Gotta heal 'em all! von ougonbeatrice ================================================================================ Kapitel 1: Blüten, Holz und Zinn -------------------------------- Seltsame Träume war ich gewöhnt. Öfter, als ich mich erinnern könnte, wurde mir die Lächerlichkeit der imaginären Situationen bewusst, die ich nachts durchlebte. Das waren meine liebsten Träume. In diesen Momenten bekam man Macht über das eigene Unterbewusstsein und für die Dauer einer Nacht war alles möglich. Mein Bewusstsein sagte mir in diesem Moment jedoch, dass es absolut ausgeschlossen war, Gerüche wahrzunehmen. Zumindest nicht in dieser Intensität. Und der Geruch nach Holz war beinahe überwältigend. Glockenhelles Lachen ließ mich hochschrecken. Mein Fenster war für gewöhnlich die ganze Nacht geöffnet, weshalb ich mit einem Vogel in meinem Zimmer rechnete. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass sich so ein Vieh in mein Zimmer verirrte. Doch vor mir sah ich nicht meinen Kleiderschrank, den ich erwartete als Erstes zu sehen. Dutzende, wenn nicht sogar hundert Menschen in bunten Klamotten standen wenige Meter vor mir, völlig stumm und starrten mich an. Wieder hörte ich den Klang einer Glocke und mein Blick schweifte automatisch in dessen Richtung. Wenige Zentimeter vor meinem Gesicht schwebte ein pinkes Etwas mit riesigen blauen Augen, die mich fixierten. Viel zu nah, als das ich mir ein gutes Gesamtbild von dem Wesen hätte machen können. Ich selbst sagte mir, dass ich definitiv träumen musste. Wieder eine dieser lächerlich verrückten Einbildungen. Mein Gehirn sagte mir jedoch, dass ich in einer Einbildung die Bäume nicht hätte riechen können oder die frische Brise auf meinen nackten Beinen hätte spüren können. Das Wesen kniff seine unnatürlichen Augen zusammen, lachte ein letztes Mal und verschwand mit einem Zwinkern. Es war das Geräusch seines Lachens, dass mich das Herz in tiefere Regionen hat rutschen lassen. Das Ding gerade hatte sich angehört wie ... nein. Weiter kam ich nicht mit meinen Gedanken, da brach um mich herum die Hölle aus. Noch immer unschlüssig, was hier eigentlich passierte, bewegte ich mich nicht vom Fleck, auch wenn es ein unbequemer Backsteinboden war. Die Menge, egal ob jung oder alt, sprang in die Höhe und verbeugte sich schließlich. Doch nicht vor mir? Die Szene hatte etwas von einer japanischen Feier an sich. Unangenehm war sie alle mal, weshalb ich verstört etwas nach hinten lehnte. Meine Gedanken rasten, aber ich konnte die Gesamtsituation einfach nicht beurteilen. Sollte ich vielleicht doch rennen? Schnell überblickte ich meine Umgebung. Sehr unscharf. Natürlich, meine Brille ist neben meinem Bett. Betonung liegt auf 'neben'. Was ich erkannte waren Bäume, Bäume überall. Soviel zum Thema wegrennen. Hinter mir war eine Sackgasse in Form einer...Pagode? "Ruhe! Das Legendäre hat unsere Bitte erhört!", rief ein alter Mann. Zumindest dachte ich, dass es ein alter Mann war auf Grund seines Ganges, doch die Menge ließ sich nicht von ihm beruhigen. Er wendete sich mir zu, was mir gar nicht gefiel und ging auf mich zu. Mit jedem weiteren Schritt erkannte ich sein faltiges Gesicht besser. Der Blick, mit dem er mich anschaute, war verlangend, neugierig, aber auch flehend. Rennen ist vielleicht doch nicht so blöd! Mit einem Ruck zog ich mich hoch und rannte Richtung Wald. Die Menge verschloss mir jedoch schneller den Weg, als es mir lieb war. Kinder liefen auf mich zu und wollten mir ihre Hand geben. Ungläubig schüttelte ich den Kopf. Was wollen die von mir? Ich spürte eine Hand an meinem Rücken und hüpfte vor Schreck zur Seite. Der alte Mann stand vor mir und deutete auf die Pagode. "Hab' keine Angst. Dort drinnen wirst du zur Ruhe kommen." Noch immer lag etwas Flehendes in seinem Blick, aber seine Ausstrahlung hatte etwas Tröstliches. Der Wunsch, endlich von der Straße und von all den Menschen weg zu kommen, war größer, weshalb ich mich von ihm hinein in die Pagode leiten ließ. Kaum hatte sich die Tür hinter mir geschlossen, kehrte angenehme Ruhe ein. Auch hier herrschte der Geruch nach süßem Holz vor. Das Holz unter meinen nackten Füßen fühlte sich glatt an, perfekt um darauf zu laufen. So etwas hatte ich schon einmal gespürt, als ich einen Tempel in Kyoto besucht hatte. Der Boden war über Jahrhunderte von Füßen glatt poliert worden und heutzutage hatte man das Gefühl, als liefe man auf Wolken. Die Pagode selbst war gebaut, wie man sich eine Pagode vorstellte; in der Mitte befand sich der Meter dicke Herzpfeiler, der durch die Decke verschwand und irgendwo mehrere Meter über uns in einer Spitze endete. Der restliche Raum war völlig frei von Mobiliar. Nur die Wände waren herrlich verziert. Es schien, als wären falsche Fenster angebracht worden, durch die es unmöglich war, das Innere zu erkennen, aber durch die Licht eindringen konnte. Ein Gitter aus dünnen Holzbalken schützte die halb transparenten Bereiche. Als Kunstliebhaberin zog es mich näher an die Fenster, wobei ich mit jedem Schritt meine Zehen an den Boden schmiegte. Als ich direkt vor dem Gitter stand sah ich, dass es sich nicht um ein zufälliges Muster handelte. Die Balken formten ein Bild. Jedes Fenster wurde von zwei Vögeln flankiert, die sich gegenüber saßen. Fast sahen sie aus, wie Pfaue. Solche Darstellungen waren mir gut bekannt. Während meines Kunststudiums hatte ich oft solche Darstellungen eines Phönix gesehen. Er war ein beliebtes Motiv in der asiatischen Welt. Ihre Flammen, aus denen der Vogel zu bestehen schien, wurden von winzigen Schnitzereien im Holz dargestellt, was ich erst bei näherem Betrachten erkannte. Wirklich eine schöne Arbeit. "Dieser Turm ist Ho-Oh geweiht. Deshalb finden sich hier überall Abbildungen." Der Alte stand lächelnd neben mir. Er musste mich beobachtet haben, wie ich das Fenster untersuchte. Seine Worte hallten in meinem Kopf. Dieser Turm ist Ho-Oh geweiht. Im selben Moment erinnerte ich mich an den Glockenklang von eben. Da hatte ich bereits das Gefühl gehabt, dass....nein. Und doch dieser Turm... Mein Herzschlag verdoppelte sich und ich musste mich räuspern. "Dieser Turm... Damit meinen Sie den Zinnturm?" In meinen Ohren hörte sich meine Stimme völlig falsch an. Der alte Mann schenkte mir ein warmes lächeln. "Oh! Wie erfreulich, dass Sie von unserem Turm gehört haben." Scheinbar hatte er unentschieden und sprach mich nun höflich an, er hatte mich doch gerade noch geduzt. "Der Zinnturm ist unser ganzer Stolz", sagte er mit einem weit ausholenden Schwenker seiner Hand. Plötzlich hatte ich das Gefühl mich setzten zu müssen. Das ist doch wohl ein Scherz?! Ich griff mir an die Brust und konzentrierte mich auf meine Atmung. Das Lächeln des alten Mannes verschwand und er berührte mich besorgt am Arm. Durch das Rauschen meines Blutes in meinen Ohren hörte ich nicht mehr, was er sagte. Zinnturm! Ja, der ist Ho-Oh geweiht. Mein bisher Erlebtes zog vor meinen Augen vorbei. Dieses pinke Etwas mit den blauen Augen, sein Lachen und dieser Turm... Mit einem Mal hörte ich, wie jemand hysterisch lachte. Machte sich der Opa etwa lustig? Ich schaute ihm in die Augen, doch er stand noch immer neben mir mit völlig ernster Miene. Da wurde mir klar, dass ich diejenige war, die hysterisch lachte. Ich versuchte aufzuhören, doch ich konnte einfach nicht. Die Situation war einfach zu lächerlich. Ich stand hier, in meinen kurzen Schlafhosen, Schlabbershirt und barfüßig mitten im Zinnturm und ein weise aussehender, alter Mann erzählte mir stolz von Ho-Oh, einem verdammten - ich konnte das Wort nicht aussprechen, ohne dass es absurd klang - Pokemon. Über eine solche Situation konnte man nur lachen, wenn man nicht verzweifeln wollte. Als Kind hatte ich mir immer vorgestellt, ein eigenes Pokemonteam zu besitzen. Hatte den Traum vom besten Freund, der mit mir durch dick und dünn geht, so versprachen es die Werbefilme und Serien. Doch da war ich 13 Jahre alt. 10 Jahre später hatte auch mich die Realität eingeholt und der Wunsch nach eigenen Pokemon wanderte immer tiefer hinein in meinen Erinnerungen. Bis es schließlich nur das war: eine schöne Erinnerung. Doch dieser Zinnturm war real. Das Holz war echt und der Geruch brannte sich bereits in meine Nase ein. Ich war dem alten Mann dankbar, dass er mit ein paar Momente gegeben hatte, um mich zu fangen. Scheinbar war auch ihm bewusst, wie fremd die Situation für mich sein musste, was er respektierte. Ich nickte ihm zu und wartete darauf, etwas von ihm zu erfahren. Mittlerweile wurde mir klar, dass ich nicht nur zufällig hier war und dass dieser Mann, wenn auch passiv, eine Rolle in meiner Ankunft gespielt haben musste. Die Menge schien auf mich gewartet zu haben und war schließlich außer sich vor Freude gewesen, als ich endlich vor ihnen erschienen war. Dafür musste es einen Grund geben. Ich konnte mir schlimmeres vorstellen, als hier in Johto zu landen. Immerhin kannte ich Kanto und auch diese Gegend, wie meine Westentasche. Der Zinnturm befand sich schon immer in Teak City. Es beruhigte ein wenig zumindest den genauen Ort zu wissen, wo ich mich gerade aufhielt. Wobei "genau" hier ebenso vage war eindeutig. Wo genau WAR Teak City? Wenn man von dem Pixel absah, der in meinem alten Gameboy die Stadt angezeigt hatte. "Im Namen der Einwohner von Teak City heiße ich Sie in unserer Stadt willkommen", begann er. Er hatte sich beim Sprechen ein wenig entfernt und verbeugte sich nun tief vor mir. Unschlüssig, wie ich reagieren sollte, erwiderte ich die Verbeugung, wobei seine bei weitem besser ausgeführt gewesen war, als meine. "Mein Name ist Tahmoh. Ich bin der Hohepriester der Stadt und Behüter der Geheimnisse des Zinnturms. Mit welchem Namen darf ich Sie anreden?", gestikulierte er und beendete seine Ausführung mit einer weiteren Verbeugung. Hohepriester? Das erklärte die Federn. Sein Gewand bestand aus allen Farben des Regenbogens und schien grob zusammengestrickt worden zu sein. An seinen Ärmeln hatte man Federn befestigt. Vermutlich war seine bunte Erscheinung dem legendären Vogel Ho-Oh nachempfunden. "Sie müssen nicht so förmlich sein". Mir war nicht wohl dabei gewesen zuzusehen, wie sich ein älterer Mann derart respektvoll vor mir verbeugte. Was sah er nur in mir? "Ich bin Mimi." "Ich bin geehrt, dich kennen lernen zu dürfen", sagte er mir zunickend. Wenigstens hatte er sich nicht wieder bis zum Boden verneigt. "Priester Tahmoh, bei allem Respekt, aber was soll ich hier? In einem Moment bin ich zu Hause und im nächsten liege ich zu Füßen des Zinnturmes." Hoffentlich klang ich nicht verzweifelt. Mit Ruhe würde ich mehr erreichen, als mit Panik. Tahmoh hob fragend die Augenbrauen. "Nun, das hatte ich nicht erwartet. Ich entschuldige mich, falls ich Unannehmlichkeiten bereitet haben sollte." Unannehmlichkeiten? Das ist etwas untertrieben, Opa. "Ich habe eine Zeremonie durchgeführt, während der ich um Hilfe bei den Legendären gebeten habe. Das legändere Mew hat mich und die Gebete des Dorfes schließlich erhört und uns dich gebracht." Das klang gar nicht gut. War ich also diesmal das nicht mehr ganz kindliche 11jährige Gör, das die Welt im Alleingang gegen wütende Monster verteidigen sollte? Hatte man hier noch immer nicht gelernt nicht jedes Problem auf einen Außenstehenden abzuwälzen? Na, vielen Dank auch. "Es hätte mich wenigstens fragen können", murmelte ich vor mich hin. Ausgerechnet der kleine, pinke Flauschball Mew war der Übeltäter gewesen sein. Jedes Spiel, jede meiner Editionen musste ein Mew besitzen. Seit ich in der gelben Edition vergeblich versucht hatte, auf legalem Weg an das Legendäre zu kommen, auch gerne mit allerlei Cheatmodulen. Ja, ich gehörte zu der Gruppe Cheater. Aber ich hatte ja nie an Turnieren oder öffentlichen Kämpfen teilgenommen, da konnte es mir egal sein, woher meine Pokemon kamen. Zu hören, dass nun genau DIESES Pokemon, welches ich mir in der Vergangenheit im Hunderterpack ercheatet hatte, für mein Schlamassel verantwortlich war, grenzte an Ironie. In gewisser Weise hatte Mew selbst einen Cheat ausgeführt, um mich in seine Welt zu transportieren, auf Bitten dieses Mannes vor mir. Plötzlich klang das Lachen des kleinen Mews nicht mehr fröhlich, sondern nur noch spottend in meinen Ohren. Demonstrativ stemmte ich die Arme in die Hüften. "Ich will ehrlich zu Ihnen sein. Ich habe keine Ahnung, was Sie von mir wollen. Oder warum Mew ausgerechnet MICH vor ihre Füße gedroppt hat." Ein tiefer Seufzer entwich seinem Innersten. Es schien, als läge eine schwere Last auf seinen Schultern. Seit langer Zeit. "Das Legendäre hat dich aus einem Grund ausgewählt. Wenn du mir folgen würdest zeige ich dir, weshalb wir uns an die Legendären gewandt haben." Er deutete auf eine Treppe hinter dem Herzpfeiler, die nach oben führte. Nickend bat ich ihn vorzugehen und den Weg zu weisen. Als ich ihn seufzen gesehen hatte, empfand ich Mitleid mit dem Mann. Ich bezweifelte, dass ich ihm oder irgendwem helfen könnte, schließlich kam ich ja noch nicht einmal aus ihrer Welt. Aber ich konnte ihm wenigstens aus Respekt die Zeit geben, sich zu erklären und mir zu zeigen, was der Grund meiner, nennen wir es, Entführung gewesen war. Ich versuchte dicht hinter dem Hohepriester zu bleiben, da ich immer noch durch meine schlechte Sicht mehr als eingeschränkt war. Jetzt habe ich eben Mew gesehen und wusste noch nicht mal, dass es eins war. Da fühlt man sich ja so dämlich wie- "AH! VERDAMMT", schrie ich. Vor der Treppe befand sich eine kleine extra Stufe, die ich nicht gesehen hatte. Noch immer hatte ich meinen Gang dicht über dem Holzboden gehalten, um die Oberfläche des Untergrundes so lange wie möglich zu spüren. Dadurch hatten meine nackten Zehen unangenehme Bekanntschaft mit der Kante der Stufe gemacht. Die Tränen steigen mir in die Augen, während ich verzweifelt an meinen Zehen rieb. Hohepriester Tahmoh war sofort zurück geeilt und sah mich nun besorgt an, wie ich vor Schmerz die Zähne zusammenbiss. "Sind Sie sicher, dass Sie Ihren Retter nicht umtauschen wollen?" Kapitel 2: Rollenspiel ---------------------- Schnaufend erreichte ich endlich den fünften Stock. Innerlich verfluchte ich meine nicht vorhandene Kondition. Den ganzen Weg hat sich Tahmoh nichts anmerken lassen, ob das Treppensteigen ihm ebenso zu schaffen machte, wie mir. Der Mann musste über 70 Jahre alt sein und doch stand er nun vor mir, milde lächelnd und wartete darauf, bis sich meine Atmung ein wenig beruhigte. Mit schweißfeuchten Händen fegte ich zum Gefühlt hundertsten Mal ein paar lose Strähnen aus dem Gesicht. Ein Glück band ich mir vor dem Schlafengehen aus Gewohnheit die Haare zusammen. Sie waren viel zu lang, als dass ich sie während des Schlafens offen lassen könnte. Beim Herumdrehen hätte ich mich selbst mit meinen Haaren stranguliert. Nein, da schlief ich lieber mit einem Zopf. Wenn sie jetzt offen gewesen wären, käme zu meiner Blindheit noch ungebändigte Haare hinzu. Warum konnte der alte Mann nicht aufhören zu lächeln. Das machte mich wahnsinnig. "Ein so junger Mensch müsste doch eigentlich die Treppen hoch springen können", hörte ich seine spottende Stimme in meinen Gedanken. Wenn ich nun mal die meiste Zeit im Sitzen verbrachte, sei es in der Uni oder zu Hause, dann konnte ich die Treppen nicht gerade mal so hinaufrennen. Wenigstens erwähnte er seine Gedanken nicht laut, sodass mir eine öffentliche Blamage erspart blieb. Stattdessen drehte er sich um und führte mich zu einem abgetrennten Raum hinter dem Herzpfeiler. Ein wunderschöner Stellschirm blockierte die Sicht auf den Bereich dahinter. Auf jeder Paneele war ein Pokemon abgebildet. Es waren die legendären Vögel mit Lugia und Ho Oh, die zu tanzen schienen. Jede Paneele war einem Pokemon und dem jeweiligen Element gewidmet, mit einer sechsten leeren Paneele. Gemalt war das Gemälde wohl auf Seide, zumindest ließ der Glanz der Farbe darauf schließen.      Der Hohepriester führte mich eilig um den Stellschirm. Dahinter saßen drei jüngere Frauen im Kimono auf Tatami-Matten mit einem Wesen zu ihren Füßen. Nein, nicht ganz. Die Dritte hatte ihren Zenit bereits überschritten. Sofort warfen sie sich zu Boden und verneigten sich mit ausgestreckten Armen so tief, dass ihre Gesichter den Boden berührten. Hoffentlich reagierten sie hier gerade auf den Auftritt des Hohepriesters. Mein Blick ging zu dem Wesen und die Neugier trieb mich ein wenig nach vorne, um es besser zu erkennen. Es lag eingerollt auf einer Decke und schien zu schlafen. Meine Augen weiteten sich und meine Atmung setzte aus, als ich erkannte, was da vor mir lag. Zuvor hatte ich zwar bereits ein Mew gesehen, aber da hatte ich nur ein pinkes Ding wahrgenommen, ohne zu wissen, was es war. Aber hier vor mir lag ein echtes, atmendes Nachtara. Und es war riesig. Ich hatte mir die Evoli-Entwicklungen immer wie etwas zu groß geratene Hauskatzen vorgestellt, aber das, was ich sah, überstieg jede meiner Schätzungen. Dieses Exemplar hatte annähernd die Größe eines Australien Shepard. Zwar lag es eingerollt vor mir, aber gemessen an der Länge des Rückens und der Beine musste es mindestens einen Meter groß sein. Die Frauen im Kimono sahen abwechselnd zu mir und zu dem schlafendem Nachtara. Gerade, als ich mich den bisher stillen Frauen vorstellen wollte, bemerkte ich ihre geröteten Augen. Hier stimmt etwas nicht...   "Bitte, hilf ihm!", sprach die Älteste der Frauen mit gebrochener Stimme. Ihr Blick fiel auf das Nachtara, was mir plötzlich gar nicht mehr friedlich schlafend erschien. Helfen? Was soll ich bitte tun? Langsam lief ich auf das Tier zu mit den Blicken des Hohepriesters im Nacken. Je näher ich kam desto mehr begriff ich, dass dieses Nachtara alles andere als gesund war. Normalerweise sollte sein Fell tief schwarz sein, aber dieses hier war eher matt gräulich. Auch die Ringe waren nicht so kräftig gelb leuchtend, wie ich es erwartet hätte. Vorsichtig legte ich meine Hand auf den Kopf des bewegungslosen Nachtaras. Das Gefühl, ein echtes Pokemon zu berühren und seine Wärme zu spüren, war regelrecht magisch. Zu meiner Überraschung fühlte sich das kurze Fell tatsächlich eher nach einem groben Fließ an, als nach einem weichen Teppich. Jedes einzelne der kurzen Haare pikten beim Darüberstreichen. Behutsam fuhr ich ihm über die angelegten Ohren, die viel zarter waren, als das restliche Fell. Aufs Neue wiederholte ich diese Bewegung und kraulte es zusätzlich hinter seinen langen Lauschern. An dieser Stelle liebte es meine Katze, massiert zu werden, daher verfiel ich aus Reflex in diese Gewohnheit. Plötzlich leuchteten seine Ringe auf. Strahlend gelbes Licht erfüllte den Raum hinter dem Stellschirm. Die Frauen im Kimono gaben erschrocken Jasper von sich. Instinktiv wollte ich meine Hand wegziehen, aber sie schien wie ein Magnet an dem Nachtara zu kleben. Der Hohepriester scheuchte die Frauen zur Seite, um sie von uns Beiden zu isolieren. "Was zum-?!" Immer heller erstrahlte das Licht und breitete sich schließlich auf meine Hand aus. Schneller und schneller fraß sich der Schein voran, bis mein ganzer Körper leuchtete. Geblendet von dem Licht verdeckte ich die Augen, doch sogar das innere meines Lides schien zu strahlen. Mit einem letzten Flackern war das Licht mit einem Mal verschwunden. Sofort konnte ich meine Hand von dem Nachtara lösen. Dieses wedelte zuerst mit den Ohren und hob schließlich den Kopf. Ich lächelte es an, als es mir mit verschlafenen Augen zublinzelte. Eine der Frauen hinter mir quietscht und rannte so schnell es ihre Kleider zuließen an mir vorbei und warf sich neben das Nachtara. Sofort wurde es in eine innige Umarmung eingeschlossen. Zu sehen, wie vertraut manche Menschen tatsächlich mit ihren Pokemon umgingen, wärmte mir das Herz.    Ohne Vorwarnung drehte sich die alte Frau plötzlich um und warf mich beinah mit einem stürmischen  Angriff ihrer Zuneigung um. Zu allem Überfluss weinte sie sich auch noch an meiner Schulter aus. Tahmoh, Hilfe! Überfordert mit dem emotionalen Ausbruch tätschelte ich ihr steif den Rücken, oder eher den massigen Obi. Im Ernst Herr Priester, helfen Sie hier mal. Verstört suchte ich den Blick Thamohs, der auf die beiden anderen Frauen einredete. Auch diese lagen sich in den Armen und schluchzten vor Freude. Unterdessen hing noch immer ein riesiges Bündel Stofflagen an meiner Schulter. Räuspernd verschuf ich mir Gehör. "OK, das reicht." Der Griff um mich lockerte sich nicht und meine Versuche, mich herauszuwinden blieben erfolglos. "Im Ernst das reicht. Tahmoh!", rief ich schließlich, woraufhin sich der Hohepriester sich endlich der Frau annahm und sie von mir weg zog. Immer wieder murmelte sie, kaum hörbar durch ihr Geschluchzte, wie dankbar sie war.   Dankbar für was genau? Ungläubig schüttelte ich den Kopf. "Ich würde jetzt wirklich gerne wissen, was hier los ist. Kann mir irgendjemand sagen, was das hier gerade für ein Lichterfest war?" Gezielt hatte ich den Hohepriester angesprochen. Von den aufgelösten Damen erwartete ich sowieso keine klare Antwort. Nachtara kuschelte sich derweilen an ihre Trainerin. Mir fiel auf, dass es nun mehr...Farbe hatte. Das Schwarz schien kräftiger zu sein und das Gelb leuchtete heller. Damit ähnelte es schon eher meiner Vorstellung eines Nachtaras.   "Wir sollten uns zurück ziehen. Du musst Hunger haben. Beim Essen werde ich dir alles erklären." Kaum hatte er die alte Frau im Kimono ihrem Nachtara überlassen, bemühte er sich mich wieder hinter den Stellschirm zu bringen. Oder eher VOR den Stellschirm.   "Stopp!", abwehrend hob ich die Hände. Ich war nicht gerade ein zartes Pflänzchen und konnte mit meinem Gewicht einen älteren Mann hindern, mich herum zu schieben. Selbst wenn er ein wenig größer war, als ich. "Hohepriester, ich schätze ihre Sorge um mein Wohlbefinden", verdammt ich hab wirklich Hunger, "aber Essen kann ich später. Jetzt würde ich wirklich gerne wissen, was ich hier soll."   Sprachlos starrte Tahmoh mich an. Auch die Frauen im Kimono ließen ihre Aufmerksamkeit zwischen uns Beiden im Wechsel umherschweifen. Die Dritte war versunken in einem Gespräch mit ihrem Pokemon. Wenigstens Eine war zufrieden.   "Ich kann verstehen, dass dir ein wenig unwohl sein muss. Meine Taten habe dich laut deiner Aussage aus deiner gewohnten Umgebung gerissen, was ich bedauere. Mit einem solchen Ausgang hatte ich nicht gerechnet", gab der Priester offen zu. Langsam hatte er seine Hände auf den Rücken gelegt und musste sie dort auch gefaltet haben, was sich jedoch meiner Sicht entzog. Durch die Pose wirkte er autoritärer.   "Das mag sein und doch bin ich hier", seufzte ich mehr zu mir selbst, als zu einem der Anwesenden. Die Damen begnügten sich damit, das Schauspiel aus einer neutralen Ecke zu beobachten. "Sie sagten Mew hätte mich auf Ihren Wunsch nach Teak City gebracht. Das erklärt jedoch noch nicht, weshalb Sie diesen Wunsch überhaupt erst geäußert hatten."   "Dieses Nachtara hinter mir war krank. Und so wie er, leiden unzählige andere, arme Pokemon an dieser mysteriösen Krankheit." Während er sprach hatte ich die Hände über der Brust gefaltet. "Was für eine Krankheit?", fragte ich nach.   "Wir nennen sie den Schattenriss." Noch nie davon gehört. Sein Blick fiel auf das Pokemon hinter ihm. "Bisher endete sie immer tödlich." Mit weiten Augen zog ich scharf die Luft ein. Von einer Krankheit, die Pokemon tötet, hätte ich definitiv gehört. "Wie furchtbar", erwiderte ich, woraufhin er mir zunickte. "Menschen sind davon nicht betroffen, zumindest noch nicht. Die Krankheit verläuft immer gleich. Zunächst werden die Pokemon träge, was an sich unbedenklich ist. Doch dann beginnt ein Schatten sich über ihren Körper zu legen. Erst nur an einer Stelle ihres Körpers. Doch er breitet sich mal schneller mal langsamer aus, bis schließlich das Pokemon völlig überzogen ist. Egal, was wir versuchen, es lässt sich nicht aufhalten, geschweige denn rückgängig machen. In diesem letzten Stadium bewegt es sich nicht mehr. Es frisst nicht und trinkt nicht mehr. Wir ernähren es mit der Hand, doch das zögert das Ende nur hinaus. Schließlich hört es einfach auf zu atmen."   Ich war völlig sprachlos und hatte aus Schock die Hände über meinen Mund gelegt. Diese Krankheit klang furchtbar. Den Schmerz, zusehen zu müssen wie das eigene Pokemon langsam starb wollte ich mir nicht vorstellen. Als ehemalige Hundebesitzerin hatte ich eine Ahnung wie es sich anfühlte, dem eigenen Tier beim Sterben zusehen zu müssen, und wie es sich von Tag zu Tag quälte. Ich wagte nicht zu behaupten, dass die Trainer dieselbe Erfahrung durchmachten. Aber sie war vergleichbar.   "Das tut mir.... wirklich leid", erwiderte ich ehrlich, als ich meine Stimme wiedergefunden hatte. "Also habt ihr Mew gebeten, die Krankheit zu heilen." Tahmoh schüttelte den Kopf. "Nicht direkt. Ich habe mich an alle Legendären gewandt. Der Zinnturm ist zwar Ho-Oh geweiht, doch jedes legendäre Pokemon ist hier willkommen und hat eine innere Verbindung mit diesem Ort. Mew war das Legendäre, was unserer Bitte Gehör geschenkt hat." Er verbeugte sich wieder, was die Damen ihm eilig nachtaten, jedoch ein klein wenig tiefer zum Boden gerichtet.   Fragend legte ich den Kopf schief. "Aber in wie fern hat Mew euch erhört? Was hat es sich nur dabei Gedacht mich hierherzubringen?"   Mit seinen Händen umschloss er die Meinen und lächelte mich wie der Großvater, den ich niemals hatte, an. "Wir haben um Hilfe gebeten und du wurdest uns geschickt. Du hast deinen Wert bereits bewiesen."   Meinen Wert bewiesen? Oh nein, der meint doch nicht-! Eilig entzog ich mich aus seinem Griff, was er noch immer lächelnd geschehen ließ. "Sie glauben, ich habe das Nachtara geheilt?", fragte ich mit hoher Stimme. Als Antwort nickte er einfach.   "Moment, damit hatte ich nichts zu tun. Es hat sich selbst geheilt mit diesem...komischen...Licht." Die Vorstellung war absurd. Ich hatte das Pokemon nur gestreichelt. Geleuchtet hatte es von ganz alleine.   "So etwas, wie eben, ist noch nie passiert. Dieses 'komische Licht' hast du ausgelöst." Er sprach mit einem Ton, als erklärte er gerade einem Kind, dass es heute keine Süßigkeiten mehr bekam. "Sie haben mein Nachtara gerettet", meldete sich zum ersten Mal die Besitzerin zu Wort. Ihre Stimme war heiser von Freudentränen.   "Nein!", erwiderte ich entschieden. "Ich kann das nicht. Leuchten, meine ich. Und Heilkräfte habe ich auch nicht." Monster mit anderen Monstern zu bekämpfen, war eine Sache. Aber hier sprachen wir von übernatürlichen Dingen. Bei dem Gedanke, dass diese Leute in mir so etwas wie den Heiland sahen, der durch Handauflegen Krankheiten heilen konnte, wurde mir schlecht. "Ich bin froh, dass es dem Nachtara besser geht. Ehrlich. Aber ich bin keine Heilerin." In Gedanken versunken rieb sich der Priester am Kinn. "Das Legendäre hat dich nicht ohne Grund hierher gebracht. Wenn es der Meinung ist, dass du uns - nein - den Pokemon helfen kannst, dann kannst du uns helfen." Ich setzte zu einem Gegenschlag an, doch er hob abrupt die Hand und schnitt mir damit das Wort ab.   "Das Licht gerade eben begann, als du das Nachtara berührt hattest. Wenn du es nicht bewusst getan hast, dann ist es unterbewusst passiert. Fakt ist, du hast dem Pokemon geholfen." Er machte klar, dass er keine Widerrede wünschte. Bisher war er freundlich und zuvorkommend gewesen, doch nun zeigte er, dass er Hohepriester nicht ohne Grund war.   "Ich würde es nun begrüßen, wenn wir unser Gespräch auf einen geeigneteren Ort verlegen könnten. Mein Rücken verlangt nach einer richtigen Sitzgelegenheit", erwiderte er versöhnlich. Resigniert gab ich auf. "Ich nehme das Angebot für Essen jetzt gerne an."   __________________________________________________________________   Begleitet von den zwei jüngeren Damen im Kimono, Komoko und Satsuko, ging ich durch die Stadt in Richtung Tanztheater, wie ich vermutete. Tahmoh hatte sich für eine Weile verabschiedet mit dem Versprechen, später zu uns zu stoßen. Die Menge vor dem Turm, die bei meiner Ankunft anwesend gewesen war, hatte sich mittlerweile zerschlagen. Nun wurde ich von jeweils einer Dame flankiert durch die Stadt geführt. Gnädigerweise hatte man mir Schläppchen überlassen, sodass ich nicht gezwungen war barfuß durch die Stadt zu marschieren. Überall standen Bäume jeder Art. Es herrschte ein ständiges Rascheln vom Wind , der durch die Baumkrones wehte. So wunderschön der Anblick auch war, ich kam nicht umhin mir vorzustellen, wie es im Herbst sein musste. Wer räumte hier die Blätter weg? Und wohin? Bestimmt wurde dafür jedes Jahr ein Relaxo engagiert. Die fraßen alles, also würde eines wohl auch liebend gern alle Blätter auffressen. Viele der Passanten erkannten mich, was nicht sonderlich schwer war. Welcher normale Mensch lief halb nackt durch die Straßen begleitet von zwei Frauen im Kimono, eine für jede Hand. Mh, der Gedanke klang irgendwie falsch. Die meisten blieben stehen und warteten etwas seitlich stehend, bis ich sie passiert hatte. Jedes Mal verneigten sie sich, bis ich an ihnen vorüber gegangen war. Diese Respektsbezeugungen wurden mir langsam zu viel und ich versuchte, das Tempo etwas anzuziehen, um schneller ans Ziel zu gelangen. Doch ihre eng gebundenen Kleider und die Geta ließen eine höhere Geschwindigkeit nicht zu.   Nachdem sich gefühlt die halbe Stadt vor mir verbeugt und ich dutzende Hände geschüttelt hatte, erreichten wir ein kleines Häuschen aus Holz: das Tanztheater. Geschäftszeiten waren erst gegen Abend, deshalb war der Unterhaltungsraum völlig leer. Satsuko führte mich zu einem Tisch und versprach mir warmen Tee mit Gebäck. Das Theater war ein traditionell eingerichteter Raum mit mehreren Tischen und Sitzgelegenheiten. An der langen hinteren Wand gab es eine einfache Bühne, auf der Satsuko und die anderen jeden Tag Aufführungen vor Publikum machten. Bilder, oder Pflanzen gab es keine. Man sollte sich wohl ausschließlich auf die Tänzer konzentrieren können.   Es dauerte nicht lange, da kehrten die Beiden mit einer Karaffe Tee und einer Platte Gebäck zurück. Elegant routiniert goss Komoko den Tee in eine Schale und reichte sie mir. Der Tee dampfte und ein süßer Geruch stieg mir in die Nase. Gierig vor Durst nahm ich einen großen Schluck und war sofort hin und weg. "Was ist das für Tee?", wollte ich sofort wissen. "Ein Sud aus Magost- und Yapabeeren. Die Magostbeere ist süß und ein wenig bitter, doch die Yapabeere gleicht die Bitterstoffe mit ihrer Säure aus und verleiht dem Tee neben der Süße noch ein prickelndes Gefühl im Abgang", erklärte sie fachmännisch. Was auch immer das alles bedeutete, der Tee war verdammt gut. Wenn jeder Tee aus den Beeren hergestellt werden würde, würde ich von Kräutertee auf Früchtetee umsteigen. Beim Essen erzählten mir die Damen ein wenig von sich selbst. Waren sie in Anwesenheit des Hohepriesters noch stumm, so sprudelten die Informationen nun aus ihnen heraus. Leider hielt sich meine Begeisterung in Grenzen. Das Meiste ihrer Erzählungen war mir bereits bekannt. Sie und drei andere Frauen führten das Theater. Sie waren berühmt dafür auch gegen Trainer zu kämpfen, falls diese es wünschten. Dabei kämpfte jede der Frauen mit einer Evoli-Entwicklung. Wie ich bereits vermutet hatte, war Nachtara das Pokemon von einer der Kimono Frauen. Der Name der Frau war Tamao, so sagte man mir. Ohne Zweifel hatten auch Satsuko und Komoko eine solche Evoli-Entwicklung als Partner. Zu gerne würde ich die sehen, aber darum zu bitten wäre wohl seltsam. So hörte ich ihnen weiter zu und trank meinen Tee.   Tamao war die Älteste unter den Kimono-Frauen und alleinige Inhaberin des Theaters, seit ihre Schwester letztes Jahr leider verstorben war. Das Nachtara war das erste Pokemon aus ihrer Gruppe, welches an der Krankheit gelitten hatte. Sofort, als man es diagnostiziert hatte, hatte man es in die Pagode gebracht, um es von den anderen zu isolieren. Seitdem gab es weniger Auftritte und die Kämpfe wurden komplett gestrichen, da die Inhaberin fast die ganze Zeit in der Pagode verbracht hatte. Ich konnte spüren, wie sehr die jungen Frauen mit Tamao gelitten haben mussten. Auch, wenn Nachtara nicht ihr Pokemon gewesen war, so war es Teil der Kimono-Frauen-Familie. Fiel ein Mitglied aus, betraf es die ganze Gruppe. Sie plapperten darüber, wie sie jetzt wieder ihrem gewohnten Tagesgeschehen nachgehen könnten, nachdem es Nachtara wieder besser ging. Auch fragten sie mich, wie ich es geschafft hatte, das Pokemon von dem Schatten zu befreien. Doch ich konnte ihnen nichts anderes sagen, als noch wenige Zeit zuvor dem Hohepriester. Dass ich es nicht gewesen sein konnte. Doch das Funkeln in ihren Augen ließ mich zweifeln, ob sie mir überhaupt glaubten.   Als Tahmoh wieder zu uns stieß, zogen sich die Beiden zurück. Der Hohepriester hatte seine Zeremonienkleidung gegen einen etwas legereren, leichteren Alltagsmantel eingetauscht. Er trug einen blauen, langen Wickel, der entfernt an den von taoistischen Mönchen erinnerte. Auch er bekam eine Schale Tee. Wie beiläufig erklärte er mir, dass ich mich nun aufmachen müsste die Pokemon zu heilen, die erkrankt waren. "Hohepriester, wie oft denn noch. Ich kann-" "Von können ist nicht die Rede. Du musst es tun. Du hast ohne Zweifelt das Nachtara geheilt. Und du musst jetzt anderen helfen." Langsam wurde ich ärgerlich. Ich lasse mich doch nicht herumkommandieren! "Jetzt passen Sie mal auf-." In diesem Moment stolperte ein kleiner Junge herein. In seinen Armen lag etwas, mit vielen Beinen. "Ich brauche Hilfe!", rief er atemlos. Sofort sprangen alle auf und liefen ihm entgegen. Perplex sah ich mich alleine am Tisch zurück gelassen. "Sie muss meinem Webarak helfen", hörte ich ihn schluchzen. Webarak? Das muss wohl das Ding in seinen Armen sein. Das riesige Ding! Im Prinzip war ein Webarak nichts anderes, als eine Spinne. Nicht gerade meine Lieblingstiere. Unwohl versuchte ich mich einige Schritte nach hinten zurückzuziehen. Doch weit kam ich nicht, als plötzlich alle Blicke auf mich gerichtet wurden.   Der Hohepriester hatte dem Jungen das Pokemon abgenommen und es auf den Tisch gelegt, auf dem noch unsere Schalen standen. Die langen Beine lagen leblos in alle Richtungen gestreckt. Man sah deutlich die schwarz-gräuliche Färbung. Besser sogar, als bei dem Nachtara, das von Natur aus bereits eine schwarze Fellfarbe besaß. Unwohl stand ich mit den Anderen um den Tisch. "Bitte, hilf ihm", bat mich der Priester. Durch all die Augenpaare unter Druck gesetzt berührte ich schließlich zaghaft das Pokemon. Vor ekel lief es mir kalt den Rücken hinunter. Ich wusste, dass es ein Pokemon war, doch die Ähnlichkeit mit einer Spinne, war nicht von der Hand zu weisen. Ich legte die Hand auf seinen Rücken und wartete darauf, dass etwas passierte. Wie erwartet, geschah nichts. Sekunde um Sekunde verstrich, doch das Webarak regte sich nicht. Dafür weinte der Junge neben mir immer lauter.   "Das verstehe ich nicht!", sprach der Priester ungläubig. "Ich hatte versucht Ihnen zu erklären, dass ich die Falsche bin." Doch dieser schüttelte den Kopf. "Es kann kein Irrtum bestehen. Vielleicht müssen wir zurück in den Turm. " Unterdessen ließ sich der Junge gar nicht mehr beruhigen und schrie.   "Der Ort ist nicht das Problem. Ich bin es, warum wollen sie das nicht einsehen", schrie ich aufgebracht über den Jungen hinweg. Plötzlich wurde der Raum heller. Verwundert starrte ich auf meine Hände, die zu strahlen begonnen hatten. "Das darf doch wohl nicht wahr sein." Mein Blick fiel auf das Webarak, dessen Horn zunächst das Einzige war, was leuchtete. Doch wie auch bei dem Nachtara zuvor breitete sich das Strahlen aus, bis es schließlich das ganze Pokemon einhüllte. Alle Anwesenden bedeckten die Augen, bis es schließlich fast augenblicklich verschwand. Geblendet von dem Licht sah ich zunächst absolut nichts. Alles was ich vernahm, waren klackernde Geräusche und ein Aufschrei des Jungen. Als sich meine Augen wieder erholt hatten, sahen sie ein sich bewegendes Webarak, das versuchte seine Beine auf dem glatten Tisch zu koordinieren. Angeekelt ging ich so schnell ich konnte von dem Tisch weg. Der Junge hingegen breitete die Arme aus, in die das Pokemon schließlich krabbelte. "Ist DAS widerlich", dachte ich. Plötzlich hörte ich hinter mir jemanden klatschen. "Beeindruckende Lichtshow! Wie ich sehe komme ich richtig zur Party." Kapitel 3: Augen auf, Kauf ist Kauf ----------------------------------- Verwundert drehte ich mich um. Im Eingang stand eine Gestalt und der Stimme nach zu urteilen war es eine Frau. Ich erkannte lange schwarze Haare und ein blaues Oberteil mit weißer Hose, mehr jedoch nicht. Zumindest nicht, solange sie dort stand, ohne sich zu bewegen. Der Junge rannte unterdessen an mir vorbei, sein Webarak im Arm und rief mir zu, wie dankbar er war. Wirklich verstanden hatte ich die ganze Sache noch immer nicht. Ungläubig starrte ich auf meine Hände, die nicht anders aussahen, als ich es gewohnt war. Und doch hatten sie das Leuchten der Pokemon aufgefangen und über meinen ganzen Körper geleitet. Da merkte ich, wie mir allmählich schummrig wurde.   "Yumiko, mein Kind. Schön, dass du Zeit gefunden hast uns Gesellschaft zu leisten." Tahmoh grüßte die Frau, die freudig zu ihm gelaufen war und sich nun vor ihm verneigte. Yumiko hieß sie also. "Natürlich, ich will doch einen Blick auf unseren Retter werfen. Und ich war ja gerade sowieso in der Nähe. Wie geht es Ihrem Rücken?" "Manchmal fühle ich mich, als wär eine Horde Taurus über mich gerannt", winkte er schelmisch ab. "Aber wir haben wichtigeres zu besprechen. Mimi, komm bitte zu uns." Es gab in der Tat wichtigeres zu bereden, als den Rücken des Hohepriesters. Vorsichtig lief ich unter den Augen der Anwesenden zu dem Spinnen, oder eher Webarak, freien Tisch zurück und war froh einen Stuhl zu haben. Der Boden unter mir fühlte sich plötzlich nicht mehr so stabil an, wie noch zuvor. Zudem fühlte ich mich, als hätte ich einen Marathon gelaufen. Oder als hätte ich  zumindest 3000 Meter hinter mir. Es schien jedoch keinen außer mir zu stören, dass ich vor kurzem noch ein wandelndes Glühwürmchen war. Der Neuankömmling, das Mädchen namens Yumiko, stützte sich gegen die Lehne eines Stuhls. Aus der Nähe sah ich, dass sie ein paar Jahre jünger als ich sein musste. Vielleicht 15 oder 16 Jahre alt. Für eine "Asiatin" war sie recht groß und erreichte sogar fast meine Höhe.   "Bevor ich zu euch gestoßen bin habe ich nach Yumiko rufen lassen. Sie ist eine Trainerin und besucht unsere Stadt um unsere traditionelle Meditationstechnik zu lernen," sagte er an mich gerichtet, als sollte ich wissen, wovon er redet. "Und das ist Mimi, die Heilerin." Bei seinen Worten musste ich schwer schlucken, doch aus Höflichkeit schüttelte ich ohne auf den mir gegebenen Titel zu reagieren Yumikos Hand. Man sah ihr an, wie gerne sie reden würde, aber aus Respekt wartete sie, bis der Hohepriester seine Vorstellung beendet haben würde. "Es war mein Wunsch, euch mit einander bekannt zu machen", sagte er mit einem Lächeln, das weitaus mehr ausdrückte, als er sagte. Während Yumiko scheinbar wusste, was der Hohepriester mit diesem Geste meinte und nickte, war ich noch immer so schlau wie zuvor. "Es freut mich, eine Pokemon-Trainerin kennen zu lernen, aber könnten wir zurück zur Sache kommen?", bat ich so höflich es meine Stimmung zu ließ. Doch statt des Priesters war es Yumiko, die antwortete. "Hohepriester Tahmoh ist gerne mysteriös. Aber man lernt ihn schnell zu lesen", erwiderte sie. "Und wenn ich seine Ruhe richtig deute, soll ich dich auf deiner Reise begleiteten. Immerhin ist es unklug den Heiler alleine in der Gegend herumlaufen zu lassen." Und wieder dieses Gerede über die Reise. Scheinbar war ja alles schon gut durchgeplant, von einer Reisepartnerin bis hin zu einem Ziel. Aber mit einem konnten sie nicht gerechnet haben. "Selbst wenn ich diese Reise mache und selbst wenn ich akzeptiere eine komische Gabe zu besitzen," als ob Pokemon nicht schon genug Abstrusitäten für einen Tag gewesen wären. "Sie haben ja gesehen, dass ich nicht auf Befehl heilen kann." Fragend wendete sich Yumiko an den Priester. Ungläubig zog sie die Augenbrauen zusammen. Nein, damit dass ich die Gabe nicht kontrollieren könnte, hatte niemand gerechnet. Wohl genauso wenig wie ich noch gestern Abend damit gerechnet hatte vor dem Zinnturm aufzuwachen. "Was heißt, sie kann die Gabe nicht kontrollieren?", wollte Yumiko skeptisch wissen. Tahmoh erwiderte ihren Blick ohne auch nur zu zucken. "Sie hat die Gabe. Es scheint jedoch, dass sie nicht in der Lage ist, sie nach Willen einzusetzen." Yumiko sah mich mit offenem Mund an. Ihr Blick verriet, wie schockiert sie war. Alles, was ich tun konnte, war abwehrend die Hände zu heben. Hey, ich habe mir das nicht ausgesucht.   "Kein Grund zur Sorge. Ich bin sicher sie kann lernen, sie einzusetzen. Komoko, meine Liebe, ich hätte gerne noch ein Schälchen deines Tees", sagte er woraufhin Komoko eilig verschwand, um seiner Bitte nachzukommen. "Sie haben Recht, Hohepriester. Sie wird es lernen", sagte Yumiko zu mir gewandt mit aufmunternden Lächeln. Ich mochte das Mädchen. "Dennoch sollten wir so bald wie möglich aufbrechen. Wenn du nicht lernst sie einzusetzen, werden unzählige Pokemon sterben." Großartig! Druck ist genau, was ich brauche. Es gab keinen Ausweg mehr. Mittlerweile wurde es Zeit, mich mit meiner Rolle abzufinden. Zu meiner großen Überraschung war ich jetzt hier und wie es aussah würde ich auch nicht so schnell wieder nach Hause kommen. Also müsste ich wohl oder übel mein Schicksal akzeptieren und Heilerin spielen. Nein, Heilerin sein. Ich WOLLTE den Pokemon wirklich helfen... Ich seufzte schwer.   "In Ordnung, Priester. Ich bin dabei. Was soll ich tun." Nun schenkte mir auch Tahmoh ein Lächeln und nickte mir dankend zu. Danach versank er ein paar Minuten in Schweigen, während denen ihn alle erwartend anstarrten. Jeder vertraute ihm, eine Lösung zu finden. "Du musst Jemanden finden", sagte er schließlich gedehnt, als wäre damit alles geklärt. Jemanden finden? Ich dachte ich müsste Pokemon heilen? Skeptisch verzog ich das Gesicht. "Wie meinen?" Ich denke deine Gabe ist nicht das Problem, sondern deine Verbindung zu den Pokemon. Du musst sie verstehen, Eins mit ihnen werden, um sie vollständig zu heilen." Ich muss Eins mit meiner Umwelt werden? Klingt nach Jedi-Geschwafel. "Wir hier in Teak City glauben, dass man eine besondere Verbindung mit seinen Pokemon eingehen kann, Generationen trainieren sich in der Kunst der Meditation, wie auch Yumiko hier", sagte er und deutete in einer sanften Bewegung auf das Mädchen. Ich hörte ihm weiterhin stumm zu. Dass diese Stadt spirituell angehaucht war, war mir bereits bekannt. Doch hatte ich noch nie von dieser Meditation gehört. "Allerdings fürchte ich, dass es nicht genug ist. Wir könnten dich unterrichten in der Hoffnung, dass diese Verbindung reicht. Doch all die kranken Pokemon können nicht mehr warten. Du musst vermutlich eine weitaus tiefere Verbindung mit ihnen eingehen, als wir es hier praktizieren." Seine Idee war ausgesprochen unhilfreich. Skeptisch lehnte ich mich zurück und verschränkte die Arme. "Großartiger Plan und wie mache ich das?" "Der legendäre Trainer", klinkte sich Yumiko ein. Versteht hier niemand Ironie? "Richtig!", pflichtete Tahmoh ihr bei. Und wieder wussten die Beiden nur zu gut, wovon sie sprachen. Nur ich stand völlig auf dem Schlauch. "Wer ist dieser legendäre Trainer?", wollte ich wissen. "Auf dem Silberberg lebt seit Jahren ein legendäre Trainer über den man sagt, er habe eine derart feste Beziehung zu seinen Pokemon, dass er in Gedanken mit ihnen kommunizieren kann", raunte Yumiko ehrfürchtig. Ein Trainer auf dem- Oooohhhhh.   "Verstanden. Finde den legendären Trainer", wiederholte ich meine Aufgabe. "Ich denke, meine Mutter könnte uns dabei helfen", sagte Yumiko nachdenklich. "Sie kennt als Arenaleiterin fast jeden Trainer der letzten 20 Jahre." Neugier packte mich. "Deine Mutter ist eine Arenaleiterin?", fragte ich nach. "Ja, von Ebenholz City. Ich bin sicher sie weiß, wo man den Trainer finden kann. Zumindest wird sie uns helfen können, nach ihm zu suchen." Mir klappte der Mund auf. Nicht gerade sehr subtil. Schnell überschlug ich die Informationen im Kopf. Arenaleiterin in Ebenholz City war Sandra, die Drachentrainerin. Yumiko sah ihr kaum ähnlich mit ihren schwarzen Haaren. War sie eine Verwandte von Sandra? Das bedeutete ich befand mich hier in einer Zeit einige Jahre nach den Ereignissen in Johto. Yumiko erwähnte 20 Jahre, waren also 20 Jahre seit den Abenteuern von Gold vergangen? Im Prinzip war es egal und machte absolut keinen Unterschied, wann ich hier gelandet war. Meine Aufgabe musste erledigt werden so oder so. "Dann wäre das entschieden", verkündete Tahmoh und klatschte aufgeregt in die Hände. "Du und Yumiko werdet euch nach Ebenholz aufmachen. Und von dort aus eure Suche nach dem legendären Trainer beginnen." Yumiko nickte entschlossener als ich. In diesem Moment kam Komoko mit dem Tee. Doch der Hohepriester sprang mit einem Elan in die Höhe, den man ihm in seinem Alter nicht mehr zugetraut hätte. "Keine Zeit für Tee. Wir müssen sofort mit den Vorbereitungen beginnen." Verstört stellte Komoko den Tee ab. Die Arme hatte den wichtigsten Teil des Gespräche verpasst und wusste natürlich nicht den Grund für die plötzliche Eile.   Ich bedankte mich für die Gastfreundschaft und folgte Yumiko und dem Hohepriester nach draußen. Auf die Frage hin, was ich alles benötigen würde, zählte Yumiko unzählige Dinge auf. Wie soll ich das denn alles bezahlen?! "Ich habe kein Geld", warf ich daraufhin ein. Doch der Priester winkte nur ab. "Wir können nicht verlangen, dass du für deine eigenen Güter aufkommst, nachdem wir diejenigen waren, die verantwortlich für deinen Aufenthalt sind." Damit war die Sache für ihn erledigt und er hörte Yumikos Aufzählungen weiter zu. Als Antwort zuckte ich nur mit den Schultern. Irgendwo hatte er ja sogar Recht. Verpflegung, Schlafsack, Medizin, Kleidung verschiedenster Art, Feuerzeug und viele andere Dinge standen auf meinem imaginären Einkaufszettel. Doch bevor ich auch nur eines dieser Dinge kaufte, würden wir etwas anderes besorgen müssen. "Kann man hier irgendwo Brillen kaufen?", erkundigte ich mich. Yumiko starrte mich überrascht an. "Glaubt mir, wenn ich sage, dass ich völlig aufgeschmissen bin ohne eine Brille. Ich brauche wirklich Eine. Am besten sofort." Seit Stunden sah ich die Welt durch einen Schleier und ich hasste das Gefühl, meine Umgebung nicht richtig wahrnehmen zu können.     Entweder waren es meine drängenden Worte oder aber die Erinnerung an meine peinliche Begegnung mit der Treppenstufe die Tahmoh davon überzeugten, mich sofort zu einem Brillengeschäft zu bringen. Die Beiden führten mich wieder durch die Straßen von Teak City. Noch war mein Orientierungssinn nicht richtig am Arbeiten, da mir einfach markante Punkte fehlten, an denen ich mich hätte orientieren können. Doch mir fiel auf, dass die Straßen sehr symmetrisch angelegt worden waren und in beinahe exakten Abständen Querstraßen zur Hauptstraße verliefen; wie im einem Raster. Diese Art des Städtebaus war in Japan durchaus üblich gewesen. Das prominenteste Beispiel wäre wohl Kyoto. Anstelle der vielen Pagoden hatte Teak City jedoch seine unterschiedlichen Bäume. Nach einem kurzen Fußmarsch, während dem sich wieder unzählige Bewohner ehrfürchtig verbeugt hatten, erreichten wir einen unscheinbaren Laden. Von außen deutete nichts darauf hin, dass es hier Sehhilfen zu kaufen gab. Dennoch betrat ich hinter Tahmoh das Geschäft. Innen gab es eine Theke mit mehreren Brillengestellen. Scheinbar waren wir hier doch richtig. Ein Mann mittleren Alters und blonden Haaren begrüßte uns, nachdem auch er sich sowohl vor mir als auch vor dem Priester verneigt hatte. Ich schilderte ihm schnell mein Problem, woraufhin er mich vor eine leere Wand stellte. Er zeigte mir Bilder von Pokemon in verschiedenen Größen. Meine Aufgabe war es, näher an die Wand oder weiter weg zu gehen, sodass die Bilder scharf für mich wurden. Am Boden sah ich eine Skala mit seltsamen Symbolen aufgezeichnet. Mit Dioptrien konnte man hier wohl nichts anfangen.   Das erste Bild war ein Hoothoot. Zumindest glaubte ich das. Zum Schrecken aller ging ich beinahe so weit nach vorne, dass ich mit ausgestreckter Hand die Wand hätte berühren können, wenn ich gewollt hätte. Jap, ein Hoothoot. Danach waren die Bilder zunächst wieder Größer und ich ging ein paar Schritte weiter weg, immer die Skala auf dem Boden entlang. Nach gut zehn Minuten schien er genug Informationen gesammelt zu haben. Also schickte er mich los, um ein Gestell zu finden. Ich hielt zunächst Ausschau nach einem Model, welches meiner eigenen Brille zu Hause ähnlich sah. Zu meinem Ärger waren viele mit rundem Bogen. Und rund ging gar nicht! Mein Gesicht war nicht für Potter-Brillen geschaffen. Selbst oval sah fürchterlich aus. Als ich den vierten Block erreicht hatte, stach mir ein Model ins Auge.   "Das da", sagte ich. Der Verkäufer nickte und reichte mir das Gestell, damit ich es probieren konnte. Es saß wunderbar. Die Gläser würden fast perfekt rechteckig geschnitten sein, wenn sie einmal in das Gestell gesetzt sein würden. Auf den breiten Bügeln waren feine Linien auf dunklem Grund geritzt. Das Muster stach mit einer gelber Färbung heraus, die gut zu meinen blonden Haaren passte. Zufrieden gab ich das Gestell dem Verkäufer, der es entgegennahm um die Gläser einzusetzen. Dieser Prozess würde einige Zeit dauern, doch auf Drängen des Priesters hin versprach er am Abend fertig zu sein. Mit gutem Gefühl verließ ich den Laden. Die erste Hürde war geschafft. In ein paar Stunden würde ich wieder richtig sehen können.   Einige Schritte aus dem Eingang heraus ließ mich eine Bewegung stoppen. Vor mir saß ein Pokemon, über das ich beinahe gestolpert wäre. Sein geteilter Schwanz zuckte erwartend von einer Seite zur anderen und seine glühenden Augen starrten mich direkt an. In dieser aufrecht sitzenden Position und den ausgestreckten Ohren reichte es mir bis zur Hüfte. "Psiana, was machst du denn hier?", begrüßte der Priester das neue Pokemon. Ich selbst konnte meine Augen nicht von dem Psiana nehmen. Dem Pokemon schien es mit mir genauso zu gehen. Jedoch hinderte mich etwas in seinem musternden Blick meine Hand nach dem Pokemon auszustrecken, um es zu berühren. Auch wenn sein Fell weicher aussah, als das von Nachtara und ich es nur zu gerne gefühlt hätte. "Du solltest zu deinem Bruder gehen. Er ist wach", sagte Tahmoh und schob mich weiter weg von dem Pokemon. Immerhin hatten wir Einkäufe zu erledigen und damit keine Zeit für Unterbrechungen. "Sie kennen das Psiana?", fragte ich den Priester im Laufen. "Ja, es ist die Schwester des kranken Nachtara", erklärte er. Bei seinen Worten kam ich nicht umhin mich noch einmal umzudrehen. Das Psiana folgte uns mit einigen Metern Abstand. "Vermutlich will es dir danken, dass du ihrem Bruder geholfen hast." Yumiko war meinem Blick gefolgt beantwortete meine nicht ausgesprochene Frage. Wir bogen auf die Hauptstraße und folgten ihr nun in die Richtung, aus der wir zuvor gekommen waren. Ich erkannte, wie am Ende der Hauptstraße der Zinnturm zu sehen war. Der Anblick war selbst ohne Brille wunderschön und ich realisierte hier in diesem Moment, wo ich eigentlich war. Ich atmete die erdige Luft der Stadt und spürte den Wind auf meiner Haut. Ich sah den hohen Turm der aussah, wie eine Pagode und doch höher war, als es für eine traditionelle Pagode üblich wäre. Uns folgte ein Psiana; ein atmendes, lebendiges Pokemon. Ich erlaubte mir für ein paar Sekunden die Augen zu schließen und den Moment zu genießen. Das war kein Traum, dass wusste ich seit dem Moment, in dem ich mir an der Treppe beinahe die Zehen gebrochen hätte. Sie waren sogar noch immer etwas taub. Nein, ich war in einer realen Welt, nur eben nicht mehr in der Meinen. Denn dort war Pokemon eines der erfolgreichsten Franchise des Planeten und der Name allein Milliarden schwer. Das alles zählte hier nicht. Hier lebte man mit den Pokemon zusammen. Kämpfte mit ihnen, erlebte Abenteuer oder hielt sie sich als intelligente Haustiere. Die Aufgabe, die auf mir lag war noch immer beängstigend und die Aussicht herumreisen zu müssen erfüllte mich nicht gerade mit Vorfreude. Aber ich war hier, in der Welt der Pokemon und bekam die Chance zu dem zu werden, was Yumiko bereits repräsentierte. Ich sah sie von der Seite an und begann zu grinsen. Ich werde eigene Pokemon haben. Dieser Gedanke war die Reise, die vor mir lag, allemal wert. "Warum lächelst du?", fragte Yumiko, die mich nun musterte. Natürlich hatte sie gemerkt, wie ich sie kurz zuvor angestarrt hatte. "Ich bin froh hier zu sein", erwiderte ich wahrheitsgemäß. Ja, jetzt konnte ich sagen, dass ich froh war hier zu sein. Das hieß nicht, dass ich Mew vergeben würde. "Hier? Jetzt wo du es erwähnst woher kommst du eigentlich?" Scheiße! Mit einem Mal entwich das Lächeln aus meinem Gesicht. "Was meinst du?", fragte ich mit unschuldigem Gesicht in der Hoffnung Zeit schinden zu können. Yumiko nahm die Hände hinter den Rücken und legte den Kopf schief. "Naja, Mew hat dich ja regelrecht aus deinem Bett gerissen, so wie du aussiehst." Ihr Blick ging einmal über meinen Kopf bis Fuß und wieder hoch. Natürlich hatte es das getan. Aus meinem Bett, welches in einer Welt steht, in der all das hier Spiele, Serien und Bücher aller Art füllte. Das konnte ich wohl schlecht beichten. "Das hat es auch", erwiderte ich mit gezwungenem Lächeln. Ich hoffte inständig, dass Yumiko meine Antwort nicht weiter hinterfragen würde. Aber da wurde ich schnell enttäuscht. "Kommst du von weit weg? Wie ist es dort? Gibt es dort andere Pokemon als hier?" Natürlich war sie eine Vollblut-Trainerin und hatte sofort nur exotische Pokemon im Sinn. Nur, was sollte ich antworten? Ich starrte nach vorne die unscharfe Straße entlang und dachte über meine nächsten Worte nach. "Yumiko wartet gespannt mit breitem Grinsen. Im Kern die Wahrheit zu sagen, ist wohl das Beste", entschied ich. "Man könnte sagen, ich komme von sehr weit weg. Einem Ort, den nur die Legendären erreichen," hoffentlich hatte ich mich mit dieser Aussage nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt. "Wir haben unsere eigenen...Pokemon, die wir uns als Haustiere halten. Aber wir benutzen sie nicht zum Kämpfen." Jedenfalls sollte man es nicht. Ich würde einfach die heimische Fauna als Pokemon bezeichnen. Yumiko würde nie hinter die Wahrheit kommen, also sollte sie und jeder andere, der es wissen wollte, diese Geschichte glauben. Der Priester war still neben uns her gelaufen, aber ich war mir sicher, dass er bisher jedem Wort neugierig gefolgt war.   Meine Erzählung hatte den erwarteten Effekt auf die Trainerin gehabt. Mit weiten Augen gaffte sie mich an. Aber ihre Neugier schien noch nicht gestillt zu sein. "Hast du eigene Pokemon in deiner Welt?" Tatsächlich brachte mich ihre jugendliche Naivität zum Lachen. "Ja habe ich. Es ist sogar mit dem Psiana hinter uns vergleichbar, nur nicht so groß." Zufrieden stellte ich fest, wie ihr Blick auf das Pokemon fiel, das uns noch immer folgte. Eine Katze ähnelte in der Tat den Evoli-Entwicklungen, soweit war das also gar nicht hergeholt. "Du musst es vermissen", sinnierte sie. "Wie heißt es und was ist es für ein Typ?", wollte sie nun wissen. Das war nicht ganz einfach. Denk nach, denk nach - ein Name.... Mir fällt nichts ein!!! Panisch begann ich vor mich hin zu stammeln. "Min-ka!" "Minka?" "Minka." Komm schon, Psiana, Blitza, Minka wo war der Unterschied? Zunächst war ihr Gesichtsausdruck völlig blank. Doch dann hüpfte sie schon beinahe vor Aufregung auf und ab. "Das ist der Wahnsinn erzähl mir alles darüber." Strike!   "Ich fürchte ich muss euer Gespräch unterbrechen", sagte Thamoh. "Wie ich sehe kommt ihr schon gut aus, das freut mich. Ich werde euch also an dieser Stelle verlassen. Einkaufen ist sowieso nicht meine Lieblingsbeschäftigung", winkte er ab und grinste. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Selbst mir war shoppen eigentlich zu anstrengend und ein Hohepriester hatte etwas Besseres zu tun, als mich von einem Laden zum anderen zu führen. Diese Rolle konnte auch Yumiko übernehmen, die sichtlich angetan von dem Gedanken war mit mir einkaufen gehen zu dürfen. Ich sah zu, wie er ihr ein Bündel gab, das leise klimperte. Vermutlich befand sich darin das Geld.   Eine knappe Verabschiedung später war unser erster Halt nunmehr zu zweit in einem Taschengeschäft. Hier gab es alles was das Herz begehrte: Hängetaschen, Rucksäcke, große Handtaschen, kleine Handtaschen und vieles, vieles mehr. Yumiko führte mich sofort zu den Rucksäcken. "Die hier sind doch ganz schön", sagte sie während sie mir einen Großen mit Streifen präsentierte." Aus Höflichkeit sah ich ihn mir lächelnd an, aber Rucksäcke waren nicht das, was ich mir vorstellte. "Danke, aber ich hätte lieber eine Hängetasche oder sowas. Rucksäcke sind nicht wirklich mein Ding." Verwundert starrte sie zurück. Still legte sie die Tasche wieder an ihren Platz und ging mit mir weiter in den Laden hinein. An einer Wand hingen schließlich Modelle, die mehr nach meinem Geschmack waren. Zu groß sollte sie nicht sein, aber es musste wohl oder übel mindestens ein Schlafsack hinein. Ich seufzte. "Nichts dabei was dir gefällt?", fragte Yumiko nach. Schnell schüttelte ich den Kopf. "Nein, das ist es nicht. Ich dachte nur gerade, wie groß die Tasche sein muss um alles unterzubringen." Yumiko lachte. "Das ist es, was dich sorgt? Das Größte, das du tragen musst ist deine Schlafunterlage und eine Decke und die gibt's in komprimierter Form." Komprimierter Form? Interessant. Mein Blick fiel zurück auf die Taschen. Eine erweckte mein Interesse: schwarz, relativ schlicht mit roten Akzenten. Sie dürfte groß genug für Proviant und anderen Dingen wie Tränke oder ähnliches sein. Fragend zeigte ich ihr die Tasche, die sie zufrieden absegnete. Zu meiner Überraschung wollte die Verkäuferin das Geld gar nicht haben, das ihr Yumiko hin hob. Sie nickte mir zu und versicherte mir, dass es nur das mindeste war, mir die Tasche zu schenken. Zuerst wollte der Priester für mich zahlen und jetzt schenken mir die Leute sogar die Sachen. Gar nicht so übel der Retter zu sein. Dankend nahm ich die Tasche entgegen und hing sie mir um. Ja, das würde gehen.   Vor der Tür erwartete uns ein vertrauter Anblick. Wieder saß das Psiana geduldig an der Seite mit Blick zur Tür. Auch Yumiko starrte das Pokemon nun verwundert an. "Ich dachte du seist mit dem Hohepriester zum Zinnturm gegangen. Willst du lieber uns Gesellschaft leisten?", sagte Yumiko zu Psiana gewandt. Der Schwanz des Pokemon wedelte ruhig mit schon fast hypnotischer Wirkung hin und her. "Lass uns weiter gehen, Yumiko." Das Psiana wurde mir langsam unheimlich. Auf dem Weg zum nächsten Laden verfiel Yumiko wieder in Neugier. "Was ist eigentlich Minka für ein Typ?" Ein aggressiver Typ, aber das wollte sie nicht wissen. "Normal/Unlicht. Es kann aber nicht viel außer Kratzer und Biss," sagte ich und kam nicht umhin zu schmunzeln. Die Vorstellung aus meiner Katze ein Pokemon zu machen war belustigend. Wobei die Beschreibung sogar relativ gut passte. "Also bist du kein Trainer... Was machst du denn dann in deiner Welt?" Kind! Hör auf mit den Fragen! "Ich bin eine Gelehrte", sagte ich tonlos. Das war derart vage, dass schon wieder aussagekräftig war. "So wie Professor Lind?" "Eher wie Gelehrte in Ausbildung..." Sie formte ein wortloses 'Oh'. Glücklicherweise war sie damit tatsächlich zufrieden. Zumindest für den Moment.   In der nächsten Stunde liefen wir in jeden zweiten Laden und besorgten mir allerhand Utensilien, die ich nach Yumikos Meinung unbedingt benötigte. Das Prozedere war beinahe immer dasselbe. Egal ob Salben, Arznei, Schuhe oder Jacken. Keiner wollte auch nur einen Pokedollar haben. Kleidung hatte dabei länger gedauert zu besorgen, als der Rest. Obwohl ich nicht gerade zu dick war gab es doch sehr wenig in meiner Größe. Irgendwann war ich einfach zu den Männerklamotten gegangen. Dort hatte ich ein zwei Garnituren gefunden, die nun alle in riesigen Taschen an unseren Händen verstaut hingen. Sogar eine dieser komprimierten Schlafsäcke war dabei. Es war zwar nicht gerade eine Capsule von Capsule Coorporation, aber ich war dennoch überrascht, wie winzig die Matratze war. Laut Yumiko musste man nur Luft hinein pumpen lassen, was man wohl automatisch per Knopfdruck erledigen konnte. Es würde sie von Buchgröße auf bis zu zwei Meter ausdehnen, hatte man uns gesagt. Und auf Wunsch faltete sie sich auch wieder auf Miniaturgröße zurück. Ich würde bald Gelegenheit haben, das auszuprobieren. Das Psiana hatte uns nie aus den Augen verloren und war uns immer in ein paar Metern Abstand gefolgt. Als Yumiko mich zum Essen eingeladen hatte, hatten wir auch dem Psiana einen Fleischspieß angeboten, den es ohne zu zögern entgegengenommen und in einiger Entfernung verspleißt hatte. Der Spieß erinnerte mich an gegrillte Schaschlikspieße mit Schwein und Gemüse. Aber irgendetwas sagte mir, dass dies hier kein Schweinefleisch war. Es schmeckte absolut hervorragend. Nur wollte ich lieber nicht zu sehr darüber nachdenken, was das hier für Fleisch war...   Als wir endlich alle Dinge besorgt hatten begann es bereits zu dämmern. Wir beschlossen zurück in den Brillenladen zu gehen, um meine Sehhilfe abzuholen. Darauf hatte ich mich den ganzen Tag gefreut. Der Rückweg war eine Tortur. Zum Einen hatten wir nun kiloweise Gepäck zu schleppen und zum Anderen brannten meine Sohlen wie Feuer. Die geliehenen Schläppchen waren nicht gerade für lange Märsche geeignetes, festes Schuhwerk und ich spürte jeden einzelnen Stein unter meinen Füßen. Kurz gesagt, war es kein schönes Gefühl noch auf den Beiden zu stehen. Aber der Gedanke endlich wieder richtig sehen zu können trieb mich voran. Als ich völlig fertig in den Laden stolperte begrüßte mich auch schon der Verkäufer. Yumiko folgte dicht hinter mir. Im Gegensatz zu mir sah man ihr die Anstrengung nicht an. Ihr Gesicht ließ keine Vermutungen zu, ob sie nicht auch wenigstens ein bisschen müde vom Laufen war.   Freudig wurde mir bereits meine fertige Brille hin gehoben. "Ich habe den ganzen Nachmittag daran gearbeitet. Für die Gläser habe ich beste Golkinglinsen genommen und ihnen einen netten Schliff verpasst. Ihre Sicht ist sehr schlecht, daher konnte ich die Gläser nicht feiner bearbeiten", entschuldigte er sich. Ich versicherte ihm, dass ich damit keine Probleme hatte. Meine alten Gläser waren auch recht dick. Solange man nicht aussah wie ein Frosch war alles- Moment hatte er gerade 'Golkinglinsen' gesagt? "Aus welchem Material bestehen die Gläser?", fragte ich skeptisch noch einmal nach. "Golkinglinsen. Sie sind die Stärksten und lassen sich gut in Form bringen." Langsam nickte ich, wobei ein saurer Geschmack im Mund zurück blieb. Ich hatte schon gehört, dass Fische gläserartige Linsen besaßen, aber dass daraus Brillen hergestellt werden konnten war mir neu. Würde die Sicht dann nicht verzerrt werden? Zögern probierte ich meine Brille an.   Und seufzte vor Erleichterung. Meine Welt war scharf! Ich konnte endlich wieder sehen! Die Brille fühlte sich gut an. So gut, dass man kaum merkte, dass sie da war. Der Mann hatte wirklich gut gearbeitet. Ich hätte nicht gedacht, dass diese seltsame Art meine Sehschwäche zu messen derart gut funktionieren würde. "Vielen Dank." Ich hatte keine Worte meinen Dank besser auszudrücken. Dieser Mann war mein Held. Völlig egal aus was die Gläser bestanden. Er lächelte mich an und nickte mir zu. Ich bestand darauf ihn zu bezahlen, aber auch er wollte kein Geld. "Es ist mir eine Ehre die Brille für die Heilerin angefertigt zu haben", entgegnete er nur. Ihm erneut mehrmals dankend schüttelte ich ihm die Hand und versicherte ihm, dass er mir sehr geholfen hatte.   Yumiko hatte die Szenerie bisher passiv beobachtet, grinste mich jetzt aber, nachdem wir den Laden verlassen hatten schelmisch an. "Du bist dem Mann ja beinahe um den Hals gefallen." Empört mit Schmollmund drehte ich mich zu ihr um. "Du hast keine Ahnung wie es ist nichts zu sehen. Verzeihung wenn ich ein wenig Dankbarkeit zeige." Daraufhin fing Yumiko lauthals an zu lachen. Na also, Ironie ist also doch kein Fremdwort. Zufrieden wendete ich mich der Straße zu. Zum ersten Mal sah ich nun Teak City, wie es wirklich war und auch sein sollte. Die Farben waren überwältigend. Das Abendrot tauchte die Szenerie in eine magische Atmosphäre. Ein Gemälde hätte es nicht besser darstellen können. Überall sah ich Menschen mit ihren Pokemon; Taubsis, die von Baum zu Baum flogen, Menkis, Rattfratze, riesige Smettbos, Phanpys. Es war einfach unglaublich. Der Drang endlich selbst ein Pokemon zu besitzen wurde immer größer. Plötzlich kam mir ein Gedanke, der mich meine Augen weit aufreißen ließ. Wie konnte ich das nur vergessen?! Mir fiel ein weiteres essenzielles Utensil ein, das wir noch besorgen mussten. Ich brauchte Pokebälle! Kapitel 4: Euer Abenteuer erwartet euch --------------------------------------- Wirklich verstanden hatte Yumiko nicht, weshalb ich so erpicht darauf gewesen war Pokebälle zu kaufen. Für sie war ein solcher Ball nichts Besonderes, nur ein alltägliches Werkzeug in ihrem Leben als Trainer. Für mich war es jedoch das Sinnbild für alles, wofür sie stand. Dieser kleine Ball band ein wildes Pokemon an mich und nur an mich. Ich wollte Pokebälle, ich brauchte Pokebälle. Unter den hämischen Grinsen Yumikos gingen wir zu einem Markt, der sich in einer der Nebenstraßen in der Nähe des Zinnturms befand. Wie ein Tourist gaffte ich von links nach rechts, als ich sah, was gegenüber des Marktes stand; ein Pokemon Center. Doch ohne eigene Pokemon war ein Besuch in einem der Center noch recht überflüssig, weshalb ich nach links Richtung Haus mit blauem Dach ging. "Ich werde schnell einen Abstecher ins Pokemon Center machen und meine Pokemon durchchecken lassen", rief mir Yumiko zu, die im Gegensatz zu mir nach rechts eingeschlagen war. Soweit es das Gewicht der Taschen zuließ hob ich einen Arm und winkte ihr zum Abschied. Pokebälle würde ich schon selbst besorgen können.   