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BISs zur Mondfinsternis

von

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Besondere Talente

Es waren schon einige Tage seit meiner Verwandlung vergangen. Es musste, glaube ich, sogar schon drei Monate her sein. Doch ich merkte nicht, wie die Zeit verging. Ich hatte die letzten drei Monate nur unbewusst wahrgenommen, aber eins wusste ich: Diese drei Monate war meine bisher schönste Zeit und mir wurde erst nach und nach bewusst woran das lag. Ich hatte es endlich geschafft, mein größter Wunsch war in Erfüllung gegangen, ich war ein Vampir und ich würde für immer mit Edward zusammen sein können.

Doch was mich noch unendlich glücklicher machte als die Tatsache, dass ich ein Vampir war - und das erstaunte mich weitaus mehr als alles andere in meiner Umgebung -, war, dass ich und Edward verheiratet waren. Vorher hatte ich die Heirat mit Edward nur als ein Hindernis gesehen, das zwischen mir und meinem Wunsch stand, von Edward in einen Vampir verwandelt zu werden, doch nun, da ich es hinter mir hatte, merkte ich erst, wie glücklich mich dies machte.

Es war einfach nur großartig.

Es war Abend und ich bemerkte es nur, weil ich gerade aus dem Fenster im Wohnzimmer sah und es immer dunkler wurde .Ich saß neben Edward auf dem Sofa. Er hatte einen Arm um mich gelegt und hielt mit seiner anderen Hand die meine. Es war sehr erleichternd für mich zu wissen, dass er sich nun nicht mehr so quälen musste, wenn wir uns so nahe waren. Früher musste er sich immer unter Kontrolle halten, da ich für ihn sehr appetitlich gerochen hatte, aber nun gab es kein Blut mehr, was er begehren konnte. Aber nicht nur dies hatte ihn früher gequält, auch die Tatsache, dass ich für seine Maßstäbe zu zerbrechlich war. Deshalb war ich umso mehr froh, dass wir einander nun endlich fast ebenbürtig waren. Lediglich die Erfahrung hatte er mir voraus.

Wir waren wie die meiste Zeit alleine; der Fernseher lief, aber weder Edward noch ich achteten darauf, was gesendet wurde. Er starrte nur auf den Bildschirm.

Nach einiger Zeit schloss ich mich ihm an und ließ das Geflimmer über mich ergehen. Ich konnte mich nicht darauf konzentrieren, was der Moderator sagte. Ich hatte zu viel mit der so vertrauten Stimme zu tun, die seit meiner Verwandlung in meinem Kopf zu hören war.

Es war Edwards Stimme. Seine war nicht der einzige, die ich andauernd hörte. Es gab da noch viele andere, aber ich blendete sie meist aus, damit ich mich auf die von mir so geliebte konzentrieren konnte. Und es war grausam für mich zu hören, wie Edward sich selber quälte. Er dachte fast den ganzen Tag an mich, was an sich nicht schlimm gewesen wäre, aber er machte sich Gedanken darüber, ob er das Richtige getan hatte, oder ob es nicht doch unverantwortlich gewesen war, mich zu verwandeln. Mir meine Seele genommen zu haben, wie er sich immer ausdrückte.

Natürlich war er auch froh darüber, dass wir nun für immer zusammen sein konnten, aber er war der Meinung, er hätte zu meinem Wohl drauf verzichten sollen. Seine Selbstvorwürfe, vergifteten mich genauso wie ihn.

Mich überraschte es, dass Edward gerade dabei war, sich etwas Positives an der ganzen Sache abzugewinnen - außer der Ewigkeit, die wir nun zusammen verbringen konnten-, als sich eine andere Stimme in den Vordergrund drängte. Auch sie war mir sehr vertraut. Es war eine helle, freundliche Stimme; es war die Stimme von Alice.

Ich brauchte eine Weile, bis ich begriff, dass sich diese Stimme zu deutlich anhörte, als dass es ihre Gedanken sein konnten. Ich löste meinen Blick vom Bildschirm und schaute über meine Schulter zur Tür. Edwards Schwester, die nun auch meine war, stand direkt darin; ihr übliches Lächeln im Gesicht. Ich merkte, wie auch Edward seinen Kopf langsam Richtung Alice drehte und ihr seine Aufmerksamkeit schenkte. Als sie sich sicher war, dass wir beide zuhörten, ging sie einen Schritt vor und sagte: „Es tut mir leid, wenn ich euch beide störe, aber ich wollte dich, Bella, fragen, ob du Lust hättest, morgen mit Rose und mir nach Port Angeles zu fahren. Wir wollten ein bisschen Shoppen gehen und dachten uns, es tut dir bestimmt ganz gut, wenn du mal wieder unter Menschen kommst. Was hältst du davon?“

Ich merkte, wie sich Edward bei dem Klang dieser Worte versteifte und mich noch fester an sich zog. Er war der Meinung, es wäre zu riskant, wenn ich mich jetzt schon unter Menschen mischen würde. Die Gefahr, dass ich mich nicht genug unter Kontrolle hätte, war ihm zu groß. Ich dagegen meinte, dass es eine absurde Idee war, mich von Menschen fern zu halten. Wie sollte ich denn lernen, dem Geruch von menschlichem Blut zu widerstehen, wenn er mich von ihnen abschirmte? Ich fand den Vorschlag großartig.

„Ich komme gerne mit, Alice“, antwortete ich mit einem freudigen Strahlen im Gesicht. Mir war nur allzu gut bewusst, dass er sah, wie sehr ich mich über die Aussicht, endlich wieder unter Menschen zukommen, freute, und genau dies war meine Absicht. Er sollte es sehen. Zum einen hoffte ich, dass er mich gehen lassen würde, wenn er sähe, wie gut es mir tun würde, und zum anderen konnte ich einfach nicht widerstehen, ihn ein klein wenig zu ärgern. Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen.

Als Alice meine Antwort hörte, wurde ihr Grinsen noch breiter. Sie strahlte nun über das ganze Gesicht. Gerade, als sie sich umdrehen wollte, um Rosalie Bescheid zu geben, mischte Edward sich doch noch ein. „Warte, Alice! Wir waren uns doch einig, dass es Zeit braucht, bis wir sie unter Menschen lassen können! Bella wird jetzt auf keinen Fall gehen!“

Alice sah Edward vorwurfsvoll an und sagte: „Edward wir können sie aber auch nicht ewig hier einsperren. Die Verwandlung ist nun drei Monate her und ich glaube, dass Bella sich so gut beherrschen kann, dass sie schon rausgehen kann. Es ist ja nicht für lange, nur ein paar Stunden.“

Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung. Edwards Blick war hart. Er schaute erst mich, dann Alice an. „Alice du überschätzt sie. Sie braucht noch Zeit.“

Ich konnte nicht glauben, was ich da eben gehört hatte. Wieso traute er mir so wenig zu? Hatte ich nicht bewiesen, dass ich mich fast schon komplett an tierisches Blut gewöhnt hatte? Es hörte sich in meinen Ohren schon fast wie eine Beleidigung an. Die war vermutlich auch der Grund dafür, dass ich ihn fast anschrie, anstatt in normalem Ton mit ihm zu reden. „Wie kommst du darauf, zu behaupten, dass ich noch nicht so weit bin? Woher willst du das denn wissen? Seit drei Monaten hältst du mich hier fest! Seit drei Monaten sehe ich nur immer wieder die gleichen Gesichter! Und jetzt will ich wieder unter Leute, ich will endlich wieder raus hier, ich will Spaß haben! Jetzt bietet sich eine günstige Gelegenheit und du lässt mich nicht gehen!“ Ich sah ihn vorwurfsvoll an.

Edward schaute nun mich an und ich merkte, wie der Zorn in ihm aufstieg. Ich wusste, dass er ihn zu unterdrücken versuchte um es sich nicht anmerken zu lassen, aber als er mir seine Antwort ebenfalls fast entgegen schrie, war klar, was wirklich in ihm vorging.

„Bella, du weißt genauso gut wie ich, dass das nur zu deinem Besten ist! Ich weiß, wie es ist, Menschen zu töten. Glaub mir, Bella, das ist nicht schön und ich möchte nicht, dass du das Gleiche durchmachen musst. Außerdem: Solltest du dich nicht unter Kontrolle haben - und das hast du noch nicht-, dann würdest du uns alle in Gefahr bringen! Dann müssten wir jetzt schon weg von hier, und das willst du doch nicht, oder?! Schließlich sind wir nur wegen dir hier geblieben!“ Er funkelte mich böse an, dann legte er wieder los, nun etwas beherrschter, aber immer noch war der Zorn in seiner Stimme zu hören.

„Außerdem bist du unfair. Was hast du auf einmal gegen uns? Gegen mich? Und willst du etwa sagen, dass du dich die letzten drei Monaten zu Tode gelangweilt hast? Du bist manchmal so...“ Ich wusste, dass er noch nicht fertig war, aber ich ließ mir nicht gefallen, was er mir an den Kopf warf und schlug zurück, ehe er noch einmal einen Treffer landen konnte.

„Du sagst andauernd, dass du nur das Beste für mich willst, aber du kannst nicht wissen, was das Beste für mich ist. Du scheinst mich ja noch nicht einmal richtig zu kennen. Du bist immer so besserwisserisch und stur! Ich frage mich gerade, was mich damals dazu geritten hat, dich zu heiraten!“

Sofort verstummte ich. Das war gemein gewesen. Ich wusste, das hätte ich nicht sagen sollen. Ich sah, wie sich Edwards Gesichtausdruck von wütend in verletzt wandelte. Er hatte befürchtet, dass ich es irgendwann bereuen würde, schließlich war ich seinen ständigen Warnungen ausgesetzt gewesen, aber dass es so früh wäre... Damit hatte er anscheinend nicht gerechnet.

Eine unangenehme Stille trat ein. Er sagte nichts und ich sagte nichts, nur der Fernseher lief immer noch. Erst jetzt merkte ich, dass Alice sich heimlich zurückgezogen hatte. Sicherlich wollte sie nicht direkt daneben stehen, wenn Edward und ich uns stritten, besonders nicht, weil sie der Auslöser gewesen war.

Aber ich wollte nicht über Alice nachdenken, ich hatte andere Probleme. Wie sollte ich wiedergutmachen, was ich eben gesagt hatte? Ich wusste, dass ich es ihm nur aus dem Grund entgegen geworfen hatte, weil ich so sauer auf Edward und seine Sturheit gewesen war. Ich liebte ihn über alles in der Welt und nun schien ich alles mit nur einem Satz zerstört zu haben.

„Ich... Edward, es... es tut mir Leid... ich...“

Doch bevor ich meinen Satz beenden konnte, stand er ohne ein weiteres Wort auf und ging aus dem Zimmer, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen. Jetzt wurde mir erst richtig bewusst, was ich getan hatte. Ich schien den Menschen der mir am meisten bedeutet, verloren zu haben.

Als Edward weg war, wurde es wieder still; nur der Moderator im Fernsehen redete ununterbrochen weiter. Ich stand auf, machte das TV-Gerät aus und machte mich auf den Weg, jemanden zu suchen, mit dem ich reden konnte. Ich wollte jetzt nicht alleine sein. Ich suchte erst im Esszimmer, aber es war so verlassen wie immer. Mir war klar, dass Edward oben in seinem - nun unserem - Zimmer war, also vermied ich es, dorthin zu gehen; ich wusste auch, dass Carlisle nicht da war. Sein Büro war verlassen. Ich hatte also die Wahl: Ich konnte in die Küche zu Esme, in Alice’ Zimmer, in Rosalies und Emmetts Zimmer oder in die Garage gehen.

Ich wusste, dass Rosalie in der Garage war, aber sie war nicht diejenige, mit der ich über solche Probleme reden wollte, denn obwohl wir uns jetzt besser verstanden, waren wir nicht die besten Freundinnen. Zu Emmett konnte ich auch nicht gehen; er verstand mich zwar besser als jeder andere, aber ich befürchtete, dass er mir bei diesem Problem nicht weiterhelfen konnte.

Blieben also noch Esme, Alice und Jasper, wobei ich Letzteren auch ausschließen konnte, da er sich vermutlich um Edward kümmerte.

Es wäre wohl besser gewesen, zu Alice zu gehen, da sie meine beste Freundin war und mitbekommen hatte, worum es ging. Zwar hatten es alle mitkriegen haben müssen, so laut, wie unser Streit gewesen war; trotzdem wusste Esme wohl eher, was zu tun war. Sie hatte mehr Erfahrung, war verheiratet und kannte die Probleme, die ich jetzt hatte, bestimmt.

Also ging ich zu ihr. Ich machte mich auf den Weg zur Küche, die wie fast alles in diesem Haus nur Attrappe war: Esme war gerade dabei zu putzen; sie konnte es nicht leiden, wenn es im Haus dreckig war. Als ich die Küche betrat, wischte sie gerade den Boden. Sie schaute auf, als sie mich sah, und stellte den Wischmob beiseite, um sich an den kleinen Tisch zu setzten, der in der Küche stand. Ich nahm neben ihr auf einem Stuhl Platz.

Nachdem ich mich hingesetzt hatte, schaute sie mich kurz an und begriff sofort, dass ich zu ihr gekommen war, um mit ihr zu reden und weil ich mir Rat von ihr erhoffte.

„Was ist passiert?“

Ich wusste, sie meinte die Frage nur gut, aber ich wusste auch, wie sinnlos sie war, da sie alles von unserem Streit mitbekommen hatte. Ihre Gedanken rasten, da sie schon an einem Ratschlag arbeitete. Ich konnte mir ein Schmunzeln über diese Tatsache nicht verkneifen, das sie zu meinem Glück nicht bemerkt hatte.

