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Out of Time

In der falschen Zeit!
von

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Tiefes Wasser

A/N: Hallo! ^_^

Viola, hiermit beginne ich meine zweite, größere Übersetzungs-story. Meine erste Übersetzung, „An unexpected Lesson“ von Conspirator ist fertig (ufff)... deswegen hab ich gleich mit der nächsten Geschichte angefangen (irgendwie hab ich wohl zuviel Zeit).
 

Ausgesucht von den vielen, großartigen, englisch-sprachigen Fics habe ich mir „Out of Time“ von SiriusFan13 – eine großartige Geschichte, die zwei verschiedene Seiten von Kenshin beleuchtet: Den Wanderer und den Hitokiri, der er in seiner Jugend war.
 

Doch was passiert, wenn die Zeit diese beiden Persönlichkeiten durcheinander bringt – der friedliebende Rurouni im blutigen Kyoto und der Attentäter in der friedlichen Meiji-Zeit landen? Ihr werdet es erfahren, wenn ihr weiterlest ;)
 

Vielen Dank für die Erlaubnis zur Übersetzung an SiriusFan! Die Originalstory findet ihr unter:

http://www.fanfiction.net/s/2149801/1/Out_of_Time
 

Das Übersetzen handhabe ich mit dem Motto: So nah am Text wie möglich, so frei wie nötig.

Jetzt aber lesen und viel Spaß damit! ^^
 

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Out of Time
 

Geschrieben von: SiriusFan13
 

Übersetzt von: Ju-Chan
 

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Kapitel 1: Tiefes Wasser
 

Kyoto—1865
 

Die Strassen waren pechschwarz. Das bisschen Mondlicht verstärkte nur die Tiefe der Schatten und die Gefahren der Nacht. Keiner bei Verstand wagte es, allein durch die Gassen Kyotos zu wandern, vor allem nicht nach Einbruch der Nacht. Außer, man war ein Hitokiri. Oder vielleicht einer der Shinsengumi.

Doch heute Nacht war auch ein dunkelhaariger Junge auf den Beinen. Jemand, der so wie er des Nachts umherstreifte, musste den Wunsch haben, zu sterben. Der mit Blut beschmierte Junge hatte diesen Wunsch. Nur eine Woche zuvor hatte er alles verloren. Und jetzt stand er auf einer Brücke, dabei, das wenige, was ihm noch geblieben war – sein Leben - zu beenden. Nicht erwartend, dass er jemanden dort treffen würde, der auch erst kürzlich alles verloren hatte.
 

Der Junge kletterte auf das Brückengeländer und saß da, überlegte, ob der Fall von der Brücke ihn töten würde. Letztes Mal hatte es nicht geklappt.
 

Es dauerte einige Minuten, bevor er eine sanfte Stimme aus den Schatten hörte. „Willst du herunterspringen oder nur den Mond anschauen?“
 

Der Junge erschreckte und verlor fast das Gleichgewicht. Reflexartig fing er sich wieder und wandte sich um – er sah einen Jugendlichen still herankommen, sein Gesicht im Schatten verborgen. Er ging über die Brücke, bis er neben ihm stehen blieb. Der Jugendliche trug Schwerter. Ein Samurai also? Ihm kam ein hoffnungsvoller Gedanke. Vielleicht war er ein Hitokiri. Nein. Wenn er ein Hitokiri wäre, dann wäre er bereits tot.
 

“Ich überleg nur, ob das Wasser tief genug ist zum Ertrinken.”
 

Der Schwertkämpfer schaute ihn nicht an, während er sich an das Geländer lehnte. „Ich denke, es ist tief genug. Ich bin auch schon oft hierher gekommen und habe mir dieselbe Frage gestellt.“
 

Der Junge beobachtete den ruhigen jungen Mann. Es war so friedlich. Sie zwei alleine auf einer Brücke, den Mond beobachtend. Fast hätte er glauben können, das die Revolution gar nicht existierte. Keine Leben zerstört waren.
 

Fast... wenn sie sich nicht gerade über Selbstmord unterhalten würden.
 

„Aber du lebst noch.“
 

“Ja. Jemand starb, um mich zu retten. Jemand, der mir viel bedeutet hat. Und ich erkenne jedes Mal, wenn ich hier stehe, dass ein Sprung eine viel zu einfache Lösung wäre. Vor allem, wenn andere ihr Leben für das Meine geopfert haben.“ Der Schwertkämpfer machte eine Pause. „Es ist schon zum zweiten Mal passiert. Das erste Mal war Jemand da gewesen, der mir geholfen hat. Doch dieses Mal bin ich alleine.“
 

Der Junge beobachtete ihn beim Reden. Es war zu dunkel, um seine Gesichtszüge genau erkennen zu können, aber er hatte den Eindruck, dass dieser Schwertkämpfer anders war. Er konnte die Leere in der Stimme dieses jungen Mannes hören. Er war jemand, der verstand.
 

Der Junge nickte. „So geht’s mir auch. Jetzt, wo er tot ist... ich habe niemanden mehr. Ich bin nichts mehr.“
 

Der Mann seufzte. „Das mag wahr sein. Aber du bist noch genug, um mich daran zu erinnern, warum ich nicht von dieser Brücke springen werde.“ Er sah zum Mond empor. „Sie sehen mir zu. Ich habe einen Eid geschworen, zu leben. Ich kann ihn nicht brechen.“
 

“Ich habe keinen Eid. Ich habe keine Gründe.“
 

„Vielleicht solltest du dann Gründe finden. Bevor du stirbst solltest du herausfinden, ob es einen Grund gibt, zu leben.“
 

Der Junge schien über diese Worte nachzudenken. „Vielleicht. Eine Nacht mehr oder weniger wird wohl nicht wehtun. Vielleicht hätte der Kommandant es so gewollt.“ Der Junge wollte sich aufrichten, aber er hatte immer noch nicht so recht die Balance wiedergefunden und als er hin und her wankte, rutschte er plötzlich auf dem feuchten Geländer aus.
 

Die Reaktion des Schwertkämpfers kam unmittelbar, aber er war nicht schnell genug, um das fallende Kind zu packen. Ohne zu denken, ohne überhaupt seine Schwerter abzulegen sprang der junge Mann über das Geländer und tauchte in die Fluten. Er würde diesen Jungen nicht sterben lassen. Es war ein zu verführendes Gefühl für ihn, ein Leben retten zu können anstatt es zu zerstören.
 

Das Wasser war eiskalt und ein schrecklicher Schock für den Körper des Jungen. Es war Winter. Er japste nach Luft, viel Wasser einatmend. Seine Augen wurden neblig und er fühlte, wie alles um ihn herum schwarz wurde.
 


 

Kyoto—1878
 


 

Sano zitterte, während er mit Kenshin zusammen von dem kleinen Dorf aus zurück nach Kyoto ging. Er hatte das Gefühl, als ob sie schon Stunden unterwegs wären und endlich schienen sie die Brücken am Standrand von Kyoto zu erreichen. Je früher sie nach Hause kämen, desto besser, jedenfalls was ihn betraf. Es fror bereits – es war überhaupt verrückt, in so einer Kälte draußen unterwegs anstatt irgendwo drinnen bei einem warmen Feuer zu sein. Nicht, dass Kenshin ihn gezwungen hätte, mitzukommen. Sano hatte sich an ihn dran gehängt, um Yahiko und Kaoru zu entkommen.
 

Aber trotz der Kälte bereute er nicht, den Rurouni begleitet zu haben. Nach Kyoto zu kommen war für Kenshin immer hart, aber dieses Mal schien es noch schlimmer als sonst. Heute Nacht hatte Sano ihn öfters dabei erwischt, wie er ab und zu in die Vergangenheit abzudriften schien. Die Augen des ehemaligen Attentäters hatten sich verdunkelt und Sano hatte das Gefühl gehabt, nur für einen kurzen Moment nicht mit dem Rurouni sondern mit Battousai unterwegs zu sein.

Der Kämpfer schnaufte. Ja, es war definitiv eine gute Idee gewesen, dass er Kenshin begleitet hatte. Die anderen hätten nur überreagiert. Sano schien der einzige zu sein, der wirklich verstand, dass Kenshin – ob als Rurouni oder als Hitokiri – immer noch Kenshin blieb. Vielleicht konnte er das verstehen, weil sie beide die Revolution durchlebt hatten. Sano hatte entdeckt, dass es für Kenshin leichter war, nicht in die Vergangenheit abzugleiten, wenn er sich mit ihm unterhielt. Aber das war schwer bei so einer Eiseskälte. „Kenshin,“ nörgelte er, „erinnere mich doch noch einmal, warum wir heute Nacht das Zeug kaufen mussten.“
 

Kenshin, den die frostigen Temperaturen nicht zu berühren schienen, lief ruhig neben ihm her. Er lächelte zu dem viel größeren Kämpfer hoch. „Weil ich morgen meinen Shishou besuchen will und bei meinem letzten Besuch hat er mir empfohlen, ihm das nächste Mal ein Souvenir und nicht ein Haufen Probleme mitzubringen.“
 

Sano klapperte mit den Zähnen. „Ein Souvenir? Wer fragt nach einem Souvenir? Und überhaupt, wer nennt Sake ein Souvenir?”
 

Kenshin lachte fröhlich. „Du kennst meinen Shishou nicht.“ Er seufzte, ein kleines Lächeln immer noch im Gesicht. „Und ich denke, ich kann es ihm nicht übel nehmen. Keiner besucht ihn, wenn es nicht um irgendwelche Probleme geht.“
 

Sano verpasste Kenshin eine Kopfnuss und der kleine Rotschopf bekam für einen Moment Kulleraugen. „Neuigkeiten für dich, Kenshin. Dein Shishou ist ein Einsiedler und hat sich diese Lebensweise AUSGESUCHT. Du hast damit nichts zu tun. Und es ist definitiv nicht deine Aufgabe, Meilen um Meilen in ein abgelegenes Dort zu latschen, um dort Sake zu kaufen, nur weil Hiko Seijuro DIESEN Sake lieber mag wie das Zeug, was in Kyoto hergestellt wird.“
 

„Aber Sano,“ sagte Kenshin mit brüchiger Stimme, sein Kopf immer noch von dem Schlag brummend. „Wenn ich schon ein Geschenk mitbringen will, dann muss es auch etwas sein, was diese Person will, oder nicht?“
 

„Er sagte ein Souvenir, nicht ein Geschenk. Und Souvenirs sind doch sowieso immer Sachen, die man eigentlich nicht will,“ murmelte Sano. Er zog seine dünne Kleidung enger um sich. „Hey, Kenshin. Ist dir nicht kalt?“
 

Der kleinere Mann schaute ihn überrascht an. „Schon.“
 

„Naja, du siehst nicht so aus.“
 

Kenshin zuckte nur mit den Achseln. „Ich habe viel Zeit in Kyoto während der Revolution verbracht. Bei meiner Art von Arbeit konnte ich keine schwere Kleidung anziehen, das hätte mich behindert und deswegen musste ich mich an die kalten Winter gewöhnen.“
 

„Das war vor zehn Jahren, Kenshin. Du warst damals noch ein Kind!“
 

Sein Freund schmunzelte. „Vor zehn Jahren war ich so alt wie du.“
 

Sano blinzelte ihn an. Ihm war dieser Altersunterschied noch nie so sehr aufgefallen. Aber so leicht würde er Kenshin nicht gewinnen lassen. „Darum geht es doch gar nicht. Du warst damals jünger, deswegen hast du auch mehr ausgehalten.“
 

Kenshin lächelte schwach. „Heißt das, du willst mir sagen, dass ich alt werde?“
 

Sano funkelte ihn an, sich im Klaren darüber, dass Kenshin seine Antwort absichtlich falsch verstanden hatte. „Du bist nicht alt,“ sagte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch, „aber du bist nicht mehr der Gleiche wie damals. Du wirst nur krank und dann wird mich die Füchsin Megumi dafür verantwortlich machen.
 

Kenshin lachte und antwortete nicht.

Sie gingen gerade über eine der Brücken am Stadtrand Kyotos, als der Mond hinter einer großen Wolke hervorkam und den Weg vor ihnen erleuchtete. Sano vergaß die Diskussion und blieb einen Moment lang stehen. „Mann, schau dir den Mond an. Er leuchtet wirklich hell heute Nacht.“ Er lehnte sich an das Brückengeländer und ließ seinen Blick über das Wasser gleiten. „Mann kann fast die ganze Stadt überblicken.“ Er hüpfte auf das Geländer, um eine besser Aussicht zu erlangen.
 

„Komm da runter, Sanosuke. Das ist gefährlich. Wenn du runterfällst, dann wärst du derjenige, um den sich Megumi-dono kümmern muss.“
 

Sano ignorierte ihn einfach und balancierte mit beiden Armen ausgestreckt das Brückengeländer auf und ab. „Ich erinnere mich, so was als Kind oft gemacht zu haben. Das waren Mutproben, die wir uns als Kinder immer gegenseitig auferlegt haben. Hast du so was auch gemacht?“
 

„Nein.“
 

Sano schnaubte. „Ach was, Kenshin. Hast du nie gespielt oder sowas? Ich meine, bevor du Battousai wurdest?“
 

Kenshin ignorierte die Frage. „Sano, komm da jetzt bitte runter. Mir gefällt das nicht.“ Er fühlte sich plötzlich sehr unbehaglich. „Du wirst runterfallen.“ Er spannte sich an und wusste nicht recht, warum. Irgendwie beschlich ihn plötzlich ein seltsames Gefühl.
 

Sano lachte. „Du machst dir einfach zu viele Sorgen, Kenshin. Ich werde nicht ertrinken, selbst wenn ich fallen sollte.”
 

Doch Kenshin hörte nicht zu. Irgendetwas hatte ihn wie eine Salzsäule erstarren lassen. Seine violetten Augen hatten sich verengt und zu einem tiefen Blau verfärbt, wie jedes Mal, wenn er tief in der Vergangenheit versunken schien. Er erinnerte sich jetzt genau an diese spezielle Brücke. Ein kleiner Junge hatte auf dem Geländer gesessen, während er mit ihm die Vor- und Nachteile des Herunterspringens diskutiert hatte. Und plötzlich erinnerte er sich auch daran, wie die Unterhaltung damals geendet war. „Nein!“ Kenshin lief auf das Geländer zu und sah in seiner Erinnerungswelt den Jungen bei seinem tödlichen Sturz.
 

„Kenshin?“ Sanos Augen weiteten sich als er seinen Freund sah, der mit dunklen Augen und seltsam abwesendem Blick zum Brückengeländer rannte. Waren sonst seine gedanklichen Ausflüge in die Vergangenheit meistens harmlos gewesen, so schien sein Freund jetzt entschlossen, aus irgendeinen Grund, den Sano nicht erkennen konnte, über das Geländer zu springen. Er versuchte, Kenshin zu packen, hatte aber selbst auf dem wackeligen Geländer nicht gerade einen festen Stand. Gerade als er Kenshins Gi festhielt, schien dieser aus seinem Traum wieder zu erwachen – Sano jedoch konnte seine plötzlichen Bewegungen nicht mehr ausbalancieren und fiel rücklings über das Geländer, den verdutzten Kenshin hinter sich herziehend. Sie fielen beide ins eiskalte Nass.
 

Kaum tauchten sie in die peitschenden Fluten, da lockerte sich Sanos Griff und er verlor Kenshin. Es war so kalt, dass er seine Hände und Füße augenblicklich taub werden spürte und es fiel ihm schwer, zum Ufer zu schwimmen. Kenshin hatte wieder einmal recht gehabt. Er hätte nicht so auf der Brücke herumtänzeln sollen. Wenn der Fluss jetzt nicht so ruhig gewesen wäre, hätte er wirklich ertrinken können. Nach Luft schnappend versuchte er, trotz seiner tauben Beine nicht unterzugehen. Wenn er nicht bald aus dem Wasser käme... Er schaute sich um. Wo war Kenshin? Anscheinend nicht mehr im Fluss, soweit er sehen konnte. So wie er ihn kannte, war Kenshin vermutlich nicht einmal kalt und er war bereits gemütlich zum Ufer geschwommen. Doch als Sano mit seinen Augen die Böschung absuchte, konnte er ihn auch dort nirgendwo sehen. Außerdem hätte der Rurouni ihn nie alleine im Wasser zurückgelassen. „Kenshin!“ brüllte er.
 

Nichts.
 

“Kenshin! Wo bist du?”
 

Endlich, ein bisschen von ihm weg, hörte er jemanden aus dem Wasser auftauchen. Sano sah voller Erleichterung die roten Haare. „Kenshin. Gott sei Dank!“
 

Als er zu ihm herüber schwamm, begann der Rurouni gerade wieder, unterzugehen. Er war nicht ganz bei Bewusstsein. „Halt durch, Kumpel,“ sagte Sano, packte seinen Freund beim Arm und zog ihn mit sich zur Böschung. Als sie endlich sicheres Land erreicht hatten, legte der dunkelhaarige Kämpfer den Rotschopf ins Gras. Es schien nicht so, als ob Kenshin noch atmen würde. „Verdammt,“ fluchte Sano und schlussfolgerte, dass Kenshin Wasser eingeatmet haben musste. Er begann sofort Wiederbelebungsversuche und drückte auf Kenshins Brust. „Komm schon, alter Junge.“
 

Endlich kam der rothaarige Mann zu Bewusstsein und hustete heftig. Sano ließ sich erleichtert zurück ins Gras sinken während sein Freund heftig Luft holte. „Mach das nie wieder. Ich dachte schon, du wärst tot.“ Er schaute zu dem Rurouni herüber und gefror.
 

Kenshins nasses Haar hatte sich aus seinem Pferdeschwanz gelöst und klebte nun nass in seinem Gesicht und auf seinem dunkelblauen Gi. Er hatte nicht zu Sano hinübergeschaut, sondern war schon aufgesprungen, angespannt, seine Hand über dem Schwertgriff. Seine zweite Schwertscheide war leer.
 

Zweite Schwertscheide? Sano hatte das seltsamste Gefühl, dass er jetzt keine plötzliche Bewegung machen sollte. „Kenshin?“
 

„Wer bist du?“ Kenshins Stimme war tief und gefährlich. Bis auf seine zusammengekniffenen, dunkel-blauen Augen war sein Gesicht eine ausdruckslose Maske. „Wo ist der Junge?“
 

„Ken-...“
 

„Ich bin nicht für meine Geduld bekannt.“
 

„Seit wann? Kenshin, was ist mit dir los?“ Er stand auf.
 

Kenshin war verschwunden. Sano hatte nicht mal gesehen, wie er sich bewegt hatte aber er fühlte plötzlich ein Schwert an seinem Hals und eine tiefe Stimme sprach in sein Ohr, „beweg dich nicht. Ich will dich nicht töten, aber ich WERDE dich verletzten, wenn du dich bewegst.“
 

Ein dünnes Rinnsaal Blut sickerte an Sanos Hals hinab. Das war nicht das Sakabatou. Es war ein normales Katana. Aber Kenshin würde so etwas nie benutzen... Seine Augen weiteten sich, als er die Dinge begriff, auch wenn sie überhaupt keinen Sinn zu machen schienen. Die zusätzliche Schwertscheide, der dunkle Gi, das Katana... die tödliche Stimme. „Battousai,“ wisperte er, ziemlich verwirrt.
 

„Du kennst mich.“ Seine Stimme war ausdruckslos. „Und du kennst meinen echten Namen. Wer bist du?“
 

„Sagara Sanosuke,“ antwortete Sano.
 

“Du bist keiner der Shinsengumi,” sagte Battousai. „Und du bist kein Hitokiri.“ Der Druck des Schwertes an Sanos Hals ließ nach und Battousai trat wieder vor ihn, sein Schwert immer noch gezogen. „Warum bist du nachts unterwegs? WILLST du sterben?“
 

Sano rieb sich den Hals. Der Schnitt hatte schon aufgehört zu bluten. Battousai hatte ihn nicht verletzen, sondern seinen Worten nur Nachdruck verleihen wollen. Sano entschloss sich, dass die Wahrheit wahrscheinlich die beste Antwort wäre. „Ich war mit einem Freund unterwegs. Wir haben Sake gekauft.“
 

Battousais Augen wurden noch schmäler. „Ich soll glauben, dass ihr NACHTS in Kyoto Sake kaufen wolltet? Ich frage noch einmal, willst du sterben?“
 

„Ich kann auf mich selbst aufpassen,“ sagte Sano.
 

„Das sieht man. Wo ist dein Freund?“
 

Sano gefror, seine braunen Augen weiteten sich. Verdammt, dachte er, wenn das hier vor ihm nicht Kenshin war... wenn das der echte Battousai war... wo war dann Kenshin? Er wandte sich um und schaute in den Fluss. Das Wasser floss ruhig und spiegelglatt.
 

Battousai schien zu verstehen. Seine Stimme war tief und, wenn Sano es nicht besser gewusst hätte, fast entschuldigend, als er sprach. „Wenn er bis jetzt nicht aufgetaucht ist, wird er es nie mehr tun. Keiner der beiden.“
 

„Der Beiden?“
 

Battousai schüttelte den Kopf. „Vergiss es.“ Seine Augen verhärteten sich wieder. “Du hättest mich nicht sehen sollen. Ich muss das berichten. Geh nach Hause, bevor du dich noch von jemand anderem töten lässt.“ Er steckte endlich sein Schwert ein.
 

„Kenshin?“
 

Battousai spannte sich bei dem Klang seines Namens an, wandte sich aber nicht um.

Sano hielt das für eine Aufforderung, weiter zu sprechen. Er schloss seine Augen und sprang dann hinterher, hoffend, dass Battousai ihn nicht töten würde. „Weißt du, wo du bist?“
 

„Kyoto.“ Wieder die ausdruckslose Stimme.

„Und weißt du auch, WANN?“

„Ich empfehle dir, einen Doktor aufzusuchen, Sagara Sanosuke,“ antwortete der rothaarige Junge, bevor er sich anschickte, zurück in die Stadt zu laufen.
 

Sano sah ihm einen Augenblick lang hinterher. Dann schaute er zurück zum Wasser, in der Hoffnung, dass es Kenshin, wo auch immer er jetzt war, gut gehen würde. Der ehemalige Straßenkämpfer seufzte und murmelte zu sich selbst, „ich muss wirklich sterben wollen,“ bevor er Battousai folgte.
 

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Über Kommentare würde nicht nur ich, sondern auch die Autorin sich freuen ^^

Vielen Dank!

Bis zum nächsten Kapitel!
 

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Glossar (bezieht sich auf die komplette FF)
 

Aku soku zan: "Vernichte das Böse sofort" (Eines der Leitmotto der Shinsengumi)

Bakumatsu: Japanischer Bürgerkrieg in der Mitte des 19. Jh.

baka: Idiot

Battou-jutsu: Eine Schwerttechnik, die die Geschwindigkeit ihrer Angriffe durch das Ziehen des Schwertes aus der Scheide beschleunigt

Battousai: Himura Kenshin's Name als Hitokiri während des Bürgerkrieges

bokken: Holzschwert

Choshu: Provinz, aus der viele Patrioten (Ishin Shishi) kamen

deshi: Schüler

dewa mata: Bis später

dojo: Trainingshalle für Kampfkünste

Edo: Tokyos alter Name, nach dem Bürgerkrieg als neue Hauptstadt umbenannt

futon: Schlafmatte

gi: Kleidungs-Oberteil in Art eines Kimonos, aber kürzer

Gatotsu: Linkshändige Variation des Hirazuki, bei der das Schwert parallel zum Boden gehalten wird. Lieblingstechnik von Saito Hajime, dem dritten Gruppenkommandant der Shinsengumi

Hiten Mitsurugi Ryu: Schwerttechnik von Himura Kenshin und Hiko Seijuro

hakama: weite, gebundene Hose

hitokiri: Killer, Menschenschlächter

Ishin-shishi: Patrioten, die gegen das regierende Shogunat kämpften.

katana: japanisches, einschneidiges Schwert

kuso: Verdammt

Kyoto: Hauptwohnsitz des Kaisers und Hauptstadt während der Bakumatsu-Zeit

Meiji: Die dem Bürgerkrieg folgende Epoche, in der Kaiser Meiji regierte, beginnend ab 1868

Oniwaban-shu: Eine Gruppe Ninjas, die in Edo und Kyoto tätig waren

oro(?): Kenshin-typisches Wort, in dem er sein Erstaunen, Erschrecken oder Verwirrung ausdrückt. Im Deutschen übersetzt mit „Oho“

Otsu: Wunderschöne Gegend, ca. eine Tagesreise von Kyoto entfernt. Bekannt für seine unberührte Naturlandschaft.

rurouni: Vagabund

sakabatou: Ein Katana, bei dem scharfe und stumpfe Seite der Klinge vertauscht sind.

sake: Reiswein

sayonara: Auf Wiedersehen

Sekihou-tai: Eine Einheit der Ishin Shishi, die von ihren eigenen Leuten verraten und getötet wurde.

shinai: Trainings-Schwert

Shinsengumi: Gruppe Elitärer Schwertkämpfer, die sich zuerst in dem Dorf Mibu formierte (Deswegen auch Miburo, Wölfe von Mibu genannt) und dann später im Auftrag des Shogunats in Kyoto für Sicherheit auf den Strassen sorgen sollte.

shishou: Meister (Im Sinne von Meister und Schüler)

tatami: normierter Bodenbelag aus Bast o.ä. in japanischen Häusern

Toma Fushimi: eine der Entscheidungsschlachten des Bakumatsu.

Realisierung

Out of Time
 

Kapitel 2: Realisierung
 

1865
 

Kenshin tauchte hustend an der Oberfläche des Wassers auf. Er sah sich schnell nach Sanosuke um und als er ihn nirgendwo entdecken konnte, machte er sich sofort Sorgen. Das Wasser war kalt, selbst für ihn, und Sano hatte schon die kalte Nachtluft zu schaffen gemacht. Kenshin tauchte, auf der Suche nach einem Lebenszeichen, wenn schon nicht über, dann vielleicht unter dem Wasser - aber da war nichts. Es war zu dunkel, um irgendetwas erkennen zu können. Er tauchte zum Luftholen wieder auf und sah herum. Dieses Mal sah er etwas, das auf dem Wasser zu treiben schien.
 

„Sano,“ flüsterte er. Er begann zu dem Körper zu schwimmen. Doch schon auf halbem Weg dahin erkannte er, dass es nicht sein Freund war. Es war ein Junge. Kenshin fröstelte es, mehr wegen dem unglaublichen Zufall als wegen der Kälte. War das nicht der Grund, warum sie überhaupt in den Fluss gefallen waren? Weil er sich an diesen Jungen erinnert hatte, der dort damals ertrunken war? Halluzinierte er jetzt?
 

Einbildung oder nicht, Kenshin konnte Sano nirgendwo sehen aber er musste diesem Jungen helfen. Schnell schwamm er zu ihm, legte ihm seinen Arm um und zog ihn an Land. Zu seiner Erleichterung lebte der Junge und begann schon, heftig das Wasser aus seinen Lungen zu husten. Er versuchte, sich aufzusetzen, aber Kenshin drückte ihn sanft zurück.

„Du solltest noch einen Moment liegen bleiben und wieder zu Atmen kommen,“ sagte er.
 

Die Augen des Jungen öffneten sich und er sah Kenshin an. „Du bist dieser Schwertkämpfer,“ murmelte er. Dann blinzelte er einige Male bevor er den Kopf schüttelte. „Du siehst anders aus.“ Er begann, heftig zu zittern und mit den Zähnen zu klappern.
 

Kenshin schaute ihn einen Moment lang an, bevor er fragte, „Bist du in Ordnung? Du solltest nach Hause zu deiner Familie gehen. Dich aufwärmen.“
 

Der Junge wich seinem Blick aus. „Ich habe niemanden mehr. Du weißt das. Deswegen wollte ich doch...“ Er verstummte.

Kenshin starrte den Jungen nur an und ein ungutes Gefühl machte sich in ihm breit. Irgendetwas schien hier nicht mit rechten Dingen zuzugehen.
 

Der Junge stand jetzt auf und Kenshin hielt ihn dieses Mal auch nicht davon ab. Es war der gleiche Junge wie in seiner Erinnerung. Die gleiche Brücke. Kenshin sah zum Mond empor. „Was passiert mit mir?“ fragte er sich. Der Mond war voll gewesen, als er ihn zusammen mit Sanosuke betrachetet hatte. Jetzt war er plötzlich nur eine Sichel. Er schloss seine Augen und hielt seinen Kopf.
 

So etwas war ihm vorher noch nie passiert. Selbst als er Saito gegenüberstand und sein Geist wieder zurück in die Schlachten der Revolution gezogen wurde, hatte sich die Welt um ihn herum nie verändert. Hatte ihn jetzt die permanente Anstrengung, seine dunkle Seite in sich zurückzuhalten, überschnappen lassen?
 

Kenshin drückte seine Augen zu und konzentrierte sich. Das alles konnte nicht möglich sein.

Doch als er seine Augen wieder öffnete, hatte sich nichts verändert. Die selbe Brücke, der selbe Mond. Aber der Junge war jetzt verschwunden. Und Sanosuke war immer noch nicht aufgetaucht. Er saß einige Minuten im Gras, nicht sicher, was er jetzt tun sollte. Das erste Mal seit langer Zeit hatte Kenshin wirklich Angst – Er kannte die Gefahren vom Kyoto der Bakumatsu-Zeit. Aber er wusste auch noch genau, selbst wenn es zehn Jahre her sein mochte, wie man sich unsichtbar macht. Nein, es war nicht der Tod, vor dem er Angst hatte. Es war Kyoto selbst. Es war der Hitokiri in ihm, der bei dieser unerwarteten Wendung der Dinge bei der erstbesten Gelegenheit aus ihm herausbrechen würde.
 

Es war die Tatsache, dass er in der Tat wirklich einfach durchgedreht sein konnte. Denn wie sonst hätte er in einen Fluss reinfallen und ein Jahrzehnt früher wieder auftauchen können? Hatte das Unterdrücken seines Killerinstinktes seinen Verstand schließlich über die Klippe springen lassen? Wenn das der Fall war, dann würde er hier warten, selbst wenn die Shinsengumi oder sonst wer kämen. Besser hier zu sterben, als zu leben und eine Gefahr für die Menschen zu sein...
 

Er schaute lange den Mond an, bevor er dann doch aufstand. Nein. Es waren diese Art von Gedanken, die seinen Shishou fast dazu gebracht hatten, ihn zu töten. Es gab einen Grund zu leben. Und so lange er sich daran erinnern konnte, würde der Killer in ihm schlafen. Kaoru, Yahiko, Sano und Megumi. Das waren seine Gründe. Und der Schwur, den er Sakura, Akane und Kasumi geleistet hatte… und Tomoe.
 

Eine neue Welle der Angst schwappte plötzlich über ihn. Wie weit war er in die Vergangenheit zurückgekehrt? War sie... konnte er sich selbst stoppen...? Kenshin sprang auf. Er musste herausfinden, was genau hier vor sich ging. Denn wenn er wirklich auf irgendeine Art und Weise in die Vergangenheit gereist war, dann gab es vielleicht auch einen Grund... Er fing an zu rennen, während er sich schnell vergewisserte, das Sakabattou noch bei sich zu haben. Jetzt war es wichtiger den je, ein Schwert an seiner Seite zu haben. Er musste sich selbst verteidigen können. Und mit einem normalen Katana wäre es an einem Ort wie diesem viel zu leicht, zu töten.
 

Zurück auf der Brücke blieb er stehen, um zu überlegen, wohin er jetzt gehen sollte. Wenn er in die Stadt gehen würde, riskierte er, die Shinsengumi zu treffen oder einige der Ishin Shishi, die ihn dann zu Katsura-san und vielleicht sogar seinem jüngeren Selbst führen würden. Er schüttelte sich. Er war nicht sicher, ob er dem jungen Battousai begegnen könnte. Es war schon anstrengend genug, mit einem Exemplar von sich selbst fertig zu werden. Er sah sich um. Wenn er hier noch länger stehen würde, dann riskierte er das selbe. Also nur eine Möglichkeit... und auch die gefiel ihm nicht viel besser. Kenshin seufzte und rannte in Richtung der Wälder. Ein besorgtes Lächeln umspielte seine Lippen.
 

„Tut mir leid, Shishou... Es sieht so aus, dass ich schon wieder zu dir komme mit nichts als Problemen anstelle von einem Souvenir...“
 

--
 

1879
 

Sano folgte dem Hitokiri auf sicherem Abstand. Er erinnerte sich lebhaft an Kenshins Fähigkeit, die Ki eines Kämpers schon Meilen entfernt zu spüren und er war sich nicht sicher, wie gut dann Battousai darin war. Laut den alten Revolutionären wie Saito oder Okubo waren seine Sinne damals schärfer gewesen... beeindruckender. Laut Kenshin waren sie einfach nur tödlicher gewesen. Sano hatte seinen Freund noch nie Lügen gehört. Er blieb auf Abstand.
 

Battousai wurde aufgeregt. So viel konnte Sano fühlen. Es war spät und die Straßen waren leer, aber selbst in dieser einsamen Dunkelheit war es offensichtlich, dass dies nicht das Kyoto war, das Battousai erwartet hatte. Als erstes hatte sich der junge Mann komplett im Schatten verborgen gehalten und es Sano fast unmöglich gemacht, ihm zu folgen. Aber als die Dinge für ihn mehr und mehr unvertraut erschienen, bewegte sich Battousai zunehmend forscher, ohne auf seine Umgebung recht zu achten. Schließlich blieb er vor einem alten, heruntergekommenen Gasthof stehen. Dieser war eindeutig nicht bewohnt und zum ersten Mal seit Sano den Jungen aus dem Wasser gezogen hatte, schien dieser sich unsicher zu sein und er zögerte vor der Tür einige Minuten, als ob er Angst hatte, was - oder was nicht - er zu sehen bekäme, wenn er hineinging. Nach einigen weiteren Minuten des Zögerns betrat er schließlich das Haus.
 

Sano wartete eine Minute länger, dann folgte er.
 

Er hätte länger warten sollen. Battousai stand in der Mitte des Raumes und starrte erschrocken um sich. Alte Zeitungen und tote Blätter raschelten im Inneren des Gasthofes. Er schien noch nicht allzu lange leer zu stehen, vielleicht ein Jahr oder kürzer, aber für jemanden, der vermutlich vor wenigen Stunden diesen Raum noch voller Menschen erlebt hatte, musste es ein schockierender Anblick sein. Sano konnte nicht anders, als ein bisschen Mitleid mit dem jungen Mann zu haben. Dann bemerkte Battousai trotz all seiner Verwirrung seine Anwesenheit und er sprang auf ihn zu.
 

Bevor sich Sanosuke überhaupt bewegen konnte, war das Schwert schon gezogen und Battousai stürzte auf ihn herab. Sano erkannte sofort den Rui Tsui Sen-Schlag und einzig die Vertrautheit mit Kenshins Bewegungen retteten ihn. Er konnte der Attacke im letzten Moment ausweichen und sich in den Schatten abrollen - nicht dass er geglaubt hätte, dass die Dunkelheit ihn vor den Augen eines Hitokiris beschützen würde.
 

Seltsamerweise schlug Battousai nicht ein zweites Mal zu, aber seine Augen verengten sich und leuchteten gefährlich, geradezu verzweifelt, als er in die Dunkelheit zu Sano spähte. „Du bist also ein Spion,“ sagte er, seine Stimme so hart und kalt wie sein Schwert. „Wo sind die Ishin Shishi? Wo ist Katsura-san?“
 

Sano brauchte einen Augenblick, um zu realisieren, dass Battousai nur mit ihm sprach und nicht versuchte, ihn zu töten. Sein Atem normalisierte sich ein bisschen, aber sein Herz schlug ihm noch immer bis zum Hals. Normalerweise mochte er die Aufregung und das Adrenalin, das ein guter Kampf mit sich brachte. Aber das hier war Selbstmord. „Kenshin,“ sagte er, „ich bin kein Spion!“
 

Battousai steckte langsam sein Schwert ein und Sano atmete vor Erleichterung auf. Bis er erkannte, dass der Hitokiri nur einen weiteren Angriff vorbereitete. „Einen Scheißdreck bist du,“ sagte er leise und ging in Battoujutsu-Stellung. „Ich werde dich nur noch ein letztes Mal fragen aber dann, befürchte ich, muss ich dich töten. Wo ist Katsura-san?“
 

Sano zuckte zusammen. „Er ist tot, Kenshin. Schon seit über sechs Monaten.“
 

„Du lügst!“ Battousais Angriff kam dieses Mal noch schneller und Sano konnte sich gerade noch mit einer Schulterwunde retten.
 

„Kenshin, hör mir zu!“ schrie er und versuchte, zu Battousai durchzudringen. „Es ist kein Bürgerkrieg mehr. Ich weiß nicht, wie du hier her gekommen bist oder wann, aber es ist jetzt die Meiji-Zeit und die Kämpfe sind vorbei.“
 

Battousai antwortete nicht, aber sein nächster Schlag kam langsamer und Sano konnte ihn abblocken. Er zögert, realisierte Sano. Er hatte nicht damit gerechnet, aber Battousai schien wirklich über seine Worte nachzudenken.
 

Sano nutzte die Gelegenheit. „Die Revolution ist seit über einem Jahrzehnt vorbei.“
 

Kenshin schlug nicht mehr zu, aber bereitete sich deutlich sichtbar darauf vor. Nur ein heftiger Kampf in seinem Inneren schien ihn von der nächsten, tödlichen Attacke abzuhalten.
 

„Ich weiß es hört sich verrückt an. Verdammt noch mal, ich dachte, ICH bin verrückt, als ich begriff, wer du bist, aber es ist wahr! Wenn du mir nicht glaubst, dann sieh doch nach unten. Die Zeitungen zu deinen Füßen! Les das Datum!“ Für einen Augenblick hatte Sano Angst, das Battousai das nicht tun und ihn einfach, im Glauben, er sei ein Spion, töten würde - aber schließlich beugte sich der junge Mann nach unten und hob eine der Zeitungsseiten auf, sein Schwert immer noch für einen nötigen Angriff bereit. Sano machte keinen Mucks. Er atmete schwer und beobachtete den jungen Mann.
 

So, das war also Hitokiri Battousai. Das war Kenshin, wie er einmal gewesen war. Der nette Mann, den er kannte, war früher mehr als furchteinflössend gewesen. Und bis jetzt hatte ihn Sano nur in einem Zustand von Verwirrung und Zögern erlebt. Sano schauderte es, wenn er sich ausmalte, wie tödlich er wohl in normaler Form sein mochte. Ein einziges Mal war er mit Saito Hajime einer Meinung – der Rurouni war kein bisschen mehr so, wie er damals gewesen war. Aber im Gegensatz zu Saito freute sich Sano sehr über diese Einsicht.
 

Die Zeitung fiel aus Battousais Händen und verteilte sich über dem Fußboden. Sein Gesicht lag im Schatten und Sano konnte seine Gesichtszüge nicht erkennen, aber er sah trotzdem, dass jegliche Energie aus dem Hitokiri entwichen war. Seine Schultern hingen nach unten und er ließ sein Katana unberührt im Gürtel stecken. Er sah sie nun erneut um, diesmal wirklich das Innere des Raumes bewusst wahrnehmend. Hier hatte seit Jahren keiner mehr gelebt. Er sah sich langsam in dem Zimmer um, starrte umher, ließ seine Hände über die Wände gleiten und nahm all die Veränderungen in sich auf. Er blieb neben Sano stehen, seine Finger in eine tiefe Kerbe im Holz der Wand drückend. Als er schließlich sprach, war seine Stimme sehr ruhig.
 

„Ich habe das letzte Nacht getan. Ein Spion hat den Gasthof, unser Versteck in Kyoto, betreten und ich musste ihn töten. Das Blut war überall. Okami konnte es nicht wegbekommen.“ Er berührte einen rostroten Fleck nahe der Kerbe. „Das Blut ist noch da, aber es ist so sehr verblasst. Ich nehme an, dass sogar Zeit ein bisschen von dem Blut wegwaschen kann...“ Seine Stimme verlor sich.
 

Nach einer langen Pause sprach er weiter. „Katsura-san ist tot?“ Das erste Mal sah er Sano wirklich in die Augen. Sein Gesicht war immer noch unlesbar aber seine Stimme verriet jetzt Emotionen.
 

Sano nickte. „Es tut mir Leid, Kenshin. Ich weiß, er war dein Befehlshaber. War er auch dein Freund?“ Das war eine schwierig zu stellende Frage für Sano. Es war ihm bisher nie in den Sinn gekommen, das Kenshin vielleicht so für Katsura empfunden hatte wie er für seinen Kommandant Sagara.
 

„Er versteht... verstand,“ antwortete Battousai knapp. Er hielt inne. „Vor über einem Jahrzehnt? Dann muss Battousai auch verschwunden sein. Ich gehöre nicht in diese Zeit.“ Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand, seine Hand immer noch auf der Kerbe im Holz.
 

„Kenshin...“
 

„Warum nennst du mich so?“
 

Sano blinzelte ihn an. „Es ist doch dein Name, oder nicht?“
 

„Es ist der Name, der mir gegeben wurde. Aber niemand nennt mich so. Ich bin Battousai. Hitokiri Battousai. Himura Battousai. Keiner nennt mich Kenshin. Niemand hat das seit einer sehr langen Zeit...“
 

Sano antwortete nicht sofort. Es war für ihn irgendwie leichter gewesen, diesen Mann zu verstehen, als sie noch am kämpfen waren. „Ich kennen dich nur als Himura Kenshin. Du hast mich gebeten, dich nicht Battousai zu nennen.“
 

„Ich habe dich gebeten...“ Der junge Mann hörte sich so an, als ob diese Worte für ihn schwierig auszusprechen wären. Er schien das alles nicht verstehen zu können. „Ich lebe noch? Und ich habe dich gebeten... und... du warst einverstanden. Du nennst mich nicht Battousai... in dieser Zeit...“
 

Sano schaute den Jungen an. Sie waren ungefähr gleich alt, aber Kenshin sah ungewohnt jung aus. Wie ein Kind, das plötzlich aus einem Albtraum aufgewacht war und es immer noch nicht so ganz glauben konnte.
 

“Meiji,” sagte Sano. „Die Meiji-Zeit.“
 

„Meiji.“
 

„Kenshin?“
 

Battousai sah ihn an. „Und du sprichst in einem vertrauten Ton mit mir. Kenne ich dich lange?“ Er klang so verwirrt.
 

Sano starrte ihn an. „Wir sind Freunde. Das ist alles.“
 

„Freunde.“
 

Sano gefiel es nicht, wie er dieses Wort wiederholte. Als ob es so fremd für ihn wäre wie „Meiji.“
 

„Du solltest mich nicht Kenshin nennen,“ erklärte Battousai. „Kenshin ist der Name, der einem Schwertkämpfer gegeben wurde. Ein Mörder sollte diesen Namen nicht tragen. Ich bin Battousai. Himura Battousai. Tut mir Leid, Sagara Sanosuke, aber ich kenne dich nicht.“
 

“Ich werde dich nicht Battousai nennen,” knurrte Sano. „Wir sind Freunde, weil du NICHT mehr Battousai bist. Ich kann dich so nicht nennen.“
 

„Du hegst irgendeinen Groll gegen mich.“ Komischerweise schien dieser Gedanke Battousai viel mehr zu gefallen wie die Möglichkeit einer Freundschaft.
 

Sano schüttelte den Kopf. „Ich hege einen Groll gegen die Meiji-Regierung. Ich hege einen Groll gegen die Ishin Shishi. Und gegen die Leute, die uns verraten haben und Kommandant...“ Er unterbrach sich, sich bewusst werden, dass der Junge so viel Informationen vermutlich nicht mehr verarbeiten könnte. „Nicht du. Es ist der Name Battousai. Für was er steht. Das ist alles.“
 

Battousai sah ihn kritisch an. „Ich verstehe. Jetzt macht es Sinn,“ sagte er sanft.

Sano schaute ihn an, verunsichert durch den plötzlich weichen Ton seiner Stimme. „Was macht Sinn?“

„Das Zeichen auf deinem Rücken. Der Name Sagara. Du bist einer der Sekihou-Tai.“
 

Sano spannte sich an, nur allzu gut die Lügen noch in den Ohren, die über den Kommandant und seine Armee erzählt worden waren „Mir war nicht bekannt, das sogar der Hitokiri wusste...“
 

„Jeder weiß es jetzt,“ schnitt ihm Battousai das Wort ab. „Ich habe Katsura-san reden gehört. Wenn man selbst nicht viel sagt, hört man umso mehr. Er war nicht glücklich damit, wie mit der Sekihou-Tai umgegangen wurde. Ich weiß wenig genaues, aber genug.“ Seine Augen verengten sich. „Deine Armee wurde von den Ishin Shishi benutzt. Ich weiß, wie es sich anfühlt, benutzt zu werden.“ Wenn es überhaupt noch möglich war, so wurden die Augen in seinem steinernen Gesicht jetzt noch kälter. „Ein weiterer Grund, warum ich nicht glauben kann, dass ich die Meiji-Zeit erleben werde.“
 

„Natürlich lebst du. Die würden doch nicht wagen, dich zu beseitigen. Du bist nicht wie-...“ Er unterbrach sich wieder, realisierend, dass er nun fast Shishio Makotos Namen erwähnt hatte. Sanosuke war nicht oft der Scharfsinnigste, aber jetzt wusste selbst ER, dass manche Sachen besser unausgesprochen bleiben sollten. „Wie uns...“ beendete er seinen Satz lahm. „Sie würden dich nicht töten, so wie sie uns getötet haben.“
 

Irgendetwas schien sich hinter Battousais Augen zu verschließen und die wenigen Minuten der Unterhalten waren vorbei. Der Hitokiri hatte wieder Kontrolle über sich und der verwirrte Junge war verschwunden. „Ich muss einen Weg zurück finden. Hier kann ich nicht bleiben.“
 

“Sieht nicht so aus, als ob du jetzt groß die Wahl hättest. Du kannst nicht einfach mit einem Katana durch Kyoto spazieren. Nicht nach dem Schwert-Bann-Gesetz.“
 

„Schwert-Bann?“ Automatisch packte Battousai seine Waffe. “Ich gehöre nicht hier hin. Ich muss gehen.“ Er sah wieder verwirrt aus, und dieses Mal kam es Sano auch so vor, als ob Battousai etwas wackelig auf den Beinen wäre.

„Kenshin?“ fragte er. „Bist du Ok?“
 

Battousai antwortete nicht, aber er war sehr blass. Er stolperte. Nach der körperlichen Anstrengung, die ihn die Befreiung aus dem Fluss gekostet hatte und nun dieser geistigen Überforderung gab sein Körper schließlich nach und er brach zusammen.
 

--
 

Wie gefällt euch die Story bisher? Über einen Kommi würden sich die Autorin und ich sehr freuen! ^^

Im nächsten Kapitel geht es spannend weiter: Battousai trifft auf Kaoru, Megumi, Yahiko und die anderen. Kann das gut gehen?

Und was macht Kenshin in Kyoto? Wird ihn sein alter Meister aufnehmen oder wegschicken, weil er ihn für einen Hitokiri hält?

Zusammentreffen

Zur Info: Im japanischen Manga und Anime nennt Sanosuke Kaoru immer "Jou-chan", was die japanische Entsprechung für "Fräulein" ist - so auch hier in dieser Fic.
 

Vielen Dank an meine bisherigen Reviewer: Carcajou und roter Mondschien, vielen dank :3
 

Out of Time
 

Kapitel 3: Zusammentreffen
 


 

1865
 

Kenshin platzte in die Waldlichtung und stoppte. Es sah hier noch genauso aus wie in seiner jüngsten Erinnerung, als er hier vor wenigen Monaten trainiert und die finale Technik des Hiten Mitsurugi Ryu, Amerkakeru Ryo no Hirameki, gemeistert hatte um Shisho besiegen zu können.
 

Sein Meister schien in all den Jahren wirklich nicht viel Lust auf Veränderungen zu haben. Der einzige Unterschied bestand darin, dass sich an der Stelle des Töpferei-Brennofens ein kleiner Garten befand. Kenshin lief langsam bis an den Rand der Schatten, wie hypnotisiert von dem Anblick, der sich ihm bot. Er konnte sich noch an sein Training hier erinnern. Die Gartenarbeit hatte er immer da drüben verrichtet. Dort hatte er auch zusammen mit seinem Shishou unter dem Sternenhimmel gesessen. Viele Erinnerung jedoch waren nicht so angenehm. Shishou war ein harter und fordernder Mann. Dennoch war er der Mann, den Kenshin am ehesten als so etwas wie einen Vater bezeichnen würde. Er hatte ihm beigebracht, wie er sein Leben zu führen hatte. Nicht nur überleben, sondern wirklich leben und das Leben wertschätzen. Kenshin zuckte zusammen, jetzt, wo ihm bewusst wurde, wie sehr es seinen Meister damals verletzt haben musste, zuzusehen, wie seinen Schüler davon rannte und ein Mörder wurde.
 

Aus dem Nichts sprach eine ruhige Stimme: „Habe ich mich endlich als würdig genug erwiesen, das Ziel von Hitokiri Battousai zu werden?“ Deutlich wie immer war der Sarkasmus und die Arroganz aus seiner Stimme zu hören, aber das erste Mal merkte Kenshin auch, wie hart und zynisch dieser Tonfall klang.
 

Kenshin wandte sich um und sah seinen Shishou auf einem Baumstamm nicht weit weg von der kleinen Hütte sitzen. Wie gewöhnlich hatte er einen großen Sake-Krug in der Hand. Aber das war es nicht, was Kenshins Aufmerksamkeit fesselte. Hiko Seijuro hatte, genau wie Kenshin selbst, immer jünger gewirkt, als er wirklich war. Doch für den Rurouni war es seltsam, seinen Meister SO jung zu sehen. Dieser Hiko vor ihm war kaum älter als er selbst.
 

Wegen einer mangelnden Antwort stand der große Mann schließlich auf und warf Kenshin einen düsteren Blick zu. „

Dafür bist du doch gekommen und ehrst mich mit deiner Anwesenheit, oder nicht?“
 

Kenshin verbeugte sich tief. Egal wie alt er war, Hiko schaffte es jedes Mal, dass er sich wie ein kleines Kind fühlte. „Ich bin nicht gekommen, um zu kämpfen, Shishou. Ich weiß, wie der Kampf ausgehen würde. Ich bin gekommen, weil ich eure Hilfe benötige.“
 

Hiko kniff seine Augen zusammen und starrte den Mann vor ihm in den Schatten an.

„Ich habe kein Interesse daran, einem Killer behilflich zu sein. Ich hätte dir niemals den Hiten Mitsurugi Ryu beibringen sollen. Geh.“

Hiko lief zurück zu der Hütte, sein weißer Umhang hinter ihm herflatternd.
 

Kenshin hatte diese Reaktion erwartet. Er hatte Hikos Verhalten ja schon kennen gelernt, als er das erste Mal zu ihm zurückkehrte, um sein Training zu vollenden. Dennoch tat es weh, diese Worte zu hören.

„Shishou, ich will euch nicht belästigen, aber es gibt niemand anderen, zu dem ich gehen kann.“ Er folgte ihm.
 

Hiko erstarrte mitten in der Tür und ohne sich umzuwenden, entgegnete er mit harscher Stimme, “Ich gebe mich nicht mit Battousai ab.”
 

“Ich bin nicht länger Battousai,” brach es aus Kenshin heraus, bevor Hiko die Tür vor seiner Nase zuschlagen konnte. “Lasst es mich erklären, bitte. Ich habe seit über zehn Jahren nicht mehr getötet. Ich bin jetzt ein wandernder Vagabund, ein Rurouni.”
 

“Unmöglich,” schnauzte Hiko und drehte sich endlich um, den Jungen, der ihn verlassen hatte, genauer betrachtend. „Vor zehn Jahren warst du noch ein kleines K...“ Seinen Worte blieben ihm im Hals stecken, als er endlich den rothaarigen Mann vor ihm wirklich SAH. Das erste Mal seit Jahren schaffte es sein baka deshi, ihn wirklich zu überraschen.
 

Vor ihm stand kein 17-jähriger Junge. Und das waren auch nicht die Augen eines Auftragskillers. Es waren die Augen eines erwachsenen Mannes, der zu viel in seinem kurzen Leben durchgemacht hatte. Es waren Augen wie Spiegel, in denen er sich selbst sehen konnte. „Zehn Jahre...“ Die Worte waren ihm herausgerutscht, bevor er es verhindern hätte können, aber was sollte er sonst sagen? Hiko schloss seine Augen und schüttelte den Kopf. „Unmöglich,“ flüsterte er wieder. Hatte er heute Abend nicht ausnahmsweise einmal weniger Sake als sonst getrunken?
 

„Shishou?“
 

Hiko öffnete seine Augen nicht, aber seine Hand glitt zu seiner Stirn, als ob er Kopfweh hätte. Mit seiner anderen gestikulierte er Kenshin, ihm in die Hütte zu folgen.
 

Kenshin trat ein und kniete sich auf den Boden.

Hiko schloss die Tür und tauschte seinen leeren Sakekrug gegen einen Vollen aus. Dann setzte er sich vor den für ihn fremden Mann, der, so hatte er sich endlich entschlossen, eine Halluzination seines jahrelangen, exzessiven Alkoholkonsums sein musste. Es gab einfach keine andere Erklärungsmöglichkeit. Jedenfalls keine, die ihm besser erschien. Er hatte eine harte Zeit mit dem Jungen gehabt und noch härter war es gewesen, zuzusehen, wie er sich selbst in den Rachen der Wölfe in Kyoto geworfen hatte. Er war nicht sicher, ob er sehen wollte, was aus ihm geworden war. Kenshin lebte noch, auch noch nach zehn Jahren. Aber hatte er auch ÜBERLEBT? Hiko wusste es nicht. Er nahm zwei Sakeschälchen und schenkte ein. Halluzination oder nicht, er hatte das Gefühl, das sie beide das jetzt brauchen würden.
 

--
 

1878
 

Stimmen glitten an ihm vorüber, mal leise, mal wieder lauter. Keine davon kam ihm bekannt vor. Nein, das stimmte nicht. Die Stimme eines Mannes kam ihm bekannt vor, aber er war sich nicht sicher. Er lag am Boden. Warum? Er schlief niemals so. Und sein Körper fühlte sich schwer an. Er bewegte sich nicht sondern wollte erst herausfinden, was hier vor sich ging. Irgendwo in seinem Kopf spukte noch der Albtraum herum, den er gerade gehabt haben musste. Irgendetwas mit den Sekihou-Tai und einem Fluss... und einem Jungen. Alles in seinem Kopf schien sich zu drehen.
 

Endlich versuchte er sich zu bewegen, aber es tat weh. Seine Muskeln waren verspannt. Und die Wunden, die er sich zugezogen hatte, als er SIE retten wollte... sie waren noch nicht ganz verheilt und trugen einen großen Teil zu seinem Unwohlsein bei. Aber Schmerz war für ihn nichts neues. Immerhin KONNTE er sich noch bewegen. Plötzlich hörte er alle Stimmen um sich herum ganz deutlich.
 

„Megumi-san! Er wacht auf!” Die Stimme eines Mädchens. Sie klang so, als ob sie in seinem Alter wäre.
 

Eine sanfte Hand berührte seine Stirn und eine andere Frauenstimme antwortete. „Er wird wieder gesund, keine Angst. Warum hörst du mir nie richtig zu, Kaoru? Er hat nur hohes Fieber, es KANN gefährlich werden, wenn es nicht behandelt wird. Aber wir sind ja alle da und bald wird es ihm wieder besser gehen.“ Die Stimme dieser Frau war irgendwie tröstend. Ihre Hand strich zart sein feuchtes Haar aus der Stirn.
 

„Und DU, warum hast du ihm nicht GEHOLFEN?“ Das Mädchen schien jemanden anzuschnauzen. „Er fällt in den Fluss und bekommt ein Fieber, nur weil du wieder irgendeinen unnötigen Kampf veranstalten wolltest.“
 

“Hey Jou-chan, vergiss nicht, auch ICH bin in den Fluss gefallen und auch ICH bin krank. Außerdem verwundet noch dazu!“ antwortete ein Mann.

Sagara. Er erinnerte sich gleich an den Namen. Das war der Mann der Sekihou-Tai. Also war der Traum noch nicht vorbei.

„DU hast kein Fieber und Megumi-san sagt, dass Kenshin viel mehr Verletzungen hat!“

„WAS?!“ Jemand rückte näher an ihn heran. Er fühlte, wie sein Gi vorsichtig geöffnet wurde und dann hörte er Sagara scharf einatmen. „Was ist mit ihm passiert?“
 

“Willst du damit sagen, das weißt du nicht?” fragte das Mädchen, ihre Stimme diesmal unsicher.

“Natürlich weiß er es nicht, Kaoru,” sagte die Frau. “Diese Wunden sind bereits Monate alt. Sie sind nur einfach nicht richtig verheilt und haben sich jetzt wieder geöffnet. Wahrscheinlich um JEMANDEN zu retten, der vor lauter Übermut in den Fluss gefallen ist.“
 

Sagara begann, sich zu verteidigen. Jetzt war sich Battousai langsam sicher, nicht mehr zu träumen und er zwang sich, seine Augen zu öffnen. Seine Sicht war verschwommen und er musste ein paar Mal blinzeln um erkennen zu können, was um ihn herum vor sich ging. Das Mädchen, Kaoru, schlug gerade Sagara mit einem Bokken über den Kopf, während die Frau mit Namen Megumi schreiend versuchte, den Streit zu schlichten.
 

Battousai setzte sich auf, seinen Kopf mit beiden Händen festhaltend, als ihn eine plötzlicher Schwindel überfiel. Wenn Sagara hier war, dann mussten die anderen Personen auch echt sein – und er war immer noch in der Meiji-Zeit.
 

Plötzlich rief eine helle, junge Stimme hinter ihm, „Hey, Himura ist wach!“

Er wandte sich sofort um und sah noch ein Mädchen, jünger wie er, mit einem langen Zopf, die ihn freudestrahlend anschaute. „Ha,“ rief sie fröhlich, „ich hab ihnen gesagt, dass du bald wieder fit bist.“
 

Die Anderen hielten ein und plötzlich waren vier Paar Augen auf ihn gerichtet. Battousai spannte sich an. Wer waren diese Leute? Noch mehr von Sagaras Freunden? Sollte er sie alle KENNEN?

„Kenshin,“ schrie Kaoru mit Tränen in den Augen.

Tränen weshalb?
 

Sie stand auf, ließ das Holzschwert fallen und eilte zu ihm herüber, Sagara, der sie aufhalten wollte, einfach wegstoßend. Bevor er wusste, wie ihm geschah, war dieses Mädchen auf die Knie gesunken und hatte ihre Arme um ihn geworfen. Es hörte sich so an, als ob sie immer noch weinte.
 

Battousai versteifte sich und brauchte all seine Willenskraft, um sie nicht automatisch wegzustoßen. Sie flüsterte immerzu seinen Namen. „Kenshin. Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Du warst so krank…“
 

Seine Augen weiteten sich und er blickte hilfesuchend zu Sagara. Wenn sie ihn noch länger so umklammert hielt, dann würde er grob werden und gehen müssen. Er konnte es nicht ertragen, so berührt zu werden.
 

„Jou-chan,“ sagte Sagara, „vielleicht solltest du ihn wieder zu Luft kommen lassen.“
 

„Kenshin?“ sie bemerkte endlich, dass irgendwas nicht in Ordnung war. Ihre tränennassen, blauen Augen starten ihn an. „Was ist los?“
 

Er sah an ihr vorbei und antwortete nicht. Vielleicht ging sie ja einfach weg, wenn er sie ignorierte. Wenigstens würde sie ihn dann loslassen. Die letzte Frau, die ihn so gehalten hatte, war getötet... hatte er getötet... Ohne es zu wollen, schaute er doch zu ihr herüber.
 

Er hörte einen überraschten Aufschrei, bevor er überhaupt merkte, dass er sie weggeschubst, aufgesprungen und nach seinem Schwert gegriffen hatte. Es war nicht da. Was hatten sie mit ihm gemacht? Er drückte sich mit dem Rücken zur Wand, versuchte, etwas Abstand zwischen sich und diese Leute zu bringen – Gleichzeitig wusste er, wie unpassend seine Reaktion gewesen sein musste. Aber er hatte Tomoe in dem Gesicht des Mädchens gesehen und es hatte ihm Angst gemacht. Er wollte niemals mehr, dass ihn jemand so ansah, wie sie es getan hatte... Dieser Blick voll von Vertrauen und... Er unterdrückte weitere Gedanken und fühlte sich wie ein in die Ecke gedrängtes Tier, das jeden Moment ausschlagen könnte. Er wusste, dass er überreagierte aber er konnte nicht richtig denken. Sein Kopf tat weh und er fühlte sich schwach, was ihn noch aggressiver werden ließ.
 

Sagara näherte sich langsam. „Kenshin,“ sagte er sanft, „es ist in Ordnung. Kaoru hätte dich nicht so überfallen sollen, aber sie hat sich nur Sorgen gemacht. Sie ist dein Freund, Kenshin. Genau wie der Rest von uns. Wir sind deine Freunde. Du brauchst keine Angst vor uns zu haben.“
 

Battousai blickte finster, seine Augen funkelnd und Sagara versteinerte in seiner Bewegung. „Ich habe keine Angst, Sagara.“ Natürlich war das gelogen, aber das brauchte keiner zu wissen. „Sie soll mich nicht noch einmal... Ich will sie nicht verletzen. Nicht noch einmal.“ Er schüttelte seinen Kopf. Er hatte immer noch hohes Fieber.
 

Was machte Tomoe hier mit diesen Fremden? Waren sie alle tot? Vielleicht. War nicht die ganze Sekihou-Tai hingerichtet worden, erst letzte Woche? Das würde alles erklären. Vielleicht fühlte er sich deswegen auch so benommen. Und ihm war heiß. War das die Hölle? Warum war dann Tomoe hier? Um ihn zu quälen?
 

Die Wände konnten ihm nicht länger Halt gewähren, er fühlte sich zu schwer und alles schien vor ihm wieder zu verschwimmen. Das letzte, was er sah, war, wie Sagara nach vorne sprang und ihn, während er zusammenklappte, auffing.
 

Und er hörte sie... hörte Tomoe weinen.
 

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Kommentare sind wie immer nicht nur von mir sondern auch von der Autorin sehr erwünscht *g* und es geht spannend weiter...
 

NÄCHSTES KAPITEL: Ist Kenshin weit genug in der Vergangenheit, um Tomoe vor dem Tod zu retten? Und wie geht Battousai mit dem Umstand um, dass er plötzlich Freunde hat?
 

Bis dann ^^

Diskussionen

Out of Time
 

Kapitel 4 – Diskussionen
 

1865
 

Hiko saß vor dem jungen Mann und beobachtete amüsiert, wie dieser hastig sein Sake-Schälchen leer trank. Er schenkte nach und war sich nicht sicher, warum er das überhaupt so lustig fand. Immerhin konnte der Junge gar nichts anderes, als trinkfest zu sein, wenn es wirklich sein Baka Deshi war. Er hatte ihn ja gewissermaßen mit Sake großgezogen.

Aber WIE konnte das der Junge sein, den er einst trainiert hatte? Er war älter, das war sicher. Und er war anders, und das war es, was Hiko so zu schaffen machte. Seine Augen waren so strahlend blau wie an dem Tag, als Hiko ihn gefunden und gerettet hatte, aber gleichzeitig waren sie auch unergründlich tief. Er konnte den Jungen überhaupt nicht mehr einschätzen. Er konnte hier nur sitzen und spekulieren. Dieser Mann, dieser ältere Kenshin schien – und das war erschreckend - ihm gar nicht so unähnlich zu sein.
 

„Kenshin?“ Er musste noch einmal fragen. Wer konnte es sonst sein. Nicht mit diesen Haaren und diesen Augen. Aber Hiko MUSSTE es aus seinem Mund hören.
 

Kenshin nickte kurz. Seine Stimme war weich und angenehm. „Ich weiß, das klingt seltsam, und das ist es auch. Ich brauche eure Hilfe. Ich weiß nicht, was mit mir passiert ist und ihr seid der einzige, bei dem ich Rat suchen kann. Kyoto ist hier... jetzt zu gefährlich. Ich könnte wieder töten.“
 

Hiko trank sein drittes Schälchen Sake, setzte es dann ab und entschloss sich, doch direkt aus dem Krug zu trinken. In diese Schälchen passte einfach nichts rein.

„Wie alt bist du?“ fragte er, bevor er noch einen Schluck nahm.

Kenshin blinzelte überrascht. „Oro? Dreißig. Warum?”

Hiko verschluckte sich und hätte fast den Krug fallen gelassen. Er fing das Husten an und Kenshin starrte ihn geschockt an. Endlich, nach einigem Husten, konnte Hiko den Rotschopf vor ihm wieder ansehen. „Dreißig? Du bist fast so alt wie ich...“ Er erwischte sich dabei, wie er mit offenem Mund seinen Baka Deshi anglotzte und entschloss sich statt dessen, noch mehr Sake zu trinken. Er hatte doch geahnt, dass für diese Unterredung Alkohol nötig war. Hoffentlich hatte er auch genug im Haus.
 

„Shishou?“ fragte Kenshin mit besorgtem Gesichtsausdruck

„Schau mich nicht so an.“

„Aber ihr habt euch gerade verschluckt. Kann es sein, dass...“
 

„Mir geht es gut,“ schnappte Hiko zurück. „Ich weiß nicht, warum ich dich überhaupt reingelassen habe. Battousai oder nicht, DU hast MICH verlassen. Ich bin dir gar nichts schuldig.“
 

Kenshin verbeugte sich nochmals. „Ich sage nicht, das ihr mir etwas schuldet. Aber...“
 

„Und kannst du mal aufhören, dich zu verbeugen? Wie soll ich denn mit dir reden, wenn du dein Gesicht ständig auf den Boden drückst.“
 

„Shishou, ihr macht es mir nicht gerade leicht! Ich muss wissen, was hier vor sich geht!“ Verzweifelte Wut flammte in Kenshins Augen auf.
 

Hiko grinste und trank noch einen Schluck. „Du bist wütend. Gut. Besser als dieses demütige Getue. Wenn wir etwas herausfinden wollen, dann musst du bei Verstand sein.“

„Shishou!“ rief Kenshin empört aus.

„Lass das mit dem Shishou,“ schnauzte Hiko ihn an. „Mein Baka Deshi ist 14 Jahre jünger wie du, nicht nur ein Jahr. Wir sind ja praktisch Altersgenossen.“ Hiko schloss seine Augen und versuchte, sich zu beruhigen. „Ich bin Hiko. Du bist Kenshin. Aber nur heute!“
 

Kenshin sagte nichts, nickte aber.

“Hier.” Hiko griff hinter sich und holte zwei neue Sake-Krüge. Einen davon gab er Kenshin. „Die werden wir noch brauchen. Unsere Unterhaltung wird wohl länger dauern.“ Er öffnete seinen Krug. „Also, was genau müssen wir herausfinden? Wie du hierher gekommen bist? Wie du wieder zurück kommst?“
 

„Ob es einen Grund dafür gibt,“ meinte Kenshin leise.

Hiko zog eine Augenbraue nach oben. „Einen Grund? Warum muss es bei dir immer einen Grund geben? Gab es einen GRUND, warum dich die Banditen damals angegriffen haben? Gibt es einen richtigen GRUND für diesen Krieg? Du bist immer noch ein Idealist, Baka!“
 

Kenshin sah ihn an. „Ich dachte, ich bin nicht mehr euer Baka Deshi,“ sagte er frustriert.

„Bist du nicht, aber jeder kann ein Baka sein und das bist du gerade. Was für einen GRUND könnte deiner Meinung all das hier haben? Ein dreißig-jähriger Mann, der zurück in seine bluttriefende Vergangenheit geschleudert wird... Sollst du die Revolution noch einmal durchleben, dieses Mal ohne zu töten?“
 

„Ich kann kämpfen, ohne zu töten. Ich habe es seit zehn Jahren getan,“ meinte Kenshin ungehalten und zog sein Schwert aus der Scheide.

Hikos Augenbrauen hoben sich dieses Mal beide. „Ein Sakabatou! Interessant. Aber ich kenne deine Fähigkeiten. Wenn du wollen würdest, könntest du auch jemanden mit diesem Schwert töten. Also weich meiner Frage nicht aus. Was für einen Grund könnte es geben?“

Kenshin senkte seinen Blick und steckte sein Sakabatou zurück in die Scheide. „Vielleicht, um jemanden zu beschützen...“
 

Hiko schaufte. „Du hast dich an diesem Krieg BETEILIGT, um Leute zu beschützen. Ich habe Gerüchte von Nah und Fern gehört, wie genau dein SCHUTZ aussieht. Du solltest aufhören, das gleiche nur mit anderen Worten zu sagen. Wen könntest du in dieser Revolution beschützen, ohne zu töten? Du denkst dabei doch nicht etwa an dieses Mädchen...“

Kenshin wurde sichtbar blass und Hiko wusste, dass er einen Nerv getroffen hatte.

„Es geht also um sie.“

„Woher wisst ihr von ... Tomoe?“ Kenshins Stimme war nur noch ein Flüstern.
 

Hiko funkelte ihn an. „Denkst du, ich lasse meinen Baka Deshi in den Krieg stapfen und behalte ihn nicht dabei im Auge?“

Kenshins Augen weiteten sich vor Überraschung. „Ihr... habt mich im Auge behalten?“

Hiko trank mehr von seinem Sake, seine Augen auf den Krug geheftet. „Was ist mit Tomoe?“ lenkte er das Gespräch von sich ab.
 

“Ja… Ich…” Über sie zu sprechen bereitete Kenshin sichtlich Schmerzen. “Ich habe wegen ihr geschworen, niemals mehr zu töten. Sie... sie konnte irgendwie durch mich hindurch sehen... durch Battousai. Sie hat MICH gesehen... und mir wieder geholfen, zu leben. Und ich habe sie getötet. Sie versuchte, mich zu beschützen, als ich aus dem Hinterhalt angegriffen wurde und... sie ist direkt vor mein Schwert gerannt. Ich habe sie nicht einmal gesehen, bevor es schon zu spät war. In ihrem Gedenken habe ich geschworen, nie mehr zu töten, sobald die Revolution vorüber ist.“
 

Hiko beobachtete den Mann vor ihm. Er kannte das Gefühl, jemanden nicht retten zu können, jemanden zu verlieren. Er hatte dieses Gefühl gehabt, als er damals einen kleinen Jungen zwischen blutigen Leichen zurückgelassen hatte. Doch er hatte eine zweite Chance bekommen. Dieser kleine Junge hatte überlebt und war sein neuer Schüler geworden. Es tat ihm weh, begreifen zu müssen, dass Kenshin Tomoes Tod nötig gehabt hatte. Es war nötig gewesen, dass jemand für ihn starb, denn nur so konnte er lernen, sein eigenes Leben wertzuschätzen - etwas, was Hiko dem Jungen nie hatte beibringen können.
 

“So. Du würdest also die Geschichte ändern, nur um sie zu retten?“ knurrte er. „Du würdest die Geschichte Japans verändern und dein Leben, zu dem du endlich gefunden hast, nur um sie zu retten?“

„Ja.“ Kenshins Stimme war kaum noch hörbar.

Kenshin hatte sie geliebt. Hiko hatte das bis jetzt nicht gewusst. Das würde die Dinge nur noch komplizierter machen.

„Dann sag mir, Kenshin. Wenn du weit genug in der Zeit zurückgereist wärst, um die drei Mädchen von damals vor den Banditen zu retten, hättest du es getan?“
 

Kenshin sah auf und blickte das erste Mal seit langem direkt in Hikos Augen. „Was?“

„Du hast mich schon verstanden,“ schnauzte Hiko. „Hättest du sie gerettet? Wärst du eingeschritten, bevor ich gekommen wäre? Hättest du ihr Leben gerettet und damit Hitokiri Battousai ausradiert? Dein Training mit mir ausradiert? Deine Rolle in der Revolution ausradiert? Deine Begegnung mit Tomoe ausradiert?“ Er knallte seinen Sake-Krug zu Boden. „Hättest du es getan?“
 

Kenshin schwieg einen Moment, bevor er antwortete.

„Nein.“ Es fiel ihm schwer, dieses Wort zu sagen. „Ich habe das Training gebraucht. Ich habe so viel getan, seit die Revolution vorbei ist. Ich habe Menschen geholfen. Ich kann das nicht alles ungeschehen machen, mögen mir Kasumi, Akane und Sakura verzeihen.“

„Aber für Tomoe hättest du es getan?“

Kenshin antwortete nicht.
 

„Aus dem, was du mir erzählt hast, kann ich schlussfolgern, dass sie dir geholfen hat, den Hitokiri in dir unter Kontrolle zu bringen. Jetzt stell dir vor, wie viele Leben du zerstört hättest, wenn du ihr damals nicht geschworen hättest, nie mehr zu töten? Denk nach.“

Kenshin trank einige Schlucke Sake, bevor er langsam nickte. Er hatte verstanden.

Hiko trank seinen zweiten Krug leer und holte sich noch einen. „Sie starb vor sechs Monaten, Kenshin. Du hättest sie sowieso nicht mehr retten können, wenn das ein Trost für dich ist.“ Er seufzte und beobachtete den vernarbten Mann vor ihm. „Ehrlich gesagt, ich habe gedacht, dass dich ihr Tod vollends zerstört hätte. Wenigstens dieses eine Mal ist es beruhigend, nicht recht gehabt zu haben.“
 

Kenshins Augen verdunkelten sich kurz, bevor sie sich vor Entschlossenheit verhärteten. Hiko hatte dennoch die tiefe Trauer in ihnen kurz aufschimmern sehen. Kenshin verbeugte sich. „Danke... Hiko.“

Dann folgte ein unangenehmer Moment, in dem sie beide sich schweigend gegenüber saßen und gedankenverloren ihren Sake tranken.
 

Schließlich brach Hiko das Schweigen. „Wir müssen herausfinden, wie genau du hierher gekommen bist. Auf diesem Weg könnte ich dich vermutlich auch wieder loswerden,“ grummelte er. Sein Blick fiel auf die vielen leeren Krüge, die sich um sie herum schon angesammelt hatten und sein Mund verzog sich zu einem Grinsen. „Ich weiß nicht, ob ich mir es leisten kann, dich auszuhalten – jetzt, wo du gelernt hast, wie man Sake trinkt.“
 

Kenshin lachte leise.

Hiko entspannte sich. Gut, dachte er. Wenigstens konnte Kenshin noch lächeln.
 

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1878
 

Als Battousai wieder wach wurde, war es dunkel und die Leute um ihn herum waren verschwunden. Er blinzelte einige Male, bevor er den Raum wirklich wahrnehmen konnte. Alles schien für ihn noch etwas unscharf, und das beunruhigte ihn. Als Hitokiri musste er alles scharf im Blick haben.

Er lag auf einem Futon, mit einer Decke über sich. Er schwitzte etwas und seine Muskeln taten weh, aber ansonsten schien er in Ordnung zu sein.
 

Seine Augen überblickten das dunkle Zimmer. Es sah aus wie in seinem Albtraum. Anscheinend mussten Teile dieses Traumes wahr sein, genau wie das mit der Meiji-Zeit und Sagara. Er fragte sich, ob die Menschen um ihn herum wohl auch echt gewesen waren.
 

Seine Nackenhaare sträubten sich, als er plötzlich die Anwesenheit von jemandem spürte. Sagara saß auch noch im Raum. Battousai befahl seinen schmerzenden Muskeln, sich zu bewegen und er setzte sich auf.
 

„Wie fühlst du dich?“
 

Battousai wandte sich um und sah den braunhaarigen Mann an, der mit dem Rücken an die Wand gelehnt neben seinem Futon saß. „Sagara,“ sagte er und versuchte, die Überraschung in seiner Stimme zu verbergen. „Warum bist du hier?“
 

Sagara grinste. „Wenigstens weißt du jetzt, wer ich bin. Du hast uns alle ganz schön erschreckt. Dein Fieber war so hoch, dass du phantasiert hast.“
 

Battousai legte seinen Stirn in Falten und versuchte, sich an seinen Albtraum zu erinnern. Da waren Leute um ihn herum gewesen. Und Sagara, der versucht hatte, ihn hinzulegen. Und Tomoe, die weinte... er schüttelte seinen Kopf. Nein. Sie musste jemand anderes gewesen sein. Warum hatte er sie Tomoe genannt? Er konnte sich nicht mehr erinnern. Besorgt blickte er Sanosuke an. „Hab ich sie verletzt?“
 

„Huh?“ Sano schaute Battousai ins Gesicht und war erstaunt, Betroffenheit darin zu entdecken. „Kaoru? Nein. Warum?”
 

“Sie hat geweint…” Battousai schüttelte den Kopf. „Ich erinnere mich, dass sie geweint hat, aber ich weiß nicht, warum.“
 

Sagara lachte erleichtert. „Ach das. Sie hat sich Sorgen gemacht, das ist alles. Typisch Kaoru – nach außen ein harter Kern aber wenn sie denkt, du bist verletzt, dann heult sie immer gleich. Naja, und als du sie davon gestoßen hast... hat sie sich nur noch mehr Sorgen gemacht. Wenn es nach ihr ginge, dann wäre sie die ganze Nacht hier bei dir geblieben. Aber ich konnte sie dann überzeugen, mich auf dich aufpassen zu lassen, immerhin haben wir uns einander schon vorgestellt.“
 

Der Rotschopf schien zu versuchen, all das zu begreifen. „Sie sollte sich nicht um mich besorgen. Ich habe mir dieses Leben ausgesucht. Ich werde nicht lange leben.“
 

„Sag das nicht zu ihr, Kenshin. Das würde sie umbringen.“
 

Die steinerne Maske war sofort wieder an Ort und Stelle. „Ich habe dir gesagt, du sollst mich nicht so nennen. Ich werde diesen Namen nicht mit Blut beschmutzen. Ich bin Battousai.“
 

Sagara funkelte ihn an. „Und ICH sage dir, dass ich dich nicht Battousai nennen kann! Wenn du Kenshin nicht magst, dann nennen ich dich eben Himura, wie Misao. Das ist alles, was ich tun kann.“
 

Nach einer langen Pause antwortete der Jugendliche. „Himura ist in Ordnung. Katsura-san hat mich auch so genannt.“
 

„Gut.“ Sano nickte. „Aber du musst damit klar kommen, dass die ANDEREN dich weiterhin Kenshin nennen werden. Sie haben das immer getan. Keiner von ihnen hat dich als Battousai getroffen. Sie haben dich als Vagabund kennen gelernt, als Rurouni namens Himura Kenshin. Wenn du deinen Namen plötzlich änderst, machen sie sich nur unnötig Sorgen.“
 

„Rurouni? Das macht keinen Sinn, Sagara.“

“Ja, ein Rurouni.” Der Kämpfer zuckte zurück. „Und weißt du, wenn ich dich schon Himura nennen muss, dann kannst du mich auch Sanosuke nennen.“
 

Battousai nickte, wie als ob er einen Befehl erhalten hätte. „Gut. Sanosuke.“ Er sprach den Namen kalt und ohne die sonstige Freundlichkeit aus, die Kenshin immer in seiner Stimme hatte.
 

Sano seufzte angesichts dieser schwierigen Lage. „Hör mir zu, Ken- Himura. Diese Leute von letzter Nacht, sie sind alle deine Freunde.“
 

Er lächelte, als er sah, wie Battousais Maske für einen Moment verrutschte und er überrascht blinzelte.

„Misao, Kaoru, Megumi und ich, du hast uns alle in irgendeiner Art und Weise gerettet. Selbst Yahiko. Den hast du noch nicht gesehen, denn er hat schon geschlafen, ein kleiner Junge.“
 

“Gerettet?” Die Augen des jungen Mannes weiteten sich und wurden dann kalt. Das hier alles musste ein schlechter Scherz sein. „Leute, die ich GERETTET habe? Ich bin ein Hitokiri. Ein Killer. Ich weiß nicht, wie man Leute RETTET. Ich töte. Das ist alles. Selbst jetzt, wo ich nicht mehr länger offiziell ein Attentäter bin, töte ich, um zu beschützen. Und selbst unter meinem Schutz sterben Menschen.“ Battousai sah weg.
 

“Gute Güte, Himura,” schnaufte Sano. Ihn ärgerte der zynische und frustrierte Tonfall des Jungen, der davon zeugte, das er durch die Hölle gegangen sein musste und nun kurz davor stand, das Handtuch zu werfen. „Keiner kann ALLE retten. Nicht mal du!“
 

„Vielleicht nicht, aber ich habe SIE getötet, Sasosuke. Sie stand unter meinem Schutz und es war MEIN Schwert, das sie getötet hat. Was für eine Gerechtigkeit ist das? Was für ein SCHUTZ?“ Ein bernsteinfarbenes Glitzern flackerte tief in seinen blauen Augen auf und eine todbringende Wut schwappte kurz an die Oberfläche, bevor sie wieder unter Kontrolle gebracht wurde.
 

Sie? Wer war diese Tomoe, die er auch schon früher genannt hatte? Sano schwieg eine Zeit lang. Das war gerade purer Schmerz, den er in den Augen des Jungen gesehen hatte. Die erste, richtige Empfindung, die ihren Weg aus seinem Inneren an die Oberfläche gefunden hatte. Ein Schauder rann Sano über den Rücken, als er sich bewusst wurde, dass Kenshin diesen gefühlslosen Gesichtsausdruck nicht nur benutzte, um sich dahinter zu verstecken, wenn er töten musste. Etwas Schreckliches musste passiert sein und diese kalte Maske war im Moment anscheinend alles, was diesen Jungen noch zusammenhielt. Doch sie schien Sprünge zu haben. Und Sano wollte seinen Freund nicht mit ihr zerbrechen sehen.
 

„Ich weiß, dass du nicht ohne Grund töten würdest, Himura. Und ich kann nicht glauben, dass du das als Hitokiri damals getan hast. Wenn du sie wirklich getötet hast, dann...“
 

„Es gibt kein WENN, Sanosuke. Mein Schwert hat ihr Herz zerteilt. Es hat mit so großer Kraft durch sie hindurch geschnitten, dass es noch einen Mann auf der anderen Seite töten konnte. Ihr Blut hat mich wie eine zweite Haut bedeckt. Soll ich es noch ausführlicher beschreiben, oder reicht das, damit du verstehst? Ich habe sie GETÖTET. Und mein Grund? Der Grund, den ich deiner Meinung nach bräuchte? Sie stand im Weg.“ Der Junge atmete tief ein.
 

Sano konnte sehen, wie schwer dieses Gespräch für Battousai war. Er war immer noch schwach durch die Verletzungen und offensichtlich auch noch krank. Diese Diskussion würde nichts weiter bringen, als dass sich der Junge nur noch mehr aufregen wurde und das war für seine Genesung sicherlich nicht fördernd. Sano schaute aus dem großen Fenster auf den morgenroten Himmel. „Vergiss es,“ sagte er mit sanfter Stimme. „Aber was machen wir mit den anderen?“
 

Battousai sah Sano an und unterdrückte abermals seine Gefühle. „Was machen wir?“ wiederholte er.
 

Sano nickte. „Ja, Himura. Was machen wir? Du kennst diese Leute noch nicht so gut, aber sie kennen dich und jeder einzelne von ihnen sorgt sich um dich. Du kannst diesen Raum nicht verlassen, ohne das irgendjemand zur Stelle sein wird, der dir helfen will, dir Medizin geben will oder sonst was. Und aus irgendeinem Grund können sie es bestimmt nicht in ihren Kopf bekommen, dass du nicht ihr Kenshin bist. Sie sehen nur das, was sie erwarten, zu sehen. Und...“ unterbrach er sich verlegen, „...sie, na ja, also um ehrlich zu sein, sie haben Angst vor Battousai. Du hast nie gerne über deine Vergangenheit geredet, deswegen haben sie immer das Schlimmste angenommen.“
 

„Es GIBT nur das Schlimmste anzunehmen.“
 

Sano wollte dem nicht wiedersprechen. Er selbst wusste ja auch nicht alles über Battousais Vergangenheit. Aber so, wie er bisher den Jugendlichen kennen gelernt hatte, konnte er zumindest sagen, dass er einen Teil von Kenshin in ihm schimmern sehen konnte. Vor allem vorhin, als er etwas Zentrales begriffen hatte... Battousai tötete nicht gerne.
 

Battousai setzte sich etwas zurück, so dass er mit dem Rücken an der Wand lehnte. Er sah immer noch sehr blass aus. Oder lag das nur am frühen Morgenlicht?

„Himura?“

Stur nickte Battousai kurz. „Mir geht’s gut. Sprich weiter.“

Sano beobachtete seinen Freund kritisch, während er antwortete. „Es ist nur... der Freund, mit dem ich gestern Nacht Sake eingekauft habe, warst du.“

„Soviel habe ich mir auch schon gedacht,“ antwortete Battousai. „Deine Freunde haben ja erwartet, mich in deiner Gegenwart zu sehen.“

„Es sind auch deine Freunde,“ warf Sano ein.

„Das ist deine Meinung. Ich kenne sie nicht. Ich habe keine Freunde.“
 

Sano funkelte ihn wütend an. Wenn er nicht wüsste, dass Battousai ihn vermutlich sogar im kranken Zustand töten könnte, dann hätte er ihm jetzt am liebsten eine runter gehauen. „Ich BIN dein Freund, Baka,“ grummelte er. „Versteh das endlich. Nicht nur in der Zukunft sondern auch genau JETZT. Denkst du, ich wäre dir nach Kyoto gefolgt und hätte mich fast von dir TÖTEN lassen, nur um zu sehen ob’s dir gut geht, wenn ich nicht dein Freund wäre? Sicher, in erster Linie ist der Kenshin dieser Zeit mein Freund, aber ich bin mit jedem Teil von Kenshin befreundet, auch mit seiner Vergangenheit. Mir ist es egal, wie er mal gewesen ist. Wir zwei sind über diesen Punkt schon hinaus. Leute verändern sich. Und in zehn Jahren, wenn Kenshin 40 ist, dann bin ich immer noch sein Freund, auch wenn er sich vielleicht wieder verändert hat. Und da ich diesen Punkt akzeptiert habe, kann ich auch mit dem 20-jährigen Bengel befreundet sein, der er vor zehn Jahren war.“
 

„Siebzehn.“
 

Der dunkelhaarige Kämpfer sah zu dem Jungen herüber. „Was?“
 

„Ich bin nicht zwanzig,“ sagte er. Das erste Mal schienen sich Battousais Lippen zu so etwas wie einem Lächeln zu verziehen. „Ich bin der siebzehn-jährige Bengel, der er vor zehn Jahren war.“
 

Sano starrte ihn einfach nur eine Minute lang an, bevor er in Lachen ausbrach. „Du machst Witze! Das heißt, du bist in Wahrheit JÜNGER wie ich?“

„Ich dachte, es spielt keine Rolle, wie alt ich bin,“ meinte der Junge sanft.

Sano grinste nur. „Tut es nicht. Es ist nur so, dass du normalerweise fast zehn Jahre älter bist. Und deswegen fühlt es sich komisch an, zu wissen, dass du jetzt jünger wie ich bist.“ Sein Grinsen wurde breiter. „Eigentlich siehst du wie fünfzehn aus.“

Eine rote Augenbraue zog sich nach oben. „Vorhin hast du mich für zwanzig gehalten.“
 

Sano zuckte die Schultern. „Ich bin es einfach gewohnt, dich für älter zu halten, wie du aussiehst.“

Battousai seufzte bloß und lehnte sich wieder an die Wand zurück, den Blick auf den heller werdenden Himmel gerichtet. Zum ersten Mal schien er sich etwas zu entspannen. So als ob er endlich verstehen würde, das er die ständige Wachsamkeit des Hitokiri hier nicht brauchen würde.
 

Nachdenklich ließ sich Sanosuke auch an die Wand zurückgleiten. Endlich hat er auch mal gelächelt, überlegte er. Selbst wenn er sonst nichts erreicht hatte war dieses schwache Lächeln von Battousai ein kleiner Sieg für Sano. Wie es weitergehen sollte, konnten sie immer noch planen. Jetzt war es erst einmal genug, dafür zu sorgen, das dieser Junge überleben konnte ohne zu zerbrechen.
 

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Wie findet ihr die Story bisher? Mir gefällt gerade der Anfang sehr gut, vor allem die Dialoge... und ich kann versprechen, es geht spannend weiter. Wird Kenshin mit Hlko eine Möglichkeit finden, zurückzukommen? Und kann es Battousai schaffen, Kenshins Freunde kennenzulernen, ohne den Verdacht zu erregen, dass er gar nicht Kenshin ist? Ihr werdet es erfahren im NÄCHSTEN KAPITEL

Bis dann ^_^

Über einen Kommentar würden sich die Autorin und ich sehr freuen!

Verstehen

Huhu ^^

naaa, seid ihr immer noch dabei?

es geht spannend weiter - schnell geupdated nur wegen roter Mondschein *g* danke für deine Kommies!
 

Out of Time
 

Kapitel 5: Verstehen
 


 

1878
 

Sano saß neben Yahiko und aß sein Frühstück. Megumi hatte es gekocht, da sie im Dojo übernachtet hatte, um Kenshin regelmäßig seine Medizin zu verabreichen. Battousai war kurz vor Sonnenaufgang erschöpft wieder eingeschlafen und Sano hatte ihn nicht geweckt. Immerhin schien er an die Wand gelehnt besser zu schlafen als auf einem Futon.
 

Yahiko schaufelte wie immer das Essen gierig in sich hinein, aber Sano aß langsamer und war in Gedanken ganz wo anders. Er dachte über Kenshin beziehungsweise Battousai nach. Irgendwie schien dieser Junge - trotz seines Aussehens - noch älter als Kenshin zu sein, alt und erschöpft. Es war, als ob er überhaupt keine Kindheit gehabt hatte. Sano hielt mit dem Essen inne, als er sich an das Gespräch mit Kenshin auf der Brücke erinnerte. Er hatte Kenshin gefragt, ob er nie als Kind Mutproben-Spiele gemacht hatte. Kenshin hatte nicht geantwortet und plötzlich verstand Sano, warum.

Trotz all seiner Kenntnis über Battousais militärische Vergangenheit war ihm bisher noch nie der Gedanke gekommen, dass jemand, der schon im Alter von fünfzehn so wie Battousai hatte töten können, niemals eine Kindheit gehabt haben KONNTE.
 

“Was ist denn jetzt wieder mit dir los?”, kam Megumis Stimme von hinten, genau als Sano sich mit der flachen Hand an die Stirn schlug.
 

„Was?“ entfuhr es ihm aus, seinen Gedanken gerissen.
 

Die Frau lächelte ihn verschmitzt an. „Du isst wie ein normaler Mensch. Irgendwas kann nicht stimmen. Hast du Fieber wie Ken-san?“
 

Sano schenkte ihr ein grimmiges Lächeln.
 

Yahiko hielt mit den Stäbchen zum Mund inne und fragte überrascht, „Kenshin ist krank?“
 

„Jaah,“ sagte Sano. „Du hast wieder mal alles verschlafen, Kleiner.“
 

Wütend wollte Yahiko schon fast das Essen auf Sano werfen. „Nenn mich nicht Kleiner!“ rief er. „Jemand mit einem Hahnen-Kopf wie du.“
 

Sano knirschte mit den Zähnen und wollte sich gerade für diese Bemerkung rächen, als Kaoru und Misao den Raum betraten. Misao ließ sich gleich zwischen die beiden Streithähne fallen und begann zu essen. „Lecker,“ murmelte sie mit vollem Mund in Megumis Richtung.
 

Kaoru setzte sich neben Sano. „Wie geht es ihm?“ fragte sie sofort mit beunruhigter Stimme.

Sano zuckte mit den Schultern. „Es ist Kenshin. Dem geht’s bald wieder besser. Er ist noch ein bisschen müde und noch etwas verpeilt, aber heute Morgen war er kurz wach und seine Laune hatte sich verbessert.“
 

„Er ist wach?“ fragte Megumi alarmiert. „Warum hast du mir das nicht gesagt?“ Sie verpasste Sano mit ihren Essstäbchen eine Kopfnuss.

„Hey,“ rieb sich Sano den Kopf, „beruhig dich erst mal. Er schläft doch schon wieder. Denkst du, ich hätte ihn alleine gelassen, wenn er wach wäre?“

Kaoru sah immer noch besorgt aus. Ihr Essen stand noch unberührt vor ihr.

„Ist... ist er immer noch so verwirrt? Hat er immer noch Angst... so wie letzte Nacht?“
 

Yahikos Augen weiteten sich. „Kenshin und Angst? Niemals. Wie krank ist er denn?“
 

“Er hatte hohes Fieber,” wollte Megumi antworten aber Sano unterbrach sie.