Der Markt war völlig modern gestaltet, eine riesige Schiebetür öffnete mir automatisch den Weg ins brandneue Innere. Der Kontrast zum traditionell gestallteten Tanztheater und dem fortschrittlichen vor Moderne strotzende Markt war schon beinahe erschlagend. Helles Licht bestrahlte das fein säuberlich geordnete Inventar in den Regalen. Doch mein Weg ging direkt an die Theke, wo bereits ein paar Leute standen. Ich reihte mich unauffällig ein und wartete. Dabei kam ich nicht umhin ein paar Gesprächsfetzten von den Leuten aufzuschnappen. "Was soll das heißen, keine mehr da?" "Was soll ich denn jetzt machen?" "Wann bekommen Sie Nachschub?" Fragend hob ich die Augenbrauen. Die aufgebrachten Leute vor mir redeten alle mit dem Mann hinter der Theke. Dieser versuchte sie zu beruhigen. Ohne Erfolg. "Bitte, keine Panik. Ich bin sicher, dass in den nächsten Tagen eine weitere Lieferung eintreffen wird. Im Moment kann ich leider nichts für Sie tun." Undeutliches Gemurmel folgte seiner Entschuldigung. Langsam verstand ich um was es hier ging und ließ traurig die Schultern hängen. Dennoch suchte ich das Gespräch mit einem der Männer direkt vor mir. "Verzeihung?" Er hatte mich nicht gehört, weshalb ich noch etwas lauter rief. "Entschuldigung?" Überrascht drehte er sich zu mir um und sah mich mit weiten Augen an. "Gab es ein Problem mit der Lieferung?", fragte ich ihn. Dieser stemmte die Hände in die Hüften. "Das Tauboss, welches unsere Stadt mit Gütern beliefert ist am Schattenriss erkrankt", antwortete er resigniert. Die Krankheit begann also bereits das alltägliche Leben zu beeinflussen. Langsam verstand ich die Hektik hinter meiner Reise. "Moment mal. Sie sind die Heilerin?!", rief er plötzlich laut genug, sodass es der ganze Laden hören konnte. Der Titel gefiel mir noch immer nicht, aber ich nickte ihm knapp zu. Um uns herum verstummte jedes Gespräch, als sich jeder in meine Richtung wandte. "Ehm, hi?", sagte ich kleinlaut. Als wäre dies ein Signal gewesen fing das Gerede wieder an. Nur diesmal war ich im Zentrum des Gefühlsausbruches. "-müssen uns helfen!" "-kann so nicht mehr weiter gehen!" "-aller größter Fan!" Hände streckten nach mir um mich zu berühren, meine mit Tüten volle Hand zu schütteln oder sich vorzustellen. Wirklich folgen konnte ich keinem der Leute, die wild durcheinander redeten. Je mehr sie mich bedrängten desto panischer wurde ich und Tahmoh konnte mir diesmal nicht helfen, weshalb ich langsam Richtung Ausgang rutschte. Wirklich entfliehen konnte ich den Leuten jedoch nicht. "Beruhigen sie sich bitte! Ich bin sicher es wird sich bald alles klären. Für heute kann ich nichts mehr für Sie tun. Der Markt wird geschlossen!", rief ein Angestellter in blauem Hemd, der eilig angerannt kam. Doch die Menge ließ sich mit nichts von mir abbringen. Plötzlich flackerte ein hellblaues Licht vor meinen Augen. Das Gerede der Leute wurde leiser und hörte sich für mich an, als sei ich unter Wasser. Neugierig betastete ich das blaue Etwas, dass sich vor mir gebildet hatte. Es war fest, federte jedoch ein wenig unter meiner Berührung. Die Leute wichen überrascht zurück. Mit Hilfe von zwei anderen schaffte es der Mann endlich daraufhin den aufgeregten kleinen Mob die Schiebetür hinauszubringen. Da sah ich, wie direkt hinter mir Psiana mit leuchtend weißen Augen stand und konzentriert nach vorne starrte. "Psiana was-", redete ich es an. Doch in dem Moment erlosch das Licht in ihren Augen und mit diesem auch der blaue Schein. Es sah mich ein paar Sekunden an, drehte sich um und verließ tapsend den Laden. Hat es gerade Schutzschild eingesetzt, um die Menge von mir fern zu halten? Ich versuchte mich ebenfalls aus dem Markt zu drücken, doch der Angestellte, der mir den Mob vom Hals verschafft hatte hielt mich zurück. "Ich entschuldige mich für diese unschöne Situation, die Sie erdulden mussten." Er klang müde und erschöpft. Scheinbar hatte er befürchtet, dass ich ihm die Schuld für den Ausbruch der Leute geben würde. Ich versicherte ihm, dass er nichts für die Taten seiner Kunden konnte. "Fehlen Ihnen viele Sachen?", fragte ich daraufhin, nicht ohne Hintergedanken. Er nickte. "Wir haben fast keine Tränke mehr und die Vitamine sind uns bereits gestern ausgegangen. Den letzten Pokeball haben wir heute Morgen verkauft." Ich konnte die Aufregung der Leute verstehen. Man brauchte Tränke und Gegenmittel verschiedenster Art während seiner Reise. Der Gedanke, dass nun solche Güter knapp wurden würde mich auch sorgen, wenn ich ein Pokemon hätte. Ein Pokemon. Ohne Ball würde das vorerst auch nichts werden. "Vielleicht in der nächsten Stadt," ermunterte ich mich innerlich selbst. "Wollten Sie auch etwas kaufen", fragte der Mann mich als er sah, wie ich traurig die Augen gesenkt hatte. "Pokebälle. Aber das hat sich gerade erledigt", sagte ich ihm Schulter zuckend. Er sah mich entschuldigend an und schüttelte den Kopf. Für mich gab es hier nichts mehr zu tun, also wandte ich mich zum Gehen. Yumiko wartete sicher schon. "Halt!", hörte ich jemanden Brüllen. Als ich mich umsah kam gerade der Junge hinter der Theke um selbige gerannt. "Verzeihung, Herr Manager", sagte er zu dem Mann, der gerade noch mit mir gesprochen hatte. Er streckte die Hand aus und hob mir etwas hin. Mein Herz machte einen Hüpfer. "Das gibt's nicht, ein Pokeball", quietschte ich schon fast und strahlte ihn an. "Ein Superball", berichtigte er mich. Er legte mir den blauen Ball in meine Hand. Die Tüten hatte ich schnell abgelegt. "Das ist der Letzte", sagte er ernst. Die Botschaft war klar. "Ich werde alles versuchen, die Krankheit zu stoppen", versprach ich ihm. Mit einem Druck auf den Knopf in Mitten des Balles schrumpfte er auf ein Drittel seiner Größe zusammen. Meine Schlafsachen, in denen ich noch immer steckte, hatten leider keine Taschen, in denen ich den Ball verstauen konnte. Also ließ ich ihn kurzerhand in meiner neuen Umhängetasche verschwinden.   Ich nahm meine Tüten und verabschiedete mich von den Angestellten. Draußen erwartete mich bereits Psiana. "Danke, dass du mir eben die Menge vom Hals gehalten hast", sagte ich milde zu dem Pokemon. Als Antwort zeigte es mir die kalte Schulter. "Na, danke auch", schmollte ich. In dem Moment sah ich, wie Yumiko mir aus dem Pokemon Center entgegen gelaufen kam. "Hast du Bälle bekommen?", fragte sie, als sie mich erreicht hatte. Zögernd nickte ich. "Wie man's nimmt. Das Paket-Tauboss ist vor kurzem erkrankt..." Bei diesen Worten riss sie die Augen auf. "Dem Markt gehen deshalb die Güter aus", erklärte ich weiter. "Alles, was sie hatten, war ein einziger Superball." Ich war nicht wirklich traurig, nur einen Ball zu haben. Einer war fürs Erste vollkommen ausreichend. Ob ich den überhaupt benutzen würde oder aus nostalgischen Gründen einfach nur mit mir herum tragen würde stand sowieso noch in den Sternen. Yumiko schenkte mir jedenfalls ein mitfühlendes Lächeln. "Und du wolltest so gerne welche haben. Wir werden dir sicher irgendwann auf unserer Reise noch ein paar besorgen." Nickend nahm ich ihre Worte gerne entgegen. "Wo wir gerade davon sprechen - ich habe gerade im Pokemon Center mit meiner Mutter telephoniert und ihr Bescheid gesagt, dass wir kommen." Fragend legte ich den Kopf schief. "Hast du sie nach dem Aufenthalt des Trainers gefragt?" Yumikos Mine versteinerte sich. "Daran hab ich gar nicht gedacht", gestand sie tonlos. Hätte ich eine Hand frei gehabt hätte ich mir an dieser Stelle an den Kopf gefasst. Effizient arbeitete man wohl noch immer nicht im Lande Johto. Innerlich zwang ich mich zu Ruhe. Du willst die Welt sehen. Ein Abstecher nach Ebenholz City kommt dir nur zu Gute. Trotzdem war es ärgerlich. Tahmoh hatte zur Eile geboten und man hätte sich den Weg nach Ebenholz sparen könne, wenn sie gleich mit ihrer Mutter über den Aufenthaltsort geredet hätte.  "Was soll's", erwiderte ich schließlich und seufzte schwer. "Ich denke wir sind dann fertig mit einkaufen?", fragte ich hoffnungsvoll. Leben kehrte in Yumiko zurück. "Ja, sind wir. Wir sollten zurück zum Zinnturm gehen." Ich hatte gehofft, dass sie das sagen würde. Mittlerweile hatte ich wirklich keine Lust mehr hier draußen herumzulaufen, so schön es auch war.   Zusammen mit Psiana gingen wir im Sonnenuntergang zurück zum Turm. Die Sonne war inzwischen beinahe verschwunden und die ersten Lichter gingen an. Rote, gelbe und blaue Lampignons über den Eingängen der Häuser erhellten die Straßen. Dies war sicher die Zeit, zu der auch die Kimono-Frauen auftraten, wenn sie denn auftraten. Es ärgerte mich ein wenig, sie nicht tanzen sehen zu können. Morgen würden wir sicher bereits aufbrechen. Zeit darauf zu warten, dass die Gruppe wieder in ihrem Theater begann zu tanzen, hatten wir leider nicht. Mein Blick ging kurz über meine Schulter auf das Psiana. Es sei die Schwester des kranken Nachtara, hatte Tahmoh gesagt. Gehörte es damit ebenfalls einer der Kimono-Frauen? Musste ja, ein Evoli wurde nur durch Zuneigung und Freundschaft zu einem Psiana. Ohne Trainer war das nicht möglich. Ich fragte mich, weshalb es uns den ganzen Tag gefolgt war, anstelle bei ihrem Trainer zu sein. Möglicherweise hatte ihr Trainer es gebeten uns zu folgen. Aber warum?   Völlig in Gedanken versunken hatte ich gar nicht gemerkt, dass wir bereits vor dem Zinnturm standen. Das Pokemon Center und der der Markt waren wirklich nur wenige Minuten vom Turm entfernt. Erst ein Rufen ließ mich hochschrecken. Eine glatzköpfige, jüngere Version des Hohepriesters kam die Stufen der Pagode herunter gerannt. Auch er trug einen blauen Wickel, demnach war er wohl einer der Priester. "Ich habe Sie bereits erwartet. Der ehrwürdige Hohepriester hat für Sie ein Häuschen herrichten lassen", sagte er an mich gewandt. Ein Häuschen? Mir egal, Hauptsache ich kann mich setzten. Ich nickte ihm zu und bat ihn, uns zum "Häuschen" zu führen. Er ging um den Turm herum und führte uns ein wenig weiter hinein in was aussah, wie ein Wäldchen. Es gab vereinzelt Hütten, die von dichten Bäumgewächsen umschlossen waren. Vor einem solchem Gebilde blieb er schließlich stehen und bat mich einzutreten. Wie auch das Theater war die kleine Hütte ausnahmslos aus Holz gestaltet. Das Innere bestand aus einem großem Universalraum mit Bett, Schränkchen und kleinem Tisch. Gegenüber des Eingangs hing ein Vorhang, der den vorderen Raum mit einem hinteren Bereich verband. Aus Gewohnheit befreite ich mich von den Schläppchen und betrat die festen Tatami-Matten. Mein Blick fiel auf mein Bett, oder besser auf die Decken. Ich hatte schon mal in einem Futon geschlafen, was eine recht angenehme Erfahrung gewesen war. Auf den Matten schlief man eigentlich ziemlich gut, wenn nur das Kopfkissen besser gewesen wäre. Hoffentlich gab es hier nicht diese Kirschkernkissen. Im Ernst wer konnte mit dem Geknirsche unterm Ohr schlafen? "Dieser Raum steht Ihnen zur vollen Verfügung", erklärte der Priester freudenstrahlend. "Hinter dem Vorhang finden Sie ein Bad." Ein erleichtertes Seufzen entglitt mir. Seit Stunden hatte ich das Bedürfnis zu duschen. Und ein Klo wäre auch nicht schlecht. Mit einer letzten Verbeugung ließ er schließlich Yumiko und mich im Zimmer allein zurück. Es gab nur diesen einen Futon, also ging ich nicht davon aus, dass Yumiko hier mit mir übernachten würde. Wir würden in den nächsten Tagen, vielleicht auch Wochen, beinahe jede Minute miteinander verbringen. Für eine letzte Nacht alleine wäre ich also sehr dankbar. "Ich werde dich hier dann auch verlassen", sagte sie schließlich. "Ruh' dich aus, wir werden morgen früh aufbrechen." "Früh" hörte ich gar nicht gern. Aber ich konnte nicht erwarten, dass man mich ausschliefen ließ, nachdem tagtäglich immer mehr Pokemon an Schattenriss erkrankten. "Wir sehen uns morgen", sagte ich zum Abschied und war kurze Zeit später allein. Allein im Zimmer, allein mit meinen Gedanken. Ich war erstaunlich ruhig angesichts der Tatsache, welche Last auf meinen Schultern lastete. Noch konnte ich die Eindrücke wohl einfach nicht verarbeiten und die Euphorie echte Pokemon getroffen, gesehen und gefühlt zu haben überwog momentan die Sorgen oder Ängste über meine bevorstehende Reise. Da fiel mir das Psiana ein. Neugierig ging ich barfuß hinaus um zu sehen, ob es dort saß. Doch bis auf das Rascheln der Bäume und Gezwitscher von Taubsis war hier draußen absolut nichts. Ich musste gestehen ein wenig enttäuscht zu sein, aber ich konnte ja nicht von dem Pokemon erwarten ständig vor Häusern auf mich zu warten. Bestimmt war es zurück zu ihrem Trainer oder aber es war hinein in den Zinnturm gegangen, um nach Nachtara zu schauen. "Ein Psiana ist zwar nicht mehr da, dafür aber eine Dusche", sagte ich mir und untersuchte neugierig den Badeberreich. Meine Hoffnung wurden aber jäh zerschmettert. Was hast du erwartet, Mädchen. Vor mir war ein traditionell japanischer Badeberreich. Auf dem Boden stand ein Eimer und ein Hocker über dem ein Schlauch lag. Auch damit hatte ich bereits Erfahrungen gemacht. Leider keine guten. Mein Blick fiel auf die große Bambuswanne, die beinahe den ganzen Platz im Bad einnahm. Ich hatte seit Jahren keine Badewanne mehr genutzt. Aber nach kurzem Überlegen ließ ich mir Wasser ein. Alles war besser, als der Schlauch. Auf einer kleinen Ablage standen verschiedene Seifen. Auf einer davon stand "Giflorblüte". Schulterzuckend gab ich ein wenig von dem Zeug ins Wasser, was sofort eine rote Färbung annahm. Zu meiner Überraschung verbreitete sich der Duft nach Lavendel im ganzen Raum. Rotes Wasser, das nach Lavendel riecht. Naja, solang ich am Ende nicht aussehe, als wäre ich 10 Stunden in der Sonne gelegen, ist alles In Ordnung.   Ein ausgiebiges Bad später stand ich nun mit nassen, glücklicherweise nicht roten Haaren vor meinen neuen Kleidern. Meine Schlafklamotten hatte ich wieder übergezogen, nachdem ich entschieden hatte, für diese eine Nacht nicht eine meiner neuen Garnituren zu nehmen. Diese eine Nacht konnte ich noch in meinen alten Sachen schlafen. Nachdem ich etwas von den Früchten genascht hatte, die auf dem Tisch in einer Schale gestanden hatten, beschloss ich meine Reisetasche für morgen vorzubereiten. Als ich sie füllen wollte fiel mir der Superball ins Auge. Ich konnte nicht anders, als ihn herauszunehmen und genauer zu begutachten. Wollte ich gerade noch meine Tasche packen saß ich nun im Schneidersitz auf dem Boden und drehte den Ball in meinen Händen. Die zwei gelben Flügel ragten wenige Millimeter aus der Oberseite, was man kaum spürte, wenn man ihn in der Hand hielt. Überhaupt war er schwerer, als ich es erwartet hatte. Definitiv bestand er nichts aus Plastik, sondern tatsächlich eher aus Metall oder etwas ähnlichem. Den weit zu werfen würde gar nicht so einfach sein. Vorsichtig schob ich den Deckel ein wenig nach oben und hörte, wie winzige Zahnräder zu rattern begannen. Nach wenigen Millimetern sprang der Deckel von alleine auf und blieb in weit geöffneter Position stehen, sodass man ins Innere sehen konnte. Was ich sah überstieg jedoch jegliche Kenntnis. Verschiedene durch dünne Bänder getrennte gläserne Oberflächen, in denen ich mich spiegelte, bedeckten den ganzen Innenraum. Oben und unten in der Mitte gab es grün blinkende, runde Flächen. Ich traute mich nicht mit meinem Finger eine dieser Flächen zu berühren aus Angst, meinen einzigen Ball zu beschädigen. Die Unterseite hatte zusätzlich zu dem glänzenden Material noch einen gitterartigen Überzug. Sicherlich würden die anderen Pokebälle wie Hyperball oder Safariball ein anderes Innendesign haben. Ich vermutete, dass das Innere die Fangrate des jeweiligen Pokeballs bestimmte: je besser die Technologie desto höher die Rate.        Vorsichtig drückte ich den Deckel wieder nach unten, bis ich ein leises Klicken hörte. Testweise warf ich den Ball von einer in die andere Hand und nickte zufrieden. Es gab vieles, dass ich über diese Welt wusste. Ich kannte die Pokemon, ihre Typen, ihre Attacken, die Städte. Aber es gab noch so viel was es zu entdecken gab. Eines dieser Rätsel war dieser Ball. Wie wurden Pokemon in einem solchen Ball gehalten? Wurden sie geschrumpft oder in einen Zustand aus Daten verwandelt ohne feste Form? Vielleicht würde ich darauf eine Antwort finden. Zunächst musste ich mir jedoch überlegen, wo ich den Ball verstaute. Normalerweise trug man die Bälle an einem Gürtel, oder sie hingen an den Taschen. Vorsichtig nahm ich deshalb meine Tasche in die Hand und untersuchte sie auf ... auf was eigentlich? Irgendetwas, womit man die Bälle aufhängen konnte, schätzte ich. Als ich mit dem Finger über die Riemen fuhr, blieb ich plötzlich an etwas Spitzem hängen und zog erschrocken die Hand weg.  Bei näherem Hinsehen erkannte ich kleine Metallzangen, die in den Riemen eingelassen waren. Mit dem Fingernagel pulte ich eine dieser Zangen heraus und verstand sofort, dass ich das Richtige gefunden hatte. Die Zangen hatten einen Durchmesser von ein paar Zentimetern - perfekt für einen komprimierten Pokeball. Vorsichtig nahm ich meinen Ball und drückte ich gegen die Zangen, die sich nach etwas mehr Gewalt perfekt um den Ball schlossen. Insgesamt gab es noch fünf weitere solcher Zangen, die zurzeit alle im Riemen eingelassen waren. "Nettes Design", flüsterte ich zu mir selbst und machte mich wieder ans Packen der Tasche, an der nun mein erster Pokeball hing.    Die Tasche war schneller gefüllt, als ich erwartet hatte. Ein paar Klamotten hatte ich mir zurecht, die morgen früh gegen meine Schlafklamotten eintauschen und mit denen ich auf Reisen gehen würde. Es war noch nicht allzu spät, weshalb ich es wagte noch einen Abstecher zum Turm zu machen. Im Laufen band ich mir meine noch feuchten Haare zu einem Knoten in dem Wissen, was gleich auf mich warten würde. Dabei entdeckte ich ein Taubsi, dass meinen Weg kreuzte. Es pickte auf dem Boden und nahm gar keine Notiz von mir. Ich blieb stehen und ging in die Hocke, um es besser beobachten zu können. Es sah wirklich aus wie ein zu groß geratener Sperling und wie ein solcher bewegte es sich auch. Hektisch hüpfte es von einem Fleck zum Anderen und pickte auf dem Boden, bis es mein Starren bemerkte und inne hielt. Ein paar Sekunden starrten wir uns an und als ich meinen Arm nach dem Vogel ausstreckte, flog es schließlich aufgeschreckt davon. Enttäuscht ging ich wieder in aufrechte Position und setzte meinen Weg zum Turm fort.        Nachdem ich innen angelangt die erste Stufe diesmal ohne schmerzlichen Zwischenfall genommen hatte, erreichte ich nun schwer atmend den fünften Stock. Das Gelaufe des Tages hing mir in den Knochen und auf dem Weg nach oben musste ich mehrmals Pausen einlegen. Dabei hatte ich immer wieder ein paar Priester getroffen, die jedoch alle stumm an mir vorbei gingen. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass ich wenige Stunden zuvor bereits schon mal hier gewesen war und meine erste Begegnung mit einem echten Pokemon gehabt hatte. Das Bild, das sich mir bot, hatte sich nicht groß geändert. Tamao kniete auf dem Boden neben Nachtara, welches im Gegensatz zu heute Mittag die Augen geöffnet hatte und zufrieden ihren Kopf auf den Schoß der alten Frau gelegt hatte. Auch Psiana lag neben Nachtara und leckte ihm zärtlich die Ohren.  Normalerweise würde ich anklopfen aber es gab nichts, an das ich hätte klopfen können. Also machte ich mich verbal bemerkbar und räusperte mich leise. Die drei drehten unison ihre Köpfe in meine Richtung. Ein wenig verkrampft winkte ich der alten Frau auf dem Boden zu. "Ich wollte nur sehen, wie es Nachtara geht. Darf ich kurz bleiben?", fragte ich sie leise. "Aber natürlich, bitte setzt dich", antwortete sie mir, woraufhin ich mich neben ihr niederließ. Die Ohren des Nachtara zuckten unregelmäßig, während Psiana sich nun an seinen Rücken kuschelte und die Augen schloss. Das Psycho-Pokemon war ein wenig kleiner als ihr Bruder aber dennoch von erstaunlicher Größe. "Du hast eine Brille, das steht dir", sagte sie lächelnd, woraufhin ich ihr schüchtern an meiner Brille zupfend dankte. Nach dem Kompliment saßen wir schweigend da.   "Du hast meinen ältesten Freund gerettet. Ich weiß nicht, wie ich dir dafür jemals danken könnte", sagte Tamao plötzlich. Ihre Augen glänzten wieder gefährlich und drohten gleich in Tränen auszubrechen. In Vorbereitung rutschte ich ein wenig nach hinten, nur für den Fall, dass ich wieder in einen Klammergriff genommen wurde. "Ich habe es eigentlich nur gestreichelt. Was ich da genau bewirkt habe, weiß ich nicht", gestand ich. Sie schüttelte ihren Kopf. "Das 'wie' ist völlig egal, jedenfalls für mich. Was zählt ist, dass es ihm besser geht." Sie nahm meine Hand in die ihre und drückte sie mütterlich. Ich erwiderte ihre Geste. "Kann es schon aufstehen?", erkundigte ich mich nach ein paar Momenten des stillen Schweigens. Tamao schüttelte den Kopf. "Er ist noch sehr schwach von der mangelnden Ernährung. Seine Beine wollen ihn einfach noch nicht halten. Aber er ist wach und hat aus eigener Kraft getrunken." "Das wird schon noch", sagte ich aufmunternd. Wie in Trance war meine Hand wieder zum Nachtara gewandert und kraulte es jetzt wieder hinter den Ohren. Psiana hatte die Augen geöffnet und beobachtete jede meiner Gesten. "Haben Sie Psiana gebeten uns heute zu folgen?", fragte ich die Frau im Kimono. Diese schaute mich jedoch nur überrascht an. "Ach, da war Psiana den ganzen Tag. Ich hatte mich schon gefragt, wo sie gesteckt hat. Sie ist dir gefolgt?" "Ja, vor jedem Laden hat sie gewartet. Im Pokemon Markt hat sie mir sogar eine aufgebrachte Menge vom Hals gehalten", erzählte ich ihr. Ein nostalgischer Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht, als sie ihren Blick auf das Psiana legte. "Sie war das Pokemon meiner Schwester Umeko", sagte sie plötzlich. Als sie den Namen ihrer Schwester erwähnte, zuckte Psiana kurz mit den Ohren, bewegte sich ansonsten jedoch nicht. Ich erinnerte mich daran, was mir die Mädchen erzählt hatten. Tamaos Schwester war letztes Jahr verstorben, also hatte Psiana jetzt keinen Trainer mehr. Schlimmer, sie hatte ihre Bezugsperson verloren. Auch ein Pokemon trauerte nach einem Verlust. Ich nickte und gab ihr zu verstehen, dass ich ihre Situation nachvollziehen konnte. "Wir drei sind die Einzigen, die noch übrig geblieben sind", fuhr sie leise fort. "Alle Gründungsmitglieder unserer Tanzgruppe sind bereits verstorben. Die Mädchen sind bezaubernd, aber sie sind nicht meine Familie. Der Gedanke Nachtara zu verlieren hat sicherlich nicht nur mir Angst eingejagt." Ihr Blick fiel auf Psiana. Fragend schaute ich sie an. Sie hatte von Gründungsmitgliedern gesprochen. War sie etwa Teil der Gruppe, gegen die schon Gold gekämpft hatte? Ihre Geschichte war traurig und gleichzeitig faszinierend. Sollte sie wirklich eine DER Kimono-Frauen sein, dann sind ihrem Alter nach zu urteilen wirklich mindestens 20 Jahre seit den Geschehnissen um Gold vergangen. "Ich freue mich jedenfalls, dass es ihm wieder besser geht", sagte ich in dem Versuch das Thema in weniger traurige Gefilde zu lenken. "Morgen werden wir aufbrechen und den legendären Trainer suchen." Ich hatte das Gefühl ihr von unseren Plänen erzählen zu müssen. Indirekt war sie ja von dem Erfolg unserer Unternehmung betroffen. "Der Hohepriester war vor einiger Zeit bei mir und hat mir alles berichtet. Im Namen aller Trainer kann ich euch nur viel Erfolg wünschen." Ihre Stimme hatte etwas Warmes und Beruhigendes. Sie drängte nicht nach Erfolg, sondern sie hoffte das Beste.   