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Himmel und Erde

nur Regen verbindet
von

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Prolog

~*~*~*~

Auch wenn ich kein begnadeter Coldplay-Fan bin, habe ich zu diesem Prolog viel das Lied "Fix You" gehört sowie das wunderschöne X-Theme "Sadame", beides passt meiner Meinung nach ganz gut. Dazu möchte ich bitte noch sagen, dass dies (wie immer bei mir) eine fiktive Geschichte ist mit keinerlei historischen Bezügen oder Bezügen zu realen Personen, sehe aber persönlich meine Figuren als Japaner/innen vor mir (das sage ich jetzt auch nur, weil ich hier ausnahmsweise keinerlei Beschreibungen der Charaktere innerhalb der Story gegeben habe).

Und nu - viel Spaß!

~*~*~*~
 

Ich konnte seine Anwesenheit spüren. Ich war nicht in der Lage, mich umzudrehen, aber ich wusste, dass er da war. Hätte ich versucht, das stetig prasselnde Geräusch des Regens auszublenden, so wäre sein Atem hörbar gewesen.

Mein Herz schien nicht aufhören zu wollen, mir das Blut im Galopp durch die Adern zu pumpen, doch auch wenn ich es kaum aushielt, zwang ich mich dennoch, mich nicht umzudrehen.

Trotzdem sah ich das Bild vor mir, sein Bild, das mir zeigte, wie er da hinter mir stand. Seine Waffe locker in der rechten Hand, die Augenbrauen zusammengezogen, jede Faser seines Körpers angespannt – wenn es auch nicht so aussah -, darauf wartend, dass ich mich endlich umdrehte und ihm mein Gesicht zeigte. Sein Atem musste in der kalten Luft sichtbar sein.

Es schnürte mir die Kehle zu und machte meinen Mund trocken, doch ich ballte die Hände zu Fäusten und drehte mich nicht um.

Der Regen fiel unaufhörlich auf uns nieder, ich weiß nicht, wie lange ich dastand und lauschte, ob er endlich umkehrte, den Weg, den er gekommen war, zurückging. Aber alles was ich hörte, alles, was ich wahrnehmen konnte, war wie die unendlich vielen Wassertropfen unaufhörlich auf die Blätter der Bäume aufkamen und dort in kleine Perlen zersprangen.

Durch die Wolken war der Tag schon recht dunkel für einen Nachmittag, doch ich konnte die Sonne trotzdem hinter den Schwaden sehen, eine breite Sichel im Südwestem, nicht weit über einer Baumkrone.

Was sollte ich nur tun?

Ich konnte mich nicht zu ihm umdrehen, wie hätte ich dann meinen Plan fortführen können? Aber konnte ich ihn und alles was war einfach so hinter mir lassen? Er wartete noch immer…

Die Sonnensichel wurde schmaler, während wir noch immer da standen ohne uns zu rühren. Nur das Wasser, das aus unseren Haaren, der Kleidung und von den Nasen tropfte, machte mir klar, dass diese Szene nicht in der Zeit eingefroren war und wir nicht ewig so stehen bleiben konnten.

Es wurde dunkler, und ich hob den Kopf zum Himmel, schloss die Augen und fühlte mich seit langem das erste Mal wirklich lebendig und frei, wenn auch eine Kette, die mich fesselte, noch nicht gesprengt war. Dass das Licht jedoch mitten am Tag erstarb und es langsam Nacht wurde, trieb eine Erkenntnis tief in mein Bewusstsein:

Die Zeit des Umbruchs war jetzt, und wenn auch alles um mich herum sich änderte, so würde ich doch stets den Wunsch verspüren, meinen Weg zu gehen, der von hier wegführte.

Jetzt, nicht morgen, so sehr es mich auch innerlich zerriss…

Tief in meinen Gedanken versunken war ich für einen Augenblick vollkommen allein im Regen, nichts war da, was ich hätte wahrnehmen können.

Dann aber legten sich warme Arme auf meine kalte, nasse Haut, er hatte sich hinter mich gestellt und mich umarmt.

Ich biss mir auf die Lippe. Er hatte nach der imaginären Kette gegriffen und sie festgehalten. Meine Augen begannen, heiß zu werden.

Sein Atem war leicht zu hören, als er mich an sich drückte. Nicht fest, nein, es war ein sanftes Halten, das es mir noch schwerer machte.

Ich wollte heraus schreien, was er mir damit antat, wollte mich umdrehen und ihn ohrfeigen, damit er endlich begriff, wollte mich losreißen und weglaufen, wollte laut heulen und ihn sehen lassen, wie ich litt, wollte ihm weh tun, damit er mich hasste und ich gehen konnte.

Doch ich blieb stumm. Ich tat nichts.

Die Tränen liefen mir heiß über die Wangen, aber ich konnte mich nicht wehren gegen das, was er tat, was er mir antat.

Als das Tageslicht endgültig erstarb hauchte er meinen Namen. Mitten in der Nacht, die es am Tag geworden war, fehlte mir alle Kraft, auch nur einen Finger zu rühren. Ich wollte fallen, denn ich wusste, dass er mich auffangen würde. Er drehte mich sanft um, zog mich an sich, sah mir kurz in die Augen und küsste mich innig.

Weinend schloss ich die Augen, dennoch ließ ich es geschehen.

Wie auch sollte ich auch etwas entkommen, nach dem ich tief in meinem Inneren verlangte?

Aber ich spürte seinen starken Körper an meinem zitternden, seine warmen Hände auf meiner kalten Haut und wusste, dass wir einander nicht vergessen könnten, aber auch nicht miteinander leben durften.

Ich erwiderte seinen Kuss, der Regen und die tiefe Nacht als einzige Zeugen der Liebe, die ich aufgeben musste.

Langsam, ohne dass ich verlangte, löste ich mich von ihm und legte ihm den Zeigefinger auf die Lippen.

„Du musst mich ziehen lassen“, flüsterte ich flehend und wagte es nicht, ihn dabei anzusehen, aus Angst, er könne in meine Seele blicken und die Sehnsucht darin entdecken, die ich auch vor mir zu verbergen versuchte. „Lass mich ziehen. Halte mich nicht länger – zeige mir, dass du mich liebst, so sehr, wie ich dich liebe.“ Die letzten Worte hauchte ich ihm ins Ohr, dann stieß ich ihn sanft weg und ging den Pfad, auf dem ich endlose Augenblicke gestanden hatte weiter. Die Kette war gerissen, doch wir hielten beide einen Teil von ihr in den Händen.

Als der Tag wieder erwachte und das Licht zunahm verschwand ich zwischen den Bäumen, er aber sah mir nach und stand weiter auf der Lichtung im Regen, der langsam, ganz langsam weniger wurde.

Er griff nach seiner Waffe, die er hatte fallen lassen, drehte sich um und ging zurück.

Mit einer unbeschreiblichen Sehnsucht im Herzen fasste er einen Entschluss, von dem ich erst Jahre später erfahren sollte.

Horizont

Kapitel 1 ist da!!!

Freude, Freude! Allerdings stört sich ja niemand dran, weil es auch niemand liest...

Der Titel "Horizont". Ich habe mir überlegt, jedes Kapitel mit einem Titel zu versehen, der nur passt, wenn man um Ecken denkt. Horizont diesmal, weil Horizont eine Grenze für Himmel und Erde darstellt und trotzdem beides verbindet. In diesem Fall ist Horizont ein Symbol für einen Traum...
 

*~*~*~*~*
 

Der silberne Vollmond wurde von schweren, dunklen Sturmwolken überzogen, doch weder regnete es noch war der Wind im Moment übermäßig stark zu spüren.

Die Kirschblüten verloren ihren Halt und segelten lautlos zu Boden. Ich hatte mich an den alten, großen Baum gelehnt und fühlte die federweiche Berührung der Blütenblätter auf meiner Haut.

Die schwarze, mit Schneeweiß bestickte Priesterrobe, die meinen Körper verhüllte, lastete schwer auf mir – nicht auf meinem Körper, sondern eher als Symbol auf meiner Seele – und ich strich mit meinen Fingerkuppen darüber um ertasten zu können, dass jenes Symbol nicht meiner Fantasie entsprang.

Der helle Kies, der um den Baum ausgelegt war, knirschte unter den Füßen des jungen Mannes, der auf mich zukam. Er verschränkte die Arme vor dem Bauch und legte die Hände in den jeweils anderen Ärmel.

„Wieder vollkommen in Gedanken versunken?“, fragte mich der Priester.

Aufblickend lächelte ich leicht.

„Ein wenig“, erwiderte ich und stand langsam auf, wobei mir Kirschblüten vom Stoff und aus den Haaren fielen.

Er kam mir näher.

„Störte es dich, wenn ich dich ein paar Schritte begleitete?“

„Natürlich nicht.“

Seite an Seite gingen wir durch den Garten, ich konnte das Wasser unweit entfernt durch die Bambusröhren auf einen darunter liegenden Stein und in den Teich fließen hören.

„Sollen Sie mir etwas Bestimmtes sagen?“

Er lächelte und drehte die lange Perlenkette, die er um seinen Hals trug, mit seinen Fingern hin und her.

