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Miyama no oroshi ga fuji wo wataru

ShizNat
von

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Prolog

Shizurus Blick war nicht leicht zu deuten, als sie vor dem Anwesen ihrer Kindheit stand. Es war Wochenende und sie wurde gebeten zu erscheinen, was meistens nicht Gutes verhieß. Dennoch hatte sie sich aufgrund ihrer Mutter auf den Weg gemacht, die Zeit gefunden ihre Schuluniform gegen ihren Kimono auszutauschen. Schließlich wusste sie, dass diese Rocklänge nicht gerne gesehen war in jener Gegend.
 

Schon von weitem konnte die junge Frau die Glyzinien sehen, welche die Träger ihres Namens waren, ein melancholischer Blick umspielte ihre Züge für einen geringen Moment. Sie hatte als Kind soviel Zeit bei diesen rankenartigen Gewächsen verbracht, die sich gleich Schlangen oder Drachen um die Kirschbäume wandten, an ihnen hoch schlängelten um den nötigen Halt zu finden. Dabei wandte Shizuru den Blick in Richtung Sonne, blinzelte kurz und lauschte dem leisen Rauschen des kleinen Baches, der gleich in den hauseigenen Teich führte, in dem sich farbenprächtige Kois tummelten, ab und an blitzten die Schuppen der Karpfen wie pures Gold oder Silber.
 

Ja, sie war schon lange nicht mehr hier gewesen, an jenem Ort, der ihren Lebenswandel so geprägt hatte…
 

Nur langsam, stetig und bedacht waren die Schritte, die über die kleine Brücke zum Anwesen führten. Ihre Hand strich achtsam über die kunstvolle Schnitzerei des Geländers, die so liebevoll gepflegt wurden, kaum Spuren der Zeit und des Wetters mit sich getragen hatten. In der Nähe des Teiches konnte sie auch die Komadori in den akribisch zugeschnittenen Bäumen singen hören, jene landestypische Rotkehlchengattung, mit dem rötlich gefärbten Kopf und Schwanz der bei jeder Bewegung auf und abwippte. Die junge Frau lächelte abwesend, als sie sich sachte gegen das Geländer lehnte, dem Vogelzwitschern lauschte, welches wieder so vertraut in ihren Ohren klang, so als wäre sie nie fort gewesen. Seit Shizuru die Fuuka Gakuen besuchte, war sie nur sehr selten hier, wer konnte es ihr denn schon verübeln?
 

Manches Mal glich es einer Flucht, wenn sie sie sich wieder auf dem Weg von Kyoto zurück zum Schulgelände begab, weit weg von Dingen, die sie besorgten und grämten. Wie so manches Mal war die Fassade verlockender als das, was sich dahinter verbarg. So schien es auch mit Shizurus Familie zu sein, aber vor allem auch mit Shizuru selbst. Man kannte sie als Person, die immer diesen Hauch von Würde, Perfektion und Eleganz ausstrahlte, diese ruhige besonnene Persönlichkeit, die nichts aus der Ruhe brachte; Diese junge Frau, die so eng mit Tradition verbunden zu sein schien, als gäbe es nichts anderes auf dieser Welt, so selbstsicher bewegte sie sich in einem Universum, das mehr und mehr einem westlichen Standard wich. So manche böse Zunge hätte sie vermeintlich als Relikt oder Überbleibsel alter Kultur abgestempelt, doch auf solche Meinungen hörte Fujino schon lange nicht mehr.
 

Solange sie die Möglichkeit dazu hatte, in Ruhe den Erinnerungen zu frönen, so tat sie dies auch. Eine leichte Windbö trieb vereinzelte Blüten des Blauregens und der Sakurabäume vor sich her, zerrte leicht an den aschblonden Haarsträhnen die sich aus der hochgesteckten Frisur gelöst hatten, während rubinrote Augen im leichten Wehmut dem Flug der Blüten folgten die sich in schier liebkosender Manier im Teich niederließen und kleine Kreise auf der einst glatten und ruhenden Oberfläche des Wassers zauberten.
 

Längst hatte die Frau das leise Geräusch der Schiebetüren überhört als sie geöffnet wurden. Eine Frau mittleren Alters, die schon viel zu streng und schütter wirkte, stand am Eingang, der Blick aus trüben Augen erhellte sich zusehends – was man jedoch nur als einziges Zeichen der Freude in diesen verhärteten, gealterten Zügen erkennen mochte. Shizuru verglich sie immer wieder mit einem alten Baum, dem man die Zeichen der Zeit in rissige Borke gebrannt hatte. Auch wenn jene Person den Schein wahrte, sich stets als intellektuelle und weise Gesprächspartnerin zu beweisen, so gebranntmarkt und bitter war sie im Inneren. Das kleine vergilbte Ofuda am Dachvorsprung flatterte leicht in der Brise, das Glöckchen am Ende des Orakelzettels bimmelte mit silbrig hohem, aber leisem Klang, so als würde spätnachts eine Katze umherstreifen, der man ein Halsband mit einer kleinen Schelle umgelegt hatte.
 

Aufrecht und erhaben stand die ältere Frau an der Treppe, ihr Blick glitt über ihr jugendliches Ebenbild. Tief im innersten war sie gewiss mit Stolz erfüllt, zu welch einer hübschen jungen Dame Shizuru herangewachsen war, ein perfektes, jüngeres Spiegelbild… so wie man es von ihr erwartet hatte. Die Art und Weise, wie sie sich bewegte, jeder kleinste Zug der Mimik; All dies hatte ihr jene Frau beigebracht, sie in allen Dingen unterrichtet die man zu beherrschen pflegte in damaliger Zeit.
 

Unterdessen kratzte Shizurus Finger abwesend am Lack der Geländerbrücke, eine Unart, die ihr so nicht aufgefallen war, niemals zuvor hatte sie Zerstörungswut befallen. Allerdings… wenn sie stets etwas befallen hatte, war es oft ein Zug von merklicher Nervosität, sobald sie die Grenze nach Kyoto überschritten hatte und sich wieder in ihrem Zuhause fand, eine kleine Provinz außerhalb des Bezirkes die sich sehr traditionell und ländlich gab. Hier wurden noch die alten Sitten gepflegt wie die Äcker und das Vieh. Shizuru hatte sich nie über diese Umstände beschwert. Schließlich war es ihre Heimat und sie schätzte die Bodenständigkeit, die sie zu einem ehrlichen und bescheidenen Pfad geführt hatten.
 

„Wahre deine Haltung, aijō…“, drang es leicht, kaum hörbar an das Ohr der Schülerin, ehe sie ihren Kopf erhob, aus Träumerei gerissen wie ein Blatt Papier, verworfen in die Nichtigkeit. Sofort schien eine Wandlung in der sanftmütigen jungen Frau vor sich zu gehen. In aufrechtem Gang schritt sie über den Rest der kleinen Brücke, die ihre Freiheit und den Weg in den goldenen Käfig verband. Es waren nur wenige Schritte… und doch spürte jede Faser ihres Körpers die Veränderung, wie sie von einer unabhängigen Schülerin wieder in die Tochter ihrer Mutter konvertiert wurde.
 

„Es freut mich, Euch wohlbehalten zu sehen,… okāsan…“, begrüßte Shizuru die Alte mit einem sachten Lächeln auf den Lippen und leiser sanfter Stimme, wobei das Lächeln als solches mit Vorsicht zu genießen war. Zeige niemals deine Zähne, öffne nicht den Mund, so hatte man es ihr gelehrt. Und mittlerweile beherrschte die 17-Jährige jene Etikette perfekt und galant, wie man es von ihr erwartete. Erst einige Schritte vor ihr blieb die Schülerin stehen, eine leichte Verbeugung zum Gruß, eine Geste die auch von ihrem Gegenüber praktiziert wurde. „Ebenso… freut es mich, meine Tochter nach so langer Zeit wieder in meinem Heim empfangen zu dürfen.“, entgegnete ihre Mutter mit einem Glitzern in den Augen welches Shizuru neu zu sein schien. Sie spürte die Hand der Alten an ihrem Arm, die sie dirigierte und in das Anwesen lenkte.
 

„Wie geht es otōsan? Ich hoffe doch, die Geschäfte laufen erfreulich?“ Ein leichtes Schmunzeln der Mutter an ihrer Seite, als ihr Blick die schlafende Katze am der Treppe streifte. „Dein Vater raucht immer noch zuviel, mein Kind. Aber das solltest du doch wissen… und ja, seine Geschäfte können uns ernähren und dir eine dementsprechende Bildung garantieren…“, antwortete sie leise, daraufhin das Thema Nummer eins anschneidend. Die Zensuren, die selbstverständlich keine Wünsche mehr offen lassen konnten. „Natürlich bin ich immer noch von Dankbarkeit erfüllt, dass Ihr mir die Möglichkeit geboten habt, die Fuuka zu besuchen. Ich tue mein Bestes um Euch nicht zu enttäuschen, okāsan.“ Eine filigrane Hand zauste liebevoll die aschblonde Strähne ihres langen Haares. „Daran… hatte ich auch nie gezweifelt, Kind…“, war die Antwort, die Shizuru schon seit Jahr und Tag zu hören bekam, als sei ihre Leistung eine Selbstverständlichkeit, Intelligenz nur einer gewissen Auslese vorbehalten, die ihren Familienstamm alleine zu treffen hatte.
 

Die Schülerin schritt langsam durch den Hausflur, der in den Wohnbereich führte, sich der Schuhe entledigend wie es sich gehörte. Natürlich wartete sie erst, bis ihre Mutter das Haus betreten hatte, bevor sie ihr folgte und sich auf einem der weichen Sitzkissen niederließ. „Ihr habt mich rufen lassen, okāsan. Ich nehme an, es gibt einen bestimmten Grund dafür?“ Die Alte, die eben noch an einem der einzelnen Schränke verharrt hatte, nickte den Kopf. „Natürlich, Kind… den gibt es…“ Mit einer traumwandlerischen, eleganten Bewegung nahm sie etwas von einer Kommode und überreichte es Shizuru. Dabei handelte es sich um einen Briefumschlag mit einem Siegel und einem Poststempel von Kyoto, einem der nobleren Viertel. Die Augen der Jüngeren weiteten sich merklich, als zittrige Finger den Brief an sich nahmen. „Ich wollte, dass du ihn als erstes liest, doch deine Zeit ist knapp bemessen. Deswegen habe ich schon an der erfreulichen Botschaft teilgenommen.“
 

Shizurus Finger begannen sichtlich angespannt den Umschlag zu falzen, ehe sie das Pergamentpapier mit der gestochen scharfen Handschrift hervorzog mit einer fließenden Bewegung. Allerdings war eine gewisse Furcht, ein Misstrauen zu bemerken, da die Unterlagen durch ihre zitternden Fingerspitzen raschelten. Rubinfarbene Augen inspizierten die Botschaft, prägten sich Wort für Wort ein, ehe die Quintessenz für sie ersichtlich geworden war. „Nein…“, flüsterte sie und jegliche Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. Wieso… jetzt? Wieso… ausgerechnet jetzt?
 

Ihre Mutter lächelte. „Er hat sich vorgenommen, dich am Sakura-Fest zu besuchen, Shizuru…“

Kapitel 1

Leises, hektisches Flüstern durchbrach die Stille im Konferenzraum des Schülerrates, Leiber eng aneinandergepresst sodass kaum noch die Luft zum Atmen bleib. Das Rascheln von Stoff, als schlanke filigrane Hände an den blassen Oberschenkeln entlang huschten wie Schatten in der Nacht.
 

„Shi… Shizuru…“, ertönte das leise, gedämpfte Japsen, eine geflüsterte, bedrängte Stimme. Ihr Flehen schien als nichtig abgewertet, als Fingerspitzen sich weiter einen Weg bahnten, immer höher, den Stoff des ockerfarbenen Rockes beiseite schiebend der als störend empfunden wurde. Leises Murmeln und Raunen wurde durch einen Kuss unterbunden, der wie eine stille Warnung gehandhabt wurde, ein dumpfer Aufprall gegen die Wand.
 

„Shh…“ Fujino hatte kurz ihre Leidenschaft gezügelt, betrachtete das Mädchen, das sie in die Ecke gedrängt hatte mit einem Blick der nicht zu beschreiben war. Wie gewohnt… war da eine gewisse Sinnlichkeit in ihnen, so oft sie mit jener Schülerin auch verkehrt hatte. Doch, da war noch etwas anderes, tief in diesem rubinfarbenen Schein konnte man noch etwas anderes entdecken. War es Angst? Verzweiflung? Ernüchterung? „Shizuru… nicht… nicht hier…“, flehte die Stimme erneut, war eine Spur leiser geworden, doch der sanfte Druck mit dem Zeigefinger gegen ihre ungewohnt weichen und vollen Lippen zwang das Mädchen dazu, sich in Schweigen zu hüllen.
 

„Hat Natsuki etwa Angst, erwischt zu werden?“, säuselte die Ältere sanftmütig, gleichzeitig wohnte noch ein gewisser Unterton dieser samtigen Stimme bei. Auf diese Frage hin schien der Widerstand stärker zu werden, der Versuch sich zu wehren bestimmter und vehementer. Die jüngere Schülerin konnte immerhin genug Kraft aufwenden um Shizuru endgültig beiseite zu schieben, mit tiefen Atemzügen versuchte sie den rasenden Herzschlag unter Kontrolle zu bringen während sich lange und sehnige Arme vor ihrer Brust verschränkten. „Was soll das? Wenn uns jemand sieht!“, zischte sie deutlich genervt und ebenso unsicher im Ton. Der Blick der Älteren änderte sich schlagartig, wurde dumpf und es hatte den Anschein als gab es noch etwas anderes das sie bedrückte. Doch dieser Eindruck war viel zu kurz, um ihn wirklich zu bemerken, stattdessen trat erneut ein lächelnder Zug um ihre Lippen auf, während sie Natsuki den Freiraum zusprach, den sie für sich beanspruchte.
 