Ich erkannte, wenn ich überflüssig war und entschied, mich zurückzuziehen. Mit knackenden Knien stand ich auf und verabschiedete mich von dem Trio. Tamao wünschte mir noch einmal alles Gute, konzentrierte sich dann aber wieder auf die Pokemon. Als ich hinter dem Stellschirm war hörte ich sie mit ihnen reden, konnte aber nicht ihre genauen Worte verstehen. In diesem Moment überfiel mich das Bedürfnis zu Gähnen und ich machte mich wieder die Stufen hinunter und Richtung Hütte, wo ich unter den Futon krabbelte. Das Kissen warf ich sofort weg - dämliche Kerne!- und glitt in einen traumlosen Schlaf. __________________________________________________________________        Das Erste, was ich hörte, waren eine Gruppe Taubsis vor meinem Fenster. Die schienen sich dem Lärm nach zu urteilen mit einer Horde Habitak zu zanken. Frustriert drehte ich mich auf den Bauch und zog die Decke nach oben. Aber es half nichts. Das Schicksal spielte mir hier einen üblen Streich. Ich hatte bisher nur einmal in einem Futon übernachtet und bei dieser Gelegenheit hatte eine Horde kreischende Krähen meine Reisegefährten in aller Herrgottsfrühe aus dem Schlaf gerissen. Ich selbst hatte damals nichts mitbekommen, was noch Jahre später gerne als lustige Geschichte erzählt wurde. Jetzt in diesem Moment wusste ich, wie sich damals meine Freunde gefühlt haben mussten. Ein paar Minuten blieb ich bäuchlings liegen und gab meinem Gehirn Zeit wach zu werden. Langsam kehrten die Eindrücke des gestrigen Tages zurück. Es ist bereits so viel passiert, dass ich mir kaum vorstellen konnte, erst ein Tag hier zu sein. Derweil kreischten die Vögel noch immer direkt vor meinem Fenster. In mein nicht vorhandenes Kissen stöhnend beschloss ich auch genauso gut aufstehen zu können. Es war zwar bereits schon viel passiert, aber das eigentliche Abenteuer würde erst heute beginnen. Durch die kleinen Fenster sah ich, dass die Sonne gerade erst aufging. Da ich mir nicht noch ein Bad einlassen wollte war ich gezwungen heute wohl oder übel den Schlauch zu benutzen. Geschickter stellte ich mich nicht an, als noch beim ersten Mal. Im Gegenteil ich hatte das Gefühl das Wasser ging überall hin nur nicht dahin, wo ich es haben wollte. Nach der morgendlichen Erfrischung zog ich schließlich meine Kleider an. Die schwarze, lange Hose hing locker an meinen Beinen. Im Wald oder in Höhlen würde eine lange Hose sicher praktischer sein, als eine kurze. Generell bevorzugte ich lange Sachen, selbst im Sommer. Mit Hitze kam ich glücklicherweise ganz gut klar. Zu meiner Freude hatte die Hose zusätzlich noch Taschen an den Seiten, in denen man Kleinigkeiten verstauen könnte. Als ich zufrieden mit dem Sitz der Hose war streifte ich mir ein dunkel grünes, schlichtes T-Shirt mit Ärmeln bis zu den Ellenbogen über. Im Gegensatz zur Hose saß das Shirt enger, was aber auch daran liegen konnte, dass ich das in der Frauenabteilung besorgt hatte, während die Hose eins der Teile gewesen war, die ich bei den Männern gekauft hatte. Zum Schluss zog ich eine dunkle ärmelfreie Weste mit Stehkragen und silbernen Streifen am Reisverschluss über. Für den Moment zog ich den Verschluss nicht zu und ließ die leichte Weste locker hängen. Meine Haare bändigte ich in einem Pferdeschwanz - das sollte die geschickteste Lösung während einer Reise sein. Nicht, dass ich die Haare gewöhnlicherweise anders trug. Ich mochte den Pferdeschwanz.   Zufrieden betrachtete ich mich im Spiegel. Zusammen mit der Tasche, an der auf Hüfthöhe der Superball hing, sah ich aus, wie ein echter Pokemon-Trainer. "Fehlen nur noch die Pokemon", sagte ich zu mir selbst in den Spiegel grinsend. Ich wusste nicht, wo ich hin sollte, also zog ich mir meine festen Schuhe an und verließ die Hütte. Alles, was ich zurück ließ, waren die Sachen, in denen ich hier angekommen war. Die würde ich jetzt nicht mehr brauchen. Die Morgenluft war frisch und es roch nach feuchtem Gras. Der Himmel war jedoch bereits schon jetzt wolkenlos, was versprach ein schöner Tag zu werden. Gute Voraussetzungen zum Reisen. Als ich um den Turm bog, sah ich helle Aufregung. Ein Dutzend Priester rannten von einem Eck ins andere. Manche trugen Wassereimer, wieder andere einen Besen. Anscheinend gingen sie ihren alltäglichen Aufgaben nach. Einer von ihnen wurde jedoch auf mich aufmerksam und kam auf mich zu. "Heilerin! Sie sind früh", sagte er sich verbeugend. Ich steckte die Hände in meine Hosentaschen. "Ich konnte nicht mehr schlafen. Komme ich ungelegen?", fragte ich während ich an ihm vorbeischielte und den anderen beim Rennen zusah. Der junge Mann wedelte verneinend mit den Händen. "Nicht doch! Ich werde sofort den Hohepriester holen." Und damit war er auch schon im Turm verschwunden. So hatte ich das eigentlich nicht gemeint, auch wenn ich schon gerne den Hohepriester sehen wollte. Während ich wartete ließ ich mich auf der obersten Stufe zum Turm nieder und beobachtete den Kopf auf meiner Hand abstützend die Geschäfte der Priester. Es dauerte eine Weile bis Tahmoh hinter mir auftauchte und mich an der Schulter berührte, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen. "Guten Morgen, Miss Mimi", begrüßte er mich. Ich sprang schnell auf und klopfte mir den Staub von der Hose, um die Begrüßung zu erwidern. "Es freut mich, dass du voller Tatendrang bist, das weiß ich und jeder andere Bewohner zu schätzen", sagte er milde lächelnd. Nunja, dass wilde Vögel der Grund für mein frühes Erwachen war, behielt ich lieber für mich. Stattdessen nickte ich nur. "Wie ich sehe bist du auch schon beinahe bereit zur Abreise." Er trat ein wenig zurück und begutachtete mich von oben bis unten und wirkte zufrieden. "Ich bin sicher Yumiko wird gleich zu uns stoßen. Sie wollte sich noch um ein wenig Proviant kümmern.", erklärte er. An Proviant hatte ich bis jetzt gar nicht gedacht, aber natürlich würden wir auch etwas zu Essen benötigen. Gut, dass wenigstens sie an Verpflegung gedacht hatte. Als ich an Essen dachte, meldete sich mein Magen hörbar, was den Priester zum Schmunzeln brachte. "Komm, wir frühstücken Etwas während wir auf Yumiko warten."   Ein Brötchen und Kanne Tee später erschien Yumiko im der Hütte, die wie es aussah das Privatgemach Thamohs war. Auch sie sah reisefertig aus. Gleich würde es ernst werden und wir werden unsere langen Weg beginnen. Als sie auch noch das Frühstück ausschlug warf mir der Priester einen Blick zu der sagte, dass die Zeit des Abschieds gekommen war. Gemäß meiner Erziehung räumte ich mein Geschirr auf die Küchentheke und wartete, bis weitere Anweisungen kamen. Tatsächlich gingen beide nach draußen wohin ich ihnen folgte. Ein paar Menschen waren bereits auf den Straßen und winkten uns zum Abschied. Tahmoh beriet uns den ganzen Weg über. Wir sollten nach Osten Richtung Mahagonia City gehen, sagte er. Wir sollten gefährliche Routen vermeiden und auf direktem Weg zu unserem Ziel wandern. Je näher wir dem Ausgang der Stadt kamen, desto aufgeregter wurde ich. Bisher hatte ich das kaum gespürt aber durch all die Warnungen des Priesters traf mich die Angst jetzt doch wie ein LKW in voller Fahrt. Hätte er bloß nicht damit angefangen.    Immerhin hatte ich Yumiko, eine erfahrene Trainerin, dabei. Sie würde schon auf uns beide aufpassen können. Als der Priester endlich in Schweigen verfiel beugte sich Yumiko zu mir und flüsterte mir ins Ohr. "Ich habe noch etwas für dich." Sie hielt mir etwas hin und ich war der Meinung, sie würde mir einen Teil des Proviants geben. Doch sie gab mir etwas Kleines, Grünes. "Yumiko! Das ist-." "Ein Freundschaftsball. Du warst gestern so traurig nur einen Ball bekommen zu haben und den hatte ich noch übrig." Sie grinste wie ein Honigkuchenpferd. Mir war die Bedeutung, die hinter der Wahl des Balles steckte durchaus bewusst. Ja, ich mag das Mädchen wirklich. So gut es im Laufen ging umarmte ich sie mit einer Hand und dankte ihr. Stolz fügte ich den Ball zu meinem Superball am Trageriemen hinzu. Nachdem mir Yumiko den Ball geschenkt hatte, ging es mir viel besser und ich konnte lachend dem Ausgang entgegen laufen. Oder besser dem Pokemon, das direkt am Ausgang scheinbar auf uns wartete. Es war Psiana. "Was will denn Psiana hier?" Auch Yumiko starrte den Priester an, so als erwartete sie eine Antwort von ihm. Dieser grinste verschwörerisch. "Nun, ganz offensichtlich will Psiana euch begleiten. Immerhin liegt ihr auch etwas am Erfolg eurer Mission", sagte er schelmisch. Psiana wartete, bis wir es erreicht hatten bevor es schließlich aufstand und die ersten Schritte hinaus aus der Stadt machte. Sie will uns also begleiten?! Mh, gut kombiniert Dr. Watson. Psiana lief immer weiter, weshalb der Priester keine großen Worte des Abschieds schwang.   "Euer Abenteuer erwartet euch. Es erwarten euch tolle Dinge, aber auch harte Zeiten. Eine Welt voller Träume und aufregender Pokemon."   Seine Worte im Ohr, die mir seltsam vertraut vorkamen folgten wir Psiana hinaus. Kapitel 5: Geduld ist eine Tugend --------------------------------- Die Stadt hatten wir schon bald hinter den Bäumen aus den Augen verloren. Psiana marschierte noch immer voller Tatendrang voraus, achtete jedoch darauf uns nicht zu verlieren. Hier mit Yumiko still nebeneinander her zu laufen fühlte sich nicht unbedingt an, als wären wir auf einem Wanderausflug. Wir hatten eine Mission, die wir nicht vergessen durften. Meine Gefühle schwankten zwischen Hoffnungen, wilde Pokemon zu sehen und zwischen Panik, am Ende womöglich zu versagen und all die Menschen, die mir in diesen 24 Stunden so viel Vertrauen geschenkt hatten, zu enttäuschen. Abwesend spielte ich mit den Bällen an meinem Gurt und drehte sie dabei in ihrer Halterung hin und her. "Nervös?", fragte Yumiko. "Nein... Ja." Ich wusste nicht einmal, ob ich nervös war. Bevor ich weiter sprach, nahm ich einen tiefen Atemzug. "Ich will die Leute hier nicht enttäuschen", gab ich laut zu, woraufhin Yumiko verständnisvoll nickte. "Unsere Reise hat gerade erst begonnen. Konzentriere dich darauf das Ziel zu erreichen und nicht auf das Ziel selbst." Überrascht starrte ich sie an. Für ihr junges Alter konnte sie schon sehr weise sein. "Du hast Recht. Konzentrieren wir uns darauf unser erstes Ziel zu erreichen: Mahagonia City." Die Karte Johtos war mir mehr als vertraut und ich hatte eine vage Vermutung, wo wir hin mussten. Mahagonia City lag östlich von Teak City. Gemäß meiner bisherigen Erfahrung mit der fiktionalen Karte war die Reise zwischen den zwei Städten ein Katzensprung gewesen. Doch ich befürchtete, dass hier nicht 100 Meter, sondern mehrere Kilometer zurück gelegt werden mussten, um in die nächste Stadt zu kommen. Glücklicherweise gab es befestigte Wege, so wie den auf dem wir uns gerade befanden. Er führte uns nun schon eine ganze Weile durch den Wald und erleichterte uns das Gehen, indem es uns erspart blieb durchs Dickicht zu laufen. Immer wieder spähte ich ins dunkle Geäst in der zwiespältiger Hoffnung ein wildes Pokemon zu treffen. Momentan war ich völlig schutzlos und auf die Hilfe von Yumiko und ihren Pokemon angewiesen. Ich wollte zwar ein Pokemon sehen, um es fangen zu können, aber ich war nicht gerade in der Lage es vorher zu schwächen. Ich befand mich in einer Zwickmühle.   Im Grunde musste ich jeder Zeit mit einem Angriff rechnen. Ich gab mich nicht der Illusion hin, dass die Pokemon uns nur im Gras angreifen würden. Diese Situation war mit dem Mythos um die 5-Sekunden-Regel vergleichbar. Die Vorstellung, dass Bakterien und Keime fünf Sekunden warten würden, bevor sie ein zu Boden gefallenes Sandwich befielen war einfach nur abstrus. Ebenso abstrus war die Vorstellung, dass Pokemon warten würden, bis wir ins hohe Gras gehen würden, bevor sie angriffen. Nein, wir befanden uns hier in einem lebendigen Ökosystem. Hier konnte und würde dich alles angreifen, wenn du ihnen zu nahe kamst. Tatsächlich entdeckte ich ab und zu ein Pokemon hinter einem Busch kauernd, auf einem Baum kletternd oder während es unseren Weg kreuzte. Innerlich strich ich eine imaginäre Liste ab von alle den Pokemon, die ich dabei sah. Auf den Bäumen versteckten sich ein paar Menki. Am Boden sah man kleine und große Rattfratze und immer wieder war das Geflatter von Flügel zu hören. Die Vorstellung, von Pokemon umringt zu sein war gleichsam überwältigend, wie erschreckend. Aber bis auf ein paar neugierige Blicke ließen sie uns alle bisher in Frieden. Verwundert stellte ich fest, dass nach und nach die Gegend spürbar bergiger und unzugänglicher wurde, fast so als wäre man ... Oh nein. "Yumiko", räusperte ich mich. "Wo gehen wir hin?" Die Frage war unschuldig. Fast so unschuldig wie das Grinsen, dass ich zur Antwort bekam. "Nach Mahagonia City natürlich." Nein, mit so etwas wollte ich mich jetzt nicht herum schlagen. "Ich meins' Ernst, Yumiko, wo sind wir?" In dem Moment tauchte hinter einer Biegung schon die ersten Ausläufer eines Gebirges auf. Im Grunde hätte sie sich daraufhin die Antwort auch sparen können. Ich wusste genau wo wir waren und das gefiel mir gar nicht. "Wir gehen zum Kesselberg", verkündete sie euphorisch. "Dort gibt es ein riesiges System aus Tunneln, die geradezu geschaffen sind Pokemon zu trainieren und- was ist?" Als sie den Namen des Berges ausgesprochen hatte, hatte ich meinen Kopf in die Hand gelegt und begonnen meine Schläfe zu massieren. Ganz Ruhig! ... Leider blieb die Massage wirkungslos. Tahmoh hatte uns extra geraten, keine Höhlen zu benutzen und wenn ich nicht genau gewusst hätte, dass es noch einen anderen, sehr viel einfacheren Weg nach Mahagonia City gab, wäre sie mit dieser Aktion sogar ohne Konsequenzen durch gekommen... Wem machte ich etwas vor. Ich konnte ihr schlecht erzählen, dass ich Wissen über ihre Welt besaß, das ich eigentlich gar nicht haben dürfte. Sie würde mit dieser Aktion durchkommen und wir würden uns durch den Kesselberg schlagen müssen. "Gar nichts", beantwortete ich atemlos ihre Frage. "Ich hatte nur nicht erwartet bereits nach ein paar Stunden das Innere eines Berges zu sehen. Besonders, da Tahmoh uns ausdrücklich gebeten hatte keine Höhle aufzusuchen", setzte ich ein wenig bissig nach. "Hast du Platzangst?", überging sie mein Kommentar zu den Anweisungen des Hohepriesters. Erschrocken nahm sie die Hand vor den Mund. Kurz überlegte ich zu lügen und vorzugeben, dass mir enge Räume tatsächlich etwas ausmachten, aber jetzt waren wir bereits hier. Also konnten wir die Aktion auch genauso gut durchziehen. Ich schüttelte den Kopf. "Nein, nur hatte ich mich schon an das tolle Wetter gewöhnt." Gezwungenermaßen schenkte ich ihr ein Lächeln, obwohl mir gerade ganz und gar nicht nach Lachen zu Mute gewesen war. Damit setzten wir unserer Reise fort. Es dauerte auch nicht mehr lang, bis wir einen Eingang im Fels entdeckten. Ein riesiger Überhang markierte die Stelle, an der in den Fels gebohrt worden war und von wo aus sich die Tunnel erstreckten. Das Mädchen konnte es kaum erwarten hinein zu gehen, doch Innen war es stock dunkel. "Hast du Taschenlampen?", fragte ich sie barscher, als ich es wollte. Von meiner Laune bemerkte sie allerdings nichts und ließ sich in ihrer freudigen Erwartung auf das, was vor ihr lag nicht aus der Ruhe bringen. Sie griff an ihre Bauchtasche und holte etwas heraus. "Besser", sagte sie und warf, was ein Pokeball sein musste. Gespannt beobachtete ich, wie aus dem gelben Strahl aus Licht ein Pokemon wuchs. Es gab einen hörbaren Plop, als der Deckel aufsprang und das Pokemon aus dem Inneren frei gelassen wurde. Was ich sah besserte meine Laune in höchstem Maße. Das war sogar noch untertrieben. Mir entglitt in Wirklichkeit ein Kreischer, den alle Anwesenden aufschreckte. "Du hast ein Glumanda?!", schrie ich ungläubig in einer viel zu hohen Stimme. Ich hatte nicht lange überlegt und war sofort, als ich erkannt hatte was es war, zu dem Pokemon mit dem Feuerschwanz gerannt. Ich warf mich fast zu Boden, um es Aug in Aug begutachten zu können. Ohne Zögern nahm ich seinen Kopf in die Hände und rieb sachte an seinen Bäckchen. Zunächst war es erschrocken zurück gewichen, doch ihm schien das Backenreiben zu gefallen. Zumindest ließen das zufriedene Brummen und die entspannte Haltung darauf schließen. Meine Hände konnten seinen Kopf fast vollständig umschließen oder anders gesagt: es war winzig. "Aw, bist du süß." Am liebsten wollte ich es hochheben, aber hielt mich dann doch zurück. Stattdessen begnügte ich mich das Köpfchen zu massieren. Seine Haut war glatt wie ein Babypopo, nur fühlte sie sich an als hätte sie zu lange in der Sonne gelegen. Von dem Pokemon ging eine starke Hitze aus und dabei streckte er seinen brennenden Schwanz weit von mir. Es hatte eine gesunde orangefarbene Bräunung und seine leuchtend blauen Augen hatte er genießerisch halb geschlossen. "Den kleinen Kerl hier habe ich erst seit ein paar Wochen. Vater hat mir ein Ei geschenkt. Es hat ewig gedauert, bis er geschlüpft ist, aber das Herumtragen des Eis hat sich gelohnt. Ist er nicht entzückend?" Es war zu deutlich, wie stolz sie auf das Glumanda war. Sie hatte sich herab gebeugt und nahm ebenfalls an den Streicheleinheiten teil. So, wies es aussah musste man jeden Moment damit rechnen, dass es sich auf den Rücken legen würde in der Hoffnung den Bauch gekrault zu bekommen. Ich riss mich von ihm los und begutachtete ihn ein wenig aus der Distanz, die meine Höhe im Vergleich zu seiner bot. Wenn er erst ein paar Wochen alt war würde das seine Größe erklären. Er reichte mir nicht einmal ans Knie, was nicht verwunderlich war, wenn er noch nicht ausgewachsen war. "Ich habe noch nie ein so schönes Glumanda gesehen", beantwortete ich ihre rhetorische Frage, noch immer auf das Feuer-Pokemon fixiert. Ein Ruf ließ mich jedoch herumdrehen. Psiana saß am Eingang und protestierte nun lautstark, dass wir der Höhle weniger Aufmerksamkeit geschenkt hatten, als dem Glumanda.   Der Anblick des Feuer-Starters hat meine Wut verrauchen lassen. Nun marschierten wir dicht hinter Glumanda und Yumiko strahlte mit dem Feuer seines Schwanzes um die Wette. "Das ist doch viel besser als eine Taschenlampe. Glumanda erleuchtet uns den ganzen weg!" In dem Fall musste ich ihr Recht geben. Der Tunnel war stockdunkel, doch mit dem kleinen Feuer-Pokemon direkt vor uns konnten wir in einem 360° Winkel unsere Umgebung im Auge behalten. In solchen Höhlen gab es für gewöhnlich nur eins: Zubat. Sie gehörten nie zu meinen Favoriten, vermutlich gerade weil man sie gefühlt zu tausenden im Laufe eines Spieles besiegen musste. Dem Gras konnte man ja noch ausweichen. Aber in Höhlen war man ihnen "schutzlos" ausgeliefert. Gutes Mädchen, gerade mal ein paar Minuten in der Höhle und schon beginnst du mit den schlechten Wortwitzen. Mit jedem Schritt wurde die Luft spürbar kälter, weshalb ich den Reisverschluss meiner Weste mit einem Ruck schloss. Der zweite positive Faktor an Glumanda war, dass es neben Licht auch Wärme spendete. Allerdings war auf Grund seines jungen Alters seine Flamme noch recht klein, weshalb Yumiko schon bald zu frieren begann. Sie trug nur eine kurze helle Hose mit dünnen Leggins darunter. Ihr langes Tanktop bot ebenfalls kaum Schutz vor dem kühlen und feuchten Klima. "Hast du keine Jacke?", fragte ich sie, als sie begann mit den Zähnen zu klappern. Doch sie schüttelte nur den Kopf. "Schon i-in Ordnung. Ich hab-be mich gleich a-aan die Kälte gewöhnt." Normalerweise war ich die Frostbeule. Ich wusste, weshalb ich auf eine lange Hose und Weste bestanden hatte... Eigentlich wollte ich sogar noch Handschuhe, hatte mich dann aber doch dagegen entschieden, was aber eher daran lag, dass ich die Leute nicht unnötig ausbeuten wollte. Handschuhe könnte ich später immer noch kaufen; falls ich denn Geld auftreiben könnte. Wir folgten dem geradlinigen Tunnel eine Weile ohne auch nur auf ein einziges Pokemon zu treffen, doch dann öffnete sich der Weg vor uns und wir standen in einem riesigen freien Raum. An manchen Vorsprüngen hingen Fackeln, aber zum Größten Teil war es auch hier stock dunkel. Es fühlte sich jedoch anders an, als noch im Tunnel. Irgendwie spürte man, wenn man sich in einer engen Umgebung befand. Genauso spürte man, wenn man in einer riesigen Höhle stand, was wir eindeutig taten. Man atmete ganz anders und es hallte ganz anders. Deutlich waren die aneinander schlagenden Flügel der Pokemon, die in diesen Höhlen lebten zu hören. Hey, klasse, Zubat! Was für eine Überraschung. Ab und zu spürte man auch kleinere Beben, die von herabfallenden Felsen unsichtbar für unser Auge verursacht wurden. Mir wurde klar, dass man hier nicht einfach von einer Treppe zur anderen laufen würde, bis man den Ausgang erreicht hatte. Man musste ständig auf der Hut vor Steinschlag sein. Doch aus irgendeinem Grund war Yumiko froh hier zu sein. "Ich hoffe du kennst den Weg", sagte ich zu ihr, die Hände vor der Brust verschränkt. Yumiko bestaunte noch immer die Höhle, in der wir uns befanden. "Mhh ja, ja." Augenrollend drehte ich mich zu Psiana. "Ich wusste es, hier rein zu gehen war eine ganz blöde Idee", flüsterte ich zu dem Pokemon. Ich hatte das Gefühl, dass das Pokemon tatsächlich einer Meinung mit mir war. Links von uns führte der Weg in einer Steigung nach oben, während der Bereich vor uns sich weiter auf derselben Ebene in die Höhle erstreckte. Glumanda wählte den linken Weg -  danke Glumanda - weshalb wir nun in mehreren Metern Höhe an einem Abgrund liefen. Mit der linken Hand fuhr ich zur eigenen Stabilisierung über den kalten Stein, während es rechts von mir steil bergab ging. Ich hatte keine Höhenangst, aber für ein Geländer zwischen mir und einem schmerzhaften Tod wäre ich in diesem Moment sehr dankbar gewesen. Psiana hatte den Vorteil die Körperbeherrschung einer Katze zu besitzen und Glumanda war noch zu klein um die Gefahr zu erkennen. Oder er war genauso naiv, wie seine Trainerin.   