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A new life

von

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Proloque

Chapter one: Prologue
 

Ich sitze hier am Fenster und starre hinaus auf die Straßen, die sich unter mir ausbreiten. Ich bewege mich auch nicht großartig, denn das wäre eigentlich nur Kraftverschwendung, wenn es nichts gibt wofür sich das lohnt.

Ich sitze hier wie so oft- wie viel zu oft, um ehrlich zu sein.

Was mich dazu bringt hier zu sitzen und eigentlich einfach gar nichts zu tun weiß ich nicht. Ich schätze es ist einfach einfacher als irgendetwas zu tun, was auch immer das sein könnte.

Theoretisch würde mich nichts daran hindern hinunter auf die Straße zu den anderen Menschen zu gehen und zu leben wie sie es auch tun.

Aber ich kann nicht.

Ich will es auch nicht.

Bevor ich mich in dieser gefühlskalten, von gespielter Freundlichkeit beherrschten Welt verliere bleibe ich lieber allein hier in diesem Raum und sehe mir die ganze Misere von weitem an. Obwohl ich zugeben muss, dass das ziemlich feige ist.

Aber ich habe niemanden, für den es sich lohnen würde das Haus, in dem ich mein Dasein friste, zu verlassen.

Meine Eltern nehmen mich kaum noch wahr; mich zu verstehen haben sie anscheinend schon lang aufgegeben. Die meiste Zeit über reden sie nicht einmal mit mir.

Und Freunde? ...Nein, nicht das ich wüsste. Ich denke nicht dass ich welche habe.

In der Schule sehen alle nur den irren Typen, der nicht ganz richtig im Kopf zu sein scheint, der mit niemandem redet, der sich mitunter mal die Arme blutig ritzt.

Als Menschen nehmen sie mich glaube ich nicht wahr.

Aber das wäre jetzt auch vollkommen egal, denn mein Leben wird sich ja "auf eine erfreuliche Weise ändern" - wie meine Mutter es so schön ausdrückte, als sie mir den Entschluss mitteilte mich auf eine Privatschule zu schicken.

Toll oder?

Eigentlich ist das für sie doch auch nur ein mehr als bequemer Weg mich loszuwerden. Aber das hätten sie mir auch einfach sagen können, dann wäre ich gegangen. Wohin weiß ich zwar nicht genau, aber zumindest hätten sie dann ihre Ruhe vor mir gehabt. Und das ohne ein halbes Vermögen ausgeben zu müssen.
 

In zwei Wochen geht das neue Schuljahr los, dann muss ich auf diese Schule in der Nähe von Hyogou. Ich weiß noch nicht mal genau wo das eigentlich ist, um ehrlich zu sein. Aber es interessiert mich auch nicht wirklich.

Schließlich werde ich dort nichts anderes tun, als ich es hier auch tue.

Ich habe nicht vor mich mit irgendjemandem dort anzufreunden.

Schließlich werden dort genau die gleichen Gestalten herumlaufen wie hier...

Also werde ich einfach versuchen die Zeit irgendwie herumzubringen und dafür sorgen, dass ich meine Ruhe habe. Wenn ich mit niemandem rede und meine Mitschüler so gut wie möglich ignoriere, dann lassen sie mich hoffentlich in Ruhe.

Hoffentlich muss ich mir mit niemandem das Zimmer teilen...

Chapter one ~304 goushitsu, hakushi no sakura~

so...obwohl der prolog ja "etwas" *hüstel* kurz war, is das kapitel dann ein kleines bisschen läner...^^°

und noch was, was ich loswerden woltle(sollte ichs doch schon mal gesagt haben, dann hier einfach ignoriern, ne?)die liedertexte, die ich verwende sind natrülich total aus der eigentlichen reihenfolde geschmissen, aber darüber mach ich mir eher weniger gedanken, ich setz die so rein, wie ich denk des es passt ^^°

ach und nochwas: obwohl es vielelicht an einer stelle so rüberkommt, sind Kao und Die nciht zusammen, macht euch keine hoffnungen *lach*

baibai ^^
 


 

---

Nun ist es also so weit.

Ich sitze im Auto und sehe mir die Landschaft an, die vorbeizieht und höre Musik über meinen MP3-Player. Meine Mutter redet die ganze Zeit irgendwas von dieser neuen Schule, auf die ich doch gar nicht will. Ich wäre, auch wenn ich meine Mitschüler nicht mag, lieber auf meiner alten Schule geblieben. Dort hatte ich meine Ruhe, und alles lief seine geregelten Bahnen. Ich war es gewöhnt dämliche Kommentare zu hören, und meine Mitschüler hatten jemanden, den sie beschimpfen konnten.

Leise seufze ich und sehe weiter aus dem Fenster, während meine Mutter weiter davon schwärmt wie toll es doch dort sein wird und wie wohl ich mich unter meinen neuen Schulkameraden fühlen werde.

Bin ich mit der wirklich verwandt?

Irgendwie frage ich mich, ob ich nicht bei der Geburt vertauscht worden bin oder etwas in der Art. Ich kann nicht glauben, dass ich mit diesen beiden oberflächlichen Geschöpfen, die mir im hinteren Teil der Limousine gegenüber sitzen auch nur ein Chromosom gemeinsam habe.

Als wir in die Einfahrt des Schulgeländes einbiegen beginnt meine Mutter noch aufgeregter zu schnattern. Wenn sie das nicht bald lässt werd ich ihr glaub ich was antun. Doch zum Glück hält das Auto ein paar Augenblicke später und ich springe sofort heraus.

//Nur weg!// denke ich, aber eine Sekunde später fällt mir ein, dass das ja gar nicht geht.

Also bleibe ich mit hängenden Schultern stehen, lasse meine Tasche neben mir auf den staubigen Boden fallen und warte was weiter passiert.

Da sehe ich in der Ferne auch schon eine Frau mittleren Alters energisch auf uns zuschreiten. Ich glaub mit der wird nicht gut Kirschen essen sein.

Sie begrüßt meine Eltern mit einem strahlenden Lächeln, das als sie mich sieht etwas zu bröckeln scheint, und stellt sich als Frau Isuzu vor.

Sie ist tatsächlich die Schulleiterin.

Hilfe. Das kann ja heiter werden.

Während sie weiter mit meinen Eltern meinen Aufenthalt beredet betrachtet sie mich eingehend. Ich kann ihre Gedanken quasi sehen:

>>Noch einer von diesen Teenagern, die alles anwidert und die nichts auf die Reihe bekommen.<<

Genau das ist es was sie denkt.

Aber mir ist es egal. Ich bin an so was mittlerweile gewöhnt.

Mir ist auch klar, dass ich mit meinen ausgewaschenen, kaputten, schwarzen Jeans, einem verschlissenen Oversized-Shirt und ebenso kaputten, gebleichten Haaren, die mir wirr vom Kopf abstehen, nicht unbedingt wie das blühende Leben aussehe.

Dazu kommt, dass ich in letzter Zeit schlecht geschlafen habe, etwas das ich auf den bevorstehenden Schulwechsel geschoben habe, und meine Hautfarbe eher einer weißen Wand gleicht, als einem lebendigen Wesen.

Aber da muss sie durch die gute Frau. Sie wird es schon überleben. Naja, und wenn nicht, ist das auch kein allzu großer Verlust, denke ich mal. Die meisten Schüler hier würden sich bestimmt freuen.

Erst als meine Mutter mich nicht allzu sanft antippt merke ich, dass mit mir gesprochen wird. Frau Isuzu trägt das gleiche falsche Lächeln auf den Lippen wie vorhin auch schon.

"Also Tooru, kommst du gleich mit, dann zeige ich dir dein Zimmer!"

Ihr Ton ist zwar freundlich, duldet aber keinen Widerstand.

"Kyo..." murre ich nur.

"Was?"

"Sie sollen mich Kyo nennen."

Ihre Augen verengen sich zu Schlitzen.

Ich sagte ja, mit der ist nicht gut Kirschen essen.

Meine Eltern verabschieden sich, was ich nur mit einem Nicken quittiere. Dann schultere ich meine Reisetasche und schlurfe langsam der Schulleiterin hinterher.

Wir laufen, so kommt es mir vor einmal quer über das gesamte Anwesen.

Mann, wie soll ich mich denn hier jemals zurecht finden?

Schließlich bleibt sie vor einem der Zimmer stehen und klopft. Eine brummende Stimme antwortet etwas, dass nicht wirklich freundlich klingt.

Frau Isuzu öffnet die Tür und setzt wieder eines ihrer gespielten Lächeln auf. Diesmal die gutmeinende, mütterliche Variante. Aber kein bisschen weniger streng, als alles andere was ich bisher von ihr gesehen habe.

"Hallo Kaoru."

Wieder ein Brummen.

Wow.

Mein neuer Zimmergenosse scheint ja auch wahnsinnig begeistert zu sein.

"Dein neuer Mitbewohner ist angekommen. Sei nett zu ihm, ok?"

Mann, diese Stimme ist kälter als ein Tiefkühlschrank.

Diesmal antwortet dieser Kaoru gar nicht erst.

Die Schulleiterin kommt wieder heraus und zeigt auf die Tür.

"Geh jetzt rein. Ihr werdet schon miteinander auskommen. Wenn du noch fragen hast, dann komm ruhig in mein Büro, Tooru."

"Kyo..." murre ich wieder, aber so leise, dass sie es nicht hören kann.

Ich glaube ich werde definitiv nicht in ihr Büro gehen. Ihr Ton klang eher wie:

>>Stör mich und du wirst es bereuen<<

Nein, das lass ich lieber.

Ich seufze also noch einmal und trete ins Zimmer ein.

Es ist hell, aber nicht gerade groß. Und ziemlich unordentlich, wenn ich da so sagen darf, wenn nicht chaotisch. Aber irgendwie, auch wenn ich das nicht allzu gern an dieser Stelle zugebe, wirkt es gemütlich und Unordnung bin ich ja gewöhnt... Scheinbar jeder Quadratmillimeter der Wände ist mit Bildern von irgendwelchen Rockbands beklebt.
 

"Du musst Tooru sein", sagt dieselbe unbegeisterte Stimme wie vorhin.

Ich sehe mich um und entdecke meinen Mitbewohner auf seinem Bett sitzend. Auf dem Schoß hat er eine Gitarre liegen, die fast genauso violett ist wie sein Haar.

"Kyo."

Ich lasse meine Tasche fallen.

"Gut, meinetwegen auch Kyo, mir egal. Nur eins."

Ich sehe ihn unbegeistert an. Für Vorträge, welcher Art auch immer hab ich grad keine Nerven. Also entweder er macht hin oder ich werd ihn einfach ignorieren, egal was er mir verkünden will.

"Wenn ich dich je erwische, wie du meiner Gitarre zu nahe kommst, dann bist du tot. Verstanden?"

Ergeben nicke ich. Ich dachte schon jetzt kommt sonst was und ich habe auch keine Lust mich schon in den ersten 10 Minuten die ich hier bin mit meinem anscheinend leicht cholerischen Mitbewohner zu zoffen.

"Kaoru?"

So hieß er doch, oder?

Ein weiteres Brummen antwortet. Er macht mich langsam wahnsinnig damit.

"Wo soll ich schlafen?"

Er richtet sich ein wenig auf, um das Zimmer zu überblicken. Dann zeigt er auf das Doppelstockbett, das an der ihm gegenüberliegenden Wand steht.

"Dort."

Ich nicke. Irgendwie bin ich erleichtert.

Der Kerl ist fast so gesprächig wie ich. Dann geht er mir wenigstens nicht auf die Nerven. Geschafft lasse ich mich auf das Untere der beiden Betten fallen und schließe die Augen. Wie das wohl hier werden wird?

Schlechter als in meiner alten Schule kann es ja kaum werden, aber ob es besser wird, das bezweifle ich auch sehr stark. Ich hab ja noch nie wirklich irgendwo Anschluss gefunden. Nicht das ich mich je sonderlich darum bemüht hätte, aber manchmal wäre es doch schon schön gewesen jemanden zu haben, mit dem man einfach mal reden kann.
 

Ich bin gerade dabei wegzudämmern, als die Tür mit einem Schlag aufgerissen wird und laute Stimmen in mein Bewusstsein dringen.

Ich erschrecke so, dass ich auffahre und mir den Kopf am oberen Bett stoße.

Autsch. Das tat weh.

Wer ist das überhaupt?

Ein Schwall roter Haare breitet sich in meinem Blickfeld aus und ich zucke zurück. Entgeistert sehe ich mein breit grinsendes Gegenüber an.

Was. Um. Himmels. Willen. Ist. Das?

"Tag. Ich bin Daisuke, kannst mich aber Die nennen." meint das Etwas immer noch strahlend. "Und das da hinten ist Toshimasa, alias Toshiya. Du musst Tooru sein, wenn ich mich nicht irre, schön dich kennen zu lernen."

Ich bin verwirrt.

Soviel Energie und Lautstärke auf einmal halt ich nicht aus, glaub ich.

"Kyo..." stammle ich nur atemlos.

"Kyo?" Daisuke verzieht das Gesicht. Ich kann nur schwach nicken.

Dann dreht er sich um.

"Kaooooooo~" jammert er. "Das is der Falsche!"

Ich glaub ich werd nicht mehr.

Der Kerl führt sich ja auf wie...wie...ich weiß auch nicht. Aber nicht menschlich für meine Begriffe. Dann merke ich wie sich jemand neben mich setzt. Ich sehe lange blaue Haare und ein strahlendes Lächeln.

"Hi. Ich bin Toshiya."

Wieder nicke ich nur.

Er versucht ernst zu bleiben, aber anscheinend wegen meines geschockten Gesichtsausdrucks beginnt er bald unkontrolliert zu kichern, sodass der Geräuschpegel im Zimmer weiter ansteigt.

Bitte. Irgendwer tu was, oder ich garantiere für nichts mehr.

Ich will gerade aufstehen und gehen, als:

"RUHE!!! Verdammt, könnt ihr Beiden euch nicht mal in einer normalen Lautstärke unterhalten??? Das ist ja nicht zum aushalten hier!!!"

Das war Kaoru.

Das erste Mal, dass ich ihn wirklich hab sprechen hören. Er kann ganzschön laut werden, hätte ich irgendwie gar nicht gedacht. Toshiya und Daisuke stehen nur da und sehen erst sich und dann Kaoru ziemlich bedröppelt an.

Wow. Respekt, der hat sie ja wirklich im Griff, der Gute.

Dann schüttelt Die seinen wuschligen, roten Haarschopf und beginnt leise zu lachen.

"Gomen ne, Kao-sama."

Der Violetthaarige antwortet nicht, sondern hat sich anscheinend wieder aufs Knurren verlegt.

Ich bin vollkommen fertig irgendwie.

Wo bin ich hier nur reingeraten?

Gerade will ich mich wieder ins Bett liegen und die Anderen ignorieren, als ich wieder eine Stimme höre, die mit mir spricht.

"Also Tooru...oder Kyo...wie sollen wir dich denn nun nennen?"

Leicht genervt seufze ich.

"Kyo. Ist das jetzt ok, oder muss ich dir das schriftlich geben?"

Wieder beginnt Toshiya zu kichern.

"Ja richtig, gib's ihm nur!!! Der hat's verdient!!!"

Der Redhead sieht seinen Kumpel für Kommentars schmollend an und die Beiden beginnen sich wieder lautstark, wenn auch freundschaftlich, zu zanken, als man eine sanfte Stimme von der Tür hört.

"Hi ihr."

Im Türrahmen steht ein Junge, das sehe ich, auch wenn er die Mädchenuniform trägt. Genauso wie Toshiya im Übrigen, wie mir erst jetzt auffällt. Nagut.

Warum nicht, ich hab nichts gegen Crossdresser.

Der zierliche Junge geht ins Zimmer, verbeugt sich kurz vor mir.

"Shinya."

Das reicht ihm offenbar um sich vorzustellen, denn er krabbelt auf Kaoru's Bett und kuschelt sich an ihn.

"Hi Chibi" begrüßt dieser ihn mit einer sanften, leisen Stimme und drückt ihm einen Kuss auf die Stirn.

Den Rest des Abends sind sie auch noch alle mit im Zimmer. Ich beteilige mich nicht an ihren Gesprächen, höre ihnen nur abwesend zu.

Ich denke darüber nach, was heute alles passiert ist.

Ich glaube, es hätte schlechter kommen können.

Die vier scheinen alle recht nett zu sein, auch wenn jeder von ihnen irgendwie auf die eine oder andere Weise einen totalen Klatsch weg hat. Ich schätze ich werde es aushalten.

Um zehn Uhr verabschieden sich dann Shinya und Toshiya.

Ich wohne also nur mit Daisuke und Kaoru in diesem Zimmer.

"Weil die beiden Mädels frühs etwas länger brauchen." meint Die mit einem Grinsen.

Ich schäle mich mühsam aus meinen Klamotten und krabble mit Shorts bekleidet unter die Bettdecke.

Irgendwie bin ich schrecklich müde.

Ich schlinge die Decke um mich und warte darauf, dass irgendwer so gnädig ist das Licht auszuschalten.

Aber ich scheine der Einzige zu sein, der diesen Wunsch hat.

Seufzend richtig ich mich wieder auf um aufzustehen und erstarre.

Was...was genau machen die Beiden da bitte?

Mir fallen fast die Augen aus dem Kopf.

Aber ich beschließe sie zu ignorieren. Das ist ja was, was ich gut kann. Ich tapse also in aller Seelenruhe zum Lichtschalter und mache die Lampen aus.

"Ihr habt ja sicher nix dagegen..." murre ich.

Wie erwartet bekomme ich keine Antwort. Wie auch. Die Beiden sind viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Ich hab prinzipiell nix gegen so was, echt nicht. Aber müssen die sich denn vor meinen Augen miteinander rumbeißen?

Die könnten ruhig etwas Rücksicht nehmen, schließlich ist das mein erster Abend hier.