„Dann sieht uns eben jemand… mich stört es nicht wirklich…“, antwortete Shizuru verhalten, zögernd einige Schritte zurücktretend. „Wer sollte uns denn… um diese Uhrzeit belästigen? Es ist Mittagspause. Da haben manche Leute… bessere Dinge zu tun, als den Schülersprecher um Rat zu bitten…“ Ihr Lächeln erlosch nicht eine Sekunde, allerdings war die Jüngere alles Andere als dumm, hatte ihre Fassade innerhalb kürzester Zeit analysiert. Der Blick aus dunklen petrolfarbenen Augen hielt jenem stand, der sich ihr zeigte aus rubinfarbenen. „Also gut, Shizuru. Was ist los? Ich weiß, dass etwas nicht stimmt…“
 

„Ich wüsste nicht, wovon Natsuki spricht?“ Schier belustigt hob die Ältere eine der fein geschwungenen Augenbrauen, ehe sie sich wieder näherte, allerdings behäbiger als zuvor. Ihre Hand hatte sich in diesem Moment auf langem, rabenschwarzem Haar abgelegt, Fingerspitzen gruben sich in ein Meer aus dunkler, fließender Seite, fächerten es spielerisch auf, ehe jedes einzelne Haar wieder seinen Platz an Natsukis Schulter fand, schimmernd im Licht. Doch davon ließ sich die Jüngere nicht beeindrucken. „Du weißt, was ich meine!“ Am liebsten hätte sich das Mädchen noch weiter zurückgezogen doch die Wand im Rücken war gelinde gesagt ein sehr hinderliches Unterfangen. „Du benimmst dich immer so seltsam, wenn dich etwas bedrückt!“
 

Shizuru neigte ihren Kopf mit amüsierter Miene auf die Seite, musterte die Schülerin schmunzelnd. „Was spricht denn dagegen wenn ich etwas Zeit mit meiner kleinen Natsuki verbringen möchte?“, fragte sie spielerisch in ihrem Kyoto- ben Akzent, der die Jüngere dazu veranlasste die Augenbrauen zusammenzuziehen. „Gar nichts…“, raunte sie, „es ist nur… Verdammt, Shizuru, nimm deine Hand von meinem Hintern!“ Die Angesprochene lachte leise und gedämpft mit vorgehaltener Hand, dachte jedoch nicht daran loszulassen sondern nutzte die Gelegenheit um die Schülerin eng an sich zu ziehen. „Sei doch nicht so… du weißt, dass ich am Wochenende zu Hause war und dich zwei Tage lang nicht sehen durfte…“ – „Ohja, zwei Tage sind ja auch sooo lang…“, blaffte Natsuki mit leiser und hektischer Stimme, augenblicklich errötend als sie die Hand der Älteren dort spürte, wo diese absolut NICHTS verloren hatte. „Kannst du nicht einmal deine Hände bei dir lassen, du Ferkel?“
 

Mit Müh und Not gelang es Natsuki sich dieser misslichen Lage zu lösen, während sie von der Präsidentin des Schülerrates beobachtet wurde. Jene blutroten Augen hatten für einen winzigen Augenblick einen trüben und matten Eindruck, den schmollenden Ausdruck im Gesicht, der nicht nicht sonderlich leicht auf ihrem Pokerface zu deuten war. Aber auch wenn Shizuru es fertigbrachte, jegliche Art von Emotion zu verwischen, so konnten ihre Augen sie niemals betrügen, das wusste sogar die Jüngere, die es nach einiger Zeit beherrschte in diesen blutig roten See einzutauchen. Sofort schien sich in Natsuki eine gewisse Art und Weise von Schuldgefühl hoch zu kämpfen „Tut mir leid, Shizuru…“, flüsterte sie nach einiger Zeit, nutzte die Stille die sich danach aufbaute um sich von der Wand zu lösen und sich gegen den Schreibtisch zu lehnen, den rechten Arm um ihre Taille geschlungen bis sich die Hand an ihrer linken Hüfte niederließ – ganz so als wollte ihr Körper auf diese Art einen Schutzwall errichten.
 

„Du weißt, dass ich so etwas… nicht mag.“, fuhr sie schier tonlos fort, ihre Lippen fühlten sich spröde an als sie diese mit ihrer Zunge kurz benetzte. „So ein Ort… ist einfach nicht…“ Natsuki fiel in Erklärungsnot, sehr wohl wissend was sie sagen wollte, andererseits fiel es der leicht burschikosen Schülerin nie besonders leicht ihre Gedanken in Worte zu verpacken die nicht allzu harsch ausfielen. Umso mehr schien sie das Lächeln auf Shizurus Lippen zu verwirren und eine leichte Röte ließ sich auf ihren Wangen nieder. „Was?“
 

„Ich liebe es… wie schnell meine kleine Natsuki rot wird… Natsuki ist so unschuldig, egal wie hart sie sich gibt…“, raunte die Ältere mit einem entzückten Ausdruck im Gesicht, erneut hatten ihre tiefen, blutig roten Augen ein Glimmen in sich, das wohl nichts Gutes – zumindest nach der Ansicht der Jüngeren – verheißen konnte. Leise und bedachte Fußschritte näherten sich dem Schreibtisch aus hell gebeiztem Holz, bis sie knapp davor innehielten. „Lass das endlich, bring mich nicht andauernd in Verlegenheit!“ Shizuru ließ die Worte auf sich wirken während lange Finger einige Strähnen aschblonden Haares beiseite schoben. Sie genoss es regelrecht das Mädchen so zu sehen, so… scheu und gleichzeitig unnahbar. Jeder Andere hätte wohl schon eine Schelle kassiert, doch sie war Shizuru – und Shizuru durfte alles. Wirklich alles.
 

„Aber… es ist so süß…“, antwortete die Ältere mit einem wehmütigen Lächeln, während sie sich nun herantastete. Ganz langsam und unscheinbar, bis sich ihre Hände an der Tischplatte niederließen, über das gebeizte Holz streichend. Sie hatte nun erreicht dass Natsuki erneut eingekesselt war, umgeben von Terminkalender, Stiften und einem Laptop – und ebenso von den langen schlanken Armen, die sie nun vor einer erneuten Flucht hinderten. „Natsuki ist grausam…“, flüsterte sie nach einiger Zeit. Der fragende Ausdruck im Gesicht der jüngeren Schülerin löste etwas in der Älteren aus, gleich einem Beschützerinstinkt, aber auch ein gewisses Amüsement. „Nun…“, begann Shizuru, als wollte sie die ungestellte Frage beantworten, eine Hand löste sich von der Tischplatte und ließ sich auf dem Knie ihres Gegenübers nieder. „Natsuki verführt mich… und dann stößt sie mich weg. Würdest du das nicht auch als… grausam… bezeichnen…?“ Als wollte sie jene Worte unterstreichen, so glitt ihr Zeigefinger quälend langsam, wie ein Windhauch über das Schienbein der Jüngeren, auf und ab in betonender Sinnlichkeit, amüsiert und fasziniert zugleich stellte sie fest, dass diese Röte auf den Wangen noch eine Nuance dunkler werden konnte als sonst. Natsuki blieben wahrlich die Worte im Hals stecken, als sich ihre petrolfarbenen Augen auf den Finger konzentrierten der in ihrem Körper einen Schauer nach dem anderen auslöste. „Shi… Shizuru …WER VERFÜHRT HIER WEN????“
 

„Shhh… oder will Natsuki wirklich dass jemand in den Saal kommt… jetzt wo wir… so… weit sind…“, flüsterte die Präsidentin des Schülerrates, ihr Zeigefinger verharrte mitten in der Bewegung, blieb wieder an der Kniescheibe, wo er kaum Druck ausübte. Tief seufzend drehte Natsuki ihr Gesicht trotzig beiseite, innerlich aber schier hoffend, dass die Liebkosung weitergehen würde. Und Shizuru verschwendete keine Zeit. Träge setzte sich ihre Hand wieder in Bewegung, allerdings krabbelten nun ihre Fingerspitzen am Oberschenkel entlang, sie hörte höchst zufrieden dieses leise Seufzen als Reaktion auf ihr Handeln. „Sag… Natsuki… ich habe eine Frage, die ich dir stellen möchte…“ Ihre Stimme klang so süß, beinahe kindlich als Fingerspitzen immer höher wanderten bis zum Saum des sandfarbenen Rockes der Schuluniform. Sie wartete erst gar nicht auf eine Zustimmung sonder fuhr fort. „Am Wochenende findet das Kirschblütenfest statt…“, raunte sie, als sie ihren Körper langsam dehnte, um sich so über die Schülerin zu beugen. „Ich habe mich gefragt… ob Natsuki vielleicht Lust hätte… mit mir… in Kyoto…“, das Geräusch von leicht raschelndem Stoff unterbrach ihre Frage nur kurz, sowie das scharfe Einatmen der Jüngeren als sich die Hand nun zur Innenseite ihres Oberschenkels verirrte, „beizuwohnen…?“
 

Petrolfarbene Augen weiteten sich merklich. Nicht nur aufgrund der delikaten Position welche die Hand nun eingenommen hatte, nein. Es war durchaus neu, dass Shizuru die Jüngere mit zu sich nach Kyoto einlud, bisher hatte sie doch immer Bedenken gehegt wenn Natsuki die Ältere mit dem Motorrad hinbringen wollte. „Wie… Wieso…?“, schnaufte sie kaum hörbar. „Ich dachte… Natsuki könnte vielleicht… einen kleinen Tapetenwechsel gebrauchen... ist dem nicht so? Und ich möchte meine kleine Natsuki gerne bei mir haben…“ Die Stimme Shizurus klang im Moment wie das Schnurren einer Katze, wenn sie sich Streicheleinheiten erbetteln wollte, immer näher beugte sie sich nach vorne. „Nun?“, fragte sie leise, beide Gesichter waren sich nun so nahe, dass sich die Farbe von Rubin und dunklem Smaragd einen kleinen Kampf lieferten in deren Intensität.
 

„Wo… ist der Haken?“ Natsukis Unterlippe zitterte leicht, als sie die Worte nur zaghaft hervorbrachte. „…Es gibt keinen Haken… du und ich… auf dem Fest… Ich möchte nicht alleine dort sein… das versteht Natsuki doch, oder nicht?“ „…Ja…“, stammelte die Jüngere, sichtlich nervös und gegen die leichte Erregung ankämpfend, die sich in ihrem Körper aufbaute. Shizurus Gesicht näherte sich noch mehr, nur noch eine Handbreit trennte beide voneinander. „Dann sind wir uns ja einig…“, gurrte die Ältere höchst zufrieden mit gesenkten Lidern, ein zärtlicher und liebevoller Blick streichelte die roten Wangen ihres Gegenübers, während sich nun auch die zweite Hand auf dem anderen Oberschenkel niederließ, ein spontanes Zusammenzucken kam als sofortige Reaktion.
 

„Du… Du… Schuft…“, wisperte Natsuki kaum hörbar, ehe sie sich leicht in die Unterlippe biss, versuchend ein verräterisches Geräusch ihrer Kehle zu unterbinden. Shizuru jedoch lächelte nur, hatte den Ausdruck eines glücklichen kleinen Kindes tief in ihren rubinfarbenen Augen. Sie zwang sich diesem tiefen Strudel zu entgehen, den Blick kurz zur Seite geschwenkt, bevor Shizuru mit ihrer Nasenspitze spielerisch die Wange an stupste, um so auf Aufmerksamkeit erneut auf sich zu lenken. Die Ältere kicherte leicht und spielerisch ehe sie sich auf dem Oberschenkel abstützte, die letzte Distanz mit einem geflüsterten „Ich liebe dich…“, überbrückte, das Gefühl von Haut an Haut im schier zurückhaltenden Kuss verursachte ein leichtes Aufbäumen von Natsukis Seite aus, die gar nicht mit solch einer Bekundung, einem solchen Geständnis im Moment gerechnet hatte.
 

Völlig losgelöst von ihrer Umwelt schien sie nun der Verstand auszuklinken, als lange sehnige Arme die ältere Schülerin an sich pressten, den Kuss keinesfalls unterbrechend – doch achtete sie darauf, ihn nicht leidenschaftlich werden zu lassen, behielt es bei in diesem gemächlichen, liebevollen Trott. Auch wenn man es Natsuki wohl nicht anmerken konnte, so schlug in ihr das Herz einer Romantikerin, diese Eigenschaft verbarg sie jedoch gut getarnt hinter einem Bikeroverall und einem burschikosen, beinahe rotzigen Auftreten. Und eben dieses Herz machte einen gewaltigen Sprung und gebärdete sich wie wild, als wollte es durch die Rippen brechen, wie elektrisiert kam die Jüngere Shizuru entgegen, zitternde Finger zeichneten kleinen Kreise am Steiß der Älteren, Fingernägel strichen an ihrer Wirbelsäule auf und ab.
 

Shizuru unterbrach den Kuss nach einiger Zeit, doch dachte sie keineswegs daran aufzuhören. Mit einem kindlichen Grinsen im Gesicht wanderten ihre Lippen über den hoch angesetzten Wangenknochen zu Natsukis Unterkiefer, kurz verweilend um jene Stellen sanft zu beknabbern, ein kaum hörbares Aufseufzen dafür erntend. Träge lehnte sich der Kopf der Jüngeren in den Nacken, rabenschwarzes Haar ergoss sich wie ein Fluss über ihre schmalen Schultern und legte ihren Hals frei. Shizuru schien auf diesen Moment nur gewartet zu haben, ihre Zungenspitze ertastete die empfindliche Haut bedächtig und mit Vorsicht, sofort machte sich Gänsehaut an jeder Stelle von Natsukis Körper bemerkbar, speziell an den Beinen als sich Fingernägel im provokativen Akt ins Fleisch absetzten.
 