Ständig griff ich zu meiner Wasserflasche und beobachtete mit Schrecken, wie sie immer leerer wurde. Schnaufend steckte ich sie schließlich weg und zwang mich fürs Erste die Finger davon zu lassen. Der Marsch des Tages hing mir bereits in den Knochen und ich spürte während des Laufens bergauf, wie sich die ersten Blasen an meinen Füßen bildeten. In unregelmäßigen Abständen passierten wir kleine Öffnungen, durch die Luft strömte und die somit kühlende Wirkung hatten. Aus einer solchen Öffnung kam plötzlich etwas heraus geflogen, als ich mit der Hand darüber strich. Ein lautes Kreischen erfüllte den Raum, was mehrfach als Echo an den Wänden zurück geworfen wurde und irgendwo einen weiteren Steinschlag auslöste. Ein Zubat flog aufgeregt um mich herum und kratze mich an den Händen, mit denen ich mein Gesicht schützte. Seine großen, ledernen Flügel schlugen mit jedem Zug gegen mich. "Yumiko, mach was!", rief ich über die Geräusche, die das aufgeregte Pokemon machte, hinweg. Mit einem Mal war es jedoch verstummt und ich öffnete die Augen. Es schwebte völlig bewegungslos in einiger Entfernung in der Luft umgeben von einem schwach leuchtenden Licht. Mein Blick fiel auf Yumiko, die jedoch mit dem Finger auf einen Punkt vor mir zeigte. Dort stand Psiana mit weißen Augen. Es benutze eine Attacke ... Psychokinese! Wie gestern hatte es eine Attacke benutzt, um mich zu schützen. Doch diesmal griff es an, anstatt nur zu verteidigen. Nachdem sie das Zubat mit Psychokinese von mir weg gezwungen hatte, öffnete es nun sein Maul und beschoss es mit kleinen gelben Kugeln. Nein, das waren Sterne! Sie benutzte Sternschauer! Ich war völlig fasziniert, ein kämpfendes Pokemon zu sehen. Es hatte etwas magisches, wie aus dem nichts diese kleinen Sterne auftauchten. Das durch die Psychokinese zur Bewegungslosigkeit verdammte Zubat traf der Sternschauer mit voller Wucht. Fast gleichzeitig beendete Psiana die Psychokinese und das Zubat fiel mit lautem Geschrei gen Boden direkt auf Yumiko. Aus Reflex fing sie das nun bewusstlose Pokemon und legte es vorsichtig zurück in die Spalte, aus der es geflogen war. Die Attacke hatte mich wirklich kalt erwischt, obwohl ich seit Stunden einen Angriff wilder Pokemon erwartet hatte. Dass ein Exemplar aber aus den Wänden geschossen kam, damit hatte ich nicht gerechnet. Nur langsam beruhigte sich mein Herzschlag, der sowieso auf Grund der Wanderung erhöht war. Im Licht des Feuers begutachtete ich meine zerkratzten Unterarme. Die Schnitte waren nicht tief und auch nichts, was ich nicht von meinem - na sagen wir - Pokemon zu Hause gewohnt gewesen wäre. Yumiko hingegen stammelte beunruhigt vor sich hin. "Das tut mir so leid, ich war so überrascht, geht es dir gut? Glumanda kann noch kein Glut und bis ich einen Pokeball gefunden hatte, hat Psiana schon angegriffen!" Ihr Gesicht war käseweiß. Ich kann von Glück reden, dass Glumanda noch kein Glut kann, ansonsten wären meine Haare jetzt wohl angesengt. "Nichts passiert, ich hab' mich nur erschrocken", beruhigte ich sie. Ich wendete mich schnell Psiana zu, die neben mir saß und bedankte mich. Doch das Pokemon starrte mich an, als wollte es sagen, dass es meine Schuld gewesen sei angegriffen worden zu sein.   Nach kurzer Pause setzten wir unseren Weg fort, dabei hatte ich jedoch zusätzlich zum Abgrund die Löcher in der Wand im Blick. Glücklicherweise blieb das Zubat das einzige, das uns angriff. Wir erreichten ein Plateau, von dem aus mehrere Tunnel in die Höhle abzweigten. Man sah jedoch wie sich eine natürliche Brücke aus Steinen über den Abgrund ins Dunkle erhob. Wirklich scharf war ich nicht über die geländerlose Brücke zu gehen und ich war froh, als Yumiko sich für einen der Tunnel entschied. Die Luft hier war fürchterlich abgestanden und es roch nach fauligem Wasser. Nach einer Weile begann der Weg ein wenig abzufallen. Gleichzeitig wurde er schmaler, weshalb wir uns an manchen Stellen seitlich durch einen Engpass zwängen mussten. Noch folgte ich Yumiko stumm. Der Abstieg war bis auf die wenigen Engpässe leichter als der Aufstieg. Nicht nur, weil man von allen Seiten eingeschlossen war und keine Angst haben musste bei einem falschen Schritt abzurutschen. Irgendwann hörten wir ein anhaltendes Geräusch, das definitiv nicht von Pokemon kommen konnte. Nach der gefühlt fünfzigsten Biegung kamen wir erneut in einer Höhle heraus, die jedoch im Gegensatz zu der ersten einen seltsamen eigenen Schimmer hatte. Damit war der Ursprung des seltsamen Geräusches und des modrigen Geruches geklärt. Vor uns erstreckte sich ein riesiger See, der durch Wasser, das durch die Wände sickerte, gespeist wurde. Das wenige Licht, das mit dem Wasser durch die Löcher seinen Weg ins Innere fand, verlieh der Höhle einen mystischen Schimmer.   Yumiko nutzte den See um nach kurzer Qualitätskontrolle ihre Wasserflasche aufzufüllen. Das Wasser des Sees war in ständiger Bewegung, weshalb der Geruch nach abgestandenen Wasser von den vielen Pfützen kommen musste. Schnell tat ich es ihr mit meiner fast leeren Flasche gleich, nahm einen ausgiebigen Schluck und seufzte zufrieden, als das kalte Wasser meine Kehler hinunter lief. Auf meine Bitte hin rasteten wir hier und legten eine kleine Essenspause ein. Mir knurrte der Magen und ich brauchte jetzt wirklich etwas zu essen. Zu meiner Überraschung holte Yumiko zwei Becher aus ihrem Rucksack. Fragend starrte ich den, den sie mir hin hob an. "Was ist das?," fragte ich skeptisch. "Oh Verzeihung, willst du lieber einen Aprikokoriegel?", entgegnete sie schnell und kramte eine Art Schokoladenriegel hervor. Kopfschütteln nahm ich den Becher und las, was dort stand. "Instant-Nudeln?!" Ich hatte richtigen Proviant erwartet: Brot, getrocknete Wurst, Obst. Aber keine Instant-Nudeln mit ... Tsitrusgeschmack. "Die sind gut!", verkündete sie und füllte den Becher auch schon mit Wasser aus dem See. Wenig begeistert starrte ich auf meinen. Mit solchem Essen hatte ich mich bisher nie anfreunden können und ich bezweifelte, dass die Instant-Nudeln hier besser waren, als ihre Gegenstücke in meiner Welt. Wieso hatte sie überhaupt so ein Zeug dabei? Als ich zu meiner Reisebegleiterin schaute saß sie schon auf einem Felsen und hielt den Becher über dem Feuer von Glumanda, das still hielt. Scheinbar machten die Beiden das nicht zum ersten Mal. "Hast du auch etwas für die Pokemon?", fragte ich meine Aufmerksamkeit weg von meinem Essen lenkend. Yumiko gestikulierte mit seltsamen Kopfbewegungen zu ihrem Rucksack. "Ich habe eine Packung Pokefutter. Du kannst sie gerne holen." Da sie beschäftigt war ihren Becher über Glumanda zu erhitzen nahm ich ihr Angebot an und durchsuchte ihren Rucksack nach dem "Pokefutter". Hoffentlich stand die Bezeichnung auf der Packung, denn ich hatte keine Ahnung, wie Pokefutter auszusehen hatte. Was ich fand war ernüchternd. Ich Rucksack war voll mit verschiedensten Bechern, Riegeln, Tüten mit Knabberzeug und anderen Fertigprodukten. Da geht meine Hoffnung auf Brot dahin. Unter den bunten Tüten fand ich auch eine mit der Aufschrift 'Pokefutter'. Ich öffnete sie und entdeckte gelbliche Briketts, die Ähnlichkeit mit Trockenfutter für Hunde hatten. Es roch jedoch fruchtig süß und nicht nach dem typischen Frolic. Ich hatte keine Ahnung, wie viel Briketts ein Pokemon aß, also nahm ich eine Hand voll und ging damit zu Glumanda. Begeistert nahm es drei aus meiner Hand und knabberte an ihnen immer darauf bedacht, sich nicht allzu sehr zu bewegen. Stumm fragte ich Yumiko mit einem Blick, ob sich Glumanda noch etwas holen dürfte. Drei waren aber wohl genug. Schließlich ging ich zu Psiana, die es sich am Ufer gemütlich gemacht hatte. Ich ging vor ihr in die Hocke und hob ihr die restlichen Briketts hin. Zaghaft schnupperte sie an dem Futter und schien wenig erfreut zu sein. "Glaub' mir, ich bin auch nicht begeistert von dem Essen, was Yumiko mit genommen hat", flüsterte ich dem Pokemon zu. Ich legte die Briketts auf einem Taschentuch vor ihr ab und ging zurück zu Yumiko, die bereits gierig an ihren Nudeln schlürfte. Auf Grund der mangelnden Alternativen nahm ich mir schließlich den Becher, füllte ihn mit Wasser aus dem See und erwärmte ihn vorsichtig über Glumandas Feuer, das auch für mich still stand, während es noch immer an seinem Essen knabberte.   Während ich den Becher in meinen Händen drehte ließ ich meinen Blick ziellos über die Höhle gleiten. Da fiel mir etwas auf. "Du weißt wo wir sind, oder Yumiko?" "Natürlich". Mit vollem Mund war sie kaum zu verstehen. "Wieso?" Ich zuckte mit den Schultern. "Der einzige Ausgang aus der Höhle ist dieselbe Öffnung durch die wir gekommen sind." Das hieß, der einzige Weg war wieder zurück zu gehen. Super, zurück nach oben durch die Engpässe. Neugierig schaute sich nun auch Yumiko um, kam aber nur zum selben Ergebnis. Mir entging nicht, wie sie für ein paar Herzschläge aufhörte zu kauen. "Du warst noch nie hier, hab' ich Recht?" Schief grinsend beobachtete ich jede ihrer Bewegungen. Selbst im schwachen Licht sah ich, wie sie rot anlief. Das war wohl ein 'Nein'. Wir waren ja noch nicht weit gegangen und der Weg ließ sich auch leicht zurück finden. Trotzdem hatten wir hier Zeit verloren. "Ach Yumi, dein Abenteuergeist in allen Ehren, aber sag' das nächstes Mal, wenn du blind in irgendetwas hinein läufst. Dann merke ich mir den Weg und folge nicht einfach drauf los. Immerhin warst du diejenige gewesen, die gestern noch von Eile geredet hat." Ich schenkte ihr ein verständnisvollen Lächeln. Sie war ein paar Jahre jünger als ich und in manchen Situationen eben im Grunde genommen doch naiv. Indem ich einen Spitznamen verwendete wollte ich die Sache etwas entschärfen. Nicht, dass sie noch glauben würde, ich schimpfte mit ihr. "Ich kenne den Weg", sagte sie stattdessen, noch immer mit rotem Gesicht. Irritiert sah ich sie an. "Das letzte Mal bin ich von der anderen Seite gekommen und hatte keine Gelegenheit gehabt den Gang zu erkunden", gab sie zu. "Dann sag mir das und lauf nicht einfach in einen Gang hinein. Hast du geglaubt hier geht es nach draußen?" "Ich hatte es gehoffte, ja." Auf ihre naive Antwort musste ich unweigerlich schnaufen. Nicht alle Wege führten nach Rom, was unsere gegenwärtige Sackgasse ja bewies. "Wir sind schon lange unterwegs und es wird sicher bald dunkel. Wir sollen aus der Höhle raus", sagte ich. Mit der Vorstellung die Nach draußen verbringen zu müssen hatte ich mich schon angefreundet, dafür war die Matratze im Miniformat schließlich da. Aber ich war nicht scharf darauf in der Höhle zu schlafen. Doch Yumiko blieb hartnäckig. "Der Weg durch den Berg ist viel schneller, deshalb habe ich ihn von vorneherein gewählt. Ich versprech keine Abstecher mehr auf eigene Faust zu machen. Aber wenn wir jetzt aus der Höhle gehen, haben wir einen ganzen Tag verloren und vielleicht sogar mehr." Seufzend lehnte ich an die steinerne Wand hinter uns, an der wir unser kurzzeitiges Lager geschlagen hatten. Ich glaubte ihr, was die Route anging. Der Weg mochte schneller sein und der heutige Tag wäre vermutlich wirklich nur Zeitverschwendung gewesen, wenn wir jetzt umkehrten. Dennoch hatte ich Zweifel an ihrer Kenntnis, was die Höhle anging.  "Erklär mir den Weg", verlangte ich schließlich. Yumiko hob erstaunt die Augenbrauen. "Erklär' mir, wie wir laufen werden. Welchen Weg müssen wir nehmen, wo landen wir daraufhin, wo geht's danach weiter, wo ist der Ausgang?", spezifizierte ich meine Frage. Yumiko nahm sich ein paar Sekunden Zeit bevor sie antwortete. "Wir nehmen den mittleren Gang auf dem Plateau. Der Weg wird sehr steil werden und wir müssen ein wenig klettern. Aber er ist nicht lang. Er führt in eine weitere Höhle, die als Nestplatz der Zubat dient. Wir bleiben am Boden und durchqueren sie. Am Ende gibt es zwei Wege, von denen wir den rechten nehmen. Der wird ähnlich wie der erste, nur führt der uns wieder ein Stück bergab, bis er geradeaus weiter in die erste Höhle mündet. Wie werden einige Meter über dem Plateau herauskommen und eine Brücke benutzen. Der Weg ab da wird leichter, da er keine allzu großen Steigungen besitzt. Am Ende müssen wir nur noch über eine Rampe wieder nach unten, um den Ausgang zu erreichen." Mit geschlossenen Augen hatte sie den Weg beschrieben. Doch zufrieden war ich noch immer nicht gänzlich. "Wie lange wird das dauern?" Ein wenig ließ sie die Schultern hängen. "Aus der Höhle werden wir es nicht mehr schaffen. Der eigentliche Weg beginnt nach der Brücke. Er führt uns einmal durch den Berg." Ich seufzte, doch Yumiko sprach schnell weiter. "Wenn wir morgen früh aufbrechen sind wir mittags aus der Höhle raus und haben die Hälfte des Weges hinter uns, den wir hätten nehmen müssen, um um den Berg herum zu gehen. Wir sparen Tage!", versicherte sie mir. Ich ließ mir ihre Worte durch den Kopf gehen. Ihre Beschreibung war gut und wenn wir auf etwas anderes stoßen würden, würde ich merken, dass wir falsch abgebogen waren. In der Zwischenzeit war auch mein Essen dampfend heiß. Kaum hatte ich den ersten Bissen im Mund hielt ich inne. Das gibt's nicht. Die schmecken exakt wie zu Hause: grauenvoll. Doch der Hunger trieb es hinein. Das nächste Mal besorg ich den Proviant. Gabel für Gabel leerte ich schließlich den Becher. Mit einem Blick auf Psiana stellte ich zufrieden fest, dass auch bei ihr der Hunger gesiegt und sie das Futter aufgegessen hatte. Das letzte, was ich wollte war, dass sie hungerte. Da es nicht wirklich Geschirr zu putzen gab machten wir uns auch direkt nach dem Essen wieder auf den Weg. Die ersten Schritte brannten wie Feuer, doch nach ein paar Meter gewöhnten sich meine Füße wieder an die Bewegung und der Schmerz ließ - nein, nicht nach aber er war ertragbar.   Durch dieselbe Öffnung, durch die wir die Höhle betreten hatten, verließen wir sie und machten uns an den Aufstieg. Diesmal lief ich jedoch vorne heraus. Wie erwartet war der Aufstieg nicht angenehm. Irgendwann blickte ich nur noch stoisch auf den Boden direkt vor mir und massierte mir gelegentlich die von Seitenstechen geplagten Stellen. Erleichert atmete ich auf, als wir endlich wieder oben auf dem Plateau ankamen. Yumiko würde mir die Entscheidung überlassen, welchen Weg wir einschlagen würden. Sollten wir die Rampe nach unten gehen und die Höhle verlassen, oder den Weg durch den Berg wagen? Frustriert rieb ich mir das Gesicht, entschied mich jedoch für die zeitsparende Variante. Wortlos bog ich in den Gang, in den Yumiko und Glumanda mir folgten. Ich wollte nicht in Yumikos Gesicht schauen, die mit Sicherheit ein triumphierendes Lächeln auf den Lippen hatte. Wie bereits von ihr angedroht war dieser Gang sehr steil und voller Geröll. Mehr als einmal mussten wir über größere Haufen klettern oder uns an Wänden hochziehen. Letzteres war nicht gerade meine Stärke und Yumiko musste mich regelrecht in die Höhe ziehen. Dabei scheuerte ich mir auch noch die Innenseiten meiner Hand auf. Ich opferte ein wenig meines Wassers, um die Risse vom Dreck zu reinigen, aber trotzdem brannten sie wie Feuer. Ich hatte nicht erwartet, dass mein Medizin-Kit schon am ersten Tag zum Einsatz kommen würde. Über die tieferen Schnitte klebte ich Pflaster, beließ jedoch das Meiste, wie es war. Erleichtert atmete ich auf, als wir schließlich die Zubathöhle erreichten. Der Lärm war schon im Tunnel zu hören gewesen, aber in der Höhle selbst war es ohrenbetäubend. Eine Mischung aus Flügelflattern und hohem Geschrei erfüllte die Luft. Kaum hatten wir die Höhle betreten, griffen uns auch schon ein halbes Dutzend gleichzeitig an. Psiana reagierte sofort und schoss erneut eine Salve Sternenschauer auf die Zubat. Auch Yumiko handelte schnell und warf einen Pokeball. Sie schien ihren Fehler während des ersten Angriffs wieder gut machen zu wollen. Mit einem lauten Plop, der sich zusammen mit dem Geschrei an den Wänden als Echo reflektierte, erschien etwas überraschend Riesiges. Ein bläulicher Schimmer ging von  dem Pokemon aus, oder besser von der glänzenden Kugel unter seinem Hals. Yumiko hatte tatsächlich ein Dragonir in den Kampf geschickt. Mit offenem Mund beobachtete ich, wie Psiana und Dragonir ein Zubat nach dem anderen zurück drängten. Dragonir schwebte förmlich in der Luft und bewegte sich geschmeidig um die angreifenden Pokemon. Seine Ausmaße waren gigantisch und ließen Psiana, die direkt unter dem Drachen stand, regelrecht winzig wirken. Glumanda schien die Pokemon anzufeuern. Verkneif dir den Wort Witz, Mimi. Verkneif's dir. Energisch fuchtelte Glumanda mit den kleinen Händchen und unterstütze seine Kameraden mit diesem Tanz. Es dauerte nicht lange und alle angreifenden Zubat waren verschwunden. Zufrieden rief Yumiko ihr Dragonir zurück. "Ein Dragonir...nett", versuchte ich nicht zu aufgeregt zu klingen. Ich hatte schon bei Glumanda peinlich genug über die Stränge geschlagen. Ich durfte mich nicht bei jedem Pokemon derart hinreißen lassen. Aber sie hatte ein verdammtes Dragonir!!! Ich räusperte mich. "Gut gemacht, Psiana", sagte ich zu dem Pokemon, dass sich unbeeindruckt die Ohren mit der Pfote putzte. Bevor weitere Zubat sich doch noch entschieden würden uns anzugreifen beeilten wir uns durch die Höhle zu kommen. Wir blieben nahe der Wand und liefen im beschleunigten Gänsemarsch hintereinander her. Dennoch dauerte es eine Weile, bis wir die von Yumiko beschriebene Öffnung endlich erreichten. Wie versprochen gab es hier zwei abzweigende Wege und nach kurzem Vergewissern meinerseits bogen wir in den rechten Gang ab.   Mittlerweile war ich an einem Punkt angelangt, an dem ich keine Lust mehr auf Laufen hatte. Meine Zehen und Sohlen taten weh und meine Verletzungen an den Händen brannten. Jeder Stein schien meinen Schmerz zu verschlimmern, da half es recht wenig, dass wir bergab liefen. Der Tunnel war teilweise eingestürzt, weshalb wir uns durch schmale Öffnungen quetschen mussten. Yumiko versicherte mir, dass der Tunnel noch nicht eingestürzt gewesen war, als sie hier während ihrer Herreise durchging. Auch Glumanda fiel es zusehends schwerer Schritt zu halten. Das kleine Pokemon war noch zu jung, um solch große, beschwerliche Strecken hinter sich zu bringen, weshalb Yumiko gezwungen war Glumanda zurück in seinen Pokeball zu rufen, wo er sich ausruhen konnte. Ohne sein Feuer musste Yumiko nun doch die Taschenlampen auspacken, von denen sie mir eine gab. Mit ihnen beleuchteten wir uns den restlichen Weg hinaus auf eine Plattform. Vorsichtig spähte ich hinab und erkannte die erste Höhle unter uns. Sie war sogar noch größer, als man von unten erahnt hatte. Wie schon vom Plateau ging auch hier eine Brücke hinüber zur anderen Seite, doch auch dieser hier mangelte es an zusätzlichen Kleinigkeiten, wie einem Geländer. Die Brücke selbst war zudem nicht gerade breit. Skeptisch blieb ich vor dem Aufgang stehen. "Da sollen wir rüber?" "Ja. Ich muss gestehen das war schon beim ersten Mal kein Spaß." Ungläubig schaute ich ihr in die Augen. "Hast du ein Seil? Ich geh da nicht ohne Sicherung rüber!" Yumiko versank in Gedanken. Derweil marschierte Psiana drauf los und betrat die Brücke. Geh ruhig vor wir kommen gleich nach, kein Problem. "Ich hab's!", rief Yumiko plötzlich und griff hinter sich um kurz darauf einen Pokeball zu werfen. Zum Vorschein kam ein weiteres Mal ihr wunderschönes Dragonir. "Mizu kann unser Seil sein. Sie kann neben uns fliegen während wir uns an ihr fest halten", verkündete sie auf das Drachenpokemon zeigend. "Mizu? Ist das sein Name?" "Ihr Name", berichtigte sie mich."Ihr voller Name lautet Mizuchi, aber ich nenne sie Mizu." Ein Spitzname für einen Spitznamen? Beinahe hätte ich sie gefragt, weshalb sie es nicht gleich Mizu nannte, entschied mich aber aus Respekt dagegen. Zärtlich strich sie dem Dragonir über die Schnauze. Es ohne irgendwelche Flügel schweben zu sehen war noch immer verstörend, aber gleichzeitig äußerst hypnotisierend. Die Art, wie es seinen Körper in Wellen bewegte hatte etwas Beruhigendes. "Sie ist meine älteste Freundin", erzählte sie weiter. Überrascht hatte mich diese Information nicht. Immerhin kam sie aus Ebenholz City und wenn Sandra wirklich ihre Mutter war, dann war Yumiko mit Drachen aufgewachsen, speziell mit Pokemon wie Dragonir. Psiana hatte derweil die andere Seite erreicht und rief nun ungeduldig nach uns. Hintereinander betraten wir die schmale Brücke und hielten uns an dem fliegenden Dragonir neben uns. Ich wusste, dass ich mich eigentlich auf meine Schritte konzentrieren sollte, aber ich kam nicht umhin immer wieder auf Dragonir, oder besser gesagt 'Mizu', neben mir zu schielen. Meine Hand lag auf ihrem meterlangen, blau-weißem Körper. Sie hatte ein feines Schuppengeflecht, dass bläulich mit ihren Bewegungen schimmerte. Man konnte deutlich die kleinen Schwingungen spüren, mit denen sie sich fortbewegte. Anders als Glumanda, war sie nicht heiß unter der Berührung, sondern nur warm. Die Taschenlampe in der einen und das Dragonir an der anderen Hand überquerten wir ohne in die Tiefe zu stürzen die Brücke. Auf der anderen Seite gab es einen breiten Weg, der von unten wie ein Überhang aussehen musste. Diesem folgten wir nun stumm nebeneinander herlaufend. Ich rieb mir immer wieder die schmerzende Handflächen, aber ich schätzte es hätte schlimmer sein können. Der Weg selbst wurde immer breiter, bis er selbst du einem eigenen Weg durch den Berg wurde. Irgendwo mussten wir die Höhle unter uns also verlassen haben. Laut Yumiko würden wir von hier an den Berg durchqueren. Allerdings war es an der Zeit nach einer Schlafgelegenheit zu suchen.   