Mit diesen Gedanken krieche ich wieder in mein Bett, ignoriere weiterhin was auch immer meine Zimmergenossen gerade tun und schlafe nach unendlich langer Zeit endlich ein.
 

~~~~

Irgendetwas stört mich gerade, aber ich weiß nicht was.

Es muss noch mitten in der Nacht sein, was ist das?

Ich schlaf weiter. Mir doch egal.

...

ARGH!!!

Das ist ja nicht zum aushalten.

Ich ziehe mir die Decke über den Kopf, um dieses merkwürdige, schreckliche Geräusch zu übertönen.

Gerade bin ich dabei wieder einzuschlafen, als mich jemand so stark an der Schulter rüttelt, dass ich mich eine Sekunde später auf dem kalten Fußboden vor meinem Bett wieder finde.

Wo...?

Achso...die neue Schule.

Mit zusammengekniffenen Augen versuche ich etwas zu erkennen, als ich plötzlich rot sehe. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Dieses schrecklich laute, rothaarige Etwas hat sich zu mir herunter gebeugt und grinst mich schon wieder an.

"Zeit aufzustehen, Kleiner!", meint es fröhlich und wuschelt mir durch die Haare.

Ich schnappe nach seiner Hand und funkle ihn böse an.

"Binnichklein..." ist alles was ich hervorbringe und ich beginne damit, wieder ins Bett zu krabbeln.

"Was?"

Das Monster scheint verdutzt zu sein.

Ich wickle mich wieder in meine Decke und schließlich friedlich die Augen.

So schön. Warm. Und nichts wird mich stören.

Schritte entfernen sich, eine Tür klappt. Dann kommen Schritte wieder her.

Aber mehr als vorher.

Ich ahne nichts und mache mich bereit wieder zu schlafen, als mir jemand ohne Vorwarnung die Decke weg zieht.

HEY!!! Was soll das???

Ich fauche und halte, mit immer noch fest gegen das helle Licht geschlossenen Augen, den letzten Zipfel der Decke fest.

"Das gib's ja wohl nich...", höre ich ein erstauntes Murmeln.

"Los! Steh auf!" Das ist wieder Daisuke.

"Neinlassmichschlafn..."

Mit einem Ruck ziehe ich die Decke wieder zu mir zurück.

Leider nicht nur die Decke, denn ein Körper, ein nicht gerade leichter wie ich finde, landet auf mir.

Ich öffne die Augen verärgert und blicke in Toshiya's frisch-fröhlich grinsendes Gesicht.

"Ohayo!"

"Mhhhhhhhhh..."

"Komm schon steh auf du kleines, kawaiies Ding du!" Er kichert.

"Wir müssen in einer Stunde zum Unterricht."

Die zweite Bemerkung ignoriere ich, springe aber trotzdem auf.

Nicht um aufzustehen, sondern um dieses blaue Ding zu erwürgen.

Ich lege meine Hände um seinen Hals und drücke ihn fest auf's Bett.

"Nenn. Mich. Nicht. Kawaii. Verstanden?" fauche ich.

Erschrocken nickt er.

Fein. Dann hätten wir das geklärt.

Ich kralle mir ein Handtuch und meine Klamotten und suche dann mir eine Dusche.

Als ich 10 Minuten später wiederkomme ist das Zimmer voller Leute. Logisch, dass das die Vier sind, die gestern auch schon da waren. Kaoru sieht mich an.

"In welcher Klasse bist du?"

Ich sehe ihn an. Woher soll ich das wissen? Ich zucke mit den Schultern.

"Mirdochegal..." murmle ich leise, beginne aber doch, meine Tasche nach dem Stundenplan zu durchsuchen, den ich zugeschickt bekommen hab.

"...mh...11/1..."

Ohoh...ich ahne schlimmes, denn die Augen des Roten haben begonnen zu leuchten. Meine Vermutung bestätigt sich, als er breit anfängt zu grinsen und mir dann einen Arm um die Schulter legt.

"Dann kümmer ich mich um dich!", verkündet er strahlend.

Suuuuu~per, genau das wollte ich. Gähnend mache ich mich von ihm los. Ich mag so viel Körperkontakt nicht. Ich hab gerade noch Zeit meine Sache zu holen, dann schleift er mich auch schon mit sich fort, wohin auch immer die Reise geht.
 

Zwei Stunden später langweile ich mich zu Tode.

Ich hab den Kopf auf die Bank gelegt, sehe aus dem Fenster und denke nach. Die Welt hier ist nicht besser, als die in meiner Heimat. Eher noch ein Stück falscher.

Warum weiß ich nicht genau, aber es wirkt alles noch gespielter als bei mir zu hause.

Mittlerweile hat es begonnen zu regnen.

Ich mag Regen, mir kommt es immer vor, als würde er ein bisschen der Lügen und der Falschheit hinwegspülen können. Aber vielleicht, nein wahrscheinlich, bilde ich mir das auch nur ein.

Ich sehe wie die letzten Kirschblüten dieses Jahres vom Wind am Fenster vorbei getragen werden. Sie wirken sehr schön. Ich mag Sakura. Vielleicht weil sie gleichzeitig schön und traurig sind. Schließlich weiß man, dass sie sehr schnell vergehen, aber das macht vielleicht auch einen Teil ihrer Schönheit aus.

Mir kommt eine Idee und ich greife schnell nach Block und einem Stift.
 

~Vom Fenster aus scheint sich der Kirschbaum nie zu verändern~

~Er weht, weht, weht, weht und tanzt im Wind~
 

Ich halte kurz inne und überlege. Mich hat wieder dieses Gefühl überkommen, dass ich jedes Mal habe, wenn ich einen Text schreibe. Ich sehe angestrengt nach draußen und suche nach den Gefühlen, die der Anblick in mir weckt. Auch wenn ich sie sonst verschließe, lasse ich Emotionen zu, wenn ich schreibe...

Ich schließe kurz die Augen und sehe ein Bild vor mir, was zu dieser Stimmung passt...
 

~Mein Bewusstsein wird heute wieder vergehen~

~Wer bist du? Ich erinnere mich an nichts.~

~Du hältst mit viel Kraft meine Hand~

~Tränen sind auf diese Hand, die du hältst, gefallen~
 

Ich schlucke kurz.

Ja, Vergessen.

Vergessene Gefühle, verschlossene Gefühle?

Ich beginne darüber nachzudenken, wie sich das wohl anfühlen mag. So eine Situation. Ich selbst habe nie wirklich so etwas wie Liebe empfunden, aber vielleicht kann ich es gerade deswegen nachvollziehen...
 

Gerade will ich weiterschreiben, als mir eine Hand den Zettel vor der Nase wegzieht.

"...hey!" überrascht strecke ich die Hand aus, um ihm festzuhalten.

Ein schüchternes Lächeln begegnet mir.

Shinya steht vor meinem Tisch, während sich die anderen Drei neben uns lautstark unterhalten. Anscheinend habe ich gar nicht gemerkt, dass es zur Pause geklingelt hat.

"Darf ich lesen?", fragt er mich.

Ich nicke einfach ohne wirklich darüber nachzudenken. Ich mag es eigentlich nicht, wenn jemand meine Texte liest. Ich behalte sie lieber für mich.

Kurz überfliegt er die wenigen Zeilen und sieht mich dann wieder an.

"Hast du das geschrieben?", fragt Shinya mich leise.

Ich nicke nur.

Vorsichtig legt er den Zettel zurück in meine Hände.

"Schön." Ein sanftes Lächeln begleitet das Wort.

Mehr sagt er nicht, sondern dreht sich um und zieht den protestierenden Toshiya mit sich aus dem Zimmer. Die nächste Stunde beginnt.

Ohne dass ich es bemerkt habe lächele ich ebenfalls.

Ich lege den Kopf wieder auf meine verschränkten Arme und sehe weiter zum Fenster raus. Zwischen dem Regen und den umhersegelnden Sakurablüten sehe ich Shinya's feines, lächelndes Gesicht vor mir.

Ich konzentriere mich kurz und lasse ein paar weitere Zeilen entstehen.
 

~Deine Augen, die nicht aufhörten zu weinen, sagten mir etwas~

~Aus irgendeinem Grund machte dein Parfum mich nostalgisch~

~Allein in diesem Raum, verliere ich sicher das Leben~

~Eine Blume, die niemanden finden kann.~
 

~Blumen, die vergehen, verwehen schnell im Wind~

~Und der Wind weht in meinem weißen, ruhigen Raum~
 

Ich seufze. Glücklich aber auch traurig.

Dann schließe ich die Augen und denke weiter darüber nach.

Wie es sich wohl anfühlt jemanden zu lieben, obwohl sich der andere nicht an einen erinnert. So etwas muss einen höllischen Schmerz verursachen.

Langsam verliere ich meine Gedanken.
 

Ich muss eingeschlafen sein, denn wie ein paar Stunden zuvor werde ich unsanft am Arm gerüttelt. Ich schlage die Augen auf.

"Is ja gut..."

Auch Die streckt sich. Ich scheine also zumindest nicht der einzige gewesen zu sein, der sich nicht am Unterricht beteiligt hat.

"Kommst du mit raus, ich treff mich mit den Anderen...?"

Ich überlege kurz, schüttle dann aber den Kopf. Ich will alleine sein.

"Nein danke...aber sag mal, Die?"

"Mh?"

"Habt ihr hier so was wie einen Musikraum, in den man kann?"

Er nickt und beschreibt mir den Weg dorthin.

Ich schnappe meine Sachen und mache mich rennend auf den Weg.
 

In dem Zimmer angekommen, greife ich mir eine der Gitarren, die herumstehen und verharre kurz. Ich habe eine Melodie im Kopf, ich muss nur noch die richtigen Töne finden um sie auszudrücken. Langsam lasse ich meine Finger über die Saiten wandern bis ich es schließlich habe. Ich nehme mir Stift und Papier und schreibe hastig die Noten auf.

Dann hat sich auch der restliche Text in meinen Gedanken geformt.
 

~In Zeiten in denen die Tage in Schmerz gehüllt sind~

~Hast du meinen dünnen und hässlichen Körper umarmt~
 

~Ich erinnere mich endlich an die wichtigste Person~

~Morgen werde ich zu Asche werden und mich in Sand zurückverwandeln~

~Der Kirschbaum, den ich von meinem Fenster aus sehe~

~Ich möchte unter diesem Kirschbaum schlafen~
 

Noch einmal mache ich eine kurze Pause bevor ich weiterschreibe.

Es tut weh. Und ich weiß nicht warum.

Meine Augen brennen, aber ich muss weiterschreiben, sonst vergesse ich...
 

~Du hältst mich warm in deinen Armen~

~Im Zimmer 304 vergehe ich langsam~

~So, als könnte ich dich nicht vergessen~
 

~Von da an wehe ich im Wind~

~Mit dem Kirschbaum erinnere ich dich an mich~

~Ich wehe, ich wehe, ich wehe, ich wehe...~
 

Ich spüre etwas Warmes auf meinen Wangen. Weine ich etwa?

Ich wische die Tränen weg, verbanne das Gefühl hinter die eisernen Tore meines Herzens und greife wieder nach der Gitarre.

Während ich leise die Melodie finde und meine Finger leicht über die Saiten gleiten lasse, kann ich dieses Gefühl nicht vergessen.

Ich kenne es, denn es überkommt mich immer wenn ich etwas schreibe, manchmal auch ohne Grund, aber noch immer, obwohl ich beinahe daran gewohnt bin, kann ich nicht sagen woher es kommt.

Ich gehe den Text noch einmal durch und beginne dann zu singen, während ich weiterhin die Melodie spiele.

Ich lege die Gitarre beiseite und kritzle ein paar letzte Noten auf das Papier.

Noch einmal wische ich mir über die Augen und erhebe mich dann.
 

Als meine Schritte mich auf den Korridor führen fällt mir die Stille, die herrscht auf.

Fuck.

Ich bin ja so bescheuert.

Ich hab es doch tatsächlich an meinem ersten Tag hier geschafft eine Stunde zu verpassen. Nicht, dass das das erste Mal gewesen ist...so was ist mir auch auf meiner alten Schule passiert. Dort durfte ich mir dann immer irgendwelche dummen Kommentare anhören, aber an meinem ersten Schultag hier, ist das doch eher unangebracht. Zumal ich nicht einmal weiß, wo ich jetzt Unterricht hab. Ich seufze und will schon beinahe wieder zu den Schlafräumen gehen, als ich eine Stimme höre.

Leise aber bestimmt sagt jemand meinen Namen.

"Kyo?" beinahe geflüstert.

Ich drehe mich um und sehe etwas verwirrt den Korridor hinunter. Mit schnellen Schritten, aber nicht rennend kommt Shinya auf mich zu.

"Shinya..." Meine Stimme bricht beinahe.

Ohne es zu merken habe ich mich wieder einmal in eines meiner Stimmungstiefs befördert, die definitiv nicht gut für mich sind.

Doch Shinya lächelt mich nur sanft an und greift nach meinem Arm, um mich mit sich zu ziehen.

"Ich hab mir schon gedacht, dass du den Weg nicht findest..." meint er in dieser, ihm so eigenen Stimmlage. Warm, aber nicht gekünstelt freundlich.

Ich kann nur nicken und lasse mich von ihm führen.

"Du hast Glück. Wir haben jetzt Kunst. Frau Nakata, unsere Lehrerin, ist sehr nett. Bei ihr bekommst du deswegen keinen Ärger."

Wieder nickte ich, ich bin in Gedanken noch ganz weit weg, nehme die Korridore durch die wir gehen kaum war. Das einzige, was wirklich meine Sinne erreicht, ist der Geruch, der von Shinya ausgeht. Seine ganze Erscheinung strahlt eine, auf eine seltsame Weise distanzierte, Wärme aus. Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll.

Kurz darauf kommen wir im Kunstzimmer an.

Frau Nakata ist wirklich nett und verständnisvoll. Sie bleibt ruhig und freundlich, auch als sie mir die Aufgabe für diese Stunde erklärt.

Ich setze mich auf den Platz neben Shinya, der mir zugewiesen wurde. Ich blicke mich erstaunt um, und entdecke außer Die, der ja in meiner Klasse ist, auch noch Kaoru und Toshiya im Raum. Ich wende mich wieder an Shinya um ihn zu fragen, doch der hat wohl bemerkt, was ich ihn fragen will.

"Kunst ist ein Wahlkurs...", beginnt er. "Den haben alle, die Kunstunterricht haben und in einer Klassenstufe sind, zusammen."

Ich nicke.

"Sou ka..."

Ein Seufzten entkommt meinen Lippen, als ich versuche mir Gedanken über die Aufgabe zu machen, die uns gestellt wurde.

Wir sollen in einer Art Bild unsere Gedanken und Gefühle ausdrücken. Mit Farben, Formen, oder womit wir sonst wollen. Wir können auch direkt etwas zeichnen, dass ist ganz egal, solang man die Gefühle daraus ablesen kann. Meinte zumindest Frau Nakata.

Ich seufze noch einmal und sehe dann kurz auf Shinya's Blatt.

Es passt irgendwie zu ihm. Es ist sehr hell, er hat fast nur Pastellfarben verwendet, was, wie ich finde, zu seinem anscheinend sanften Wesen passt. Und trotzdem strahlt das Bild eine gewisse Distanz und Ernsthaftigkeit aus, wie er selbst auch. Aber es wirkt nicht abweisend. Ich kann es mir nicht erklären.

Ich blicke auf mein eigenes, leeres Blatt und denke nach.

Ich mache so was eigentlich nicht gern, auch damit hab ich in meiner alten Schule keine guten Erfahrungen gemacht. Aber vielleicht hilft es mir ja, den Schmerz, der trotz allem mein Herz noch immer fest umklammert hält, ein wenig zu beruhigen. Grübelnd greife ich nach meinem Bleistift, lasse ihn kurz über dem Blatt schweben und beginne dann mit der Skizze meines Bildes.

Als es zum Stundenende klingelt werde ich aus meinen Gedanken gerissen und wieder in die Realität zurückgebracht. Schnell lege ich mein Bild mein Fach, nachdem ich meinen Namen darauf geschrieben habe und verlasse dann mit Shinya, der auf mich gewartet hat, das Klassenzimmer.
 

Die nächste Stunde habe ich ganz allein, ohne einen meiner neuen Bekannten.

Ich habe jetzt schon das Gefühl, dass das nicht gut gehen kann. Ich habe bemerkt, dass einige meiner anderen Mitschüler mir gewisse Blicke zugeworfen haben. Vermutlich haben sie mich nur in Ruhe gelassen, weil einer der anderen bei mir war.

Ich setze mich ganz hinten in den Raum und mache mich auf die Englischstunde gefasst, die jetzt auf mich zukommt. Ich starre aus dem Fenster und spiele geistesabwesend mit der Zunge an meinem Lippenpiercing herum, als ich bemerke, dass jemand vor mir steht. Mit einem nervösen Kribbeln in der Magengegend sehe ich nach oben.

Mein Körper verkrampft sich, als ich die Blicke der drei Jungen sehe, die vor mir stehen. Diese Blicke sind es, die mich schon früher immer trafen und ich weiß was jetzt folgen wird. Ich gebe noch immer das perfekte Opfer ab.

Ich versuche wegzuhören, als ihre Sprüche auf mich niederprasseln. Äußerlich scheinen mir ihre Bemerkungen über mein Äußeres, meine Haare, meine Piercings und was nicht noch alles, zwar nichts aus zu machen. Doch in meinem inneren sieht es ganz anders aus. Innerlich verblute ich, weil ihre Worte neue Wunden in mein Herz reißen.

Ich starre unbewegt auf die Tischplatte und warte, dass sie aufhören.

Das perfekte Opfer. Ich hab es doch gesagt.

Aber ich werde ihnen nicht auch noch die Genugtuung geben, irgendetwas zu sagen. Oder auch nur irgendeine Regung zu zeigen.

Dann beschleicht mich der Gedanke, dass sie vielleicht Recht haben, mit dem was sie sagen. Ich weiß zwar, dass ich nicht so denken sollte, aber ich kann nicht anders. Zu oft musste ich mir schon anhören, dass ich Dreck und einfach wertlos sei, als dass ich nichts darauf geben könnte.

Mit einem Mal kehrt Stille ein und ich sehe auf.

Der Lehrer, ein streng wirkender Mann von ungefähr 40 Jahren, hat das Zimmer betreten und sieht mich an. Nicht unfreundlich, aber mit einer Strenge im Blick, die mir verrät, dass er nicht ungerecht, aber ein harter Mensch ist. Zu sich selbst und zu seinen Schülern auch. Ich erhebe mich, als er mich dazu auffordert und stelle mich vor.

"Nishimura Kyo."

Mehr sage ich nicht.

Dann setze ich mich wieder und lasse die Stunde über mich ergehen. Die letzte für heute, Gott sei dank.
 

Als er klingelt gehe ich langsam, beinahe wie in Trance, aus dem Zimmer, nicht ohne noch ein paar hämische Bemerkungen von meinen Mitschülern zu kassieren.

Ohne dass ich mich bewusst dafür entschieden habe tragen mich eine Füße wieder in Richtung des Musikzimmers. Doch als ich davor angekommen bin höre ich Stimmen, die aus dem Zimmer auf den gang zu mir dringen. Ich drehe mich um und betrete stattdessen die Toiletten, die auch auf dem Gang sind.

Ich lasse mich drinnen an der Wand herunter auf den Boden rutschen und lege den Kopf auf die Knie. Ich möchte nicht, dass die einzigen Menschen an dieser Schule, die eventuell meine Freunde werden könnten mich so sehen. In diesem Zustand.

Mit einer Hand krame ich in meinem Rucksack, bis ich schließlich einen kleinen, sorgsam verpackten Gegenstand zu Tage fördere.

Ich wickle die Verpackung ab und betrachte kurz die Rasierklinge, die im schwachen Licht glitzert.

Dann schiebe ich meinen Ärmel nach oben und betrachte meinen Unterarm, der ohnehin schon von Narben übersäht ist. Einige verblasst und kaum noch erkennbar, andere kaum eine Woche alt. Ich lächle mir selbst ironisch zu.

So bin ich halt. Immer außer vor, genau wie der Rest der Welt.

Und innerlich so schwach und verkümmert...

Ich höre auf zu denken, als die Klinge meine Haut gerührt und sich den Weg über meinen Arm bahnt, rote Streifen hinterlassend. Langsam schlägt meine Traurigkeit um, in Wut auf mich selbst, und die Schnitte werden tiefer.

Dann, nach einigen Minuten, als ich mich wieder beruhigt habe, lasse ich das Rasiermesser sinken und stecke es wieder sauber verpackt in die Tasche. Ich erhebe mich schwerfällig und gehe zum Waschbecken und meinen Arm vom Blut zu befreien. Nachdem ich ihn abgetrocknet habe fische ich in meiner Schultasche nach einem Verband und wickle ihn um den unteren Teil meines Unterarms.

Das beherrsche ich mittlerweile wirklich im Schlaf. Irgendwie krank...

Ich greife nach meiner Schultasche und sehe in den Spiegel. Ich werfe mir selbst ein leichtes Lächeln zu, zur Probe. Ok, ich seh normal aus...

Naja, so normal wie jemand wie ich eben aussehen kann, schätze ich.
 

Ich verlasse den Toilettenraum und gehe nun doch auf das Musikzimmer zu, aus dem noch immer die Stimmen meiner Bekannten an mein Ohr dringen. Leise öffne ich die Tür und staune nicht schlecht. Während Kaoru und Die mit geschulterten Gitarren dastehen, hält Toshiya einen Bass in den Händen und scheint sich zur Abwechslung mal zu konzentrieren. Und Shinya, sitzt, obwohl ich ihm das aufgrund seiner zierlichen Statur nicht wirklich zugetraut hätte hinter einem Drumset. Einem ziemlich großen noch dazu.

Wow. Das hätte ich nicht gedacht.

Ich öffne die Tür noch ein wenig mehr und setze mich auf einen Tisch. Kaoru bemerkt mich als erster und nickt mir lächelnd zu. Daraufhin sehen mich auch die Anderen. Sie begrüßen mich, als würden wir uns schon ewig kennen...und nicht nur 2 Tage.

Das ist irgendwie ungewohnt für mich. Ich versuche meine Unsicherheit zu verbergen.

"Seid ihr eine Band?" frage ich neugierig. Ich spiele ja selbst ein wenig Gitarre und ohne Musik wäre mein Leben total sinnlos.

Die nickt.

"Jepp. Bloß leider haben wir, außer Totchi, noch ein anderes kleines Problem.", meint er halb ernsthaft und halb lachend. Dieser Kommentar bringt ihm eine Kopfnuss von Toshiya ein.

"Was für ein Problem?"

Meine Neugier ist geweckt.

"Naja...", Toshiya lässt nun doch von Die ab und kratzt sich leicht verlegen am Kopf. "Wir haben keinen der singt..."

Ich muss mir ein Lachen verkneifen.

"Und warum?"

Nun erhebt sich Shinya von seinem Platz hinter den Drums und kommt mit nach vorn zu den Anderen, die sich mittlerweile zu mir gesellt haben.

"Die anderen hier wollen nichts mit uns zu tun haben."

