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Shinjiru Mono

Taito
von

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Morgens halb zehn in Japan.

Eigentlich Zeit für ein Knoppers, aber nicht für Ishida Yamato, der zwar sowieso nicht auf Schokolade am Morgen stand, aber dafür gerade eben mit Schrecken feststellen musste, dass er sein Frühstück vergessen hatte. Leicht angesäuert verzog er das Gesicht. Das Schuljahr fing also so richtig gut für ihn an. Bei diesem schlechten Vorzeichen hätte er eigentlich gleich einen Antrag auf Wiederholung des Semesters stellen können. Aber Yamato war ja nicht der Typ, der die Flinte vorzeitig ins Korn warf.
 

Als er von seiner Schultasche, die er soeben erfolglos nach der Spur eines Frühstücks durchsucht hatte, wieder aufsah, machte er eine weitere Entdeckung. Sie war weiblich, hatte rötliche Haare, und winkte ihm mit einem zuckersüßen Lächeln von der Schulbank direkt rechts neben ihm zu - Takenouchi Sora, ohne Zweifel. Ob *das* ein gutes oder ein schlechtes Omen war, wusste Yamato nicht so richtig. (Bei Sora kam das immer auf ihre aktuelle Laune an, wie das bei Frauen eben so war.) Die Gelegenheit, es herauszufinden, würde noch kommen – allerdings nicht jetzt, denn gerade als Yamato ihr zum Gruß zunickte und mit den Lippen ein „Guten Morgen“ formte, mischte sich die allseits beliebte Schulglocke ein und verkündete den Unterrichtsbeginn.
 

Physik. Und das auch noch früh am Morgen. Nicht gerade Yamatos Steckenpferd, aber da es die erste Stunde im neuen Schuljahr war, würde wahrscheinlich ohnehin nicht viel Unterricht stattfinden.

Während Herr Higuri seine Begrüßung abhielt, schaltete Yamatos Gehörgang schon auf Durchzug. Statt zuzuhören, ließ Matt lieber den Blick ein wenig im Klassenraum schweifen. Er kannte hier kaum jemanden, einige vom Sehen, und eigentlich ansonsten nur Sora, die er allerdings ewig nicht mehr gesehen hatte. Diese saß jetzt übertrieben aufrecht auf ihrem Platz, hatte die Arme verschränkt und klebte regelrecht an den Lippen des Physiklehrers.

… Ob die Willkommensansprache wohl Stoff der ersten Klausur sein würde?

Möglich war alles, aber Yamato schätzte die Wahrscheinlichkeit als sehr gering ein und sah es daher nicht als notwendig an, sich ein Beispiel an dem Mädchen zu nehmen.
 

Schon jetzt – nach 2 Minuten Physikunterricht – stellten sich bei Matt erste Symptome von extremer Langeweile ein. Warum war er noch mal aufgestanden und hierher gekommen? Ach ja, der Grund begann mit ‚A’ und endete mit ‚Bitur’.

Für den Blonden war zwar klar, dass er später mit Musik sein Geld verdienen würde, aber seine Eltern sahen das leider nicht so richtig ein. Oft hatte es deswegen schon Türenknallen und Geschrei im Hause Ishida bzw. Takaishi gegeben; schließlich hatte man sich darauf geeinigt, dass Matt sein Abi machen sollte und danach tun konnte, was er wollte. Wenn es mit der Musik nicht klappte (ein zugegebenermaßen vollkommen abwegiger Gedanke), stand er dann wenigstens mit einem guten Abschluss da. Also würde er sich anstrengen und aufmerksam dem Unterrichtsgeschehen folgen. Gleich ab morgen.
 

Der Blonde kramte einen Bleistift aus seiner Federmappe und begann damit, unauffällig den Rand des Karopapiers, das vor ihm lag, zu bekritzeln. Vielleicht konnte er die Zeit dann wenigstens dafür nutzen, sich ein paar neue Songtextpassagen zu überlegen. In dieser Tätigkeit verlor sich Yamato einige Minuten lang, bis ihm plötzlich so war, als hätte er seinen Namen gehört.

Er blickte nach vorn und schaute zu seinem Lehrer, der hinter dem Pult saß, und dessen Blick gerade suchend in der Klasse umherirrte.
 

„Anwesend.“, gab der Blonde schließlich von sich, nachdem ein leises "Klick" in seinem Kopf ihn die Situation durchschauen ließ. Hätte er sich auch gleich denken können. Damit widmete er sich wieder den unbeschriebenen Stellen seines Heftrandes, hörte jetzt allerdings zur Sicherheit mit einem halben Ohr zu, sonst wurde es heute möglicherweise doch noch mal peinlich für ihn. Musste ja nicht unbedingt sein.

Schon kurze Zeit später sorgten fünf kleine Silben dafür, dass der Blonde überrascht von seinen Songtextbruchstücken aufsah.
 

„Yagami Taichi“

Yamato hörte förmlich, wie Sora Luft holte und wahrscheinlich dazu ansetzte, dem Lehrer freundlich mitzuteilen, dass Taichi nicht anwesend war, aber das erübrigte sich eine halbe Sekunde bevor der erste Ton ihre Kehle verließ.

Die Tür wurde ungestüm aufgerissen, und wer jetzt im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit war, muss nicht erwähnt werden. Er hatte braune, ungestüme Haare, und trug die Jacke seiner geknitterten Schuluniform entgegen jeder Regel offen. Das schuldbewusste Lächeln allerdings, mit dem er erst die Klasse und dann den Physiklehrer bedachte, enthob ihn offenbar jeder Strafe.
 

Yamato hatte in diesem Moment ohnehin kein Auge für Details – er war noch zu beschäftigt damit, zu realisieren, dass Tai gerade in seine Klasse gestürmt war. Tai, der sich von allen Digirittern zu seinem besten Kumpel entwickelt hatte… und den er nach den letzten Geschehnissen in der Digiwelt nur noch sporadisch, beziehungsweise später gar nicht mehr gesehen hatte. Bei Tai wusste Yamato sofort, dass seine Anwesenheit ein *gutes* Omen war. Keine Frage. Das heitere Grinsen auf dem Gesicht des Blonden, sprach Bände. Vielleicht würde das Schuljahr doch noch ganz anständig werden.
 

+~+~+~+
 

Gelangweilt saß Sora auf dem selbst ausgewählten Platz in einer der vordersten Reihen des Physiksaals und starrte aus dem Fenster. Der strenge, sterile Geruch, der wie jedes Jahr zu Schulbeginn in der Luft lag, ließ vermuten, dass die Putzfrauen wieder einmal Eimerweise Spülmittel in jeden einzelnen Raum gekippt hatten um die Schule auf Hochglanz zu polieren. Das rothaarige Mädchen rümpfte die Nase und verfluchte im Stillen ihre Mutter, die sie dazu genötigt hatte sich beinahe eine Stunde vor Unterrichtsbeginn auf den Weg zur Schule zu machen, und das obwohl sie diese zu Fuß in etwa 10 Minuten erreichte.
 

Klar, sie war selbst eine aufmerksame Schülerin, schätze Pünktlichkeit über alles, aber das war doch nun wirklich übertrieben. Nun saß sie also bereits eine geschlagene halbe Stunde lang im sich nach und nach füllenden Klassenzimmer und wünschte sich zurück in ihr weiches, warmes Bett.
 

Unauffällig ließ sie ihren Blick durch den Raum schweifen, nur um festzustellen, dass sie kaum jemanden kannte. In der letzten Reihe entdeckte sie zwar schließlich zwei Mädchen, die in den vergangen Jahren mit ihr den Tennisclub besucht hatten, aber sonderlich gut verstanden hatte sie sich mit diesen nie. Unbewusst suchte ihre Augen nach der Uhr über der Tafel. Als sie diese Bewegung realisierte entfuhr ihr ein leises Seufzen. Wenn sie bereits vor dem eigentlichen Unterricht begann die Sekunden zu zählen, wie lange würde sich dann erst der restliche Tag hinziehen?
 

Als plötzlich ein Raunen durch die Klasse ging, riss sie sich von den sich wie es schien in Zeitlupe bewegenden Zeigern der Uhr los und bemerkte erst jetzt, dass der Platz neben ihr nun besetzt war. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht als sie die blondhaarige Person neben sich erkannte. Yamato Ishida schaffte es doch immer wieder ihre Stimmung zu heben.

Der Musiker wurde nun auch auf sie aufmerksam, nickte ihr kurz zu und wollte gerade dazu ansetzen etwas zu sagen, als er von dem penetranten Läuten der Schulglocke unterbrochen wurde.
 

Noch immer mit einem Lächeln auf den Lippen wandte Sora ihre Aufmerksamkeit dem eben die Klasse betretenden Lehrer zu und widmete sich voll und ganz dem Unterricht. Tja, vielleicht galt nicht all ihre Aufmerksamkeit dem Geschehen vorne am Pult. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie den blonden Digiritter, stellte innerlich grinsend fest dass sich dieser auch in dem Jahr, in dem sie nun keinen Kontakt gehabt hatten kaum verändert hatte. Gedankenverloren kritzelte er irgendetwas auf den karierten Zettel.
 

Ein Jahr... War es wirklich schon so lange her seit sie sich das letzte Mal alle gesehen hatten?

Nach den Abenteuern in der Digiwelt hatten sie sich alle fast täglich getroffen, ständig Zeit miteinander verbracht, doch nach und nach waren diese Treffen seltener geworden, bis der Kontakt völlig abgebrochen war. Wieso? Streit oder Auseinandersetzungen hatte es nicht gegeben. Es war wohl einfach die Tatsache, dass der gemeinsame Nenner der sie verbunden hatte, die Digiwelt, langsam aber doch in weite Ferne rückte, mehr und mehr zu einer einfachen Erinnerung verblasste.
 

Obwohl der Blick des rothaarigen Mädchens noch immer gebannt auf dem Lehrer haftete, realisierte sie erst jetzt, dass dieser begonnen hatte die Namensliste durchzugehen. Glücklicherweise schien er ihren Namen noch nicht aufgerufen zu haben. Als Yamato, der sich wie sie grinsend bemerkte, ebenfalls in einer Art wachem Trancezustand befand, nach einigen Sekunden Verzögerung leicht verwirrt seine Anwesenheit bekannt gab, wurde ihr erneut schlagartig klar, wie wenig sich verändert hatte. Die Mädchen kicherten, tuschelten, und warfen immer wieder eifersüchtige Blicke in ihre Richtung, die Yamato gar nicht erst registrierte, oder wohl wissend ignorierte.
 

"Yagami Taichi" Ruckartig wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Lehrer zu. Hatte sie sich gerade verhört? Tai war ebenfalls in diesem Kurs? Da auch Yamato plötzlich wieder interessierter zur Tafel blickte hatte sie sich wohl nicht getäuscht. Gerade als sie antworten wollte, dass dieser abwesend war wurde die Türe aufgerissen und der alzu gut bekannte braune Wuschelkopf erschien. Außer Atem, mit völlig falsch gebundener Krawatte und nicht geschlossenem Blazer schnappte er nach Luft, versuchte mit einem entschuldigendem Lächeln stumm zu zeigen wie Leid es ihm tat.
 

War das nun eine Tatsache über die sie sich freuen sollte? Nicht, dass sie den immer gut gelaunten Digiritter nicht leiden konnte, das war bestimmt nicht der Fall. Immerhin waren sie beide sogar mal ein Paar gewesen. Okay, die Beziehung hatte nicht lange gehalten und sie hatte sich nie über Händchenhalten rausbewegt, was in diesem Alter aber kaum verwunderlich war. Wer dachte mit 13 Jahren auch schon an Sex?

Nein, es lag bestimmt nicht an der Tatsache, dass sie den hitzköpfigen Jungen, der sie in der Digiwelt angeführt und ihre Gruppe zusammengehalten hatte, nicht mochte. Der Grund war von einer ganz anderen Natur, und diese hatte blonde Haare, blaue Augen und saß, nun mit einem breitem Grinsen im Gesicht neben ihr. Tja, kaum tauchte Tai auf, verlor alles andere für Yamato an Bedeutung, und dies schien sich auch das ganze letzte Jahr über nicht geändert zu haben.
 

+~+~+~+~+
 

Irritiert vom lauten Vogelgezwitscher öffnete Taichi verschlafen seine Augen. Als sein vor Müdigkeit noch verklärter Blick schließlich mehr zufällig als gewollt auf die rot leuchtenden Ziffern des kleinen Radioweckers auf seinem Nachtisch fiel, fuhr er schlagartig hoch, wodurch sein Kopf schmerzhaft Bekanntschaft mit der Dachschräge über seinem Bett machte. Stöhnend strich er sich über die braunen, wirr vom Kopf abstehenden Haare, spürte dass sich darunter bereits eine kleine Beule bildete.
 