„Esme, du weißt genauso gut wie ich, warum ich hier bin. Du hast jedes einzelne Wort verstanden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mir das jemals verzeihen wird! Was habe ich da nur getan? Ich wollte doch nicht, dass es so weit kommt! Ich liebe ihn doch und ich weiß, dass ich ihn immer lieben werde. Was ich vorhin gesagt habe, war nur wegen meiner dummen Wut auf ihn; wie ein Reflex! Er muss das doch wissen, oder? Vielleicht habe ich mich doch geirrt und er liebt mich nicht so sehr, wie ich ihn liebe.“

Während ich redete, sah mich Esme nur besorgt an. Sie hörte mir zu und war wirklich bemüht, mir zu helfen; das wusste ich und dafür war ich ihr unendlich dankbar. Als ich ausgeredet hatte, antwortete Esme gleich mit einer sehr beruhigenden Stimme:

„Ganz ruhig, Bella, Liebes. Er weiß, dass du ihn liebst, und er liebt dich mindestens genauso sehr. Wenn du darauf nicht vertrauen kannst, dann kann eure Liebe nicht überleben. Er wird bald merken, dass ihr beide überreagiert habt und wieder mit dir sprechen, aber so lange solltest du ihn in Ruhe lassen. Du musst auch verstehen, dass du mit deiner Aussage einen Nerv getroffen hast. Er macht sich so schon genug Vorwürfe, ob er das Richtige getan hat, und dann kommst du, bereust anscheinend deine Entscheidung und bestätigst ihn in seinen Zweifeln. Das war einfach ein zu großer Schock für ihn. Lass ihm Zeit, Bella. Ich bin sicher, er kommt sehr bald wider zur Vernunft.“

Ich hatte keine Ahnung, warum, aber es beruhigte mich, dies von ihr zu hören. Vielleicht würde ja wirklich alles wieder gut werden. Ich betete, dass es so sein wird. Es durfte nicht passieren, dass wir wieder getrennt wurden. Ich würde das nicht überleben.

Da ich die Wahrheit in ihren Worten erkannte, befolgte ich Esmes Rat und ging an den Fluss hinter dem Haus. Ich wusste, dass ich dort alleine sein und in Ruhe nachdenken konnte. Ich blieb lange dort und wartete darauf, dass Edward kam und mir verzieh.

Natürlich ließ ich ihn nicht wirklich in Ruhe. Ich lauschte seinen Gedanken und jedes Mal, wenn er daran dachte, dass ich ihn nicht lieben könnte, versetzte es mir einen Schlag direkt und den Magen. Er litt und ich litt mit ihm. Es vergingen einige Stunden, die mir wie Jahre vorkamen, bis ich hörte, wie er endlich darauf kam, dass wir beide überreagiert hatten und er mir endlich verzieh. Obwohl ich vor Freude aufspringen, zu ihm rennen und ihm um den Hals fallen hätte können, wusste ich, dass ich es nicht konnte. Dann hätte er nämlich gewusst, was für eine Fähigkeit ich hatte.

Ich hatte sie extra vor allen verschwiegen; es sollte eine Überraschung sein. Ich wollte nämlich erst lernen, sie zu beherrschen. Somit blieb ich sitzen und wartete darauf, dass er zu mir kam. Nach ein paar Minuten, die mir unerträglich schienen, hörte ich, wie jemand zu mir kam. Ich hoffte, dass es Edward war, obwohl ich merkte, dass dieser Jemand viel leiser als er durch das Gras ging.

Meine Hoffnung wurde zerstört, als Alice sich neben mich setzte. Sie legte mir einen Arm um die Schulter und strahlte mich kurz an. Dann verblasste ihr Strahlen zu einem entschuldigenden Lächeln und sie sagte: „Es tut mir Leid. Ihr habt euch nur meinetwegen gestritten, wenn ich nicht diese dämliche Idee gehabt hätte, dann hättet ihr euch nicht gestritten.“

„Es ist nicht deine Schuld, Alice. Wenn du nicht der Auslöser gewesen wärst, dann wäre es etwas anderes gewesen. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.“

„Na ja, es ist ja auch egal, wer nun dran Schuld hat." Nun kehrte ihr Strahlen zurück. "Ich soll dir nämlich sagen, dass Edward dich sehen möchte. Du mögest doch bitte hereinkommen; er wartet in eurem Zimmer auf dich.“

Sie zwinkerte mir zu, stand auf, wartete noch auf mich und ging dann mit mir ins Haus. Sie folgte dem Flur, um in ihren Raum zu gelangen, und ich ging weiter zu Edwards und meinem Zimmer. Nachdem ich angeklopft hatte, öffnete ich die Tür und sah mich suchend um.

Edward stand am Fenster und starrte hinaus. Erst jetzt fiel mir ein, dass er mich wohl die ganze Zeit beobachtet hatte, denn von hier aus hatte man einen hervorragenden Blick auf den Fluss und die Stelle, an der ich gesessen hatte. Bei dem Gedanken schoss mir ein stechender Schmerz durch meinen gesamten Körper.

Ich betrat das Zimmer gerade so weit, bis ich die Tür schließen konnte. Dann wartete ich. Nach einiger Zeit drehte Edward sich zu mir um und ging auf mich zu. Er setzte sich auf das schwarze Sofa, das im Zimmer stand, und winkte mich zu sich. Vorsichtig ging ich darauf zu und setzte mich neben ihn. Er nahm meine Hände in seine und schaute mir tief in die Augen.

Er schien einen Moment zu brauchen um sich zu sammeln, dann brachte er mein so innig geliebtes schiefes Lächeln zustande und sagte: „Bella, es tut mir unendlich Leid, dass ich dich vorhin so angeschrieen habe. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, aber du bedeutest mir alles und die Angst, du könntest zu dem Monster werden, das ich einst war, hat mich einfach verrückt gemacht. Ich hätte vorhin nicht so einfach weggehen sollen, aber...Was du gesagt hast, war genau das, was ich die ganze Zeit über befürchtet habe, und das war zu viel für mich. Ich hätte dir mehr vertrauen sollen und erst gar nicht damit anfangen sollen, dir verbieten zu wollen, nach Port Angeles mitzugehen. Natürlich kannst du mit Alice und Rosalie nach Port Angeles fahren, aber wir sollten vorher noch Jagen gehen, damit das Risiko verringert wird. Es tut mir Leid, Bella.“

Er schaute mir immer noch tief in die Augen, nahm dabei mein Gesicht in seine Hände und er zog es zu seinem, doch bevor wir uns küssten, schüttelte ich seine Hände ab und wich ein Stück zurück. Er schaute mich verwundert an. „Kannst du mir nicht verzeihen? Meintest du das vorhin wirklich ernst? Dann...“

Ich unterbrach ihn schon wieder, indem ich meinen Finger auf seine Lippen legte und sagte: „Nein, ich kann dir verzeihen. Das vorhin meinte ich auch nicht ernst, aber ich schulde dir trotzdem eine Entschuldigung. Edward, es tut mir so Leid, was ich gesagt habe. Es war nicht meine Absicht, dich derart zu verletzen, und ich bereue es auch, ganz ehrlich. Wir haben uns beide dumm verhalten. Ich hätte auf dich hören sollen, denn du hast die Erfahrung, nicht ich. Wenn du meinst, ich bin noch nicht so weit, dann werde ich warten. Ich nahm meine Finger von seinen Lippen und lächelte ihn an. Wieder nahm er mein Gesicht in seine Hände und küsste mich.

Es war kein üblicher, zaghafter Kuss; in ihm lag Vergebung und Entschuldigung zugleich. Seit meiner Verwandlung waren seine Küsse im Allgemeinen nicht mehr so vorsichtig, aber dennoch hielt ich mich meist zurück; es war einfach die Gewohnheit. Trotzdem unterschied sich dieser von allen bisherigen. Er war süßer; es lag die Süße der Vergebung darin. Viel zu kurz kam mir dieser Moment vor, als sich unsere Lippen wieder voneinander lösten, aber dennoch konnte man so einen Kuss nicht wiederholen. Dazu waren die Umstände zu einzigartig und sie sollten es auch bleiben.

Edward legte wieder einen Arm um meine Schulter und zog mich fest an sich, mit der anderen Hand strich er mir über mein Gesicht. Ich genoss die Berührung wie immer. Dann sagte er: „Ich liebe dich.“

Ich wusste, dass er das tat, aber es war dennoch schön, es zu hören.

„Ich weiß. Ich liebe dich auch“, sagte ich. Edward lächelte sein schiefes Lächeln und sagte: „Ich weiß.“ Jetzt mussten wir beide anfangen zu lachen. Ich weiß nicht, wie lange wir so dasaßen. Aber irgendwann legte ich meinen Kopf an Edwards Schulter und schloss die Augen. Mir war bewusst, dass ich nicht schlafen konnte, und es war so einfacher, ihn nur zu riechen, nur zu spüren.

Ich genoss das Gefühl, ganz nah bei ihm zu sein, doch auf einmal spürte ich Edwards Schulter nicht mehr; sein Arm glitt von meiner Schulter, und auch das Sofa, auf dem wir saßen, schien zu verschwinden. Als ich meine Augen öffnete, war ich nicht mehr in unserem Zimmer, sondern in einem Wald. Die herrschende Dunkelheit kam nicht mehr von der Nacht, sondern von den Bäumen, die mit ihren Blättern die Sonne aussperrten. Tiefer im Wald waren zwei Gestalten, die eine sehr viel größer als die andere. Ich konnte sie nicht genau erkennen, dazu war es zu dunkel, also ging ich ein paar Schritte auf sie zu, bis ich klare Sicht hatte. Ich schlug Äste und Blätter beiseite, um den Weg frei zu machen, und endlich konnte ich die zwei Personen erkennen.

Als ich sie erkannte stockte mir der Atem.

Es waren Edward und Jacob die sich gegenüber standen.

Als sie mich bemerkten, meinten beide: „Bleib weg, Bella.“ Dabei ließen sie sich nicht aus den Augen.

Was hatten sie vor? Ich wollte gerade zu ihnen gehen, als Jacob nach vorne schoss, sich in der Luft verwandelte und direkt auf Edward zuflog Edward konnte gerade noch rechtzeitig zur Seite springen. Sobald sie ihr Gleichgewicht wieder gefunden hatten, sprangen sie wieder aufeinander zu. Sie schlugen und bissen nach dem jeweils anderen und fügten sich damit schwere Verletzungen zu. Blut rann über Jacobs Arme und seine Schultern, und auch Edward keuchte, während er einen kurzen Blick auf seinen Unterarm warf, dessen Haut fürchterlich aufgerissen, von Jacobs Wolfszähnen war. Kaum hatten sie ein paar Atemzüge lang dagestanden, als sie schon wieder angriffen. Pelz von Jacob wirbelte durch die Luft; es waren nur noch Fetzen. Ich hörte das grauenhafte Geräusch von schnappenden Kiefern und das Zerren und Reißen, wenn einer der Kontrahenten zubeißen konnte. Keiner von beiden schien die Oberhand zu haben; Jacob taumelte mittlerweile mehr, als dass er ging, und auch Edward schien Mühe zu haben, sich noch auf den Beinen zu halten. Von der einstigen Eleganz ihrer Bewegungen war nicht einmal mehr ein Hauch zu sehen.

Ich stand wie gelähmt da und starrte auf das entsetzliche Schauspiel, als es mir wieder einfiel:

Sie kämpfen. Paris fällt. Ich konnte nicht erkennen, wer am Gewinnen war, aber es war mir auch egal. Ich wusste nur, dass ich sie aufhalten musste, um jeden Preis.

Ich rannte los, auf die beiden zu, als plötzlich Victoria vor mir auftauchte. Ich hatte sie gar nicht bemerkt. Es war klar, was - oder besser, wen - sie wollte. Sie wollte mich. Sie wollte meinen Tod.

Mit Victorias Erscheinen war das Gemetzel zwischen Werwolf und Vampir schlagartig beendet. Edward und Jacob war egal, was aus ihrem Kampf wurde, denn sie wollten mich retten. Ohne auch nur ein Wort zu verlieren, teilten sie sich auf. Ihre Feindschaft war auf einmal vergessen.

Jacob stürzte sich auf Victoria und Edward wollte mich mit sich reißen; ich spürte, was er dachte. Weg aus dem Wald, weg von Victoria, dorthin, wo sie sicher ist, wo sie Jacob nicht helfen konnte, seine eigene Schuld, wenn ihm was passieren würde.

Ich wollte nicht gehen, ich musste dableiben, ich konnte nicht zulassen, dass Jacob alleine gegen Victoria kämpfte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er ihr unterlag. Er hatte keine Chance. Er war zu sehr geschwächt aus dem Kampf mit Edward. Ich musste ihm helfen. Gemeinsam würden wir es vielleicht schaffen, sie zu besiegen, und wenn nicht, dann hatte ich wenigstens nicht tatenlos zugesehen. Aber Edward ließ mir keine Wahl. Als er merkte, dass ich nicht freiwillig mitgehen wollte, hob er mich auf seine Arme und trug mich fort. Ich wehrte mich und flehte ihn an, mich herunter zu lassen, doch es war vergebens. Das Letzte, was ich von Jacob und Victoria sah, war, wie Jacob sich zu einem weiteren Angriff vorbereitete und sie ansprang. Ich schrie noch einmal seinen Namen, doch es war schon zu spät, er verschwand hinter einen Baum und damit aus meinem Blickfeld. Dann wurde alles dunkel und ich spürte, dass ich irgendwo zusammengekauert auf der Seite lag. Tränen flossen mir übers Gesicht.

Ich öffnete meine Augen und sah Edward neben mir knien. Er hatte einen verzweifelten Blick in den goldenen Augen und ich sah ihm an, dass er nicht wusste, was er tun sollte. Ich sah auch ein Paar Füße neben ihm stehen. Sie waren groß und klobig, womit ich sie sofort als Emmetts Füße identifizierte. Damit stellte sich gleichzeitig eine große Frage: Was machte er hier? Und noch viel wichtiger: Was machte ich hier?