Ich glaube nur Shinya ist in der Lage, diesen Satz so zu sagen. Schlicht und einfach spricht er diese Tatsache aus. Ohne irgendwie verletzt zu klingen, oder eine andere Emotion zu zeigen. Ich nicke.

"Dann geht es euch ja auch nicht anders als mir...", murmle ich leise.

Die Jungs schauen mich fragend an.

"Wie meinst du das?" hakt Kaoru schließlich nach.

Ich lächle schwach und versuche mich traurig, mitgenommen oder verletzt auszusehen.

"Naja...", der Versuch meine Stimme so klingen zu lassen, als wenn mich das alles nicht wirklich interessiert gelingt mir nicht wirklich.

"Ich hatte auf meiner alten Schule keine Freunde, weil mich alle für ziemlich seltsam gehalten haben...womit sie wohl auch Recht hatten...und hier scheint es ja auch nicht anders zu sein...auf dieser scheiß Privatschule..." Ich blicke auf und bemerke, was ich gesagt habe. "Sorry...ich wollte nicht..."

Doch Kao unterbricht mich, indem er mir die Hand auf die Schulter legt.

"Du hast schon Recht Kyo. Uns ging es auch nicht anders...aber wir haben uns ja irgendwie zusammengefunden und deswegen ist es mittlerweile ganz ok..."

"Und du hast ja jetzt uns!" quakt Toshiya fröhlich dazwischen.

Ich blicke den blauhaarigen, Mädchenuniform tragenden Bassisten vor mir an.

Meint er das etwa ernst?

Als ich in die Gesichter der anderen Blicke, scheinen sie das ebenso zu sehen. Ich merke wie sich ein Lächeln, ein echtes diesmal, auf mein Gesicht stiehlt.

Sofort fängt Toshiya wieder an zu quieken und springt mich förmlich an.

"Du bist aber auch kawaii!!!" flötet er, während die anderen in Lachen ausbrechen.

Ich versuche mich zu befreien.

"Bin ich nicht..." Doch selbst in meinen Ohren klingt dieser Satz nicht wirklich bedrohlich. Zum ersten Mal in meinem Leben glaube ich zumindest ein wenig zu wissen, was Glück sein kann.

Schließlich können Die und Kao Toshiya wieder soweit beruhigen, dass sie weiterspielen können, während Shinya sich das alles nur mit einem leichten Lächeln auf den Lippen angesehen hat. Die vier gehen also wieder auf ihre Positionen und ich sitze weiterhin auf dem Tisch und höre ihnen beim proben zu. Es klingt wirklich gut, was sei spielen. Jeder von ihnen ist mit ganzem Herzen bei der Sache.

Kaoru steht ruhig da, die Augen geschlossen und ist vollkommen im Spiel seiner Gitarre versunken, nur hin und wieder bewegt er den Kopf, sodass seine violetten Haare durch die Gegend fliegen. Die dagegen scheint nicht ruhig stehen bleiben zu können, sondern bewegt sich die ganze Zeit. Toshiya scheint es ähnlich zugehen, mal springt er durch die Gegend, mal steht er in Positionen, von denen ich mich frage, wie sie mit der menschlichen Anatomie vereinbar sind, da. Shinya schlägt mit einer unglaublichen Energie, die ich von ihm nie erwartet hätte, auf die Drums ein, und das trotzdem mit einer Leichtigkeit, die mich fasziniert. Sie sind wirklich unglaublich.

Jeder für sich und alle zusammen erst recht.
 

Nach einer dreiviertel Stunde machen sie eine Pause.

"Wenn wir jetzt noch einen Sänger hätten, dann könnte das wirklich etwas werden mit uns.", meint Kao zuversichtlich. Er scheint eine Art Bandleader zu sein.

"Jaaaaaaaaa~...aber wo bekommen wir jemanden her, der singen kann und zu uns passt?" wirft Die ein.

Es scheint, als hätten sie dieses Thema schon öfters diskutiert.

Doch dann schaltet sich unerwartet Shinya ein, der kurz seine Wasserflasche absetzt.

"Und was ist mit dir, Kyo?"

Er sieht mich an, während ich beinahe vom Tisch falle.

"Nani?" frage ich verwirrt.

Der blonde Drummer sieht mich ein bisschen verlegen an.

"Naja...ich hab...dich vorhin gehört, als ich dich gesucht hab..."

Ich kann spüren wie rot ich werde. Ich weiß, ich bräuchte mich dafür nicht zu schämen, aber es ist mir trotzdem peinlich, wenn jemand meinen Gesang hört.

Kaoru's Augen haben begonnen zu leuchten.

"Und? Ist er gut?" fragt er Shinya begeistert, ohne weiter auf mich zu achten.

Shinya nickt.

"Ja, ich finde schon. Er hat eine außergewöhnliche Stimme, sehr ausdrucksstark finde ich...und Texte schreiben kann er auch."

Die Beiden reden, als wäre ich nicht mehr anwesend, während ich nur verwirrt zwischen den Beiden hin und her sehen kann.

Dann, ganz unerwartet wendet Kaoru sich wieder mir zu und sieht mich ernst an.

"Ok, dann ist es beschlossen. Wenn Shin-chan das sagt, dann bist du gut. Du hättest doch Lust in unserer Band zu singen, oder?"

Vorsichtig nicke ich, innerlich atemlos vor Freude.

Ich habe anscheinend nicht nur Menschen gefunden, denen das gleiche wichtig ist wie mir. Ich habe auch die Chance bekommen meinen Traum zu verwirklichen.

Chapter two ~Garden~

Ich bin jetzt seit knapp zwei Wochen hier, und habe mich relativ gut eingelebt, denke ich. Seit ich mit den anderen befreundet bin, brauche ich mir auch keine dummen Kommentare mehr anzuhören. Und wenn doch jemand etwas sagt, dann verteidigen mich meine Freunde. Obwohl ich ihnen schon mehrmals gesagt habe, dass sie das nicht müssen. Aber Kaoru meinte nur, dass Freunde dazu eben da wären.

Und irgendwie hat er Recht, wenn einer meiner Freunde dumm angemacht wird, dann bleibe ich auch nicht ruhig.

Ich fühle mich in der Nähe der vier unglaublich wohl. Sie sind mir ähnlich, im Gegensatz zu dem Rest der Leute an diesem Ort hier.
 

Jetzt stehe ich in unserem Proberaum und warte. Ich bin extra früher hergekommen, um noch ein wenig an einem meiner Texte zu feilen, aber irgendwie will und will mir nichts einfallen. Mag daran liegen, dass ich heute zu gute Laune habe, ich weiß es nicht.

Ich setze mich auf das Fensterbrett und sehe nach draußen. Heute ist ein schöner Tag, der Himmel ist so klar, dass er wirklich unendlich scheint.

Ich schließe entspannt die Augen und kann wieder einmal nicht glauben, dass ich ausgerechnet hier Freunde gefunden habe.

Sie mögen nicht ganz richtig im Kopf sein und Röcke tragen, aber sie sind wirklich gute Freunde.

Ich höre wie leichte Schritte den Raum durchqueren, öffne die Augen.

"Hallo Shinya."

Er erwidert nur ein leichtes Nicken.

"Wo sind denn die Anderen? Hast du die verloren?"

Jetzt schüttelt er den Kopf und ein winziges Lächeln schleicht sich auf seine Lippen.

"Iie. Die hat Ärger mit seinem Mathelehrer und Kao und Totchi versuchen gerade ihn da raus zu boxen..."

Ich muss grinsen. Wie schafft Redhead das nur immer?

"...Sie versuchen wohl eher ihn davon abzuhalten, den Lehrer zu würgen, was?"

Jetzt muss auch Shinya lachen.

"Ja...so ungefähr..."

Er setzt sich an einen Tisch und beginnt mit den Fingern darauf herum zu trommeln.

Ich schließe die Augen und lehne mich wieder gegen die kühle Fensterscheibe.
 

Kaum 5 Minuten später höre ich laute Stimmen im Gang, die schnell näher kommen.

"...mal ehrlich, man könnte erwarten, dass du dich mittlerweile ein bisschen besser beherrschen kannst..."

Das ist Kao, der Die anscheinend immer noch eine Standpauke hält.

"Aber-"

"Nichts aber!" schneidet Kao ihm das Wort ab. "Was zu viel ist, ist zu viel. Das kannst du nicht machen!"

Wie ein begossener Pudel steht unser rothaariger Gitarrist jetzt im Zimmer und schmollt. Kao verdreht nur die Augen und setzt sich zu Shinya, während Totchi vergeblich versucht unseren sonst so fröhlichen Die wieder aufzumuntern.

Ich strecke mich und gehe zu ihm hin.

Toto ist mittlerweile abgezogen und hat damit angefangen seinen Bass zu stimmen; Die steht an die Wand gelehnt da und murmelt die ganze Zeit etwas wie "...gar nicht meine Schuld..." und "...total ungerecht..." vor sich hin.

Ich versuche nicht allzu breit zu grinsen und stoße ihn an.

"Hey Big Red!"

Er sieht mich zwischen einigen seiner roten Haarsträhnen hindurch an.

"Mh?"

"Zieh net so n Gesicht, des steht dir net..."

Ich springe schnell zur Seite und rette mich in Kao's Nähe, als er die Arme ausstreckt um mir durch die Haare zu wuscheln.

"Könn wir jetzt anfangen?" Das ist Shinya, der sich bis jetzt, wie fast immer, im Hintergrund gehalten hat.

Also begeben sich alle auf ihre Positionen und wir beginnen zu proben.

Mittlerweile haben wir zu einigen meiner Texte die Musik geschrieben. Aber gut, was heißt "wir", das haben hauptsächlich Kaoru und Die gemacht.

Sodass wir, außer den Stücken, die wir zum Beispiel von X-Japan spielen auch einige eigene Lieder haben.

Gerade als wir mitten in einem Lied sind geht die Tür krachend auf. Ich lasse vor Schreck beinahe mein Mikro fallen und auch die anderen hören quasi mitten im Ton auf zu spielen.

Kaoru ist der erste der die Sprache wieder findet.

"Kisaki? Was machst du denn hier?" Er klingt zwar freundlich, aber ich merke, dass er ziemlich verunsichert ist. Und das ist bei Kao wirklich nicht oft der Fall, das habe ich selbst in dieser kurzen Zeit schon mitbekommen.

"Was tut ihr hier?" fragt der Junge, der eben hereinkam in einem kühlen Tonfall.

"Proben?" Es soll scherzhaft klingen, aber Die's Stimme verrät auch seine Unsicherheit. Ich sehe mich um. Alle vier wirken erschrocken, so als hätten sie nicht erwartet den Menschen zu sehen, der jetzt seinen Gitarrenkoffer auf den Tisch legt und einen glänzenden, schwarzen Bass herausnimmt. Kao und Die wirken verwirrt. Shinya sitzt ruhig hinter seinen Drums und beobachtet, wie üblich, die Szene vor ihm. Einzig ihm ist äußerlich nicht anzumerken, was er fühlt.

Dann schweift mein Blick zu Totchi und ich erschrecke. Er ist blass und sieht Kisaki beinahe verängstigt an. Als dieser ihn ansieht weicht er unwillkürlich einen kleinen Schritt zurück.

"Was machst du auf meiner Position?" herrscht Kisaki ihn an.

Kao tritt zu Toshiya und will anscheinend versuchen zu vermitteln.

"Du warst so lange nicht da, und da dachte ich-"

"...dass du mal so eben meine Band übernehmen und jemanden anders Bass spielen lassen kannst?" fällt der Größere ihm ins Wort.

"Nein. Das wir einen Ersatz brauchen so lang du nicht da bist. Und Toshiya spielt wirklich gut."

Kisaki nickt.

"Na jetzt bin ich ja wieder da."

Er sagt es ruhig, doch alle im Raum verstehen, wie er es gemeint hat: Jetzt wo er wieder da ist, soll sich Toshiya gefälligst vom Acker machen.

Auch der Blauhaarige hat es anscheinend verstanden. Mit hängendem Kopf nimmt er seinen Bass in die Hand und verlässt ein paar Sekunden das Zimmer. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube ich habe Tränen in seinen Augen gesehen. Was soll das?

Wer ist dieser Arsch eigentlich?

Jetzt geht er auf Totchis Platz und sieht dann zu mir. Ich sage nichts, sondern sehe ihn nur finster an.

"Wer ist das?" fragt Kisaki Kao und zeigt auf mich.

"Kyo" sage ich.

Ich lass doch nicht über mich reden als wäre ich irgendwie geistig nicht ganz da.

"Er ist unser Sänger.", erklärt Kao ruhig.

Kisaki nickt.

"Und wer hat das entschieden?" will er dann wissen.

"Wir alle gemeinsam."

Wieder nickt er.

"Was war das für ein Lied, das ihr gerade gespielt habt?"

"Das hat Kyo geschrieben." Es ist das erste Mal, dass Shinya in Kisakis Anwesenheit etwas sagt. Dieser murrt etwas Unverständliches.

"Hast du was dagegen?" Meine Stimme klingt unbeabsichtigt giftiger als gewollt.

"Und wenn?"

Will er mich herausfordern, oder was?

Anscheinend ja, denn er kommt auf mich zu. Aber den Gefallen auch nur einen Zentimeter nach hinten zu gehen werde ich ihm mit Sicherheit nicht tun. Ich bleibe nur stehen und starre ihn an.

"Das ist meine Band. Verstanden? La:Sadies ist meine Band. Und ich bestimme, was in dieser Band passiert. Welche Musik wir spielen."

Ich starre ihn noch weiter an. Mir kommt der, in diesem Moment reichlich absurde, Gedanke, dass er vielleicht der Junge ist, mit dem ich bei der Geburt vertauscht wurde. Ich hätte nie gedacht jemanden zu treffen, der mir nach so kurzer Zeit noch unsympathischer ist, als der Rest der Menschheit. Und er passt auch viel besser zu meinen Eltern als ich.

Er geht an mir vorbei und greift nach ein paar Textblättern, die auf dem Tisch liegen. Es sind die Lieder, an deren Musik wir noch hatten arbeiten wollen.

"'304 goushitsu, hakushi no sakura'..." liest Kisaki laut vor. Dann verzieht er das Gesicht. "Was ist denn das bitte für'n Liedtitel?"

Ich muss mich sehr beherrschen, um ihm nicht einfach eine reinzuhauen. Er meint das Lied, dass ich an meinem ersten Tag hier geschrieben habe.

Schweigend liest er den Text, dann, nachdem er die anderen Blätter noch überflogen hat, sieht er mich wieder an.

"Was soll das?"

Ich schaue nur düster zurück.

"Was soll was?"

"Die Texte!" regt er sich auf. "Was soll dieser ganze negative, deprimierte Mist?"

Das reicht!

Das war zuviel!

Ich mache ein paar Schritte auf ihn zu und ramme ihm meine Faust in den Magen.

Dann tue ich es Toshiya gleich und gehe aus dem Raum.

Ich höre noch ein entnervtes "Suuuuuuuuuu~per..." von Kaoru, bevor ich um die Ecke biege.

Genau kann ich nicht sagen, was mich zu dieser Handlung getrieben hat. Normalerweise habe ich mich doch ein bisschen besser im Griff. Aber zu hören, wie dieser Kisaki erst Toshiya so runterputzt und mir dann noch sagen lassen müssen, dass meine Texte Mist sind, das ist einfach zuviel.
 

Ich gehe nach draußen auf den Hof und setze mich auf eine Bank. Dann ziehe ich erstmal eine Zigarette aus der Tasche und zünde sie mir an. Ich muss mich wirklich beruhigen. Denn auch wenn mir Kisaki schon jetzt total unsympathisch ist, werde ich wohl oder über mit ihm auskommen müssen, denn schon jetzt liegt mir zu viel an unserer Musik, als das ich das so einfach wegschmeißen würde. Ich ziehe an meiner Zigarette und lasse meine Blicke schweifen.

Dann sehe ich Toshiya.

Er steht weit von mir entfernt, an einen Baum gelehnt und starrt auf den Boden. Sein Bass scheint neben ihm auf der Erde zu liegen. Weint er?

Ich überlege was ich tun soll.

Sollte ich zu ihm hinüber gehen und ihn trösten, oder will er vielleicht lieber allein sein? Ich kann da ja nicht unbedingt auf Erfahrungen zurückgreifen. Ich musste meine Probleme mit mir selbst klären, und mittlerweile ist mir das auch lieber...

Ich beschließe dennoch zu ihm zu gehen. Ich erhebe mich von der Bank und mache meine Zigarette, die mittlerweile zu einem Stummel abgebrannt ist, aus. Dann gehe ich langsam in seine Richtung.

Er ist so in Gedanken vertieft, dass er mich nicht einmal bemerkt, als ich neben ihm stehe. Eine kurze Zeit lang sehe ich ihn an. Seine Schultern zucken leicht und seine Wangen sind nass, von den Tränen, die darüber gelaufen sind.

Vorsichtig hebe ich eine Hand und berühre ihn sacht an der Schulter.

Er zuckt zusammen und sieht mich erschrocken kann.

"Alles in Ordnung Totchi?" Eigentlich eine saublöde Frage, ich weiß, denn ich sehe ja, dass nicht alles in Ordnung ist. Aber ich weiß nicht was ich sonst sagen sollte.

Langsam nickt er und versucht sich mit einem Lächeln, was allerdings kläglich scheitert.

"Hai...geht schon..."

Langsam lässt er sich am Baumstamm hinunterrutschen, bis er im Graß sitzt. Ich setzte mich schweigend neben ihn und warte ab was passiert. Toshiya ist es offensichtlich ein wenig unangenehm, dass ich ihn so gefunden habe, die ganze Zeit spielt er an seinem Rocksaum herum. Eine Zeit lang sitzen wir nur nebeneinander und schweigen, während wir beide unseren Gedanken nachhängen.

"Sag mal...", beginne ich dann vorsichtig. "Wer ist dieser Kisaki eigentlich?"

Ein abfälliges Geräusch verlässt Toshiyas Lippen.

"Er ist der Bandleader von La:Sadies, das hast du doch gemerkt..."

"Ja, schon, aber warum führt der sich so scheiße euch gegenüber auf...?"

Totchi zuckt mit den Schultern.

"Den anderen gegenüber...ich gehör ja nicht dazu...", er versucht seine Stimme unbeteiligt klingen zu lassen, doch ich höre, dass sie wieder anfängt zu zittern.

"Weißt du, eigentlich ist er ganz in Ordnung...er ist kein schlechter Mensch..."

"Das glaubst du doch wohl selbst nicht Toshiya!" unterbreche ich ihn ungehalten. Wenn der kein schlechter Mensch ist, wer dann?

Der Blauhaarige neben mir schweigt kurz.

"Nein...wirklich. Er ist wahnsinnig talentiert. Es ist nur...er will diese Band erfolgreich machen...und jeden Preis...und eben nur so wie er meint, dass die Jungs sein sollen."

Ich nicke kurz, um ihn aufzufordern weiter zu reden.

"Er will immer alles bestimmen. Welche Musik sie spielen, was für Texte sie haben, welche Outfits sie tragen, einfach alles...er ist ein totaler Kontrollfreak, wenn du mich fragst..."

Wieder nicke ich, so was hab ich mir bei seinem Auftreten schon gedacht.

Gerade will ich ansetzen etwas zu sagen, als Toshiya mich mit verweinten Augen ansieht und mir kurz darauf um den Hals fällt.

Ich bin total überrumpelt, erwidere seine Umarmung jedoch kurz.

"Du solltest jetzt lieber wieder reingehen...sonst macht Kisaki Hackfleisch aus dir..." flüstert Toshi mir ins Ohr.

Ich stehe auf.

"Ja vielleicht hast du Recht...wenn er sich schon erholt hat..."

"Wovon erholt?" fragt Totchi mich mit großen Augen.

"Naja...", ein wenig verlegen kratze ich mich am Kopf. "Ich hab ihm vorhin eine in den Magen gegeben..."

Toshiya beginnt zu lachen.

"Hat er verdient."

"Jap finde ich auch.", erwidere ich breit grinsend und wende mich zum gehen.

"Danke Kyo!", ruft Toshiya mir noch hinterher.

Ich drehe mich noch einmal um und lächle ihn an.

"Dafür sind Freunde doch da, oder?" Unbewusst zitiere ich Kaoru, dann wende ich mich ganz zum Gehen und erreiche kurz darauf wieder das Schulgebäude.

Während ich langsam durch die leeren Gänge gehe frage ich mich ernsthaft, wie ich mit Kisaki klar kommen soll. Irgendwie werde ich es ja müssen, aber ich fürchte das wird nicht lange gut gehen. Überhaupt, warum halten es sie anderen so lange mit ihm aus? Wenn sie Totchi als Bassisten haben brauchen sie ihn doch eigentlich nicht oder?

Aber ich werde mich da nicht reinhängen, ich denke es ist besser so, denn schließlich kennen sie ihn ja schon einige Zeit vermute ich mal.

Und mich kennen sie erst seit 2 Wochen, da sollte ich mich zurückhalten.

Als ich an der Tür zu Musikzimmer ankomme höre ich, wie Kao und Kisaki drinnen diskutieren. Ob Die und Shinya auch noch anwesend sind, kann ich nicht sagen, aber ich beschließe doch nicht wieder rein zu gehen und mache mich stattdessen auf den Weg in das Zimmer, dass ich mir mit Kao und Die teile.

Dort angekommen lasse ich mich auf mein Bett fallen und atme erst einmal tief durch. Toshiya tut mir wirklich Leid. Er ist ein herzensguter Mensch und hat es nicht verdient so behandelt zu werden. Auch wenn er oft total aufgedreht ist und einem schon mal ein Ohr abkauen kann, ist er einer der besten Freunde die man haben kann.

Genau wie die anderen drei.

Und Kisaki ist so ganz anders als sie.

Seufzend stehe ich auf und sehe aus dem Fenster.

Noch immer ist der Himmel klar, aber mittlerweile ist ein stürmischer Wind aufgekommen. Ich lasse meine Blicke über das Schulgelände schweifen. Über ein paar Schüler, die draußen sind und schließlich zu dem Baum, unter den Totchi vorhin saß, als wir geredet haben. Und tatsächlich.

Er sitzt noch immer dort. Starrt verträumt in die Ferne und scheint auch nichts wahrzunehmen, was um ihn herum passiert. Der Wind zerzaust sein Haar und weht es ihm ständig ins Gesicht, doch er sitzt einfach nur mit geschlossenen Augen da. Ich kann den Schmerz in seinem Herzen fühlen, so als wäre es mein eigener. Seine Hände tasten über den Boden und ohne hinzusehen reißt er ein paar Blumen aus der Erde. Ich kann nicht erkennen war für Blumen es sind, nur dass sie weiße Blüten haben. Er hebt sie kurz zu seinem Gesicht und riecht daran. Dann jedoch fängt er an, sie in Stücke zu reißen, als wollte er einer lang unterdrückten Wut auf diese Weiße Luft machen.

Ohne den Blick von ihm zu wenden taste ich mit der Hand hinter mich, so lange bis ich Zettel und Stift gefunden habe.
 

~Von dem Tag an, als meine Liebe begann, begann ich mich zu verändern~

~Als ich dich immer nur ansah,~

~Standest du immer in diesem Garten, sahst allein aus~

~Du sahst nichts an außer den zerfallenden Blumen~
 