„Shi…zu…ru…“, wisperte sie mit leisem, abgehacktem Ton, ihre Oberschenkel begannen merklich zu zittern, ihre Beine fühlten sich jetzt schon an wie Gummi, Hätte sie nicht am Tisch gesessen, so würden sie ihr wohl schlichtweg den Dienst verweigern. Lange, schlanke Finger kratzten aufreizend am Oberschenkel entlang, näherten sich quälend langsam dem Zentrum und schoben den Rock beiseite, wie schon zuvor. Doch dieses Mal nahm sich Shizuru Zeit, wollte der Jüngeren die Ängste und Befürchtungen nehmen. Es war nicht das erste Mal, dass sich Beide nahe kamen… doch war es eine Prämiere außerhalb von Natsukis Internatswohnung.
 

Vernarrt in den Geruch der Jüngeren schloss die Präsidentin des Schülerrates genießerisch die Augen, ließ all das auf sich wirken ehe sie ihre Lippen in verspielter Absicht auf den Hals ihres Gegenübers presste, kaum ablassend, nicht einen Zentimeter weichend, Ihre Zähne hinterließen einen leichten Abdruck, ehe sie sich in Bewegung setzte um jedes Stück freier Haut zu inspizieren, hoffend eine weitere empfindliche Stelle zu finden; Sie achtete auf Natsukis Reaktionen, ihren Atem, der in kurzen, scharf eingezogenen Intervallen vonstatten ging.
 

„So aufgeregt…“, raunte Shizuru nach einer Weile, völlig hingerissen davon wie hilflos die Jüngere war, die sich mittlerweile am Schreibtisch festgekrallt hatte, Fingernägel schabten über die gebeizte Oberfläche. „So ängstlich… und doch so verdorben…“, fuhr sie mit entzückter Stimme fort, ehe sich ihre Lippen in der Halsbeuge niederließen, ein willenloses, leises Aufstöhnen provozierend. „Am liebsten würde ich Natsuki im meinem Zimmer einsperren… und nie wieder gehen lassen…“ Ihre Hand erfühlte Satin, je weiter sie sich nach vorne wagte, ein kehliges Japsen folgte als Konsequenz, wie elektrisiert zuckte das Becken der Jüngeren nach hinten, wollte vor Berührung flüchten; Doch Shizurus freie Hand krallte sich im Meer aus schwarzer Seide fest, zog den Kopf nach hinten als wäre jenes dunkle Haar eine Zügel, die für ein temperamentvolles Pferd zum Zügeln diente.
 

Schritte und Stimmen wurden im Flur hörbar, die ersten Schüler machten sich auf den Weg zurück in die Klasse, doch ebenso war eine forsche, höchst nervige Stimme zu vernehmen, die unentwegt auf jemanden einzureden schien, sich über eine gewisse „Bubuzke“ - Frau beschwerend, die nichts anderes im Sinn hatte, außer tagtäglich ihren vermaledeiten Tee zu trinken und andere mit ihrer Ruhe auf die Palme zu bringen. Mit einem Ruck schwang die Türe auf und ein goldfarbener Haarschopf war das Erste, das sich im Moment offenbarte.
 

Die junge Frau, die dem Schopf folgte, war im Begriff, Shizuru mit Vorwürfen bezüglich des schwarzen Brettes zu konfrontieren, doch bei diesem Schauspiel, das sich ihr bot, erstarrte sie in jeglicher Bewegung, Augen geweitet und der Mund ungläubig geöffnet. Eine zweite Schülerin, die sich im Schatten der Anderen aufhielt, betrachtete ebenfalls das Geschehen, sich die Hand vor den Mund haltend. „Was… was zur Hölle…?“, stammelte die Blonde völlig verwirrt und entsetzt, als sich ihr jenes Bild darbot, Natsuki an ihren Unterarmen am Tisch abgestützt, sämtliche Unterlagen vom Tisch gefegt, Shizuru über sie gebeugt und sich über die Lippen leckend als rubinfarbene Augen sich direkt in die amethystfarbenen stahlen.
 

„Aber, aber… wer wird denn so stürmisch mit der Tür ins Haus rennen wollen… Suzushiro-san?“ Der Unterton der Präsidentin schien von Süffisanz geprägt, während sie sich von Natsuki löste, die in der Zwischenzeit merklich errötet war und reflexartig ihre Beine zusammenpressend, leise vor sich hinfluchend und bereit sich auf die Beine zu schwingen. Die Angesprochene Person im Türrahmen zog die Augenbrauen bedrohlich zusammen. „WAS BILDEN SIE SICH ÜBERHAUPT EIN? SOLCH UNANGEMESSENE TATEN WILL ICH HIER NICHT SEHEN!!!!“
 

Die zweite Schülerin zuckte merklich beim Ton der Blonden zusammen und legte ihre Hand beschwichtigend auf deren Schulter. „Haruka… bitte beruhige dich…“, murmelte sie in ihrem unsicheren Ton, die Brille danach wieder auf die Nase schiebend. „Nein, ich beruhige mich nicht, Yukino!“, keifte Haruka, vor Wut beinahe explodierend. „Wie kann es sein, dass man hier für Sitte und Moral sorgen soll, wenn sich nicht einmal unser Oberhaupt daran hält! Und auch noch… noch…“ Sie schien kaum noch Worte für ihre Wut und ihren Ekel zu finden, während Shizuru immer noch bedächtig lächelte ihren Kopf schief legte. „Ich denke kaum, dass Eure Worte in diesem Moment angemessen sind, nicht wahr Suzushiro-san? Speziell nicht, wenn genau solch ein Fall direkt hinter Euch steht…“
 

Yukino zuckte wie vom Blitz getroffen zusammen. Shizuru hatte schon des Öfteren solche Andeutungen vor Haruka dargebracht, doch schien diese sich Gott sei Dank nicht darauf zu konzentrieren, sondern knallte die Türe hinter sich zu, als forderte sie eine Erklärung oder eine Entschuldigung ein. Doch Die Präsidentin tat nichts dergleichen, ihre Hand auf Natsukis Schulter ablegend.
 

„Also… hoffe ich, Natsuki begleitet mich am Wochenende? Ich würde mich freuen…“, raunte sie liebevoll, schier übertrieben spielerisch ehe sie einen raschen Kuss auf die Wange der Schülerin setzte, diese damit zum Erröten brachte. „…Mhm…“, war der einzige Laut, der über die Lippen der Jüngeren kam, ihren Blick kaum zur wutentbrannten Haruka leitend da es ihr schlichtweg zu peinlich war. „Fein… und nun… solltest du wohl lieber in die Klasse zurückgehen, die Stunde fängt in Kürze an. Wir sprechen uns später wenn wir… keine Zaungäste haben…“
 

Shizurus Blick war verschwörerisch und veranlasste diese brennende Hitze in Natsukis Gesicht als diese kaum merklich mit den Augen rollte. Dennoch bahnte sie sich ihren Weg an Haruka und Yukino vorbei, die Türe hinter sich schließend während die ältere Schülerin ihr lächelnd hinterher winkte. Kaum hatte die Jüngere die Türe geschlossen, entbrannte schon eine hitzige Diskussion bezüglich der Schulordnung, aber speziell der ethnischen Themen. Dieses Mal rollte Natsuki ihre Augen betont entnervt, ehe sie sich auf dem Weg machte. Dieses Prickeln auf ihren Lippen wollte nicht verschwinden, egal wie oft sie diese auch mit ihrer Zunge benetzte und die Augen schloss. Es war, als hätte Shizuru einen Zauber auf sie gelegt, widerstandslos gemacht. So oft war dies der Fall, doch heute war es ihr erst bewusst, speziell die Blicke der Schüler schienen sie an diesem Tag zu nerven. Unbewusst fasste sie sich an die Lippen und spürte, wie stark sie pulsierten, wie sehr sie sich nach stürmischer Eroberung sehnten.
 

„Was machst du bloß mit mir…“, fragte sie leise in das Gejohle und Gemurmel der Schüler am Gang, ehe sie sich in ihre Klasse begab…

Kapitel 2

Nach diesem Ereignis war Natsuki wirklich nicht gewillt, in die Klasse zurück zu kehren. Kurz bevor sie die Türe erreicht hatte, hielt sie inne, lehnte ihren Kopf gegen die kühle Wand, als wollte sie die Hitze auf diese Art und Weise verscheuchen. Ihr Körper hatte immer noch dieses befremdliche Pulsieren in sich, darauf wartend dass sich jemand ihres „Verlangens“ annahm. Tief seufzte die Schülerin, langes rabenschwarzes Haar breitete sich über ihren Schultern aus. In ihren tiefsten Gedanken hatte sie sich gewünscht dass Shizuru beendete, was sie angefangen hatte. Aber… Moment! Was dachte sie sich da eigentlich? Eben solche Gedankengänge wollte die Jüngere nie im Leben haben… und nun DAS. Instinktiv presste sie die Hand vor ihrem Mund, ein frustriertes Grummeln entrann ihrer Kehle. Sie musste hier raus. Auf der Stelle! Ihre Seele sehnte sich nach Ablenkung und Befreiung. Und da kam Physik nicht sonderlich gelegen, immerhin konzentrierte sich Natsuki im Unterricht auf alles andere als auf Formeln und Fachchinesisch.
 

So sollte es auch sein wie sonst immer, wenn sie etwas beschäftigte. Die Schülerin drehte sich spontan auf dem Absatz um. Es war ja nicht das erste Mal, dass sie mitten im Unterricht verschwand um alleine zu sein, der Anblick anderer Schüler widerte sie im Moment an, sie benötigte einfach die Distanzierung von Anderen. Wie ferngesteuert hastete sie am Flur entlang, vorbei an Tokiha Mai, die ihr höchst verwundert hinterblickte und dabei noch von Chie und Mikoto begleitet wurde. Chies fachmännischem Blick entging natürlich nichts, ein Schmunzeln auf ihren Lippen.
 

„Soso, Kuga braucht wohl wieder eine Auszeit…“, raunte sie in Mais Richtung, nachdem sie sich sicher war, dass Natsuki die Beiden nicht hören konnte. „Auszeit?“ Tokiha hob ihre Augenbrauen, sehr wohl wissend, dass zwischen Shizuru und ihrer Klassenkameradin eine Bindung bestand, aber worum es genau ging, schien ihr fremd zu sein. Mai fragte auch nicht danach, denn wenn es nicht publik sein sollte, wollte sie auch nicht nachhaken.
 

„Ist das nicht offensichtlich?“ Chie schob ihre Brille auf den Nasenrücken und schmunzelte. „Kuga benimmt sich doch immer so, wenn sie sich mit der Präsidentin trifft. Ich sage dir Mai… da geht doch was…“ Ihre Stimme hatte diesen verschwörerischen Ton angenommen als sie ihr Mobiltelefon zückte und sich schon eher beiläufig durchs Menü navigierte. Bernsteinfarbene Augen hafteten geradezu am Display bis sie gefunden hatte was sie wollte, nur um es Tokiha unter die Nase zu halten mit einem triumphierenden Grinsen. „Und nun sag mir, dass da NICHTS geht!“
 

Mais Augen huschten über das Foto, das zwar leicht verwackelt schien, aber – gelinde gesagt – exakt auf den Punkt brachte, worauf Harada eigentlich anspielte. Es war ein Kuss, von der Lokalität zu urteilen sogar in der Stadt. Etwas peinlich berührt schob sich die Schülerin das rotblonde Haar beiseite, versuchte nebenbei Mikoto davon abzuhalten das Bild zu sehen, doch die Jüngere dachte nun wirklich nicht daran sich diese Botschaft entgehen zu lassen. Auch wenn in ihren katzenhaft goldenen Augen eher die Frage „Was ist daran so spannend?“ abzulesen war, konnte man die Naivität des Mädchens nicht abstreiten.
 