„Nun, ich möchte nur ein kleines Gespräch führen, doch der Kern ist ein bestimmter, ja. Hast du von den Unruhen im Westen gehört?“

Das hatte ich, sicher, doch hatten die Reisenden, die von dort kamen niemals genaue Informationen. Unser Orden war von der Außenwelt abgeschottet und wir durften keine Neuigkeiten erfahren, die von den Priestern nicht als nötig mitzuteilen empfunden und von ihnen kundgetan wurden. Ich jedoch bestach schon seit geraumer Zeit – bereits wenige Monate nachdem ich angekommen war hatte ich damit begonnen – Reisende, um zu wissen, was im Land geschah.

„Nur das allgemeine Getuschel unter den Novizen. Noch bin ich keine Priesterin, Meister.“

„Und doch trägst du ihre Robe“, bemerkte er lachend. „Nur noch ein wenig Geduld, und du erhältst sowohl die Perlenkette als auch den Metallhandschuh, keine Sorge. Aber ich sehe nicht nur Wahrheit in deinen Augen. Was verschweigst du mir? Wie hast du von den Unruhen erfahren?“

Der Wind bäumte sich auf und strich durch die Bäume. Das leise Rauschen beruhigte mich und befreite meinen Geist. Mit einem frischen Atemzug fühlte ich mutig genug, die Wahrheit zu sagen.

„Ich besteche, Herr. Vergeben Sie mir mein Unrecht.“

Die Hand hebend wehrte er ab.

„Wie kann ich verurteilen, was ich selbst früher getan habe? Nur ein wissbegieriger Geist kann lernen“, sagte er grinsend und bot mir einen Platz auf einer Bank an, die im Garten stand. Ich setzte mich und strich den Stoff und die Stickereien der Robe glatt.

„Meister, was besorgt Sie an den Unruhen? Ich hörte von Aufständen, die entstanden, nachdem scheinbar wahllos Menschen tot auf offener Straße gefunden wurden. Lautlos und schnell getötet, manchmal sogar ohne das Blut floss.“

Der junge Priester nickte.

„Du scheint bereits alles zu wissen, was ich dir mitteilen sollte. Ich sollte dich bitten, keinem Novizen auch nur ein Wort anzuvertrauen und zu überprüfen, dass es auch niemand außer dir erfahren kann. Ich denke, du bist bisher die einzige, die davon weiß?“

„Saki, soweit ich weiß, ebenfalls, doch wenn es Ihr Wunsch ist, werde ich sie bitten, es für sich zu behalten. Gibt es einen Grund, warum nur ich diese Information erhalte?“

„Ich gehe davon aus, doch habe ich ihn wohl nicht erfahren sollen. Mit Saki kann ich auch reden, kümmere dich nicht darum.“

Der Wind wurde noch stärker, es würde wohl bald anfangen zu regnen. Auch wenn ich Regen liebte, so bedauerte ich doch, dass er die Kirschblüten zum Teil zerstören würde. Die Sakurablüten waren in diesem Jahr wirklich atemberaubend schön.

„Ich verstehe“, sagte ich leise und blickte zu den dunklen Wolken am Himmel. „Ich werde es wohl früh genug erfahren.“

Ich spürte, wie der junge Priester mich aus den Augenwinkeln beobachtete.

„Du bist sehr viel geduldiger geworden. Reifer. Als du hier ankamst, warst du mehr wie der Wind, der frisch um die Ecken pfiff.“

Ich seufzte.

„Ja, ich muss viele sehr gereizt haben. Ich habe mir Mühe gegeben, es zu ändern.“

Sein Blick ruhte noch immer auf mir, jetzt aber sah er mich direkt an.

„Das ist mir aufgefallen. Es ist schade, warst du doch früher immer so ein belebender Charakter, Mitsuko.“

Ich zuckte zusammen. Meinen Namen benutzte er nur sehr selten. In unserem Orden legten wir unsere alte Identität ab und nahmen eine neue, vollkommen neutrale an, weshalb wir und so gut wie nie mit unseren Namen ansprachen.

Ich spürte, wie kühl es geworden war und schauderte.

Er lächelte, doch vollends konnte ich ihm dieses Lächeln nicht abnehmen.

„Geh nur. Der Frühling ist dieses Jahr sehr spät, erkälte dich nicht.“
 

Eine Woche später, die Kirschen waren verblüht, erhielt ich meine Priesterweihe. Nachdem man den Segen der Geister verlangt hatte und Reiswein mit klarem Eiswasser und ein paar Gewürzen, die Körper und Seele reinigen sollten, vermengt hatte, reichte man mir den Becher, aus dem ich drei Mal drei Schlucke trinken und mit dem letzten den Becher leeren sollte.

Ich kniete unter dem Kirschbaum, und drückte die Stirn auf den Kies, als man mir befahl, mich aufzusetzen.

Noch immer hielt ich die Augen zum Boden gesenkt, da streifte man mir eine Perlenkette aus reinem Weiß über und hielt mir eine Art Armreif entgegen, aus leichtem, silbernem Metall, das ungewöhnlich hart war. Der Reif reichte fast vom Ellenbogen bis zum Handgelenk und schien ein Gebilde aus verhärteten Ranken zu sein. Man legte ihn mir an den linken Arm an, und der Edelstein, der in der Mitte eingelassen war, begann das Licht einzufangen. Als letztes hielt man mir eine Haarspange mit Blumenschmuck, gänzlich aus Holz geschnitzt und mit Farbe angemalt, hin, die Blumen waren eine Wasserlilie und eine Pflaumenblüte. Zeichen für Reinheit und Hingebung. Ich nahm die Spange entgegen.

„Steh auf, Priesterin.“

Diese dunkle Stimme kam von dem Mann, der mich weihte. Einer der höchsten unseres Hauses, er legte mir die Hand auf den Kopf, während ich mich erhob.

„Die Macht, die du inne trägst, gilt nun dem Guten, das sich in der Welt verkörpert. Sei durch die Lilie daran erinnert. Deine absolute Loyalität gilt uns, denke daran, wenn du die Blüte der Pflaume siehst.“

Absolute Loyalität dem Orden. Ja, die meine galt dem Orden. Ansonsten wäre ich so gut wie tot. Verrat verdiente zuerst Folter, dann Tod.

Wie man es mir beigebracht hatte, hob ich den linken Arm, und der Priester legte seine rechte Handfläche auf die meine, er war der einzige, der den Armreif rechts trug, was ihm erlaubte, zu weihen.

Als sich unsere Haust berührte spürte ich eine Wärme, wie von einer Sommerbrise entfacht, durch meinen Körper strömen.

Ich war Priesterin.

Macht und Loyalität.

Ich war wieder freier, dennoch band man mich enger an sich. So verwirrend meine Situation auch war, im Moment spürte ich nur tiefste Zufriedenheit.

„Ruhe nun“, sprach die dunkle Stimme weiter, „doch halte Geist und Körper rein.“

Ich fiel auf die Knie und drückte meine Stirn ein weiteres Mal in den Kies, erhob mich dann und ging gebückt, rückwärts, davon, bis ich mich zehn oder fünfzehn Schritt entfernt hatte und aufrecht meines Weges schritt.

Priesterin, dachte ich und gähnte hinter vorgehaltener Hand, welche das Metall zum Teil umschloss.
 

Mit einem leisen Zischen verschwand das Schwert wieder in der Scheide an seiner Seite. Sein kurzes Haar hing im schweißnass im Gesicht, er schleuderte es mit einem Ruck seines Kopfes nach hinten.

Noch immer hatte er sich nicht daran gewähnt, seine Haare in dieser Länge zu tragen, lang genug, um ihm in die Augen zu fallen, zu kurz, um es nach hinten zu binden…

Die Sonne ging langsam unter, also entschied er sich, das Training für heute zu beenden und zu den anderen Männern ins Haus zu gehen.

Auf halbem Weg kam ihm jemand entgegen, eine hoch gewachsene, muskulöse in Kleidung eines leicht gerüsteten Kriegers. Der Mann war nur wenig älter als er, er erkannte ihn bereits an seiner geschmeidigen Art zu gehen.

„Ich sehe, dass du endlich fertig bist, Takeshi“, sagte er laut, als er näher kam.

Takeshi grinste.

„Lass mich raten, du wolltest mich gerade vom Feld zerren kommen“, lachte er. Osamu war einer seiner besten Freunde, seitdem er die Prüfung vor wenigen Monaten bestanden hatte.

Osamu lächelte zurück.

„So ungefähr.“

Sie gingen zusammen vom Feld, einem festgetretenen Platz, auf dem nur hier und da ein wenig Unkraut gedieh. Es lag wenige hundert Meter abseits des Anwesens, in dem Takeshi untergekommen war.

„Ich will dir nicht zu nahe treten, aber du riechst wie – nun, ich sag’s besser nicht“, meinte Osamu und musterte ihn prüfend.

„Ich habe von Mittag bis Abend trainiert, ich schätze, es ist normal, dass ich schwitze“, erwiderte Takeshi und entschied sich dafür, gleich noch ein Bad in den warmen Quellen zu nehmen. Das würde auch seine strapazierten Muskeln entspannen, was, wie er langsam in den Armen spürte, doch nötiger war, als er dachte.