Ich bin sicher, dass ich weiß warum er so wütend und traurig ist. Ich weiß, wie gern er fest in der Band spielen würde, dass habe ich gesehen. An der Art wie er gespielt hat, bei unseren Proben, er hat seine ganze Energie hinein gesteckt. Oft hat er stundenlang alleine geübt um noch besser zu werden.

Aber als Kisaki den Raum betrat sind seine Träume zerfallen.

Stück für Stück verschwand die Welt die er sich aufgebaut hatte. In der er mit seinen Freunden zusammen Musik machen konnte.

Sie zerbrach wegen ihm.

Wegen Kisaki.
 

~Mein unerfüllter Wunsch riss eine weitere Wunde in mein schmerzendes Herz~

~Diese Realität, die ich immer vor Augen habe verfolgt mich die ganze Zeit~

~Sodass nur die erstickende Atmosphäre~

~mich jetzt nicht vergessen wird~
 

Ich wünschte ich könnte ihm helfen. Ich will nicht, dass es einem meiner Freunde so schlecht geht. Ich kann nicht sehen, dass er so leiden muss. Doch ich fühle, dass er jetzt allein sein will. Er hat sich in seine eigene Welt zurückgezogen
 

~GARDEN- Ich wünsche, dass ich dich irgendwann immer treffen kann~

~GARDEN- inmitten der vergehenden Jahreszeit, wirst du...für immer...~
 

Zerrissene Blütenblatter fallen aus seinen schlanken Fingern und werden vom Wind fortgerissen.
 

~Die sorgenvoll verdorrenden Blumen die tausend Nächte gesehen haben~

~Deine Erscheinung in Sepia festgehalten~
 

Ich weiß wie du dich fühlst Toshiya. Ich weiß es ganz genau.

Ich fühle mich selbst oft genug so. Wertlos nicht?

"Ich bin wertlos."

Ist es dieser Gedanke, der dich jetzt ganz beherrscht?

Sich zu fühlen, als ob man zu nichts zu gebrauchen wäre, dass habe ich schon früh gelernt. Ich habe versucht zu vergessen, was passiert ist, was sie mir angetan haben, aber manchmal...
 

~Ich will vergessen, ich will nicht vergessen, diese widersprüchlichen Gefühle~

~Ruhig, ich stehe hier ganz für mich~

~Allein, nur mit dem Schnee und dem Szenario Farbe zu geben, aber~

~Immer noch, für immer, sodass ich nicht vergessen werde~
 

~GARDEN- Ich wünsche, dass ich dich irgendwann immer treffen kann~

~GARDEN- inmitten der vergehenden Jahreszeit, wirst du...für immer...~
 

Manchmal kommen die Erinnerungen zurück.

Manchmal fühle ich mich wieder wie früher, in jene Zeit zurückversetzt, sehe mich selbst ihnen so allein gegenüberstehen, wie du jetzt aussiehst, Toshiya, wenn es scheint, als ob dein zerbrechlicher Körper dem Wind kaum standhalten könne.
 

~Ich will vergessen, ich will nicht vergessen, diese widersprüchlichen Gefühle~

~Ruhig, ich stehe hier ganz für mich~

~Die Zeit vergeht schnell, verschwindet aus der Realität~

~Sodass ich diese Erinnerungen nicht vergessen werde~
 

Doch dann sehe ich, wie jemand auf dich zugeht. Es ist Kaoru, dessen violettes Haar im Wind zu fliegen scheint. Er geht zu dir, setzt sich neben dich. Vertrauensvoll legst du den Kopf an eine Schulter. Ich glaube ihr schweigt, aber trotzdem fühlst du dich bei ihm geborgen. Du weißt, dass er dich nie im Stich lassen würde, nicht wahr Totchi?

Wieder seufze ich.

Ich bin mir sicher, dass ich mir jetzt keine Sorgen um ihn machen muss, wenn Kaoru sich um ihn kümmert. Ich stehe auf und sehe dann etwas erstaunt auf das Blatt in meinen Händen. Mir war gar nicht wirklich bewusst, dass ich so viel geschrieben habe.

Etwas verwirrt sehe ich mich im Zimmer um.
 

Dann beschließe ich mir etwas zu trinken kaufen zu gehen, an dem Automaten, der unten in der Eingangshalle steht. Schnell greife ich mir ein paar Münzen und mache mich auf den Weg.

Gerade als ich die Treppe hinunterlaufen will, höre ich Schritte hinter mir.

"Hey du!"

Meine Laune sinkt noch ein Stückchen.

Doch ich drehe mich um und sehe dem Übel, namentlich Kisaki, ins Gesicht.

"Hm?"

Er bleibt vor mir stehen und sieht mich an. Sein Blick ist eine Mischung aus Wut, Arroganz und etwas anderem, dessen ich mir nicht ganz sicher bin.

"Was fällt dir eigentlich ein?" knurrt er mich an.

"Im Moment eigentlich nur, dass ich mir gerade was zu trinken kaufen wollte. Wieso?"

Ich drehe mich um und will weitergehen, doch er hält mich an der Schulter fest.

"Du weißt genau was ich meine."

Ich sehe ihn an, ohne etwas zu erwidern.

"La:Sadies!"

Ich nicke langsam.

"Was soll damit sein?"

Er verdreht kurz die Augen und sieht mich dann an, als wäre ich ein Kleinkind.

"Das ist meine Band klar? Und ich bestimme, was mit der Band passiert!"

"Hab ich mitbekommen..." Meine Gedanken schweifen kurz zu Toshiya, doch Kisaki holt mich sofort in die Realität zurück.

"Dann hör zu: Wenn du Sänger bleiben willst, dann musst du dich nach mir richten! OK?" Seine Stimme wird lauter, und er schreit benahe.

"Ja doch, is ja gut, ich bin nicht taub!"

Ich atme tief durch um mich zu beruhigen. Bisher hat er kein Wort über den Vorfall von vorhin verloren. Aber wenn ich mich jetzt nicht beherrsche, dann kann ich die Band vermutlich vergessen.

"Was soll ich denn deiner Meinung nach anders machen?"

Kurz schaut er ein bisschen verwirrt. Offenbar hat er diese Frage nicht erwartet.

"Naja...wie wäre es zum Beispiel mal mit Texten, die nicht nur von Tod und so nem Kram handeln?"

Seine Stimme ist ruhiger als vorhin. Ich weiß, dass auch ihm die Band viel bedeutet. Nur versucht er das meiner Meinung nach mit den falschen Mitteln durchzusetzen.

Ich nicke.

"Du kannst aber nicht von mir erwarten, dass ich fröhliche Liedchen schreibe. Denn das kann ich nicht. Das werde ich auch nicht tun. Egal was du sagst."

Er legt die Stirn in Falten.

Doch dann nickt er kurz und dreht sich um, um in sein Zimmer zurückzugehen.

Ich atme erleichtert auf und setze meinen Weg ebenfalls fort. Ich dachte schon fast, dass es jetzt wieder eine Diskussion gibt.
 

Ein paar Minuten später bin ich wieder in meinen Zimmer. Die anderen sind nicht hier, vermutlich sind sie in Shinyas und Toshiyas Zimmer. Aber das ist gut so.

Ich will jetzt lieber allein sein. Ich muss nachdenken.

Worüber weiß ich nicht genau, das kommt von allein. Ich weiß auch, dass es letztlich vermutlich auf negative Gedanken hinausläuft, aber der Wunsch meinen Gedanken freien Lauf zu lassen beherrscht mich.

Ich setzte mich auf den Rand meines Bettes und trinke einen Schluck. Meine Augen sehen nach draußen. Mittlerweile hat sich die Dämmerung über den Gebäuden, die mir unbewusst zur neuen Heimat geworden sind, ausgebreitet und die Welt versinkt langsam in der Nacht.

Ich ziehe die Jacke meiner Schuluniform aus und lasse sie neben mich aufs Bett fallen. Mein Blick streift den Verband, den ich noch immer trage.

Dank einer Aneinanderreihung von glücklichen Zufällen haben sie noch nichts davon mitbekommen. Ich will nicht, dass sie es wissen.

Ich bin mir nicht sicher, was sie von mir denken, aber ich will nicht, dass sie sehen wie schwach ich wirklich bin.

Wieder sehe ich Toshiya vor meinem geistigen Auge, wie er weinend und verzweifelt unter dem Baum sitzt. Ich weiß, ich sollte mir das vielleicht nicht ganz so zu Herzen nehmen, aber es macht mich wütend.

Wie kann er ihm das antun?

So mit ihm zu reden, als wäre er nur ein Stück Dreck, dass es nicht wert ist gut behandelt zu werden.

Halb unbewusst löse ich den Verband von meinem Arm und lasse ihn auf den Boden fallen. Meine dunklen Augen richten sich auf die roten Linien, die sich deutlich von der blassen Haut meines Unterarms abheben. Ich streiche mit den Fingern darüber, spüre die Unebenheiten.

Wenn sie das sehen könnten...wenn meine Freunde das sehen könnten, würden sie genauso reagieren, wie alle anderen es getan haben?

Würden sie auch vor Ekel das Gesicht verziehen und sinnlose Phrasen reden, deren Inhalt nichtig ist, nur um ihre wahren Gefühle zu verbergen?

Meine Fingernägel graben sich in die verletzte Haut.

Ich nehme den Schmerz wahr, aber ich fühle ihn nicht bewusst.

Nur ein dumpfes Pochen dringt an meine Sinne.

Mein Gesicht verzieht sich zu einem Grinsen als ich die Haut entlang kratze und so neue rote Striemen hinterlasse.

Um die Schwäche zu verbergen trage ich die Maske des Wahnsinns.

Und es trifft mich wie ein Schlag ins Gesicht.

Es ist nicht Toshiya um den ich mir Sorgen mache. Nein.

Es ist lediglich die Angst, dass es mir wieder genauso gehen könnte wie ihm. Dass ich ihn getröstet habe war nichts anderes, als Egoismus um mein schlechtes Gewissen zu trösten. Mein schlechtes Gewissen darüber, dass ich mich insgeheim freute, dass nicht ich es war, der verletzt wurde.

Ich spüre wie mein Gesicht sich weiter verzerrt, als ich wieder und wieder mit den Fingernägeln meinen Arm malträtiere.

"Elender Masochist", knurre ich mir selbst zu, stachle mich damit nur weiter an.

Kann nur mühsam ein krankes Kichern zurückhalten.

Gerade als meine Hand zu der Tasche mit der Rasierklinge wandert schlägt mit einem Krachen die Tür auf und meine Freunde stehen im Zimmer.

Sie starren mich an. Fassungslos.

Ich starre zurück. Nicht minder geschockt.

Sie haben mich gesehen. In einem meiner schwachen Momente erwischt. Etwas, dass ich mir geschworen hatte, dass sie es nie sehen sollten.

Es herrscht Schweigen.

Keiner von uns fünfen bewegt sich nur einen Millimeter.

"Kyo, was...?" setzt Kao schließlich an.

Ich schüttle den Kopf.

Ich will es nicht hören.

Will nicht hören, was er und die Anderen mir sagen wollen.

Ich kenne die Worte, die jetzt kommen. Ich kenne jedes einzelne.

Schwach.

Dreck.

Widerlich.

Und am schlimmsten, die Frage, die sie alle stellen, egal wer sie sind, oder was sie denken:

Warum tust du das?

Braucht man für alles, was man tut eine Erklärung?

Das Schweigen hält an. Ich lasse meine Blicke schweifen.

Meine Freunde starren abwechselnd in mein Gesicht und auf meinen noch immer entblößten Unterarm. Doch ich sehe keinen Hass, keinen Zorn in ihren Blicken, wie sonst immer.

Ich sehe etwas, das ich nicht definieren kann, ich kenne es nicht.

Mein Gehirn setzt aus.
 

Die Starre meiner Freunde ausnutzend springe ich auf und renne an ihnen vorbei aus dem Zimmer. Ich weiß nicht warum, aber ich habe aufgehört zu denken.

Ich weiß nur, dass ich es nicht hören, nicht sehen will. Ich muss dringend hier weg.

Hier ist es zu eng, zu begrenzt.

Ich stolpere mehr, als das ich renne aus dem Schulgebäude.

Immer weiter, einfach weiter. Ohne genaues Ziel.

Ich höre meine Schritte auf dem harten Boden und mein Puls klopft in meinen Ohren. Irgendwann erreiche ich die ersten Bäume, des kleinen Waldes, der an das Schulgelände grenzt.

Ohne mein Tempo zu verringern laufe ich weiter. Wie ein gehetztes Tier jage ich durch den Wald, obwohl ich nichts sehe und jegliche Orientierung verloren habe.

Ich glaube etwas hinter mir zu hören und drehe mich um.

Ein Fehler, wie ich nur Bruchteile einer Sekunde später erfahren muss. Ich bleibe mit meinem Fuß irgendwo hängen und schlage der Länge nach auf dem Waldboden auf.

Mein Kopf trifft auf etwas Hartes.

Die Erinnerung verschwindet.
 

Als ich die Augen offne starre ich in die Dunkelheit. Ich weiß nicht genau wo ich bin, fühle nur den unebenen Waldboden unter meinem Körper. Nicht einmal der Mond scheint in einer Nacht wie dieser. Langsam richte ich mich auf, doch als ich ganz aufstehen will, schreie ich kurz vor Schmerz auf und lasse mich zurück auf den Boden sinken. Ich scheine mir zu allem Überfluss auch noch den Knöchel verstaucht zu haben. So fühlt es sich jedenfalls an.

"Scheiße!"

Warum muss das nur immer sein? Warum muss immer dann, wenn es gerade einmal halbwegs gut läuft in meinem Leben, etwas passieren, dass wieder alles über den Haufen wirft.

Ich versuche Kisaki die Schuld dafür zu geben, aber so dumm bin ich nicht. Ich weiß, dass meine jetzige Situation meine eigene Schuld ist, weil ich der Schwäche nachgegeben habe.

Wütend schlage ich mit der geballten Faust auf den Waldboden ein.

Die Nacht ist zwar nicht wirklich kalt, aber selbst ich, der das Alleinsein eigentlich mag, fühle mich unendlich einsam hier draußen.

Einsam und unbedeutend.

Verlassen.

Ich verfalle in dumpfes Brüten darüber, wie ich hier nun wieder wegkommen soll. Vielleicht bleibe ich einfach sitzen, so lange bis es heller wird und versuche dann zurück zu laufen. Einen Stock, auf dem ich mich anstützen kann, werde ich wohl finden.

Ich versuche ein weiteres Mal mich aufzurichten. Nicht von mehr Erfolg gekrönt, als der erste Versuch. Aber ich glaube ich habe etwas gehört.

Kann doch aber eigentlich nicht sein, oder? Ich meine, wer sollte mitten in der Nacht durch den Wald laufen.

Doch ich höre es wieder. Jemand ruft etwas. Immer ein und dasselbe Wort.

Was ist das?

Dann sehe ich Licht durch die Bäume blitzen.

Jemand scheint mit einer Taschenlampe auf mich zu zukommen. Ich will rufen, auf mich aufmerksam machen, aber meine sonst so kräftige Stimme versagt mir den Dienst.

Ich sitze nur da, wie ein erstarrtes Kaninchen, während das Licht immer weiter auf mich zukommt.

Nun verstehe ich auch, was diese Person ruft, auch wenn ich es nicht begreifen kann.

Wer würde nachts durch den Wald laufen und mich suchen? Meinen Namen rufen?

Ich kneife die Augen zusammen, als das Licht mich erreicht und mich blendet.

"Oh mein Gott, Kyo!"

Die Person kommt schnell näher, kniet sich neben mich und zieht mich fest in ihre Arme.

"To...shiya?"

Meine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern, doch er lächelt mich strahlend an und nickt.

"Hai. Was machst du nur für Sachen. Komm, lass uns zurückgehen..."

Ich versuche ein drittes Mal aufzustehen, kann mich aber wieder nicht auf den Beinen halten. Toshi scheint zu merken, dass etwas mit meinem Fuß nicht stimmt. Er greift nach mir und hebt mich kurzerhand hoch um mich zu tragen. Für ihn ist es sicher kein Problem.

Ich gebe einen überraschten Laut von mir und zapple aus Reflex herum. Doch mein rocktragender Begleiter sieht mich nur streng an.

"Willst du etwa laufen?" Ich murre etwas Unverständliches, woraufhin er beginnt zu lächeln.

"Na also."

Er macht sich auf den Weg zurück zur Schule, während ich jetzt die Taschenlampe halte. Ich lehne mich an ihn an und schließe erschöpft die Augen.

Dafür also hat man Freunde.

Chapter three ~Embryo~

(noch ne kleine Amnerkung meinerseits: der Text ist der von Embryo in der Singleversion, ne ^^)
 

Ich erwache langsam. Meine Sinne erwachen zu neuem Leben. Ich fühle Wärme, Geborgenheit um mich. Ich versuche meine Augen zu öffnen. Nach einigen Versuchen gelingt es. Ich liege in meinem Bett.

Ich brauche einen Moment um zu verstehen, zu begreifen, was passiert ist. Seufzend setze ich mich auf, unterdrücke nur unvollkommen einen kleinen Schmerzensschrei, als ich aus Versehen meinen Fuß bewege.

Mist. Das tut verdammt weh.

Das Geräusch, das ich von mir gegeben habe hat die Aufmerksamkeit anderer Menschen auf mich gelenkt. Vier Köpfe fahren gleichzeitig zu mir herum und vier dunkle Augenpaare blicken mich an. Ich schaue verwirrt zurück.

Was haben sie?

Ich bekomme langsam etwas Angst weil keiner meiner Freunde auch nur ein Wort sagt. Halten sie mich jetzt, da sie mein "Geheimnis" kennen, nicht mehr Wert genug um Worte an mich zu verschwenden?

Ich will gerade ansetzen etwas zu sagen, als Kaoru die Stille bricht.

"Kyo..." Seine Stimme klingt ernst, aber nicht anklagend. Das macht mich irgendwie nervös. Fragend richte ich meinen Augen auf ihn.

"H...hai?" Meine Stimme klingt heißer, als würde sie bröckeln.

"...Wieso hast du das gemacht?"

Ich seufze. Hab ich es nicht gesagt? Alle stellen die gleiche Frage.

"Wieso bist du einfach abgehauen? Das war total unverantwortlich von dir! Stell dir doch mal vor einem von uns wäre was passiert? Oder du hättest dich noch schlimmer verletzt und Toshiya hätte dich nicht gefunden! Hast du eigentlich auch nur eine Sekunde nachgedacht bevor du gehandelt hast?"

Meine Kinnlade klappt herunter.

Ich habe alles erwartet, aber das mit Sicherheit nichts. Was soll das? Müsste er mir jetzt nicht eigentlich Vorwürfe machen oder mich beschimpfen, wegen dem was ich tue? Wegen dem was ich bin?

Langsam schließe ich den Mund wieder. Fühle das kalte Metall meines Piercings.

Ich weiß nicht was ich sagen soll.

Kaoru setzt ein weiteres Mal zum sprechen an, aber Die hält ihn zurück.

"Lass ihn erst einmal wieder zu sich kommen, Kao", meint er ungewohnt ernst. Erst jetzt sieht der Angesprochene seinen rothaarigen Freund aufgebracht an, nickt aber schließlich.

Ich komme mir allmählich ziemlich bescheuert vor, wie ich mit großen Augen verständnislos in die Runde schaue.

"Seid...seid ihr denn nicht sauer auf mich?" bringe ich schließlich mühevoll hervor.

Toshiya lässt sich neben mich aufs Bett fallen.

"Nö." Er grinst mich an. "Höchstens weil ich mir wegen dir meine schönen Plateaus versaut hab...scheiß Waldboden..."

Meine Augen müssen mittlerweile so groß sein wie Untertassen.

"A-aber..." Ich gestikuliere vage in Richtung meiner Unterarme.

Sofort wird Kaoru's Blick ernst.

Auch die anderen schauen nun wieder ernster und irgendwie besorgt.

"Naja..." beginnt der Violetthaarige zu sprechen. "Um ehrlich zu sein...ich hab das schon länger gewusst...ich hab es schon mitbekommen, kurz nachdem du hier ankamst..."

Jetzt schaltet Shinya sich ein.

"Kao-san hat es uns erzählt als er es herausgefunden hatte...aber...wir waren uns alle einig darin nichts zu sagen...und dich auch nicht zu fragen..."

"Warum?" Ich streiche mir immer verwirrter meine Haare aus dem Gesicht.

"Naja...." Die lächelt leicht und streckt sich ein bisschen. "Wir wollten, dass du es irgendwann von allein sagst...Wir wollten nicht das bisschen Vertrauen zerstören, dass du uns vielleicht entgegenbringst..."

Ich bin baff. Total und hoffnungslos geplättet.

Und das passiert mir wahrlich nicht oft.

Sie haben geschwiegen, weil sie mich nicht verletzen wollten, indem sie mich danach fragen. Sie wollten, dass ich es ihnen von sich aus sage...aus...Rücksicht auf mich?

Ich schüttle leicht den Kopf.

"Da hättet ihr lange warten können...ich hätte es euch nie gesagt..."

Immer noch erschöpft lasse ich mich zurück in mein Kissen sinken.

"Tja..." der Blauhaarige zieht mir frech die Decke weg. "Das hätten wir auch akzeptiert...aber nichtsdestotrotz musst du jetzt aufstehen. Du musst zum Unterricht."

Ich verziehe gequält das Gesicht.

"Muss ich wirklich?"

Alle vier nicken synchron.

"Hai musst du." Shinya lächelt leicht.

"Menno..."

Ich hieve meinen Körper aus dem Bett und suche mir meine Klamotten und mein Duschzeug zusammen. Dann rapple ich mich ganz auf und humple vorsichtig in Richtung Duschen.
 

Als ich zurückkomme ist nur noch Die in unserem Zimmer.

"Die anderen sind schon vorgegangen, der Unterricht hat ja schon begonnen", erklärt er mir. Ich nicke. Dann lasse ich mich auf mein Bett fallen und suche nach einem Verband für meinen Fuß. Ich fische einen aus meiner Reisetasche und beginne meinen verknackten Knöchel zu verbinden, um ihn zu stützen.

Daisuke sitzt in seinem Bett, mir gegenüber.

"Sieht ganz schön professionell aus, wie du das machst..." Es ist kein Vorwurf, lediglich eine Feststellung.

Ich nicke.

"Hab ja auch genug Übung..." antworte ich sarkastisch. Dann befestige ich den Verband und stehe auf um meinen Fuß probeweise zu belasten. Es tut nicht mehr so weh wie vorhin. Vorsichtig schlüpfe ich im meine Schuhe.

"Ok, lass uns gehen."

Die, der mich bisher schweigend beobachtet hatte, nickt und steht ebenfalls auf.

Irgendwie ist er heute anders als sonst. So ganz anders. Er albert nicht herum wie sonst, versucht nicht, mich zum lachen zu bringen, oder mich zu ärgern. Er grinst mich zwar frech an, als wir das Klassenzimmer betreten, aber ich spüre, dass es nicht sein übliches, herzliches Lächeln ist.

Während ich den Unterricht an mir vorüberziehen lasse mache ich mich Gedanken um ihn. Ich frage mich, oder besser gesagt ich befürchte, dass seine Veränderung etwas mit mir zu tun hat. Mit dem was ich getan habe. Dieses Gefühl nagt an mir. Ich würde ihn gern danach fragen, aber ich will nicht aufdringlich erscheinen.
 