„Ihm geht es gut. Er ist nur nervös, wenn alle um ihn herumstehen. Es fällt ihm schwer, die Gesichter zuzuordnen. Das Fieber hat ihn wirklich ganz schön mitgenommen. Aber er hat keine Angst und er ist auch nicht gefährlich, also warum lasst ihr ihn nicht einfach eine Weile in Ruhe?“
 

Einen Moment lang herrschte Schweigen, bis Megumi sanft meinte: „Keiner hat gesagt, das er gefährlich ist...“ Sie sah besorgt Sanosukes verbundene Schulter an.
 

Dem Kämpfer blieb jedoch eine Antwort erspart, denn Battousai selbst stand plötzlich in der Tür. Sein langes, rotes Haar war offen und floss über seine Schultern und er trug nur seine Hakama. Die üblen Wunden auf seiner Brust, seinen Armen und seinem Rücken steckten immer noch in Megumis Verbänden, wenn auch an manchen Stellen bereits Blut durchzuschimmern schien – ein Zeichen, dass die Verbände bald gewechselt werden mussten. Dennoch sah er jetzt gesünder und stärker aus, wenn auch Sano nicht entging, dass der Junge sich noch zur Unterstützung am Türrahmen festhalten musste.
 

Yahiko starrte Battousai an und sagte nichts. Doch Kaorus Augen weiteten sich vor Freude. „Kenshin!“

Er spannte sich für einen Moment an, schien sich dann aber wieder zu beruhigen und schaffte es sogar, kurz in ihre Richtung zu nicken. Das schien für Kaoru schon mehr als genug zu sein.

Doch Megumi war nicht so leicht zufrieden zu stellen. „Ken-san. Warum läufst du schon herum? WILLST du nicht gesund werden?“

Battousai wandte ihr seine kalten, blauen Augen zu. „Mein Gi,“ sagte er mit ruhiger Stimme, ihre Besorgnis ignorierend. „Wo ist er?“
 

Misao schlug sich die Hand an die Stirn und sprang auf. „Mein Fehler!“, rief sie aus. „Opa wollte, dass ich dir deine Sachen ins Zimmer lege, aber ich hab’s gestern Nacht vor lauter Aufregung vergessen!“ Sie eilte aus dem Zimmer und hätte Battousai fast umgerannt.
 

Megumi funkelte ihn immer noch wütend an. „Du brauchst deinen Gi nicht, Ken-san. Du bist krank und wirst dich wieder hinlegen.“ Ihr Blick wurde noch drohender.

Sano zuckte zurück. Er kannte diesen Blick gut genug, um Angst davor zu haben.

Natürlich funktionierte das bei jemandem, dessen eigener Blick in der Revolution berüchtigt dafür war, Soldaten in Angst und Schrecken zu versetzen, überhaupt nicht. Battousai sah einfach weg.
 

Misao kam wenige Minuten später mit einem kleinen Bündel wieder zurück. Sie fingerte den Gi heraus und reichte ihn Kenshin, bevor sie mit dem Rest wieder davoneilte. „Ich leg’s dir ins Zimmer! Entschuldigung, Himura.“

Battousai stand stumm da und schaute auf den magenta-farbenen Gi in seinen Händen. Er schien seine Sprache verloren zu haben. Nach einem Moment schaute er langsam auf, in Richtung Sano.
 

„Das ist nicht meiner.“
 

Sano hielt sein Lachen angesichts Battousais fassungslosem Gesicht zurück. Natürlich konnte sich der Hitokiri nicht vorstellen, jemals freiwillig rosa zu tragen.
 

Kaoru schaute von dem Gi zu Battousai. „Was ist los, Kenshin? Natürlich ist das deiner.“
 

Seine Brauen zogen sich vor Verwirrung und Frustration zusammen.
 

„Er ist pink.“
 

Sano versuchte sein Gelächter hinter einem plötzlichen Hustenanfall zu verbergen. Auch ein böser Blick von Battousai half da nichts.

Der Rotschopf atmete einmal tief durch. „Ich hätte gerne meinen Gi. Er ist dunkelblau und ich habe ihn letzte Nacht getragen.“

„Ach, den meinst du!“ schaltete sich Megumi ein. „Der ist immer noch nass und muss geflickt werden. Danach kannst du ihn wieder haben.“
 

Sano hielt die Luft an, denn er rechnete jeden Moment damit, dass Battousai einen Wutanfall bekommen könnte angesichts Megumis kommandierendem Ton. Aber er verbeugte sich nur kurz und verließ dann das Zimmer.

Nachdem er gegangen war, meinte Kaoru zögerlich, „Sano... woher hat er denn überhaupt den blauen Gi? Den hab ich vor letzter Nacht noch nie an ihm gesehen.“

„Hiko Seijuro,“ rief Sano aus, die erstbeste Ausrede, die ihm in den Sinn kam. „Sie... haben jetzt das Ritual eingeführt, sich gegenseitig Souvenirs mitzubringen.“ Er stand auf und streckte sich.

Megumi sah amüsiert aus. “Ein Gi als Souvenir?”

Schulternzuckend lief Sano zur Tür. „Kenshin hatte das Bedürfnis, vier Meilen weit zu einem Dorf laufen zu müssen, nur um für seinen Meister Sake zu kaufen.“ Er grinste. „Was soll man dazu noch sagen? Sie sind beide seltsam. Naja, ich sehe jetzt besser mal nach ihm, er wirkt immer noch ein bisschen überfordert.“
 

Schnell lief Sano den Flur entlang zu Battousais Zimmer. Der Junge hatte den Gi achtlos auf den Boden geworfen und war gerade dabei, einige seiner Wunden neu zu verbinden. Sano setzte sich neben ihn auf die Tatami. „Du musst den Gi tragen, wenn du nicht willst, dass jemand Verdacht schöpft.“

Battousai sah nicht auf. „Er ist pink,“ murmelte er nur.

„Das gehört sich so,“ sagte Sano. „Der legendäre Hitokiri Battousai trägt pink. Und das schon seit einer ganzen Weile. Anscheinend magst du die Farbe.“ Sano grinste, aber der Junge sah ihn nicht einmal an.
 

„OK, pink ist nicht unbedingt eine männliche Farbe und selbst Megumi, Misao und Kaoru haben nichts so rosafarbenes in ihrem Kleiderschrank. Na und? Hast du Angst, dass dich die Farbe weniger stark wirken lässt oder so? Denn das kannst du mir glauben, die Farbe deines Gi’s hat nie etwas an deiner Stärke verändert.“
 

“Wovon sprichst du?” fragte der Rotschopf, während er vorsichtig seinen Brustverband abwickelte. „Mir ist die Farbe meiner Kleidung egal. Es ist nur so, dass pink zu hell ist. Ich kann nicht in Kyoto mit dieser Farbe herumlaufen, nicht einmal Nachts. Es sei denn, ich möchte sofort entdeckt und getötet werden.“
 

Sano seufzte. „Niemand wird dich hier töten, Himura. In der Regel versucht man dich nur drei Mal pro Jahr umzubringen und das hast du dieses Jahr schon hinter dir. Also, zieh den Gi an und entspanne dich. Ich passe auf, dass dich keiner verletzt.“

Battousai ignorierte den letzten Satz. „Ich brauche noch mehr Verbände.“
 

Sano stand auf, holte welche aus dem Koffer, den Megumi im Zimmer stehen gelassen hatte und warf sie dem Jungen zu. „Gott, was genau ist mit dir passiert?“ murmelte er mehr zu sich selbst, als er einen genaueren Blick auf Battousais Wunden werfen konnte. „Du bist ja fast so bandagiert wie Shishio.“

Er hatte nicht erwartet, dass Kenshin seinen Kommentar hören wurde.

„Was ist mit Shishio Makoto?“ Blaue Augen trafen Braune.
 

„Nichts. Vergiss, was ich gesagt habe.“
 

Battousais Augen verhärteten sich. „Verstehe,“ sagte er mit eisiger Stimme.
 

„Ken—,“ Sano unterbrach sich und versuchte es noch einmal. „Himura!“

Als der Rothaarige nicht reagierte, riss ihm Sano die Verbände aus der Hand. Der Junge starrte ihn nun mit einer Mischung von Überraschung und Wut an und die Spannung zwischen ihnen war gerade zu fühlbar. Sano holte tief Luft. „Es ist nicht so, dass ich es dir nicht erzählen will. Du bist mein Freund, ich würde dir fast alles erzählen! Es gibt nur Dinge, die du einfach nicht zu wissen brauchst. Du kannst mich dafür hassen, aber du musst noch zehn Jahre warten. Jetzt hat das überhaupt keine Bedeutung für dich.“
 

Battousai blickte finster. „Gut. Kann ich jetzt die Verbände wiederhaben?“
 

Sano unterdrückte ein frustriertes Seufzen. Er wollte nicht das wenige Vertrauen, das er Battousai inzwischen schon hatte abringen können, verspielen. Er trat hinter den Jungen und lächelte versöhnlich. „Entspann dich. Ich werde dir beim Verbinden helfen. Deinen Rücken kannst du dir ja nicht selbst verbinden, oder?”

„Doch,“ meinte Battousai knapp. Dann, nach einer Pause, sprach er mit einer weniger kühlen Stimme weiter. „Normalerweise verarztet mich Okami-san. Aber sie ist nicht hier. Und ich glaube, Megumi ist noch wütend auf mich.“
 

„Hmpf,“ grummelte Sano. „Arme hoch!“

Battousai gehorchte.
 

„Sie ist nicht wirklich wütend auf dich. Es ist nur ihre Art, sich Sorgen zu machen. So sind sie: Megumi wird wütend, Kaoru weint entweder oder schlägt dich. Und Misao nervt herum.“ Er knotete das Ende der Verbände aneinander.

„Arme runter!“

Battousai tat, wie geheißen und befühlte Sanos Verband. „Gute Arbeit,“ sagte er.
 

Mit einem Achselzucken registrierte Sano das Kompliment.

„In meinem alten Beruf hab ich das ständig gemacht.“

„Alter Beruf?“

„Ja,“ sagte Sano und stand auf. „Ich war ein Auftrags-Kämpfer.“ Er

grinste. „Siehst du, wir sind gar nicht so verschieden.“

Battousai antwortete nicht.
 

Sano lehnte sich gegen die Wand. „So, wer ist diese Okami-san eigentlich? Du hast sie jetzt schon ein paar Mal erwähnt.“ Er versteifte sich, als ihm plötzlich ein Gedanke in den Sinn kam.
 

„Ist sie deine Mutter?“
 

Battousais Gesichtsausdruck wäre fast schon komisch gewesen, wenn nicht soviel Trauer darin zu sehen gewesen wäre. „Blut von den Wänden abwaschend?“ fragte er. „Das war der Zusammenhang, in dem ich das letzte Mal ihren Namen erwähnt habe.“ Seinen Augen nahmen einen abwesenden Ausdruck an. „Meine Eltern starben an der Cholera, als ich sechs Jahre alt war.“
 

„Oh,“ sagte Sano. „Tut mir leid.“ Eine weiterer Punkt auf der Liste mit unfairen Dingen, die diesem Jungen im Leben passiert waren. Sano dämmerte es gerade, wie viel Kenshin von sich eigentlich NICHT erzählte.
 

„Es ist egal.“
 

Sano konnte sich nicht einmal mehr aufregen und antwortete nur mit erschöpfter Stimme, „ist es nicht. Es ist nicht egal. Es gibt Dinge, die nicht egal sind.“
 

Battousai hob mit spitzen Fingern den Gi vom Fußboden auf und warf ihm einen pikierten Blick zu, bevor er ihn schließlich, sich seinem Schicksal fügend, anzog. Als er sich umschaute, fand er einen Kamm und ein Haarband und begann, sich seine roten Haare zu einen Pferdeschwanz hochzubinden.
 

„Nein,“ sagte Sano und lachte wieder.
 

Battousais Blick verdüsterte sich erneut. „Was denn NUN schon wieder?“
 

„Kein Pferdeschwanz nach oben. Du trägst dein Haar unten.“
 

Zögernd ließ Battousai seine Haare los. „Wie?“ fragte er unsicher. Er war es gewöhnt, genaue Anweisungen zu befolgen und diese vage Beschreibung half ihm nicht weiter.

Sano kam zu ihm herüber und band ihm die Haare im Nacken zu einem losen Zopf zusammen. Dann trat er einen Schritt zurück und beäugte den Jungen. „Dein Haar ist länger und... gepflegter. Kenshin macht sich um seine Haare nicht so viel Aufwand wie du. Aber ich glaube nicht, dass das irgendjemand bemerken wird.“
 

Battousais Hand glitt vorsichtig über seine Haare, während er an ein Fenster trat und sich in der Reflexion des Glases begutachtete. Es war ihm, als ob er einen völlig Fremden sehen würde. „Ich denke,“ sagte er langsam, „dass ich den Sinn jetzt verstehe.“
 

Sano trat neben ihn. „Was für einen Sinn?“
 

Wie hypnotisiert starrte Battousai sich weiterhin an. „So wie ich aussehe, bin ich viel zu auffällig,“ meinte er mit sanfter Stimme. „Normalerweise kann ich das im Dunkeln verbergen. Aber in der...Meiji-Zeit... musste ich wahrscheinlich lernen, auch am Tage draußen zu sein, wo man mich am leichtesten erkennt.“ Er lächelte, eines seiner seltenen, sanftmütigen Lächeln. „Zu dieser Zeit verstecke ich mich, in dem ich auffalle. Ich ziehe so viele Blicke auf mich durch mein Erscheinungsbild, dass sich niemand vorstellen kann, dass ich Hitokiri Battousai sein könnte.“ Er drehte sich vom Fenster weg. „Vielleicht habe ich mich gar nicht so sehr verändert.“
 

Sano starrte ihn mit einem verwunderten Gesichtsausdruck an. „Du denkst eindeutig zu viel nach,“ sagte er. Dann lächelte er besserwisserisch. „Aber habe ich dir nicht das selbe gesagt? Du bist Kenshin, egal wann und wo. Verstehst du jetzt, warum ich immer noch dein Freund bin?“
 

„Nicht wirklich.“
 

Ein großer Schweißtropfen erschien auf Sanos Stirn. „Das werden wir schon noch hinkriegen. Lass jedenfalls die Anderen glauben, das du ihr Kenshin bist – in der Zwischenzeit überlegen wir uns eine Möglichkeit, wie du wieder nach Hause kommen kannst. So wie du jetzt aussiehst, bist du Kenshin ziemlich ähnlich. Außer...“ Sano druckste einen Moment herum. „Himura, wenn ich dir dein Schwert zurückgebe, versprichst du dann, es nicht zu ziehen?“
 

Battousais Augen verschmälerten sich.
 

„Das ist wichtig, Himura,“ sagte Sano schnell. „Die Polizei ist nicht gerade glücklich damit, dass du ein Katana trägst, aber sie haben ihre Befehle, dich in Ruhe zu lassen. Wenn du das Schwert ziehst und sie sehen, das es kein Sakabatou ist, dann...“
 

Bei Sanos letzten Worten hatten sich Battousais Augen wieder geweitet und kurz war die Ausdruckslosigkeit aus seinem Gesicht gewichen.

„Warum würde ich ein Sakabatou tragen? Ist das trotz des Schwertbannes legal?“
 

„Naja, nein. Nicht ganz. Aber man weiß, dass dein Schwert ein Sakabatou ist, und deswegen sind selbst die Leute, die dich als Battousai erkennen, einigermaßen beruhigt. Das Schwert ist ein Symbol deines Schwures, nie mehr zu töten. Es weiß fast keiner hier, wer du bist, aber für diejenigen, die es wissen, ist das sehr wichtig.“
 

Battousai sah ihn einen Moment lang schweigend an. „Ich werde mein Katana nehmen, Sanosuke. Ich kann zwar nichts versprechen aber... ich werde es nicht ziehen, es sei denn aus einem wichtigen Grund.“
 

Sano zögerte und wägte im Geiste die Alternativen gegeneinander ab. Er wusste, eine große Wahl hatte er nicht. Kenshin war zwar weitaus freundlicher und vertrauenswürdiger wie Battousai, aber selbst er war nie ohne sein Schwert in den Strassen unterwegs. Und wenn das Schwert hier im Dojo herumstand, würde vielleicht noch jemand entdecken, dass es kein Sakabatou war.
 

„OK, ich hole es dir,“ erklärte Sano. Kurze Zeit später kam er mit dem Katana wieder zurück.
 

Der Jugendliche nahm es aus seiner Hand. „Und mein Wakizashi?“ fragte er.

„Das musst du im Fluss verloren haben, du hattest nur das Katana bei dir.“

Battousai fixierte Sano kurz, um festzustellen, ob er auch ehrlich zu ihm war, aber dann nickte er. Als er endlich das Katana in seinen Obi steckte, fühlte er sich zum ersten Mal wieder sicher und erleichtert.
 

Sano lächelte, als er sich daran erinnerte, wie nervös Kenshin immer war, wenn er sein Sakabatou nicht bei sich hatte. „Nein, ihr zwei seid gar nicht so verschieden.“
 

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1865
 

Mit hämmernden Kopfschmerzen wachte Seijuro Hiko spät am Morgen auf. Er war sich sicher, dass dies der heftigste Kater war, den er je gehabt hatte, seit er mit dem Sake-Trinken angefangen hatte.
 

Sein einziger Trost war, dass es Kenshin, der noch tief und fest am schlafen war, wohl noch viel schlimmer gehen musste, wenn er aufwachen würde. Hiko beobachtete ihn ein paar Minuten während er versuchte, sich an alle Einzelheiten des gestrigen Abends zu erinnern. Er war sich sicher gewesen, dass die reine Seele seines baka Deshi durch den Krieg zerstört worden wäre. Aber jetzt wusste er, dass die Revolution zwar ihre Spuren auf ihm hinterlassen hatte, aber ein Teil des unschuldigen Jungen, Shinta, immer noch lebte. Der Krieg hatte ihn für immer gezeichnet und Hiko konnte überall die sichtbaren und unsichtbaren Narben sehen – seine Stimme, seine Augen und die Art, wie er sich selbst gab, verrieten die Wunden auf seiner Seele. Aber der starke Geist, der es damals dem kleinen Jungen möglich gemacht hatte, all die Körper zu begraben, war nie gebrochen worden. Und wenn Kenshins Ideale auch oftmals nervend waren war es doch für Hiko eine Erleichterung zu sehen, das sie nicht von Strömen aus Blut hinweggespült worden waren.
 

Der Rothaarige Mann kam langsam zu sich und öffnete die Augen. Er bewegte sich nicht sondern starrte nur an die allzu vertraute Decke, blinzelnd im hellen Sonnenlicht. „Shishou?“ fragte er vorsichtig, ohne sich umzusehen.
 

Als Antwort bekam er mit einem Krachen ein Sake-Schälen auf den Kopf geworfen, natürlich perfekt gezielt.

„Autsch!“ rief Kenshin aus und setzte sich auf, während er seinen schmerzenden Kopf mit beiden Händen festhielt. Er warf Hiko einen seiner giftigsten Blicke zu. „Was sollte denn das, Shishou?“
 

Hiko packte ein weiteres Schälchen und warf es erneut auf Kenshin, der zu verdutzt war, um auszuweichen. Mit einem Zähneknirschen schien er etwas zu murmeln, was fast an einen farbenfrohen Fluch zu grenzen schien. Hiko schmunzelte. „Baka. Ich hab dir doch gesagt, du sollst mich Hiko nennen. Hast du das vergessen? Wir haben letzte Nacht nicht viel zustande gebracht, es sei denn, uns gewaltig zu betrinken.“
 

Kenshin stand wütend auf und hielt seinen schmerzenden Kopf, während er mit düsterem Blick alle noch verbliebenen Sake-Schälchen einsammelte und so weit wie möglich von Hiko weg in eine Ecke der Hütte stellte. Dann setzte er sich wieder. „Wir haben immerhin herausgefunden, dass es keinen Grund für diese Zeitreise gibt... Hiko.“
 

Hiko versuchte sich, seine Belustigung nicht anmerken zu lassen. Für einem Moment hatte der Mann, der fast in einem Alter war, wieder wie sein baka deshi gewirkt, trotzig und wütend. Nur war er jetzt bei weitem auch intelligenter. Aber das würde er natürlich Kenshin niemals sagen.
 

„Und,“ fuhr Kenshin leise fort, “Ich denke, ich habe allein dadurch schon etwas erreicht, dass ich es geschafft habe, durch eure Tür zu treten.“
 

„Was?“
 

Kenshin seufzte. „Ich weiß noch, wie wir uns getrennt haben. Ich wusste, dass ich nicht willkommen war, wenn ich wieder zurück kommen würde. Und ich habe auch erkannt, dass ich mein Training gegen all eure Prinzipien einsetzte. Ich war mir nicht sicher, ob ihr mich aufnehmen würdet, auch wenn ich nicht mehr getötet habe, seit....“
 

Er dachte, er wäre nicht mehr willkommen, wunderte sich Hiko überrascht. Natürlich, den Hitokiri hatte er nicht wiedersehen gewollt, einfach nur deswegen, weil er nicht wissen wollte, was sie dem Jungen angetan hatten – und ob sie ihn zerbrochen hatten. Aber dennoch, er blieb sein baka deshi... Kenshin.... dieser Baka war immer willkommen, alleine nur deswegen, damit er ihm eine kräftige Kopfnuss für seine Dummheit verpassen konnte.
 

„Ich habe niemals gesagt, dass du nicht mehr zurückkommen kannst,“ grummelte Hiko. „Warst du ein solcher Idiot, dass dir das nicht in den Sinn gekommen ist?“
 

Kenshin schaute endlich zu ihm her. „Ihr hättet mich wieder trainiert?“

Hiko schnaubte. „Nein. Aber ich hätte immerhin mit dir gesprochen.”

„Gesprochen?“

Hikos Gesicht verfinsterte sich angesichts Kenshins irritiertem Blick. Anscheinend war seine Vermutung, sein Schüler wäre mit der Zeit schlauer geworden, übereilt gewesen. „Ja, Kenshin. Miteinander reden! So wie letzte Nacht.” Er zögerte. „Denkst du denn wirklich, dass so etwas wie dir noch nie jemandem vorher passiert ist?!“
 

Kenshin sagte nichts aber seine Augen weiteten sich ein bisschen.
 

Hikos Blick wurde noch finsterer. “Jetzt verstehst du es endlich. Denkst du, ich wüsste nicht, wie sie dich im Krieg benutzen würden? Warum sonst hätte ich versuchen sollen, dich am Gehen zu hindern? Baka.“ Er stand auf und versuchte, den Schmerz in seinem Kopf zu ignorieren, während er die Tür der Hütte öffnete und einen Blick ins Freie warf. „Deswegen habe ich mir geschworen, niemals mehr einen Schüler aufzunehmen,“ murmelte er.
 

„Es tut mir leid, Shishou. Ich wusste das nicht.“
 

Hiko ballte die Fäuste. „Ich habe dir doch gesagt, du sollst aufhören, mich-“. Er seufzte und gab es auf. „Egal.“

Aus der Ecke des Raumes holte er einen neuen Sake-Krug und trank einen Schluck. „Wenn du noch länger hier bleibst, werde ich noch zum Alkoholiker,“ grummelte er, als er über Kenshin hinwegstieg und sich wieder setzte.
 

„Oro? Ihr trinkt um diese Uhrzeit...?“
 

“Ruhe, Kenshin!” bellte Hiko.
 

„Aber Shi...“ Seufzend unterbrach er sich. “Hiko, trinken wird meine Situation nicht verbessern.”
 

Hiko nickte und nahm einen weiteren, großen Schluck. „Gut. Dann konzentrieren wir uns und überlegen. Um dich wieder zurückzuschicken, müssen wir herausfinden, wie du überhaupt hergekommen bist. Was hast du gemacht, als es passiert ist?“
 

Kenshin legte seine Stirn in Falten. „Ich war auf einer Brücke am Stadtrand von Kyoto mit Sanosuke, einem Freund. Er balancierte auf dem Geländer, und als er ausrutschte, zog er mich mit ins Wasser. Dann als ich auftauchte, war Sanosuke weg und ich... war hier... jetzt...“
 

„Und?“
 

Kenshin blinzelte ihn an. „Oro?“
 

Hikos Augenbraue zuckte vor Ungeduld. „Und gibt es noch etwas? Irgendwas, was uns vielleicht WEITERHILFT? Deine Beschreibung erklärt nämlich nichts. Gibt es irgendwas in dieser Zeit, was du mit dem Vorfall in Verbindung bringen kannst?“
 

Kenshin schüttelte den Kopf. Dann hielt er inne. „Der Junge,“ sagte er sanft.

„Welcher Junge?“

„Als ich noch Hitokiri war, habe ich einmal versucht, einen Jungen davon abzuhalten, sich von der Brücke ins Wasser zu stürzen. Als ich mit Sanosuke über genau die selbe Brücke gegangen bin, habe ich mich daran erinnert. Der Junge ist damals ins Wasser gefallen. Ich dachte, er wäre tot... aber als ich in diese Zeit kam, konnte ich ihn aus dem Wasser ziehen.“ Er sah zu Hiko auf. „Glaubt ihr, der Junge hat etwas mit der Zeitreise zu tun?“

Hiko zuckte mit den Schultern. „Woher soll ich das wissen? Aber es ist ein Anfang. Weißt du, wer der Junge ist? Wo er sein könnte?“
 

Kenshin schüttelte den Kopf. „Nein. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er aus der Gegend kommt. Er könnte von überall her sein.“

„Und das war’s? Willst du schon aufgeben?“

Der Rurouni sah zurück zu Hiko, Entschlossenheit in den Augen. „Das habe ich nicht gesagt,“ verteidigte er sich. „Ich meinte bloß, dass es schwierig wird, ihn zu finden. Aber wenn er die einzige Möglichkeit für mich ist, wieder zurück zu koommen, werde ich ihn finden. Es gibt Menschen, die Zuhause auf mich warten.“ Sein Gesicht legte sich in Sorgenfalten, vor allem, als er an Kaoru dachte. „Je schneller ich wieder zurück komme, desto besser.“
 

Hiko bemerkte die Besorgnis seines ehemaligen Schülers.

Kenshin stand auf und verbeugte sich. „Danke für alles. Wenn es gut geht, dann werden wir uns für eine lange Weile nicht mehr sehen.“
 

Hiko schnaubte und setzte seinen Sakekrug ab. „Ich bin am Boden zerstört,“ sagte er trocken. Dann nickte er zu Kenshin. „Du willst doch so nicht raus gehen, oder?“
 

Kenshin blinzelte ihn an.

„Oro?“
 

„Du trägst pink,“ sagte er. „Willst du im hellen Tageslicht mit einem pinken Gi durch Kyoto marschieren? Warum gehst du nicht gleich zu einer Shinsengumi-Einheit mit einem Schild um den Hals, auf dem steht: Ich bin Himura Battousai, bitte tötet mich!“ Er schnaubte. „Baka.“ Er stand auf und schlurfte zu einer großen Kiste, die an der Wand stand, vor sich hinmurmelnd. „Deswegen nenne ich dich baka deshi.“
 

Kenshins Gesicht gefror in einem Ausdruck von Verärgerung. „Ich habe leider meinen Kleiderschrank nicht mitgenommen, Shishou.“
 

„Was denkst du, was ich hier hole, Baka?“ schnappte Hiko zurück.
 

„Ich glaube nicht, dass mir irgendetwas von eurer Kleidung passt,“ sagte Kenshin und versuchte, das demütigende Bild von sich selbst in Hikos großem Umhang aus seinen Gedanken zu verdrängen.
 

„Du bekommst nichts von meinen Sachen,“ grummelte Hiko, drehte sich herum und warf Kenshin einen blauen Gi zu. „Das hier sind deine eigenen Klamotten. Hier, zieh den an.“
 

Kenshin hielt den Gi vor sich. „Als ich den getragen habe, war ich dreizehn,“ betonte er.
 

„Und?“
 

Der Rotschopf seufzte, zog seinen magenta-farbenen Gi aus und schlüpfte in den Blauen. „Er passt bestimmt nicht mehr.“
 

Hikos Lippen kräuselten sich in einem Lächeln. „Natürlich passt er noch. Du siehst nicht so aus, als ob du seitdem jemals gewachsen wärst. Eigentlich siehst du sogar noch kleiner aus.“
 

Kenshins Augenbraue zuckte und er verkniff sich eine beleidigende Antwort. Zu seinem Missfallen war es genauso, wie Hiko prophezeit hatte: der Gi passte fast perfekt. Vielleicht ein bisschen eng an den Schultern, aber sonst... Er seufzte. „So wird es gehen,“ gab er zu.
 

„Ich weiß,“ sagte der große Schwertmeister und wandte sich erneut um, um etwas zu holen. „Hier.“ Er ging zu Kenshin herüber und klebte ein Pflaster auf seine Narbe. Dann trat er einen Schritt zurück und beäugte ihn kritisch. „Schon besser. Jetzt nur noch deine Haare. Die Leute werden dich an ihnen trotzdem erkennen und wahrscheinlich macht dich ein Hut nur noch verdächtiger. Du wirst das Risiko einfach eingehen müssen. Halte dich einfach an die Schatten, bevor die Nacht hereinbricht. In der Dunkelheit sieht dein Haar fast braun aus.“ Für einen kurzen Moment zeigte sein Gesicht fast so etwas wie Besorgnis. „Du kannst noch bis Sonnenuntergang hier warten, wenn du willst. Es wäre sicherer.“
 

Kenshin schüttelte den Kopf. „Danke, aber nein. Je länger ich warte, desto unwahrscheinlicher ist es, dass ich den Jungen noch finde. Wenn ich mich wie ein Schatten bewege, dürfte alles glatt gehen. Immerhin habe ich das lang genug geübt.“
 

Hikos Blick verdüsterte sich. „Denk dran, dass ich nicht komme um dich zu retten, wenn du Mist baust. Sobald du mich verlässt, werde ich vergessen, dich jemals getroffen zu haben.“
 

Der Rotschopf verbeugte sich mit einem Lächeln. „Ich verstehe.“ Dann wandte er sich zum Gehen.
 

„Kenshin.“ Der Rurouni wandte sich genau rechtzeitig um, um den Sakekrug noch auffangen zu können, den Hiko nach ihm geworfen hatte.
 

Hiko grinste, als er Kenshins fragenden Gesichtsausdruck sah. „Der ist dafür, um dich bei klarem Verstand zu halten.“

Kenshin lächelte und band den Sakekrug an seinem Gürtel fest. „Danke,“ sagte er noch einmal, bevor er schließlich ging.
 

Hiko beobachtete, wie der Mann, der einstmals sein baka deshi gewesen war, zwischen dem Bäumen verschwand. Als die Schatten ihn verschlungen hatten, wandte Hiko sich um und ging wieder in die Hütte. Es kam ihm plötzlich sehr still vor. Er würde lieber sterben als zuzugeben, dass er seinen Schüler vermisst hatte. Und er würde niemals zugeben, dass der Grund für seinen großzügigen Sakekonsum letzte Nacht Freude gewesen war. Der Sake hatte endlich wieder gut geschmeckt. Hiko verdrängte jedoch all diese Gedanken, hob den pinken Gi vom Boden auf und packte ihn in die Kiste, in der er die restlichen sachen seines Baka Deshis aufbewahrte.
 

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NÄCHSTES KAPITEL: Battousai ist nicht Kenshin – und nicht nur Sanosuke fällt das auf. Inzwischen trifft Kenshin in Kyoto auf die Personen, die er am meisten vermeiden wollte: die Shinsengumi! Wird er sein Schwert ziehen, um zu kämpfen?
 

Bis dahin,

LG, Mina

Begegnungen

Das nächste Kapitel folgt sogleich... Vielen Dank an meine Leser und Reviewer Sarai-san und roter Mondschein! Ihr motiviert mich zum weiterübersetzen ^_^
 

Out of Time

In der falschen Zeit
 

Kapitel 6: Begegnungen
 

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1878
 

“Ich kenne ihre Namen,” sagte Battousai ruhig zu Sano, während sie sich zusammen auf die Stufen draußen vor dem Eingang zum Aoi-ya setzten.

„Du musst sie mir nicht beibringen. Misao ist die mit dem Zopf und nennt mich Himura. Megumi ist die Ärztin. Und das andere Mädchen ist Kaoru.“
 

Sano zuckte zurück, als Battousai von Kaoru nur als „anderes Mädchen“ sprach. Aber immerhin war es ein Anfang. „Gut,“ sagte er. „Nur redest du alle mit der Endung –dono an.“ Er unterbrach sich. „Eigentlich sprichst du alle Frauen mit –dono an.“
 

Battousai nickte. „Gut. Misao-dono, Kaoru-dono und Megumi-dono. Und dich soll ich Sanosuke nennen.”
 

„Du sollst gar nichts,“ erwiderte Sano verstimmt. „Ich bin dein Freund. Nenn mich, wie du Lust hast. Wir sind hier nicht bei irgendeinem militärischen Manöver, Himura. Du lernst die Namen der Menschen, die sich um dich sorgen.“

Der Junge antwortete nicht, sondern starrte nur in seine Hände.
 

Sano hielt inne, als er sah, wie unwohl sich sein Freund zu fühlen schien. „Himura, alles in Ordnung?“

Battousai schluckte und nickte dann kurz. „Sind wir hier fertig?“

„Was ist los? Fühlst du dich wieder krank?“

„Mir geht es gut,“ sagte Battousai kalt. Dann nach einer längeren Pause: „Können wir jetzt reingehen?“
 

“Was?”

“Jeder starrt mich hier an. Ich kann mich den Menschen hier nicht so offen zeigen. Ich bin zu leicht erkennbar.“
 

Sano sah auf die Strasse vor ihnen, auf der viel los war. „Ich hab mich wohl schon daran gewöhnt. Die Leute schauen dich immer an. Ich meine, wie viele rothaarige Samurai kriegen sie schon zu Gesicht? Deswegen verstehe ich auch nicht, warum du dir überhaupt die Mühe machst, deine Narbe zu verdecken. Wer allein durch deine Haare noch nicht auf den Trichter gekommen ist, wer du bist, dem hilft die Narbe auch nicht weiter.“ Sano schaute auf das Pflaster auf Kenshins linker Wange.
 

„Ich sollte nicht hier sitzen,“ sagte Battousai wieder. „Du kannst das nicht verstehen.“

„Erklär’s mir!“
 

Der Rothaarige sah endlich auf. “Ich fühle eine ganze Menge an negativer Ki. Es ist fast so, als ob die Shinsengumi um die Ecke warten würden.“

Sano lachte. „Das ist alles? Nun, ich kann dir versichern, dass es mit den Shinsengumi keine Probleme mehr geben wird, die gibt’s schon seit Jahren nicht mehr. Und die negative Ki kommt vermutlich von irgendwelchen Polizisten, die nicht begeistert darüber sind, dass du ein Schwert trägst.“ Er lehnte sich zurück an die Stufen.
 

Battousais Augen verschmälerten sich, während er die Menschen auf der Strasse musterte. Er sah einen Polizisten etwas weiter entfernt stehen und ihn beobachten. Vielleicht hatte Sanosuke ja recht. Vielleicht kam dieses negative Gefühl nur von diesem Mann. Aber irgendwie kam ihm die Ki dieses Mannes auch bekannt vor.
 

„So, jetzt fehlt nur noch Yahiko.“

Der Junge verlagerte seine Aufmerksamkeit von der Strasse wieder auf Sano neben sich. „Was?“

Sano grinste. „Du musst nur noch Yahiko treffen und dann kennst du alle hier. Hoffentlich kannst du wieder zurück, bevor du noch mehr Leute kennen lernen musst.”

Batousai sah zurück zu der Stelle, an der der Polizist gestanden hatte, aber er war verschwunden. „Yahiko? Ist das der, den du kleiner Bengel genannt hast?“
 

Sano lachte. “Ja, das ist er. Aber nenn du ihn ja nicht so. Ich meine, es ist zwar die Wahrheit – er ist ein Bengel - aber Yahiko verehrt dich als Helden und es würde ihn verletzen, wenn du ihn so respektlos anreden würdest. Er nervt zwar, aber er ist ein guter Junge. Wenn du ihm nur zunickst, dann reicht das schon.“

Sano schmunzelte. „Ach ja, und nenn ihn auch nicht Yahiko-chan, außer du willst, dass er explodiert. Das ist zwar lustig, aber nicht notwendig.“ Er kratzte sich. „Als ich ihn das letzte Mal so genannt habe, ist er mir mangels einer Waffe auf den Kopf gesprungen und hat mich doch tatsächlich gebissen.“
 

Battousais Augen weiteten sich und für einen kurzen Moment kam ein leises Lachen zwischen seinen leicht gekräuselten Lippen hervor. „Das hört sich nach dem an, was ich als Kind immer getan habe.“

Sano starrte den normalerweise bitterernsten Mann neben ihm für einen Moment an. Hatte er wirklich gelacht? „Irgendwie fällt mir diese Vorstellung schwer.“
 

Gerade wollte er noch mehr sagen, als Megumi aus dem Inneren vom Aoi-ya nach ihm rief. Sano seufzte. Sie rief nicht, sie kreischte. Entschuldigend sah er zu dem Jungen an seiner Seite. „Ich komme gleich wieder. Warte hier auf mich.“ Er zögerte noch kurz, bevor er schließlich mutig hineinging.
 

Battousai lehnte sich an die Stufen zurück und schloss die Augen, ein Versuch, sich zu so entspannt zu fühlen, wie Sano es tat. Doch er kam sich immer noch vor wie auf dem Serviertablett, und das war nicht gerade das, was einen locker werden ließ. Noch dazu ging hinter ihm plötzlich die Tür auf und ein braunhaariger Junge stolperte in hohem Bogen über ihn drüber.
 

„Was soll das, du versperrst den Ausgang!“
 

Battousai starrte den Jungen mit den braunen Stachelhaaren an, der sich vor ihm wieder aufrappelte. „Yahiko?“
 

Der Ärger des Jungen schien ein bisschen abzuklingen, als er sah, wie der Mann vor ihm Mühe hatte, seinem Gesicht den Namen zuzuordnen. Yahiko beruhigte sich und er setzte sich neben Battousai, ihn kritisch von der Seite musternd. „Die haben gesagt, du hast irgendein Fieber. Deswegen bist du so verwirrt.“
 

„Mir geht es gut,“ sagte Battousai sanft.

Yahiko zog eine Grimasse. „Das sieht man.“

Keiner von ihnen sprach die nächsten Minuten und beide schauten schweigend dem Treiben auf der Strasse zu.

„So,“ brach Yahiko schließlich das Schweigen, „hast du schon was gegessen? Du hast heute morgen das Frühstück verpasst.“
 

Battousai verneinte kopfschüttelnd. „Ich bin nicht hungrig.“

„Ich hol dir trotzdem was. Wenn du krank bist, dann solltest du was essen.“ Der Junge stand auf und ging an ihm vorbei wieder zurück ins Aoi-ya. In Rekordzeit war er wieder da, ausgerüstet mit einer Schüssel Suppe, die er dem Rotschopf in die Hand drückte.

Etwas zögerlich bedankte sich Battousai und aß vorsichtig einige Löffel. Yahiko beobachtete ihm dabei. „Vorsicht, sie ist noch heiß. Kaoru hat sie gerade erst gekocht.“
 

Der Junge Mann schielte zu Yahiko herüber.

„Was soll das sein?“ fragte er mit verzogenem Gesicht. „Es schmeckt... scheußlich...“
 

„Kaoru hat sie gemacht,“ sagte Yahiko nochmals, als ob das irgendwas erklären würde.
 

„Aber...“ Battousai suchte nach den richtigen Worten. “Aber was IST das? Es schmeckt... verbrannt. Sie hat die Suppe verbrannt!“

Er schaute fassungslos die Schüssel an, als ob nicht glauben konnte, das so etwas möglich war.
 

Langsam würgte er dann doch die flüssige Brühe herunter, dankbar, wenigstens etwas im Magen zu haben. Yahiko beobachtete ihn dabei. Unterdessen überlegte sich Battousai, wie er sich wohl für die Suppe bedanken könnte, ohne beleidigend zu werden. Er hatte das Gefühl, dass das so ähnlich sein würde, wie sich bei Katsura-san für einen weiteren Mordauftrag zu bedanken.
 

„Wer bist du?“ fragte Yahiko plötzlich.

Battousai verschluckte sich und hustete. Angespannt und abwartend schaute er den Jungen an.

„Du bist nicht Kenshin. Du siehst so aus... na ja, ziemlich... Aber du bist es nicht.“ Wegen Battousais abwartendem Blick fügte er erklärend hinzu: „Kenshin würde NIEMALS so schlecht von Kaorus Essen sprechen, selbst wenn er gerade daran sterben würde. Außerdem lächelst du zu wenig.“
 

„Lächeln?“
 

Yahiko nickte, ohne den Mann neben ihm anzuschauen. „Jaaah. Kenshin lächelt immer, auch wenn er eigentlich nicht lächeln will. Es sind Kleinigkeiten, die anders sind. Das Lächeln. Deine Haare: sie sind zu gekämmt. Und deine Augen sehen anders aus. Sano sagt zwar, du bist Kenshin und die Mädchen glauben ihm das auch, aber ich nicht. Also, wer bist du? Bist du ein Verwandter?“
 

Battousai sah den Jungen an. Sano hatte ihm gesagt, er sollte ihn mit Respekt behandeln. Das würde nicht sehr schwierig sein, denn der Junge war wirklich scharfsinnig. „Du würdest einen guten Schwertkämpfer abgeben,“ stellte Battousai schließlich fest. „Du bemerkst die kleinen Dinge.“

Yahiko versuchte, ein stolzes Grinsen hinter seinem trotzigen Blick zu verstecken. „Du hast meine Frage nicht beantwortet! WER bist du? Ich werde nicht gehen, bevor du es mir gesagt hast!“ Ein anderer Gedanke schien plötzlich sein Gehirn zu durchzucken.

„Warte! Wenn du nicht... wo ist der echte Kenshin?”
 

Battousai stellte die leere Nudelschüssel neben sich auf die Stufe. „Ich weiß nicht, wo dein Freund gerade ist. Tut mir leid.“
 

Yahiko wurde ein bisschen blass, verbarg es aber schnell hinter einem neuen Wutanfall. „Es wäre besser für dich, wenn das die Wahrheit ist. Denn wenn du irgendwas mit Kenshin gemacht hast, dann werde ich, Myojin Yahiko, persönlich dafür sorgen, dass du dafür bezahlst. Ich habe Kenshin kämpfen gesehen und ich kann dich, wenn ich muss, mit dem Hiten Mitsurugi Stil angreifen! Oder zumindest mit etwas ähnlichem. Ist auch egal, es wird auf jeden Fall weh tun!“ Er sprang einen Schritt nach vorne, wie aus dem Nichts plötzlich sein Bo-ken in der Hand.
 

Battousai lächelte schwach. „Besser, du kämpfst nicht mit dem Hiten Mitsurugi Stil. Damit macht man sich keine Freunde..“

„Ich mache, was ich will!“ schrie Yahiko. „Du bist nicht Kenshin, du kannst mir gar nichts vorschreiben!“
 

Battousais Lächeln wurde breiter. Es kam ihm so vor, als ob er sich selbst in dem Jungen wiedererkennen würde. Hatte er sich auch so bei seinem Shishou aufgeführt?

Yahiko funkelte ihn immer noch an, sein Bo-ken demonstrativ durch die Luft schwingend. „Ich werde eines Tages Kenshin schon noch dazu kriegen, dass er mit mir trainiert! Warts nur ab! Und wenn er es nicht tut, dann werde ich eben zu Hiko gehen und den fragen!“
 

Battousais augenblicklich erlöschendes Lächeln brachte Yahiko zum Schweigen.

„Hiko Seijuro? Er lebt noch?“

Yahiko zog eine Grimasse. „Du KENNST ihn? Hast du auch bei ihm trainiert? Hat er etwa eure ganze Familie trainiert?“
 

Der junge Mann antwortete nicht. „Er LEBT? Jetzt? Wo?“

Er wollte nicht so verzweifelt klingen, aber das war vielleicht seine einzige Chance! Sanosuke schien ja eine nette Person zu sein, aber er hatte ihm bis jetzt nicht großartig weitergeholfen. Und ohne seinen einzigen Vertrauten, Katsura-san, war die letzte noch übrige Person auf der Welt, auf deren Hilfe er hoffen konnte, sein Shishou. Wenn er denn wirklich noch am Leben war – und ihn nicht beim ersten Anblick töten würde.
 

„Jaah,“ sagte Yahiko. „Natürlich lebt Hiko noch. Er ist irgend so ein komischer Einsiedler geworden.“
 

“Komischer Einsiedler?” flüsterte Battousai. Gott, wie alt WAR Hiko jetzt eigentlich? Es waren fünf... nein, fünfzehn Jahre seit ihrer letzten Begegnung vergangen. Wie alt war sein Shishou jetzt? Battousai war sich nicht wirklich sicher, wie alt er überhaupt damals gewesen war, als sie sich zum ersten Mal getroffen hatten. Sein Meister war ihm immer so zeitlos vorgekommen. Er konnte ihn sich einfach nicht als alten Mann vorstellen – und ehrlich gesagt, das wollte er auch gar nicht. Der Mann, der für ihn wie ein Vater gewesen war konnte nicht alt werden... und schwach.
 

„Hey!“ Yahikos Stimme schnitt durch Battousais Gedanken. “Hörst du überhaupt zu? Du hast mir immer noch nicht gesagt, wer du bist. Bist du Kenshins jüngerer Bruder oder so was?“
 

Battousai stand genau in dem Moment auf, in dem Sano zurückkam. Der ehemalige Straßenkämpfer musterte die beiden Gestalten vor sich, die sich anfunkelten und seufzte. „Du hast ihn Yahiko-chan genannt, oder nicht?“
 

Yahiko starrte Sano wütend an. „Nein, Hahnen-Kopf! Er ist nicht so blöd wie du, wer auch immer er ist.“

Sano stürmte die Stufen hinab, rannte Battousai beinahe um und wollte gerade Yahiko erwürgen, als er mit ausgestreckten Armen innehielt. „Was meinst du mit ´wer auch immer er ist?“ Er sah zu dem rothaarigen Mann. „Hast du es ihm etwa gesagt?“

Yahiko schnaufte ungehalten. „Das musste er gar nicht, es war auch so offensichtlich. Er benimmt sich nicht richtig. Ich kenne Kenshin länger als du!“
 

„Länger! Um was – eine Woche?!“
 

“Er ist es nicht.”
 

Die zwei funkelten sich schon wieder an, Sanosuke mit den Händen an Yahikos Kragen und Yahiko mit seinen Zähnen auf dem Weg zum weichen Fleisch seines Widersachers.
 

„Sanosuke,“ sprach Battousai sanft. „Warum hast du mir nicht von meinem Shishou erzählt?“
 

“Huh?” Beide Streithähne hielten mitten in ihren Angriffen inne.

„Warum hast du mir nicht gesagt, das mein Shishou noch lebt? Ich hatte angenommen, dass... wenn Katsura-san auch tot ist...“ Er schüttelte den Kopf und brach den Satz ab.
 

Yahiko befreite sich aus Sanos Würgegriff mit einem kräftigen Biss und schaute verwirrt zwischen den beiden Männern hin und her. „Wer ist Katsura?“
 

„Anführer der Choshu Ishin Shishi während des Bakumatsu,“ sagte Sano und rieb sich die Bisswunde an seiner Hand. „Hast du denn überhaupt keine Allgemeinbildung?“
 

„Ich weiß viele Dinge!“ protestierte der Junge und zog durch sein lautes Rufen nur noch mehr die Blicke der ohnehin schon neugierig starrenden Passanten auf sich. „Aber wie soll ich über die bescheuerte Revolution bescheid wissen? Ich war da noch nicht mal geboren! Hat ER da auch gekämpft?“ Yahiko zeigte mit dem Finger auf den Jugendlichen am Fußende der Stufen.

Sano wusste nicht, was er darauf antworten sollte.
 

„Er denkt, ich bin der jüngere Bruder deines Freundes,“ sagte Battousai.
 

“Er ist nicht Kenshin,” wiederholte Yahiko stur, „also wer sonst könnte es sein? Vor allem, wenn er Hiko kennt!“
 

„Wo genau IST mein Shishou jetzt?“
 

Sano hielt sich nur den Kopf und setzte sich auf die Stufen. Das würde für alle Beteiligten ein langes und anstrengendes Gespräch werden. Mit den zwei Jungen fertig zu werden zu müssen, brachte Sano nur eines: die Erkenntnis, warum Hiko Seijuro ein Einsiedler geworden war.
 

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1865
 

Kenshin beobachtete den Sonnenuntergang vom Stadtrand von Kyoto aus. Er hatte so viel von der umlegenden Gegend und den Wäldern durchsucht, wie bei dem schwindenden Licht noch möglich gewesen war – aber der Junge war nirgendwo mehr zu finden. Jetzt wo es Nacht wurde, wäre es für den Ex-Hitokiri leichter, unbemerkt in das Stadtgebiet von Kyoto vorzudringen und dort den Jungen ausfindig zu machen. Er konnte nur hoffen, dass das Kind nicht schon längst die Stadt verlassen hatte, während er bei Hiko gewesen war. Wenn dieser Junge wirklich sein einziger Weg nach Hause war... Kenshin wusste nicht, was er tun sollte, würde er hier für immer festsitzen. Er würde wahrscheinlich wirklich durchdrehen.
 

Der kleine Rotschopf seufzte, während sich der Himmel hinter ihm in flammendes Rot und Orange färbte. Er hatte Hiko gesagt, dass – wenn alles gut gehen würde – sie sich für eine lange Zeit nicht mehr sehen würden. Was Kenshin NICHT erwähnt hatte, war, dass er Hiko sehr wohl noch ein letztes Mal treffen würde – nämlich dann, wenn Kenshin hier festsitzen, durchdrehen und seinen Schwur, niemals mehr zu töten, brechen würde.
 

Hiko Seijuro war die einzige Person, die ihn dann noch aufhalten könnte. Und wenn Kenshin seinen Verstand letztendlich im Blutrausch verlieren würde, dann wäre es die Verantwortung seines Meisters, sein Leben zu beenden.
 

Das Rot des Himmels hatte sich schon längst zu einem dunklen Violett gefärbt als sich Kenshin langsam zur mit Laternen beleuchteten Innenstadt aufmachte, seine Hand immer in der Nähe seines Sakabatous. Er MUSSTE den Jungen einfach finden. Es gab keine andere Alternative – weder seinen Freunden noch Hiko wollte er das zumuten, was passieren würde, wenn er...
 

Leise schlich sich Kenshin in die belebte Stadt. Es war noch früh am Abend und viele Leute hatten sich noch nicht in die Sicherheit ihrer Häuser zurückgezogen, doch auch das war ein Vorteil. Im Gedränge einer Menge konnte er sich fast genauso unsichtbar machen wie im Schutz dunkler Schatten. Es waren noch wenige, die zu diesem Zeitpunkt seines Lebens wussten, wie Hitokiri Battousai wirklich aussah. Und so lange Kenshin die Shinsengumi und die Ishin Shishi vermeiden konnte, wäre alles in Ordnung.
 

Kenshin seufzte bei diesem Gedanken. Genau – Vermeide einfach die Begegnung mit den zwei gegnerischen Seiten der Revolution, wenn du ganz oben auf der schwarzen Liste der Shinsengumi stehst und du selbst der Top-Killer der Ishin Shishi bist. Zum Glück ließ das dämmrige Licht der Laternen seine roten Haare nicht zu sehr aufleuchten.
 

Es dauerte eine Stunde, bevor sich die Strassen langsam leerten und Kenshin die Deckung durch die Passanten verlor. Er hatte immer noch nicht die leiseste Spur zu dem Jungen gefunden. Bald würden die Patrouillen durch die Strassen gehen und er musste auf sein Glück vertrauen, sich wie ein Schatten unsichtbar zu machen. Kenshin fühlte sich zunehmend entmutigter. Wenn der Junge um diese Uhrzeit noch unterwegs sein würde, dann nicht mehr lange. Ein Herumstreicher würde ohne viele Fragen von den Shinsengumi-Einheiten getötet.
 

Vielleicht saß er aber ja auch in einer der Kneipen?... Kenshin lief nun alleine durch die Strassen und hielt sich an die Schatten und immer, wenn er Stimmen näher kommen hörte, verschwand er rasch in einem Hauseingang oder zwischen zwei Gebäuden. Seine Augen gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit und seine Ohren wurden empfindlich für das leiseste Geräusch. Sein Körper war angespannt und handelte fast von alleine und sein Geist konzentrierte sich vollkommen auf eine entfernte Aura – die Shinsengumi waren tatsächlich unterwegs. Und zwar ganz in der Nähe! Seine rechte Hand umschloss den Griff seines Schwertes. Schnelligkeit wäre jetzt das einzige, was ihn bei einem Zusammenstoß mit den feindlichen Kämpfern retten würde.
 

Kenshin glitt in die Schatten eines dunklen Hauseingangs. Er konnte sie schon fast hören und ihre Ki war wirklich leicht zu spüren – irgendetwas hatte die Shinsengumi aufgeregt. Lautlos sprang er wie eine Katze aus dem Eingang und auf das Dach des Gebäudes und vorsichtig überblickte er die Strasse. Die erste Einheit der Shinsengumi näherte sich. Kenshins Augen wurden schmaler. Etwas war nicht in Ordnung. Okita, der Anführer der Einheit, fehlte.
 

Kenshin musterte die umliegenden Strassen, während die Einheit wieder aus seinem Blickfeld verschwand. Nichts ungewöhnliches war zu erkennen, aber damit hatte er auch nicht gerechnet. Dennoch fühlte er eine ganze Menge Schwertkämpfer in der Nähe. Dann sah er in der Ferne Bewegung: Vier Männer rannten eine Strasse entlang, einen Fünften bewachend. Es waren Ishin Shishi, die irgendjemanden eskortierten. Anscheinend jemand wichtigen, denn es waren vier Leibwächter. Einen davon erkannte Kenshin als Ushiro Ryu – dieser Mann gehörte zu den besten Männern Katsuras und Kenshin hatte mit ihm zusammen öfters als Leibwächter gearbeitet.
 

Plötzliches Aufflammen von Ki’s verriert Kenshin, dass die Ishin Shishi entdeckt worden waren. Sekunden später hörte er Geschrei – die dritte Einheit der Shinsengumi war wie aus dem Nichts in der dunklen Strasse erschienen. Sie hatten offensichtlich im Verborgenen gewartet und die erste Einheit nur zur Ablenkung vorausgeschickt. Ein Hinterhalt. Kenshin spürte die Anwesenheit beider Anführer, sowohl von der ersten als auch von der dritten Einheit. Die Situation sah nicht gut aus.
 

Fast direkt vor ihm wurde Ushiro mit seinen Männern von den beiden Shinsengumi-Einheiten schließlich eingekreist. Ushiro winkte seine Männer in eine dunkle Seitengasse zurück und ging davor alleine in Verteidigungs-Stellung.
 

Selbstmord.
 

Er wollte sich selber opfern um die anderen zu retten. Und Ushiro war nicht einmal ein guter Schwertkämpfer – sein Talent bestand darin, dass er die Stadt wie seine Westentasche kannte und sich im Dunkeln gut unsichtbar machen zu können. Doch jetzt zog er sein Schwert. Und er würde sterben. Jeder der Anwesenden wusste, dass er für die Flucht seiner Mitstreiter sterben würde.
 

Kenshins Augenbrauen jedoch zogen sich zweifelnd zusammen - denn ER wusste auch, dass Ushiro erst im Jahr Eins der Meiji-Zeit gestorben war. Aber so wie die Situation jetzt aussah... Was ging hier vor sich?
 

Kenshin sah, wie die beiden Anführer sich zum Angriff bereit machten. Sie hatten nicht vor, viel Zeit zu verschwenden – die Shinsengumi waren nicht bekannt dafür, lange mit ihren Opfern zu spielen. Die Wölfe von Mibu waren sehr effiziente Schwertkämpfer.
 

Okita stürmte auch Ushiro zu und schaffte es, ihn zu verwunden. Es würde nicht mehr lange dauern.
 

Kenshin’s Gesicht verzog sich. Was sollte er tun? Er konnte sich nicht einmischen und wenn, dann war er nicht sicher, ob er mit seinem Sakabatou überhaupt gegen die Feinde ankommen könnte – geschweige denn gegen seinen eigenen, gesunden Verstand, der ihn jeden Moment mehr zu verlassen schien. Aber gleichzeitig... er hatte geschworen, Leben zu retten. JEDES Leben...
 

„Es tut mir leid,“ flüsterte er, während er an seine Freunde dachte, „aber ich kann nicht einfach zuschauen... das kann ich nicht...“
 

Dann sprang er vom Dach hinab.
 

--
 

Saitou Haijme befahl rasch der einen Hälfte seiner Einheit, die durch die Seitengasse geflohenen Ishin Shishi zu verfolgen. Dabei zog er langsam sein Schwert und wollte gerade auf den schon verwundeten Mann zustürmen, der kläglich versuchte, den Weg zu versperren – als plötzlich ein zweiter Schwertkämpfer aus dem Nichts auftauchte und mit dem Schwert auf ihn einhieb.
 

Saitou wich elegant aus und fixierte seinen Angreifer. Sofort erkannte er ihn.
 

„Battousai.“
 

Saitou lächelte kalt. „Du bist also nicht tot. Gut. Ich hatte schon Angst, jemand wäre mir zuvorgekommen.“
 

Der rothaarige Mann vor ihm antwortete nicht, sondern stand still, das Schwert gezogen.
 

Saitou nickte ihm zu und hob sein Katana mit der Linken an, während seine rechte Hand die Spitze zum Gatotsu-Angriff stützte. Battousai steckte langsam sein Schwert ein und bereitete sich zum Battou-jutsu vor. Saitou schmunzelte. „Wir sind beide so berechenbar, nicht? So wird es sein, bis einer von uns den anderen schließlich tötet. Wessen Schwert wird dieses Mal zuerst Blut zu trinken bekommen?“ Dann stürzte er nach vorne.
 

Battousai reagierte sofort, aber dennoch kam er Saitou ungewöhnlich langsam vor. Warum?
 

Beide Männer trafen ihre Gegner. Battousai wandte sich um, sofort in Verteidigungsstellung und einen tiefen Schnitt in der Seite. Er atmete schwer, wenn auch sein Gesicht ausdruckslos wie immer war. Saitou spürte, wie einige seiner Rippen geknackt hatten, aber als er nach unten sah, war er überrascht – er blutete nicht. Langsam richteten sich seine Augen auf Battousais Schwert, das im fahlen Mondlicht schimmerte.
 

Unmöglich!
 

Battousai trug nur ein Schwert, ein Sakabatou! Das erklärte zwar die Langsamkeit seines Battou-jutsu aber sonst ergab nichts einen Sinn. Battousai sollte fast 24 Stunden verschwunden sein, nur um dann wieder aus dem Nichts aufzutauchen, mit einem Schwert, das nicht tötet?
 

Und noch dazu griff der Mann nicht an. Battousai wollte ihn nicht verletzten – er wollte den verletzten Ishin Shishi neben sich schützen.
 

Saitou spukte aus und griff erneut an. Dieses Mal war Battousai schneller, aber nicht schnell genug, um dem ganzen Angriff zu entgehen. Eine zweite Wunde an der Schulter gesellte sich zu der Ersten. Seine Ki pulsierte voller Unsicherheit. Saitou spürte, dass Battousai ihn jetzt am liebsten töten wollte, aber irgendetwas hielt ihn immer noch zurück. Es ergab einfach keinen Sinn. Das war nicht der selbe Battousai, mit dem Saitou in der Vergangenheit schon so oft gekämpft hatte.
 

„Was für ein Spiel spielst du hier, Battousai?“ fragte er kalt, aber er wusste, dass sein Gegenüber nicht antworten würde. Wenige der Shinsengumi hatten überhaupt jemals seine Stimme gehört. Battousai tötete und verschwand. Das war alles.
 

Aber nicht dieses Mal. „Ich spiele kein Spiel. Ich habe nicht den Wunsch dich zu töten, Saitou Hajime.“ Seine Stimme war laut und hell genug, um die Geräusche des Kampfes von Uchiro und Okita nebenan zu übertönen.
 

Saitou schnaubte vor Verachtung. Wie konnte Battousai innerhalb von nur einem Tag so weich geworden sein? Was war mit ihm passiert?

Dann kam ihm ein anderer Gedanke: Was, wenn dieser Mann, der nur körperlich Battousai zu sein schien, es gar nicht war? Der Mann vor ihm war gar nicht so jung, wie Battousai sonst aussah. Nein, Saitou bekam das unangenehme Gefühl, dass der Mann sogar älter wie er selbst sein könnte. Es machte keinen Sinn! Es machte ihn nur wütender. Er griff erneut an.
 

Dieses Mal sah er ein bernsteinfarbenes Glitzern in den Augen seines so vertrauten und doch unbekannten Gegners – die Reaktion erfolgte in unglaublicher Geschwindigkeit.
 

„Ryu Tsui Sen!“
 

Der rothaarige Mann war plötzlich in der Luft und stieß von oben auf Saitou herab.

„Wer ist er?“ überlegte Saitou entgeistert. „Er KANN nicht Battousai sein... aber das ist eine von Battousais Techniken...“
 

Der Angriff hatte so viel Kraft, dass Saitous Schwert selbst unter der stumpfen Klinge des Sakabatous brach. Der Anführer der dritten Einheit fluchte über sich selbst. Sein Nachdenken hatte ihn unaufmerksam gemacht. Ungerührt ging er mit dem, was von seinem Schwert noch übrig war, erneut in Gatotsu-Stellung. „Wer bist du? Und wo ist der echte Battousai?“
 

Die Augen des Rotschopfes weiteten sich und wurden wieder zu einem tiefen violett. Sanft antwortete er, „ich hätte damit rechnen sollen, dass du es bemerken würdest.“ Ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen. „Du wirst auf einen anderen Tag warten müssen, um wieder mit Hitokiri Battousai kämpfen zu können.“
 

Saitou bereitete seinen letzten Angriff vor und erwartete, dass der rothaarige Mann ihn jetzt, da er nur noch ein halbes Schwert in den Händen hielt, töten würde – doch sein Gegner wandte sich einfach um und sprang mitten in den Kampf zwischen Okita und dem verwundeten Uchiro. Die sich zwischen ihn und sein Ziel stellenden Shinsengumi hieb er mit einem Streich nieder.
 

Saitou folgte ihm nicht und überließ ihm nun dem Anführer der Ersten Einheit. Der rothaarige Mann war definitiv talentiert aber nicht Battousai. Deswegen dürfte Okita mit ihm fertig werden.
 

Aufmerksam beobachtete Saitou ihren Kampf. „Seine Technik ist auf jeden Fall Hiten Mitsurugi. Aber auch anders. Ist... Ist das Himura Battousais Vater?? Das würde viel erklären!“
 

Okita und der vermeintliche Battousai standen sich nun gegenüber, griffen an, blockten ab – Saitou beobachtete jede kleinste Bewegung. Die Geschwindigkeit des Fremden. Sein Geschick. Beides wurde mit jedem Schwertstreich, den der Kampf dauerte, tödlicher. Saitou kaute auf seiner Unterlippe. „Wer zur Hölle ist der Mann?“
 

Der junge Anführer hatte für einen Moment die Oberhand über den Kampf – aber er bekam einen plötzlichen Hustenanfall und sein rothaariger Gegner konnte ihm das Schwert aus der Hand schlagen. Saitou spürte deutlich die Ki eines Killers dicht unter der Oberfläche brodeln.
 

„Geh zurück zum Stützpunkt,“ befahl Battousai Ushiro.
 

„Ich lasse dich hier nicht allein,“ entgegnete Ushiro knapp. „Du bist verwundet.“
 

Die Augen des kleineren Mannes blitzten gelblich im Mondlicht.
 

„Geh!“
 

Als Antwort bekam er nur ein trotziges Kopfschütteln. „Ich bleibe.“
 

Sie starrten sich für einen kurzen Moment an. Dann schloss Kenshin die Augen, sein Gesicht verzog sich. Schließlich blickte er wieder auf, diesmal mit klaren, blauen Augen. Seine Aura strahlte keinerlei Mordlust mehr aus. „Wenn du nicht allein gehen willst, gehen wir zusammen.“
 

„Was?“
 

Der Rotschopf griff Ushiro um Arm und zog ihn hinter sich her, während er davon rannte, nicht ohne vorher Saitou noch mit einem kurzen Nicken zu verabschieden.
 

Okita wollte hinterher, doch er bekam einen neuen Hustenanfall und musste sich einen Moment an die Hauswand anlehnen. Saitou beobachtete die Flüchtenden, blieb aber bei seinem Freund.

In diesen blauen Augen gerade eben...dort hatte er keine böse Absicht entdecken können. Keine Wut oder Hass. Keinen Wunsch, zu töten.
 

Aku Soku Zan. Töte Böses Sofort! Das war das Motto der Shinsengumi, genau wie das des Hitokiri. Das war ihre einzige Gemeinsamkeit. Ehrbar kämpfen, bis zum Tod und so den Krieg zu beenden, der in den Strassen von Kyoto tobte.
 

Aber es gab selbst für Saitou Hajime Zeiten, in denen er sich nicht sicher war, wer es verdient hatte, seinem Schwert gegenüber zu stehen.
 

--
 

Vielen Dank für's Lesen ^^ Wie gesagt, nicht nur ich sondern auch die Autorin des englischen Originals möchte wissen, wie ihr die Geschichte findet *g*

Und es wird in dieser Geschichte noch mehr von den Shinsengumi geben... viel mehr, hehehe *händereib*
 

NÄCHSTES KAPITEL: Battousai ist plötzlich verschwunden. Und Kenshin trifft auf die Ishin Shishi. Und was machen Saitou und Okita?

Bis dahin,

LG, Mina

Situationen

Out of Time
 

Kapitel 7: Situationen
 

1878
 

Sano saß mit geschlossenen Augen auf den Eingangsstufen zum Aoi-ya und dachte zurück an seine Kindheit während des Bakumatsu...

Zurück an die Zeit, in der er noch ein Straßenkämpfer gewesen war...

Und als Kenshin ihn mit ein paar kräftigen Schwertschlägen zur Vernunft gebracht hatte...
 

Egal wie schmerzlich manche Erinnerungen auch waren, er fand sie alle besser als die Situation, in der er jetzt war. Sano öffnete leicht ein Auge, nur um Battousai und Yahiko immer noch vor sich stehen zu sehen, beide mit Gesichtern, die nach einer Antwort verlangten.
 

Sanosuke seufzte und öffnete seine Augen ganz. Als erstes würde er das erklären, was leichter zu erklären war.
 

„Hör zu Yahiko,“ begann er, „es gibt einiges, was du nicht verstehen wirst und ich bin mir nicht sicher, ob-...“

„Traust mir etwa nichts zu? Warum? Wer ist der rothaarige Kerl? Ein Krimineller oder was?” Yahikos Augen wurden plötzlich Teller-groß. „Hat er etwa während der Revolution gegen Kenshin gekämpft?“
 

„Yahiko...“
 

„Das ist es, oder?” rief Yahiko. „Er ist Kenshins lange verloren geglaubter Bruder und hat wie er unter Hiko Seijuro trainiert - aber er hat sich im Krieg der anderen Seite angeschlossen und gegen Kenshin gekämpft.“ Der junge strich sich durch die Stachelhaare.

„War er bei den Shinsengumi?“
 

„Yahiko!“ Sano unterbrach mit einem panischen Blick in Richtung Battousai Yahikos Redefluss. Seltsamerweise hatte die Erwähnung der Shinsengumi Battousai nicht beunruhigt. Der Ausdruck in seinem Gesicht war schwer zu entziffern, aber es war keine Wut... eher Belustigung. Als ob Battousai sich nicht sicher war, ob er lachen oder Yahiko einfach niederschlagen solle, um ihn zum Schweigen zu bringen – nicht, dass sich Sano vorstellen konnte, dass Battousai Yahiko wirklich schlagen würde. Das war wohl nur sein eigenes Wunschdenken.
 

„Was?“ fragte der Junge. Er musterte Battousai mit einer Mischung aus Misstrauen und Faszination. Anscheinend glaubte er wirklich an seine absurde Geschichte. „Das ist echt cool. Also warst du einer der Bösen, oder? Warum bist du dann hier? Willst du mit Kenshin die Sache ins Reine bringen? Oder gegen ihn kämpfen?“

Sano stand auf und streckte sich. „Was redest du für einen Müll, Yahiko! Er war nicht bei den Shinsengumi!“
 

„Sie waren nicht die Bösen,“ sagte Battousai leise.

Beide, Yahiko und Sano, wandten sich überrascht zu ihm um. „Was?“
 

Battousai schüttelte nur den Kopf. „Viele der Shinsengumi waren sehr ehrbare Kämpfer. Die Ishin Shishi waren nicht die Guten, die gegen die Bösen gekämpft haben.“ Er sah in die Ferne. „Wir waren alle nur Menschen, und sind für das eingetreten, an das wir geglaubt haben. Da war alles. Menschen, die andere Menschen für ihre Überzeugung getötet haben.“

Seine Stimme klang so, als ob er mehr zu sich selbst sprechen würde als zu den anderen.

„Ich denke, an Anfang habe ich auch noch so gedacht, aber mit der Zeit... Ich kenne nur noch das Schwert, das ist alles. Mein blutbeflecktes Schwert...“
 

„Himura?“ sprach Sano zögerlich, denn er hatte Angst, Battousai in seinen Gedanken zu stören – doch noch mehr ängstigte es ihn, dass Battousai weitersprechen könnte.
 

Yahiko schaute verwirrt zwischen den beiden Männern hin und her. „Okay... also warst du doch bei den Ishin Shishi?“
 

„Yahiko,“ grummelte Sano, der endgültig die Geduld verlor und den braunhaarigen Jungen am Kragen packte und wegzog. „Himura, eine Minute...“ rief er noch, bevor er Yahiko um die Ecke des Aoi-Ya schleifte.
 

Kaum außer Hörweite verpasste er Yahiko eine saftige Kopfnuss.

„Was zur Hölle...?“ Wollte Yahiko entrüstet losbrüllen, doch Sano unterbrach ihn mit ungewohnt ernstem Gesicht.

„Sag mal, bist du wirklich so bescheuert? Genug von der Revolution! Kannst du nicht sehen, dass ihn das belastet? Du musst nicht die Geschichte seines Lebens auswendig kennen – reicht es nicht, wenn du weißt, dass er mit Kenshin verwandt ist und auch Himura heißt?“
 

„Und wo IST dann Kenshin?“ fragte Yahiko.
 

Der Kämpfer zuckte mit den Achseln. „Weg... zumindest jetzt.“
 

„Weg?!” rief Yahiko entgeistert.
 

„Schhhht!“ zischte Sanosuke und sah sich hastig um. „Er muss irgendwas erledigen, aber wenn Kaoru und die anderen das wüssten, dann würden sie sich nur Sorgen machen. Deswegen spielt der andere Kenshin so lange den echten Kenshin.“
 

Yahiko nickte langsam. „Aber Kenshin kommt doch zurück, oder? Ich meine, er ist nicht wieder losgewandert oder so was?“

Sanos Augen verdüsterten sich. „Ich glaube, dass ist das letzte, woran er im Moment denkt.“
 

--
 

1865
 

Obwohl sie schnell durch die dunklen Gassen rannten, wusste Kenshin, dass sie kaum entkommen würden, wenn Saito sich entschlossen hätte, ihnen zu folgen. Okita hatte Ushiro drei tiefe Wunden zugefügt, die den sonst so flinken Mann beim Laufen behinderten. Auch Kenshin selbst hatte durch Saitos Gatotsu zwei tiefe Wunden erlitten und einiges an Blut verloren. Jetzt, wo das Adrenalin des Kampfes nachgelassen hatte, kam sein Atem stoßweise und die Schnitte in seiner Haut brannten wie Feuer.
 

Sehr zu Kenshins Erleichterung wurden sie offensichtlich nicht verfolgt. Saito und Okita hatten sie gehen lassen, auch wenn das äußerst ungewöhnlich war.
 

Ushiro, der ein kleines Stückchen vor Kenshin lief, drehte sich um. „Fast da,“ sagte er. „Alles in Ordnung, Battousai-san?“
 

Kenshin zuckte unmerklich, als er mit seinem Hitokiri-Namen angesprochen wurde. „Ich lebe noch,“ antwortete er.
 

Ushiro grinste, wenn auch etwas gequält. „Gut, wir sind gleich da. Katsura-san hat sich schon gefragt, was mit dir passiert ist. Er war wütend, denn alle haben geglaubt, du hättest dich von jemandem töten lassen.“
 

Kenshin kam abrupt zum Stehen und stöhnte unfreiwillig laut auf.
 

Ushiro bemerkte es und drehte sich besorgt um. „Battousai-san?“
 

„Katsura,“ flüsterte Kenshin. In all der Aufregung hatte er einfach nicht bedacht, WOHIN genau sie vor den Shinsengumi geflohen waren - natürlich zum Geheimversteck der Ishin Shishi. Der Einzige Platz, der er auf alle Fälle hatte vermeiden wollen, weil er dort Katsura begegnen würde.
 

Ushiro sah ihn an, als ob er vorhatte, zu helfen. Aber er wusste, dass man nicht einfach so Battousai unter die Arme fassen konnte. NIEMAND fasste Battousai an.
 

„Battousai-san, wir müssen weiter. Die Shinsengumi werden uns sonst aufspüren und in unserer jetzigen Verfassung können wir nicht noch mal mit ihnen kämpfen.“ Er grinste entschuldigend. „Ich meine natürlich, ICH werde nicht noch mal kämpfen können. Aber wenn sie uns folgen, dann weißt du, was das für Okami bedeutet...“
 

„Okami,“ murmelte Kenshin. Er erinnerte sich an die nette Frau, die ihm so oft geholfen hatte, obwohl niemand sonst es bemerkt hatte. Denn selbst Battousai hatte manchmal jemanden gebraucht, mit dem er einfach nur hatte reden können. Er durfte sie nicht in Gefahr bringen. Kenshin begann, weiterzulaufen. „Es geht schon, geh weiter,“ meinte er erschöpft.
 

Ushiro nickte mit einem erleichterten Seufzer und hastete durch die dunklen Gassen, Kenshin dicht hinter ihm. Er war froh, dass der Hitokiri ihm folgte - er hätte nicht gewusst, was er hätte tun sollen, wenn er schlapp gemacht hätte. So was war noch nie passiert. Battousai war in einem Gefecht noch NIE so verwundet worden. Und gerade eben waren es sogar weniger als sonst gewesen, trotz der zwei Kommandanten.
 

Als die Herberge näher kam, vergewisserte sich Kenshin, dass sie keine Blutspuren hinterlassen hatten. Wenn, dann mussten sie jetzt zuerst woanders hin abbiegen und einen Haken schlagen. Aber er hatte Glück... keine Spuren waren zu sehen. Ushiro hatte seine Wunden mit seinem Gi umwickelt und Kenshin war sowohl überrascht als auch verstört, als er feststellte, dass er automatisch das selbe getan hatte. Es war, als ob sein Körper ganz von alleine reagiert hätte.
 

Wenn er es nach Hause schaffen würde, dann würde sich Kenshin nie wieder über Flashbacks aus der Vergangenheit beschweren - lieber Erinnerungen als diese Realität hier.
 

Ushira sah sich vorsichtig um und klopfte dann an die Tür.

Die hastigen Schritte einer Freu waren zu hören, dann schob sich die Tür einen Spalt auf. Beim Anblick von Ushiro öffnete Okami die Tür ganz und ließ ihn herein. Erst dann sah sie, dass auch Kenshin noch davor stand, an die Hauswand gelehnt und mit der Hand seine verletzte Schulter haltend. Ihre Augen weiteten sich.

„Himura-san,“ flüsterte sie, und zog ihn sanft in das Innere der Herberge. Dann schloss sie die Tür.
 

„Gott sei Dank bist du am Leben! Alle waren sich schon sicher, dass du tot bist,“ sprach Okami weiter, während sie schnell Bandagen für Kenshins Wunden holte. Vorsichtig zog der rothaarige Schwertkämpfer unterdessen seinen Gi über die verletze Schulter. Er war von seiner ganzen Umgebung, die seit über zehn Jahren nur noch Erinnerung gewesen war, ziemlich überwältig. Mit einem schwachen Lächeln schaffte er es dann doch, Okami zu antworten.

„So viel Vertrauen habt ihr in mich?“
 

Okami war sichtlich von dem Lächeln verunsichert und starrte ihn an. „Himura, du bist noch nie länger wie ein paar Stunden weg gewesen, ohne dass Katsura-san gewusst hat, wo du bist. Und jetzt warst du über einen Tag lang verschwunden! Was sonst hätten wir annehmen sollen?“
 

„Seit letzter Nacht?“ Kenshin blinzelte überrascht. Anscheinend war also sein jüngeres Selbst um die gleiche Zeit verschwunden, wie er hier aufgetaucht war. Ein ungutes Gefühl breitete sich in seinem Bauch aus. Bedeutete das etwa, das Battousai in der Meiji-Zeit gelandet war? Er dachte an Sano, Yahiko und Megumi-dono. Wie würden sie damit zurecht kommen? Und Kaoru-dono... seine Augenbrauen zogen sich zusammen, während Okami seine Wunden verarztete. Warum nur konnte er sich dann in seiner eigenen Vergangenheit an nichts dergleichen erinnern, wenn ihm das Ganze anscheinend schon passiert WAR?
 

„Himura-san?“
 

Kenshin sah verwirrt zu Okami hoch. „Oro? Entschuldigung, ich habe nicht zugehört. Was habt ihr gesagt, Okami-dono?“

Die ältere Frau lachte sanft. „So höflich heute Nacht. Seit wann nennst du mich Okami-dono?“ Sie lächelte ihn an, befestigte den Verband an seiner Seite und wandte sich nun seiner Schulter zu. „Natürlich, du warst von all den jungen Männern hier schon immer der angenehmste. Mann würde nie darauf kommen, dass du auch der Tödlichste bist, hmm?“
 

Der Rotschopf sah weg, weigerte sich, ihr in die Augen zu blicken. Er wollte nicht, dass sie merkte, wie sehr sie ihn mit ihrem unscheinbaren Kommentar verletzt hatte.
 

Die meisten Soldaten schenkten der Wirtin der Herberge kaum Beachtung, aber selbst als Jugendlicher hatte Kenshin sie sehr gemocht. Sie war mutig und riskierte alles, um ihnen bei ihrer Sache zu helfen. Und nebenbei war sie ganz schon gewitzt. Und aufmerksam. Sie bemerkte Dinge. Kenshin zweifelte nicht daran, dass sie schon längst festgestellt hatte, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Aber das war auch ein weiterer Vorteil von Okami: Sie stellte keine Fragen. Sie nahm einfach das als gegeben hin, was ihr mitgeteilt wurde und alles weitere übersah sie absichtlich. In ihren Augen war er immer noch Himura und sie hatte ihn verarzten müssen. Aber die Veränderungen IN ihm, das, was zehn Jahre der Wanderschaft aus ihm gemacht hatten - das war eine andere Sache...
 

Okami gab sich wirklich Mühe, so gut es ging seine Schulter zu verbinden, aber die Blutung wollte nicht so recht stoppen, egal, wie fest sie die Bandagen band. Endlich schaffte sie es einigermaßen, den Arm so zu verpacken, dass das Blut nicht sofort durch die Verbände tropfen würde.
 

„Diesmal hast du dich selbst übertroffen, Himura-san,“ meinte sie besorgte. „Ich bin es gewohnt, bei dir nur ein paar leichte Kratzer verarzten zu müssen.“ Sie ging in die Hocke und schaute Kenshin an. Er wollte ihr immer noch nicht so recht ins Gesicht schauen.
 

„Himura-san,“ sagte sie sanft und berührte seinen Arm. „Du musst die Verbände jede Stunde wechseln, solange, bis die Blutung stoppt. Natürlich musst du dich auch noch eine Weile hinlegen. Und Katsura-san Bericht erstatten.“
 

Endlich sah er sie an. Sein Gesicht sah alarmiert aus.
 

Sie missverstand diesen Ausdruck und schüttelte den Kopf. „Hör mir zu, Himura-san. Ich weiß, normalerweise verletzt dich niemand, aber es ist nun einmal passiert. Katsura-san wird das schon verstehen und er wird dir ein paar Tage Ruhe gönnen. Der Schnitt in deiner Seite ist zu tief und der andere könnte deinen Schwertarm auf die Dauer verletzen, wenn du ihn jetzt nicht richtig heilen lässt. Du musst dich einfach ausruhen. Und du bist gut dran mit Katsura-san als Anführer, er wird das verstehen und zusehen, dass man sich um dich kümmert.“
 

Sie lächelte aufgrund Kenshins Überraschung. „Ja, Himura-san. Er kümmert sich um dich!”

„Wo ist Katsura-san?“ fragte Kenshin mit so neutraler Stimme, wie ihm möglich war. Er war aufgestanden.

„Ich denke in seinem Zimmer. Er wird gerade zu Abend essen. Du musst nicht gleich jetzt zu ihm gehen, Himura-san. Du kannst dich erst ausruhen, das wird er verstehen.“

Kenshin schüttelte den Kopf und seufzte. „Nein. Ich muss jetzt sofort mit Katsura-san sprechen... solange ich noch kann…” Dann verbeugte er sich bedankend vor Okami und verließ den Raum.
 

---
 

“Das war neu,” kommentierte Okita fröhlich, seinen ruhigen und düsteren Freund von der Seite musternd, während sie zusammen zurück zum Hauptquartier gingen. „Ein Kampf mit Battousai... und keine Toten!“
 

Schweigsam trottete Saito neben ihm her. Okita zog die Augenbraue nach oben. „Was ist los? Macht es dich nicht froh, dass es keine Opfer heute Nacht gab?“
 

„Das war nicht Battousai,“ grummelte Saito nach einer Pause als Antwort.
 

Das Lächeln in Okitas Gesicht erlosch. „Saito-san? Natürlich war das Batt-...“
 

„Nein, war er nicht!“ Der Anführer der dritten Einheit funkelte Okita an. „Er kämpfte ähnlich. Er sah ähnlich aus. Aber es war nicht Himura Battousai. Ich habe mit ihm schon oft gekämpft und dieser Mann gerade eben war jemand anderes. Älter. Langsamer. Und ohne den Killerinstinkt. Ich hätte diesen Mann töten können.“ Saito schüttelte frustriert den Kopf. Was war das für ein seltsames Rätsel?
 

Okita seufzte. „Warum hast du es dann nicht getan? Ich dachte, das ist einer deiner größten Wünsche.

„Mein Wunsch ist, Battousai zu töten. Denjenigen, der so viele meiner Männer auf dem Gewissen hat. Nicht der Mann von vorhin.“

Der junge Mann neben ihm lachte. „Gut. Dann war das nicht Battousai – sondern nur ein anderer Mann mit roten Haaren und exzellentem Battoujutsu. Solche Leute gibt es ja wie Sand am Meer...“ Sein Lachen wurde zu einem leichten Husten.
 

Saito zog die Augenbrauen zusammen. „Ich weiß, was ich gesehen habe Okita.“ Dann entspannte sich sein Gesicht etwas. „Und tu was gegen deinen Husten. Du kannst doch nicht mitten in der Revolution eine Erkältung bekommen.“
 

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Danke fürs Lesen und ich bitte um Kommentare ;) Vielen Dank an meine bisherigen Reviewer *umarm*

NÄCHSTES KAPITEL: Kenshin trifft auf seinen alten Kommandanten, Katsura Kogoro, der ihn zu einem Hitokiri gemacht hat. Und Battousai verschwindet einfach in Kyoto. Kann das gut gehen?

Bis dahin,

Mina

Ins Feuer

Out of Time
 

Kapitel 8: Ins Feuer
 


 

1878
 

Battousai stand immer noch vor der Tür des Aoi-ya. Sanosuke und Yahiko waren vor ein paar Minuten hinterm Haus verschwunden und schienen – ihren Stimmen nach zu urteilen, die aufgebracht klangen – über etwas zu streiten. Er wollte nicht zuhören und versuchte, die Wortfetzen so gut es ging auszublenden.
 

„Kenshin?“
 

Battousai wandte sich um und sah hinter sich ein hübsches Mädchen in der Türöffnung stehen. Jetzt, bei vollem Bewusstsein und ohne Fieber, verstand er nicht, wie er sie jemals mit Tomoe hatte verwechseln können.
 

„Kaoru-dono.“
 

Sie lächelte ihm nervös zu. Sie schien besorgt zu sein. Also lächelte er gezwungenermaßen zurück.

„Ich habe Misao und Okina versprochen, dass ich noch Tofu und Reis auf dem Markt besorge.“

„Okina?“

Kaorus Augenbrauen zogen sich zusammen. „Ja. Misaos Opa. Der Besitzer vom Aoi-ya.“

„Oh.“ Anscheinend hatte Sanosuke vergessen, den alten Mann zu erwähnen. Wie viele er wohl noch vergessen hatte?
 

Schnell zwang sich Kenshin wieder zu einem Lächeln, denn er spürte Kaorus tiefe Besorgnis.

„Ich habe gedacht, wir könnten zusammen gehen. Megumi-dono hat doch gemeint, dass dir frische Luft gut tun würde.“

Der Rotschopf zögerte und brach den Augenkontakt ab. „Ich...“

“Wenn du nicht möchtest, dann ist das in Ordnung. Es ist nicht viel zu Tragen, ich schaff es auch alleine. Ich dachte nur...“ Ihre Stimme verlor sich. „Tut mir leid. Dir geht es wirklich noch nicht so gut, oder? Du bleibst besser hier und ruhst dich aus.“
 

Battousai beobachtete ihre schlanke Figur, die an ihm vorbei die Stufen auf die Strasse hinab stieg. Nach allem, was er fühlen konnte, war ihre Ki ziemlich aufgewühlt. Er fühlte Enttäuschung und er wurde wütend, als er auch Besorgnis fühlte. Und doch... unter all ihrer Betroffenheit fühlte er auch so etwas wie... Misstrauen. Er hatte das Gefühl, dass dieses Mädchen ihn besser als alle anderen durchschaute. Battousai sah sie einige Schritte die Strasse entlang gehen, sein Gehirn in Aufruhr. Es ging ja nur um Reis und Tofu. Es wäre nicht zuviel verlangt, diesem Mädchen Gesellschaft zu leisten. Vielleicht würde sie ihn ja danach in Ruhe lassen.
 

Schnell sprang er die Stufen hinab und holte sie ein.

„Ich trage den Reis,“ stellte er mit monotoner Stimme fest. Er sah sie nicht an aber fühlte, wie sie sich neben ihm entspannte.

„Gut,“ sagte sie. „Dann trage ich den Tofu. Und vielleicht nehmen wir noch Salz und Soja mit. Ach ja, und-...“

Battousai runzelte die Stirn. Plante sie etwa, den ganzen Markt leer zu kaufen?
 

Die Strassen waren inzwischen von Menschen überfüllt und nicht wenige starrten neugierig zu ihm herüber. Eigentlich war es ja nicht anders zu erwarten – immerhin sah man nicht oft einen rothaarigen Mann in Pink gekleidet mit einem verbotenen Schwert an der Seite... Aber Battousai erwartete jeden Moment, eine Patrouille um die Ecke biegen zu sehen. Ohne darüber nachzudenken, begann er, Kaoru den Weg zu führen, „sichere“ Strassen zu nehmen, im dichten Gedränge der Menge unterzutauchen. Kaoru folgte ihm still bis er in einer fast leeren Strasse stehen blieb – Ihm war klar geworden, dass er keine Ahnung hatte, wo man in dieser Stadt Lebensmittel kaufen konnte. Frustriert drehte er sich zu Kaoru um, die ihn zweifeln anblickte.
 

„Entschuldigung, Kaoru-dono. Ich glaube, ich habe die falsche Abkürzung genommen.“
 

Sie lächelte, auch wenn ihre Augen immer noch Besorgnis ausstrahlen. „Schon in Ordnung, Kenshin. Wir sind nicht weit vom Marktplatz entfernt.“ Sie streckte ihre Hand aus, um Kenshin am Arm mit sich mit zuführen, doch er zuckte bei ihrer Berührung zurück, als ob er sich verbrannt hätte. Ihr Lächeln erlosch. „Kenshin?“
 

Er war angespannt und seine Hand war über dem Griff des Schwertes. Da war sie wieder – diese ihm vertraute Ki, die voller Neugier und Aggression irgendwo aus dem Gedränge der Strasse zu kommen schien. Er wusste nicht, ob sie zu einem Feind oder Freund gehörte. Doch er erinnerte sich an sein Versprechen, das er Sano gegeben hatte – jetzt war nicht die Zeit für Kämpfe. Er ließ den Schwertgriff los.
 

„Kenshin?“
 

„Bitte lauf du voraus, Kaoru-dono,“ antwortete er sanft.

Sie nickte, darauf bedacht, ihn nicht noch einmal zu berühren und begann, zurück zum Markplatz zu laufen.

Schweigend folgte ihr der rothaarige Mann.
 

--
 

Endlich kam Sano hinter dem Gebäude wieder zum Vorschein und lief zurück zum Eingang. „’Tschuldige, Himura,“ rief er, „Yahiko und ich mussten noch einige Dinge besprechen.“
 

Yahiko folgte schmollend. „Genau,“ murmelte er. „Besprechen.“

Er sah zu Boden und bemerkte deswegen nicht, dass Sano vor ihm plötzlich stehen geblieben war. Mit einem Rums lief er ihm in den Rücken und wollte schon losmeckern, als er bemerkte, dass Sano ihren Zusammenstoß gar nicht zur Kenntnis genommen hatte.
 

„Sanosuke?“ fragte er vorsichtig.
 

„Wo ist er?“ fragte Sano zurück und sah sich panisch um. Nirgendwo war sein rothaariger Freund zu sehen. Battousai war es nicht angenehm gewesen, vor dem Eingang zu sitzen. Aber er wäre bestimmt nicht auf die Idee gekommen, am helllichten Tag durch Kyoto zu wandern... oder?

„Himura!“ rief er. Keine Antwort.
 

„Verdammt!“ Fluchend rannte Sano ins Innere des Aoi-Ya. Irgendwo musste Himura ja sein. Doch der Essraum war leer und die Küche auch. Sano rannte weiter zu Kenshins Zimmer und riss die Tür auf, hoffend, den jungen Mann mit dem ernsten Gesicht dort vorzufinden.
 

Leer.
 

Das war schlecht.
 

Er schoss herum, entschlossen, jeden Winkel des Aoi-Ya abzusuchen. Yahiko beobachtete ihn misstrauisch vom Gang aus. „Was ist dein Problem?“
 

„Aus dem Weg, Knirps.“
 

Yahiko biss die Zähne zusammen und unterdrückte die Beleidigung, die ihm schon auf der Zunge lag. „Was ist denn LOS?“
 

„Er ist VERSCHWUNDEN, baka!“ schnauzte Sano zurück. „Hast du nicht mitbekommen, das er weg ist?“
 

„Na und?“ fragte Yahiko. „Vielleicht macht er einen Spaziergang oder so. Wenn er ein Verwandter von Kenshin ist, dann kann er doch wohl für sich selbst sorgen. Außerdem hat Megumi schon den ganzen Morgen genörgelt, dass er frische Luft bräuchte...“
 

Sano stöhnte laut auf und sank zu Boden. Er sah plötzlich krank aus. „In KYOTO... er... einen SPAZIERGANG in Kyoto!?“ Er lachte verzweifelt. „Nur ein entspannender Spaziergang, was?“ Es war so lächerlich... so beunruhigend absurd.
 

Yahikos Augenbrauen zogen sich zusammen. Hatte Sano jetzt den Verstand verloren?
 

„Yahiko, er mag es nicht, unter Leuten zu sein. Es war schon schlimm für ihn, vorhin auf den Stufen neben mir zu sitzen. Er kann nicht einfach durch Kyoto SPAZIEREN.“
 

„WARUM denn nicht?“ fauchte Yahiko genervt.
 

„Weil, du baka, er immer noch krank ist. Im Kopf ist er noch auf den Bürgerkrieg programmiert. Und ER hat niemals einen Schwur geleistet, nicht zu töten. Und jetzt marschiert er mit einem KATANA durch Kyoto.“
 

„Oh.“
 

Beide schauten sich schweigsam und ratlos einige Sekunden an.

Endlich stand Sano auf. „Wir müssen ihn finden.“
 

Yahiko nickte und folgte seinem größeren Freund. „Denkst du wirklich, er würde da draußen jemanden töten?“
 

Sano sah Yahiko in die Augen. „Wenn er denkt, dass er dadurch jemanden schützen kann – ja.“
 

--
 

Battousai stand alleine einige Meter vom Marktplatz entfernt. Jemand war ihm die ganze Zeit über gefolgt, das spürte er deutlich. Und dieser Jemand hatte anscheinend ein großes Interesse an ihm.

Seine dunklen, blauen Augen musterten den ganzen Marktplatz mit allen Leuten.
 