Leise fluchend wand er sich aus der tiefblauen Decke, hievte sich von der weichen Matratze und stolperte ins Bad. Halb zehn! Wieso hatte ihn gerade heute niemand geweckt? Normalerweise vergewisserte sich seine Mutter doch mindestens dreimal ob er bereits wach war! Am ersten Schultag des Abschlussjahres gleich zu spät zu kommen war nicht unbedingt ein guter Start. Und wenn er sein letztes Zeugnis einer eingehenderen Betrachtung unterzog, musste sogar Taichi selbst gestehen, dass er sich Fehlstunden wirklich nicht leisten konnte.
 

Etwa zehn Minuten später fühlte er sich dank Katzenwäsche und frisch geputzten Zähnen etwas munterer. Nach weiteren fünf Minuten war er fertig angezogen, seine Krawatte baumelte nach einigen erfolglosen Versuchen sie richtig zu binden allerdings noch immer lose um den Hemdkragen. Tja, es schien nun mal niemand zu Hause zu sein, der ihm das verhasste und, wie er selbst fand, völlig überflüssige Kleidungsstück korrekt zu binden.

Taichi griff nach seiner Schultasche, zog sich den Blazer der Schuluniform über und packte das Lunchpaket, das seine Mutter diesen Morgen wie auch in den vergangenen Schuljahren liebevoll zubereitet hatte hektisch in seine Tasche, bevor er im Laufschritt das Haus verließ.
 

Dank seiner durch ständiges Fußballspielen antrainierten Kondition erreichte er die Schule gerade als der letzte Gong der Schulglocke erklang. Bis er allerdings seine Straßenschuhe im Spind verstaut und die Hausschuhe angezogen hatte verstrichen wieder einige wertvolle Minuten.

Seufzend warf er einen Blick auf seinen Stundenplan. Sein Gesicht verzog sich zu einer angewiderten Grimasse als er erkannte dass sein erster Kurs im neuen Jahr auch noch Physik war. Toll. Absolut perfekt.
 

Glücklicherweise wusste er wo sich das Klassenzimmer befand. Natürlich lag dieses aber, wie konnte es auch anders sein, am anderen Ende der Schule. Sein Tempo erneut beschleunigend erreichte er den gesuchten Trakt schließlich ein paar Minuten später, klopfte vorher an die Türe und trat dann mit etwa 10 Minuten Verspätung nun doch etwas außer Atem ein.

Taichi wusste genau, dass die Aufmerksamkeit der gesamten Klasse nun ihm galt, was ihn aber nicht sonderlich störte. Er war es gewöhnt im Mittelpunkt zu stehen. Immerhin hatte er durch sein sportliches Können doch einen gewissen Bekanntheitsgrad in der Schule erlangt.
 

Er schenkte dem ihn argwöhnisch musternden Lehrer ein entschuldigendes Lächeln und ließ seinen Blick dann auf der Suche nach ein paar bekannten Gesichtern prüfend durch das Klassenzimmer wandern, wobei dieser schließlich bei einem rothaarigen Mädchen hängen blieb. Sora Takenouchi, Exfreundin und ebenfalls einer der erwählten Digiritter, war also mit ihm im Physikkurs, immerhin schon eine Person, die er kannte.
 

Erst jetzt wurde ihm klar wie viel Zeit vergangen war, seit er die anderen Auserwählten das letzte Mal gesehen hatte. Natürlich hatte sie alle vermisst, doch Schule und Fußball hatte ihn so auf Trab gehalten, dass es ihm einfach nicht möglich gewesen war, sich selbst wieder öfter bei seinen Freunden zu melden.
 

Er spürte einen Hauch von Nostalgie in sich aufsteigen, nickte Sora kurz lächelnd zu und ließ seinen Blick dann weiter durch das Zimmer gleiten. Direkt neben dem rothaarigen Mädchen hielt er aber bereits erneut inne und ein breites Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. „Matt!“ Erst als ihn der Lehrer mit hochgezogener Augenbraue musterte merkte er, dass er den Namen des blonden Freundes laut ausgesprochen hatte und er ließ sich verlegen eine Entschuldigung murmelnd auf dem ihm zugewiesenen Platz direkt in der ersten Reihe nieder. Toll, jetzt saß er auch noch in der Streberreihe. Da galt nur zu hoffen, dass es sich bei dieser Sitzordnung noch nicht um die für das ganze Semester festgelegte handelte. Die Tatsache, dass Yamato Ishida nur wenige Plätze hinter ihm saß entschädigte ihn für den schlechten Platz aber allemal.
 

Sie hatten zwar beide die gesamte Oberstufe über dieselbe Schule besucht, doch genau wie Sora hatte er keinen einzigen Kurs mit ihm gemeinsam belegt, und bei den sporadischen Treffen in den Schulfluren war nie mehr Zeit als für ein oberflächliches Gespräch geblieben. Gelangweilt versuchte er den Worten des Lehrers zu folgen, der nun von seiner Standpauke über nicht schulgerecht getragene Schuluniformen beendet und mit dem eigentlichen Stoff begonnen hatte zu folgen, was er aber bereits nach wenigen Minuten aufgab. Die ganzen Formeln ergaben einfach von hinten bis vorne keinen Sinn. Vor allem für die Schüler, die sich in Physik durch die Oberstufe geschummelt hatten, zu denen er nun mal gehörte.
 

Da der Blick des etwas älteren Herren im weißen Mantel ständig auf ihm haftete wagte Taichi die ganze Stunde lang nicht sich auch nur kurz zu Yamato umzudrehen. Nach schier endlos langem, langweiligem Vortrag wurde der braunhaarige Sportler schließlich von der Schulglocke aus dem Halbschlaf gerissen und warf einen kurzen Blick auf seinen Stundenplan.

Ja! Wenn es einen Gott gab schien er ihn doch nicht abgrundtief zu hassen! Eine Doppelstunde Sport, was konnte es nach all dem trockenem Physiktheroriemüll entspannenderes wünschen?! Ein breites Grinsen stahl sich auf sein Gesicht als er einen kurzen Blick über seine Schultern warf. Tja, manch blonder Musiker schien da andrer Meinung zu sein.
 

„Na, Matt, noch immer keinen Gefallen an sportlicher Betätigung gefunden?“ Den alles andere als glücklich aussehenden blonden Gegenüber noch immer schmunzelnd musternd griff Taichi automatisch nach seiner normalerweise immer unter dem Tisch verstauten Sportasche, dieses mal fassten seine Finger aber ins Leere. Verwundert senkte er seinen Blick auf den Boden nur um festzustellen, dass die Tasche wirklich nicht an ihrer gewohnten Stelle lag. Hatte er sie vorhin in der Eile mit den Schuhen in den Spind gesperrt?
 

Als er den hektischen Morgen in Gedanken noch einmal Revue passieren ließ wurde ihm allerdings schlagartig klar wo er die benötigten Klamotten liegen gelassen hatte. „Verdammt, das kann doch nicht wahr sein!“ Er hatte es doch nicht tatsächlich geschafft, das erste mal in seiner Laufbahn als Schüler seine SPORTsachen zu Hause liegen zu lassen?! Stöhnend ließ er sich wieder auf seinen Stuhl fallen. Tja, jetzt blieben ihm nur zwei Möglichkeiten: Entweder er schwänzte die Stunden, was alles andere als einen guten Eindruck bei dem zuständigen Lehrer hinterlassen würde, oder er bediente sich aus der Fundkiste, worüber er allerdings gar nicht erst weiter nachdenken wollte.

Leise seufzend wandte er sich wieder Yamato, der seinen Ausbruch mit hochgezogenen Augenbrauen verfolgt hatte, zu.

"Bei meinem Glück hast du heute bestimmt keinen Sportunterricht... und wenn doch hast du bestimmt keine Ersatzklamotten mit die du mir borgen könntest, oder?"
 

+~+~+~+
 

Die Stunde endete irgendwo zwischen Yamatos Suche nach einem passenden Reim auf Stolz (Holz gefiel ihm nicht so recht) und seinen Vorstellungen über die kommenden Wochen bis hin zu den Prüfungen. Das war ja alles nicht so einfach, nebenbei wollte er sich weiterhin der Band widmen. Er wusste, dass es nicht so leicht war, alles unter einen Hut zu bringen. Die Kontakte mit den anderen Digirittern waren schließlich auch sehr selten geworden, seit er sich seinem Job als Bandleader wieder stärker zuwandte. Was sollte er auch machen? Die anderen verfolgten ja auch ihre Ziele und gerade in der letzten Zeit hatte die Band durch gute Zusammenarbeit und hartes Proben einen gewissen Bekanntheitsgrad in der Schule und der näheren Umgebung erlangt.
 

Dass er demnächst einige Abstriche zugunsten der Schule machen musste, war klar.. zumindest wenn er seine mündlichen Prüfungen nicht allzu peinlich gestalten wollte. Joe hatte aus seinem Jahrgang damals von einem Prüfling berichtet der auf die Aufgabenstellung „Erklären sie die klimatischen Verhältnisse Afrikas“ mit einem Satz wie „In Afrika leben Elefanten.“, geantwortet hatte, und danach mit einem anschaulichen Vortrag über afrikanische Elefanten und den Unterschied zu indischen Elefanten seine Null Punkte in Geografie besiegelte.
 

Lieblos verstaute der Blonde seine Utensilien wieder in der schwarzen Schultasche und kramte den Stundenplan hervor um zu sehen welche Folter das Schicksal als nächstes für ihn vorgesehen hatte.

Leicht angeekelt blickte Yamato auf das Stück Papier in seiner Hand beziehungsweise auf das Wort, das dort direkt unter „Physik“ stand.. Man hätte diese Szene fotografieren, und mit dem Untertitel „Ohne Worte“ in eins dieser Witzheftchen kleben können und es wäre sicherlich ein Verkaufsschlager geworden!

Sport.
 

Wenn Gott gewollt hätte, dass Yamato sich sportlich betätigte, hätte er ihm eine bessere Kondition, mehr Muskeln und unbrechbare Knochen geschenkt – davon war der Sänger überzeugt. Yamato hatte genug sportliche Betätigung! Genau.. zum Beispiel den Weg zur Schule (den er hauptsächlich mit der U-Bahn zurücklegte).. oder… den Weg nach Hause? Den Weg von zu Hause zum Proberaum! Das durfte nicht unterschätzt werden, denn da gab es einige sehr gemeine, steile Treppen, jawohl. Außerdem waren seine außerschulischen Leistungen im Langstreckensprint weltrekordverdächtig – das stellte er jedes Mal aufs Neue unter Beweis wenn ein gewisses Wesen namens Motomiya Jun sich in seinem Sichtfeld befand.
 

Mehr Sport brauchte der Blonde nun wirklich nicht. Er konnte sowieso essen, was er wollte – wozu sollte er sich also übermäßig bewegen? Täglich passierten schließlich lebensgefährliche Sportunfälle, beispielsweise wenn der Sportlehrer mal wieder woanders hinschaute und der arme Schüler beim Überspringen des Bocks mit dem Fuß hängen blieb und auf die Nase fiel. Unschöne Sachen waren das. Da nützten auch die Matten nicht mehr viel.
 

Taichi, der sich treulos in dieser Stunde nicht ein einziges Mal zu ihm ungedreht hatte, bot nebenher ein seltsames Schauspiel, welches Yamato mit verwundertem Gesichtausdruck verfolgte. Letztendlich kam er zu dem Schluss, dass der Wuschelkopf vor ihm unmöglich der echte Taichi sein konnte. (Das Zuspätkommen war wohl nur Tarnung gewesen.) Der ECHTE Taichi vergaß zwar vieles – aber sicher nicht seine Sportsachen.
 

Der Blonde sah jetzt ein wenig misstrauisch in die Augen seines Kumpels.

„Du hast Sport, aber keine Sportsachen dabei?! Bist du sicher, dass es dir gut geht?“, seine Stimme klang äußerst skeptisch.

Dann grinste er, schwang sich die Tasche über die Schulter und schnappte seinen Sportbeutel.

Unweigerlich fragte er sich, wieso ER nicht darauf gekommen war, die Sportsachen zu vergessen.
 

„Ich habe jetzt Sport… ich bin allerdings bereit dir meine Sporttasche zu überlassen und das große Opfer zu erbringen, mich aufs Zusehen zu beschränken.“, sagte Yamato gönnerhaft als sie gemeinsam das Klassenzimmer verließen. Der Blonde wusste nichtmal

genau, wie man zur Sporthalle kam. Er hatte doch nichtmal was zu essen, und da verlangte man von ihm, dass er Sport mitmachte?
 

+~+~+~+
 

Taichi warf einen weiteren prüfenden Blick unter seine Schulbank, seufzte schließlich auf als er sich nun entgültig sicher sein konnte, dass er die Tasche zu Hause liegen lassen hatte. Frustriert seufzend wandte er sich dem blonden Musiker zu, der gerade noch immer reichlich genervt seine Schulsachen in die Tasche stopfte. Zufällig fiel sein Blick dabei auf den vollgekritzelten karierten Zettel bevor Matt auch diesen verstaute.
 