~~~

Als die Stunde vorüber ist werden Die und ich von Kao abgeholt. Unser Geschichtskurs macht eine Exkursion zu der Ruine eines in der Nähe gelegenen Tempels. Während Kaoru und Die vor mich laufen schleiche ich ihnen immer noch in Gedanken versunken hinterher. Nach scheinbar ewigem Marsch kommen wir bei der Ruine an. Von der ursprünglichen Pracht des Gebäudes ist kaum noch etwas zu erkennen, trotzdem erhebt sie sich fast mit einer Art stolzem Trotz vor uns, seit Jahrhunderten allem standhaltend das versucht sie zu zerstören. Stiller Zeuge vergangener Zeiten.

//Dieser Tempel muss schon viel Leid gesehen haben...// schießt es mir durch den Kopf.

Ich setze mich auf einen großen Stein, während unser Lehrer beginnt über die Geschichte des Gebäudes zu reden. Ich höre ihm nicht zu. Wer es erbaut hat ist für mich nicht wichtig, auch wofür es errichtet wurde nicht. Allein seine Wirkung zählt für mich.

Ich bin beeindruckt. Lasse immer wieder meine Blicke über die zerbröckelnde Fassade schweifen. Auch Kao und Die stehen etwas abseits, scheinen sich leise zu unterhalten. Beide mit einem ernsten Ausdruck in ihren Augen.

Ich lasse sie allein, denn ich bin mir sicher, dass es um etwas geht, was mich nichts angeht. Sonst würden sie sicher versuchen mit mir zu reden.

Abwesend streiche ich über meine Unterarme. Die neuen und alten wieder ausgerissenen Kratzer jucken furchtbar, weil es heute so warm ist. Seufzend lehne ich mich an den Baumstumpf hinter mir und schließe die Augen.

Ich muss wohl irgendwann eingeschlafen sein, denn Kaoru weckt mich, indem er mich ziemlich unsanft schüttelt und teilt mir mit, dass wir zurückgehen. Ich stehe auf, strecke mich und werfe noch einmal einen kurzen Blick zurück bevor ich mich zum Gehen wende. Auch Die verharrt noch einen Moment bevor er sich uns anschließt. Er scheint wieder bessere Laune zu haben als heute Morgen, denn seine Augen blitzen wieder fröhlich und sein Lachen ist echter, als er uns irgendetwas Belangloses erzählt.
 

~~~

Jetzt, zwei Tage später, ist Samstag. Das Wetter draußen könnte für die Jahreszeit besser sein. Es ist nicht wirklich warm und ziemlich windig. Da alle anderen aber anscheinend keine Zeit für mich haben- Kao diskutiert mal wieder stundenlang mit Kisaki über irgendein Lied und Toshiya ist mit Shinya in die nächste Stadt gefahren um shoppen zu gehen und wo Die ist, weiß keiner so genau- beschließe ich einfach ein wenig durch die Gegend zu laufen. Ich ziehe mir einen schwarzen, schon etwas ausgeblichenen Kaputzenpulli über und verlasse kurze Zeit später das Gebäude.

Ich überlege kurz, wann ich das letzte Mal einfach so durch den Wald gelaufen bin, wie ich es jetzt tue, lasse es letztlich aber dabei bewenden, dass es schon zu lang her ist.

Ohne, dass ich mich bewusst dafür entschieden habe schlage ich den Weg ein, der mich zu dem verfallenen Tempel führt, den wir vor ein paar Tagen besucht haben. Irgendwie passt das Wetter heute perfekt zu dem Szenario, dass diese erhabene Ruine zu verlangen scheint. Neugierig umrande ich das Gebäude, ich hatte das letzte Mal keine wirkliche Gelegenheit es von allen Seiten zu betrachten.

Als ich es umrundet habe, will ich mir gerade eine gemütliche Stelle zum sitzen suchen, als mir ein leicht beißender, aber bekannter Geruch in die Nase steigt. Ich runzle die Stirn und drehe mich suchend um meine eigene Achse. Ich will es schon beinahe als Einbildung abtun, als ich im Inneren des Tempels durch einen Mauerspalt etwas Rotes leuchten sehe. Ich ziehe eine Augenbraue in die Höhe und suche mir einen Eingang in dieses verfallene Gemäuer. Als ich endlich einen gefunden habe bleibe ich nochmals stehen. Ich hatte mich also nicht getäuscht.

Mit dem Rücken an einen zerbröckelnden Mauerrest gelehnt, sitzt Daisuke auf dem Boden. Die Augen hat er geschlossen, nur seine Hand bewegt sich, wenn er seine Zigarette zum Mund führt und daran zieht. Das erklärt den Geruch.

Vorsichtig gehe ich auf ihn zu, um ihn nicht zu erschrecken.

Ich bleibe vor ihm stehen, als er mich immer noch nicht bemerkt zu haben scheint. Ich starre ihn an, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll. Schließlich nehme ich den einfachsten Weg.

"...Die?"

Meine Stimme zerbricht die um uns herrschende Stille, in der das Pfeifen des Windes durch die Mauerlöcher das einzige Geräusch war.

Langsam schlägt er die Augen auf und sieht mich an.

"...Kyo? Was machst du denn hier?"

Er bemüht sich normal zu sprechen, doch ich höre an seiner Stimme, dass etwas nicht in Ordnung ist. Ich setze mich neben ihn auf den staubigen Boden und zünde mir ebenfalls einen Glimmstängel an. Nach einem kräftigen Zug sehe ich meinen rothaarigen Freund forschend von der Seite an.

"Was is los mit dir, Die?"

Er zuckt nur mit den Schultern und versucht sich in ein schiefes, für ihn so total untypisches, Lächeln zu retten.

"Was soll sein?"

Ein weiteres Mal ziehe ich die Augenbrauen nach oben.

"Na hör mal. Du würdest, wenn nicht irgendetwas wäre, nie hier so mutterseelenallein in der Pampa in einem halb zusammengefallenem Tempel rumhocken...So gut kenn ich dich dann doch schon mein Lieber..."

Ein verbitterter Ausdruck schleicht sich auf sein Gesicht.

"...mutterseelenallein trifft es gar nicht mal so schlecht...."

Ein weiterer Zug an seiner Zigarette lässt schneidende Stille entstehen, die ich beinahe greifen zu können glaube.

"Wie...wie meinst du das?"

Er zuckt wieder nur mit den Schultern, so als hätte er das nur so vor sich hin gesagt und es beträfe ihn gar nicht wirklich.

"Naja..." setzt er dann wieder an. "Wenn man niemanden hat, dann ist man doch allein, oder?" Seine Stimme ist leise, er schaut hinauf in den Himmel, den man durch das kaputte Dach erkennen kann.

"Du bist doch nicht allein...du hast doch Toshi, Shin, Kao und mich und-" Eine knappe Handbewegung schneidet mir das Wort im Mund ab und wieder lächelt er traurig.

"Ja, ich weiß...aber das meine ich nicht..."

Jetzt bin ich es der seufzt. Es scheint, als stünde Die in einem innerlichen Kampf mit sich selbst, darum ob er mir nun erzählen soll, was ihm so zusetzt oder nicht. Ich beschließe noch einmal ein bisschen nachzuforschen.

"Was meinst du dann?"

Ich rutsche noch ein paar Zentimeter zu ihm heran und lege ihm einen Arm um die Schultern. Ich muss kurz über mich selbst lächeln, denn noch vor ein, zwei Monaten wäre ich lieber gestorben als einem Menschen so nahe zu kommen. Aber die Zeiten können sich eben ändern.

Einige Momente schließt er die Augen und zeigt keine Regung. Dann entweicht ein weiteres trauriges Seufzen seinen Lippen und er schnippt den Zigarettenstummel von sich weg auf den Boden. Ich tue es ihm gleich, denn ich bin kurz davor mir die Finger zu verbrennen.

"...weißt du..." durchbricht dann Die's traurige Stimme das Lied des Windes.

"...ich würde gern versuchen es dir zu erzählen...aber...ich weiß ehrlich gesagt nicht wie ich anfangen soll..."

"Wie du willst...fang einfach an, wenn du etwas loswerden willst..."

Wer hätte je so viel Einfühlsamkeit von mir erwartet? Ich jedenfalls nicht...aber Die ist mein Freund, da passiert das wohl automatisch.

Er atmet noch einmal tief durch und richtet sich dann ein bisschen auf, da er in der Zwischenzeit an der Mauer heruntergerutscht ist. Dann nickt er, wie um sich selbst noch einmal in seinem Vorhaben zu bestärken.

"Mh...ok...weißt du, die Einzigen, die sonst noch davon wissen sind Shinya, Toshiya und Kaoru...deswegen haben sie sich heute auch alle eine andere Beschäftigung gesucht..., weil sie wissen, dass ich an diesem Tag heute nicht zu allzu viel zu gebrauchen bin..." Er lächelt mich wieder schief von der Seite an, und ich nicke ihm zu.

Dann beginnt er zu erzählen und ich höre ihm erst einmal nur zu.

"...Weißt du, früher als ich noch zuhause gewohnt habe waren wir eine ganz normale Familie. Meine Eltern waren relativ glücklich verheiratet und mir und meinem älteren Bruder Kazuki ging es gut, wir hatten eine schöne Kindheit könnte man sagen...Kazuki war 5 Jahre älter als ich..."

Er schweigt und ich sehe ihn erstaunt an.

"War?" Unwillkürlich habe ich meinen Gedanken laut ausgesprochen. In mir macht sich ein ungutes Gefühl breit.

Wieder scheint er mit sich zu kämpfen.

"Ja...war...er...lebt nicht mehr...genauso wie meine Eltern."
 

~Menschen, die sich nicht verändern~

~Menschen, die verrotten~

~Menschen, die sterben~

~Bitte, bring die Menschen, die ich liebte zurück~

~Menschen, die geboren werden~

~Menschen, die Verbrechen begehen~

~Der Schmerz beginnt jetzt~
 

Ich starre ihn entsetzt an. Ist das wirklich wahr, was er mir gerade erzählt hat? Aber warum sollte er lügen? Wirklich glauben kann ich es trotzdem nicht. Ich hätte nie gedacht, dass Jemand wie Die so eine...grausame Vergangenheit in sich trägt.

"Würdest du..." beginne ich, doch er nickt, noch bevor ich meinen Satz beendet habe.

"Ja...dir kann ich es erzählen...immerhin besser als hier allein rumzusitzen und nichts zu tun..." Er holt noch einmal tief Luft.

"Wie gesagt...wir waren eigentlich eine glückliche Familie. Mein Bruder war ein wunderbarer Mensch, er hat sich immer um mich gekümmert, wenn meine Eltern mal keine Zeit hatten...all so was eben...Nach außen hin war er auch immer ein fröhlicher, ausgeschlossener Junge, wie man so schön sagt...aber er wurde wohl, meist unabsichtlich, zu sehr unter Druck gesetzt...Ich weiß nicht wie es in ihm ausgesehen hat...aber er muss sehr gelitten haben...denn durch seinen schulischen Erfolg und all das hatte er nie richtige Freunde..."
 

~Menschen, die sterben Glückliche Gesichter~

~Menschen, die geboren werden Traurige Gesichter~

~Auf Wiedersehen Mutter~

~Die Menschen in dieser Welt tun das nicht~

~Die Menschen in dieser Welt verletzen andere ohne es zu wissen~

~Ich bin allein~
 

Die legt das Gesicht auf seine verschränkten Arme, die auf seinen Knien ruhen.

"...irgendwann ist es ihm dann wohl zu viel geworden...und er kam nicht mehr weiter...er hat sich das Leben genommen...genau heute...vor 6 Jahren..."
 

~Ohne ein Gesicht Alle in Menschenmengen~

~Ohne ein Gesicht Es nur ertragend~
 

Ich schweige, ich will Die nicht unterbrechen, der sich eben fahrig ein paar kleine Tränen aus den Augenwinkeln wischt.

"Manchmal denke ich...ich hätte es sehen müssen...hätte ihm vielleicht helfen können...wäre ich für ihn da gewesen, als er mich brauchte, so wie er früher für mich da gewesen ist, dann würde er vielleicht noch leben..."
 

~Siehst du?~

~Ich bin so kurz davor zerstört zu werden ~

~und mein Herz herausgeschnitten zu bekommen~

~Ich möchte nur in deinen warmen Armen einschlafen~
 

Jetzt zuckt Die mit den Schultern, so als hätte er es akzeptiert...oder vielleicht so als wüsste er nun nicht mehr weiter...ich kann es nicht genau sagen.

"Und..." ich wage nun doch nachzufragen. "...deine Eltern...was ist mit denen?"

Ein bitteres Lächeln schleicht sich auf seine ohnehin angespannten Züge.

"Eine dramatische Verkettung tragischer Umstände...haben sie damals gesagt, als ich erfuhr, dass meine Eltern gestorben sind...es war ziemlich genau ein Jahr nachdem Kazuki gestorben ist...meine Mutter wollte wohl zu ihm...sie schluckte eine Überdosis Schlaftabletten...aber sie überlebte...zumindest das, weil mein Vater sie fand und sie sofort ins Krankenhaus schaffte..." Er hält kurz inne um durchzuatmen.

"...auf dem Weg dorthin ist ihr Auto von einem Lastwagen gerammt worden und gegen einen Baum geprallt...die beiden hatten keine Chance zu überleben...das haben alle damals zu mir gesagt...nur hat mir das auch nichts genützt..."
 

~My sweet mother Lächle für mich~

~Möge dieser warme Schlaf der letzte sein~

~Deadly sweet mother Lächle für mich~

~Lass uns schlafen und den Schmerz dieser Nacht in uns behalten~
 

Er schnieft kurz und sieht mich dann mit dunklen, unendlich traurigen Augen an.

"Ich weiß es ist sinnlos, aber ich wünsche mir oft, dass das alles nur ein bitterer Traum war, und sie irgendwann zurückkommen...idiotisch oder?"
 

~Siehst du?~

~Es gibt keinen Frieden Der Frieden wird von einer Mauer begrenzt~

~Bitte, bring die Menschen, die ich liebte zurück~

~Siehst du?~

~Die Regeln, die Dinge sind festgelegt~

~und die Menschen, die die Regeln im Inneren leben lassen leben ohne Freiheit~
 

Ich schüttle den Kopf.

"Nein, nicht idiotisch...ich kann das nachvollziehen...ein bisschen zumindest...du willst die letzte Hoffnung darauf, dass dir die wichtigsten Menschen in deinem Leben genommen wurden nicht, nicht aufgeben...das ist doch ganz natürlich..."

Ich lehne meinen Kopf an die Mauer hinter mir und schließe die Augen. In gewisser Weise kann ich ihm vielleicht nachfühlen. Meine Eltern haben sich nie um mich gekümmert...vermutlich hätte es keinen Unterschied gemacht, wenn sie tot gewesen wären. Aber mir lag auch nie viel an meinen Eltern. Er hingegen...scheint seine Familie geliebt zu haben. Noch eines der Dinge die ich nicht kenne.
 

~Menschen, die nicht lächeln können~

~Sie wissen das und können immer noch nicht lächeln~

~Es gibt die Freiheit Selbstmord zu begehen~

~Menschen, die nicht lächeln können Dies ist dein letztes Lächeln~

~Menschen, die nicht lächeln können Das ist euer Grund für Selbstmord~

~Ich bin allein~
 

"Die?" Er zuckt ein bisschen zusammen, als ich seinen Namen ausspreche. Dann wendet er mir sein Gesicht ein bisschen mehr zu.

"Ich...bin mir zwar sicher, dass ich nicht wirklich sagen kann, wie es sich für dich anfühlen muss, aber...", ich stocke kurz, "...eines ist sicher. Ich weiß ganz genau, wie es ist, allein zu sein...das kann ich nachvollziehen..."

Er sieht mich erstaunt an.

"Wieso das denn?"

Ich zucke mit den Schultern.

"Naja...ich habe zwar Eltern...aber mit denen bin ich etwa so sehr verbunden wie ein Vogel mit der Tiefsee..."

Leise lacht Die über diesen Vergleich, lässt mich aber weiter sprechen.

"...wären meine Eltern tot, hätte das nicht wirklich etwas in meinem Leben geändert. Die meiste Zeit war ich ihnen sowieso eine Last und sie haben immer einen Weg gesucht mich irgendwo abzustellen...deswegen bin ich jetzt hier. So kann ich sie nicht mehr bei ihrem ach so tollen Leben stören..."
 

~My sweet mother Lächle für mich~

~Möge dieser warme Schlaf der letzte sein~

~Deadly sweet mother Lächle für mich~

~Lass uns schlafen und den Schmerz dieser Nacht in uns behalten~

~My sweet mother Lächle für mich~

~Möge dieser warme Schlaf der letzte sein~

~Deadly sweet mother Lächle für mich~

~Lass mich zur Freiheit Auf Wiedersehen sagen~
 

Ohne dass ich es merke hat sich ein bitteres Lächeln auf meine Lippen geschlichen. Doch Die hat es gesehen und wuschelt mir sanft durch meine ohnehin zerzausten Haare, was ich mit einem verärgerten Geräusch quittiere. Ich schaue ihn an. Für einen kurzen Moment lässt die Traurigkeit in seinen Augen nach und ein wirkliches Lächeln strahlt mir entgegen. Doch als ich seinen Arm abwehre rutscht mein Ärmel zurück und Die sieht meine zerschundenen Unterarme. Er lässt von mir ab und hält meinen Arm mit beiden Händen fest. Ernste, traurige Augen starren auf die zerkratzte Haut herunter.

"Kyo...?" Seine Stimme klingt unsicher, aber irgendwie trotzdem bestimmt.

"Hai?" Ich ziehe die Augenbrauen zusammen. Ich kann mir zwar vorstellen was er mich gleich fragen wird, aber das warum ist mir ein Rätsel.

"Warum...tust du das?" Mit zitternden Fingern streicht er vorsichtig über meine Haut. Ich beginne abwesend auf meinem Piercing herumzukauen und überlege mir eine Antwort. Ich weiß warum, natürlich, aber ich bin mir nicht sicher, ob er es versteht, wenn ich es sage.

"Naja...", Unsicherheit begleitet meine Stimme. "Weißt du...manchmal...wird mir einfach alles...zuviel...Es muss nicht immer einen Grund haben, manchmal ist der Schmerz in meinem Inneren einfach da...aber oft sind es Dinge...die geschehen... Dinge, die gesagt werden...oder Gedanken, bei denen sich mein Herz zusammenkrampft..."

Ich schweige kurz und sehe ihn an. Sein Blick ist ein bisschen verwirrt und fordert mich dazu auf weiter zu sprechen, damit er mich versteht. Ich atme kurz durch.

"Wenn ich dann die Klinge nehme...ist es Erleichterung für mich...ich kann den seelischen Schmerz ein wenig...eindämmen...betäuben...durch den Körperlichen... aber manchmal...bin ich auch nur wütend...wütend auf mich selbst...weil ich...Dinge nicht ändern oder verhindern kann...weil ich nach außen zwar unnahbar erscheinen kann, aber innerlich schwächer als ein Kleinkind bin...und weil ich mir das antue..."

Wieder zucke ich mit den Schultern. Mein Blick schweift zu meinem Arm, den Die noch immer festhält und immer wieder, unablässig über die kleinen Unebenheiten fährt, die durch die Narben entstanden sind. Ich setze erneut an.

"Aber..."

"Mein Bruder ist gestorben weil er sich die Pulsadern aufgeschnitten hat.", unterbricht mich Die's Stimme.

"Meinst du es ging ihm genauso wie dir, Kyo?"

Ich kann ihn nur mit einer Mischung aus Entsetzen und Besorgnis ansehen. Jetzt ist mir auch klar, warum er sich so seltsam verhalten hat. Ich schüttle schwach den Kopf.

"Ich weiß es nicht...aber...eins kann ich dir mit Sicherheit sagen: Ich habe nicht vor mich umzubringen. Auch wenn ich früher manchmal kurz davor war. Ich hatte wohl nicht den Mut...und jetzt...habe ich ja etwas, wofür ich leben kann, wofür es sich lohnt."

"Und was?" Ich beginne zu Lächeln. Ein ehrliches Lächeln, das ich wohl erst gelernt habe, seit ich hier bin.

"Ich habe die Band...und ich habe euch vier. Und das reicht mir."

Er nickt.

"Stimmt...Sag mal...kann ich dich trotzdem um etwas bitten?"

"Was denn?"

Er schaut zu Boden, so als traute er sich nicht, mich bei dem was er sagt anzusehen.

"Könntest...du...wenigstens versuchen...damit aufzuhören? Mit dem Ritzen meine ich..."

Ich überlege einen Moment. Dann schüttele ich langsam den Kopf.

"Ich glaube nicht, dass das so einfach geht...Manchmal hab ich einfach keine andere Wahl...so fühlt es sich zumindest an...Ich werde mir nichts antun...das verspreche ich dir...und das muss dir leider reichen..."

Kurz herrscht Stille.

"Nagut...dann werde ich dir da vertrauen..."

Er wirft einen letzten Blick auf meinen Arm und lässt dann von ihm ab.

Dann erhebt er sich und streckt mir seine Hand entgegen.

"Lass uns gehen, Kyo...langsam wird es mir hier wirklich zu ungemütlich..."

Ich lasse mich von ihm auf die Beine ziehen und vergrabe mich dann tief in meinem Pullover. Als wir wieder vor der Ruine stehen werfen wir beide einen Blick zurück. Ich denke keiner von uns wird dieses Gespräch vergessen. Ich sehe zu Die und er erwidert mein Lächeln, während er sich vollkommen unnütz die Haare aus dem Gesicht streicht, die schon einen Augenblick später wieder wie eine rotes Banner im Wind wehen. Erst jetzt fällt mir auf, dass es noch stürmischer ist als zu dem Zeitpunkt zu dem ich herkam. Ein Blick in den Himmel macht mir klar, dass wir uns beeilen sollten, wenn wir nicht riskieren wollen in ein übles Gewitter zu kommen. Die scheint dasselbe zu denken, denn beinahe zeitgleich machen wir uns zügig auf den Heimweg.
 