„Wo… hast du das her?“, fragte Mai, höchst irritiert. Immerhin sah zumindest sie die Beiden nie oft zusammen am Schulgelände, höchstens ab und zu in der Kantine beim Essen. Falls dies wirklich wahr zu sein schien, so machten Beide wohl ein großes Geheimnis daraus, welches nun von der Klatschtante Nummer eins an der Schule gnadenlos aufgedeckt worden war. „In der Innenstadt. Aoi und Ich waren zufällig… in der Gegend und da habe ich Kugas Ducati stehen sehen…“ – „Und du konntest natürlich NICHT widerstehen…“ Chie hob belustigt ihre Augenbrauen an. „Oi, Oi! Die Beiden zu finden war nicht wirklich schwer, denkst du von mir ich würde ihnen hinterher spionieren?“ Mai nickte nur, beobachtete von Mikoto die immer noch mit großen Augen das Handydisplay fixierte, dabei an einem ihrer zwei Zöpfchen spielte die im Kontrast standen zum rappelkurz geschnittenen schwarzen Haar. „Dir traue ich alles zu, Chie…“, raunte ihre Klassenkameradin und seufzte. „Und du meinst, dass Natsuki deswegen so oft fehlt in letzter Zeit?“ Die Angesprochene lachte kurz auf. „Die schwänzt doch immer, wenn ihr das Fach nicht in den Kram passt! So ungewöhnlich ist das auch nicht! Allerdings…“, sie zog Mai in einen weniger belebten Teil des Flurs, darauf hoffend dass die Jüngere ihnen nicht folgte, „hätte ich mir auch nie gedacht, dass die mal jemanden… du weißt schon…“
 

„Wie, du weißt schon?“ Mais Augen weiteten sich leicht und der verwunderte Ausdruck in ihnen war nicht abzustreiten. Immerhin drehten sich viele junge Männer nach Natsuki um und man konnte es ihr nicht einmal verdenken. Ihr Körper war zwar nicht so voller Weiblichkeit, dennoch wohlproportioniert. Tokiha hatte sie auch schon oft im Stillen bewundert in der Umkleide nach dem Sportunterricht. Aber solche Gedanken gehörten einfach nicht hier her, dessen war sie sich bewusst. „Ich weiß nicht wirklich über ihr Liebesleben bescheid, Chie…“, Mai ließ ihren Blick kurz zu Boden sinken, „und… um ehrlich zu sein, ist es auch nicht mein Recht, mich in diese Angelegenheiten einzumischen. Ihre Klassenkameradin schmunzelte nur. „Nein, vielleicht ist es wirklich nicht unsere Angelegenheit.“
 

Chie nahm kurz die Brille ab und putzte sie an ihrer Jacke, hielt inne in ihrer Bewegung. „Das beweist, dass du wirklich eine Freundin für sie bist.“ Mai stutzte. Solche Worte von ihr zu hören, war neu für das Mädchen. „Und so etwas von dir… ich bin beeindruckt…“Als die Angesprochene jedoch lachte, und sich die Brille wieder auf ihren Nasenrücken schob, war Tokihas Verwunderung noch größer als zuvor. „Mai-chan! Du stellst mich hier als… Monster dar!“ – „Das tue ich nicht! Ich… bin… lediglich verwirrt… solche Worte hört man selten aus deinem Mund!“, rechtfertigte sie sich und schüttelte heftig den Kopf. „Das kann schon gut sein.“, entgegnete Chie höchst amüsiert. „Weißt du… du hast dich verändert. Genauso wie Natsuki. Eure Freundschaft… tut euch beiden gut. Ihr wisst es bloß nicht…“
 

„Wie meinst du das?“ Ihre Klassenkameradin jedoch antwortete nicht, haselnussfarbene Augen hatten einen verschwörerischen Ausdruck, der höchst passend zu ihrem Lächeln war. „Ge-hei-mnis…“, raunte sie und lachte, als Mai leicht verärgert schnaubte. „Nun komm… sonst sind wir zu spät im Unterricht!“ Tokihas Blick wanderte auf ihre Digitaluhr, ehe sie die Luft ausstieß. „Oh verdammt… du hast Recht! Gehen wir!“
 

In der Zwischenzeit war Natsuki nach draußen gehastet, der Kies knirschte leicht unter ihren Schritten. Es dauerte auch nicht lange, bis sie bei ihrem Motorrad angekommen war, einer 749er Ducati. Ein leichtes, wenn auch wehmütiges Lächeln huschte über die Lippen der Schülerin, als ihre Hand achtsam über den schwarzblauen Lack glitt, so als wollte sie die Maschine liebkosen. Doch dieser Ausdruck währte nicht lange, mit einer raschen Bewegung zog sie sich den Helm über und klappte das Visier herunter. Das Mädchen war ein Freigeist und brauchte diese Auszeit, als sie sich auf die Ducati schwang. Normalerweise hasste sie es, in der Schuluniform zu fahren, doch ihr Bikeroverall befand sich im Apartment.
 

„Seis drum…“, raunte sie zu sich selbst und startete die Maschine. Laut heulte die Ducati auf, als sie den Gang einlegte um den Campus zu verlassen. Niemand wunderte sich mehr über diese rebellische Schülerin, wenn sie über das Schulgelände heizte, um so schnell wie möglich zum nahegelegenen Highway zu kommen. Rabenschwarzes Haar flatterte wild im Fahrtwind, als sie die Kurve zur nächsten Straße schnitt, Natsuki war nie eine rücksichtsvolle Fahrerin gewesen, wenn dinge sie bedrückten. Das einzige, was zählte war Geschwindigkeit, dieses kleine Stück Freiheit welches sie sich selbst erlaubte. So war diese Situation keine Ausnahme in ihrem Leben. Ihr Herz schien aufzublühen mit jedem Kilometer den sie zurücklegte, Zerstreuung legte sich auf ihr schweres Gemüt und so ließ sie ihrer ungezähmten Wildheit freien Lauf.
 

Der Highway flog geradezu an ihr vorbei, um diese Uhrzeit war er kaum befahren. Eine Gelegenheit, die sich Natsuki gerne zunutze machte. Sie wusste um die Stoßzeiten und nutzte die Zeiten, in denen kaum Verkehr herrschte.
 

Dennoch… die Bilder suchten erneut ihren Kopf heim. Shizurus Berührungen… ihre Worte… alles schien an diesem Tag verändert. Sie war so besitzergreifend gewesen, als wäre dies das letzte Mal, dass sich beide so nahe kommen würden. Es waren nur Kleinigkeiten, doch Natsuki war alles andere als dumm. Sie… war nur zu unsicher, um Fragen zu stellen. Und wenn es sie es einmal wagte, prallte sie an dieser ewig lächelnden Fassade ab, an dieser Frau, die alles und jeden belächelte und Kuga behandelte wie ein kleines Kind. Doch… was war die Ursache für diese Wende? Bis zu jenem Zeitpunkt hatte sich Natsuki in diese Liebe fallen lassen, in diese unangebrachte Liaison. Es hatte für sie einen verbotenen Nachgeschmack, und dennoch willigte sie ein. Zwar wusste die Schülerin selbst nichts über die Liebe – woher auch, da sie niemals so ein großes Gebilde wie Fürsorge erfahren hatte? Sie wollte wissen, was die Menschen so sehr daran schätzten, an geheimen Küssen, Verabredungen… oder auch an den wirklich verbotenen Dingen hinter verschlossener Türe.
 

Immer wieder fragte sie sich, was in Shizuru vorging. Warum hatte sie solche Gefühle für Natsuki, stellte sich immer selbst in den Hintergrund? Sie seufzte tief und beschleunigte die Maschine, die gewohnte Strecke abfahrend. Der kalte Fahrtwind streifte ihre Beine und kurz schien sie zu frösteln, beschloss umzukehren um wieder in ihr Apartment zu kommen. An ihren gewohnten Platz wollte sie nicht mehr fahren, es erwies sich nie als sonderlich wohltuend sich der Vergangenheit auszusetzen. Dieses Kapitel wollte sie innerlich für sich selbst abschließen; wieder zu jenem Ort zu fahren würde alte Wunden wieder aufreißen und das wusste die Schülerin nur zu gut…
 

Deswegen machte sie sich wieder auf den Weg zu jenem Apartment, das sie ihr Zuhause nannte. Es war nicht sonderlich groß, aber für eine Person reichte es vollkommen. Natsuki stellte die Ducati in der Garage ab und warf sich die Aktentasche mit den Schuluntensilien über die Schulter, bestieg die Treppen bis zur Haustüre, mit der anderen Hand in der Jacke kramte sie nach dem Schlüssel. Ein leises Knacksen im Schloss zeugte davon dass die Türe offen war, mit der Schulter stieß sie gegen kühles Metall um sich Zutritt zu verschaffen.
 

Ebenso entledigte sich die Schülerin ihrer Jacke, die Tasche achtlos in die Ecke pfeffernd. In diesem Moment kam ihr der Gedanke vielleicht doch wieder für Ordnung zu sorgen, doch sie tat jene Tatsache als nichtig ab, wie so oft. Ihre Schritte führten sie zur weißen Couch im Wohnbereich, in welche sie sich lustlos fallen ließ. Tief seufzend räkelte sie sich auf dem Kunstleder, in Gedanken den Kühlschrank öffnend. Ihr fiel ein, dass sie wieder Einkäufe besorgen musste, da die Vorräte recht spärlich gesät waren. Mayonnaise, Cola… ein paar Fertiggerichte… irgendwo im letzten Eck war noch der Rest von Ramen, das Shizuru für sie zubreitet hatte. Die Ältere kam ab und an vorbei um Natsuki zu bemuttern, ihr war dies jedoch teilweise unangenehm. Schließlich hatte sich die Schülerin doch dazu entschlossen alleine zu leben – man konnte jedoch nicht abstreiten, dass sie innerlich froh war, für ein-zwei Tage Gesellschaft bei sich zu haben.
 

So war es wohl auch an diesem Tag, an dem sich Natsuki wünschte, jemanden zu haben mit dem sie reden konnte. Auch wenn sie oberflächlich dagegen sträubte sich an einen Menschen anzulehnen, so genoss sie es umso mehr in aller Stille. Mit einem Hauch von Frustration schnappte sich das Mädchen eines der Kissen auf der Couch und vergrub ihr Gesicht darin. Alles war so seltsam in letzter Zeit. Die Klassenkameraden, die sie mehr zu beachten schienen als sonst. Auch Mai hatte begonnen sich intensiver um Natsuki zu sorgen, ihr Essen mitzubringen, da sie schlichtweg vergaß sich etwas zuzubereiten. Und da war noch Shizurus merkwürdiges Verhalten seit dem Wochenende. Sie klammerte regelrecht. Nicht dass sie so etwas nie getan hätte – es war einfach nur die Tatsache, dass aus diesem Klammern eine regelrechte Besessenheit geworden war, diese Sehnsucht nach Nähe, die Natsuki nicht gewohnt war und regelrecht davon erdrückt wurde.
 

Träge schloss die Schülerin ihre Augen. Sie wollte doch nur wissen, was der Grund war. Trug sie selbst daran schuld, weil sie Shizuru früher immer abgewiesen hatte? Hatte sie ihr unbewusst Signale vermittelt, die sie so nie senden wollte? War es ein Fehler sich ihrem Drängen und Betteln hinzugeben? Nein – ein Fehler war es sicher nicht. Sie genoss die Nähe und die Aufmerksamkeit, auch wenn sie es nie zeigte und sich teilweise als übertrieben wehrhaft entpuppte, wenn es Gefühle betraf. Shizuru hatte ihr gezeigt dass eine Hand auch wärmend und liebevoll sein konnte, nicht immer nur bestrafend und grob, zurechtweisend oder einfach nur hasserfüllt. Diese Dinge waren neu für die Jüngere. Und… vielleicht hatte sie auch Angst davor. Was hieß hier vielleicht? Es war einfach so.
 

Ihre Fingernägel hinterließen ein leises, kaum hörbares kratzendes Geräusch am Kissen, als sie sich noch enger daran schmiegte, festkrallte. Langsam drehte sie ihren Körper mit dem Rücken zur Lehne und langsam konnte man an den gleichmäßigen Atemzügen erahnen, dass der Schlaf sie rücksichtslos überfallen hatte.
 

Sie konnte deswegen auch nicht hören, wie geraume Zeit später die Türe von außen geöffnet und wieder leise geschlossen wurde. Rubinfarbene Augen wanderten über den Boden und entdeckten die Aktentasche die in der Ecke einen Abstellplatz gefunden hatte. Kopfschüttelnd lächelte jene Person und strich sich aschblondes Haar aus dem Gesicht, ehe sie sich bückte und die Tasche aufhob um sie in den Wohnbereich zu bringen, sich insgeheim aber auch sorgend bezüglich Natsukis Schussligkeit. Immerhin hatte sie ja vergessen die Türe von innen abzuschließen. Alleine der Gedanke daran, dass hier jeder Mensch einfach ein- und ausgehen konnte, der sie beobachtet hätte, war schwer zu ertragen und noch schwerer zu verdauen.
 

Wieder einmal bempfing sie statt Natsuki das Chaos, oft hatte sich Fujino die Frage gestellt wie eine einzige Person es fertig brachte eine Wohnung aussehen zu lassen als hätten die Hell’s Angels für eine gesamte Woche campiert. Am Boden lagen Motorradzeitschriften, Schulbücher, vereinzelt sogar Kleidungsstücke.
 

Ihr Blick streifte die Couch. Ein Unterarm baumelte von der Lehne, darauf hatte sich ein Kopf gebettet, rabenschwarzes Haar ergoss sich über weißes Leder und erzeugte einen bizarren Kontrast, der unterschiedlicher nicht hätte sein können. Alleine die Art und Weise, wie unmöglich sich Natsuki betten konnte, erfüllte Shizuru mit einem unnachgiebigen Wunsch die Jüngere in den Arm zu nehmen oder ihre Angewohnheit als „süß“ zu betiteln. Ihr Kopf hatte sich auf der Schulter abgelegt, sodass der restliche Arm sich schier waagrecht vom Sofa abhob, den anderen Arm hatte sie um ihren Bauch geschlungen und das Kissen an geschmeidige Formen geklammert. Die Beine waren angewinkelt und eng an den Körper gezogen, Natsuki selbst nahm nicht einmal die Hälfte der Liegefläche ein, zusammengerollt wie ein kleiner Hund in seinem Körbchen erweckte sie den Anschein auf jemanden zu warten der sich ihrer annahm und sie liebkoste.
 

Die Ältere näherte sich der Couch, abwesend strich ihre Hand über die Textur des Leders, während ihr Blick auf Natsukis Gesicht hängen blieb. Die dunklen, langen und geschwungenen Wimpern waren für sie genauso von Unwiderstehlichkeit geprägt wie der leicht geöffnete Mund, die rosigen Lippen, ab und an verirrten sich schwarze Strähnen in dieses engelsgleiche Gesicht und verbarg teilweise diese friedliche und zufriedene Expression. Das Licht des Abends hatte sich durch die Jalousien gekämpft und erzeugte um Raum ein flimmerndes, streifenförmiges Gebilde aus Licht und Schatten, nachdenklich hatte Shizuru nun die Hand ausgestreckt und betrachtete ihre Haut im abwechselnden Spiel von Dunkelheit und gelblichem Schimmer.
 