Keine Schwerter. Niemand hatte welche dabei. Die Menschen hier waren alle gute, gesetzestreue Bürger. Was wäre, wenn jetzt plötzlich jemand auf die Idee kommen würde, ihn anzugreifen. Seine Augen glitten auf die schlanke Gestalt von Kaoru, die gerade vor einem Stand Tofu kaufte.
 

Was würde er tun, wenn jemand sie bedrohen würde?

Seine Hand berührte die kühle Lackscheide des Katanas und er wurde ein bisschen ruhiger.
 

„In der Meiji-Zeit,“ überlegte er, „breche ich den Schwertbann, um ein Sakabatou zu tragen... Warum? Was für einen Sinn hat ein Schwert mit verkehrter Klinge? Ich kann ja nicht mal diejenigen, die ich liebe, mit einem Katana beschützen...“
 

Er hielt inne und zwang die Gedanken an Tomoe aus seinem Bewusstsein. „Nein. Hier und jetzt ist die Meiji-Zeit, kein Bakumatsu. Ich werde hier nicht angegriffen. Kaoru-dono wird nicht gekidnapped. Und keiner wird versuchen, sie gegen mich zu benutzen. Die Zeiten sind vorbei.“
 

Grübelnd starrte er über den Marktplatz, seine Augen ruhten auf Kaoru.
 

„Warum aber trage ich dann immer noch ein Schwert, wenn auch ein Sakabatou?“
 

--
 

1865
 

Schnell schritt Kenshin durch die stillen Flure und Gänge. Es war spät geworden und die meisten Männer waren entweder in ihren Zimmern oder mit Aufträgen unterwegs. So lautete die Abmachung mit Okami: Keinerlei Auffälligkeiten – zu viele laute Männer erregten Aufmerksamkeit. Geschweige denn laute Männer in Gesellschaft von Frauen - das Kohagiya war kein Bordell.
 

Diese ungeschriebenen Regeln hatten Kenshin nie groß berührt, denn während der Nacht war er meistens am arbeiten gewesen. Jetzt jedoch war Kenshin dankbar dafür, denn er musste auf seinem Weg zu Katsura Kogoros Zimmer keinen anderen Soldaten der Ishin Shishi begegnen. Lautlos ging er um eine Biegung und stand vor Katsuras Tür.
 

Dort zögerte er. Kenshin schloss die Augen und sammelte seine Gedanken.
 

Es war Katsura gewesen, der ihn zu seinem ersten Mord geschickt hatte. Katsura, der ihn in Battousai verwandelt hatte. Aber Kenshin war nie gezwungen worden. Er hatte Katsuras Aufträge freiwillig angenommen, immer vor Augen, was aus ihm werden würde. Und im Gegensatz zu vielen anderen hatte Katsura ihn nicht nur benutzt. Er hatte ihm auch Tomoe zur Seite gestellt und hatte danach genug Rückgrat bewiesen, um sich für seine Fehler zu entschuldigen. Selbst wenn Kenshin nur einer seiner Auftragskiller gewesen war - nur ein unbedeutender 16-jähriger ohne nennenswerte Abstammung – Katsura hatte sich jedes Mal Zeit für ihn genommen, versucht, ihm alles zu erklären. Deswegen hatte Kenshin diesen Mann auch immer respektiert und er hatte innerlich tief getrauert, als er erfahren hatte, dass Katsura vor sechs Monaten gestorben war. Kenshin trauerte immer noch um ihn, in seiner eigenen, stillen Art.
 

Der rothaarige Mann seufzte. Jetzt würde er seinen Befehlshaber wieder lebendig sehen. War er dafür bereit? Längeres Herumstehen vor der Tür würde diese Frage auch nicht klären, deswegen klopfte er leise.
 

„Herein.“
 

Kenshin schob die Tür auf und betrat lautlos das Zimmer. Dann schloss er die Tür wieder hinter sich.
 

Katsura war alleine. Sein Mädchen, Ikumatsu, die ihm normalerweise Gesellschaft leistete, war schon gegangen.
 

Der junge Anführer sah von seinem Essen auf und als er Kenshin erkannte, rief er freudig aus: „Himura, Gott sei Dank!“ Er gestikulierte Kenshin, sich zu setzen.
 

Kenshin verbeugte sich, trat in das schwache Licht der Zimmerlampe und setzte sich kniend gegenüber von Katsura.

“Ushiro hat mir schon Bericht erstattet. Ich war erleichtert, zu hören, dass du lebst. Wir hatten schon Angst-...“ Er brach ab und schüttelte den Kopf. „Das hat jetzt keine Bedeutung mehr. Aber ich sehe, dass Ushiro nicht übertrieben hat, als er mir von deinen Verletzungen erzählte.“
 

Kenshin starrte zu Boden. „Diese Wunden sind nichts,“ sprach er sanft. „Ich habe mich schon schlimmer gefühlt.“

Katsura nickte. „Natürlich.“

“Wie geht es Ushiro?”

Der Anführer lächelte gequält. „Er wird in den nächsten Tagen keine Einsätze leiten können. Aber er lebt, dass ist wichtig. Wir hätten mit dem Hinterhalt rechnen können. Anscheinend war der Spion, den du vor zwei Tagen getötet hast, nicht allein. Sie wussten über unsere Pläne für heute Nacht bescheid.“
 

„Und Okami?“ fragte Kenshin, immer noch nach unten blickend.

„Sie wird damit zurecht kommen. Immerhin haben wir auch Spione.“ Katsuras Antwort war voll grimmiger Befriedigung. „Anscheinend haben sie nicht bemerkt, dass hier unser Hauptquartier ist, weil die meisten Männer in ihren Zimmern waren. Sie denken, dass wir hier nur ab und zu absteigen um... uns an Gesellschaft zu erfreuen.“ Katsuras Gesichtsausdruck verdunkelte sich. „Wir müssen dafür sorgen, dass das auch so bleibt und sie nicht noch mehr Verdacht schöpfen.“
 

„Deswegen wusste Saito auch, dass ich verschwunden war,“ murmelte Kenshin zu sich selbst.

Katsura antwortete nicht sondern beäugte unterdessen seinen wertvollsten Hitokiri kritisch.
 

„Himura,“ sprach er plötzlich, „warum siehst du mich nicht an?“
 

„Katsura-san?“ Kenshins Augen hoben sich vom Boden einige Zentimeter nach oben zu einer Motte, die um den Lampenschirm flatterte.
 

„Du hast mich kein einziges Mal angeschaut, seit du den Raum betreten hast.“ Katsuras scharfer Blick ruhte immer noch auf Kenshins Gesicht. „Etwas ist mit dir passiert. Du bist anders... Battousai.“
 

Die Motte fand schließlich den Weg zur Kerzenflamme und verglühte. Kenshin sah Katsura in die Augen. „Es ist nicht einfach zu erklären, Katsura-san. Wirklich nicht.“ Seine Stimme wurde weicher. „Und ich glaube nicht, dass ihr mir glaubt, wenn ich es versuche.“
 

Katsuras dunkle Augen verschmälerten sich. Im unsteten Licht der Lampe sah er die violetten Augen seines Hitokiri, die sonst immer so bläulich-kalt schimmerten. Das Licht warf Schatten auf Narben, die er nie zuvor gesehen hatte. Und selbst im düsteren Halbschatten sah er, dass Himura Battousai nur ein Schwert an seiner Seite liegen hatte. Endlich, nach einer langen Pause, sah Katsura dem rothaarigen Mann wieder ins Gesicht.
 

„Versuche es!“
 

--
 

Hoo, schon wieder vorbei ^^ bis zum nächsten Mal: Glaubt Katsura Kenshins Geschichte? Kann er ihm helfen? Und was passiert, als Battousai mitten auf dem Marktplatz in einen Kampf verwickelt wird?
 

Vielen Dank an meine treuen Reviewer: Sarai-san, roter Mondschein und Carcajou *umarm*

Lg, Mina

Ein blankes Schwert

Out of Time
 

Kapitel 9: Ein blankes Schwert
 

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1878
 

Sano und Yahiko rannten durch Kyoto, Sano voraus. Yahiko atmete schwer und es kostete ihn sichtlich Mühe, bei den viel größeren Schritten seines Freundes mithalten zu können. Bis jetzt hatten sie nirgendwo ein Zeichen von Battousai gesichtet, was Sano jedoch nicht sonderlich überraschte. Wenn Battousai nicht gesehen werden wollte, dann würde er das auch nicht.
 

„Verdammt,“ fluchte er keuchend, mindestens das hundertste Mal in der letzten halben Stunde. Warum war der Junge nur einfach so davongelaufen?
 

„Wohin, denkst du, ist er gegangen?“ fragte Yahiko plötzlich und riss Sano dadurch aus seinen Gedanken.
 

„Keine Ahnung,“ antwortete er, während er sich halb zu Yahiko umdrehte und dabei fast zwei Männer umrannte.
 

„Und wie sollen wir ihn dann finden?“
 

„Halt deinen Mund und beobachte die Leute, Knirps!“
 

Sie bogen um eine Ecke und kamen abrupt zum Stehen. „Was zur Hölle...?“ Sano sah verwirrt umher. Sie standen wieder vor dem Aoi-ya.
 

„Das kommt davon, wenn man dich den Weg führen lässt,“ murmelte Yahiko kopfschüttelnd.

Sano knirschte mit den Zähnen und funkelte den braunhaarigen Jungen wütend an. Eine Ader auf seiner Stirn pulsierte gefährlich. „Kannst du das wiederholen?“

Yahiko musterte ihn unbeeindruckt. „Lass uns am Marktplatz nachschaun. Vielleicht hat ihn Okina zum Einkaufen geschickt. Kaoru hat ja fast alles heute morgen beim Frühstück verbrannt.“
 

„Na gut,“ grummelte Sano und lief los.

Yahiko folgte ihm nicht. „Das ist der falsche Weg, Hahnen-Kopf!“ rief er aus – und wandte sich dann in die andere Richtung.
 

Missmutig schluckte Sano seinen Ärger hinunter und wandte sich um. Sie mussten Battousai möglichst schnell finden, und auch wenn er es nicht zugeben wollte: Yahiko kannte sich in der Stadt einfach besser aus als er. „Dieser Bengel...“

Fluchend folgte Sano.
 

--
 

Battousai lehnte sich seufzend an eine Hauswand, während Kaoru die letzen Sachen einkaufte. In seinen Armen stapelten sich schon Tofu, Salz, Reis und Soja-Soße. Jetzt wollte sie anscheinend noch einen neuen Topf kaufen, weil sie den anderen heute morgen ruiniert hatte. Langsam langweilte er sich. Wenn da nicht diese seltsame Präsenz wäre, die ihn beobachtete, dann hätte er schon lange seine Wachsamkeit abgeschaltet. Seine scharfen Augen musterten erneut die umliegenden Menschen. Er konnte wegen der vielen verschiedenen Ki’s seinen Beobachter nicht ausmachen. Es war eine schlechte Idee gewesen, dieses Mädchen zu begleiten. Er hatte es nicht mal geschafft, ihre Unruhe ihm gegenüber ein wenig zu besänftigen.
 

Er seufzte erneut und stellte die schweren Sachen neben sich auf den Boden. Anscheinend würde Kaoru noch länger verhandeln. Müßig musterte er den blauen Himmel.
 

„Lass mich in Ruhe!“
 

Schlagartig war der Rotschopf in Alarmbereitschaft. Er wandte sich um und sah einen kräftigen, betrunkenen Mann, der Kaoru gepackt hatte und an sich zog, während seine Freunde lachend daneben standen.

Battousai spannte sich schon an und wollte gerade dazwischen gehen, als Kaoru sich aus dem Griff des Mannes wand und mit dem Kochtopf in ihrer Hand hart zuschlug.
 

Der Mann heulte vor Schmerz laut auf und taumelte einige Schritte zurück, wobei er sein Gesicht in den Händen hielt.
 

Battousai starrte auf die Szene. Das Mädchen war offensichtlich gefährlicher, als sie aussah. Trotzdem war es nicht gerade eine gute Idee gewesen, einen Mann, der fast einen Meter größer war wie sie, zu schlagen... Seine Hand umfasste den Griff seines Katanas. Die Sache hier würde hässlich ausgehen.
 

Ein zweiter Mann packte Kaoru und bog ihr den Arm auf den Rücken, während der erste mit blutender Nase auf sie zurannte, seine Hand zum Schlag erhoben.
 

Battousai erschien wie aus dem Nichts vor ihm. Im einen Moment waren die beiden Männer noch auf den Beinen, im anderen Moment lagen sie auch schon auf dem Boden.
 

„Kenshin!“ rief Kaoru aus und trat auf ihn zu. Sie kam zum Stehen, als sie das tödliche Funkeln in seinen Augen sah. „Kenshin?“
 

“Bitte tretet zur Seite, Kaoru-dono.” Seine Stimme war wie Eis und er stand da wie gefroren, sein noch eingestecktes Schwert in der Hand. Er hatte nicht vor, sein Versprechen an Sano zu brechen. Er würde sein Katana nicht ziehen, nur im äußersten Notfall. Aber mit dem umhüllten Schwert konnte er trotzdem kämpfen.
 

Die Männer waren schon wieder auf den Beinen, vor Schmerzen stöhnend. Sie waren trotz ihrer massigen Körper recht sportlich, doch nicht sportlich genug für ihn.
 

„Verschwindet.“ Battousais Stimme war tief und warnend. Er würde ihnen diese eine Chance geben. Mehr als das verdienten sie nicht.
 

Der Mann mit der gebrochenen Nase musterte ihn, den kleinen, rothaarigen Jungen und schnaubte wütend aus, was dazu führte, dass noch mehr Blut aus seiner Nase spritze. „Du spinnst wohl. Denkst du, du bist wer, weil du ein Katana dabei hast, Junge?“ Er fasste an seine Seite und zog ein verstecktes Schwert aus einem langen Holzstab. „Jetzt werden wir sehn, ob du dein Schwert auch benutzen kannst.“
 

Battousais Augen verschmälerten sich. Das kam davon, wenn man Waffen abschaffte. Die bösen Menschen würden trotzdem einen Weg finden, sie zu benutzen und die Schwachen würden weiterhin leiden. Nur dieses Mal fehlte den Gesetzestreuen auch noch die Möglichkeit, sich selbst zu verteidigen.
 

Der zweite Mann war auch wieder auf den Beinen aber nachdem er einen guten Blick auf Battousais Gesicht geworfen hatte, blieb er wie angewurzelt stehen.

„Lass uns lieber gehen, Hiroshi. Du willst nicht mit dem Typ da kämpfen.“
 

Hiroshi schnitt eine böse Grimasse. „Feigling.“
 

„Aber Hiroshi... schau ihn doch an. Erkennst du nicht - ?“
 

„Wenn du zuviel Angst zum Kämpfen hast, dann verpiss dich. Ich muss mich hier nicht von so einem kleinen Bengel frech anmachen lassen.“ Er lachte finster und wandte sich wieder dem ausdruckslosen Jugendlichen vor ihm zu. „Denkt, er ist wer, weil er ein Schwert hat... Denkt, er kann damit umgehen, weil er in irgendeinem billigen Dojo mal mit einem Shinai trainiert hat. Ihr Meiji-Kinder wisst gar nichts über Schwerter. In euren Augen sind sie nur Spielzeuge. Ich zeig’ dir jetzt, wozu ein Schwert wirklich da ist. Ich schneid’ dir den Bauch auf und schau zu, wie du verblutest. Dann nehm’ ich mir dein kleines Mädchen hier...“
 

„Hiroshi! Lass dich nicht mit ihm ein!“ Die große Furcht in der Stimme seines Freundes war nicht zu überhören. Er hatte den Blick nicht von dem Rotschopf abgewandt und er hatte das gefährliche, gelbe Glitzern in dessen Augen bemerkt, das dann aufgeflackert war, als Hiroshi von dem Mädchen gesprochen hatte. „Ich meine das ernst! Er ist...“
 

„Halts Maul!“
 

Battousai ließ seine kalten Augen herablassend auf dem Betrunkenen ruhen und überlegte. Er könnte weiterhin mit dem eingesteckten Schwert kämpfen, aber nicht, wenn er Kaoru-dono ein für allemal vor diesen Kerlen beschützen wollte. Er probierte es noch ein letztes Mal in seiner flachen, tiefen Stimme. „Hör auf deinen Freund, Hiroshi. Ich will dich nicht töten.“
 

„Du bist derjenige, der gleich getötet wird!“ schrie der Mann und stürzte auf ihn zu.
 

Battousai seufzte resigniert und in einer fließenden Bewegung zog er sein Katana und hieb auf den Mann ein, der ihn herausgefordert hatte.
 

--
 

1865
 

Katsura hatte schweigsam Kenshins Erzählung zugehört. Jetzt war der Hitokiri – nein... der Ex-Hitokiri verstummt und wartete auf seine Antwort. Katsura war sich nicht sicher, ob er schon bereit dafür war. Immerhin war die ganze Geschichte mehr als fragwürdig. Durch die Zeit reisen, in dem man in einen Fluss fällt? Und alles wegen irgendeinem Jungen? Katsura müsste ein Narr sein, um so eine lächerliche Geschichte zu glauben.
 

Und dennoch... er glaubte. Der Mann, dem er zugehört hatte, war nicht länger der kalte, ausdruckslose Jugendliche, mit dem Katsura sonst zu tun hatte. Es lag nun Leidenschaft in seiner Stimme. Eine Wärme war in seinen Augen. Und selbst im schwachen Licht konnte Katsura die körperlichen Veränderungen erkennen, denn die Zeit hatte den geschädigten Jungen in einen reifen Erwachsenen verwandelt. Noch wichtiger: Er war nicht länger ein blankes Schwert. Er erlaubte sich nicht länger, nur als eine seelenlose Waffe benutzt zu werden. Dieser Kenshin vor ihm war menschlich.
 

Dennoch war er immer noch... Himura. Auch nach dreizehn Jahren war einiges von Battousai in seiner Gestik und Mimik hängen geblieben. Und von dem, was er von Ushiro gehört hatte, waren seine Schwertkünste auch nicht abgestumpft.
 

„Katsura-san,“ sprach Kenshin sanft, um dem Mann vor ihm aus seinen Gedanken zu holen. „Ich weiß, es ist nicht einfach, mir das zu glauben. Aber ich brauche euer Vertrauen!“ Er fuhr sich mit der Hand über die Augen. „Ich muss nach Hause zurück! Es gibt Menschen, die auf mich warten. Wenn ich hier sterbe...“ Seine Stimme verlor sich, er wirkte ernstlich beunruhigt.
 

Katsura lächelte und sah den sanftmütigen Rotschopf an. Es war das erste Mal, das er Kenshin so sprechen hörte – so, als ob er etwas hätte, für das es sich zu leben lohnt. Ja... Tomoe war sein Grund zu Leben gewesen, aber sie war für ihn auch ein Grund zu sterben. Katsura war nicht dämlich - natürlich hatte er bemerkt, wo sein Top-Killer seine Freizeit verbrachte: An einem Grab und auf einer Brücke.
 

Endlich fand er seine Worte wieder. „Ich bin froh, dass jemand auf dich wartet.“

Katsuras Stimme wurde weicher, als er sah, wie überrascht Kenshin war. „Nach dem, was passiert ist...“ Ein Schatten zog kurz über sein Gesicht, doch dann lächelte er wieder. „Ich habe mich um dich gesorgt... darum, was mit dir passiert. Vor allem wegen den jüngsten Ereignissen.“ Er seufzte. Es fühlte sich ungewohnt an, mit einem seiner Männer so persönlich zu sprechen, normalerweise redete er so nur mit Ikumatsu. Dennoch, dieser Kenshin hier war ja auch schon lange Zeit keiner seiner Männer mehr.
 

„Katsura-san?“
 

Er versuchte es noch einmal. „Ich wurde gewarnt, dass dich diese Arbeit zerstören würde als ich dich als Attentäter mit nach Kyoto nahm. Aber ich habe das in Kauf genommen, weil wir dich so dringend brauchten. Aber Takasugi hatte natürlich recht behalten.

Du hast dich dermaßen in dich selbst zurückgezogen, dass ich schon dachte, wir verlieren dich. Ich dachte, so wirst du früher oder später wirst du überschnappen. Ohne Zögern hast du das Leben anderer zerstört so wie du auch ohne Zögern dein eigenes Leben zerstört hast. Deswegen habe ich Tomoe gefragt, ob sie nicht wie eine Schwertscheide für dich sein kann. Und als sie dann starb...“
 

„Bitte hört auf,“ sagte Kenshin leise.
 

Katsura unterbrach sich, überrascht von der tiefen Bewegung in Kenshins Augen. Er nickte. „Natürlich. Es tut mir leid. Dreizehn Jahre sind angesichts solcher Ereignisse keine Zeit.“
 

Kenshin schaute mit abwesendem Blick die Lampe an. „Inzwischen ist vieles anders geworden,“ sprach er mit fester Stimme. „Ich habe einen Ort gefunden, an dem ich gebraucht werde – nicht wegen meiner Schwertkunst sondern wegen mir, mir selbst. Und wenn ich nicht dorthin zurückkomme, dann wird man sich um mich sorgen. Ich muss nach Hause. Ich will nicht, dass sich jemand um mich sorgt.“ Er lächelte, ein schwaches, müdes Lächeln. „Sie haben sich schon so oft um mich sorgen müssen.“
 

„Besorgt sein bedeutet Zuneigung, Himura. Das ist nichts schlimmes.“

Kenshin antwortete nicht aber seine abwesend blickenden Augen wurden plötzlich kalt.
 

Katsura seufzte. Kenshin hatte sich in so vielen Dingen geändert aber trotzdem war er immer noch so wie damals – er konnte seine Emotionen in sekundenschnelle vor seinem Gegenüber verschließen. Eine exzellente Eigenschaft für einen Hitokiri, aber in dieser Situation half das auch nicht weiter. „Du sollest dich jetzt ausruhen, Himura. Es war ein langer Abend. Wir werden über deine Rückkehr am Morgen diskutieren.“
 

Für einen Moment weiteten sich Kenshins Augen, denn es quälte ihn, noch eine Nacht länger warten zu müssen. Katsura erwartete schon fast, dass er ihm widersprechen würde. Doch Kenshin verbeugte sich nur und fügte sich den Wünschen seines ehemaligen Befehlshabers. Er stand auf und ging zur Tür, wartete jedoch kurz, bevor er sie aufschob und wandte sich um. „Katsura-san.“
 

„Ja?“
 

Kenshin sah nach unten, sein Gesicht lag im Schatten. „Ich habe stets eure Befehle als Vorgesetzter respektiert, Katsura-san.“ Er hielt inne. „... Aber Kind zum Töten zu schicken und aus ihm ein blankes Schwert zu machen... Selbst mit den besten Absichten... Das ist nicht richtig.“
 

Katsura antwortete nicht.
 

„Der Zweck des Schwertes ist zu töten. Ich habe das immer gewusst, selbst, als ich zu einem wurde. Aber ich habe inzwischen gelernt, dass ein Schwert auch schützen kann. Ich bin immer noch ein blankes Schwert, Katsura-san. Das wird sich nicht ändern.“ Er schob sein Sakabatou ein Stücken aus der Scheide, so dass die Klinge es im flackernden Licht kühl glänzte. „Aber ich bin jetzt ein anderes Schwert geworden.

Ich bin jetzt ein Schwert, das beschützt. Ein Schwert, das nicht tötet. Das niemals tötet.“
 

„Himura...“
 

Kenshin sah ihn an. Seine Augen waren wieder ein warmes Violett und ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich mache euch keinen Vorwurf, dass ihr aus mir Battousai gemacht habt. Ihr wart nicht der einzige, der gewarnt wurde, was Mord aus einer Seele machen kann. Ich habe meine eigene Entscheidung getroffen und muss damit leben. Ihr habt im Moment andere Sorgen. Ihr müsst nicht auch noch meine Seele als Bürde mit euch herumtragen. Das war alles.“

Er verbeugte sich nochmals und wandte sich zum Gehen.
 

„Himura.“

„Ja, Katsura-san?“

Katsura schwieg einen Moment.

„Gute Nacht, Himura. Ich hoffe, du schläfst gut.“

Kenshin lächelte nur und verließ das Zimmer, schloss die Tür hinter sich und ließ Katsura allein mit seinen Gedanken im Halbdunkel zurück.
 

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NÄCHSTES KAPITEL: Wie schaut es aus in der Seele eines Attentäters? Wie durchlebt Kenshin eine weitere Nacht in seiner verhassten Vergangenheit?
 

Viele Grüße und vielen Dank meinen Reviewern und Lesern!! ^_^

An alle Kaoru-Fans: sie wird in den nächsten Kapitel noch eine großere Rolle spielen, keine Angst *G* und auch die Shinsengumi, vor allem Saito, werden noch vorkommen - es wird also sowohl an Gefühlen als auch an Action nicht mangeln!!

In der Seele eines Attentäters

Hallöchen ^^ so schnell wie möglich ein Update! Vielen Dank an Sarai-san und roter Mondschein für die Kommentare!
 

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Out of Time
 

Kapitel 10: In der Seele eines Attentäters
 

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1865
 

Kenshin stand auf der Brücke und schaute über das ruhige Wasser hinauf zum Halbmond. Es dauerte etwas, bevor er merkte, dass er nicht alleine war. Ein Mann stand neben ihm, er lehnte sich lässig an das Geländer. Kenshins Augen gewöhnten sich langsam an das Dunkel und er erkannte die Gestalt. Sanosuke.

Kenshin blinzelte einige Male und er rubbelte über seine Augen, aber Sano stand immer noch statuengleich neben ihm.
 

„Sano?“ fragte Kenshin.
 

Sein Freund drehte sich ihm zu und grinste. „Der Mond heute Abend ist schön, oder nicht?“

Kenshin nickte stumm. Er konnte nicht ausdrücken, wie erleichtert er war, den ehemaligen Straßenkämpfer gesund und heil neben sich zu sehen. Seit sie zusammen in den Fluss gefallen waren, hatte er sich Sorgen gemacht und sich selbst die Schuld für den Unfall gegeben.
 

„Alles klar, Kenshin? Du bist so schweigsam.“
 

Kenshin lächelte und lehnte sich neben ihn an die Brüstung. „Ich bin OK. Ich habe mich nur um dich gesorgt. Weil du nicht aufgetaucht bist...“

Sano grinste nur. „Was? Dachtest du, ich wär’ ertrunken oder was? Denkst du, ein bisschen Wasser kann mich umbringen? Das hat doch letztes Mal auch nicht funktioniert.“
 

Kenshin blinzelte ihn an. „Letztes Mal?“ fragte er. „Was meinst du damit?“
 

Der Kämpfer zuckte die Schultern. „Egal. Deswegen sind wir nicht hier, oder?“ Er warf Kenshin einen kurzen Seitenblick zu. „Ich meine, deswegen bist DU nicht hier, oder?“
 

Der Rotschopf schüttelte den Kopf. Das ergab doch keinen Sinn. „Warum SIND wir hier?“ Er sah sich um, plötzlich die Umgebung wahrnehmend. Das friedliche Wasser war verschwunden. Auch die Brücke war weg und mit ihr Sano. Statt dessen stand Kenshin alleine im Wald. Aber WO war er? Die Gegend sah so vertraut aus... Stumm stand er da, als Schnee um ihn herum zu fallen begann.

Und er erinnerte sich.
 

Otsu.
 

Da waren Fußschritte. Jemand kam auf ihn zu. Kenshin spannte sich an, bereit für was auch immer. Aber mit der Gestalt, die jetzt aus den Bäumen trat, hatte er nicht wirklich gerechnet.
 

„Saito?“
 

Der große, hagere Wolf trat in die Lichtung, gekleidet in einer dunkelblauen Polizei-Uniform. Die obligatorische Zigarette hing ihm aus dem Mundwinkel. In seinen Augen war ein boshaftes Glitzern. „So, Battousai. Sollen wir endlich die Sache zu Ende bringen?“ Er spuckte die Zigarette in den Schnee und zog sein Schwert während er in Gatotsu-Stellung ging.
 

Kenshin rührte sich nicht von der Stelle. „Saito...“ flüsterte er. „Warum bist du hier in Otsu? Warum JETZT?“

Saito grinste ihn spöttisch an, seine bernsteinfarbenen Augen wurden noch schmäler als sie sowieso schon waren. „Warum nicht? Du bist weich geworden, Battousai. Du bist weich, weil du dich hinter einem jämmerlichen Nicht-zu-töten-Schwur verkriechst und ein nutzloses Schwert herumträgst.“
 

„Saito – ...“

„Kämpf mit mir! Hör’ endlich auf, dich zu verstecken und kämpfe. Hier. Jetzt. Hier ist dein persönlicher Jagdgrund, Battousai. Hier kommen die Dämonen in dir ans Tageslicht um mit dir zu spielen. Hier musst du kämpfen, wenn du dich durchsetzen willst.“

„In Otsu?“ Das war zuviel.
 

„Nein,“ grummelte Saito. „In deiner Seele.“
 

Die Zeit für Worte war vorbei. Der ehemalige Shinsengumi-Anführer war in Bewegung und zwar so schnell, dass im schwachen Morgenlicht seine Gestalt zu einem verschwommenen, blauen Fleck wurde.

Der ehemalige Hitokiri konnte das Schwert kaum abwehren. Aber trotzdem war er schon in Battoujutsu-Stellung, bevor Saito sich zum nächsten Schlag gewandt hatte. Als Saito sein Schwert erneut auf ihn niedersausen ließ, zog Kenshin auch das seine, in unglaublicher Geschwindigkeit. Beide wirbelten auseinander, jeder mit nichts mehr als einem kleinen Kratzer als Wunde.
 

Saito schmunzelte und wischte das Blut von dem Schnitt in seinem Gesicht. „Besser.“
 

„Warum tust du das, Saito?“ fragte Kenshin duster, bereit für die nächste Attacke. „Du bist keiner meiner Dämonen.“

„Vielleicht. Aber einen deiner Dämonen hältst du in den Händen.“

Kenshin Augen wanderten zu seinem gezogenen Schwert. Ein echtes Katana. Er wurde blass und ihm war plötzlich schlecht. „Nein.“

Sein Gegenüber war schon wieder in Kampfposition, sein Gesicht ernst. „Kämpfe.“

„Nein...“ Kenshins Stimme war kaum ein Flüstern, und er ließ das Schwert sinken. „Ich... kann nicht...“
 

Der Wolf lachte spöttisch. „Dann kannst du NICHTS. Du kannst niemanden beschützen, wenn du nicht mal mit deinen eigenen Dämonen fertig werden kannst. Du verdienst den Tod!“

Kenshin stritt das nicht ab. Er schloss seine Augen und steckte das Schwert wieder ein. Er würde nie wieder der Hhitokiri sein. Er würde nie wieder ein Katana benutzen. Vorher würde er lieber sterben. Das war besser.
 

Saitos Schwert biss schneidend wie die Reißzähne eines Wolfes in seine Schulter, aber nicht so kraftvoll, wie Kenshin einen Todesstoß erwartet hätte. Etwas hatte den Schlag abgeschwächt. Seine Augen sprangen auf und er sah, dass Saito verschwunden war und eine Gestalt vor ihm zu Boden sank. Alles um ihn herum färbte sich rot.
 

Sein Herz hörte auf zu schlagen. Alles in der Welt schien aufzuhören.
 

“Tomoe…” wisperte er mit brüchiger Stimme, während er neben dem Frauenkörper auf die Knie sank. Sanft hob er ihren Kopf aus dem weichen Schnee, so dass ihr Gesicht ihm zugewandt war.

Es war nicht Tomoe.
 

„Kaoru... nein!“
 

--
 

Kenshin fuhr aus dem Schlaf hoch, sein Gesicht schweißnass. Für einen grauenvollen Moment lang hatte er keine Ahnung, wo er war. Alles um ihn herum war schwarz. Dann endlich begann der Raum, Gestalt anzunehmen. Ein Stapel Bücher. Ein Futon. Frische Hakama und ein Gi, den Okami früher am Abend ins Zimmer gelegt haben musste
 

„Okami... stimmt.“ Er war in seinem Zimmer in der Herberge Kohagi, dem Kohagiya, das Okami gehörte. Es war der Bürgerkrieg.
 

Bakumatsu. Kaoru-dono würde nicht hier sein. Sie war sicher in der Meiji-Zeit. Es war nur ein Traum gewesen.
 

Kenshin rieb sich die Augen und strich den feuchten Schweiß fort, der ihm in den Wimpern hang. Vielleicht nicht nur Schweiß. Seine Hand zitterte.
 

Ein Traum. Das war alles. Aber es war so real gewesen. Zögernd glitt seine Hand unter den Verband an seiner Schulter. Er schluckte heftig, als seine Finger die lange, alte Narbe befühlten, die sich direkt neben dem frischen Schnitt befand. Es war eine der einzigen Narben, die zu bekommen er sich nicht erinnern konnte. Genau dort, wo Saitos Schwert ihn gerade erwischt hatte...

Es war nicht echt. Konnte nicht echt sein. Er sah unterstützend im Raum umher. Seine Augen entdeckten abermals den Futon, der unberührt am Boden lag und Kenshin merkte erst jetzt, wo GENAU er war. Er saß an die Wand gelehnt, das Sakabatou an die Schulter gelehnt, seine Hand bereit in der Nähe des Griffes.
 

Kenshin beugte nach vorne und stützte sich auf sein Schwert. Es war der einzige Trost, den er jetzt noch hatte, denn sein Körper schien von nun an fast wie von alleine zu reagieren. Er konnte mit der ganzen Situation nicht mehr fertig werden.
 

Denn der Albtraum, den er jetzt durchlebte, erschütterte ihn schlimmer als der, aus dem er gerade erwacht war.
 

--
 

1878
 

Sanosuke und Yahiko wussten, das etwas passieren würde, noch bevor sie den Marktplatz ganz betreten hatten. Die Leute strömten zusammen und bildeten eine neugierige Masse um irgendwas zu sehen. Sano wusste schon, wer höchstwahrscheinlich im Zentrum dieser Menge sein würde und dem Blick in Yahikos Gesicht nach zu urteilen wusste der Junge es auch.

Keine Polizei war in Sicht, doch Sano war sich sicher, dass auch das sich bald ändern würde. Die Zwei begannen, sich durch die Menge zu drängeln. Als Sano in der ersten Reihe ankam, sah er gerade noch Battousai, der sein Schwert zog.
 

„NEIN!“ schrie er laut. Er konnte Kaoru Kenshins Namen rufen hören, doch auch das bewirkte nichts. In dem Moment, in dem der Junge sein Schwert gezogen hatte, war der Kampf auch schon vorbei. Der große Mann fiel blutend zu Boden. Sanos Gesicht verzog sich und er mochte sich nicht ausmalen, wie sie diesen Toten der Polizei erklären sollten. Doch noch etwas Schlimmeres kam ihm in den Sinn.

„Wie sollen wir das Kenshin erklären?“ flüsterte er. „So wie ich diesen Baka kenne, wird er die Sache so auffassen, als ob er seinen Schwur, nie mehr zu töten, gebrochen hätte. Und dann wandert er wieder davon.“
 

Yahiko starrte ihn an. „Es ist ja nicht KENSHIN, der den Typ getötet hat. Es ist nicht SEIN Fehler.“

Sano schaute ihn verständnislos an. Dann fiel ihm wieder ein, dass Yahiko ja nicht wusste, dass der rothaarige Junge wirklich Kenshin WAR. Er hielt ihn immer noch für eine Art von Double.

„Jaaah.... stimmt....“ murmelte er halbherzig.
 

„Aber was, wenn die Polizei denkt, dass es Kenshin war?“ fügte Yahiko nachdenklich hinzu. „Immerhin sehen die beiden sich ja wirklich zum Verwechseln ähnlich.“
 

Sano bekam keine Gelegenheit, zu antworten. Battousai hatte sein Schwert wieder eingesteckt und ging nun schnurstracks auf sie zu.
 

Die Menge hinter Sano wich zurück.
 

„Tut mir leid, Sanosuke, aber ich habe mein Versprechen nicht gebrochen,“ sagte Battousai leise. „Er hat Kaoru-dono bedroht. Ich musste mein Schwert ziehen.“
 

„Du hast ihn GETÖTET!“ zischte Sano.
 

Battousai schaute ihn nur mit verstörend emotionslosen Gesicht an. Die Maske war an Ort und Stelle. „So viel Vertrauen hast du in mich,“ sprach er schließlich.
 

„Vertrauen! Du...“
 

“Ich habe vielleicht ein paar Rippen gebrochen. Der Mann muss wohl einen Arzt aufsuchen.“ Der Jugendliche begannen sich mühelos seinen Weg durch die Menge zu bahnen, nachdem er Sano mit dem Satz zum Schweigen gebracht hatte. Im Hintergrund stöhnte der am Boden liegende Mann laut auf.
 

Sano sah zwischen Battousai und seinem Opfer hin und her. Dann sah er Kaoru am Rand der Menge stehen, das Gesicht verängstigt und die Augen weit aufgerissen. „Yahiko,“ befahl er, „kümmere dich um Jou-chan. Ich muss mit Himura reden.“
 

Bevor Yahiko widersprechen konnte, war Sano schon in den Menge verschwunden.
 

„Hey!“ schrie ihm Yahiko hinterher. Sein Blick war auf die Berge von Lebensmitteln gefallen, die neben Kaoru an der Wand lagen. „Das heißt, ich muss alles heim tragen?!“
 

Sano ignorierte ihn und ging weiter. Am Ende des Marktplatzes sah er die roten Haare aufleuchten. „Himura!“ rief er.
 

Der Junge blieb stehen, ohne sich umzudrehen. Saito schob sich durch die letzte Ansammlung von Menschen und holte ihn schließlich ein. Er trat vor seinen Freund und sah ihm ins Gesicht.

„Ich begreife das nicht,“ sagte er außer Atem. „Wie hast du das gemacht? Kenshin hat nur ein Sakabatou und ich hoffe, er hat es immer noch bei sich.“
 

Battousai wollte ihn nicht anschauen und beobachtete statt dessen einige Polizisten, die inzwischen angekommen waren und die Menge auflösten. „Ich habe zwar ein Katana,“ sagte er mit leiser Stimme, „aber es ist einfach, die Klinge herumzudrehen.“
 

Sano starrte ihn an, während die Worte in sein Bewusstsein sanken. „Die Klinge... herumdrehen? Aber WARUM? Du bist DER Hitokiri Battousai. Warum solltest du überhaupt daran DENKEN, die Klinge zu drehen?”
 

Der Jugendliche sah ihn mit erschöpftem Blick an.

„So. Ich bin also wieder Hitokiri Battousai,“ sprach er sanft. „Mehr war dazu nicht nötig.“ Er lachte bitter. „Und niemals wird mehr dazu nötig sein, als meine Klinge anzuschauen und mich zu einem Schwert zu machen."
 

Sano verzog das Gesicht. „Das meine ich nicht, Himura. Du bist nicht nur ein Schwert. Du bist eine Person, genau wie ich.“
 

Battousais dunkle, blaue Augen sprühten plötzlich Funken und seine ausdruckslose Maske verrutschte. „Ich bin NICHT IM GERINGSTEN wie du, Sagara. Ich bin ein Schwert. Eine Waffe, die benutzt wird. Ich habe mich nur gefragt...“ Seine Worte gerieten ins Stocken.
 

„Was gefragt?“
 

“… Wie es sich wohl anfühlen würde, wenn man einmal ein Schwert sein kann, das nicht tötet.” Der Junge wandte sich von dem stumm gewordenen Sano ab und ging zurück in Richtung Aoi-Ya.
 

Keiner der beiden hatte den Wolf bemerkt, der sie vom Schatten aus beobachtete.
 

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Vielen Dank fürs Lesen und Reviewen ^^

Nächstes Kapitel: Saito schöpft Verdacht, dass mit Kenshin irgendwas nicht stimmt. Unterdessen wird ein Geheimnis gelüftet, das Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbindet...

Nachspiel

diesmal ein etwas längeres kapitel ^^ vielen Dank an meine Reviewer, Sarai-san und roter Mondschein! Viel Spaß!
 

Kapitel 11 - Nachspiel
 

1878
 

Battousais Kämpfergeist war nicht wie sonst gewesen, das hatte Saito sofort gespürt. Etwas hatte sich verändert. Etwas, dass es interessant genug gemacht hatte, ihn zu beobachten. Doch jetzt... DAS, was gerade eben passiert war... was war das für ein Rätsel?
 

DerRotschopf hatte den rumpöbelnden Mann schnell angegriffen, aber er selbst, der ihm an Geschwindigkeit ebenbürtig war, hatte jede Bewegung sehen können. Und er hatte GESEHEN, wie Battousai seinen Angriff auf halbem Weg geändert hatte. Er hatte GESEHEN, wie er das Schwert umgedreht hatte und so seine glatte Attacke in eine schwächlichen Abklatsch dessen, was sie eigentlich hätte sein sollen, verwandelt hatte. Und das bedeutete, dass Himura Battousai mit einem echten Katana gekämpft hatte. Das war natürlich unmöglich!
 

Hatte Battousai etwa endgültig den Verstand verloren oder war das hier etwas ganz anderes? Er dachte an das umgedrehte Schwert und seine hellbraunen Augen verschmälerten sich und glühten kurz auf, als er sich eine Zigarette anzündete. Er beobachtete, wie die Polizei von Kyoto versuchte, die Menge aufzulösen und herauszufinden, wer oder was den ganzen Aufruhr verursacht hatte.
 

Saito ließ seinen Blick zu den kleiner werdenden Gestalten des rothaarigen Mannes und des Hahnenkopfs, Sanosuke, wandern.

Selbst, wenn die Polizei den Verantwortlichen finden würde, wären sie ihm nicht gewachsen. Ihn herauszufordern, würde ihnen ein ähnliches Schicksal bereiten wie diesem Trottel Hiroshi... wenn sie Glück hatten. Saito schnaubte. Nein... er würde seinen Männern keinen Hinweis liefern, das wäre besser für ihre Gesundheit.
 

Er drehte sich um und ging davon. Es gab für ihn jetzt wichtigere Dinge zu tun. Saito inhalierte tief den Rauch in seine Lungen und ließ ihn dann langsam und genüsslich aus seinem Mundwinkel strömen.
 

Battousai hatte wieder ein Katana. Und den Instinkt eines Killers. Auch wenn er gerade eben gnädig gewesen WAR, er roch nach Blut. Was war mit seinem Rurouni-Schwur passiert? Es ergab keinen Sinn. Und für jemanden wie Saito Hajime musste alles einen logischen Sinn ergeben.
 

Er schnipste die Zigarette zu Boden. Der Wolf von Mibu hatte jetzt etwas wichtigeres zu tun, als sich mit Polizeiarbeit abzugeben. Er hatte endlich wieder eine würdige Beute.
 

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So gern Sano auch Battousai gefolgt wäre und ihn genauer ausgefragt hätte, er folgte ihm nicht. Der Junge wollte vermutlich einfach ein bisschen Zeit für sich haben. Und die Füchsin musste sofort über den Vorfall informiert werden, denn es könnte sein, dass sich Battousais Wunden geöffnet hätten. Sano seufzte. Natürlich wollte er lieber nicht im Raum sein um Megumis Reaktion auf diesen Kampf mitzubekommen. Aber was tat er nicht alles für diesen Jungen?
 

Sano ging zurück zur Herberge und wollte gerade Megumis Zimmer betreten, als ihn eine Stimme zurückrief.

„Hey!“

Sano drehte sich um. Es war Misao.

„Was ist los mit Himura?“
 

Er sah sie verwirrt an. Langsam lief das Mädchen auf ihn zu und meinte leise, „er ist kurz vor dir hier angekommen und sah wirklich aufgewühlt aus. Ich habe ihn noch nie mit so einem Gesicht gesehen, außer beim Kämpfen.“
 

Sano zuckte zusammen. „Wo ist er jetzt?“
 

„In seinem Zimmer.“ Misao legte den Kopf schief und musterte Sano eindringlich. „Er sah Aoshi-sama plötzlich ziemlich ähnlich. Auch Aoshi-sama schaut so, wenn ihn etwas aufregt.“ Sie machte eine nachdenkliche Pause. „Leider ist Aoshi-sama jetzt gerade nicht hier. Ich bin mir sicher, er hätte Himura mit dem, was ihn so beschäftigt, helfen können!“
 

„Wann kommt Aoshi überhaupt zurück?“ fragte Sano besorgt. Er hatte ganz vergessen, dass der Ex-Oniwabanshu-Anführer ja auch noch da war. Toll, so etwas einfach zu vergessen. Gerade jetzt!
 

„Entweder heute nacht oder morgen,“ antwortete Misao und ihre Augen nahmen einen träumenden Ausdruck an. „Er wird mir vorher eine Brieftaube schicken, damit ich ihn abholen kann!“
 

Sano stöhne auf, kein bisschen enthusiastisch wie Misao. Schreckliche Bilder begannen, sich in seinem Kopf zu formen: Aoshi und Battousai bei einem erneuten Kampf, diesmal mit viel mehr Blutvergießen und zumindest einem toten Körper.

„Toll,“ murmelte er. Noch mehr Schwierigkeiten. Und apropos Schwierigkeiten, da war ja noch was.

„Wo ist Megumi?“
 

„In der Küche.“ Misao wollte gerade gehen, als ihr noch etwas einfiel. „Moment. Du hast gar nicht gesagt, was jetzt mit Himura los ist! Was ist passiert?”
 

Sano antwortete nicht.

Es war fast Essenszeit und in der Küche war viel los. Immerhin war das Aoi-Ya ein beliebtes Lokal. Sano konnte Megumi unter all den herumhantierenden Frauen und Männern nicht gleich entdecken und die Versuchung war groß, es einfach sein zu lassen und sich selbst um Battousais Wunden zu kümmern. Doch dann sah er Megumi mit dem Kopf über einen Suppentopf gebeugt. Seufzend trottete er zu ihr hin, mit Misao im Schlepptau, die mit nervtötender Stimme immer wieder „Erzähl’s mir, erzähl’s mir!“ rief.
 

Megumi sah von der Suppe auf und ihr Blick verdüsterte sich. „Was machst du denn in der Küche? Irgendwas muss passiert sein!“
 

Sano verschluckte eine boshafte Antwort. „Ja. Es geht um Kenshin,“ murmelte er.

Ihr düsterer Blick wandelte sich in besorgt. „Was? Geht es Ken-san wieder schlechter?“

Er seufzte. “Nein, er ist in Ordnung aber…” Er unterbrach sich. „Hör mal, ich möchte klarstellen, dass es nicht MEIN Fehler war. Ich weiß nicht, warum er plötzlich auf die Idee kam, auf den Markt zu gehen. Wahrscheinlich war es Kaorus Schuld. Er hat wegen ihr gekämpft.“
 

„Gekämpft?“ schrie Megumi mit schriller Stimme. In der Küche wurde es still.

„Wo warst DU, als das alles passiert ist? Du hast gesagt, du KÜMMERST dich um ihn!“ Sie schlug mit ihrem Suppenlöffel zu.

Sano hob schützend die Hände. „Ich hab versucht, Yahiko davon abzuhalten, ihn zu nerven,“ schnauzte er. „Hör auf, jetzt lass mich in Ruhe! Du kennst doch Kenshin, wenn er einen loswerden will, dann verschwindet er einfach.“ Er funkelte sie an. „Überhaupt... DU bist du diejenige, die den ganzen Morgen irgendwas von „frischer Luft“ genörgelt hat-...“

„Frische Luft draußen vor dem Aoi-Ya!“ verteidigte sich Megumi. „Nicht frische Luft auf einem Marktplatz in Kyoto, wo er Dank dir in einen Kampf verwickelt wird
 

„ICH war nicht DA!“ knurrte Sano. „Warum glaubt mir das keiner?“

„Weil du der Idiot bist, der Kenshin in den Fluss gestoßen hat und weswegen er überhaupt so komisch geworden ist. Soll ich glauben, das KAORU ihn in einen Kampf verwickelt hat?“
 

Die dampfende Luft in der Küche war plötzlich zum Schneiden dick.
 

Da rauschte Yahiko plötzlich durch die Tür herein, schweißüberströmt und voll bepackt mit Reis, Salz, Soja und anderen Dingen. Er bemerkte nichts von der Spannung im Raum und meckerte wütend Kaoru an, die hinter ihm den Raum betrat.

„Musstest du alles auf einmal kaufen? Wie schafft Kenshin es nur, immer so viel zu tragen?“ Wütend stapfte er mitten zwischen Megumi und Sanosuke hindurch, die sich mit funkensprühenden Augen fixiert hielten. Er schmiss die Sachen lieblos in eine Ecke und ging dann davon.
 

Kaoru stellte schweigsam den Tofu auf einen Tisch und setzte sich auf einen Stuhl.

Sano sah von Megumi zu den Sachen am Boden. „Siehst du? Sie waren auf dem Markt, wie ich gesagt habe!“

Megumi schlug trotzdem noch einmal mit ihrem Kochlöffel zu.

„Kaoru,“ sprach sie dann und wandte sich zu dem sitzenden Mädchen um, „bitte sag mir, dass du genug Verstand hattest um Ken-san NICHT zu bitten, mit dir zum Einkaufen zu gehen.“
 

Mit großen Augen sah Kaoru sie an. „Natürlich hab ich ihn mitgenommen. Sano und Yahiko waren ja nicht da und ich habe Okina doch versprochen, mich um Reis und Tofu zu kümmern. Außerdem hast DU doch gesagt, dass Kenshin frische Luft brauch!“
 

Megumi warf hilflos die Arme in die Luft. „Hört mir denn hier niemand richtig zu??!!“
 

Kaoru biss die Zähne zusammen und ließ endlich ihre Besorgnis einmal beiseite, um so tempramentvoll wie sonst zu reagieren.

„Wenn du vielleicht nicht die ganze Zeit an Kenshin geklebt hättest und ihn mal alleine gelassen hättest, dann hätte ich vielleicht besser zugehört!“

„Ich bin sein Arzt!“

“Dann verarzte ihn und flirte nicht mit ihm!”

„Ich kann nichts dafür, wenn Ken-san eine echte Frau erkennt, wenn er eine sieht.“

„Eine ECHTE Frau...?“

Misao beobachtete die beiden Frauen mit einer Mischung von Verwirrung und Faszination.

Sano nutzte die Zeit, um zu verschwinden und zu Battousai zu gehen. Er hatte gesagt, was gesagt werden musste. Nur schnell weg von diesem Zickenkrieg. Sie bemerkten nicht einmal, wie er an der Wand in Richtung Tür rutschte und ging.
 

Jetzt zu der wirklichen Schwierigkeit. Sano ging den Flur hinab und kam vor Battousais Tür zum Stehen. Leise klopfte er.
 

Es dauerte lange, bis er Battousais Stimme hörte, die „Herein“ rief.
 

Sano betrat den Raum und schob die Tür hinter sich zu. Battousai war abermals dabei, seine Verbände zu wechseln und zum ersten Mal sah er jetzt seinen ganzen Oberkörper nackt – und damit auch das Ausmaß seiner Wunden.
 

Der größere Kämpfer starrte vor Bestürzung. Er hatte schon vielerlei Verletzungen gesehen, aber so viel auf einem Haufen? Sicher, Battousai war verletzt gewesen, als er hier aufgetaucht war und die Wunden auf seiner Brust und seinem Rücken hatten übel ausgesehen. Aber jetzt konnte Sano auch all die Schnitte entlang seiner Arme sehen, genauso wie eine tiefe Wunder an seiner Schulter. Das waren nicht die üblichen Verletzungen, die ein Schwertkämpfer normalerweise erlitt. Das seltsame hier war, dass diese Wunden alle nicht alt waren – sie schienen alle zur gleichen Zeit entstanden zu sein. Es sah nach einem hinterhältigen Angriff verschiedener Gegner aus. Aber wie hatte überhaupt jemand wie ER in einen Hinterhalt gelockt werden können?
 

“Gab es etwas, das du von mir wolltest, Sagara?”
 

Sanosuke sah auf und blickte in eisblaue Augen, die ihn anschauten. Schnell sah er wieder weg. „Ich wollte nur sichergehen, dass bei dir alles in Ordnung ist,“ nuschelte er. „Ich weiß, dass ich dich vorhin verärgert habe.“

„Mir geht es gut.“ Im Augenwinkel sah Sano, dass der Junge fortfuhr, sich zu verbinden.
 

„Du siehst aber nicht gut aus,“ sagte Sano. „Du siehst aus, als ob jemand mit aller Gewalt versucht hat, dich umzubringen – und fast damit Erfolg gehabt hätte.“

„Ich bin ein Hitokiri. Seit wann sind Verletzungen an einem Hitokiri etwas ungewöhnliches?“

„Bei dir schon,“ entgegnete Sano. Er setzte sich seinem Freund am Boden gegenüber. „Hör Mal, Himura, mir tut echt leid, was ich vorhin gesagt habe. Ich wollte nicht, dass es so klingt, als ob du in meinen Augen nur ein Killer bist. Ich war nur überrascht. Du wolltest vorhin nicht ohne Katana gehen und wolltest mir auch nicht versprechen, es nicht zu ziehen. Was sollte ich daher anderes erwarten, als dass du damit töten würdest, falls es die Umstände erforderten?“
 

Battousai antwortete ihm nicht und verband die Wunde an seiner Schulter. Sano sah genau zu. Es kam ihm so vor, als ob fast so etwas wie metallene Klauen diese Wunde verursacht hätten. Und eine Wunde in der Nähe seines Halses schien von so etwas wie einem Pfeil gekommen zu sein.
 

„Du wurdest von Ninja angegriffen, oder nicht?“ fragte er. Plötzlich fühlte er sich selten dämlich, dass er jemals auf die Idee hatte kommen können, Battousai in das Hauptquartier der ehemaligen Oniwabanshu mitzunehmen.
 

„Das geht dich nichts an, Sagara.“ In der Stimme des Jugendlichen lag ein gefährlicher Unterton – den Sano komplett ignorierte.

„Natürlich tut es das, Freunde helfen-...“

Battousai sah zu ihm auf mit einer solchen Kälte in den Augen, dass Sano die Worte im Halse stecken blieben.
 

„Hör mir zu, Sagara,“ sagte er leise. „Danke für deine Hilfe. Aber du willst nicht mein Freund sein. Leute, die mir nahe stehen...“ Er zögerte und suchte nach den richtigen Worten. „...Sie bleiben nicht lange bei mir. Verstehst du?“

Sano legte die Stirn in Falten. „Nein. Versteh’ ich nicht.“

“Sie werden benutzt, gekidnapped oder getötet. Solche Leute kann ich niemals beschützen. Niemand ist am Ende wirklich sicher. Es ist besser, wenn du dich selbst nicht zum Ziel machst. Geh jetzt bitte, Sagara. Mir geht es gut.“
 

Sano versuchte, sich an den letzten Strohhalm zu klammern. Er wolle das Gespräch nicht so enden lassen. Der Junge bestrafte sich offensichtlich selbst für irgendetwas, was Sano nicht wusste. Jemand musste ihm mal den Kopf wieder gerade rücken.

Sanos Faust traf den Rotschopf am Kinn, bevor er sich überhaupt bewusst machen konnte, dass dieser ja immer noch das Katana neben sich liegen hatte. Es war kein sehr harter Schlag, aber hart genug, um den Jungen zu überraschen und umzuhauen.

Battousai setzte sich wieder auf und hielt sich das Gesicht, zu überrascht, um überhaupt wütend zu sein. Seine großen, blauen Augen starrten Sano geschockt an.
 

„Du Idiot!“ grummelte Sano leise. „Hör endlich auf damit! Ich weiß nicht, was genau dir passiert ist, aber denkst du wirklich, du bist die einzigste Person auf der Welt, die schon mal einen geliebten Menschen verloren hat? Kaoru, Yahiko und Misao haben alle ihre Eltern verloren. Keiner weiß, wo Megumis Familie ist. Und auch die anderen hier, die du noch nicht kennst, haben Freunde und Familie verloren.“
 

„Und ich bin derjenige, der dafür verantwortlich ist, Sagara. Verstehst du das nicht? Ich bin Hitokiri Battousai, genau wie du gesagt hast.“ Seine Stimme wurde leiser. „Ich habe hunderte getötet und mit jedem einzelnen Leben habe ich auch das von den Angehörigen zerstört. Das kann man nicht einfach ungeschehen oder gar wiedergut machen.“
 

„Zur Hölle!“ rief Sano und zog damit die volle Aufmerksamkeit des Jungen wieder auf sich. „Willst du meine Geschichte hören? Ich war erst sieben, als ich mich den Sekihotai anschloss. Unser Anführer Sagara war für mich wie ein älterer Bruder. Er hat mich quasi aufgezogen in den Jahren, in denen wir die Drecksarbeit für die Ishin Shishi erledigten. Am Ende wurden wir von ihnen verraten und sie haben uns dahingeschlachtet. Damit nicht genug: Sie mussten auch noch die Köpfe der Getöteten in aller Öffentlichkeit ausstellen und als Verräter brandmarken. Ich habe sie dafür gehasst. Jeden Einzelnen der verdammten Ishin. Und weil ich meinen Hass irgendwie herauslassen musste, bin ich Strassenkämpfer geworden. Ich habe meinen Hass auf mich selbst und auf den Namen meinen stärksten Feindes konzentriert...“
 

„Battousai.“ Die Stimme des Jungen war kaum hörbar.
 

„Genau,“ sagte Sano. „Battousai. Der Stärkste der Patrioten. Ich dachte, wenn ich ihn töte, dann kann ich den Ishin Shishi ihren Verrat von damals heimzahlen.” Er lachte ohne Freude. „Ich war dumm. Und es hat lange gedauert, bevor mich ein guter Mann endlich zu Verstand gebracht hat. Und weißt du, das lustige daran ist, dass es nicht sein Schwert war, dass mich gerettet hat. Es waren seine Worte. Er hat mir gesagt, dass die Revolution noch nicht vorbei ist. Dass es immer noch Menschen gibt, die für Gerechtigkeit kämpfen. Und beschützen. Und plötzlich habe ich begriffen, dass dieser Mann genau wie mein Anführer Sagara war. Daraufhin habe ich die Entscheidung getroffen, ihm zur Seite zu stehen und für ihn zu kämpfen.“
 

Battousai war für einen Moment lang still, bevor er wieder sprach. „Dieser Mann hört sich wirklich nach jemandem an, der etwas vom Leben versteht. Aber was hat das mit mir-?“

Sano lehnte sich zurück und grinste. „Dieser Mann hat mich damals übrigens auch gebeten, ihn Himura Kenshin zu nennen, nicht Battousai.“
 

Die Augen des Jungen wurden groß.

„Genau. Du warst es. Also erzähl mir nichts von dem Mist von wegen ein Hitokiri darf keine Freunde haben. Es war nicht einfach, uns zu retten. Du musstest erst unser Vertrauen gewinnen und unseren Respekt. Und manch einen von uns musstest du vor sich selbst beschützen... vor der eigenen Vergangenheit. Du RETTEST Menschen, Himura. Und du brauchst dafür nicht mal dein Schwert. Das ist die Form deiner Wiedergutmachung.“

Sansosuke lächelte. „Und um dir die Wahrheit zu sagen: Ich habe noch nie jemanden getroffen, der einen so wie du nur durch Worte vom Tod abhält, Junge.“
 

Battousai sah ihn nicht mehr an. Er starrte hinab auf seine Hände. „Das Sakabatou,“ murmelte er, während er noch versuchte, alles zu verstehen. „Deswegen...“

„Himura?“

Der Rotschopf sah nicht auf. „Nichts. Ich habe nur laut nachgedacht.“ Er hielt inne und wechselte das Thema. „Es tut mir leid für deinen Kommandanten, Sanosuke. Sein Kopf... er wurde am Stadtrand von Kyoto ausgestellt. Ich habe ihn erst vor wenigen Nächten gesehen. Es tut mir leid.“

Sano schüttelte den Kopf. „Vergiss es. Es ist schon lange her für mich. Ich habe mir darüber schon zu viele Gedanken gemacht.” Er stand auf. „Jedenfalls dachte ich, dass du über die Hintergründe unserer Freundschaft mit dir Bescheid wissen solltest. Ich werde dich jetzt alleine lassen. Denk darüber nach, was ich gesagt habe.“ Dann ging er und schob die Tür auf.
 

„Ich... habe wirklich jemanden gerettet?“ fragte der Junge in seinem Rücken unvermittelt.

Sano schaute zu ihm zurück. „Ja.“
 

Der Junge sah erschöpft aus aber er lächelte eines seiner seltenen, sanften Lächeln. „Es tut gut, das zu hören,“ flüsterte er. „In der Nacht, in der du mich gefunden hast... Da habe ich versucht, jemandem vom Selbstmord abzuhalten. Aber es hat nicht geklappt.“

„Himura...“

Battousai hörte ihm nicht zu, ganz in der Vergangenheit versunken. „Er hat davon geredet, dass er alles verloren hat. Und keinen Grund mehr hat, weiter zu leben.“ Der Junge lächelte schwach. „Er war noch ein Kind. Ich wünschte, ich hätte ihm irgendeinen Grund geben können.“
 

Sanos Augen weiteten sich und er krallte sich an den Türrahmen. „Was? Meinst du...“

Er wurde von Misao unterbrochen, die unten in der Halle seinen Namen rief. „Hey, Sanosuke! Hanhenkopf. Megumi will mit dir sprechen. Komm schnell, bevor sie und Kaoru sich an die Gurgel gehen!“

„In einer Minute!“ rief er zurück. „Himura, hör mir zu-...“

„Sanosuke!“ brülle Misao erneut, diesmal schon näher.

Er verzog den Mund. „Ich habe gesagt, in EINER MINUTE!“
 

„Du solltest gehen,“ sprach Battousai leise. „Ich muss mich noch fertig verbinden.“ Er griff nach den Bandagen.

Sano zögerte. „Na gut. Aber wir reden später weiter, Himura.” Nach einem kurzen Nicken trat Sano aus der Tür und schloss sie hinter sich. Kaum im Flur traf er schon auf das Wiesel-Mädchen, die ihn zurück zur Küche zerrte, wo immer noch Geschrei herrschte. Sano jedoch hörte und sah nichts. Statt dessen hatte er nur immer wieder den einen Gedanken im Kopf: Der Schwertkämpfer, der ihm in seiner Jugend das Leben gerettet hatte ... war Battousai gewesen!
 

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1865
 

Schon bei Sonnenaufgang war Kenshin wach. Der Traum hatte es für ihn unmöglich gemacht, weiterzuschlafen. Statt dessen hatte er den Himmel betrachtet und versucht, alle Gedanken an Kaoru aus seinem Kopf zu verscheuchen. Doch jedes Mal, wenn er seine Augen geschlossen hatte, hatte er ihren Körper wieder und wieder in den Schnee fallen sehen. Es hatte keinen Sinn gemacht, sich den Futon aufzurollen – er war einfach mit dem Schwert an die Schulter gelehnt an der Wand sitzen geblieben. Zwanghaft hatte er versucht, zu ignorieren, dass er sich mit jeder verstreichenden Stunde mehr wie Hitokiri Battousai fühlte. Als es endlich dämmerte, war Kenshin nicht mehr der selbe Mann, der den Abend vorher den Raum betreten hatte. Und es machte ihm Angst.
 

Die goldenen Sonnenstrahlen drangen in sein Zimmer ein, jedoch nicht in sein Herz. Kenshin zwang seine dunklen, blauen Augen in das helle Licht des Tages zu blicken. Es war Morgen. Er musste aufstehen. Katsura erwartete, ihn jetzt zu sehen. Er streckte sich, stand auf und keuchte. Alle seine steifen Muskeln protestieren nach Stunden des stillen Dasitzens. Die Wunde an seiner Seite brannte wie Feuer. Nicht zu erwähnen, dass er sich fast zu schwach und schwindelig fühlte, um gerade zu stehen. Kenshin ließ seinen Blick zu seinen Verbänden schweifen und sah, dass sie rot von Blut waren. Das erklärte, warum er sich so wackelig auf den Beinen fühlte. Okami würde ihn töten, wenn er nicht schnell die Verbände wechseln würde. Jede Stunde, hatte sie ihm eingeschärft. Kenshins Mund verzog sich zu einem kleinen Lächeln.
 

Der Gedanke an Katsura und die Möglichkeit der Rückkehr in seine Zeit ließ ihn endlich gerade stehen. Wenn er seinen Rücken an die Wand lehnte und sein Sakabatou als Stütze nahm, ging es einigermaßen. Der Raum begann, sich langsamer zu drehen und so lange er sich nicht zu hastig bewegte, fühlte er sich mit jedem Schritt stabiler. Er musste nur die Steifheit und den Schmerz ignorieren. Natürlich war er Schmerzen gewohnt. Aber diese Steifheit... Kenshin musste schon wieder gequält lächeln. Er fühlte sich plötzlich alt.
 

Nahe der Tür lagen frische Verbände zusammen mit Kleidung. Kenshin wechselte die Bandagen mit der Geschwindigkeit von jemandem, der so etwas gewöhnt ist. Die blutdurchtränkten Stoffbanden legte er auf den alten Gi, den ihm Hiko gegeben hatte. Danach griff Kenshin nach der frischen Kleidung, die Okami ihm bereit gelegt hatte. Eine Choshuu Uniform. Zögernd strichen seine Finger über den Stoff des dunkelblauen Gi und er seufzte. Was hatte er erwartet? Dass ihn Okami ihn dem zerrissenen und blutigen Gi von letzter Nacht herumlaufen ließ?
 

Langsam zog der Ex-Hitokiri sich an, vorsichtig wegen seiner Wunden. Die Kleidung fühlte sich schwer an – so schwer, als ob an ihrem Material das Gewicht von hunderten von Toten hängen würde. Der Gi war sauber und sorgfältig geflickt, aber Kenshin konnte das längst ausgewaschene Blut an ihm riechen. Wie viele Menschen hatte er getötet, während er dieses Kleidungsstück getragen hatte?
 

Er legte ihn mit einem Schauder an und begann mit einem Kamm, sein langes, rotes Haar zu bürsten. Dann kämmte er es nach hinten und band es sich in einem Pferdeschwanz hoch. Mit jeder Handlung wurden die Bewegungen seines Körpers mechanischer, und als er schließlich sein Sakabotou in seinen Gürtel steckte, erwischte er sich dabei, wie er instinktiv auch an die Stelle griff, an der normalerweise sein Wakizashi gewesen wäre.
 

Er schauderte erneut und brachte seine Hände wieder unter Kontrolle. Er befahl ihnen, sich um den Griff seines Sakabatous zu schließen wie um einen Rettungsanker. Als seine Augen noch einmal durch den Raum glitten, entdeckte Kenshin auch die Flasche Sake, die neben seinen alten Klamotten stand. Vorsichtig beugte er sich hinab und hob sie auf. Es war Hikos Abschiedsgeschenk gewesen. Das erste Mal an diesem Morgen begannen Kenshins Gesichtszüge sich zu entspannen und seine Augen wurden weicher. In seinen Gedanken sah er wieder die Gesichter seiner Freunde vor sich, die auf ihn warteten. Er war kein Attentäter mehr. Egal wie leicht er in seine alten Gewohnheiten zurückfallen mochte - er war jetzt stärker als damals. Er hatte Menschen, die sich um ihn sorgten und auf die musste er sich konzentrieren.
 

Während Kenshin den Sakekrug an seinen Gürtel band, lächelte er innerlich. Hiko hatte recht gehabt. Vielleicht half ihm der Sake wirklich, bei Verstand zu bleiben.
 

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so ^^ eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft ist hergestellt: Sanosuke. Vielleicht gibt es noch mehr? Und vielleicht ist das die Lösung für die Rückkehr der Kenshins in ihre jeweilige Zeit?

Mehr im nächsten Kapitel. Und dort treffen wir noch einen weiteren, alten Bekannten... bis dahin ^^

Wahrheit

Entschuldigung meine Langsamkeit... hab zur Zeit viel um die Ohren ^^ Viel Spaß mit dem nächsten Kapitel! Danke fürs Lesen und Kommentieren!


 

Kapitel 12 - Wahrheit
 

1878
 

Kaoru stürmte aus der Küche und rannte dabei fast Sano und Misao um, die gerade herein gehen wollten. Stolpernd hastete sie an ihnen vorbei, wortlos. Sie konnte ihre Augen noch in ihrem Rücken spüren aber sie blieb nicht stehen. Sie war jetzt nicht in der Stimmung, um zu reden. Megumi hatte die letzten Minuten damit verbracht, sie anzuschreien und ihr das Gefühl gegeben, Kenshin beinahe umgebracht zu haben. Sie schnaubte. Wenn jemand auf dem Marktplatz verletzt worden war, dann doch wohl sie selbst. Kenshin war in Ordnung. Wie immer hatte er alles schnell unter Kontrolle bekommen.
 

Kaoru fröstelte.

Und dann war er gegangen. Er hatte so kalt und gefährlich gewirkt und für einen Moment hatte sie geglaubt, er wäre wieder zu Battousai geworden. Natürlich war das lächerlich, denn es gab ja keinen Grund zu dieser Verwandlung. Es sei denn die Stadt Kyoto an sich...
 

Sie wurde rot vor Scham als sie plötzlich begriff, was ihr Megumi durch ihren Wutausbruch hatte klar machen wollen: Natürlich konnte es sein, dass Kenshin mit seinem noch nicht ganz abgeklungenen Fieber bei einem Spaziergang durch Kyoto einiges durcheinanderbringen konnte.

Sie blieb stehen. Vielleicht hatte ihn die Stadt wieder in die Vergangenheit zurückversetzt? Und dann hatte er auch noch in seinem Zustand gekämpft. Wenn sie ihr Bokken dabei gehabt hätte, dann hätte sie selbst die Situation regeln können. Ihn schützen können. Doch jetzt war alles, was passiert war, nur IHR Fehler... natürlich würde sie das vor Megumi nie zugeben...
 

Sie war so in Gedanken verloren, dass sie vor Überraschung zurückstolperte, als die Tür vor ihr plötzlich aufgeschoben wurde. Sie verlor das Gleichgewicht und sah sich schon am Boden liegen, doch starke Arme umfassten sie und gaben ihr Halt.

„Alles in Ordnung, Kaoru-dono?“ fragte eine vertraute Stimme.
 

Kaoru blinzelte und sah in Kenshins Gesicht.

„Kaoru-dono?“ Er sah besorgt aus. “Vielleicht solltet ihr euch hinsetzen?” Sanft führte er sie in sein Zimmer.

Sie ließ sich mitführen. Das erste Mal, seit Sano ihn aus dem Fluss gerettet hatte, wirkte Kenshin wieder so, wie sie ihn kannte. Freundlich, nett, besorgt. Außer dieses Etwas in seinen Augen, dass ihn so abwesend schauen ließ. Es war, als ob er, selbst während er ihr half, sich vor irgendetwas schützen wollte. Nur – vor was?
 

“Danke,” sagte sie leise und schaute in ihre Hände. Warum war es plötzlich so schwer, mit ihm zu sprechen? Es fühlte sich an wie damals, als er gegangen war, um gegen Shishio zu kämpfen. Als ob er in Gedanken gar nicht richtig bei ihr wäre.

Eine unangenehme Stille entstand.

Endlich sah Kaoru auf und war überrascht, Kenshin dabei zu ertappen, wie er sie genau studiert hatte.

„Kenshin? Kann ich dich etwas fragen?”

Er zögerte kurz, nickte dann aber.
 

“Was stimmt nicht mit dir?“ Sie errötete, weil sie spürte, wie seltsam sich ihre Frage anhören musste. „Ich meine, ich weiß, dass du krank bist... aber du bist nicht ganz du selbst. Du hast mich am Marktplatz alleine gelassen.“

„Yahiko war doch da. Und Sanosuke. Du warst nicht alleine.” Seine Stimme war tief und ohne Ausdruck.

Kaoru zog die Augenbrauen zusammen, ihre blauen Augen blickten verletzt. „Das meine ich doch nicht. Du hast mich stehen lassen, wie damals. Ich hab mich gefragt, ob du-...“

„Es geht mir gut.“ Er sah von ihr weg, wollte ihr nicht in die Augen schauen.
 

Kaoru fühlte Frustration in sich aufwallen. „Nein, Kenshin. Du bist nicht du. Ich weiß, wahrscheinlich war es meine Schuld, weil ich dich überredet habe, mit einkaufen zu kommen, aber…-“

„Du hast mich nicht überredet.“

„Kenshin,“ grummelte Kaoru, „ich versuche mit dir zu reden und-...“

„Es tut mir Leid Kaoru-dono, aber-...“

Er bekam nicht die Gelegenheit, zu Ende zu sprechen. Kaoru hatte ihn an den Schultern gepackt und war dabei, ihn kräftig durchzuschütteln. „Wirst du jetzt aufhören, mich ständig zu unterbrechen, Kenshin?! Du musst nicht alles wiederholen, was ich schon gesagt habe. Davon rede ich doch die ganze Zeit! Du verhältst dich nicht normal! Nicht, dass du jemals wirklich NORMAL gewesen wärst!“
 

Sie erwartete, dass er jetzt lächelte. So wurde wie früher. Rollende Augen bekam wie sonst immer, wenn sie versuchte, ihn durch Schütteln zu Verstand zu bringen. Doch es klappte nicht.

Sein Gesicht war wie Stein, nur eine kleine Ader pulsierte irgendwo an seiner Stirn. War er wütend?

Dann fühlte sie es durch den Stoff des Gis. Warm und feucht. Langsam hob sie ihre Hände von seinen Schultern und schaute sie an. Blut. Sie hatte seine Wunden erneut zum Bluten gebracht.
 

„Oh! Es tut mir so leid!“ Ihre Hände flogen automatisch zu ihrem Gesicht, um die peinliche Röte zu verbergen.

Er reagierte so schnell, dass sie nicht einmal seine Bewegungen gesehen hatte, aber plötzlich hielt er ihr Handgelenk in seiner Hand fest. Einen Zentimeter vor ihrem Gesicht. Stumm zog er ihren Arm nach unten, nahm eine der sauberen Stoffverbände, die neben ihm lagen und begann fast ehrfürchtig, das Blut von ihren Fingern und ihrem Handballen abzuwischen. Sie beobachtete seine Bewegungen mit einer Art von grauenhafter Faszination durch den Schleier von Tränen, die sich in ihren Augen gesammelt hatten. Er fasste sie so behutsam und sanft an, aber gleichzeitig handelte er mechanisch – als ob er so etwas schon vorher getan hätte. Als ob er nicht das erste Mal Blut von jemand anderem abwusch.
 

Sie spürte wieder Röte in ihrem Gesicht, diesmal Verlegenheit, denn seine von vielen Schwertkämpfen schwieligen Hände hielten immer noch die Ihren.

Endlich redete er. „Deine Hände waren noch nie zuvor mit dem Blut eines anderen Menschen befleckt, oder?“ fragte er sanft.

Ihr Gesicht wurde noch röter. „Ich wollte dich nicht verletzen,“ sagte sie, denn sie hatte seine Frage gerade eben nicht wirklich verstanden, wollte sich aber irgendwie erklären.

„Du kannst mich nicht verletzen,“ antwortete er leise. Zögernd streckte er seine Hand aus und berührte ihre Wange, strich eine Träne weg, die den Weg aus ihrem Auge gefunden hatte. „Ich habe dich verletzt, nicht wahr?“

„Kenshin...“
 

Auf einmal schien er zu bemerken, was er gerade tat. Ein Schleier schob sich plötzlich über seine Augen und er wirkte wieder distanziert. „Du solltest jetzt gehen,“ sagte er. „Ich will dich nicht noch mehr verletzen. Geh.“ Er stand auf.

Der kurze Moment war vorbei. Kaoru fühlte sich wieder kalt und verwirrt. „Kenshin, bitte. Rede doch mit mir. Was belastet dich? Was ist passiert?“
 

„Nichts.“
 

Wütend sprang Kaoru auf die Beine. „Lüg mich nicht an. Etwas ist anders. Warum vertraust du mir nicht mehr?“ Sie wischte die Tränen weg, doch es kamen immer neue nach. „Du sagst mir doch sonst immer die Wahrheit, egal, was. Warum nicht jetzt?“
 

Schweigsam stand er nur da, mit dem Rücken zu ihr.

Irgendwann drehte sie sich um zur Tür. „Gut,“ rief sie, „dann bist du eben stumm!“ Damit schob sie die Tür auf und ließ ihn alleine.
 

Battousai stand immer noch da und schaute die Wand an, sein Kopf gesenkt, der Blick auf seine leicht mit Blut beschmierten Hände. Er schloss die Augen und versuchte, Gefühle, die er seit Monaten nicht mehr gespürt hatte, zu unterdrücken. Gefühle, die er schon fast vergessen hatte.
 

Unschuld. Sie war komplett unschuldig, rein. So jemanden hatte er seit einer langen Zeit nicht getroffen.

Mit ihr zusammen zu sein hatte sich einen Moment lang angefühlt, als ob er nicht länger ein Dämon war. Nicht länger Hitokiri Battousai – sondern Kenshin.

Nein.

Ihre Unschuld war so stark und rein, dass sie damit fast auch ihn berührt hätte.

In diesem kurzen Moment gerade eben war er wieder Shinta gewesen.

Er schloss sein Augen. Und das erste Mal seit sechs Monaten fühlte er wieder Tränen darin.
 

--
 

1865
 

Kenshin ignorierte die Blicke, die ihn trafen, während er durch die Herberge ging. Katsura war nicht in seinem Zimmer anzutreffen gewesen obwohl Kenshin das gehofft hatte. Jetzt musste er wieder den ganzen Soldaten Choshuus begegnen. Die ersten Schritte hinunter in die volle Halle waren hart für ihn gewesen – die Gespräche waren schlagartig verstummt und jeder hatte Platz für ihn gemacht. Er war kurz davor gewesen, wieder hoch in sein Zimmer zu gehen und zu warten, bis keiner mehr da war. Aber statt dessen hatte er sich gezwungen, durch die Menge zu gehen. Keiner hatte Augenkontakt zu ihm aufgebaut. Alle hatten viel zu viel Angst vor ihm. Das war seltsam ironisch, denn er konnte gleichzeitig die Erleichterung der Männer fühlen, dass ihr Beschützer, ihr bester Kämpfer, noch am Leben war und sie nicht verlassen hatte. Dennoch hatten sie alle Angst, denn der Ruf des Hitokiri, des Dämons, der er vor nicht langer Zeit noch gewesen war, haftete noch immer an ihm.
 

Respekt und Angst, wie ein zweischneidiges Schwert.
 

Kenshin schlüpfte in die Küche und hoffte, dort Okami zu treffen. Sie würde sicher wissen, wo Katsura zu finden wäre. Einige ihrer Dienstmädchen waren zwar da, aber von Okami keine Spur.
 

Eines der jüngeren Mädchen bemerkte ihn, wie er zögernd am Türrahmen lehnte. Ihre dunklen Augen weiteten sich. „Himura-san,“ sprach sie leise, „gibt es etwas, was ihr benötigt?“
 

Okami hatte ihre Mädchen gut erzogen. Wie übel sein Ruf auch immer sein mochte, sie behandelten ihn stets mit Respekt und versuchten, ihre Angst zu verbergen. Natürlich konnte Kenshin sie trotzdem spüren, aber er war dankbar, dass sie wenigstens versuchten, normal zu wirken.
 

Kenshin lächelte schwach. Es gab auch Mädchen wie dieses hier, Nozomi hieß sie. Sie verstand einfach nicht genau, was sein Job hier war und deswegen fürchtete sie ihn auch nicht. Dafür war er dankbarer, als je jemand ahnen würde.
 

“Nozomi-dono,” fragte Kenshin, “ist Okami in der Nähe?”

Nozomi errötete bei dem Anhängsel „-dono“ und senkte ihren Blick. „Es tut mir Leid, Himura-san. Ich weiß nicht genau, wo sie ist.“ Sie blinzelte zu ihm auf. „Vielleicht kann ich helfen?“

Kenshin blinzelte zurück. Er bemerkte die Röte in dem Mädchengesicht und verstand jetzt, dass er der Grund dafür war.

„Oro... N-Nein, Danke, Nozomi-dono.“ Beschämt trat er einen Schritt zurück. „Ich bin sicher, ich finde sie schon selbst. Ich möchte dich nicht von deiner Arbeit abhalten. Danke.“

Schnell verbeugte er sich und verließ den Raum, sein Gesicht rot wie eine Tomate. Als er hinter sich das einsetzende Gekicher der anderen Mädchen hörte, wurde er noch röter.
 

Schnell ging er zum Essenssaal, das junge Mädchen schob er aus seinen Gedanken. Fast wäre er mit Ushiro zusammengestoßen, der ebenfalls gedankenverloren gerade zum Essen gehen wollte.
 

„’Tschuldigung,“ sagte der große, dunkelhaarige Mann. Dann, als er sah, wen er gerade fast umgerempelt hätte, lächelte er und überraschte damit Kenshin. „Battousai-san! Dir geht es wieder gut, das freut mich. Ich hab mir schon Sorgen gemacht.“
 

„Sorgen? Mir geht es gut,“ antwortete der Rotschopf etwas perplex. So eine freundliche Reaktion hätte er nicht erwartet. „Wie geht es denn DIR?“

Ushiro wollte mit den Achseln zucken, rieb sich aber gleich darauf mit schmerzverzerrtem Gesicht die bandagierte Schulter. „Ich kann laufen. Nicht, dass das Okami gefallen wird, aber ich musste einfach aufstehen und was Essen. Ich kann nicht den ganzen Tag rumsitzen oder schlafen.“ Seine Augen weiteten sich plötzlich, als er begriff, WAS er gerade zu WEM gesagt hatte.

„Nicht, dass etwas falsch daran ist, am Tag zu schlafen, wenn man die ganze Nacht gearbeitet hat,“ fügte er hastig hinzu.
 

Kenshin hätte fast gelacht.

„Battousai-san?“

Kenshin schaute zu dem Mann auf, der ihn anstarrte. „Oro?“

Ushiro zog die Augenbraue hoch. „Oro, was? Das ist neu.“ Er grinste. „Jedenfalls hab ich mich gerade gefragt, ob du nicht mit mir und Kano zusammen frühstücken willst. Ich weiß, dass du normalerweise alleine isst, aber um die Uhrzeit sieht man dich ja sonst selten schon auf den Beinen...“
 

Kenshin musterte Ushiro. Es war keine Angst in ihm zu spüren. Er war freundlich und besorgt, aber nicht verängstigt. War er schon immer so gewesen? Kenshin wusste es nicht. Er hatte Ushiro in der Vergangenheit immer respektiert aber sich niemals groß mit ihm beschäftigt. Seine Gedanken waren immer vereinnahmt gewesen von Aufträgen und Kämpfen. Jetzt, wo er älter war, war es eine freudige Überraschung zu sehen, dass es damals außer Okami und Katsura noch jemanden gegeben hatte, der sich um ihn kümmerte. Der versuchte, ihm zu helfen, einen weiteren Tag durchzustehen.

„Du musst nicht, Battousai-san.“

Kenshin schaute verdutzt. „Oro?“

„Du hast mich angeschaut, als ob ich dich etwas total unmögliches gefragt hätte,“ erklärte Ushiro. Er sah in den Frühstücksraum und erblickte Kano, der ihn fragend beobachtete.
 

Kano war Katsuras neuer Mann fürs „Aufräumen“, nachdem Izuka weg war. Kenshins Augen wurden dunkel. Nein, nachdem Izuka ermordet worden war. Katsura hatte das zwar nie so eindeutig ausgedrückt, aber Kenshin wusste, dass die Ermordung dieses Verräters der erste Auftrag seines Nachfolgers gewesen war – Shishio Makoto.

Danach hatte Kenshin sich noch mehr von den Soldaten distanziert. Sein Vertrauen in Izuka hatte Tomoe ihr Leben gekostet. Er wusste nicht, ob er jetzt im Stande wäre, an einem Tisch mit Kano zu sitzen, ohne ständig an seinen Vorgänger denken zu müssen, den er so abgrundtief hasste.
 

Kenshin schüttelte langsam den Kopf und lächelte schief. „Tut mir Leid, Ushiro-san. Ich suche nur Katsura-san, mehr nicht. Weißt du, wo ich ihn finden kann?” Als er sah, wie das Gesicht seines Gegenüber plötzlich enttäuscht wirkte, fügte er schnell hinzu, „vielleicht komme ich ja dann zum Mittagessen.“

„Gut, später also. Wegen Katsura-san, ich nehme an, er ist im Besprechungsraum, wie immer um diese Uhrzeit.“

Kenshin nickte und fühlte sich plötzlich dämlich, dass er nicht von selbst auf diese Idee gekommen war. „Danke, Ushiro-san,“ antwortete er und wandte sich zum Gehen.

„Nicht vergessen, zum Mittagessen?“ rief ihm Ushiro hinterher.

Aber Kenshin war schon um die Ecke gebogen.
 

Ushiro ging zum Frühstück, tief in Gedanken und bemerkte die überraschten und angstvollen Blicke, die ihm die übrigen Männer zuwarfen, nicht. Die meisten dachten, er sei verrückt, einfach so mit Battousai in dieser vertraulichen Art und Weise zu sprechen. Ushiro ignorierte die Blicke. Denn er wusste in seinem Herzen, dass selbst der berüchtigte Hitokiri Battousai nur ein Junge war, der einen Freund zum Reden brauchte.
 

--
 

Kenshin ging schnell den Flur entlang zum Besprechungszimmer und hoffte, dass er jetzt keine wichtige Sitzung unterbrechen würde. ER bekam seine Aufträge normalerweise um eine spätere Tageszeit und wusste nicht genau, was in den frühen Morgenstunden so vor sich ging. Ein paar Schritte vor der Tür blieb er stehen und lauschte. Er war sich sicher, gerade Stimmen gehört zu haben. Doch jetzt war es plötzlich wieder still. Er hob gerade die Hand, um anzuklopfen, als die Tür aufgeschoben wurde und ein Mann, den Kenshin nicht kannte, heraustrat.
 

Die langen, dunklen Haare des Mannes waren streng in einem Pferdeschwanz zurückgebunden und seine glühenden Augen musterten Kenshin langsam, bevor er schief lächelte und davon ging. Während er an Kenshin vorbeilief, spürte dieser die unglaubliche Ki des Mannes wie Wellen von ihm ausgehen. Der Ex-Hitokiri gefror auf der Stelle und drehte sich dann langsam um, beobachtete mit zusammengekniffenen Augen die kleiner werdende Figur des Mannes. Er kannte diese Ki.
 

Ein Schauder rann seinen Rücken hinab, als er ihn erkannte.

Es war sein Nachfolger,

Shishio Makoto.
 

--
 

AN: Makoto ist das japanische Wort für Wahrheit.

Leider fehlt mir im Moment die nötige Zeit zum Weiterübersetzen... das nächste Kapitel wird also noch etwas dauern, aber ich beeile mich ^^

LG, Ju

Frage und Antwort

Vielen Dank für die bisherigen Kommentare!

Sarai-san und roter Mondschein: nur für euch beide hab ich so schnell wie möglich weiterübersetzt *g*

Viel Spaß mit dem nächsten Kapitel. Ich hoffe, ich hab jetzt wieder mehr Zeit und kann bald updaten!
 

Out of Time

Kapitel 13: Frage und Antwort
 

1878
 

Es war spät, als ein aufdringliches Klopfen an der Tür des Aoi-Ya zu hören war. Eines der jungen Mädchen, die im Gasthof arbeiteten, Omasu, eilte zur Tür, öffnete sie einen Spalt und spitzte hinaus. Sie blinzelte, verblüfft, einen Polizisten mit einem Katana auf ihrer Türschwelle zu sehen. Er lächelte sie freundlich an.
 

„Hallo?“ fragte sie, während sie noch überlegte, wo sie diesen Mann schon einmal gesehen hatte. „Kann ich ihnen helfen?“
 

Der Polizist verbeugte sich. „Ich denke, ja. Mein Name ist Fujita Goro. Ich suchen einen Mann mit roten Haaren, der als Himura Kenshin bekannt ist. Ich hörte, er übernachten hier in diesem Gasthof.“
 

Omasu musterte den Mann kritisch und machte keine Anstalten, die Tür weiter zu öffnen. „Was möchten sie denn von Himura-san?“ fragte sie vorsichtig.

Der Polizist lächelte immer noch so seltsam. „Keine Sorge. Er ist nicht in Schwierigkeiten. Es gab nur heute Morgen einen Vorfall auf dem Marktplatz. Leute haben ihn dort gesehen und jetzt möchte ich gerne von ihm wissen, was dort passiert ist. Mehr nicht.“
 

Omasu öffnete die Tür immer noch nicht. Irgendetwas stimmte nicht.

Bevor sie dem Polizisten antworten konnte, tauchte Okina hinter ihr auf und legte ihr die Hand auf die Schulter. „Gibt es ein Problem, Omasu?“

Sie blickte den alten Mann an. „Hier ist ein Polizist, der Himura-san sprechen möchte.“

Die Augen des Alten verengten sich. „Jetzt? Lass mich mit ihm sprechen.“

Das Mädchen nickte und verschwand schnell.
 

Okina trat nach vorne und öffnete die Tür ganz. „Saito-san,“ bemerkte er leise.
 

„Ich bin hier wegen Battousai.“ Seine braunen Augen glühten fast im Dunkeln und verliehen ihnen so einen noch gefährlicheren Ausdruck als sonst. Sein Lächeln war verschwunden, genauso wie jegliches Anzeichen von freundlichem Verhalten. Die beiden Männer waren über solche Förmlichkeiten hinaus.

„Was willst du von Himura-san?“ fragte Okina leise.

Saitos Augen leuchteten auf. „Antworten.“

Der alte Mann musterte den Wolf misstrauisch. „Antworten,“ wiederholte er. „Die kannst du von mir aus haben, wenn Himura sich nicht mit dir unterhalten will.“ Sein Blick verdüsterte sich. „Jedenfalls bist du an der falschen Adresse, wenn du einen Kampf suchst. Hier ist nicht der richtige Ort für persönliche Feindschaften.“

Saito nickte kurz. „Schon klar.“
 

Okina trat zur Seite und gab dem Wolf den Weg ins Innere des Aoi-Ya frei. Hinter ihm schloss er sorgfältig die Tür.

„Himura’s Zimmer ist ganz am Ende der Halle,“ wies er Saito an. „Ich würde anklopfen. Seit er heute von Marktplatz zurückgekommen ist, hat er den Raum nicht verlassen und ich bin sicher, er ist nicht in der richtigen Stimmung für irgendwelche Spielchen.“
 

Saito zog die Augenbraue hoch. „Kommst du nicht mit um dich davon zu überzeugen, dass ich keine Schlägerei anfange?“

„Ich denke, Himura hat mehr als genug damit zu tun, mit EINEM von uns beiden klar zu kommen.“

Saito lächelte. „Du vermutest es also auch.“
 

Okina legte den Kopf schief. „Ich kann es zwar nicht erklären, aber ich kenne seine Ki. Frag deine Fragen, Saito-san, und dann geh. Der Junge hat in letzter Zeit viel durchgemacht, Battousai oder nicht, und er brauch Ruhe.“ Mit diesen Worten ließ der alte Mann Saito im Flur stehen.
 

Der ehemalige Shinsengumi-Anführer ging durch den Korridor, links und rechts durch die Türen drang nur das schwere Atmen der schlafenden Gäste. Er lief zwar leise aber nicht aus Angst, seine Beute aufzuwecken – er wusste, das Battousai nach anderen Regeln schlief als die meisten Menschen. Gerade als er vor der Tür am Ende des Ganges zum Stehen kam, hörte er hinter sich hastiges Fußgetrappel und er sah aus dem Augenwinkel Omasu und Kaoru auf ihn zueilen.
 

Kaoru postierte sich sofort vor die Tür. „Was willst du hier?“ schnauzte sie ungehalten. „Du bist hier wegen Kenshin, oder nicht? Du wirst ihn jetzt nicht belästigen, er braucht Ruhe!“

„Ich will nur Antworten.

„Er ist krank. Er kann jetzt nicht mit dir reden.“

Saitos Augen glühten auf. „Wenn ich mich nicht ihre, werden wir gar nicht zum reden kommen.“

„Was?“

Der Mann antwortete nicht, sondern schob Kaoru beiseite und öffnete die Tür.

Der Raum war dunkel, aber trotzdem machte das schwache Mondlicht, das durchs geöffnete Fenster fiel, eines klar: der Raum war leer!
 

Battousai war verschwunden.
 

--
 

1865
 

Kenshin blieb einen langen Moment lang stehen und beobachtete die kleiner werdende Gestalt. Das also war der Shishio Makoto der Vergangenheit gewesen. Dies war der Mann, der von seinen eigenen Auftraggebern, der Regierung verraten wurde. Es schauderte ihn.
 