~~~

Jetzt, ca.1 Stunde später sitze ich in meinem Zimmer. Habe frische Klamotten an und ein Handtuch um die Schultern mit dem ich mir gerade die Haare trocken frottiert habe. Es war natürlich klar gewesen, dass wir es nicht mehr bis zum Internat geschafft hatten, sondern, wie zwei begossene Pudel, triefend nass bis auf die Knochen dort ankamen. Kao, Shin und Toshi fanden das natürlich urkomisch, aber wir wollten einfach nur noch trockene Klamotten haben.

Ich weiß im Moment nicht so genau was ich denken soll. Einerseits ist es wirklich heftig, was Die mir da über sich erzählt hat und ich frage mich wirklich, wie er es schafft das alles so...zu verschließen. Als ich ihn kennen lernte dachte ich er sei ein totaler Spaßvogel und mehr als nur ein bisschen durchgeknallt. Aber heute habe ich zum ersten Mal den Menschen gesehen, der wirklich hinter Die's Fassade steckt. Aber ein bisschen glücklich macht mich das auch. Glücklich, weil er mir irgendwie zu vertrauen scheint, sonst hätte er mir so etwas nicht anvertraut.

Ich lasse das Handtuch zu Boden fallen und blicke auf das Bett gegenüber. Dort hat Die sich zusammengerollt und die Augen geschlossen. Er schläft nicht, das weiß ich. Er liegt einfach da und tut nichts, das kenne ich gut. Also lasse ich ihn in Ruhe und lege mich selbst ein bisschen hin um die letzten Minuten Ruhe zu genießen bevor die Anderen wiederkommen, die gerade etwas Warmes zu trinken organisieren wollen. Wo auch immer.

Das bringt mich allerdings auf einen anderen Gedanken. Ich runzle die Stirn und starre nach oben auf die Unterseite des Bettes über mir. Wo ist eigentlich Kisaki? Den habe ich vorhin nicht gesehen. Aber das ist oft so, dass er irgendwie manchmal einfach nicht da ist. Vielleicht sollte ich Kao mal fragen...aber ein anderes Mal. Denn jetzt rennen Totchi und Kao beinahe die Tür ein bei dem Versuch gleichzeitig ins Zimmer zu kommen. Breit strahlend stellen sie eine Kanne heiße Schokolade, sowie 5 Tassen auf den kleinen Tisch in unserem Zimmer. Shinya sieht ihnen wie immer mit einem stillen, amüsierten Lächeln zu und setzt sich schließlich neben mich aufs Bett, als ich mich aufrichte. Auch Die hat sich aufgerappelt und sieht wieder etwas glücklicher aus als vorhin.

Ich stehe auf und versuche unbeschadet an den beiden rangelnden Jungen vorbeizukommen, die sich gerade darüber streiten, wer denn jetzt die Schokolade eingießen darf. Als ich es schließlich geschafft habe beuge ich mich zu Die's Ohr hinunter.

"Siehst du. Du bist nicht allein. Sie uns doch einfach als eine Art Familie an...wenn auch eine sehr durchgeknallte..." füge ich grinsend mit einem Fingerzeig auf die beiden Streithähne hinzu.

Er sieht mich an und grinst ebenfalls.

"Und was bist du? das Haustier?" Er wuschelt mir lachend durch die Haare und steht dann auf um sich selbst Schokolade zu holen, während ich mich wieder Shinya setze, der die ganze Szene beobachtet hat. Er nickt mir zu.

"Schön, dass es Die wieder besser geht..."

"Hai...", stimme ich ihm zu.

Ich will noch etwas sagen, aber ein breit grinsender Toshiya taucht vor mir auf und drückt erst mir und dann Shinya eine dampfende Tasse in die Hand. Die Wärme die davon ausgeht scheint durch meinen ganzen Körper zu strömen. Ich gebe zu, dass ich mich in diesem Moment wohler fühle, als jemals sonst in meinem Leben.

Chapter four ~undecided~

erstmal ein gomen, dasse s so lang gedauert hat, aber ich hatte ne blockade ^^° ich wusst nich wie ichs schreiben sollt...aber naja...ich mags zwar, aber so toll isses nich *seufz* mich selbst stören die zeitsprünge ein bisschen *lach* aber egal...es wieder länger als das letzte...viel spaß beim lesen und haltet die augen auf, der epilog (ja, dass is das eltzte richtige kapi) kommt auch in kürze, den hatte ich scho vor ein paar wochen fertig ^^°
 

~~~
 

Seit dem Gewitterdilemma von Die und mir sind jetzt etwa eineinhalb Wochen vergangen. In dieser Zeit lagen wir zumeist im Bett um die Erkältungen, die wir uns wie nicht anders zu erwarten natürlich eingefangen hatten, wieder auszukurieren. Mich hat in dieser Zeit häufig der Gedanke beschlichen, dass ich hier beinahe mehr Zeit im Bett als im Unterricht verbringe. Aber ich werde mich deswegen sicher nicht beklagen. Seit zwei Tagen müssen wir doch wieder zum Unterricht, auch wenn wir noch immer ziemlich vor uns hin schniefen. Aber da uns sonst, wenn wir also noch im Bett bleiben würden, verboten wäre zu unseren Bandproben zu gehen reißen wir uns zusammen. Schließlich müssen wir ja proben.

Das läuft mittlerweile auch ganz gut. Kisaki hat es anscheinend aufgegeben mir vorschreiben zu wollen, was ich in meine Texte schreibe und hat sich darauf verlegt an der Musik im Allgemeinen herumzumeckern. Ich frag mich manchmal was der Kerl eigentlich will. Genau genommen ist er eigentlich der einzige Störfaktor in der Band.
 

Das Klingeln zum Stundenende reißt mich aus meinen Gedanken. Ich sehe auf meine Uhr und seufze. Jetzt ist es 17.00 und ich habe endlich meinen Schultag hinter mich gebracht. Die letzten zwei Stunden Englisch waren mal wieder nervtötend langweilig. Ich stehe auch und rüttle Die an der Schulter. Wie fast jedes Mal in diesem Fach hat er lieber geschlafen, als zuzuhören. Macht bei ihm aber nichts, da er trotzdem richtig gute Noten schreibt.

Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zum Proberaum und sammeln unterwegs noch Shinya auf. Dem fällt allerdings auf, dass er einige seiner Noten noch in seinem Zimmer vergessen hat, also machen wir uns erst noch einmal auf den Weg dahin.

Wenn ich so darüber nachdenke war ich noch nie in Shinya's und Toshiya's Zimmer. Wir treffen uns abends immer bei Kaoru, Die und mir. Seltsam. Aber na gut, dass müssen die Beiden ja schließlich selbst wissen, nicht wahr?

Als wir ankommen klopft Shinya vorsichtig an und öffnet dann die Tür. Toshi begrüßt uns fröhlich, erklärt aber, dass er nicht viel Zeit hat, weil er sich gleich mit einem guten Freund in der Stadt treffen wolle um mal wieder shoppen zu gehen. Ich höre ihm allerdings gar nicht wirklich zu, denn ich bin viel zu sehr von dem Zimmer der Beiden in den Bann gezogen. Man sieht genau, wer wo wohnt, ohne dass man danach fragen müsste. Shinya's Hälfte ist sehr ordentlich und sauber, man fühlt sich dort auf Anhieb sehr wohl, würde ich sagen. Toshi's Bereich ist allerdings das krasse Gegenteil. Falls ich jemals dachte ICH sei unordentlich, dann nehme ich das hiermit zurück. Ich weiß nicht wie er es geschafft hat und ob das nur momentan so ist, weil er vielleicht etwas gesucht hat, aber in seiner ganzen Zimmerhälfte wurden systematisch Klamotten und anderer Krimskrams auf dem Boden verteilt. Ich geselle mich zu Shinya, der seine Noten natürlich sofort gefunden hat, während Die mal wieder anfängt Toshiya zu ärgern.

"Sag mal Shin?" Er sieht mich mit leicht hochgezogenen Augenbrauen an.

"Mh?"

"Anou...ist das hier..." Ich zeige auf das Chaos zu Totchi's Füßen, "Normalzustand, oder sieht das nur jetzt so aus?"

Leise lacht der zierliche Drummer neben mir.

"Das sieht nur jetzt so aus..." sein seltenes Grinsen wird ein wenig breiter. "Normalerweise ist es viel schlimmer."

Ich glaube man muss merken wie geschockt ich bin, denn Shinya beginnt zu lachen und zieht dann mich und Die aus dem Zimmer. Er ruft Toshiya nach ein kurzes "Bis heut Abend dann" zu und wir gehen wieder in Richtung Proberaum.

Dort angekommen warten Kaoru und Kisaki natürlich schon auf uns. Um eventuellen Fragen vorzubeugen, die nur eine unnötige Diskussion nach sich ziehen würden, meint Shinya gleich, dass er seine Noten vergessen hätte. Kaoru nickt leicht und Kisaki wirft dem Braunhaarigen nur seltsame Blicke zu, so als hätte dieser mit Absicht etwas vergessen.

Die Probe an sich läuft dann eigentlich ganz gut, aber ich denke jeder von uns fünfen spürt die Spannung, die in der Luft liegt. Es ist beinahe greifbar, und ich bin der Meinung das merken die Anderen genauso wie es tue. Aber wir alle ignorieren diese Tatsache ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Ohne dass ich es beabsichtigt hätte schweifen meine Gedanken, wie so oft während den Proben, wieder einmal zu Toshiya. Äußerlich scheint er sich zwar damit abgefunden zu haben, dass er nicht bei La:Sadies spielen kann, aber ich frage mich immer noch wie es in ihm drin aussieht.

Mit einem Mal fällt mir die Stille im Raum auf. Ich sehe zu den Anderen und bemerke, dass die Augen aller auf mir ruhen. Hab ich was verpasst?

Kisaki kommt mit einem nicht gerade freundlichen Gesichtsausdruck auf mich zu, also gehe ich am Besten mal davon aus, dass es so ist. Er baut sich vor mir auf und blickt finster zu mir herunter, was ja bei meiner Körpergröße zugegeben keine allzu große Kunst ist.

"Schaffst du es eigentlich auch nur EIN einziges Mal, dich eine Probe hindurch zu konzentrieren ohne sonst wohin abzudriften?" fragt er mich gereizt. Ups...da hab ich anscheinend mal wieder den Faden verloren. Jetzt da er es erwähnt gebe ich zu, dass mir das häufig passiert, aber so oft wie er jetzt tut nun auch wieder nicht.

"Gomen...ich hab nur grade..."

Er schneidet mir das Wort im Mund ab.

"Ist mir egal was du gerade hast, aber WIR haben am Samstag einen Auftritt in diesem Club in der Stadt und ich habe keinen Bock dann wegen dir dumm dazustehen, nur weil du mitten im Auftritt aufhörst zu singen und dämlich durch die Gegend starrst!"

Ich muss mich sehr beherrschen um nicht mein Mikro fallen zu lassen. Den anderen Dreien scheint es jedoch ähnlich zu gehen, denn ich höre etwas, was verdächtig nach Shin's Drumsticks klingt, zu Boden fallen. Als ich mich umsehe stehen unsere beiden Gitarristen mit vor Überraschung aufgerissenen Augen da und Shinya sitzt nicht minder überrumpelt hinter seinem Schlagzeug. Kaoru ist- natürlich- der Erste, der sich wieder fängt. Er macht einen Schritt auf Kisaki und mich zu.

"Meinst du das ernst?"

Kisaki nickt, schaut aber weiter so finster wie möglich drein.

"Natürlich meine ich das ernst. Aber im Moment sehe ich schwarz. Mein Sänger hört mitten im Lied auf das zu tun, wozu er da ist und mein Drummer ist zu dämlich oder zu schwach seine Sticks zu halten..."

Eine typische Aktion á la Kisaki wenn ich das dezent anmerken darf. So macht er das immer, wenn er betonen will, dass er hier der Chef ist und wir anderen eigentlich verdammt dankbar sein sollten, dass wir mit ihm in einer Band spielen dürfen. Aber wir sind alle daran gewöhnt mittlerweile und die Anderen ja noch mehr als ich, sodass wir diesen Kommentar einfach überhören.

Jetzt gesellen sich auch Die und Shinya zu uns.

"Wie hast du das denn geschafft?" fragt der Rotschopf und stützt sich dabei auf meiner Schulter ab. Hey, bin ich ein Regal oder so was? Ich schüttle ihn ab sehe aber ebenfalls gespannt zu unserem Bassisten, der es offensichtlich genießt, dass alle Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet ist.

"Naja..." er hält kurz inne um uns noch ein bisschen zappeln zu lassen. "Ich hab doch vor Ewigkeiten mal im Fullmoon gearbeitet..." er blickt um Zustimmung heischend zu Kaoru, der nur nickt. "...und die veranstalten diesen Samstag eine Art Bandwettbewerb für Newcomer...das hat mir einer meiner ehemaligen Kollegen erzählt, den ich letztens getroffen hab...und da hab ich ihm eben gesagt, dass er uns gleich als Teilnehmer eintragen soll." Stolz blickt er in die Runde. Will er jetzt Applaus?
 