Sie wünschte, sie hätte sich beherrschen können, als sie um das Sofa herumwanderte mit leisen Schritten, geschickt dem Arm ausweichend. Fingerspitzen strichen mit schier übertriebener Vorsicht das rabenschwarze Haar aus Natsukis Gesicht und legten es ab in jener Flut aus Seide. Die Ältere liebte es, mit ihren Haaren zu spielen, die Reflexionen von dunklem Blau in ihnen zu erahnen, wann immer das Licht die lange Pracht auch nur streifte. Wie oft schon hatte Fujino an dieses europäische Märchen denken müssen… mit Haut so weiß wie Schnee, das Haar so schwarz wie Ebenholz… und Lippen so rot wie Blut? Von wem es auch geschrieben worden war, sie schien es fest in ihrem Unterbewusstsein verankert zu haben. Und Natsuki verkörperte all dies, worunter sich die Ältere in Kindestagen eine Prinzessin vorgestellt hatte. Es war… ihre Prinzessin, die nur ihr alleine gehören sollte.
 

So fühlte sie sich auch versetzt in jene Rolle des Prinzen, der seine Angebetete aus langem Schlaf erwecken musste, nur zögern kniete sie sich auf den blaugrauen Teppichboden, die Augen halb geschlossen und liebevoll im Blick. Fingerspitzen tanzten wie ein Windhauch über die Wangen der Jüngeren bis zum Kiefer, hinunter zum Kinn welches sie vorsichtig umfasste um sich anzunähern. „Natsuki…“, flüsterte sie mit leiser, hingerissener Stimme, überbrückte das letzte bisschen Abstand, das beide Münder noch voneinander getrennt hatten. Zwar spürte Shizuru, dass ihre Bekundung nicht erwidert wurde, doch genoss sie es, der Anderen so nahe sein zu können ohne auf Gegenwehr zu stoßen wie sonst. Unbewusst zuckte die lange schlanke Hand der jungen Schülerin, verkrallte sich im Kissen als sich die Ältere schlussendlich löste und ihr Atem neckisch Natsukis Ohr streifte. „Aufwachen…“, raunte Shizuru, sichtlich entzückt über die Reaktion ihres Gegenübers, ihre Lippen legten sich auf dem Hals ab in liebkosender Manier. Die Ältere würde sie gewiss nicht drängen, ganz im Gegenteil, sie verhätschelte jenen Menschen, der ihr im Leben soviel bedeutete, Lippen wanderten über den Hals, den Natsuki mit leisem Seufzen gestreckt hatte um ihr so mehr „Angriffsfläche“ zu ermöglichen.
 

Ab und an beknabberte sie empfindliche Haut, bewegte sich in Richtung Ohrläppchen um es sanft mit der Zungenspitze anzustupsen. Die Resonanz darauf stellte Shizuru mehr als zufrieden, ein kaum hörbares Japsen nach Luft. Natsuki regte sich leicht unter jener Person, sie ihr eine solch süße Folter zuteil werden ließ, die Hand ließ ab vom Kissen und krabbelte über das geschmeidige, leicht rissige Leder, ließ sich an der Jacke der Älteren nieder um sich im Stoff zu verkrallen. Immer näher zog sie Shizuru an sich, die Augen waren zwar noch geschlossen, sie selbst noch nicht richtig wach, doch all diese Signale, die ihr dieses Wohlbefinden übermittelten, wollte sie nicht missen.
 

Fujino lächelte wehmütig, sichtlich berührt von dem, was sich ihr bot. In diesem Moment hatte sie Skrupel fortzufahren wie sie es geplant hatte, stattdessen rückte sie näher, gab Natsuki die Gelegenheit, den Kopf an ihre Brust betten zu können, was auch bedingungslos angenommen wurde. Lange schlanke Finger verirrten sich im dunklen Haar, strichen es im langsamen Rhythmus beiseite, Fingernägel zeichneten kleine Kreise auf Schläfe und Stirn. Kuga zitterte leicht, ihr Atem schien sich zunächst zu beschleunigen, ehe er sich Shizurus Herzschlag anzupassen schien, den sie so nahe bei sich hörte. Dieses Gefühl von Wohlbefinden breitete sich im gesamten Körper aus und verursachte Entspannung in den zusammengekauerten Gliedern.
 

Was war dies nur in Shizurus Herzen, dieser leichte Stich, der sich anfühlte wie tausende von Nadeln? Als sie so am Boden kniete, Natsukis Kopf an ihre Brust gebettet und zusätzlich mit einer Hand Halt vermittelte, hatte sie dieses… Gefühl. Es war so einnehmend, besitzergreifend, überwältigend. Kurz löste sich eine Hand aus dem Haar der Jüngeren und strich über die eigene Wange, im Glauben ihr eigenes Haar hatte sich aus der hochgesteckten Frisur gelöst und kitzelte an ihrer Haut. Als sie jedoch feststellte, dass es eine einzelne träne war, die sich ihren Weg aus rubinfarbenen Augen gebahnt hatte, lächelte sie. Es klang absurd, doch… sie lächelte. So wehmütig. Ergriffen über sich selbst.
 

„Was ist das nur…?“, flüsterte sie zu sich selbst und beobachtete Natsuki, die sich an ihre Jacke gekrallt hatte um Hals zu suchen. „Wahrlich… Natsuki macht mich… so verwundbar…“, fuhr sie tonlos fort, dieses Lächeln jedoch verschwand nicht aus ihren Gesichtszügen, ehe sie sich wieder der Jüngeren zuwandte. Lippen ließen sich auf der Stirn nieder, der Kuss gewann an Intensität, beabsichtigend die Jüngere zu wecken und aus dem Reich der süßen Träumerei zu führen.
 

„Natsuki…“ Die Angesprochene murrte leise, vergrub ihren Kopf weiter in den Oberkörper der Älteren und dachte noch gar nicht daran aufzustehen. Allerdings machte sich ihr Magen bemerkbar, der ein beachtliches Knurren von sich gab. „Wenn du willst, dass ich dir Abendessen mache, musst du es mir schon sagen… und dazu… muss Natsuki wach werden…“, raunte Shizuru liebevoll ins Ohr der Jüngeren und hauchte einen Kuss auf diese Stelle. „Mhhhhhhh…“
 

Es schien ihr viel Kraft zu kosten, sich von der Brust des Gegenübers zu lösen, zu spät bemerkend, dass zwischen Shizuru und der Couch eine Kluft bestand und sie im Begriff war unsanft am Boden zu landen. In jener Schrecksekunde zuckte die Jüngere zusammen, die Augen weit geöffnet als sie sich reflexartig an die Lehne des Sitzmöbels klammerte um das Gleichgewicht zu halten. Ihr Herz raste in jenem Augenblick, als sie aufrecht dasaß und Shizuru musterte, die ein verhaltenes Schmunzeln auf den Lippen trug.
 

„Shi… Shizuru…“, wisperte die Jüngere scharf und griff sich an die Brust. „Gott, hast du mich jetzt erschreckt!“ Die Angesprochene lachte leise hinter vorgehaltener Hand. „Verzeih… ich wusste nicht… dass Natsuki so schreckhaft ist…“ Kurz legte Kuga den Kopf in den Nacken und war sich nicht sicher ob diese… Wärme, all das, was ihr widerfuhr, nur ein Traum war. Sie wollte sicher gehen. „Wie lange… bist du schon hier?“
 

„Ist das… so wichtig für Natsuki? Zeit… ist doch relativ…“, raunte Shizuru zärtlich, ihr Blick verbarg sich hinter goldenen Wimpernkränzen, als sie die Augen für einen Moment schloss und ihre Hände vorsichtig auf der Couch ruhen ließ. „Allerdings… sollte Natsuki nächstes Mal die Türe schließen. Es gibt auch Menschen, die dir nicht so wohlgesinnt sind… wie ich es bin…“, fuhr sie mit belehrendem Unterton fort, doch schien Natsuki von jener Botschaft nicht allzu viel aufzunehmen, als sie sich viel mehr auf den samtigen Klang der Stimme konzentrierte, sich von ihr die Sinne vernebeln ließ. „Oh…“, war das einzige, was die Jüngere über ihre Lippen brachte, wandte kurz den Blick ab. „Stimmt… du hast ja einen Zweitschlüssel… tut mir leid, Shizuru…“ Die Angesprochene öffnete langsam ihre Lider, Rubin stahl sich auf so wunderbare Weise in dieses dunkle Grün, das sich mit Worten nicht beschreiben ließ. „Natsuki ist so ein zerstreutes Mädchen…“, raunte sie, legte den Kopf kurz auf die Seite, ehe sie sich erhob. „Aber… das liebe ich auch an Natsuki so sehr…“, fuhr sie mit zärtlichem Lächeln fort, ihre Hand streifte die Schulter der Jüngeren im Vorbeigehen. Kuga zuckte kurz bei dieser kurzen Berührung zusammen, reflexartig ergriff sie die Hand der Älteren, wollte sie bei sich haben. „Shizuru…“, murmelte sie abwesend. „Ja?“
 

„…nichts…“, antwortete Natsuki eher beiläufig, hinterließ den Hauch eines Kusses an Shizurus Handrücken, worauf sich bei dieser eine leichte, kaum sichtbare Röte an den Wangen deuten ließ. Insgesamt hatten ihre Augen diesen verschleierten Eindruck erhalten, als hätte die Jüngere großartiges vollbracht. „Ich schätze… Natsuki hat Hunger, nicht wahr?“ Diese nickte nur, richtete petrolfarbene Augen auf Shizuru, die diesen fragenden Blick auf sie fixiert hatte, dann aber wandte sie ihn ab und begab sich in die Küche um das Essen zuzubreiten, ließ die Jüngere auf der Couch zurück, die nun die brennende Röte im Gesicht bemerkt hatte und es in das kühle Kissen vergrub, wie so oft wenn sie ihre Röte verbergen wollte.
 

Abwesend spielte sie mit einer Haarsträhne, ließ diese über ihren Hals gleiten, ihr Kinn. Vielleicht hatte sie sich das Ganze nur eingebildet, allerdings rochen ihre Haare… ein Teil ihres Sweaters nach Shizuru. Als sie sich unbeobachtet fühlte, roch sie abwesend am Ärmel ihres weißen Kapuzenpullis, schloss die Augen in schier verträumter Manier. Dabei drückte sie das Kissen wieder eng an sich, starrte an die weiß gestrichene Zimmerdecke. Von der Küche hörte sie Geräusche von Kochuntensilien, das Öffnen des Kühlschranks. Ob Shizuru wohl noch brauchbare Zutaten in dieser Einöde fand? Das schien wohl mehr als fraglich, außer sie hatte Gemüse mitgebracht. Schließlich versuchte die Ältere, sie immer noch von einem gesünderen Lebenswandel zu überzeugen, was allerdings auf wenig Gegenliebe ihrerseits stieß. Natsuki konnte nicht kochen und sie sah sich auch nicht als Heimchen am Herd. Wie gut es doch tat, jemanden zu kennen, der es zumindest mit Leib und Seele betrieb, dachte sie sich mit einem abwesenden Lächeln, der Geruch von Frühlingszwiebeln und Nudeln stieg ihr in die Nase. Was Shizuru wohl zubereitete? Wieder Ramen? Oder verfeinerte sie eines der Fertiggerichte auf ihre At und Weise? Ebenso machte sich diese feine Nuance von Sojasauce und Curry, vielleicht auch Honig in der Luft bemerkbar.
 

Gerade so, als würde ihr Magen elendiglich verhungern, knurrte dieser aus Protest, kurz hielt sich Natsuki mit frustrierter und ungeduldiger Miene den Bauch. „Sei doch still…“, murrte sie leise zu sich selbst, beugte sich schlussendlich nach vorne um die Schuhbänder der Sneakers zu lösen und sich aus den Schuhen zu befreien. Lustlos kickte sie diese auf den Boden, wo immer sie auch landen mochten, es interessierte die Jüngere nicht, solange sie nicht von ihnen Gebrauch nehmen würde.
 

Die Schülerin lehnte den Kopf über die Lehne, streckte ihren Nacken durch. Nach kurzer Zeit schmerzten ihre Augen von jener verdrehten Umwelt, zwar konnte sie einen Blick zur Küchenzeile erhaschen, doch es plagte sie ein leichter Schwindel und sie schloss erneut die Augen im Reflex. Sie glich in diesem Moment wirklich einem Hund, der sehnsüchtig auf Aufmerksamkeit wartete, als sie die Lider wieder öffnete, konzentrierte sie sich abwesend auf ihre Fingernägel, wissend, dass diese eigentlich wieder geschnitten werden sollten. Der Daumennagel war ihr heute schon abgesprungen, als die Hand gegen den Sichtspiegel der Ducati stieß, an diesem Tag trug sie ja keine Handschuhe.
 

Es waren lauter belanglose Dinge, über die sich die Jünger im Moment den Kopf zerbrach. Solange Shizuru hier war, in diesem Apartment, so brauchte sie sich keine Gedanken über sie zu machen – höchstens über das Fernsehprogramm am Abend… oder sonstige „wichtige“ Dinge, die sie gerade beschäftigen.
 

Shizuru hätte sicher wieder ihren berühmten Spruch beigetragen, wie genügsam und simpel gestrickt die Jüngere eigentlich war, da sie sich mit so ziemlich allem zufrieden gab, was man ihr so zur Unterhaltung oder zum Essen vorsetzte. Kurz rollte sie mit den Augen, als ihr jenes Zitat in den Sinn kam. Sie? Einfach zu unterhalten? Nunja… vielleicht… stimmte es ja doch.
 

Das Geräusch von Geschirr riss sie aus ihren Gedanken. Shizuru hatte wieder den Wohnraum betreten und stellte die Schüsseln mit dampfendem Inhalt am Tisch ab, der sich etwas abseits von der Couch befand. Etwas mühselig erhob sich die Jüngere, wartete bis die Ältere Platz auf dem Boden genommen hatte und tat es ihr gleich, die Stäbchen entgegennehmend.
 

In der Tat handelte es sich um eines der Fertiggerichte, doch der Geruch hatte eindeutig die Note von Shizurus Essen. Grinsend und schwelgend im Paradies der Aromen schwieg sie kurz, ehe sie den Blick senkte, beobachtet von ihrem Gegenüber die dieses allwissende Lächeln auf ihrem Gesicht trug. Und solange Natsuki mit dem glücklich war, was Shizuru für sie tat, so war auch sie zufrieden.
 