Er selbst hatte Shisho während des Bakumatsu nie getroffen, jedenfalls konnte er sich nicht an eine derartige Begegnung erinnern. Katsura hatte Wert darauf gelegt, dass sie sich nicht begegnen sind. Kenshin wusste, dass Shishio zwar erst durch den Verrat an ihm so verrückt geworden war, aber er wusste auch, dass Shisho schon vor dem Verrat gefährlich gewesen war. Er hatte es gerade eben an seiner Ki gespürt. Das war die Aura von jemandem gewesen, dem nichts und niemand heilig war, der jeden betrügen würde, um sich selbst nach vorne zu bringen.
 

Natürlich rechtfertigte das nicht den Verrat, den Mordversuch seiner eigenen Leute an Shisho... aber trotzdem... Kenshin verstand jetzt, warum Katsura ihn so fern von Shishio gehalten hatte – der Einfluss, den er auf eine so unstabile Persönlichkeit wie Battousai gehabt hätte, wäre sicherlich alles andere als vorteilhaft gewesen.
 

Kenshin klopfte an die Tür und verscheuchte Shishio aus seinen Gedanken. Aber so leicht war das nun mal nicht, denn er wusste ja, was dieser Shisho der Vergangenheit noch alles anrichten würde... hatte Kenshin nicht die Verantwortung, ihn jetzt aufzuhalten...?
 

Seine Überlegungen wurden von Katsura unterbrochen, der ihn durch die geschlossene Tür hereinrief. Kenshin trat ein und schloss die Tür hinter sich. Nachdem er sich kurz verbeugt hatte, machte ihm Katsura mit einem Nicken deutlich, sich zu setzten. Kenshin gehorchte, automatisch, denn seine Gedanken waren ganz wo anders. Er sah sich einen Kampf kämpfen, der erst von jetzt aus gesehen in 10 Jahren stattfinden würden. Ein Kampf gegen einen ehemaligen Verbündeten. Er sah seine Freunde, einer nach dem anderen, fallen, fühlte sich hilflos, wollte beschützen.

Er sah sich inmitten von schwirrenden Glühwürmchen stehen, sah sich die Person, die er am meisten liebte, verletzen, nur um sie so zu retten...
 

„Himura?“

Der Rurouni blinzelte beim Klang seines Namens. „Entschuldigt, Katsura-san. Ich war in Gedanken.“

Der ältere Mann nickte ernst. „Verständlich.“ Sein Gesicht drückte Betroffenheit aus. „Du wirkst... anders, Himura. Wie geht es dir?“

„Gut.“

Katsura sah noch einmal genau den Rotschopf an, bemerkte die Erschöpfung in einem so krampfhaft ausdruckslosem Gesicht. Die übliche Maske zum Selbstschutz. „Hast du gut geschlafen?“
 

Kenshin lächelte schwach. „So gut es ging. Ich werde besser schlafen, wenn ich weit von hier fort bin.“ Seine blauen Augen weiteten sich, als er plötzlich bemerkte, was er gerade gesagt hatte und er verbeugte sich schnell entschuldigend. „Das war natürlich nicht beleidigend gemeint, Katsura-san.“

Sein Anführer fuhr weiter fort, ihn zu beobachten. „Schon gut, Himura. Ich verstehe deinen Wunsch, zu gehen. Ich denke, in deiner Zeit ist es weitaus friedlicher als jetzt.“

Kenshin blieb stumm.

Kritisch musterte Katsura seinen ehemaligen Attentäter. „Ich denke, nachdem das Tokugawa-Regime gefallen ist, fällt dir das Leben leichter, oder nicht? Vor allem dein Schwur, nicht länger den Weg des tödlichen Schwertes zu gehen.“ Er nickte in Richtung des Sakabatou an Kenshins Seite.
 

Kenshins Lächeln wirkte etwas angespannt, aber nichts sonst verriet, was er dachte.

„Katsura-san,“ begann er dann leise, „Mein Schwur, niemals mehr zu töten, war unabhängig vom Ausgang dieses Bürgerkrieges.“ Er seufzte und hatte sichtlich Probleme, die passenden Worte zu finden.

„Ihr wisst, das ich euch nicht verraten kann, was in der Zukunft passieren wird. Egal wie sehr ihr eure Fragen auch versteckt, ich kann nicht sagen, welche Seite den Krieg gewinnt. Ich habe für meine Sache gekämpft und führe nun ein glückliches Leben. Ich kann es nicht riskieren, irgendetwas zu verändern, in dem ich mich verplappere. Ich will nicht für Informationen benutzt werden, das kann ich nicht riskieren. Bitte versteht das, Katsura-san.“
 

Katsura wirkte nicht wütend oder verstimmt, auch nicht überrascht. Er lächelte nur etwas gequält. „Du verstehst, dass ich es versuchen musste. Natürlich hatte ich nicht erwartet, dass du auf meine Tricks hereinfällst. Du warst immer scharfsinnig und unverrückbar in deiner Einstellung und deinen Werten. Ich habe dich gezwungen, deine Werte zu verraten und jetzt muss ich mich schon wieder entschuldigen, es erneut versucht zu haben. Als Anführer der Choshuu Ishin-Shishi hatte ich die Verantwortung, es zu versuchen. Verzeih mir, Himura."

Kenshins Gesicht blieb bewegungslos. „Ich verstehe sehr gut, Katsura-san. Deswegen muss ich auch so schnell wie möglichen diesen Ort hier verlassen. Ich gehöre nicht in diese Zeit. Ich habe schon Angst, dass sich durch meine pure Anwesenheit vielleicht etwas an der Zukunft ändert. Und...“ er zögerte,“... ich habe auch keinerlei Erinnerungen, dass ich als Battousai eine Zeitreise in die Zukunft gemacht habe.“
 

„Keine einzige?“ Katsura starrte ihn an.

Der Rurouni schüttelte den Kopf. „Nein. Battousai könnte sonst was in meiner Zeit veranstalten und ich weiß es erst, wenn ich wieder zurück bin. Er könnte...“ Kenshins Stimme erstarb und er sah aus dem Fenster, sein Blick tief besorgt. „Ich bin nicht sicher, wie ich mich fühlen soll, wenn ich mir Battousai unter all meinen Freunden vorstelle...“
 

„Warum?“
 

Abwesend strich Kenshin mit der Hand über den Griff seines Sakabatous. „Ich war einst ein Killer, Katsura-san. Ihr von allen müsstet es am besten verstehen.“ Schmerz flackerte in seinen Augen auf. „Damals war ich noch so nah an Tomoes Tod... Ich war verwirrt, verletzt... ich weiß nicht, ob Battousai jetzt meine Zeit oder meine Freunde verstehen könnte... sie sind so anders.“

Kenshin lächelte abwesend. „Einige von ihnen haben für das Gleiche gekämpft wie wir. Andere haben gegen mich gekämpft. Und wieder andere...“ Seine Gedanken schweiften zu Kaoru, „...mit ihnen wird Battousai vielleicht nicht zurecht kommen.“
 

Katsuras Augenbrauen zogen sich zusammen, während er Kenshins Worten lauschte.

„Hast du dich denn so verändert, dass du von Battousai als eine andere Person sprechen musst?“ Es war fast so etwas wie Belustigung in Katsuras Stimme zu hören, aber auch Sorge. Letzte Nacht noch hatte Kenshin entschlossen gewirkt. Doch jetzt, heute morgen wirkte er verwirrt. Als ob er einen inneren Kampf ausfechten würde. Es dämmerte Katsura langsam, dass sein Hitokiri vielleicht doch mehr abbekommen hatte, als er jemals zeigen würde.
 

Kenshins Augen nahmen einen tiefen Blauton an. Sehr leise antwortete er, „Nein. Es ist immer noch viel von Battousai in mir. Aber ich habe mich sehr verändert. Ich bin nicht mehr der Junge, für den mich die Leute halten. Und gerade das ist gefährlich: Ich kann nicht länger das tun, was sie von mir erwarten...“
 

Beide Männer saßen schweigsam einige Minuten beineinander, versuchten, die Situation irgendwie zu klären.

Katsura brach das Schweigen als erster. Mit einem Räuspern meinte er, „Nun gut. Wir sollten zur Sache kommen.“
 

Kenshin setzte sich auf und etwas an ihm veränderte sich so sehr, das Katsura wirklich überrascht war. Sein Ex-Hitokiri wandte sich zu ihm und in seinem Gesicht zeigten sich erstmals alle Emotionen, die er fühlte. Er war wirklich verzweifelt und wollte nach Hause, willig, sein ganzes Vertrauen in seinen ehemaligen Anführer zu setzen. Seine Augen waren groß und hoffnungsvoll. Er sah fast so aus wie der Junge, den Katsura nach Kyoto gebracht hatte. Den unschuldigen Jungen, den Katsura um Blut ertränkt hatte.

Das erste Mal konnte Katsura nicht anders, als seinen Blick abzuwenden. Die Kraft und Stärke hinter diesen Augen... Selbst dem gefährlichsten Killer-Blick von Kenshin hatte Katsura standhalten können, aber diesen ehrlichen Augen, so voller Vertrauen... es verunsicherte ihn.
 

„Bitte, Katsura-san, habt ihr eine Möglichkeit gefunden, die mich nach Hause bringen kann?“
 

Die Worte waren zusätzlich zu den Augen wie Messerstiche.

„Es tut mir leid,“ antwortete der ältere Mann sanft. „Ich habe Ideen aber ich kann nichts versprechen.“ Als er nach oben sah, war etwas von dem Licht aus Kenshins Augen gewichen.

„Ich verstehe, Katsura-san.“ Resignation lag in Kenshins Stimme.

„Nein, Himura,“ wiedersprach Katsura trotzig. „Du gibst jetzt nicht auf. Das erlaube ich nicht. Wir werden dich nach Hause bekommen, das bin ich dir schuldig. Diese Situation ist alles andere als normal, und gerade deswegen muss es einen Weg geben. Bitte... vertrau mir.“
 

Kenshin blinzelte seinen ehemaligen Befehlshaber überrascht an. „Hai, Katsura-san.“

Der Mann nickte. „Gut. Das war alles, Himura. Aber Ich... Ich muss dich noch um einen Gefallen bitten.“

“Katsura-san?”

Der ältere Mann sah Kenshin direkt in die Augen und endlich sprach er die Frage aus, die ihm schon seit dem Gespräch des gestrigen Abends auf der Zunge lag.
 

„Kannst du für mich noch einmal Battousai sein?“
 

--
 

Danke fürs Lesen!

Über Kommentare würde ich mich sehr freuen!

Nächstes Kapitel: Wird Kenshin für Katsura noch einmal zum Hitokiri werden? Und wohin ist Battousai verschwunden? Was hat Saito mit ihm vor? Ihr werdet es so bald wie möglich erfahren...

LG, Ju-chan

Möglichkeiten

Wird Kenshin nocheinmal zum Attentäter? Und wohin ist Battousai im nächtlichen Kyoto unterwegs? Aúch die Shinsengumi sind nicht untätig...
 

Vielen Dank an Sarai-san und roter Mondschein ^^ schön, dass ihr trotz der englischen Geschichte auf meine Übersetzung wartet *g* Leider hat es jetzt wieder etwas länger gedauert...
 


 

Kapitel 14 – Möglichkeiten
 

1865
 

Kenshin brauchte einen Moment, bevor er begreifen konnte, was Katsura ihn da gerade gefragt hatte.
 

„Kannst du für mich noch einmal Battousai sein?“
 

Als die Worte in ihn einsanken, weiteten sich seine Augen in einem Ausdruck von Angst. Er griff nach seinem Schwert wie nach einem lebensrettenden Seil.

„Nicht um zu Töten,“ kläre Katsura rasch auf, denn er sah, wie sehr er Kenshin geschockt hatte. „Ich würde das nicht noch einmal von dir verlangen.“ Er wartete einen Moment, bis der junge Mann vor ihm sich wieder etwas entspannt hatte. „Du bist... warst... mein Schwert. Aber du bist auch immer mehr als nur eine Waffe gewesen... vor allem für die Soldaten.“
 

Der Rurouni schaute aus, als ob er Mühe hatte, sich ruhig zu halten. „Ich verstehe nicht,“ sprach er langsam.
 

Katsura suchte nach den richtigen Worten. „Du bist wichtig für die Männer. Für sie bist du unbesiegbar. Übermenschlich. So lange du lebst, so lange fühlen sie sich sicher. Denn selbst wenn alles andere schief geht, bist noch da, um sie zu verteidigen. Egal wie schlecht deine Chancen schon standen, egal wie tödlich der Kampf war - du hast immer überlebt. Als du die vorletzte Nacht verschwunden warst, fühlten sich sofort alle verunsichert. Aber an diesem Morgen hob sich die Stimmung plötzlich, und dass nur, weil du wieder einigermaßen unversehrt aufgetaucht bist. Die Männer brauchen dich!“
 

Kenshin versuchte mit gequältem Gesichtsausdruck die Worte Katsuras in sich auf zu nehmen. Dann endlich antwortete er, seine Augen hart und sein Blick entschlossen.

„Ich verstehe eure Bitte, aber ich kann nicht Battousai für euch sein, Katsura-san. Es tut mir leid.“ Er unterbrach sich, beobachtete seinen ehemaligen Anführer und sah zum ersten Mal so etwas wie Erschöpfung in Katsuras Augen. Die Revolution hatte ihn älter gemacht, älter, als alle anderen von ihnen. Selbst an Okubo oder an sich selbst hatte Kenshin bemerkt, wie sehr ihn der Krieg hatte altern lassen, aber Katsura war ihm damals immer frisch und motiviert erschienen. Wie hatte er damals die tiefe Anspannung in Katsura nicht bemerken können?
 

Kenshins Augen wurden weicher.

„Ich werde jedoch nichts dagegen tun, wenn alle mich weiterhin für Battousai halten. Wenn sie wünschen, dass ich ihr Hitokiri bin, dann werde ich sie nicht vom Gegenteil überzeugen. Aber ich kann nicht AKTIV diese Rolle noch einmal spielen.“
 

Etwas von der Anspannung schien aus Katsuras Gesicht zu weichen und er verbeugte sich leicht. „Vielen Dank Himura. Mehr wollte ich auch nicht von dir verlangen.“

Kenshin lockerte seinen Griff um das Sakabatou wieder etwas und ließ abwesend seinen Finger über seinen Schwertgriff gleiten.

„Etwas beunruhigt dich trotzdem, oder nicht, Himura?“

Kenshin seufzte. „Dieses Spiel ist mir unangenehm, Katsura-san.“

„Spiel?“

„Battousai zu spielen. Ich verstehe die Gründe. Ich verstehe die Logik. Es ist wichtig, die Stimmung unter den Soldaten oben zu halten. Sie brauchen jemanden, in dessen Anwesenheit sie sich sicher fühlen können, und dieser Jemand ist Battousai... ich werde meine Rolle spielen. Aber mir gefällt es trotzdem nicht. Sie werden Dinge von Battousai erwarten, Katsura-san. Dinge, die ich nicht länger leisten kann. Ich habe Angst, dass dieses Spiel früher oder später Opfer fordern wird.“
 

Katsura sah Kenshin in die Augen. „Später sicherlich. Aber für unseren Fall gibt es kein Später. Nur zwei Tage kann ich dich von Aufträgen wegen deiner Verletzungen fern halten. Alles andere würde sofort Misstrauen erregen. Das heißt, wir haben sowieso nur zwei Tage, um einen Weg zu deiner Rückkehr zu finden. Und nicht nur das...“

Katsuras Blick verdüsterte sich. „Ich brauche mein Schwert zurück, Himura. Die Shinsengumi werden in letzter Zeit immer aktiver. Und anscheinend hat die Regierung einen fähigen Attentäter als Gegenstück zu dir ausgebildet, einen Anti-Attentäter, der uns schwere Verluste bereitet. Wenn es bei dieser Sache ein Später gibt, dann wäre das wahrscheinlich das Ende für alle von uns. Für alles, für das wir bisher gekämpft haben.“
 

Der Rurouni nickte bestätigend. „Zwei Tage werden reichen müssen. Aber wenn jemand die Wahrheit über mich vermuten sollte... dann werde ich nicht lügen.“
 

Katsuras Lächeln war angespannt, aber er nickte verständig. „Ich weiß. Ich werde dich sofort benachrichtigen, wenn mir etwas eingefallen ist, um dich nach Hause zu bringen.“

Kenshin stand auf, das Gespräch war beendet. Er verbeugte sich kurz. „Danke Katsura-san. Was sind meine Befehle für die Zwischenzeit?“

Der ältere Mann blinzelte überrascht. „Deine Befehle?“ Dann lachte er leise. „Ich befehle dir: Ruhe dich aus. Kümmere dich um deine Verletzungen. Entspanne dich.“
 

“Oro?”
 

Angesichts von Kenshins verwirrtem Gesichtsausdruck musste Katsura schmunzeln. „Du hast die Chance bekommen, deine Vergangenheit noch einmal mit weiserem Blick zu durchleben. Versuche, diese Möglichkeit zu genießen.“

„Genießen...?“

Das Lächeln Katsuras wurde traurig. „Vielleicht war das nicht das richtige Wort. Aber ich bin mir sicher, dass in der Zeit, aus der du kommst, einige deiner früheren Kameraden nicht mehr am Leben sind. Du könntest diese Möglichkeit nutzen, um noch einmal mit ihnen zu sprechen. Sicher willst du deine Zeit nicht nur mit mir verschwenden.“
 

„Ja, Katsura-san,“ murmelte Kenshin und verbeugte sich. Als er den Raum verlassen hatte, blieb er stehen und schloss für einen Moment lang die Augen um die Ironie der Situation zu verarbeiten.
 

Katsura gehörte auch zu den Menschen, die in seiner Zeit nicht mehr am Leben waren.

Und obwohl ihn Katsura abermals darum gebeten hatte, sein Schwert zu sein, war Kenshin aus tiefstem Herzen dankbar dafür, dass er noch einmal die Gelegenheit erhalten hatte, sich mit seinem ehemaligen Anführer zu unterhalten.
 

--
 

Saito durchschritt den kleinen Raum und fühlte sich dabei wie ein Wolf, eingepfercht in ein Gehege. Normalerweise wurden in diesem Raum nur Sitzungen abgehalten, in der zwei, höchstens drei Anführer der Shinsengumi-Einheiten anwesend waren, aber heute war es anders. Heute wurden Informationen verkündet, die jeden betrafen und so standen hier nun sieben der zehn Gruppenführer und warteten auf das Kommen ihres Kommandeurs, Kondo Isami, der die neusten Nachrichten übermitteln würde.
 

Doch die Aussicht auf Neuigkeiten stimmte den Anführer der dritten Einheit nicht fröhlich. Battousai war immer noch verschwunden, so weit er das beurteilen konnte. Und die „Ersatzperson“, wer auch immer er war, war immer noch da draußen. Noch frustrierender als das: Saito wusste immer noch nicht genau, was er von dieser seltsamen Person denken sollte. Wenn er wirklich mit dem Choshuu-Clan verbunden war, dann wäre nichts dabei, ihn zu erschlagen. Aber der Rotschopf hatte nicht so ausgesehen, als ob er da wäre, um zu töten – Im Gegenteil. Saito hatte den Eindruck, dass dieser Mann so gekämpft hatte, als ob er Blutvergießen auf BEIDEN Seiten vermeiden wollte.
 

Saito machte ein finsteres Gesicht. Dieser Mann irritierte ihn.
 

„Saito-san?“
 

Der große Mann schaute hinab zu Okita, der sich neben ihn gestellt hatte. „Was?“
 

„Bedrückt euch etwas?“

„Ich habe jetzt keine Lust zu reden.“
 

Okita lächelte fröhlich. „Verstehe.“ Zu Saitos Missfallen begann Okita, mit ihm zusammen durch den Raum zu laufen.

„Saito-san, ihr seid immer noch wütend wegen Battousai, oder nicht?“

„Weißt du nicht, was „keine Lust zu reden“ bedeutet?“, grummelte Saito.

Okita zuckte nur mit den Schultern. „Tut mir Leid. Ich weiß einfach, worüber ihr nachdenkt. Und das Ereignis von letzter Nacht lässt euch nicht zur Ruhe kommen.“
 

Der Anführer der dritten Einheit ignorierte ihn, drehte sich demonstrativ um und lauschte einem Gespräch zwischen den anderen Anführern. Anscheinend ging es um die Informationen, die sie erst jüngst erhalten hatten. Shimada Kai und Toriyama Raidon, zwei ihrer Spione, hatten es geschafft, eine Herberge ausfindig zu machen, die anscheinend häufig von Ishin Shishi als Unterschlupf benutzt wurde, eingeschlossen Battousai. Die Spione waren jedoch nicht erfolgreich in ihrer eigentlichen Mission: Katsura Kogoro ausfindig zu machen. Aber es war immerhin ein Anfang. Vor allem weil es neue Gerüchte über Battousai gab. Anscheinend war er während der Ikedaya-Affaire mit einem Mädchen aus der Herberge einer gewissen Okami geflohen. Danach war er wieder alleine aufgetaucht, nicht als Hitokiri, sondern als Beschützer, und jemand anderes hatte seinen Platz eingenommen.
 

Doch nicht nur das: Harada Sanosuke, der Anführer der zehnten Einheit, hatte einen Mann aufgegriffen, der die Patrioten mit Waffen versorgte. Nach einigen „Überzeugungskünsten“ hatte dieser Mann schließlich wertvolle Informationen preisgegeben. Darunter einige Namen und Zahlen, und genauere Beschreibung von Katsura Kogoros neuem Auftragskiller, ein Mann, der ebenfalls so tödlich sein sollte wie Battousai: Shishio Makoto.
 

„Sie reden, als ob man sich wegen diesem Shishio Makoto Sorgen machen müsste,“ murmelte Okita düster neben ihm, sein sonst so fröhliches Gesicht plötzlich voll dem Ernst eines kalkulierenden Schwertkämpfers. „Er klingt genauso schlimm wie Battousai. Woher wissen wir, dass er uns nicht nur ablenken soll? Dass Battousai nicht immer noch hinter dem Decknahmen Shishio die Drecksarbeit ausführt?“
 

Saito schüttelte den Kopf. „Wissen wir nicht. Ich fühle mich dabei auch nicht wohl. Sie reden so, als ob Battousai nicht länger eine Bedrohung wäre. Aber die meisten von den Männern haben auch noch nie einen Kampf mit diesem Dämon Auge in Auge ausgefochten. Sie haben keine Ahnung, dass er jetzt, wo er aus dem Geheimen in die Öffentlichkeit getreten ist, genauso tödlich ist wie vorher – wenn nicht noch tödlicher.“ Seine bernsteinfarbenen Augen verengten sich, während er weiter der müßigen Diskussion der Männer zuhörte.

„Jedenfalls sollten wir den neuen Killer nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die Ishin Shishi werden nicht zu besiegen sein, solange diese zwei Männer in unserem Weg stehen.“
 

Okita lächelte wieder. „Und da gibt es ja auch noch deinen Möchte-gern-Battousai von gestern Nacht, nicht wahr, Saito-san?“
 

Saito wurde eine Antwort auf diese Frage glücklicherweise durch die Ankunft von Kondo und seinem stellvertretenden Kommandanten, Hijikata Toshizo, erspart. Statt dessen schickte er einen finsteren Blick in Okitas Richtung und ging dann durch den Raum zum Fenster, wo er sich an die Wand lehnte. Okita verstand diese Geste und ließ ihn in Frieden. Er setzte sich in erster Reihe auf den Boden.
 

Kondo funkelte durch den Raum und brachte so alle Gespräche zum Verstummen. Als der imposante Mann, der er war, kam er gleich zur Sache.

„Wir haben jüngst Informationen erhalten, dass die Ishin Shishi einen neuen Hitokiri ausgebildet haben: Shishio. Es wurde bestätigt, dass er bereits seit drei Monaten die Aufgaben von Hitokiri Battousai übernommen hat, obwohl wir vermuten, dass dieser Mann bereits vor fünf Monaten einige Männer aus der vierten Einheit getötet hat.“
 

Ein Grummeln erhob sich im Raum. Nagakura Shinpachi, der Anführer der zweiten Einheit, war mit seiner lauten Stimme deutlich herauszuhören.

„Das ergibt doch keinen Sinn. Warum sollten sie Battousai ERSETZEN? Selbst wenn dieser Shishio so gut ist wie sein Vorgänger, warum einen Hitokiri ablösen, der noch nie versagt hat? Einen, den sogar WIR nicht aufhalten konnten?“
 

Kondo starrte den Mann finster an, nahm aber seine Worte ernst.

„Keiner weiß etwas mit Sicherheit. Jedenfalls ignorieren wir nicht die Möglichkeit, dass Battousai immer noch der Hitokiri der Ishin Shishi ist und diesen Shishio nur als Strohmann benutzt.“ Kondo sah durch den Raum und blickte allen Männern ernst ins Gesicht.

„Mit anderen Worten: Vielleicht operieren die beiden zusammen! Hitokiri Shishio benutzt vielleicht Battousai während seiner Aufträge als Schutz.“
 

„Das würde Sinn ergeben,“ meinte Hijikata schließlich. „Battousai war so gut wie unaufhaltsam. Die Chancen, dass Katsura noch so einen Mann aufgabelt, stehen schlecht. Wenn also dieser Shishio bei seinen Angriffen Battousai an Stärke gleichkommt, dann ist vielleicht die Verteidigung sein Schwachpunkt.“
 

Kondo nickte. „Genau. Da wären wir auch schon bei unserer Mission. Ich bin mir sicher, viele von euch haben schon von dem neuen Spielzeug der Regierung gehört, dem Anti-Attentäter. Er hat bereits einige der Ishin Shishi beseitigt, an die selbst wir nur schwer herankommen konnten. In unserem eigenen Interesse müssen wir dafür Sorgen, dass dieser Attentäter freie Bahn hat, auch Hitokiri Shishio zu erledigen. Wir werden daher unsere volle Aufmerksamkeit darauf konzentrieren, Battousai abzulenken. Wir kümmern und um Battousai. Der Anti-Attentäter schaltet Shishio aus.“
 

Saito blickte finster. „Kondo-san, Battousai ist noch nicht wieder aufgetaucht. Wie sollen wir uns um jemanden kümmern, der noch nicht wieder da ist?“
 

„Laut Bericht der Ersten Einheit hast du gestern Nacht mit Battousai gekämpft.“
 

„Mit jemandem, der ihm ähnlich sah, ja. Aber es war nicht der selbe Mann, Kondo-san.“ Saito versuchte, sich in seiner Stimme nichts von der Frustration anhören zu lassen, die er empfand. Er würde den Kommandanten ohne Beweise nicht überzeugen können.
 

“Genug deiner eigenen Männer haben den Bericht bestätigt.” Kondo ließ sich nicht umstimmen. „Aber ich werde Harada Sanosuke bescheid sagen – er ist zur Zeit mit seiner zehnten Einheit beauftragt, Battousai aufzuspüren. Wenn er irgendetwas bemerken sollte, was deine Vermutung bestätigt, dann wird er es dich wissen lassen. Wir lassen uns nicht von einem Doppelgänger zum Narren hallten. Aber bis wir nicht das Gegenteil bewiesen haben, müssen wir davon ausgehen, dass es der echte Battousai ist. Wurde das verstanden, Saito?“
 

Saito nickte kurz. „Jawohl, Kondo-san.“

Kondo sah zu dem Anführer der zehnten Einheit, der zugehört hatte. “Harada?”

“Ja, Kondo-san, verstanden.”
 

Der Rest der Anführer empfingen nun ihre Aufträge, die zu so unmöglichen Uhrzeiten stattfinden sollten, um damit die Ishin Shishi kalt zu erwischen. Saitos Augen verengten sich. Sein Geist war längst schon wo anders, bei dem Mann mit rotem Haar und einem Schwert mit verkehrter Klinge.
 

Ein Kampf wartete noch auf sein Ende...
 

---
 

1878
 

Battousai lief ohne Ziel durch die dunklen Strassen. Alles, woran er dachte, war, dass er so schnell wie möglich das Aoi-Ya hatte verlassen müssen, bevor sein Verstand IHN verließ. Sie erstickten ihn dort.
 

Sanosuke mit seinen hartnäckigen Freundschaftsangeboten. Nein, nicht Angeboten. Offensichtlich waren sie schon Freunde. Der Junge seufzte. Was er davon halten sollte, wusste er nicht – denn der letzte Freund, den er gehabt hatte, war Izuka gewesen... und er brauchte keine Erinnerung daran, wie diese Freundschaft ausgegangen war.
 

Er zog seine Augenbrauen zusammen. Sano war nicht wie Izuka. Izuka hatte Dinge von ihm ERWARTET, er hatte ihn benutzt, ihn versucht, gegen Katsura auszuspielen. ER war einer der wahren Dämonen des Bakumatsu gewesen. Ein Mann ohne Kampfesehre.
 

Aber Sano war nicht so und Battousai wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Noch schlimmer: Jedes Mal, wenn er wenigstens versuchte, mit dem Mann klar zu kommen, schien er ihn nur zu verärgern. Dennoch war Sano sein Freund... Der Junge verstand nicht, wie jemand wie er so eine tiefe Freundschaft verdient haben konnte. Und er wusste auch nicht, wie er sich für Sanosukes Vertrauen dankbar zeigen konnte. Er hatte keine Erfahrung in so etwas. Sklaven, Soldaten, Verräter, Opfer – das waren Menschen, die erkannte. Die er einzuschätzen wusste. Aber wann hatte er jemals einen Freund gehabt? Wie dankt man einem Freund für seine Freundschaft?
 

Und dann war da auch noch Kaoru-dono. Kenshin blieb im Schatten eines Gebäudes stehen und lehnte sich an die Wand. Er atmete tief durch. Kaoru... auch sie schien sich aus irgendeinem Grund um ihn zu sorgen. Warum? Was konnte sie an einem Mörder finden, der doppelt so alt war wie sie? Warum hatte sein älteres Ich nicht mehr Distanz zu ihr aufgebaut?

Er hatte seine Seele in Blut ertränkt. Wollte er sie jetzt auch darin ertränken? Die Vorstellung, ihre Unschuld damit zu zerstören, war schlimmer als jeder andere Gedanke.
 

Er began, weiter zu laufen, durch die Schatten zu gleiten und hoffte dabei inständig, dass die Kälte diese Gedanken aus seinem Kopf vertreiben würde. Bisher jedenfalls hatte es nicht funktioniert. Er konnte diese Menschen nicht aus seinen Gedanken verbannen.

Sano und Kaoru... und selbst Yahiko, der ihn für einen der Shinsengumi hielt. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem kleinen Lächeln bei diesem Gedanken. Yahiko war nur ein Kind mit einer sprudelnden Fantasie. Aber er hatte Kinder immer gemocht. Kinder konnten die Dinge sehen, wie sie wirklich waren und es war sein einziger Trost, dass Kinder keine Angst vor ihm hatten. Selbst nachdem er Otsu verlassen hatte, nachdem all das passiert war... sie hatten keine Angst vor ihm. Es gab ihm unbeschreiblich viel Mut, denn vielleicht sahen die Kinder einen Teil seiner Seele, die noch nicht zerstört worden war.
 

Otsu...
 

Battousai gefror auf der Stelle, als er bemerkte, wohin er unbewusst gelaufen war. Die Grabsteine erhoben sich vor ihm in dunklen Schatten. Dieser Teil von Kyoto hatte sich offensichtlich in all den zehn Jahren nicht verändert. Einen Moment lang stand er da und nahm dieses Bild in sich auf. Dann ging er langsam zu IHR... und kniete vor einem einfachen, kleinen Stein, die Augen geschlossen. Seine Finger befühlten den kühlen Stein.
 

„Tomoe...“
 

Er war einen Moment lang still, fühlte ihre Gegenwart. Fragte sich, ob sie ihm zusah. Er fühlte sich entspannt, spürte ihre beruhigende Hand.

„Es tut mir Leid," flüsterte er.

Er atmete tief ein und öffnete die Augen, wollte aufstehen – da bemerkte er die Blumen. Sie lagen nur Zentimeter von seiner Hand entfernt, schon welk und von der Kälte einiger Nächte gefroren. Aber es war noch deutlich zu sehen, dass sie mit viel Sorgfalt neben dem Stein platziert worden waren.
 

Mit einer zitternden Hand befühlte er die weichen, kalten Blütenblätter und sie erinnerten ihn an Tomoes weiche Haut, ihr Haar. Und den Duft von weißen Pflaumenblüten. Er fühlte eine Verbindung zu ihr, als er die Blumen so berührte. Und das erste Mal fühlte er auch eine Verbindung zu seinem älteren Selbst – denn wer sonst könnte die Blumen hier hingelegt haben?
 

Trotz dieser wertvollen Freunde... trotz Kaoru... liebte er sie immer noch. Selbst zehn Jahre in der Zukunft ehrte er ihr Andenken. Vielleicht hatte er sich in dieser Hinsicht in all den Jahren gar nicht verändert...
 

Wo hatte er zu dieser Jahreszeit wohl die Blumen herbekommen? Hatte er sie im Haus wachsen lassen? Hatte er sie selbst angepflanzt?
 

„Du hättest so leben können... wenn du dich nicht für das Schwert entschieden hättest. Du hättest glücklich werden können mit einem Haus und einem Feld und Pflanzen zum Säen...“
 

Das waren ihre Worte gewesen. Er fiel nach vorne, umfasste den Stein und die Blumen und endlich liefen die Tränen, die er sich selbst so lange verwehrt hatte. Ihre Stimme gerade eben war so nah gewesen, dass er fast gedacht hatte, sie würde neben ihm stehen. Er konnte fast ihre Arme fühlen, die sich von hinten um ihn legten... ihn geborgen hielten. Genauso, wie er sie gehalten hatte, als es zu Ende ging...
 

Vor seinem inneren Auge sah er ihren Körper in seinen Armen. Er fühlte ihre Haut und wie sie langsam kalt wurde. Fühlte das Messer, das über seine Narbe auf der linken Wange schnitt. Dieser Schnitt – er hatte ihn nie gefühlt. Der Schmerz, den er über ihren Tod empfand, war viel größer gewesen. Seine Seele hatte nach Gerechtigkeit geschrieen... und ein Teil seines Herzens war mit ihr gestorben.
 

Sie hatte ihn angelächelt. Während ihrer letzten Worte hatte sie gelächelt.
 

Warum?
 

Er hatte sie getötet. Warum hatte sie ihn immer noch geliebt? Er hatte nichts getan, um ihre Liebe zu verdienen. Nichts, außer ihr die erste Liebe ihres Lebens weg zu nehmen.
 

Und plötzlich musste er Kaoru denken. „Genau das tue ich jetzt wieder,“ flüsterte er. „Du liebst nicht mich, sondern den Jemand, der ich vielleicht einmal werde. Und diesen Jemand habe ich dir jetzt auch weggenommen...“
 

Battousai stand ruckartig auf, die Blumen fielen aus seiner Hand zurück auf den kalten Boden.
 

„Ich werde nicht den selben Fehler zwei Mal machen.“
 

--
 

Nächstes Kapitel: Wie fühlt es sich für Kenshin an, Battousai zu spielen? Und was hat der echte Battousai vor? Seine Freunde suchen ihn jedenfalls... und auch eine andere Person tritt wieder auf...
 

bis dahin ^^ Danke fürs Lesen und Kommentieren,

Ich beeile mich so schnell ich kann mit dem weiterübersetzen.

LG

Auf Messers Schneide

Sorry für das lange Warten...
 

Kenshin versucht, der Vergangenheit etwas positives abzugewinnen. Inzwischen ist Battousai verschwunden, genau, als Saito aufgetaucht ist, um von ihm "Antworten" zu fordern...
 

Kapitel 15 – Auf Messers Schneide
 

1865
 

Sobald er eingetreten war, war es im Raum still geworden. Kenshin musste sich beherrschen, um angesichts dieser Reaktion nicht zurückzuzucken. Zögernd stand er am Türrahmen und schaute sich im Essensaal um, auf der Suche nach einem Platz, an dem er in Ruhe alleine sitzen konnte. Es gab nicht viele Möglichkeiten, denn der Raum war nicht sehr groß. Aber jetzt zurückgehen wollte er auch nicht. Kenshin zwang sich dazu, den Raum langsam zu betreten, geschärften Sinnes dafür, dass jeder auch der kleinsten Bewegung von ihm mit den Augen folgte. Sein Gesicht war Stein.
 

„Eine blöde Idee,“ dachte er bei sich, betrübt. Als erstes hatte er eigentlich vorgehabt, sich in seinem Zimmer auszuruhen und danach wieder nach dem Jungen zu suchen. Aber er hatte Katsuras Worte einfach nicht aus seinem Kopf bekommen.
 

„Ich bin mir sicher, dass in der Zeit, aus der du kommst, einige deiner früheren Kameraden nicht mehr am Leben sind. Du könntest diese Möglichkeit nutzen, um noch einmal mit ihnen zu sprechen.“
 

Er hatte schon während seiner Jungend kaum mit ihnen gesprochen. Warum sollten jetzt die Dinge anders stehen?

„Weil ich jetzt ein anderer Mensch bin,“ überlegte er trocken. „Als ob das HIER jemand bemerken würde...“
 

Vielleicht wäre die Idee, den Raum wieder zu verlassen, doch nicht so verkehrt. Wenn er Okami in der Küche besuchte, würde sie ihm vielleicht das Essen mit aufs Zimmer geben. Natürlich würde er dann wieder Nozomi-dono treffen. Eine leichte Röte kroch in sein Gesicht, als er sich eingestand, dass er einfach nicht gut darin war, ihr einen Korb zu geben – zum Glück würde Kaoru-dono niemals etwas von ihr wissen. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie die Lehrerin des Dojos das arme Mädchen mit ihrem Bokken attakieren würde. Bei dem Gedanken traf ihn unvermittelt wie eine Kugel das Heimweh – was, wenn er sie nicht wieder sehen würde? Sie alle nicht mehr sehen würde?
 

„Außer ich finde einen Weg nach Hause. Entweder dass, oder ich kann versuchen, die Zeit des Bakumatsu noch mal zu überleben.“ Düster starrte Kenshin vor sich hin. „Dann wäre ich dreiundvierzig, wenn ich sie wieder treffe...“ Seine Lippen zuckte und er hätte fast gelächelt. „Kaoru-dono wäre darüber sicher nicht begeistert.“
 

Seine Anwesenheit schien bei den Männern endlich an Interesse zu verlieren und sie begannen wieder, untereinander Gespräche zu führen. Einige Männer standen auf und Kenshin eilte an den nun leeren Tisch am Ende des Raumes, an dem er für sich sein konnte. Das würde ausreichen.
 

Kaum war er zwei Schritte in den Raum hineingelaufen, da rief jemand hinter ihm, „Battousai-san.“
 

Kenshin wandte sich verwundert um und sah Ushiro.

„So,“ kommentierte Ushiro, „Hast du Katsura inzwischen gefunden?“

Kenshin blinzelte ihn an, bevor er antwortete. „Ja, Danke, Ushiro-san.“

„Gut.“ Er druckste etwas herum. „Nun, Ja, also jetzt, da deine Dinge mit Katsura geregelt sind, willst du dich vielleicht zu mir und Kano setzen? Wir haben noch nicht fertig gegessen. Das ist doch sicher besser, als schon wieder nur alleine herumzusitzen.“ Er lächelte schwach.
 

Kenshin sah sehnsüchtig zu dem leeren Tisch und seufzte. Nun, er WAR ja hergekommen, um mit jemandem zu reden. GENIESSEN, so hatte es Katsura genannt. Und aus einem für ihn unersichtlichen Grund wollte Ushiro seine Gesellschaft. „In Ordnung,“ stimmte er schließlich zu.
 

Der Rurouni folgte dem größeren Kämpfer zu ihrem Platz, wo Kano, ein kleiner, dicklicher Mann, bereits saß und ihnen zunickte. „Battousai-san.“

Kenshin erwiderte das Nicken. „Kano-san.“

Er kniete sich hin und wartete still einige Minuten, bevor Reiko, eine von Okamis Mädchen, herüberkam und ihm Tee und Suppe servierte. „Danke,“ sagte er leise.

Reiko lächelte und verbeugte sich, in Eile, auch die anderen Männer zu bedienen.
 

Nach einigen Minuten des Schweigens seufzte Ushiro. „Nun, das ist irgendwie unangenehm!“

„Oro?“ Kenshin sah hoch, gerade, als Kano eine Grimasse schnitt.

„NUN, was ERWARTEST du denn von uns, Ryu?“ fragte Kano. „Ich habe seit zwei Tagen keine neue Mission bekommen, über die ich reden konnte. Battousai-san war verschwunden. Und ich WEISS, dass du nichts nennenswertes zu berichten hast.“

Ushiro grinste. „Doch, hab ich. Wie wäre es mit einer Neuigkeit den Anti-Attentäter betreffend?”
 

Kano zog eine Augenbraue nach oben.

„Wirklich?“

“Unsere Chefs sind sehr wütend. Anscheinend protestiert Okubo-san sogar in der Regierung gegen ihn. Er beteuert, dass wir keine Attentäter in unseren Diensten haben und deswegen das Bakufu auch keine Attentäter gegen uns einsetzten sollte.“
 

Kano schüttelte den Kopf. „Typisch Okubo. Auch Satsuma tut so, als ob es mit Choshuu nichts zu tun hätte. Immerhin versorgt uns Okubo-san mit Waffen, das ist wenigstens etwas. Er ist ein Genie, wenn es darum geht, verschiedene Mächte gegeneinander auszuspielen. Ich habe nur Angst, dass er sich vielleicht auch eines Tages gegen Katsura-san wenden könnte.“

„Er ist ein anständiger Mann,“ sagte Ushiro kopfschüttelnd. „Er würde niemanden, der auf seiner Seite ist, verletzen.“

„Er ist ein Politiker. Er sorgt sich nur um die Sache und seinen eigenen Kopf.“ Kano aß etwas von seinen Soba-Nudeln. „Ich will nicht respektlos sein, aber Okubo-san spielt ein gefährliches Spiel. Und es beinhaltet eine Menge an schmutziger Wäsche. Ich will nicht in seinen Schuhen stecken. Eines Tages wird das alles auf ihn zurückfallen. Merkt euch meine Worte, dieser Anti-Attentäter ist nur der Anfang.“
 

Ushiro schüttelte den Kopf und lachte. „Gut, Gut. In deinen Augen ist alles eine Verschwörung, Kano.“
 

Kenshin senkte seinen Blick in seinen Suppe hinein und dachte an Shishio. „Ich denke, der ganze Krieg ist ein gefährliches Spiel, das denke ich,“ kommentierte er leise und brachte die zwei anderen Männer damit zu einem überraschten Schweigen. „Okubo-san ist kein böser Mensch, soviel weiß ich. Aber es ist auch für gute Menschen möglich, verloren zu gehen. Er läuft momentan auf Messers Schneide – wir können nur hoffen, dass er richtig entscheidet und die richtigen Opfer bringt, zum Wohl von Japan.“

Uhsiro nickte mit einem leichten Lächeln. "Battousai-san,“ bemerkte er fröhlich, „Ich denke, ich habe noch nie so viele Worte von dir auf einmal gehört.“

Kenshin zwang sich zu einem kleinen Lächeln und nippte an seinem Tee.
 

Kano grinste und schien sich nun endlich in Gegenwart des Hitokiri entspannen zu können. „So, Battousai-san,“ begann er nun den Versuch, ein Gespräch anzufangen, „einige von uns haben sich schon dieselbe Frage gestellt. Vielleicht weißt du die Antwort darauf?“

Kenshin sah ihn fragend an, violette Augen trafen Braune.
 

Kano fuhr fort. „Erinnerst du dich noch an das Mädchen, dass du letztes Jahr hierher gebracht hast? Die Hübsche, die so gut gerochen hat? Irgendeine Ahnung, was mit ihr passiert ist?“
 

Kenshin zuckte zusammen aber Kano schien das nicht zu bemerken, während er noch mehr Soba aß. „Ich hab mir nur gedacht, dass, wenn es jemand wissen müsste, du das bist. Sie schien dich gemocht zu haben. Wir haben uns gefragt... du weißt schon. Hast du die sie irgendwohin fortgeschafft, wo ihr in Ruhe...?“
 

In den dunklen Augen von Kenshin stand nun blanker Schmerz geschrieben, so offensichtlich, dass sogar Ushiro ihn bemerkte.
 

„Kano, hör auf,“ flüsterte er.

Doch Kano ignorierte ihn, zu neugierig.

„Oh, hör doch auf, Ryu. Ich weiß, dass es dich auch interessiert. Ein so hübsches Mädchen kommt nicht einfach so aus dem Nichts mitten in der Nacht, um dann wieder zu verschwinden. Jedenfalls hab ich in Izukas alten Notizen etwas über sie gefunden. Anscheined musste er auf Katsuras Befehl hin ihre Vergangenheit checken. Izuka war sich ziemlich sicher, dass sie irgendwo als Hure gearbeitet hat. Es wäre interessant gewesen, wenn sie-...“
 

Er konnte seinen Satz nicht zu Ende sprechen. Kenshin stand abrupt auf und sah ihn scharf an. Der bernsteinfarbene Blick des Hitokiri brachte Kano sekundenschnell zum Schweigen.

„Sprich nicht über Dinge, die du nicht verstehen kannst!“

Seine Stimme war tief und bedrohlich, bedrohlicher, als Kano sie je gehört hatte. Und in diesem Moment sah Hitokiri Battousai auch genauso tödlich aus, wie er klang.
 

Im Raum war es wieder still geworden – doch dieses Mal war es Kenshin egal, als er sich umdrehte und leise ging.
 

--
 

1878
 

Auf einen Schlag schienen alle im Aoi-ya wach zu sein. Während Omasu alle noch übrigen Mitglieder der Oniwaban von Kenshins Verschwinden in Kenntnis setzte, begann Kaoru eine fieberhafte Suche durch die ganze Herberge. Wo konnte er hingegangen sein? Sie konnte nicht anders, als sich um ihn zu sorgen. Seine Gesundheit schien sich gerade verbessert zu haben, aber dann musste er gehen und verschwinden. Und Kaoru konnte nicht anders, als zu vermuten, dass das etwas mit ihrem Gespräch zu tun hatte. Wenn er wegen ihr weggegangen war... Wenn sie ihn nicht finden würden...
 

Kaoru weigerte sich, diesen Gedanken zu Ende zu denken, während sie eine weitere Schiebetür schwungvoll aufriss und plötzlich vor dem verschlafen blinzelnden Sanosuke stand.
 

„Hu? Was zur Hölle... Ich schwöre, ich wars nicht…” murmelte er, die Augen kaum offen. Er blinzelte einige Male, bevor er Kaoru im Türrahmen erkannte, leicht vom Mondlicht erhellt. „Jou-chan?“ fragte er, seine Augen plötzlich weit aufgerissen angesichts ihres verzweifelten Gesichtsausdruckes.

„Es geht um Kenshin, oder nicht? Was ist passiert?“
 

Kaoru blinzelte ihn verblüfft an. „Woher hast du das gewusst?“

Er war schon auf den Beinen. „Nichts sonst würde dich so besorgt aussehen lassen. Also, was ist los?“

Yahiko erschien hinter Kaoru und rubbelte sich noch den Schlaf aus den Augen. „Könnt ihr nicht etwas leiser sein? Es gibt noch Leute, die hier schlafen wollen.“

„Will aber keiner,“ schnauzte ihn Kaoru an. „Kenshin ist verschwunden. Wir müssen ihn suchen.“

Yahikos Kinn klappte nach unten. „Was?“
 

Kaoru hatte ihn schon zur Seite geschoben und begann, weiter im Aoi-ya zu suchen, bis sie eine Hand am Arm packte.

„Warte, Jou-chan.“

Sie blickte in Sanos Gesicht, der alarmierend ernst ausschaute. „Etwas genauer bitte: Woher wisst ihr, dass er verschwunden ist? Vielleicht hat er nur Hunger gehabt und wollte was Essen gehen. Oder er hat zu viel Tee getrunken uns sitzt... ihr wisst schon...“

„Vielleicht geht er ja auch nur spazieren, so wie heute Nachmittag“ schlug Yahiko vor, einen düsteren Seitenblick auf Sanosuke werfend.

Sano funkelte ihn an. “Ruhe da unten. Was heute Nachmittag war, interessiert doch sowieso keinen mehr.“
 

Kaoru schüttelte den Kopf. „Nein. Er ist weg und es ist mein Fehler. Ich hätte nicht so mit ihm sprechen dürfen. Er ist krank und ich hab ihn quasi beschuldigt, mich allein gelassen zu haben.“ Es waren Tränen in ihren Augen und sie sah so verzweifelt aus, wie damals, als Kenshin sie wegen Shisho verlassen hatte.

„Was, wenn er denkt, dass ich ihm nicht länger vertraue? Der einzige Grund, aus dem er je bei mir geblieben ist, war doch, dass ich mich nicht um seine Vergangenheit gekümmert habe!“
 

„Hast du ihm das so gesagt?“ fragte Sano unvermittelt.

Ihr Kopf schwang nach oben und sie sah ihn direkt an. „Was? Nein, das weiß er doch auch so.“

Sano zuckte mit den Schultern. „Jaah. Nun, Kenshin weiß viele Sachen. Zu viele, wenn du mich fragst. Aber jemand wie er... der schon so viel erlebt hat... Ich denke, es würde nicht schaden, ihn ab und zu an gewisse Dinge zu erinnern. Das ist alles.“
 

Kaoru schloss ihre Augen und versuchte, die Tränen zu verscheuchen. „Jah, und jetzt werde ich wohl keine Gelegenheit mehr dazu haben, oder?“ Sie fühlte sich plötzlich so leer.
 

Das letzte, was Kaoru jetzt erwartet hatte, war Sano, der seine Arme um sie legte und sie umarmte.

„Hör mir zu, Jou-chan,“ sprach er mit ruhiger Stimme. „Wenn Kenshin gegangen ist, dann ist das nicht dein Fehler. Sowas darfst du nicht denken. Er geht nie ohne einen guten Grund und und er würde nie für immer gehen, ohne irgend jemandem Auf Wiedersehen zu sagen. Du weißt das doch. Wenn er gegangen ist, dann nicht wegen dir. Und komm ja nicht auf die Idee, jetzt Panik zu schieben und zu heulen – das bringt ihn nicht zurück.“

Sano drückte sie und ließ sie dann los. „Okay?“
 

Kaoru nickte. Sie fühlte sich jetzt etwas besser.

„Gut. Was wir herausfinden müssen, ist, wohin er gegangen sein könnte. Und warum...“

Yahiko warf Sano einen scharfen Blick zu. „Ich denke immer noch, dass er nur herumläuft. Er ist nicht ganz ER SELBST, ist doch so, Sano, oder?!“
 

Der Kämpfer warf Yahiko einen vernichtenden Blick zu. „Darüber reden wir später, Junge. Hol erst mal Megumi. Ich und Kaoru versuchen, zusammen mit den Oniwabanshu was herauszufinden.“
 

Grummelnd ging Yahiko den Flur entlang, wohingegen Kaoru und Sano sich in die andere Richtung wandten.

„Ich denke nicht, dass Okina weiß, warum Kenshin weg ist. Omasu hat erzählt, dass Okina derjenige war, der Saito überhaupt erst hereingelassen hat.“
 

Sano blieb stehen. „Saito... ist hier?“
 

Kaoru hielt an und drehte sich zu ihm um, wobei sie ihm einen kritischen Blick zuwarf. „Ja, das war er. Ich denke, er ging, als er sah, dass Kenshin nicht hier war. Er sagte, er wollte nur Antworten, aber ich bin mir sicher, er wollte einen Kampf.“
 

„Verdammt,“ fluchte Sano in sich hinein. Wenn Saito hier gewesen war, dann war es nur anzunehmen, dass Battousai geflüchtet war. In ihren Gesprächen hatte Sano nie die Gelegenheit gehabt, Kenshin klar zu machen, dass der Ex-Shinsengumi-Anführer nicht länger sein Feind war... zumindest meistens...
 

„Sano?“
 

„Beeilen wir uns lieber... nur für den Fall...“
 

Sie gingen in die Eingangshalle und fanden dort Okina, Omasu, Okon, Shiro und Kuro, die sich in verschiedenen Stadien des Wachwerdens befanden. Yahiko und Megumi betraten auch gerade den Raum von der anderen Seite.
 

„Als erstes,“ begann Okina, „sollte sich jeder hier beruhigen. Wir müssen erst mal die Situation analysieren.“ Er verschränkte die Arme hinter dem Rücken und musterte alle kritisch.
 

„Himura-dono ist verschwunden. Wenn wir die Tatsache außer Acht lassen, dass er natürlich jedes Recht der Welt hat, einfach zu gehen, wenn er Lust hat und dass er jetzt vielleicht irgendwas ganz normales macht und nicht zu erwähnen, dass Himura-dono die Strassen von Kyoto so gut wie die Oniwaban selbst, wenn nicht noch besser kennt, vor allem nachts,... " Okina holte tief Luft. "

"Was für andere Informationen haben wir, um diesen Vorfall überhaupt zu etwas beunruhigendem zu machen? Die Tatsache, dass er noch verletzt ist, mal außer Acht gelassen...“
 

„Er ist noch nicht gesund genug, um nachts in der Kälte draußen zu sein,“ warf Megumi ein. „Er war mehr als nur verletzt. Er war fiebrig und hat halluziniert. Und es waren mehrere tiefe Wunden. Er hat mich ihn gestern nicht untersuchen lassen, deswegen kann ich nicht beurteilen, ob er für nächtliche Unternehmungen gesund genug ist. Trotzdem würde ich sagen... Er ist nicht gesund genug!“
 

Okinas Augen verengten sich. „Wunden? Woher?“
 

“Woher soll ICH das denn wissen?” rief Megumi frustriert und besorgt. „Ich weiß nur, was ich gesehen habe...“
 

„Wir müssen ihn finden,“ unterbrach Kaoru. „Was, wenn er wieder krank wird?“
 

„Wichtiger: Was, wenn Saito ihn findet?“ fügte Sano hinzu und zog damit Okinas Blick auf sich. „Ich denke nicht, dass Kenshin wieder krank wird. Aber er ist in keiner Verfassung für einen Kampf. Und du weißt, dass Saito aus genau diesem Grund nach ihm sucht.“ Sano schwieg einen Moment und dachte an den stillen und traurigen Jugendlichen. „Auf jeden Fall sollten wir ihn nicht länger als nötig irgendwo alleine rumlaufen lassen.“
 

Okina nickte, unterstützt von Omasu und Shiro, während Kuro und Okon wissende Blicke austauschten. Sie wussten, was jetzt passieren würde.

„Gut,“ rief der alte Mann aus. „Eure Argumente haben mich überzeugt. Sobald die Sonne aufgeht, werden wir Himura-sono suchen gehen. Bis dahin ruhen wir uns aus, um fit zu sein.“
 

„Sonnenaufgang?“ brüllte Kaoru entsetzt. „Erwartest du, dass ich so lange warten kann? Er muss doch diese Wunden von irgendwo HER haben. Was, wenn das wieder passiert, während er unterwegs ist?“
 

„Ich bedauere den Mann, der sich mit Himura-dono anlegen will,“ erwiderte Okina sanft.
 

„Allerdings...“ Megumi schaute verwirrt zwischen Kaoru und Okina hin und her. „…ich habe doch schon gesagt, dass die Wunden nicht frisch sind. Sie sind schon einige Monate alt, nur nicht richtig verheilt. Also gibt es vielleicht hier gar keine Feinde für Ken-san – außer, er ist mit dir zusammen einkaufen.“
 

„Wie bitte?!“ schrie Kaoru. “Was soll das heißen?”

Megumi schaute nach oben. „Das ist doch offensichtlich...“
 

Okina räusperte sich. „Gut, das reicht jetzt. Misao ist bereits unterwegs um Aoshi abzuholen, der bald in Kyoto ankommt. Deswegen bin ich jetzt der Anführer des Aoi-ya und der Oniwabanshu. Und ich sagen, dass wir bis morgen früh warten werden.“

Er drehte sich zu Kaoru um. „Ich verstehe dein Drängen, aber es wäre dumm von uns, ihn nachts suchen zu gehen. Wir würden ihn niemals finden.“
 

„Aber ihr seid doch NINJA!“ rief Kaoru wütend.
 

„Und er ist ein Hitokiri,“ antwortete der alte Mann nur. „Nach Hitokiri Battousai mitten in der Nacht zu suchen ist, als ob man seinen Schatten finden will, wenn es kein Licht gibt. Es wäre Zeit- und Energieverschwindung. Bis dann der Morgen käme und wir eine reelle Chance hätten, ihn zu finden, wären wir alle viel zu Müde. Deswegen warten wir.“
 

Die Logik von Okinas Worten schien endlich in Kaorus Bewusstsein zu dringen und sie sah beschämt zu Boden. „Verstehe,“ murmelte sie leise.
 

Er lächelte sie an. „Sobald es hell wird, werden wir alles tun, um ihn zu finden. Sei unbesorgt. Wir finden ihn.“ Er ging zu ihr herüber und führte sie am Arm zurück zu ihrem Zimmer.

Sano beobachtete sie beim Gehen. Dann ging er leise in Richtung Tür.
 

„Wo denkst du, gehst du hin, Hahnenkopf?“
 

Langsam drehte er sich um und sah Megumi in der Ecke stehen.

„Wohin wohl? Kenshin suchen,“ schnauzte er.

Sie trat auf ihn zu. „Hast du nicht zugehört? Oder waren Okinas Worte zu schwer für dich? Du findest ihn nicht in der NACHTS! Du verläufst dich nur.“
 

Sano funkelte sie wütend an. „Ich verlaufe mich auch morgen früh. Also kann ich das auch jetzt gleich tun. Ich glaube ja nicht, dass ich ihn wirklich finde. Aber trotzdem...“
 

Megumi schüttelte den Kopf. „Warum gehst du, wenn du doch weißt, dass es nichts bringt?“
 

„Weil JEMAND es tun sollte.“ Er drehte sich wieder zur Tür und schob sie halb auf. Ohne sich umzudrehen, sprach er weiter.

„Während du seinen Körper begutachten konntest, habe ich mir seine Worte genau durch den Kopf gehen lassen. Er ist wirklich sehr deprimiert zur Zeit. Und... ich denke, er fühlt sich sehr einsam. Als ob er hier für uns nur eine Belastung ist oder so was.“ Seine Hand krampfte sich um den Türrahmen.
 

„Irgendwas verdammt beschissenes ist ihm passiert, sieh dir die Wunden an. Und... noch andere Dinge. Ich habe nicht alles aus ihm herausquetschen können.“ Sano sah zu Megumi und suchte nach den richtigen Worten.

„Ich denke nur, dass es ihm etwas bedeuten würde, wenn er jetzt zurückkäme und jemand wäre unterwegs, um ihn zu suchen. Es bedeutet, dass sich JEMAND um ihn Sorgen macht, und zwar so sehr, dass er sucht, obwohl es so gut wie aussichtslos ist, verstehst du?“

Er zuckte mit den Schultern. „So, deswegen könnt ihr morgen früh suchen. Ich muss jetzt los.“
 

„Sano…”
 

Er schüttelte den Kopf und schob die Tür ganz auf. “Ich erwarte nicht, dass du mich verstehst. Ich will nur nicht sehen, wie etwas in Kenshin zerbricht. Er ist so NAHE. Er ist immer so nah dran, egal wie stark er auch wirkt. Dieses Mal jedoch steht alles auf Messers Schneide, deswegen habe ich Angst, dass er sich verletzt.“
 

Mit diesen Worten trat Sano nach draußen in die kühle Nachtluft und schloss die Tür hinter sich.
 

--
 

Battousai eilte durch die Strassen, denn er hatte jetzt ein Ziel. Selbst beim Rennen waren seine Fußschritte so gut wie geräuschlos und er war kaum mehr als ein Schatten auszumachen. Erst kurz vor dem Stadtrand verließ er seine Deckung und war zu sehen.
 

Ohne langsamer zu werden eilte er auf eine Brücke zu, die er von Weitem sah, hell erleuchtet unter dem fast vollen Mond. Die Ansicht dieser Brücke bescherte ihm eine Gänsehaut. Hier war es passiert. Hier hatte er versucht, den Jungen zu retten. Und hier hatte er zum ersten Mal Sagara Sanosuke getroffen.
 

Battousai betrat zögerlich die hölzerne Brücke, seine Hand auf dem feuchten Geländer. War es so einfach? Auf der Brücke sein und zu springen? Irgendwie bezweifelte er das. Der Rotschopf sah, wie eine Wolke sich vor den Mond schob und alles plötzlich dunkel wurde. Er wünschte irgendwie, er hätte Sano wenigstens mitgenommen. Dann würde er hier nicht alleine stehen.

Der Junge schüttelte den Kopf. Was dachte er nur? Gerade deswegen war er doch hier: Um weg zu gehen, sie alle zu verlassen, damit sie ihren Rurouni wiederhaben konnten, ihr normales Leben weiterführen konnten. Es gab in dieser Zeit keinen Platz für Battousai. Ohne ihn wären sie besser dran.
 

Er spannte sich plötzlich an. Irgendwo in der Nähe war eine starke Ki. Nicht gut. Egal, ob Sano beteuerte, dass es die Shinsengumi als solche nicht mehr gab, Battousai war kein Narr. Er hatte einen von ihnen gespürt, nahe der Herberge. Wer konnte schon wissen, ob nicht doch noch jemand von ihnen am Leben war? Seine Augen verengten sich. Leute wie Okita oder Saito konnten nicht so einfach sterben.
 

Er rüttelte etwas am Geländer um sich zu vergewissern, dass es sein Gewicht halten würde. Es fühlte sich stabil an. Er würde schnell machen müssen, um einen Kampf zu vermeiden.
 

Battousai stieg auf das Geländer.
 

--
 

Er war spät dran. Bei jedem anderen hätte das nichts ausgemacht. Sie könnten spät sein. Zur Hölle, sie könnten von ihm aus auch tot sein, das war ihm egal, aber so ein baka wie Kenshin... wenn dieser Junge sagte, dass er zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort sein würde und dann nicht kam... Das war beunruhigend.
 

Nein, mehr als das. Hiko schüttelte den Kopf. „Dieser Baka deshi würde es nie wagen, mich zu versetzten. Heute abend wollte er mich besuchen. Und er ist nicht aufgetaucht.“
 

Hiko kaute auf seiner Unterlippe, während er durch die Bäume in Richtung Stadtrand von Kyoto ging.

„Dieser Baka... außerdem wollte er Sake mitnehmen.“

Jetzt musste Hilko selber gehen und einkaufen, auch noch dieses Gesöff von billigem Sake aus Kyoto. Na gut. Wenn er Kenshin treffen würde, dann würde er ihn zwingen, alles leer zu trinken. Sollte ER doch krank von dieser Kyoto-Brühe werden.
 

Der mächtige Mann seufzte. Immerhin war er ja auf dem Weg, um sich zu vergewissern, dass sich Kenshin nicht schon wieder in irgendwelche Schwierigkeiten gebracht hatte. Denn nichts anderes wäre der Grund für diesen Baka, nicht aufzutauchen. Nicht, dass sich Hiko gewünscht hatte, dass sein baka deshi ihn überhaupt besuchte. Darum ging es nicht. Er wollte nur nicht der Letzte sein, der mitbekam, dass Kenshin mal wieder unterwegs war, um die Welt zu retten.
 

„Vor was wohl dieses Mal?“ schnaufte er ungehalten. „Seiner eigenen Blödheit?“
 

Brummelnd trat Hiko aus den Bäumen an das Brückengebiet am Stadtrand. Der helle, fast volle Mond ließ seinen weißen Mantel erstrahlen und gab ihm das Aussehen eines gefallenen Engels, der auf der Suche nach Alkohol war. Dann schob sich eine Wolke vor den Mond und alles war wieder dunkel.
 

Als er sich der Brücke näherte, sah er, wie eine Gestalt gerade auf das Geländer kletterte und dann dort zögerte, als ob sie sich nicht sicher war, auch wirklich zu springen.

Hiko runzelte die Stirn. Ein Selbstmord. Manchmal widerte ihn die Welt so an – was war das für eine Welt, in der die Menschen nicht leben wollten? Es war nicht einmal Wert, sie zu retten. Sie würden es bei der nächsten Gelegenheit wieder versuchen. Trotzdem beschleunigte er seine Schritte.
 

Als die Wolke den Mond wieder freigab und Hiko die lange Brücke gerade betreten hatte, sah er den Mann schon genauer – Hikos Augen weiteten sich. Er hatte nicht einmal mehr Zeit, groß nachzudenken. Genau in dem Moment, in dem der Rotschopf sprang, sprang auch Hiko, packte ihn und katapultierte sie beide wieder zurück auf die Brücke. Dabei fielen sie beide unsanft zu Boden. In dem Moment schob sich die nächste, schwere Wolke über den Mond und alles war wieder undurchdringlich düster.
 

Er hatte nicht gewusst, was Kenshins Reaktion sein würde. Wer wusste schon, was durch den Kopf dieses Baka ging? Aber Hiko hätte sicherlich nicht damit gerechnet, dass er sofort auf die Beine springen und sein Schwert ziehen würde.
 

Leise fluchend stand auch Hiko auf. „Wundervoll,“ dachte er und lockerte sein eigenes Schwert. „Dieser Idiot hat mich nicht mal erkannt.“
 

Der Rotschopf schwang sein Schwert und benutzte das Geländer hinter sich, um seinem Angriff mehr Wucht zu verleihen. Es war ein guter Angriff, und hätte sicherlich jeden anderen Gegner zu Fall gebracht.
 

Hiko wich mühelos aus und sprang über ihn hinweg. Elegant landete er auf dem Brückengeländer und balancierte dort, wartend, was Kenshins nächste Reaktion sein würde. Nicht, dass auf einer Brücke, die kaum zwei Meter breit war, viel Spielraum gewesen wäre.

„Deswegen hasse ich Kämpfe auf Brücken,“ dachte er. „Ich beende das lieber schnell.“
 

Kenshin war schon wieder in Bewegung, aber Hiko konnte seine Attake voraussehen. Genau, als Kenshins Schwert ihn treffen sollte, wich er aus und blockte Kenshins Streich mit seinem eigenen Schwert ab. Das ließ Kenshin offen und Hiko konnte mit seiner Schwerscheide direkt seinen Kopf treffen. Der Junge fiel, hart getroffen, sofort zu Boden. Hiko schüttelte angewidert den Kopf.
 

Was für eine Show wollte sein Baka Deshi hier abziehen?

Dann sah er das Geländer, das Kenshin bei seinem ersten Angriff getroffen hatte. Hiko ignorierte den bewusstlosen Mann und sah sich das Holz an. Ein tiefer Schnitt spaltete den dicken Balken an der Stelle, an der Kenshins Schwert getroffen hatte. Hikos Augen wanderten zu dem Katana, das neben Kenshin am Boden lag. Die scharfe Seite war an der richtigen Stelle.
 

Hiko kniete sich neben den Jungen und fluchte erneut.
 

„In was für Schwierigkeiten hast du dich jetzt schon wieder verwickelt...“
 

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Sorry für die Lange Wartezeit... ^^

Nächstes Kapitel: Battousai und Hiko treffen aufeinander. Und Kenshins Identität ist plötzlich gefährdet...
 

Bis dahin... vielen Dank für eure Kommentare ^_^

Domo arigatou gozaimasu!!!

Zeit zum Zuhören

Schon seit Tagen versusche ich, hier das Kapitel hochzuladen grummel!! ... Naja, dafür jetzt aber ENDLICH! viel Spaß mit dem nächsten Kapitel ^^
 

Battousai trifft auf seinen Meister - und Kenshin erfährt unerwartet Hilfe. Können Kaorus starke Gefühle zu ihm durch die Zeit dringen?
 

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Out of Time

Kapitel 16 – Zeit zum Zuhören
 

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1865
 

Kenshin hörte, wie Ushiro hinter ihm aufstand und ihm folgte, aber er konnte sich nicht dazu bringen, auf ihn zu warten. Er war über seine eigene Reaktion erschrocken. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte er sich genau daran erinnert, wie er damals gewesen war. Warum er sich selbst von der Welt so abgeschottet hatte. Denn für diesen Bruchteil einer Sekunde hatten ihn die alten Instinkte überwältigt. Er war nicht mehr der Rurouni gewesen, sondern der Hitokiri, und alle hatten es sehen können.
 

Jetzt rang er darum, seine Wut wieder unter Kontrolle zu bekommen und auch die Emotionen, die er jahrelang so sorgsam kontrolliert hatte. Dieses Gespräch weiterzuführen wäre für keinen von ihren gesund.
 

Aber Ushiro war hartnäckig und folgte ihm bis hinunter in die Halle. „Battousai-san! Warte, bitte!”
 

Kenshin lief weiter um eine Ecke. Er wollte nur noch in sein Zimmer. Dort würde er sich wieder sammeln können.

„Battousai-san!“ Genau vor Kenshins Tür tat der andere Mann das Undenkbare:

Ushiro streckte die Hand aus und packte Kenshin an der Schulter, brachte ihn damit zum stehen.
 

„Bitte, warte. Lass uns reden!“
 

Kenshin gefror, überrascht über den plötzlichen Körperkontakt. Seine Augen weiteten sich und das gefährliche bernsteinfarbenen Glitzern verblasste zu einem tiefen Blau.

„Es gibt nichts zu reden,“ sagte er leise. Seine Stimme hatte immer noch einen drohenden Unterton. Kenshin wandte sich um und sah den größeren Mann an, der immer noch seine Hand auf Kenshins Gi liegen hatte.
 

Ushiro schien endlich zu bemerken, was er da tat und ließ sofort los. Er räusperte sich nervös.

„Battousai-san. Das ist nicht wahr. Alles war in Ordnung, bis Kano zu fragen angefangen hat.”

Er lächelte schwach. „Eigentlich war es sogar mehr als in Ordnung... ich meine, das war heute das erste Mal, dass du überhaupt mit uns so gesprochen hast. Dass du überhaupt mit jemandem gesprochen hast, seit Izuka...“
 

Kenshin sah weg.
 

Ushiro spürte, dass er mit Izuka ein weiteres, sensibles Thema berührt hatte und fluchte leise.

„Es tut mir leid. Ich hätte ihn nicht erwähnen sollen... Und ich entschuldige mich auch für Kano. Ich weiß nicht, warum er von ihr reden musste, ich schwöre, ich weiß es wirklich nicht.“

„Es ist nicht dein Fehler.“

Der größere Mann nickte. „Ich weiß. Aber ich wollte nur sicher sein, dass auch DU das weißt.“ Er unterbrach sich und fügte nach einem Moment des Zögerns noch hinzu: „Es war auch nicht Kanos Fehler, weißt du...“

Er holte tief Luft und sprach weiter, bevor ihn der überraschte, rothaarige Mann vor ihm unterbrechen konnte.
 

„Woher sollte er denn auch wissen, dass sie für dich ein sensibles Thema ist? Es ist ja nicht so, als ob du jemals mit jemandem von uns über sie geredet hättest. Ehrlich gesagt, du redest doch überhaut niemals mit jemandem von uns. Du benimmst dich, als ob du irgendein unmenschlicher Dämon wärst.“
 

Ushiro zog die Brauen zusammen und blickte finster und angewidert zugleich.

„Als ob du selbst an den Müll glauben würdest, denn Leute über dich reden. Du läuft herum wie ein Untoter oder du verkriechst dich in deinem Zimmer. Du spricht mit niemandem. Du benimmst dich, als ob du keine Gefühle besitzen würdest. Aber willst du die Wahrheit hören?“ fragte Ushiro, der sich jetzt erst richtig aufgewärmt hatte.

„Die Wahrheit ist, dass du ein Mensch bist. Genau wie der Rest von uns. Ja, du hast wahrscheinlich mehr getötet als wir alle zusammen und ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, wie du es schaffst, bei all dem, was du tun musst, nicht durchzudrehen. Aber ich weiß, dass du trotz ALLEM ein MENSCH bist. Und wenn du dich weiterhin aufführst, als wärst du keiner, dann wirst du irgendwann überschnappen.“
 

Kenshin blieb während Ushiros Ausbruch stumm und hörte zu. Endlich hatte jemand den Mut, ihm die Wahrheit zu sagen, so wie er sie sah.
 

Ushiro seufzte aufgebracht. „Ich will nicht, dass so etwas passiert.“ Er wandte sich schließlich um und sah Kenshin wieder an. „Von mir aus können all diese Bakas über dich denken, was sie wollen. Ich habe in den letzten sechs Monaten viel mit dir zusammengearbeitet und was ich gesehen habe, ist ein besorgter Junge, der willig nicht nur für die Sache sondern auch für andere Menschen sterben würde. So jemand kann kein Dämon sein.“

Seine Stimme verlor sich und er sah weg. Er erwartete, dass Battousai jetzt einfach davon gehen würde, so wie immer.
 

Zu seiner Überraschung zog sich der Rotschopf nicht zurück.

„Es tut mir leid, Ushiro-san,“ antwortete Kenshin leise, seine Augen auf den Flurboden geheftet. Er lächelte grimmig. „Es ist eine schwierige Situation... JETZT... ist eine schwierige Situation.“ Er seufzte, frustriert darüber, dass er nicht klar sagen konnte, was er wollte. Er sah auf und blickte in Ushiros besorgte Augen.

„Du sagst, ich bin kein Dämon. Und du hast recht. Ich habe nie behauptet, einer zu sein. Mit diesem Wort haben mich andere gebrandmarkt. Dennoch ist das, was ich bin, kaum besser.“ Sein Gesicht nahm einen Ausdruck von Schmerz und Verwirrung an. Etwas Gelbes blitzte in seinen blauen Augen auf, während er mit seiner Vergangenheit rang. Er kümmerte sich nicht einmal mehr darum, den lächerlichen Gesichtsausdruck des Rurouni aufzusetzen. Das konnte er hier auf die Dauer sowieso nicht aufrecht erhalten. Hier würde es reichen müssen, wenn er einfach nur ein Ex-Hitokiri war.
 

Ushiro schüttelte den Kopf. „Was meinst du damit, Battousai-san? Was du bist? Du bist ein Schwertkämpfer...“

Kenshins Blick verhärtete sich als er vor seinem Inneren Auge hunderte, aufgeschlitzte Körper sah. Blut bedeckte den Boden, genau in der Farbe seiner Haare.

„Nein, Ushiro-san. Ich bin ein Mörder, nichts sonst.“
 

“Das ist nicht wahr.”
 

„Doch, das ist es. Ich bin ein Schwert, Ushiro-san. Und mein Schwerter haben nur den Zweck, zu töten. Das ist die Realität.“ Er brachte ein kleines Lächeln zustande. „Ich bedanke mich für deine netten Worte, aber nette Worte ändern nicht die Wahrheit.“ Dann drehte er sich um, schob die Tür auf und betrat sein Zimmer. Fast hatte er Angst, dass Ushiro ihm auch dorthin folgen würde, doch nachdem er die Tür zugeschoben hatte, hörte er Fußschritte, die sich langsam von der Tür entfernten. Selbst Ushiro war nicht waghalsig genug, dem Löwen in seine Höhle zu folgen.
 

Kenshin seufzte und durchquerte den Raum, bis er am Fenster stehen blieb, an der Stelle, an der er letzte Nacht sitzend geschlafen hatte. Blut von seiner Schulterwunde hatte an dem Holz der Wand einen dunklen Fleck hinterlassen. Kenshin ging in die Knie und berührte ihn, während er sich seine Worte noch einmal durch den Kopf gehen ließ.

„Ich bin ein Schwert, flüsterte er zu sich selbst, „nur ein Schwert...“
 

Er lehnte seinen Kopf gegen das Holz und fühlte sich ausgebrannt. Er wollte schlafen, aber hatte Angst vor den Träumen, die dann kommen würden. Er wollte nicht noch mal so eine Nacht durchleben. Die Realität des Tages allein war schon genug.
 

Genau, während er so in der Hocke dasaß, rutschte seine Sakeflasche aus seinem Gürtel, fiel zu Boden und rollte, ohne zu zerbrechen, ein Stückchen von ihm weg. Das Geräusch ließ Kenshin aus seinen morbiden Gedanken aufschrecken und seine Augen sprangen auf. Langsam wandte er seinen Blick der Sakeflasche zu.
 

„Shishou,“ flüsterte er, während er sich streckte und mit seinen Fingern über die kühle Oberfläche des Tons strich. Er fühlte sich plötzlich genauso frustriert und hilflos wie vor zwanzig Jahren, als er das erste Mal ein Schwert in den Händen gehalten hatte. Es war viel seit dem vergangen, aber er war lange nicht mehr in einer Situation gewesen, die er so wie jetzt nicht im mindesten kontrollieren konnte... oder zumindest vorrausschauend einschätzen. Er fühlte sich deswegen wieder wie der kleine Junge, den Hiko aufgenommen hatte.
 

Außer, dass er keinerlei Unschuld mehr von damals besaß. Kenshin hatte Shinta schon vor langer Zeit begraben. Selbst der nette Rurouni konnte ihn nicht mehr von den Toten zurückholen.

Wenn jemand die Macht hätte, Shinta wiederzuerwecken, dann wäre das Kaoru. Dieser Gedanke schien unvermittelt die Düsternis, die Kenshins Seele aufzufressen drohte, zu durchbrechen. Für sie würde er nie nur irgendein Schwert sein. Sie glaubte an eine Welt, in der Schwerter nur dazu eingesetzt wurden, Unschuldige zu retten. Seine Lippen formten sich zu einem schwachen Lächeln. Sie war in diesem Gedanken so naiv, wie er es als kleiner Junge gewesen war.
 

Das war genau der Grund, warum er ihren schönen Traum nicht zerstören konnte. Gerade er selbst musste deshalb ein Schwert sein, das andere beschützt. Denn wenn es jemand so kaputtes wie er schaffen konnte, nach dem Schwert, das beschützt zu leben... vielleicht würde dann wirklich eine Chance bestehen, dass ihr Traum irgendwann wahr werden KÖNNTE.
 

Er ließ das Sakabatou aus seiner Scheide gleiten und studierte einen Moment lang die Klinge, während sich seine Augen mit einem Ausdruck von Entschlossenheit verhärteten. ER würde es nicht zulassen, dass Kaorus Unschuld so zerstört wurde wie die seine.

Vorsichtig nahm er das Schwert und begann, in die Wand zu ritzen.

Okami würde ihn dafür töten... aber er brauchte jetzt etwas berührbares.
 

Genau wie Hikos Sakeflasche ihn tagsüber bei Vernunft hielt... so brauchte er jetzt auch Schutz in der Nacht.
 

Er lehnte sich zurück und begutachtete sein Werk. Ein einzelnes Wort, tief in das Holz der Wand geritzt.
 

Kaoru.
 

--
 

1878
 

Jemand war bei ihm im Raum. Battousai konnte eine sehr starke Ki fühlen. War er also gefangen genommen worden? Aber das ergab keinen Sinn. Warum sollte ihn jemand gefangen nehmen und ihn leben lassen? Ein Hitokiri war es nicht wert, als Geisel genommen zu werden. Nicht mal jemand so berüchtigtes wie Battousai. Er bewegte sich nicht und versuchte, in Gedanken zu rekonstruieren, was geschehen war. Er erinnerte sich an die Brücke. Jemand, der ihn vom springen abgehalten hatte. Und einen Kampf in völliger Dunkelheit. Aber wer...?
 

Er bekam nicht viel Zeit, darüber nachzugrübeln.
 

„Also gut,“ brummelte eine tiefe Stimme genau über ihm. „Ich weiß, dass du wach bist, also steh auf. Du hast viel zu erklären, Baka.“
 

Das war nicht möglich! Der Junge blieb regungslos liegen, zu verängstigt um überhaupt einen Finger rühren zu können. Das konnte nicht real sein. Er träumte. Er MUSSTE träumen.
 

Aber als der Besitzer der tiefen Stimme ein zweites Mal sprach und ihn dieses Mal mit seiner Stiefelspitze anstupste, gab es kein Missverstehen mehr. „Ich sagte, steh auf, baka deshi!“
 

Der Junge öffnete endlich seine Augen und setzte sich auf. Selbst wenn es dennoch ein Traum wäre, wusste Battousai, dass er besser den Worten von Hiko Seijuro gehorchte, sonst würde das hier schnell zu einem Albtraum werden. Trotzdem hob der Rotschopf zwar seinen Kopf, aber nicht seine Augen, denn er hatte Angst, zu sehen, was die Zeit wohl aus seinem ehemaligen Meister gemacht hatte.
 

Er wartete stumm auf den Wutausbruch und die Demütigungen. Deswegen war es auch eine Überraschung, als plötzlich vor ihm auf den Boden ein Sake-Schälchen gestellt wurde und der Mann im weißen Mantel ungeduldig grummelte.

„Heraus damit. Was ist passiert?!“
 

Ohne eigentlich zu wollen, schaute Kenshin hoch in das Gesicht des älteren Mannes. Er war so imposant, wie er schon immer ausgesehen hatte und sah auch genauso wütend aus, während er mit düsterem Blick an seinem Sakeschälchen nippte. Battousai bemerkte voller Erleichterung, dass außer ein paar leichten Falten im Gesicht die Zeit an seinem Meister kaum Spuren hinterlassen hatte. Die nagende Angst, dass sein Shishou vielleicht alt und schwach hätte geworden sein können wurde von einem mehr praktischen Bedenken ersetzt: Was würde der Mann jetzt mit ihm machen, seinem Schüler, der ihn verlassen hatte und ein Mörder geworden war?
 

Anscheinend war sein Starren zu lang gewesen, denn Hikos Augenbraue zuckte und sein Gesicht wurde noch düsterer. „Du bringst mich in schlechte Laune, baka,“ schnauzte er. „Ich schlage vor, du redest besser schnell, bevor ich zum fragen zu ungeduldig werde. Was zur Hölle wolltest du da auf der Brücke machen?“
 

Battousai war so überrascht, dass er seine Stimme kaum fand.

„Ich wollte nach hause.“

Hiko schnaufte ungehalten und zeigte mit dem Finger auf seine Haustür. „Nach Tokyo geht es da lang.“

„Tokyo?“ fragte der Junge verwirrt und sah Hikos ausgestrecktem Finger hinterher... er zeigte genau in Richtung Edo.
 

„Ja. Nach Hause. Tokyo. Die Hauptstadt.“ Ein schiefes Lächeln. „SO hart habe dich auch wieder nicht getroffen.“
 

Battousai schüttelte ungläubig den Kopf. „Die Hauptstadt? Aber Kyoto...“

“Was ist damit?” fragte Hiko, nachdem er einen weiteren, tiefen Schluck genommen hatte.

„Kyoto ist doch die Hauptstadt, Shishou... oder nicht?“
 

Hiko prustete in seinen Sake. Der stechende Blick, mit dem er jetzt seinen Deshi musterte, nahm endlich auch die Details zur Kenntnis. „Verdammt,“ fluchte er, immer noch leicht hustend.
 

„Shishou?“
 

„Battousai.“ Die Stimme des älteren Mannes war ausdruckslos, als er endlich verstanden hatte, wer da vor ihm saß.

Der Junge nickte und sah weg. Hiko hatte also endlich kapiert. Battousai spannte sich an und wartete auf Hikos Rache. Er war sicher mehr als wütend. Es gab keine Chance, dass er jemals die Missetaten verstehen würde, die Battousai begangen hatte.
 

„Kuso,“ fluchte Hiko erneut. „Ihr habt also Platz getauscht. Verflucht, das macht die Sache ja noch komplizierter. Warum zur Hölle kommst du schon WIEDER zu MIR? Hast du niemand anderes, den du mit dieser Sache belästigen kannst?“
 

Battousai versteifte sich, jetzt, da sich die Überraschung seines Meister langsam in Wut zu verwandeln schien. Seine Augen verdunkelten sich und sein Gesicht erstarrte wieder zu einer kalten, gefühllosen Maske. „Ich bin nicht hierher gekommen. Ihr habt mich her gebracht.“
 

„Du wolltest eine Brücke hinunterspringen!“
 

„Ich wollte nach Hause!“
 

Hiko schnaufte laut. „Und dich selbst umzubringen hätte dich zurück in die Edo-Zeit gebracht?“
 

„Ich wollte mich nicht töten!“ herrschte ihn der Junge an und brachte seinen Meister damit zum Schweigen. „Warum hört ihr mir nicht zu? Warum hört ihr mir NIE zu!!“
 

Hiko lehnte sich nach vorne, seine Augen blitzten vor Wut auf. „Das letzte Mal, als ich ZUGEHÖRT habe, war, als du gerade dabei warst, in den KRIEG zu ziehen, Kenshin. Als du Hiten Mitsurugi und dich selbst an Leute übergeben wolltest, die in dir nichts anderes sahen, als eine Waffe. Ich HÖRTE zu und sagte meine Meinung und ich ließ dich gehen. Bist du glücklich, dass ich dir damals ZUGEHÖRT habe?“ Er nahm einen langen und tiefen Schluck Sake zu sich und versuchte die leere Maske, die das Gesicht seines Schülers war, zu ignorieren. Es war erschreckend. Er hatte diesen Jungen einst durch und durch gekannt. Er hatte damals verstanden, was Kenshin durch den Kopf gegangen war, auch wenn er selbst eine andere Meinung vertreten hatte. Und selbst, als Kenshin zurückgekehrt war, um sein Training zu vollenden, hatte er viel in seinen Augen lesen können. Aber dieser Junge... er war anders. Sein Deshi hatte sich so in sich selbst zurückgezogen, dass Hiko sich fühlte, als ob er gegen eine Wand sprechen würde.
 

Der ältere Mann seufzte und studierte seinen baka deshi, der sich nun ebenfalls Sake einschenkte aber keinerlei Augenkontakt zu seinem Meister aufnahm.

„Davor hatte ich Angst,“ dachte Hiko schmerzvoll zu sich selbst, als er sah, wie viel Schaden sein Schüler im Krieg genommen hatte. „

Genau davor wollte ich dich doch schützen, baka. Warum hast du MIR nicht zugehört?“
 

--
 

Kaoru eilte durch die dunklen Strassen von Kyoto, Kenshins Namen rufend. Sie tat das schon seit Stunden, doch erfolglos. Bald würde Sonnenaufgang sein und Okina und die anderen würden sich der Suche anschließen. Sie hatte gehofft, wenigstens das Stadtzentrum absuchen zu können, so dass sie später nur noch in den Außenbezirken suchen mussten. Okina und die anderen würden trotzdem wütend sein, wenn sie merkten, dass sie verschwunden war. Aber sie konnte nicht einfach rumsitzen und warten, bis Kenshin von alleine auftauchte. Sie SORGTE sich zu sehr, um ihn alleine herumwandern zu lassen. Und vielleicht hatte Sano ja recht... vielleicht hatte Kenshin keine Ahnung, wie wichtig er wirklich für sie war... für sie alle. Sie konnte nicht länger den Gedanken ertragen, dass er jetzt vielleicht alleine in dieser Stadt unterwegs war und dachte, dass sich niemand genug sorgen um ihn machte, um nach ihm zu suchen.
 

Sie umrundete eine weitere Ecke und bog in eine schmale Gasse ein. Warum nur musste Kyoto so groß sein? Sie würde es nie schaffen, ihn in all den kleinen Strassen zu finden. Kaoru eilte an einem alten, baufälligen Gebäude vorbei und genau dort zwang sie plötzlich irgendetwas, stehen zu bleiben. Sie drehte sich zu dem Bau um.
 

Das Haus war verlassen. Es war vermutlich in der Vergangenheit mal ein Gasthof oder eine Herberge gewesen, vollgestopft mit Leuten, aber jetzt sah es alt und schäbig aus. Sie hatte schon eine Reihe solcher leerstehenden Gebäude heute Nacht passiert, aber keines davon hatte ihr solch eine Gänsehaut über den Rücken gejagt wie dieses hier – gleichzeitig wurde sie aber auch irgendwie von dem Haus angezogen. Langsam trat sie auf die Tür zu, die schief in den Angeln hing und öffnete sie ganz.
 

„Vielleicht hat er sich hier rausgeruht?“ überlegte sie voller Hoffnung. Vielleicht fühlte sie sich deswegen von dem Haus so angezogen?
 

Sie betrat vorsichtig die Halle, unter ihren Füßen raschelten vergilbte Blätter alter Zeitungen. Kaoru trat durch den leeren Raum in einen Flur. Dort hielt sie kurz an und lauschte auf ein Lebenszeichen von irgendjemanden. Es könnte ja bei ihrem Glück durchaus sein, dass sie gerade in ein Räuberversteck stolperte.

Aber das einzige Geräusch, das sie hörte, war ihr schneller Atem. Leise ging sie weiter. Sie war versucht, erneut Kenshins Namen zu rufen, aber dieser Ort hier zwang sie zur Stille.
 

Leise ging sie von Zimmer zu Zimmer, und bis auf ein paar alte Tische fand sie jeden Raum leer. Sie bog im eine Ecke und befand sich einem weiteren, langen Flur. Hier befanden sich vorwiegend Schlafzimmer, in denen noch lumpige Decken herumlagen. Sie seuftze auf halbem Weg. „Was mache ich hier?“ dachte sie entmutigt, während sie die letzte Tür am Gang-Ende aufschob und hineinschaute. Ein Stapel Bücher gammelte dort nahe dem Fenster vor sich hin.
 

Etwas hinter den Büchern raschelte. Kaoru zögerte kurz, dann betrat sie auf leisen Sohlen das Zimmer. „Kenshin?“ flüsterte sie kaum hörbar. Auf halbem Weg zu den Büchern entdeckte sie die Quelle des Geräusches: Aus dem Bücherstapel flüchtete eine fette Maus.
 

Vor Überraschung quietschten beide, Kaoru und Maus. Letztere schlüpfte schnell an Kaoru vorbei die Tür hinaus. Kaoru stolperte, weil sie versuchte, auszuweichen und fiel mitten in den staubigen Bücherstapel. Dabei polterte sie mit der Schulter gegen das harte Holz der Wand.
 

„Blödes Mädchen,“ schimpfte sie sich selber und rieb ihren schmerzenden Arm. Sie fühlte unvermittelt Tränen in ihren Augen. Die Bücher zur Seite stoßend lehnte sie sich mit dem Rücken gegen das Holz der Wand. Sie wollte den Tränen nicht nachgeben, aber sie war frustriert, müde und endlich verstand sie, dass, wenn Kenshin wirklich verschwinden wollte, selbst SIE ihn nicht finden konnte. „Ich werde ihn nie wieder sehen!“ dachte sie verzweifelt. „Und ich habe ihm nicht einmal klar gesagt, was ich für ihn empfinde...“
 

Kaoru lehnte ihren Kopf zurück an die Wand und zuckte zurück. Etwas war an dem glatten Holz, das sie gepiekst hatte. Sie drehte sich um, und im schwachen Mondlicht weiteten sich ihre Augen, als sie erkannte, WAS da im Holz war.
 

Ein Kanji. In einen dunklen Fleck am Holz geritzt. Es musste dort schon ewig sein, so zerfranst wie es aussah. Und es war nicht sehr groß – doch Kaoru konnte das Zeichen genau lesen.
 

Ihre zitternden Finger berührten das eingeritzte Wort – ihr Name.

„Kenshin...“ flüsterte sie. Doch er konnte es nicht gewesen sein... als er in Kyoto gelebt hatte, hatten sie sich noch gar nicht gekannt. Das Kanji musste von jemand anderem dort angebracht worden sein. Nur ein dummer Zufall. Aber irgendwie musste sie jetzt nicht mehr weinen. Sie fühlte sich besser, als ob Kenshin irgendwie durch dieses Zeichen mit ihr verbunden war.
 

Die lehnte den Kopf neben das Zeichen und schloss ihre Augen. Sie wollte nur einen Moment hier ausruhen und dann weitersuchen. Sie spürte, dass er irgendwo war und sie brauchte. Genau wie sie ihn. Fast spürte sie seine Arme, die sich trostspendend um sie legten. Bei diesem Gedanken wurde ihr warm und sie lächelte.
 

„Kenshin...“ flüsterte sie erneut, bevor sie, den Kopf an das Holz gelehnt, erschöpft einschlief.
 

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1865
 

Er ruhte aus, den Kopf an das Holz neben Kaorus Namen gelegt. Er wartete auf Schlaf.
 

„Kenshin...“
 

Seine Augen sprangen auf und er sah sich hektisch im Raum um – woher war diese Stimme gekommen? Doch das Zimmer war leer. Er seufzte und nach einem letzten, vergewisserndem Blick in Richtung Tür schloss er seine Augen wieder.

Die Stimme hatte sie angehört wie Kaoru, erkannte er plötzlich. Natürlich war das nicht möglich. Das war verrückt und er wusste das.
 

Dennoch... während er so dasaß und am einschlafen war, hatte er fast das Gefühl, als ob sie ganz nah bei ihm sitzen würde... ihn beschützen würde... vor sich selbst.
 

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Das war ein langes Kapitel ^^ ich hoffe, es hat euch gefallen! Das nächste folgt so bald wie möglich... Battousai und Hiko sprechen sich aus. Sanosuke erinnert sich an etwas... und Kenshin muss neuen Gefahren in die Augen sehen...

bis dahin, dewa mata!

