die letzte Hürde und ich fließ den Fluss hinauf. Mein Glaube, der mich trägt; wie ein Adler schweb ich in die Schlacht. Ich lebe für den Krieg. Hätte ich ohne einen Sinn gehabt?

Fremde Körper. Schwarze Augen. Ich erlöse sie. Sie hassen, dass ich in die Kämpfe gegen all das Böse zieh. Ich blute und hab Schmerzen, doch mein Freund, ich bleibe stehen. Ich werde mich nicht beugen. Kann die Angst in meinen Feinden sehen. Wie ein wildes Tier, dessen stolze Seele bricht, stehe ich im Sturm, solange durch die Adern Leben kriecht. Sie bilden eine Front. Purer Hass erstickt die Nacht. Ich küss das Kreuz an meiner Kette: Satan hat den Krieg gebracht. Seine Wand aus schwarzer Glut, die immer näher kommt, lässt die Menschen flüchten. Es fehlt die Kraft, die aus der Ehre stammt. Ich atme ein. Die letzte Schlacht: Sieg oder Sterben. Bringt euch in Sicherheit, denn Krieg brennt auf Erden.

Great Escape

When I was asleep, I had a dream I could fly and felt the cold on my skin, then I opened my eyes. So I jumped out of bed, went down the small alley, now I lay down on the field. I wasn't running away from something I could control, it was inside of me and I didn't know where to go, but I decided to leave.
 

Es war Nacht. Die Wolken hingen tief und dunkel am Himmel, verdeckten Sterne und Mond. Kühl wehte der Wind über die Planken, in die Segel und durch die Orangenbäume. Zoro aber fröstelte nicht, stand einfach an der Reling und sah auf das schwarze Meer hinaus, das kaum zu erkennen war in dieser dunklen Nacht. Nichts glitzerte oder spiegelte sich im Wasser und wo auch immer der Horizont war, seine Augen erkannten es nicht. Selbst sein Körper verschmolz mit der Nacht und gaukelte ihm ein Nichts vor. Er könnte überall sein und er könnte alles sein und vielleicht war er nicht einmal mehr.

Er schüttelte kurz den Kopf und nur das leise Klirren der Ohrringe verriet ihm, dass er diese Bewegung tatsächlich ausführte. Selbst das Rauschen des Meeres und die Töne des an den Bug schlagenden Wassers schienen von diesem ewigen Schwarz verschluckt zu werden.

"I'm sorry", flüsterte Zoro in die Stille und schloss seine Augen, auch wenn das praktisch kein Unterschied war. Er doch er litt. Längst vergangene Bilder und Stimmen verfolgten ihn, quälten seine Träume und zehrten an seiner Seele. Trotzdem dass er nichts sah, sah er das Blut auf der Klinge und wie es langsam daran hinab perlte und im Gras der weiten Wiese versickerte.

Langsam sank Zoro auf seine Knie, spürte das Holz. Diese Erinnerungen zu tragen war eine schier unüberwindliche Aufgabe und doch konnte er sie nicht liegen lassen. Es schmerzte ihn und gleichzeitig war er es Leid, etwas anderes vorzutäuschen. Der Schmerz, die Reue und die Qualen tief in seinem Inneren eingeschlossen, dass er jeden Tag aufs Neue hoffte, sie mögen nie mehr wieder kommen, sich nie wieder in sein Bewusstsein schlagen und so manches Mal ging es ein paar Tage gut, heute öfter als früher, doch niemals für lange.

Sanft zog er das Schwert aus seiner Scheide, das Wado Ichi Monji, jenes besondere Schwert und er glaube zu sehen, wie sich das Licht hart auf der Klinge brach und erneut die Farbe von Blut annahm. Das Blut jenes Menschen, den er einst gekannt und so sehr geliebt hatte; das Blut, das ihn nicht mehr losließ.

"What's the reason?", fragte er das Schwert.
 

Vergebens.
 

"I still remember that night, I've never been the same and I still wonder if I can fly or was it just a dream", wie ein Schatten hörte er ihre warme Stimme.

Die Erinnerungen überschwemmten ihn, ertränkten ihn unter ihrer Last und aus dem dunklen Rot formte sich das Bild eines kleinen Jungen – er. Hinter ihm das alte Dojo aus dem er trat und hielt das weiße Schwert in seinen Händen. Niemand sonst war zu erblicken und niemand sah die zahllosen Tränen auf dem kindlichen Gesicht. Heftiger und beißender Schmerz durch schnitt sein Herz, legte sich eisern um die schluchzende Kehle.
 

Sie war tot.
 

Kuina, jener wertvolle Mensch, dieses einzigartige Mädchen, diese wertvolle Freundin und geliebte Vertraute seiner Kindheit… tot, noch bevor sie keine Kinder mehr sein durften. Ihr gemeinsamer Traum lag von diesem Augenblick an auf seinen Schultern und so groß seine Kraft noch jemals werden würde, er vermisste ihre Stärke, ihre Zuversicht. Sie starb und er fühlte sich beraubt.

Ihr blass-weißes Gesicht mit den bläulichen, blutleeren Lippen war mehr als schrecklich anzusehen und ihr sonst so stolzes und spöttisches Lächeln war nicht mal eine Farce in der Maske des Todes und doch wollte er ihren Augen glauben, nur wie schlafend schienen sie zu sein.
 

So wach doch auf!
 

Allein blieb er zurück, ihr Schwert in seinen Händen und die Last der Schuld auf seinen Schultern, als würde die ganze Welt dort liegen. Sie war tot und an ihrem Grab schwor er sich, nie mehr Freundschaften zu schließen, nie mehr diesen Schmerz spüren zu müssen.