Grinsend versuchte Osamu seinem Freund mit dem Ellenbogen leicht in die Seite zu stoßen, Takeshi sah es aber rechtzeitig und wich aus.

„Deine Reaktionsfähigkeit nimmt auch nach so einem Training nur noch wenig ab“, stellte Osamu fest und nickte, „Du hast dich um einiges verbessert.“

„Noch immer nicht so gut wie du“, seufzte Takeshi.

Im Haus angekommen zogen sie die Schuhe aus und gingen auf dem blank polierten Boden auf Socken wieder. Takeshi trennte sich von seinem Freund und ging zu einem der Dienstmädchen.

„Könntest du mir Handtücher bringen? Ich will mich vor dem Essen noch baden. Und dann leg mir saubere Kleidung raus.“

Das Mädchen, ihr Name war Hiroko, verbeugte sich, blickte weiter zu Boden und ging rückwärts zurück. Sie sprach nicht, war aber dennoch nicht stumm. Einer der jugendlichen Männer, dessen Bedürfnisse mit ihm durchgegangen waren, hatte sich einmal an ihr vergreifen wollen, der wohl einzige Tag, an dem sie je geschrieen hatte. Danach sprach sie mehr, aber nur zu Meister Fujishima.

Takeshi schritt einen Gang hinunter, öffnete eine Tür nach draußen und schob sich langsam die mit verschwitzte Kleidung vom Leib, die eingenähten Gewichte klirrten leise. Er konnte mittlerweile eine Vielzahl an Narben erfühlen, aber auch wie stark seine Muskeln sich inzwischen aufgebaut hatten.

Als er in das Wasser stieg, musste er unweigerlich grinsen.

Er war ursprünglich gekommen, um stärker zu werden, doch es war ein Nebeneffekt, der ihm mehr und mehr gefiel.

Hiroko kam und legte die Handtücher auf einen der großen Steine, die das Wasserbecken zum Haus hin begrenzten. Sie errötete stark, auch wenn sie den Blick auf den Boden und nicht auf Takeshi heftete. Schnell griff sie nach seiner verschmutzten Kleidung, die sie wohl waschen würde.

Ihm gefiel, dass sie ein gewisses Interesse an ihm zeigte, aber sie konnte nicht erwarten, dass er Gefühle für sie hegte. Trotzdem kreisten seine Gedanken schon lange um die Möglichkeit, eine Affäre mit ihr anzufangen…

Das warme Wasser entspannte seine bleiernen Glieder. Seufzend ging er auf den kleinen Wasserfall in der Mitte des hinteren Rands zu, das Wasser kam hier so hart zwischen den Steinen hervor, dass es einen massierenden Effekt hatte, den Takeshi jetzt nur zu gut gebrauchen konnte.

Doch er hatte nicht viel Zeit, um zu entspannen, es wurde bereits immer dunkler. Takeshi schrubbte seine Haut ab und griff schließlich nach den Handtüchern, die er sich um den Körper schlang und ihn trockneten.

Die Kleidung, die Hiroko ihm bereitgelegt hatte, lag in dem engen Vorraum zwischen Quelle und Haus. Es war ein schlichter, dunkelgrüner Kimono, offensichtlich gab es einen hohen Gast im Haus, der heute angekommen war.

Takeshi kleidete sich an, schlüpfte in die Holzschuhe und trat in das Haus, ging über die Flure und in Richtung Japanisches Zimmer.

Er zog die Schiebetür zur Seite und trat ein.

„Takeshi, da bist du endlich“, sagte ein älterer Mann laut, als er ihn erblickte. Seine dunklen Augen lächelten, sein Gesicht, das inzwischen mit feinen Falten überzogen war, blieb allerdings stumm.

Takeshi nickte und verbeugte sich angemessen.

„Es tut mir sehr leid, Meister Fujishima, das Training dauerte länger als geplant und ich wollte nicht so, wie ich aussah, vor Sie treten.“

„Natürlich“, sagte Fujishima und winkte mit der Hand ab, „Setz dich.“

Er lehnte sich zu einem Unbekannten zu seiner rechten.

„Sugiyama Takeshi, einer unserer fleißigsten Schüler und auch einer der Begabtesten. Er hat seine Prüfung vor ein paar Monaten abgelegt und trainiert jetzt jeden Tag, um uns bald auch außerhalb dieser Mauern zu Diensten zu sein.“

Der Fremde nickte anerkennend. Sein langes Haar war zurückgebunden, an seinem rechten Arm befand sich eine Art Armreif.

Als Takeshi das Metall des Armreifs erblickte, setzte sein Herz für einen Moment aus.

„Darf ich Ihnen mehr Sake einschenken, Meister Kusakabe?“

Der Fremde drehte sich zu Osamu um, welcher mit seltsamem Ausdruck im Gesicht, nicht deutbar für Takeshi, den Krug vom Tisch hob und ihn dem Besuch hinhielt.

„Ich danke“, sagte Kusakabe und hielt seine Schale dem Krug entgegen.

Takeshi konnte dabei die Augen nicht von dem Armreif nehmen.

„Darf ich nach Ihrem vollen Namen fragen, Meister Kusakabe?“

Die Schale wieder zu sich zurückziehend bohrte Kusakabe seine Augen tief in die Takeshis. Es war unheimlich.

„Kusakabe Ryota.“

Takeshi nickte.

„Sie sind einer der Altmagier, richtig? Es heißt, Sie führen die Aufträge Ihres Clans ohne stetige Beichterstattung aus. Böse Zungen behaupten, Sie wollen sich langsam aber bestimmt von den Magiern lösen.“

Ryota nippte an seinem Sake, ließ Takeshi aber nicht aus den Augen. Der hielt dem Blickt mutig, aber leicht errötend stand.

„Böse Zungen legen den Menschen selten wahre Worte ins Ohr. Heißt es ebenfalls. Ganz abgesehen davon, dass du zweifellos weißt, Sugiyama, was im Clan der Magier vor sich geht, interessiert es mich, warum du all diese Dinge weißt“, sagte der fremde Magier und stellte seinen Reiswein auf den Tisch, fixierte Takeshi aber auch weiterhin ohne Unterlass.

„Nun, die Magier und Unsereins waren seit jeher befreundet. Ich tausche mich aus.“

„Verstehe.“

Es blitzte kurz auf in Ryotas Miene, doch es war so schnell vorbei, dass Takeshi sich sicher war, er habe es sich nur eingebildet.

Osamu saß unruhiger als sonst am Tisch, doch Meister Fujishima rutschte in Ryotas Gegenwart auf seinem Platz, kaum zu bemerken für Außenstehende, für Takeshi aber leicht zu sehen. Als Fujishima spürte, dass Takeshi ihn beobachtete, hielt er inne, griff kurz unter den Tisch und saß danach ebeno ruhig wie Osamu.

Das Gebärden der meisten anderen am Tisch, andere Kämpfer wie Takeshi, war normal, dass einige wenige aber beunruhigt schienen, machte auch Takeshi nervös.

„Meister Fujishima?“

Hiroko stand im Zimmer, kniete sich hin, drückte die Stirn auf den Boden und erhob sich wieder mit gesenktem Blick.

„Das Essen kann serviert werden.“

Fujishima nickte und winkte die anderen Mädchen, die im Gang standen, herein.

„Nur zu, meine Lieben.“

Hiroko verneigte sich noch einmal und machte dann den anderen Dienstmädchen, die bereits die Speisen für den Abend trugen, Platz.

Wegen des hohen Besuchs gab es eine große Auswahl an Gerichten, alle mit teuren Zutaten gekocht. Während ein Mädchen nach dem anderen an den meist jungen Männern vorbeiging, sah einer um den andern den Dienstmädchen lüstern nach, manch eine musste einen Griff an den Po vertragen.

Takeshis Gedanken hingen in diesem Moment woanders fest.

Das Essen war immer schnell beendet. Die Tischgespräche, sonst immer laut, waren am heutigen Tag nur spärlich zu vernehmen. Das ganze Haus bemerkte, dass dieser Besuch anders war als die sonstigen.

Nachdem die Dienstmädchen begannen, wieder abzuräumen, stand Fujishima auf.

„Ich habe noch einiges mit unserem Gast zu besprechen“, sagte er und blickte in die Runde, „deshalb bitte ich euch nun, auf eure Zimmer zu gehen. Der Tag morgen fängt früh an und ihr könnt Entspannung gut gebrauchen, das versichere ich euch.“

Die Männer lachten. Noch. Eine solche Ansage hieß immer, dass Fujishima sich eine neue Aufgabe oder ein härteres Training überlegt hatte, eine Herausforderung, die am Abend noch jeder gerne einging und die dafür sorgte, dass sich am Abend des nächsten Tages vor Schmerzen jeder den Tod wünschte. Aber es würde auch viel Spaß machen.

Takeshi trat zusammen mit Osamu als letzter aus dem Raum, wünschte Fujishima eine gute Nacht und schob die Tür hinter sich zu.