Enthüllungen

War das nicht mal ein schnelle Update? Lobt mich!!!
 

Battousai wird mit seinem Meister konfrontiert. Währenddessen ist Sano auf der Suche nach ihm. Und auch von Kenshin hat schon jemand die Spur aufgenommen...

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Out of Time

Kapitel 17 – Enthüllungen
 

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1865
 

Kenshin war sich zuerst nicht sicher, was ihn aus seinem – Gott sei Dank - traumlosem Schlaf geweckt hatte. Aber als er seine Augen öffnete, sah er überrascht, dass die Sonne schon tief am Himmel stand. Er hatte fast den ganzen Tag verschlafen. Müde rieb er sich die Augen während er versuchte, vollständig wach zu werden. Dann erst hörte Kenshin das Klopfen an seiner Tür. Das musste wohl das Geräusch gewesen sein, dass ihn vorhin aufgeweckt hatte. Er streckte sich und sofort durchschoss ein pochender Schmerz seine Schulter.
 

“Himura-san?“ kam eine sanfte Stimme von der anderen Seite der Tür. Okami.

Kenshin zuckte zusammen, denn er wusste, dass sie nicht länger freundlich sein würde, wenn sie erst bemerkt hätte, dass er seine Wunden so gut wie gar nicht gepflegt hatte.
 

„Bist du wach, Himura-san?“
 

Er unterdrückte seine Bedenken und ein Gähnen und stand auf. „Ich bin wach, Okami-dono. Bitte kommt herein.“

Die Tür wurde aufgeschoben und eine ältere Frau mit einem Korb voller Verbandssachen trat ein. Nozomi folgte ihr mit einem Tablett Essen. Ihre Augen blieben auf den Fußboden geheftet und ihre Wangen waren leicht gerötet.
 

Okamis fasste augenblicklich Kenshins bandagierte Schulter ins Auge, wo das Blut schon durch die Verbände bis zum Stoff des Gis durchgesickert war. Sie seufzte laut.

„Ich habe mir schon gedacht, dass du meinen Anweisungen nicht folgst, Himura-san,” sagte sie kopfschütteln. Sie befahl Nozomi, dass Essen am Boden abzusetzen.

Das Mädchen tat wie geheißen und verließ dann eilig den Raum.
 

„So,“ fuhr Okami fort, „dann lass mich deine Wunde mal anschauen. Bitte setz dich, Himura-san.“

Kenshin zog vorsichtig seinen Gi aus und setzte sich in die Mitte des Raumes. Sie kniete sich neben ihm und löste den Verband an seiner Seite. „Nicht schlecht,“ murmelte sie, während sie die alten Bandagen weglegte und die Wunde inspizierte. „Die Verletzung heilt schneller als ich gedacht hatte. Du hast Glück gehabt, es war ein sauberer Schnitt.“

Sie strich eine frische Salbe auf die Wunde und verband sie neu. Danach wandte sie sich der verletzten Schulter zu. Dieses Mal blieb Kenshin nicht so ruhig. Aus ihrem Augenwinkel sah sie ihn schon bei einer leichten Berührung zusammenzucken.
 

“Wie fühlt sich diese Wunde an, Himura-san?” fragte sie vorsichtig.

„Fühlen?“ Er hielt einen Moment inne und überlegte. “Sie fühlt sich normal an, denke ich. Nicht anders wie die sonstigen Verletzungen, die ich schon hatte. Warum?“

„Wie fühlt es sich an, wenn du deinen Arm bewegst?“

„Es tut weh,“ gab Kenshin zu. „Aber wie ihr schon gesagt habt, es ist eine tiefe Wunde. Ich erwarte also nichts anderes. Warum diese Frage, Okami-dono?“
 

Sie seufzte. „Die Schulterverletzung ist nicht gut geheilt. Ich habe Angst, dass sie sich vielleicht entzünden könnte. Die Haut um den Schnitt herum ist ganz gerötet, noch mehr wie gestern Nacht. Du solltest wirklich einen Doktor besuchen, Himura-san. Ich kann dir bei einer Infektion nicht mehr weiterhelfen.“
 

„Verstehe. Allerdings würde ich momentan lieber keinen Doktor...“

“Es könnte noch schlimmer werden!”

Kenshin nickte. “Ich weiß. Aber wenn mir der Arzt Schmerzmittel gibt, kann ich mich nicht mehr richtig konzentrieren. Das kann ich mir nicht erlauben.“

Die Frau schüttelte den Kopf. „Wenn es sich entzündet, verlierst du vielleicht deinen Arm. Erzähl mir nicht, dass du dir DAS erlauben kannst.“

Kenshin antwortete nicht. Okami verarztete die Wunde vorsichtig weiter.

„Himura-san,“ sagte sie nach einer Weile leise, während sie frische Verbände um die Schulter wickelte. „Schau mich bitte an.“
 

Kenshin wandte sich zu ihr um. „Was ist, Okami-dono?“

Doch sie antwortete nicht, sah ihn nur zurückgelehnt einige Sekunden lang an. Dann nahm sie – sehr zu Kenshins Überraschung – sein Kinn sanft in ihre Hand und hob seinen Kopf an, um ihm genau ins Gesicht schauen zu können.

Er blinzelte sie verwirrt an, während sie ihn wieder losließ und verwirrt den Kopf schüttelte. „Wenn du nicht diese Narbe hättest...“ Ihre Stimme verlor sich.
 

Seine Augen weiteten sich. „Okami-dono?“

Sie sah ihm in die Augen. „Wenn du die Narben nicht hättest, Himura-san... die in deinem Gesicht und die anderen an deinem Körper, die ich kenne, dann... würde ich es nicht glauben.“

Er starrte sie an. „Was glauben?“

„Du hast Narben, die ich noch nie gesehen habe, Himura-san,“ erklärte Okami verwirrt. „Und die sind nicht neu. Außerdem...“ Sie lächelte ihn schwach an. „...du hast nicht mehr das Gesicht eines Kindes. Du hast viel durchgemacht, das weiß ich. Aber Sorgenfalten vertiefen sich weniger durch Stress als durch fortschreitende Zeit.“
 

Kenshin öffnete den Mund, um irgendwas zu sagen, doch sie hielt ihm ihren Finger davor und brachte ihn so zum Schweigen. „Ich will nichts hören, warum oder was, nichts. Ich will nur wissen, ob meine Vermutung richtig ist. Das ist alles.“

Kenshin schaffte es, zu lächeln während er seinen Gi wieder anzog. „Um ehrlich zu sein, habe ich mich gefragt, ob ihr es nicht schon letzte Nacht entdeckt habt,“ antwortete er. „Ich war mir sicher, aber ihr habt bis jetzt noch nichts gesagt.“

„Ich war mir nicht sicher. Es kam mir komisch vor, aber du hattest Schmerzen und ich war so beschäftigt, mich um die Schulter zu sorgen...“

Er nickte. „Ihr und Katsura seid die einzigen, die Bescheid wissen. Ich wünsche mir, dass das auch so bleibt.“

„Natürlich, Himura-san,“ bekräftigte Okami. „Ich mische mich in nichts ein. Aber früher oder später wird es auch Anderen auffallen.“
 

Der Rotschopf sah sie traurig an. „Wahrscheinlich nicht. Viele schauen mir ja nicht mal ins Gesicht. Wie, denkt ihr, können sie die Veränderungen an mir sehen, wenn sie krampfhaft versuchen, mich gar nicht zu sehen?! Ich war ein schattengleicher Attentäter, Okami-dono. Viele der Männer wünschen sich immer noch, dass ich nur ein Schatten wäre.“
 

Sie verbeugte sich und stand auf, den Korb mit Verbandssachen in ihren Händen. „Vielleicht hast du recht, Himura-san. Ich weiß nicht. Ich betreibe nur diesen Gasthof und beobachte die Männer tag ein und tag aus. Woher sollte ICH also IRGENDETWAS wissen, hmmmm?“

Kenshin lächelte sie an. „Wahrscheinlich wisst ihr mehr, als ich,“ gab er mit einem leichten Lachen in der Stimme zu.

Sie sah ihn an, ihre Augen voller Wärme. „Es ist schön, dich wieder lächeln zu sehen, Himura-san. Es ist lange her, seit dem letzten Mal. Ich dachte, dass du es vielleicht verlernt hättest. Und ich freue mich auch, dass du noch lebst. Ich hatte schon Angst, was wohl aus einem Kind werden wird, dass zum töten gezwungen wird. Es scheint, dass aus dir ein feiner Mann geworden ist. Ich freue mich für dich.“
 

Kenshin schaute sie stumm und mit tellergroßen Augen an.
 

Sie drehte sich lächelnd um. „Ich wünsche dir guten Appetit, Himura-san,“ nickte sie in Richtung des Tabletts am Boden und verließ dann den Raum.
 

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Harada Sanosuke saß alleine in seinem Zimmer und brütete über einem Stadtplan von Kyoto. Tintenkreuze waren auf all den Orten eingezeichnet, an denen Battousai gesichtet worden war. Schon seit zwei Stunden starrte er jetzt auf dieses Muster und hoffte, es zu entschlüsseln. Vielleicht gab es ja Hinweise auf einen Ort, um den sich die Kreuze gruppierten? Oder vielleicht sogar ein System? Aber alles schien ihm nach wie vor willkürlich. Battousai war nur dort, wo er eben gerade gebraucht wurde. Das war alles.
 

Er durchlöcherte die Karte mit seinen Blicken. Er hatte Befehl von Kondo erhalten, Battousai so schnell wie möglich aufzuspüren. Der Anti-Attentäter war augenscheinlich schon damit beschäftigt, Hitokiri Shishio zu verfolgen. Es würde sich nur noch um Tage handeln, bevor die beiden aufeinander treffen mussten. Dass bedeutete, dass auch er, Harada, innerhalb weniger Tage Erfolg haben musste. Es gab keine Zeit für Fehler.
 

Aber es gab auch kein MUSTER! Wie sollte er dann Hitokiri Battousai mit dieser dämlichen Karte ausfindig machen können?!
 

„Probleme, Sanosuke?“
 

Haradas Kopf schoss hoch und blickte dem Anführer der Dritten Einheit entgegen, der lässig in der Tür lehnte.
 

„Was willst du, Hajime?“
 

Saito grinste schief und betrat den Raum. „Eigentlich nichts. Du hast nur so konzentriert ausgesehen, dass ich dachte, du könntest in Schwierigkeiten stecken.“

Harada funkelte wieder die Karte an, das fand er besser, als den Schwertmann direkt neben ihm ins Auge fassen zu müssen. „Wie jagt man einen Schatten-Attentäter, Hajime? Seine Angriffe haben keinerlei Muster. Er hinterlässt kaum Überlebende. Niemals eine Blutspur. Selbst wenn ich eine ganze Einheit auf die Strasse schicke, dann finden sie nicht mal ein rotes Haar von ihm, wenn er es nicht will.“
 

Saito beäugte die Karte. „Erwartest du wirklich, Battousai würde dir ein nettes, kleines Muster hinterlassen? Warum nicht gleich eine Spur von Brotkrumen?“
 

Der Anführer der zehnten Einheit rümpfte beleidigt die Nase. Saito ließ sich davon nicht abschrecken.

„Du bist Battousai noch nie begegnet, deswegen ein Ratschlag von mir, Sanosuke.“ Der große Wolf lehnte sich vor und verschmälerte die Augen. „Unterschätze ihn niemals. Es wäre das letzte, was du in diesem Leben tust. Wenn das denn der echte Battousai ist, den du jagst.“
 

„Glaubst du immer noch an, dass es einen falschen Battousai geben könnte?“
 

Saito zuckte die Achseln. „Es hat keine Bedeutung, was ICH glaube. ICH bin ja nicht derjenige, der ihn aufspüren muss, oder?“

Harada klatschte die Hand auf die Karte. „Warum bist du hergekommen, Saito?“ fragte er wütend.

Der Wolf grinste zynisch. „Ich will beweisen, dass ich recht habe. Ich will zudem wissen, wer GENAU dieser zweite Battousai wirklich ist. Wenn du den echten Battousai aufspürst, dann warne ich dich vor seinen zwei Hauptangriffen. Natürlich benutzt er meistens eine Battoujutsu-Attacke. Versuche nicht, ihm mit Schnelligkeit zu besiegen und beobachte seine linke Hand mit der Schwertscheide. Falls er, zweitens, verschwinden sollte, dann kommt er wahrscheinlich von oben, also schütze deinen Kopf und deinen Rücken.“
 

„Von oben?“
 

„Die Technik heißt Ryu Tsui Sen. Er greift aus der Luft an – wenn du diesen Angriff nicht rechtzeitig durchschaust, dann schaust du danach gar nichts mehr.“ Seine Augen verdunkelten sich. „Das war alles. Bitte tu mir einen Gefallen.“
 

Harada verengte die Augen. „Was?“

„Beobachte ihn für mich, Harada. Lass mich wissen, wie er kämpft. Wie er angreift.“ Saito hielt kurz inne. „WENN er überhaupt angreift.“
 

„Ich muss dir über nichts Bericht erstatten, Saito,“ schnauzte Harada.
 

Saito lächelte kalt und bescherte dem anderen Mann damit eine Gänsehaut. „Natürlich MUSST du nichts. Aber Kondo-san hat ausdrücklich gewünscht, dass du ihm Bescheid gibst, ob es sich um den echten Battousai handelt oder nicht. Und da niemand von uns je einen Kampf mit Battousai überlebt hat außer mir selbst und Okita, wirst du wohl einen von uns beiden um Bestätigung fragen müssen...“
 

Harada antwortete nicht.

Saito grinste und deutete auf der Karte an einen Ort nahe dem Stadtrand. „Letzte Nacht habe ich mit ihm in dieser Gegend gekämpft. Ich glaube nicht, dass er zu der Gruppe gehörte, die wir verfolgt haben. Er war alleine unterwegs. Wenn ICH diese Mission bekommen hätte, dann würde ich an dieser Stelle anfangen zu suchen.“
 

Er drehte sich um und war schon dabei, das Zimmer zu verlassen, als er in der Tür noch einmal kurz stehen blieb. „Vielleicht hat Battousai ja dort etwas gesucht...?“
 

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1878
 

Sagara Sanosuke lief ziellos durch die Strassen von Kyoto und hoffte gegen seine es besser wissende Vernunft, dass er seinen rothaarigen Freund irgendwo entdecken würde. Sano wusste nicht einmal, wo er suchen sollte, er war nur wenige Male in Kyoto gewesen und wenn, dann meistens in irgendwelchen Restaurants. Keine Orte, an denen Battousai häufig anzutreffen wäre. Der einzige Ort aus Kenshins Vergangenheit, den Sano kannte, war der alte Gasthof, zu dem Battousai in seiner ersten Nacht in Kyoto geeilt war. Aber der Kämpfer wusste nicht einmal mehr, wo genau das gewesen war.
 

Vor Frustration knirschte er mit den Zähnen. „Warum musst du auch einfach so verschwinden, Junge?“ grummelte er und befreite sich so von der Stille der stummen Gassen. Irgendwas an diesen wie tot daliegenden Strassen beunruhigte ihn. Vor allem diese Strassen hier am Rande der Stadt. Hier wurden die Hingerichteten ausgestellt.
 

Sein Gesicht verfinsterte sich.

Oder, in einigen Fällen, nur die Köpfe der Hingerichteten. Sano verschnellerte seine Schritte und heftete seine Augen auf die Strasse. Er hatte eine ungefähre Ahnung, wo er gerade war. Hier in der Nähe musste damals auch der Kopf von seinem Kommandanten Sagara ausgestellt worden sein.
 

Sano blieb plötzlich stehen, als die Wellen zehn Jahre alter Erinnerungen über ihn hereinbrachen. Er hatte nach der Zerschlagung der Sekihou-tai diese Stelle eine Woche lang jeden Tag aufgesucht. Er hatte nicht gewusst, was er sonst hätte tun sollen. Er war damals nur ein Kind gewesen, plötzlich ganz allein auf der Welt. Zu schwach, um zusammen mit seinem Kommandanten zu kämpfen und ihn zu beschützen. Zu schwach, um sich selbst richtig zu schützen.
 

Er erinnerte sich an die Stimme, die ihn sonst nur in seinen Albträumen heimsuchte. Vorwurfsvoll wisperte sie dann immer, „was wäre wenn?... hätte Kommandant Sagara vielleicht überlebt, wenn er sich damals nicht entschieden hätte, ihn zu beschützen?“

Sano erzitterte. Vor ihm sah er die Brücken. „Kein Wunder,“ dachte er, „dass ich mich damals vor Schuld fast umgebracht hätte.“
 

Was hatte ihn damals überhaupt noch mit dem Leben verbunden?
 

Erst als Sano die Brücke betreten hatte, bemerkte er, wo genau er wirklich war. Er blinzelte und vergewisserte sich, dass alles um ihn herum wirklich real war. Es war die selbe Brücke, von der er zusammen mit Kenshin in den Fluss gefallen war.

Und... die SELBE Brücke, auf der ihm vor zehn Jahren der tödlichste aller Hitokiri des Bakumatsu das Leben gerettet hatte. Sano lehnte sich an das Geländer und schloss die Augen.
 

„Hat das hier irgendwas zu bedeuten?“ überlegte er. „Warum der selbe Ort? Ist das Zufall, dass du mich damals auch hier gerettet hast?“

Sano lächelte grimmig. „Und wie hab ich dir das heimgezahlt? Ich hab dich mit in den Fluss gestoßen. Kenshin... bist du jetzt vielleicht auch in einer anderen Zeit gestrandet?“

Seine Augen sprangen plötzlich auf und nackte Angst ergriff von ihm Besitz. „Oh mein Gott... bist du... bist du vielleicht DAMALS wieder aufgetaucht?“
 

Sano schlug mit der Faust gegen das Geländer, das knarrend aufächzte. „Verdammt,“ fluchte er wütend, „ich bin so ein Idiot. Wenn Battousai hier ist, dann musst DU seine Stelle eingenommen haben. Ich bedanke mich für alles, was du für mich getan hast, indem ich dich zurück in die Hölle stoße.“
 

Sano biss die Zähne zusammen und schaute auf in die eisigen Fluten des Flusses. Ein kalter Wind wehte Wolkenfetzen am hellen Mond vorbei.

„Warum? Egal, wie alt ich werde, egal wie stark. Irgendwie bringe ich immer die Leute, die mir am wichtigsten sind, in Schwierigkeiten.

Es tut mir leid, Kenshin. Wenn du aus der Sache wieder lebend zurückkommst, dann, bei Gott, werde ich nie mehr eine Dummheit anstellen,“ flüsterte er, seine Augen verhärteten sich. „Bis dahin werde ich Battousai mit meinem Leben beschützen. Ich werde nicht zulassen, dass ihm unter meiner Obhut etwas zustößt.“ Er sah auf in den bewölkten Nachthimmel. „Hörst du mich, Kenshin?“ rief er laut. „Ich kümmer’ mich hier um alles! Sorg du nur dafür, dass du wieder nach Hause kommst. Ich würde es mir nie vergeben, wenn du nicht mehr zurückkehrst.“
 

Die einzige Antwort, die Sano erhielt, war das dumpfe Rauschen des Flusses.

Sano ballte die Fäuste. „Ich werde nicht noch einen Freund an diese verdammte Revolution verlieren.“
 

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Hiko hatte das kleine Sakeschälchen schon seit einer Weile nicht mehr angerührt, denn der einzige Weg, den Alkohol, den er jetzt brauchte, zu bekommen, war, ihn direkt aus dem Krug zu trinken. Battousai nippte unterdessen noch an seinem ersten Schälchen. Er sah überall hin, nur nicht zu seinem Shishou.
 

Hiko studierte seinen Baka Deshi näher. Äußerlich hatte er sich nicht groß verändert. Die gleichen roten Haare und die schlanke Form. Doch wenn man ihn näher ansah, war klar, dass er zu jung war, um der Rurouni sein zu können. Aber WER würde schon auf den Gedanken kommen, SO genau hinzuschauen? Der Schwertmeister seufzte. Zur Hölle, ER selbst hätte den Unterschied nicht bemerkt, wenn ihm nicht plötzlich die seltsamem Begebenheit vor dreizehn Jahren eingefallen wäre... damals hatte er sich in einer ähnlichen Situation befunden. Nur mit einem anderen Kenshin. Er trank einen tiefen Schluck. Damals war ihm alles irgendwie einfacher vorgekommen.
 

Das Problem hier, so hatte Hiko festgestellt, war, dass er jetzt das ganze Ausmaß dessen sah, was die Revolution aus seinem Schüler gemacht hatte. Er hatte bisher nicht realisiert, dass Kenshin so tief abgestürzt war, selbst als Battousai. Er hatte zwar Angst gehabt, dass es passieren könnte, aber als sein Baka Deshi vor Monaten zu ihm zurückgekehrt war, um sein Training zu vollenden, wirkte er in Ordnung. Natürlich labil, aber nichts war so schlimm zerstört, dass man es nicht reparieren hätte können. Es war Hiko bisher noch nicht gedämmert, dass Kenshin zehn Jahre der Wanderschaft gebraucht hatte, um überhaupt an diesen Punkt zu kommen.
 

Hiko funkelte zuerst seinen Sake-Krug und dann den Rotschopf an, während er überlegte, wie er jetzt weitermachen konnte. Kenshin hatte schon immer nur unter Druck seine Höchstform erreicht. Ihn erschrecken oder wütend machen... selbst ein bisschen verletzten... das hatte in der Vergangenheit immer funktioniert. Damit hatte er den verwirrten Jungen davon abhalten können, sich zu sehr in sich selbst zurückzuziehen. Und damit hatte er den Teenager zu immer neuen Höchstleistungen fordern können.
 

Hier würde das jetzt nicht funktionieren. Battousai war offensichtlich schon an der Grenze seiner Belastbarkeit angelangt. Mehr Druck würde ihn zerstören und so brutal Hiko auch oft wirkte, er kümmerte sich trotz allem um Kenshins Wohl.
 

Irgendwie musste er zu dem Jungen durchdringen, ohne ihn zu verletzten. Hikos Gesicht verfinsterte sich. Dieses Gebiet war Neuland für ihn.
 

Ohne Vorwarnung stelle Battousai sein Schälchen plötzlich ab und wollte aufstehen. „Ich sollte gehen,“ sprach er mit ausdrucksloser Stimme.
 

„Was?“ Aus seinen Gedanken gerissen stellte Hiko den Krug auf den Boden.

Der Junge starrte in seine Hände. „Ihr habt mich die letzten zehn Minuten nur wütend angeschaut. Ich habe eure Zeit genug verschwendet. Ich gehe. Entschuldigt meine Störung, Shishou.“ Er stand auf seinen Beinen.
 

„Setz dich!“, brummte Hiko und verbarg seine Überraschung hinter zusammengezogenen Brauen.

„Wie?“ Battousai sah ihn endlich an.

Hiko nutzte diese Gelegenheit, um ihn WIRKLICH wütend anzuschauen. „Ich sagte, setz dich! Ich bin noch nicht mit dir fertig.“
 

Battousai fiel zurück auf seine Knie, sein Blick war argwöhnisch. „ICH wäre nicht gekommen. Ich hätte mit Katsura-san gesprochen, wenn er noch leben würde,“ fing Battousai an, nicht sicher, was er eigentlich sagen wollte. „Aber mit euch-...“

„Halt den Mund, baka,“ schnappte Hiko. „Sehen wir zu, wie wir dich wieder nach Hause bringen, dann brauchst du nicht in Kyoto herum lungern und dich von jeder Brücke werfen.“
 

Battousai sah den älteren Mann scharf an, erntete aber nur ein zynisches Grinsen.

„Fangen wir mit dem Offensichtlichen an. Irgendeine Idee, wie du hierher gekommen bist?“ fragte Hiko.
 

„Nein.“ Die Stimme des Jungen war kalt und emotionslos.

„Gut. Dann vielleicht eine Idee, warum?“
 

„Nein.“
 

Hiko nahm einen tiefen Schluck aus seinem Krug. „So, das heißt, du siehst keinerlei Sinn und Zweck bei diesem Vorfall?“
 

„Nein.“
 

Hiko hob eine Augenbraue. „Kennst du auch ein anderes Wort außer Nein? Oder hat die Revolution dein Vokabular dermaßen eingeschränkt?“
 

Battousai verschloss sich augenblicklich noch mehr und Hiko trat sich gedanklich in den Hintern. „Toll, Seijuro. Warum nicht alles dafür tun, dass der Junge noch mehr Mauern um sich herum baut...“
 

Er änderte seine Taktik, irritiert, dass sein Baka Deshi so stur war. Natürlich, wann hatte Kenshin schon wirklich mit ihm kooperiert?

„Hör mir zu, baka... Ich kann dir nicht helfen, wenn du mir nicht hilfst. Ich war ja nicht dabei, als diese ganze Sache passier ist.“ Er grinste. „Außerdem weiß ich, dass du gerne von mir wegwillst, also seh es doch einmal auf die Art und Weise: Je mehr wir herausfinden, desto eher bist du weg. Also, noch einmal... gibt es vielleicht irgendeinen Grund für diese Zeitreise?“
 

„Ich sagte es schon einmal: Nein!“, schnauzte Battousai. „Hier ist nicht der richtige Ort für mich. Nirgendwo... ist der richtige Ort für mich,“ murmelte er. „Also, was für einen GRUND könnte das Ganze dann haben?“
 

Beide Männer waren still. Der Junge trank erneut aus seinem Sakeschälchen. Hiko starrte in seinen Krug und war abermals frustriert, dass er es nicht schaffte, zu seinem baka deshi durchzudringen.
 

„Du hast hier Freunde, weißt du,“ begann er nach einer Weile erneut, fühlte sich dabei aber ziemlich unwohl. Mit einem wütenden Jungen konnte er umgehen, aber mit einem depressiven?

„Hör auf, zu denken, dass es für dich keinen GRUND zu leben gibt.“
 

„Ich habe nichts,“ sagte Battousai leise. „Diese Freunde hier sind nicht MEINE. Es sind SEINE. Und ich halte ihn davon ab, bei ihnen zu sein.“

„Was schwafelst du da?“

Der Rotschopf sah wütend darüber aus, dass er alles erklären musste. „Er ist verschwunden, als ich hier ankam. Also nehme ich an, dass er meine Stelle bei Katsura-san eingenommen hat. Er ist jetzt dort, wo ICH sein sollte. So lange ich hier bin, kann er nicht bei seinen Freunden sein. Sobald sie das auch erkennen, werden sie mich hassen. So wie die Lage jetzt ist, akzeptieren sie mich nur, weil sie mich immer noch für IHN halten.“
 

„DU bist ER,“ erklärte Hiko. „Ihr seid eine Person, baka. Es sind also auch DEINE Freunde. Unterschätze sie nicht, sie sind nicht so dumm, wie sie aussehen. Vor allem das Mädchen sorgt sich genug um dich, dass sie...“

„Sie sorgt sich nicht um MICH. Sie liebt IHN!“ explodierte es plötzlich aus dem Jungen hinaus. Überrascht, verschluckte sich Hiko fast. „Sie liebt eine Person, die ich vielleicht einmal werden könnte.“ Frustriert sah der Hitokiri weg.

„Ich weiß nicht, wer ER überhaupt ist. Wie kann ich eine Person sein, die ich selbst überhaupt nicht kenne?“
 

Hiko schloss seine Augen vor dem Schmerz, der dem Jungen jetzt ganz offensichtlich im Gesicht geschrieben stand. Doch auch durch die Lider hindurch fühlte er Kenshins Ki. Es war kalte Leere.

„Du willst wissen, was für eine Person er ist?“ wiederholte Hiko ruhig.

Er öffnete seine Augen und warf dem Jungen einen abschätzenden Blick zu. „Er ist ein guter Mann,“ antwortete er sanft.

Sein Baka Deshi starrte ihn mit offenem Mund an.
 

“Er ist ein Baka,” fuhr Hiko fort, “der durch die Gegend zieht und Menschen rettet, selbst, wenn er sich dadurch in Lebensgefahr begibt. Weil er in seinem Dickschädel den Gedanken mit sich herumträgt, dass er allein Japan besser machen kann. Er ist zu stur um auf Leute wie mich zu hören, die es besser wissen. Und nur um mich zu ärgern, bekräftigt er seinen Idealismus noch. Er verhält sich sehr wie ein gewisser Junge, den ich einmal kannte. Ein Baka mit einem guten Herzen. Das ist ER. Das bist DU.“
 

Battousai wollte ihn nicht anschauen. War das wirklich, wie sein Shishou ihn sah? War es möglich, dass er ihn vielleicht sogar ein bisschen respektierte?

„So, ich bin also immer noch ein Baka,“ murmelte er laut, während er seine Gedanken zu sortieren versuchte. „Klingt ja toll.“
 

Hiko schnaufte. „Baka ist kein böses Wort. Selbst große Männer können Bakas sein.” Er grinste. „Verdammt, ich war ein Baka, als ich dich vor den Banditen gerettet habe – all die Männer habe ich getötet um einen kleinen Jungen zu retten, den ich nicht mal kannte.“

Sofort bemerkte Hiko, dass er gerade das falsche gesagt hatte. Irgendetwas verschloss sich hinter den Augen des Jungen und das leere, verlorene Gefühl in seiner Ki intensivierte sich noch.
 

„Ihr hättet mich damals sterben lassen sollen,“ sagte der Jugendliche mit hohler Stimme. „Schaut nur, was ich angerichtet habe. Die Leben, die ich zerstört habe. Was für einen GRUND kann mein Leben haben, Shishou?“
 

Hikos Augenbrauen zogen sich zusammen. Das Gespräch hatte sich wieder rückwärts entwickelt. Es schien, dass all seine Worte nur bewirkt hatten, dass sich Battousai vor ihm zurückzog.

... Und sein letzter Kommentar hatte ihn anscheinend verletzt. Hiko hatte seinen eigenen Grund zu leben schon verloren, als er sehr jung war, lange bevor er den Jungen, Shinta, aufgenommen hatte. Er hatte den Glauben an seine Fähigkeiten verloren, hatte sich machtlos angesichts des Leidens um ihn herum gefühlt. Und auch wenn er es nie laut gesagt hatte - der Grund, ein neuer Sinn in seinem Leben, kniete hier vor ihm auf dem Fußboden.
 

„Was ist mit dir passiert?“ grummelte er. „Ich dachte du wärst stärker als das. Was ist mit dem Jungen passiert, den ich kannte – der eigenhändig die Sklavenhändler und Mörder begraben hat... weil am Ende alle nur Menschen sind?“ Für einen Moment verrutschte die sorgfältige Maske von Hiko Seijuro und in seinem Gesicht spiegelte sich ein unverfälschter Ausdruck von Schmerz.
 

Battousai sah weg, unfähig, die glühenden Augen seines Shishous anzublicken. Dieser Schmerz im Gesicht seines Meisters war zu viel für ihn. „Was ist gerade passiert,“ überlegte er, dass erste Mal in Sorge um den so mächtigen Schwertmeister. „Habe ich ihn bestürzt? Das verstehe ich nicht. Er hasst mich. Wie kann ich jemanden verletzen, der mich hasst?“
 

Hiko fuhr fort. „Was ist mit der Person passiert, die ich als würdig genug erachtete, mein Schüler zu werden?“ Seine sonst so harsche Stimme nahm einen weicheren Klang an.
 

„Ich habe ihn getötet.“ Battousais eigene Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.

„Kenshin...“

Battousai sah abrupt auf, seine Augen glühten bernsteinfarben. “Nennt mich nicht so,” herrschte er Hilko an, seine Stimme frostig. „Kenshin ist der Name eines Schwertkämpfers. Ich bin nur ein Mörder.“

Hiko war jetzt auf den Beinen, seine große Statur schien die ganze Hütte auszufüllen. Seine Wut entströmte ungebremst seinem Körper und der Junge fühlte es deutlich. Der Schwertkämpfer verengte die Augen und stellte mit tiefer und gefährlich klingender Stimme klar: „Ich habe dir den Namen gegeben und deswegen kann ich dich verdammt noch mal auch so nennen... Kenshin!“
 

Etwas in den Augen des Jungen wurde weicher, als er die Entrüstung seines Shishous fühlte. Er verbeugte sich tief und sah zum ersten Mal wirklich wieder wie der verletzte, verwirrte Junge aus, den Hiko zu seinem Schüler gemacht hatte.
 

„Es tut mir leid, Shishou,“ entschuldigte er sich leise. „Ich wollte nicht unhöflich sein. Ich war nicht ganz bei mir.“ Er sah wieder auf, seine Augen verhärteten sich erneut. „Wie auch immer, ich werde diesen Namen nicht zusammen mit mir zerstören. Ich habe eine Entscheidung getroffen, Shishou. Ich weiß, dass ihr es hasst und ich weiß, dass Ich euch dazu gebracht habe, mich dafür zu hassen, aber ich habe MICH dafür ENTSCHIEDEN, ein Hitokiri zu werden.“

Seine Augen blickten leer und unbestimmt geradeaus, als ob er in Gedanken Meilen entfernt wäre. „Ihr hattet recht,“ wisperte er. „Ich habe mich selbst als Mörder gebrandmarkt. Ich habe meine Seele zerrissen. Ich bin nicht mehr der Junge, den ihr kennt. Ich bin nicht Kenshin. Er war am Ende nur ein weiterer Schwertkämpfer, den ich getötet habe. Ich bin jetzt nur noch ein Mörder. Hitokiri Battousai. Nichts mehr.“
 

Er sah endlich zu Hilko auf. „Es tut mir Leid, Hiko-sama, dass ich euren Schüler getötet habe. Nennt mich ruhig einen Mörder. Aber beschmutzt nicht diesen Namen mit mir.“ Seine Stimme klang flehend und seine blauen Augen waren aufgerissen.
 

Die Maske war zerbrochen und ironischerweise sah Hiko jetzt genau SEINEN Kenshin zum ersten Mal an diesem Abend in den Augen des Jungen. Der Meister des Hiten Mitsurugi hatte bis zum heutigen Tag nicht gewusst, wie sehr Kenshin der Name, den er ihm gegeben hatte, am Herzen lag.
 

Battousai ließ seinen Kopf sinken und schloss die Augen, erschöpft wirkend wie ein kleines Kind.
 

Hiko ging vor ihm in die Knie und sprach ruppig, „nur ein Mörder?“ Er grinste spöttisch – aber ohne die sonst so übliche Arroganz. „Weißt du, wie viele ich als freies Schwert getötet habe? Mehr als Hitokiri Battousai es je für sich beanspruchen könnte.“ Er seufzte. „Du tötest für etwas, an das du glaubst. Deine Sünde war, dass du erlaubt hast, dass dich andere Menschen benutzen. Hiten Mitsurugi darf aber von niemandem benutzt werden. Ich konnte dir diesen Grundsatz nie beibringen. Aber ein Mörder...? Es bedeutet nichts, dass die Leute dich so nennen. Du bist nur dann ein Mörder, wenn du das auch von dir selber glaubst.“
 

Der Junge sah überrascht und fragend in das Gesicht seines Shishous.
 

„So,“ beendete dieser seinen Monolog, „am Ende liegt es also bei dir, Kenshin. Willst du ein Mörder sein, oder willst du jemand sein, der für eine bessere Welt kämpft? Du hast diese Frage schon selbst beantwortet... es ist DEINE Entscheidung.“
 

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wie wird es weitergehen? Ich kann nur sagen: Spannend. Denn Kenshin wird in einen neuen Kampf verwickelt. Und auch Battousai hat zu kämpfen... allerdings mit sich selbst...

Bis dahin,

...

Moment der Schwäche

Kenshin verwickelt sich in einen Kampf mit den Shinsengumi... und Battousai lernt seinen Shishou besser zu verstehen - und umkehrt.
 

Out of Time
 

Kapitel 18 – Moment der Schwäche
 

1865
 

Die Sonne war endlich untergegangen. Ihre letzten, goldenen Strahlen erglühten noch einmal auf den Dachspitzen der Häuser, bevor alles in samtschwarze Dunkelheit hinabsank. Vom Balkon der Herberge aus hatte Kenshin diese schreckliche Verwandlung, die Kyoto jeden Abend durchmachte, beobachtet. Das pulsierende Leben der Stadt erlöschte mit den letzten Sonnenstrahlen, wurde ausradiert von den Schatten der Nacht. Kyoto – Nachts war es, als ob die Hölle persönlich ihre Tore öffnen und ihre Dämonen in diese Stadt entsenden würde. Vielleicht WAR Kyoto nachts auch wirklich die Hölle, und die Sonne und die Menschen und das LEBEN tagsüber war nur ein Trugbild.
 

Als die Welt dunkel geworden war, wandte Kenshin sich vom Balkon ab und steckte sein Sakabatou in seinen Obi. Es war seltsam, Kyoto so zu beobachten. Ihm war dieser tiefere Sinn der Abenddämmerung noch nie so aufgefallen. Vielleicht gerade deshalb, weil er selbst zu den Dämonen gehört hatte, die nachts in der Stadt entfesselt wurden. Was sonst sollte man von einem der Gefallenen erwarten?
 

Kenshin schlüpfte aus der Tür seines Zimmers. Jetzt, mit über einem Jahrzehnt Abstand, konnte er die Strassen der Hölle endlich gestochen scharf erkennen. Unverhüllt den Horror der Nächte aufnehmen. Er konnte jetzt alles hassen. Und es verdammen. Und es fürchten. Seltsamerweise gab ihm das Zuversicht, denn vielleicht war es selbst gefallenen Engeln möglich, Vergebung zu finden, einen neuen Anfang zu wagen...
 

Er schaffte es, die Herberge unbemerkt zu verlassen und atmete erleichtert auf, als er alleine in der kalten Nachtluft stand. Er wollte nicht, dass Okami mitbekam, das er trotz seiner Wunden unterwegs war. Und er hatte Angst, dass Katsura ihm vielleicht aus Sorge eine Eskorte an die Fersen heften würde und das würde alles verderben. Jetzt hatte er etwas zu tun, und zwar alleine. Niemand sonst würde ihm dabei helfen können, den Jungen zu finden und ehrlich gesagt, jemand an seiner Seite, der von der ganzen Sache keine Ahnung hatte, würde ihn auch nur behindern. Zeit war etwas, was Kenshin jetzt nicht länger verschwenden wollte.
 

Zögernd verharrte er einen Moment lang im Schatten der Herberge. Wo sollte er mit der Suche anfangen? Die Brücke vielleicht? Es war einen Versuch wert. Viel mehr Möglichkeiten ergaben sich für ihn im Moment sowieso nicht.
 

Er huschte durch die stille Stadt. Bereits kurz nach der Dämmerung waren die Strassen schon so verlassen, dass Kenshin nur noch in den Schatten Deckung finden konnte. Nicht, dass das für ihn ein Problem gewesen wäre. So wäre es auch möglich, den Jungen einfacher zu finden. Auf einmal spürte er entfernt eine starke Ki, und er verharrte geräuschlos und gespannt, aber Sekunden später war sie verschwunden. Vielleicht hatte er es sich nur eingebildet. Dennoch war er beunruhigt und beeilte sich jetzt noch mehr.
 

Gerade, als sich Kenshin den Randbezirken der Stadt näherte, spürte er die Anwesenheit einer Patrouille. Er fühlte ihre Ki, eine andere wie vorhin, noch bevor er ihre Schritte hörte. Sofort schlüpfte der Rotschopf in eine schmale Gasse, genau in dem Moment, in dem die Männer auf der breiten Strasse auftauchten. Kenshin drückte seinen Körper gegen ein schmales Gebäude und versuchte, den protestierenden, pochenden Schmerz an seiner Schulter zu ignorieren. Er wollte jetzt nicht kämpfen. Er war sich nicht einmal sicher, ob er es KONNTE. Auch wenn es ihm nicht gefiel, Okami hatte Recht gehabt: Seiner Schulter ging es immer schlechter. Schnelles Bewegen des Armes bereitete ihm Schmerz. Schnelles Bewegen des Armes UND des Sakabatou war etwas, woran er gar nicht denken mochte.

Langsam passierte ihn die Patrouille. Einen Moment lang machte Kenshins Herz einen Sprung, als er befürchtete, einer der Männer könnte stehen bleiben und ihn in der Seitengasse entdecken. Er hörte seinen lauten Atem und befürchtete, die Männer könnten ihn auch hören.
 

Endlich kam der Anführer der Einheit zum Vorschein. Ein großer, vernarbter Mann mit einem wütenden Gesicht. Kenshin kannte ihn. Es war Harada Sanosuke.

Sie waren sich beide schon einmal begegnet, allerdings erst am Ende des Bakumatsu. Der Mann war ein exzellenter Schwertkämpfer und noch besser mit dem Speer. Nicht der gleiche Kaliber wie Saito oder Okita, aber sicherlich unbesiegbar in seiner jetzigen Kondition.
 

Die Einheit passierte die Strasse, ohne die Seitengassen zu kontrollieren. Sobald sie außer Sichtweite waren, bewegte sich Kenshin vorsichtig und folgte anstelle der breiten Strasse nun dem Netzwerk der kleinen Gassen. Es war ein längerer Weg aber sicherer.
 

Er war nahe am Stadtrand, als er den starken Geruch wahrnahm und gefror. Es war ein Geruch, den er nur allzu gut kannte. Der Geruch des Todes. Etwas oder JEMAND war ganz in der Nähe getötet worden. Aber es roch schon so, als ob der Todeszeitpunkt mehr als einen Tag zurücklag. Warum war die Leiche nicht beseitigt worden? Selbst in Kyoto ließ man die Toten nie länger als einen Tag herumliegen.

Das Gefühl stummen Entsetzens ignorierend, folgte Kenshin weiter dem Pfad und mit jedem Schritt intensivierte sich auch der ekelerregende, süßliche Geruch.
 

Als er schließlich von der Gasse in eine der Eingangsstrassen zur Stadt hin trat, sah Kenshin im Silbernen Licht des Mondes ... nichts! Die Strasse war leer. Kenshin strengte seine Augen an. Er hatte einen Körper erwartet, Blut... irgendwas! Aber die Straße war leer.

Dann sah er es, am Straßenrand: ein kleiner Zaun. Von dort kam der Geruch. Als ob er die Kontrolle über seinen Körper verloren hätte, ging Kenshin darauf zu. Langsam trat er an den Zaun heran und sah in die Gesichter der Ausgestellten Köpfe. Kommandant Sagara der Sekihou-tai.
 

Sie waren da noch nicht lange aufgespießt, vielleicht eine Woche, aber selbst in der kalten Winterluft hatte unaufhaltsam der Verfall eingesetzt. Wenn Kenshin sich nicht an das Gesicht von Sagara hätte erinnern können – er hatte als Jungendlicher diesen Ort schon einmal aufgesucht – so hätte er den Kommandanten nicht erkannt. Er sah weg von dieser grausigen Zurschaustellung und las neben dem Zaun eine Schriftentafel.
 

„Sagara Souzou, Anführer der falschen Armee Sekihou-tai.“ Und darunter stand geschrieben: „Verräter erhalten keine Gnade.“
 

Kenshins Augen verdüsterten sich. Was war das für eine Ironie? Was für ein Recht hatten diejenigen, die diese Tafel aufgestellt hatten, über Verräter zu urteilen?!
 

„Es tut mir leid,“ sprach er leise zu den Toten. „Es tut mir Leid, was sie euch angetan haben... Patrioten wie ich selbst. Wie auch ihr. Ich weiß, wie es sich anfühlt, von den Ishin Shishi benutzt zu werden. Das haben wir gemeinsam. Beide waren wir nur Waffen für verschiedene Zwecke. Beide kämpfen wir immer noch für eine neue Ära... Wir wären fast beide auf die selbe Art und Weise gestorben.“

Kenshins Augen blickten in die Ferne. „Wenn Katsura-san nicht gekommen wäre... wenn ich Kyoto nicht verlassen hätte...“ Er unterbrach sich und sah noch einmal zu den Überresten des Kommandanten. „Mein Schicksal wäre vielleicht ähnlich gewesen. Ich wünschte, ich hätte euch zu Lebzeiten begegnen können, Sagara-san. Aber vielleicht tröstet es euch, zu wissen, dass euer Tod nicht vergessen sein wird und dass er nicht umsonst war. Ein sehr guter Freund von mir hat durch diese Nacht einen Sinn im Leben gefunden.“

Der Rurouni lächelte sanft. „Deswegen, Ruhe in Frieden.“ Er wandte sich ab. Drängte die Sorge um Sanosuke aus seinem Bewusstsein. Er hatte schon zuviel Zeit hier verloren. Er glaubte nicht, dass er den Jungen an diesem Ort entdecken würde.
 

Gerade als er begann, auf die Brücken zuzugehen, geriet er in den Hinterhalt der Patrouille. Die Wölfe hatte sich am Stadtrand verteilt. Auf der Jagd. Und Kenshin war so mit Sagara beschäftigt gewesen, dass er ihre Anwesenheit zu spät gespürt hatte. Ehe er sich versah, war er umringt. Er machte sich bereit, ihnen zu begegnen, wütend auf sich selbst. Er konnte jetzt nicht mehr fliehen, er musste sie jetzt irgendwie besiegen... irgendwie.

„Das sieht nicht gut aus,“ murmelte er zu sich selbst, während er in Battoujutsu-Stellung ging. Er ignorierte das Zwicken seiner Schulter, als er den Arm zurückschob und seine Finger den Griff seines Schwertes umschlossen. Seine Augen fokusierten Harada. Die anderen Männer waren keine Bedrohung, mit denen konnte er auch verletzt fertig werden... aber Harada. Er musste den Anführer als erstes ausschalten, und zwar rasch.
 

Sofort war die Shinsengumi-Einheit in Bewegung. Kenshin zog sein Schwert, glühender Schmerz schoss ihm durch den Arm – Sekunden später lagen vier Körper zu seinen Füßen. Keine Zeit, darüber nachzudenken. Er duckte sich genau rechtzeitig, um noch den Wind des Katanas in seinem Genick zu spüren. Mit einer Bewegung drehte er sich um und hieb seinem Angreifer den Schwertgriff in den Magen. Die nächste Bewegung brachte die zwei Männer, die ihn von hinten angreifen wollten, zu Fall.
 

Irgendwas musste die Zeit angehalten haben, denn in dem Moment, in dem Kenshin alleine dastand, nur mit Harada und einigen bewusstlosen Männern als Begleitung, war der Mond kaum einen Zentimeter weiter über die Baumwipfel gestiegen. Der Kampf hatte kaum Zeit gefordert – und doch war er Kenshin wie eine Ewigkeit vorgekommen. Langsam und schmerzlich schob er das Sakabatou zurück in die Scheide und wandte sich dem Anführer der zehnten Einheit zu. Lange würde er nicht mehr durchhalten. Kenshin fühlte schon das Warme Blut aus seiner geöffneten Wunde tropfen. Und während er wieder in Battoujutsu-Stellung ging, begannen seine Hände, leicht zu zittern.

„Bitte zieht euch zurück,“ sagte er leise zu Harada. „Ich möchte nicht mit euch kämpfen.“
 

Der Anführer funkelte ihn an. „Ich habe viel über dich gehört, Hitokiri Battousai. Du bist so gut, wie man sich erzählt. Ich bedaure es fast, jemanden deines Kalibers töten zu müssen.“ Seine Augen verschmälerten sich und er lächelte spöttisch. „Fast...“
 

Harada nahm eine Angriffsstellung ein. Seine Bewegungen waren weit und leicht zu lesen, aber Kenshin fühlte sich trotzdem nicht sicher. Sein Arm war kaum noch bewegungsfähig und als er das Schwert ziehen wollte, fehlte ihm fast die dafür nötige Kraft. Als Harada auf ihn einschlug, hätte er das Sakabatou fast fallengelassen. Kenshin ließ sich in die Hocke sinken und drehte sich, den Schwung nutzend, um sein Schwert Harada in den Rücken zu hämmern. Sein Gegner hustete Blut, aber ging nicht in die Knie.

„Interessant,“ murmelte Harada, während er sich das Blut vom Kinn wischte. „Anscheinend hat Saito doch nicht so unrecht...“
 

Kenshin blieb keine Zeit, sich über diesen Kommentar zu wundern, denn Harada griff erneut an. Ohne Mühe wich Kenshin dem Mann aus und war überrascht, als der Anführer einfach weiterrannte, direkt auf ein Gebäude zu. Dort hieb er auf einen Pfosten ein, steckte sein Schwert ein und rannte mit dem Pfosten wie mit einem Speer auf Kenshin zu. Dabei grinste er. „Du magst gut sein, aber du willst mich nicht töten, oder? Nicht gerade das, was man unter einem Hitokiri versteht... Aber wenn du tot bist, ist das sowieso egal.“
 

Die Augen des Rotschopfes verengten sich. „Du redest zuviel, Harada Sanosuke.“

Der größere Mann stürmte als Antwort mit seinem provisorischen Speer nach vorne.
 

Kenshin blockierte den ersten Stich. Den Zweiten. Aber beim dritten Angriff war der Griff um sein Schwert schon so unsicher, dass er es fast verloren hätte. Er schaffte es gerade so, aus dem Weg zu hechten und sich nur eine oberflächliche Wunde auf der Brust einzufangen. Mit einem Salto warf er sich Rückwärts, verstärkte den Griff um sein Sakabatou und steckte es wieder in die Scheide. Battoujutsu. Schweiß begann, sich auf seiner Stirn zu sammeln und sein Atem kam stoßweise.
 

Harada wusste, dass er die Oberhand bei diesem Kampf hatte und ließ sich Zeit. Er beobachtete jede von Kenshins Bewegungen genau. Es war nicht so, als ob er mit dem Rurouni SPIELEN würde. Es war mehr, als ob er ihn TESTEN würde. Kenshin konnte sich darüber nicht mehr Gedanken machen. Harada hob seinen Speer erneut an, diesem entschlossen, tödlich zuzustoßen.

„Auf Wiedersehen, Battousai. Sag Hallo von mir zu deinen Kameraden in der Hölle.“
 

Kenshins ganzer Arm schien nun zu zittern. „Ich will hier nicht sterben,“ dachte er verzweifelt, „ich KANN hier nicht sterben. Menschen warten auf mich. Meine Freunde. Meine Familie. Und ich habe versprochen… ich habe versprochen, dass ich nicht auf diese Art und Weise sterben werde.”
 

Harada schoss nach vorne.
 

„Ich habe noch soviel, für das ich weiterleben muss!!!“

Kenshin bewegte sich, zog sein Schwert. Er hatte nicht einmal die Zeit, zu realisieren, was für einen Angriff er eigentlich ausgeführt hatte – instinktiv hatte er richtig reagiert. Harada lag zehn Meter entfernt flach auf dem Rücken, eine breite, diagonale Wunde über seine Brust gezogen.
 

Das Sakabatou fiel mit einem Klirren aus Kenshins zitternder Hand und er folgte ihm auf die Knie, erschöpft von seinem Angriff, dem Amakakeru Ryu no Hirameki. Im Augenwinkel sah Kenshin eine unscharfe Gestalt auf sich zukommen. Er wusste, dass es einer aus der Einheit sein musste. Der, den er nur in den Magen getroffen und nicht bewusstlos geschlagen hatte. Ein dummer Fehler. Aber Kenshin hatte jetzt nicht einmal mehr die Kraft, mit seinem linken Arm das Schwert hochzuheben. Er schloss die Augen.
 

Das Geräusch von Metall auf Metall. Überrascht sprangen Kenshins Augen auf. Unscharf sah er einen Mann durch die Luft fliegen, mit wehendem Mantel, und ein anderer Mann landete viele Meter entfernt mit einem Platschen im eiskalten Kanal.
 

Langsam klärte sich Kenshins Sicht und er sah seinen Retter scharf vor sich.
 

Hiko Seijuro sah angewidert auf ihm hinab.

„Baka. Nicht einmal einen Tag kann ich dich alleine lassen. Jämmerlich.”
 

--
 

1878
 

Battousai war alleine in der Hütte. Hiko hatte ihn vor einer Weile sich selbst überlassen um, wie er gesagt hatte, im nächstgelegenen Dorf etwas zu Essen zu besorgen. Battousai jedoch war nicht so dumm, wie Hiko glaubte: Er wusste, dass sein Shishou ihn allein gelassen hatte, um ihm Zeit zum Nachdenken zu geben.
 

Hikos Stimme hallte noch in seinem Kopf: „Du bist nur dann ein Mörder, wenn du das auch von dir selber glaubst.“
 

Battousai trank sein Sake-Schälen leer und war überrascht, dass der Alkohol etwas von seinem metallischen Geschmack, der ihn an Blut erinnerte, eingebüßt hatte. Das lag wohl daran, dass er für einen Moment lang im Gespräch mit Hiko all seine Masken hatte fallen lassen. Es war das erste Mal, dass er die Schuld, den Schmerz und den Selbsthass, die schwer auf seiner Seele lagen, zugegeben hatte – und dann auch noch gegenüber Hiko Seijuro, dem Mann, bei dem Kenshin sich sicher gewesen war, dass dieser ihn als erstes verurteilen würde.
 

„Willst du ein Mörder sein, oder willst du jemand sein, der für eine bessere Welt kämpft? Du hast diese Frage schon selbst beantwortet... es ist DEINE Entscheidung.“
 

Der Junge stand auf und schüttelte seinen Kopf. Hatte er denn überhaupt noch die Freiheit, zu entscheiden? Ihm war beigebracht worden, dass man nie mehr vom Pfad des Hitokiri abweichen konnte, sobald man ihn einmal eingeschlagen hatte. Einmal getötet und für immer würde das Blut an den Händen bleiben. Das war unabänderlich. Seine Unschuld war in der Nacht seines ersten Auftrages gestorben. Er konnte sie nie wieder zurückgewinnen. Und er hatte so viele getötet. Wie könnte er jetzt von seinem Pfad noch abweichen? War überhaupt noch ein Rest seiner Seele intakt, die gerettet werden konnte?
 

Battousai begann, in der Hütte umher zu laufen und sich die Regale voll mit Töpfereien anzuschauen, um sich abzulenken. Was WAR das überhaupt? Ein elegantes Teeservice. Einige Urnen. Und… naja, der Zweck der vielen Sake-Schälchen erklärte sich von selbst. Aber die anderen Sachen...? Sie waren alle so fein gearbeitet, zu zerbrechlich für so einen gewalttätigen Schwertkämpfer wie Hiko.
 

Er sah sich weiter im Raum um und entdeckte eine große Truhe an der Wand. Neugierig ging er darauf zu und kniete sich vor sie, unsicher, ob er sie öffnen sollte. Wahrscheinlich wären sowieso nur Sake-Krüge darin. Seine Finger glitten gerade über das raue Holz, als ein Schatten das gräuliche Tageslicht, das zur Tür hereinströmte, verdunkelte.
 

Battousai sah auf und sah Hikos massige Gestalt im Türrahmen stehen, ein seltsamer Ausdruck in seinem Gesicht. Sofort weiteten sich die Augen des Jungen und er rückte schnell von der Truhe weg – er sah aus wie ein ertappter Deshi, der von den Alkoholvorräten seines Meisters hatte naschen wollen.
 

Hiko stellte seine Einkäufe neben der Tür ab und ging mit einem schiefen Grinsen im Gesicht auf Battousai zu. In seine Augen jedoch war immer noch ein seltsames Glitzern. „Ich war mir nicht sicher, ob du noch hier sein würdest,“ kommentierte er fröhlich. „Ich dachte, du wärst schon wieder weggelaufen.“
 

Der Junge sah verschämt drein. „Wohin sollte ich den rennen?“ Er schielte seitlich zur Truhe, um seinen Shishou nicht anblicken zu müssen. Natürlich wirkte er so nur noch ertappter.
 

Hiko schnaubte und nickte in Richtung der Truhe. „Du willst wissen, was da drin ist, baka?“

Der Junge sah alarmiert auf, sein Mund halb offen, als ob er noch Worte suchte, um jegliche Neugier sofort abzustreiten. Sein Meister lächelte ihn nur an.

„In dieser Truhe bewahre ich Sachen, die mir wichtig sind. Sachen, die ich nicht gerne einfach rumliegen lasse. Wenn’s dich so interessiert, schau ruhig hinein.“ Er nickte noch einmal bekräftigend. „Öffne sie.“
 

„Ich... ich muss nicht unbedingt...“ murmelte Battousai sichtlich nervös.
 

„Jetzt öffne sie halt, Baka!“ schnauzte Hiko. „Dann musst du sie auch nicht den ganzen Tag anstarren und dir was weiß ich für schmutzige Sachen vorstellen, die darin sein könnten.“

Hiko wandte sich um und begann laut klappernd, etwas zum Frühstück zuzubereiten.
 

Battousai zögerte noch einen Moment länger, dann umfasste er erneut das rissige Holz der Truhe und stemmte den schweren Deckel nach oben. Direkt obenauf lag ein Schwert.

„Wintermond,“ das Erbe der Hiten Mitsurugi Schule. Battousai erinnerte sich, dass Hiko es ihm einmal gezeigt hatte um ihm die wunderschön gearbeitete Klinge zu zeigen. Sehr vorsichtig hob Kenshin das Schwert zur Seite. Darunter befanden sich mehrere Kleidungsstücke. Ein magenta-farbener Gi, gefolgt von einem blassgrünen und dunkelblauen. Er brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass alle Kleidungsstücke bis auf den magentafarbenen Gi Kindersachen von ihm selbst waren. Mit fragendem Blick sah er zu seinem Shishou, doch der war noch mit dem Frühstück beschäftigt und bemerkte ihn nicht.
 

Battousai sah wieder in die Truhe. Unter den Kleidern lang sein altes Trainings-Schwert und einige Zettel mit Kalligraphien von ihm. Einige kleine, seltsam geformte Steine, die er einmal Hiko als Geschenk gemacht hatte, weil er sie so schön fand. Eine Muschel, die er gefunden hatte und Hiko als Sake-Schälchen geschenkt hatte. All diese Sachen...Erinnerungen, die schon so lange zurücklagen... Plötzlich realisierte Battousai, dass für Hiko diese Erinnerungen noch länger zurücklagen. Jahre... Langsam sah er zu seinem Meister auf, der ihm immer noch den Rücken zukehrte.

„Ihr habt all das aufbewahrt?“ flüsterte er, seine sonst so kalte Stimme plötzlich warm und weich.

Hiko hielt kurz inne, sagte aber nichts.
 

Battousai war sich nicht sicher, ob er überhaupt eine Antwort erwartet hatte. Und er war auch nicht auf eine vorbereitet. Als er wieder in die Truhe sah, entdeckte er noch etwas in einer Ecke. Es war ein kleines, missglücktes Stück aus Ton. Der Junge nahm es heraus und fragte, um das Thema zu wechseln, so unbedarft wie möglich: „Warum habt ihr hier eigentlich so viel Töpferware, Shishou?“
 

Hiko drehte sich endlich zu dem Jungen um. „Das mache ich jetzt.“

Battousai ließ das Stück in seiner Hand fast fallen. „Ihr... ihr macht das selbst?“ Die Größe seiner Augen glich fast den getöpferten Tellern an der Wand.
 

Hiko zog eine Augenbraue noch. „So überrascht? Jemand meines Kalibers ist in allem, was er zu tun beschließt, ein Genie.“ Ein arrogantes Lächeln blitzte in Richtung seines Baka Deshis.

Kenshin ignorierte es und hob demonstrativ das hässliche Stück in seiner Hand hoch. „Und das?“ fragte er fast amüsiert. „Anscheinend habt ihr es versteckt.“
 

Hiko brummelte kopfschüttelnd. „Ich habe es nicht VERSTECKT. Die Sachen auf den Regalen dienen zum Verkauf. Das in deiner Hand ist nicht verkäuflich, deswegen hab ich es in die Truhe.“

„Wer würde das schon kaufen?“ kommentierte der Junge.

Der ältere Mann lächelte schief. „Es gibt Leute, die kaufen die seltsamsten Sachen.“ Seine Augen glitzerten boshaft. „Vielleicht werde ich es DOCH zum Verkauf anbieten. Ich könnte es Kenshin nennen, da du den Namen anscheinend ja nicht mehr willst.“
 

Etwas hinter Kenshins Augen schloss sich wie ein Fensterladen, allerdings nicht mehr so undurchdringlich wie noch vor einigen Stunden. Hiko entging nicht, dass sein Deshi anscheinend endlich etwas von seiner kalten Maske fallengelassen hatte. Er gluckste fröhlich.

„Gute Idee, wirklich. „Schwertherz“ wäre ein guter Name für dieses Stück.“
 

Battousai seufzte. „Toll, Shishou. Benennt ruhig das kaputte Teil da nach mir.”

Der Schwertmeister zog die Augenbrauen hoch. „Nein,“ korrigierte er, „es ist nicht kaputt.“
 

Er sprach mit solcher Überzeugungskraft, dass der Junge überrascht aufblickte. Der Gesichtsausdruck seines Shishous hatte etwas abwesendes. „Ich habe nur einen Fehler begangen, als ich es gemacht habe. Es war mein erstes Stück und ich war zu ungeduldig. Ich habe zuviel daran herumgedrückt. Zu fest gedrückt. Ich wollte etwas perfektes machen. Doch das Stück war nicht fertig, als ich es ins Feuer geworfen habe und ich konnte die Fehler nicht mehr ausbessern.“ Hiko wirkte, als ob er Schmerzen hätte. „Ich war mir sicher, das Stück würde in den Flammen zerspringen, aber statt dessen hat es sich im Brennofen verwandelt. Es war wohl stärker, als ich dachte. Als ich es herausholte, war es nicht das, was ich erwartete hatte, aber es war ganz und vielleicht besser, als das, was ich unbedingt erschaffen wollte.“
 

Der Ausdruck in Battousais Gesicht war fast komisch, als er Hiko so anstarrte, als ob sein Meister den Verstand verloren hätte. „Es ist hässlich,“ sagte er.
 

Hikos Augen fokusierten sich wieder auf dem Jungen vor ihm. „Gute Dinge sind nicht immer schön.“
 

„Seid ihr außer Töpfer auch Philosoph geworden?“ fragte der Junge.

Hiko lächelte fröhlich. „Bist DU ein Zyniker geworden?“ Er gab Battousai nicht die Chance einer Antwort sondern reichte ihm ein Schälchen mit Reis. „Hier. Iss.“
 

Der Rotschopf nahm die Schale und warf dem Reis einen kritischen Blick zu. Vorsichtig nahm er einen kleinen Bissen und hustete prompt.

„Shishou, Reis muss länger gekocht werden, er darf nicht so trocken sein... und hart.“ Er kaute geräuschvoll und schluckte dann mit verzerrtem Gesicht den Bissen hinunter. „Wie konntet ihr mit diesen Kochkünsten all die Jahre überleben? Das ist noch schlechter als Kaoru-donos Küche...“
 

„Beschwer dich nicht und iss,“ grummelte Hiko. „Du hast ja nichts gekocht.“

Battousai kaute knirschend einen weiteren Brocken Reis. „Es schmeckt, als ob es überhaupt nicht gekocht worden wäre.“

Hiko blickte ihn finster an und griff nach seinem Sake-Krug, goss sich die Flüssigkeit in seinen Reis und rührte alles um. „Mit Sake schmeckt es gut.“

„Shishou...“ Der Junge starrte entsetzt in Hikos Schälchen. “Nicht ALLES, was ihr esst oder trinkt muss Sake beinhalten!”
 

“Na gut,” antwortete der Schwertmeister, “DU kannst deinen Reis ja gerne PUR essen.”

Es war offensichtlich, dass ihm die Situation Spaß machte. Kenshin war zurück. Nicht komplett, aber zumindest teilweise. Lustig, wie gerade diese alltäglichen Streiterein seinen Deshi zurückzuholen schienen.

Etwas skeptisch goss sich der Junge nun Sake in sein Schälchen. Dann nahm er einen neuen Bissen, zuckte aber sofort zurück.
 

„Was ist denn nun?“ fragte Hiko.

Battousai war einen Moment lang still, bevor er antwortete: „Ich mag den Geschmack von Sake nicht wirklich, Shishou... Es... es schmeckt zu sehr nach Blut. Alles schmeckt irgendwie nach Blut, aber bei Sake ist es am schlimmsten.“
 

Sie aßen schweigsam einige weitere Minuten, bevor Hiko leise antwortete. „Irgendwann geht das vorbei, weißt du.“
 

Überrascht blickte der Junge zu ihm auf, aber sein Shishou sah ihn nicht an.

„Es wird so lange nach Blut schmecken, so lange du dich selbst mit deinen Taten quälst. Sake ist ein empfindsames Getränkt und sein Geschmack spiegelt deine inneren Gefühle wieder. Das, was dich im Herzen bewegt. Du kannst seinen Geschmack nicht genießen, bevor du dir selbst nicht vergeben hast. Glaub mir, ich weiß das.“
 

„Shishou...“ Seine Stimme war kaum ein Flüstern.

Hiko zuckte die Achseln. „Es ist Vergangenheit. Jetzt zählt die Zukunft und wie wir dich wieder nach Hause bringen können.“ Er warf dem Jungen einen abschätzenden Blick zu. „Als erstes müssen wir noch einmal genau überlegen. Mit deinem Gebrabbel von letzter Nacht konnte ich nicht viel anfangen. Irgendwas von einem Jungen, den du aus dem Fluß retten wolltest?“
 

Battousai blinzelte ihn an. „Glaubt ihr, dass das etwas mit der Zeitreise zu tun hat?“
 

„Ich glaube gar nichts,“ schnappte Hiko, „Ich sage nur, dass das vielleicht ein Anhaltspunkt sein könnte. Du musst mir mehr Details geben. Außerdem solltest du bald gehen.“
 

Die Augen des Jungen weiteten sich. „Aber Shishou—.“

„Ich lebe nicht umsonst alleine im Wald,“ brummte Hiko. „Ich mache dass, um mir nervige Leute vom Hals zu halten. Weißt du, was passiert, wenn du hier bleibst? Deine Freunde, die zu haben du abstreitest, werden hier auftauchen und meine Ruhe stören. Deswegen solltest du mir den Gefallen tun und zu ihnen zurückkehren, solange, bis wir eine Lösung gefunden haben.“

„Shishou, ihr versteht nicht—.“

„Einen Dreck! Ich kenne diese Situation schon. Sobald du verschwunden bist, kommen sie alle angelaufen. Ich weiß nicht, was diese Leute in dir sehen, aber letztes Mal konnte ich sie nicht vor einer Woche wieder loswerden. Geh zu ihnen zurück. Und lauf nicht wieder davon. Sie werden dann zu mir kommen. Spring auch keine Brücke hinunter, denn sonst komme ICH zu DIR. Geh einfach und lass mich in Ruhe überlegen.“
 

Bevor der Junge antworten konnte, polterte es draußen vor der Tür laut und eine wütende Stimme begann zu fluchen. „Kuso! Wer hat hier überall diese Löcher gegraben? Was zur Hölle… wo bin ich hier überhaupt gelandet?!”

Battousais Augen weiteten sich vor Überraschung. „Sanosuke?“ Er sprang auf die Beine.

Hiko schüttelte den Kopf. „Toll. Sie sind also schon hier.“ Missmutig nahm er einen tiefen Schluck aus seinem Sakekrug.
 

Die Tür schob sich auf und Sano spitzte in den Raum. „Hey, tut mir leid, wenn ich störe, aber können sie mir vielleicht helfen? Ich suche...“ Er sah Battousai mitten in der Hütte stehen.

„Kenshin!“ rief er aus. Dann sah er an ihm vorbei und entdeckte den kräftigen Mann mit finsterem Blick. „Dann müssen sie wohl Hiko Seijuro sein,“ sagte Sano. „Ich bin Sagara Sanosuke.“
 

Hiko verzog keine Miene. „Mir ist egal, wer du bist. Kommst du, um meinen Baka Deshi abzuholen, oder nur, um in meiner Tür herumzustehen?“

„Shishou, bitte,“ besänftigte Battousai. Er wandte sich zu Sano um. „Was machst du hier, Sanosuke?“

Das Gesicht des Kämpfers wurde ernst. „Ich hab dich die ganze Nacht gesucht.“

„Warum?“

Sano starrte ihn verständnislos an. „Weil du verschwunden bist? Das ganze Aoi-Ya ist in Aufruhr. Kaoru ist überzeugt, dass du für immer gegangen wärst. Jeder macht sich bereit, die ganze Stadt zu durchkämmen, sobald es hell genug ist. Ich bin schon früher los, weil ich nicht länger warten konnte.“
 

„Ich hatte nicht vor, Schwierigkeiten zu machen oder jemanden zu töten, Sanosuke,“ erwiderte Battousai kühl. „Du hättest dir nicht diese Umstände machen müssen.“
 

Sanos Faust spannte sich an aber er brachte sich noch rechtzeitig unter Kontrolle. „Ich habe nie geglaubt, dass du jemanden verletzten würdest,“ stieß er zwischen aufeinandergebissenen Zähnen hervor. „Ich hatte Angst, dass du dich selbst verletzten würdest. Das hier ist nicht das Kyoto, das du kennst. Und du warst deprimiert. Wie blind, denkst du, bin ich? Ich bin ehrlich erleichtert, dass ich dich hier sehe und dich nicht dabei erwischt habe, wie du versuchst, von einer Brücke zu springen oder ähnliches.“
 

Hiko schnaufte laut und zog damit die Aufmerksamkeit wieder auf sich. „Wie faszinierend auch immer diese Konversation sein mag, warum redet ihr nicht wo anders weiter? Mein Baka Deshi und ich sind fertig und ehrlich gesagt, mir wird schlecht, wenn ich euch so zuhöre. Also geht einfach dorthin, wo ihr hergekommen seid und lasst mich alleine.“
 

Sano trat einen drohenden Schritt auf Hiko zu, doch sofort stand Battousai vor ihm.

„Keine gute Idee, Sanosuke,“ flüsterte er. „Vor allem nicht unbewaffnet.“

„Arroganter Trottel,“ zischte Sano, laut genug, dass Hiko ihn hören konnte, und verschwand dann aus der Hütte. Hiko sah ihm nicht einmal hinterher und murmelte nur „Baka.“
 

Battousai lächelte fast. „Shishou... danke für... also... Danke.“

„Du bist ja immer noch da.“ Hikos Augen blitzten.

Der Junge nickte. „Ich gehe ja schon.“ Er drehte sich um zur Tür.

„Kenshin.“

Battousai hielt an.

Hikos stimme war ruhig und sanft. „Ich habe dir gesagt, dass du eines Tages verstehen wirst, was Sake zu einem so guten Getränk macht und dass ich seinen Geschmack eines Tages mit dir zusammen genießen will.“

„Ja, Shishou.“

Eine lange Pause. „Eines Tages, Kenshin... wird der Geschmack von Blut verschwunden sein. Dann werde ich für uns zusammen einschenken und du wirst es genießen können.“
 

Battousai lächelte schwach und verbeugte sich tief. „Danke, Shishou... Ich... freue mich auf diesen Tag.”
 

Damit trat er aus der Hütte in den kalten, grauen Morgen. Schnell ging er herüber zu Sano, der auf Hikos Baumstamm saß und in den Töpferofen starrte. „Fertig, Sanosuke?“
 

Der Kämpfer war sofort auf den Beinen. „Jaah,“ sagte er und folgte Battousai in die Waldlichtung. „Ich kann kaum glauben, dass dieser Mann dich trainiert hat. Wie konntest du mit jemandem wie DEM als Lehrer so freundlich werden?“

Der Rotschopf lächelte nur, während er Sano zuhörte, der immer noch herumzeterte, bis sie die Hauptstrasse, die in die Stadt hineinführte, erreicht hatten. Keine zwei Schritte auf der Strasse, und Battousai brachte mit einer zackigen Handbewegung Sano zum Schweigen.
 

„Was ist, Himura?“ Sano blieb neben Battousai stehen.

Der Junge antwortete nicht, seine verengten Augen musterten die Umgebung. Er hatte sie wieder gefühlt. Diese Ki. Jemand, der ihn beobachtete.
 

In seinem Augenwinkel sah er einen Bewegung und dann, als er sich umwandte, sah er ihn: Ein Wolf, der lässig aus dem Schatten trat. Ein Wolf in der Kleindung eines Polizisten.
 

...
 

Nächstes Kapitel: Kenshin trifft erneut auf Hiko aber etwas ist jetzt anders... und Battousai beginnt einen Kampf mit Saito...
 

Bis dahin,

vielen Dank für alle Kommentare und Aufmunterungen ^^

domo arigatou gozaimasu!!

Wahre Stärke

Dieses Kapitel war echt lang zu übersetzen, keuch. Viel Spaß damit!!
 

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Out of Time
 

Kapitel 19 – Wahre Stärke
 

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1865
 

Schweigsam starrten sie sich beide an. Kenshin, der versuchte, seinen Atem wieder unter Kontrolle zu bringen, schwer gestützt auf seinen gesunden Arm. Hiko, der auf seinen baka Deshi hinabfunkelte, mit dem er eigentlich nichts mehr zu tun haben wollte.

Der Moment dauerte eine kleine Unendlichkeit. Für Kenshin wirkte er mehr als surreal. Er kam sich vor wie in einem Traum kurz vorm Aufwachen, in dem sich Realität und Fantasie mischten.

„Es kann kein Traum sein,“ riss er sich schließlich zusammen und der Schmerz pulsierte erneut durch seinen Arm. „In einem Traum kann man nicht solche Schmerzen empfinden. Zumindest nicht körperlich.“
 

Es war Hiko, der schließlich die Stille brach, kalte Arroganz in seiner Stimme aber Sorge in den Augen. „Ich dachte, ich hätte klar gestellt, dass ich nicht noch einmal deine Haut retten würde. Warum kannst du mir niemals zuhören?“
 

Kenshin blinzelte den größeren Schwertkämpfer an, immer noch verwirrt. Das konnte nicht sein. In der Meiji-Zeit vielleicht... da wäre Hiko gekommen um ihm zu helfen... Aber hier? Während des Bakumatsu? Wo es noch nicht lange her war, dass sie sich im Streit getrennt hatten? Selbst, nachdem sie sich vor wenigen Tagen ausgesprochen hatten, bezweifelte der Rurouni nicht, dass Hiko es ernst gemeint hatte, als er sagte, dass er, sobald er gegangen war, alles über seinen baka deshi vergessen würde.
 

„Shishou,“ sagte Kenshin, als er endlich seine Stimme wiedergefunden hatte. „Ich verstehe nicht... warum seid ihr hier? Warum—.“

Hiko schnaufte laut auf und steckte sein Schwert ein. „Warum ich gekommen bin, um zu helfen?“

Kenshin nickte.
 

„Ich kam nicht, um dir zu helfen. Du nimmst dich selbst zu wichtig. Dein kleiner Kampf lag nur zufällig gerade auf meinem Weg. Ich wollte nur Sake kaufen.“
 

Kenshin starrte ihn unverblümt an, seine Gedanken immer noch etwas neblig vor Schmerzen. Sake? Zu dieser Uhrzeit? Dann traf ihn ein neuer Gedanke wie ein Blitz.

„Shishou,“ sagte er, seine Stimme hatte einen leicht argwöhnischen Unterton angenommen, „Ihr mögt doch den Sake aus Kyoto gar nicht... ihr habt euch immer geweigert, ihn zu trinken.“

Hiko schürzte die Lippen und sah weg von seinem Deshi, hin zu den auf der Strasse herumliegenden Körpern.
 

„Du bildest dir wie immer zu viel ein. Sake ist Sake.“ Im Augenwinkel sah er Kenshin, der immer noch auf dem Boden kniete und seine Schulter hielt. Sein Schwert lag vor ihm. Sie beide mussten diesen Ort so schnell wie möglich verlassen, bevor es noch ungemütlicher hier wurde. Aber der Baka sah nicht wirklich gut aus und Hiko musste sich anstrengen, die Sorge in seinem Gesicht zu verbergen – es war nicht typisch Kenshin, so lange auf dem Boden rumzusitzen, sein Schwert nicht in der Hand.

„Warum stehst du nicht endlich mal auf?“ schnauzte er und hoffte, dass sein Deshi das überhaupt tun konnte.

„Es ist ermüdend, immer auf dich hinab zu sehen, wenn ich mit dir rede. Nachdem ich dich jetzt schon wieder gerettet habe, wäre es das Mindeste, wenn du dich wie ein Mann verhältst und aufstehst.“ Im Stillen jedoch dachte Hiko sich: „Warum steht er nicht auf? Wie schlimm haben sie ihn verletzt? Was ist, wenn einer dieser Wölfe ihm eine tödliche Wunde verpasst hat und der Baka jetzt vor meinen Augen stirbt?“
 

Zu Hikos Erleichterung nickte Kenshin und begann, sich zu bewegen.
 

Der Rurouni langte langsam nach seinem Sakabatou und schaffte es gerade so, das Schwert wieder zurück in die Scheide zu stecken. Sein Arm zitterte immer noch heftig und die Worte von Okami dröhnten in seinem Kopf: Wenn er den Arm jetzt überanspruchte, dann könnte er ihn verlieren. Die Wahrheit ihrer Worte schien sich gerade zu bestätigen. Langsam schaffte er sich auf die Beine, aber er war erschöpft und alles tat ihm weh. Schnelligkeit war nicht länger möglich. Kenshin hatte das komische Gefühl, dass er den Jungen wohl heute Nacht nicht mehr finden würde und das Katsura ihn UMBRINGEN würde, wenn er jetzt zurückkehrte.
 

„Du siehst aus wie ausgekotzt,“ stellte Hiko sachlich fest, während er voller Abscheu den am Boden liegenden Anführer der zehnten Einheit beäugte. Nicht viel war von seiner Einheit noch übrig. „DIE haben dir das angetan?“ Er lachte laut auf. „Du bist schwach geworden in den zehn Jahren.“
 

„Shishou...“ meinte Kenshin leise, „Ich bin ich nicht länger ein Hitokiri und habe auch nicht mehr die Stärke eines Mörders. Ihr wisst das.“
 

„Du musst nicht ein Hitokiri sein, um gut zu kämpfen,“ entgegnete der Schwertmeister ungehalten und Wut blitzte in seinen Augen auf.

Kenshin sah nach unten, gequält und auch etwas blamiert. „Vielleicht nicht, aber meine Gegner erwarteten Hitokiri Battousai. Ein Mann kämpft mit allem, was er hat, wenn er denkt, dass sein Leben auf dem Spiel steht.“ Seine Augen wanderten zu der Stelle, an der Harada Sanosuke lag.
 

Hiko folgte seinem Blick. Er sah den Anführer genauer an und für einen Moment lang weiteten sich seine Augen, als er eine tiefe, diagonal verlaufende Wunde quer über der Brust des Mannes sah. Mit schnellem Schritt trat Hiko an den bewusstlosen Mann heran und seine schockierten Augen musterten diese Wunde.

„Das kann nicht sein,“ murmelte er in sich hinein. „Das ist unmöglich... Es sei denn, er ist irgendwann in den zehn Jahren zu mir zurück gekommen... er hat sein Training vollendet! Warum hat er es mir nicht erzählt?!“

Etwas wie Stolz durchflutete Hiko – erst dann dämmerte es ihm, was das bedeutete.

„Wenn Kenshin sein Training vollendet hat,“ dachte er, „dann... bin ich in seiner Zeit nicht mehr...“
 

„Shishou?“ Kenshin trat einige schmerzende Schritte näher an seinen Meister heran.

Der Schwertmeister sah seinen baka Deshi mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an. „Du hast das Amakakeru Ryu no Hirameki benutzt. Mir war nicht bewusst, dass du dein Training vollendet hast...“
 

Der Rotschopf nickte, verwirrt über Hikos seltsames Gesicht. Dann, als er mit einem Schlag alles verstand, breitete sich das dumpfe Gefühl von Entsetzten in seinem Magen aus. „Er denkt, er ist in meiner Zeit schon tot. Das kann ich ihn nicht glauben lassen!“

Kenshin öffnete schon seinen Mund, als es ihn erneut eiskalt durchzuckte.

„Aber wenn Hiko gewusst hätte, dass er überlebt, während er mir die finale Technik beibringt, dann hätte es vielleicht alles anders ausgehen können.... Kann ich das riskieren? Mein Leben... Japans Schicksal... alles hat in diesem Moment nur von unseren Empfindungen abgehangen. Wenn ich jetzt in die Zeit eingreife, nur um mein Gewissen zu erleichtern....“

Die Entscheidung fiel ihm schwerer, als er gedacht hätte.
 

Aber es schien, als ob sich Kenshin gar nicht entscheiden musste. Als der Moment der Überraschung vorüber war, ging Hiko einfach von dem am Boden liegenden Mann davon, die übliche Überheblichkeit im Gesicht.

„Schließ deinen Mund oder sag etwas, baka. Du siehst aus wie ein Karpfen, der nach Luft schnappt.“

Seine Stichelei reichte nicht ganz bis zu seinen Augen. Offensichtlich verarbeitete er noch die neue Information, die er erhalten hatte.
 

Kenshin konnte nichts entgegnen. Plötzlich flammte in der Nähe eine starke Ki auf, denn einen weitere Shinsengumi-Einheit war nur noch wenige Strassen entfernt.

„Kuso,“ grummelte Hiko. „Lass uns hier verschwinden, bevor es zu einem weiteren Kampf kommt. Ich hab keine Lust, heut Nacht die Anzahl der Shinsengumi zu dezimieren, nur weil du zu blöd warst, dich verletzen zu lassen.“
 

Kenshins Augenbraue zuckte und seine Besorgnis um Hiko löst sich schlagartig auf. Ohne ein Wort folgte er dem größeren Schwertkämpfer.

Sie eilten in die der näherkommenden Ki entgegengesetzte Richtung. Hiko war schnell und Kenshin hatte Mühe, mitzukommen. Als sie sich endlich in einen kleine Seitengasse duckten, und stehen blieben, atmete Kenshin schwer.
 

Hiko spitzte um die Ecke, um zu sehen, ob sie verfolgt wurden.

„Ich hasse dieses Katz- und Mausspiel,“ murmelte er. „Aber da du ja gar nicht in dieser Zeit sein solltest, können wir nicht riskieren, irgendjemanden zu töten. Vielleicht verändert das die Zukunft. Schau nur diese Situation an, du Baka! Warum hab ich dich überhaupt jemals trainiert? Du machst mehr Mühe, als du wert bist.“

Kenshin antwortete nicht aber Hiko schien das auch nicht weiter zu interessieren. Er redete einfach weiter.
 

„Was ich nicht verstehe, ist, warum der Typ, den du mit dem Amakakeru Ryo no Hirameki getroffen hast, noch lebt. So ein Schlag ist selbst mit dem Sakabatou tödlich...“ Er wandte sich zu Kenshin um, der sich gerade an die Hauswand krallte, um nicht umzufallen.

„Alles klar mit dir?“

Kenshin nickte. „Ich komme schon zurecht.“

Hikos Blick verfinsterte sich und er trat neben seinen Deshi. „Streck deinen rechten Arm aus.“

Kenshin blinzelte ihn an. „Was?“

„Tu, was ich gesagt habe, Baka!“
 

Mit schmerzverzerrtem Gesicht hob Kenshin seinen rechten Arm an und Hiko beäugte die Wunde.

„Verdammt. Du hast dich schon vor dem Kampf verletzt? Deswegen war der Angriff auch nicht tödlich. Du hattest nicht mehr genug Kraft.“

Hiko nahm Kenshins Arm überraschend sanft in die Hände und zog vorsichtig den Gi an der Schulter hinab. Kenshin zuckte leicht zurück, aber Hiko fuhr fort, die Verbände zu lösen und sich die Wunde gut anzuschauen. „Es ist entzündet, baka. Willst du deinen Arm verlieren?“
 

Kenshin sah weg. „Was sollte ich sonst dagegen tun?“

„Einen Arzt besuchen, baka? Was sonst tut man, wenn man verletzt wird?“
 

Kenshin funkelte seinen Meister wütend an. „Das ist unmöglich. Ich bin hier nicht Himura Kenshin oder ein Rurouni. Ich bin Hitokiri Battousai. Nehmen wir einmal an, ich finde einen Doktor, der nicht auf der Seite des Shoguns steht und mich augenblicklich vergiftet – Ich würde sein Leben riskieren. Was denkt ihr, was die Shinsengumi mit einem Arzt machen, der MIR geholfen hat? Sie würden ihn auf der Stelle töten.“
 

Hikos Blick wurde nur noch wütender. „Diese Wunde TÖTET dich, Kenshin!“

Kenshin bekam plötzlich das Gefühl, dass sein Shishou ernsthaft um ihn besorgt war. Das war überraschend. Manchmal schien dieser harte und zynische Mann sich wirklich um andere Menschen zu sorgen, vor allem um ihn.
 

„Lass die Wunde untersuchen,“ brummte Hiko. „Du brauchst nur ein bisschen Medizin. Willst du mir weismachen, dass der Choshuu-Clan keinen einzigen Arzt in seinen Reihen hat? Dieser verdammte Clan ist dir mehr als einen Gefallen schuldig.“

Kenshin zog seinen Gi wieder vorsichtig an. „Ich versuche es, Shishou. Mehr kann ich nicht versprechen.“
 

Hiko beobachtete, wie der Rurouni das Gesicht verzog, als das raue Material seines Gis seine offene Wunde streifte. „Du kannst nicht einfach deinen Gi wieder anziehen.“ Sein Blick verdüsterte sich. „Ich verbinde dir die Wunde so, dass es wenigstens zu bluten aufhört.“ Er nahm einige der blutigen Verbände und band sie stramm um Kenshins Arm und Schulter. „Wie konntest du dich überhaupt so verletzen lassen? Ich weiß, dass es nicht MEIN Fehler ist. Ich hab dich gut unterrichtet. Anscheinend hast du mir nur nie richtig zugehört. Sonst wäre aus dir kein verlorener Baka mit einem Todeswunsch geworden.“ Er knotete die Enden der Verbände unsanft zusammen, so dass Kenshin vor Schmerz nach Luft schnappte. Hiko zog noch fester zu. „Sei nicht so wehleidig.“
 

Kenshin verkniff sich einen giftige Antwort. Es war eine lange Pause, bevor er leise sprach, „ihr wisst, ich habe keinen Todeswunsch mehr, Shishou. Wenn ich ihn hätte, dann hätte ich niemals die finale Technik lernen können, oder?“
 

„Widerspreche mir nicht,“ schnappte der Schwertmeister zurück. „Das ist ein weiterer Grund, warum du nie was gelernt hast.“ Doch während er den Verband vollendete, nahm sein Gesichts einen abwesenden Ausdruck an und als er schließlich fertig war, murmelte er, „wegen der finalen Technik... warum trägst du nicht den weißen Mantel? Es wäre dein gutes Recht als Meister des Hiten Mitsurugi. Offensichtlich brauche ICH ihn ja nicht mehr.“
 

Der Rurouni senkte den Blick und suchte nach der richtigen Antwort. „Ich hatte nicht den Wunsch, die Rolle Hiko Seijuro des 14. anzunehmen. Ich will nur die Lehren und Weißheiten weitergeben, nicht die Techniken.“ Er sah seinen Shishou an. „Es tut mir leid.“
 

Sein Meister schenkte ihm einen langen, abschätzenden Blick. „Hiten Mitsurugi wird also mit mir sterben.“ Er seufzte. „So sollte es auch sein. Selbst jetzt ist es bereits eine Technik aus der Vergangenheit. Die Tage des Schwertes und der Ehre sterben einen langsamen Tod. Ich vermute, diese Werte werden vergessen sein, noch bevor ich sterbe.“ Seine Augenbraue zuckte. „Naja, vermutlich werden sie doch etwas länger überleben als ich. Zumindest bis zu deinem Tod.“ Er wandte sich ab und schien plötzlich erschöpft. „Immerhin hatte auch ich nie die Absicht, mein Wissen weiterzugeben.“
 

Kenshins Augen weiteten sich. „Was? Ihr wolltet niemanden trainieren? Aber… warum habt ihr mich dann als Schüler aufgenommen?”
 

Hiko sah ihn an und sah in seinem Gesicht Shinta, den kleinen Jungen mit den großen, blauen Augen. Er dachte zurück an den Abend auf dem Feld, voll mit Kreuzen. Und er erinnerte sich noch, wie verblüfft er war, zu sehen, dass dieser Junge ihm gar nicht so unähnlich war. Dieses Kind, dass eigentlich zerstört von Krieg und Schrecken hätte sein müssen, war fähig, selbst im Tod noch Leben zu sehen. Selbst mit all dem Hass und dem Bösen und den Krankheiten in der Welt war dieser Junge noch rein geblieben. Und Hiko hatte sich dafür verantwortlich gefühlt, dass dies auch so blieb. Ihm die Schwerttechniken zu lehren war weniger wichtig – weitaus wichtiger war, ihn lange genug vor der Welt zu beschützen, so dass seine reine Seele stark genug werden konnte, um sich selbst zu schützen. Denn das war eine der wichtigsten Lektionen, die Hiko in seinem Leben gelernt hatte: Menschen konnten nicht durch ein Schwert gerettet werden. Sie wurden durch Leidenschaft gerettet. Durch Überzeugung. Und Leidenschaft war immer eine der größten Stärken von Kenshin.
 

“Ich habe dich trainiert,” sprach er endlich mit leiser Stimme, “weil du verstanden hast.“
 

„Oro?“
 

Hiko schüttelte den Kopf, als ob er dadurch seine Gedanken ordnen könnte. „Egal. Es ist so besser. Keine Albträume mehr, dass mich irgendwann dein Sohn heimsuchen könnte, um trainiert zu werden.”
 

Kenshin lächelte ein bisschen. „Ich denke nicht, dass das jemals ein Problem gewesen wäre, Shishou.“

Der ältere Mann grinste. „Ich wäre mir da nicht so sicher.“ Er unterbrach sich und lauschte nach Fußstapfen. Und versuchte, zu erspüren, ob irgendwo in der Nähe Gefahr drohte. Doch alles schien in Ordnung zu sein. „Hör mir zu Kenshin. In deine eigene Zeit zurückzureisen muss einige Tage warten. Du bist in keiner Verfassung, nachts durch Kyoto zu wandern. Alles, was du dadurch erreichst, ist, getötet zu werden. Du musst dorthin zurück, wo du sicher bist, wo auch immer das ist.“
 

„Ich bin bei Katsura,“ antwortete Kenshin leise.

Hiko starrte ihn an. „Das war eine bescheuerte Entscheidung, nicht, dass mich das überraschen würde. Gut, also geh zurück zu ihm. Und du kannst ihm auch gleich sagen dass ich ihn persönlich aufsuchen und ihm zeigen werde, was ein WIRKLICHER Meister des Hiten Mitsurugi so alles anstellen kann, wenn er dich noch einmal auf die Straße schickt, bevor deine Schulter verheilt ist.“ Hiko lächelte boshaft. „Er täte gut daran, sich zu erinnern, dass sein bester Hitokiri nur mein baka Deshi ist.“
 

„Shishou,“ sagte Kenshin, überwältigt. „Er hat nicht...“ Seine Stimme verlor sich wegen Hikos stechendem Blick und er seufzte. „In Ordnung, ich werde auf keine nächtliche Mission mehr gehen.“ Er lächelte sanft. „Kein Grund zur Sorge.“
 

„Ich sorge mich nicht,“ sagte der große Mann finster. „Also, geh jetzt zurück. Sei vorsichtig. Ich beobachte dich, bist du im Haus verschwunden bist, also denk gar nicht daran, irgendwelche Umwege zu machen. Verstanden? Es ist spät und ich bin durstig, also los.“
 

“Ja, Shishou.”
 

“Gut.”

Kenshin verbeugte sich leicht und trat aus der Seitengasse. Als er Hikos Stimme hörte, blieb er noch einmal stehen.

„Hast du den Jungen je gefunden, baka?“

Kenshin schaute zurück zu Hiko. „Nein,“ antwortete er müde.

„Vermutungen?“

„Keine.“
 

Hiko nickte. „Dann bist du nicht so scharfsinnig, wie ich dachte.“

“Oro?” Kenshin sah ihn verwirrt an. “Wisst ihr etwas?“

„Nicht mehr wie du wissen solltest, baka,“ antwortete Hiko. „Ich finde es nur seltsam, dass die Fußspuren eines Kindes im Schnee neben dem Kopf eines Toten Mannes zu finden sind. Und die Spuren waren frisch.“
 

„Sagara?“
 

Hiko nickte. „Es war ein Kind aus der Sekihou-tai, Kenshin. Und war nicht dein Junge selbstmord-gefährdet?“

Kenshin wurde blass, als eine ferne Erinnerung zurück in sein Gedächtnis strömte.
 

Ein Junge sah ihn nachdenklich an. „Ich denke, ich kann noch eine weitere Nacht warten. Vielleicht hätte das dem Kommandanten gefallen.“
 

Dem Kommandanten...
 