Törichtes Kind! Ein Leben ohne Freunde war so trostlos und leer, einfach einsam in dieser Welt. Nur Verzweiflung trieb einen in diese wilden Fantasien und in solch tiefe Abgründe. Wenn er jemals aufhörte, diesen Schmerz und diese Schuld zu empfinden, dann wäre auch er bereit für den Tod. Noch aber lebte er, ihr Versprechen hielt ihn in diese Welt. Eines baldigen Tages wäre er der beste Schwertkämpfer der Welt, um jeden Preis, und sein Name würde ruhmreich in den Himmel schallen. Das war er ihr schuldig und das war er sich selbst schuldig. Jahre noch hatte es gedauert, bis er sich im Spiegel sehen konnte und ehrlich hoffte, doch kein schlechter Mensch zu sein.
 

When I couldn't sleep, I heard a knock at the door. She pulled her hand on me slow and then she opened my heart. I asked myself is this real, I never felt this way. She said: I need to escape; I said: I know a place. So she lay down on my bed, I said confide in me and she looked deep into my eyes and she invited me. She must have lived in her sleep, she never said goodbye, but angels took her away. I guess now she can fly.
 

Er öffnete seine Augen, kniete noch immer vor der Reling und hielt ihr gezogenes Schwert in seinen Händen. Der Mond brach durch die schweren Wolken und blitzte blass von der Klinge zurück. Er blinzelte. Kein Blut schwamm mehr vor seinen Augen und ein leichtes Lächeln lag für einen Augenblick auf seinen Lippen.

Vielleicht vergab sie ihm ihren Tod eines Tages, wenn er ihren gemeinsamen Traum wahr machte.
 

I was unhappy for so long, so many times I walked away, think I was searching for something and not knowing what I had to face until I found out the reason. That's when I made my great escape, but now it's too late to say: I'm sorry.
 

"Turn around."



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Kommentare zu dieser Fanfic (7)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  -Sasa-chan-
2011-10-15T10:06:55+00:00 15.10.2011 12:06
Das.. Ist so toll! *_*
Du kannstso super schreiben!
Ich liebe die FF!
Und deine anderen auch!
Mach weiter so

Gglg Sasa
Von:  Julian_Assange
2009-03-18T19:42:02+00:00 18.03.2009 20:42
WoW das is ja der hammer ich hoffe es geht noch weiter ich bin echt gespannt *MItHundeSchwanzWackel*

LG Jay/Sanji♥♥♥

*GrünTee und Keks dalass*
Von:  Sanni-O
2008-06-15T14:51:42+00:00 15.06.2008 16:51
das war doch echt mal ne emotionale schreibe.
in der regel bin ich ja nicht für dramas zu haben, aber du hast mich echt berührt. bin echt beeindruckt.

und ich hoffe du denkst bei weiteren kreationen deinerseits wieder an mich. ^^

daumen hoch!
Von: abgemeldet
2008-06-13T15:39:47+00:00 13.06.2008 17:39
WOW!
Ich bin beeindruckt :) Deine FF ist wunderschön und sehr emotional... dass Sanji sich als "einfacher" Freund um Zorro kümmert ist mal eine gute Abwechslung zu den ganzen Mainstream-Shônen-Ai-FFs [nicht, dass ich die alle schlecht finden würde, aber da wiederholt sich doch einiges].
Außerdem finde ich, dass du einen sehr schönen Schreibstil hast, der sich sehr gut lesen lässt und den Personen wirklich Charakter gibt.
Alles in allem... richtig GEIL!
Werd ich auf jeden Fall zu meinen Favos packen und mal bei YUAL vorschlagen^^
Solltest du noch mal etwas zu OP schreiben, sag mir bitte Bescheid, das will ich auf keinen Fall verpassen xD

Chu Franzi
Von: abgemeldet
2008-06-08T10:31:05+00:00 08.06.2008 12:31
*schnüff*
das war so bewegend und schön geschrieben!!
Und Sanji hat sich ja auch rührend um Zorro gekümmert! Einfach schön!
aber das mit Zorros Eltern, das bringt einen einfach zum heulen!! TT.TT
aber wirklich ein total tolles Kap!!
*dick lob* ^^

hdgdl
Kätzle
Von:  jack-pictures
2008-06-07T07:54:21+00:00 07.06.2008 09:54
O_____O
Ich komm aus em Staunen nicht mehr raus...
Ich will auch so Ideen haben... Genial!
Find's voll lieb von Sanji, dass er sich so um Zorro kümmert >.< *ZoSa-Fähnchen wieder neu bastel*
Aber Zorro hat's auch nicht einfach, da braucht der solche Freunde ^^

Von: abgemeldet
2008-06-06T21:17:11+00:00 06.06.2008 23:17
hey^^

*heul* *rotz*
das ist echt rührend!
Diese Ff hat mich doch tatsächlich zum bäche weinen gebracht!
*buhu*
mir gefällt die FF echt! jetzt hat Zorro ne neue familie, das find ich echt süss!
ich liebe solche Geschichten!
Auch die Vergangenheit von Zorro, echt hart! Aber echt ne super Idee!
Wäre niemals auf das gekommen^^
Das Sanji sich um Zorro so rührend kümmert, echt süüüs!!! *heul*
*schneuz* *vom Stuhl fall* *Sturzbach heul*
Auch das die anderen sich solche Sorgen um ihn machen!

Mach weiter so! Ich heul dann mal weiter. *Nastuch hol*

1111+
Favo


lg

ps: danke fürs bescheid sagen!


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