„Kennst du Kusakabe, Ryota?“, fragte er Osamu leise flüsternd

„Flüchtig“, erwiderte dieser und zuckte mit den Schultern, „er ist mir unsympathisch, wie den meisten anderen auch. Hast du bemerkt, dass er einen Arm immer unter dem Tisch hatte? Sein linker Arm ist lahm.“

„So?“, wunderte sich Takeshi. Magier konnten nur mit dem linken Arm Zauber wirken, der rechte war, soweit er wusste, dafür ungeeignet und deshalb für zeremonielle Riten bestimmt, da er weder Gutes noch Böses tun konnte und somit rein war.

Die beiden gingen durch die Gänge in den Flügel der Schlafräume, der polierte Holboden begann hier leise zu ächzen.

„Ich frage mich, warum er wohl hier ist. Meister Fujishima schien sich in seiner Gesellschaft ebenso unwohl zu fühlen wie du, Osamu.“

„Ja, ich weiß. Kusakabe ist ein sehr eigener Charakter, wenn du verstehst, was ich meine. Er kam unangemeldet und ist meist kein Bote guter Nachrichten.“

An Osamus Zimmer angekommen, verabschiedeten sie sich voneinander und Takeshi ging in seinen Gedanken versunken auf seine Tür zu.

Dieser musternde Blick, mit dem Kusakabe ihn angesehen hatte, war ihm unangenehm gewesen, doch irgendetwas schien an ihm richtig zu sein. Wie auch immer, die Nacht würde er jetzt zum Schlafen brauchen.

Polartraum

*~*~*~*~*

Eigentlich war der Titel des Kapitels Polarstern, weil dieses Kapitel sich nur um Mitsuko dreht und ich ihr eigentlich ihren Weg aufzeigen wollte. Dass sie sich am Schluß selbst entscheidet, war so eigentlich nicht geplant (aber meine Charaktere verselbständigen sich ja auch igendwie immer), hat aber für eine Änderung gesorgt.

*~*~*~*~*
 

Der Frühling neigte sich dem Ende zu und es war Sommer, als ich meine Fastenzeit fast beendet hatte. Das Studium, das ich nach der Priesterweihe absolvieren musste, hatte ich bereits hinter mir. Es war eine anstrengende Zeit gewesen, und ich freute mich bereits auf den Tag, an dem ich auch das Fasten, das nunmehr über zwei Monate angehalten hatte und das ich nicht gewohnt war, ebenfalls endete.

Müde stand ich am Ufer des Sees nahe unserem Anwesen. Die Bäume rauschten im sachten Wind, der mir kühl durchs Gesicht strich und mit meinem Haar spielte. Ich hatte es ausnahmsweise nicht hochgebunden, ohne den straffen Zug an der Kopfhaut war es deutlich angenehmer.

Die schwarze Winterrobe hatte ich inzwischen mit der hellblauen des Frühlings und der roten des Sommers getauscht, leichtere Gewänder, die wunderschön von weitem aussahen, wenn sie, wie jetzt, in der kühlen Brise flatterten.

„Herrin?“

Ich drehte mich um. Dort stand Miyuki, eine junge Novizin in ihrem schlicht gehaltenen Kimono.

„Ja?“

Sie kam näher, mit gesenktem Blick, trotzdem schien sie alles in ihrer Umgebung zu mustern.

„Meister Nakazato verlangt nach Ihnen. Er will Sie so schnell wie möglich treffen.“

Errötend vor Nervosität nickte ich.

„Ja, natürlich… Sag ihm, ich werde in Kürze zu ihm kommen.“

Mir stieg das Blut weiter ins Gesicht. Meister Nakazato? Hatte ich etwas falsch gemacht, wenn es doch so dringend schien? Miyuki verneigte sich vor mir und ging dann in schnellen, kleinen Schritten zwischen den Bäumen hindurch, über den Kiesweg unter dem Torbogen hindurch in Richtung Anwesen.

Mit der linken Hand fing ich mein Haar so gut wie möglich ein, mit der rechten zog ich einen Kamm, Haarspangen und Haarschmuck aus dem Gürtel.

So schnell ich konnte ging ich Miyuki hinterher, durch das Tor hinein zum Anwesen. Ein paar Novizinnen, die mir unbekannt waren, winkte ich zu mir herüber.

„Herrin?“

Sie hielten den Blick nur mäßig gesenkt, ich konnte ihren Gesichtern ansehen, dass sie mein offenes Haar verwirrte.

„Würdet ihr mir bitte das Haar zurück binden? Ich muss eilig zu Meister Nakazato. Hier sind Kamm, Spangen und Schmuck. Ich bitte euch nur ungern, aber alleine kann ich es nicht“, sagte ich und drückte den beiden alles in die Hand.

„Gerne, Herrin“, meinte die kleinere, aber wohl ältere der beiden und begann augenblicklich, mir mein Haar zu kämmen.

Ich hatte Glück. Bei den beiden saß jeder Handgriff, schnell sah ich angemessen aus, um vor Meister Nakazato zu treten.

„Ich werde euch gut in Erinnerung behalten.“

Die beiden lächelten mich offen an. Da ich noch nicht lange Priesterin war, hatte ich noch nicht vergessen, wie gut es einem Novizen tat, von Priestern ein Lob zu bekommen oder von ihnen unterstützt zu werden. Mir tat damals das Wohlwollen Akiras, des Priesters, der mir unter den Kirschblüten Gesellschaft leistete, ebenso gut.

Meine Robe wehte hinter mir her, als ich eilig auf das Haupthaus in der Mitte des Anwesens zuging, die Tür aufschob, meine Holzschuhe auszog und auf Socken in den Raum der Meister, wie wir ihn nannten, ging.

Meister Nakazato, ein noch recht junger Meister, wenn man ihn mit den anderen verglich, saß am Tisch und schenkte Tee ein.

Ich kniete mich nieder, verbeugte mich und drückte die Stirn auf den Boden. Dort harrte ich kurz aus.

„Komm näher, Katana Mitsuko.“

Mit einer leichten Bewegung schlug ich die langen Ärmel meines Gewandes zurück und erhob mich, darauf bedacht, dass das Metall an meinem linken Arm noch leicht sichtbar war.

„Ihr habt nach mir gerufen, Meister?“, fragte ich und stand vor dem Tisch, an dem er kniete.

„Setz dich.“

Einen kurzen Moment fanden seine Augen die meinen. Seine Iris war in einem strahlenden Ton zwischen blau und grün gehalten, Augen, die mir Respekt einflößten. Sofort senkte ich den Blick, angemessen, wie es sich gehörte.

Ich tat wie mir geheißen und setzte mich ihm gegenüber, er bot mir Tee an. Dankend nahm ich an.

Mit leisem Schlürfen nahm er einen Schluck und stellte seinen Becher dann hin.

„Ich hörte, du hast deine Fastenzeit verlängert“, sagte er und behielt mich genau im Auge.

Ich zögerte. War das in seinen Augen eine schlechte Tat, weshalb er mich zu sich rief?

Errötend begann ich, mich auf jede meiner Bewegungen zu konzentrieren und versuchte, so starr wie möglich zu sitzen, dabei aber entspannt auszusehen.

„Ja, Meister.“

„Warum?“

Ich stellte meinen Becher ebenfalls ab, der Ton knirschte leise. Ein Geräusch, das ich ganz und gar nicht mochte.

„Als das Fasten begann, dachte ich, ich könne es gut durchhalten. Als es endete, merkte ich, wie erschöpft ich war. Mein Geist soll nicht von dem abhängig sein, was mein Körper verlangt, mein Körper soll meinem Geist folgen – in jeder Situation“, erklärte ich und wagte es, Meister Nakazato direkt anzusehen, doch noch immer nur sehr kurz. Ich nahm einen zu geringen Rang gegenüber ihm ein, auch wenn er, wie es immer hieß, gerne in die Augen seines Gegenübers sah. Ich musterte ihn also immer nur in kurzen Zügen.

Die jungen Falten auf seiner Stirn begannen allmählich zu altern. Das lange, zu einem Zopf gebundene Haar war an den Spitzen noch Schwarz wie die tiefste Nacht, am Ansatz oben und an den Schläfen aber begann es, sich weiß zu verfärben. Ich wusste ungefähr um sein Alter, und das Grau machte ihn nicht zu einem Greis, sondern sein Äußeres nur interessanter. Seine schmalen Augen, die eine so irritierende Farbe hatten – waren doch sonst alle, die ich kannte, mit dunklen Augen gezeichnet – sahen mich durchdringend an.

Dann nickte er.

„Ich verstehe. Bewundernswert, dass du an solche Dinge denkst. Ich kenne nicht viele Priester, die wegen der Abhängigkeit des Geistes die Fastenzeit verlängern würden.

Warum ich dich zu mir gerufen habe, ist aber ein anderes Anliegen“, meinte er und winkte einem Dienstmädchen. „Bring und Reis, danach geh.“

Das Mädchen, das an der Tür saß, verbeugte sich, stand auf und verließ vorerst den Raum.