Der braunhaarige Digiritter winkte Sora kurz freundlich zu und verließ kurz darauf mit Yamato an seiner Seite das Klassenzimmer. Natürlich war es nicht unbedingt die feine englische Art das Mädchen ohne auch nur ein Wort mit ihm gewechselt zu haben völlig alleine im Klassenzimmer zurück zu lassen, doch ihm fehlte nun die Zeit sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Bei Sora konnte er sich schließlich auch später entschuldigen.
 

Physik hatten sie ja überflüssigerweise dreimal pro Woche, wie er bei einem erneuten Blick auf den Stundenplan stöhnend feststellte. Da würden sich bestimmt noch genug Möglichkeiten bieten sich mit dem weiblichen Digiritter zu unterhalten. Erst einmal galt das viel wichtiger Problem zu klären, wie er nun an Sportklamotten kommen sollte. Den Unterricht zu schwänzen schloss er nun völlig aus, immerhin hatte er sich mit seinem verspäteten Erscheinen zum aller ersten Kurs bestimmt bereits jede Menge Minuspunkte bei dem zuständigen Lehrer, der zu allem Überfluss auch noch sein Klassenvorstand war, eingehandelt.
 

Und Yamatos Angebot anzunehmen kam natürlich auch nicht in Frage. Immerhin hatte er sowieso viel zu selten die Gelegenheit Matt bei seinen kläglichen Versuchen im Sport eine gute Figur abzugeben zu beobachten. Die wenigen Male in denen ihre Klassen in den letzten Jahren gemeinsam Sportunterricht gehabt hatten, hatte sich der blonde Junge sich beispielweise beim Geräteturnen lieber hilfesuchend an den Kasten geklammert, anstatt darüber zu springen, und beim Fußballspielen die grandiose Leistung erbracht, in einem einzigen Spiel zwei Eigentore zu schießen.
 

„Keine Sorge, ich würde mich absolut mies fühlen wenn du wegen mir nicht am Sportunterricht teilnehmen könntest...“ Ein sadistisches Grinsen stahl sich auf sein Gesicht und er schüttelte entschlossen den Kopf. „Ich werde schon jemanden finden der mir etwas borgen kann... Ansonsten müsst ihr mich eben in Shorts und oben ohne ertragen!“ Noch immer breit grinsend betrat er mit Matt die Umkleidekabine, und augenblicklich stieg ihm der übliche Schweißgeruch, den nicht einmal die fleißigste Putzfrau zu vertreiben vermochte, in die Nase. Der braunhaarige Fußballfreak ließ sich zufrieden auf eine der Bänke fallen und verstaute seine Hausschuhe. Tja, das war schon eher seine Welt.
 

Einige Jungs, die Taichi aus dem Fußballverein kannte, grüßten ihn lautstark und er trat auf die kleine Gruppe zu um ein paar Worte mit ihnen zu wechseln. Einige Minuten später kehrte er triumphierend zu Yamato zurück, der, wie es schien, noch immer auf ein Wunder oder eine Naturkatastrophe hoffte, die ihn davon abhielt die verhassten Sportklamotten anzuziehen. „Ich hab doch noch etwas ergattert! Manche Fußballer denken Gott sei dank mit und haben eine doppelte Ration Sportklamotten für alle Fälle dabei!“ Wenige Minuten später hatte er sich erfolgreich umgezogen, zupfte allerdings sich nicht unbedingt wohl fühlend an dem Shirt, das sich wie bereits befürchtet viel zu eng an seinen durchtrainierten Körper schmiegte, herum. Deutlich zeichneten sich die Konturen seiner Muskeln unter dem weichen Polyesterstoff ab, der wie eine zweite Haut an ihm haftete.
 

Tja, daran ließ sich nun mal nichts ändern. Immerhin war es noch besser als die gammeligen Tshirts aus der Fundbox zu benützen.

„Achja, Matt... Auf Stolz reimt sich übrigens Holz!“ Grinsend wandte er sich zu sich zu Yamato um, der sich nun doch dazu entschlossen hatte sich seiner Schulnote zuliebe umzuziehen. „Der Text ist übrigens bisher nicht übel...“
 

Mit diesen Worten ließ er den ihn verdattert anblickenden Freund in der Umkleide sitzen um sich joggend im Turnsaal aufzuwärmen. Er wusste nur zu gut, dass Matt es hasste, wenn jemand seine noch unbearbeiteten Songtexte las, doch den Kommentar hatte er sich einfach nicht verbeißen können. Es tat gut wieder wie früher mit dem blonden Digiritter rumzualbern, so als hatte der Zeitraum, in dem sie sich nicht gesehen hatten, nie existiert. Er ließ seinen Blick neugierig durch den riesigen Saal schweifen und stellte sofort fest, dass weder Sportgeräte noch Matten aufgebaut worden waren, schlussfolgerte daraus, dass sie das neue Jahr wie üblich mit einer Partie Fußball beginnen würden. Seine Vermutung wurde wenige Minuten später von dem grauhaarigen Sportlehrer, der den Raum mit dem schwarz-weiß gefleckten Stück Leder unter dem Arm betrat, bestätigt.
 

+~+~+~+~+
 

In Weltuntergangsstimmung und mit dazu passendem Gesichtausdruck stapfte der Blonde hinter Taichi her, wobei er mit dem Gedanken spielte sich unterwegs in irgendeine Besenkammer zu verlaufen und dort abzuwartetn bis Sport vorbei war.

Unwillig betrat er hinter dem Sportler die Umkleide und setzte sich erstmal auf die Bank um aller Welt seine stille Rebellion gegen den Zwang des Sportunterrichts zu demonstrieren – man würden die Augen machen wenn er sich einfach weigerte, sich umzuziehen!
 

Taichi verschwand kurz zu einem Grüppchen anderer Sportopfer und kam mit erfreuter Miene und triumphierendem Grinsen zurück. Es gab wohl ernsthaft Leute, die noch Ersatzklamotten einpackten! Sollten sie doch froh sein, wenn ihre Sportsachen ZUFÄLLIG in eine Schlammpfütze fielen und sie dann nicht mitmachen konnten…
 

Als der Brünette schon fast fertig mit Umziehen war, seufzte Yamato laut und gedehnt und öffnete seine Sporttasche. Wo blieb nur die erhoffte Flutwelle, der Feueralarm.. oder seinetwegen auch der spontane Ausbruch der Pest?

Kurze Zeit spielte Yamato mit dem Gedanken, sich einfach die Schnürsenkel beider Schuhe zusammenzubinden, zu fallen und dann mit blauen Flecken nach Hause zu gehen, aber er wurde mitten in der detaillierten Planung von Tai unterbrochen, sodass der Blonde zu ihm aufsah.
 

Yamato beschloss, dass sein Kumpel einfach Glück mit den Genen gehabt hatte. Es gab nur zwei Sorten Menschen, die einen waren für Sport geeignet… und die anderen hatten geordnete Frisuren. Taichi gehörte zur ersten Gruppe, aber bei ihm war das ausnahmsweise in Ordnung. Yamato hatte grundsätzlich auch gar nichts gegen Sportler an sich; er hatte nur etwas gegen Leute, die ihn dazu zwingen wollten sich ebenfalls dafür zu begeistern sinnlos zu schwitzen und sich freiwillig überflüssiger Bewegung zu widmen.

Knurrend sah er zur Tür, durch die Taichi gerade entschwunden war, nachdem dieser ihm

einen total schwachsinnigen Vorschlag für den Songtext gemacht hatte. Holz. Na super. Reife Leistung, Herr Yagami – die 5+ in Lyrik ist Ihnen sicher.
 

Yamato hasste es abgrundtief, wenn irgendjemand einen unfertigen Songtext von ihm las. Das war einfach… abartig. Und er würde es ihm zurückzahlen.. irgendwann.. sobald er sich wieder umgezogen hatte. Vorausgesetzt natürlich, er überlebte die Sportstunde.

Nachdem der Sänger sich unendlich langsam umgezogen und noch einen prüfenden Blick in den Spiegel geworfen hatte (wenn er schon unsportlich war und wahrscheinlich mal wieder alles falsch machte, wollte er dabei wenigstens gut aussehen), verließ der Blonde so ziemlich als Letzter die Umkleide und schlich sich in die Sporthalle.
 

Dort war schon reger Betrieb. Einige waren mit (total überflüssigen) Aufwärmübungen beschäftigt und der Rest hielt sich in der Nähe des Lehrers auf, der wahrscheinlich gerade erklärte, welche Foltermethoden er sich für dieses Schuljahr so vorstellte. Eigentlich wollte Yamato sich am liebsten zur dritten Gruppe gesellen – das heißt, zu denen, die durch Abwesenheit glänzten – aber leider gestatte ihm das sein Über-Ich nicht. Erziehung war doch echt unpraktisch.

Mit angesäuerter Miene gesellte er sich zu Taichi, der gerade seine Laufrunden beendet hatte, und jetzt irgendwelche merkwürdigen Dehn- und Streckübungen durchführte.
 

„Es ist nicht, was ich denke, das es ist, oder?“ Er deutete mit dem Kopf in Richtung Sportlehrer und rundes, schwarz-weiß gemustertes Lederutensil. Leider schätzte er schon jetzt die Chance auf ein klares ‚Nein’ als sehr gering ein.

Er hasste Sport und er hasste alle Sportarten, aber am schlimmsten waren die Mannschaftsdisziplinen. Wenn er sich alleine blamierte, war ihm das relativ egal. Aber er konnte es nicht ausstehen, wenn man ihm dann unbedingt die Schuld an einer Niederlage

zuschieben musste, nur weil er 1 oder 2 Eigentore schoss. Andere kamen ja nichtmal in die Nähe IRGENDEINES Tores. Pah.
 

Er wusste wie das ablaufen würde: Natürlich sollten sich die Schüler in zwei Mannschaften aufteilen. Und natürlich würde ER als Einziger irgendwo am Rand stehen bleiben, weil niemand ihn in der Gruppe haben wollte. Zumindest nicht, wenn er wert aufs Gewinnen legte. Und Gewinnen war nun mal im Allgemeinen besser für die Zensur, als Verlieren.

„Wenn du ein echter Freund bist, dann stellst du mir jetzt schnell ein Bein und bringst mich anschließend zur Krankenstation.“, versuchte Yamato es in seiner Verzweiflung.
 

+~+~+~+
 

Taichi hatte gerade sein Aufwärmtraining beendet und begonnen sich mit einigen Dehnübungen auf das bevorstehende Fußballspiel vorzubereiten, als Yamato, der sogar in seinen Sportklamotten aussah als wäre er eben einem Modemagazin entsprungen, noch immer mit absolut mieser Laune auf ihn zu trat. Ihr Sportlehrer konnte sich glücklich schätzen, dass Blicke nicht töten konnten, denn sein Gesichtsausdruck ließ nur allzu deutlich erkennen, dass Matt dem Mann im mittleren Alter die Pest und schlimmeres an den Hals wünschte.
 

„Ach komm, so schlimm wird’s schon nicht werden... So lange du dich vom Ball fern hältst verläuft das Spiel vielleicht sogar ganz gut!“ Sich ein Grinsen verkneifend wandte sich Taichi schließlich fragend dem Lehrer zu, der eben seinen Namen aufgerufen hatte und ihn nun auffordernd anblickte. Als dieser noch einen weiteren Schüler zu sich nach vorne bat, wurde ihm endlich klar was man von ihm verlangte und er trat seufzend vor.
 

Er hatte keine Ahnung wieso, aber seit er sich durch sein sportliches Können einen Namen gemacht hatte, war er immer einer der beiden Auserwählten, die anfangs dazu verdonnert wurden Spieler für ihre Gruppe auszusuchen. Wahrscheinlich lag es an dem schlechten Namensgedächtnis der Lehrer, die sich, wie es schien, nur die Namen der bekannteren Schüler merkten.

Glücklicherweise kannte er den größten Teil der Gesichter, was ihm die Auswahl gehörig erleichtern würde. Er nickte seinem Gegenüber zu, deutete ihm damit, dass er ihm die erste Wahl überließ. Wie erwartet wurde sofort Himura Tetsuya, der zweitstärkste Spieler der Schulfußballmannschaft (nach ihm selbst) aufgerufen und die Blicke der restlichen Schüler richteten sich abwartend auf ihn.
 

Seine Augen wanderten durch die Menge, blieben schließlich an einem weiteren Teamkollegen aus dem Fußballclub hängen, von dem er genau wusste, dass dieser ebenfalls schon geraume Zeit spielte und seiner Mannschaft mit Sicherheit zum Sieg verhelfen konnte. Und Gewinnen war schließlich alles... Oder?

Sein Blick riss sich von dem durchtrainierten Jungen los bevor er seinen ersten Mitstreiter aufrief.

„Ishida Yamato...“ Er schenkte seinem (ehemaligen?) besten Freund ein Lächeln, ignorierte die verduzten Gesichter der Schüler und deren verwirrtes Gemurmel und wartete darauf, dass der Mannschaftsführer des gegnerischen Teams einen weiteren Spieler aufrief. Nein, Gewinnen war bestimmt nicht alles...
 