Gerade, als ich sie darauf ansprechen wollte, tauchte ein alter, grauer Mann in dreckiger Kampfmontur sitzend am Wegrand auf. Bisher hatten wir keine anderen Menschen getroffen, weshalb mich seine Erscheinung ein wenig erschreckte. Er hatte die Augen geschlossen und schien zu schlafen. Yumiko ging vorsichtig auf ihn zu als er seine Augen aufriss und "Kampf!!" schrie. Sowohl Yumiko als auch ich hüpften überrascht vom plötzlichen verbalen Ausbruch nach hinten, doch der Mann nahm eine Kampfposition ein und schaute Yumiko grimmig an. Allem Anschein nach forderte er Yumiko zu einem Kampf auf. Er warf einen Pokeball und sein erstes Pokemon erschien: ein Kicklee. Yumiko reagierte und warf Dragonir in den Kampf. Ich selbst stellte mich zusammen mit Psiana ein wenig hinter Yumiko, um eine gute Sicht zu haben. Vor Vorfreude, gleich meinen ersten echten Pokemon-Trainerkampf miterleben zu dürfen, zappelte ich unruhig auf der Stelle.    "Ich bin Leif, Kampftrainer mit Herzblut", stellte sich der Mann vor. Seine Stimme war trotz seines hohen Alters äußerst kräftig. Nach seiner Vorstellung erwiderte Yumiko die Höflichkeit ihrem Gegner ebenfalls ihren Namen zu nennen und daraufhin begann Leif den Kampf. Kicklee eröffnete mit einem geschwungenen Doppelkick, dem Dragonir jedoch elegant auswich. Kicklee war eindeutig im Nachteil. Es griff nur mit verschiedenen Fußkicken an. Dragonir war dabei in der Luft schwebend deutlich in der besseren Position. Außerdem war Kampf nicht gerade effektiv gegen Drache. Yumiko schrie den Konter Richtung Dragonir, noch bevor Kicklee auf dem Boden landete. Dragonir drehte sich daraufhin in unglaublicher Geschwindigkeit um die eigene Achse und schickte eine Windhose mit einem Schlag ihres Schwanzes Richtung Kicklee, das es gegen die Höhlenwand warf. Beeindruckt starrte ich Yumiko an. Kicklee war jedoch noch nicht besiegt. Es hüpfte Beine voran wieder in den Stand und wartete auf weitere Befehle. Leif schien jedoch nicht im Mindestens besorgt zu sein und lachte lauthals. Er schien Spaß zu haben.   Mit dem Doppelkick würde er hier nicht weiter kommen, also entschied er sich für einen Sprungkick. Mit unmenschlicher Geschwindigkeit näherte es sich Dragonir und sprang direkt unter dem Pokemon nach oben. Dragonir hatte versucht dem Kick zu entgehen, indem es seine Position ständig änderte, doch Kicklee war schneller und traf sie am Bauch. Mit einem lauten Schrei fiel es zu Boden. Besorgt sah ich zu Yumiko, doch die war noch immer siegessicher. Dragonir schüttelte sich und sammelte ihre Kräfte. Von Yumiko hörte ich nur ein Wort. "Feuerodem!" Dragonir öffnete den Mund und feuerte einen purpur leuchtenden Strahl auf Kicklee. Dabei verteilte sich ein Geruch nach Benzin, dass von dem Feuerodem ausgehen musste. Als das Licht verblasste lag Kicklee bewusstlos am Boden.   "Beeindruckend, dein Dragonir ist gut trainiert", warf Leif Yumiko entgegen, während er Kicklee zurück in den Pokeball brachte. Sein nächstes Pokemon war ein Nockchan, was ebenfalls im Vergleich zu Dragonir mickrig wirkte. Nockchan war wie Kicklee zuvor nicht im Vorteil, aber es hatte von Haus aus eine höhere Verteidigung, weshalb dieser Kampf länger dauern könnte. Neugierig beobachtete ich, ob Yumiko sich entscheiden würde ihr Pokemon zu wechseln, doch sie stand regungslos da, die Hände vor der Brust verschränkt. Nockchan schlug wiederholt in schneller Folge in die Luft, wie es oft Boxer taten, um warm zu werden. Sein erster Angriff war auf Leifs Anordnung hin ein Feuerschlag. Sofort holte es mit der einen Hand zum Schlag aus, während es mit der zweiten Hand das Gesicht schützte. Seine Schlaghand leuchtete rot und fing augenblicklich Feuer. Irritiert sah ich zu, wie Dragonir, noch immer auf dem Boden liegend, dem Schlag mit einer Verrenkung auswich. Die Attacke war gegen ein Drachen-Pokemon nicht effektiv, also wieso hatte Leif diese Attacke -? "Eishieb!", brüllte er plötzlich. Nockchan stand direkt vor Dragonir, das gerade noch in einer Ausweichbewegung war, um der vorigen Attacke zu entgehen. Mit der zweiten Hand, die eben noch sein Gesicht schützte, traf es Dragonir mit voller Wucht. Eisiger Wind kam uns entgegen und Dragonir brach schwer getroffen zusammen. Auch Yumiko hatte augenscheinlich mit so einer Finte nicht gerechnet, da sie besorgt das Gesicht verzog. Leif hatte den Feuerschlag genutzt, um nahe an Dragonir zu kommen und um schließlich mit dem Eisshieb mit voller Wucht zuzuschlagen. Eigentlich sollte ich Yumiko unterstützten aber ich kam nicht umhin den Angriff ihres Gegners zu bewundern.   "Mizu! Alles in Ordnung?", rief Yumiko beunruhigt. Das Dragonir zitterte, hob jedoch stur den Kopf und den Körper in die Höhe, schaffte es aber nicht mehr zu fliegen. Fliegen! Das war die Lösung. "Hast du ein Flug-Pokemon", fragte ich sie leise. Doch Yumiko schüttelte den Kopf. "Dragonir schafft das", erwiderte sie und warf dem Pokemon etwas zu, was Dragonir aus der Luft fing. Kurze Zeit später hörte ihr Zittern auf. Beeren! Nun setzte das angeschlagene Dragonir zum Gegenangriff an. Auf Yumikos Befehl hin benutzte es Eissturm. Eine ungewöhnliche Attacke, aber sicherlich hilfreich auch für eine Drachen-Trainerin. Feinste Eiskristalle umwirbelten Nockchan. Mit seinem Schwanz katapultierte sich Dragonir nach vorne und flog dicht über dem Boden auf das durch den Sturm geblendete Nockchan zu. "Slam!", schrie Yumiko. Leif rief etwas, doch der Sturm ließ Nockchan nicht nur blind, sondern auch taub zurück. Dragonir flog in den Sturm und traf das Kampf-Pokemon mit voller Wucht. Es verlor den Stand, schlitterte auf dem Boden und blieb liegen. "Meine Kämpfer sind K.O.", verkündete Leif und holte Nockchan zurück. Yumiko atmete erleichtert aus und ging zu Dragonir. Einen dritten Kampf hätte es nicht mehr überstanden. Lobend klopfte sie Mizu auf den Bauch und streichelte es über die Schnauze. Danach gönnte sie ihr eine Pause im Pokeball.   Leif kam zu ihr gelaufen und schüttelte ihr anerkennend die Hand. "Guter Kampf, junge Dame." Yumiko nahm das Kompliment gerne entgegen hob jedoch auch seine Intelligenz während des Kampfes heraus. "Du hast mich besiegt. Das kommt nicht oft vor", erklärte er weiter. "Ich habe geschworen bei meiner Ehre als Kampfsportler jedem Trainer ein Pokemon zu schenken, der mich besiegt." Noch während er das verkündete griff er nach hinten und überreicht der überraschten Yumiko einen Pokeball. Immerhin passierte es nicht alle Tage, dass man von einem besiegten Trainer ein Pokemon geschenkt bekam. Mir kam diese Situation seltsam vertraut vor. Es gab tatsächlich einen Trainer, ich glaubte sogar hier im Kesselberg, der nach seiner Niederlage dem Spieler ein Rabauz schenkte. Aber der Mann vor mir konnte doch nicht derselbe sein...oder doch? "Vielen Dank. Das ist wirklich großzügig", verkündete sie. Vermutlich von Neugier getrieben rief sie das Pokemon aus dem Ball. Mir setzte einen Moment der Atem aus, als aus dem Licht tatsächlich ein kleines, unruhiges Rabauz erschien. Es war nicht einmal halb so groß wie seine Nachentwicklungen von eben. Seine dünnen Ärmchen hatte es drohend in die Höhe genommen und wachsam schaute es zwischen uns umher. Seine violette Färbung war im Licht unserer Taschenlampen kaum zu sehen. Yumiko ging vor ihm auf die Knie und stellte sich vor. Rabauz salutierte daraufhin, was wohl hieße, dass er sie akzeptiert hatte. Räuspernd verschuf ich mir Gehör. "Ehm, ich denke ich habe mich noch nicht vorgestellt. Ich bin Mimi, ihre Begleiterin." Mit dem Daumen zeigte ich auf Yumiko, die gerade Rabauz wieder in seinen Ball gerufen hatte. "Ein wirklich beeindruckender Kampf." Leif positionierte sich mit breiter Brust. "Leif, Kampfsportler mit Herzblut", verkündete er lauthals erneut. "Ich fürchte meine Pokemon sind momentan zu geschwächt, um gegen dich anzutreten." "Oh, das ist schon in Ordnung. Ich wäre sowieso kein Gegner für Sie", sagte ich mit schiefen Blick auf Yumiko, die neben mir kicherte. "Verzeihen Sie die Frage, aber was machen Sie hier so ganz allein?" Unschuldig nahm ich meine Hände auf den Rücken. Zum einen erhoffte ich mir eine informativere Antwort auf die Frage, nach seiner Identität. Zum anderen war ich neugierig, weshalb wir bisher nur ihn getroffen hatten und sonst keinen anderen Trainer. "Ich trainiere hier seit Jahren mit meinen Pokemon, um inneren Frieden zu finden und mich und meine Pokemon zur vollendeten Kunst des Kampfes zu führen." "Seit Jahren? Wie lange sind sie denn schon hier", beteiligte sich nun Yumiko am Gespräch. Auf ihre Neugier war Verlass. Ernsthaft grübelnd starrte der Mann in die Luft. "So genau kann ich dir das gar nicht sagen. Zeit ist hier im Berg nicht von Bedeutung", verkündete er und begann laut zu lachen, was jedoch in Husten überging. Schnell reichte Yumiko ihm ihre Wasserflasche, die er dankend annahm.   Unterdessen schob ich wie wild die Zahlen in meinem Kopf umher. Der Trainer, der einem nach dem Sieg über ihn ein Rabauz geschenkt hatte, war bereits beinahe dreißig Jahre als gewesen. Und der Mann vor mir war mindestens fünfzig. Bei näherer Betrachtung erkannte man, dass sein Anzug nicht wirklich passte. Er wirkte zu groß für seinen Körper. Der Anzug selbst war dreckig und verschließen, was darauf schließen ließ, dass er ihn schon lange besaß. Hatte der Anzug womöglich früher einmal besser gepasst? Nahm man Yumiko und ihre mögliche Verwandtschaft mit Sandra als Beweis hinzu, machten das etwa 20 Jahre, die der Mann hier in diesem Berg verbracht hatte! Beunruhigenderweise passte der Zeitraum zu seinem Alter. Und doch hatte ich das Gefühl, dass mir hier irgendetwas entging. "Sie sollten den Berg von Zeit zu Zeit verlassen. Diese staubige Luft tut ihnen nicht gut", riet ihm Yumiko, als sie ihre Wasserflasche wieder zurück nahm. "Vielleicht hast du Recht. Ich war schon ewig nicht mehr zu Hause." Plötzlich verfinsterte sich seine Mine. "Es wird Zeit, mir den Titel als Arenaleiter zurück zu holen! Sabrina wird nicht noch einmal über meine Pokemon triumphieren." Während Yumiko ihn nur schief von der Seite anstarrte, griff ich mir an den Hals. Mein Herz schlug wie wild als mich eine Welle der Nostalgie überrollte. Der alte, graue Mann vor mir war DER Leif, Kampf-Pokemontrainer aus Saffronia City, der die Stadt verlassen hatte, um im Kesselberg zu trainieren. Er und Sabrina stritten sich um die Vorherrschaft und um den Titel des ortsansässigen Arenaleiters. Mit seinen Kampf-Pokemon war Leif natürlich gegenüber Sabrinas Psycho-Pokemon im Nachteil gewesen und musste ihr den Titel des Arenaleiters überlassen. Hatte er all die Jahre im Kesselberg trainiert, um noch einmal gegen Sabrina zu kämpfen?! Mein inneres Gefühlsleben schwankte zwischen freudiger Begeisterung und plötzlicher Panik. Der Mann war ein Teil der Geschichte, die ich vor Jahren nachmittags auf meinem alten GameBoy gespielt hatte. Ihn jetzt vor mir stehen zu sehen, gealtert mit gelebtem Leben war beides: aufregend und beängstigend zugleich. Wenn ich bereits bei einem "Nebencharakter" derart mit Herzklopfen reagierte, wie würde es erst werden, wenn wir auf dem Silberberg ankommen würden? Mein schweres Atmen erregte Yumikos Aufmerksamkeit. "Alles in Ordnung? Du siehst blass aus." Ich bezweifelte, dass sie das in dem Licht überhaupt hätte erkennen können, aber ich dankte ihr innerlich für ihre Sorge. "Ich bin nur erschöpft, alles gut", versicherte ich ihr. Die Wahrheit konnte ich ihr schließlich nicht sagen. "Ihr müsst schon lange unterwegs sein. Kommt, ich habe eine kleine Höhle gegraben, in der ich wohne. Wenn ihr wollt könnt ihr euch dort etwas ausruhen." Gegen eine Rast hatte ich wirklich nichts einzuwenden. Eigentlich hätte ich es noch viel lieber, wenn wir den Tag als beendet ansahen und unser Nachtlager endlich aufschlugen. Ein wenig konnte ich Leif nachvollziehen. Zeit war hier im Berg nur ein Wort. Aber ich spürte, wie die Stunden ihren Tribut zollten und mich Müdigkeit überkam. Yumiko musste es genauso ergehen, da sie schließlich Leifs Angebot dankend annahm. Ich überlegte lieber nicht wie mancher in meiner Welt auf die Einladung eines alten Mannes reagiert hätte, in seiner Höhle zu schlafen, nachdem man sich gerade einmal ein paar Minuten kannte. Aber hier schien nichts Verwerfliches daran zu sein, also folgte ich den beiden.   Leif führte uns schließlich ein kleines Stück zurück, blieb jedoch plötzlich mitten im Gang stehen. Skeptisch beobachtete ich, wie er an der Wand kratzte, die sich unter seiner Hand zu bewegen schien. Als ich sah, was sich da bewegte konnte ich nicht anders als anerkennend grinsen. Eine Gruppe Kleinstein hatten sich in den Eingang gelegt und ihn somit verschlossen. Beim Vorbeigehen hatte man die Kleinstein nicht gesehen, die förmlich mir ihrer Umgebung verschmolzen waren. Wie viele solcher Öffnungen und Kleinstein wir wohl einfach übersehen hatten? Im Innern erwartete uns eine kreisrunde, recht geräumige Höhle, die sporadisch mit seltsam geformten Felsen eingerichtet war. Leif musste sie in Eigenarbeit hergestellt und mit Dingen, die er gefunden hatte verziert haben. Er bot uns getrocknetes Fleisch und Pilze an, wovon ich allerdings nur wenig aß. Das Fleisch war fischig im Abgang, weshalb ich davon ausging, dass es wirklich etwas fischartiges aus einem der Seen hier sein musste. Die Alternative wäre Zubat-Fleisch... Die Pilze hatten eine seltsame Konsistenz und rochen und schmeckten eigentlich nur nach Erde. Anstatt mich an Leifs Angeboten satt zu essen, nahm ich einen Riegel von Yumiko an, der aus verschiedenen Beerensorten und Weizen gepresst war. Beim Essen hatte ich Leif gefragt, weshalb keine Trainer außer ihm im Berg zu sehen waren. Aber er hatte nur die Brust geschwollen und behauptet alle anderen besiegt zu haben. So gern ich ihm diese Erklärung gegönnt hätte, erschien sie mir jedoch unwahrscheinlich. Yumiko flüsterte mir schließlich zu, dass viele auf Grund der Gefahr durch die Krankheit lieber zu Hause blieben, als zu reisen. Wie es aussah, hatte Leif von der Krankheit noch gar nicht mitbekommen, dass sie existierte. Endlich war die Zeit gekommen, meine Matratze auszuprobieren. Gespannt drückte ich den Knopf an deren Seine und bestaunte, wie sie sich mit saugendem Geräusch immer weiter ausdehnte. Nach wenigen Minuten hatte sie sich selbst auf eine beachtliche Größe gebracht. Sofort legte ich mich testend darauf und entschied, dass sie durchaus bequem war. Als ich so dalag wurden meine Augen immer schwerer. Ich schaffte es noch mir meine Decke aus der Tasche zu holen, damit ich nicht fror. Das Letzte was ich noch mitbekam war, wie Yumiko sich noch ein wenig mit Leif unterhielt. Die Beteuerung der Worte erreichten aber schon nicht mehr mein Bewusstsein, als sich meine schweren Glieder begannen zu entspannen. Kapitel 6: Ein blindes Huhn und ein kranker Vogel ------------------------------------------------- Schwer atmend öffnete ich die Augen. Ich hatte das Gefühl gehabt, jemand hätte mir einen Sack auf den Bauch geworfen. Irritiert versuchte ich im Halbdunkel zu ertasten, was da auf mir lag. Als ich den Kopf hob, sah ich große Kulleraugen im Feuerschein. "Du bist das zweite Pokemon in drei Tagen, das mich unsanft weckt", sagte ich heiser zu Glumanda. Er lag bäuchlings auf mir drauf, den Schwanz irgendwo über meinen Füßen, wenn ich die Hitze dort richtig deutete. Verschlafen rieb ich ihm den Kopf, was er mit einem seligen Ausdruck gerne entgegennahm. "Ich dachte, es sei eine gute Idee Glumanda dich wecken zu lassen". Erschrocken von der plötzlichen Präsenz neben meinem Ohr fuhr ich herum und sah Yumiko in der Hocke über mir kauernd. "Tut mir leid, dass er sich auf dich geworfen hat." Ihr Grinsen deutete an, dass es ihr nicht so leid tat, wie sie behauptete. Da stand sie auch schon auf und widmete sich ihrem Rucksack. Vorsichtig hob ich den Oberkörper, während ich Glumanda mit einer Hand versuchte zu stabilisieren. Glücklicherweise rutschte es von allein von mir herunter und wartete, bis ich aufgestanden war. In der Höhle selbst sah es noch genauso aus, wie in dem Moment, als ich die Augen geschlossen hatte. Nichts deutete darauf hin, dass ein neuer Tag angebrochen war. Wie hatte Leif das 20 Jahre lang nur ausgehalten? Er musste doch das ein oder andere mal den Berg verlassen haben, um Sonne zu tanken. Ich würde nach ein paar Tagen in der Höhle ohne Licht und damit ohne Anhaltspunkt, was für eine Tageszeit es überhaupt war, verrückt werden. Vorsichtig streckte ich alle meine Glieder. Sofort durchfuhr mich ein Schmerz, der von überall zu kommen schien. Meine Hände waren noch immer entzündet, meine Schenkel brannten wie Feuer von der gestrigen Kletterei und meine Füße protestierten in dem Moment, in dem ich sie belastet. Kurz gesagt: ich hatte überall Muskelkater. Frustriert wendete ich mich meiner Matratze zu. Immerhin hatte ich gut auf dem Ding geschlafen, sonst würde mir jetzt zu allem Überfluss auch noch der Rücken schmerzen. Mit demselben Knopf, mit dem ich die Matratze aufgepumpt hatte, entließ ich die Luft und sah zu, wie sie immer weiter zusammen schrumpfte. Völlig fasziniert beobachtete ich die schon beinahe magische Transformation von großer Matratze zu handlichem Taschenbuch. Glumanda war noch immer die einzige Lichtquelle in unserer kleinen Höhle, weshalb ich - wie auch Yumiko - in seiner Nähe meine Tasche packte. "Wo ist Leif?", fragte ich sie, als sie fertig war. "Der ist losgegangen um Wasser zu holen, nachdem er mich geweckt hatte. Hast du gut geschlafen?" "Erstaunlicherweise ja. Ich war noch nie ein Freund von Camping, aber ich denke wir haben einen guten Einkauf mit der Matratze gemacht." Wobei Einkauf hier das falsche Wort war. Gutes Geschenk passte besser.   Unser Frühstück war ebenso mager, wie unser gestriges Abendessen. Zusätzlich zu den Riegeln hatte Yumiko schließlich noch zwei kleine Päckchen herausgeholt, die sich als Saft entpuppten. Kaffee oder sogar Tee wäre mir lieber gewesen, aber das süße Getränk war eine willkommene Abwechslung zum stillen Wasser. Glumanda versuchte ständig Psianas Aufmerksamkeit zu erhalten und fuchtelte vor ihrem Gesicht mit den Händchen herum. Die zeigte sich unbeeindruckt und nagte eher widerwillig an dem Pokefutter. Schließlich gab Glumanda auf und setzte sich mit seinem Essen nieder. Als wir unser Frühstück gerade beendet hatte erschien Leif, eine Fackel in der Hand, die er in eine Halterung an der Wand befestigte. Dadurch wurde die Höhle gleich viel heller. "Guten Morgen Mimi, Begleiterin von Yumiko", sagte er an mich gewandt. War das jetzt mein Erkennungsspruch? Begleiterin von Yumiko? Das nächste Mal stell' ich mich als Poke-fan oder meinetwegen auch Aromalady vor. Mein irritierter Blick schien ihn nicht zu stören. Er reichte Yumiko zwei vollgefüllte Flaschen, die sofort in ihrem Rucksack landeten. "Wir sollten aufbrechen. Der Weg ist noch lang bis zum nächsten Ausgang." Yumiko schulterte den nun prall gefüllten Rucksack und ich hing mir die Tasche um. Dabei stellte ich stöhnend fest, dass meine Schulter wund vom Riemen war. Hoffentlich gewöhne ich mich bald an das Laufen und an all die Nebensächlichkeiten, die es mit sich brachte. Die ersten Schritte waren eine Tortur, aber wenigsten fand ich recht bald meinen Rhythmus. Mein Bedürfnis zu duschen war groß. Besonders, da ich noch dieselben Klamotten wie gestern trug. Zu gerne hätte ich Leif gefragt, wo er das Wasser herhatte. Den ganzen Weg hin und zurück zum See, den wir gestern erkundet hatten, wird er nicht gegangen sein. Irgendwo musste er sich doch auch duschen. Aber Duschen stand heute nicht auf unserer to-do Liste, weshalb wir eisern dem eintönigen Gang folgten. Glumanda hatte sich ausgeruht und marschierte heute wieder an unserer Seite. Leif führte vorne heraus zusammen mit Psiana den Weg, auch wenn das hier eigentlich nicht nötig gewesen wäre. Immerhin gab es nur diesen einen Pfad. Wer auch immer ihn angelegt hatte, verdiente meine Dankbarkeit. Man hatte so gerade wie möglich durch den Tunnel gebohrt, weshalb uns anstrengende Steigungen erspart blieben. Nur ab und zu gab es Geröll von abgerutschten Wänden, das es zu überwinden galt. Leif erklärte uns, dass der größte Teil des Steinschlages von Kleinstein verursacht wurde, die im Berg gruben.   Nach einer Weile stummen Fußmarsches bat ich um eine Pause. Mir war heute schon schnell die Anstrengung im Gesicht abzulesen gewesen, da mir noch die gestrige in den Knochen hing. Mit einer Handvoll Wasser bespritze ich mir das schweißnasse Gesicht und reinigte darauf hin mit einem extra Schwall Wasser meine entzündeten Handflächen. Plötzlich bewegte sich das Erdreich unter mir. Erschrocken hüpfte ich zur Seite, doch ein Fuß blieb stecken. Nein, er wurde festgehalten. Ein verärgertes Kleinstein schien es mir übel zu nehmen, es mit Wasser bespritzt zu haben und hatte seinen Griff fest um meinen Fuß gelegt. Ich versuchte frei zu kommen, aber es ließ nicht los. So landete ich unsanft auf meinem Hintern. "Wieso erwische immer ich die wütenden Pokemon", rief ich zu Yumiko, die zu kichern begonnen hatte. Hilfe suchend schaute ich zu Psiana, aber die hatte wohl entschieden mir diesmal nicht zu helfen. Schließlich wurde ich nicht angegriffen, sondern einfach nur festgehalten, was sie nicht als Bedrohung ansah. Jedenfalls sprach so ihre demonstrative Sitzhaltung. Wenigstens Glumanda schien besorgt und klopfte auf dem Kleinstein herum. Ich bezweifelte, dass es überhaupt irgendeine Attacke einsetzt, musste jedoch dennoch im Angesicht seiner Tapferkeit grinsen. Leif erbarmte sich meiner schließlich und brachte das Kleinstein mit seinem Nockchan dazu mich endlich loszulassen. Ein Schlag des Pokemons hatte gereicht, damit es seinen Griff lockerte und sich ins Erdreich vergrub. Ich bedankte mich bei ihm und rieb mir den Fuß, der glücklicherweise nicht verwundet war. Dabei fiel mir ein Schimmern in dem Loch auf, das Kleinstein hinterlassen hatte. Neugierig untersuchte ich es näher und grub mit der Hand das Etwas weiter aus. Vorsichtig, um mir nicht auch noch die Finger an den Steinen zu verletzten, befreite ich das leuchtende Ding. Leif und Yumiko waren unterdessen näher herangekommen und schauten mir neugierig zu. Prüfend drehte ich das Etwas in meinen Händen und wischte den restlichen Schmutz ab, so gut es ging. Der Gegenstand war relativ weich und flexibel und hatte etwas Schuppiges an sich. Stirnrunzelnd stellte ich mich wieder aufrecht hin, klopfte mir mit einer Hand den Schmutz von der Hose und reichte den Gegenstand Yumiko. Auch sie untersuchte den Gegenstand genauer. Im Gegensatz zu mir erkannte sie jedoch, was das war. "Ich werd' verrückt! Du hast eine Drachenhaut gefunden?!", sagte sie mit weiten Augen. Zur Antwort legte ich nur den Kopf schief. Der Begriff Drachenhaut war mir bekannt, allerdings wusste ich im ersten Moment nicht, was genau sie bewirkte. Verstärkte sie Attacken? Nein, das war etwas anderes... Moment! Man benutzte sie zum Entwickeln von Pokemon...nur welche waren das. Mit verzerrtem Gesicht rieb ich mir den Kopf, aber ich kam nicht auf die Antwort. Unterdessen gab mir Yumiko die Haut wieder zurück. "Die Dinger sind sehr selten. Und sehr teuer. Bewahre sie gut auf", riet sie mir. Vorsichtig steckte ich die Haut in meine Tasche. Leif hatte sich bereits wieder zusammen mit Psiana auf den Weg gemacht.   