„Itadakimasu…“
 

Natsuki blickte auf und lächelte.
 

„Itadakimasu…“

Kapitel 3

Kapitel 3
 

Mit einem zufriedenen Seufzen streckte sich Natsuki, als sie die Essstäbchen beiseite legte. Das Essen hatte wie immer, wenn Shizuru für sie gekocht hatte, vorzüglich geschmeckt, auch wenn die Jüngere stets bemerkt hatte, wie der Blick der Anderen auf ihr hing. Während des gesamten Essens hatten Beide geschwiegen, doch Natsuki hatte sich mehr als nur beobachtet gefühlt. Immer noch hatte sie dieses Lächeln ihres Gegenübers in Gedanken, als sie mit leuchtenden Augen das Mahl zu sich nahm, selbstverständlich auch nicht die Flasche Mayonnaise außer Acht lassend die zusätzlich am Tisch stand. War die junge Frau denn so vorhersehbar?
 

„Ich hoffe doch, Natsuki hat das Essen geschmeckt?“ Shizurus sanfte Stimme holte Kuga aus ihrer Gedankenwelt in die Wirklichkeit zurück. Mit etwas nachdenklicher Miene nickte sie als Antwort und starrte auf die Stäbchen, gerne hätte die noch etwas Nachschub gehabt, doch die Ältere darum anzubetteln erwies sich wohl doch als sehr unverschämt, deswegen beließ sie das ganze nur mit einem wehmütigen Blick auf die geleerte Schüssel. Fujino schmunzelte. „Natsuki ist wirklich wie ein kleines Kind…“, bemerkte sie mit neckischer Stimme, sodass der Betroffenen wahrlich die Haare zu Berge standen. Mit schmollender Miene verschränkte sie die Arme demonstrativ vor der Brust und wollte zu einer schwallenden Rede ausfahren, doch das einzige was über ihre Lippen kam, war ein trotziges “Bin ich gar nicht…“
 

Verdutzt traf der Blick aus rubinfarbenen Augen auf die Jüngere, ehe Shizuru in gedämpftes Lachen ausbrach, die Hand vor den Mund halten. „Also… nein. Natürlich nicht…“, prustete sie etwas unbeholfen, als sie Natsukis Stolz anscheinend noch um einiges mehr ankratzte. Diese erhob sich mit einem Ruck und wandte den Blick ab, ihr Gesicht war von einer ansehnlichen Röte geprägt. Mit einer schnellen Bewegung schnappte sie ihre Schüssel und war im Begriff, den Tisch abzuräumen, als die Ältere sie schmunzelnd abhielt. „Ich mache das schon. Natsuki kann ja in der Zwischenzeit fernsehen…“ Die Angesprochene rollte mit den Augen. „Sprich nicht so mit mir! Ich bin doch keine 5 mehr!“ Daraufhin erntete sie ein zurückhaltendes Kichern, verärgernd die Luft ausstoßend machte die Jüngere am Absatz kehrt und ließ sich auf die Couch fallen. Mit einer Hand angelte sie nach der Fernbedienung und betätigte das TV-Gerät. Allerdings schien an diesem Abend nichts Prickelndes zu laufen. Polit-Diskussionen, Sit-Coms, Gerichtshows. Wie mechanisch schaltete sie schließlich um, bis sie zu finden schien, was sie wollte. Formel 1. Sich erneut auf der Couch streckend leckte sich die Jüngere über die Lippen und ließ sich vom Kommentator berieseln, während Shizuru damit beschäftigt war, den Abwasch zu erledigen. Jeder Andere hätte bei dieser Rollenverteilung den Kopf geschüttelt, doch schien dieses Mutter-und-Kind Klischee auch bei den Beiden zu funktionieren. Zumindest war hier klar, wer bemuttert wurde, und auch wenn man sich oberflächlich dagegen wehrte, so akzeptierte man es tief im Innersten aus diversen Gründen.
 

Shizuru war für Natsuki zu Beginn mehr wie eine große Schwester gewesen als eine Geliebte. Doch so wollte sie es nie ausdrücken, vor allem weil „Geschwister“ nicht solche Dinge unter Ausschluss der Öffentlichkeit anstellen würde… oder im Bett, sobald das Licht erloschen war. Bei diesem Gedanken zog sich der Jüngeren alles zusammen. Was um Himmels Willen dachte sie sich bloß wieder zusammen? Vielleicht half ja ein Blick auf den Bildschirm und der Eindruck bestätigte sich, als ein BMW aus der Kurve schlitterte und gegen die Abgrenzung prallte. In der Zeitlupenansicht konnte man erkennen wie vereinzelte Motorenteile umhergeschleudert wurden in einem Meer aus aufgewirbeltem Kies und Staub. Mit einem zufriedenen Grinsen räkelte sich Natsuki auf der Liegefläche. Sie konnte BMW ohnehin auf den Teufel nicht ausstehen. Solange Ferrari im Rennen lag, so würde sich auch ihre Laune um einiges heben.
 

So bemerkte sie auch nicht Shizuru, die sich leise neben die Couch gestellt hatte und ein Tablett in ihren Händen hielt. Nach einiger Zeit schien Natsuki auch tatsächlich die Gegenwart der Älteren neben sich zu spüren und sah auf. „Shizuru?“ Diese schmunzelte nur. „Vielleicht hätte ich Natsuki noch sagen sollen, dass es Nachtisch gibt?“ Wie auf Stichwort begannen ihre Augen dabei zu leuchten, als die Jüngere sah, was es denn noch zum Dessert gab. Es war ihr Lieblingsgericht, Mangopudding mit Kokosmilch. Mit überglücklicher Miene nahm sie der Älteren das Tablett ab und machte ihr Platz, sodass sich Shizuru ebenfalls auf der Ledercouch niederlassen konnte.
 

Diese lächelte nur sachte und nahm mehr oder minder gesittet Platz, jedoch nicht ohne Natsuki enger an sich zu ziehen, den Arm auf ihrer Schulter ablegend. Die Jüngere wusste daraufhin, was nun folgen würde. Der Kampf um den Sender. Shizuru war nicht unbedingt der Typ, der auf Sportsendungen versessen war – gut, welche Frau war das schon, außer Natsuki selbst?
 

Deswegen gab sie die Fernbedienung schon freiwillig weiter, an diesem Abend war ihr nicht nach Diskussion zumute. Sie wollte sich einfach fallen lassen – dies natürlich möglichst unauffällig. Shizuru schmunzelte. Sie hatte diesen Wandel in Natsuki sehr wohl bemerkt und streifte mit ihren Fingern kurz die Hand der Jüngeren, ehe sie das Gerät an sich nahm und auf einen anderen Sender schaltete. „Natsuki ist heute so… zuvorkommend. Darf man wissen warum?“, fragte sie mit einem bezaubernden Lächeln als sie schlussendlich eine Sendung gefunden hatte, die ihr mehr ins Konzept passte. Die Angesprochene blinzelte kurz und sah auf. „Ich… wüsste nicht was du meinst…“, murmelte sie, sichtlich verlegen und leckte den Dessertlöffel ab, an dem sich noch etwas Sahne befand. „Wirklich… Natsuki ist so ein unkompliziertes Mädchen…“, begann Shizuru nach einer Weile, als Beide den Film zusammen betrachteten. Die Jüngere hatte ihren Kopf träge an Shizurus Oberkörper gelehnt und delektierte sich an der Nachspeise, die – natürlich – mehr Aufmerksamkeit benötigte als dieser alte Liebesfilm, der in der Edo-Epoche spielte. Sie wusste ja schon Bescheid um den Geschmack der Älteren, stellte keine Fragen mehr und erst Recht hatte sie sich abgewöhnt, irgendwelche belanglosen Kommentare darüber zu streuen.
 

„Vielleicht hast du ja Recht…“, murmelte Natsuki als sie kurz davor war, einen Bissen zu sich zu nehmen, so klang dies eher beiläufig und ausweichend. „Natsuki gibt mir Recht? Welchen Tag haben wir heute? Das muss ich im Kalender eintragen…“, entgegnete Shizuru schmunzelnd und zauste abwesend eine dunkle Haarsträhne. Die Jüngere rollte leicht mit den Augen als sie Fujinos Gesicht fixierte. „Sind wir heute wieder lustig…“, murrte sie, doch dieser Groll hielt nicht lange an. Irgendwie musste sie auch selbst darüber schmunzeln, als sie den Löffel an ihre Lippen führte. Allerdings empfand sie es als befremdlich als Shizuru nach genau dieser Portion die Augen nicht mehr von ihr ließ.
 

Es verursachte ein seltsames Gefühl in ihr und so legte sie den Kopf in den Nacken, Petrol fixierte intensiv leuchtendes Rubin. „Hab’ ich was im Gesicht oder warum starrst du mich dauernd an?“ Shizuru nickte lächelnd. „Ja, das hast du…“, gurrte sie leise, ehe sie ihren Kopf vornüber lehnte und zärtlich über Natsukis Lippen leckte, an denen etwas Sahne klebte. Dieser süßliche Geschmack von Mango schien die Ältere geradezu zu beflügeln, als ihre Zungenspitze die Konturen des Mundes nachzogen, so bedacht und langsam, als wollte sie die Jüngere nicht verschrecken. Diese hatte das kleine Tablett auf ihren Knien abgelegt, die Hand lag etwas hilflos und unbrauchbar auf Shizurus Oberschenkel. Mit geschlossenen Augen ließ sie es mit sich geschehen, verfluchte die brennende Röte im Gesicht, als sie der Situation mehr oder weniger ausgeliefert war.
 

Als Shizuru kurz von ihr abließ, schnaufte Natsuki und schnappte nach Luft; Nicht aus Gründen der Atemnot, eher war sie überrumpelt worden und dies war eine Tatsache, die sie so gar nicht mochte. Doch als sie zum Redeschwall ausholen wollte, sah sie dieses glückliche und zufriedene Lächeln der Älteren und beließ es dabei, die Luft hörbar auszustoßen. „Du hast dir selbst keine Nachspeise gemacht?“, fragte Natsuki leise und die Angesprochene schüttelte leicht den Kopf. „Es waren nur noch Zutaten für eine Portion da.“, erklärte sie ihr, die Ruhe in Person. Kurz biss sich die Jüngere auf die Unterlippe und schielte zum Tablett. Es war noch ungefähr die Hälfte ihrer Portion da. Sie fühlte sich irgendwie schlecht, deswegen schob sie auch das Tablett wortlos in Shizurus Richtung, sah kaum dabei auf. „Es wäre nicht sonderlich fair, wenn nur ich was davon habe…“, murmelte sie sichtlich verlegen und rutschte ein Stück zur Seite, damit sie Fujino nicht beim Essen behinderte. „Aber…“ – „Nix aber! Essen!“, entgegnete Natsuki etwas brüsk, alles andere als romantisch – sprich, weit entfernt von dem, was man sich unter einer romantischen Unterhaltung vorgestellt hatte. Doch die jüngere war meistens hoffnungslos überfordert mit blumigen Ausschweifungen und brachte dies mit ihrer leicht burschikosen Art und Weise zum Ausdruck. Kurz und Prägnant.
 

Kurz hoben sich die Augenbrauen der Älteren, sie sich die Hand vor ihren Mund hielt und in Gelächter ausbrach. „Was ist jetzt schon wieder?“, grummelte Natsuki, im Glauben etwas Falsches gesagt oder getan zu haben. „Nichts…“, stammelte Shizuru, bemühte sich schleunigst wieder um ihre Fassung, doch war immer noch dieser Schalk in ihren Augen, das verschmitzte Grinsen auf ihren weichen Lippen. „Es ist nur… Natsuki ist einfach zu süß. Viel… süßer…“, fuhr sie mit umschmeichelnden Worten fort, noch während sie sprach, stellte sie das Tablett auf den Boden, nur um sich der Jüngeren zu widmen,“ … als es jede Nachspeise sein könnte…“
 

Jede einzelne Silbe war von Sinnlichkeit und Wärme geprägt, heißer Atem streifte die vollen Lippen der Schülerin, bat um Einlass. „Shi… Shizuru…“, flüsterte Kuga, etwas überrascht von dieser unvorhersehbaren Wende als sie versuchte, zurückzuweichen. Mittlerweile war die Ältere über ihr, ihre Hand liebkoste sachte Natsukis Wange, versuchte sie auf die Weise zu beruhigen, so als war die Schülerin ein eingeschüchtertes Tier, das es zu besänftigen galt. Jede einzelne Berührung verursachte dieses seltsame Prickeln auf weicher Haut, langsam senkten sich die Lider mit den dunklen Wimpernkränzen, die Farbe von Petrol hatte sich um eine Nuance verdunkelt, bevor sich die Augen endgültig schlossen. Zaghaft und geprägt von Zärtlichkeit ließen sich Shizurus Lippen auf denen ihrer Liebsten nieder, der Kuss war zerbrechlich und glich dem Flügelschlag eines Schmetterlings.
 

Jede ihrer Liebkosungen war so liebevoll und bedächtig, als wollte sie Natsuki für ihr besitzergreifendes Verhalten in der Schule entschädigen. Nur langsam trafen ihre Lippen auf jene der Jüngeren, immer und immer wieder. Sie ging äußerst behutsam vor und bereitete das Mädchen auf all jene Dinge vor, die sie im Sinn hatte. Natsukis Arme, die zuvor noch über der Lehne hingen in hilfloser Manier, hatten sich nun selbständig gemacht und suchten Halt an Shizurus Rücken, leise sirrte der Stoff der Jacke unter ihren Fingernägeln. Sie spürte wie sich ihr Gesicht wieder erhitzte, ein kaum hörbares Seufzen drang aus ihrer Kehle als sich beide Körper vollends berührten, vorsichtig ließ sich die Ältere auf sie sinken und stützte sich mit einer Hand auf der Couch ab. Wie auf ein stummes Bitten hin öffnete sich ihr Mund, während Shizurus Zunge gemächlich ihre Lippen umspielte, gefühlvoll eindringend.
 