„Wir wünschen, dass du dein Fasten abbrichst. Du hast dein Studium abgeschlossen, das heißt, du bist endlich eine vollwertige Priesterin. Erinnerst du dich, was Akira dir von uns ausrichtete, bevor du geweiht wurdest?“

Ich musste nur sehr kurz nachdenken.

„Ja, Meister. Er erzählte mir von Aufständen, entstanden durch die Funde von Leichen auf offener Straße.“

Nakazato nickte. Er wirkte plötzlich müde, die vorher dünnen Falten in seinem Gesicht schienen sich tiefer eingegraben zu haben.

„Ja. Die Aufstände greifen hart um sich. Zwischen den Bürgern, aber auch dem Magierclan und Fujishimas Männern. Niemand weiß, was tatsächlich los ist, und viele greifen zu Waffen, weil sie verwirrt sind und hoffen, mit Gewalt Antworten zu bekommen. Ich möchte dich, Akira und Natsumi bitten, in eine der betroffenen Städte zu reisen. Ich sollt nur in Erfahrung bringen, wie es dort aussieht, wer die Toten sind und wie sie wahrscheinlich getötet wurden, danach habt ihr heimzukehren.“

Das Dienstmädchen zog die Tür zur Seite, brachte zwei Schüsseln Reis, ein wenig Fisch und Reiswein, danach ging sie wieder. Beim Anblick des Reises spürte ich extremen Hunger, war mich aber nicht sicher, ob ich ihn gut vertragen könnte, schließlich war mein Magen zu vielen Nährstoffen gegenüber empfindlich geworden.

Ich betete kurz, wartete, bis Nakazato seine Stäbchen nahm und griff dann nach den meinen. Um den Reis in kleinen Bissen zu essen.

„Welche Stadt ist es, Meister?“

Nakazato trank einen Schluck Tee.

„Es handelt sich um eine sehr kleine Stadt, kaum größer als ein Dorf, sie haben uns viele Tote nicht nur in der Stadt, sondern auch im Umfeld gemeldet. Offenbar sind noch immer hier und da Leichen, in den Wäldern oder in den Reisfeldern. Natsumi wir da sicher helfen können. Der Name der Stadt ist Soyokaze, ich denke nicht, dass du davon gehört hast.“

Ich stellte die Reisschale ab.

„Doch, Meister. Meine Großmutter stammte aus diesem Dorf.“

Er blickte mir prüfend in die Augen.

„Kennt dich dort noch jemand?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Nein, davon gehe ich nicht aus.“

Er nickte. Eine kleine Strähne fiel aus seinem Haarknoten, er nahm sie und warf sie über seinen Kopf zurück.

„Gut, dann steht euerer Abreise nichts mehr im Weg. Die Reise ist lang und ihr braucht Pferde, ich wünsche, dass du ein Tier aus den Jungställen auswählst. Es wird dir gehören. Akira und Natsumi wissen bereits Bescheid, ihr werdet morgen in der Dämmerung aufbrechen, du solltest dich zeitig schlafen legen.

Es ist dir erlaubt, zu gehen.“

Ich erhob mich, verbeugte mich tief und ging aus der Halle.
 

Der Wind fuhr mir wieder einmal durchs Haar und fegte meinen Kopf kurz leer von all den Gedanken, die sich immer wieder in den Vordergrund drängen wollten und mich nicht zur Ruhe kommen ließen, meinen Kopf sprengen zu wollen schienen.

Erneut hatte ich meine Oase der Ruhe aufgesucht, der Kirschbaum in der Nähe des Teiches. Ich konnte das Wasser leise plätschern hören, mit dem steten, penetranten Unterton zirpender Grillen. Tief atmete ich die warme Luft ein.

Diese Reise, die mir bevorstand, stellte meine Feuerprobe als Magierin dar, dessen war ich mir bewusst. Ich war unglaublich nervös; doch gleichzeitig kribbelte meine Haut vor zufriedener Neugier. Endlich konnte ich meine Freiheit, die ich seit Beginn angestrebt hatte, ausleben.

Die Zedern im Umkreis begannen leise zu flüstern, kurze Zeit später konnte ich die leichte Böe, welche die Bäume zum Rauschen brachte, im Gesicht spüren.

Am Nachmittag hatte ich mich in die Ställe begeben um mir ein Pferd auszusuchen. Eichi, ein junger Mann, der selbst nicht die Gelegenheit bekommen hatte, eine Ausbildung wie ich zu genießen, kümmerte sich dort um die Tiere. Er war einer meiner besten Freunde hier, und ich vertraute ihm blind, wenn er mir ein Pferd empfahl und anvertraute. Der Hengst, ein dunkler Fuchs, trug den Namen Yûzuki und war noch recht jung und temperamentvoll, weshalb ich mir Sorgen gemacht hatte, aber Eichi war standhaft der Meinung, dies sei nur ein Vorteil für mich.

Ich seufzte.

Hoffentlich hatte er Recht.

Diese Reise konnte, musste zwar nicht, aber konnte gefährlich werden. Wo eine Menge Leichen lagen, war mindestens ein Mörder gewesen.

Beunruhigend empfand ich ebenfalls, dass die meisten der Toten in den Reisfeldern gefunden wurden, ein guter Platz um zu modern – ich wusste nicht, ob ich auf widerliche Anblicke gefasst war. Denn die würde ich zweifelsohne sehen. Deshalb wurde Natsumi ausgesucht, mit mir und Akira diese Aufgabe zu erfüllen. Sie war keine sehr begabte Priesterin, eher im Gegenteil, aber sie hatte eine besondere Gabe, die ihr erlauben würde, jede Leiche aufzuspüren, sollte es von Nöten sein.

Die Aufgabenverteilung war klar ersichtlich und munterte mich keineswegs auf. Natsumi suchte und untersuchte, wenn es zwingen war, die toten Körper in Soyokaze, Akira war derjenige, der die Menschen im Dorf befragen sollte, und meine Kräfte galten zum Schutz. Meine Kraft war zum Angriff und zur Verteidigung konzipiert, aber als unerfahrene Priesterin die Verantwortung zweier Leben plus meines eigenen Lebens auf den Schultern zu tragen – ich hoffte diese Last würde mich nicht um meine Konzentration bringen und somit in die Knie zwingen.

Wieder musste ich mich selbst ermahnen, diese Gedanken auszusperren. Sie würden den Weg schnell wieder finden, aber ich hatte nur noch einen halben Tag Ruhe.

Die Sonne, zuletzt eine hellrote Scheibe im Westen, war langsam untergegangen und die ersten Sterne funkelten am Firmament auf. Es war ein unglaublich schwüler Tag gewesen, und ich sehnte mich nach dem erlösenden Regenguss.

Langsam schloß ich müde die Augen. Der Tag war spät geworden, und eigentlich sollte ich am anderen Tag früh aufstehen. Aber wer konnte unter solchen Umständen schon schlafen? Einen Moment die Augen zu schließen entspannte wahrscheinlich mehr als jeder miserable Ansatz Ruhe, den ich heute finden könnte. Ich sah den Regen geistig vor mir, in dem kleinen Bambushain, wo ich so lange still gestanden und gewartet hatte, vom Regen ganz und gar durchnässt; die Kleider am Körper klebend. Doch der Mann, von dem ich mich losreißen musste, hatte sich verändert. Sein Blick war härter geworden, trotzdem umspielte ein Lächeln seine Lippen. Mir stiegen Tränen in die Augen, aber ich konnte und wollte nicht weinen.

Sein Körper war muskulöser geworden, er machte einen Schritt auf mich zu. Ich wich zurück.

Doch meine Knie gaben nach. Wer konnte ewig davon laufen? Niemand. Und wenn insgeheim jemand seine Hand ergriff, warst man machtlos.

Er zog mich mühelos vom Boden und hielt mich in den Armen. Ich begann zu weinen. Zuerst nur ganz leise, doch dann ließ ich meinen Gefühlen freien Lauf und krallte mich in seiner Kleidung fest. Schützend und wärmend legte er die Arme um mich, eine Geste, die ich längst nicht mehr verdient hatte, und trotzdem tat er es. Unaufhörlich bahnte sich ein salziger Strom den Weg über meine Wangen. Ich hatte diese Wärme, seine Wärme so sehr vermisst, dass mein ganzer Körper geschmerzt hatte. Jetzt aber fiel eine Last von mir, die ich zu tragen eigentlich nie in der Lage gewesen war.

„Mitsuko?“

Meine Lider öffneten sich blitzschnell, die Wimpern tränenverschmiert. War ich tatsächlich eingeschlafen?

Akira stand vor mir und lächelte leicht gezwungen. Meine Tränen verwirrten ihn sichtlich. Er reichte mir seine Hand.

„Komm, es gibt bessere Orte zum Schlafen als auf dem Boden. Das wirst du noch häufig genug tun müssen.“

Ich lächelte zurück, ergriff seine Hand und ließ mich von ihm hochziehen. Erst jetzt bemerkte ich, dass mir die Tränen tatsächlich stark über die Wangen gelaufen waren und wischte sie schnell, aber mit diskreter Selbstverständlichkeit weg.

Neben Akira ging ich auf die Häuser zu.