Er wusste genau, wie sehr dem blonden Musiker vor solchen Auswahlverfahren graute, wie dermaßen er es hasste immer als letzter übrig zu bleiben. Tja, Yamatos Ruf eilte ihm nicht nur was seine musikalischen Fähigkeiten betraf voraus, sondern auch sein sportliches Talent war, vor allem bei den männlichen Schülern, in aller Munde. Seine weibliche Fangemeinde hingegen schien diese Tatsache kalt zu lassen.
 

Wenige Minuten später hatten sie die gesamte Meute in zwei gleich große Gruppen aufgeteilt und diese auf dem Spielfeld postiert. Der blonde Digiritter wirkte zwar nun etwas entspannter, trotz allem sah man ihm an, dass er sich noch immer nicht sonderlich wohl fühlte. Taichi warf ihm noch einen letzten aufmunternden Blick zu, bevor auch schon er Anpfiff erfolgte und der braunhaarige Wuschelkopf auf den Ball zu hechtete.
 

Das Spiel selbst verlief relativ ereignislos. Da ihre Gruppen im großen und ganzen etwa gleich stark waren stand es kurz vor Unterrichtsende unentschieden. Verbissen jagte Taichi hinter dem Ball her, versuchte das Stück Leder in das Tor zu befördern. Als er jedoch von zwei Spielern geblockt wurde, blieb ihm nichts anderes übrig als den Ball abzugeben und er versuchte, aus den Augenwinkel seine Umgebung absuchend, diesen einem Mitspieler zu zu passen. Bei der Suche nach einem freistehenden Teammitglied nur auf die grellblaue Schleifen ihrer eigenen Mannschaft achtend, stellte Taichi erst als es bereits zu spät war entsetzt fest, auf wen er gezielt hatte. Nämlich genau auf die Person, der er zu Beginn der Stunde noch geraten hatte sich so weit wie möglich von dem schwarz-weißen Ball fernzuhalten.

Taichi versuchte noch Yamato, der in Gedanken versunken in der Spielfeldmitte stand, erfolglos zu warnen, doch bis dieser auf seine Schreie reagierte war es bereits zu spät.
 

~tbc~
 

So, das wars erstmal^^ Kritik, Lob, etc. ist immer gerne gesehen, würden uns also riesig über ein paar Kommentare freuen^^ Danke fürs Lesen!

Danke für eure lieben Kommentare und eure Geduld^__^ Hier ist das nächste Chapter *wink*
 

+~+~+~+
 

Seine anfängliche Verwirrung über die Tatsache, dass er einmal in seinem Leben NICHT als Letzter ins Team gewählt wurde, legte sich schnell wieder. Tai hatte wohl doch Mitleid mit ihm gehabt.. auch wenn er damit riskierte, von den anderen Leuten als geisteskrank abgestempelt zu werden.
 

Yamato platzierte sich irgendwo am Randgebiet des Feldes und bewegte sich so wenig wie möglich und überhaupt nur dann, wenn der Ball sich in seine Nähe rollte (darauf machte er dann einfach zwei oder drei dezente Schritte zur Seite und schon bestand keine Gefahr mehr). Damit verhalf er seiner Mannschaft wahrscheinlich besser zum Sieg, als wenn er ernsthaft versuchte, sich zu beteiligen. Davon war offenbar nicht nur er selber überzeugt. So verging die Sportstunde zwar ohne Lebensgefahr oder größere Blamagen, allerdings auch sehr…….. sehr……… seeeehr langsam.
 

Der Sänger ertappte sich dabei, wie er immer wieder auf die Uhr sah. Keine gute Taktik, denn wie allgemein bekannt ist, wird die Zeit nur noch zähflüssiger wenn man bewusst auf sie achtet. Um nicht dauernd die Sekunden zu zählen, verfolgte Yamato halbherzig das Spielgeschehen. Die Mannschaften waren etwa gleichgut, soweit er das einschätzen konnte. Das resultierte allerdings daraus, dass die Mannschaft, in der er selber war, Taichi hatte, was eigentlich schon als 100%ige Gewinnchance gelten musste, welche aber durch seine eigene Zugehörigkeit wieder um 50% gemindert wurde, weil diese Mannschaft so ja nur aus 10 anständigen Spielern bestand, statt aus 11.
 

Das gegnerische Team hatte ein paar gute, ein paar durchschnittliche und einige mäßige Schüler, wodurch sich dort etwa die gleiche Chance ergab. So verwandelte Yamato die Sportstunde in eine Mischung aus Wahrscheinlichkeitsrechnung und Stehtraining.

Taichi setzte sich aber auch wirklich ein um dieses Spiel zu gewinnen. War ja in Ordnung, schließlich kam es auch der Sportnote des Sängers zugute wenn sie wirklich siegten. Die Zeit war bald um, es stand unentschieden. Yamato hatte gedanklich die Stunde schon beendet und grübelte schon darüber, was auf seinem Stundenplan nach ‚Sport’ kam. Nebenbei schwirrte ihm der schwachsinnige „Stolz-Holz“-Reim durch den Kopf und der Sänger wurde fast wahnsinnig dabei, ein besseres Wort zu finden.

Bolz, Holz, schmolz, solls …. BONG!
 

Auf einmal hörte Matt einen dumpfen Aufprall, und empfand einen unerwarteten Schmerz in der Bauchgegend.. und dann machte er es sich (leicht zusammengekrümmt) auf dem Hallenboden bequem. Nur gedämpft drangen Rufe und hektische Geräusche an sein Ohr und irgendwie war alles, was er sah, ziemlich verwischt und verschwommen. Die plötzliche Begegnung mit dem harten Fußboden hatte seinem Kopf wohl nicht besonders gut getan.
 

-*-
 

Er war sich nicht ganz sicher, ob und wie er aus der Sporthalle herausgekommen war, als er langsam wieder ganz Herr seiner Sinne wurde. Yamato blinzelte verwirrt, setzte sich auf und fasste sich mit der Hand an den Kopf. Ein Wunder dass alles noch an Ort und Stelle war. Fühlte sich ziemlich verbeult an.

Sport war eben doch Mord. Man konnte jedes Sportgerät als Waffe benutzen, aber das hatte er ja schon vorher gewusst. Und bei seinem Glück wurde er häufig das Opfer dieser (zweckentfremdeten?) Utensilien. Einmal hatte jemand, der offenbar noch unfähiger war, als er selber, beim Tischtennisspielen den Schläger GEWORFEN, als er den Ball zurückschlagen wollte. Yamatos Rettung war, dass er sich schnell genug geduckt hatte...

Als das blonde Sportopfer nun den Blick hob, um festzustellen, dass es sich (höchstwahrscheinlich) im Krankenzimmer befand, fiel seine Aufmerksamkeit auf den brünetten Digiritter neben ihm.
 

„Ich hatte gesagt, du sollst mir ein Bein stellen… nicht mich abschießen.“, murrte der Sänger, beantwortete damit gleichzeitig die Frage, ob alles okay mit ihm war, und sah Tai dazu halb vorwurfsvoll an. Mann - hatte der einen Schuss drauf… dabei sollte das wahrscheinlich nur ein Pass werden. Der Blonde wusste schon, wieso sein Kumpel im Fußball so hoch hinaus kam. Und er wusste, warum ER sich demnächst eine ärztliche Entschuldigung für die Sportstunde ausschreiben lassen würde. Er konnte schließlich nicht riskieren, sich ernsthaft zu verletzen. Was für ein Verlust wäre das gewesen für.. äh.. die Musikszene der Zukunft? Oder zumindest für seine Fangemeinde..
 

+~+~+~+
 

Es kam Taichi vor als würde der Fußball wie in Zeitlupe auf Yamato zufliegen und trotzdem war er nicht in der Lage irgendetwas zu tun. Er konnte nur hilflos mit ansehen wie das scharf geschossene Stück Leder den blonden Musiker direkt in den Bauch traf, dieser sich mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammenkrümmte und zu Boden ging. Entsetzt löste er sich aus seiner Erstarrung und lief den Namen des Freundes schreiend auf die um Luft ringende Gestalt zu. „Hey, alles okay? Matt? HEY!”
 

Der braunhaarige Junge spürte wie Angst in ihm hochstieg als sein Freund weder auf seine Rufe noch darauf reagierte als er ihn an den Schultern rüttelte. Erleichtert stellte er dann aber fest, dass sich sein Brustkorb kaum merklich hob und senkte, er schien also „nur“ das Bewusstsein verloren zu haben. Sein Herzschlag beruhigte sich langsam wieder und er wandte seinen Blick dem, sich nun ebenfalls besorgt zu dem verletzten Schüler beugenden Lehrer zu.
 

Die Stille, die sich durch den Unfall in der Turnhalle breit gemacht hatte, wurde durch das plötzliche Schrillen der Pausenglocke zerrissen und einige der Schüler zuckten überrascht zusammen. Der Sportlehrer richtete sich räuspernd auf. „Die Stunde ist zu Ende, wir sehen uns dann nächste Woche wieder, vergesst dann bitte eure Tennisschläger nicht! Wer keinen hat kann sich gegen Gebühren einen ausleihen...“
 

Er deutete den restlichen Schülern die Halle Richtung Umkleidekabine zu verlassen und wandte sich dann erneut Taichi zu. „Und du, Yagami, bringst ihn ins Krankenzimmer! Ich werde euch beide für die nächste Stunde entschuldigen!“ Mit diesen Worten bückte er sich um den achtlos auf dem Boden liegenden Fußball aufzuheben und verließ ebenfalls die Sporthalle. Kopfschüttelnd sah der braunhaarige Sportler ihm nach, musste sich aber gestehen dass die Reaktion des Lehrkörpers in beruhigte. Er hatte den prüfenden Blick den dieser dem verletzten Schüler zugeworfen hatte sehr wohl registriert und schloss aus dem Verhalten des Lehrers, dass Yamato nicht allzu schwer verletzt sein durfte.
 

„Sport ist wirklich nichts für dich, wie?“, meinte er leise zu dem bewusstlosen Jungen als er einen Arm unter Matts Beine schob und den anderen auf dessen Rücken postierte um ihn hochzuheben. Ein beinahe zärtliches Lächeln stahl sich auf sein Gesicht als er feststellte wie leicht Yamato war.

Er durchquerte die Umkleide, versprach den Mitschülern sie sofort zu informieren sobald er wusste ob mit Matt alles in Ordnung war und erreichte das Krankenzimmer schließlich wenige Minuten später leicht außer Atem. Welcher hinverbrannte Architekt war auch auf die Idee gekommen dieses so weit weg von der Sporthalle zu platzieren? Immerhin passierten die meisten Unfälle ja doch wohl bei körperlichen Betätigungen.
 

Irgendwie brachte der braunhaarige Junge es fertig zu klopfen, und blieb abwartend stehen. Er fluchte leise als niemand öffnete, drückte die Klinke schließlich einfach nach unten und trat ein, als sich die Türe wie erhofft öffnen ließ. Die Schulkrankenschwester, die normalerweise den ganzen Tag in ihrem Zimmerchen verbrachte war natürlich nicht zur Stelle wenn man sie mal benötigte. Er legte den noch immer bewusstlosen Musiker auf das weiß bezogene Bett, das im hinteren Teil des Zimmers stand, zog einen Stuhl heran und nahm seufzend darauf Platz.
 

Besorgt musterte er seinen Freund, der in den dunklen Sportklamotten noch blasser wirkte als normalerweise. Gerade als er sich seufzend wieder erheben wollte um sich ein Glas Wasser zu holen erregte ein leise Stöhnen seine Aufmerksamkeit und er merkte wie Yamato blinzelnd die Augen öffnete, sich verwirrt umsah, bevor er sich an den Kopf fasste. Erst dann schien er Taichis Anwesenheit zu bemerken und ein vorwurfsvoller Ausdruck stahl sich auf sein Gesicht. >"Ich hatte gesagt, du sollst mir ein Bein stellen… nicht mich abschießen.“< Erleichtert grinste er den ziemlich mitgenommen wirkenden Jungen an.
 

„Wenn du noch scherzen kannst, kann es dir ja nicht so schlecht gehen...“ Als Yamato sich dann aber leise stöhnend aufsetzte wurde er schlagartig wieder ernst

„Tut mir wirklich leid, ich wollte dich nicht treffen... Ich musste den Ball abgeben, und habe nicht darauf geachtet wem genau ich ihn zupasse..." Zerknirscht starrte er auf den Boden, hasste sich in diesem Moment selbst für seinen sportlichen Übereifer.
 

+~+~+~+
 

Als er sich aufsetzte, musste Yamato feststellen, dass nicht nur sein Kopf betroffen war. Der Schuss hatte gesessen. Er war zwar auch selber nicht unschuldig daran, dass er jetzt hier saß.. schließlich hätte er sich dazu zwingen müssen, die letzten 2 Minuten auch noch aufzupassen – aber dafür war es inzwischen sowieso zu spät.

„Haben wir wenigstens gewonnen?“

Matt wollte nicht als Schwächling dastehen und auch Mitleid war ihm eher unangenehm also ignorierte er den Drang, sich direkt wieder hinzulegen und vier Tonnen Aspirin zu verlangen.
 