Erst jetzt fiel mir auf, dass ich am ganzen Körper zitterte. Fröstelnd schlug ich die Arme um mich.

Dann hörte ich jemanden ins Zimmer stürmen.

„Was ist passiert?“, hörte ich Carlisle aufgebracht sagen. Er war ins Zimmer gekommen. Auch er kniete sich nun neben mich und legte mir die Hand auf die Stirn.

„Ich weiß es nicht. Sie hat einfach das Bewusstsein verloren, ist vom Sofa gefallen, hat sich zusammengekauert und plötzlich angefangen zu schreien. Dann kam das Weinen. Carlisle, was hat sie nur?"

Edward war aufgebrachter, als ich ihn je gesehen hatte; blanke Panik lag in seiner Stimme.

„Seit wann zittert sie so?“, fragte Carlisle.

„Erst, seitdem sie die Augen geöffnet hat.“

Es war nun nicht Edward, der antwortete, sondern Alice. Ich hob den Kopf, um zu sehen, wer alles da war, und erkannte, links neben Emmett stehend, Rosalie, neben ihr stand Esme, wiederum daneben Alice. Jasper stand rechts neben Emmett.

Ich schaute nach und nach in ihre Gesichter und sah, dass in allen Sorge lag. Dann blickte ich wieder zu Edward, und sofort waren die schrecklichen Bilder wieder da. Ich fing an, noch stärker zu zittern. Als Edward das bemerkte, nahm er mich in den Arm. Ich legte meinen Kopf an seine Brust und begann bitterlich zu schluchzen.

„Bella, was ist passiert?" Es war Carlisle, der versuchte, seine Sorge zu verbergen.

„Ich... ich weiß es nicht... Es war alles so schlimm..." Mehr brachte ich nicht hervor. Ich versuchte, meine Stimme wieder zu finden. Aber es gelang mir nicht auf Anhieb. „Edward, versprich mir, dass du nicht in den Wald gehen wirst, um gegen Jacob zu kämpfen! Versprich es mir, ja?“

„Wovon redest du da, Bella? Warum sollte ich das tun?", fragte er verwirrt.

„Versprich es einfach.“

„Ich verspreche es dir, Bella. Aber jetzt sag doch, was passiert ist!“

Wieder kamen die Bilder in mir auf, und wieder folgte darauf ein neuerliches Zittern. Ich spürte, wie jemand seine Hand auf meine Schulter legte; ich drehte den Kopf in die Richtung, aus der die Hand kam und erkannte, dass es Jasper war. Ich wusste, was er plante, und ich dachte mir nur: Bitte nicht jetzt. Bitte, Jasper, lass es sein. Warum kann deine Fähigkeit nicht einmal nicht wirken? Ich machte mich darauf gefasst, von einer Welle der Ruhe durchströmt zu werden, aber alles, was passierte, war, dass der Druck auf meine Schulter größer wurde. Überrascht riss ich die Augen auf. Alle sahen gespannt von Jasper zu mir und wieder zurück. Nach einem Augenblick meinte Jasper perplex: „Ich... Ich kann sie nicht beruhigen, ich kann meine Fähigkeit nicht mehr benutzen!“

„Bei uns allen, oder nur bei Bella nicht?“, fragte Alice mit tellergroßen Augen.

„Bei...keinem. Ich kann sie bei niemandem von euch einsetzen.“

Nun schauten mich alle verdutzt an. Ich selber war fassungslos wegen dem, was eben geschehen war. Erst dieser merkwürdige Traum, und jetzt das.

„War ich das etwa?“, fragte ich verwundert. Bestimmt war ich es, wer auch sonst? Schließlich hatte ich mir erst einen Moment zuvor genau das gewünscht! Aber wieso konnte ich das? War dies meine besondere Fähigkeit? Wenn ja, dann schien irgendetwas nicht mit mir zu stimmen. Erst Gedankenlesen. Dann der Traum (oder war er vielleicht gar keiner gewesen? Eine Zukunftsvision, wie Alice sie hatte?). Und jetzt das. Was sollte das?

Wieder fing ich an zu zittern. Mittlerweile machte ich mir richtig Sorgen um Edward und Jacob. Ich betete, dass meine zweite Vermutung sich als falsche erweisen würde.

Carlisles Worte rissen mich aus meinen düsteren Gedanken.

„Bella, du musst uns jetzt alles erzählen. Es ist wichtig, hörst du? Hast du deine besondere Fähigkeit schon erkannt, und wenn ja, was ist es für eine?“

„Ich dachte bis eben, dass ich nur Gedanken lesen kann. Das habe ich irgendwann nach der Verwandlung gemerkt. Und jetzt hatte ich so eine Art Traum; ich glaube, es war eine Vision. Aber ich kann mir nicht erklären, was mit Jasper passiert ist. Ich habe mir nur gewünscht, dass er seine Fähigkeit jetzt nicht einsetzen kann, das ist alles.“

„Interessant“, murmelte Carlisle vor sich ihn. Auch er schien sich nicht erklären zu können, was geschehen war und warum ich allem Anschein nach so viele Fähigkeiten besaß.

„Aber das ist doch großartig“, verkündete Alice freudestrahlend. „Mit so einer Fähigkeit in der Familie wird man uns nichts anhaben können.“

„Wie meinst du das?“, fragte Rosalie, die anscheinend genau wie ich nicht begriff, wovon Alice da sprach.

„Na, ist doch ganz klar: Unsere liebe Bella hat nicht nur eine besondere Fähigkeit, sondern drei. Und nicht nur das; es sind auch noch sehr nützliche, und besonders die letzte fasziniert mich...“

Sie dachte kurz nach, vermutlich, um zu verstehen, was genau es mit meiner anscheinend faszinierendsten Fähigkeit auf sich hatte. Plötzlich sah sie so aus, als hätte sie begriffen, was geschehen sein musste. Sie schien nur noch nach den richtigen Worten zu suchen.

„Allem Anschein nach kann Bella... die Fähigkeiten anderer ausschalten.“ Ihr Grinsen wurde noch breiter, als sie sah, dass selbst Carlisle dies noch nicht erkannt hatte. „Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, für wie lange die Kräfte blockiert werden.“ Nun sah sie Jasper an, als wäre er ihr persönliches Versuchskaninchen. Jasper bemerkte dies und warf ihr einen bösen Blick zu, doch dies schien sie nicht zu interessieren. Einen Augenblick lang überlegte ich, ob sie es überhaupt bemerkt hatte. Dann sah ich aber, wie sie ihm einen entschuldigenden Blick zuwarf, bevor sie weiter sprach: „Bella muss nur lernen, sie in den Griff zu bekommen.“

Nun schienen auch alle anderen zu begreifen und sie freuten sich über diese Neuigkeit - bis auf eine. Ich konnte Rosalie förmlich ansehen, wie sie vor Eifersucht kochte.

Warum musste mich das Schicksal so bestrafen? Jetzt kamen wir endlich friedlich und halbwegs gut miteinander aus, und jetzt so etwas. Was hatte ich nur getan? Womit hatte ich das verdient? Sollte das die Strafe dafür sein, dass ich einen Vampir liebte? Das war nicht fair!

Nachdem sich die Aufregung über meine Fähigkeiten gelegt hatte, fielen alle nach und nach wieder in ihren normalen Arbeitstrott zurück. Während sie aus dem Zimmer verschwanden, hob Edward mich hoch und setzte sich mit mir auf das Sofa, auf dem wir zuvor gesessen hatten. Ich merkte erst spät, dass die Sonne schon aufgegangen war; zu sehr war ich mit den Gedanken an meine Vision beschäftigt. So sehr ich es auch versuchte, ich konnte die Bilder nicht loswerden. Ich sah immer wieder, wie sich Jacob auf Victoria stürzte um mich zu retten. Und dabei starb.

Wie eine Robbe

Alice war die ganze Zeit im Zimmer geblieben. Sie bombadierte mich ununterbrochen mit Fragen über meine erste Vision und über meine anderen Fähigktein, wobei sie sich am meisten für meine Vision interessierte. Sie wollte wissen, was ich gesehen hatte, da ihr meine bemerkung nicht entgangen war. Ich hätte erwartet, dass sie sich Sorgen machen würde über das was ich gesagt habe; dass sie denken würde ich hätte gesehen, wie Edward etwas zustößt, aber dies hielt sie anscheinend für ausgeschlossen, da sie übers ganze Gesicht strahlte. Mich wunderte, dass sie sich auch keine Sorgen um Jasper machte.

Ich hörte Alice nur nebenbei zu und antwortete nur selten auf ihre Fragen, was sie aber nicht zu bemerken schien, denn sie feuerte eine Frage nach der nächsten ab und gab mir von vorneherein keine Zeit darauf zu antworten. Also lies ich sie reden und lauschte Edwards Gedanken.

Ich war daran gewöhnt, dass er sich über etwas Sorgen machte, aber diesmal war es anders. Er dachte die ganze Zeit über meinen Kommentar von vorhin nach, und einmal hörte ich, wie er daran dachte, sein Versprechen zu brechen; nur um herauszufinden,was so Schreckliches geschehen würde. Allerdings kam er selber dahinter, dass es eine blöde Idee war. Er überlegte auch- jetzt wo er wusste, dass ich Gedanken lesen konnte- ob ich seine lesen könne und es gerade tun würde. In dem Moment, als er dies dachte, küsste er mich auf meine Stirn. Dann schaute er mich lange an und ich schaute zurück. Nun vergaß ich Alice komplett; ich vergaß die gesamte Ausßenwelt es gab nur noch Edward und mich.

Dann lachte er endlich wieder. Früher hätte dieses Lachen meine Wangen rot gefärbt, aber jetzt, wo ich ein Vampir war,änderte sich ihre Farbe nicht mehr. Einmal hatte Edward sich deswegen furchtabr aufgeregt, inzwischen hat er sich aber daran gewöhnt. Er wusste, er konnte es nun nicht mehr ändern.

Dann löste er seinen Blick von mir, die Wirklichkeit kehrte zurück. Edward drehte sich zu Alice um, die immer noch weiterredete. Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Ich fand es einfach zu komisch, dass Alice nicht mal bemerkte, dass ich ihr nicht zugehört hatte. Erst als Edward Alice ansprach, hörte sie auf zu reden und schaute nun nicht mehr zu mir, sondern zu Edward.

"Alice, ich habe vorhin mit Bella geredet und beschlossen, dass sie mit euch nach Port Angeles fahren darf. Ich werde aber vorher mit ihr jagen gehen, um das Risiko möglichst gering zu halten. Ich möchte bitte, dass du gut auf sie aufpasst und, wenn du merkst, dass es zu viel für sie wird, ihr sofort wieder mit ihr zurückfahrt." Ich konnte genau hören, dass es keine Bitte an Alice war, sondern ein Befehl.

"Ich werde schon auf sie aufpassen. Außerdem was soll denn schon passieren?" Alice sagte es zwar mit einer ernsten Stimme, behielt ihr breites Grinsen aber bei. Edward gab ihr keine Antwort; warf ihr aber einen finsteren Blick zu. "Ich werde dann mal schauen; wie es Jasper geht", sagte sie und ging freudestrahlend aus dem Raum.

"Bella ," , sagte Edward vorsichtig, als hätte er Angst, mich mit seinen Worten zu verletzen. " kannst du mir nun sagen, was du gesehen hast ?" Er wählte die Worte mit Bedacht und schien sich sehr überwinden zu müssen, sie über die Lippen zu bringen. Und obwohl er sehr vorsichtig war mit dem, was er sagte, konnte ich nicht verhindern, dass ich wieder anfing zu zittern. Wieder gingen mir die Bilder durch den Kopf. Wieder sah ich wie sich Edward und Jacob bekämpften und ich nur zusehen konnte und dann Victoria auftauchte; wie Jacob sich auf sie stürzte und Edward mich davon trug. Ich umklammerte Edward und er hielt mich noch fester.

"Du musst es mir nicht sagen, Bella. Ich kann warten, bis du soweit bist, um es zu erzählen." Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern in weiter Ferne.

"Ich habe dich mit Jacob...." Meine Stimme ziterte, genau wie mein ganzer Körper. Ich brauchte eine Pause, um Mut zu fassen, weiterreden zu können "Ihr habt gekämpft, gegeneinander. Ich wollte euch aufhalten, aber bevor ich etwas tun konnte, ist Victoria aufgetaucht..." Ich stockte und hörte kurze Zeit auf zu atmen, dann redete ich weiter, "Sie...wollte mich. Dann habe ich nur noch mitbekommen; wie Jacob sich auf Victoria gestürzt hat und du mich weggetragen hast."

Während ich erzählte hatte Edward mich noch fester an sich gezogen. Eine Weile sagte er nichts; er hielt mich nur fest und auch ich sagte nichts. Ich wollte die Bilder wieder aus meinen Kopf verdrängen, aber es schien unmöglich zu sein.

"Wir sollten dann auch mal gehen, wenn du noch mit Alice nach Port Angeles fahren willst." sagte Edward, nahm mich von seinem Schoß und stand auf. Er ging zu Tür und hielt sie mir auf. Ich ging hindurch und machte mich schon darauf gefasst, dass sich jemand auf mich stürzen und mich mit Fragen bombadieren würde, so wie es Alice die ganze Zeit über getan hatte, doch niemand war da. Es schienen tatsächlich alle wie gewohnt weiter zu machen. Ich hätte da auch selber drauf kommen können: Ich hätte nur den Gedanken der anderen zu hören brauchen, aber ich war zu sehr mit Edward und mir beschäftigt gewesen. Ich hatte ja noch nicht einmal mitbekommen, was Alice mich gefragt hatte.