„Er war es,“ flüsterte Kenshin, als er endlich verstanden hatte, was passiert war. Er hatte es bis jetzt nie begriffen... wie konnte das nur sein? „Ich kenne den Jungen!“
 

„Kenshin?“
 

Der Rurouni lachte düster. „Er ist ein guter Freund von mir. Oder wird es zumindest eines Tages sein. Sagara Sanosuke.“ Kenshin sah Hiko in die Augen. “Dieser Junge war der gleiche Mann, mit dem ich auf der Brücke war und ins Wasser fiel – und hier angeschwemmt wurde!”
 

--
 

1878
 

Kaoru stand auf der Brücke und starrte in den nebligen Morgenhimmel.

„Ich kann nicht glauben, dass ich in diesem alten Haus eingeschlafen bin,“ schimpfte sie sich innerlich. „Was, wenn Kenshin in der Zwischenzeit vorbeigekommen ist und ich ihn verpasst habe?“
 

„Du bist besorgt,“ stellte eine männliche Stimme hinter ihr fest. Sie fuhr herum und sah Shinomori Aoshi, der langsam näher kam. Der große Ex-Anführer der Onowaban lehnte sich lässig neben sie ans Geländer. Kaoru war am Morgen verwirrt und müde aus dem Haus, in dem sie eingeschlafen war, auf die Strasse gerannt und nach wenigen Minuten mit Misao und Aoshi zusammengestoßen, die sich bereits vom Aoi-Ya aus auf die Suche gemacht hatten.
 

„Du sorgst dich um Battousai.“
 

Sie sah dem großen, schlanken Mann in seine kalten, grünen Augen. „Natürlich. Du hast ja keine Ahnung, wie oft Kenshin schon für mich da gewesen ist. Egal wie schlecht es mir ging, er war immer auf meiner Seite seit unserer ersten Begegnung. Er versteht, wenn ich wütend werde... für jemand, der alleine mit ganzen Armeen fertig wird, steckt er meine Schläge wirklich gut ein. Und was tue ich für ihn?“
 

„Du verbringst die ganze Nacht wach und auf der Suche nach ihm,“ rief von hinten Misao, die sich neben Aoshi ans Geländer lehnte. „Das sagt doch viel aus. Es bedeutete, dass du dich wirklich um ihn kümmerst. Himura weiß dass, er ist doch nicht blöd. Er hat nicht so viel durchgemacht, ohne nicht zu lernen, was andere Menschen denken.“
 

Tränen strömten in Kaorus Augen. „Warum ist er dann vor mir weggelaufen?“

Misao legte beschwichtigend ihren Arm um Kaorus Schultern. „Er ist doch nicht weggelaufen.“

„Was?“

Misao sah ins Wasser. „Denk doch mal drüber nach, Kaoru. Himura war in der letzten Zeit nicht wirklich er selbst. Er war paranoid und verängstigt. Seit diesem Unfall war er wirklich wie jemand anderes.“
 

Kaoru schüttelte den Kopf. „Ich verstehe nicht.“
 

Misao zuckte mit den Schultern. „Nun, ich kenne Himura nicht so lange wie du, aber ich bin mit ihm den langen Weg nach Kyoto gereist, und dabei habe ich gesehen, wie er sich verhält, wenn er mit seiner Vergangenheit kämpft. Genauso ist er auch jetzt... als ob er sich selbst nicht ganz sicher ist, WER er ist, und als ob er wieder mit dem Hitokiri in sich selbst kämpft.“

Sie sah in Kaorus blaue Augen. „Das erste Mal, als er dich verlassen hat, war, um Gegen Shisho zu kämpfen... damals kam es mir so vor, als ob er dich zurückgelassen hat, um dich zu schützen: vor Shisho und sich selbst. Ist dir der Gedanke gekommen, das letzteres auch dieses Mal der Fall sein könnte?“
 

Kaoru antwortete nicht, aber Aoshi nickte. „Misao hat recht. Menschen tun Dinge, die auf andere seltsam wirken, sogar verletztend, aber dahinter stehen nur die besten Absichten.“ Er ließ seinen Blick über das Wasser schweifen. „Ich weiß das, weil es mir selber schon oft so ging. Battousai ist ein talentierter Kämpfer und ein intelligenter Mann. Aber noch wichtiger: Er sorgt sich um andere Menschen. Er tut nichts nur für sich selbst. Misao hat recht. Er ist nicht vor dir weggelaufen. Wenn er vor etwas weggelaufen ist, dann nur vor sich selbst.“
 

„Ähm, Kaoru,“ sagte Misao plötzlich.

Aber niemand der beiden anderen hörte ihr zu.
 

Kaoru seufzte. „Ich habe einfach nur Angst um ihn. Manchmal kümmert er sich um sich selbst, verarztet seine Wunden, lässt Megumi danach schauen… aber dann wieder verheimlicht er, dass er verletzt ist, oder warum, oder wie schwer. Er verschwindet und dann, eine Stunde später, ist er zurück. Und ich finde ihn, wie er Wäsche aufhängt, seine Wunden verarztet, als ob nichts passiert wäre. Ich habe manchmal das Gefühl, als ob er sich nur um sich selbst kümmert, weil er uns dadurch beruhigen kann. Nicht wegen sich selbst. Nur wegen uns.“
 

„Aoshi-sama,“ unterbrach Misao, aber sie wurde ignoriert.
 

Aoshi nickte Kaoru zu. „Sicher hast du mit dieser Beobachtung recht. Er war einmal ein Hitokiri, Kaoru. Ich glaube, du kannst nicht nachvollziehen, was das bedeutet.“

Kaoru funkelte ihn an. „Ist mir egal, ob er mal ein Killer war. Es ist Teil seiner Vergangenheit. Es bedeutet nichts mehr. Er ist jetzt anders.“
 

Der große Mann schüttelte den Kopf. „Nein. Vergangenheit oder nicht, dass ist egal. Seinen Vergangenheit als Hitokiri ist ein Teil von ihm, mit dem er für immer leben muss. Damals hat er eine Entscheidung getroffen und nun muss er mit den Konsequenzen leben. Mit den Toten, die er verursacht hat. Ein Hitokiri zu sein hätte ihn früher oder später den Verstand gekostet, Kaoru. Du siehst nur das, was an der Oberfläche ist. DENK genauer darüber nach. Er war jünger als du jetzt bist, als er das erste mal getötet hat. Und er hat für mindestens fünf Jahre während des Bakumatsu getötet. Er war damals als ein Dämon verrufen. Selbst in Edo haben wir ihn gekannt. Man sprach nur mit einem Flüstern seinen Namen, als ob man ihm mit dem Klang allein versehentlich beschwören könnte.

In Wahrheit war er nichts weiter als ein Kind, das zum Töten geschickt wurde. Erwachsene Männer können davon durchdrehen. Es passiert häufiger als dass es nicht passiert. Wenn Battousai all diese Jahre des Blutvergießens überlebt hat und dabei nicht durchgedreht ist, dann muss man sich fragen, wie er das gemacht hat.“
 

„Wie?“
 

„Wie hat er all das Blut ignoriert... die Macht? Wenn man seine Emotionen während eines Kampfes wegsperrt, dann ist es später oft schwierig, den Schlüssel wieder zu finden.“ Er sah zu Kaoru. „Battousai würde nicht wollen, dass du ihn so siehst... Kalt und gefühllos. Weil er weiß, dass dich das verletzten würde. Er kümmert sich um dich.“

Aoshi sah wieder ins Wasser. „Und DAS ist es, was ihn zu dem Stärksten macht.“
 

„Hey Leute! Ich weiß, ihr führt gerade ein inspirierendes Gespräch aber hey! Ihr könnt mich jetzt nicht länger ignorieren!“
 

Kaoru wandte sich um und funkelte das jüngere Mädchen wütend an. „Misao, das hier ist ein wichtiges Gespräch. Ich weiß nicht, warum du uns ständig unterbrechen musst!“

Misao funkelte zurück und zeigte mit dem ausgestreckten Arm auf die gegenüberliegende Flussseite, nahe dem Waldrand. „Ich habe Himura gefunden! Da ist er, zusammen mit Sano!“
 

Kaoru sah in die Richtung, die Misao wies und erkannte den kleinen Mann mit den roten Haaren. Sofort wollte sie losrennen, aber Aoshi packte sie an ihrem Kimono. „Vorsicht,“ sagte er leise.

„Lass mich los,“ fauchte sie ihn wütend an. „Wovon redest du?“

Doch Aoshi sah sie nicht an. Statt dessen schaute er über das Wasser zu den beiden Kämpfern.
 

„Du wärst fast mitten in einen Kampf gelaufen.“
 

--
 

Sano wandte sich genau rechtzeitig in die Richtung um, in die Battousai schaute, um den Wolf zu sehen, der zwischen den Bäumen hevor auf die Straße trat. Saito schnipste seine Zigarette lässig ins Gras und lächelte schief. Langsam lief er auf sie zu, bis er wenige Meter vor ihnen stand.

„Hallo, Battousai.“
 

Der Rotschopf war so angespannt wie ein Tier, dass gleich um sich schlägt. Seine rechte Hand glitt schon über seinen Körper, so dass sein Katana leichter zu ziehen sein würde. Er sagte nichts.
 

Das schien den Polizisten nicht weiter zu kümmern, er beäugte den Jungen nur kritisch.

„Wie alt bist du, Battousai? Fünfzehn? Sechzehn? Ich denke, viel alter bist du nicht. Der Killer ist immer noch in deinen Augen zu sehen.“ Er lächelte kalt. „Und er fleht darum, herausgelassen zu werden, nicht wahr?“
 

Sanos Augen weiteten sich. Wusste Saito etwa über alles Bescheid? Aber wie? Er schielte zur Seite auf seinen Freund.
 

Battousai war in Battoujutsu-Stellung gegangen, sichtlich darauf erpicht, dass Saito mit dem Geplauder aufhörte und angriff. „Genug geredet, Saito. Wenn du nur hier bist, um mit mir zu kämpfen, dann lass uns anfangen.“
 

Die hellbrauenen Augen des Wolfes verengten sich. „Ich dachte schon, du fragst NIE,“ antwortete er und zog sein Katana. Er warf seine blaue Polizeijacke neben sich zu Boden und öffnete die obersten, beiden Knöpfe seines schwarzen Hemds. Dann glitt er mit seinem ganzen Körper in die vertraute Gatotsu-Stellung, mit seiner rechten Hand über der schimmernden Klinge.
 

„Seid ihr beide jetzt durchgedreht?“ rief Sano aus.
 

Battousais Augen waren schmal und in ihren blauen Tiefen glitzerte es bernsteinfarben. Der Hitokiri in ihm war beängstigend nahe an der Oberfläche, wartete nur darauf, freigelassen zu werden. Seine Stimme war kalt und flach und hörte sich wieder so an, wie an dem Tag ihrer ersten Begegnung unten am Fluss. „Geh zur Seite, Sanosuke.“
 

Sano ballte die Fäuste und knurrte, „ich gehe nicht von dir weg. Wenn du kämpfen wirst, dann werde ich dir helfen.“
 

Battousai sah ihn nicht mal an. „ Nein. Geh einfach zur Seite, dort ist es sicherer. Ich kann nicht uns beide vor ihm beschützen, wenn ich nicht genau weiß, wo du bist.“
 

„Du weißt genau, wo ich sein werde, weil ich nämlich genau hier neben dir stehen bleibe, Himura.“
 

Immernoch wollte Battousai ihn nicht anschauen. Wenn Sano seinen Freund nicht so gut gekannt hätte, dann hätte auch er vor ihm Angst bekommen. Es war nicht nur seine Stimme oder seine Augen, sondern sein ganzen Verhalten hatte sich verändert. Er schien älter zu sein und stärker, wie ein gefährliches Raubtier. „Sano,“ sprach Battousai scharf, „geh zurück zur Brücke. Jetzt!“
 

Saito schnaubte. „Ja, kleiner Junge. Spiel wo anders, die Erwachsenen sind hier beschäftigt.”
 

Sano warf ihm einen finsteren Blick zu. „Du bist ruhig.“ Er wandte sich zurück zu seinem Freund. „Du musst nicht so sein, Himura. Du musst mich nicht beschützen. Deswegen bin ich nicht dein Freund.“
 

Langsam wandte der Rotschopf seinen Kopf um Sano anzuschauen. Seine Augen wurden etwas weicher, das bernsteinfarbene Glitzern verblasste. „Ich WEISS das, Sagara. Dich zu beschützen ist allein meine Entscheidung. Ich mag vielleicht nur ein Schwert sein... aber ich WERDE diejenigen beschützen, die mir wichtig sind.“ Sein Gesichtsausdruck wirkte für einen Moment lang besorgt. „Bitte, Sanosuke. Dieser Kampf wird nicht lange dauern. Warte wo anders auf mich. Ich will nicht, dass du verletzt wirst.“ Er lächelte schwach und milderte dadurch einige von Sanos Ängsten.
 

Der ehemalige Strassenkämpfer ging daraufhin einige Schritte zurück und zur Seite, nicht ohne Saito noch einmal einen giftigen Blick zugeworfen zu haben. Er würde auf jeden Fall in der Nähe bleiben, um rechtzeitig eingreifen zu können, falls Battousai ihn benötigte.
 

Der Junge wandte sich wieder seinem Gegner zu, nicht überrascht, den ehemalligen Shinsengumi-Anführer immer ncoh in seiner Angriffsstellung verharren zu sehen. Der Rotschopf ging wieder in seine Kampfposition und schaute vorsichtig den Mann vor sich an. Es war gruselig. Seine Haare waren nun kurz und seine Kleidung... na ja, das war keine Überraschung. Die Shinsengumi waren schon während des Bakumatsu so etwas wie eine Polizeiheinheit in Kyoto gewesen. Das war es nicht, was ihn beunruhigte. Im Gegensatz zu Hiko hatte Saito sich verändert und Battousai wusste nicht, ob ihm das gefiel. Dieser Saito hier war sichtlich älter und hatte einige tiefe Falten im Gesicht, eine rauere Stimme – obwohl das vielleicht eher das Resultat von zu vielen Zigaretten als von verstreichender Zeit sein mochte.
 

Er dachte nicht länger darüber nach. Saito schien sich offenbar um solche Dinge nicht zu kümmern, das angriffslustige Flackern in seinen Augen signalisierte Ungeduld. Er war bereit und wollte den Kampf beginnen lassen.
 

Battousai verhärtete sein Gesicht und schottete all seine Gefühle tief in sich ab. Das hier war jetzt nichts mehr als eine Serie von Bewegungen und Vorrausschauungen. Es hatte keine Bedeutung. Und schon wieder begann es in seinen Augen, bernsteinfarben zu glitzern. Er nickte kaum merklich aber Saito hatte auf dieses Zeichen gewartetet und erwiderte es. Seine Lippen verzogen sich zu einem kalten Lächeln. „Fangen wir an.“
 

Und beide waren nur noch verschwommene Bewegungen. Keiner von ihnen war sich sicher, wer als erster zugeschlagen hatte, ihre Angriffe erfolgten fast simultan. Sie trafen aufeinander, aber keiner traf den anderen. Battousai schaffte es mit Leichtigkeit, Saitos Gatotsu zu blockieren, immerhin hatte er den Angriff schon häufig gesehen. Und Saito war ebenfalls Battousais Gegenschlag ausgewichen. Doch beide hielten nicht inne – sofort katapultierte sich Battousai hinter seinen Gegner, um ihn mit einer modifizierten Hiten-Mitsurugi-Technik im Rücken zu treffen. Saito wehrte ab, blockierte den Angriff und schwang sich zur Seite, sein Schwert in einem seitlichen Gatotsu nach vorne schnellend. Der Schlag hätte Battousai getroffen, wenn er sich nicht geduckt hätte und seitlich weggesprungen wäre.
 

Die zweite Angriffsfolge war fließender, nun da sie beide bereits Kontakt mit den Bewegungen ihres Gegners aufgenommen hatten. Der Rotschopf war in der Luft, von oben herabstossend mit einem Ryu Tsui Sen, und Saito musste ausweichen, anstatt zu blockieren. Der Schwung seiner Bewegung gab ihm mehr Kraft um auf Battousai einzuschlagen, der hart den Boden mit seinem Schwert getroffen hatte, doch eher er sich versah, wurde sein Schlag abgewehrt.
 

Die beiden Männer befanden sich nun Zentimeter voneinander entfernt, ihre Katana vor ihren Gesichtern gekreuzt. Ihr Augen leuchteten und sie fühlten sich lebendig wie noch nie. Ihre Kräfte glichen sich aus und beide schwangen sich gleichzeitig rückwärts, um wieder in eine neue Angriffs-Stellung zu gehen.
 

Saitos Augen glitzerten. „So ist es richtig, Battousai,“ sagte er leise, „Diesmal gibst du alles.“

Battousais Gesicht zeigte keinerlei Regung. Wovon redete Saito? War das hier eine Art Spiel für ihn? „Was meinst du, Saito?“ fragte er. „Wie ich bisher gehört habe, sind solche Kämpfe in der Meiji-Zeit nicht mehr üblich.“ Er beäugte die Polizeiuniform seines Gegners. „Und deiner Kleidung nach zu urteilen, ist es nicht dein Job, so was wie hier zu beenden?!“
 

Der Wolf war unbeeindruckt. „Ich WERDE das hier beenden, sobald ich gewonnen habe. Wir kämpfen einfach bis zum Ende.“ Er ging wieder in eine etwas abgeänderte Gatotsu-Position. Battousai hatte sie schon einmal gesehen. Sie war leicht zu blockieren gewesen – warum also sollte Saito so einen harmlosen Angriff wiederholen?
 

Unscharf sah Kenshin Bewegung in seinem Rücken. Mehr Leute waren zu Sano gestoßen.

„Wundervoll,“ knirschte er mit den Zähnen, „ein Publikum.“ Er ignorierte sie und steckte sein Schwert ein.

„Wir sind immer noch gleichstark,“ sagte er. „Selbst jetzt kann keiner ohne weiteres gewinnen. Keiner verlieren. Wofür kämpfen wir dann? Ist es dein Stolz?“
 

Saitos Blick verdunkelte sich. „ICH bin nicht derjenige, der sich verändert hat, Battousai. Aku Soku Zan. Ich bin immer noch ein Wolf aus Mibu und werde es immer sein. Aber du... Verstehst du überhaupt, was in dieser Zeit aus dir geworden ist? Es ist ekelhaft, ein Hitokiri, der nicht tötet. Ein Rurouni, der die Schwachen beschützt, ohne seine wahre Stärke zu zeigen.“
 

Battousai spannte sich an und seine Stimme war tief, als er antwortete. „Jemand, der die Schwachen beschützt?“ Seine glühenden Augen durchbohrten Saito. „Du kennst mich nicht so gut, wie du denkst, Saito Hajime. Lass uns die Sache jetzt zu Ende bringen.“
 

Dieses Mal war Saito als erstes in Bewegung. Die beiden umkreisten sich, schlugen zu, wehrten ab. Zwei Mal war Battousai gezwungen, seine Schwertscheide als Schild zu benutzen. Einmal konnte Saito nicht rechtzeitig ausweichen und empfing eine tiefe Wunde in seiner Seite.
 

Sie umkreisten sich erneut, mehr Blut wurde vergossen. Battousai erlitt einige kleinere Schnitte, aber es wurde langsam deutlich, dass er bei diesem Kampf die Oberhand hatte.
 

Als sie erneut auseinander sprangen, änderte Saito seine Technik. Diesmal hielt er sein Schwert in einer Position, die der Junge noch nie gesehen hatte.
 

„Was tut er?“ überlegte er fieberhaft. „Wie er das Schwert hochhält. Denkt er, er kann mich so treffen?“ Battousai beäugte die Klinge und überlegte, wie er wohl auf diese unbekannte Technik reagieren konnte. Er strich sich etwas Blut von der Stirn, das ihm drohte, in die Augen zu tropfen. Dann war auch er in Position.
 

Erneut sah er im Augenwinkel Bewegungen hinter sich, doch dieses Mal fühlte er, genau während Saito auf ihn zustürmte, eine Ki, die sich ihm von hinten näherte.
 

Sie war da, wie aus dem Nichts. Battousai hatte nicht einmal gehört, was Kaoru gerufen hatte, aber sie sah wütend aus und warf sich schützend direkt vor den Jungen, ihr nutzloses Holzschwert nach vorne gestreckt. „Was zur Hölle tust du da?!“ schrie Battousai.
 

„Halt!“ Rief sie und sie hatte Tränen in den Augen. “Beide, hört sofort auf!”
 

Der Wolf war bereits zu nahe, um rechtzeitig seinen Angriff abbremsen zu können, selbst wenn er es gewollt hätte.
 

Battousai plackte sie an ihrem Gi und schmiss sie zur Seite, aus dem Weg, genau als Saitos Schwert herabstieß und statt Kaoru nun ihn in der Schulter traf. Der Junge packte geschockt nach seiner Wunde. Er sah auf zu dem Shinsengumi-Anführer, aber irgendwas war nicht richtig, denn anstatt von Saito sah er plötzlich einen großen Mann mit grauen Haaren. Einer des Shogunats. Und selbst als seine Sicht sich vernebelte, sah er sie vor sich, wie sie fiel. Tomoe. Also hatte er sie nicht rechtzeitig zur Seite schubsen können. Er wusste, dass er seinen Mund geöffnet hatte. Wusste, dass er irgendwas geschrien hatte, aber all das hatte keinerlei Bedeutung, er sah nur ihren leblosen Körper, der vor ihm in den Schnee stürzte. Er hatte sie getötet.
 

Battousai fiel auf die Knie, unfähig, sie zu berühren. „Sterbe nicht,“ flüsterte er, seine blauen Augen weit aufgerissen und doch nichts sehen, seine Maske der Gleichgültigkeit zerbrochen. Kalter Schweiß strömte über seinen Körper, während er eine zitternde Hand nach ihr ausstreckte. „Bitte.“ Seine Stimme war heiser. „Bitte, sterbe nicht. Nicht jetzt. Nicht noch einmal. Nicht…” Sein Atem stockte. Es war als ob der Schock, dass sie erneut schützend vor ihn gesprungen war, ihn überforderte. Alles um ihn herum wurde schwarz.
 

„Gut,“ dachte er noch. „Ich verdiene den Tod. Da ich dich nicht retten konnte, was für ein Sinn hat da mein Leben?“
 

Das letzte, was er wahrnahm, war der Duft von weißen Pflaumenblüten, getränkt mit dem schweren Geruch von Blut.
 

Einige rote Tropfen verschmutzten den weißen Schnee. Ein weiterer Tropfen fiel.
 

Die Narbe auf seiner Wange blutete.
 

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Huh, ein verwirrendes Ende? Im nächsten Kapitel gibt es mehr ^^

LG

Grad der Schmerzen

Sry für die lange Wartezeit.

Battousai und Saito haben auf Leben und Tod gekämpft, doch plötzlich ist Kaoru zwischen sie gesprungen...
 

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Out of Time
 

Kapitel 20 – Grad der Schmerzen
 

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1878
 

Es war still geworden, als ob die Welt angehalten worden wäre, in dem Moment, in dem Kaoru zu Boden gestoßen wurde. Erst als der Rotschopf auf seine Knie fiel und schrie, erwachte wieder alles zum leben. Als ob der Schmerz in seiner Stimme irgendwie die Welt daran erinnert hätte, sich weiter zu drehen, wenn auch nur, um ihn zusammenbrechen zu sehen.
 

Es war alles so schnell passiert. In dem einen Moment war der Wolf auf Battousai zugestürmt und gleichzeitig Kaoru schützend vor ihn gesprungen. Im anderen Moment lag sie schon auf dem Boden, einige Meter entfernt, und alles hatte sich verändert. Saitos Schwert war immer noch gezogen, Blut befleckte die silberne Klinge, mit der er die Schulter des Jungen getroffen hatte. Er atmete kurz und heftig, hielt seine Seite und starrte auf den Jungen vor ihm. Er machte nicht ein einziges Anzeichen, dass er noch einmal angreifen würde.
 

Battousai lag auf den Knien, sein Kopf gesenkt, rotes Haar über seinem Gi verteilt. Sein Schwert lag neben ihm auf dem Boden. Seine Schultern waren so gebeugt, als ob jede Lebensenergie aus ihm gewichen wäre. Als ob er mit seinem Schrei sein Leben ausgehaucht hätte. „Tomoe.“
 

„Battousai...“ Saitos Stimme war hart. Und er bewegte sich immer noch nicht, weder um dem Jungen zu helfen, noch um ihn weiter zu verletzen. Statt dessen sah er ihn kritisch an. Er sah den ausdruckslosen Blick in den Augen und – zu seiner Überraschung – auch Tränen, die sich mit dem Blut im Gesicht des Hitokiris mischten. Der Anblick dieses entsetzlich verzweifelten Gesichtes hatte etwas so erschreckendes, dass Saito es fast unerträglich fand, ihn anzuschauen.
 

Es waren nur Sekunden vergangen, aber es schien wie eine Ewigkeit, bevor Kaoru sich aufrappelte und erneut zwischen Battousai und Saito warf. Sie fiel auf die Knie und schüttelte den Jungen. „Kenshin?“ Er sah sie nicht einmal an. Seine Augen blickten ins Leere. Er atmete kaum. „Kenshin, bitte!“, schluchzte sie, und sie rüttelte ihn fester, wobei sie hoffte, dass ihn das wieder zu sich bringen würde.
 

Seine Augen fielen zu und er brach in ihren Armen zusammen. Sie konnte ihn fühlen, wie er zitterte. Das war das einzige Zeichen, dass er überhaupt noch lebte. Andere Menschen waren plötzlich um sie herum. Sie hörte wie aus der Ferne Misao irgendwas zu Saito rufen. Wusste, dass Aoshi sich gebückt hatte und Kenshins Schwert aufgehoben und zurück in die Scheide gesteckt hatte. Sah, wie Sano neben ihr in die Hocke ging und vorsichtig den Rotschopf aus ihrer Umarmung löste.
 

„Wir müssen ihn ins Aoi-Ya bringen. Megumi ist dort,“ sagte Sano, als sie sich weigerte, Kenshin loszulassen. Kaoru bemerkte, wie vorsichtig er Kenshin berührte. Es war seltsam, den Kämpfer so sensibel zu sehen. Sie hätte erwartet, dass er sich sofort auf Saito stürzen würde. Doch er saß hier neben ihr, und hob vorsichtig seinen Freund in seine Arme, um ihn zu einem Doktor zu bringen. „Sano.“
 

Sano stand auf und trug Battousai, Kaoru mit sich nach oben ziehend. Er warf dem Wolf einen finsteren Blick zu und endlich grummelte er, „Ich hoffe für dich, dass er wieder gesund wird. BETE, dass er wieder gesund wird. Oder ich werde dich holen...“

„Und dann?“, sagte Saito, etwas in seinen bernsteinfarbenen Augen sah besorgt aus. „Tötest du mich?“

Sanos Augen funkelten. „Ich töte dich oder sterbe bei dem Versuch.“ Seine Stimme war leise und bedrohlich. Er wandte sich um und begann, auf die Stadt zuzulaufen. Seine Freunde folgten ihm wie eine schweigsame Prozession.
 

Auf der Straße war es wieder schweigsam geworden, bis auf das traurige Wispern der kahlen Äste im Nachtwind. Der Wolf stand alleine und sah zu, wie die Gruppe sich entfernte.

„Battousai...“ Seine Stimme war weich. Seine Augen nicht entschlüsselbar.
 

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Als Sano und die anderen mit Battousai im Aoi-Ya angekommen waren, trafen sie auf den Rest der Oniwabanshu, Yahiko und Megumi, die inzwischen auch von ihrer Suche zurückgekehrt waren. Einen Moment lang herrschte Chaos, während Kaoru versuchte, Megumi den Vorfall zu erklären und Misao lauthals über Saito schimpfte. Yahiko betrachtete mit entsetzt aufgerissenen Augen die fast leblose Gestalt des rothaarigen Mannes. Sano hatte ihn schnell in sein Zimmer gebracht, gefolgt von Aoshi mit dem Schwert. Sie blieben neben dem bewusstlosen Jungen sitzen, bis Megumi mit Medizin und Verbandzeug hereinstürmte und sie hinausscheuchte.
 

Es dauerte fast eine Stunde, bevor Megumi wieder aus Kenshins Zimmer trat. Sano war als erster auf den Beinen, als er sie durch den Flur in die Küche kommen sah, in der sie alle gewartet hatten.
 

Megumi sah erschöpft aus und besorgt, was nur noch mehr den Knoten in Sanos Hals anwachsen lies. „Er lebt. Seine Schulterwunde ist tief und wird ihm wohl einige Zeit Probleme bereiten, aber ich habe ihn schon in schlimmerem Zustand gesehen.“
 

Misao ließ sich mit einem Seufzer der Erleichterung gegen die Wand sinken.
 

Aber Kaoru schüttelte nur den Kopf. „Megumi-san, wenn er in Ordnung ist, warum schaust du dann immer noch so besorgt?“ Das arme Mädchen krampfte die Hände in ihren Kimono. Sano bemitleidete sie, doch er war selbst zu aufgewühlt, um ihr Trost zu spenden.
 

Megumi sah alle erschöpft an, aber ihre Augen ruhten auf Sano, während sie sprach. „Es ist nicht sein Körper, der mir Sorgen macht. Ich-...“ Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. „Er war kurz bei Bewusstsein und redete. Das meiste war zusammenhangslos... Er hat mich nicht einmal angesehen... aber von dem, was ich verstehen konnte, denkt er wohl, dass er jemanden getötet hat.“ Sie seufzte. „Bei jemand anderem würde mich das nicht so aufregen, aber bei Ken-san... Solche Gedanken könnten ihn zerstören. Was genau ist passiert?“
 

Aoshis Gesicht war verschlossen. „ich bin nicht sicher, dass dir irgendjemand von UNS das beantworten könnte.“

Sanos Augen drifteten zu Kaoru, die blass geworden war. „Jou-chan?“

„Können wir zu ihm?“ flüsterte das Mädchen. „Ich muss ihn sehen.“

Megumi zögerte einen Moment, aber nachdem sie in all die besorgten Gesichter geblickt hatte, nickte sie langsam. „Na gut. Aber seid ruhig. Er schläft jetzt. Und das ist Momentan wahrscheinlich das Beste für ihn.“
 

Sie trat zur Seite und ließ die anderen zu Kenshins Zimmer vor.

Misao und Kaoru waren die ersten neben seinem Futon, während Aoshi in einiger Entfernung stehen blieb und still alles beobachtete.
 

Sano stand genau im Türrahmen, und konnte sich nicht weiter vorbewegen. Seine Augen waren auf seinen Freund gerichtet, der wie tot auf dem Futon lag. Seinen Augen waren geschlossen, sein Gesicht wie Asche, so dass das leuchtende Rot seiner offenen Haare ihn nur noch kränker und blässer aussehen ließ. Megumi hatte seine Wange verbunden, aber das unerklärliche Blut aus seiner Narbe begann bereits, in einer bizarren Kreuzform durch den Verband zu leuchten. Battousais Atem kam so flach, dass Sano einen Moment lang fürchtete, er wäre gestorben, während sie in der Küche geredet hatten. Aber genau jetzt bewegte sich der Junge leicht und redete im Schlaf. Sano seufzte auf, vor Erleichterung. Es fiel ihm erst jetzt auf, dass er den Atem angehalten hatte.
 

Yahiko stand neben Sanosuke und sah verwirrt aus. Ruhig sagte er, „Er hat Kenshins Narbe...“ Dann sah er auf zu dem großen Kämpfer neben ihm. „Er ist nicht Kenshin. Er kann es nichth sein... aber warum hat er seinen Narbe?“
 

Sano antwortete nicht, er vertraute seiner Stimme nicht mehr. Davor hatte er seit Battousais Ankunft Angst gehabt.
 

Der Rotschopf sprach irgendetwas im Schlaf, seine Stimme erregt.
 

Misao und Kaoru sahen alarmiert auf. Misaus Augen weiteten sich. „Ich habe sie getötet...das hat er gesagt.“ Sie wandte ihren Blick zu Kaoru. „Denkt er, er hätte dich mit seinem Schwert getroffen?“
 

Kaoru war am Rand eines Tränenausbruchs. „Ich hätte mich niemals zwischen sie stellen dürfen. Aber Saito... Ich dachte, Saito würde ihn wirklich töten. Und ich konnte den Gedanken nicht ertragen, ohne Kenshin...“ Ihre Stimme versagte. „Es ist meine Schuld,“ krächzte sie.
 

Misao umarmte sie. „Es ist niemandes Schuld. Woher hättest du wissen können, dass so etwas passieren würde? Ich hätte das selbe für Aoshi-sama getan. Mach dich nicht selbst fertig...“
 

Sano zwang seine Augen weg von dem Bild der Hilflosigkeit vor ihm hin zu Aoshi. Der Mann schaute immer noch schweigsam auf Battousai hinab, als ob er irgendetwas überlegen würde.
 

Megumi seufzte. „Ich weiß, ihr seid alle beunruhigt,“ sagte sie mit tiefer Stimme. „Aber wir können jetzt auch nicht viel ändern. Wir müssen warten, bis Ken-san wieder zu sich kommt. Es wird ihm besser gehen, wenn er in Ruhe schlafen kann. Lasst uns gehen.“
 

Langsam leerte sich der Raum, der Rest der Oniwabanshu wartete bereits draußen.

Misao schüttelte ihren Kopf. „Himura denkt wirklich, dass Kaoru tot ist, oder?“

Jeder wurde still beim Klang ihrer Stimme. Endlich sagte Aoshi leise, „nein. Ich denke nicht.“

„WAS?“ rief Misao. „Aoshi-sama, hast du nichts gehört, was er geflüstert hat?“
 

“Er sagte, dass er sie getötet hat,” antwortete Aoshi. „Er hat nicht gesagt, WEN er getötet hat.“ Sein ernster Blick glitt durch die Küche. „Er war ein Hitokiri. Er hat viele Menschen auf dem Gewissen. Diese Sache hier hat nichts mit Kaoru zu tun. Deine Handlung hat seinen Schock vielleicht ausgelöst, aber im Moment bist du wohl das letzte, an das er denkt, Kaoru.“
 

Yahiko starrte den Ex-Oniwabanshu-Anführer entgeistert an. „Kannst du etwa Gedanken lesen, oder was?
 

„Muss ich gar nicht. Wenn irgend jemand von euch genau hingeschaut hätte, dann hättet ihr bemerkt, dass Battousai in seinem Schlaf noch viel mehr gesagt hat.“

Megumi funkelte Aoshi an, aber ihn schien das nicht weiter zu kümmern. „Natürlich haben wir es bemerkt, aber das meiste, was er gesagt hat, ergab keinen Sinn.“

„Weiße Pflaumenblüten, Blut, Ich habe sie getötet. Er sagte diese Wörter einige Male, während wir bei ihm waren. Und er wiederholte den Namen Tomoe. Das war auch der Name, den er schrie, während er fiel. Das ist nicht irgendwelches zusammenhangsloses Gebrabbel.“
 

Aoshi ließ seinen kalten Blick auf Megumi verweilen. „Und ich glaube, Tomoe ist die jenige, von der er glaubt, dass er sie getötet hat. Nicht Kaoru.“
 

„Wer ist Tomoe?“ flüsterte Kaoru.

„Vielleicht war sie seine Freundin-...“ Yahiko konnte den Satz nicht zuende sprechen, denn Sano hatten ihm einen gehörige Kopfnuss verpasst.

„Halts Maul, unsensibler baka!“

Yahiko funkelte ihn an. „Was denn?“ rief er empört.

„Mann nennt es Taktgefühl, Yahiko. Versuch dir, den Begriff zu merken.“
 

Kaoru hatte den beiden nicht einmal zugehört. „Kenshin hat bisher nie eine Tomoe erwähnt,“ sagte sie nachdenklich.
 

„Doch, hat er,“ antwortete Sano plötzlich. Er trat nervös von einem Bein aufs andere, als er alle Blicke auf sich spürte. „Erinnert ihr euch nicht? Als ich ihn zuerst mit nach Hause brachte, nachdem wir in den Fluss gefallen waren... Im Fiebertraum hat er Kaoru mit einer Tomoe verwechselt...“
 

Bevor Kaoru antworten konnte, klopfte es laut an der Tür und Okina eilte davon, um zu öffnen.
 

„Wenn Kenshin Kaoru mit dieser Tomoe verwechselt hat, dann war vielleicht Kaoru der Auslöser... Ich weiß nicht... Der Auslöser einer schrecklichen Erinnerung...?“ überlegte Sano laut.
 

„Zumindest ist die jemand aus seiner Vergangenheit. Jemand aus der Zeit des Bakumatsu.“ Aoshi sah Sano aufmerksam an. „Wie genau ist das passiert, wenn ich fragen darf?“
 

„Blöde Frage! Du warst do dabei, du hast es gesehen,“ murmelte Yahiko, während er immer noch seinen Kopf rieb.
 

Der Ninja schüttelte seinen Kopf. „Ich meine nicht seine Verletzungen. Wie ist Battousai HIERHER gekommen?“ Er sah in die verständnislosen Gesichter aller. Nur Sano wollte ihn nicht ansehen. „Hat es wirklich keinern von euch bemerkt...? Wie kann das sein, seid ihr blind?“
 

„Natürlich habe ich es bemerkt,“ antwortete Megumi ungehalten, und überraschte damit Sano. „Ich bin seine Ärztin, ich habe die Unterschiede gesehen. Aber er war bisher noch in keiner stabilen Verfassung, ich hab mich also nicht getraut, zu fragen. Ich wollte ihn nicht drängen. Was hätte das geändert?“
 

Aoshi schüttelte den Kopf. „Es ist gefährlich, ihn hier bei uns zu haben.“

„ER ist nicht gefährlich, Aoshi!“ rief Sano.
 

Der Ninja sah ihm in die Augen. „Ich meine, dieser Ort hier ist gefährlich für Battousai.“
 

Kaoru sah alle verängstigt an. „Was bemerkt? Was ist gefährlich? Aoshi… Megumi-san… Was ist los? Was hat Kenshin?”
 

Die Ärztin warf Kaoru einen abschätzenden Blick zu. „Du weißt genau, wovon wir sprechen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du es nicht bemerkt hast. Es sei denn, du willst es nicht wahrnehmen. Wenn du es nicht akzeptieren willst, dann ist das dein Problem, nicht meines. Und auch nicht Ken-sans.“
 

„Megumi-san!“
 

Aber Megumi blieb eine Antwort erspart, denn Okina kehrte mit düsterem Gesicht in die Küche zurück.

„Was ist passiert, Opa?“ fragte Misao.

„Saito ist hier,“ antwortete der alte Mann leise.
 

„WAS!“ schrie Misao, und auch alle anderen fuhren hoch. „Was will DER den hier? Er glaubt doch nicht, noch einmal mit Himura kämpfen zu können?“

„Nun, wenn der Wolf zu Ken-san will,“ verkündete Megumi mit einem Glitzern in den Augen, „dann muss er als erstes an mir vorbei kommen!“

„Und an mir,“ sagte Kaoru und tastete nach ihrem Bokken.
 

Yahiko trat hinter die Frauen, sein Shinai erhoben. „Genau!“

„Was will das Arschloch jetzt noch,“ fluchte Sano, die Hände zur Faust geballt.

Okina wandte seinen Blick auf den Straßenkämpfer. „Dich.“
 

Sanosuke stolperte. „WAS?”
 

Der alte Mann zuckte mit den Schultern. „Er ist nicht wegen Himura-dono hier. Er hat nach dir gefragt, Sanosuke.“
 

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1865
 

“Es wird weh tun.” Der Doktor reichte Kenshin etwas, das er zwischen seine Zähne hätte klemmen können, um wegen den Schmerzen darauf zu beißen und eventuelle Schreie zu ersticken.
 

Der Rotschopf wehrte ab und sah den Arzt kaum an. Er hatte bereits jegliche Schmerzmittel verweigert. Warum also so tun, als ob auf ein Stück Holz beißen die Lage besser machen würde? Außerdem – das hier waren keine Schmerzen. Nicht wirklich. Wahre Schmerzen kamen aus dem Herzen, und dagegen gab es kein Mittel.
 

Schmerzen, die man fühlte, wenn man einen geliebten Menschen eigenhändig getötet hatte.
 

Oder sie zurücklassen musste.
 

Er dachte an sein Gespräch mit Hiko zurück, über den Jungen an der Brücke...
 

Wahrer Schmerz konnte sogar davon kommen, einen verletzten Freund nicht zu erkennen, obwohl man genau vor ihm gestanden hatte.
 

Schmerz kam nicht von der Wunde in seiner Schulter.
 

Der Arzt begann vorsichtig, die verklebte Haut um die Wunde herum zu säubern und den Schnitt frei zulegen, damit er sich nicht weiter entzünden konnte.
 

Kenshin zuckte zusammen. Immerhin kam dies wahren Schmerzen doch schon ziemlich nahe.
 

Er war nun schon seit einigen Stunden zurück im Kohagiya. Hiko hatte ihn begleitet und eine letzte, Körperverletzung beinhaltende Androhung gemacht, falls Kenshin nicht sofort einen Arzt aufsuchen würde oder gar auf die Idee käme, erneut zu kämpfen. Erst als Kenshin die Tür hinter sich geschlossen hatte, fühlte er, wie sich Hikos Ki langsam entfernte. Natürlich hatte zu diesem Zeitpunkt Okami schon längst damit begonnen, ihn wegen seiner Leichtsinnigkeit anzuschreien. Einige der Männer waren neugierig aus ihren Zimmern gekommen, nur um zu sehen, wie Hitokiri Battousai von der älteren Frau niedergemacht wurde. Selbst Katsura war erschienen, hatte die Männer eilig zurück in ihre Zimmer gescheucht und dann den schon rot angelaufenen Kenshin von Okamis Wutanfall befreit.
 

Dann hatte sein Anführer das volle Ausmaß seiner Wunden bemerkt und sofort nach einem Doktor geschickt, ob der Rotschopf nun wollte oder nicht.
 

Kenshin biss seine Zähne zusammen, während der Arzt noch mehr entzündete Haut entfernte. Die Verletzung war schlimmer, als er gedacht hatte. Vielleicht hatte Hiko doch recht gehabt. Ein Arzt war sicherlich nicht die schlechteste Idee gewesen. Dennoch hieß das nicht, dass Kenshin Gefallen an einer Behandlung fand.
 

Der Doktor hatte endlich die Wunde genug gereinigt und rieb nun eine wie Feuer brennende Salbe direkt in das offene Fleisch. Es sollte wohl irgendwie helfen, aber Kenshin brauchte all seine Willenskraft, um seinen teilnahmslosen Gesichtsausdruck aufrecht erhalten zu können. Er musste an etwas anderes denken. Sich ablenken.
 

Seine Gedanken kreisten um Sanosuke. „Bist du meine Verbindung, Sano?“ überlegte er. „Ist es, wie Shishou gesagt hat? Bist du meine Verbindung nach Hause?“ Sorge verdunkelte seine Augen, ließ ihn älter erscheinen... gequälter.

"Bedeutet all dass vielleicht, dass Sanosuke in Gesellschaft von Battousai sein muss, um wieder einen Zeitsprung auszulösen?"

Kenshin war sich nicht sicher, ob ihm diese Idee gefiel. Aus irgendeinem Grund war der Gedanke an Sano und Battousai in einem Raum nicht sehr beruhigend.
 

„Ist alles in Ordnung, Battousai-san?“ fragte der Arzt nervös.
 

Kenshin konnte die Angst in der Ki des Mannes fühlen. Er wäre offensichtlich mit jedem anderen Patient glücklicher, außer mit Hitokiri Battousai.

„Mir geht es gut,“ sagte Kenshin sanft, um dem Doktor seine Angst zu nehmen. „Bitte, macht weiter.“

„Gut.“ Und die Qual ging von Vorne los.
 

Der Doktor schien eine kleine Ewigkeit zu brauchen, um den Ex-Hitokiri zu verarzten. Kenshin vermutete stark, dass er diese Art von Behandlung bei jedem anderen in der Hälfte der Zeit hätte durchführen können. Aber kein Arzt würde riskieren, mangelhafte Arbeit an dem Körper des Dämons der Ishin Shishi zu leisten. Als er fertig war, dämmerte es bereits und Kenshin schleppte sich erschöpft und mit schmerzendem Körper in sein Zimmer, frustriert von der so ergebnislosen Nacht.
 

Was nützte es, zu wissen, wer der Junge war, wenn er ihn nicht finden konnte? Sie waren Freunde, aber Kenshin kannte trotzdem nur Teile aus Sanos Vergangenheit, längst nicht alle Details – und von einem Selbstmordversuch hatte Sano nie gesprochen. Von allem, was Kenshin wusste, konnte der Junge Tokyo schon verlassen haben.
 

Kenshin warf den abgetragenen, blauen Gi neben seinen Futon, zu müde um ihn ordentlich zusammen zu legen. Zu müde, um sich überhaupt um den Futon zu kümmern. Er setzte sich an die Wand, an den Holzpfosten mit dem selbst eingeritzten Kanji gelehnt, und schloss die Augen. Schlaf würde nur noch mehr Albträume bringen, daran hatte er keinen Zweifel, aber wenn er nicht wenigstens ein paar Stunden döste, dann wäre er zu nichts zu gebrauchen.
 

Er umfasste sein Sakabatou, drückte seinen Rücken gegen Karous Namen, und hoffte, dass ihn das irgendwie vor den Dämonen in seinem Unterbewusstsein schützen würde.
 

Als er endlich einschlief, war sein Schlaf tief und traumlos.
 

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Gomen fürs lange warten ^^ ich war im Urlaub und hab zZ nicht viel Zeit. Es kann also mit dem nächsten Kapitel noch länger dauern.

Nächstes Kapitel: Saito mischt sich erneut ein, in Vergangenheit und Zukunft. Kann er vielleicht helfen, alle wieder in die richtige Zeit zurückzubringen? Karou unterdessen denkt über den Namen Tomoe nach...
 

Ach ja, falls es jemanden verwirrt: Die Geschichte ist noch vor der Episode mit Enishi angesetzt, Kaoru weiß also noch nichts von Kenshin und Tomoe.
 

BisBald,

Mina

Beobachtungen

Oh mein gott, das Kapitel ist wirklich übersetzt!! Ich hoffe, ich habe niemandem mit diesem Update zu Tode schockiert!!!

Sorry, dass es sooo lange gedauert hat... -_- Ich hoffe, ihr habt noch Lust, weiter zu lesen...
 

Um wieder reinzukommen, hier eine kleine Zusammenfassung:
 

Kenshin befindet sich immer noch in der Bakumatsu-Zeit und sucht nach einem Weg zurück in seine Zeit. Dabei stößt er auf die Shinsengumi und wird verletzt, jedoch von Hiko gerettet und zurück ins Kohagi-Ya zu den Ishin Shishi gebracht.

Battousai hingegen trifft in der Meiji-Zeit auf Saito. Bei dem Kampf wird Battousai verwundet, weil Kaoru schützend vor ihn springt. Doch auch seelisch erleidet er dadurch Verletzungen, denn er fühlt sich sehr stark an Tomoe erinnert – von der jedoch keiner in Kenshins Zeit etwas weiß...
 

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Kapitel 21 – Beobachtungen
 


 

1865
 

Um Mittag herum weckte Kenshin ein pochender Schmerz in seiner Schulter. Er hatte lange geschlafen und irgendwie beschlich ihn das Gefühl, dass Okamis Tee vom Abend davor etwas damit zu tun haben könnte. Der Rurouni wusste nicht, ob er sich darüber ärgern oder freuen sollte. Er stand auf und bewegte vorsichtig seine Schulter.
 

Es tat weh. Sehr.
 

Aber Kenshin konnte schon einen Unterschied feststellen. Seine Muskeln fühlten sich nicht mehr so kraftlos an. Sein Arm war stabiler. Die Schmerzen, die er jetzt hatte, verhießen Heilung. Wenn er immer noch der rastlose Jugendliche von damals gewesen wäre, wäre er bereits schon wieder zu einem Auftrag ausgerückt.
 

Jetzt allerdings war er älter und nicht mehr so töricht. Er musste zwar noch heute Nacht nach einem Weg suchen, um nach Hause zu gelangen, aber dieses Mal ohne einem Kampf in die Arme zu laufen. Er hatte noch Glück gehabt, als er Harada gegenüber gestanden war. Eine Wiederholung der Ereignisse von letzter letzten Nacht wäre die Garantie, dass er Tokyo nicht mehr wieder sehen würde.
 

Er ging zu der Stelle, an der er seinen Gi hingeworfen hatte und entdeckte, dass Okami oder eines ihrer Mädchen ihn besucht hatten, während er schlief. Ein frischer Gi wartete auf ihn. Der alte war auf mysteriöse Art und Weise verschwunden. Dann, als sein hungriger Magen knurre, wurde Kenshin bewusst, dass er seit dem letzten Morgen nichts mehr gegessen hatte. Er löste seinen Blick von dem neuen Gi und schließlich fanden seine Augen ein Tablett mit Tee und Reis gleich neben der Schiebetür. Kenshin trat näher und musterte den Tee argwöhnisch. Es würde ihn nicht verwundern, wenn Okami noch einmal etwas beigemischt hätte, um sicher zu gehen, dass er auch heute im Bett blieb. Wahrscheinlich hätte es Katsura auch noch abgesegnet, vor allem, nachdem er Kenshins Verletzungen gesehen hatte.
 

Der Rurouni seufzte. Also kein Tee. Aber der Reis sah sicher aus.
 

Er bemerkte die Nachricht erst, als er sein Schälchen vom Tablett hob. In kleiner Papierfetzen am Boden neben der Tür. Kenshin verzog leicht den Mund und hoffte, dass es nicht eine Nachricht von Nozomi war. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für irgendwelche Liebeserklärungen.
 

Er faltete den Zettel auf und erkannte sofort die schwungvollen Zeichen in Tinte. Nicht Nozomi. Ushiro.
 

Kenshins blaue Augen weiteten sich vor Überraschung, während er die Nachricht las.
 

Battousai-san,

Immer wieder musste ich über deine Worte von gestern nachdenken. Darüber, ob du ein Mörder oder ein Schwertkämpfer bist. Und du hast recht. Worte ändern nicht die Wahrheit, sei es deine oder meine Wahrheit.

Aber wie sieht es aus mit klaren Fakten?

167: Die Zahl der Männer, denen du das Leben gerettet hast.

Über 700: Die Anzahl der Familienmitglieder, die dir das Leben eines ihrer Liebsten schulden.

54: So oft hast du persönlich mich alleine vor dem Tod gerettet.

Ich habe keine Möglichkeit, herauszufinden, wie viele Männer du getötet hast. Keiner von uns weiß das. Aber Zahlen lügen nicht, selbst wenn es Worte tun. Kein einfacher Mörder hätte so viele Menschenleben in einer so kurzen Zeit gerettet. Und das ist die Wahrheit, Battousai-san!

Ryu.
 

Kenshin starrte den Zettel an, nicht fähig, den Inhalt wirklich zu verstehen. „Ushiro,“ wisperte er erstaunt. Hatte der Mann etwa innerhalb eines Tages all diese Zahlen zusammengetragen? Kenshin lächelte schwach. So wie er Ushiro kannte, war das durchaus möglich. Und Kenshin konnte sich auch die Irritation vorstellen, die er dabei wohlmöglich bei den Männern ausgelöst hatte.
 

Der Rotschopf löste schließlich seine Augen von der Nachricht und starrte in sein Essen. Er würde mit Ushiro sprechen müssen. Ihm danken müssen, bevor er ging. Wenn er es jetzt nicht tun würde, würde er nie wieder eine Chance dazu bekommen. Denn Ushiro würde nicht lange genug leben, um das elfte Jahr der Meiji-Ära zu sehen...
 

Ein plötzliches Rappeln an der Tür ließ Kenshin diese düsteren Gedanken einen Moment lang vergessen. „Ja?“ fragte er und schob die Tür auf.
 

Nozomi stand auf dem Flur. Sie starrte ihn einen Moment lang an, ihr Gesicht in der Farbe eines reifen Apfels. Anscheinend hatte sie die Worte, die ihr auf der Zunge gelegen waren, in ihrer Aufregung komplett vergessen.
 

Als erstes verstand Kenshin nicht, warum seine Anwesenheit sie so nervös machte. Bis er bemerkte, dass sein Gi immer noch auf dem Fußboden lag und das Mädchen die Augen fest auf einen Punkt neben dem Türrahmen geheftet hatte. Plötzlich wünschte Kenshin, dass er sich fertig angezogen hätte.
 

„Nozomi-dono?“ fragte er sanft, während er versuchte, ihre Augen auf sein Gesicht zu lenken. „Gibt es etwas, was ihr von mir wollt?“
 

Sie wurde, falls das möglich war, noch röter. „B-Battousai-san,“ stotterte sie. “Vergebt mir meine Aufdringlichkeit, aber ich wurde geschickt, um euch zu holen.”
 

„Oro?“
 

Dieses seltsame, lächerliche Wort aus Battousais Mund ließen Nozomis Augen schließlich nach oben blicken. „Ich... Katsura-san wünscht deine Anwesenheit. Er hat mich beauftragt, dich zu holen.“

„Zu holen?“

„Ja,“ sagte sie leise, immer noch rot. „Ich soll dich ja nicht davon wandern lassen, hat er gesagt.“

Kenshin lächelte leicht. „Verstehe. In Ordnung, ich bin in einer Sekunde fertig. Bitte wartet hier, Nozomi-dono.“

Sie nickte lautlos, während er zurück in sein Zimmer eilte. Schnell schlüpfte er in seinen Gi und steckte das Sakabatou durch seinen Obi. Sein Haar band er so gut, wie das in der Eile möglich war, zusammen. Dann trat wer auf den Flur und schloss die Tür hinter sich. Das Frühstück würde noch etwas länger warten müssen Er seufzte und zwang sich zu einem Lächeln. „Wir können gehen, Nozomi-dono.“
 

„Gut.“ Sie nickte und beide begannen, den Korridor entlang zu gehen, sie in paar Schritte hinter ihm. Kenshin redete sich ein, dass sie das nur tat, um ihn nicht „davon wandern“ zu lassen.
 

Schnell gingen sie durch die Herberge, einige Männer schickten ihnen amüsierte Blicke hinterher. Einige Mädchen lächelten sogar hinter vorgehaltener Hand, als sie Kenshin und Nozomi vorübergehen sahen. Kenshin seufzte. War er damals der einzige gewesen, der NICHT Nozomis Interesse an ihm bemerkt hatte?!
 

Zum Glück war Katsuras Gesprächszimmer nicht mehr weit. Kenshin eilte zur Tür und wandte sich lächelnd zu dem Mädchen in seinem Schlepptau um. „Danke, Nozomi-dono. “ Er erwartete, dass sie sich nun verbeugen und gehen würde.

Aber das Mädchen blieb stehen, sichtlich nervös. „B-Battousai-san?“ fragte sie leise, während sie ihm vorsichtig in die Augen sah. „Ich... habe das Gerücht gehört, dass ihr gestern Nacht verletzt worden seid.“ Schon wieder begannen sich ihre Wangen zu verfärben.
 

Kenshin nickte nur, unsicher, wohin ihn diese Fragen denn nun führen würden.

„Bitte seid v-vorsichtig, Battousai-san. Ich... Ich weiß, dass es Krieg ist und Menschen sterben aber... ich will nicht, dass i-ihr...“

„Nozomi-dono...“

Aber das Mädchen schüttelte den Kopf. „Nein, Battousai-san. Ich meine es ernst. Ich bin nicht die einzige. Wir waren alle sehr besorgt, als wir von euren Verletzungen hörten. Ihr habt bisher noch nie einen Arzt gebraucht... bitte seid vorsichtig, Battousai-san.“ Sie sah sehr ernst aus. Und betroffen.

Kenshin schenkte ihr ein freundliches Lächeln. “Nozomi-dono, ich habe nicht die Absicht, hier zu sterben, wirklich nicht. Bitte, sorgt euch nicht um mich.“
 

Das Mädchen nickte endlich und verbeugte sich, sichtlich erleichtert. „Ich werde jetzt gehen. Okami-san wartet.“ Und schon war sie den Flur entlang geeilt.

Kenshin beobachtete sie, bis sie um die Ecke verschwunden war. Es waren wirklich Menschen um ihn besorgt? Nur wegen einer Verletzung? Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Damals war ihm solche Zuneigung niemals aufgefallen...
 

Er schüttelte den Kopf und wandte sich wieder der Tür vor ihm zu. Mit diesen neuen Erkenntnissen konnte er sich auch später noch beschäftigen. Jetzt galt es andere Sachen zu klären...
 

--
 

Der Lärm und Aufruhr außerhalb seines Zimmers dauerte nun schon fast eine Stunde. Langsam begann es, ihn zu irritieren. Saito starrte in sein Schälchen voll Nudeln und aß weiter, während er versuchte, die Geräusche vor seiner Tür zu ignorieren. Natürlich war er neugierig. Er hatte einige Gesprächsfetzen auffangen können. Irgendwas wegen Harada, der sich fast hatte töten lassen. Oder vielleicht hatte er sich tatsächlich töten lassen. Saito hatte nicht alles verstehen können. Aber eines war sicher: Harada hatte nicht auf ihn gehört und nun wohlmöglich das Ryu Tsui Sen zu spüren bekommen.
 

Finster starrte Saito die geschlossenen Tür an. Der Lärm schien etwas nachzulassen, immerhin ein Fortschritt. Es bedeutete auch, dass Saito nicht mehr länger warten musste, sondern gleich den Raum verlassen und sich ein eigenes Bild von den Dingen machen konnte. Ohne mit nervtötendem Geflüster über den „Dämon von Kyoto“ belästigt zu werden. Und ohne Hijikata im Nacken, der ihm unter die Nasen reiben wollte, dass nur der ECHTE Battousai Harada solche Wunden zufügen konnte. Saito schnaubte. Zur Hölle, er selbst könnte betrunken und unbewaffnet sein und trotzdem diesen Idioten verletzen. Harada war ein guter Kämpfer, aber er wäre ein besserer Kämpfer, wenn er damit aufhören würde, so verdammt arrogant zu sein und während eines Kampfes ständig herumzuprahlen. Um ihn zu besiegen brauchte man keinen Battousai.
 

Aber natürlich würden alle Battousai beschuldigen. Deswegen wartete er ja auch noch. Wenn es an der Zeit war, dann würde er sich ein eigenes Bild von Harada machen.
 

Gerade hatte er seine Nudeln zu Ende gegessen, als der Lärm endlich erstarb und er den Arzt an seinem Zimmer vorbeilaufen hörte. Der große Mann stellte sein Schälchen ab, ging zur Tür und schob sie auf. Schnell eilte er durch den nun leeren Flur zu Haradas Zimmer. Er klopfte zweimal, bevor er eintrat. Der Anführer der zehnten Einheit war nicht anwesend.
 

Okita kam gerade um die Ecke und sah den Anführer der dritten Einheit in der Tür stehen. „Saito-san?“

Der Wolf blickte ihn an. „Wo ist Harada?“

Okitas Augen weiteten sich. „Hast du es nicht gehört?!“

Saitos Gesicht wurde noch finsterer. „Ich will nichts hören! Ich will ihn SEHEN, und zwar persönlich! Wo ist er?“
 

Der jüngere Mann lächelte und zuckte mit den Schultern, aber das Lächeln berührte nicht seine Augen. Der kalkulierende Schwertkämpfer schien durch, denn irgendwas war an der ganzen Situation nicht in Ordnung. Immerhin schien das sogar schon Okita aufgefallen zu sein. „Harada ist im Versammlungsraum. Sie haben ihn dahingebracht, denn der Arzt sagte, dass es keine gute Idee sei, ihn großartig herumzutragen.“

Saito nickte knapp und lief in Richtung Versammlungsraum. „Hast du seine Verletzungen gesehen?“

Okita zog eine Augenbraue hoch. „Natürlich. Wenn dieser Angreifer, wie du glaubst, NICHT Battousai-san ist, dann wären Haradas Verletzungen anderer Art, als wie wir sie sonst gewöhnt sind.“

„Und?“

Okita zuckte die Achseln. „Und... wie du sagtest, sieh es dir lieber selber an.“ Er blieb vor der Tür zum Gemeinschaftsraum stehen und schob sie auf. Saito folgte.

Harada lag ausgestreckt in der Mitte des Raumes. Sein Oberkörper war mit Bandagen bedeck und um ihn herum lagen Verbände und Medikamente.

Okita kniete sich an die Seite des Mannes und gebot Saito, das Selbe zu tun. „Schau,“ sagte er und zeigte auf die Obere Schulter des bewusstlosen Mannes, die noch nicht ganz eingebunden war. „Siehst du das? Dort, wo die Haut blau und nach innen gedrückt ist? Nun, diese Verletzung zieht sich über die gesamte Brust.“ Okita folgte der Linie mit seinem Finger. „Genau in der Mitte ist die Verletzung am schwersten.“
 

Saitos Augen verengten sich, während er dem ausgestreckten Finger von Okita folgte. „Dann war es doch ein Battoujutsu-Angriff. Aber Harada lebt...“

Okita sah den älteren Mann seltsam an. „Ja, er lebt. Das ist das seltsame. Es gab fast kein Blut. Diese Verletzung kommt ganz sicher von einem Schwert, aber die Haut ist kaum aufgesprungen...“

„Sakabatou.“

„Saito-san?“

Saito schüttelte den Kopf. „Der Mann, mit dem ich gekämpft habe, benutzte ein Sakabatou. Kein gewöhnliches Katana. Mit einer Klinge auf der falschen Seite könnte so eine Verletzung verursacht worden sein. Aber dieser Angriff war sicher nicht dazu da, das Leben des Opfers zu schonen. Mit so viel Kraft...“ Seine Augen blitzten wütend auf. „Ich hätte diesen Kerl früher beseitigen sollen. Aku Soku Zan. Ich war mir vorher nicht sicher... aber Battousai oder nicht, dieser Typ muss mit Choshuu im Bunde stehen. Er kennt Battousais Techniken und er hat sie gegen uns angewandt.“
 

Okita hustete leicht und stand auf. „Es ging dir nur um einen Beweis, dass er zu Choshuu gehört? Hat dir unser Kampf nicht gereicht?“

„Seine Ki war... falsch. Er wollte nicht töten.“ Saito schüttelte den Kopf. „Er schien nicht einmal kämpfen zu wollen. Ich war mir nicht sicher... aber jetzt... Ich werde mit Kondo-san oder Hijikata-san darüber sprechen müssen.“

„Warum?“

„Mit Harada im Krankenbett werden sie jemanden brauchen, der die Jagd nach Battousai aufnimmt, während der Anti-Attentäter mit der Suche nach Hitokiri Shishio beschäftigt ist.“ Er stand auf und sah auf Haradas bewegungslosen Körper hinab. „Und ich will ein für alle Mal wissen, mit wem genau wir es zu tun haben...“
 

--
 

1878
 

Sano starrte eine lange Zeit Okina an, bevor er den Kopf schüttelte und fragte, „er will wirklich mit MIR sprechen? Was zur Hölle kann Saito von mir wollen?“
 

Der alte Mann sah ihn ausdruckslos an. „Er wollte es nicht näher erklären, aber schien sich sehr sicher zu sein. Willst du ihn sehen oder soll ich ihn wieder wegschicken?“
 

Sano kaute auf seiner Unterlippe. „Oh, ich werde schon mit ihm reden, und zwar gleich. Ich muss dem Typ einige Dinge sagen und nicht alles wird nur mit Worten gesagt werden...“

„Tu nichts blödes, Hahnen-Kopf,“ schnappte Megumi. „Ich hab keine Lust, dich schon wieder zu verarzten. Wir wissen alle, dass Saito dich im Kampf platt macht.“

Der Straßenkämpfer funkelte sie an. „Ruhe,“ fauchte er.

Megumi tippte nachdenklich mit dem Finger an ihre Lippen. „Immerhin, wenn man so darüber nachdenkt... in einem Kampf nur mit Worten würdest du noch viel leichter verlieren... also wäre ein Faustkampf vielleicht doch keine so schlechte Wahl für dich...“

„Schon gut, schon gut, ich hab’s verstanden,“ knirschte Sano mit den Zähnen. „Man, was will ich überhaupt von Leuten wie euch?!“
 

„Kostenloses Essen,“ antwortete Kaoru sofort

„Kostenlose Unterkunft,“ fügte Misao hinzu.

„Kostenlose medizinische Versorgung,“ ergänzte Megumi.

„Außerdem sind wir bei deinem Verhalten wahrscheinlich die einzigen Leute, die es mit dir aushalten,“ ertönte Yahikos Stimme.
 

Sano hätte sie vermutlich alle erwürgt, wenn nicht Okina sich lautstark geräuspert hätte und ihn damit an wichtigere Dinge erinnerte. Mit einem Nicken in Okinas und einem bösen Blick in die Richtung aller anderen ging er aus dem Zimmer.
 

Saito wartete draußen auf ihm, in einiger Entfernung vom Aoi-ya. In der Zeit, in der Megumi Kenshin verarztet hatte, hatte auch er sich um seine Wunden gekümmert. „Ich hab mich schon gefragt, ob du jemals zu mir herauskommen würdest,“ sagte er kalt.
 

„Rede.“

„Nicht hier. Lass uns einen Spaziergang machen.“

Sanosuke schüttelte den Kopf. „Warum sollte ich? Du tauchst hier auf und bringst Kenshin fast um. Bist du jetzt GLÜCKLICH? Ist es das, was du wolltest? Ihn zerstören?“

Die glühenden Augen des Wolfes hatten sich nicht verändert. „Nein. Das wäre das letzte, was ich wollen würde.“
 

Der ehemalige Straßenkämpfer verschränkte die Arme. „Verarschen kann ich mich selbst.“

„Das hier sollte kein Kampf auf Leben und Tod sein. Deswegen habe ich nur Attacken benutzt, die er kontern konnte.“

Sano war einen Moment lang sprachlos. „Was? Aber warum...?“

„Ich hab ihn getestet, du Idiot,“ sagte Saito und sein Blick verschmälerte sich. „Ich hatte nicht die Absicht, ihn zu töten und sicherlich nicht, ihn zu zerstören! Wenn sein Geist verwirrt oder beschädigt ist... dann kannst du dafür die Handlungen dieses dämlichen Mädchens verantwortlich machen.“

„Versteh’ ich nicht.“

„Lass uns gehen und ich werde es dir erklären.“ Saito begann zu laufen und zwang Sano damit, ihm zu folgen.

„Na gut. Jetzt laufen wir. Also rede!”
 

“Er ist nicht euer kleiner Rurouni. Das hier ist der echte Battousai. Der Hitokiri, den ich aus der Bakumatsu-Zeit in Erinnerung habe.“ Saitos Augen leuchteten. „Ich konnte diesen Unterschied in seiner Ki fühlen, seit ich ihn das erste Mal gestern gesehen habe. Vor allem als er diese Betrunkenen auf dem Marktplatz ausgeschaltet hat und ich sein Schwert sehen konnte. Aber um wirklich ganz sicher zu gehen, musste ich selbst mit ihm kämpfen. Wenn seine Ki sich direkt auf mich konzentrieren würde und ich seine Angriffe fühlen würde, dann würde ich bescheid wissen. Deswegen habe ich ihn herausgefordert. Offensichtlich konnte ich ihn nicht töten. Ich bin ja nicht so blöd wie du. Denkst du, ich hätte die Zukunft des ganzen Landes riskiert, in dem ich den Battousai der Vergangenheit ermorde?!“
 

„Was ist verrückt,“ murmelte Sano unbehaglich. Er sah weg. „Wie kann er Battousai sein? Behauptest du, er wäre durch die Zeit gereist oder so was?“
 

Saito lächelte kalt. „Sag du mir das doch.“

„Was?“ Sano gefror.

„Ich habe euch zwei beobachtet. Du behandelst ihn nicht wie den Rurouni. Du führst und schützt ihn.“ Er lachte kurz- „Deine Handlungen verraten dich. Deswegen müssen wir auch reden.“ Seine bernsteinfarbenen Augen glühten vor Neugier auf. „Ich will ganz GENAU wissen, was passiert ist und was ihn hierher gebracht hat!“
 

Sano schüttelte seinen Kopf und starrte finster auf den Straßenbelag. Es gab keine Chance, die Wahrheit länger vor dem Wolf geheim zu halten. „Ich verstehe aber noch nicht,“ fragte er, „warum dich das überhaupt interessiert.“
 

„Er muss zurück! Wenn ich weiß, wie er hierher kam, dann kann ich ihm vielleicht bei seiner Rückkehr helfen. Ist das nicht offensichtlich oder bist du wirklich so blöd?“
 

„Aber er war dein Feind während des Bakumatsu!“

Saito zog eine Zigarette aus der Schachtel, die er aus seiner Tasche fischte. Dann schob er sie sich zwischen die Lippen. „So, worauf willst du hinaus?“ fragte er nuschelnd, während er die Zigarette anzündete und das Streichholz auf die Straße schnippte.

Sano zuckte mit den Schultern. „Ich versteh’s einfach nicht,“ murmelte er erschöpft. „Warum hilfst du ihm? Ich dachte nach dem Kampf mit Shishio seid ihr wieder Feinde wie während des Krieges. Aku Soku Zan und der ganze Mist.“

Saito schnaubte. „Idiot.“
 

Eine Ader an Sano’s Stirn begann zu pulsieren, während er sich lebhaft vorstellte, mit einem Faustschlag die Zigarette aus Saitos Mund zu befördern.

„Du verstehst nicht, wie der Krieg war,“ fuhr Saito ungerührt fort.

„Ich habe auch gekämpft!“

„Als ein Kind.“ Saito zog tief den Rauch ein. „Und jetzt redest du immer noch wie eines. Es gibt kein Gut und Böse im Krieg.“

„Ach.“ Sano lachte auf. „Was soll das? Bist du nicht derjenige, der nach den Regeln von Aku Soku Zan lebt?!“

Saito blickte ihn finster an. „Es gibt natürlich das Böse. Verschiedene Formen und Abstufungen. Korruption ist böse. Sinnlose Zerstörung ist böse. Aber nicht jeder Feind ist automatisch böse. Es gibt kein absolutes Böse.“
 

Sano schüttelte den Kopf. „Du spinnst.“
 

„Wirklich?“ Der Wolf zog eine Augenbraue nach oben. “Gut, wenn du es so haben willst. Deiner Logik nach wäre ich also ein Heuchler. Du hasst Meiji und die Ishin Shishi. Sie sind das Böse, oder nicht? Deswegen trägst du doch auch das Zeichen „Aku“ auf deinem Rücken.“

„Ja. Und?“

Saito lächelte ohne Humor. „Dann ist dein Freund Battousai auch böse.“

„Urteile nicht über Kenshin.“
 

Saitos Lächeln löste sich auf und er begann nun endlich, wütend zu werden. „Ich URTEILE nicht. Ich will Battousai helfen, weil ich ihn respektiere. Ich habe gegen ihn gekämpft, weil ich der Meinung war, dass das, wofür er kämpft, falsch ist. Ich sehe immer noch das Böse in dem System, für das er getötet hat. Aber es gab auch in der alten Ordnung viele böse Sachen. Er hatte genauso viel Recht, dafür gegen mich zu kämpfen. Es war KRIEG, Sagara. Es gibt kein Gut und Böse im Krieg. Nur Wahnsinn und Blutvergießen. Der Krieg kennt keine Logik. Komm damit klar!“
 

Sano wurde still und schaute den älteren Mann überrascht an. Er fand keine Worte. Er begriff, dass diese ganze Sache für den Wolf wirklich wichtig zu sein schien. Denn sonst hätte dieser sich nicht so viel Mühe gegeben, ihm seinen Standpunkt zu erklären.

„Er hätte mich einfach stehen lassen können,“ überlegte Sano. „Er will wirklich Kenshin helfen, was auch immer für Gründe ihn dazu antreiben.“ Laut seufzte er und schüttelte seinen Kopf.
 

„Keine Logik, was?... Wie ein Hitokiri, der ein Kind vor dem Selbstmord bewahren will...“

„Was murmelst du vor dich hin?“

„Kenshin... Battousai... er hat mein Leben gerettet, als ich ein Kind war. Er hat mich aus einem Fluss gezogen, weil ich von der Brücke gesprungen war.“ Er unterbrach sich kurz. „Moment mal, es war sogar der gleiche Fluss, in den ich versehentlich mit Kenshin gefallen bin... in der Nacht, als er mit Battousai Plätze getauscht hat... der gleiche Fluss... die gleiche Brücke...“
 

Sanos dunkle Augen trafen die des Wolfes. Alles schien sich endlich zu einem Bild zusammenzufügen. „Moment... bedeutet das... ?“

Saitos Augen wurden schmal. „Ich denke, du erzählst mir jetzt besser die ganze Geschichte und zwar schnell. Alles, an was du dich erinnern kannst... aus der Vergangenheit UND der Gegenwart...“
 

--
 

Sie saß allein in seinem Zimmer und leistete ihm Gesellschaft. Ihre Finger strichen sanft durch sein rotes Haar und kämmten die Verknotungen aus seinen seidigen Strähnen. Seit Sano mit Saito verschwunden war, saß sie nun hier. Sie wunderte sich, was wohl zwischen den beiden Kämpfern vorgehen mochte, aber die hilflose Gestalt Kenshins vor ihr machte ihr mehr Kopfzerbrechen.
 

Kaoru seufzte und beobachtete seinen ruhigen Körper. Sein Gesicht sah fast friedlich aus, als ob ihre Gegenwart ihm helfen würde. Kaoru hoffte das zumindest. Denn sie sorgte sich sehr um ihn. „Kenshin...“ flüsterte sie. Er seufzte, als ob er sie gehört hätte.

„Wer ist Tomoe?“ überlegte sie. „Hat Yahiko recht oder Aioshi? Ist sie eine vergangene Liebe oder jemand, den er umgebracht hat? Oder ist sie jemand ganz anderes?“ Kaorus Augen blickten besorgt, aber sie wagte es nicht, ihre Ängste laut zu formulieren, denn er würde sie vielleicht hören und das würde es eventuell noch schlimmer machen. Bisher jedoch hatte ihre Stimme ihn eher beruhigt. Sie wollte das nicht ruinieren. „Tomoe... warum hast du mir nie von ihr erzählt?“ Tränen schimmerten in ihren Augen auf. „Was sonst hast du mir verschwiegen, Kenshin?“ flüsterte sie. „Ich weiß, ich hab dir gesagt, dass deine Vergangenheit für mich keine Bedeutung hat, aber ich hatte bisher nie begriffen, wie wenig ich eigentlich über dich weiß. Wie kann ich dir durch diesen Schmerz helfen, wenn du mit mir nicht darüber sprichst?“
 

Sie weinte nun leise. Tränen liefen ihre Wangen hinab und ein paar Tropften in die roten Haare des Mannes vor ihr. Megumis Worte kehrten zu ihr zurück. „Du weißt genau wie ich, was hier los ist. Ich kann nicht glauben, dass du es nicht wahrhaben willst. Wenn du es nicht erkennen willst, dann ist das dein Problem. Nicht meines und nicht Ken-sans.“

Sie starrte verschwommen auf seinen bewegungslosen Körper. Er sah so hilflos aus... so hilflos und so... jung. Wie ein Kind. Komisch, wie der Schlaf eine Person verändern konnte. Aber es war nicht das erste Mal die letzten Tage, dass er ihr so jung vorkam...
 

Er murmelte etwas und brachte damit ihre volle Aufmerksamkeit wieder auf ihn. „Kenshin?“

„Tomoe...“ wisperte Battousai.

“Oh, Kenshin…” Sie ertrug es nicht länger. Sie musste ihn verlassen, zumindest für einen kleinen Augenblick. Er würde es verstehen. Er war nicht wirklich bei sich in letzter Zeit aber er würde verstehen. „Ich komme zurück,“ flüsterte sie und drückte seine Hand. Dann stand sie auf und ging zur Tür. Sie brauchte jetzt frischeh Luft. Vielleicht wäre er wach, wenn sie zurückkäme. Dann könnte sie wenigstens fragen, was vor sich geht. Vielleicht würde er dieses Mal mit ihr reden...

Bevor sie den Raum verließ, drehte sie sich noch einmal zu ihm um. Dann schob sie langsam die Tür zu.
 

Battousai bewegte sich im Schlaf, allein im Raum. Selbst in seinem bewusstlosen Zustand fühlte er die Leere. Er seufzte abermals sanft. „Kaoru...“
 

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Danke fürs Lesen und Kommentieren ^_^

Auf ein baldiges Update...

Kapitel 22 - Entscheidungen

Tatsächlich ein Update :)) Viel Spaß damit.

Zur Erinnerung:

Kenshin ist immer noch in der Bakumatsu-Zeit gefangen und sucht nach einem Weg zurück. Währenddessen sind ihm die Shinsengumi und vor allem der misstrauische Saito auf den Fersen.

Inzwischen ist Battousai noch verletzt vom Kampf mit Saito.
 


 

Kapitel 22 : Entscheidungen
 

1878
 

Battousai lag still auf dem Futon. Seine Augen waren geschlossen, sein Atem ging regelmäßig. Er schien endlich ein einen friedlichen Schlaf gefallen zu sein. Das war für diejenigen, die keine Ki fühlen konnten, eine Erleichterung. Es bedeutete, dass er vielleicht endlich einmal zur Ruge gekommen war und wieder gesund werden würde.
 

Aoshi erlaubte den anderen diesen Irrglauben. Sie alle waren inzwischen zum Essen gegangen, er jedoch war bei Battousai geblieben. In dem Moment, in dem alleine im Raum war, konnte er deutlich die verwirrte Ki des Jungen spüren. Es war genau so, wie er angenommen hatte. Das entspannte Gesicht war nur eine Maske, selbst im Schlaf – der Geist des Jungen war immer noch verwirrt und unsicher.
 

Der Ninja saß nahe der Wand und beobachtete Ihn. „So du bist also der Dämon von Kyoto...“ murmelte er, während er Battousais Schwert vom Boden hob – er hatte es vorsorglich außerhalb der direkten Reichweite des Hitokiri platziert. Er zog die Klinge ein Stück aus der Scheide. „Seltsam, Battousai mit einem richtigen Schwert zu sehen,“ dachte er und schnaubte. „Noch seltsamer, so was seltsam zu finden... Wenn du mich damit angegriffen hättest, in unseren Kämpfen, dann wäre ich wohl jetzt tot.“ Er brach ab. Besser war es, jetzt nicht über solche Dinge zu sprechen. Aber anscheinend schienen seine Worte die aufgewühlte Ki des Jungen etwas zu beruhigen. Als ob Wörter über Kämpfen und Tod ihn in eine vertraute Umgebung setzen würden...
 

Und dann war da auf einmal eine Bewusstseinsveränderung, so plötzlich, dass Aoshi zusammenzuckte. Es gab keinerlei Veränderungen in Battousais Gesichtsausdruck, seinem Atem – aber er war jetzt wach. Einfach so. Wach und gespannt, denn er fühlte die ihm fremde Ki im Raum.
 

Aoshi fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bevor der Hitokiri nach seinem Schwert tasten würde, das er noch in der Hand hielt. Er schob die Klinge zurück und legte es neben sich. Bei dem Geräusch des Zuschnappens sprangen die Augen des Jungen auf. Mit Schmerzen raffte er sich auf und stützte sich auf seinen unverletzten Arm, während er im Raum umherschaute und seine Augen schließlich auf dem stillen Mann nahe der Wand hängen blieben. Seine Augen verrieten sein Misstrauen, denn er fühlte die Ki eines Ninjas. Aosi war nicht überrascht. Jetzt waren sie Freunde, er und der „andere“ Kenshin. Aber ein Rest Kampfeslust würde wohl für immer in Aoshis Ki zu spüren sein.
 

„Wer bist du?“ Battousais Stimme klang heiser.
 

„Shinomori Aoshi.“
 

Der Junge starrte ihn an, abschätzend. „Shinomori Aoshi... Ich habe niemals von euch gehört.“
 

Nicht überraschend. Aoshis kalte grüne Augen schauten in die mitternachtsblauen des Hitokiri. Besser, er würde schnell zur Sache kommen. „Schon Mal von den Oniwaban-Shu gehört?“ fragte er vorsichtig.
 

„Ninjas,“ kam Battousais finstere Antwort. Sofort hatte sich das ganze Verhalten des Jungen geändert, schonwieder unerwartet. Aoshi verstand nicht den Schmerz, der in Battousais Stimme mitgeschwungen hatte. Ja, die Oniwaban hatten den Jungen und seine Kameraden bekämft, aber da war etwas in Battousais Stimme gewesen, dass ihn ahnen ließ, dass diese Ninja mehr ein persönlicher Feind Battousais als ein Feind der Rebellen gewesen waren.
 

„Ja,“ antwortete der schwarzhaarige Mann schließlich, „Ninjas. Ich gehöre zu den Oniwaban.“
 

Battousai bewegte sich nicht, nur seine Augen verschmälerten sich.
 

„Während des Bakumatsu war ich Okashira einer Gruppe, die Edo für den Shogun verteidigte.“
 

Ein Schatten von Verständnis glitt über Battousais Gesicht. Er tastete nach seinem Schwert, aber es war weg. Erst jetzt schien er zu bemerken, dass es neben dem Ninja lag.
 

„Dann beabsichtigt ihr, mich zu töten,“ sprach er leise, Resignation in der Stimme.
 

Das Gespräch wurde langsam mehr als Unangenehm für Aoshi. Diese schwermütige Ki war eine Sache. Aber Battousai schien kaum noch einen Lebenswillen zu haben. Das konnte nicht die selbe Person sein, mit der er in Kyoto gekämpft hatte. Derselbe Mann, der ihn damals überzeugt hatte, sein Augenmerk auf Leben anstatt auf Tod zu richten. Hatten ihn die Jahre so verändert?

„Wenn ich dich hätte töten wollen, dann wäre es schon geschehen,“ sagte Aoshi einfach. „Ich schätze jedoch einen fairen Kampf – obwohl ich mir deiner Fähigkeiten wohl bewusst bin, Hitokiri Battousai.“ Er nahm das Schwert und hielt es dem Jungen entgegen. „Nimm es, wenn du dich dann wohler fühlst.“
 

Der Junge nahm vorsichtig das Schwert und hielt sich dann daran fest, als ob es ein Rettungsanker wäre.
 

„Ich wollte nur meine Vermutungen bestätigen.“

Der Junge blinzelte, seine Augen weiteten sich. „Deine Vermutungen... also weißt du...“

„Ja.“

„Woher?“

„Deine Ki. Dein Gesicht. Hat es wirklich eine Bedeutung?“

Battousai antwortete nicht, zog sich wieder in sich selbst zurück.
 

Aoshi studierte ihn. Dieser Junge war der Stärkste des Bakumatsu gewesen... dieses Kind hatte irgendwie all diese Jahre von Feuer und Blut überstanden, mit intaktem Körper und Seele. Der Junge war still. Kontrolliert. Sein Körper gespannt, als ob er auf ein Zeichen warten würde, dass sich Aoshi als Bedrohung offenbarte. Er war nur ein Kind. Aber seine Augen waren erfahren, erschöpft. Alt.

„Er hat mehr gesehen, als irgendjemand seines Alters es jemals sollte. Er ist genau das, wovor ich Misao schützen wollte.“ Aoshi zwang sich endlich, wo anders hinzuschauen. „Kein Wunder, dass er seinen Lebenswillen verloren hat. Was sonst hat er wohl noch verloren?“

Dann kam ihm ein plötzlicher Gedanke.
 

Er sah dem Jungen, der kaum älter als Misao war, ins Gesicht. „Wer ist Tomoe?“ fragte er.
 

Battousais Augen weiteten sich. „Was?“
 

„Du hast im Schlaf gesprochen, Battousai.“ Er schwieg einen Moment. „Ist sie jemand, den du gerne hast... den du liebst?“
 

„Sie ist tot.“ Kalte Stimme. Und er schaute ihn nicht länger an, statt dessen glitt seinen Hand zu der Narbe an seiner Wange. Aoshi entgingen diese Zeichen nicht, aber er wollte mehr erfahren, auch wenn es gefährlich war. Der zerbrechliche Geist des Jungen war ihm nun ausgeliefert. Er musste vorsichtig sein. „Sie war also jemand, den du mal geliebt hast.“
 

Die Stimme des Jungen war hart. „Sie ist jemand, den ich getötet habe.“
 

Irgendetwas in Aoshi wurde kalt bei diesen Worten und alles, was er sagen konnte, war, „Ich verstehe... ich wusste nicht...“
 

Battousai war still. Seine Augen glühten unheilvoll. Keine Wut, sondern kaum zurückgehaltener Schmerz. Das Gespräch war nun eindeutig vorüber. Aoshi hätte verrückt sein müssen, um weiterzumachen. Vor allem, nachdem er dafür gesogt hatte, dass der Hitokiri wieder bewaffnet war...
 

Aber Aoshi hatte eine Idee. Er wollte diese Chance jetzt nicht verstreichen lassen, nicht jetzt, wo er vielleicht einen Einfluss auf die Seele dieses Jungen haben konnte. Battousai hatte sein Leben auch gerettet, damals, als er selbst am Rand des Abgrundes war und fast sein Leben aufgegeben hatte. Der Ninja war dem Rotschopf etwas schuldig. „Du wolltest sie nicht töten, oder?“
 

Battousai zuckte leicht zusammen, das gefährliche Leuchten in seinen Augen ließ etwas nach.
 

„Ich bin mir sicher, sie würde dir vergeben, wenn du es nur zulässt.“
 

„Ich brauche keine Vergebung,“ schnappte der Junge und beäugte sein Schwert. „Jedenfalls,“ sprach er leise weiter, „bin ich nicht dumm genug, um sie zu erwarten...“
 

„Das ist nicht wahr. Du willst Vergebung nicht akzeptieren. Das ist ein Unterschied.“ Als der Junge ihn verwirrt ansah, fuhr er fort. „Ich sagte doch, du sprichst viel im Schlaf. Sie verfolgt dich in deinen Träumen, diese Tomoe...“ Er sah Battousai direkt in die Augen. „Ich weiß, wie du dich fühlst. Ich habe Menschen verloren, die mir wichtig waren. Sie starben, um mich zu retten. Das Gefühl des Verlustes und der Schuld hat mich fast wahnsinnig werden lassen. Fast hätte ich alles verloren, was ich noch zu bewahren hatte.“ Er seufzte. „Lass dich nicht von ihr verfolgen. Zwinge sie nicht, immer an deiner Seite zu bleiben und dich an deinen Schmerz zu erinnern. Ein starker Mann hast dies einmal beigebracht und ich denke, es sind auch die richtigen Worte für dich.“ Er stand auf. „Denke darüber nach, Battousai. Ich werde jetzt gehen.“
 

Der Junge starrte ihn an. „Shinomori...“ sagte er leise. „Wer war der Mann, der dir diese Ratschläge gegeben hat?“
 

Aoshi zögerte an der Tür, sein Rücken Battousai zugewand. „Jemand, erst die Hölle durchschreiten musste, um den Himmel zu sehen,“ antwortete er.
 

Damit ging er und ließ Battousai allein mit seinen Gedanken zurück.
 

--
 

1865
 

Kenshin saß gegenüber von Katsura und zwang sich, ein paar Schlucke Sake zu trinken und nicht ungeduldig zu wirken. Aber die letzten zehn Minuten war fast nichts gesprochen worden und selbst Kenshins nie zu endende Geduld schien sich langsam aufzubrauchen. „Katsura-san,“ sprach er schließlich sanft. „Ihr habt mich nicht nur zum trinken zu euch gerufen, oder? Gibt es etwas, das ihr mit mir bereden wollt?“
 

Der Anführer lächelte. „Scharfsinnig wie immer,“ antwortete er. „Aber mehr dazu geneigt, Frustration auch zu zeigen. Während du noch mein Hitokiri warst, hättest du das nicht gewagt.“ Er lachte über Kenshins schuldbewussten Gesichtsausdruck. „Ruhig Blut, Himura,“ sagte er freundlich, „ich bin nicht beleidigt. Eigentlich finde ich es ganz erfrischend. Es beweist mir, wie sehr du dich verändert hast. Wie sehr du gewachsen bist. Du bist jetzt stärker.“
 

Kenshin schüttelte den Kopf. „Ich glaube, ihr täuscht euch, Katsura-san. Ich habe die Blüte meiner Kampfkunst schon überschritten.“
 

Katsura zog eine Augenbraue hoch, während er einen Schluck aus dem Sake-Schälchen nahm. „Es gibt mehr Arten von Stärke als die Körperliche. Ich bin mir sicher, das hast du inzwischen begriffen.“ Er lächelte und wechselte dann das Thema. „Ich habe über deine Lage nachgedacht, Himura. Ich möchte dir einige Ideen unterbreiten.“
 

Kenshin setzte sich auf und stellte sein Schälchen mit einem lauten „Kling“ ab. „Ihr habt einen Weg für mich gefunden, zurückzukommen?“
 

„Ich sagte, ich habe einige Ideen,“ antwortete sein Anführer. „Das ist alles. Aber es gibt da Details, die mir seltsam erscheinen. Zum Beispiel dieser Junge. Du bist davon überzeugt, dass er dir dabei helfen kann, nach Hause zu gelangen. Ich bin mir da nicht so sicher.“
 

„Was? Aber was könnte es sonst sein? Der Zufall ist zu auffällig. Und nach letzter Nacht... ich weiß, wer der Junge ist. Ich kenne ihn als Mann in meiner Zeit.“
 

Katsura seufzte. „Ich bezweifle nicht, dass da eine Verbindung besteht. Aber warum wurde ER dann nicht vom der Zeitreise betroffen?“
 

Der Rurouni starrte ihn an. „Der... Gedanke ist mir noch nicht gekommen.“ Er schaute in Katsuras Augen. „Also ist es etwas... etwas, das ganz speziell mit meiner Person zu tun hat?“
 

„Genau das denke ich.“ Es gab eine nachdenkliche Pause, bevor Katsura weitersprach. „Ich denke, es war die Kombination. Du bist in beiden Zeiten von der gleichen Brücke mit der gleichen Person in den gleichen Fluß gefallen. Ich denke, der Schlüssel ist deine Person. Deine Gedanken, dein Gefühlszustand zu dem Zeitpunkt.“
 

„Meine Gedanken?“ Kenshin blinzelte ihn an. “Aber ich bin nicht derselbe, der ich vor 13 Jahren war. Das habt ihr gerade selbst gesagt. Wie also...“
 

„Du hast mir erzählt, dass du manchmal Flashbacks hast. Gerade jetzt, wo du hier in dieser Zeit bist.“ Der ältere Mann lehnte sich mit ernstem Gesicht nach vorne. „Denk nach, Himura. Woran hast du gedacht, als du in diesen Fluß gefallen bist? Warst du bei dir selbst, oder hattest du vielleicht einen Flashback?“
 

Kenshin zuckte zusammen, als er sich erinnerte. „Der Junge. Ich hab mich an den Jungen erinnert. Ihr habt recht, Katsura-san. In diesem Moment war ich im Geiste wieder Battousai.“
 

Katsura nickte. „Dann scheint es mir, dass alles, was du tun musst, um irgendwie zurück zu kommen, ist, dich in den Geisteszustand von Battousai hineinzuversetzen. Die Gleichen Gedanken in einer gleichen Situation.“
 

Kenshin sprang auf , seine Hände zu Fäusten geballt, unruhig im Raum auf und abgehend. Dem ganze Druck, der auf ihm lastete, ließ er nun freien Lauf, verhüllte nicht länger seine Frustration. „Wie kann ich das tun? Ich weiß doch nichtmal, wo genau Battousai jetzt ist, geschweige denn, was er jetzt fühlt. In welcher Situation er sich befindet. Ich ERINNERE mich nicht, jemals in der Vergangenheit so etwas durchlebt zu haben. Es ist wie ein leerer Punkt in meinem Gedächtnis.“
 

„Tut mir Leid, Himura. Ich sagte, ich habe nur Ideen, keine Antworten.“
 

Der Rurouni atmete tief durch. „Nein. Mir tut es leid.“ Er verbeugte sich tief. „Ich hatte kein Recht, mit euch auf diese Art und Weise zu sprechen. Es tut mir sehr leid... Ich...“ er sah weg.. „Wenn es in Ordnung ist, dann würde ich jetzt gerne allein sein und nachdenken.“
 

„Natürlich.“
 

Kenshin verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich.
 

Die Augen von Katsura blickten besorgt auf die Tür, sein Blick war abwesend. „Ich hoffe, ich konnte dir irgendwie weiterhelfen, Himura. Kehre nach Hause zurück. Lass mich wenigstens etwas zur Wiedergutmachung getan haben... für das, was ich dir angetan habe...“
 

--
 

Hijikata schrieb gerade, als es an der Tür klopfte. Er seufzte laut auf und strich sich mit der Hand durch die Haare. Das war jetzt das dritte Mal, dass jemand ihn in der letzten halben Stunde unterbrochen hatte. „Hör mal zu, Shinpachi, ich weiß nicht, WANN Sanosuke wieder fit sein wird,“ rief er. „Und wenn du noch mal in mein Zimmer kommst und mich mit deinen Theorien über Battousai und seine Verbindungen zu Dämonen nervst, dann schick ich dich in die Hölle, um Nachforschungen anzustellen!“
 

Es gab einen Moment Stille.
 