Seine Frage erntete nur Kopfschütteln. Das war zu erwarten gewesen.

Der verletzte Musiker wandte den Kopf zur Uhr an der Wand, welche ihm verriet, dass die nächste Stunde längst begonnen hatte.

„Musst du nicht zum Unterricht?“

Der Blonde machte Anstalten aufzustehen. Er wollte nicht wie eine Memme liegen bleiben und einen auf leidend machen während andere sich Sorgen um ihn machten – so schlimm war’s doch gar nicht. Am unangenehmsten waren eigentlich noch die Kopfschmerzen. Matt war ja schon immer für Schaumstoffboden in Sporthallen gewesen, aber irgendwie waren die Verantwortlichen noch nicht auf seinen genialen Vorschlag eingegangen. Es war sicher nur noch eine Frage der Zeit.
 

Bevor der Blonde allerdings sein Vorhaben umsetzen konnte, betrat die vermisste Krankenschwester überrascht den Raum, erblickte ihn, eilte heran, legte ihre Hände auf seine Schultern und fixierte ihn besorgt – das alles geschah sehr zügig und machte einen abschreckenden Eindruck auf Yamato. Als hätte er sich 5 Beine gebrochen oder so.

„Du armer Junge, wie geht es dir? Hast du Schmerzen? Soll ich dir eine Spritze geben??“, sprudelte sie los und schüttelte ihn dabei leicht.
 

Yamato sah die Frau mit einer Mischung aus Skepsis und Verwirrung an und legte den Kopf ein wenig schief.

„Nein.. Ein bisschen Kopfschmerzen.. äh.. würden Sie bitte damit aufhören??“

Sie ließ von ihm ab und widmete sich nun Tai.

„Du warst es oder?!“ Irgendwie klang ihre Stimme furchtbar bedrohlich. Diese Frau war eindeutig.. ja, was eigentlich? … überarbeitet? ..hysterisch? ….auf Drogen?

„Es war ein Unfall.“, ergriff Yamato sofort die Partei seines Freundes, der ebenso verwundert über diese Begegnung zu sein schien, wie er selber. Diese Frau rettete hier bestimmt niemanden – man musste eher die Leute vor ihr retten. Das war zumindest Yamatos Eindruck.
 

„Und.. äh.. eigentlich ist es gar nicht so .. äh.. schlimm.. wir gehen dann.“, probierte Yamato es und rutschte von der Liege herunter, auf der er gesessen hatte. Der Versuch, sich an der Krankenschwester(?) vorbei zu schieben schlug leider fehl.

„Du kannst doch nicht wieder in den Unterricht! Du musst dich ausruhen! Ich rufe gleich deine Eltern an, damit sie dich abholen und--“

„Das wird nichts bringen, die sind arbeiten. Mich muss auch niemand abholen, mir geht es gut!“ Sein Vater würde kaum die Arbeit liegen lassen weil sein Sohn Kopfschmerzen hatte und von einem Fußball getroffen worden war. Da musste er schon wenigstens auf der Intensivstation im Krankenhaus liegen oder so; sein Vater wusste, dass er an so was nicht gleich starb. Und für seine Mutter wäre der Weg zur Schule ohnehin viel zu weit gewesen, nur um ihn abzuholen.
 

„Ich kann dich nicht alleine gehen lassen! Stell dir vor du wirst ohnmächtig und kippst irgendwo um!“ Dann fiel ihr Blick wieder auf Taichi der alles irgendwie hilflos verfolgte.

„DU! Du bringst ihn nach Hause, hast du gehört?!“
 

-*-
 

Nachdem sie das Krankenzimmer ein paar Meter hinter sich gelassen hatten, atmete Yamato erleichtert aus. Die Frau hatte seine Gesundheit wahrscheinlich stärker gefährdet, als der Ball. Er mochte Spritzen genauso wenig, wie jeder andere auch, und er würde sich garantiert keine geben lassen, wenn es nicht unbedingt nötig war. Und das war es nicht. Er konnte schließlich ganz normal laufen und so weiter. Na gut, wenn man von dem Ziehen im Bauch absah… und den Kopfschmerzen.. und dem leichten Schwindelgefühl… und der Übelkeit…
 

Stillschweigend spazierten beide durch die Gänge. Und obwohl Yamato es strikt abgelehnt hatte, trug Taichi nicht nur dessen sondern auch Yamatos Schultasche. Er war doch kein Invalide! Auch die nicht ganz sorgenfreien Seitenblicke des Sportlers blieben bei dem Sänger nicht unbemerkt. Aber so war Tai eben. Unendlich hilfsbereit und ziemlich fürsorglich, wenn es um Freunde oder Familienangehörige ging. Er hatte sich kein Stück verändert, seit sich ihre Wege mehr oder weniger getrennt hatten.
 

+~+~+~+
 

Taichi quittierte den Versuch seines Freundes sich von der weichen Matratze zu hieven mit einer hochgezogenen Augenbraue, wollte gerade den Mund öffnen um Yamato zu bitten wenigstens so lange zu warten bis die Schulschwester zurück war und ihn untersucht hatte, als die Türe geöffnet wurde, und die vermisste Person eben in diesem Moment eintrat. Sie wurden kurz überrascht gemusterte, bevor die Krankenschwester mit einem übertrieben besorgten Aufschrei auf Matt zustürzte. Verwirrt und eingeschüchtert von dem exzentrische Verhalten der kleinen, etwas pummeligen Frau wich der braunhaarige Junge ein paar Schritte zurück, beobachtete perplex wie diese Yamato mit sanfter (?) Gewalt zurück auf das Bett drückte.
 

Als sie dann aber den erfolglosen Versuch startete dem blonden Musiker das weite Sportshirt hochzuschieben um zu sehen ob er irgendwelche sichtbaren Verletzungen davon getragen hatte, ein Grinsen nicht mehr verkneifen. Matt konnte sie nur mit Müh und Not davon abhalten ihm die Klamotten vom Leib zu reißen, schaffte es schließlich aber sogar sie davon zu überzeugen, dass es völlig unmöglich war, seine Eltern um diese Uhrzeit zu kontaktieren. Resignierend fiel ihr Blick wieder auf Taichi, den sie bisher nur mit einem anklagenden Blick bedacht, und ihn sofort als Täter identifiziert hatte, worauf Yamato glücklicherweise augenblicklich richtig gestellt hatte, dass es ein Unfall gewesen war. Er zweifelte keinen Augenblick daran, dass die energische Furie ihn ansonsten durch den Fleischwolf gedreht hätte.
 

Wie er dem befremdeten Blick seines Freundes entnehmen konnte hatte dieser zuvor auch noch nie Bekanntschaft mit der schrägen Schwester gemacht. Tja, nun wusste er wieso er erfolgreich sämtliche Impfungen und Schuluntersuchungen geschwänzt hatte. Eigentlich war daran ja nur seine Spritzenphobie Schuld gewesen, aber im Unterbewusstsein hatte er wohl längst geahnt, dass jemand der freiwillig als Arzt in einer Schule jobbte nicht alle Tassen im Schrank haben konnte.

Taichi nickte widerstandslos als sie ihm befahl Yamato nach Hause zu bringen damit dieser sich ausruhen konnte. Obwohl er Matt ansah, dass dieser den Befehl für völlig übertrieben hielt, war er ganz froh über das willkommene frühere Ende des ersten Schultags.
 

Er schaltete auf Durchzug als die Schwester den blonden Freund noch mit allerlei unnützen Ratschlägen zumüllte, wie er in Zukunft besser auf seine Gesundheit acht geben konnte, reagierte auf ihren vorwurfsvollen Blick in seine Richtung und den damit verbundenen Vortrag darüber, dass es beim Sport nicht nur ums Gewinne ginge und man gut auf seine Mitschüler acht geben sollte, mit einem gespielt reuevollen Nicken und verließ dann mit Yamato im Schlepptau fluchtartig das Krankenzimmer.
 

Erst als sie genügend Abstand zwischen sich und den Ort des Grauens gebracht hatten, verlangsamte Taichi sein Schritttempo und schüttelte ungläubig den Kopf. „Hast du schon mal eine derartig verrückte Person getroffen? Mich wundert es wirklich, dass sie dich nicht sofort aufs Bett gefesselt und dir bei vollem Bewusstsein den Brustkorb geöffnet hat, nur um sich zu vergewissern ob deine Organe noch alle intakt sind... Wenn die so weiter macht ist ihr die Einweisung in die Klapse sicher!“
 

Erst als Yamato nicht augenblicklich antwortete, wandte er sich dem sogar für seine helle Hautfarbe unnatürlich blassen Jungen zu, merkte sofort, dass dessen gesundheitlicher Zustand bei weitem nicht so gut war wie er vorgegeben hatte. Nicht auf seine Proteste achtend nahm er ihm die Schultasche ab, lächelte leicht als Matt schließlich aufgab und wortlos neben ihm her ging.
 

„Du hast dich kaum verändert...“, brach er schließlich das Schweigen, nicht im geringsten ahnend, dass er eben beinahe wortwörtlich die Gedanken seines besten Freundes wiedergab. „Der Traum so ziemlich jedes Mädchens hier an der Schule, trotz allem von den Jungs respektiert, Leadsänger einer immer bekannter werdenden Band... und trotzdem vertraust du kaum jemandem, verbirgst deine Emotionen, lässt nie erkennen wie es dir wirklich geht... Matt, auch wenn wir das letzte Jahr über kaum Kontakt hatten, ich kenne dich besser als du dir wohl vorstellen kannst... Ich weiß, dass es dir nicht gut geht, wieso überspielst du das? Es ist nichts verwerfliches daran manchmal Schwäche zu zeigen... Hilfe anzunehmen wenn sie einem angeboten wird...“, fuhr er schließlich fort und beendete seinen für ihn ungewöhnlich ernste Monolog mit einem verlegenen Grinsen.

„Wir sind doch Freunde, oder etwa nicht?“
 

+~+~+~+
 

Und obwohl Yamato seinen Kumpel mindestens genauso gut kannte, wie der andere ihn selbst, war er immer wieder verwundert, wenn Taichis ernste Seite zutage trat. Natürlich hatte Tai irgendwo Recht, aber Yamato würde sich wahrscheinlich trotzdem nicht ändern. Es waren Erlebnisse und Erfahrungen, die ihn geprägt hatten, die sich nicht so einfach vergessen ließen. Die Trennung seiner Eltern, die Trennung von seinem Bruder, die oftmals kühle Schulter seines Vaters. Er hatte gelernt, dass es besser war, keine Schwäche zu zeigen. Er hatte für seinen kleinen Bruder da sein müssen, er musste der Starke sein, der den Kleinen trösten konnte. Und diese Einstellung war irgendwo in ihm noch immer verankert, auch wenn er seinen Bruder nicht mehr beschützen oder trösten brauchte und ihn sowieso nicht mehr ständig um sich hatte.
 

Ein leichtes Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab als Tai seine Gedanken fertig geäußert hatte. Wenn irgendjemand den Anspruch eines ‚Ja’ auf diese Frage hatte, dann war es wohl Taichi. Der Blonde kannte zwar viele Leute, und er konnte auch einige gut leiden, kam mit vielen klar.. aber echte Freundschaft bedeutete für ihn einfach mehr als nur gut miteinander auszukommen (und er musste es schließlich wissen, wo er doch Träger des passenden Wappens war).

„Sicher.“ Er ließ sich schließlich nicht von jedem KO setzen, ohne sich dafür zu revanchieren.
 

Der Blonde hatte nicht an dieser Freundschaft gezweifelt, auch wenn sie sich lange nicht getroffen hatten. Eine Zeit, wie die, die sie miteinander verbracht hatten, schweißte zusammen – eine Verbindung, die sich nicht so schnell trennen ließ. Auch wenn sie jetzt vergleichsweise erwachsen waren, und die Digiwelt keine große Rolle mehr in ihrem Leben spielte.

„Aber ich glaube nicht, dass ich noch lange ‚der Traum eines so ziemlich jeden Mädchens’ hier bin, wenn ich noch mehr solche Sportstunden durchstehen muss.“ Vielleicht sollte er so tun, als wäre er endgültig traumatisiert von Sportstunden, sodass es ihm völlig unmöglich war, sich einer Sporthalle oder einem Sportplatz auf mehr als 10 Meter zu nähern?
 

Nach einigen Minuten hatten sie das Schulgebäude schließlich auch verlassen. Draußen war es nicht kalt.. aber auch nicht warm, ein Zustand der für die Jahreszeit typisch war. Leider konnte man sich dabei aber nie richtig sicher sein, ob es so blieb, oder ob man in den nächsten 30 Sekunden damit rechnen musste, in mitten eines Platzregens zu stehen.

Der Schulhof war fast völlig leer. Nur einige Schüler, die offenbar entweder schwänzten, oder eine Freistunde hatten (und nicht besseres damit anzufangen wussten, als zu rauchen), standen in Grüppchen unter den Bäumen und unterhielten sich.

Bevor die beiden Freunde allerdings das Tor erreicht hatten, wurden sie noch einmal aufgehalten.
 