~~~

Ich stehe vorm Spiegel in der relativ großen Garderobe und verteile sorgfältig die weiße Theaterschminke in meinem Gesicht, mir hin und wieder einen prüfenden Blick zuwerfend. Als ich damit fertig bin stelle ich das Weiß weg und greife automatisch nach dem schwarzen Eyeliner, der nun folgen soll.

In Gedanken bin ich jedoch wo ganz anders.

Wir haben wirklich viel geschafft im letzten halben Jahr, was wir zu einem nicht geringen Teil auch Kisaki zu verdanken haben, wie ich, wenn auch ungern, zugeben muss. Den Bandwettbewerb damals im Fullmoon haben wir zwar nicht gewonnen, sondern "nur" den zweiten Platz belegt- wofür uns Kisaki natürlich eine Standpauke halten musste- aber in der Folgezeit hatten wir noch einige Auftritte mehr und sind dadurch jetzt live ein eingespieltes und 100%ig auf einander abgestimmtes Team. Mittlerweile sind wir ein bisschen bekannter geworden und da wir jetzt vor kurzem auch den Schulabschluss in der Tasche haben können wir uns ganz der Musik widmen. Ich muss zwar zugeben, dass ich so nicht absolut glücklich bin, weil gewisse Bassisten sich aufführen müssen wie ein Diktator, aber zumindest hat mein Leben jetzt einen Sinn. Und schließlich ist ja nichts perfekt oder?
 

Ich seufze und umrahme mir die Augen mit dem dunklen Kohlestift. Bevor ich weitermache greife ich nach der kleinen Schachtel mit den Kontaktlinsen und setze sie mir ein. Kurzes Zwinkern, dann ist das leicht merkwürdige Gefühl des Fremdkörpers kaum mehr zu spüren. Ich nehme mir den schwarzen Lidschatten und will gerade anfangen meine Augen weiter zu schminken als etwas Blauhaariges, Aufgedrehtes durch die Tür hinter mir gesprungen kommt, einen Packen momentan nicht näher identifizierbaren Stoff in den Händen.

"Hey Toto." Ich sehe ihn durch den Spiegel hindurch an. Er lässt den Stoff auf einen Stuhl fallen und stellt sich, mein Gesicht kritisch betrachtend, hinter mich.

"Du siehst aus wie ne Leiche." Ich nicke leicht.

"Sinn und Zweck der Sache. Was ist das da?" Ich mache mit dem Schminkpinsel eine vage Bewegung in Richtung der ominösen Stofffetzen.

"Dein Outfit für heute Abend." Ich seufze innerlich.

Das sollte ich erklären. Da Toshiya ja bekanntlich bei La:Sadies nicht mit von der Partie ist, hat er sich kurzerhand dazu entschlossen sich um unsere Outfits zu kümmern "damit wir auch ordentlich aussehen" wie er es formuliert hat.

"Hast den Anderen ihre auch schon gegeben?"

Toshi schüttelt seinen blauen Haarschopf.

"Nee...die sind ja noch beim Soundcheck..." er kichert leise.

"Lass mich raten...Kisa wird nen Anfall bekommen?" grinse ich ihn durch den Spiegel an, was er nur mit einem unschuldigen Dackelblick erwidert.

"Wiiiiiiiieeeeeeee kommst du denn darauf? Ich würde NIE etwas tun um Kisaki-sama zu verärgern..." Lachend lässt er sich auf einen anderen Stuhl fallen und streichelt liebevoll über seine neueste Outfit-kreation. Es ist nämlich so, dass Toshi mit seinen Outfits die er für uns und vor allem für mich schneidert Kisaki sein Verhalten heimzahlt. Klingt seltsam, funktioniert aber ausgesprochen gut muss ich sagen...

Ich kann mich noch gut erinnern, an das erste Outfit was Toshiya für Shin gemacht hat. Es war ein wunderschönes langes Kleid mit Headpiece dazu und allem drum und dran, was natürlich Shinya's feminines Äußeres noch mehr betonte. Ich weiß bis heute nicht warum, aber als Kisa das gesehen hat, ist er beinahe aus den Latschen gekippt und hat die Beiden eine halbe Ewigkeit lang angeschrieen was dieser Mist denn soll. Da aber allen anderen das Outfit gefiel und wir Toshi dann auch noch baten sich doch auch um unsere Klamotten zu kümmern, konnte unser Bandleader nichts dagegen machen. Und so macht sich das aufgedrehte blaue Monster, das sich jetzt daran macht mein Make-up zu vervollständigen, seither einen Spaß daraus mit abgedrehten, seltsamen oder einfach nur aufreizenden Outfits Kisaki auf die Palme zu treiben. Kao, Die, Shin und ich haben nie darüber geredet, aber wir wissen natürlich alle, dass das Toshiya's "Vorhaben" ist und spielen irgendwie mit. Selbst Kaoru, der eigentlich gut mit Kisaki befreundet ist scheint das ok zu finden.
 

Toshiya ist mit meinem Gesicht jetzt endlich fertig und ich beginne damit meine letzten überschüssigen Klamotten auszuziehen, damit er mir dabei helfen kann in mein neues Bühnenoutfit zu schlüpfen. Als Erstes ein halbdurchsichtiges schwarzes Oberteil. Darüber dann eine Weste aus schwarzem Lackleder, deren Kragen mit Unmengen schwarzer Federn verziert ist.

"Dir war langweilig, oder?" frage ich ihn halb amüsiert.

"Wieso?" maunzt er verständnislos. Für eure erste Oneman-show muss ich mir doch was Besonderes einfallen lassen.

Was genau er mit "besonders" meint, erkenne ich spätestens als er mir einen Rock, der ebenfalls aus schwarzem Lackleder gefertigt ist, entgegenhält. Ich starre den Stofffetzen entgeistert an. Gerade mal 10 Zentimeter sind wirklich zusammenhängender Stoff. Alles andere ist in einzelte Streifen unterteilt.

"Äääääh...Toto? Dir ist aber schon klar, dass dieses Teil hier nich unbedingt...naja... seinen Zweck einen Menschen zu bedecken erfüllt?"

Doch er winkt ab und zeigt dann leicht in Richtung Boden.

"Das macht nichts. Durch die Hotpants drunter und die oberschenkelhohen Lackstiefel mit den Strapsen dran sieht man da nix..." meint er ungerührt, als er den Rock an meiner Rückseite schließt. Ich springe einen Schritt weg von ihm und blicke ihn beinahe entsetzt an.

"Nani?!?!"

"Is ja gut..." Er holt die Stiefel hervor und zeigt sie mir. "Dadurch wirkst du größer."

Ich sehe ihn zerknirscht an, merke aber dass es zwecklos ist, als er mich auf einen Stuhl drückt und mir die Schuhe anzieht. Irgendwie komme ich mir vor wie ein unmündiges Kleinkind.

Als letztes wendet er sich meinen mittlerweile wieder schwarzbraunen Haaren zu, während ich mich im Spiegel betrachte. Ok, man kann sagen was man will, es sieht gut aus. Es versteckt mich irgendwie, denn selbst ich kann nicht ganz glauben, dass das wirklich ich sein soll, der mir aus dem Spiegel entgegenblickt. Toshiya steckt mir geschickt die Haare hoch und verziert sie mir mit einigen weißen und schwarzen Federn. Aber anscheinend ist er damit noch nicht ganz zufrieden, denn er beginnt in seiner Tasche nach irgendetwas zu suchen. Schon nach wenigen Momenten steht er wieder hinter mir und steckt mir, zum krönenden Abschluss sozusagen, eine Pfauenfeder ins Haar. Kaum zu glauben, aber im Gegensatz zu allem Anderen ist er bei seinen Sachen für die Outfits wahnsinnig ordentlich und penibel.

"Fertig!" ruft er dann und betrachtet seine neuste Kreation zufrieden.

"Wer ist fertig?" tönt es von der Tür. Die betritt den Raum "Wow, was ist dass denn Süßes?" fragt er Toshi neugierig. Ich sehe ihn von unter herauf schief an.

"Sag das noch mal und ich probier aus, was ich mit diesen Stiefeln so alles anstellen kann, mein Lieber."

"Gott, das is ja echt Kyo, und ich dachte schon ich hab nen Knick in der Optik..." meint er lachend.

Währenddessen ist Toshi schon dabei auch das Outfit des Gitarristen auszupacken. Ich sehe ihn skeptisch an.

"Das is unfair! Sein Outfit sieht viel bequemer aus als meins!" nörgele ich. Und tatsächlich. Die's Outfit besteht aus einem schwarzen Hemd und ebenfalls schwarzen Hosen, die jedoch gänzlich unter dem fast bodenlangen, schwarzen Militärmantel verschwinden. Doch Toshi sieht mich nur leicht mit seinen dunklen Augen rollend an.

"Kannst du dir etwa DEN da in einem Outfit wie deinem vorstellen? Der würde das doch nur ruinieren...abgesehen davon ist es vielleicht ein bisschen bequemer aber viel wärmer als deins."

Und ohne sich um Die's Proteste zu kümmern steckt er diesen in den Mantel und richtet die einzelnen Knöpfe und Ketten daran. Dann fordert er Die auf sie zu setzen um auch ihn zu schminken und ihm die Haare mit viel Mühe und noch mehr Haarspray zu stylen. Ich setze mich derweilen hin und zünde mir in aller Ruhe eine Kippe an. Den Rauch tief inhalierend gehe ich in Gedanken noch einmal die Setlist durch. Schließlich soll bei unserem ersten Oneman-Konzert ja nichts schief gehen. Ich lächle ein bisschen als ich diesen Gedanken habe. In den Club passen zwar nur "nur" 900 Leute, aber nach nur einem halben Jahr diesen Club vollständig auszuverkaufen, das hat schon was irgendwie.

In diesem Moment betreten Kao und Shinya das Zimmer und werden postwendend von Toshi in Beschlag genommen. Für Shinya hat sich der Blauhaarige wieder eine Wahnsinnsarbeit gemacht und ihm ein langes Kleid aus schwarzem und rotem Stoff gezaubert, das hier und da mit künstlichen Rosen verziert ist. Vervollständigt wird es durch schwarze Handschuhe die bis auf die Oberarme reichen und einen langen Schleier aus schwarzroter Spitze. Unser Drummer sieht darin einfach bezaubernd aus, man kann es nicht anders sagen. Diesen Gedanken scheint auch ein gewisser Rotschopf neben mir gehabt zu haben.

"Wie eine Prinzessin, Shinya..." neckt er ihn, bekommt von Shin aber nur einen kühlen Blick geschenkt, er ist mittlerweile so sehr an Die's Ärgereien gewöhnt, dass es ihm nichts ausmacht.

Und schließlich ist Kaoru noch dran.

Als erstes bekommt er Stulpen, von denen ich überzeugt bin, dass sie mal eine gemusterte Netzstrumpfhose waren. Dann reicht Toshiya ihm ein langes Gewand aus schwarzem Samt, oder zumindest etwas ähnlichem, dass auf einer Schulterseite in kunstvolle Falten gerafft ist. Dann steckt er ihm die Haare ebenfalls hoch und flechtet ihm noch ein paar lange weiße Strähnen ein.

Als er fertig ist steht unser Freund vor uns und betrachtet uns alle zufrieden. Er ist sichtlich stolz auf seine Arbeit, denn so hat er nun seinen eigenen Weg gefunden um bei La:Sadies mitzuwirken.
 

Kurz darauf erscheint auch Kisaki, der anscheinend noch etwas mit den Organisatoren zu klären hatte, in der Garderobe in der wir alle zusammensitzen. Er wirft erst Toshiya und als er unsere Outfits sieht auch dessen Kreationen einen vernichtenden Blick zu.

"Und wo ist mein Outfit für heute?" fragt er Tosh kalt, als wäre dieser sein Untergebener. Der Blauhaarige erwidert jedoch nichts, sondern beginnt Kisaki's Outfit aus einer der Taschen zu holen, die er mitgebracht hat. Und nur wir sehen sein verschlagenes Grinsen, als er Kisaki als erstes einen äußerst voluminösen, schwarzen Petticoat überreicht, dem schließlich noch ein Paar über kniehoher Lackstiefel, sowie ein Lackoberteil samt dazu passenden Lackstulpen folgen.

"Bitteschön." meint er dann mit einem zuckersüßen Lächeln und wendet sich von unserem wie zu Salzsäule erstarrt dastehenden Bandleader ab. Besagter Bandleader steht noch einige Augenblicke fassungslos im Raum bevor sich sein Gesicht vor Wut verfärbt und er die Klamotten auf den Boden pfeffert, um anschließend irgendwie darüber zu klettern und Toshiya wütend anzufahren:

"Was soll dieser Scheiß? Bin ich ne Tusse oder was?"

Doch Toshiya sieht ihn nur ruhig an.

"Nein, hab ich nie behauptet. Es passt gut zu den anderen Outfits, ganz einfach."

Zumindest ich verstehe die Worte die Toshiya nicht sagt. Schon als ich dieses Outfit gesehen habe, habe ich den Gedanken gehabt, dass er es eher für sich als für Kisaki geschneidert hat. Und dieses "besser dazupassen" bestätigt mich in dieser Auffassung. Denn insgeheim denken wir wohl alle, Kisaki selbst natürlich ausgenommen, dass Toshi besser zu uns passen würde, als unser jetziger Bandleader.

"Das ist mir doch egal. Diesen Schrott werde ich auch keinen Fall auf der Bühne tragen!" Das saß. Toshiya's Augen werden noch dunkler vor Zorn als sie sowieso schon sind und er geht, die letzten Meter zwischen sich und dem Anderen überbrückend, auf Kisa zu. Er blickt ihn beinahe hasserfüllt an. Ich habe ihn noch nie so gesehen und bin erstaunt, dass er zu einem solchen Verhalten fähig ist, innerlich jedoch feuere ich ihn an. Es wird Zeit, dass Jemand Kisaki mal die Meinung sagt. Wir haben uns das bisher eigentlich nur dem Bandwohl zuliebe verkniffen...

"Hör mal zu." Toshyia's Stimme ist bedrohlich leise. "DU hast gesagt ich kann deinetwegen eure Kostüme entwerfen, wenn ich schon zu nichts anderem zu gebrauchen bin..." Die letzten Worte hatte Kisa zwar nicht gesagt, aber dank seines Tonfalls hatten wir alle gewusst, dass es so gemeint gewesen war. "...also wirst du jetzt dieses verdammte Outfit, in dem ein Haufen Arbeit steckt anziehen, verstanden?"

Ist das wirklich unser Toshiya? Unser ewig aufgedrehter, manchmal leicht nervender, absolut immer knuddelbedürftiger Toshiya, der seine Nase in absolut alles reinsteckt, was ihn nichts angeht und der noch tollpatschiger ist, als ich? Ich glaube die anderen haben dieselben Gedanken, denn sie zeigen den gleichen leicht erschrockenen Gesichtsausdruck, den ich auch bei mir in meinem Spiegelbild wiederfinde.

Toshiya macht keine Anstalten irgendetwas an seinem Verhalten zu ändern sondern sieht Kisaki immer noch auf diese Art und Weise an, während diesem immer noch der Schock angesichts dieser Behandlung ins Gesicht geschrieben steht. Dann löst sich Kaoru als erster aus seiner Starre.

"Komm lass gut sein Kisa. Zieh das Outfit halt an. Sieht doch gut aus und du wirst es überleben meinst du nicht?", fragt er ihn ruhig.

Kisakis Kopf schnellt herum und fixiert nun Kaoru, der es wagt etwas "gegen ihn" zu sagen.

"Einen Dreck werd ich tun!", keift Kisaki, greift dann aber trotzdem nach dem Petticoat. Ein fieses Grinsen legt sich auf seine Züge als er sich erneut Toshiya zuwendet und dann damit beginnt vor dessen schreckgeweiteten Augen den Petticoat zu zerreißen. Langsam, beinahe als ob er es genießen würde zerstört er Toshis Kunstwerk. Das Gesicht des Blauhaarigen wird immer bleicher als er, unfähig sich zu rühren, zusehen muss wie seine Arbeit zunichte gemacht wird.

Schließlich lässt er den Rock fallen und geht zwei Schritte in Richtung Tür. Dreht sich noch einmal triumphierend um.

"Wann versteht ihr endlich, dass keiner von euch mir irgendetwas zu sagen hat. Weder du Toshiya...noch du Niikura Kaoru." Er durchbohrt Kao beinahe mit Blicken. Und ich dachte immer die Beiden seien befreundet.

"Und jetzt", fährt er fort. "Beeilt euch und macht euch fertig. Das Konzert beginnt in einer Stunde und ich will eine perfekte Show. Ich such mir jetzt erstmal ein tragbares Ourfit."

Als ich das höre balle ich meine Hände zu Fäusten. Sieht er uns wirklich so? Nur als Figuren in seinem Spiel, die er beliebig hin und her schieben kann? Meine Augen verengen sich und ich gehe auf ihn zu, den letzten Abstand überwinden und hole aus um ihm eine zu knallen.

BATSCH

Das hat gesessen. Aber es war nicht mein Schlag, der Kisaki jetzt zurücktaumeln lässt. Es war auch nicht Toshiya's, obwohl auch er mit erhobener Hand dasteht. Nein, Kaoru, unser sonst so besonnener Kaoru hat ihm eine gepfefferte Ohrfeige verpasst. ich sehe mich um und bemerke, dass auch Die und Shinya auf halbem Weg in Richtung Kisaki innegehalten haben, so als wollten sie sich gegenseitig abhalten etwas Dummes zu tun. Als Kao anfängt zu sprechen wende ich mich wieder ihm zu.

"Raus jetzt. Sofort." knurrt er. "Hau ab. Ein für alle Mal. Ich hab die Schnauze endgültig voll von deinem Gehabe Kisaki. Verschwinde und lass dich nie wieder hier bei uns blicken." Sein Gesicht wirkt kalt und hat die Farbe von Schnee, als sich sein Blick in Kisa's erstauntes Gesicht bohrt.

"Das kannst du nicht Kaoru. Ihr kommt ohne mich nicht klar, dass weißt du. Wer sollte denn für mich spielen. Der da etwa?" Er zeigt auf Toshiya, der ihn immer noch stinkwütend ansieht.

"Das könnt ihr doch gleich vergessen. Der Typ, falls es überhaupt einer ist, hat doch keine Ahnung von dem was er tut.

Diesmal bin ich schneller und meine Faust findet den Weg an Kisaki's Kinn. Ich reibe mir den Knöchel und starre ihn hasserfüllt an.

"Hau endlich ab du Arsch bevor ich mich ganz vergesse..."

Gerade will er zu einer Antwort ansetzen, als Kao ihn sich einfach schnappt um ich aus dem Raum zu zerren. Einen Augenblick später schlägt die Tür hinter den Beiden zu.

Die will den Beiden hinterher, aber Shinya hält ihn leicht, aber bestimmend fest.

"Nein Die, es ist besser, wenn die Beiden allein miteinander reden..." Seine leise Stimme hallt laut in der plötzlichen Stille wider.

Dann zerschneidet ein leises Schluchzen die wieder entstehende Stille. Toshiya sitzt auf dem Boden, den zerfetzten Petticoat in den Händen. Seine Schultern beben. Wir gehen zu ihm hin und versuchen ihn zu trösten, doch er kann nicht aufhören zu weinen. Kisakis Worte haben ihn mit Sicherheit am härtesten getroffen.

Ich stehe schließlich auf und strecke mich kurz. Dann sehe ich zu dem zierlichen Blauhaarigen hinunter.

"Tosh?" Sein Kopf hebt sich und Tränen verhangene Augen sehen in meine.

"Jetzt steh auf und zieh dich endlich um. Du musst gleich mit uns auf die Bühne." Toshi blinzelt verwirrt, schaut von einem zum Anderen, doch auch Daisuke und Shinya nicken. Schließlich hilft Die Toshiya beim aufstehen und Shin besieht sich den Rock. Dann lächelt er den Bassisten an.

"Der ist nicht wirklich hinüber. Den kannst du so auch noch anziehn, ich wette das sieht umso besser aus." Mit diesen Worten fängt er an Toshiya beim umziehen zu helfen. Die setzt sich wortlos auf einen Stuhl und starrt vor sich hin, in Gedanken vermutlich irgendein Lied von uns durchspielend. Ich greife nach meinen Kippen und mache mich auf den Weg nach draußen.