Mein Weg lag nicht in der Richtung, die mein Traum mir als Option gezeigt hatte. Vor diesem Weg würde ich ewig zurückweichen, und wenn ich noch so oft einbrechen und auf dem Boden landen sollte.

Stille Wasser

So, Kapitel 3 :)
 

Er lehnte sich gegen die Wand seines Zimmers und rutschte daran herunter. Schweiß lief ihm von der Stirn, über das Gesicht und auf seine Brust, ebenso fanden sich kleine Schweißperlen in seinem Nacken zusammen und rutschten unangenehm über seine Wirbelsäule den Rücken hinab.

Das schwarze Haar war strähnig von der Nässe und sein Atem ging heftiger – Takeshi war vollkommen ausgelaugt.

Das gestrige Training hatte ihn bereits so mitgenommen, dass seine Muskeln vor Schmerz gebrannt hatten, jetzt aber volle er sich keinen unnötigen Zentimeter mehr bewegen. Fujishima betrieb bereits seit Monaten ein Training, dass keiner der Männer gewohnt war.

Takeshi zog sein Messer aus dem Stiefel und legte auch das Schwert beiseite, jede Bewegung seiner bleischweren Glieder verbunden mit unsagbarer Qual.

Die Kleidung, die seinen Oberkörper verhüllte, war um die Brust, die Achseln und den Rücken dunkler verfärbt, der sonst leichte Stoff klebte an ihm. In seinem Zimmer war kein Laut zu vernehmen bis auf sein stetes, schnelles Atmen, nur von draußen drang das schwache Prasseln eines leichten Regengusses, der die schwüle Luft reinigte, herein.

Bis jemand klopfte.

Takeshi zwang sich unter Schmerzen aufzustehen und seine Luftzüge zu beruhigen, auch wenn sein Herz immer noch verzweifelt versuchte, ein hohes Leistungsvermögen zu ermöglichen.

„Ja… Bitte?“, sagte Takeshi und taumelte ein Stück zur Seite, um sich an der Wand wenigstens abstützen zu können.

Die Tür wurde von außen aufgeschoben.

Es war Hiroko.

Takeshi war sich sicher gewesen, dass er keine Kraft mehr hatte für irgendetwas, aber als Hiroko mit den kühlen Umschlägen eintrat und die Tür hinter sich schloss, beobachtete er, wie sie die Tücher auf einen kleinen Tisch im sonst spartanisch eingerichteten Zimmer legte und sich ihm wieder zuwandte, wobei eine allerletzte Reserve wachgerüttelt wurde.

Sich von der Wand weg drückend ging er auf sie zu, ergriff ihre Hand und zog sie an sich.

Seine Lippen fanden die ihren; er zwang sie, sich zu öffnen und küsste sie hart und leidenschaftlich, völlig ergeben gab sie sich ihm hin.

Ihr seidig schimmerndes Haar war mit einer einfachen Spange im Nacken zusammengehalten, mit der einen Hand öffnete er den Haarschmuck, mit der anderen drückte er ihr Becken fest an sich. Hirokos schwarze Haarpracht wallte nun frei um ihre Schultern, während sie ihm den Hals küsste und er ihr Gewand hob um ihren Schoß ertasten zu können.

Als sie sich in seine Schultern krallte drückte Takeshi sie sanft auf die Tatamimatten am Boden, öffnete ihr Gewand vollständig, fuhr ihr durch die Haare, küsste und liebkoste sie und begann schließlich, sie zu lieben.
 

Tief in der Nacht lag sie noch immer bei ihm. Sie hatte ihm inzwischen die kühlen Umschläge um die schmerzhaftesten Muskelpartien gewickelt und sich wieder zu ihm gelegt.

„Es tut mir leid“, meinte sie und sah von seiner Brust auf und in seine Augen.

„Was tut dir leid?“, fragte er, hob die Hand und strich ihr die langen Haare aus dem Gesicht um sie genauer mustern zu können.

„Du hattest Schmerzen, als ich zu dir kam.“

Er lächelte.

„Die habe ich jetzt auch noch. Aber ich wollte es, es muss dir nicht leid tun.“

„Gut“, sagte sie, stand auf und griff nach ihrer Kleidung. Nachdem Hiroko mit der leichten, fließenden Seide von der Farbe einer hellen Mondnacht wieder ihre Haut, so hell und schön wie Elfenbein, verdeckte, ordnete se sich grob die Haare.

Takeshi folgte jeder ihrer Bewegungen. Sie hatten etwas geschmeidiges, katzenhaftes. Ihre erotischen Rundungen zeichneten sich im spärlichen Licht einer einzigen Kerze im Raum undeutlich ab, ein Bild, das er inzwischen bereits seit einigen Monaten öfter sah und von dem er den Blick nicht wenden konnte.

Diese Jasminblüte schien jede Nacht nur für ihn zu blühen.

Die Affäre tat ihm gut, aber er wusste, dass er Hiroko nicht sonderlich fair behandelte. Sie war ein Ersatz, nicht mehr. Ein Ersatz für etwas, das er nicht bekommen konnte. Ob sie das wusste oder nicht war ihm nicht klar, aber sie schien fürs erste zufrieden mit ihrer derzeitigen Situation. Mehr konnte sie auch nicht von ihm erwarten. Sein Körper mochte in Stunden wie der letzten Hiroko gehören, doch seine Seele war woanders, an einem Ort, der ihm so weit entfernt schien wie der Himmel sich von der Erde trennte.

Hiroko kam angezogen noch einmal zu ihm zurück, hockte sich über seine Beine und küsste ihn, ein Kuss, den er hart erwiderte.

Sie lachte leise.

„Dir ist es nie genug.“

Takeshi setzte sich auf, verzog die Mundwinkel zu einem Grinsen und zog sie näher zu sich, ließ sie sich auf seinen nackten Unterkörper setzen und seine Erregung spüren. Sie biss sich auf die Unterlippe, legte eine Hand auf seine Brust und zog sie langsam über seinen Oberkörper, wie eine Katze, die jeden Moment ihre Krallen versenken will.

Doch stattdessen lachte sie leise in sich hinein und stand auf, öffnete die Tür und ging, ohne sich ein letztes Mal umzusehen.

Und so schluckte Takeshi sein Verlangen hinunter, legte sich langsam hin und versuchte, zu schlafen, darauf bedacht, die ohnehin überstrapazierten Muskeln keinen Deut mehr zu bewegen.
 

„Meister Fujishima hat sich eine weitere Lektion einfallen lassen.“

Dieser Satz schlug scharf ein. Die meisten stöhnten noch unter den Schmerzen des letzten Tages, eine weitere Aufgabe würde sie aufreiben, so glaubten sie.

Takeshi schnürte seinen Gürtel erneut. Er stellte fest, dass das Training weitere Spuren hinterlassen hatte, er zog den Gürtel nicht länger an der alten, abgetragenen Stelle zusammen, sondern musste ihn etwas weiten. Sei früher eher hagerer Körper hatte einiges an Muskelmasse aufgebaut. Nun ja, es war nun einmal die logische Konsequenz nach so viel Arbeit. Und trotzdem war Takeshis Körper noch immer einer der geschmeidigsten, kein breiter Baum, wie manch einer der Männer ihn bekommen hatte.

Doch genau das beunruhigte ihn. Fujishima schien weniger als früher auf den Verstand zu setzen. Er machte seine Krieger stark, schnell und wendig, sicher, doch er vernachlässigte die Stärke, Schnelligkeit und Wendigkeit des Kopfes. Als hastete er den Weg ihrer Ausbildung entlang, statt, wie früher, alles doppelt und dreifach zu durchleuchten.

Was war vorgefallen, dass sich Fujishima, der doch sonst so bedacht war, seinen Schützlingen alles beizubringen, gezwungen sah, das Training so radikal umzuwerfen?

Ein Klopfen an der Tür riss Takeshi aus seinen Gedanken. Osamu trat ein und lächelte ihm zu. Das Veilchen an seinem rechten Auge stand ihm nicht sonderlich gut.

„Bist du soweit, Takeshi?“, fragte er schlecht gelaunt, aber höflich.

„Sofort“, sagte Takeshi und suchte noch ein paar seiner Waffen zusammen. „Pass auf, dass es dir nicht zuviel wird“, fügte er hinzu, als er alles beieinander hatte und Osamus blutunterlaufenes Auge genau ansah.

Fujishima nutzte ihn aus. Jeder, der schlechter war als Osamu – und das war nahezu jeder – musste sich am Ende seiner Trainingsstunde mit ihm messen. Ein unfairer Kampf, weil es über zwanzig junge Männer in ihrer Stufe waren, von denen die letzten natürlich auch gewannen, wenn Osamu bereits ausgelaugt war. Außerdem war es ein doppelter Schlag, da Osamu bereits viele Aufträge außerhalb des Geländes bekommen und ausgeführt hatte, die ihm nun allesamt wieder entzogen worden waren – zugunsten des Trainings.

„Lass das meine Sorge sein“, wehrte er kühl ab. Er war zu stolz, der Beste zu sein, das war Takeshi vollkommen klar.

Zusammen gingen sie durch das Haus, zogen sich draußen die leisen Stiefel an und machten sich auf zu den anderen, zu einer weiteren mörderischen Übungsstunde.
 