„Hey, warte mal!“

Da die beiden nicht wussten, wer von ihnen denn jetzt gemeint war, hielten sie synchron an und drehten sich um. Ein Mädchen aus einer der niedrigeren Klassenstufen, vielleicht um die 14, mit blondem, welligem Haar stand vor ihnen und musterte Yamato mit neugierigem Interesse. Möglicherweise hätte man sie auf den ersten Blick für schüchtern und eher ruhig gehalten, aber dieser Eindruck wurde schon eine Millisekunde später völlig ausgeräumt.
 

„Oh, dir geht es gut, ja Matt? Nanami hat erzählt, sie hätte gehört, wie Yosuke von einem Jungen aus deinem Sportkurs gehört hat, dass du einen Sportunfall hattest und im Koma liegst! Ein Glück, dass es dir gut geht! Obwohl.. du bist ganz schön blass! Pass gut auf dich auf ja? Ich bin dein größter Fan!“

Yamatos Augenbrauen hatte unwillkürlich den Weg Richtung Stirn angetreten. Interessant, wie sich Gerüchte verbreiteten.. und noch interessanter, was für komische Fans er hatte. Er hatte sich seinen größten Fan immer irgendwie.. nunja.. größer.. vorgestellt. War ja nett, wenn sich jemand um sein Wohl sorgte, aber hoffentlich wollte die Kleine jetzt nicht noch ein Autogramm – das war gerade nun nicht der geeignete Zeitpunkt. Eigentlich wollte der Blonde nur noch nach Hause – sich einen Tee kochen und sich entspannen.
 

„Ähm.. ja. Alles klar. Bis dann.“, erwiderte der Angesprochene (noch immer leicht irritiert) und wandte sich gleich wieder ab, um sein Desinteresse an weiterem Zugequatscht-werden auszudrücken. Das Mädchen startete zum Glück auch gar keinen Versuch in dieser Richtung und kehrte (höchstwahrscheinlich) zu ihren Freunden zurück um davon zu berichten, wie sie den tollen Yamato Ishida, der dem Koma entkommen und dem Tod von der Schippe gesprungen war, persönlich getroffen hatte.
 

+~+~+~+
 

Obwohl Taichi noch immer nicht völlig davon überzeugt war, dass Yamato wohl auf war, stahl sich bei dessen trockenem Kommentar ein Grinsen auf sein gebräuntes Gesicht. „Nach deinem heutigen... Unfall dürfte unser Sportlehrer schon verstehen, dass du dich eine Zeit lang vom Spielfeld fernhalten willst!“ Sie durchquerten die menschenleeren und stillen Flure des Schulgebäudes, und vor allem Taichi sah man die Erleichterung darüber, dass er den restlichen Tag nicht in den sterilen Klassenräumen verbringen musste, als sie in den mit Graffiti besprühten Schulhof hinaustraten, an. Man hatte vor Jahren versucht die modernen Schriftzüge für immer unter einer weiteren Schicht weißer Farbe verschwinden zu lassen, doch als rebellische Schüler es immer wieder schafften, diese unbeobachtet zu erneuern, hatte man sich die Mühen schließlich gespart.
 

Auch der Schulhof lag ungewöhnlich verlassen vor ihnen, nur einige wenige Schüler trotzten bereits am ersten Tag den Lehrern und blieben dem Unterricht fern. Taichi fröstelte leicht, zog seine Jacke etwas enger um seinen Körper. Im Gegensatz zu seinem unsportlichen Schulkameraden hatte er die ganzen zwei Stunden lang sein Bestes gegeben, und auf die Tatsache, dass er nun noch immer die verschwitzten Sportklamotten trug, reagierte sein Körper nicht gerade dankbar. Als sie den weit läufigen Platz beinahe durchquerten hatten, ertönte plötzlich eine helle Mädchenstimme hinter ihnen und Taichi drehte sich verwundert um. Wie bereits durch den hohen Tonfall der Stimme vermutet, kam eine höchstens fünfzehn jährige Schülerin auf sie zugelaufen, die ihn selbst gänzlich ignorierte und ihre vor Freude strahlende Augen völlig auf Yamato fixierte.
 

Überrascht schüttelte er den Kopf als das eigentlich relativ schüchtern wirkende Mädchen ohne Punkt und Komma loslegte, und, den blonden Musiker besorgt von oben bis unten musternd, sofort den Unfall erwähnte. Erst als sie ihren Ganz-Körper-Check abgeschlossen und festgestellt hatte, dass ihr Idol noch intakt war, verschwand der fürsorgliche Ausdruck aus ihrem Gesicht und verwandelte sich stattdessen in einen purer Erleichterung.

Yamato, der ebenfalls nicht damit gerechnet zu haben schien, dass sich die Neuigkeit derartig schnell verbreitete, wirkte völlig überrumpelt und aus dem Konzept gebracht. Das Mädchen störte sich aber nicht an Yamatos etwas zeitverzögerten Antwort, strahlte den Musiker noch einmal, laut verkündend, dass sie sein größter Fan wäre, an und kehrte dann zu ihren Freunden zurück.
 

Grinsend packte der braunhaarige Sportler seinen besten Freund am Arm und zerrte ihn durch das Schultor, hinaus auf die Straße.

„In Zukunft solltest du besser nur mehr verkleidet außer Haus gehen, deine Fans werden ja immer dreister! Ich wusste ja, dass deine Band bekannt und beliebt ist, aber dass du nun sogar den Mädchen aus der Unterstufe den Kopf verdrehst? Da wunderte es mich nun nicht mehr, dass du das letzte Jahr so wenig Zeit für mich hattest!“ Yamato, der ihn nur ab und an mit einem tödlichen Blick bedachte, den ganzen Heimweg lang weiterhin mit seinem Fanclub aufziehend verging der Fußweg ziemlich schnell und etwa eine Viertelstunde später fanden sie sich bereits vor der geteerten Einfahrt des Ishida Einfamilienhauses wieder.
 

Wie erwartet war die Garage leer, Yamatos vielbeschäftigter Vater war also wie sooft wieder einmal unterwegs. Den blonden Jungen schien diese Tatsache nicht sonderlich zu stören, doch Taichi, der täglich von seiner Mutter und einem warmen Mittagessen zu Hause erwartet wurde, graute vor der Vorstellung sich derartig oft alleine in einem so riesigen Haus aufhalten zu müssen. Mal davon abgesehen, dass er selbst nicht in der Lage sein würde, sich zu Mittag selbst etwas Essbares zuzubereiten.
 

Nach einigen Minuten erfolgloser Suche fand Matt schließlich den Hausschlüssel, sperrte die solide Holztüre auf und sie betraten nacheinander den auf Hochglanz polierten Flur. Der Sportler zog seine Schuhe aus, platzierte sie so säuberlich wie möglich unter dem Garderobenständer und steuerte, seine Sporttasche unter dem Arm das gemütliche Wohnzimmer an. „Hey, Matt, ich kann dann doch sicherlich euer Bad benützen, oder? Die Horrorkrankenschwester hat mich so eindringlich gebeten dich so schnell wie möglich nach Hause zu bringen, dass ich es nicht einmal mehr gewagt habe mich noch zu duschen...“ Er zupfte gespielt angeekelt an dem eng am Körper klebenden Shirt herum und warf dem Musiker einen leidenden Blick zu.
 

Natürlich erhielt er wie erwartet die Erlaubnis, und er kniete sich neben seiner Tasche auf den Boden, und öffnete sie um seine Schuluniform herauszuholen, als plötzlich ein kleines Döschen herausrutschte und beim Aufprall ein leises Geräusch von sich gebend auf dem Boden landete. Verwundert hob er es hoch, las mit hochgezogenen Augenbrauen den darauf geklebten Post-It Zettel und schüttelte dann fassungslos den Kopf.

„Wie und wann hat diese Psychoschwester es nur hinkriegt mir das in die Tasche zu stecken?! Tja, Matt, du hast wohl nicht nur die Unterstufenschülerinnen in deinen Bann gezogen...“ Leicht schaudernd löste er den Zettel von der kleinen Dose und reichte sie seinem ihn verständnislos anblickenden Gegenüber. >Damit der blaue Fleck auch gut verheilt! Immerhin will doch keiner dass unser Schulidol bleibende Schänden davon trägt!<
 

"Also ich an deiner Stelle würde mich hier verbarrikadieren und die Schule nie wieder betreten...Tjaja, Ruhm fordert eben auch seine Opfer..." Lachend brachte Taichi sich in Sicherheit als Matt versuchte ihn mit einem Sofakissen zum Schweigen zu bringen.

Er schaffte es schließlich den Behälter aufzuschrauben, beäugte die leicht gelbliche Creme darin misstrauisch, zuckte dann aber mit den Schultern und wandte sich zu seinem besten Freund um. "Okay, dann machen wir ihr mal die Freude und hoffen, dass dieses Wundermittelchen wirklich jegliche Spuren meines Angriffs beseitigen wird..." Als der blonde Musiker auf seine Worte nur mit einem verständnislosen Blick reagierte, seufzte der braunhaarige Wuschelkopf leise auf. "Dein Shirt, zieh es aus! Oder soll ich die Creme darüber schmieren?"
 

+~+~+~+
 

Vielleicht waren Überwachungskameras mit Nachtsicht, Laserschranken, ein ausgeklügeltes Alarmanlagensystem mit Fingerabdrucksabfrage und Gesichts-Scan und ein großer, massiver Elektrozaun gar keine so schlechte Investition, wenn man es sich recht überlegte (womöglich noch ein paar scharfe, große Hunde zur Sicherheit!). Langsam aber sich wurde ihm diese Sache nämlich unheimlich. Er konnte sich nicht erklären, wann die Frau es geschafft haben sollte, sich an Taichis Tasche zu schaffen zu machen, hatte ihre Aufmerksamkeit doch die ganze Zeit ihm selbst gegolten…. Und was außerdem noch geklärt werden musste: Waren seine Zielgruppen denn nur kleine, schuleschwänzende Mädchen und durchgedrehte Krankenschwestern? Dann konnte er sich das mit dem ‚Holz’ ja noch mal überlegen… denn er zweifelte langsam daran, dass sich überhaupt jemand für den Text interessierte.

Was für eine deprimierende Feststellung.
 

Und dass Tai ihn auch noch ständig mit seiner Fangemeinde aufzog, …wo er doch schon so leiden musste. Leider verfehlte das Sofakissen sein Ziel knapp.

Er fand die ganze Idee mit der Salbe –oder was auch immer sich in dieser Dose befand- schon lächerlich, er hatte schon öfter mal blaue Flecken gehabt und die waren alle so verheilt. Überdies hätte er irgendwelche Pillen gegen Kopfschmerzen oder Übelkeit weitaus besser gefunden.

Wie Shirt ausziehen?!?
 

„Du sollst gar nichts, ich mach’ das selber!“, protestierte der Blonde sofort. Er hatte den größten Teil seines Lebens keine Mutter gehabt, die sich um ihn kümmerte, da brauchte Tai nicht gerade jetzt Gefallen an solchen Aufgaben zu finden. Seine Hände und Arme waren schließlich heil geblieben…

Nur irgendwie sah Tai nicht so aus als wäre er von seiner Idee abzubringen.

„Komm schon, ich hab’s angerichtet also bringe ich es auch wieder in Ordnung.“, argumentierte der Sportler grinsend und schritt auf den Sänger zu, der sich nun irgendwie wie ein gejagtes und in die Enge getriebenes Tier fühlte. War Tai nicht derjenige gewesen, der damals in der Digiwelt ‚Wenn was kaputt ist, muss man nur mal ordentlich draufhauen!’ als sein Motto deklariert hatte???
 

Und wenn Tai ihm einen Schrecken einjagte, sodass er einen Infarkt bekam? Würde er dann auch darauf bestehen irgendeine schwierige Operation am offenen Herzen selber durchzuführen, weil er schuld daran war?!? Yamato graute es bei dieser Vorstellung. Zu recht.

Der Sänger ging sicherheitshalber ein paar Schritte rückwärts.

„Wolltest du nicht… duschen gehen?“ Man konnte sich dem Eindruck nicht erwehren, dass der Musiker ein wenig.. nunja.. verzweifelt klang.

„Die 5 Minuten machen es jetzt auch nicht mehr.“

Es war ja nicht nur wegen Tai.. oder der undefinierbaren Salbe.. er konnte Tai gut leiden (und er traute ihm sogar ansatzweise zu, dass er das bei seiner Schwester sicher immer gut gemacht hatte).. aber er ließ grundsätzlich niemanden mit solchen Gründen in seine Nähe! Keine Krankenschwester, Ärzte nur wenn er unter Narkose war und auch sonst keinen! Er hatte einfach keine Lust mehr, sich zum fünfhundertsten Mal anzuhören wie blass doch seine Haut war oder wie ungesund das wirkte. War ihm doch egal! Ihn störte es nicht. Er konnte in die Sonne gehen, soviel er wollte – braun wurde er davon kaum. Wenn, dann bekam er höchstens einen Sonnenbrand wodurch er eher rot als braun wurde.
 