Es schien Edward nicht zu wundern, dass niemand hier war, um mich mit Fragen zu überschütten. Er legte seine Hand an meine Hüfte und wir machten uns auf den Weg nach unten. Dort stand Rosalie, aber sobald sie uns bemerkte, war sie auch schon wieder verschwunden. Sie ging mir aus dem Weg; das war ganz offensichtlich. Und ich ertappte mich selber dabei, wie ich wieder darüber nachdachte, warum sie mich nicht leiden konnte. Dabei hatte ich mir vorgenommen, dies nicht zu tun. Also suchte ich mir schnell etwas Neues, worüber ich nachdenken konnte.

Ich fand schnell ein neues Thema: Die bevorstehende Jagt mit Edward. Es war nicht das erste Mal, dass ich mit ihm jagen ging, aber das erste Mal bei dem wir alleine waren. Ich freute mich darauf. Ich freute mich so sehr, dass ich nicht mal bemerkte, dass wir nicht zur Tür gingen, sondern ins Wohnzimmer. Dort war Esme, die immer noch dabei war, das gesamte Haus zu putzen. Sie drehte sich nicht zu uns um, als Edward sie ansprach, dennoch höre sie ihm zu. "Wir werden jetzt jagen gehen. Wir werden bald zurück sein. Sag Alice und Rosalie bitte, dass sie losfahren können, sobald wir wieder da sind und Bella sich fertig gemacht hat."

"Ja, ja, werde ich machen. Viel Spaß euch beiden." Esme schaute nicht ein mal auf, als sie Edward antwortete. Ich hatte Esme noch nie so energisch putzen sehen. Und ich wurde das ungute Gefühl nicht los, dass es an mir lag. Mir war sowieso aufgefallen, dass mir alle aus dem Weg zu gehen schienen. Hatten sie etwa Angst vor mir? Es konnte unmöglich so sein; ich interpretierte zu viel hinein, es war alles nur ein blöder Zufall. Schließlich gehörte ich jetzt zur Familie. Bis vor kurzem war ich noch diejenige gewesen, die vor ihnen hätte Angst haben sollen. Es gab nichts Furchteregendes an mir. Oder irrte ich mich da?

Edward und ich verließen das Wohnzimmer wieder und gingen zu Tür. Als wir draußen waren, rannten wir los. Ich wusste, wo wir jagen gehen würden.Trotzdem ließ ich ihn vorgehen.

Es war ein schönes Gefühl, wieder so schnell rennen zu können.Früher hatte ich nie verstanden, was Edward daran so toll fand, aber nun konnte ich es nachvollziehen. Es war ein unglaublich tolles Gefühl. Als wir tief genug im Wald waren, blieben wir stehen. Ich war enttäuscht, dass es schon zu Emde war; zu sehr hatte ich es vermisst so schnell laufen zu können. Aber umso mehr freute ich mich auf das, was jetzt kam: Endlich waren Edward und ich alleine auf der Jagd. Ich wusste nicht genau, was anders daran sein würde, allein mit Edward zu jagen, aber ich wusste, dass es anders sein würde.

Ohne viel Zeit zu verlieren, legten wir uns auch schon auf die Lauer .Ich verließ mich nun komplett auf meine Sinne. Ich versuchte, die Witterung meiner Beute aufzuspüren. Ich wusste, dass ich mein Lieblings essen hier nicht finden würde. Es gab hier in Forks nunmal leider keine Robben. Ich hatte bei einem Besuch bei Tanias Familie fesgestellt, dass sie sehr lecker schmecken. Also musste ich mich mit etwas anderem zufrieden geben.

Es dauerte nicht lange, bis ich ein Reh entdekte, nicht weit entfernt. Ich lauschte, ob sich etwas näherte. Dann rannte ich an zahllosen Bäumen vorbei und blieb ab und zu an Wurzeln hängen, was ziemlich nervig war, da ich meist auf die Nase flog oder zumindest mein Gleichgewicht verlor. Ich hatte immer gedacht, durch die Verwandlung würde ich nicht mehr aus dem Gleichgewicht kommen, aber leider schien mir dieses Glück nicht vergönnt zu sein.

Ich rannte immer weiter und konnte Edward hinter mir durch den Wald laufen hören. Er hätte mich längst überholen können, was nicht nur daran lag, dass er sehr viel schneller laufen konnte als der Rest der Cullens, sondern auch daran, dass ich immer wieder hinfiel oder mein Tempo drosseln musste, weil ich mein Gleichgewicht verlor. Er schien aus einem bestimmten Grund hinter mir bleiben zu wollen. Mir war es ziemlich egal, warum, ich wollte dieses Reh haben.

Als ich es endlich sah und mich mit einem kräftigen Sprung darauf stürzen wollte, blieb ich wieder an einer Wurzel hängen und ich fiel hin. Das Reh bemerkte mich und floh. Ich wusste, ich konnte es nicht mher kriegen, selbst, wenn ich jetzt schnell wieder aufstehen würde, also beschloss ich, auf dem Bauch am Boden liegen zu bleiben.

Ich fluchte in mich hinein. Wieso musste ich ausgerachnet jetzt an der Wurzel hängen bleiben? Ich schlug mit meiner Faust auf den Boden und hinterlies ein Loch,das genau deren Größe hatte. Mir war immer noch nicht bewusst, wie viel Kraft ich nun hatte und war erstaunt darüber, dass nun ein Loch im Boden war.

Dann hörte ich Edward neben mir ankommen und hörte, wie er lachte.

"Das ist überhaupt nicht komisch, Edward!", protestierte ich, während ich mich langsam auf den Rücken drehte. Als wäre ich nicht schon genug gedemütigt worden - hinzufallen und meine Beute entkommen zu lassen, nein, Edward musste sich auch noch drüber lustig machen. Ich kochte innerlich vor Wut auf mich selber. Wie konnte ich nur hinfallen?! , schallte es wieder in meinem Kopf.

"Ich finde schon, es ist komisch, dich beim jagen zu beobachten." sagte Edward halb lachend. "Man sollte denken, dass es unmöglich für einen Vampir ist, dass ihm seine Beute entkommt, aber du scheinst da eine Ausnhame machen zu wollen." Jetzt fing Edward richtig an zu lachen; er konnte es nicht zurück halten.

"Ja, mach dich nur lustig über mich, danke." , sagte ich beleidigt, während ich mich wieder aufrappelte. Ich war froh, jetzt alleine mit Edward zu sein. Ich wusste nicht, ob ich es ertragen hätte, wenn noch jemand mit angesehen hätte, wie ich in den Dreck gefallen war.

"Wusstest du, Bella, dass du, wenn du jagst, aussiehst wie eine Robbe an Land?" Er hatte sich immer noch nicht eingekriegt und lachte immer noch.

"Ja, genau, mach mich doch richtig fertig, jetzt wo ich schon mal am Boden liege." Ich klopfte mir den Schmutz von meinen viel zu teuren Sachen. Alice bestand darauf, mir neue Sachen kaufen zu müssen, sozusagen als "Wilkommensgeschenk". Ich wusste genau, es würde nichts bringen, denn der Schmutz saß schon zu tief in den Kleidern.

"Komm schon, Bella,sei nicht sauer, aber es sieht nun einfach zu komisch aus. Ich liebe dich so, wie du bist, auch wenn es eine Robbe an Land ist." Er brach nun wieder in schallendes Gelächter aus. Ich dachte kurze Zeit ernsthaft, er hätte sich wieder gefangen, aber die Erinnerung an meine Jagd schien ihn wirklich zu amüsieren. Er versuchte aber schnell, wieder ernst zu werden. Was ihm auch gelang.

Klar, dachte ich. Er ist halt wirklich in allem perfekt. Und eine neue Welle der Wut stieg in mir auf, nicht über ihn, sondern über mich selber. Darüber, wie hilflos ich doch schien, im Gegensatz zu ihm.

Doch bevor ich ihm meine Gedanken an dem Kopf werfen konnte, kam er näher und küsste mich. Vermutlich, um mich einen Moment zum Schweigen zu bringen; vielleicht hatte er zusätzlich auch die Hoffnung, dass ich dadurch nochmal überdenken würde, was ich sagen wollte. Und ich musste zugeben, dass es wirkte. Zu meinem Bedauern vergaß ich meine sorgfältig ausgewählten Worte. Ich vergaß sogar meine Wut.

Ich war mir sicher, dass ich wie immer, vergaß zu atmen, aber es machte mir nichts aus. Als Vampir musste ich nicht atmen.

Als sich unsere Lippen wieder voneinander lösten, wurde mir trotzdem schwindelig und Edward musste mich festhalten, damit ich nicht hinfiel. Ich war ihm dankbar dafür. Ich konnte wirklich darauf verzichten noch einmal im Dreck zu liegen.

Als ich mich erholt hatte, schaute er mir tief in die Augen und ich schaute zurück. Ich wusste, er wollte sicher gehen, dass ich ihm auch wirklich nichts an den Kopf knallte,was wir beide beräuen würdenvergaß.

"Ist alles in Ordnung mit dir?"

"Edward, warum sollte nicht alles mit mir in Ordnung sein?" Prompt stieg mein Zorn wieder in mir auf und er schien dies zu bemerken, denn er umarmte mich sofort und flüsterte, so leise, dass nur ich es verstehen konnte: "Ich mache mir einfach nur Sorgen um dich, Bella. Du bist das Einzige auf der Welt, das mir wirklich etwas bedeutet." Er küsste meine Haare. "Aber komisch siehst du beim Jagen trotzdem aus." Ich konnte an seiner Stimme erkennen, dass er ein Lachen unterdrücken musste.

Ich funkelte ihn böse an, beschloss nach einem Moment aber, dass ich jetzt nicht wieder wütend werden wollte. Als er bemerkte, dass er gesiegt hatte, löste er die Umarmung.

"Wir müssen weiter. Oder willst du nicht mehr nach Port Angeles?" Er konnte nicht verhindern, dass in dem letzten Satz Hoffnung mitklang. Um dieser Hoffnung erst gar keine Changse zu geben, sprintete ich los.

Nach wenigen Minuten entdeckten wir eine Bärenfamilie, die in einer Höhle Winterschlaf hielt. Es waren ein ausgewachsener und drei kleine Bären. Edward, ganz Gentleman, wartete, bis ich mich satt getrunken hatte, bevor er sich selber die drei kleinen Bären schnappte.

Das Jagen hatte keinen Spaß gemacht.Da wir die Bären im Schlaf überrascht hatten, mussten wir uns nicht einmal anstrengen und ich sah Edward an, dass es ihn frustrierte. Ich mochte es nicht, wenn Edward so niedergeschlagen war, also versuchte ich, ihn aufzumuntern.

"Wie war das Doch gleich nochmal mit der Robbe? Sehe ich wirklich so aus?" Ich lächelte, um ihm deutlich zu machen, dass ich ihm deswegen nicht mehr böse war und er schien darauf einzugehen, denn sofort breitete sich ein spitzbübisches Lächeln auf seinem Gesicht aus.

"Nun ja, vielleicht war der Vergleich etwas übertrieben, aber auch nur ein wenig."

Auf dem Weg zurück erklärte er mir haarklein, wie ich mich bewegte und wie er auf diesen Gedanken gekommen war. Ich lief neben ihm her und hörte ihm interessiert zu. Ab und zu musste ich anfangen zu lachen. Ich konnte verstehen,wieso er nicht aufhören konnte und er lachte jedesmal mit, wenn ich anfing.

Wir brauchten nicht lange, um wieder bei dem mir inzwischen so vertrauten weißen Haus anzukommen. Und ich bereute, nicht langsamer gelaufen zu sein. Es kam mir vor, als wären nur Sekunden vergangen. Waren es sogar wirklich nur Sekunden gewesen?

Auf jeden Fall schien noch alles wie bei unserem Aufbruch zu sein. Das gleiche trübe Licht, das durch die Wolkendecke fiel und die gleiche Abwesenheit der restlichen Familie. Ich musste schmunzeln,als mir dies auffiel.

Edward und ich betraten das Haus und wurden, wie schon von mir erwartet, von Alice abgefangen.

"Na endlich seid ihr zurückgekommen. Ich dachte schon, ein Bär hätte euch gefressen." Sie zwinkerte uns zu. "Darf ich Bella nun endlich einmal von dir losreißen,Edward?" In Gedanken malte sie sich schon aus, wie sie mich in ein Kleid nach dem anderen steckte. Trotz meiner Verwandlung schien ich immer noch eine Art Puppe für sie zu sein. Ich hatte wirklich gehoft, dies hätte sich geändert. Ich mochte es nicht, wie eine Puppe behandelt zu werden, und Alice wusste das genau, aber sie schaffte es immer wieder, dass ich es mit mir machen ließ. Ich fragte mich immer noch, wie.

"Ich sollte mich erst einmal umziehen, meinst du nicht?" Ich konnte so unmöglich irgendwo hingehen, alles an mir war mit Erde und Blut beschmiert. Ich warf Edward einen tödlichen Blick zu, als ich hörte, was er dachte. Es ist wirklich zu schade, dass Alice vorhin nicht dabei war. Ihm entging dieser Blick nicht und er schaute mich um Vergebung bittend an. Du weißt, dass es nicht böse gemeint war, dachte er, eindeutig an mich gerichtet. Er schien an solche Gespräche schon gewöhnt zu sein.

"Was wird das hier eigentlich?" , hörte ich eine eingeschnappte Stimme neben mir fragen. "Wenn ihr was zu bereden habt, dann tut das gefälligst laut. Es ist sehr unhöflich, sich so zu unterhalten, wenn noch jemand anwesend ist." Ich hatte vergessen, dass Alice unserem Gespräch nicht folgen konnte.

Edward schien schneller zu schalten als ich. Bevor ich etwas sagen konnte hatte er schon längst angefangen. "Das tut uns Leid, Alice. Was hältst du davon, dass ich dir die Geschichte demnächst? Erzähle du musst wissen..."

Das war zu viel! Keiner sollte das erfahren, und er fing wieder an, sich über mich lustig zu machen! Ich konnte da doch auch nichts für!

"Das sollte unter uns bleiben, Edward. Schlimm genug, dass es überhaupt so ist. Du brauchst es nicht gleich jedem erzählen."