Takeshi presste seinen Körper so stark wie es ihm eben möglich war an die Mauer des kleinen Hauses. Den keuchenden Atem zu unterdrücken fiel ihm schwerer, als er gedacht hatte, doch die schnellen Bewegungen, die nötig waren, damit er alles bewältigen konnte, verbrauchten eine ungeheure Menge an Energiereserven.

Während der Wind sich etwas beruhigte und das Rauschen in den Bäumen leiser wurde, begann Takeshi zu lauschen. Die Schritte, die er vernahm, kamen eindeutig näher. Um sich zu beruhigen nahm er lautlos einen tiefen Zug von der kühlen Brise, die in dieser Nacht wehte.

Er versuchte die Distanz zu schätzen, die zwischen dem Fremden und ihm lagen, doch es gelang ihm nicht wirklich, so sehr er sich auch konzentrierte. Als er dachte, dass es schon fast zu spät sein könnte, drehte er sich um und sprang hoch, um sich an der Mauer festzuhalten und schnell und lautlos daran hochzuziehen. Wenige Augenblicke später saß er auf dem Dach des Hauses.

Es war der richtige Moment gewesen, wie er feststellte, denn der Fremde hätte ihn nur wenige Sekunden später sehen können.

Der Schweiß lief ihm den Nacken hinunter und ließ seine Kleidung schwer am Körper kleben, aber Takeshi blendete das unangenehme Gefühl aus und bewegte sich keinen Zentimeter; sein Atmen dabei kaum hörbar. Er blickte hoch zum hellen Mond; die große Wolke, die ihn noch verdeckte, würde in Kürze vorbeigezogen sein - das Licht würde den Boden erhellen und seine schützende Dunkelheit in Nichts auflösen, er wäre den Augen des Fremden nicht mehr verborgen...

Die Schritte verstummten, jetzt brach ihm tatsächlich der Schweiß aus. Es war noch zu nah, und der Himmel würde sich jeden Moment erhellen...

Takeshis Herz fing im Adrenalinwahn wie wild zu pochen an.

Noch immer Stille.

Der Wind bäumte sich wieder stärker auf und die Landschaft erhellte sich unter dem Mondlicht.

In Windeseile wurde ihm sein Blut durch die Adern getrieben.

Dann hörte er einen Schritt.

Und dem folgten weitere; der Fremde entfernte sich.

Takeshi schlich leise über das Dach und machte ihn im Licht deutlich aus. Sich blitzschnell und leise vom Dach abrollend, landete er beinahe zwei Schritte hinter ihm, Takeshi zog sein Messer zwischen Stiefel und Hose hervor, griff dem Mann von hinten an den Mund, zog ihn zu sich und drückte ihm die Klinge unsanft an die Kehle.

Unter seinen Fingern spürte er, wie der Fremde zu lächeln begann.

Er nahm das Messer von seinem Hals.

„Ich gratuliere, nur wenige haben es geschafft, beinah alle Opfer zu meucheln. Die meisten starben nach dem siebten oder achten."

„Meister Fujishima!", rief Takeshi erstaunt aus. „Ihr selbst habt ein Opfer gemimt?"

Fujishima drehte sich um, als Takeshi sein Messer wieder in den Schuh steckte.

„Natürlich. Schließlich muss ich wissen, wie weit man euren Fähigkeiten trauen kann. Leider muss ich sagen, dass mir die meisten meiner Schüler selbst zum Opfer gefallen sind.

Doch genug davon, der erste Teil der Übung ist abgeschlossen, es bleiben noch ein paar Aufgaben, die hoffentlich auch von jenen gelöst werden können, die in dieser versagten."
 

Keuchend ging er zu Boden, schmeckte das Blut, das sich warm in seinem Mund ergoss, spürte den Schmerz, der an der Stelle in seiner Zunge pochte, auf die er sich während des Sturzes gebissen hatte.

Takeshis Lippe war aufgeplatzt und die kleinen Schnittwunden brannten überall in seiner Haut, doch noch war er nicht besiegt, noch ließ sein Stolz dies nicht zu.

So griff er nach seinem Schwert und stemmte sich, zitternd vor Anstrengung, wieder hoch.

Osamu grinste ihn schwer atmend an.

„Du bist wahrlich mein härtester Gegner, Takeshi. Fujishima macht es mir nicht leicht, wenn du der erste bist, den ich ausschalten muss."

Das Blut, das sich in seinem Mund gesammelt hatte, ausspuckend, grinste Takeshi zurück.

„Es ist mir eine Ehre."

Sie hoben beide ihre Schwerter und sammelten ihre Kraft, dann stürmten sie aufeinander los.

Ihre Bewegungen waren schnell und gezielt, immer wieder krachte das harte Metall ihrer Schwerter aufeinander, selten wurden die beiden Krieger leicht verletzt.

Die Umstehenden sahen gespannt zu. Lange hatte es nicht mehr einen solch ausgeglichenen Kampf gegeben, der so lange andauerte wie dieser. Beide waren zu stolz - aufzugeben kam für sie nicht in Frage - und so ging in unregelmäßigen Abständen einer zu Boden, um dann, sich langsam wieder aufrappelnd, weiterzukämpfen.

Erstaunlich war auch, dass es nicht immer Takeshi war, der einknickte; auch Osamu war häufig genug im Staub gelandet.

Fujishimas wachsamem Blick entging kaum etwas, angespannt verfolgte auch er dieses kräftezehrende Messen seiner zwei Schüler, die in den letzten Wochen am meisten gelernt und am härtesten trainiert hatten.

Wieder und wieder schlug das Metall aneinander, traten die beiden zurück und preschten wieder los.

Irgendwann standen sie keuchend voreinander und grinsten gequält.

„Das reicht jetzt, eure Stärken sind einander ähnlich; wer hier gewinnt - das ist reine Glückssache. Ab jetzt tretet ihr anderen sowohl gegen Osamu als auch gegen Takeshi an. Kentaro und Nobu, ihr seid die ersten."

Nobu, ein schneller Kämpfer, der bisher nur wenig Stärke erlangt hatte, stellte sich gegenüber Takeshi auf und zog mit einem leisen Zischen seine Waffe, Kentaro, ein stämmiger Mann, wandte sich langsam Osamu zu.

Takeshi keuchte noch immer, als er sich zwang, sich gerade aufzustellen und den Gegner ehrenvoll zu begrüßen.

Nobu begann, hämisch zu grinsen. Selbst Osamu war nie so augelaugt gewesen wie Takeshi jetzt, wenn er sich ihm im Kampf hatte stellen müssen. Takeshi war für ihn ein leichtes Opfer.

Der Kampf begann, und schallend krachte wieder Metall auf Metall.
 

Vier seiner Krieger waren nötig, um Osamu und Takeshi, beide letztendlich bewegungsunfähig, vom Feld zu tragen, was Fujishima zwar Sorgen bereitete, ihn aber dennoch voller Stolz erfüllte. Seine beiden Krieger hatten dem selbstgefälligen Nobu und dem faulen Kentaro eine Lektion erteilt und selbst danach noch jeweils fünf Kämpfe für sich entscheiden können, wenn sie auch nach diesen nur noch in der Lage waren, die schlimmsten Verletzungen zu verhindern.

Das sehr auf Kraft setzende Training trug also Früchte, wie er zufrieden feststellte.

Dass es Früchte trug, war auch Takeshi klar, der bis zu den Quellen getragen wurde, wo er sich unter stärksten Schmerzen qualvoll auszog und sauber schrubbte, um dann in das heiße Wasser zu steigen, in dem Osamu bereits saß und sich zu entspannen versuchte.

„Du siehst aus, als würdest du jeden Moment neben mir sterben", meinte dieser und legte die Hand in den offenbar schmerzenden Nacken.

„Ich fühle mich auch so", scherzte Takeshi, der sich vor Entspannung stöhnend an den Fels lehnte. „Obwohl ich glaube, dass ich vor zwei Monaten tatsächlich gestorben wäre."

Osamu nickte und starrte auf seine andere Hand, die er knapp unter dem Wasserspiegel hielt.

„Ja, du wirst ganz offensichtlich besser. Was wohl heißt, dass ich mehr trainieren muss", meinte er und ballte die Hand zu einer Faust.

Takeshi lachte.

„Du tust ja, als wäre das hier ein Wettbewerb bei dem es gilt, der Beste zu sein."

Den Blick vom Wasser hebend, sah Osamu Takeshi tief in die Augen, als wolle er darin etwas wiedererkennen, das er nicht sehen konnte.

„Und du glaubst immer noch, dass hier alles in Gemeinschaft läuft, nicht wahr? Takeshi, es i s t ein Wettbewerb. Wir sind Rivalen, du und ich, auch wenn wir Freunde sind. Und ich muss besser sein als du, um meiner Ehre und meines Stolzes willen", erwiderte Osamu und stemmte sich aus dem Wasser. „Wenn du besser bist als ich, heißt das, dass ich meine Vormachtstellung unter den anderen aufgeben muss, und das werde ich nicht, sei dir dessen sicher", endete er schließlich hart und abweisend und drückte sich langsam durch die heißen Wassermassen, mit schmerzendem Körper, hinüber zum Haus. Dort zog sich schweigend, mit leerem Gesichtsausdruck, seine Kleidung an und ging.