Wärme empfing sie und verursachte ein leichtes Zucken ihres Körpers, Schauer liefen immer und immer wieder über ihren Rücken und das Blut pulsierte in ihren Adern. Beide waren sich in diesem Moment so nahe, so inniglich vereint. Als Natsuki ihre Augen einen Spalt weit öffnete, erahnte sie diesen ungewohnten Glanz in rubinfarbenen Leuchtfeuern, als war die Ältere den Tränen nahe. Shizuru war so ergriffen von dieser Kindlichkeit, der Art und Weise wie sich die Jüngere ihr darbot, ihr vertraute. Hätte sie solche Dinge einige Jahre früher gewagt… wer weiß, wie die Reaktionen verlaufen wären. Doch solch eine Offenheit und Bereitschaft zu erleben… es war ein hartes Stück Arbeit gewesen, die oft mit Bitterkeit und Enttäuschung geendet hatte.
 

„Natsuki macht mich einfach schwach…“, flüsterte die Ältere liebevoll, fuhr mit der Liebkosung fort, während die Jüngere sie so fest an sich zog, wie es nur möglich war. Leise seufzend drehte sie ihren Kopf zur Seite, ihren Hals freilegend. Shizuru nahm diese unausgesprochene Einladung nur zu gerne an, Lippen erforschten jedes Stück blasser Haut und ernteten ein leises, zittriges Aufstöhnen, als sie hier und da gnadenlos die empfindlichen Stellen entdeckte und sofort in ihr Gedächtnis einprägte. Hände begaben sich auf Wanderschaft, Fingerspitzen krabbelten über den Sweater, abwärts zum Saum um diesen Stück für Stück nach oben zu schieben bis zu den Rippenbögen. Stoff raschelte kaum merklich, als sich Shizurus Körper dabei nach unten bewegte.
 

Als sie den ersten, zarten Kuss auf Natsukis Bauch platzierte, bemerkte sie lächelnd wie sie diesen unbewusst einzog, die Haut spannte sich an und zitterte merklich. Aschblonde Haarspitzen kitzelten an empfindsamen Stellen und raubten der Jüngeren die Luft, als sie die Augen zusammenkniff und ihre Lippen fest verschlossen hielt, hoffend dass „unangebrachte“ Laute ihre Erregung nicht verraten würden. Shizuru jedoch war gnadenlos in ihrem Handwerk. Gekonnt schaffte sie es, Natsuki aus der Fassung zu bringen, unwillkürlich stieß diese die Luft aus, ein kleines Wehklagen entrann ihrer Kehle, während die Ältere die Lippen leicht öffnete und warmer Atem an der feuchten Spur, die von den Rippen zum Bauchnabel führte, einen eisigen Schauer hinterließ. Kuga bäumte sich leicht auf, Atemzüge kamen in kurzen, abgehackten Zügen zutage, ihre Stimme vibrierte leicht, als sie um Fassung rang.
 

Jede Berührung kam einer süßen Folter gleich, als Fujino ausdauernd den Bauchnabel der Jüngeren liebkoste, mit der Zungenspitze eintauchte und den kleinen Spalt der Länge nach umschmeichelte. Natsukis Fingerspitzen krallten sich in der Jacke fest, im fortschreitenden Verlust ihres Verstandes versuchte sie das störende Kleidungsstück von ihren Schultern zu zerren, dafür ein belustigtes Kichern von ihrem Gegenüber erntend. „Nana, wird Natsuki schon ungeduldig?“, nuschelte sie mit der reinen Absicht von Provokation, löste sich kurz, um den Stoff von ihren Schultern fallen zu lassen, dabei wurde sie von der Jüngeren gebannt beobachtet. Sie wunderte sich jedes Mal, mit wie wenig Aufwand es Shizuru beherrschte, sich aus der Hülle zu lösen und es auch noch so verdammt unwiderstehlich aussehen zu lassen.
 

Die Röte in ihrem Gesicht vermehrte sich und sie schluckte, dennoch hatte sie keine Kontrolle mehr über ihre Hände, die wie mechanisiert zu den Hüften der Älteren wanderten, sich an ihren Seiten niederließen und mit bestimmtem Druck auf- und ab strich. Rubinfarbene Augen verbargen sich hinter den Augenlidern und ein leises Seufzen kämpfte sich aus halbgeöffneten Lippen. Schließlich wusste Shizuru, dass Natsuki, egal wie unerfahren sie war, lieber die führende Position einnehmen wollte. Es lag der leicht burschikosen Schülerin einfach im Blut, sie wollte, beziehungsweise konnte sich nicht einfach zurücklegen und genießen, war ihr dargeboten wurde, nein; Wie ein kleines Kind war sie erpicht darauf, alles zu entdecken, zu ertasten und zu schmecken. Als sich ihre Fingerspitzen schlussendlich auf dem untersten Knopf der Bluse niederließen, kämpfte auch Shizuru um ihre Beherrschung, dennoch hatte sie ein Schmunzeln auf ihren Lippen, das nichts Gutes verhieß. Auch ihre Hände hatten sich wieder in Bewegung gesetzt und schmiegten sich eng an die Haut von NAtsukis Oberschenkeln, rutschten unaufhörlich nach oben.
 

Scharf zog die Jüngere die Luft ein, presste ihren Oberkörper harsch in das weiße Kunstleder, wo sie sich zu ihrem Nachteil regelrecht festgenagelt fühlte. Eine Hand schob sich zwischen die langen, schlanken Beine, um so einen Zwischenraum zu schaffen. Schlagartig bildete sich eine verräterische Gänsehaut auf den Schenkeln und Natsuki kämpfte gegen den inneren Drang an, ihrer Lust dementsprechend Luft zu machen, ihr Brustkorb erschien ihr in diesem Moment wie zugeschnürt; Ihr Herz schlug so hart und laut gegen die Rippen, dass sie fürchten musste, Shizuru könnte davon Notiz nehmen.
 

Angetrieben vom rasenden Puls zerrte die Jüngere ungeduldig am Knopf, nestelte am Stoff, bis sie es irgendwie zustande brachte, die erste Hürde zu überwinden. Ihr Atem ging stoßweise, setzte immer wieder aus, je näher sich Shizurus Finger dem Ziel näherten. Insgeheim fragte sie sich, warum sie sich ihr so kampflos überließ. Vielleicht war dieses Mal die Chance, sich mit ihr zu vereinen, es war niemand anwesend, der Beide hätte stören können. Der Moment schien einfach perfekt.
 

Der zweite und der dritte Knopf ergaben sich ebenfalls mit geringem Widerstand, ein weißer Spitzen-BH schimmerte durch den Stoff der Bluse hindurch. Natsukis Augen weiteten sich merklich, als sie eine Bewegung wahrnahm, das Gefühl von Haut an Haut als ihre Hand sich am Bauch der Älteren niederließ und inspizierte, was sich längere Zeit vor ihr verborgen gehalten hatte. Shizuru holte hörbar Luft, als Natsuki beide Hände an ihren Bauch legte und mit ungeübter, leicht grober Manier an ihr hoch glitt, die Rippen ertastend, ebenso wie die Bügel des BHs, den Spitzenstoff. Der Atem der Älteren setzte für einen Augenblick aus, doch dann beugte sie sich über die Jüngere, gab ihr, was sie wollte, ein kaum ersichtliches Lächeln auf den Lippen.
 

Auch wenn man es ihr äußerlich kaum ansah, so tobte in ihrem Inneren im wahrsten Sinne des Wortes eine Feuersbrunst, die mit Wasser nicht mehr zu löschen war. Fujinos Selbstbeherrschung hatte schon seine Grenzen erreicht, mit einer sanften, aber bestimmten Bewegung spreizte sie die Beine Natsukis, ihr Knie dazwischen platzierend, dabei den Rock beiseite schiebend in schier erwartungsvoller Manier. Ihr Gegenüber hatte überrascht nach Atem gerungen, ihre Hände erstarrten mitten in der Bewegung, als sich diese auf die Brüste der Älteren abgelegt und leichten Druck ausgeübt hatten. Wie ein schlangenähnliches Wesen hatte Shizuru die Schülerin wieder in ihren Bann gezogen, rubinfarbene Augen waren auf sie gerichtet, lange schlanke Finger erfühlten Satin von Natsukis Unterwäsche, zogen die Nähte von spärlich vorhandenem Stoff nach. Wann immer sie dabei zufällig empfindsame Haut streifte, zuckte das Becken der Jüngeren merklich zusammen. Die Aufregung war nicht zu übersehen, Pupillen waren so stark geweitet, dass jeglicher Lichteinfall vom Fernseher fast schon als störend empfunden wurde, Nerven standen unter Hochspannung und Impulse jagten unaufhörlich durch den sehnigen Körper.
 

Ihre Stimme war ungewöhnlich hoch, als sich ein leises Stöhnen aus den halbgeöffneten Lippen stahl, ihr Mund fühlte sich trocken an durch die scharfen Atemzüge. So absurd es klang, sie sehnte sich nach Wasser um ihre Kehle zu benetzen, unbewusst schnellte ihre Zunge hervor und befeuchtete die leicht spröden, empfindlich gewordenen Lippen. Shizurus Blick entging nichts, mit einem Schmunzeln überbrückte sie den letzten Meter, der sie von ihrer Liebsten trennte, zunächst noch Unverständnis dafür erntend, als die Jüngere den Kopf zur Seite drehte. Mit der Nasenspitze stupste die Ältere Natsukis Kinn an, dirigierte sie erneut in ihr Blickfeld, ehe sie ihr einen Kuss stahl. Von dieser anfänglichen Zärtlichkeit und Zurückhaltung war nicht mehr viel geblieben, viel mehr überwog die Lust, das Verlangen nach der Verschmelzung Beider. Natsuki hatte die Augen zusammengekniffen und konnte sich kaum zurückhalten, als sich kühle Finger an ihrem erhitzen, empfindsamen Punkt niederließen und kreisende Bewegungen ausübten. Ihr kehliges Ächzen erstarb in der Leidenschaft des Kusses, klang undeutlich und erdrosselt, während sich das Becken zitternd anhob.
 

Ja, es hätte so schön sein können. Shizurus Bewegung erstarrte für einen Moment, als sie eine leise Melodie hörte, deren Lautstärke sich in Sekunden hob. Die Jacke am Boden begann merklich zu vibrieren, und für einen kurzen Moment konnte man die Verzweiflung in den Augen der Älteren sehen. Mit der freien Hand angelte sie nach der Kleidung, die andere jedoch bleib an ihrem heiklen Platz. Natsukis Blick war von Unverständnis geprägt, kaum merklich rollte sie mit den Augen während ihr Atem noch immer ziemlich flach und abgehackt vonstatten ging. „Leg doch einfach auf…“, keuchte sie, rang um ein Stückchen mehr Fassung. Doch Shizuru beachtete jene Worte nicht, ihre Finger rutschten in die Tasche der Jacke, nur um das Mobiltelefon nach draußen zu befördern. Das Display leuchtete in einem undefinierbaren grünen Schimmer auf, Natsuki konnte nicht erkennen, welcher Name darauf zu sehen war – doch der Blick ihres Gegenübers schien es schon zu erraten.
 

„Fujino hier…“
 

Natsuki zog die Augenbrauen kaum merklich hoch. Es war höchst selten, die junge Frau mit angestrengter Miene und schwerem Atem am Telefon zu vernehmen, und diesen Gedanken hegte wohl auch der Gesprächspartner. Man konnte die Stimme sogar von weiter weg vernehmen, doch was genau diese Person von sich gab, konnte die Jüngere nur an Shizurus Gesicht ablesen.
 

„Verzeiht mir, okāsan. Die Jacke hing im Vorraum… ich hatte nicht mit einem Anruf gerechnet…“
 

Eine kurze Pause von Shizurus Seite erfolgte. Anscheinend hatte sie sich erneut anzuhören, wie unzuverlässig sie doch in den Augen ihrer Mutter war, die sich doch nur um ihr „Wohlergehen“ sorgte und wissen wollte, wie es ihrer Tochter wohl so erginge. Doch die Ältere wusste sehr wohl, wie man diese Pause nutzen konnte, Finger setzten sich erneut in Bewegung, quälend langsam und zärtlich nahmen sie ihre Tätigkeit wieder auf, geweitete Augen und einen unterdrückten Laut von der Jüngeren erntend, die sich sogleich im nächsten Moment den Mund zuhielt.
 

„Nein… das ist der Fernseher. Ich bin bei einer Freundin, okāsan. Es… trifft sich nicht sonderlich gut, ich weiß… könntet Ihr mich nicht morgen kontaktieren? Ich bin im Moment… sehr… beschäftigt.“
 

Unauffällig schmunzelnd genoss die Ältere, was sich vor ihren Augen abspielte, das unruhige, anfangs noch unrhythmische Zucken des Beckens, der angespannte Körper der kaum noch in ruhige Position zurückfand. Natsukis Finger krallten sich hilflos in Shizurus Hüften. „Shi…. Shizuru…“, wisperte sie kaum hörbar, es glich schon mehr einem Winseln als sie versuchte, jenen unbekannten Emotionen zu entgehen.
 