„Ich nehme an, Nagakura war mal wieder ganz der Alte.“ Diese Stimme gehörte definitiv nicht zu Shinpachi.

„Scheiße,“ grummelte Hijikata. Hajime. Derjenige, der behauptete, dass Battousai gar nicht Battousai war!! Noch besser!

„Tritt ein!“
 

Die Tür glitt auf und herein kam Saito mit amüsiertem Gesicht. Er warf einen Blick auf den Schreibtisch, wo noch das Papier lag, an dem Hijikata gearbeitet hatte. „Haiku?“
 

„Warum seid ihr hier, Hajime?“ fragte der Vize-Kommandat scharf.
 

Die Belustigung verflog von Saitos Gesicht. „Ich wollte Harada sehen.“

„Und?“

„Und... ich würde gerne mit meiner Einheit gegen Battousai ausrücken.“

„Nein.“ Hijikata wandte sich ab.

Es gab eine lange Pause, bevor Saito wieder sprach. „Warum?“
 

Hijikata fokusierte den Anführer der Dritten Einheit. „Weil, Hajime, ihr glaubt, dass dieser Mann gar nichth Battousai ist. Wie kann ich euch dann trauen, dass ihr ihn wirklich beseitigt? Das hier ist kein Spiel. Ihr wisst genauso wie ich, dass uns nur die Ikedaya Affaire so viel Respekt eingebracht hat. Wir sind hier in Kyoto, um die Rebellen und die Attentäter auszuschalten. Ich kann nicht verantworten, dass ihr dazu vielleicht nicht im Stande seid.“
 

„Ich beabsichtige ihn zu töten. Ich war mir nicht sicher, aber nachdem er Harada angegriffen hat, weiß ich es. Er ist definitiv ein Feind.“
 

Der Vize-Kommandant schnaufte. „Und er war kein Feind, als er dich oder Souji angegriffen hat? War er kein Feind, als er Takasugi aus Kyoto geholfen hat?“
 

Saitos Stimme war ruhig. „Er war nicht unterwegs, um zu töten. Er hatte die Gelegenheit, mich zu töten und hat es nicht getan. Aber der Angriff gegen Harada, der hätte gereicht, um zu töten. Das ändert die Dinge.“
 

Hijikata antwortete nicht.
 

„Das ist kein Spiel, sagt ihr,“ sprach Saito weiter. „Wie könnt ihr dann riskieren, jemanden gegen Battousai zu schicken, der überhaupt nicht vorbereitet ist? Nur Okita und ich haben schon mit ihm gekämpft und überlebt – ihr wisst das. Sendet unsere Einheiten und wir haben eine Chance. Sendet die anderen und es gibt ein Blutbad. So einfach ist das.“
 

Der Vize-Kommander setzte sich mürrisch in seinen Stuhl. Warum zur Hölle musste er sich immer mit solchen Entscheidungen herumschlagen? Wie schaffte Kondo es, sich davor zu drücken?“

„Na gut,“ grummelte er. „Heute Nacht. Wir haben gehört, dass der Anti-Attentäter heute Nacht Hitokiri Shishio im Auge hat. Dein Job ist, dafür zu Sorgen, dass er erfolgreich arbeiten kann und Battousai nicht in die Quere kommt. Ist das klar?“
 

Saito verbeugte sich. „Verstanden, Hijikata-san. Battousai wird eleminiert.“
 

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Hoffentlich bis bald ;)) Und Feedback würde mich natürlich freuen!!

Weise Worte

{b]Kapitel 23: Weise Worte
 

1878
 

Sanosuke schritt in dem kleinen Raum des Polizeihauptquartiers auf und ab. Saito ignorierte ihn und sah einige Akten durch, die auf seinem Schreibtisch lagen. Während sie zusammen hergelaufen waren, hatte Sano dem Wolf alles erzählt, an das er sich aus jener Nacht, in der Kenshin mit Battousai Platz getauscht hatte, erinnern konnte.

Saito hatte bis auf ein gelegentliches Grunzen kaum Andeutungen gemacht, dass er ihm überhaupt zuhörte. Als Sano geendet hatte, waren sie an der Polizeistation angekommen und nun war der Straßenkämpfer in diesem Raum eingeschlossen wie ein Vogel im Käfig.
 

„Kannst du dich nicht setzen?“ Sagte Saito endlich unfreundlich. „Ein Loch in den Boden zu laufen wird Battousai nicht zurückbringen.“

Sano baute sich vor Saitos Schreibtisch auf. „DU hast bisher auch nicht viel zur Lösung des Problems beigetragen. Vorhin noch interessiert, jetzt gleichgültig.“

„Ich habe alle Informationen, die ich benötige. Ich kümmere mich um die Situation.“

„Bitte?!“ rief Sano aus und ließ sich trotzig auf dem Boden nieder. “Wie kannst du eine Möglichkeit wissen, ihn zurückzuschicken? Ich hab mir schon seit gestern meinen Kopf zerbrochen.“
 

„ich bin nicht so dumm wie du, ganz einfach.“ Saito kramte nach einer Zigarette. „Irgendein komischer Zufall hat dazu geführt, dass Battousai in beiden Zeiten die selbe Situation durchlegt. Logischerweise müssen wir diese Situation noch einmal herbeiführen, um ihn zurückzuschicken.“
 

Sano starrte ihn mit ausdruckslosem Gesicht an. „Ich muss wieder in den Fluss springen?“

„Nein, du Dummkopf. Der Fluß hat keine Bedeutung. DU hast keine Bedeutung.“

„Hey!“

Saito ignorierte ihn. „Alles, was zählt, ist den alten und den jungen Battousai in die gleiche Situation zu bringen.“
 

Sano runzelte die Stirn und stand wieder auf, um seinen Wanderschritt durch den Raum fortzuführen. „Und wie zur Hölle sollen wir das anstellen? Wir wissen doch nicht, was in der Vergangenheit gerade passiert. Ist ja nicht so, als ob wir ihm einen Brief mit Anweisungen schicken könnten.“
 

„Ich muss nichts dergleichen tun. Ich weiß, wo Battousai ist und was er tut. Deine Geschichte passt perfekt mit einem Ereingis aus meiner Vergangenheit zusammen. Ein seltsamer Vorfall mit Battousai während dem Bakumatsu.“ Seine Augen leuchteten auf. „Ein seltsamer, rothaariger Mann mit einem Sakabatou.“

Der Straßenkämpfer gefror und starrte den Wolf an. „Du... du hast Kenshin damals getroffen? Ist er okay? Kommt er wieder gesund zurück?“

„Wenn ich das wüsste, dann würde ich mir jetzt keine Gedanken mehr machen. Also lass mich jetzt entweder allein oder sei still.“

„Aber er war am Leben, als du ihn gesehen hast.“

„Offensichtlich. Es würde sonst für mich nicht viel Sinn ergeben, diese Situation mit einer Leiche nachstellen zu wollen.“
 

Sanosuke schloss die Augen. „Gott sei Dank,“ dachte er. „Wenigstens lebt er noch. Er muss da jetzt durch, er muss!!“ Er seufze. Saitos irritierte Stimme durchbrach seinen Gedanken. „Ich weiß, das es dir schwerfällt, dich auf mehr als eine Sache zu konzentrieren, aber versuch wenigstens, zuzuhören.“

Sanos Augen sprangen auf. Der Wolf war schon wieder am rauchen. „Das letzte Mal, als ich ihn in der Bakumatsuzeit sah, war während eines Kampfes nahe deiner Brücke. Wenn wir heute Abend Battousai dahin locken könnten, dann könnte ich für den gleichen Kampf auch in dieser Zeit sorgen. Er und ich... wir kämpfen immer noch so miteinander, trotz der Jahre Unterschied. Es könnte funktionieren...“
 

„Du willst mit ihm KÄMPFEN?“ knurrte Sano. „Nach allem, was heute passiert ist? Das schafft er nicht noch einmal.“

„Battousai ist stärker als du glaubst.“

Sanos Augen verschmälerten sich gefährlich. „Er ist noch ein Junge. Ich denke, dass vergesst ihr alten Revoluzzer manchmal! Er ist stark, er hat einen Haufen Leute umgelegt. Seine Fähigkeiten sind unglaublich. Aber er ist nur ein Junge, der niemals seine Kindheit ausleben konnte. Sowas zerstört die Leute. Kein wunder, dass er fast zerbrochen wäre, als Kaoru sich vor ihn geworfen hat. Ich wette, niemand hat so was je für ihn getan. Ich habe einen ganzen Tag gebraucht, um ihm zu überzeugen, nur mit den Leuten zu SPRECHEN. Er zuckt immer noch zusammen, wenn man ihn versehentlich berührt. Das ist UNNORMAL. Er ist nicht so stark, wie du denkst.“
 

Saitos Gesichtsausdruck war kalt. „Battousai IST nicht normal. Er wird niemals normal sein, Niemals!“

„Aber er hat das Recht, es zu versuchen!“

„Ja, in der Zeit, in der er Kenshin ist. Aber nicht hier. Nicht jetzt. Hast du überhaupt eine Idee, was du in ihm anrichtest?“

„Ich versuche, ihn zu retten.“

„Du verurteilst ihn zum Tod! Wenn er hier in dieser Zeit weich wird, dann wird er nie den Bakumatsu überleben. Wenn dir sein Leben irgendwie am Herzen liegt, dann überlässt du ihn jetzt den Wölfen.“

„Also dir,“ grummelte Sano.
 

Saito lächelte kalt. „Genau. Es gibt keine andere Möglichkeit. Ich habe gegen ihn während des Bakumatsu gekämft, und wenn ich mit ihm jetzt hier kämpfe, dann werden die beiden wieder Platz tauschen können.“

„Aber es wird kein fairer Kampf sein,“ schnaubte Sano.

„Was soll das denn jetzt wieder?“

„Kenshin redet nicht viel über die Bakumatsu-Zeit, aber ich erinnere mich, dass er uns im Zuge mit der ganzen Sache um Shishio von den Shinsengumi erzählt hat. Er hat gesagt, dass ihr beide euch damals ebenbürtig wart. Und jetzt ist er verwundet. Das Gleichgewicht hat sich zu deinen Gunsten verschoben. Wenn du einen Fehler machst, könntest du ihn töten.“
 

„Dummkopf.“

Sano biss die Zähne zusammen und hämmerte seine Faust auf den Schreibtisch. „WAS denn?!“

„Ist es nicht offensichtlich?“ Der Wolf nahm einen weiteren Zug an seiner Zigarette. „Ich bin derjenige, der etwas riskiert, nicht er. Wir WAREN einmal ebenbürtig, das war vor zehn Jahren. Ich bin jetzt älter und er nicht. So einfach ist das. Zwanzig Jahre Unterschied sind nicht zu unterschätzen.“
 

Sano starrte ihn an. „Du meinst...“

„Ich riskiere bei dieser Sache mein Leben, Ja.“

„Für ihn?“

Saito schwieg einen Moment und warf Sano einen langen, ernsten Blick zu. „Für Japan. Es ging immer nur um Japan. Immer.“
 

--

Battousai saß alleine in seinem Zimmer und dachte über die Worte des Ninja nach.

„Ist es das, was ich dir antue? Dich zu verletzen?“ Er führte eine zitternde hand an seine Wange. „Ich wünschte du wärst hier,“ flüsterte er leise. „Wenn ich mit dir sprechen könnte... dich nur noch einmal sehen könnte... dann würde ich vielleicht mehr wissen. Was willst du von mir? Soll ich dich etwa vergessen und mein Leben einfach so weiterführen?“ Er spürte die raue Haut der Narbe unter seinen Fingern und etwas feuchtes – Tränen. „Ich habe dich niemals verletzen wollen... Bitte glaub mir das...“
 

Sein von Schmerz erfülltes Flüstern wurde von einem Klopfen an der Tür unterbrochen. Er antwortete nicht, sondern verharrte bewegungslos
 

Schon wieder ein leichtes Klopfen. Dann schob sich die Tür auf.

Battousai hatte gerade genug Zeit, um sich die Tränen von den Augen zu wischen, bevor die Ärztin hereinkam. Aber er war nicht schnell genug, um es gänzlich vor ihr verbergen zu können. Sie zögerte kurz am Türeingang, sagte aber nichts.

„Megumi-dono,“ sprach er leise, seine Stimme immer noch etwas rau.

Sie nahm diese Worte als Einladung, den Raum zu betreten und schloss die Tür hinter sich.

„Ken-san, wie geht es dir? Aoshi hat gesagt, dass du wach bist.“
 

Er sah sie stumm einen Moment an, dann antwortete er, „mir geht es gut.“

Die hübsche Frau seufzte und kniete sich neben ihn, um die Verbände, die sie mitgebracht hatte, abzulegen. „Wir müssen dich neu verarzten, Ken-san.“

Er nickte kurz.

Sie ging schnell an die Arbeit, nahm die alten Verbände ab und begutachtete die Verletzungen, behandelte sie und verband sie wieder. Als sie arbeitete, waren beide eine Weile schweigsam. Aber nachdem Megumi die neuste Wunde an Kenshins Schulter verbunden hatte, konnte sie nicht länger schweigen.
 

„Ken-san... wie ist all das passiert?”
 

Battousai bekam eine Gänsehaut, als er an seine alten, tiefen Verletzungen dachte. Ein Kampf in schwer verschneitem Waldgebiet, ohne Richtungssinn... ohne überhaupt einen Sinn. Zu wissen, dass am Ende der Tod wartete, aber das sich Sterben für das Leben von jemand anderem lohnen würde... „Die älteren Narben sind von Kämpfen, in denen ich Personen beschützt habe,“ sagte er einfach und hoffte, dass Tomoe ihm vergeben würde.
 

Aber alle Gedanken an Tomoe wurden von Megumis nächsten Worten aus seinem Bewusstsein verdrängt.

„Ich rede nicht über deine Verletzungen. Ich meine, wie bist du hierher gekommen? Wie ist der Hitokiri, den wir niemals wirklich kennengelernt haben hier in der Zeit gelandet, wo er eigentlich nichts mehr verloren hat, wo er zur Legende geworden ist?“

„Was?“

„Du weißt, wovon ich spreche.“

Seine blauen Augen weiteten sich. „Woher weißt du es? Hat Sano dir es gesagt?“ Für einen Moment sah Battousai aus wie ein verwirrter Junge und Megumi musste sich beherrschen, um nicht zu lachen. Wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre, wäre es ihr vermutlich kaum gelungen.
 

„Ich habe Augen, Ken-san,“ sagte sie stur. „Du hast zwar immer jung gewirkt, aber du bist nicht der Mann, den ich schon behandelt habe. Ich bin ein Arzt, Ken-san. Ich bemerke Dinge, wie zum Beispiel frische Wunden über alten Narben. Glaubst du, das wäre mir entgangen? Oder deine Launen? Deine Handlungen?“
 

Battousai schüttelte den Kopf. „Es weiß also mittlerweile jeder Bescheid?“ Soviel zu Sanos Idee, alles geheim zu halten.
 

Megumi schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht. Aoshi weiß es und ich denke, auch Kaoru spürt es, aber sie will es nicht zugeben. Sie ist still, zurückgezogen – so verhält sie sich nur, wenn Ken-san sie verlässt. Ein Teil von ihr, glaube ich, hat begriffen, dass ihr Kenshin weg ist und sie hat Angst, dass er vielleicht nicht zurückkommt.“
 

Battousai wandte seinen besorgten Blick von Megumi ab und versuchte, diese Informationen zu verarbeiten. Er beobachtete die Nachmittagssonne, die durch das offene Fenster schien und langsam im Himmel immer tiefer sank. „Und du? Denkst du, dass er zurückkommen wird? Oder hast du Angst, dass ich für immer hier bleibe?“
 

Megumi fasste ihn sanft an der Schulter und zwang ihn, sie anzusehen. Ihr Gesichtsausdrduck war freundlich und erinnerte ihn irgendwie an Okami. Vielleicht konnte er deswegen mit ihr so offen reden.

„Er wird zurückkommen. Aber versteh das nicht falsch,“ fügte sie hinzu, als er kaum merklich zurückzuckte, „Ich sorge mich um ihn genauso wie um dich. Es ist nicht so, als ob ihr verschiedene Menschen wärt.“ Ihr Lächeln war warm, aber ihre Augen verrieten die Besorgnis in ihrem Herzen. „Ich habe Angst. Kauro wird zerbrechen, wenn sie Kenshin verliert. Und ich weiß nicht, wie es Ken-san...“ Sie unterbrach und korrigierte sich, „...du... ich weiß nicht, wie es dir geht, wieder in der Zeit des Bakumatsu.“

Battousai nickte. „Weil ich nicht mehr töte?“

Megumis Griff an seiner Schulter wurde fester und ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. „Woher weißt du das?“ fragte sie scharf.

„Das Sakabatou. Mein Schwur...“

Ihre Augen wurden noch größer. „Woher? Hat dir Sanosuke davon erzählt?“
 

Er lächelte kaum merklich und sah zum ersten Mal seinem älteren Gegenstück wirklich ähnlich. „Natürlich weiß ich diese Dinge. Niemand muss sie mir erzählen. Vor sechs Monaten erst hab ich den Schwur geleistet, niemals mehr zu töten und nicht durch ein Schwert zu sterben.“ Er sah weg. „Es war ein Versprechen. Für mich beginnt der Schwur dann, wenn die Revolution endet. Aber hier... hier ist bereits die Meiji-Zeit. Ich muss schon eine ganze Zeit mit dem Töten aufgehört haben...“ Seine Augen verdunkelten sich, als ihm ein anderer Gedanke kam. „Und mein Schwur wird sich für mich nicht ändern, auch wenn ich wieder zurück in die Revolution versetzt wurde. Ich kenne meine Gedanken. Ich werde nicht mehr töten, nachdem ich es geschworen habe. Ich mache mir Sorgen um Katsura-san.“
 

„Katsura! Aber er ist doch derjenige, der ich überhaupt in diese ganze Lage gebracht hat.“
 

Der Rotschopf schüttelte den Kopf und sah sie mit noch einem von den seltenen, milden Lächeln an. „Katsura-san hat mich in nichts gebracht. Er hat mir ein Angebot gemacht und ich habe eine Wahl getroffen. Er kann nicht mehr verantwortlich gemacht werden wie ich selbst.“

„Er wusste, was er tat. Du warst damals ein unschuldiger Junge.“

„Woher willst du wissen, das ich unschuldig war?“ Sein Blick war amüsiert, aber seine Augen schimmerten dunkel. „Es war nicht Meiji, Megumi-dono. Ich hatte kein leichtes Leben, bevor ich mich Katsura-san angeschlossen habe.“

„Du warst ein Kind,“ wiederholte sie.

Battousai senkte den Kopf. „Ja, ich war ein Kind. Und jetzt bin ich Katsura-sans Schwert. Ohne mich ist er unbewaffnet und das macht mir Sorgen.“
 

Sie schüttelte ihren Kopf, denn sie verstand ihn nicht. „Er hat dich doch...“

Seine Augen waren auf einmal alt, als er sie anblickte, und das machte sie nervös. In dein tiefen seiner Augen gab es ein Verstehen, das er nicht hätte haben sollen. Die Last eines Schicksals, das er nicht hätte tragen sollen. Vor allem nicht alleine.

„Er hat das Sakabatou dabei. Wie lange wird er damit in der Bakumatsu-Zeit überleben? Wie du gesagt hast, ich könnte diese Sache vielleicht nicht noch einmal überstehen...“
 

--
 

1865
 

Geistesabwesend verließ Kenshin Katsuras Zimmer, in seinen eigenen Gedanken und Sorgen verloren. „Wie soll ich nur nach Hause kommen? Wenn der einzige Weg meine Gedanken und Handlungen sind, die ich irgendwie mit Battousai in Einklang bringen muss, dann ist es kaum möglich. Außer...“ Kenshin schüttelte den Kopf. „Nein, keine gute Idee... aber möglich, vielleicht.“ Seine Gedanken wandten sich den Shinsengumi zu. Saito war einer der wenigen Menschen, die in ihm die dunkle Seite des Hitokiris so sehr zum Leben erweckt hatten, dass nicht einmal Kaours Stimme noch fähig gewesen war, ihn wieder zurückzubringen. Wenn ihn also jemand in einen ähnlichen Geisteszustand zu Battousai versetzten könnte, dann Saito. Aber wie?
 

Kenshins Augenbrauen zogen sich zusammen, als er sich dem Eingang der Herberge näherte. Er hatte nicht vor, von irgendeinem der anderen Soldaten gesehen zu werden. Er brauchte jetzt Zeit um nachzudenken. Denn ihm blieben nur noch 24 Stunden, um einen Weg nach Hause zu finden, dann würde die Situation ihm entgleisen.
 

Er schlich an der Tür vorbei, kurz geblendet von dem intensiven Licht der Nachmittagssonne, dass durch die offene Tür schien.
 

„Battousai-san?“
 

Kenshin blinzelte und beschattete seine Augen mit der Hand. Er sah einen Moment umher, bevor er die Person zu der Stimme fand. Ushiro saß auf den Stufen am Eingang direkt vor ihm.

„Ushiro-san,“ antwortete und trat zu ihm ins Sonnenlicht, während er die Tür hinter sich schloss.

„Warum setzt du dich nicht, Battousai-san?“

Der Rotschopf zögerte einen Moment, dann saß er, sich selbst erinnernd, dass er sowieso noch einige Worte mit Ushiro wechseln wollte, bevor er nach Hause zurückkehrte.
 

Ushiro lehnte sich an den Stufen zurück, die Augen geschlossen, sein Kopf hinten an einer Stufe angelehnt. Sein schwarzes Haar stand etwas wirr von seinem Kopf ab, weil er es nicht wirklich frisiert hatte. Sein dunkler Gi stand in starkem Kontrast zu den hellen Staubflocken, die das Sonnenlicht sichtbar machte. Die Luft war kühl, aber das schien den Mann nicht zu berühren. Sein Gi war ein bisschen offen und Kenshin konnte einige seiner Verbände sehen.
 

„Ushiro-san, wie verheilen deine Wunden?“
 

Der Mann öffnete ein Auge und sah zu dem Rotschopf, der etwas steif neben ihm saß. „Mir geht’s gut. Okami sagt, dass alles gut verheilt.“ Er grinste. „Das ist normal, weißt du, wenn man gleich zu einem Arzt geht.“
 

Kenshin antwortete nicht, sondern schloss nur seine Augen und schüttelte leicht den Kopf. Er lehnte sich etwas zurück und versuchte, zu entspannen. Es war trotzdem seltsam. In seinem Kopf hätte er niemals seine Vergangenheit mit so einem freundlichen Gespräch verknüft. Seltsam, das er sich einfach nicht an irgendeine Freundlichkeit erinnern konnte.
 

Die beiden Männer saßen noch einen Augenblick länger schweigend da, bevor Kenshin sprach. „Ushiro-san... ich möchte mich bedanken.“

Ushiro setzte sich auf. Kenshins Augen waren immer noch geschlossen, aber er konnte die Überraschung in Ushiros Ki fühlen. „Für die Nachricht,“ fügte er leise hinzu. „Ich...mir hat das viel bedeutet. Ich habe nicht realisiert... Ich habe nie gewusst...“ Er seufzte, die richtigen Worte wollten nicht kommen. „Ich dachte nur...“
 

Ushiro begann leise zu lachen, und Kenshin wandte sich um und starrte ihn verwundert an.
 

„Ist schon okay,“ kommentierte der größere Mann, immer noch kichernd. „Du musst dich nicht bei mir bedanken. Ich bin nur froh, dass es alles was genützt zu haben scheint. Ich hätte es dir lieber ins Gesicht gesagt, aber du wolltest nie zuhören. Du bist zu stur.“ Er girnste. „Ich denke, ich bin fast genauso stur wie du.“

Kenshinn lächelte zurück. „Scheint so.“

Ushiro lehnte sich wieder nach hinten. „Du bist schon ein komischer Kerl. Ich wusste nie, wie ich dich einschätzen sollte. So ruhig und ernst in einer Minute. In der anderen tödlich.“ Er sah etwas besorgt aus. „Und immer so voller Selbstverachtung. Daran musst du etwas ändern, Battousai-san.“
 

„Mein Name ist Kenshin,“ sagte der Rotschopf plötzlich.

Ushiro lächelte. „Ich weiß. Aber soweit ich mich erinnern kann, hast du mich das letzte Mal fast angegriffen, als ich dich so genannt habe.“ Sein Lächeln wandte sich in ein freundliches Grinsen. „Ich hänge am Leben, weißt du.“
 

Kenshin seufzte. „Es tut mir leid, Ushiro-san.“ Er sah angespannt zur Seite. „Ich... Ich fände es trotzdem besser, wenn du mich ab jetzt Kenshin nennst.“

„Okay. Aber nur, wenn du Ryu zu mir sagst – abgemacht?“

Kenshin entspannte sich wieder. „Danke, Ushiro-san...Ryu...“ Er zögerte, als ob ihm ein beunruhigender Gedanke gekommen wäre. „Du versteht, dass ich vielleicht später wieder meine Meinung ändern könnte. Es wäre nichts persönliches, aber später würde ich vielleichth wieder lieber Battousai genannt werden. Es ist nur...“

Ushiro lachte und nickte, während er faul seine Beine ausstreckte. „Richtig, ich verstehe schon. Macht doch nichts. Ich hab noch nie jemanden wie dich so besorgt über einen Namen reden hören. Es ist nur ein Name.“

„Für mich nicht.“

Ushiro nickte. „Für dich, aber für mich war Battousai nur ein Name. Ein anderer Spitzname, den dir die Leute gegeben haben, bevor Dämon von Kyoto als angemessener erschien, die Bastarde.“ Er zuckte mit den Schultern, offensichtlich nicht wirklich wütend. „Ich denke, ich habe immer einen verrückten Jungen in dir gesehen, seit dem Tag, als Katsura-san dich mitgebracht hat. Auch als du angefangen hast, dein Herz und dein Gesicht zu Stein werden zu lassen, als ob dich nichts mehr berührte... hinter deiner steinernen Maske warst du für mich trotz allem nur ein Junge.“
 

Kenshin schwieg einen Moment, dann endlich sagte er leise, „Danke.“
 

Ushiro wandte sich zu dem rothaarigen Mann um. „Und, wann denkst du soll ich dich wieder Battousai nennen?“

„Ich weiß nicht... wann immer mir der Sinn danach steht.“ Kenshin fühlte sich bei diesen Worten irgendwie unangenehm.

„Wenn du also wieder Platz tauscht, nehme ich an.“

Kenshin gefror, seine Augen wurden groß. „Was hast du gesagt?“

Ushiro lächelte immer noch, aber da war etwas tiefes, wissendes in seinen Augen. „Du denkst doch nicht, dass mir das entgangen wäre? Ich arbeite seit sechs Monaten mit dir zusammen. Und die ganze Zeit versuche ich, durch deine Mauern zu brechen. Denkst du im ernst, dass ich nicht sofort bemerkt hätte, dass etwas nicht passt, als du dich mir geöffnet hast?“
 

Der Mund des Rotschopfs stand offen. Er wollte irgendwas sagen, doch alle Worte drehten sich in seinen Kopf und nichts kam aus seinem Mund.

„Ushiro wusste es?“ dachte er. „Er hat es die ganze Zeit gewusst? Ich muss ihm wirklich etwas bedeutet haben...“

Endlich fand er seine Stimme. „Okami hatte also richt. Sie sagte mir, dass die Leute es bemerken würden.“

„Okami ist eine schlaue Frau. Sie bemerkt Dinge.“ Er unterbrach sich. „Du bist jetzt älter als ich, oder?“ fragte er nachdenklich.

Kenshin blinzelte ihn an. „Dreißig.“
 

Ushiro starrte ihn an. „Du scherzt... so alt?“

„Danke,“ bemerkte Kenshin trocken.

„Du bist ja fast älter als Katsura-san.“

„Ryu...“

„Noch einmal zehn Jahre und du wärst so alt wie mein Vater.“

„Danke, das hilft mir jetzt auch nicht weiter.“

Der dunkelhaarige Schwertkämpfer schüttelte fassungslos den Kopf. „Dreißig. Wow! Ich glaube, ich hätte nie damit gerechnet, dass du so alt werden würdest.“

„Soll ich mich jetzt besser fühlen?“ fragte Kenshin amüsiert.

Ushiro hob eine Augenbraue. „Sorry, aber es ist wahr. Ich dachte, du würdest dich töten lassen. Ich mag den Gedanken nicht, aber du hast immer ohne Rücksicht auf dich selber gekämpft...“

„Inzwischen nehme ich Rücksicht.“

Ushiro nickte. „Ja, so sieht es aus. Du hast also jemanden, der auf dich wartet?“
 

Kenshins Augen weiteten sich, was Ushiro zum Lachen brachte.

„Also ja.“

„Anscheinend bin ich inzwischen ein offenes Buch.“

Die beiden Männer saßen noch eine Weile in Ruhe auf der Treppe, beide in ihren Gedanken verloren. Es war ein friedlicher Tag. Einern vfon den Tagen, die einen fast vergessen l assen konntne, dass man sich mitten in einem Bürgerkrieg befand. Die Sonne glitzerte auf den wenigen Schneeflocken, die im Wind mitwirbelten und den Boden leicht gepudert hatten. Ein Wind umspielte ihre Haare, er war fast warm, aber immer noch kalt genug um sie zu erinnern, das der Frühling zwar nicht mehr weit war, aber der Winter noch nicht vorbei.

Genauso wie die Revolution.
 

„Kenshin... kann ich dich etwas fragen?“

Der Rotschopf sah Ushiro an, verwundert durch dessen plötzlich sehr ernsten Gesichtsausdruck. „Was?“

„Ich verstehe, wenn du nicht antworten willst, aber... in deiner Zeit...“ Er schwieg kurz. „Reden wir jemals noch einmal miteinander?“ Er sah besorgt aus. Als ob ihm diese Sache sehr wichtig wäre. Seine dunklen Augen blickten in die blauen von Himura. „Weil es scheint mir so, als ob du aus diesem ganzen Schlamassel heil wieder rausgekommen bist. Anscheinend könnten wir in deiner Zeit Freunde sein. Aber du verhältst dich zu mir wie zu einem Fremden. Ich hab mich nur gefragt...“
 

Kenshin fühlte einen vertrauten Schmerz in seinem Herzen. Den gleichen, den er gespürt hatte, als er gehört hatte, das dieser freundliche Mann zu Beginn der Meijizeit gestorben war. Das erste Mal, dass er gespürt hatte, dass ihm die Leute, mit denen er gekämpft hatte, doch irgendwie wichtig gewesen waren.

„Kenshin?“

„Tut mir leid, Ryu... Ich habe dich lange nicht gesehen.“ Er sah weg. „Ich besuche Kyoto nicht oft. Und du bist... in Kyoto.“

„Ah, das macht Sinn. Schlimme Erinnerungen.“ Er seufzte. „Ist trotzdem eine Schande. Wenn man daran denkt, dass ich so hart daran gearbeitet habe, dich irgendwie zu öffnen, und dann aufgeben muss, wenn ich die Chance dazu hätte.“
 

„Du hast nie aufgegeben,“ sagte Kenshin bestimmt. „Selbst am Ende hast du mich nie aufgegeben.“ Er lächelte schuldbewusst. „Ich hab mich zu dieser Zeit nur selber aufgegeben. Deswegen ist mir das nie aufgefallen.“ Er zuckte mit den Schultern.

Ushiro schnaubte. „Du warst echt ein Baka. Dich aufgeben... Ich kenne viele erwachsene Männer, die nicht halb so viel Persönlichkeit haben wie du warst... bist. Für mich. Und für die Menschen, die auf dich warten.“ Sein Gesicht wurde wieder nachdenklich. „Weißt du, du solltest mich besuchen.“
 

„Oro?“
 

Das seltsame Wort löste bei dem Schwertkämpfer Lachen aus. „Du hast mich schon verstanden. Du solltest mich besuchen. Komm einfach für ein paar Tage in Kyoto vorbei. Ich denke mal, du müsstest in deiner Zeit sogar gerade da sein, oder? Sonst wärst du ja nicht hier aufgetaucht. Also keine Ausreden. Besuch mich. Ich kenne dich. Es wäre eine Freude, dich wieder zu sehen.... wir könnten uns gemeinsam zurückerinnern oder so was in der Art....“
 

„Ich denke nicht, dass...“

Ushiro ließ ihn nicht zuende reden. „Jetzt wart mal eine Minute. Du willst mich nicht besuchen, weil ich in Kyoto wohne, aber du kamst zurück in die Revolution, um Katsura-san zu sehen? Ich bin verletzt!“ In gespielter Empörung drückte er seine Hand auf sein Herz.

Kenshin lachte kopfschüttelnd.
 

Der andere Mann setzte sich auf und sah ihn mit warmem Blick an. „Hey, du lachst.“ Sein Ausdruck war nicht beschreibbar. Fast schien sich Stolz in seinem Gesicht zu spiegeln. Wie ein älterer Bruder, der seinen Jüngeren dabei beobachtet, wie er seine eigenen Erfahrungen im Leben sammelt. Das Lachen des Rotschopfes hatte etwas bittersüßes. „Ich habe dich seit einer langen Zeit nicht lachen gesehen.“

Kenshin lächelte ihn an. „Ich würde dich gerne in Kyoto besuchen. Ich werde sehen, was ich machen kann.“
 

Ushiro nickte. „Gut. Vielleicht schreib ich dir einfach nochmal eine Nachricht, darauf scheinst du ja zu reagieren.“

Beruhigt schloss er die Augen.

Kenshin sah in einen Moment von der Seite an, studierte seine Gesichtszüge. Er war der einzige Mensch aus dieser düsteren Zeit seines Lebens, der so viel Energie investiert hatte, ihm zu helfen – außer Tomoe natürlich. Und wie sie würde er auch ihn verlieren. Das schien sein Schicksal zu sein.
 

Er lächelte sanft und schaute hoch in den tiefen, blauen Himmel. Mit Ryu war es wie mit Tomoe. Sie würden beide nie wirklich aus seinem Leben verschwinden. So lange er sich an sie erinnern würde.

„Ich werde dich besuchen, sobald ich zuhause bin, Ryu,“ flüsterte er.

Sein Freund gab keine Antwort. Er schien auf den Stufen im warmen Sonnenlicht eingenickt zu sein.
 

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wie immer würde ich mich sehr über Feedback freun ;)

An Ort und Stelle

Update!!!!!!! :)
 

Kenshin plant die nächsten Schritte für seine Heimkehr - während Battousai lernt, was Akzeptanz bedeutet...
 


 

Kapitel 24: An Ort und Stelle
 


 

1865
 

Kenshin hatte sich dazu entschieden, mit einem erneuten Heimkehrversuch bis nach Einbruch der Nacht zu warten. Das bedeutete auch, das er nur diese eine Chance haben würde, aber die Wahrscheinlichkeit war größer, dass er so leichter wieder zum Hitokiri werden konnte – in der Dunkelheit der Nacht.

Er lächelte trocken. Niemals hätte er auch nur geträumt, dass er eines Tages wirklich versuchen könnte, den Hitoikiri in ihm herauszulocken.
 

Vorsichtig sammelte er all seine Sachen zusammen und versuchte das Zimmer in dem Zustand zu verlassen, in dem es Battousai zuletzt gesehen hatte. Er sah zur Wand. Seine Einritzung mit dem Schwert konnte er jetzt wohl nicht mehr verstecken. Aber es gab jetzt wichtigere Dinge, um die er sich kümmern musste.

Präziser gesagt, er musste Saito finden und zu einem Kampf herausfordern, ohne dabei seinen angeschlagenen Schwertarm zu sehr zu strapazieren. Der Rurouni verzog das Gesicht. Hoffentlich hatte Saito heute überhaupt Nachtdienst. Soweit er es von den Gesprächen der anderen Männer aufgeschnappt hatte, änderten jetzt die Shinsengumi häufiger ihre Patrouillen, um Verwirrung zu stiften.
 

Wenn er Pech hatte, würde es bedeuten, das Kenshin heute Nacht nicht mit Saito sondern mit Nagakura Shinpachi zusammentreffen könnte. Das würde die Dinge verkomplizieren. Kenshin hatte den ganzen Nachmittag und frühen Abend damit verbracht, seine Schritte zu planen. Soweit wie er klare Gedanken fassen konnte, schien es ihm das Beste zu sein, die Shinsengumi zu verfolgen – hoffentlich die richtige Einheit. Wenn er den Anführer in ein Duell verwickeln könnte, dann hätte er sogar mit seiner Verletzung eine Chance, das ganze lebend zu überstehen.
 

Und wenn er Saito träfe – dann wäre es umso leichter, in den Geisteszustand von Battousai zu gleiten, was ihn vielleicht irgendwie nach Hause bringen könnte. Hoffte er.
 

Um das ganze noch abzurunden, hatte sich Kenshin sogar seine alten Sachen angezogen, dunkle Kleidung eines Hitokiris, an der man das Blut nicht so leicht sah. Der hohe Pferdeschwanz. Die Armschützer. Sein Sakabatou anstelle eines echten Katanas fühlte sich beruhigend an.
 

Er zögerte einen Moment, bevor er das schwierigste Stück seiner früheren Erscheinung hinzufügte. Er hatte sein eigenes Wakizashi nicht finden können, vermutlich hatte sein jüngeres Ich es in dem Moment, in dem sie Plätze getauscht hatten verloren. Ryu hatte nicht viele Fragen gestellt, als Kenshin sich sein Kurzschwert leihen wollte.
 

Und jetzt tat Kenshin etwas, das er selbst niemals wieder für möglich gehalten hätte: Er fügte seinem harmlosen Sakabatou eine zweite Klinge hinzu, dieses mal tödlich scharf, zu seinem eigenen Unbehagen. Er hoffte nur, dass er nicht aus versehen in der Hitze des Gefechts das falsche Schwert ziehen würde.
 

Der Rotschopf sah aus dem Fenster, wo gerade der Mond über den Dächern aufging. Es war Zeit. Seine Hand packte den Griff des Sakabatous fester, wie als Unterstützung, und dann glitt er aus dem Fenster in die Nacht hinaus, bereit für ein tödliches Katz-und-Mausspiel.
 

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Der Wolf hatte seine eigene Jagd bereits eine Stunde früher begonnen. Seine Einheit bewegte sich lautlos hinter ihm durch die Straßen. Und zur Sicherheit war Okita mit seinen Männern nicht weit entfernt, falls es... kompliziert werden sollte.
 

Saito Hajimes kaltglitzernde Augen musterten jeden Schatten, jede Lücke zwischen den Häusern, während er vorwärts eilte. Er war sich bewusst, dass seine Beute ihm ebenbürtig war, aber wenn er dieses gefährliche Spiel gewinnen würde... ein grimmiges Lächeln manifestierte sich in seinem Gesicht. Wenn sie erfolgreich sein würden, dann könnte dies wohlmöglich sogar Katsuras Fall bedeuten. Und mit einem der Schlüsselfiguren der Revolution aus dem Verkehr würde der Krieg sich wenden. Zumindest hatte dies Kondo bei ihrem letzten Privattreffen gesagt.
 

Saito persönlich wollte eigentlich nur den Kampf zwischen sich und dem rothaarigen Mann dort aufgreifen, wo sie unterbrochen worden waren. Nur hatte er dieses Mal nicht die Absicht, seinen Gegner am Leben zu lassen. Battousai oder nicht, diese Sache würde heute Abend enden.
 

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1878
 

Das Aoi-ya war relativ ruhig. Megumi hatte Kenshins Zimmer verlassen und kochte Abendessen. Weder Sano noch Kaoru waren bisher zurückgekehrt. Aoshi war irgendwo meditieren. Und Battousai war im Badhaus, auf Megumis Anweisung, um seinen verspannten Muskeln zu entspannen – und seinen Geist. Es war fast zu friedlich, aber nur kurz.
 

„Du trittst mir auf den Fuß, Misao,“ fauchte Yahiko

„Und, warum hältst du auch an?“ antwortete sie verwirrt. „Lauf weiter.“

Er warf einen bösen Blick auf sie zurück, während sie beide näher ans Badehaus heranschlichen. „Schhhh...“

Yahiko sprintete die letzten Meter zwischen dem Haus und dem kleinen Gebäude, in dem sich das Bad befand. Misao folgte und gemeinsam duckten sie sich hinter ein Fass voller Wasser, ihr Versteck. Omasu war gerade dabei, das Bad anzuheizen. Wenn sie sich nur irgendwie reinschleichen könnten...
 

Misao seufzte und duckte sich wieder hinter dem Fass zusammen. „Erinnere mich noch mal, warum ich mit dir hier in meiner eigenen Gastwirtschaft herumschleiche, Yahiko...“

„Wirst du wohl still sein?“ grummelte der Junge. „Nicht so laut... Ich will wissen, wer dieser Typ ist und zwar endgültig. Ich sag’s dir, es ist nicht Kenshin. Mir doch egal, ob er eine Narbe hat, er ist es nicht. Er selbst hat komische Andeutungen gemacht und ich werde mich bestimmt nicht auf Sanos Urteil verlassen.“ Er schnaubte. „Warum ich aber ausgerechnet dich mitgenommen habe erscheint mir jetzt auch schleierhaft...“
 

Misao knirschte mit den Zähnen und gab ihm eine Kopfnuss. „Idiot,“ sagte sie knapp. „Was ich wissen will, ist, wie das Zuschauen von Kenshin im Bad deine komische Theorie bestätigen soll.“

Yahiko schob seinen Kopf wieder etwas nach oben, etwas schmerzend von Misaos Schlag. Er war fast soweit, das Mädchen neben sich zu erwürgen. „Wir schauen ihm nicht zu. Wir schauen uns sein Schwert an. Wenn es ein Sakabatou ist, dann hat er die Wahrheit gesagt, auch wenn er trotzdem komisch drauf ist. Aber wenn es ein Katana ist, musst du mir glauben. Du weißt, Kenshin würde niemals eines tragen...“
 

Misao seufzte und lugte über das Fass. „Ok, jetzt ist unsere Chance. Omasu schaut in die andere Richtung. Los!“ Ohne weitere Warnung rannte sie zur Tür des Badehauses und schob sie auf. Keuchend holte Yahiko sie ein und quetschte sich schnell hinter ihr durch den schmalen Spalt in den Umkleideraum. Sie hatten kaum die Tür wieder geschlossen, als Omasu wieder in ihre Richtung sah.
 

„Uff, knapp,“ murmelte der Junge. Er ging zu Kenshins Klamotten. Sein Gi und seine Hakama waren schön gefaltet, und auf ihnen lag das Schwert.

Misao duckte sich neben Yahiko und beide schauten einfach einen Moment die Sachen an. „Meinst du wirklich, wir sollten in Himuras Sachen rumschnüffeln, Yahiko?“ Sie sah ihn skeptisch an. „Ich meine, wenn es Himura ist, dann verletzten wir seine Privatsphäre. Und wenn er es nicht ist, wird er vielleicht sogar wütend.“
 

Yahiko hob das Schwert hoch. „Wenn er Kenshin ist, dann versteht er es. Und wenn er es nicht ist, dann ist’s mir total egal, was er denkt.“ Er begann, das Schwert aus der Scheide zu ziehen.

Bevor die Klinge überhaupt sichtbar war hörten sie ein Geräusch hinter sich und drehten sich langsam um.
 

Die Tür vom Bad stand offen und Battousai stand im Türrahmen, ein Handtuch um seine Hüften geschlungen. Er schaute mit einem rätselhaften Blick die Zwei an. Erst Misao, dann Yahiko. Dann, als beide voller Scham ihre Augen zu Boden gesenkt hatten, viel sein Blick auf das Schwert in Yahikos Hand. Er sah nicht verärgert aus, nur verblüfft. „Yahiko... Misao-dono...“ Er sah beide wieder an. “Dürfte ich vielleicht fragen, was ihr hier tut?“
 

Misao sprang zur Seite und zeigte auf Yahiko. „Es war seine Idee!“

Yahiko funkelte sie an. „Vielen Dank...“

Aber immer noch sah Battousai nicht wütend aus. Yahiko?“

Der Junge sah Battousai an aber er antwortete nicht.

Battousai ging durch den Raum und kniete sich neben sie. Sanft nahm er das Schwert aus Yahikos Händen. „Yahiko... was hast du mit meinem Schwert vor?“
 

Endlich sah der Junge ihm trotzig in die Augen. „Du bist nicht Kenshin! Ich weiß es. Aber niemand will mir glauben, außer, ich beweise es! Ich will nur die Wahrheit wissen.“
 

Der Rotschopf starrte hinunter auf das Katana in seinen Händen. „Die Wahrheit?“ fragte er leise. „Die Wahrheit ist...“ Er ließ seine Finger über den gebrauchten Schwertgriff gleiten. Seine Gedanken wanderten zu Sanosuke und Megumi, sogar zu Hiko. Vor allem Hiko und seine Erinnerung, dass alles, wozu er sich entschied, letztendlich seine EIGENE Entscheidung blieb. Diese Leute hier kannten alle seine Geschichte und akzeptierten ihn trotzdem. Für sie war er ein Freund, was auch immer passiert war. Er schüttelte den Kopf und lächelte sanft, als er endlich verstand. Er wandte sich zu Yahiko und sah ihn mit klaren, blauen Augen an. „Ich bin Kenshin,“ sprach er sanft. „Himura Kenshin.“ Sein Lächeln wurde breiter und er sah auch zu Misao. Die beiden hatten sich schließlich nur hier eingeschlichen, weil sie sich um ihn Sorgen machten – weil er ihnen wichtig war.
 

Plötzlich stand er auf, denn ein anderer Gedanke war ihm gekommen. „Ich muss mit Kaoru-dono sprechen,“ sagte er. „Entschuldigt mich.“ Und damit schnappte er sich seinen Gi und die Hakama und eilte aus dem Badehaus.

Misao und Yahiko starrten mit überraschten Gesichtern hinter ihm her.

„Ich habs dir ja gesagt,“ begann Misao, aber Yahiko ließ sie nicht weiterreden.

„Halt die Klappe,“ brummte er nur.
 

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Nachdem Battousai kurz in seinem Zimmer verschwunden war, um sich umzuziehen, ging er los, um Kaoru zu suchen. Er lief eine Weile im Aoi-Ya umher, bevor er sie entdeckte. Sie saß auf der Engawa mit Blick auf den Garten und starrte abwesend in die Sonne, während um sie herum feine Schneeflocken wirbelten.
 

Er beobachtete sie einen Moment nachdenklich. Dieses Mädchen hatte so starke Gefühle für jemanden... wie ihn. Er verstand immer noch nicht so recht, warum. Mit diesen unklaren Gedanken trat er neben sie ins Sonnenlicht.
 

Sofort war Kaoru auf den Beinen. „Kenshin!“ rief sie fröhlich. „Du bist wach! Ich hab mir Sorgen gemacht!“

Er wandte sich zu ihr um. „Kaoru-dono. Tut mir leid, dass ich dir Sorgen bereitet habe. Nicht nur dir, allen...“

Schon wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen, aber dieses Mal machten sie ihm keine Angst. Sanft strich er sie mit seinen Fingern von ihrer Wange. „Kaoru-dono“, flüsterte er, „warum weinst du?“

Sie schniefte und sah verschämt zur Seite. „Ich bin nur froh. Du hast uns alle ganz schön erschreckt, als du so zusammenklappt bist. Wir wussten nicht, was wir davon halten sollten. Und du warst verwundet. Ich bin einfach nur glücklich, dass es dir jetzt wieder gut geht!“ Sie sah ihn so an, als ob sie ihn gleich umarmen wollte, aber sie hielt sich zurück. Sie hatte nicht vergessen, was das letzte Mal passiert war, als sie ihn angefasst hatte.
 

„Kaoru-dono,“ sprach er leise, „wir müssen uns unterhalten.“ Er führte sie zu einer Bank im Garten. „Bitte, setz dich.“

Schon wieder stand Sorge in ihren Augen geschrieben. „Kenshin?“ fragte sie, sitzend.

Er sank neben sie und schaute in den blauen Himmel. „Kaoru-dono... darf ich dir eine Frage stellen?”

„Natürlich, Kenshin.“

Sie war verängstigt. Er konnte es in ihrer Ki fühlen. Entweder waren es seine Handlungen gewesen, die ihr Angst machten oder seine Worte. Er war nicht sicher, warum. Er versuchte ihre Ki auszublenden und sich auf seine nächsten Worte zu konzentrieren. Er wollte ihr sagen, was ihn beschäftigte, was er verstehen wollte.
 

„Kaoru-dono... was siehst du in mir?“

Sie blinzelte ihn an. „Was? Kenshin, du redest Unsinn.“

Er schüttelte den Kopf. „Ich kann einfach nicht verstehen, was du in mir siehst. Warum ist dir jemand so wie ich wichtig?“

„Jemand so wie du?“

Seine Stimme fiel ab und die ausdruckslose Maske der Gefühllosigkeit drohte über sein Gesicht zu schlüpfen, doch er zwang sie zurück. „Ich bin ein Mörder, Kaoru-dono. Was siehst du ein einem Mann, der doppelt so alt ist wie du und während der Revolution Leute umgebracht hat?“ Er seufzte und sah sie endlich an. Da war Schmerz in ihren Augen. Schmerz und Frustration und Bedauern... und etwas anderes, das vielleicht Hoffnung war. Oder nur ein Spiel von Licht und Schatten. „Ich kann es einfach nicht verstehen. Du bist frei von solchem Schmutz. Kein Blut hat je deine Hände besudelt. Du bist rein. Warum willst du dich beschmutzen, mit so jemandem wie mir?“
 

„Das ist nicht lustig, Kenshin,“ antwortete sie und sah weg. „Du kennst meine Antwort.“

Es gab eine lange Pause bevor er in so leiser Stimme antwortete, dass es kaum hörbar war. „Ich meine es ernst. Kaoru-dono. Bitte...“

Ihre Augen wurden groß, als sie ihn wieder ansah und ihr Mund stand vor Überraschung auf. „Du meinst es wirklich, oder?“ Sie schüttelte ihren Kopf. „Aber Kenshin, das bist nicht du. Du bist kein Killer. Nicht mehr. Das ist ein Teil deiner Vergangenheit. Ich kümmere mich nicht um diesen Teil. Ich kümmere mich nicht darum, wer du WARST. Alles was mir wichtig ist bist du, wie du JETZT bist. Und jetzt bist du ein guter Mensch.“ Sie wurde rot und sah einen Moment lang zur Seite. „Ich habe noch nie so jemanden wie dich kennen gelernt. Du bist so stark und trotzdem sanftmütig. Du kümmerst dich um alle. Du hättest jeden Job in der Regierung haben können, den du wolltest und trotzdem hast du dich dafür entschieden, bei uns zu bleiben. Du bist besonders. Für mich... für die anderen. Was gibt es, was ich nicht in dir sehen könnte?“
 

Er starrte sie nur an. „Du kümmerst dich nicht um meine Vergangenheit? Dass ich ein Hitokiri war? Das ich ein Dämon war?“

Kaoru wandte sich zu ihm um, plötzlich mit einem warmen Lächeln. Es dauerte einen Moment, bis er erkannte, dass in ihren Augenwinkeln Tränen glitzerten.

Sie nahm seine Hände in die Ihren. Er zuckte zusammen, ließ es aber geschehen. „Kenshiin, ich kann nicht glauben, dass du ein Dämon warst. Du hast für das gekämpft, an das du geglaubt hast. Genau, wie du es jetzt tust – nur dass du mittlerweile gelernt hast, ohne Töten zu kämpfen. Aber du bist immer noch die gleiche Person. Warum also sollte mich deine Vergangenheit kümmern? Ist es das, was dich so beschäftigt?“
 

Er antwortete nicht, versuchte stattdessen, all die Informationen zu verarbeiten. „Ihr ist es egal. Für sie bin ich die gleiche Person. Für alle bin ich die gleiche Person. Shishou hatte recht. Er ist ihnen wichtig, egal er wer war...“ Er schüttelte den Kopf und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Dann nahm er langsam seine Hände aus den Ihren und trat einen Schritt zurück.

„Kenshin?“

Er lächte sie an, das erste von herzen freundliche Lächeln seid er hier angekommen war. „Kaoru-dono. Es… es gibt da etwas, das ich dir zeigen möchte.“ Er nahm das eingesteckte Schwert aus seinem Gürtel und hielt es ihr hin.

Als sie keine Anstalten machte, sich zu bewegen, legte er es ihr in die Hände. „Bitte.“

Sie sah ihn mit großen Augen an. „Kenshin... ich verstehe nicht... Warum?“

„Du wolltest doch die Wahrheit wissen... Die Wahrheit, was hier geschieht...“ Er nickte in Richtung des Katana. „Sie ist hier in deinen Händen... die Wahrheit über mich.“

Ein seltsamer Ausdruck kroch über ihr Gesicht, als sie es endlich wagte, das Schwert in ihren Händen anzusehen. Dann zog Kaoru es langsam aus seiner Umhüllung.
 

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Danke fürs Lesen und Feedback ;)

Kapitel 25 - Katz und Maus

Tadaaa.... die Geschichte lebt noch... nur noch wenige Kapitel trennen uns vom Ende... Was wird Kaoru dazu sagen, wenn sie herausfindet, dass ihr Kenshin der Hitokiri der Vergangenheit ist? Und was unternimmt Kenshin, der in der Vergangenheit gestrandet ist, um das blutige Kyoto des Bürgerkrieges verlassen zu können? Noch immer ist er schwer verwundet und doch begibt er sich auf ein gefährliches Unternehmen...

^^freut euch und lest, wie es weitergeht. Ich werde die Geschichte bald zu Ende übersetzt haben
 


 

Kapitel 25: Katz und Maus
 

1878
 

Das Schwert machte beim Ziehen kaum ein Geräusch. Sein Gewicht war ungewohnt für Kaoru und brachte sie leicht aus der Balance. Sie war ihr leichteres Bo-ken gewohnt. Die Spitze des Schwertes sackte nach unten und bohrte sich ein stückweit in den Schnee und den Schmutz am Boden zu ihren Füßen.
 

Es war erst in diesem Moment, als sie bemerkte, was genau sie da in der Hand hielt.

Langsam hob sie ihren Blick, um dem Seinen zu begegnen. Sie suchte in seinem Gesicht, in seinem Ausdruck nach einem Zeichen, einem Beweis, dass es nicht wahr sein konnte. Doch seine Jugend bestätigte nur den Verdacht, der sich langsam in ihr verwurzelt hatte, lange bevor sie dazu fähig gewesen wäre, ihn überhaupt in Worte zu fassen. Sie sah nach unten auf die scharfe Klinge.
 

„Oh...“
 

„Kaoru-dono?“ Er hörte sich verängstigt an. Irgendetwas machte ihm Angst…

Sie hob wieder ihre Augen. „Kenshin,“ wisperte sie.

Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. „Ja... Kenshin.“ Dann, wie ein plötzlicher Gedanke, fügte er hinzu, „Hitokiri Battousai.“
 

Sie hob ihre Hand und berührte sanft seine Wange, was ihn zurückzucken lies. Aber sie ließ nicht nach, ihre Finger suchten Halt in einer der Strähnen seines langen, flammendroten Haares.

„Ich glaube, dein Haar sieht anders aus,“ brachte sie über die Lippen.

Er blinzelte sie an. „Oh?“

Der Mund von Kaoru ging leicht auf. „Was hast du gesagt?“ Es hatte sich fast wie ein „Oro?“ angehört.

Er schüttelte den Kopf. „Was? Was hab ich denn gesagt?“ Er sah so verwirrt aus, wie sie sich fühlte.
 

Kaoru antwortete ihm nicht sondern sah ihn nur schweigend an. „Kenshin,“ flüsterte sie schließlich wieder. „Wann...?“
 

Er sah kurz zur Seite. Das alles lief nicht so, wie er es gehofft hatte. Sie schien sich vor ihm zu verschließen, sich vor ihm zurückzuziehen… Oder war es so, dass er nur einfach nur Angst hatte, dass sie genau dies tun würde? „Als ich in den Fluss gefallen bin. Zusammen mit Sanosuke…“
 

„Bist du wirklich…“ Sie schluckte und versuchte, ihre Stimme wieder zu finden. „Bist du wirklich Battousai? Wie kann das sein? Du kannst nicht…“
 

Er lächelte grimmig, eine Kälte begann, sich von seinem Bauch im Körper auszubreiten. „Du selbst hast es erkannt. Wenn du es schon feststellst, wie kann es dann nicht wahr sein?“

„Kannst du wieder… zurückwechseln?“
 

Er sah sie an, seine Augen kalt und ausdruckslos wie früher. „Wenn ich wüsste, wie, dann wäre ich längst nicht mehr hier, Kaoru-dono. Warum sollte ich hier bleiben?“

Er sah, dass er sie mit diesen Worten verletzt hatte, versuchte das aber zu ignorieren. Es war besser so. Außerdem… sie verletzte auch ihn…
 

„Bist du lieber im Bakumatsu….?“ Er zuckte zusammen. Wie sollte er diese Frage beantworten? „Denkst du, ich bin verrückt?“

„Was?“

Seine dunklen Augen blickten bohrend in die von Kaoru. „Du hast mich gehört. Du musst wohl denken, dass ich verrückt bin, wenn du glaubst, dass ich in der Bakumatsu-Zeit sein möchte. Aber ich habe Verpflichtungen…“
 

Kaoru schluckte erneut. „Ist sie hübsch?“
 

Er starrte sie einfach nur an, ihm fielen keine Worte mehr ein. Worüber sprach sie da? Kaoru sah weg, Tränen in ihren Augenwinkeln. „Du liebst sie, oder? Deswegen willst du zurück…“

„Worüber redest du eigentlich?!“ platzte es schließlich aus Kenshin heraus. „Wer ist hübsch? Ich will zurück, weil du mich loswerden willst.“ Er verzog das Gesicht, als er ihren zweifelnden Gesichtsausdruck sah. „…oder nicht?“
 

Beide sahen zur Seite. Es entstand eine unangenehme Stille, während sie versuchten, irgendwie über ihre Gefühle zu sprechen. Unglücklicherweise entschlossen sich beide genau im selben Augenblick, wieder die Sprache zu ergreifen.
 

„Du willst mich loswerden, oder nicht?“

„Auf dich wartet ein Mädchen, oder nicht?“
 

Er schüttelte den Kopf. „Ein Mädchen? Denkst du, ein Killer hat ein Mädchen, das auf ihn wartet?“ Er schnaubte auf. „Niemand wartet auf mich, außer Katsura.“

„Wer ist dann Tomoe-…?“

Er verstummte. „Wo… woher kennst du diesen Namen?“ Er sprang auf und lief zu einem Baum, gegen dessen Stamm er sich unruhig lehnte.

„Du hast ihn im Schlaf gesagt,“ flüsterte Kaoru. „So… sie bedeutet dir also etwas.“ Ihre Stimme klang nicht wirklich anklagend, aber irgendwie tieftraurig, als ob sie betrogen worden wäre.
 

Der Rotschopf sah in die Sonne, die gerade hinter den letzten Baumlinien versank. „Tomoe…“ Er schwieg. Hatte Shinomori vielleicht recht? Sollte er sie ruhen lassen? Vor ihm war Kaoru-dono. Tomoe wollte doch, dass er glücklich würde. Wollte sie nicht vielleicht genau… das? Trauer verdunkelte seinen Blick. Als ob er Kaoru wirklich als seine Freundin bezeichnen könnte. Sie gehörte ihm nicht. Er musste wieder zurück in seine Zeit, ob er wollte oder nicht. Es würde lange dauern, bis er dieses Mädchen wieder treffen würde…
 

„Kenshin?“
 

Ihre Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Sie klang zurückhaltend, besorgt.

„Es tut mir leid“, murmelte sie. „Ich hätte das Thema nicht anfangen sollen. Wenn du nicht über sie sprechen willst, dann ist das…“

Battousai seufzte und traf eine Entscheidung. Er lächelte sie freundlich an und ging zu ihr zurück. Während er sich an ihre Seite setzte, nahm er ihre Hand in die Seine. „Du hast nichts falsch gemacht, Kaoru-dono. Bitte entschuldige dich nicht. Tomoe ist … kompliziert. Ich kann dir noch nicht von ihr erzählen. Ich kann sie noch nicht aufgeben. Noch nicht“. Er beeilte sich, weiterzusprechen, bevor sie ihn unterbrechen konnte. „Wie auch immer, ich denke zehn Jahre werden ausreichend sein.“ Er schwieg und lies die Worte auf sie wirken. „Gib mir die Zeit. Bis dahin… Bitte.“ Seine Stimme klang weich, er blickte zu Boden. „Gib mir Zeit, bis Meiji.“

„Kenshin…“
 

Und bevor er wusste, was geschah, hatte sie ihre Arme um ihn geschwungen und umarmte ihn. „Natürlich kann ich warten. Jemand würde alles für die Person tun, die man…“ Kaoru unterbrach sich und errötete.
 

Battousai konnte nicht antworten. Jemand näherte sich. Sanft schob er sie von sich weg, schenkte ihr ein kurzes Lächeln, bevor er sich Okon zuwandte. Die Ninja näherte sich lächelnd, sie hatte die beiden so geheimnistuerisch zusammen sitzen sehen. „Himura-san,“ begann sie, als sie sich Battousai zugewandt hatte, „Dies wurde mir überreicht, um es dir zu überbringen.“ Sie reichte ihm ein gefaltetes Papier.
 

Er sah sie etwas verwundert an. „Wer hat es dir gegeben?“ fragte er, während er das Papier auseinanderfaltete. Okon schüttelte den Kopf. „Ein junges Mädchen. Sie rannte davon, bevor ich nach ihrem Namen fragen konnte.“

Battousai nickte nur und las die Nachricht. Sein Gesichtsausdruck wurde ernster, er faltete den Brief wieder zusammen und ließ ihn in seine Hakama gleiten. „Danke,“ sagte er, „ich werde mich darum kümmern.“

Okon nickte nur und verschwand mit schnellen Schritten in der Dämmerung.
 

„Kenshin?“ Kaorus Stimme klang alarmiert. „Was war das?“

Er sah sie mit möglichst unbekümmertem Gesichtsausdruck an. „Keine Sorge, Kaoru-dono. Es war nichts Wichtiges.“

Seine Worte schienen sie nicht sonderlich zu beruhigen. „Es sind schlechte Nachrichten, oder? Immer wenn du Briefe bekommst, ist es etwas Schlechtes…“

Er starrte sie an, hinter ihm schickte die Sonne ihre letzten Strahlen aus und verdunkelte so sein Gesicht. „Es ist alles in Ordnung, Kaoru-dono. Ich muss jetzt erst einmal kurz weg. Ich werde aber bald zurück sein.“

Kaoru sah noch immer nicht überzeugt aus, ihre blauen Augen blickten ihn forschend an. „Versprichst du mir, dass du wieder kommst? Du wirst doch nicht noch einmal einfach davon wandern?“

Sein Lächeln war in der zunehmenden Dunkelheit kaum zu erkennen. „Ich verspreche es. Ich kehre zurück. Sorge dich nicht weiter um mich.“

Sie nickte und seufzte leise vor Erleichterung. „Na gut. Ich werde warten. Aber nicht lange. Du beeilst dich besser.“

„Es wird nicht lange dauern.“ Mit diesem Satz drehte er sich um und ging davon, Kaoru in ihren Gedanken zurücklassend. Er hatte jetzt selbst mit seinen eigenen Problemen zu tun. Die Wörter der Nachricht kreisten wieder und wieder durch seinen Kopf
 

„Wir werden unser Duell beenden, Battousai, so oder so. Entweder treffen wir uns auf der Brücke, nahe dem Außenbezirk der Stadt. Oder ich werde dich finden, egal wo du bist, und wir werden unseren Kampf vor deinen Freunden ausfechten. Du hast die Wahl.

Saito“
 

***
 

1865
 

Ushiro saß alleine in seinem Zimmer und starrte schweigend nach draußen. Der Raum war dunkel, einzig der Mond warf ein schwaches Licht durch das geöffnete Fenster. Eigentlich sollte er sich ausruhen. Er hatte vorhin mit Katsura gesprochen und er wusste, dass er morgen wieder auf eine Mission geschickt werden würde, aber aus irgendeinem Grund fand er keine Ruhe. Statt dessen sah er hoch zu den schwach schimmernden Sternen und ließ seine Gedanken wandern.
 

Warum braucht er mein Wakisazhi?
 

Ushiro hatte keine Fragen gestellt, als Kenshin zu ihm kam und nach dem Schwert gefragt hatte. Es war deutlich, dass der rothaarige Mann nicht darüber diskutieren wollte, und, ehrlicherweise, hatte er sich in diesem Moment geehrt gefühlt, das Kenshin im so weit vertraute, dass er sogar sein Schwert ausborgen wollte. Aber auch, wenn der den Mund gehalten hatte – irgendwas an der Sache stimmte nicht. Kenshin wirkte nicht wie sonst, das war das Beunruhigende. Zum zweiten Mal schon. Ryu wollte schon seinen Kameraden in seinem Zimmer aufsuchen, um sich davon zu überzeugen, dass er sich das alles nur einbildete. Nichts war anders als sonst. Wahrscheinlich hatte Kenshin das Schwert nur gebraucht, damit die Leute ihn endlich wieder mit zwei Schwertern sahen. Battousai mit nur einem Schwert wäre ja auch seltsam genug. Das klang einleuchtend… aber es beruhigte ihn nicht.
 

Er seufzte und rappelte sich auf. Solange er nicht wusste, ob mit Kenshin alles stimmte, konnte er sowieso nicht mehr schlafen. Besser, er brachte es gleich hinter sich.

Bevor er jedoch nur einen Schritt vorwärts gehen konnte, klopfte es an seiner Tür und er gefror. Zuerst dachte er, dass es Kenshin sein könnte, der ihm so seinen kleinen Spaziergang ersparen würde, aber nach einem weiteren Klopfzeichen realisierte, dass der Rotschopf niemals so schüchtern anklopfen würde. Es musste jemand anderes sein.
 

„Ja?“ rief er. Eine Pause. Dann eine leise Stimme durch die Wand. „Ushiro-san… kann ich mit ihnen sprechen?“
 

Der Schwertkämpfer wurde rot. „Nozomi-chan!“, entfuhr es ihm, während er schnell seinen verrutschten Gi richtete, „äh… komm rein!“
 

Die Tür schiob sich auf und ein Mädchen trat ein. Ushiros Versuch, ein halbwegs respektables Bild von sich abzugeben, war umsonst, denn sie starrte konzentriert zu Boden und verbeugte sich tief. Dann Stand sie schweigsam an der Türschwelle. Ushiro wartete einen Moment und hoffte, dass sie anfangen würde, zu sprechen. Als ihm das Warten schließlich zu lang wurde, räusperte er sich nervös. „Kann ich dir weiterhelfen, Nozomi-chan?“

Sie sah kurz zu ihm auf. „Ushiro-san.“ Ihre Stimme war so leise, dass der Mann sie kaum verstehen konnte. „Es tut mir leid, sie so spät noch zu stören. Aber ich wusste nicht, an wen ich mich wenden sollte. Ich habe mich nicht getraut, Katsura-san zu wecken…“

Die Augen des Samurai wurden größer. „Katsura-san! Was kann so wichtig sein, dass du ihn aufwecken wolltest? Ist etwas passiert?“

Sie wirkte ganz verwirrt. „Es ist… wegen Battousai-san. Ich bin zu seinem Zimmer gegangen, um ihm noch etwas vom Abendessen zu bringen und…“ Ihr Gesicht wurde rosa. „Er war weg. Ich weiß nicht, was mit ihm passiert ist. Normalerweise ist es ja nicht ungewöhnlich, wenn er verschwindet, aber sein Futon war aufgeräumt, das Zimmer sauber und leer. Es sah so aus, als ob er gegangen wäre.“ Endlich fand sie den Mut, Ushiro direkt in die Augen zu schauen. „Er war schwer verletzt. Ich habe den Doktor reden hören, mit Katsura-san, letzte Nacht. Sein Arm wird nur dann verheilen, wenn er sich ausruht.“ Sie schien kurz vor einem Tränenausbruch. „Ich hab solche Angst. Was ist, wenn er…?“ Sie schluckte tief und versuchte, sich zu beruhigen. „Ich will nicht, dass er stirbt, Ushiro-san. Wenn er raus gegangen ist und die Shinsengumi ihn finden…“
 

Sie musste ihren Satz nicht beenden. Ushido hatte schon sein Katana gepackt und war in Bewegung. „Kuso,“ fluchte er leise. „Dieser Baka. Ich habe es geahnt, er wird etwas total Verrücktes vorhaben. Er wird nach Hause gehen wollen… dieser baka!“

„Ushiro-san?“

Er wandte sich um und sah in das Gesicht des Mädchens, das große Augen machte. Er versuchte, ihr ermutigend zuzulächeln. „Nozomi-chan, vielen Dank für diese Informationen. Ich werde ihn schon finden und nach Hause bringen, also sorge dich nicht weiter. Es wird ihm gut gehen. Ich werde nicht zulassen, dass er verletzt oder getötet wird, hast du gehört?“

Ohne auf ihre Antwort zu warten, schob er sich an ihr vorbei aus der Tür und eilte den Flur hinab. „Ushiro-san!“ rief sie ihm hinterher, aber er war bereits die Treppe hinab verschwunden. „Pass auch auf dich auf…“ flüsterte sie.
 

**
 

In einem anderen Stadtteil von Kyoto beleuchtete der Mond eine ganz andere Szene. Ein Mann stand alleine auf den Treppen, die zu einem Tempel führten. Die frische Luft umwehte seine langen Haare, während er sein Schwert abwischte. Dann, nachdem er es wieder eingesteckt hatte, wandte sich der Mann zum gehen, ganz selbstverständlich, als ob es den toten Körper einige Stufen weiter oben nicht geben würde. Wenn die Opfer tot waren, verloren sie ihren Sinn und Zweck. Der Körper und das Blut hatten keine Bedeutung mehr für ihn. Er lief die letzten Stufen hinab. Keine Bedeutung… nichts hatte mehr eine Bedeutung…

Shishios Augen verengten sich, während er auf die Hauptstraßen Kyotos zusteuerte. Er fühlte, wie ihn jemand beobachtete, eine starke Ki war in seinem Rücken zu spüren. Jemand verfolgte ihn.

Jemand, der offensichtlich selbstmörderische Gedanken mit sich trug…
 

**
 

Kenshin seufzte und eilte durch die tiefen Schatten. Es war lächerlich. Normalerweise müssten ihn die Shinsengumi schon längst verfolgen. Doch jetzt, wo er genau das wünschte, wo waren sie da? Nicht zu sehen! Und das, obwohl er all die Routen abgelaufen war, an denen sie normalerweise Patrouille gingen.
 

Seine Nerven lagen blank. Er wusste nicht, wie viel er noch ertragen konnte. Aber wenn er jetzt seine Verzweiflung nicht in den Griff bekam, würde er sein Ziel vor Augen verlieren und sich selbst dem Tod überlassen. Es gab keine Option für Panik.

Und so schlich er weiter durch die Straßen, auf der Suche nach dem Mann, der ihn entweder retten oder töten würde. Die kalte Luft ließ ihn frösteln und seine verletzte Schulter pochte unangenehmer denn je. Er war aber einigermaßen sicher, dass er sie bewegen und im Kampf benutzen konnte, zumindest für einige Minuten. Der Heilungsprozess hatte schon begonnen. Solange er sich nicht überanstrengte, dann würde er sogar in der Meiji-Zeit noch etwas mit seinem Arm anfangen können.
 

Er lächelte trocken und brach diesen Gedankengang ab. Besser, nicht so weit voraus zu planen…
 

Der Rotschopf ging um eine weitere Ecke. Drückte sich an eine weitere, schattige Hauswand. Es waren elegante Bewegungen, Teil eines kunstvoll aufgeführten Theaters. Im ersten Akt glitt er geschmeidig aus den Schatten. Dann begann die Handlung. Der Mord. Und dann das Saubermachen. Entweder sein eigenes Blut oder das seines Opfers. Es war krank. Kenshin beschloss plötzlich, nicht mit Kaoru ins Theater zu gehen, auch wenn sie ihn darum bitten würde. Nahe bei einem Gasthof am Stadtrand stoppte er. Kaoru-dono… er musste sich jetzt um andere Sachen kümmern, auf irgendwas – irgendwas! – anderes konzentrieren. Wenn er seinen geistigen Zustand möglichst nahe an den von Battousai heranführen wollte, dann konnte jetzt nicht über Kaoru nachdenken. Battousai würde auch nicht über sie nachdenken…
 

Er seufzte. Er dachte schon, das schwierigste für ihn würde es sein, das Wakizashi in seinen Gürtel zu stecken. Offensichtlich war das falsch gedacht…

Ihr Gesicht stand ihm klar vor Augen. Er tat all das hier für sie. Um zu ihr zurückzukehren. Wenn es Kaoru-dono nicht geben würde, hätte er kein Zuhause, das auf ihn wartet. Wie also sollte er seinen Geist von dieser Frau befreien? Diese Frage zu beantworten, wurde ihm abgenommen. Er spürte plötzlich eine starke Ki, ganz in der Nähe. So nahe, das Kenshin annahm, dass hier jemand auf ihn gewartet hatte. Der Rurouni tastete langsam nach seinem Schwert, bedacht darauf, den Griff seines Sakabatous zu fassen zu bekommen. Wer könnte es sein? Es waren nicht die Shinsengumi, das spürte er…
 

Er bekam keine Zeit zum nachdenken. Eine schlanke Gestalt stand plötzlich vor ihm. Der Mann trug dunkelblau und schwarz. Sein Haar war zu einem kurzen Pferdeschwanz hochgebunden. Sein Schwert war noch nicht gezogen, aber Kenshin vermutete, dass dieser Mann ihn genauestens studiert hatte und, da er ihn für Battousai hielt, auch eine battou-jutsu-attacke gegen ihn verwenden wollte. Kenshin umklammerte sein Sakabatou fester.

Sie standen bewegungslos, eine ganze Zeit lang. Beide sahen sich an, jeder wartete auf die erste Bewegung des anderen.
 

Was Kenshin beunruhigte, waren die Augen des Mannes. Im Mondlicht konnte er sie erkennen: groß und von durchdringendem Blau. Sie schienen direkt in Kenshins Seele hinein starren zu wollen. Ein weiterer Moment verging. Dann, endlich, Bewegung.
 

Es war Uonuma Usui, der Hitokiri der gegnerischen Fraktion, der Anti-Attentäter, welcher die erste Bewegung machte.
 

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Wie immer freue ich mich über Kritik und Feedback, was ich der Autorin auch gerne übermitteln werde ^^ Bis Bald zum nächsten Kapitel, Ju-Chan

Zusammenstoß

Kapitel 26 – Zusammenstoß
 


 

1878
 

Die Sonne war bereits komplett untergangen, als Battousai die Innenstadt Kyotos hinter sich gelassen hatte und sich den Brücken am Stadtrand näherte. In seinen Gedanken herrschte das totale Chaos. Er wusste, dass er sich jetzt auf den Kampf mit Saito konzentrieren musste, aber da war immer dieses Bild von Kaoru mit ihren besorgten Augen, das ihm nicht aus dem Kopf gehen wollte. Sie schien sich wirklich um ihn zu sorgen. Über sein Wohlergehen.
 

Er seufzte, denn er wusste, sie würde wütend sein, wenn sie herausfand, was er getan hatte. Dass er sie verlassen hatte, um mit Saito zu kämpfen, schon wieder. Aber er wollte nicht riskieren, dass unschuldige Menschen im Aoi-ya verletzt wurden. Selbst diejenigen, die er kaum kannte. Wenn Saito dort auftauchen würde, könnte es leicht in einem Blutbad enden. Und Kaoru… was, wenn sie noch einmal in den Weg springen würde? Könnte er sie auch ein zweites Mal beschützen? Sie wie Tomoe sterben zu sehen… durch ein Schwert, dessen Klinge für ihn gedacht war… das könnte er nicht ertragen.
 

Nein. Auf diese Weise war es besser. Sie würde im Aoi-ya sicher sein. Er hoffte nur, dass sie ihm nicht folgen würde…

Er musste sie aus seinen Gedanken verdrängen. Nein, er musste sich jetzt auf den Kampf konzentrieren. Die Brücken waren in Sicht, und wenn er jetzt seine Konzentration verlor, dann könnte er einfach sterben. Und das würde er nicht hinnehmen, durch ein Schwert zu sterben. Er musste sein Versprechen halten. Mehr als ein Versprechen…
 

Seine Bedenken wurden gewaltsam tief in seiner Seele begraben, als er gewahr wurde, dass ein Mann lässig an einem der Brückenpfeiler lehnte, als ob die Welt in Ordnung wäre. Als Battousai sich ihm näherte, wandte er sich um. Die Jahre hatten Saitos Gesicht verändert, aber die Augen des Wolfes leuchteten noch genauso wie vor über zehn Jahren. Dieser Mann war immer ein Wolf geblieben.

Der Rotschopf spannte sich etwas an. Es wäre töricht, Saito zu unterschätzen, selbst wenn er um einiges gealtert war…
 

„So, du bist also doch gekommen,“ sprach Saito leise. Eine Zigarette hing ihm aus dem Mundwinkel. Battousai starrte ihn einige Augenblicke an und wunderte sich, wie Saito mit der Zigarette im Mund so flüssig hatte sprechen können. Der Glimmstängel schien ein Teil von ihm geworden zu sein. Dumm, sich darüber jetzt Gedanken zu machen, aber dieses Detail ließ den Wolf plötzlich viel menschlicher erscheinen. Langsam drängte sich dem Hitokiri ein höchst unbequemer Gedanke auf: Saito war auch nur ein Mann. Nicht mehr als Fleisch und Blut. Saito Hajime war kein Wolf, auch kein Dämon, genauso wenig wie er selbst. Er war nur eine Person, und wenn er ihn jetzt töten würde, wäre er tot, ein weiterer lebloser Körper, den es zu begraben galt. Eine weitere Kerbe in seiner Seele.
 

Seine Maske musste kurz verrutscht sein, während er über diese Dinge nachgrübelte, denn Saito spuckte plötzlich die Zigarette auf den Boden, seine Augen wurden schmal. „Du warst schon zu lange hier, Battousai. Du wirst weich. Es tut mir leid, aber das kann ich nicht zulassen.“

Der Junge antwortete nicht.

Einen Schritt vorwärts gehend trat der größere Mann auf die Zigarette, ein Windstoß ließ die nahe stehenden Bäume rascheln. Sonst war nichts zu hören. Nur der Wolf schob sich langsam vorwärts, lautlos. Einige Schritte mehr und Battousai würde reagieren müssen, entweder sich verteidigen oder angreifen. Wenige Zentimeter, bevor dies nötig wurde, stoppte Saito.
 

„So, Battousai. Lass es uns zu Ende bringen.“ Er zog sein Schwert und nahm die Position des Gatosu ein.
 

Battousai bewegte sich noch immer nicht. „Sag mir nur eine Sache,“ sprach er leise. „Warum kämpfen wir? Wir haben damals für eine Sache gekämpft – darin waren wir uns ähnlich. Ich denke nicht, dass du dich seitdem sehr verändert hast. Also, was habe ich getan? Sind wir immer noch Feinde, in der Meiji-Zeit? Kämpfe ich weiterhin gegen die Regierung? Oder ist es etwas persönliches?“ Seine Augen verdunkelten sich. „Warum?“
 

Saito schnaubte. „Warum? Du musst mich tatsächlich nach dem Warum fragen? Wann hast du jemals einen Grund gebracht?“ Er lächelte schief. „Ich werde versuchen, es so zu formulieren, dass du es verstehst. Ich versuche, jemanden zu beschützen. Du bist für seine Existenz eine Bedrohung. Deswegen werde ich dich aus dem Weg räumen. Reicht dir diese Erklärung aus?“
 

„Ich bin nicht hier, um jemanden zu ermorden,“ antwortete der Junge.

Das Lächeln des Wolfes war kalt und tödlich. „Es hat für mich keine Bedeutung, warum du hier bist. Wenn du hier bleibst, wirst du jemanden töten, ob du willst oder nicht. Jetzt…“

Seine Finger glitten langsam über die scharfe Seite der Klinge, die im Mondlicht aufblitzte, „… wie ich schon sagte: Lass uns die Sache beenden.“
 

Dieses Mal hatte Battousai nichts entgegenzusetzen. Er verbeugte sich kurz und machte sich für den Kampf bereit.
 

**
 

Kaoru saß im Garten und beobachtete die untergehende Sonne, als Sano zum Aoi-ya zurückkehrte. Es überraschte ihn, sie alleine dasitzen zu sehen und der Kämpfer hielt einen Moment inne, um sie zu beobachten. Eigentlich hätte er erwartet, dass er sie in der Gesellschaft von Battousai antreffen würde. Was ging hier vor? Was hatte er verpasst, während er mit Saito gesprochen und danach einen langen Spaziergang zum Nachdenken unternommen hatte?
 

Nach einer Weile näherte er sich ihr schließlich. „Jou-chan?“

Sie wandte sich um. „Sanosuke?“

Er sah um sich. „Was machst du hier alleine? Wo ist Kenshin?“

Sie errötete ein bisschen.

Komisch, dachte sich Sanosuke. Irgendetwas schien hier nicht zu stimmen.

„Es ist wach,“ sagte sie leise.

„Er ist auf?“ rief Sanosuke aus. Schon lief er auf das Aoi-ya zu. „Seit wann? Geht es ihm gut? Wo ist er? Ich muss sofort mit ihm reden.“

„Das kannst du nicht,“ rief Kaoru, sprang auf und rannte ihm mach.

Sano zögerte und drehte sich zu ihr um, wobei er versuchte, sich seinen alarmierten Zustand nicht anmerken zu lassen. „Ich werde ihm schon nicht weh tun. Ich muss ihm nur etwas sagen. Es ist wichtig. Es geht um Saito.“

Bei dem letzten Wort weiteten sich die Augen des Mädchens und sie trat luftholend einen Schritt zurück. „Saito…?“ fragte sie mit erregter Stimme. „Was ist denn mit Saito?“

Sanosuke sah schnell weg. „Nichts, worüber du dich aufregen müsstest, Jou-chan. Es ist nichts, aber ich muss jetzt mit Kenshin sprechen!“
 

Bevor er wusste, wie ihm geschah, stand Kaoru direkt vor seinem Gesicht und krallte sich an seinen Ärmel. „Sanosuke, bitte! Was ist mit Saito und Kenshin?“

Sano zuckte zurück und bemühte sich, Kaoru nicht ins Gesicht zu schauen. Es hasste es, wenn sie ihn so ansah. Es fiel ihm so schwer, ihr nichts zu sagen. „Es ist besser, wenn du es nicht weißt, Jou-chan. Jetzt lass mich bitte in das Aoi-ya gehen und mit Kenshin reden.“

„Er ist nicht dort.“

Die Worte hallten in Sanos Kopf. „Er ist… was? Was? Wo?“

Sie schüttelte den Kopf und zog erneut an Sanos Ärmel. Die Sorge in ihren Augen war nun blanker Angst gewichen. Langsam dämmerte ihr der Zusammenhang – Saito, Kenshin – und dieser Vorgang war nicht schön anzusehen. Sano hatte das Gefühl, dass sie etwas wusste, was er nicht wusste.
 

Er nahm sie bei den Schultern und schüttelte sie ein bisschen. „Wo ist er, Kaoru? Was ist passiert?“
 

„Er ging vor eine Weile weg. Jemand hat ihm einen Brief zukommen lassen und nachdem er ihn gelesen hatte, ist er gegangen. Er sagte, er käme gleich wieder zurück. Das ist alles.“

„Verdammt,“ fluchte Sano. Was zur Hölle dachte sich Kenshin? Und wo zur Hölle war der baka hingegangen? Sano wollte gar nicht darüber nachdenken, dass sein Freund dumm genug sein könnte, jetzt eine Herausforderung anzunehmen – in seinem verletzten Zustand! Und dann auch noch Saito. Aber, so war Kenshin eben. Er hatte diese irritierende Angewohnheit, alle retten zu wollen, ohne dabei auf sein eigenes Leben Rücksicht zu nehmen. Und wenn dieser Brief wirklich von Saito gewesen war… der Wolf war nicht blöd. Wenn er Battousai zu sich hatte locken wollen, dann hatte er sich sicher mit Drohungen nicht zurückgehalten.
 

„Dieser verdammte Idiot!“, fluchte er erneut. „Er wird wieder mit ihm kämpfen!“
 

„Was!?“
 

Sano blinzelte Kaoru überrascht an. Er hatte fast vergessen, dass er sie immer noch an den Schultern gepackt hielt. Er ließ sie endlich los und seine Arme fielen hängend hinab zu seinen Seiten. Er stöhnte und schloss die Augen. „Saito… er will noch einmal Kenshin herausfordern. Ich hätte aber nicht gedacht, dass er so schnell reagieren würde. Er muss Kenshin die Nachricht in dem Moment geschickt haben, als ich schon auf dem Heimweg war. Verflucht, wenn ich gleich hier her gekommen wäre, ohne noch herumzulaufen… dann hätte ich Kenshin aufhalten können. Es war mein Fehler, wenn er stirbt, dann….“

Er konnte seine Sorgen nicht weiterführen, denn auf einmal traf ihn etwas hartes mit einem lauten Knacken direkt auf den Kopf. „Au! Was zur Hölle…“, rief er und sah auf.

Kaoru stand vor ihm, das Bokken in ihren Händen. „Rumjammern wird ihn nicht retten, Sanosuke. Je länger du hier heulend rumstehst, desto weniger wird Kenshin aus der Sache lebend wieder rauskommen.“
 

„Ich heule nicht,“ protestierte Sano.

„Du wirst es aber gleich, wenn du dich jetzt nicht aufraffst,“ antwortete sie scharf und funkelte ihn an. „Jetzt sag mir, ob du irgendeine Ahnung hast, wo die beiden sein könnten!“
 

„Vermutlich nahe der Brücken am Stadtrand. Aber…“. Er musste vor Überraschung blinzeln. „Hey! Du bist ja wieder du selbst? Ist was passiert, als ich weg war?“

Kaoru sah ihm einen kurzen Moment in die Augen und antwortete dann: „Er ist zu mir zurückgekommen.“

Bevor Sano die Möglichkeit zukam, darauf etwas zu antworten, war sie schon losgerannt, und er musste sich beeilen, mit ihr Schritt zu halten.
 

**
 

1865
 

Usuis Schwert verfehlte Kenshin um wenige Millimeter. Nur die unheimliche Geschwindigkeit rettete den Rurouni vor dem Streich. Aber der Anti-Attentäter war ebenfalls sehr schnell und während Kenshin noch dabei war, sein Schwert zu ziehen, war er bereits auf dem Sprung und näherte sich ihm von hinten.
 

Kenshin keuchte auf als er den Schlag blockierte und biss die Zähne zusammen, um den Schmerz in seiner Schulter zu ignorieren. Bis jetzt konnte er noch standhalten. Aber für wie lange?
 

Wahrscheinlich nicht so lange, wie es nötig war. Sicherlich nicht so lange, wie er es wollte. Schon wieder musste der Rotschopf ausweichen, dieses Mal versuchte er jedoch zu kontern und traf den Mann glücklicherweise glatt am Rücken. Normalerweise hätte dieser Schlag einen starken Kämpfer einiges zugesetzt, aber dieser Gegner war wie wahnsinnig, er ignorierte den Schmerz komplett und kanalisierte seine Wut und seinen Schock einzig in dem Ziel, zu zerstören.
 

Kenshins Augenbrauen zogen sich zusammen, er versuchte sich zu konzentrieren. Die Ki dieses Mannes zu lesen war schwer. Er fühlte Aggression, Hass, aber nichts, was ihm irgendwie nützlich gewesen wäre. Selbst die blinde Wut hatte sein Gegner unter Kontrolle und so konnte er Usuis Bewegungen nicht vorhersagen. Das Verlangen Usuis, seinen Feind zu töten, schien ihm so viel Kraft zu geben, dass Kenshin von dieser Energie fast geblendet wurde. Kein Wunder, dass dieser Mann so ein erfolgreicher Anti-Attentäter war.
 

Besagte Person griff erneut an, Kenshin blockierte erneut erfolgreich den Schlag, konterte mit einem Schwung zur Seite, doch der Attentäter stieß nach unten, die Spitze seines Schwertes stach in Kenshins verwundete Schulter, wenn auch nur ein bisschen. Der Schmerz, der Kenshin daraufhin überkam, war unglaublich. Seine Schulter war noch am Heilen, viel zu steif für elegante Ausweichmanöver, gereizt und viel zu verkrampft für effektive Attacken. Das Sakabatou fiel ihm fast aus der Hand, während er ein paar Meter zurückspringen musste, um sich sammeln zu können.
 

"Denke über den Schmerz hinaus", befahl er sich selbst, "ignoriere den Schmerz. Du kannst es, du konntest es schon damals. Du kannst es jetzt wieder!"
 

Er sah auf und entdeckte ein schiefes Grinsen im Gesicht seines Gegners.
 

„So Battousai, sage mir doch bitte… wie fühlt es sich an, zu wissen, dass man gleich sterben wird?“

„Noch bin ich nicht begraben,“ knurrte Kenshin durch seine zusammengebissenen Zähne, seine blauen Augen sprühten Funken.

Usui lachte nur. „Natürlich nicht.“ Sein Grinsen wurde breiter, während er sich zu seinem nächsten Angriff bereit machte.
 

Einen Moment lang war Kenshin verwirrt. Diese Attacke hatte der Attentäter gerade eben schon angewandt, erfolglos. Warum wiederholte er sie? Einen Moment später verstand er es, denn Usuis Schwert erreichte auch diesmal seine Schulter. Kenshin schaffte es, sein Schwert hochzureißen und zu blockieren, doch dieses Mal legte sein Gegner so viel Kraft in den Stoß, dass es durch Kenshins Abwehr glitt und tief in die bandagierte Schulter einschnitt.
 

Dieses Mal schaffte es Kenshin nicht, sein Schwert festzuhalten. Er taumelte nach hinten, rote Bluttropfen fielen in den Schnee vor ihm. Er sank vor Schmerz in die Hocke, griff nach seiner Schulter. Seine andere Hand hing hinab in den kalten, rotverschmierten Schnee, nur wenige Zentimeter von seinem Schwert entfernt, aber es hätten auch Meilen sein können.
 

„Ich kann hier nicht sterben…“ Dieser Gedanke pulsierte mit aller Macht durch seine Gedanken, während er sich wieder auf die Beine zwang. Allerdings wusste Kenshin auch, dass er dieses Mal kein Amekakeru Ryu no Hirameki schaffen würde. Und der Wille, nicht sterben zu wollen, würde nicht ausreichen, ihn jetzt zu retten.
 

„Auf nimmer wiedersehen, Battousai.“
 

Kenshins blutverschmierte Hand hob sich langsam zu seinem Gürtel. „Von deiner Hand werde ich nicht sterben!“ Er spürte die noch verbleibende Kraft in seiner rechten Hand. Die Finger konnte er noch bewegen. Er konnte sie noch fühlen. Das war gut. Vielleicht war noch nicht alles verloren…
 

Usuis Bewegungen waren schnell und flüssig. Er war Teil der dunklen Schatten, nur sein blinkendes Schwert und die leuchtenden Augen waren im Mondschein wirklich auszumachen. Das Schwert war nur als verschwommener Glanz wahrzunehmen. Noch ein paar Meter, und alles wäre vorbei.
 

Die Klinge traf Kenshins Arm genau in dem Moment, in dem er sich zur Seite rollte. Es war nur ein kleiner Schnitt, und Usuis Folgeschlag zur Seite konterte Kenshin mit einem schnelleren Hieb an den Kopf des Attentäters. Der Mann stolperte zurück, schüttelte den Kopf, versuchte, wieder klar zu sehen. Was war da gerade geschehen? Sein Schlag hätte tödlich sein müssen, sein Gegner war ohne Schwert. Mit was hatte er ihn getroffen?
 

Kenshin stand einige Meter entfernt, vor ihm die Scherben einer zerbrochenen Sake-Flasche. Der bittersüße Geruch drang an Usuis Nase, Flüssigkeit rann ihm in den Nacken. Der Rotschopf warf die Kordel mit den noch daran hängenden Überresten seines Geschenkes für seinen Meister weg, eine unerwartete, nützliche Waffe.
 

Usui spuckte Blut hinab in den Schnee. „Du bist voller Überraschungen,“ knurrte er mit finsterem Blick.

„Nur ein Bruchteil der Überraschungen, die ich für dich habe,“ ertönte eine schneidende Stimme direkt hinter ihm aus den Schatten.

Der Anti-Attentäter wandte sich gerade noch rechtzeitig um, um das Katana abzuwehren, dass auf ihn niedersauste.
 