"Jetzt bin ich richtig gespannt." Alice Stimme war so voller Neugierde, dass sie sich beinahe überschlug. "Wir haben ja eine Menge Zeit zum Reden, nicht wahr, Bella? Dann kannst du mir ja alles erzählen." In ihren Gedanken überlegte sie sich schon mehrere Möglichkeiten, mich zum Reden zu zwingen.

Edward schien auch in Alice´ Gedanken zu sein, denn er lachte in sich hinein. Dann küsste er mich noch einmal und sagte: "Macht euch einen schönen Tag. Ich werde dann mal Emmett aufsuchen." Und mit einem letzten kleinen Lachen verschwand er auch schon in der Tür.

"Na, dann wollen wir mal." , brachte ich mit vorgetäuschter Freude heraus. Ich schien nicht überzeugend genug gewesen zu sein. Denn während Alice mich mit nach oben zerrte, versuchte sie, mir Mut zuzureden-dies war Stufe 1 ihres Wie-kriege-ich-die-Geschichte-aus-Bella-raus-Plans; Vertrauen aufbauen. Ich musste zugeben, dass klappte, wenn auch nur minimal.

Oben angekommen, machte sie die Tür zu Edwards und meinem Zimmer auf und zerrte mich zum Schrank.

"Dann wollen wir doch mal sehen", murmelte sie, eher zu sich selbst als zu mir. "Was hättest du lieber, einen Rock oder eine Jeans?" Sie schien die Frage nicht ernst zu meinen und das wusste ich genau. Sie hatte die Entscheidung schon längst getroffen, was ich anziehen sollte: Einen langen, königsblauben Rock, der aus mehrern Lagen Stoff bestand, und dazu eine schlichte weiße Bluse.

Ich hatte nichts gegen Röcke; es war schön, nicht immer nur die lästigen Jeans tragen zu müssen, also beschloss ich, ihr nicht zu wiedersprechen. "Ich fände einen Rock ganz schön." Und schon wenige Augenblicke später hielt sie mir den königsblauen Rock hin.Ich nahm ihn ihr ab.

"Schauen wir mal, was dazu passen könnte." Die Frage hatte sie nur gestellt, um mir auch etwas zu tun zu geben,denn ich konnte nicht einmal antworten, da hielt sie mir schon die weiße Bluse hin. Ich fand, Alice hatte eine gute Entscheidung getroffen. Die Bluse und der Rock passten einfach perfekt zusammen.

"So, das hätten wir. Du solltest vorher aber noch duschen gehen. Mit dem ganzen Dreck im Gesicht können wir dich nicht mitnehmen." Und schon schleifte sie mich wieder auf dem langen Gang an zwei Türen vorbei und durch die dritte hindurch.

Es war die Tür zum größten Badezimmer hier im Haus. Es war einfach gigantisch. Es besaß alles, was ein Bezimmer brauchte und einiges, was es nicht brauchte. Es war ein heller Raum mit großen weißen Fliesen an der Wand und am Boden. Die Decke war übersät mit tausenden kleiner Glühlämpchen. Wenn es dunkel war und man das Licht anschallete, sah es aus,als wäre über einem der Nachthimmel. Im Moment aber ließen die zwei Fenster, an der gegenüberliegenden Seite genug Licht hinein.

Ich würde duschen gehen, hatte ich beschlossen. Baden würde einfach zu lange dauern. Ich badete gerne, jetzt, wo ich es konnte(Charlie hatte nie eine Badewanne gehabt,sie wäre zu groß und zu teuer gewesen). Aber jetzt, wo es schnell gehen musste, war die Dusche angebrachter.

Ich ging nach links zur Dusche, die genug Platz für drei Leute geboten hätte, und hängte den Rock und die Bluse an einen Haken, der neben der Kabine hing. Bevor ich mich auszog, um unter die Dusche springen zu können, drehte ich mich noch einmal zu Alice um. Sie stand immer noch lächelnt in der Tür.

"Alice, ich kann schon alleine duschen gehen. Ich bin ja kein Kind mehr." Ich warf ihr ein freudiges Lächeln zu und hoffte, sie würde gehen.

Sie überlegte kurz, womit sie besser schleimen könnte: indem sie dablieb oder indem sie ging. Sie entschied, dass es besser sei meinen Wunsch zu aktzeptieren. Somit dreht sie sich um, ging hinaus und schloss die Tür. Ich bekam nocht mit, wie ihr bewusst wurde, dass sie nun zu Edward gehen konnte, um von ihm die Geschichte zu erfahren,war mir aber nicht sicher, ob er es wagen würde es ihr zu erzählen. Ich beschloss, mich desshalb noch mehr zu beeilen. Schnell zog ich meine dreckigen alten Sachen aus und stieg unter die Dusche.

Wie ich es mir vorgenommen hatte und mit dem Hintergedanken, dass Edward Alice irgendetwas erzählen könnte- war ich schnell fertig. Ich trocknete mich ab und zog mir die frischen Sachen an. Ich föhnte meine Haare nur leicht. Sobald ich alles erledigt hatte, stürmte ich aus dem Badezimmer hinaus auf den Flur.

Ich musste kurz überlegen, wo sich Edward aufhalten könnte. Ich kam zu dem Schluss,dass er vermutlich im Wohnzimmer war gerade Emmett und Alice erzählte wie der Ausflug war. Er würde keine Einzelheit weglassen; das war mir bewusst. Ich stürmte also die Treppe hinunter und ins Wohnzimmer. Auf dem kurzen Weg fiel mir auf, dass es immer noch ruhig war,was daran liegen könnte, dass sie alle im Wohnzimmer waren und Edward zuhörten. Ich legte noch einen Zahn zu.

Im Wohnzimmer angekommen, stellte ich zu meinem Schrecken fest, dass sich alle um Edward versammelt hatten. Sogar Esme hatte aufgehört zu putzen. Als sie mich bemerkten, verstummte Edward und alle starrten mich an, was mich in meiner Vermutung bestärkte, dass er ihnen alles erzählt hatte.

Rosalie verschwand sofort und Emmett stürmte hinter ihr her. Na, das wird bestimmt ein heiterer Ausflug. Und wieder machte ich mir Gedanken, warum mich das Schicksal so bestraft. Esme sah mich mit einem Blick an, den ich nicht deuten konnte.Dann verschwand auch sie, aber in die andere Richtung.

Nun waren nur noch Alice, Jasper, Edward und ich im Zimmer. Carlisle war immer noch auf der Arbeit.

Mir entging nicht, dass Jasper am liebsten auch verschwunden wäre, aber Alice hielt ihn fest .Da Jasper nicht fliehen konnte, schaute er weg. Es verletzte mich sehr, dass mir alle aus dem Weg gehen wollten. Ich beschloss, aber erst später genauer darüber nachzudenken und mit Edward zu reden. Jetzt musste ich mich darauf konzentrieren, herauszubekommen, was genau Edward erzählt hatte. Ich versuchte, mich auf seine Gedanken zu konzentrieren, aber es war sehr schwer überhaupt etwas zu verstehen, da sich nun drei Leute in dem selben Raum befanden und auch die Gedanken der restlichen Cullens tobten. Als ich bemerkte, wie sinnlos der Versuch war, ließ ich es bleiben.

Ich musste es also mit normalen Mitteln herausfinden.Und als könnte Edward meine Gedanken lesen, kam er auf mich zu, als wolle er die Fragen beantworten, die in meinem Kopf rumgeisterten. Er schaute mich von oben bis unten an. Dann nickte er zufrieden und strich mir über mein immer noch feuchtes Haar. "Du hast mal wieder einen Rock an. Das gefällt mir.", flüsterte er in mein Ohr.

"Danke.", flüsterte ich zurück. Er küsste mich auf die Stirn. Dann kam Alice dazu, Jasper mitzerrend, der sich ganz offensichtlich weigerte, mir näher zu kommen. "Wir sollten dringend nochmal im Auto reden, Bella. Da sind noch einige Fragen offen." Sie sagte es mit einem verspielt, ernstem Ton, der mir noch mehr Sorgen bereitete.

"Wovon redest du da eigentlich, Alice?"

Mit dieser Frage war alles verloren. Natürlich würden sie merken, dass ich rausfinden wollte, was Edward ihnen erzählt hatte. Nur war mir kein anderer Weg eingefallen,an die von mir erwünschten Informationen zu kommen. Hätte ich Zeit zum Nachdenken gehabt, wäre mir bestimmt etwas Besseres eingefallen, aber die hatte ich leider nicht. So hoffte ich darauf, dass ich einmal Glück hatte und es nicht auffallen würde.

Edward würde es merken, das war klar. Er kannte mich zu gut. Aber er würde vielleicht nicht eingreifen. Ich brauche eine Menge Glück, damit alles gut ging. Und zu meiner Überraschung schien ich das zu haben. Edward machte keinerlei Anstalten, Alice und Jasper zu sagen, was ich eigentlich plante. Er stand einfach neben mir, einen Arm um meine Taillie gelegt und lächelte sein wundervolles schiefes Lächeln.

Jetzt musste mein Glück weiter anhalten und Alice und Jasper durften nichts merken. Jasper schien mir nicht zugehört zu haben. Er hatte sich von mir weg gelehnt und starrte zur Tür, durch die auch Esme verschwunden war. Es wurde immer offensichtlicher, dass er nicht in meiner Nähe sein wollte. Bei Alice war ich mir nicht sicher, ob sie etwas gemerkt hatte oder nicht. Sie schien sich auf etwas ganz Bestimmtes zu konzentrieren. Ich konnte aber nicht ausmachen, was es war.

"Hey, Alice, redest du jetzt nicht mehr mit mir?"

"Doch. Tut mir Teid, ich war in meine Gedanken vertieft. Könntest du bitte nochmal wiederholen, was du gesagt hast?" Ihre Stimme hörte sich so an, als wäre Alice immer noch weit weg. Ich startete noch einen Versuch und wieder hoffte ich dabei auf mein Glück. "Ich habe dich gefragt, worüber du denn mit mir reden willst" Ich versuchte die Frage so um zu stellen, dass sie nicht mehr ganz so schnell darauf kommen konnte, was ich plante.

"Na, über vieles. Hauptsächlich über deine Erlebnisse des heutigen Tages."

Das war es, was ich hören wollte. Es war eine Art Geständnis, dass sie etwas wusste, dass es aber nur wenig war. Das bedeutete, auch die anderen wussten nur sehr wenig. Klar würde Alice jetzt nur noch mehr versuchen, alles aus mir herauszuquetschen, aber jetzt würde ich mich erst recht weigern.

Blieb allerdings immer noch das Problem "Edward". Er würde mit sicherheit den anderen alles erzählen, sobald ich aus dem Haus war, und, wenn ich nicht diejenige war, die Alice alles erzählte, würde Edward es tun, sobald er mit ihr alleine war. Ich vertraute wieder auf mein Glück, dass Edward es nicht erzählen würde, aber für heute hatte ich es vermutlich schon überstrapaziert. Also gab es nur noch eine Möglichkeit: Ich musste mit Edward reden und ihn bitten, nichts zu erzählen. Nur wie?Ich musste mit ihm alleine sein. Dazu mussten allerdings Alice und Jasper gehen, und ich war mir ziemlich sicher, dass Alice bleiben würde. Jasper würde gerne gehen, aber Alice war das Problem.

Ich überlegte, aber mir fiel nichts ein, bis ich auf einmal einen guten Einfall hatte. "Alice, willst du nicht schonmal Rose holen gehen? Ich warte dann an der Garage. Wir fahren doch mit deinem gelben Porsche 911 Turbo?" Alice hatte ihn letztes Weinachten von Edward geschenkt bekommen.Seit dem fuhr sie bei jeder Gelegenheit mit ihrem Wagen.

Alice ließ Jasper los, der uns allen noch einmal zunickte und dann auch blitzschnell verschwand. Sie selbst blieb stehen und musterte mich.

"Ja, klar kann ich Rose holen. Dann treffen wir uns in der da, aber wir fahren mit dem BMW." Sie merkte sofort, dass ich fragen wollte, wieso wir nicht ihren Wagen nahmen und beantwortete meine unausgesprochene Frage gleich mit. "Der Turbo ist zu klein, da wir zu dritt sind und dann müssen irgendwo ja auch noch die Einkaufstüten hin." Sie grinste breit und mir wurde klar, die Hälfte der Tüten würden meine werden, zumindest, wenn es nach ihr ging. "Oh, ok, dann eben der BMW." Ich grinste zurück.

Dann verließ Alice das Zimmer und ich war endlich alleine mit Edward. Jetzt konnte ich ihn bitten, nichts zu erzählen.

"Edward, " Ich hielt kurz inne, um die richtigen Worte zu finden, " könntest du bitte die Geschichte von vorhin für dich behalten? Alice wird jetzt erst versuchen, es aus mir rauszubekommen, und wenn sie es nicht schafft, wird sie bei dir weitermachen. Bitte erzähl ihr und den anderen nichts." Während ich sprach, drehte ich mich zu ihm um und sah ihm in die Augen.

Er schaute zurück und sein schiefes Lächeln verschwand. "Warum soll es denn keiner erfahren? Du kannst doch sogar selber darüber lachen. Du bist eben ungeschickt, aber das ist nun mal deine Art."

"Ja, kann sein, dass ich es bin, aber es müssen ja nicht alle erfahren. Bitte tu mir den Gefallen, Edward." Ich griff nach seinen Händen. Edward hob eine der verschlungenen Hände hoch und strich mit seinem Handrücken über mein Gesicht während er sprach. "Na gut, ich werde nichts erzählen." Er meinte es ernst. Als ich das merkte, wurde ich lockerer und wollte mich schon umdrehen und mit Edward in die Garage gehen, aber er blieb stehen.