Beim nächsten rückwärtigen Schritt allerdings, war Yamato am Sofa angelangt, ohne es gemerkt zu haben, fiel über die Seitenlehne nach hinten und landete halbwegs weich auf der Sitzfläche. Seine Kopfschmerzen wurden davon trotzdem nicht unbedingt besser…

Taichi seinerseits hatte keine Sekunde seine Aufmerksamkeit von dem Blonden genommen und sah jetzt wohl seine Chance, das Vorhaben erfolgreich durchzusetzen.

Grummelnd blieb der Blonde liegen. Wenn er so weitermachte, war er morgen wirklich soweit, dass er Krankenschwestern und gute Ärzte brauchte.
 

Murrend verschränkte er die Arme und blickte vorwurfsvoll zu Taichi herauf, der neben dem Sofa stand und sich das Grinsen nur schwer verkneifen konnte.

Früher oder später würde der Tag kommen, an dem Yamato es ihm heimzahlen konnte… aber wahrscheinlich eher später, da er erst mal wieder gesund werden musste.

Wer konnte außerdem sicher sein, dass der Inhalt dieser Dose wirklich half und nicht vielleicht sogar unverträglich war? Yamato zumindest traute der Frau keine besonders hohe Kompetenz zu wenn er ehrlich war. Womöglich bekam er irgendwelchen ekligen Ausschlag oder sonst irgendwas Unangenehmes davon! Ein nicht unbeträchtliches Risiko…
 

über das sich Taichi, der nun auf dem Sofa Platz genommen hatte, keinerlei Gedanken zu machen schien als er Yamato, der sich inzwischen mehr oder weniger freiwillig ergeben hatte (dabei allerdings ein ziemlich unwilliges Gesicht machte), grinsend das Shirt über den Kopf zog und es beiseite legte.

Der Sänger hatte seinen aktiven Widerstand seufzend aufgegeben. Gegen Taichis Fürsorge war scheinbar kein Kraut gewachsen… bevor er sich noch mehr blaue Flecken zuzog, ließ er ihm lieber seinen Willen. Wie hieß es so schön? – Der Klügere gibt nach!
 

Da lag er also (aus Versehen) auf seinem blauen Sofa, die Finger unter dem Kopf verschränkt, und glotzte unverwandt die Zimmerdecke an während sein bester Freund neben ihm auf dem Rand des Möbels saß und eine Dose mit fragwürdigem Inhalt öffnete. Obwohl er eigentlich darauf gefasst gewesen war, zuckte Yamato leicht zusammen als der andere vorsichtig begann, die Salbe auf der betroffenen Stelle zu verteilen. Es war kühl und ein wenig feucht … und Tai musste wirklich sehr vorsichtig vorgehen, da der geringste Druck dort schon schmerzte. Der blonde Patient riskierte einen kurzen Blick auf Taichi, der ziemlich konzentriert bei seiner Tätigkeit zu sein schien.
 

Yamato war es nicht gewohnt, dass andere sich auf diese Art um ihn kümmerten. Er war im Allgemeinen eher selbstständig, kochte selber (weil ihm nichts anderes übrig blieb, wenn er sich nicht permanent von Fertigsuppen ernähren wollte), schmiss den Haushalt und managte auch sonst sein ganzes Leben mehr oder weniger alleine. Sein Vater war fast nie daheim. Genauso gut hätte er seine eigene Wohnung haben können. Und wenn dieser mal anwesend war, wäre das Letzte, auf das der gekommen wäre, Yamato mit irgendwelchen Salben gesund pflegen zu wollen. Was dich nicht umbringt macht dich stärker, war das Motto.
 

+~+~+~+
 

Taichi, der bereits mit Widerworten Seitens Yamato gerechnet hatte, ignorierte diese ohne mit der Wimper zu zucken, achtete auch nicht auf die Tatsache, dass dieser einige Schritte vor ihm zurück wich. Der klägliche Versuch des blonden Musikers ihn davon zu überzeugen sich doch lieber einer ausgiebigen Dusche zu widmen quittierte er nur mit einem breiten Grinsen. Das Bad würde ihm schließlich nicht davon laufen... Was man von Matt nicht behaupten konnte.
 

„Ach komm, du reagierst ja beinahe so eingeschüchtert als würde ich dich am offenen Herzen operieren wollen und nicht nur einen läppischen blauen Fleck mit Salbe bestreichen...“ Einen Moment lang klang Taichi beinahe verletzt, da sich seine Lippen aber augenblicklich wieder zu einem breiten Grinsen verzogen, schob Yamato, der den braunhaarigen Freund anstarrte wie ein Reh im Scheinwerferlicht, dies seiner Einbildung zu. Der Musiker ahnte nicht, dass seine Beobachtung nicht seiner Fantasie entsprungen war. Das abwehrende Verhalten, das Matt ihm gegenüber zeigte hatte Taichi einen Moment lang wahrhaftig einen Stich versetzt. Glücklicherweise hatte er sowohl seine Gesichtszüge als auch seine Stimme sofort wieder unter Kontrolle gebracht, so dass sein Gegenüber nichts davon gemerkt zu haben schien. Natürlich wusste er, dass diese Abwehrhaltung vor allem daher rührte, dass blonde Musiker durch seine Kindheit geprägt worden war, von Klein auf schon dazu gezwungen gewesen war auf eigenen Beinen zu stehen, sich auf niemanden zu verlassen.
 

Taichi schob die Gedanken in dem Wissen, dass es sowieso nicht in seiner Macht stand diese Tatsache zu ändern zur Seite, reagierte auf den vorwurfsvollen Blick den sein Gegenüber ihm zuwarf, nachdem er einen weiteren Schritt zurück gewichen war, dabei über die Lehne des Sofas gestolpert und glücklicherweise sanft auf der weich gepolsterten Sitzfläche gelandet war, nur weiterhin grinsend.

Er nahm neben dem noch immer reichlich unglücklich wirkenden Jungen auf dem Sofa Platz, stellte triumphierend fest, dass Matt sich scheinbar, wenn auch widerwillig, seinem Schicksal fügte.
 

Der braunhaarige Sportler beugte sich nach vor, bewertete Yamatos Schweigen als stilles Einverständnis und befreite seinen Oberkörper von dem störenden Stück Stoff, ging dabei so vorsichtig wie möglich vor um dem verletzten Musiker eventuelle Schmerzen zu ersparen. Dieser ließ es, allerdings nicht ohne vorher leidend aufzuseufzen, widerstandslos mit sich geschehen.
 

Zufrieden öffnete Taichi, die zuvor sicherheitshalber wieder geschlossene kleine Dose, tauchte zwei seiner schlanken Finger in die creme-artige Substanz, drückte den Freund mit sanfter Bestimmtheit in die weichen Kissen, so dass dieser, ihm nun völlig ausgeliefert an die Decke starrte. Als er einen ersten Blick auf Yamatos flachen Bauch warf entfuhr ihm unwillkürlich ein Aufkeuchen. Dass sein Schuss derartige Spuren hinterlassen würden, damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Die etwa die Größe einer Handfläche besitzenden Stelle schillerte bereits in den verschiedensten Farben. Er spürte erneut Schuldgefühle in sich aufsteigen und begann vorsichtig mit den in die Creme getauchten Fingern über die Verletzung zu streichen, hielt sofort inne als der Musiker unter der Berührung zusammen zuckte.
 

Erst als er sich vergewissert hatte, dass dies nur aufgrund der plötzlichen Kälte erfolgt war, fuhr er mit seiner Aufgabe fort.

Konzentriert verteilte Taichi eine dünne Schicht des angeblichen Wundermittels auf Matts Haut, stellte dabei fest wie ungewöhnlich hell und weich diese war.

Er bemerkte den musternden Blick des Verletzten, hob seinen Kopf und erwiderte ihn lächelnd. „Na, konnte ich dich von meinen Fähigkeiten überzeugen?“ Sich den Rest der Creme an „seinen“ Sportklamotten, die ja sowieso gewaschen werden mussten, abwischend, richtete er sich auf und schloss das kleine, noch etwa halb volle Döschen. „Du solltest dir ein altes Shirt überziehen damit du die Salbe nicht versehentlich auf sämtlichen Möbeln verteilst!“
 

Einen Moment lang blieb Taichis Blick an Yamatos nacktem Oberkörper hängen, bevor er sich losriss und nach seiner Schuluniform griff um sich endlich seinen ursprünglichen Plan die Tat umzusetzen und Duschen zu gehen.

„Also dann, ich bin schnell im Bad...“ Sich mit einem Lächeln für die kurze Zeit verabschiedend verließ er das Wohnzimmer, steuerte zielstrebig auf die Stiege, die in den ersten Stock, und damit zum Badezimmer, führte zu und fand sich wenige Sekunden später in dem blau, weiß gefliesten Raum wieder.

Er befreite sich von den Sportklamotten und stieg leise seufzend in die von Milchglasscheiben eingefasste Duschkabine. Irgendetwas an dem heutigen Tag war definitiv komisch. Wieso hatte er beinahe fluchtartig das Wohnzimmer verlassen? Sich beinahe verlegen gefühlt als er Yamatos Wunde versorgt hatte?
 

Mit derartigem Körperkontakt hatte er doch vorher auch noch nie Probleme gehabt. War es, weil er den blonden Musiker nun schon so lange Zeit nicht mehr gesehen hatte? Aber an ihrer Freundschaft hatte sich doch nichts verändert, oder? Taichi drehte, sich unter dem Duschkopf postierend den Warmwasserhahn an, schloss genussvoll die Augen als die ersten Wassertropfen auf seinen Körper prasselten. Wahrscheinlich war er nur im Moment noch verwirrt darüber, dass er seinen besten Freund so plötzlich wieder hatte. Genau, daran musste es liegen. Zufrieden eine Antwort gefunden zu haben begann der braungebrannte Fußballspieler seinen Körper mit Duschgel einzureiben.
 

+~+~+~+
 

So schnell wie Taichi ihn überrumpelt hatte, um das Wundermittel an ihm auszuprobieren, so schnell war er auch wieder aufgestanden und auf dem Wohnzimmer verschwunden. Fast als hätte er es irgendwie eilig. Merkwürdig. Naja, wahrscheinlich hielt er es einfach nur nicht mehr in den verschwitzten Sportklamotten aus.

Yamato stand auf. Hätte er vielleicht lieber nicht getan, denn auf einmal wurde ihm ganz schön schwindlig sodass er sich wieder aufs Sofa fallen lassen musste, und eine Minute wartend dort verbrachte bevor er sich wieder (diesmal etwas gemächlicher) erhob.
 

Er sollte eventuell doch bald sein Bett aufsuchen…. Aber erst wenn diese Creme eingezogen war. Er hielt nichts davon, sich ein Shirt überzuziehen.. ER wusch hier im Haus die Kleidung… und hatte keine Lust sich noch mehr Arbeit zu machen indem er seine Shirts mit Absicht einsaute. Das würde ja höchstens 5 Minuten dauern.. solange konnte er es gerade noch aushalten, halbnackt in der Wohnung herumzulaufen, langsam war ihm fast alles egal. Immerhin war es warm genug und zu verstecken hatte er ja nun auch nichts mehr.
 

Bedächtig, und sich ab und zu mit dem Arm an der Wand lang tastend, ging Yamato in die Küche und setze erst mal Wasser an. Wäre ja gelacht, wenn er sich von ein bisschen Kopfschmerzen so leicht unterkriegen ließe. Kam gar nicht in Frage. Sollte er sich einen Rollstuhl zulegen oder sich von jetzt an auf allen Vieren fortbewegen (dann konnte er immerhin nicht fallen, weil der Boden eh nicht weit weg war)? Lieber nicht, dann konnte er nicht mehr schnell genug vor seinen Fans fliehen.
 

Er brauchte was zu trinken. Tee war genau das richtige.. etwas anderes schien ohnehin nicht vorhanden zu sein. Wie er es hasste, wenn sein Vater den ganzen Einkauf ausräumte und als Verpflegung mit auf Arbeit nahm!

Als das Wasser kochte, lehnte er sich kurz gegen die Küchentheke und überlegte. Es war zwar noch nicht ganz Mittag, aber er hatte schon irgendwie Hunger. Noch dazu hatte er ja sein Frühstück vergessen gehabt… also war es wahrscheinlich keine schlechte Idee, auch etwas zu essen zuzubereiten. Nur eine Kleinigkeit – er wollte sich ja nicht überanstrengen.

Bei der Durchsuchung der Schränke kam er zu folgendem Ergebnis: Er musste neu einkaufen. Aber darauf hatte er heute absolut keine Lust. Zum Glück fand sich noch ein Beutel Nudeln im unteren Teil des Küchenschrankes.

Der Blonde setzte einen Topf mit Wasser auf, und vollendete dann seinen Tee, als der Wasserkocher sich piepend meldete. Leider noch zu heiß zum Trinken. Das Wasser auf dem Herd war bald am Kochen, sodass Yamato nur noch die Nudeln hineinwarf, Salz hinterher streute und Geschirr aus dem Schrank holte, welches er auf dem Tisch verteilte. Irgendwas fehlte noch… ah ja Ketchup.
 