„Ich… verstehe…“

Natsukis Kreuz begann sich durchzubiegen, als Shizuru in ihr einen besonders heiklen Punkt entdeckt hatte und diesen sogleich ausnutzte. Die Jüngere presste die Schultern in das weiße Leder, den Kopf gegen die Lehne während ihre Atmungsintervalle immer kürzer wurden, die Augen fest zusammengekniffen als wollte sie verhindern, dass solche Gefühle in ihr ausbrachen. Sie wollte das alles mit Shizuru teilen und zu sehen, dass diese sich mehr dem Telefon widmete als ihr, ließ das Ganze ziemlich bitter auf sie wirken, als sei sie nur ein Spielzeug, ein Zeitvertreib. Mittlerweile hatte sie sich in ihrem Handgelenk verbissen, damit jene Geräusche dämpfend, die so einfach aus ihrer Kehle entrannen.
 

Shizuru beugte sich kurz zur Jüngeren hinunter und ihre Augen hatten solch einen wehmütigen, traurigen Glanz, für diesen Moment der kaum einen Wimpernschlag hätte standhalten können. Zärtlich, und doch viel zu kurz hauchte sie einen Kuss auf die Stirn der Jüngeren ehe sie sich erneut aufrichtete, den Kopf in den Nacken legend.
 

„Ich werde nicht alleine zum Fest erscheinen, okāsan. Ich habe mir die Freiheit genommen, eine Freundin mitzunehmen. Ich hoffe doch, Ihr habt nichts dagegen einzuwenden?“
 

Eine Freundin. In diesem Moment schien eine Regung in Natsukis angestrengter Mimik vorzugehen, es hatte etwas ungläubiges, höchst Überraschtes, Verwirrtes. Wie hätte sie denn auch ahnen können, dass ihre Mutter eine solche Art von Liebschaft nicht unbedingt dulden oder tolerieren würde?
 

Ihre Eingeweide schienen sich in diesem Moment zusammen zu ziehen. Der Adrenalinpegel schoss unbarmherzig in die Höhe und ließ das Blut durch ihre Adern rauschen wie eine Sintflut, es war der Cocktail aus Hormonen und Eindrücken, der Natsuki alles viel intensiver spüren, riechen, sehen und schmecken ließ. Einerseits war dies alles so befremdlich, angst einflößend und Aggressionen schürend. Doch alles miteinander kombiniert ließ sie stark zusammenzucken, im wahrsten Sinne des Wortes Sterne sehend, ehe sich alles in Schwarz tauchte. Natsukis Mund fühlte sich schrecklich trocken an und ihr Herz raste mit solcher Geschwindigkeit dass sie dachte, sie müsste sterben, jetzt und hier. Sie verstand nicht einmal, was ihren Körper nun so dermaßen aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Auch wusste sie nicht, ob sie es als schön hätte empfinden sollen oder schrecklich steril, ohne jemanden, der es mit ihr geteilt hatte. Der Unterleib der Jüngeren hatte sich stark verkrampft, ehe er sich wie eine Sprungfeder entspannt hatte und sie in einen Zustand geführt, den sie viel mehr mit einem Kreislaufkollaps assoziiert hatte als mit einem „Höhepunkt“.
 

Hatte sie noch versucht sich aufzubäumen, so lag sie nun auf der Couch, die Hände immer noch vor dem Mund, um Geräusche zu dämpfen. Gerade jetzt hatte sie Sauerstoff bitter nötig, das Telefonat lief an ihr recht beiläufig ab, nur bedingt vernahm sie Shizurus Worte als sie sich verabschiedete und auflegte. Regungslos saß die Ältere immer noch auf ihr, den Kopf zur Seite gedreht und tief durchatmend. Sie glich einem Tier, das Wache hielt, bewegungsunfähig wie aus Stein. Ebenso war die Mimik aus ihrem Gesicht erloschen.
 

Erst jetzt wagte Natsuki wieder zu atmen, ein intensiver Atemzug, der in ihren Ohren unangenehm laut nachhallte, speziell seit das Blut ein seltsam rauschendes Geräusch in ihnen produziert hatte. Kraftlos baumelte ihr Arm von der Sofalehne, langsam wandte sich ihr Gesicht zur Seite. Die Ernüchterung war schnell wieder eingetroffen, und bei Gott, sie hatte solch eine Situation mit Shizuru noch nie erlebt. Wenn das Telefon geläutet hatte, ließ die Ältere immer von ihr ab, doch nun… sie konnte es nicht in Worte fassen. Viel mehr war Natsuki enttäuscht und mit einem Mal so wütend. Sie kniff die Augen zusammen und schnaufte verächtlich, damit die Ältere wieder in die Realität zurück. Das Lächeln auf ihren Lippen war überraschend dünn und alles andere als authentisch. „Tut mir leid, Natsuki…“, raunte sie sacht. Als sie sich nach unten beugte um einen sanften Kuss auf ihre Wange zu hauchen, drehte sich die Jüngere demonstrativ weg. „Baka…“, murmelte sie kaum hörbar, doch als sie ihr Gesicht in Shizurus Richtung drehte, waren Tränen auf ihrem Gesicht. In einem Moment des Schocks wich die Ältere zurück, sie wollte das Mädchen doch nicht zum Weinen bringen. „Na…Natsuki?“, fragte sie sichtlich verwirrt, streckte ihre freie Hand aus um über die Wange der Jüngeren zu streichen, Allerdings fing sie Natsuki ab und hielt sie umklammert. „Lass mich…“
 

„Aber…“ Die Ältere wich langsam zurück und erhob sich vom Sofa, gekränkt vom Verhalten der Jüngeren. Sonst war sie doch immer so eingeschnappt, wenn Shizuru sich von ihr löste um zu telefonieren. Man schien es ihr in dieser Hinsicht nicht Recht machen zu können, doch sah sie auch nicht wirklich ein, dass es hätte verletzend sein können. Immerhin war sie doch da, hatte das viel mehr als Nervenkitzel empfunden, da ihre Mutter schon Verdacht geschöpft hatte aufgrund jener Geräuschkulisse. Sie hatte sich doch in Gefahr gebracht, nur um Natsuki zu beglücken. Welch naive Sichtweise.
 

„Wenn… Natsuki will, kann ich auch gehen…“, murmelte sie kaum hörbar, den Blick zu Boden gerichtet als sie das Tablett und die Dessertschüssel aufhob. „Aber es ist wohl so, dass ich immer etwas falsch mache, obwohl ich Natsuki glücklich machen möchte…“
 

„Du verdammter Fiesling...“, raunte die Jüngere, ehe sie ihren Kopf ins Kissen presste. „Du hast gesagt, dass es… etwas Besonderes wird…“ Shizuru blickte auf und verstand.
 

Natsuki hatte den Unterarm der Älteren immer noch umklammert, wich ihrem Blick aus, als dieser sie streifte. Doch konnte sie nicht sagen, was sie damit bezweckte. Sie hatte einfach nur das Bedürfnis, sich an sie zu klammern wie ein kleines Kind das Trost von der Person suchte, die sie missachtet hatte. Shizuru spürte nur noch diesen Zug an ihrem Arm, kam diesem auch entgegen als sie sich zerren ließ, auf ihren Knien folgte sie der Bewegung bis sich ihr Kopf an Natsukis Schulter niederließ.
 

"Es tut mir leid...", flüsterte Shizuru, sichtlich ermattet. "Ich mache es wieder gut...". Sie spürte Natsukis Hand auf ihrem Hinterkopf, die Fingerspitzen, die sich ins aschblonde Haar gruben. "Mach so etwas... nie wieder. Hörst du?" Die Stimme der Jüngeren erklang immer noch ziemlich kraftlos in diesem Moment, brüchig, schier zerbrechlich. Ohne die Antwort der Älteren abzuwarten, schloss Natsuki ihre Lider, sichtlich erschöpft von jenen "Strapazen", die ihr sämtliche Energien geraubt hatten. "Versprochen... solange es Natsuki glücklich macht..."
 

Shizuru hob ihren Kopf leicht an, als keine Reaktion mehr von der Schülerin ausging, nur um festzustellen, dass sie der Müdigkeit erlegen war. Wehmütig lächelnd strich sie mit der freien Hand einige zerzauste Strähnen aus Natsukis Gesicht und löste sich vorsichtig von ihrer Umklammerung. Um sich blickend beschloss sie, das restliche Geschirr in die Küchenzeile zu bringen, begann damit, das Geschirr abzuwaschen. Sie wusste ja um die Gewohnheiten der Jüngeren - speziell um ihren Hang zum Chaos. Bei Natsuki stapelten sich ja zeitweise die Teller, viel zu zerstreut und hektisch schien das Leben der Schülerin abzulaufen, während Shizurus Uhr langsamer tickte als bei Anderen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (20)
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Von:  Kino-chan
2008-04-07T18:44:25+00:00 07.04.2008 20:44
Du hast weiter geschrieben und mir nichts gesagt T_T Wahrscheinlich weißt du noch nicht mal mehr, wer ich bin, aber du hast mir nichts gesagt .__.

Zum eigentlichen.. Irgendwie habe ich manchmal das Gefühl, nicht Shizuru vor mir zu haben, frag mich aber nicht warum. Und doch, ist es so sehr Shizuru. Ich kanns nicht erklären.
Natsuki ist so wie schon in den Prolog und den anderen Kapiteln sehr gut getroffen und vor allem das “Bin ich gar nicht…“ auf der ersten Seite dieses Kapitels war typisch Natsuki.
Dein Schreibstil gefällt mir immer noch viel ZU gut <3 Hör bloß nie auf Geschichten zu schreiben bzw. schreib irgendwann mal ein Buch o_o

Was die letzte Seite angeht: Ich hab geheult o_o Mir floßen einfach so die Tränen auf die Schreibtischunterlage. Wahrscheinlich hast du es so gut geschrieben, dass ich mich einfach hineinfühlen konnte und in diesen Fall bin ich irgendwie mehr auf Natsukis Seite~

Diesmal habe ich nur einen einzigen Fehler entdeckt und zwar hast du, ich glaub auf der zweiten Seite, ShIzuru oder so geschrieben, aber das ist ja nicht sooo atemberaubend~

Ich freu mich natürlich auf das nächste Kapitel und hoffe, dass du diesml nicht so lange brauchst ;D

lgöööö
Kino


Von:  Dark777
2008-04-02T13:56:50+00:00 02.04.2008 15:56
Ich schreib zwar erst jetzt, aber ich finde deine Geschichte richtig prickelnd ;-). Freu mich schon aufs nächste Kapi.
Von:  MetalDragoon
2008-02-25T22:07:31+00:00 25.02.2008 23:07
Das Kapitel ist echt super geworden, mach weiter so. Ich freue mich jetzt schon auf das nächste Kapitel.
Von: abgemeldet
2008-02-25T17:03:32+00:00 25.02.2008 18:03
Ein gutes Kapitel, weiß gar nicht, was du hast^^

Diesmal hab ich auch nicht all zu viel zu sagen, die Handlung an sich ging ja nicht wirklich weiter, aber dafür war es mal interessant einen "Moment" aus dem Leben der beiden zu sehen.

Zu den Charakteren kann ich nur sagen: wieder sehr IC, sowohl Shizuru als auch Natsuki, wobei man bei Letzterer schon merkt, dass sie sich geändert hat, aber es passt zum Kontext, also ist es wieder völlig okay^^

Es ist irgendwie so typisch, dass Shizuru nicht von Nat ablässt, während sie am Telefonieren ist. Vor allem, weil danach die Erklärung folgte, aber auch ohne diese wäre es für Shiz 'normal' gewesen, finde ich.
Ehrlich gesagt hätte ich mehr 'Widerstand' von Natsuki erwartet...sie hat es ihr irgendwie zu früh 'verziehen', aber ich kann's schon verstehen, dass es eventuell für den weiteren Verlauf wichtig ist und dieser Abend gar nicht so sehr im Mittelpunkt stehen sollte.

Formale Fehler sind mir diesmal keine aufgefallen -sehr gut^-^
Dein Stil ist nach wie vor sehr angenehm zu lesen und bildreich, was mir wirklich gefällt.

Wie gesagt, ein gutes Kapitel, ein interessanter Einblick in das Leben der beiden und gut getroffene Charaktere.

Weiter so ^^

LG
Kira
Von: abgemeldet
2008-02-25T14:50:22+00:00 25.02.2008 15:50
hiho,
ich muss dir sagen das dieses kapitel echt gelungen ist ^^ (aber was hat man auch anderes erwartet XD)...irgendwie fand ich die stelle wo shizuru meinte das geräusch käme vom fernseher lustig XD
Gruß Shikai
Von:  MetalDragoon
2007-11-28T18:06:01+00:00 28.11.2007 19:06
Weiter so, Daumen hoch

Von:  Levi07
2007-11-21T11:35:44+00:00 21.11.2007 12:35
Dein Schreibstil ist echt genial ^^
hoffe du machst bald weiter, bin schon total gespannt drauf X3

LG Levi
Von: abgemeldet
2007-11-18T16:50:56+00:00 18.11.2007 17:50
Ich kann mir gut Vorstellen das es nicht einfach ist eine FF zu Natsuki und Shizuru zu schreiben.
Persönlich gefällt mir deine FF sehr gut und hoffe das nächste Kapitel
kommt bald.
Von: abgemeldet
2007-10-30T17:59:26+00:00 30.10.2007 18:59
hach...ich muss einfach noch eine kommi schreiben weil ich mir die geschichte jetzt schon zum 1000. mal durchgelesen habe und die immer besser wird !!! ^^ dein schreibstil ist einfach nur klasse mir fehlen jedes mal die worte...*schwärm* XD
Von: abgemeldet
2007-10-30T17:29:11+00:00 30.10.2007 18:29
nenene das ist ein traum einfach zu schön um war zu sein einfach eine sehr gute und detaillierte (weiß grade nicht obs richtig geschrieben ist ein bisschen neben der spur bin XD) geschichte ich finde man kann gut nachvollziehen wie sich jede einzelne person in verschiedenen situationen fühlt ^^ mach bitte weiter so freue mich schon auf das nächste kapitel
gruß Shikai
^^


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