"Aber ich kann nicht versprechen, dass ich Alice´ Überredungskunst standthalten kann." Er lachte und ging dann an mir vorbei in Richtung Garage. Ich musste erst begreifen, dass es nur ein Scherz war und blieb wie angewurzelt stehen. Edward zog mich ein kleines Stück mit, dann hatte ich mich wieder gefasst und ich ging neben ihm her. Wir mussten ein Paar der verschlungenen Hände lösen. Das andere blieb verschlungen.

Alice und Rosalie warteten schon. Rosalie setzte sich schonmal ins Auto;sie fuhr. Das war zu erwarten,es war ihr Auto. Alice wartete noch an der Beifahrertür darauf, dass ich auch einstieg. Ich küsste Edward noch einmal und verabschiedete mich " Ich liebe dich. Wir sehen uns dann nachher und denk an dein Versprechen." Ich wartete noch auf eine Antwort, bevor ich Anstalten machte, mich umzudrehen und ins Auto zu stieg.

"Ich liebe dich auch. Habt viel Spaß. Bis nachher."

Dann lösten wir auch die anderen Hände voneinander und ich stieg in den Wagen auf den Platz hinter Alice. Rosalie startete den Motor und fuhr aus der Garage, ich drehte mich nocheinmal zu Edward um, bevor wir aus der Garage fuhren. Er war aber schon verschwunden.

Wir fuhren den schmalen Waldweg entlang und dann Richtung Hauptstraße. Das Radio war eingeschaltet. Rosalie schien zu versuchen, mich zu ignorieren, und Alice startete mit ihrer Aktion Wie-kriege-ich-alles-aus-Bella-raus. Ich bereitete mich also seelisch schonmal auf einen tollen Abend vor.

Ausflug mit Hindernissen

Ich hätte einfach absagen können. Ich hätte nicht mit gemusst. Mir wäre einiges erspart geblieben, aber ich musste ja unbedingt mitkommen. Wie bin ich nur darauf gekommen, dass dieser Ausflug hätte Spaß machen können? Ich war vermutlich nicht ganz bei mir, als ich zugestimmt hatte. Ich hätte mir einen wunderschönen Abend mit Edward machen können. Aber ich war ja so verrückt und hatte diesem Ausflug nicht nur zugestimmt, ich hatte mich deswegen sogar mit Edward gestritten. Dieser Ausflug war von Anfang an zum Scheitern verurteilt, und ich wollte es nicht wahrhaben.

Gerne hätte ich gesagt, ‚Lasst uns umdrehen, das wird doch nichts.’

Rosalie hätte sich darüber sehr gefreut. Sie hätte gerne umgedreht, aber sie riss sich genauso wie ich zusammen. Alles nur Alice zuliebe, die vor lauter Vorfreude nicht einmal merkte, dass Rosalie und ich keine Lust auf diesen Ausflug hatten.

Alice plante schon, in welche Geschäfte wir als erstes gehen würden. Natürlich kamen für sie nur Geschäfte in Frage, die meiner Meinung nach viel zu teuer waren, aber man konnte sie eh nicht bremsen; selbst, wenn man es versucht hätte.

Sie plante auch zum Abschluss einen Besuch in einer Disco ein. Ich hielt das allerdings für keine sonderlich gute Idee. Zwar konnte ich einen Tag mit Menschen in belüfteten Geschäften aushalten, aber ich war mir ziemlich sicher, dass ich nicht eine Minute in einer stickigen, überfüllten Disco aushalten würde.

Alice hingegen überschätzte mich entweder oder war davon überzeugt, die Gefahr rechtzeitig erkennen und aufhalten zu können. Mir war eigentlich egal, was von beidem sie tat. Ich musste sie auf jeden Fall davon abbringen.

„Ähm... Alice... Ich halte es für keine gute Idee, in eine Disco zu gehen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dafür noch nicht bereit bin.“

Während ich meinen Einwand vorbrachte, beobachtete Rosalie mich ganz genau. Sie hatte sich Hoffnungen gemacht, dass ich umdrehen wollte. Deshalb war sie ein wenig enttäuscht, dass ich nur nicht in die Disco wollte, aber es freute sie, dass ich zugab, noch zu schwach zu sein, um alles mitmachen zu können. Und natürlich witterte sie eine Riesenchance, zurückzufahren und es auf meine Kappe schieben zu können.

„Ach, komm schon, Bella, ich bin mir sicher, du schaffst das schon. Schließlich sind wir auch dabei.“ Alice ließ sich durch einen so kleinen Einwand nicht von ihrem Vorhaben abbringen.

Nun appellierte ich darauf, dass Rosalie einschreiten würde und auf meiner Seite stehen würde. Ich hielt es allerdings für sehr unwahrscheinlich. Deshalb war meine Überraschung umso größer, als Rosalie sich wirklich einmischte.

„Alice, ich finde, Bella hat da vollkommen Recht. Sie kann das noch nicht schaffen“, der gehässige Blick, den sie mir flüchtig zuwarf, entging mir nicht, „ob mit oder ohne unsere Hilfe. Wir sollten das mit der Disco vielleicht wirklich sein lassen. Wahrscheinlich ist das alles noch zu viel für sie, und wir sollten umdrehen. „

Nun war es an mir, ihr einerseits zuzustimmen, andererseits aber in den Rücken zu fallen. Natürlich wollte ich immer noch umdrehen, aber es kam gar nicht in Frage, dass Rosalie alles mir zuschieben wollte.

„Ja, komm schon, Alice, lassen wir die Disco aus." Mein Tonfall war halb genervt halb flehend "Wenn etwas passiert... Lass uns das Risiko nicht eingehen. Bitte. Du musst ja nicht den ganzen Ausflug ausfallen lassen, nur eben die Disco.“

Ich hoffte, dass Alice zur Vernunft kommen würde und auf uns hörte. Sie musste einfach.

Ich wollte mir nicht ausmalen, was passieren würde, wenn sie mich wirklich mit in die Disco, diese Hölle voller Gerüche, schleppte.

„Aber wir können doch nicht das Beste einfach so ausfallen lassen.“ Alice klang traurig und vorwurfsvoll „Ihr könnt mir und euch nicht den Spaß verderben. Das wird schon, Bella, du schaffst das bestimmt“

Ich merkte, dass ihr allmählich bewusst wurde, dass sie nicht gewinnen konnte. Sehr langsam, aber sicher, gab sie auf. Es war also nur noch eine Frage der Zeit und der richtigen Argumente. „Alice, du weißt genau, was Edward mit dir anstellen wird, wenn etwas schief geht.“ Es war eine sehr schwache Drohung. Edward würde Alice nie etwas allzu Schlimmes, antun und das wusste sie so gut wie ich. Trotzdem schien dies der entscheidende Punkt gewesen zu sein. Ihr Widerstand war nun fast vollständig gefallen.

„Und glaub mir, Alice, Edward wird noch dein geringstes Problem sein“, setzte ich hinterher.

„Bella, du glaubst doch nicht wirklich, dass ich mich von so was einschüchtern lasse.“ Sie sagte zwar, dass meine Drohungen nichts gebracht hätten, aber ihre Gedanken verrieten, dass sie es einsah: Kein Discobesuch heute Abend. Ich hatte also eine Gnadenfrist bekommen. Vielleicht würde der Ausflug doch nicht so schrecklich, wie ich dachte.

„Alice, du weißt so gut wie ich, dass du es eingesehen hast“, sagte ich, mit dem Finger auf meinen Kopf deutend.

„Einen Versuch war es trotzdem wert“, murmelte Alice vor sich hin. Selbst ohne Alice’ Gedanken zu kennen, wusste ich, dass sie nun nicht mehr ganz so enthusiastisch auf das Bevorstehende zuging. Und ich machte mich dafür verantwortlich.

Nun mischte sich auch Rosalie wieder ins Gespräch mit ein. Ich hatte fast vergessen, dass sie auch noch da war, deshalb erschrak ich beim Klang ihrer Stimme etwas.

„Alice, nur weil wir nicht hingehen, heißt das noch lange nicht, dass der Ausflug nicht toll wird. Du hast keinen Grund, eingeschnappt oder deprimiert zu sein.“

So etwas von Rosalie zu hören, machte mich stutzig. Sie wollte diesen Ausflug nicht mehr mitmachen, warum munterte sie Alice dann auf? Es gab keinen Grund dazu, nicht für sie. Ich versuchte, mehr über ihre Gedanken herauszufinden, aber diese waren wirrer als ihre Worte. Sie schien sich nicht sicher zu sein, ob sie lieber nach Hause mochte.

Ich verstand die Welt nicht mehr. War heute nicht schon genug Verrücktes passiert? Meiner Ansicht nach schon. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in meinem Magen aus. Was war, wenn doch noch etwas geschehen würde, wenn ich wirklich noch nicht so weit war?

Ich wurde richtig unruhig und wollte nun wirklich umkehren. Doch könnte ich Alice das antun? Schlimm genug, dass sie wegen der Disco schlechter drauf war; was würde dann sein, wenn alles ins Wasser fiel?

NEIN, das konnte ich Alice nicht antun. Es war doch nur grundlose Panik die sich in mir breit machte. Es war einfach etwas Neues, Unbekanntes. Vor so etwas hatte man doch immer Angst, oder? Also blieb ich einfach schweigend sitzen und machte mich auf das gefasst, was mir bald bevorstand.

Ich versuchte, mich an alles zu erinnern, was Edward mir in punkto Selbstbeherrschung beigebracht hatte:
 

1. Gehe erst gar nicht das Risiko ein, deine Selbstbeherrschung überzustrapazieren (sprich: halte Abstand)

2. Solltest du nicht in der Lage sein, Abstand zu halten, dann atme so wenig wie möglich und immer durch den Mund.

3. Sollte das zu anstrengend sein, verlass den Raum so schnell und unauffällig wie möglich.

4. Frische Luft ist das Beste, um den Kopf wieder frei zu kriegen.

5. Meide die Person, die dich an deine Grenzen treibt, solange, bis du sicher bist, ihr zu widerstehen.
 

„Solange du dich nur immer an das hältst“, hatte er gesagt und unterbrach sich selber, indem er mich immer wieder küsste, „kann nichts Schlimmes passieren.“ Nun hatte er mich noch enthusiastischer geküsst, und als seine Lippen meine wieder verlassen hatten, hatte er mit Humor in seiner Stimme gesagt: „Außerdem wäre es ganz und gar nicht schlimm, von einer solch verführerischen Person wie du es bist getötet zu werden.“

Bei dieser Vorstellung war mir ein wohliger Schauer durch den gesamten Körper gelaufen. Dies hatte er bemerkt und dann in sich hineingelacht. Ich hatte meine Lippen in der Hoffnung, so seinem Lachen ein Ende zu setzen, wieder an seine gepresst.

Alice riss mich unsanft aus der schönen Erinnerung: „Bella, komm, steig endlich aus, wir sind da.“ Sie hüpfte auf und ab wie ein kleines Kind, das zum ersten Mal ins Disneyland geht. Selbst Rosalie schien sich nun auf den Ausflug zu freuen. Zwar hüpfte sie nicht, aber sie hatte ein Lächeln im Gesicht.

Als ich die beiden so voller Vorfreude ansah, begann auch ich, ganz aufgeregt zu werden. Alle Sorgen, die ich vorher gehabt hatte, waren nun fast vergessen, und ich wurde lockerer. Ich stieg aus dem Auto. Alice und Rosalie nahmen mich in ihre Mitte und wir machten uns, halb tänzelnd, auf den Weg zum größten Kaufhaus.

Es war ein tolles Gefühl, wieder unterwegs zu sein. Die Blicke der Menschen, die uns über den Weg liefen, entgingen uns nicht. Es waren halb neidische, aber auch halb bewundernde Blicke, und es versetzte mich in Hochstimmung.

Wir hatten schnell das Kaufhaus erreicht. Es war nicht monströs, aber auch nicht zu klein. Es war einfach genau richtig, um die nötige Auswahl zu haben und trotzdem gemütlich zu sein.

„Also, seid ihr bereit zum Shoppen?“, fragte Rosalie, die nur noch auf unsere Antwort wartete.

„Ja“, sagten Alice und ich wie aus einem Mund und mussten darüber schmunzeln.

„Na, dann mal los“ Das war der Startpfiff, und wir betraten das Kaufhaus. Als erstes suchten wir nach Partyoutfits. Keiner von uns konnte sich für nur eines entscheiden, also probierten wir alles einmal an und beratschlagten uns gegenseitig. Wir hatten viel Spaß dabei. Schlussendlich hatte jede von uns dann doch drei komplette Sätze Festkleidung. Alice behielt eines gleich an. Es bestand aus einer schlichten, dunklen Röhrenjeans, dazu ein dunkelrotes, längeres Top mit V-Ausschnitt und am Rücken nur wenige Bänder, die von der einen Seite zur anderen verliefen. Und darüber hatte sie eine Jeansjacke, die nur bis zum Bauch ging, an. Es stand Alice sehr gut.

„So, jetzt müssen wir aber noch neue Schuhe kaufen! Die Turnschuhe passen einfach nicht zu den neuen Outfits“, bemängelte Alice, nahm Rosalie und mich an die Hand und ging in den nächsten Schuhladen. Dort angekommen, war sie nicht mehr zu bremsen. Jedes zweite Paar Schuhe nahm sie sich heraus zum Anprobieren.

Nach einer wahren Orgie, bei der alle beide mehr als reichlich bestückt hervorkamen, zeigte ich ihnen, was ich – die sich bis jetzt eher zurückgehalten hatte – gefunden hatte. Es waren knapp unter dem Knie endende Stiefel aus schwarzem Wildleder mit einem ca. 4cm hohen Absatz. Sie waren wie für mich geschaffen. Zu meinem Glück waren sie noch in meiner Größe da. Ich ging damit zu Rosalie und Alice und probierte sie sofort an. Sie passten wie angegossen und sahen angezogen noch besser aus als ohnehin schon. Freudestrahlend schwebte ich zur Kasse.