Gerade als er die lecker riechenden Nudeln abgoss, hörte er Schritte, die eindeutig verkündeten, dass Taichi die Fährte schon aufgenommen hatte, und auf dem Weg in die Küche war. Auch das schien unverändert zu sein: Tai liebte Essen… und zwar zu jeder Tages- und Nachtzeit.

Die Salbe war nun auch endlich eingezogen, wie Yamato nach vorsichtiger Überprüfung mit einem Finger feststellte. Aber jetzt war der Hunger doch größer, als der Drang, sich etwas überzuziehen.

„Komm, setz dich hin.“

Tai bekam fast leuchtende Augen als er das angerichtete ‚Festtagsmahl’ erblickte und nahm auch ohne weitere Aufforderung auf der anderen Seite des kleinen Tisches Platz.

„Guten Appetit“ Das hatte Tai wahrscheinlich sowieso nicht gehört, denn der stürzte sich auf die Nudeln, als sei er kurz vorm Verhungern.
 

Der Blonde musste bei diesem Anblick schon ein wenig grinsen, machte sich dann auch daran, das Mahl zu sich zu nehmen. Schmeckte nicht übel, aber schließlich mundet das, was man selber zubereitet hat immer am besten. Wie es Naturgesetz war, war Tai viel schneller fertig, als der Sänger.

„Nimm dir ruhig noch was, ich schaff das sowieso nicht alles.“

Als der Teller vor ihm schließlich auch leer war, war Tai erst bei der Hälfte der zweiten (oder schon dritten?) Portion.

„Ich geh’ mir nur eben was überziehen.“

Damit war er wieder aufgestanden… vielleicht etwas zu schnell.. stolperte mehr durch den Flur, als dass er lief, und bog in sein Zimmer ab.. bis zum Schrank kam er nicht mehr. Warum war ihm so schwindelig? Alles begann sich zu drehen… bevor es verschwamm. Sein Körper gehorchte nicht mehr, sank langsam in sich zusammen.
 

+~+~+~+
 

Nachdem Taichi schließlich auch seine Haare frisch gewaschen hatte, drehte er den Wasserhahn ab, öffnete die Duschkabinentüre und angelte sich eines der vorher bereits zurecht gelegten Handtücher. Er trocknete seinen triefend nassen, durchtrainierten Körper ab, band sich das Handtuch um die Hüfte und griff nach einem weiteren, kleineren um seine Haare, die nass noch mobartiger wirkten als sonst, damit abzufrottieren. Obwohl noch immer einige Wassertropfen von seinem braunen Wuschelkopf auf seine Haut perlten legte er das Handtuch zur Seite, zog seine Shorts und anschließend die Hose und das Hemd der Schuluniform an. Die obersten Knöpfe ließ er offen, sodass seine darunter sichtbare, braungebrannte Haut einen krassen Kontrast zu dem Weiß des Hemdes bildete.
 

Als er einen prüfenden Blick in den Spiegel werfen wollte, merkte er, dass der warme Dampf des Wassers dessen Fläche beschlagen hatte, und er musste diese erst mit seiner Hand davon befreien bevor ihm sein eigenes Spiegelbild entgegenblickte. Nachdem er seine Haare mit ein paar gekonnten Handgriffen so gut es eben möglich war in Form gebracht hatte, bückte er sich um die vorher achtlos auf den Boden geworfenen Kleidungsstücke aufzuheben und verließ das Badezimmer.
 

Schon als er auf den Flur hinaus trat nahm seine Nase den Geruch von frisch gekochtem Essen wahr und ein erfreutes Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. Er spürte wie ihm das Wasser im Mund zusammen lief, erhöhte unbewusst sein Schritttempo und stolperte die Treppe hinunter, konnte es kaum erwarten die Köstlichkeit, die Yamato gezaubert hatte in seinem Magen verschwinden zu lassen. Wie erwartet fand er den blonden Musiker, und Meisterkoch, in der Küche vor, wo er gerade dabei war eine riesige Portion Nudeln aus einen dampfenden Topf auf zwei Teller zu verteilte. Obwohl dieses „Menü“ nun wirklich keine Glanzleistung war, glänzten Taichis Augen begeistert. Immerhin wusste er, dass Matt es sogar vermochte aus einer Tütensuppe ein Fünf-Sterne-Gericht zu zubereiten.
 

Als er hungrig wie befohlen am Küchentisch Platz nahm registrierte er am Rande, dass Yamato noch immer mit freiem Oberkörper herum lief, doch die riesige Spaghettiportion vor ihm genoss sofort wieder seine ungeteilte Aufmerksamkeit und die Frage, wieso sich der blonde Freund nichts übergezogen hatte, wurde in den Hinterkopf verdrängt. Wie erwartet schmeckte das einfache Gericht perfekt, und nachdem der Fußballfreak schließlich seine dritte Portion vertilgt, und Yamato es auch endlich geschafft hatte seinen Teller zu leeren, lehnte er sich zufrieden zurück, während er mit seiner Zunge die Ketschupreste von seinen Lippen leckte.
 

Seine Aufmerksamkeit wurde nun doch wieder kurz auf Matts nackten Oberkörper gelenkt, als dieser ihm Bescheid gab, dass er sich kurz etwas überziehen wollte. Er nickte nur kurz, richtete seinen Blick dann wieder auf den Fernseher, den der blonde Musiker wohl vorhin angeschaltet und den er durch die offene Türe im Wohnzimmer erkennen konnte, und starrte fasziniert auf die Mattscheibe auf der irgendein aufgezeichnetes Fußballspiel flimmerte. Er merkte nicht, dass Matt, nachdem er aufgestanden war, kurz seine Augen schloss, als wollte er einen aufsteigenden Schwindelanfall verhindern, registrierte auch nicht, dass der blonde Musiker unsicher, sich immer wieder an der Wand abstützend hinauf in den ersten Stock stolperte.
 

Erst als er ein ungewöhnliches, polterndes Geräusch vernahm riss er seinen Blick vom Bildschirm los und richtete sich verwirrt auf. Besorgt trat er in den Flur hinaus und blieb am Fuße der Stiege stehen. „Matt, alles in Ordnung bei dir?“ Als er keine Antwort erhielt spürte er eine unangenehme Vorahnung in sich hochsteigen.

Immer zwei Stufen auf einmal nehmend stolperte er in das erste Stockwerk hinauf, auf Yamatos Zimmertüre zu, die sperrangelweit offen stand zu.
 

Schon von weitem konnte er die leblose Gestalt auf dem Boden erkennen und mit wenigen Schritten war er bei ihr, ließ sich neben Matt nieder, und rüttelte ihn an den Schultern. „Matt, hey! Verdammt noch mal sag etwas!” Seine Stimme, die sich vor Besorgnis beinahe überschlug, schien nicht zu dem blonden Musiker durchzudringen, jedenfalls erhielt er keine Antwort. Hektisch blickte er sich um, hoffte irgendwo in dem verdammten Zimmer ein Telefon zu finden, doch er wurde enttäuscht. Er musste irgendjemanden verständigen! Wen? Yamatos Eltern? Takeru? Die Rettung? Oder am besten gleich den Präsidenten?!
 

Was wenn Matt doch schwerer verletzt gewesen war als angenommen? Wieso hatte er nicht darauf bestanden, dass er sich von einem richtigen Arzt (und nicht von ihrer verrückten Schulschwester) untersuchen lassen hatte? Er hatte doch schon auf dem Heimweg gemerkt, dass es dem blonden Musiker nicht gut zu gehen schien. Von Vorwürfen übermannt, zwang er sich trotzdem klar zu denken. Einige Male tief durchatmend beschloss er schließlich Yamato erst einmal auf sein Bett zu legen, ihn zuzudecken und erst anschließend jemanden zu verständigen. Er ging in die Knie, hob den schmalen Körper des Jungen bereits das zweite mal an dem Tag hoch und legte ihn schließlich vorsichtig auf die weiche Matratze seines Bettes, zog dann noch eine Decke über ihn und legte seine Hand prüfend auf die Stirn des Ohnmächtigen. Erleichtert stellte er fest, dass diese zwar warm, aber sicher nicht fiebrig war.

„Du bringst mich noch ins Grab...“ Sanft strich er ihm eine Strähne aus der Stirn, musterte das blasse Gesicht des Musikers besorgt und erhob sich dann um endlich Hilfe zu rufen.
 

~tbc~



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Kommentare zu dieser Fanfic (10)

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Von: abgemeldet
2009-04-20T16:57:34+00:00 20.04.2009 18:57
Na dann mal weiter bitte =P
Hat mir gefallen ^^
Die Krankenschwester erinnerte mich dunkel an Jun xD
Lg, Susu
Von:  Heromi
2008-02-05T16:09:27+00:00 05.02.2008 17:09
das war jetzt fast genauso tollig wie die erste "staffel" nur nicht ganz so lustig ;P
ich freu mich schon auf die fortsetzung
Von:  Heromi
2008-01-28T20:41:04+00:00 28.01.2008 21:41
Sehr geil ...
also anfangs dacht nur: och neee die schreiben Sora jetzt nicht wirklich oder? Will doch keiner sehen ;D
Dann hab ich mich gefreut dass es nicht so wahr wie befürchtet

Also meine Mama hat mich gefragt warum ich so doof lachend am PC sitze, hin und wieder hatte ich echt n Lachflasch XD vor allem bei Yamatos klagen üben den Sportunterricht ^ ^ einfach nur geil

Ich werd mir auch das nächste Chapter durchlesen, vor allem weils so evil hier endet ;P immer diese Spannung hey....
Aber ich glaub wenn ich die 6 Seiten noch lese bin ich blind <3 *voll komisches Gefühl in den Augen habz*
nyuu dann verklag ich euch auf körperverletzung XDDD *muhaaa*

<3 ich hab endlich eine FF-Favo!! *dance*
Von: abgemeldet
2007-11-24T19:51:07+00:00 24.11.2007 20:51
Echt coole FF schreib bitte schnell weiter =)
Ich find es super süß wie sich Tai um Matt kümmert =3

Von: abgemeldet
2007-10-30T14:42:43+00:00 30.10.2007 15:42
Jaa, das war wirklich wieder toll! ^^
Hab mich gefreut, dass es weiter geht.
Also, wenn man will (und ich will) kann man ja jetzt schon langsam Taito-Anzeichen sehen, vor allem bei Tai. Richtig süß, wie er sich um den armen Yama kümmert.
Den wechselnden Erzählstil find ich immer noch toll, auch wenn manche Sachen dann praktisch "doppelt" vorkommen, aber im Grunde lernt man dann trotzdem immer wieder was dazu, vor allem was sich der einzelne in dieser Situation denkt. Ganz anders, wie wenn man nur eine Sichtweise kennt.
Bin naütrlich schon gespannt, wies weiter geht. ^^
Lg, Ceramis

PS.: Ach ja, die Krankenschwester war genial! xD
Von:  Kuschelkatze
2007-10-30T13:31:51+00:00 30.10.2007 14:31
*__* Toll geschrieben ^^
Von:  -Moonshine-
2007-10-20T22:54:55+00:00 21.10.2007 00:54
wow. ich steh ja nicht so auf tai/yamato, aber bis jetzt scheint es doch ganz spannend zu sein.
nuuun denn. war auch ganz schön zu lesen. muss sagen, dein schreibstil ist klasse (aber das kenn ich ja noch von früher ;-)) und ich mag sachen aus'm alltag. muss ja nicht jedesmal was außergewöhnliches sein. so ist's doch viel schöner. =)
hdl!
Von: abgemeldet
2007-10-03T20:12:40+00:00 03.10.2007 22:12
Ich fand die Story bis jetzt sehr gut, würdemich freuen wenn es weitergeht ^^
Von: abgemeldet
2007-10-02T12:01:02+00:00 02.10.2007 14:01
Wow, das hat mir bis jetzt wirklich gut gefallen. ^^
Vor allem die immer wieder wechselnde Sichtweise gefällt mir gut. Hab glaub ich in ner Taito noch fast nix aus der Sicht von Sora gelesen, und so wie das hier drinsteht, ist das echt interessant zu lesen.
Schade, dass die ganzen Digiritter so lange nicht mehr wirklich was voneinander gehört haben, aber das ändert sich ja hoffentlich zumindest bei zweien. ;)
Mir gefällt der Erzählstil echt unheimlich, und dass es eine "Alltagsfic" ist, macht es gar nicht langweilig oder so was, finde ich.
Bin schon gespannt wies weitergeht, v.a. da ja außer freundschaftlichen Gefühlen bis her noch nicht viel zwischen den beiden zu sehen war (oder? O.o). ^^
Ich hoffe das nächste Kappi kommt schon bald,
Lg, Ceramis
Von:  Kuschelkatze
2007-10-01T19:01:28+00:00 01.10.2007 21:01
Toll :D Hoffentlich passiert Yama nix. Oder Tai darf ihn ins Krankenhaus tragen :P


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