Usui grinste spöttisch. „Hier, um deinen Kameraden zu retten?“ schnauzte er seinem Angreifer entgegen. „Oder kannst du es nicht mehr erwarten und willst auch sterben?“
 

Shishios Augen fixierten sich auf Usuis Gesicht, seine Augen waren kalt und glänzten tödlich. „Sie mich genau an. Ich bin der Tod. Und ich bin das letzte, was du sehen wirst.“ Erst dann glitten seine Augen kurz zu Kenshin, der nun wieder mit dem Schwert in der Hand stand.
 

„Shishio…“
 

Der Attentäter nickte dem Rotschopf kurz zu. „Ich übernehme ihn. Du wirst dich um jemand anderen kümmern müssen. Ich wurde verfolgt.“
 

Shishio sagte nichts mehr sondern wandte sich seinem Gegner zu. Usui war in Angriffsposition gegangen, endlich hatte er den Attentäter zu Gesicht bekommen, seinen wahren Gegner, sein wahres Ziel, nach dem er heute Nacht gesucht hatte.
 

Kenshin unterdessen beachtete die beiden nicht weiter. Er sah ihn kommen, fühlte die starke und klare Ki. Bernsteinfarbene Augen blinkten in der Dunkelheit. Er trat aus dem Schatten der Häuser.
 

Saito.
 

**
 

Im nächsten Kapitel das Finale:

Schafft es der verwundete Rurouni, den Kampf mit dem Saito der Vergangenheit zu bewältigen? Und wie reagiert Battousai auf die Herasforderung des Saito der Gegenwart? Es kommt zum finalen Showdown, bei dem sich zeigen wird, ob die beiden Kenshins wieder in die richtige Zeit zurückkehren können...
 

Bis dahin^^ Danke an meine Leser für die Unterstützung und das Feedback <3

Das Blatt wendet sich

Kapitel 27 – Das Blatt wendet sich
 

1878
 

Das Licht des gerade aufgehenden Mondes war schwach, dicke Wolken glitten träge über den düsteren Nachthimmel. Die Helligkeit reichte jedoch vollkommen, um die glitzernden Schwerter auszumachen und auch zwei paar Augen, die im Dunkeln zu glühen schienen. Um die zwei Männer herum lag alles in totaler Stille. Kein Laut war zu hören, selbst der Wind schien den Atem anzuhalten. Die Ki dieser zwei Menschen reichte aus, um alles in erwartendes Luftanhalten zu versetzen. Es war nicht natürlich, und selbst jemand, der von nichts eine Ahnung hatte, würde fühlen, dass er jetzt besser einen großen Bogen um diese Männer machen sollte, die da so bewegungslos auf der verlassenen Straße verharrten.
 

Zwei Wolken, die sich vor den Mond geschoben hatten, lösten sich langsam auf. Der Schein wurde heller, die zwei Figuren schienen unscheinbare Menschen zu sein. Doch das waren nur ihre Masken. Dahinter lauerten ein Dämon und ein Wolf.
 

Saito stand da, gefroren in seiner Gatotsu-Stellung, unbeweglich und angespannt. Er starrte auf Battousai, der regungslos in Battoujutsu-Stellung verharrte. Ein schwaches Lächeln umspielte die Lippen des Wolfes. „Mach’s gut, Battousai.“
 

Die Worte ließen den Jungen unberührt. Alle seine Sinne waren nun darauf konzentriert, jede Bewegung seines Angreifers schnellstmöglich wahrnehmen zu können und entsprechend zu reagieren.
 

Er musste nicht lange warten. Saito griff an.
 

Battousai zog sein Schwert und blockierte den Angriff mit Leichtigkeit. Ohne Mühe durchschnitt seine Klinge die Nachtluft und schrammte an dem anderen Schwert entlang, folgte der Schneide, bis es abrutschte, durch Kleidung und auch ein bisschen Haut schnitt.
 

Sie standen nun Rücken an Rücken, Saitos Gesicht war trotz seiner kleinen Verwundung unbeweglich geblieben. Ein bisschen Blut würde ihn nicht aus der Ruhe bringen.
 

Als er sich rasch umwandte, war der Junge schon in Bewegung. Saito wich aus, konterte, stieß nach vorne. Sein Schwert hatte fast den Jungen erreicht. Fast wäre er durch Battousais unmenschlich schnelle Bewegungen gestoßen. Er versuchte es noch einmal, genau in dem Moment, in dem er den Jungen nahe genug an sich herankommen ließ, so dass dieser ihn nochmals traf, diesmal ein bisschen mehr Kleidung zerschnitt, tiefer in seine Haut eindrang – doch er konnte nichts erreichen, außer ein paar rote Haarsträhnen abzutrennen. Er biss die Zähne zusammen. Das war doch lächerlich. Battousai wirbelte um ihn herum wie ein verdammter Schmetterling. Während er dies dachte, war der Junge schon wieder kaum zu sehen, eine einzige Bewegung, und der Wolf musste sich konzentrieren, wenn er jetzt endlich Blut seines Gegners auf seiner Klinge sehen wollte.
 

Er blickte entschlossen mit kalten Augen nach vorn. Er würde diesen Kampf gewinnen, anders ging es nicht. Zwar standen seine Chancen schlechter, aber er durfte dieses Kind nicht leben lassen, nicht hier in der Meiji-Zeit. Er wäre zu gefährlich in dieser friedlichen Zeit. Saitos Augen verschmälerten sich. Außerdem war es wahr, was Sanosuke zu ihm gesagt hatte… Er würde gerne noch einmal gegen Battousai kämpfen. Aber nicht so. Endlich sah er ein, dass er nicht den Battousai von damals besiegen wollte, nicht mehr. Jetzt wollte er mit dem Mann kämpfen, der zusammen mit ihm die sich wandelnden Zeiten durchlebt hatte. Wenn er diesen Jungen jetzt töten würde, dann könnte er damit nur beweisen, dass ein fünfunddreißigjähriger Wolf noch tödliche Pranken hatte. Aber darum ging es nicht. War es nie gegangen. Er musste mit dem älteren Battousai kämpfen, weil er sich beweisen wollte, dass Meiji nicht jeden zerstört hatte, den er kannte. Er wollte spüren, dass der Battousai der Vergangenheit immer noch in dem Battousai der Gegenwart vorhanden war, wie er, überlebt hatte.
 

Entschlossenheit verhärtete seine Gesichtszüge. Er hatte seinen Grund gefunden, der ihm die nötige Kraft zum Sieg verleihen würde. Wenn er diesen Jungen jetzt nicht heimschicken konnte… dann würde der andere Mann in der Vergangenheit sterben. Dies war für Saito nicht zu akzeptieren.
 

Der rothaarige Junge stand einige Meter entfernt, sein Katana wieder in der Schwertscheide. Er war bereit für eine schnelle Attacke. Seine Hand über dem Schwertgriff zuckte schon.
 

Doch die Augen des Wolfes bemerkten auch das leichte Zittern, dass die Schulter des Jungen bei dieser Bewegung schüttelte. Der seltsame Winkel, in dem er seinen Arm hielt…

Vielleicht gab es für ihn genau hier die Chance…
 

**
 

1865
 

Kenshin warf noch einen unruhigen Blick in Richtung Shishio, aber der Hitokiri kam alleine sehr gut mit Usui zurecht. Kenshin wusste schon, wie die Sache ausgehen würde. Shishio würde seine Hilfe nicht brauchen. Er wandte sich um und konzentrierte sich auf sein eigenes Ziel, den Anführer der Dritten Shinsengumi-Einheit, Saito Hajime.
 

Kenshins Brauen zogen sich zusammen. „Wo ist deine Einheit?“
 

Die Frage schien den Wolf fast zu überraschen. Er war es nicht gewohnt, vor dem Kampf viele Worte zu wechseln und zögerte einen Moment, bevor er ruhig antwortete.

„Sie sind anderswo. Hier geht es nur um dich und mich. Es gibt keinen Grund für andere Beteiligte.“

Langsam zog er sein Schwert aus der Scheide und machte sich zum kämpfen bereit.

„Beenden wir die Sache.“
 

Der Rotschopf nickte kurz und bereitete sich selbst vor. Wenigstens wäre das hier ein ehrenhafter Kampf. Jedoch nicht unter den besten Voraussetzungen. Er war immer noch schwer verwundet. Sein Schwertarm fühlte sich schwach und zittrig an. Sein Griff war fest, aber nicht stark. Außerdem befanden sie sich noch nicht auf der Brücke und Kenshin vermutete, dass sie wichtig sein würde, um wieder nach Hause zu gelangen. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, Saito in diese Richtung zu lotsen…
 

Er hatte nicht viel Zeit zum Nachdenken, denn Saito war in Bewegung und Kenshin musste reagieren. Er zog sein Sakabatou und schaffte es, den kraftvollen Angriff abzuwehren. Doch danach blieb er in Bewegung und lief näher an den Fluss heran, weg von Usui und Shishio.
 

Saito schlug abermals zu und zwang Kenshin erneut in die Defensive, die er wiederum dazu nutzte, noch näher an den Fluss zu gelangen. Er selbst griff nicht an.

Der Wolf blickte ihn finster an. „Hast du Angst, mit mir zu kämpfen?“, schnaubte er wütend. „Ich wusste es, du bist nicht der echte Battousai. DER würde nicht wegrennen. Er würde kämpfen, und wenn nötig, ehrenvoll sterben.“
 

Kenshin wusste, dass er recht hatte. Sein Griff um das Sakabatou wurde fester. „Wenn ich Battousai sein soll, wenn auch nur für kurze Zeit,“ so überlegte er, „dann kann ich nicht nur defensiv kämpfen.“ Er schluckte hart, doch sein Blick war fest, seine Entscheidung getroffen. Er hatte ja sein Sakabatou. Damit konnte er ihn nicht töten. Aber wenn er jetzt nicht angriff, dann konnte er vielleicht niemals mehr nach Hause zurück…
 

Dieser Gedanke war ausreichend, um seine verbliebene Kraft zu mobilisieren. Dieses Mal konnte er Saitos Gatotsu mit einem Seitenhieb erwidern, der prompt den Arm des Shinsengumi-Anführers traf. Bevor Saito richtig reagieren konnte, war Kenshin schon in der Luft.
 

„Ryu Tsui Sen!“
 

Mit diesem Angriff hatte der Wolf gerechnet. Er ließ sich nach hinten fallen, das Schwert erhoben, und schaffte so, um wenige Zentimeter dem Schlag auszuweichen. Dann konterte er, in dem er mit der linken Hand nach oben stieß. Kenshin wandte sich zur Seite, doch er war nicht schnell genug, da er zu viel Schwung durch seinen Sprung hatte. Die Wunde an seiner Seite war nicht tief, nicht wichtig genug, um überhaupt beachtet zu werden. Der rothaarige Mann griff erneut an.
 

Saito wich aus. „Du bist langsam.“ Sein eigenes Schwert traf Kenshin beinahe direkt in die Brust. In letzter Sekunde wich Kenshin aus, dennoch bohrte sich der Stahl tief in seinen Oberkörper – jedoch nicht tödlich, wie der Streich ursprünglich beabsichtigt war. Er war gezwungen, kurz inne zu halten, sich auf seine Atmung zu konzentrieren, Kraft zu schöpfen. Er spürte, wie sein Atem stoßweise kam und er fühlte sich leicht und locker, ein Gefühl, dass der Blutverlust bei ihm auslöste. Bis jetzt war ihm nicht bewusst gewesen, wie viele Verwundungen er schon hatte einstecken müssen. Die Sache hier würde bald Enden müssen.
 

Saito beobachtete aus sicherer Entfernung den rothaarigen Hitokiri neugierig, bereit für was auch immer jetzt kommen würde.
 

Sie waren nun ganz nahe an der Brücke. Ein sanftes Plätschern war schon zu hören, es ertränkte die Geräusche, welche der weiter entfernt stattfindende Kampf von Shishio und Usui verursachte.
 

Jedoch spielte inzwischen die Brücke in Kenshins Gedanken gar keine Rolle mehr! Der Fluss und seine Rückkehr waren vergessen. Der Blutverlust hatte seine Gedanken nur noch auf den Kampf gerichtet. Oder lag es daran, dass er überall um sich herum in der dünnen, weißen Schneeschicht das rote Blut sah? Erinnerungen strömten in starken Wellen in ihn zurück, machten ihn blind für all die vergangenen Jahre, fesselten ihn in die vermeintliche Gegenwart. Als er den Kopf wieder hob, sah Saito durch lange, rote Strähnen bernsteinfarbene Augen glitzern. Die Augen eines Hitokiri.
 

Endlich. Der Wolf lächelte.
 

Jetzt begann der Kampf erst wirklich.
 

**
 

1878
 

Kaoru und Sanosuke rannten durch die Strassen, wild entschlossen, Battousai aufzuspüren, bevor er im Kampf getötet werden würde. In ihren Augen spiegelte sich die Sorge um einen Jungen, den sie nie wirklich kennengelernt hatten, der ihnen aber inzwischen etwas bedeutete.
 

Das schwarzhaarige Mädchen keuchte. „Bist du sicher, dass sie auf der Brücke sind?“ rief sie über die Schulter zu Sanosuke nach hinten ohne dabei ihre Schritte zu verlangsamen.

Sano nickte. „Vertrau mir. Wenn die Nachricht von Saito war, dann will er sich mit Kenshin am Fluss treffen.“

„Versucht Saito, Kenshin in die Vergangenheit zurückzuschicken?“

Der Straßenkämpfer versteinerte mitten im rennen. „Was hast du da gesagt?“

Kaoru blieb stehen und wandte sich um. „Wir haben keine Zeit, Sano, wir müssen weiter!“

Er ignorierte ihre Worte und packte sie am Handgelenk. „Jou-chan, sag bloß, du weißt Bescheid?“ fragte er ungläubig. „Du weißt, was passiert ist?“
 

„Natürlich!“
 

Er schüttelte den Kopf. „Woher?“

„Er hat es mir gesagt“, schnappte Kaoru und riss sich los. Ihr Blick war entschlossen. „Das ist doch jetzt egal. Wir müssen ihn finden. Er ist schon verletzt genug. Ich möchte ihn nicht noch mehr leiden sehen.“
 

„Jou-chan…“
 

Sie sah ihm in die Augen. „Er hat viel durchgemacht, Sano. Und so gerne ich auch UNSEREN Kenshin wieder zurückhaben möchte, so möchte ich auch, dass der Kenshin von damals nicht mehr verletzt, schon gar nicht von Saito.“
 

Sano zögerte, als er das Glitzern in Kaorus Augen sah. „Aber was ist, wenn er nur auf diese Art und Weise wieder nach Hause kommen kann? Ich meine… mir gefällt die Idee auch nicht. Ich würde lieber Battousai einfach in das Wasser schupsen und sehen, was passiert. Aber was ist, wenn der Kampf der Schlüssel zu allem ist? Wir können ihn jetzt beschützen… aber dann werden die beiden an einem anderen Tag miteinander kämpfen.“
 

Kaoru schüttelte den Kopf. „Ich will nicht, dass ihn jemand verletzt, verstehst du das nicht? Wenn ich jetzt nichts unternehme, dann könnte ich ihn verlieren, für immer, selbst wenn er zurückkehrt.“
 

Sanosuke starrte sie verwirrt an. „Das ergibt aber keinen Sinn…“
 

„Du hast es doch selbst gesagt. Ich muss ihn WISSEN lassen, dass ich seine ganze Vergangenheit akzeptiere. Alle Teile davon. Wenn ich mich jetzt von ihm abwende, um auf meinen Rurouni zu warten, dann verdiene ich ihn gar nicht.“ Wütend wischte sie sich ein paar Tränen der Frustration aus den Augen. „Mach doch was du willst, Sanosuke. Ich werde jetzt zu Kenshin gehen und sehen, was ich tun kann“.

Mit diesen Worten rannte sie davon.
 

Sano folgte ihr ohne Umschweife, auch wenn er nicht wusste, wohin das alles führen würde. Es war aber auch egal, er selbst hatte Mitschuld an der ganzen Verwechslung. Jetzt musste er selbst sehen, wie er seine Schuld wieder gutmachen konnte. Er würde dafür sorgen, dass verdammt noch mal alles wieder so werden würde, wie früher…
 

„Halte durch, Kenshin,“ dachte er. „Ihr beide… haltet noch ein bisschen länger durch. Wir kommen…“
 

**
 

1865
 

Ushiro rannte durch die Schatten, unterwegs auf einer Mission. Seit einer halben Stunde suchte er schon überall, aber ohne Glück.
 

„Wo kann dieser Baka sein?“
 

Es half nicht gerade, dass Ushiro niemals daran gedacht hatte, Kenshin danach zu fragen, wie er überhaupt hier gelandet war. Und wie er vorhatte, wieder heimzukehren. Und sicherlich war es auch nicht hilfreich, dass Ushiro sich überhaupt nicht in den Kenshin der Zukunft hineinversetzen konnte.
 

Oder konnte er es doch? Dieser ältere Kenshin war gar nicht so unterschiedlich wie seine jüngere Version, wenn man all die Verstellungen und das Äußere vernachlässigte. Ushiro überlegte sich, wohin wohl Battousai gegangen wäre. Er hielt kurz an und dachte einen Moment nach. „Der Junge denkt logisch. Er würde genau an den Ort zurückkehren, an dem alles begonnen hatte. Und dort nach Antworten suchen. Nur wo?“
 

Es traf Ushiro wie der Blitz. Er rannte los, in Richtung Randbezirk Kyotos. Kenshin war damals am Stadtrand aufgetaucht. Hatte ihn bei dem Kampf gegen Okita und Saitou unterstützt. Dass musste der Zeitpunkt gewesen sein, an dem die Vertauschung stattgefunden hatte…
 

Er rannte schnell, weil er wusste, dass selbst Kenshin mit all diesen Verletzungen nicht lange gegen die Shinsengumi würde bestehen können. Schweiß begann, ihm über die Stirn zu rinnen, die kalte Nachtluft schnitt ihm wie Messer durch die durchgeschwitzte Kleidung. Seine Beine begannen schon, zu schmerzen und seine alten Wunden brannten. All das war ihm jetzt aber egal. Er wollte zu seinem Freund, er musste ihm helfen.
 

„Nach all dem, was du durchgemacht hast,“ dachte er, „verdienst du eine Zukunft in Frieden. Ich will dich hier nicht sterben sehen. Nicht hier… und definitiv nicht jetzt…“
 

**
 

1878
 

Battousai sah Saito’s Gatotsu kaum kommen, so schnell wirbelte der Wolf jetzt durch die Luft, und dass, obwohl er verwundet war. Dennoch schaffte er es, jede einzelne Bewegung wahrzunehmen. Der Schwung von Saitos Angriffschlag erfolgte in einem komischen Winkel. Das hier war kein Schlag mit der Absicht, ihn zu töten. Was hatte der Mann vor?
 

Der Hitokiri bereitete sich auf einen Defensivschlag vor, als der Wolf aus dem Nichts seinen Schlag umlenkte und den Jungen damit überraschte. Battousais Augen weiteten sich, der Schlag traf ihn unvorbereitet direkt an Brust und Schulter. Saito schwächte den Hieb etwas ab, genug, um den Jungen schwer zu verletzten aber auch genug, um ihn nicht zu töten oder dauerhaften Schaden zu verursachen…
 

Zumindest hoffte das Saito. Bei diesem Jungen konnte man sich nie sicher sein…
 

Er zog sein Schwert zurück, durch das weiche Fleisch Battousais, Blut spritze während auch der Wolf einige Schritte zurücktaumelte – der Junge hatte ihm trotz allem noch eine tiefe Wunde am Bein zugefügt. Zwischen ihnen färbte sich der Boden rot. Saito versuchte, den Schmerz auszublenden und drückte seine freie Hand auf die Wunde, während er den Jungen kritisch beäugte.
 

Battousais Verletzung sah übel aus. Er stand am Rand des Flusses, schwankte leicht. Sein Atem kam nur noch stoßweise, seine linke Hand presste er auf die Schulterwunde. Er taumelte, seine Augen vor Schock weit geöffnet, ins leere blickend, abwesend… er blinzelte. Einmal. Zweimal. Schüttelte den Kopf, um wieder zu sich zu kommen. Dann hob er langsam den Kopf. Sein Blick war entschlossen, seine Augen glitzerten. Er war bereit und nichts würde ihn jetzt noch zurückhalten.
 

**
 

1865
 

Kenshins Bewegungen wurden trotz all seinen Verletzungen immer schneller, seine Schläge sicherer. Er hatte es noch nicht erlaubt, sich dem Hitokiri in sich komplett hinzugeben, aber er spürte, wie er sich ihm mehr und mehr annäherte. Zumindest vermutete er, dass diese Seite in ihm es war, welche ihm jetzt die nötige Kraft verlieh, weiterzukämpfen. Er wusste nicht, für wie lange das so weitergehen würde, aber er hoffte, dass er nur noch ein paar Minuten überstehen musste. Nur so lange, bis sie auf der Brücke waren. Und dann würde er sicherlich irgendwie nach Hause gelangen.
 

Es musste funktionieren, dachte er verzweifelt, während er einem weiteren Gatotsu auswich. Es MUSSTE einfach…
 

Sein Schwert schnitt geräuschlos durch das Mondlicht, reflektierte kleine, weiße Blitze auf den Winterboden. Er schaffte es Saito direkt an der Brust eine Wunde zuzufügen. Dies warf den ehemaligen Shinsengumi-Anführer kurz zurück. Kenshin hielt inne, irritiert, dass seinem Schlag kein spritzendes Blut folgte, bevor er mit Erschütterung feststellte, dass er darauf gewartet hatte. Er schüttelte kurz den Kopf, versuchte, seine Gedanken wieder unter Kontrolle zu bringen. „Ich darf es nicht zu weit gehen lassen…“
 

Er steckte sein Schwert wieder ein und machte sich in Battoujutsu-Stellung für einen weiteren Defensivschlag bereit. Seine Hand rutschte zu seiner Hüfte, vorbei an dem Griff seines Sakabatous, hin zu dem des Wakizashi. Seine Finger hatten gerade die tödliche Klinge gepackt, als er merkte, was genau er unterbewusst vorgehabt hatte. Mit Gewalt zwang er seine Hand zum Sakabatou und ließ den Griff des Wakizashi los, als ob er glühend heiß gewesen wäre.
 

Sein Wille näherte sich zusehends einem tiefen, schwarzen Abgrund. Mit jeder Attacke wurde es für ihn schwieriger, sich nicht fallen zu lassen. Er wandelte auf dem Rand einer gefährlichen Klippe, doch noch hatte sein Verstand die Kontrolle. Doch für wie lange noch?
 

Saito war schon wieder in einen Angriff übergegangen. Kenshin, der so mit seinem inneren Kampf beschäftigt gewesen war, merkte es erst, als es zu spät war. Er schaffte gerade noch, sein Schwert so weit hochzureißen, dass er nicht mehr tödlich getroffen wurde. Doch er strauchelte, der Fluss war jetzt in seinem Rücken, das Ufer war glitschig, seine Füße rutschten.
 

Der Wolf reagierte ohne eine Sekunde des Zögerns. Während Kenshin noch versuchte, seine Balance wiederzufinden, stieß er erneut nach vorne, kraftvoll genug, um dem rothaarigen Kämpfer den Halt zu nehmen. Ohne sich abfangen zu können, fiel dieser rücklings in den Fluss. Kaltes Wasser schlug über seinem Kopf zusammen, verschwommen sah er über sich am Ufer den Wolf stehen. Er schluckte Wasser, versuchte, irgendwie zu schwimmen. Doch seine Arme hatte jetzt endgültig die Kraft verlassen, das eiskalte Wasser lähmte jede Bewegung – alles, was er tun konnte, war nach unten zu sinken.
 

Das war es also.

Es war vorbei… und er hatte verloren.
 

„Kaoru…“
 

Das war Kenshins letzter Gedanke, bevor alles um ihn herum dunkel wurde.
 

**
 

1978
 

„Kenshin!“
 

Der Schrei ertönte aus dem Nichts.
 

Battousai wandte sich um und sah Kaoru, die auf ihn zurannte. Sano war kurz dahinter.

„Was tun die beiden hier?“ Das Herz des Jungen setzte einen Schlag aus. „Wollen die sich hier töten lassen? Ich kann sie nicht beschützen, nicht jetzt. Es wird so enden wie in Otsu!“
 

„Jou-chan!“
 

Kaoru ignorierte Sanosukes warnenden Ruf und rannte weiter.

Saito hatte sich nicht umgewandt, als er ihre Stimmen gehört hatte. Kaorus Stimme war genau die Ablenkung, auf die er gewartet hatte. Battousai hatte kurz die Konzentration verloren. Ohne Zögern schoss er nach vorne, alle Verwundungen ignorierend.
 

Der Junge reagierte zu spät. Sein Schwert war nur halbherzig gezogen, als Saito ihn schon erreicht hatte und ihn mit einem Stoß in den Fluss hineinstieß. So wie er es vor 13 Jahren schon einmal getan hatte.
 

Kaoru schrie. Und es hörte sich auch so an, als ob Sanosuke seinen Namen rief. Doch Battousai tauchte nun unter Wasser, war geschockt von so viel Kälte, unfähig, sich richtig zu bewegen, geschweige denn, zu schwimmen. Die Wellen über ihm überdeckte alle Geräusche.
 

„Es tut mir leid…“
 

Er fühlte, wie er tiefer und tiefer sank. Kaltes Wasser lief ihm in die Nase, er spürte es in seinem Hals.
 

„Es tut mir so leid… ich werde euch nun doch nicht wieder in der Meijizeit treffen…“

Er dachte an das Mädchen, dass ihm nicht nur etwas in der Zukunft bedeutete.
 

„Kaoru…“
 

***
 

So, nur noch wenige Kapitel trennen uns von der Vollendung^^

Über Feedback freue ich mich wie immer^^ eure Ju-Chan aka MajinMina
 

Kapitel 28 – Sich kreuzende Wege
 

Dunkelheit. Sie war das Erste, was Battousai wahrnehmen konnte. Entweder war er tot, oder er hatte seine Augen noch geschlossen. Er fühlte sich so benommen, dass er nicht wusste, was von beidem. Langsam zwang er sich dazu, die schweren Augenlider zu heben, nur um sie dann schnell wieder fest zuzudrücken.
 

Okay… er war also nicht tot… wenn man tot ist, dann würde einen Helligkeit ja nicht blenden, oder?
 

Das Licht um ihn herum war überwältigend. öffnete er seine Augen erneut, beschattete sie dabei mit der Hand und begann gleichzeitig, sich aufzusetzen, bis er kniete. Er versuchte, seine Füße zu bewegen, und, als es ihm gelungen war, sich auf die unsicher zitternden Beine zu stellen. Er war erstaunt, dass er überhaupt noch die Kraft in sich hatte, sich aufzurichten.
 

Dann begann er, etwas anderes zu bemerken… er hatte überhaupt keine Schmerzen mehr.
 

Er sah an sich hinab, erwartete seinen zerrissenen und blutüberströmten Gi zu sehen. Stattdessen sah alles frisch und neu aus, als ob er nie gekämpft hätte.
 

„Das ist nicht möglich…“, flüsterte er und sah sich angestrengt in dem ihm so hell Erscheinenden Raum um. Dann bekam er eine seltsame Gänsehaut. Er war in keinem Raum. Er war im Nichts. Einfach nur Licht, sonst nichts war um ihn herum. Keine Gebäude, kein Fluss… kein Kyoto! Nur Licht…
 

Seine Augen weiteten sich, als langsam Panik in ihm aufzusteigen begann. „Was ist das hier?“

„Die Brücke zwischen Leben und Tod,“ beantwortete eine leise Stimme von hinten seine Fragen. Battousai fuhr erschrocken herum. Er hatte niemanden in der Nähe gesehen, keine Ki gespürt… Und was hatte die Stimme gesagt… Tod?

„Ich bin also tot?“ überlegte er.
 

Er versuchte, in der Helligkeit den Ursprung der Stimme zu erspähen und erkannte schließlich die verschwommene Silhouette einer näher kommenden Figur. Ein großer Mann, wie es schien, mit langem, schwarzen Haar. Battousai sah ihn das erste Mal ohne ein Schwert an seiner Seite. Er lächelte.
 

„Ushiro-san?“ Der Rotschopf war verwirrt. Der Mann gegenüber begrüßte ihm mit einem Nicken. „Es ist schon eine Weile her, Kenshin,“ lächelte er. Der Junge schüttelte den Kopf. „Nur ein paar Tage erst...“. Nervös sah er sich um. „Wo sind wir hier, Ushiro-san? Wo ist Katsura-san? Geht es ihm gut?“ Er war so besorgt, dass er gar nicht bemerkt hatte, dass Ushiro-san ihn mit seinem persönlichen Vornamen angesprochen hatte.
 

Seine Besorgnis lies den Samurai gegenüber leise lachen. „Das sieht dir ähnlich. Du sorgst dich um alle anderen, während es doch dein eigenes Leben ist, dass in Gefahr ist.“
 

Der Junge wurde still, ließ die Worte in sich einsinken. „Dann bin ich also tatsächlich tot,“ seufzte er resigniert. „Oder gerade am sterben.“ Bevor Ushiro noch etwas einwenden konnte, schien ein anderer Gedanke Battousai aufzuschrecken, denn er bekam abermals große Augen. „Warte.. du bist auch hier, das bedeutet... kann nicht bedeuten... du bist doch nicht auch tot! Als ich der verlassen habe, warst du noch...“ Er wirkte plötzlich wie ein verlorenes Kind.
 

Ushiro hob beschwichtigend beide Hände. Battousais Besorgnis ließ sein Lächeln noch wärmer werden. „Hier an diesem Ort ist die Zeit egal. Ich muss nicht tot sein, dort, wo du herkommst. Aber irgendwann werde ich tot sein, deswegen können wir uns hier treffen. Das ist alles, was du jetzt darüber wissen musst. Wie letztes Mal bin ich zu dir geschickt worden – um dich wieder zurückzuführen.“
 

„--- letztes Mal?“
 

„Du bist nicht zum ersten Mal an diesem Ort, Kenshin, auch wenn du dich nicht erinnerst. Du warst schon einmal hier, als du den falschen Weg eingeschlagen hast.“ Dieses Mal wirkte Ushiros Lächeln fast schon tadelnd. „Vielleicht hörst du mir dieses Mal auch tatsächlich zu und befolgst die Ratschläge, die ich dir gebe.“
 

Der Junge schloss die Augen, sichtlich bemüht, die Situation irgendwie zu verstehen. „Also... bin ich nicht tot... und du wirst mich führen, zurück... ins Leben?“ Er schüttelte den Kopf, in seinen Augen schimmerte Frustration auf, zusammen mit einem Hauch von Bitterkeit. „Warum?“ fragte er brüsk, „warum überhaupt die Mühe? So ist es besser.“
 

Das Lächeln in Ushiros Gesicht verblasste. „Besser tot? Kenshin...“ Er verzog den Mund. „Wie kannst du das sagen? Es gibt Menschen, denen du wichtig bist. Du weißt das!“ Er trat einige Schritte auf den Jungen zu. „Kenshin... denkst du, dass ich hier wäre, um dir zu helfen, wenn es mir egal wäre? Nicht jeder bekommt so eine Hilfe. Aber ich will nicht, dass du hier alleine bist. Du musst nicht die Schwere der gesamten Welt auf deine Schultern laden. Es gibt andere, die gerne helfen wollen, die Last zu tragen, wenn du sie nur lässt. Du musst nicht alleine bleiben... nicht einmal an einem Ort wie diesem...“
 

Battousai seufzte. „Ich denke nicht, dass ich das verdient habe. Schau doch, was ich alles angerichtet habe…“ Sein Blick verschwamm, doch die Augen leuchteten tief blau in der Helligkeit, keine Spur von dem gefährlichen gelblichen Glitzern in ihnen. „Schau die Leben, die ich alle zerstört habe. Ich bin tatsächlich das Monster, für das mich alle halten. Ein Dämon.“ Seine Stimme wurde einen Ton tiefer. „Alles, was ich tue, ist zerstören, auch das Leben derer, die mir helfen wollen. Ich verletze die, denen ich etwas bedeute…“
 

Eine lange Stille entstand, bevor Ushiro schließlich wieder das Wort ergriff. „Weißt du... sie hat dir vergeben...“
 

Battousais Kopf schoss in die Höhe. „Woher weißt du--?“
 

Ushiro ließ ihn nicht zu Ende sprechen. „Sie hat dir in dem Moment vergeben, als es passierte. Sie hat niemals deswegen einen Groll gegen dich gehegt. Du bist derjenige, der sich selbst vergeben muss. Das einzige, was du zerstörst, ist momentan dein eigenes Leben. Und genau dadurch verletzt du alle Menschen, die sich um dich sorgen. Sie müssen zusehen, wie du dich selbst quälst.“
 

„Ushiro-san, ich kann... nicht...“
 

Der dunkelhaarige Schwertkämpfer schüttelte seinen Kopf. „ich erwarte nicht, dass du alles jetzt sofort verstehst. Aber auch wenn du diesen Ort hier vergessen wirst, wenn du gehst... versuche, dich an meine Worte zu erinnern, okay? Versuche, sie zu verstehen. Denn wir beobachten dich hier, und irgendwann werde ich den Mann sehen, der du sein wirst, und ich werde stolz sein. Irgendwann wirst du all deine Mauern durchbrechen und du selbst sein.“
 

Battousai schwieg. Ushiro räusperte sich und unterbrach die unangenehme Stille, die seinen Worten gefolgt war. „Du musst jetzt gehen,“ sagte er, während er sich umwand und dabei auf einen Punkt in der Ferne zeigte, der nicht ganz so hell war. „Folge dem Weg hier weg vom hellen Licht. Er wird dich nach Hause bringen.“
 

Jetzt erst bemerkte Battousai, dass er auf einer Art Weg stand. Er starrte auf seine Füße, folgte mit dem Blick dem verschlungenen Pfad, der sich endlos in die Ferne zu erstrecken schien. Konnte es wirklich so einfach sein? Er sah zurück zu Ushiro und verbeugte sich. „Danke für deine Worte, Ushiro-san,“ murmelte er, sichtlich verlegen.
 

Ushiro nickte nur, während Battousai dem Weg folgte. Dann, einem Gedanken folgend, rief er dem Rotschopf hinterher. „Dieses Mal bleib auf der Straße, Kenshin. Nicht jede Zeit ist so schön wie die Meiji-Zeit, wer weiß, wo es dich beim nächsten Mal hinverschlägt...“
 

Battousai wandte sich um, wollte nachfragen, doch Ushiro war verschwunden. Nur seine rätselhaften Worte kreisten noch durch seinen Kopf. Er ging weiter auf dem Weg, der ihn in zunehmende Dunkelheit führte. Es wurde kalt um ihn herum, während er fühlte, wie er zurück lief zu der erbarmungslosen, grausamen Realität seines Lebens. Aber die Kälte wollte nicht so fest sein Herz umklammern wie zuvor.
 

--*--
 

Kenshin blinzelte. Er blinzelte noch einmal.

Das helle Licht strömte schmerzlich in seine halb geöffneten Augen. War er nicht gerade noch in einen Fluss gefallen? Und nun dieses Licht? War er jetzt tot?
 

„Nicht tot,“ sprach eine sanfte Stimme zu ihm, die all seine Verwirrung verscheuchte. „Du hast noch so viel zu tun. Du bist hier nur an einer Wegkreuzung“.
 

Kenshin wurde blass. Langsam wandte er sich um. Hinter ihm stand sie, ihr schlanker Körper, ganz real, leuchtend, und sie lächelte. „Hallo, Anata“. Ihre Stimme klang weich und warm.
 

“Tomoe”. Seine Stimme klang auf einmal rau und krächzend. Jegliche Energie schien ihn verlassen zu haben, er fühlte sich auf einmal alt und verbraucht. Und sie stand da vor ihm, so schön und jung wie damals. Langsam ging sie auf ihn zu und nahm seine Hände, zog ihn auf die Beine. Ihre zarten Hände strichen über sein Gesicht und die Narbe auf der linken Wange. “Willst du deine Wunden nicht heilen lassen?”
 

Er schloss seine Augen und umfing ihre Hand mit der seinen, drückte sein Gesicht in ihre Handfläche. Sie war so warm. Es war so schön, sie bei sich zu fühlen. Sie wieder zu halten. Nur durch ihre Berührung schien etwas in ihm leichter zu werden, ein Teil seiner Bürde von ihm abzufallen... wenn auch nur für diesen Moment.
 

„Kenshin,“ sagte sie zärtlich, „du hast genug durchgemacht. Bitte... verwandle mich nicht in eine weitere Narbe auf deiner Seele.“
 

„Tomoe...“
 

„Du hast eine zweite Chance bekommen, Anata. Bitte, ergreif sie. Du hast es verdient.“
 

Kenshin lächelte ein klein wenig, während er ihre Hand freigab. Er blickte sie liebevoll und gleichzeitig traurig an. „Wie kann ich mir so etwas verdient haben, als jemand, der den Regen in Blut verwandelt hat?“ Er schwieg kurz. „Und den Schnee.“
 

Sie nahm sein Gesicht in ihre beiden Hände und sah ihn mit ihren tiefen, schwarzen Augen an. „Blut ist nicht immer nur Schrecken. Es verleiht dem Körper Wärme, bringt das Herz zum schlagen, gibt Leben. Du hast mein Herz wieder zum Leben erweckt.“ Sie beugte sich nach vorne und küsste ihn sanft auf die Lippen. Er schloss seine Augen, während ihn der vertraute Geruch von Pflaumenblüten einhüllte.
 

Dann zog sie sich zurück. „Es ist gut, dass du sie liebst. Geh zu ihr zurück. Dieses Mal… bleib bei ihr. Verlasse nicht deinen Weg, um nach mir zu suchen…“
 

Als er seine Augen wieder öffnete, war sie verschwunden. Er hörte noch immer ihre Stimme in Gedanken und der Pflaumenduft hing noch in der Luft.
 

„Folge deinem Herz nach Hause...“
 

--*--
 

Battousai lief den Pfad entlang, unsicher, wie lange er schon unterwegs war und wie weit er noch gehen musste. Endlich traf er auf eine Wegkreuzung. Einen Moment lang zögerte er. Ushiro hatte ihm nicht gesagt, dass der Weg sich in drei Richtungen gabeln würde. Was sollte er jetzt tun?
 

Während er noch unschlüssig da stand, spürte er eine starke Ki, die sich ihm näherte, und die ihm schrecklich vertraut vorkam. Das konnte doch nicht...
 

Er verkrampfte sich, als er sich langsam umdrehte und in sein eigenes Spiegelbild schaute. Es kam auf ihn von einem anderen Weg aus zu. Battousai starrte ihn – sich selbst – an. Wortlos betrachtete er den Mann, den älteren Mann, sein zukünftiges Ich.
 

Er spürte, dass auch sein Gegenüber verblüfft war und ihn ebenfalls überrascht anstarrte. Aber er sah auch eine Reife in den blauen Augen, und sein älteres Ich ergriff als erstes das Wort.
 

Kenshin lächelte Battousai an. „Ich glaube, du musst diesen Weg hier einschlagen,“ sagte er und deutete dabei auf den Pfad, den er gerade gekommen war. Dann räusperte er sich und schaute zur Seite. „Es ist kein leichter Weg, das ist er nicht... aber gib' nicht auf. Es gibt immer Licht, auch in der größten Dunkelheit...“
 

Der Junge nickte steif. „Danke,“ nuschelte er. Wie sollte man sich auch ungezwungen mit sich selbst unterhalten können?

Er trat mit raschem Schritt an seinem älteren Ich vorbei auf den Weg, als er noch einmal seine Stimme hinter sich hörte. „Ich... hasse dich nicht, weißt du.“ Er klang sanft, nachdenklich. Battousai blieb stehen, bewegte sich aber nicht und hörte weiter zu.

„Ich bereue meine Entscheidungen, aber nicht die Gründe, warum ich sie traf.“

Battousai hatte seinen Rücken noch immer dem älteren Kenshin zugewandt, aber langsam entspannte er sich, und dann, sehr leise, antwortete er, „Danke“.
 

Hinter ihm war nur Stille. Er drehte sich nicht um, sondern ging weiter, hinein in das Dunkel, doch er bemerkte, dass es ihm nicht länger bedrohlich erschien. Nein, da war tatsächlich etwas Helles am Ende des Weges. Vielleicht war er bald am Ziel angelangt. Oder... vielleicht hatte er tatsächlich etwas von dem verstanden, was ihm in diesem seltsamen Licht gesagt worden war... vielleicht hatte er den ersten Schritt getan, überzeugt, zurück ins Leben zu wollen.
 

Leben zu wollen... er hatte begonnen, sich selbst zu verzeihen.

Zuhause

So, das letzte offizielle Kapitel dieser Geschichte ^^ danach folgt noch ein Epilog. Ich hoffe, sie hat euch gefallen. Wie immer geht das Lob/ die Kritik auch an die Autorin der Geschichte.
 

Die neue Lust am Weiterschreiben/ Übersetzten kommt sicherlich auch daher, dass Kenshin ja gerade ein Revival erlebt! Es gibt einen neuen OVA, noch dazu einen LiveAction-Film (yay, im August kommt er in Japan ins Kino!) und möglicherweise wird sogar die Serie nach dem Manga fortgesetzt^^
 

^_^x
 

Danke an all die treuen Leser, die Jahre (!) mit dem Lesen und Warten verbracht haben :) Es wäre so schön, wenn es noch mehr deutsche FF's von unserem Rurouni geben würde!!
 

Kapitel 29 – Zuhause
 

1865
 

Der Raum lag in tiefen Schatten, als Battousai erwachte. Zuerst war er sich nicht sicher, wo er war – er erinnerte sich nur an einen Fluss, an das Rauschen von kaltem Wasser. Dann schob sich ein anderer, beunruhigender Gedanke in seinen Kopf: Was hatte er denn überhaupt in einem Fluss gewollt? Was war passiert? Seine Erinnerung war... lückenhaft, verwirrt – das machte ihm Angst.
 

Langsam spürte er auch die Anwesenheit einer weiteren Person, ihre vorsichtige Ki... er fühlte sich zu matt, um sie genauer zu identifizieren. „Sanosuke?“ murmelte er leise. Dieser Name lag ihm auf der Zunge, doch in dem Moment, wo er ihn aussprach, wusste er nicht einmal, ob er solch eine Person überhaupt kannte. Er verband diesen Namen aber mit einem komischen Gefühl von Vertrautheit, Sicherheit, Freundschaft.
 

„Sehe ich aus, wie ein Mann, Himura-san?“ hörte er eine schnippisch klingende, weibliche Stimme, die ihn aus seinen Gedanken riss. Er kannte diese Ki, auch seine Umgebung, und ihre Bewegungen waren es gewesen, die ihn gerade geweckt hatten. Er spähte durch die Schatten und versuchte, sich aufzusetzen. Der Schmerz, der ihm urplötzlich durch den Körper schoss, raubte ihm fast den Atem. „Okami,“ keuchte er, „ich...“. Er schloss die Augen, sein Mund schmerzverzerrt.
 

„In deiner Verfassung einen Kampf mit den Shinsengumi zu provozieren!“ Die ältere Frau setzte sich neben ihn, ihre Stimme klang streng und tadelnd.
 

„Shinsengumi?“
 

„Ja,“ rief sie vorwurfsvoll, während sie neben sich einige Verbände aus einer Schachtel holte. Erst jetzt merkte Battousai, was sie hier verarztete. Seine Wunden, von denen er nicht einmal wusste, woher er sie hatte. Offensichtlich von den Shinsengumi, aber er konnte sich nicht erinnern, wann...
 

„Wann habe ich... ich kann mich nicht mehr erinnern...,“ murmelte er frustriert. „Okami, was-“

Sie schnaubte wütend, während sie mit einigen Arzneifläschchen hantierte. „Überrascht mich nicht, Himura-san. Fieber kann mit einem so manches anstellen. Du bist gut dran gewesen, denn Ushiro-san war nah genug, um dich noch aus dem Fluss zu ziehen, in den du gefallen bist und wo du wahrscheinlich auch ertrunken oder erfroren oder verblutet wärst. Es hätte jedenfalls nicht mehr lange gedauert...Ah!“ Sie hatte endlich das richtige Fläschchen gefunden und hielt es in das spärliche Licht.
 

„Ushiro-san?“
 

Sie seufzte, sah ihn an, ihr Blick weniger hart als besorgt. „Ja, Himura-san,“ antwortete sie. Sie war überrascht, den Jungen so gesprächig zu erleben. „Ushiro-san hat dich gerettet und-“

Sie brach ab, als sie den Ausdruck in den Augen des Jungen sah.
 

Er starrte sie voll offener Verwirrung mit großen, blauen Augen an. Sie wirkten so unschuldig, und Angst war in ihnen offen zu lesen. Es wäre nicht so seltsam, wenn dies die Augen des älteren Himura gewesen wären, seine erwachsenen Augen. Doch sie hatte mittlerweile bemerkt, dass der junge Mann hier wieder der echte Himura war, Hitokiri Battousai. Was sie jetzt verunsicherte, war, dass die sonst so unnahbare und kalte Maske des Jungen verschwunden war. Das erste Mal seit langem sah sie wieder in das Gesicht des unschuldigen Kindes, den Katsura damals aus Choshu mit nach Kyoto gebracht hatte. Das Kind, das am Anfang häufig zu ihr gekommen war, ihre Nähe gesucht hatte, ihr helfen wollte, und schließlich zunehmend seine Menschlichkeit verloren hatte.
 

In diesem Moment war er wieder der kleine Junge. Verängstigt, Verwirrt. Vielleicht war es nur eine Nachwirkung des Fiebers aber es beruhigte sie, zu sehen, dass es diesen Jungen von damals noch zu geben schien.
 

„Okami?“
 

Seine vorsichtig klingende Stimme holte sie zurück aus ihrer Gedankenwelt. Sie lächelte ihn an. „Du machst dir zu viele Gedanken, Himura-san. Du hast die Shinsengumi bekämpft, bist dabei in den Fluss gestürzt, und Ushiro-san hat dich gerettet. Das ist alles, was du jetzt wissen musst. Du brauchst noch Ruhe.“
 

Schließlich nickte er wie ein gehorsames Kind, schloss seine Augen und ließ den Schlaf kommen. Während er einschlummerte, zogen seltsame Bilder an ihm vorüber. Saito, der mit blankem Schwert auf ihn zu stürzte, während er auf einer Brücke stand. Offensichtlich waren seine Erinnerungen nicht so sehr verblasst, wie Okami es gehofft hatte. Trotzdem schlief er ein, bevor er sich darüber wunder konnte, dass der Wolf ohne Rudel über ihn hergefallen war, und noch dazu in einer Polizeiuniform gekleidet.
 

Mit einer Zigarette im Mund…
 

--*--
 

1878
 

Er seufzte leise, weil er sich unwohl fühlte und schwitzte. Sein Kopf schien gleich explodieren zu wollen und sein ganzer Körper brannte. Irgendwie, so schien es Kenshin, während er seinen Weg zurück ins Bewusstsein erkämpfte, war tot zu sein doch kein so schlechter Gedanke. All die Schmerzen versetzten ihn in eine äußerst schlechte Stimmung, dazu fühlte er sich erschöpft und gestresst.
 

Langsam öffnete er die Augen. Zuerst sah er alles nur unscharf, aber er erkannte die Wände eines Gasthauses. Sein verwirrter Verstand versuchte, alle Eindrücke zu verarbeiten, und er blinzelte noch einige Male, bevor er die Augen wieder schloss. Es hatte nicht funktioniert. Shishio musste ihn zurück ins Kohagiya gebracht haben. “Kuso...” knurrte er, ein Schimpfwort, das er das erste Mal seit Jahren wieder benutzte. Er war so enttäuscht, dass es ihm egal war.
 

Zu seiner Überraschung folgten auf seinen Fluch eine Reihe freudiger Ausrufe.
 

“Er ist wach!”

“Geh weg, lass mich sehen!”

“Geht es ihm gut? Megumi-san, schnell!”

“Hat Kenshin gerade geflucht?”
 

Die Augen des Rotschopfes sprangen auf und er zwang sich dazu, sich aufrecht hinzusetzen. Jetzt erst sah er die Leute um sich. Er war im Aoiya, umgeben von seinen glücklichen Freunden. Während er noch damit rang, sich ganz aufzurichten, durchschoss ein plötzlicher Schmerz seine Schulter, der ihn aufstöhnen ließ. Er sank zurück auf sein Lager.

“Kuso,” fluchte er erneut in Gedanken, “den Arm hatte ich ganz vergessen...”

Aber alle wütenden Gedanken und Frustration fielen von ihm ab, als vertraute Arme ihn umschlangen. “Kenshin,” flüsterte Kaoru in sein Haar, worin sie ihr Gesicht vergraben hatte. “Ich dachte... ich dachte...” Sie hielt einen Moment inne und versuchte, ihren Atem zu beruhigen. “Geht es dir gut? Du warst drei Tage lang bewusstlos. Wir haben uns solche Sorgen gemacht!”
 

“Du erstickst ihn noch, Jou-chan,” grummelte Sano nicht unfreundlich. Kenshin nahm an, dass sein Freund auch irgendwo in seiner Nähe war, wenn er auch nichts sehen konnte, da sein Gesicht noch tief in Kaorus Trainingsanzug eingegraben war. Sie entließ ihn ein bisschen, und sah ihn mit gleichzeitig besorgten wie auch beruhigten blauen Augen an.
 

Kenshin lächelte sie zärtlich an, während er seinen unverletzten Arm anhob, um ihr mit dem Finger eine Träne von der Wange zu streichen, eine Bewegung, die an seinen jüngeren Konterpart erinnerte. “Es tut mir leid, dass ich dich zum Weinen gebracht habe, Karou-dono. Ich wollte dich nicht alleine lassen.”

Ihre Augen wurden größer, und sie umfasste lächelnd seine erhobene Hand. “Ich weiß....”
 

Der romantische Moment hielt nur kurz an. Dann erhoben sich laute Stimmen.

“Hey, du hast auch uns alleine gelassen!” protestierte Sano und verpasste Kenshin eine leichte Kopfnuss.

“Du hast tatsächlich gerade geflucht,” murmelte Yahiko abermals, immer noch fassungslos den Kopf schüttelnd.

Misao schaute verwirrt von einer Person zur nächsten, bevor sie etwas schüchtern nachfragte. “Verlassen? Wo war er denn?”

Jeder ignorierte sie, nur nicht Yahiko, der ihr einen Kick mit dem Ellbogen verpasste und gerade so laut “Baka” raunzte, dass sie es hören konnte. Natürlich brach sofort ein Streit zwischen den beiden aus. Auch Kaoru und Sano diskutierten laut, wessen Fehler es nun eigentlich war, dass Kenshin sich jetzt in so einem schlechten Zustand befand.
 

Wie ein ruhiger Fels in der Brandung betrat Megumi das Zimmer, ausgerüstet mit frischen Verbänden. Sie ignorierte alle Streithähne um sich herum, zischte nur Kaoru zu, sie solle Aoshi endlich mit dem Tee helfen. Dann kniete sie sich nieder und begann, sich Kenshins Wunden zu widmen, als ob nichts passiert wäre.
 

Kenshin lächelte innerlich. Das war es, was ihm gefehlt hatte – seine kleine Familie. Das Gezanke, die Streitereien, das Weinen, das herzliche Lachen. Er seufzte, zufrieden, selbst als Megumi ihn warnte, dass die Salbe, mit welcher sie seine Wunden einrieb, gleich brennen würde. Entspannt lächelte er ihr nur zu und beobachtete das Chaos um sich herum.
 

Ja... sie alle hatten ihm wirklich gefehlt.
 

Sein Zuhause.
 

-*-
 

Es dauerte noch eine ganze Woche, bevor Megumi ihm erlaubte, aufzustehen und herumzulaufen. Kenshin vermutete, sie hatte Angst, dass er in seinem ruinierten Zustand dem nächsten Abenteuer in die Hände fallen konnte. Fit genug, um noch einmal so eine Geschichte zu durchleben, war er sicher nicht. Während der Woche musste er mehrmals erzählen, was ihm in der Vergangenheit alles passiert war. Immer war er darauf bedacht gewesen, zu betonen, wie sehr er sich freute, wieder daheim zu sein. Kaoru hatte ihn dabei jedes Mal angestrahlt.
 

Und Sano...
 

Kenshin lächelte. Der ehemalige Straßenkämpfer war jeden Tag bei ihm im Krankenzimmer vorbeigekommen, bis er sich wirklich sicher war, dass es Kenshin gut ging. Er brachte ihm Essen, unterhielt ihn mit Gesprächen, leistete ihm Gesellschaft. Es war komisch. Sano war normalerweise nicht der umsorgende Typ, es fiel ihm schwer, länger einfach herum zu sitzen. Aber während dieser Woche war er kaum von Kenshins Seite gewichen. Er erzählte ihm, wie Kaoru ihn fast eigenhändig aus dem Fluss gezogen hatte. Wie Saito (der Bastard) nur dagestanden und geraucht hatte, bevor er ohne einen Blick zurück verschwunden war. Sanosuke ließ Kenshin dabei nie Zeit, über die dunklen Seiten seines kleinen Ausfluges nachzudenken, wo er gezwungen gewesen war, sich den Dämonen seiner Vergangenheit zu stellen.
 

Auch brachte er weder den Fluss noch die Brücke zur Sprache. Kenshin war sich nicht sicher, wie er das Thema anschneiden sollte. Es war etwas, worüber sie noch Reden mussten. Sano wusste das. Er schien es aber Kenshin nicht leicht machen zu wollen, die Sache anzusprechen.

Wie auch immer, es gab keine Worte, mit denen Kenshin seine Dankbarkeit hätte ausdrücken können. Seine treuen Freunde erinnerten ihn schmerzlich an Ushiro.
 

Kenshin zuckte zusammen, während er seinen Gi anzog und das Sakabatou durch den Gürtel steckte. Sie würden Kyoto in wenigen Tagen verlassen. Er freute sich, wieder zurück nach Tokyo zu kommen, aber dennoch... er hatte noch etwas zu erledigen, bevor er die Stadt verlassen konnte.
 

Er ging auf die Hauptstraße, einem Weg, den er auch heute noch lieber gemieden hätte. Ushiro hatte erwähnt, dass er ein Haus in Kyoto hatte. Er hatte es ihm sogar gezeigt, als sie eines Tages zufällig daran vorbeigekommen waren. Damals war diese Information für Kenshin nicht wichtig gewesen, aber er hatte es sich trotzdem gemerkt. Jetzt hoffte Kenshin, dass dieses Haus die Wirren der Revolution überdauert hatte. Denn er hatte noch ein Versprechen einzulösen. Er lief weiter, um eine Ecke, bis er vor einer Reihe kleiner, schöner, aber nicht sonderlich wohlhabend wirkender Häuser stehen blieb. Schließlich blieb er vor einem kleinen Gebäude stehen. Es stand also noch. Genau dort, wo er es vor so vielen Jahren das erste Mal gesehen hatte. Er stellte sich vor seinem inneren Auge vor, wie er klopfen und sein alter Freund aus der Tür treten würde. Sicherlich wäre er jetzt älter, aber bestimmt hätte er noch das freundliche Grinsen im Gesicht. Er würde ihn herein bitten. Ihm seine Frau vorstellen.
 

Der Rurouni zögerte. Auf einmal fühlte er sich fast zu schüchtern, tatsächlich an der Tür zu klopfen. Es würde nur Ushiros Witwe aufmachen. Kenshin hatte sie nie kennen gelernt. Nur durch Zufall hatte er während seinen Wanderungen erfahren, dass sein Freund geheiratet hatte, kurz vor seinem Tod. Ushiros Frau würde ihn vermutlich nicht erkennen, und würde auch nicht verstehen, warum ein ehemals tödliches Relikt jetzt vor ihrer Haustür herumstand.
 

Er atmete tief durch. Schließlich hatte er damals sein Wort gegeben... Langsam trat er vor und klopfte laut und deutlich mit seinen Fingerknöcheln gegen die Holztür. Dann trat er einige Schritte zurück und wartete. Er hörte drinnen eilige Fußschritte. Sah, wie die Tür sich einen Spalt öffnete und ein Paar dunkler Augen freigab. Dann hörte er sie nach Luft schnappen. Kenshin spannte sich an und erwartete, dass sie die Tür vor ihm wieder zuschlagen würde. Er war überrascht, als die Tür ganz aufging und Ushiros Witwe heraustrat. “Battousai-san,” keuchte sie überrascht, während sie sich tief verbeugte. “Ich... ich...”
 

“Nozomi-dono,” flüsterte Kenshin verblüfft. Langsam entspannte er sich wieder. Immerhin war sie nicht vor dem Hitokiri der Bakumatsu-Zeit geflohen.

“Du bist wirklich gekommen,” meinte sie jetzt verlegen und starrte ihn dabei immer noch mit großen Augen an. “Ich war mir nicht sicher, ob du überhaupt noch lebst.” Leichte Röte kroch in ihr Gesicht, was sie wieder so jung wie damals vor 10 Jahren wirken lies. „Ich freue mich, dass es dir gut geht.“
 

Er lächelte sie freundlich an. „Ich freue mich ebenfalls, dass es dir gut geht, Nozomi-dono,“ erwiderte er. „Ich wusste nicht, dass du Ryu’s Frau bist.“ Er sah den Schmerz in ihren Augen, sie hatte ihren geliebten Ehemann verloren. Solche Wunden heilte auch die Zeit nur bis zu einem gewissen Grad. „Es tut mir leid…“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, Battousai-san. Ich bin so unfreundlich und lasse dich hier draußen stehen. Komm doch herein, ich habe etwas für dich.“
 

„Oro?“, blinzelte er überrascht, während er ihr nach drinnen folgte.
 

Er trat ein in ein warmes und gemütliches Haus und kniete sich an ein kleines Tischchen. Im Raum fiel sein umherschauender Blick auf einen kleinen Kreisel, der nahe der Schiebewand am Boden lag. Sie folgte seinem Blick und lächelte. „Akira-chan war heute hier,“ erklärte sie fröhlich. „Ich wünschte, er wäre noch da, dann hättest du ihn kennenlernen können. Er sieht seinem Vater sehr ähnlich.“
 

Kenshin blinzelte sie mit seinen blauen Augen überrascht an, bevor er Lächeln musste. „Vielleicht treffe ich ihn ja das nächste Mal, wenn ich nach Kyoto komme… wenn du nichts dagegen hast.“

Sie erwiderte sein Lächeln. „Das wäre schön, Battousai-san.“
 

„Kenshin,“ korrigierte er sie sanft. „Bitte. Nenn mich einfach nur Kenshin.“

Sie errötete erneut und nickte. „In Ordnung… Ken-san.“ Sie schien nicht zu wissen, was sie nun noch sagen sollte. Dann räusperte sie sich. „Etwas Tee?“

Der Rotschopf lehnte dankend ab. „Ich kann nicht lange bleiben. Ich habe Ryu aber versprochen, ihn zu besuchen, vor langer Zeit.“ Schmerz schimmerte in seinen Augen auf. „Wäre ich doch früher gekommen…“
 

Nozomi nickte. „Ich weiß,“ meinte sie leise. „Er hat es mir erzählt.“ Sie wandte sich zu einem kleinen Schränken um und zog eine Schublade heraus. Kenshin beobachtete gespannt, wie sie in zahlreichen Papieren umher kramte, bevor sie sich wieder umdrehte und ihm einen kleinen Umschlag reichte. Sie lächelte, als sie seinen fragenden Blick bemerkte.
 

„Der ist für dich,“ sagte sie, „er hat ihn geschrieben bevor er… er von mir ging. Er wollte sich sicher sein, dir noch etwas mitzuteilen, glaube ich.“ Ihr versunkener Blick deutete an, dass sie in Gedanken bei ihrem Ehemann war. „Er hat nie an die Gerüchte von deinem Tod geglaubt. Deswegen musste ich ihm versprechen, dir dieses Schreiben auszuhändigen, falls du je vor meiner Tür auftauchen solltest.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ehrlich gesagt, ich habe Gedacht, dass diese Idee durch seine Krankheit und sein Fieber ausgelöst wurde. Aber irgendwie schien er die Wahrheit gewusst zu haben, oder?“
 

Kenshin nickte leicht, während er den Umschlag entgegen nahm. Es war Zeit für ihn zu gehen. „Danke, Nozomi-dono,“ verabschiedete er sich, während er aufstand. „Ich mache mich jetzt besser auf den Weg.“

Sie nickte. „Ich verstehe.“

Sie gingen zusammen zur Tür. Während er heraustrat, sprach sie leise zu ihm. „Du bist hier jederzeit Willkommen, Ken-san. Wenn du meinen Sohn kennenlernen willst, oder… mit mir über Ryu sprechen willst.“

Kenshin wandte sich lächelnd um. „Das wäre sehr schön, Nozomi-dono. Ich danke dir.“ Er verbeugte sich höflich. Sie erwiderte die Geste. Auch die lange Zeit hatte an ihrer höflichen Distanz nichts verändert. Doch als seine blauen Augen ein letztes Mal ihren Blick suchten, errötete sie wieder. Kenshin lächelte innerlich.
 

Während er dem Haus den Rücken kehrte und sich wieder auf den Heimweg machte, wendete er den Brief in den Händen. Doch er machte ihn noch nicht auf. Stattdessen bog er in eine Straße voller kleiner Geschäfte ein und kaufte an einem Stand einen Krug Sake. Dann betrat er einen Pfad, der in den Wald hinein führte. Es gab noch etwas zu tun, bevor er die Stadt verließ… außerdem konnte er hier den Brief ungestörter lesen als auf den belebten Straßen Kyotos.
 

Kenshin ging ein Stück durch den Wald, bis er sich sicher war, allein zu sein. Dann faltete er vorsichtig das Papier auseinander. Ushiros grobe Schriftzeichen wurden erkennbar, etwas zittriger, als Kenshin sie in Erinnerung hatte. Er atmete tief durch, bevor er sie las.
 

„Kenshin,
 

Irgendwie habe ich es geahnt. Ich muss dir schon wieder einen Brief schreiben. Leider nicht unter den besten Umständen. Ich habe gehofft, dich noch einmal zu sehen. Aber so ist das Leben. Ich bin dankbar, wie sich alles zum Guten entwickelt hat. Auch Nozomi-chan wird es verstehen, spätestens wenn du sie besuchst.
 

Leider habe ich keine Kraft mehr für viele Worte. Aber ich muss trotzdem noch ein paar wichtige Sätze loswerden, damit sie sich in dein Gedächtnis brennen. Wenn du je an dir zweifeln solltest, erinnere dich zurück an damals. Du hast so viele von uns gerettet. Und beschützt. Jeder von uns hat damals getötet, es war der Krieg. Du warst zwar ein Hitokiri, aber niemals in deinem Herzen. Das ist die schöne Eigenart der Schatten, weißt du – es gibt immer ein Licht, das sie verursacht. Du bist einzigartig, und dein Herz war dein Licht. Jeder, der nicht nur in die Schatten schaute, hat es erkannt. Und diejenigen, die nicht genau hingeschaut haben, verdienen es auch nicht, das Licht zu sehen.
 

Entschuldige meine schwülstigen Worte, alter Freund. Ich wünsche dir nur das Beste, das gilt auch für die Personen, welche dir wichtig sind. Ich hoffe, du wirst so glücklich wie Nozomi-chan und ich.
 

Du hast jetzt dein Leben frei in deiner eigenen Hand, also grübel nicht über die Vergangenheit. Lebe in der Gegenwart. Denke an die Zukunft. Und wenn du Lust hast, denke an unsere schöne, gemeinsame Zeit, ab und zu.
 

Wir werden uns wiedersehen,
 

Ryu.“
 

Kenshin faltete den Brief zusammen, steckte ihn ein und lief schweigend den Pfad entlang. Ryus Worte kreisten durch seine Gedanken. „Lebe in der Gegenwart…. Denke an die Zukunft… Grüble nicht über die Vergangenheit…“. Wie ironisch, dass gerade sein Besuch in der Vergangenheit ihm den Inhalt dieser Worte erst richtig verdeutlicht hatte.
 

Vor ihm tat sich eine Lichtung auf. Alles sah genauso aus wie immer. Die kleine Hütte, der rauchende Ofen. Und ein großer Mann mit einem weißen Umhang, der davor auf einem Baumstamm saß. Kenshin zögerte kurz, während er sich an die letzte Unterhaltung mit seinem Meister erinnerte… bei der er ihm viel zu viel Sake eingeschenkt hatte. Mit einem Lächeln näherte er sich seinem Shishou. Diesen Gefallen würde er jetzt erwidern. In seiner Hand gluckerte die Sakeflasche.
 

„Was willst du denn,“ erklang Hiko’s Stimme barsch, ohne dass er sich zu seinem ehemaligen Deshi umdrehte, der immer noch einige Meter entfernt war.

Irritiert blieb Kenshin stehen. Dann verstand er… vermutlich wartete sein Meister bereits seit Tagen auf sein Auftauchen. Vermutlich war er wieder einmal wütend. Ein Schweißtropfen trat auf Kenshins Stirn. „Shishou…“, sagte er so freundlich wie möglich. „Ich habe euch Sake mitgebracht.“
 

Der schwarzhaarige Mann schnaubte und wandte seinen Blick nicht von den Flammen im Töpferofen ab. „Versuch nicht, dich einzuschleimen. Erst belästigst du mich mit deinen Problemen, und dann denkst du, mit etwas Alkohol kannst du die Sache wieder gut machen.“ Langsam warf er einen Seitenblick auf die Flasche, die Kenshin in den Händen hielt. Er schnaubte erneut. „Und dann auch noch dieses Gesöff, was man in Kyoto verkauft. Den kannst du alleine trinken.“
 

Kenshin seufzte. „Shishou,“ sprach er sanft, etwas gequält. „Es tut mir sehr leid, dass ich erst so spät komme. Aber die Situation war… kompliziert. Ich konnte nicht hierher kommen, obwohl ihr gewartet habt. Das tut mir sehr leid, aber bitte, macht mir das nicht zum Vorwurf.“ Seine Augenbrauen zuckten, während er noch hinter setzte, „… außerdem habt ihr so schon genug, was ihr mir vorwerfen könnt.“
 

Endlich sah ihn Hiko an, mit glühendem Blick. „Was zur Hölle redest du da, Ken-“. Er brach ab, als er Kenshins Gesichtszüge genauer betrachtete. „Kenshin…“
 

Der Rotschopf blinzelte verständnislos.
 

Hiko stand auf und beäugte ihn kritisch, mit einem misstrauischen Funkeln in den Augen, so als ob er sich nicht sicher war, wer hier eigentlich vor ihm stand. Anscheinend befriedigt nahm sein Gesicht schließlich den üblichen Ausdruck von Arroganz an und er murrte. „Warum zur Hölle hast du mich überhaupt belästigt, wenn es dir doch von alleine gelungen ist, wieder nach Hause zu finden!?“
 

Kenshins Augen wurden groß. „Shishou?“ fragte er vorsichtig. „Ihr wisst…? Ich kam zu euch?“ Er wurde blass. „Ihr habt mit Battousai zu tun gehabt…?“
 

„Nur mit meinem baka deshi,“ grollte Hiko, und er drehte sich wieder zu seinem Ofen um, wo er einen großen Sakekrug vom Boden aufhob. „Niemals würde ich mich mit einem Hitokiri abgeben,“ sprach er über die Schulter zu Kenshin und warf ihm einen vielsagenden Blick zu. „Am wenigsten mit Hitokiri Battousai.“ Dann stampfte er zu seiner Hütte.
 

Erstarrt stand Kenshin da und bewegte sich nicht.
 

„Baka!“ brüllte Hiko aus seiner Hütte. „Soll ich etwa schon wieder auf dich warten?“
 

Schnell eilte der rothaarige Schwertkämpfer ihm nach. Unsicher blieb er im Türrahmen stehen, während er Hiko vorsichtig beobachtete.

„Was ist?“ fuhr dieser ihn ungeduldig an.

Kenshin sah zur Seite. „Shishou… wenn ihr euch nicht mit Battousai abgegeben habt…“. Seine Stimme erstarb zu einem Flüstern. „…dann wie…?“
 

Hiko beäugte scheinbar interessiert seine mit Sake gefüllte Schale. „Du hast aufgehört, Battousai zu sein… als dein Mädchen starb.“ Seine Stimme war mit einem Mal ungewöhnlich leise und sanft. „Ich habe es nicht gewusst…“ Er räusperte sich. „Jedenfalls, ist auch egal. Du bist jetzt hier und die Sache ist geregelt, also lassen wir die Vergangenheit ruhen.“ Sein Blick verdüsterte sich etwas und fast traurig fügte er hinzu: „Auch wenn du es anscheinend sowieso schon vergessen hast…“
 

Verwirrt schaute Kenshin ihn an. „Shishou… Es tut mir leid, aber… ist etwas Wichtiges passiert? Ich kann mich überhaupt nicht erinnern, euch damals besucht zu haben…“

Hikos Augen funkelten wieder. „Als ob es mich interessieren würde, woran du dich erinnerst und woran nicht,“ brummte er. „Jetzt schenk dir schon endlich ein Schälchen Sake ein. Ohne Alkohol ist deine Anwesenheit ja kaum zu ertragen.“ Er zeigte auf ein Regal voller Töpferware. „Nimm dir davon eines. Und zwar eines von den Großen.“
 

Kenshin seufzte resigniert. Er hatte verdrängt, wie schnell sich die Stimmung seines Meisters immer verändern konnte. Trotzdem hatte er ihn kaum jemals so emotional erlebt, wie gerade eben… warum ausgerechnet jetzt? Kenshin holte sich ein blau glasiertes Schälchen aus dem Regal. Dabei entdeckte er einen deformierten, tönernen Klumpen, der Ähnlichkeit mit einem verzerrten Monstergesicht hatte und nur mit viel Fantasie an ein Gefäß erinnerte. Kopfschüttelnd setzte er sich seinem Shishou gegenüber. Dieser hatte Kenshins Reaktion auf das misslungene Gefäß bemerkt. Langsam schenkte er seinem Deshi und sich selbst Sake nach. „Warum das Kopfschütteln?“ fragte er mit einer hochgezogenen Braue.

Kenshin zuckte die Schultern. „Dieses… Teil. Es ist misslungen und zu nichts nütze. Trotzdem habt ihr es all die Jahre aufgehoben. Es sieht schrecklich aus.“
 

„Genau wie deine Handschrift,“ bemerkte Hiko trocken, bevor es ihm dämmerte. Moment… hatte er Kenshin dieses Töpferstück nicht damals gezeigt, als er…
 

Der Rotschopf fuhr fort. „Auch das verstehe ich nicht. Die Krakeleien habt ihr auch aufgehoben. Eigentlich alles von mir…“ Langsam trank er einen Schluck und beäugte seinen Shishou. „Danke,“ fügte er leise hinzu. „Ihr habt mich nie aufgegeben. Ich weiß nicht, ob ich euch das schon jemals gesagt habe, aber ich bin dafür sehr dankbar, Shishou.“
 

Hiko starrte in seinen Sake. Also hatte sein Baka Deshi doch nicht alles vergessen, was er ihm damals gesagt hatte. Einiges schien sich in seinem Dickkopf festgesetzt zu haben.

„Baka,“ entgegnete er nur brüsk. Trotzdem war er jetzt entspannter und fast zufrieden. Er hatte es geschafft, wenigstens ein paar vernünftige Gedanken im Kopf seine Deshis einzupflanzen. „Typisch, dass es solche Dinge sind, an die du dich erinnern kannst…“

„Oro?“

Hiko lächelte nur, das erste Mal, seit Kenshin zu Besuch gekommen war. Dies verwirrte den Rurouni sichtlich noch mehr, was Hiko eine gewisse zusätzliche Freude bereitete.

„Vergiss es,“ sagte er freundlich, und dann, auf die Sakeschale deutend, „Schmeckt es?“
 

Keshin nahm einen weiteren, tiefen Schluck. „Es schmeckt gut,“ antwortete er.
 

Hiko nickte, zufrieden. „Wenigstens einmal sind wir einer Meinung.“
 

__
 

So, die Geschichte ist fast zu Ende :) Es folgt noch ein Epilog...

Hatte die Geschichte schon länger fertig, deswegen die ganzen Updates auf einmal :D

Epilog

Das letzte Kapitel... und der Kreis schließt sich wieder zum Anfang :) viel Spaß!
 

Kapitel 30 – Epilog
 

1865 – Kyoto
 

Battousai musste noch eine Woche das Bett hüten, bevor Okami ihm erlaubte, aufzustehen und Katsura-san zu treffen. In dieser Woche hatte eine ungewöhnliche Besorgnis den Jungen heimgesucht. Es hatte irgendetwas mit seinen verworrenen Erinnerungen zu tun. Irgendwie hatte er das dringende Bedürfnis gespürt, mit seinem Kommandanten sprechen zu müssen. Er wollte sicher sein, das alles in Ordnung war.
 

Während er durch die große Halle ging, ignorierte er die überraschten Blicke der Männer, die all die Bandagen und Verbände an seinem Körper beäugten. Auch sein Gesicht war angeschwollen und er hatte zahlreiche blaue Flecken. Doch sein Blick ging durch die Männer hindurch und seine Bewegungen waren fast so flüssig und leise wie eh und je.
 

Trotzdem schienen die Männer ihm heute nicht so auszuweichen wie sonst. Obwohl er seinen Hitokiri-Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte, schien etwas an ihm anders zu sein. Seine Ki hatte sich verändert, immer noch wie ein scharfes Schwert, aber nicht mehr so unberechenbar. Und seine Augen. Die Männer bemerkten ein lebendiges, tiefblaues Funkeln in ihnen. Auch schwiegen sie nicht wie sonst, als er an ihnen vorbeiging. Er hörte sogar vereinzelt überraschte Ausrufe.
 

Er ignorierte sie, mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. So bemerkte er nicht, dass sich ein Mann aus einer Gruppe am Rand Stehender löste und neben ihm her ging. Der Mann legte eine Hand auf seine Schulter.
 

„Kenshin?“
 

Der Junge verkrampfte sich und blieb stehen. In der Halle wurde es still. Alle hatten sie beobachtet. Dann taten sie schnell so, als ob sie etwas Wichtiges zu erledigen hatten und die Menge zerstreute sich. Wer war auch töricht genug, dem Jungen so nahe zu kommen, ihn bei seinem Namen zu nennen?
 

Langsam wandte der Rotschopf sich herum und blickte in Ushiros kritisches Gesicht. „Ushiro-san,“ entgegnete er unsicher. Er sah zur Seite. Warum fühlte er sich auf einmal so erleichtert? Er hatte doch von Okami gehört, dass es Ushiro gut ging. Warum hatte er plötzlich das Gefühl gehabt, dem Mann sei etwas passiert?
 

Warum war er überhaupt so besorgt? Was war mit ihm passiert?
 

„Kenshin,“ sprach Ushiro erneut.
 

„Entschuldige,“ murmelte er, und versuchte mit einem Kopfschütteln die verwirrenden Gedanken zu vertreiben.

„Das Fieber. Okami sagt, es hat mich durcheinander gebracht.“ Er zögerte ein bisschen, seine Augenbrauen waren zu einem ernsten Blick zusammengezogen. „Sie sagte mir auch, dass ihr mein Leben gerettet habt.“ Er sah seinen Gegenüber an. Ushiro nickte bestätigend.

Verständnislos beobachtete ihn der Junge einen Moment. „Warum?“

Ushiro lachte, als ob die Frage albern gewesen wäre. „Du warst am ertrinken. Ich wollte dich nicht sterben sehen.“
 

„Warum?“
 

Langsam schien Ushiro etwas zu verstehen und seine Augen wurden plötzlich traurig. „Kenshin,“ seufzte er. „Du bist mein Freund. Ich will es jedenfalls sein. Ob du jetzt verstehst, warum oder nicht. Du verdienst einen Freund. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“
 

Battousai schüttelte frustriert den Kopf. „Nein, ich verstehe es nicht.“

Ushiro lächelte wieder. „Musst du auch nicht.“

Der Junge sah fast so aus, als ob er weiter diskutieren wollte, aber stattdessen brachte er tatsächlich ein kleines Lächeln zustande.

„Danke jedenfalls, Ushiro-san.“

Ushiro grinste. „Nenn mich einfach Ryu.“

Zögern, dann ein leichtes Nicken. „In Ordnung. Ryu.“
 

„Gut. Nun… dann will ich dich nicht aufhalten. Katsura wartet sich er schon. Ich wollte nur wissen, wie es dir geht.“ Mit diesen Worten und einem freundlichen Lächeln verabschiedete sich Ushiro. Kaum hatte er sich jedoch umgedreht, da schien ihm etwas einzufallen und er kam noch einmal zurück.

„Kenshin, fast hätte ich es vergessen! Kano und ich treffen uns später zum Frühstück. Wenn du Hunger hast, dann leiste uns doch Gesellschaft, ja? Ich werde dafür sorgen, dass Kano nicht so viel plappert, versprochen!“
 

Kenshin blinzelte überrascht, dann lächelte erneut, kaum sichtbar. „Ich… das hört sich gut an Ush…Ryu.“ Er verbeugte sich etwas umständlich, „Vielleicht bis später.“

Ryu winkte und ging davon, ließ den Jungen mit seinen Gedanken alleine stehen.
 

Freund? Der Rotschopf schüttelte den Kopf, ein seltsames Wort. Doch er hatte jetzt keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Schon war er vor der Tür seines Kommandanten angekommen.

Er zögerte einen Moment, dann klopfte er vorsichtig.
 

„Herein!“
 

Battousai unterdrückte einen erleichterten Seufzer bei dem Klang von Katsuras Stimme. Er schob die Tür auf und trat ein.

„Himura!“ Er hörte Erleichterung in Katsuras Stimme, als ob er um die Gesundheit seines schärfsten Schwertes besorgt gewesen wäre.

Der rothaarige Junge schloss die Tür hinter sich und lief zu seinem Kommandanten, wo er sich kurz verbeugte und sich dann stumm vor ihn kniete.

Der ältere Mann studierte sorgfältig die Gesichtszüge seines Hitokiri, bevor er fragte, „wie geht es dir, Himura?“
 

Der Junge schaute ihn einen Moment starr an, dann gestand er reumütig. „Erschöpft. Müde.“ Er zögerte, bevor er hinzufügte: „Verwirrt.“
 

Katsura hob eine Augenbraue. „Verwirrt? Wie das?“

„Ich… ich kann mich an nichts mehr erinnern, während ich das Fieber hatte. Weder, dass ich mit den Shinsengumi gekämpft habe noch an überhaupt irgendetwas.“

Der Kommandant lächelte sanftmütig. „Du machst dir zu viele Gedanken, Himura,“ sagte er. „Solche Dinge passieren. Du kannst froh sein, dass dein Fieber nichts Schlimmeres angerichtet hat. Ein paar verlorene Erinnerungen sind ein kleiner Preis, wenn man bedenkt, dass du hättest sterben können.“
 

„Ja, Katsura-san,“ stimmte der Junge zu. „Ihr habt recht.“ Er klang nicht sonderlich überzeugt.
 

„Himura, ich würde mir an deiner Stelle nicht so viele Gedanken machen. Die Erinnerungen werden schon zurück kommen… irgendwann. Sowas braucht Zeit. Bis dahin, ruhe dich aus. Du musst wieder gesund werden. Erhole dich noch ein paar Tage. Ich weiß, du hast vermutlich einen Auftrag erwartet, aber das muss jetzt warten.“
 

Battousai nickte zu den Worten und wusste, dass das Gespräch beendet war. Er stand auf, verbeugte sich und ging auf die Tür zu.

Katsuras Stimme hielt ihn zurück. „Ich wollte noch sagen, dass ich froh bin, dass du wieder da bist,“ sprach er. Er lächelte. „Battousai wurde schmerzlich vermisst.“
 

Es entstand eine lange Stille. Der rothaarige Junge musste schwer schlucken. Er drehte sich um und seine Augen begegneten denen seines Kommandeurs. „Bitte, nennt mich nicht mehr so, Katsura-san,“ sagte er leise, wobei seine Augen in einem tiefen Blau erglühten. Er verbeugte sich erneut respektvoll, aber seine Stimme klang entschlossen. „Ich bin kein Hitokiri mehr.“ Sein ernsthafter Gesichtsausdruck ließ Katsura verstummen. „Ich bin nicht länger nur ein Killer. Ich bin ein Schwertkämpfer, und mein Name ist nicht Hitoriki Battousai. Bitte, nennt mich… Kenshin.“
 

--*--
 

1879 Tokyo
 

„Sano, ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist,“ murmelte Kenshin, während er dem sportlichen Kämpfer durch die belebten Straßen von Tokyo folgte. „Kaoru-dono erwartet uns möglichst schnell mit dem Tofu zurück. Ich habe ihr versprochen, das Mittagessen zu kochen.“
 

Sano schnaubte. „Kenshin, wir sind gerade mal zwei Stunden zurück in Tokyo und schon schickt sie dich zum Einkaufen und knechtet dich in der Küche. Mach mal Pause. Du kannst ja wohl mal ein paar Minuten hier und dort verschwenden. Du solltest ja eigentlich nicht mal etwas tragen.“ Er wandte sich um und warf Kenshin, der gerade einen hölzernen Bottich voller Wasser mit dem schwimmenden Tofu darin trug, einen stechenden Blick zu. „Gib mir das!“
 

„Oro?“
 

Der Kämpfer riss ihm den Bottich aus der Hand und murmelte dabei, mehr zu sich selbst: „Wie zur Hölle hast du mit so wenig gesundem Menschenverstand überhaupt die Revolution überleben können…“
 

Kenshin antwortete nicht, aber lächelte leise vor sich hin, während er versuchte, mit seinem Freund Schritt zu halten. Sie liefen schweigend nebeneinander her, bis sie um die Ecke in eine kleine, aber vollgestopfte Straße bogen mit einer ganzen Reihe von Holzhäusern, die neben und übereinander gequetscht den Straßenrand säumten. Sano winkte im Vorbeigehen einigen Leuten zu, die er kannte. Schließlich blieben sie vor einem der Holzbuden stehen und schob die Tür auf, wobei er Kenshin gestikulierte, ihm in das Innere zu folgen.
 

Der Rotschopf blieb in der Tür stehen und beäugte interessiert die Behausung. Sano hatte ihn noch nie zu sich nach Hause eingeladen. „Was willst du eigentlich hier, Sanosuke?“ fragte er beiläufig, während er sich umsah.

„Ich will dir was zeigen,“ entgegnete Sano ruppig, „also warte mal ne Sekunde, ja?“ Er setzte die Schale mit Tofu am Boden ab und kniete sich vor einer Truhe in der Ecke des Raumes nieder, die er rasch öffnete und durchwühlte.
 

Kenshin wartete geduldig und studierte dabei ein paar der Zeichnungen, die Katsu gemacht hatte und die jetzt bei Sano an der Wand verteilt hingen. Die Sekihoutai…Nach kurzer Zeit riss ihn Sanosukes triumphierendes Juchzen aus seiner Kunstpause. „Ha! Hier ist es. Hab schon Angst gehabt, dass ich es verloren hätte.“
 

Lächelnd trat der Kämpfer zu Kenshin und zeigte ihm, was er in der Hand hielt. Es dauerte einige Sekunden, bevor sein Gegenüber den Gegenstand erkannte. Dabei schwand sein erwartungsvolles Lächeln zugunsten eines ernsteren Gesichtsausdruckes.
 

Sano hielt ein altes Wakizashi in der Hand. Zuerst sah Kenshin es verblüfft an, dann streckte er langsam die Hand nach der Waffe aus. Er bemühte sich, dass Schwert nicht aus seiner Scheide rutschen zu lassen, während er es sorgfältig in seinen Händen wog, betrachtete und seine Finger über die Rillen des Griffes gleiten ließ. Er kannte dieses Schwert. Er schaute es noch einige Sekunden an, bevor er leise fragte. „Woher hast du diese Waffe, Sanosuke? Sie sieht alt aus…“ Er verstummte, wollte nicht über seine Erkenntnis sprechen.
 

Die Augen des Kämpfers waren ernst. „Ich habe sie gefunden. Schon ne Weile her. Da war ich noch ein dummes Kind, das sich fast von einer Brücke gestürzt hätte. Ich denke, es gehörte dem Samurai, der damals mein Leben gerettet hat.“ Der Blick, den er jetzt Kenshin schenkte, war halb fragend, halb abwartend.
 

„Ein Samurai, ja?“ flüsterte Kenshin, wobei seine Stimme ein bisschen in den Tonfall Battousais zurückfiel.

„Ja,“ antwortete Sano. „Ich denke, es war ein Samurai. Ein Hitokiri hätte keine Zeit gehabt, irgendein Kind zu retten.“ Als Kenshin nichts antwortete, redete er weiter. „Ich dachte nur… wenn ich das Schwert behalten würde, dann könnte ich es ihm vielleicht mal zurückgeben. Und dann könnte ich mich für damals, naja, du weißt schon…. bedanken.“
 

Endlich hob Kenshin den Kopf und sah Sano an. „Ich denke,“ sagte er ruhig und mit tiefen, blauen Augen, „dass es diesem Samurai gefallen würde, wenn du das Schwert behältst.“ Er reichte es Sano zurück, und ein kleines Lächeln kroch in sein Gesicht. „Er hat sich Sorgen gemacht, dass der kleine Junge hätte sterben können, der Samurai.“
 

Sano lachte, während er das Schwert zurück in die Truhe warf. „Ja? Na dann hat er wohl nicht gewusst, wie hart ich im Nehmen bin. Das hätte ihm sicherlich einige Sorgen erspart.“
 

„Sanosuke?“
 

Sano schloss die Truhe und drehte sich zu Kenshin um. „Ja?“
 

„Hast du mittlerweile einen Grund für dich gefunden?“
 

„Ja,“ sagte er, während er sich stolz aufrichtete. „Meine Gründe sind alle,“ er legte eine Faust auf sein Herz, „genau hier.“
 

„Da haben wir ja etwas gemeinsam,“ lachte der Rurouni.

„Lass uns nach Hause gehen.“
 

- OWARI –
 

An dieser Stelle noch einmal vielen Dank an all die lieben Leser, die mir mit ihrem Feedback das Übersetzten versüßt haben und die treu der Story gefolgt sind. Wer nochmal das Original lesen möchte, hier der Link: http://www.fanfiction.net/s/2149801/1/Out_of_Time

Danke auch an die Autorin, SiriusFan13, für ihr Einverständnis zur Übersetzung.

Bis zur nächsten Geschichte, Ju-Chan aka Mina <3



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Kommentare zu dieser Fanfic (40)
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Von:  Hayan
2010-05-02T08:35:53+00:00 02.05.2010 10:35
huhu :)

ich habe mich bisher nie sonderlich für die kenshin ffs hier bei animexx interessiert, habe nun neulich aber mal wieder die mangas in die hand genommen und trotz zeitmangel gelesen.
danach hatte ich das dringende bedürftnis, ein paar ffs zu lesen.
das mir diese hier dabei vor die füße gefallen ist, macht mich froh ^^

ich beneide wohl euch beide, die autorin für diese tolle geschichte und dich für diesen aufwand, das alles zu übersetzen.
mein englisch ist nämlich eine katastrophe. (ich geh jetzt mal davon aus, dass die story im original auf englishc ist <<")
deswegen danke ich dir, dass du es mir möglich machst, das hier zu lesen. ^^

und ich würde mich natürlich freuen, wenn es bald weitergeht :)
großes kompliment ^^
*wave+
Von:  _Momo-chan_
2010-01-20T23:59:45+00:00 21.01.2010 00:59
Endlich geht es weiter, juhu! Im ernst, das ist eine der wenigen FFs, die noch einen guten Schreibstil aufweisen. Ich habe mich auch schnell wieder reingefunden. Ich hoffe es folgt bald ein neues kapitel! :D
Von:  _Momo-chan_
2009-03-08T00:22:56+00:00 08.03.2009 01:22
doch, das kam überraschend. XD
neulich hab ich mich erst gefragt, wann es wohl weiter geht und ob.
schön dass sano endlich begriffen hat, wie alles zusammengehört. im ersten teil dachte ich noch, es kommt wohl mit dem alter, dass kenshin besser wahrnimmt, wie sich die leute um ihn herum so benehmen, aber dann dachte ich, dass es wohl eher eine art engstirnigkeit war, mit der der früher mal durchs leben gegangen ist, dass er es nciht mitbekommen hat.
ich kann saito immernoch nicht leiden, trotz seiner klugen worte.
schade für kaoru, dass sie nicht mehr gehört hat, was kenshin gesagt hat. sie ist sicher eifersüchtig auf tomoe, auch wenn sie die gar nicht kennt ;_;
Von:  Sarai-san
2008-09-15T21:31:05+00:00 15.09.2008 23:31
So, bei der Geschichte warst du ja fleissig, als ich weg war.
Jetzt wissen schon fast alle, dass sie eine falschen Kenshin haben. Ich finde richtig gut, dass Hiko so eine richtig wichtige Rolle gespielt hat. Für seine Persönlichkeit ist in dem Manga einfach zu wenig Platz ;-)
Die Drohung gegen Katsura fand ich super, endlich zeigt Hiko seine Sorgen mal.
Jetzt sind beide Kenshins an der Schulter verletzt. Das hat sich also schon angepasst. Jetzt müssen die Beiden nur wieder gesund werden und der junge Sanosuke muss aufgetrieben werden.
Dass Saito mit einer sanften Stimme gesprochen hat im Kap vorher, heisst vielleicht, dass er Kenshin jetzt endlich versteht - erkannt hat weshalb er sich so verhält. Da er eine Frau hat, muss er ja auch die Liebe und ihre Auswirkungen verstehen.
Bin ja gespannt, was er ausgerechnet von Sanosuke will und wann und wie der junge Kenshin wieder aufwacht.

Bye
Sarai
Von:  ShizoFairytale
2008-09-12T15:20:33+00:00 12.09.2008 17:20
Hey, eine geniale ff von dir
da bin ich mal gespannt was Saito von Sano will.
kannst du mir vielleicht eine ens schicken wenn es weitergeht?

Kyubi-Girl
Von:  _Momo-chan_
2008-09-11T17:19:23+00:00 11.09.2008 19:19
Noch länger? >< ;___________;
ich kann saito immernoch nicht leiden, aber naja XD"
EIn ziemlich spannendes Kapital. Der erste Teil ergreifend und der zweite um nochmal über das ganze Geschehen nachzudenken. Ich hab das Orignal zwar bis jetzt noch nciht gelesen, aber als Übersetzung eine tadelose Arbeit, wie ich finde. ALles ist trotzdem so spannend *_*
Von:  Carcajou
2008-08-18T18:44:23+00:00 18.08.2008 20:44
*nägel knabbert*
ist ja eigentlich ganz schön fies von dir, gleich zwei solche Kapitel gleichzeitig rauszustellen... ich bewunder dich immer wider für die Mühe, die du dir machst.
Hiko rettet seinen baka- deshi, und Batousai trifft auf den Wol... die beiden waren nicht die einzigen, die diesem treffen entgegen gefiebert haben^^
das Ende ist faszinierend... einerseits reißt Battousais seelische Wunde bezüglich Tomoes wider auf, andererseits schaffte r es diesmal, die Frau in Sicherheit zu bringen, fängt sich den Schlag selbst ein... eine Art Wiedergutmachung, Buße?

LG,
Chantal

Von:  _Momo-chan_
2008-08-18T14:54:26+00:00 18.08.2008 16:54
Ein wenig verwirrend schon. Eine Haluzination? Ich mag Saito nicht -.- *grummel* *saito pieks*
Ich frage mich wie Hiko genau darüber dachte, als er schlussfolgerte, dass er in der andern Zeit nicht mehr am Leben ist....
Hach ist das wieder spannend. Hoffentlich kommt bald die Fortsetzung^^
Von:  _Momo-chan_
2008-08-14T16:33:08+00:00 14.08.2008 18:33
Hiki ist also immer zu stelle. Die Geschichte mit dem Tongefäß war ja faszinierend und die Verbindung zu Kenshin klar zu erkennen. Der ältere Kenshin tut mir lei, wie er sich durch die vergangenheit kämpft, aber wenigstens scheint der Jüngere begriffen zu haben, dass sein Meister ihn nicht hasst. Es ist irgendwie niedlich wie Sano herumzetert, aber wo ist Kaoru nun wieder abgeblieben X__x"
Von:  _Momo-chan_
2008-08-06T22:42:29+00:00 07.08.2008 00:42
wow ein schnelles upload. ich bin stolz auf dich XD
oje... hiko hat wohl doch nciht so pedagogische fähigkeiten. ein äußerst spannendes kapitel. es ist sehr interessant wie sich stück für stück die wahrheit über alles entfaltet. und ob kenshin wirklich noch der vagabund irgendwo ist? man darf gespannt sein, wie es weiter geht ^^


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