Ich wartete noch auf Rosalie und Alice, wobei Rosalie schneller war als Alice, und dann bezahlten wir die sieben Paar Schuhe. Ich denke, ich muss kaum erwähnen, dass vier davon von Alice waren.

Wir verbrachten noch viele weitere Stunden im Kaufhaus. Irgendwann hatten wir dann alle Läden durch und gingen mit unzähligen Tüten bepackt zurück zum Auto. Alice war über diesen Ausflug überglücklich und strahlte noch mehr als sonst. Auch Rosalie war ziemlich aufgedreht und lachte. Und ich war erleichtert, weil nichts passiert war. Vermutlich strahlte ich mit beiden um die Wette.

Doch trotz allem freute ich mich jetzt auf Zuhause. Ich wusste, dass wir drei vermutlich eine Modenschau für Edward, Emmett und Jasper veranstalten würden, und ich konnte es kaum erwarten.

Am Auto angelangt verstauten wir unsere Einkäufe im Kofferraum. Ich wollte gerade einsteigen, als mir ein kleiner Buchladen ins Auge sprang und mir wieder einfiel, dass ich etwas Neues zum Lesen brauchte. „Hättet ihr was dagegen, wenn ich noch mal nach einem Buch schaue? Wer weiß, wann ich das nächste Mal wieder hinausdarf, und ich brauche dringend neues Lesefutter Edward killt mich, wenn ich wieder Sturmhöhe lese."

„Ja dann kommen wir noch schnell mit rein. Es ist ja noch früh“, sagte Rosalie.

Wir betraten den kleinen Laden, der mit Bücherregalen zugestellt war. Es gab nur einen kleinen Tresen mit einer Kasse, hinter der eine kleine, dickere Frau mit langen, zu einem Zopf geflochtenen schwarzen Haaren stand und uns freundlich zulächelte.

Außer uns war keiner in dem wenig beleuchteten Laden, und somit konnte ich in aller Ruhe nach Büchern schauen, die mir gefielen. Ich schlenderte durch die Reihen – Alice und Rosalie immer dicht hinter mir – blieb ab und zu stehen, um mir ein Buch genauer anzusehen, und ging dann wieder weiter. Mir wurde schnell klar, dass viele Bücher hier Klassiker waren. Es gab nur ein Regal, das mit neueren Büchern versehen war. Ich bliebe lange vor diesem Regal stehen, nahm ein Buch nach dem anderen heraus und stellte es dann doch wieder zurück.

Nach einiger Zeit hatte ich drei Bücher gefunden, die sehr interessant erschienen – war mir aber nicht sicher, ob ich sie wirklich kaufen sollte. Alice und Rosalie wurden langsam ungeduldig und gingen selber durch die Reihen von Bücherregalen.

Ich war so in meine Überlegungen vertieft, dass ich nur beiläufig merkte, wie die Tür aufging und jemand herein kam.

Nach einer Weile gefüllt von Pro- und Kontraargumenten, die in meinem Kopf herumwirbelten, beschloss ich, nur zwei der drei Bücher mitzunehmen und stellte das andere zurück. Ich wollte mich umdrehen und zur Kasse gehen, um bezahlen zu können, als ich fast mit jemandem zusammenstieß.

Bevor ich erkennen konnte wer dieser jemand war, stieg mir ein so starker und beinahe unwiderstehlicher Geruch von Blut in die Nase, dass mir sämtliche Regeln, die mir Edward hatte für so einen Fall gegeben hatte, nicht mehr einfielen. Ich versuchte, mich zusammenzureißen und umklammerte die Bücher etwas zu fest. Das entging Alice und Rosalie selbstverständlich nicht und binnen weniger Sekunden, die mir endlos vorkamen, waren sie an meiner Seite, um mich notfalls zurückzuhalten. Ich wusste, sie würden versuchen, mich hier so schnell wie nur irgend möglich herauszubekommen.

„Bella, bist du das?“ Diese Stimme erkannte ich sofort, und ich hätte nie gedacht, dass sein Blut so köstlich duftete. Warum war er hier? Konnte er nicht einfach wieder gehen? Ich hoffte, dass ich ihm nichts tun würde. Wenn Alice und Rosalie mich nicht schnell hier herausschafften, dann würde ich Ben umbringen, da war ich mir sicher. Aber da gab es noch immer die Frage, die er gestellt hatte! Ich musste antworten.

„Ja“, brachte ich verbissen heraus.

„Ben, sei uns nicht böse, aber wir haben es eilig. Man sieht sich.“

Rosalie handelte schnell, und nachdem sie zu Ende gesprochen hatte, nahm sie mir die Bücher aus der Hand und ging zur Kasse. Alice blieb an meiner Seite. Ich schaute endlich auf und sah in das vollkommen entsetzte Gesicht von Ben. Seine Augen waren weit aufgerissen, und ich konnte mir nicht erklären, wieso. Er schien es plötzlich eilig zu haben, von mir wegzukommen. Er hob seine Hand zum Abschied und wirbelte so seinen köstlichen Duft erneut in meine Richtung.

Diesmal war ich nicht zu halten. Ich wollte gerade abspringen, als Alice mich an der Hüfte packte und mich zurückhielt.

„Verdammt, Bella, willst du, dass wir auffliegen? Halt die Luft an, wir sind gleich hier weg“, zischte sie mir ins Ohr. Ihre Muskeln waren so angespannt, dass ich sie unter ihrer weißen Haut zittern sah; von der ausgelassenen Stimmung war nichts mehr übrig.

Ich tat, was sie gesagt hatte, und hörte auf zu atmen. Ich schaute erneut zu Ben, der nichts von alledem mitbekommen zu haben schien. Er hatte den Rücken zu uns gedreht und ging von uns weg.

Alice nutzte die Gelegenheit, um mich aus dem Laden zu bringen. Rosalie musste noch schnell bezahlen. Glücklicherweise schien die Verkäuferin nichts bemerkt zu haben, und folgte Rose uns wenig später nach draußen.

An der frischen Luft konnte ich schon etwas klarer denken. Ich atmete ein paar Mal tief ein und wieder aus. Rosalie verstaute währenddessen die Bücher im Kofferraum und stieg ein.

„Geht es wieder, Bella?“, fragte Alice besorgt. Ich nickte nur, mehr brachte ich im Moment nicht zustande. Das schien ihr als Antwort zu genügen, und sie stieg in den Wagen. Auch ich stieg endlich ein. Sobald meine Tür zu war, fuhr Rosalie los.

Es war leise; Rosalie hatte das Radio ausgemacht und niemand sagte etwas. Ich beobachtete die vielen Lichter, die draußen an uns vorbeischnellten, bis wir die Stadt verlassen hatten und es dunkel wurde.

„Zum Teufel noch mal! Bella, was war da eben los? Um ein Haar hättest du uns alle verraten!“, platzte es aus Rosalie raus.

Ihr Vorwurf half mir nicht, um über das eben Geschehene hinwegzukommen. Im Gegenteil, es machte alles nur noch schlimmer. Ich wusste nicht, was ich ihr antworten sollte. Verzweifelt suchte ich nach einer Antwort, aber es gab keine, nicht einmal einen Ansatz. Also sagte ich nichts. Starrte nur aus dem Fenster und versuchte, eine Antwort zu finden.

„Rose, du solltest ihr wirklich keine Vorwürfe machen. Sie konnte schließlich nichts dafür“, verteidigte mich Alice. „Ich finde, Bella hat in dieser Situation sehr gut reagiert. Es hätte schlimmer kommen können, und das weißt du genau. "

Alice’ Worte hallten in meinem Kopf nach wie ein Echo: schlimmer kommen können, schlimmer kommen können, schlimmer kommen können. Ich sträubte mich gegen die Vorstellung, was hätte passieren können. Mir standen die Haare zu Berge, wenn ich daran dachte, was hätte passieren können und mein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. Trotzdem konnte ich sie nicht zurückhalten. Wie in ein Film, liefen meine Ängste in meinen Gedanken ab. Wie etwas das zeigt, was wäre, wenn es schlimmer gekommen wäre. Ich sah wie ich Ben getroffen hätte und ohne eine Sekunde zu zögern mich auf ihn gestürzt hätte. Wie ich in seinen Hals gebissen und ihm das Blut ausgesaugt hätte. Natürlich hätte ich jeden Tropfen genossen und nichts übrig gelassen. Sein Blut hätte meine Augen rot gefärbt und mich gestärkt. Ich hätte ihn im Laden liegen gelassen und ich hätte auch die Verkäuferin töten müssen. Ich hätte erst die Verkäuferin verschwinden lassen müssen, und dann hätte ich mich um Ben kümmern müssen. Ich hätte noch einmal in sein totes, vor Schreck erstarrtes Gesicht schauen müssen, und spätestens dann wäre mir klar geworden, dass ich eben einen meiner ehemaligen Freunde umgebracht hatte.

„NEIN!“, schrie ich in die Stille des Autos hinein. Sowohl Alice als auch Rose sahen mich überrascht und besorgt an. Ich schaute zurück und zog dann die Beine an, versteckte den Kopf zwischen ihnen und versuchte, mich wieder zu beruhigen. Dieser kleine Film war vielleicht nicht geschehen, aber die Bilder vor meinen Augen dennoch auf grausame Art lebendig.

Alice kletterte zu mir auf die Rückbank und legte ihre Arme um meine Schultern. Sie drückte mich fest an sich, wie eine Mutter ihr Kind, wenn es einen Albtraum hatte. Mit einer ruhigen Stimme versuchte sie mich zu beruhigen: „Bella, Bella. Shh, Bella. Ruhig, ruhig, es ist nichts passiert, es ist alles in Ord-“

„Ja, es ist nichts passiert, aber was wäre passiert, wenn keiner von euch da gewesen wäre?“, unterbrach ich sie schneidend. Ich wollte nicht hören, dass alles in Ordnung war, weil nichts in Ordnung war.

„Aber es ist nicht passiert, Bella. Wir waren da und das wird immer so sein. Beim nächsten Mal..."

„Es wird kein nächstes Mal geben, Alice! Ich werde nicht noch einmal riskieren, dass Menschen wegen mir sterben; dass Freunde wegen mir sterben. "

„Aber Bella, es ist niemand gestorben. Wir wissen beide, dass du niemals riskiert hast-“

Wieder unterbrach ich sie; ich wollte mich nicht beruhigen lassen, schon gar nicht von ihr. „Alice, du hast keinerlei Ahnung, wie es ist, beinahe einen Freund umz-"

Diesmal unterbrach sie mich, und auch ohne ihre Gedanken zu kennen, hätte ich gewusst, dass ich sie verletzt hatte. Ich hatte das angesprochen, was Alice am meisten wehtat. Sie lächelte mich traurig an und wirkte dadurch noch verletzlicher als ohnehin. „Ja, du hast Recht, Bella, ich weiß nicht, wie es ist, einen Freund umzubringen. Wie auch? Ich hatte niemals Freunde... Ich war alleine.“

Sie löste ihre Umarmung und kletterte wieder auf den Beifahrersitz. Rosalie wollte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter legen, aber Alice schüttelte sie ab und starrte aus der Windschutzscheibe. Rosalie beobachtete sie eine Weile, bis sie merkte, dass es sinnlos war.

Sie schaute noch einmal zu mir und formte in Gedanken den Satz, den sie nicht laut aussprechen wollte: Das war nun wirklich nicht nötig. Du weißt genau, wie sehr du ihr damit wehtust. Was sollte denn-’ Sie unterbrach sich, als sie sah, dass es auch mir schlecht ging. ‚Alles in Ordnung mit dir?’

Ich schüttelte zur Antwort den Kopf. Sie überlegte, was sie machen konnte, aber ihr fiel nichts ein. Sie ging wieder ihren Gedanken nach, die sie vor dem Streit gehabt hatte, und ich blendete sie schnell aus.

Wir fuhren endlich wieder nach Forks ein und ich wusste, es waren nur noch wenige Minuten, bis wir wieder Zuhause waren.

Ich versuchte, mich so gut es ging in den Griff zu bekommen. Ich wollte Edward nicht zeigen, wie sehr mich dieser Abend mitgenommen hat. Auch Alice und Rosalie versuchten, die Ereignisse zu vertuschen. Alice setzte wieder ihr strahlendes Lächeln auf und konzentrierte ihre Gedanken einzig auf den Teil des Ausflugs, der besser gelaufen war.

Rosalie setzte ein leichtes lächeln auf und wollte so schnell es ging ihn ihr Zimmer huschen. Sie wusste, sie würde Edward nicht lange genug die Ereignisse verheimlichen können. Trotzdem versuchte sie es und konzentrierte sich, auf die Ausbeute von Klamotten, die sie gefunden hatte.

Wir fuhren in die Garage und blieben noch einen kurzen Moment im Auto sitzen. Schließlich war ich die Erste, die ausstieg. Ich ging zum Kofferraum und holte die Einkaufstüten heraus, die mir gehörten. Ich trat ein paar Schritte zurück, damit Rosalie ihre Tüten herausholen konnte und nach ihr Alice.

Um sicherzugehen, dass keiner Verdacht schöpfte, gingen wir gemeinsam ins Wohnzimmer, wo wir Emmett, Jasper, Edward und Carlisle vorfanden.

Edward spielte Schach gegen Carlisle und Emmett und Jasper stritten um die Fernbedienung. Es schien uns noch keiner bemerkt zu haben, als uns plötzlich Esme entgegenstürmte, jeden von uns den Arm nahm und fragte wie, der Ausflug gewesen war. Wir antworteten alle mit „Anstrengend“, was auch der Fall war.

Jetzt schienen auch die Jungs auf uns aufmerksam zu werden. Jasper und Emmett hörten auf sich zu streiten und kamen uns entgegen. Wir wussten alle, dass uns der schwerste Teil nun bevorstand: Wir mussten die anlügen, die uns am meisten bedeuteten.