Unten angekommen bin ich froh, dass der Hintereingang ein Vordach hat, denn ohne dass wir es bemerkt hätte, hat es mittlerweile aus Eimern angefangen zu regnen. Ich blicke mich um und entdecke schließlich nicht allzu weit von mir zwei Gestalten. Kaoru und Kisaki stehen unter dem Vordach einer weiteren Ausgangstür und scheinen zu diskutieren. Kisaki blickt den Anderen nur stolz an, während Kaoru's Augen voller Schmerz sind.
 

~Es gibt keinen Ort, an den diese Beiden Seite an Seite gehen können~

~Sie können nicht einmal das Geräusch des heftig fallenden Regens hören~

~Sie laufen, Seite an Seite, wohin werden sie gehen?~

~Ihre Fußabdrücke verschwinden, einer nach dem anderen...~
 

Schließlich lacht Kisaki kurz höhnisch auf und wendet sich zum Gehen- scheint noch etwas zu sagen. Ich lasse vor Schreck beinahe meine Zigarette fallen. Sind das etwa Tränen, die auf den Wangen unseres Gitarristen glänzen? Er steht bewegungslos da, während Kisa in den Regen eintaucht und sich in Richtung des Tors bewegt. Ich habe natürlich keine Ahnung, was Kisaki gesagt haben könnte, aber wenn Kaoru so darauf reagiert muss es wirklich heftig gewesen sein.
 

~Verwandle mich in eine Erinnerung und mache dich auf den Weg zu diesem neuen Ozean~

~Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du glücklich bist~

~Es gibt Glück hinter den Tränen~

~Aber du bist nicht hinter den Tränen~
 

Kaoru bewegt sich keinen Zentimeter, aber ich kann den Schmerz in seinem Gesicht lesen. Es scheint als hätte ihm die Freundschaft zu Kisaki mehr bedeutet, als einer von uns gedacht hätte.
 

~Ich möchte mich nicht von dir trennen~

~Aber deine Worte stechen in mein Herz, siehst du das?~

~Ich will mich nicht von dir trennen, aber~

~Die Wellen löschen deine Fußspuren eine nach der anderen aus~
 

Ich löse mich aus meiner eigenen Starre und gehe durch den Regen auf Kao zu. Als ich die Hälfte des Weges zurückgelegt habe dreht er sich plötzlich in die Richtung in die Kisaki verschwindet.

"Du weißt, dass wir trotzdem noch befreundet sein können Kisaki!", ruft er ihm hinterher. Ich höre das "ich will dich nicht verlieren!" aus diesen Worten heraus. Doch Kisaki sieht nur noch kurz zurück, zuckt mit den Schultern und verschwindet kurz darauf, aus unserem Gesichtsfeld.
 

~Mit dem Wechsel der vier Jahreszeiten~

~Vielleicht ist es zu spät, aber ich möchte deine Hand halten~

~Mit dem Wechsel der vier Jahreszeiten~

~Es wird immer ein Hallo und Auf Wiedersehen sein, und ein Hallo für dich.~
 

Ich erreiche Kao und stelle mich neben ihn. Er scheint mich nicht wirklich wahrzunehmen, wischt sich nur schnell einige Tränen aus dem Gesicht.

"Ne, Kao, alles ok?" Wieder diese dumme Frage...

"Deine Frisur is komplett im Arsch durch den Regen, Kyo-chan." Er sieht mich nur aus den Augenwinkeln an. Ich zucke mit den Schultern.

"Is doch egal. Und nenn mich nich Kyo-chan, verstanden?"

Ein leichtes Lächeln umspielt seine Mundwinkel ist aber eine Sekunde später schon wieder verschwunden. Seine Augen hängen noch immer an dem Tor, durch das Kisa uns gerade verlassen hat.

"Du weißt, dass er nicht mehr wiederkommen wird." Meine Stimme ist leise, sachlich. Als Antwort erhalte ich nur ein kurzes Nicken. Ich sehe Kaoru an. Er, der sonst so stark und selbstbewusst scheint ist jetzt von Verzweiflung gezeichnet. Ich umarme ihn kurz, so gut es unsere Outfits zulassen.

"Lass uns wieder reingehen. Wir haben nicht mehr viel Zeit."

Ich wende mich um und will schon zurückgehen, als er plötzlich doch anfängt zu reden.

"Ich...kann das einfach nicht glauben...wir sind schon...so lange befreundet..."

Erstaunt drehe ich mich um und sehe wie wieder Tränen über Kao's Wangen laufen. Er sieht mich mit schmerzvollem Blick an.

"Wir waren befreundet seit wir Kinder sind...wie...kann er das so einfach vergessen?" Ich schüttele kurz den Kopf, als ich Kaorus verzweifelte Augen sehe.

"Ich...kenne ich nicht so lang oder gut wie du..." beginne ich vorsichtig. "Aber ich glaube nicht, dass er noch derselbe ist wie früher. Allein im letzten halben Jahr, seit ich ihn kenne...hat er sich verändert..." Kaoru sieht mich an, als wolle er diese schlichte Feststellung nicht wahrhaben.

"Ich habe das Gefühl er ist immer kälter geworden, Kao...er hat sich so auf sein Ziel fixiert, dass er vergessen hat, dass eine Band nicht nur aus einer Person besteht...und das auch andere Gefühle haben..."

Noch einmal lege ich meine Arme um ihn, diesmal ein wenig länger.

"Aber weißt du...ich glaube es ist gut, dass er gegangen ist." Kaoru macht nur ein empörtes Geräusch, will protestieren, aber ich schneide ihm das Wort im Mund ab.

"Auch wenn du es dir nicht eingestehen willst. Es war klar, dass es früher oder später so kommen wird. Und..." ich gebe mir Mühe das nächste so vorsichtig wie möglich zu sagen. "Und jetzt...können wir immerhin die Musik machen, die wir wirklich wollen..." Kaoru seufzt schwer.

"Vielleicht hast du Recht...aber ich wünschte es hätte anders geendet...auch wenn er nicht mehr derselbe ist wie früher...er ist...oder besser war...", ein bitteres Lachen verlässt seine Lippen. "...einer meiner besten Freunde..."

Ich lasse Kaoru los und sehe ihm fest in die Augen.

"Das mag sein. Aber es ändert sich vieles im Leben...und nicht alle Änderungen sind schlecht..." Ich schneide eine Grimasse, weil ich merke, dass ich mich anhöre, wie eines von diesen bescheuerten Ratgeberbüchern.

"Du weißt doch, dass alles mal ein Ende hat Kao..."

"Sicher, aber so hatte ich mir das nicht vorgestellt...er war schließlich mal mein bester Freund..." Kao's Stimme ist leise.

"Mag sein aber das kannst du jetzt auch nicht mehr ändern...er wollte eben einen anderen Weg gehen wie es scheint...und außerdem können wir jetzt unseren eigenen Traum schaffen...und wenn wir daran glauben, wird der ein gutes Ende haben...irgendwann in der Zukunft."

Und diese Sätze von mir, wer hätte das gedacht...?

Dann tritt ein Lächeln auf meine Lippen.

"Jetzt komm. Wir müssen Toshiya doch helfen sein erstes Konzert mit La:Sadies zu bestreiten." Ich greife nach seiner Hand und ziehe ihn durch den strömenden Regen mit mir zurück bis wir vor der Garderobe stehen.

Kaum öffnen wir die Tür kommt uns auch schon ein aufgeregt quiekender Totchi entgegengesprungen und fällt Kao jammernd um den Hals. Von seinen Tränen vorhin ist allerdings keine Spur mehr.

"Kaoooooooooooo~...ich sterbe..." jammert das blaue Nervenbündel und klammert sich in den Stoff von Kaoru's Outfit. Der hat sich mittlerweile auch wieder gefasst und streicht Toto über den Kopf.

"Du machst das schon. Aber jetzt restaurier erstmal das Warumono...der sieht ja schrecklich aus..." Gehorsam nickt Toshi und drückt mich auf einen Stuhl um mir wieder in den Haaren rumzufummeln, was ich murrend über mich ergehen lassen muss.

Ich lasse durch den Spiegel hindurch einen Blick über meine Freunde schweifen. Die ärgert wie gehabt Shinya, der das gekonnt zu ignoriert und sich weiter aufwärmt, ihm aber schließlich mit einem Drumstick auf den Kopf haut und beginnt zu lachen, als er sieht wie verwirrt RedHead jetzt schaut. Kaoru bespricht hochkonzentriert einige in letzter Sekunde aufgetretene Probleme mit einem Mitarbeiter der Konzerthalle und Toshiya...wirkt so glücklich wie ich ihn noch nie gesehen habe. Er scheint förmlich von innen zu strahlen. Auch ich erlaube mir ein glückliches Lächeln.

Zumindest für den Moment haben wir alle Probleme vergessen, die uns sonst belasten.
 

Zehn Minuten später betreten wir die Bühne und Jubel schlägt uns entgegen. Kaoru greift nach meinem Mikrofon und erklärt als er die tobende Menge halbwegs beruhigt hat:

"Dies wird leider das letzte Konzert von La:Sadies sein." Ein enttäuschtes Raunen läuft durch die Reihen. Doch Kao winkt Toshiya zu sich, der in seinem Petticoatoutfit leicht verlegen neben unserem neuen Bandleader -denn das wird Kao jetzt sein habe ich gerade beschlossen- und grinst verpeilt in die Menge.

"Aufgrund eines Lineup-changes ist Toshiya jetzt unser neuer Bassist. Daher halten wir es für angebracht uns einen neuen Namen zu suchen. Aber wir bleiben euch natürlich erhalten!"

Er lächelt, das Publikum tobt.

Ich bekomme mein Mikro zurück und der Saal verdunkelt sich. Als sie ersten Töne des Eröffnungsliedes erklingen, scheint es für mich schon jetzt das perfekte Konzert zu sein. Die Spannung, die immer über der Band lag ist verschwunden. Nun kann ich meinen Emotionen endlich freien Lauf lassen.

Epilog: Audience Killer Loop

~Selbst Blut, das aus der Wunde, die die Brust aufschlitzt, nach unten tropft,~

~ braucht einen Grund, richtig?~

~Fühlen sich Menschen nicht erleichtert wenn sie andere Menschen verletzen können?~

~Warum seht ihr so angewidert aus?~

~Tief in eurem Inneren täuscht ihr euch selbst mit Dingen, die ihr nicht kennt, richtig?~
 

Laut schreie ich den Text in mein Mirkofon- das einzige Reale was mich im Moment noch mit dieser Welt verbindet. Ich sehe geradeaus lasse meinen Blick über die brechend volle Konzerthalle schweifen. Das Rufen und Schreien der Fans ist ohrenbetäubend. Kurz schließe ich die Augen.
 

~Werden wir uns je gegenseitig verstehen?~

~Wollt ihr das nicht?~

~Das ist der Garten des Selbstmords. Habt ihr Spaß?~

~Werden meine Träume in diesem Garten wahr werden?~
 

Ich weiß nicht was ich fühle, ich kann es nicht genau erklären. Es ist so gegensätzlich.

Zorn- Zorn über die Menschen, die mich dazu gebracht haben einen solchen Text zu schreiben.

Freude- darüber, dass es anscheinend Leute gibt, die meine Gefühle zu verstehen scheinen. Und selbst wenn unter den Tausenden, die sich hier in Richtung der Bühne drängen nur eine handvoll befindet, die wirklich versteht was ich meine, dann ist es das für mich Wert weiter zu machen.

Wut. Ich bin wütend über eine Gesellschaft, die es möglich macht, dass Gedanken wie diese entstehen. Deswegen schreie, kreische ich ihr meine Verachtung entgegen. Mit allen Mitteln, die mir irgendwie zur Verfügung stehen.

Und...seltsamer Weise...Liebe.

Liebe zu dem was ich tue. Ich liebe es auf der Bühne zu stehen und andere meine Gefühle spüren zu lassen, sie zu teilen, durch das was ich tue. Es fällt mir nicht immer leicht, ich verliere mich oft in dem wovon ich spreche und fange wieder damit an meinen Körper zu malträtieren, aber auch das gehört wohl dazu, zu mir. So bin ich eben. Seit dem Tag an dem Kisaki die Band verlassen hat ist über ein Jahr vergangen. Trotzdem erinnere ich mich noch genau daran. Und werde es auch nie vergessen. Es war der Tag der mein Leben endgültig in neue Bahnen, auf den richtigen Weg lenkte.
 

~Habt ihr denn keinen Grund zu Leben vor Augen?~

~...~
 

Ich habe einen Grund gefunden weiter zu leben. Immer weiter zu machen. Trotz der Steine die uns allen, als Menschen und als Band im Weg lagen, haben wir es zusammen geschafft. Es hat ein ganzes Stück gedauert, doch wir vertrauen uns gegenseitig mehr als dem Rest der Welt. Auf eine gewisse Art und Weise liebe ich meine Freunde.

Dafür, dass sie mich aufgefangen haben, immer wenn die Schwäche mich überwältigte.

Dafür, dass auch ich sie auffangen durfte.

Und dafür, dass sie mir dieses Leben möglich gemacht haben.

Es ist klar, dass jeder von uns sein Schicksal mit sich herumschleppen muss, der eine weniger, der andere mehr. Aber mittlerweile bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass es besser ist sein Schicksal gemeinsam mit den Menschen zu tragen, die einem am Herzen liegen. Das trägt sich einfach leichter, könnte man sagen.
 

~Vor euren Augen ist ein Miniaturgarten ~

~voll mit allen euren Lügen und Betrügereien.~
 

Auch wenn dies eine Welt ist, die geradezu zerberstet von Lügen und falschen Dingen, so habe ich meinen, und wir unseren, Weg gefunden damit umzugehen.

Unserem Zorn Luft zu machen. Unsere Gefühle mit anderen Menschen, die genauso denken wie wir, zu teilen.
 

Ich springe von meiner Box und blicke über die Bühne. Jeder meiner Freunde schenkt mir ein bisschen Wärme, nur für mich. Die's übliches breites Grinsen, das zeigt wie glücklich er hier und jetzt ist. Kao's von einem leichten Nicken begleitetes Lächeln, das ausstrahlt, das seine Zufriedenheit zeigt. Toshiya's Katzengrinsen, das in einem herzhaften Lachen endet. Und auch Shinya's Gesicht wird von einem kleinen, warmen Lächeln erhellt, das seine Augen strahlen lässt. Beinahe unmerklich schüttele ich den Kopf und beginne ebenfalls zu lachen. Wir sind wirklich ein komischer Haufen. Aber vielleicht ist unsere Freundschaft gerade deshalb so fest, durch nichts zum Wanken zu bringen.

Das Schreien der Fans nehme ich kaum noch wahr, als ich mit den anderen hinter der Bühne verschwinde. Ich bin total außer Atem, jede Faser meines Körpers tut mir weh und meine Stimmbänder brennen unglaublich.

Und doch bin ich glücklich.

Ich lasse mich auf einen Stuhl fallen und atme ein paar Mal tief durch. Flüchtig fahre ich mir mit der Hand über meinen geschundenen Oberkörper.

Ja, das ist das Leben das ich weiter führen möchte. Es ist nicht perfekt, aber was ist das schon? Und ein perfektes Leben wäre ja auch langweilig irgendwie.

Aber dieses Leben will ich weiterleben zusammen mit den Menschen, die mir wichtiger sind als alles andere.

Dafür würde ich alles tun.

Dafür sind Freunde ja da. Nicht wahr?
 

~owari~
 

ja das wars...zugegeben...der epilog ist sehr kurz...aber trotzdem ^^

was bleibt noch zu sagen...mh...danke an alle die das bis hierher gelesen haben und vor allem replica, danke für die kommentare...

ich bin ehrlich gesagt erstaunt, dass ich die geschichte so schnell fertig bekommen hab...uund sie auch noch selber irgendwie mag...ich hoffe sie hat euch auch gefallen...

bis zum nächsten mal dann

Karasu



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Kommentare zu dieser Fanfic (22)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  KyOs_DiE
2008-08-19T13:59:42+00:00 19.08.2008 15:59
Ich liebe die Story **
*sie jetzt ganz gelesen hat*
Schade, dass ich sie erst jetzt entdecke ^^" Aber besser später als nie ^^~
Ich mag deinen Schreibstil wirklich sehr ** Und im Epilog musst ich weinen xD Warum auch immer ^^" *hust*
Favo~ <3
Von: abgemeldet
2007-12-13T01:09:55+00:00 13.12.2007 02:09
Ich finde die Story unglaublich schön...
*seufz*
*Tränen in den Augen hab*
Sie ist super geschrieben! ich mag deinen Stil! XD
und... sie bringt die Emotionen richtig glaubhaft rüber... so schön... ;___;
*jetzt doch noch heulen muss*
*schnief*
nyah... ich glaub, ich muss mal gucken, was du sonst so geschrieben hast... mir gefällt dein Schreibstil sehr... ._.


mfg, Blütchen

Von:  JohnnyMcAciD
2007-11-05T02:08:02+00:00 05.11.2007 03:08
wow ich bin überwältigt!
Die Art, wie du die Geschichte geschrieben hast und der Inhalt sind einfach klasse.
Der Epilog ist total schön, ich liebe so verfasste Epiloge!
Von:  Januce_Mizu
2006-10-18T07:21:28+00:00 18.10.2006 09:21
Du weißt ja schon wie ich das FF finde^^
Aber ich schreib es hier auch nochmal rein
es ist fantastisch *wahhhh* Ich werde es immmer immer wieder lesen. Bin süchtig nach der Geschichte^^
Von:  Kanoe
2006-09-30T19:49:23+00:00 30.09.2006 21:49
Eine sehr schöne geschichte
Von: abgemeldet
2006-07-19T16:05:14+00:00 19.07.2006 18:05
Wahnsinn!!!Wirklich..man konnte sich sehr gut in die Personen hineinversetzen und wie du das mit Kisaki und Toshiya gemacht hast..WOW 0.0
Die ff kommt sofort in meine favo-liste^^
Alles liebe Shioreru
Von: abgemeldet
2006-06-06T23:30:08+00:00 07.06.2006 01:30
*sprachlosisundkeineAntwortweiss*
*zusichfindet*
Ja deine FF gefällt mir verdammt gut hast super geschrieben!
Bin nicht davon los gekommen wie man sehen kann denn es is mittlerweile halb zwei uhr morgens! OMG!!!
Okay ich glaub es reicht für heute*gäääääääääääääääähn*

Gute Nacht Rei
Von:  Jeniva
2006-03-28T16:10:53+00:00 28.03.2006 18:10
die story war supi mega geil..*.*
mal kein shonen ai..*drop*..sondern ne ganz normale..^^
gibts ja ziemlch selten und sie war gut beschrieben..*nicknick*
aber eine frage habsch da noch, warum haben sich Die und Kao geküsst, wenn sie nicht zusammen sind?..*dummguck*..haben sie es einfach nur aus spass gemacht?..
waiii toto war ja so was von niedlich..*quietsch*
eigentlich mag ich ja Kisaki, aber in der ff war er echt ein schwein..x_x..
gut fand ich auch wie du in den kapiteln die lieder reingebracht hast..^^
schön..*zufrieden bin*XDD
gruß
Jen
Von: abgemeldet
2006-03-23T16:21:27+00:00 23.03.2006 17:21
*miep* *die Story gerade gelesen hat* *o* Ich finde die voll toll und an einer stelle musste ich mich echt zusammen reißen nicht zu weinen, ich weiß auch nicht, aber die Übersetzungen von den Texten passte soooo~ verdammt gut zu den Situationen und überhaupt passte das alles voll genial zusammen.
Und wenn man sich die Lieder auf japanisch anhört und dann erstmal die Übersetzung liest und den tieferen Sinn versteht, dann tut es einem schon fast weh, finde ich und das hast du in deiner Story echt genial mit rein gebracht und deswegen mag ich die Story auch so verdammt ^o^
Auch wenn es ausnahmsweise kein Shounen-ai ist XDDDD Aber muss ja nicht imemr sein ÔO
Nyo, auf jeden fall, weiter so *daumenhochhalt* *sie in meine Favo liste setz* hrrhrr XD

Baibai das RaniX ^^
Von:  Replica
2006-03-12T21:53:31+00:00 12.03.2006 22:53
Kurz, aber sehr schön abgeschlossen.
Danke. (:


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