Takeshis Blick heftete sich nun seinerseits auf seine Hände.

Waren Osamu und er tatsächlich Rivalen geworden?
 


 

Ich hatte zuerst nur einen Teil hochgeladen und dachte, dass das bestimmt flott ginge, mit dem zweiten Teil, aber dann kam ein langes Krea-Tief und so... Naja, das ist er jedenfalls, der zweite Teil. Also alles komplett jetzt. Endlich.



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Kommentare zu dieser Fanfic (10)

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Von:  SilentStrider
2009-01-01T23:55:52+00:00 02.01.2009 00:55
Hey ho!!!
Hab die FF zufällig gefunden, da ich seit langem mal wieder Bock auf eine hatte. Und da kam mir Tenchu in den Sinn...
Auch wenn es direkt nix mit dem Game zu tun hat: mir gefällt die Geschichte sehr gut!!
Ich mag deinen Stil, du beschreibst sehr viel, erzeugst Stimmung, wodurch das Ganze beinahe greifbar scheint.
Darüber hinaus kannst du dich sehr gut ausdrücken.
Ich habe schon FFs angefangen, bei denen ich nach den ersten 5 Zeilen dachte: "Boah, das Gelaber kann ich mir nicht antun!"
Mit nem schlechten Stil kann man selbst die tollste Geschichte versauen, weil es einfach nervt, den Kram zu lesen.
Bei Dir ist das allerdings anders. Habe die paar Kapitel regelrecht verschlungen!!!
Der Prolog ist sehr emotional und hat sogar mich berührt (und ich bin echt hartgesotten und Heulen is für kleine Mädchen und so...^^)
Mag auh daran liegen, dass ich mich zur Zeit quasi in der selben Situation befinde....
Naja, auf jeden Fall nochmal ein großes Lob!!!!
Stylo geilo und offentlich gehts weiter (is ja schon n bissl älter die Geschichte...*öhöm*)
XD
Ich würd mich tierisch freuen!!!

P.S.: Warum checkt das eigentlich keiner, dass die sich nicht wirklich getrofen haben???!!!
Von: abgemeldet
2007-08-02T11:40:41+00:00 02.08.2007 13:40
Guten Tag ^_^

Also, zuerst einmal das negative. Mir ist aufgefallen dass du ziemlich oft 'Endlos Sätze' verwendest - ich weiss nicht ob das wirklich dein Stil ist, oder ob du das als Stilmittel benutzt hast - aber ich würde dir raten aus den langen Sätzen kurze zu machen, eventuell auch Semikolon zu benutzen. Lange Sätze haben ihren Vorteil, ja, man kann mit ihnen bestimmte Effekte erzielen; aber den Durchschnittsmenschen langweilt so etwas nach einer kurzen Zeit, so dass er dann aufhört zu lesen.
Abgesehen von dem finde ich es schade dass die Trennung der beiden so kurz geraten ist, wie Radieschen schon erwähnt hat. Es ist eine scheinbar schmerzhafte Erfahrung für die beiden... Und um das klarzumachen, bzw. eine haltende Impression auf den Leser machen zu können muss man auf das Ereignis länger verweilen, ein bisschen in die Länge ziehen... Aber selbstverständlicherweise nicht ZU lang XD

Aber besonders mag ich deine Beschreibungen die du benutzt. So wirkt alles wirklich... wie soll ich sagen, nah, lebensecht - ganz grosses Kopfkino eben. Vorallem mag ich deine Beschreibung des Regens; durch den Regen schien alles noch kälter, noch trister zu werden; noch schmerzhafter.
Deine klaren Beschreibungen find ich aufjedenfall mal super. Ein bisschen mehr üben, ein paar Tipps und Tricks suchen, und ich bin mir sicher dass du grandiose Beschreibungen hinkriegen wirst.

Hoffe dass ich dir mit diesem Kommentar ein bisschen helfen konnte :3

Ich mach mich mal ans nächste Kapitel ^_^~

Alice
Von:  Kalliope
2007-07-21T10:43:49+00:00 21.07.2007 12:43
hallo liebe zirkelkollegin ^^
zu allererst mal ein rechtschreibfehler. ziemlich am ende hast du nachdem getrennt geschrieben, aber das macht ja nichts, passiert jedem mal.
du beschreibst gerade am anfang relativ oft den regen, das wasser. außerdem wiederholst du dich in den ersten hälfte auch öfters, das macht den prolog etwas zu langatmig.
am ende finde ich, dass du die trennung der beiden zu schnell vorüberziehen lässt, etwas mehr gefühle hättest du ruhig beschreiben können.
aber das alles ist nicht so schlimm. der prolog macht lust auf mehr ^^
ich hoffe nur, dass die kapitel nicht so langatmig wirken und mehr gefühle haben *gefühlsfan sei* ^^
Von: abgemeldet
2007-03-21T20:51:50+00:00 21.03.2007 21:51
Ich habe zwar erst das erste Kapitel gelesen aber ich bin wirklich begeistert von deiner Geschichte!
Ich werde sie mir bei Gelegenheit mal durchlesen und dann meine Kritik dazu preisgeben, bis dahin aber: weiter so! ;)
Von: abgemeldet
2007-02-01T16:46:43+00:00 01.02.2007 17:46
Also ich muss gestehen, dass ich bisher nur den Prolog deiner Geschichte lesen konnte, und ich mich gerade aufgrund dessen selbst überzeugen musste jetzt schon ein Kommentar zu deiner FanFic zu verfassen. Da der Prolog ansich allein durch seine Beschaffenheit eine vom Rest der Geschichte losgelöste, exponierte Stellung besitzt, tendiere ich eigentlich immer dazu gerade diesen nicht als Garant für die weitere FF zu missbrauchen, doch in diesem Fall hat mich - ich kann es wirklich schwer definieren - dein Prolog so berührt, dass ich dir allein deswegen schon ein großes Lob ausprechen möchte. Vielleicht bin ich kitschig, aber ich fand's wirklich toll (und das als Mann ;) )

Ich werde dein Werk auf jeden Fall weiter verfolgen und du bekommst sicherlich auch noch ein Kommentar zu den weiteren Kapiteln.
Von: abgemeldet
2007-01-11T14:00:29+00:00 11.01.2007 15:00
sehr gut *_____* ich werde auf jeden fall weiterlesen ^^ toll beschrieben ....;_; XD
Von:  FlummiCat
2006-10-06T00:50:40+00:00 06.10.2006 02:50
xD juhu es geht weita x3 auch wenns nur ein teil ist , ist dieser teil schon recht gut >_> ich mag es wie du schreibst ô.ô sagst mir bescheid wenn der 2te teil da is? falls ich es dann net schon selbst entdeckt hab ^^ und jo das er jetzt mit der wie hiess sie...öh..hiroka? oda so...nyo er is ein mann <_< was solls so schlimm isses net aba nen bild von dem wär schonma jut von takashi^^ zeichne ma eins wennde kannst wen net kann ich es ma versuchen wenn ich mein zeichentablett habe xD brauch nur daten zum aussehn.....mehr net ô.ô und sonst kann ich zum kapi nix mher sagen war wieder super genial xD und spannende erwartung zum 2ten abschnitt x3 also *wink* bye ^-^/))
Von:  Swuena
2006-08-04T20:32:19+00:00 04.08.2006 22:32
Danke nochmals für den Tipp! ^^ Habs ja auch gelesen.
Ich finde die Geschichte auch gut. Mal sehen wie es weiter geht. Und dein Schreibstil gefällt mir wirklich gut. Die beste Geschichte kann man durch einen schlechtes Stil vermasseln.(finde ich)
Aber die beiden standen sich nur in einem Traum gegenüber oder?
LG Swetta-chan
Von:  FlummiCat
2006-07-26T07:46:13+00:00 26.07.2006 09:46
hm..kommt dann im nächsten kapi der andere wieder vor? ô.O und...öh..ja >_< wie standen die 2 sich gegenüber? und was wird noh aus ihnen würd ich gern mal wissen o.o

und dein kapi war gut , ich mags wenns gut geschrieben ist und so halt und wennde nen neuen namen suchst musste einfach mal denken was in deiner ff vor kommt o.o und einen dann nehmen so nen vorschlag hab ich ja nicht weils ja da krieger und magier so priester vorkommen |D dazu würde mir nix einfalln^^''' naja hoffe du schreibst weita ^^//)) bis zum nächsten kapi xD
Von:  FlummiCat
2006-07-15T10:34:26+00:00 15.07.2006 12:34
ô.o bin vor kurzem auf diese ff gestossen und ich mag sie ^^ schade des es scho an die 3monate her is des hier ein neues kapi war v.v schade eigendlich ^^ und nyo nehms mir nich übel bin vergesslich über denn inhalt xD aber auch sonst gefällt mir die ff , wirklich ...ich frag mich nur ob die 2 ma wieder aufeinander treffen ô.o

ok bye bye ^^///))) hoffe du schreibst doch ma weiter ^^'


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