Rosalie küsste Emmett kurz zur Begrüßung und verschwand in ihr Zimmer unter dem Vorwand, sie wolle ihre Sachen weghängen. Emmett sagte nichts dazu und folgte ihr auch nicht. Stattdessen setzte er sich auf das Sofa, griff nach der Fernbedienung, wedelte damit in Jaspers Richtung und schaltete den Sportkanal ein.

Alice schien Jasper nicht so einfach loszuwerden. Auch sie gab ihrem Freund einen flüchtigen Kuss und versuchte, sich mit derselben Ausrede wie Rosalie davonzumachen, aber Jasper ließ sie nicht einfach gehen. Er merkte, dass etwas nicht stimmte und wollte wissen, was. Alice behagte es gar nicht, ihn anzulügen, aber sie wollte ihm genauso wenig erzählen, was passiert war. Sie versuchte es mit anderen Ausreden, aber es wirkte alles nichts, Jasper ließ nicht locker. Emmett war wirklich die Rettung in letzter Sekunde, denn er lenkte Jasper für einen kurzen Moment ab, in dem Alice die Chance nutzte und sich davonstahl. Jasper fand es wäre das Beste ihr ihre Ruhe zu geben.

Nun stand ich alleine da. Edward war immer noch in sein Spiel gegen Carlisle vertieft. Also musste ich wohl oder übel zu ihm gehen und ihm Hallo sagen. Ich hatte Angst, etwas zu sagen, weil ich wusste, dass meine Stimme zittern würde. Darum machte ich es kurz und schmerzlos: Ich küsste ihn kurz auf den Hinterkopf, nickte Carlisle zu und ging ohne ein weiteres Wort in mein Zimmer.

Oben angekommen, beschloss ich, zuerst die Ausbeute des Abends im Kleiderschrank unterzubringen. Es war nicht so einfach, wie ich gedacht hatte. Der Kleiderschrank wurde allmählich zu klein. ‚Also muss ich das nächste Mal gleich ’nen Schrank dazukaufen’, dachte ich, ein grimmiges lächeln in meinem Gesicht.

Anschließend ging ich zum großen Fenster und starrte hinaus in die Dunkelheit. Ich dachte darüber nach, was ich Edward erzählen würde und wie ich mich bei Alice entschuldigen könnte. Im Bezug auf Alice fiel mir nichts ein. Ich beschloss, ihr Zeit zu geben, und hoffte, dass mir morgen etwas einfallen würde. Was Edward anging... Nun, ich hatte überlegt, ihm nicht die ganze Wahrheit zu erzählen, aber ich wusste, dass ich es nicht konnte. Somit hatte ich keine Wahl.

Ich ging aus dem Zimmer und wollte nachschauen, ob Rosalie und Alice inzwischen im Wohnzimmer waren. Auf halbem Weg nach unten, lief mir Edward entgegen. Wir wären beinahe ineinander gekracht, aber wir bleiben rechtzeitig stehen. Er nahm mich in seine Arme und flüsterte in mein Ohr: „Hey, wie geht’s dir? Wie war dein Ausflug? Hast du etwas gefunden?“

Ich antwortete nicht sofort. Ich wollte ihm alles sagen, aber nicht hier. „Ich erzähle dir gleich alles, aber nicht hier auf der Treppe.“ Dann ergriff ich seine Hand und zog ihn hinter mir her in unser Zimmer. Dort angekommen, ließ ich seine Hand los und machte mich auf den Weg zum Sofa. Er ließ die Tür hinter sich zufallen, und noch bevor ich am Sofa angekommen war, drehte er mich um, zog mich dicht an sich und küsste mich. Dieser Kuss war intensiver als die üblichen. Ich schloss meine Hände hinter seinem Nacken, um ihn noch näher an mich heranzuziehen, und jetzt wo ich ihm, was Kraft anging, ebenbürtig war, macht ich es ihm wirklich schwer, von mir abzurücken. Irgendwie schaffte er es trotzdem, meine Hände von seinem Nacken zu lösen und wir fielen beide schwer atmend auf das Sofa.

„Hey, schön, dass du wieder da bist“, grüßte er mich erneut.

„Freut mich, dass du noch da bist“, erwiderte ich.

„Also, dann mal her mit den Details von eurem Ausflug. Hat es euch denn wenigstens Spaß gemacht? Ihr saht nicht wirklich so aus, als wäre der Abend perfekt gelaufen. "

Ich brauchte einen Moment um mich zu sammeln. Dann fing ich an zu erzählen: „Ja, es hat Spaß gemacht, zumindest am Anfang. Später wurde es...“ Ich suchte nach dem richtigen Wort. „Problematisch.“ Ja, das passte. Ich schaute ihm ins Gesicht und merkte, dass ich für ihn in Rätseln sprach, also fing ich einfach von vorne an.

„Na ja, es fing schon im Auto an...“ Ich berichtete ihm alles und ließ nicht das kleinste Detail aus. Er war wirklich daran interessiert, wie alles gelaufen war. Als ich bei dem Buchladen angekommen war und ihm von Ben erzählte, nahm er mich fester in seinen Arm. Mir war klar, dass er sich Sorgen darum machte, wie es mir jetzt ging, aber ich machte keine Pause, um ihm zu erklären, wie sehr mich das mitgenommen hatte. Als ich bei Alice angelangte, schaute er mich überrascht und anschließend vorwurfsvoll an. Er konnte nicht glauben, dass ich die Wahrheit sagte. Ich versicherte ihm, dass es die Wahrheit war und endete dann mit dem Bericht des Ausflugs.

„...bin ich ausgestiegen, habe meine Sachen aus dem Auto geholt und auf Rose und Alice gewartet, und dann sind wir gemeinsam ins Wohnzimmer. Den Rest kennst du."

„Wow.“ Er brauchte einen Moment, um sich zu sammeln und das eben Gehörte zu verarbeiten. Ich ließ ihm die Zeit.

„Und das habt ihr alles an nur einem Abend erlebt? Ich kann es nicht glauben! Wie kann nur so viel auf einmal schief gehen?“ Als er so darüber nachdachte fiel ihm etwas anderes ein. „Wie geht es dir jetzt? Ich meine, das muss dich doch ziemlich mitgenommen haben, oder?“ Sorgenvoll schaute er mich an und wartete darauf, eine Antwort von mir zu bekommen.

„Na ja, klar bin ich mitgenommen und es ging mir vorhin nicht gut, aber es hat geholfen, wieder bei dir zu sein. Ich versuche zu vergessen, was da im Buchladen passiert ist, aber das verfolgt mich. Es ist wie ein Schatten, verstehst du? Ein Schatten, der immer hinter mir ist und auf eine Gelegenheit wartet, mich überfallen zu können. Was mir aber mehr sorgen macht ist, Alice. Das war so grausam von mir...“

„Shh, ganz ruhig, Bella. Das wird schon wieder. Du weißt doch, Alice ist nicht nachtragend.“ Er nahm mich fester in seinen Arm und küsste meine Haare, während er mich wie ein Baby im Arm wiegte und mein Schlaflied summte. Und ob ich wollte oder nicht – es wirkte, ich wurde ruhiger.

„Besser?“, fragte er mit einer Stimme wie Honig.

„Ja, etwas.“

„Wollen wir wieder nach unten gehen und schauen, was die anderen machen?“

„Gerne. Hast du Lust auf eine Runde Schach?“ Ich wusste genauso gut wie er, dass ich eindeutig einen Vorteil hatte, da ich wusste, was er dachte. Bedauerlicherweise hieß das aber nicht, dass er nicht gewinnen konnte.

Er sah mich misstrauisch an, bevor er antwortete. „Ok, dann wollen wir mal sehen, wer besser Schach spielt.“ Er lachte leise, und ich lachte mit ihm. Ich machte mich von ihm los, um aufzustehen.

Sobald auch er aufgestanden war, nahm ich seine Hand und wir gingen hinunter ins Wohnzimmer.

***

„Ja, gewonnen!“, jubelte Edward, während ich ihn böse anstarrte Er hatte mich gerade, trotz meiner Fähigkeit, im Schach geschlagen. „Bella, schau mich bitte nicht so an. Ich musste mir doch was einfallen lassen, um dich zu besiegen“, erklärte er.

„Du hast was ganz anderes gedacht, als du getan hast. Das kannst du doch nicht machen!“, beschwerte ich mich.

„Natürlich kann ich das, und ich hab’s getan. Komm schon, Bella ich habe dich fair geschlagen. Sei nicht sauer auf mich, bitte.“ Er entfaltete wieder einmal die ganze Macht seiner Augen, und ich konnte nicht anders, als ihm seinen Sieg zu gönnen. „Na gut, aber nächstes Mal gewinne ich.“

Er grinste mich strahlend an und ich erwiderte dieses Strahlen.

Dann tauchten Alice und Rosalie auf. Alice schien mich ignorieren zu wollen und Rosalie machte wie üblichen einen Bogen um mich. Wieder erinnerte ich mich an mein Problem, das ich vor dem Ausflug hatte, da schien jeder mir aus dem Weg zu gehen. Wenn ich jetzt darüber nachdachte, fiel mir auf, dass es auch jetzt so war.

Wunderbar, als wäre das Problem mit Alice nicht schon groß genug! Nein, es müssen mir auch noch alle aus dem Weg gehen. Ich konnte nicht verhindern, dass ich mich unwillkommen fühlte. Schnell und ohne einen weiteren Blick zu den anderen verließ ich den Raum und ging in die Garage.

Dabei dachte ich ständig: Wie soll ich das nur wieder in den Griff bekommen?



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Kommentare zu dieser Fanfic (10)

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Von:  YuushiOshitari
2008-01-11T14:48:40+00:00 11.01.2008 15:48
danke für die Nachricht, ich hätte es auch nicht bemerkt oo
es ist ,mal wieder ein tolles Kapi und ich hab die ganze Zeit drauf gewartet >O<
x3
Von: abgemeldet
2008-01-09T21:33:06+00:00 09.01.2008 22:33
also erst mal thx für die benachrichtigung sonst hätt ich das total übersehen. endlich ein neues kapi^^ mir ist grad aufgefallen das ich bei den anderen gar nichts geschrieben hatte *rot werd* sry... aba dafür jetzt mal richtig!! ich mag deine schreibweise total gern weil du viele details beschreibst, aba es trotzdem nicht langweilig wird die kapis zu lesen. auch die gedanken und gefühle der einzelnen personen werden gut und vor allem realistisch dargestellt, was mir total gut gefällt. durch bellas gabe des gedankenlesens wird das ja mit den gedanken der anderen richtig schwer, aba du hast das super hinbekommen! bellas "unbeabsichtigter" streit mit alice hat mich seeehr nun ja... ka hatte vor zwei tagen auch so nen streit mit meiner besten freundin und deswegen war das an dieser stelle wie ein leichtes deja-vu aba wie schon gesagt total realistisch geschrieben. aba hab mich wieder mit ihr vertragen und ich hoff das die das auch ganz schnell machen!!! interessieren würde mich ob sich rosalies und bellas verhältniss i-wie, und vor allem wodurch, verändert (hoffentlich zum besseren^^), was ich noch fragen wollte und ich weis nicht ob du das schon gesagt hattest: wie haben die cullens bellas abwesenheit erklärt? ist sie für die dorfbewohner einfach verschwunden, oder gestorben (obwohl sie ja wahrscheinlich in diesem fall nicht in eine so nahe stadt zu einkaufen gefahren wären, was ;P) oda weggezogen??? weil ich mir sonst bens erschrockene reaktion nicht erklären kann, außer vll mit bellas veränderrung und das scheint mir ein bisl wenig zu sein... nja vll kannst du mir da mal bescheid sagen, das wär echt suuuuper lieb von dir. ansonsten freu ich mich total auf dein nächstes kapi und hoff, dass das diesmal gaaaaanz schnell geht *auf die knie fall* büdde büdde büdde und auch wenns was länger dauert warte ich mit spannung auf die folgende handlung ganz liebe grüße kaja
Von: abgemeldet
2008-01-09T20:04:26+00:00 09.01.2008 21:04
Die arme Bella, das wird schwierig. Gut geschrieben! Schnell weitermachen^^

Gruß Ama-chan
Von: abgemeldet
2007-10-17T17:47:32+00:00 17.10.2007 19:47
Ich find das so klasse, dass du so lange Kapitel schreibst... echt toll! Erst mal dafür ein Lob.
Dann... Wie du es schreibst ist auch einfach der Wahnsinn, das ist einfach klasse. Und das Bella immer noch so tollpatschig ist, ist sowieso das beste an der Sache. :D Find' ich echt klasse, wie du das schreibst, ich frag mich schon wies weiter geht, schreib schnell weiter.
Becky
Von: abgemeldet
2007-08-05T21:24:24+00:00 05.08.2007 23:24
interessant!
Wow du schreibst ja immer ewig lange Kapitel! Respekt^^
Bin schon gespannt ob Bella sich beherrschen kann!
Von:  YuushiOshitari
2007-07-30T11:21:10+00:00 30.07.2007 13:21
Diese FF ist echt super^^
Dein Schreibstil gefällt mir sehr gut.
Schreib am besten schnell weiter <3

Lazu
Von:  BLVCKMORAL
2007-07-09T20:46:09+00:00 09.07.2007 22:46
Ich find die FF echt toll
tut mir leid dass ich keinen so langen Kommi machen kann
aber müsste eig. schon lange vom PC weg sein ><
naja nächstes ma geb ich mir mehr Mühe versprochen ;)

Von: abgemeldet
2007-07-09T17:38:36+00:00 09.07.2007 19:38
tolle ff! mach weiter so!!
lg,
hente
Von:  Sternchen
2007-07-09T11:35:45+00:00 09.07.2007 13:35
das Kapitel ist dir auch sehr gut gelungen...
Von:  Sternchen
2007-07-09T11:23:42+00:00 09.07.2007 13:23
Interessantes Kapitel - gut geschrieben!


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