Es dauerte tatsächlich gefühlt Stunden, bis wir das Ende des Weges erreicht hatten. Leif hatte uns mit Geschichten aus seiner Zeit hier im Berg bei Laune halten wollen. Doch im Grunde erzählte er nur von seinem Training mit seinen Pokemon. Wie sie Faust gegen Faust gegeneinander gekämpft hatten, tagelang fasteten um den Geist zu stärken oder wie er sich mit andere Trainern gemessen hatte, meistens mit Erfolg. Irgendwann hatte ich angefangen ihn auszublenden und mich einfach auf den Weg vor mir konzentriert. Wie gern hätte ich jetzt meine Musik bei mir gehabt. Eigentlich verging kein Tag, den ich nicht mit Musik verbrachte. Ständig hatte ich Kopfhörer auf mit meinem sich ständig wechselndem Soundtrack auf den Ohren. Dies war der dritte Tag ohne Musik und ich begann sie wirklich zu vermissen. Innerlich hatte ich ein Lied nach dem anderen gesungen, aber es sich innerlich vorzustellen war nicht das gleiche gewesen, als es wirklich zu hören. Mir wurde regelrecht das Herz schwer, wenn ich daran dachte von nun an für eine lange, unbestimmte Zeit ohne Musik auskommen zu müssen. Wie ich das schaffen sollte, wusste ich bei bestem Willen nicht. Erst, als wir den Gang verließen und in einer riesigen Höhle ähnlich der ersten auf einem Plateau ankamen wurden meine Gedanken wieder ins hier und jetzt gebracht. Auch hier gab es eine Rampe, die nach unten führte, nur gab es glücklicherweise keine zusätzliche Brücke zu überqueren. Weit unter uns sah man einen Lichtkegel, der die Stelle markierte, an der wir den Berg verlassen konnten. Bis dahin mussten wir jedoch noch die Rampe hinunter steigen. Wie schon beim Aufstieg hielt ich mich an der Wand fest - so weit vom Abgrund, wie es mir möglich war. Dabei hielt ich immer ein Auge auf die Öffnungen in den Wänden, um noch eine Konfrontation mit einem verärgertem Pokemon zu vermeiden. Yumiko lief in kurzer Distanz hinter mir, während Leif ohne Rücksicht auf sein Leben für meinen Geschmack viel zu nah am Abgrund vor mir stolzierte. Allerdings hatte er wohl in all den Jahren gelernt, sich im Berg zu bewegen ohne sich das Genick zu brechen. So schafften wir es alle ohne Zwischenfall hinunter zurück auf den erdigen Boden. Je weiter wir dem Ausgang gekommen waren, desto deutlicher war der warme Luftzug von draußen auf unserer Haut zu spüren gewesen. Ich konnte es kaum erwarten die Dunkelheit endlich hinter mir lassen zu können. Auch Psiana musste es so ergehen, zumindest war sie die Rampe regelrecht hinunter gerannt und ohne zu warten bereits hinaus gegangen. Geblendet von dem Licht und somit meine Augen schützend traten wir hinaus an die frische Luft. Sofort spürte ich wieder den Wind durch meine Haare fahren und an meinen Kleidern ziehen. Ein wenig hing mir noch der steinige Geruch in der Nase, aber er vermischte sich bereits mit dem frischen Duft von Blättern, Gras und nasser Erde. Nur ganz langsam gewöhnten sich meine Augen an das Tageslicht. Es herrschte strahlender Sonnenschein und damit ein gleißendes Licht, das unsere Augen förmlich anzugreifen schien. Ich erkannte unförmige Figuren vor mir, bei denen es sich um Yumiko und die Pokemon handeln musste. Doch die breite Gestalt von Leif sah ich nicht. Blinzelnd drehte ich mich um und entdeckte ihn am Ausgang stehen, die Hände vor dem Gesicht. Für uns, die gerade mal einen Tag in der Höhle verbracht hatten, war das Licht schon schmerzhaft. Wenn Leif tatsächlich Jahre in dem Berg verbracht hatte, wie war es wohl für ihn jetzt Tageslicht zu sehen? Wobei von sehen noch nicht die Rede war. Yumiko rieb sich ebenfalls die Augen, doch wie auch bei ihr ließ mein Schmerz nach ein paar Minuten nach. Leif stand noch immer im Ausgang. "Alles in Ordnung?", rief Yumiko ihm zu und lief zu ihm hinüber. Ich wartete zusammen mit den Pokemon, die sich in die Sonne gelegt hatten und sich dort wärmten. "Ich habe den Tag nicht so hell in Erinnerung", nuschelte er durch seine Hände hindurch. Es würde noch eine ganze Weile dauern, bis sich seine Sicht normalisiert hätte. Leider konnten wir so lange nicht warten. Hier lassen konnten wir ihn aber auch nicht, schließlich waren wir indirekt dafür verantwortlich, dass er nun hier stand. "Man müsste seine Augen schützen", dachte ich. Da fiel mir mein Erste-Hilfe Kit ein. Als ich meine Wunden verarztet hatte, hatte ich auch einen Verband gesehen. Schnell kramte ich es hervor und suchte nach der Rolle, die ich schließlich auch fand. "Leif, ich habe hier etwas, womit ich Ihre Augen verbinden kann. Dann können sie sich langsam an das Licht gewöhnen", sagte ich und rollte bereits etwas von dem Mull ab. Yumiko half mir den Verband über seine Augen zu wickeln. Dabei mussten wir auf seine Haare aufpassen, damit wir die nicht ausversehen mit hineinwickelten. Die Zeit im Berg hatte seinen Tribut gezollt. Seine mittlerweile ergrauten Haare waren bis über die Schulter gewachsen. Ein dreckiges, rotes Bandana hielt dabei den Großteil seiner Mähne davon ab ihm ins Gesicht zu fallen. Zusätzlich hatte er aus Mangel an Rasierutensilien einen schönen Rauschebart bekommen. So nah an seinem Gesicht erkannte ich auch ein paar Narben, die blass über seine linke Augenbrauenpartie verlief und eine zweite Narbe an seiner Nase. Nachdem er nun nichts mehr sah boten wir an ihn zu führen, aber er sah die perfekte Gelegenheit für eine weitere Trainingseinlage. "Eins mit der Umgebung werden", nannte er es. Ich nenne es eher wie lange-wird-es-dauern-bis-er-einen-Baum-trifft.   Während sich Leif noch mit seiner Umgebung vertraut machte und Yumiko einschritt, wenn er zu nah an etwas kam, gesellte ich mich zu den Pokemon und wärmte mich in der Sonne. Ihre Strahlen taten meinen geschundenen Gliedern mehr als gut. Als ich mich streckte sah ich, wie Glumanda sich auf den Weg zu einem nahen Busch machte. Psiana ließ sich von all dem nicht stören und putze sich das von der Höhle staubige Fell. Für mich sah es aus wie ein normaler Busch oder vielleicht wie ein kleiner Baum. Aber irgendetwas schien Glumandas Aufmerksamkeit erregt zu haben. Immer weiter steckte es seinen Kopf hinein in das Gestrüpp. Eilig rannte ich hinterher um sicherzugehen, dass der Busch durch Glumandas Schwanz nicht aus Versehen Feuer fing. Während ich also die Flamme weg hob suchte Glumanda, der mittlerweile fast völlig verschwunden war, in dem Busch. Irgendwann begann es unruhig zu zappeln. "Hast du etwas gefunden", sagte ich zu dem Pokemon. Ich hatte mich in die Hocke gesetzt und beobachtete das Pokemon mit dem Kopf auf meiner Hand abgestützt. So ein Verhalten hatte ich von meinem mittlerweile verstorbenem Hund gekannt. Immer Kopf voraus in irgendetwas hinein. Ich hatte mir angewöhnt einfach zu warten, bis er das Interesse verloren hatte. Wegziehen würde nur dazu führen, dass er nur noch mehr an der Leine zog, um den seltsamen Gerüchen, die er entdeckt hatte, nachzugehen. Als das Zappeln Glumandas aber immer mehr zunahm erkannte ich, dass es nicht etwa etwas suchte, sondern feststeckte. Vorsichtig nahm ich ihn am Bauch und zog ihn aus dem Gebüsch. Kurze Zeit später stand ich da - das Glumanda in den Händen. Es war erstaunlich leicht, vielleicht gerade einmal fünf Kilogramm. Zunächst hob ich es eher krampfhaft von mir, während ich immer ein Auge auf seine Flamme gerichtet hielt. Aber als ich sah, wie er sie instinktiv nach oben hob, weg von mir, drückte ich ihn an mich. Glumanda schien das nicht zu stören. Ich legte meine Backe auf seinen warmen Kopf und umfasste ihn mit beiden Händen. Im Winter musste es großartig sein das Pokemon auf dem Schoß sitzen zu haben, einen Tee in der einen und ein Buch in der anderen Hand. Während ich so meinen Fantasien nach ging kam Yumiko mit Leif an der Hand zu uns. Die Umgebung schien sich wohl zu sträuben eins mit ihm zu werden. Ich ignorierte Yumikos schelmisches Grinsen als sie sah, wie ich Glumanda förmlich erdrückte vor Herzlichkeit. Ihre Augen fielen auf das in meiner Hand reglose Pokemon. Daraufhin legte sie den Kopf etwas schief und ließ Leif los. Besorgt, dass es sich vielleicht verletzt haben könnte, während es im Busch festgesteckt hatte und beunruhigt von Yumikos Reaktion drehte ich es um. Allerdings war er nicht verletzt, sondern vertieft in eine Kugel in seiner Hand. Wie wild knabberte er darauf herum. Bevor ich reagieren konnte griff Yumiko schon danach. "Du Dummerchen! Die kann man doch nicht essen. Zumindest noch nicht." Glumanda protestierte, als sie ihm sein Spielzeug wegnahm, aber wurde schnell mit ein paar Streicheleinheiten von Yumiko entschädigt. Ich setzte Glumanda ab,  das wieder im Busch verschwand und beäugte die Kugel neugierig. Im ersten Moment hatte ich auf Grund der roten Farbe gedacht, er hätte einen Pokeball gefunden. Aber bei näherer Betrachtung ähnelte es eher einer viel zu großen....Beere?! Ich fragte Yumiko, was das für ein Ding sei. Aber sie bestätigte nur meine Vermutung. "Noch nie eine Aprikoko gesehen?" Doch hatte ich, aber das tat hier nichts zur Sache. Schnell nickte ich und deutete an, dass ich wusste, wovon sie sprach. Glumanda hatte unterdessen bereits eine zweite herausgezogen. Auch diese nahm ihm Yumiko aus den Händen und rief ihn zurück in seinen Pokeball, bevor er sich wieder in den Busch stürzen konnte. Das wird ihm nicht gefallen. Beide Aprikoko waren rot. Also entweder gab es nur Rote oder Glumanda hatte eine Schwäche für die Farbe... Mir entging nicht, wie Yumiko beide Aprikoko einsteckte. Neugierig ging ich zum Busch. Ich hatte nur zwei Pokebälle, wenn ich aber jemanden finden würde, der mir aus den Aprikoko Bälle machen konnte, würde sich dieses Problem erledigt haben. Da Yumiko ohne Zögern die Aprikoko in ihrer Tasche hat verschwinden lassen ging ich davon aus, dass man sich einfach ein paar nehmen konnte. Blind streckte ich meine Hand in den Baum und fühlte. Zunächst bekam ich nur Blätter und Äste zu fassen, aber bald schloss sich meine Hand um etwas Festes, Rundes. Ich ertastete die Stelle, an der die Aprikoko am Ast angewachsen war und schob meine Finger dazwischen, bis sie in meine Hand fiel. Langsam, um mir nicht die Unterarme noch weiter zu zerkratzen holte ich eine rote Aprikoko zum Vorschein. Damit wäre die Frage wohl geklärt. Es gab nur rote Aprikoko. Als ich meine Augen nach links und recht schweifen ließ sah ich jedoch, dass hier überall solche Büsche standen. Vermutlich waren das alles Aprikokobäumchen. Ich probierte mich an einem Baum etwas weiter links und wiederholte die Prozedur. Diesmal fand ich eine weiße Aprikoko. Aufgeregt holte ich gleich noch eine aus dem Baum. Mehr als drei, konnte ich nicht in der Hand halten, also verstaute ich sie in meiner Tasche. Welcher Ball genau nun aus welcher Aprikoko herauskam wusste ich nicht. Aber Hauptsache, ich hatte Bälle. Ich ging zum nächsten Baum und gerade, als ich eine weitere Aprikoko pflücken wollte, wurde ich von Yumiko unterbrochen. "Ich sehe, wie du dich freust, aber man sollte nicht mehr Aprikoko nehmen." Schnell steckte ich beschämt meine Hände in die Hosentaschen. Über ein mögliches Limit an zu pflückenden Aprikoko hatte ich gar nicht nachgedacht. "Wir sollten weiter gehen", sagte Yumiko, den Blick nach Richtung Osten, zumindest glaubte ich das. Dankbar nahm ich ihren Themenwechsel auf. "Ist es noch weit bis nach Mahagonia City?" Bitte sag 'nein', bitte sag 'nein'. "Heute werden wir es nicht mehr schaffen", sagte sie mit versöhnlicher Stimme. Mir entging nicht, wie sie meiner Frage geschickt ausgewichen war. Niedergeschlagen senkte ich den Kopf. "Ich brauche eine Karte", dachte ich. Ich vertraute Yumiko, aber ich würde mich besser fühlen, wenn ich eine Karte hätte, auf der ich unseren Weg im Auge behalten konnte. "Dann sollten wir zusehen, dass wir heute so viel Strecke wie möglich hinter uns bringen", erwiderte ich schließlich und begann loszulaufen. Nur um kurze Zeit später von Yumiko am Arm gepackt und herumgedreht zu werden. Falsche Richtung.   Mit dem blinden Leif kamen wir zunächst nur langsam voran, was meine Geduld wirklich strapazierte. Ich hasste es langsam laufen zu müssen und er zwang uns in ein Tempo, dass absolut nicht dem meinem entsprach. Jeder hatte ein ideales Lauftempo und alles darunter oder darüber war ermüdend. Sein Lauftempo lag weit darunter. Zudem bildete ich mir sogar ein, dass meine Muskeln während des langsamen Laufens mehr schmerzten, als während des schnellen. Immer wieder hatte ich ihn mit jedem mal weniger höflich gefragt, ob wir ihn führen sollten, was er jedoch jedes Mal aus Stolz ablehnte. Die Landschaft änderte sich allmählich von bergig zu seeig. Man hatte zunächst an vielen Stellen Rinnsale aus Wasser aus dem Berg fließen sehen, die sich nach und nach zu kleinen Bachläufen gebildet hatten. Ich dachte an den unterirdischen See im Berg zurück, aus dem sicherlich ein Teil des Wassers kam. Unser Weg hatte immer entlang dieser Bäche geführt, bis sie sich schließlich in unzählige erst kleine und dann größere Seen verloren. Verloren hätten wir beinahe auch Leif, der beim Überqueren einer Holzbrücke beinahe ins Wasser gefallen wäre. Dies war endlich der Punkt, an dem er unsere Hilfe annahm. Von da an kamen wir deutlich schneller voran. Die Sonne stand hoch am Himmel, als ich um eine Essenspause bat. Völlig erschöpft, zumindest was mich betraf, ließen wir uns am Ufer eines der größeren Seen nieder. Sofort hatte ich die Schuhe ausgezogen, obwohl ich wusste, dass das eine schlechte Idee war, und ließ sie nun während ich eine weitere dieser ekelhaften Nudelboxen in mich hineinzwang im Wasser baumeln. Die Kälte war Balsam für meine geschundenen Füße. Nachdem Yumiko ihre Portion zu Ende gegessen hatte, holte sie plötzlich vier Pokebälle hervor und warf sie alle auf einmal. Zum Vorschein kamen die mir bereits bekannten Pokemon Dragonir, Glumanda und Rabauz. Das vierte und scheinbar auch ihr letztes starrte ich neugierig an. Sie hatte ein Sniebel, dessen weiße Krallen gefährlich scharf im Sonnenlicht glänzten. Neben Glumanda und Rabauz wirkte es zwar groß, aber keins der beiden war wirklich ausgewachsen. Ich schätzte, dass es in etwa Psianas Höhe erreichen würde. Doch da Psiana im Schatten einige Meter von uns schlief, konnte ich es schlecht vergleichen. Ich sah zu, wie Yumiko jedem der Pokemon Futter gab. Dragonir hatte jedoch mehr Spaß daran im Wasser zu schwimmen, als zu fressen. Leif schlug jedes Essensangebot aus, sowohl für sich als auch für seine Pokemon und hatte sich im Schneidersitz auf den Boden gesetzt, wo er sich seitdem nicht mehr bewegt hatte. Wenn ich mir so ansah, wie Rabauz das Futter verschlang konnte ich mir vorstellen, dass das kleine Pokemon ganz glücklich darüber war einen neuen Trainer zu haben. Jemand, der nicht von der Energie des Universums versuchte zu leben. Wenn ich auch ihre Wahl des Essens noch immer nicht unterstützte, so war es besser, als nichts. Plötzlich raschelte etwas im Gebüsch. Bisher hatten wir keine wilde Pokemon gesehen, was aber auch daran lag, dass das Gebiet von Seen übersät war und es damit wenig Platz für an Land heimische Pokemon bot. Aus Reflex hört ich auf mir die Nudeln in den Mund zu schieben und starrte auf die Stelle, die sich gerade noch bewegt hatte. Die anderen, selbst Psiana schienen nichts bemerkt zu haben. Ich spürte, wie ein Kribbeln über meine Haut fuhr, was definitiv nicht vom Wind kam. Wieder bewegte sich der Busch. Wie in Trance legte ich meinen Becher beiseite, schlüpfte in die Schuhe und ging auf das Gewächs zu. Den Blick auf die Stelle gerichtet, an der ich die Bewegung gesehen hatte. Ich spürte keine Angst, sondern innere Ruhe, als ich meine Hand ausstreckte und ins Ungewisse fasste. Tatsächlich schlossen sich meine Hände um etwas Weiches, Atmendes, was sich aber nicht gegen meinen Griff wehrte. Vorsichtig zog ich das Lebewesen aus dem Busch hervor und starrte verwirrt auf das kleine Habitak in meinen Armen. Mittlerweile hatte Yumiko mitbekommen, dass ich mich bewegt hatte und rief besorgt, ob es mir gut ging. Da ich zum Rücken zu ihr stand sah sie nicht, was ich in Händen hielt. Der Schatten über seinem Federkleid war nicht zu übersehen. Es hatte die Augen geschlossen und atmete flach. Ein Wunder, dass es sich überhaupt soweit bewegen gekonnt hatte, um den Busch zum Wackeln zu bringen und damit meine Aufmerksamkeit zu erregen. Ich hatte zwar noch nie ein Habitak in der Hand gehabt, aber ich konnte dennoch sagen, dass es völlig unterernährt war. Man fühlte das Skelett unter den struppigen Federn und es wog fast nichts. Kein Wunder, dass es so klein war. Überall hingen Blätter und Schmutz, als ob es sich schon lange auf dem Boden bewegt hätte. Sicherlich hatte es schon lange keine Kraft mehr zu fliegen. Irgendwann schaltete sich mein Verstand wieder ein und ich antwortete Yumiko, dass nicht alles in Ordnung war und zeigte ihr das kranke Habitak. "Kannst du es heilen?", fragte sie mich. Natürlich hatte ich mit einer solchen Frage gerechnet, schließlich hatte ich soweit bereits selbst gedacht. Nur war ich keinen Schritt weiter, was das Heilen auf Abruf anging. Noch immer von den Bandagen zur Blindheit verdammt bemerkte Leif nicht, was um ihn herum geschah. Ich ließ es auf einen Versuch ankommen und strich dem Vogel über die Federn in der Hoffnung, dadurch etwas auszulösen. Doch nach ein paar Sekunden wurde klar, dass das so nicht funktionieren würde. "Konzentrierst du dich auch?" Solch kluge Sprüche halfen schon gar nicht. Mit einem schiefen Blick unter meiner Brille hindurch bat ich sie, nur Konstruktives beizutragen. Natürlich konzentriere ich mich, was soll die Frage? Wie der Vogel so leblos da lag hatte ich plötzlich den Gedanken es vorsichtig zu reiben, um die Bewegung und Atmung zu stimulieren, wie man es oft bei neugeborenen Hunden tat. Wieder fuhr ich ihm über die Federn, diesmal jedoch mit ein wenig mehr Druck, wobei ich aufpassen musste ihm nicht weh zu tun. Ich konzentrierte mich auf meine Bewegung und die Kraft, die ich wagte auszuüben. Dabei achtete ich auch immer auf den Körper des Habitaks. Dann geschah es. Die Schwanzfedern waren das Erste, was zu leuchten begann. Der Schein breitete sich von Feder zu Feder aus, bis er schließlich den ganzen Vogel einhüllte. Doch es blieb nicht nur bei dem Pokemon in meiner Hand. Wie schon zuvor wanderte der Schein auf mich über, bis ich erneut von Licht geblendet gezwungen war die Augen zu schließen. "Es funktioniert!", hörte ich Yumiko neben mir rufen. Plötzlich war es vorbei. Der Schatten war von dem Pokemon gewichen, dass nun mit offenen Augen in meinen Händen lag. Eher unkontrolliert bewegte es seine nun rötlichen Flügel, aber ich hinderte es daran, sich davon zu machen. Seine Krallen schlugen mir ins Fleisch, aber es war viel zu schwach, um ernsthaft Schaden anzurichten. "Hör auf zu zappeln!", befahl ich zu dem Pokemon. "Du kannst noch nicht fliegen." Es war deutlich agiler als Nachtara nach meinem Handauflegen. Demnach war es wohl noch nicht allzu lange an Schattenriss erkrankt gewesen. Dennoch lang genug, um deutlich Gewicht zu verlieren. Mir wurde bewusst, dass Nachtara wohl schon längst verstorben gewesen wäre, wenn er keinen Trainer gehabt hätte, die ihn künstlich ernährte. "Du hast unheimliches Glück, dass wir hier entlang gegangen sind", erzählte ich dem Vogel, der noch immer nicht still halten wollte, während ich zusammen mit Yumiko zurück zu unseren Sachen und den Pokemon ging. Yumiko war mir bereits einen Schritt voraus und hatte ein Brikett geholt, das sie nun Habitak zu Fressen anbot. Allerdings bekam der Vogel das Futter noch nicht einmal in den Schnabel. Yumiko versuchte das Brikett zu zerbrechen, hatte aber keinen Erfolg. "Weich es im Wasser ein", bot ich an. " Es wird sich vollsaugen, wie ein Stück Brot. Dann kann Habitak daran nagen. Und Flüssigkeit bekommt es dadurch auch." Wild nickend und etwas nuschelnd was sich anhörte wie "Gute Idee" tauchte sie ihre Hand samt Pokefutter in den See. Schnell erhaschte ich einen Blick auf Leif, der sich keinen Meter gerührt hatte und noch immer in Meditation vertieft war. Oder er schläft. Sniebel und Glumanda standen neben mir und betrachteten das Habitak in meiner Hand. Der Anblick der fremden Pokemon beunruhigte den Vogel nur umso mehr, weshalb ich meinen Griff etwas fester legte. Nach kurzer Zeit startete Yumiko mit dem deutlich vollgesogenen Brikett einen zweiten Versuch. Trotzt anfänglicher Skepsis nagte Habitak nun an dem Futter und verputzte das Brikett langsam, aber vollständig. Ein zweites wollten wir ihm, jedenfalls dachte ich, dass es ein 'er' war, nicht geben. Sein Magen würde mehr Futter vielleicht gar nicht vertragen. Das Habitak war eine weitere Erinnerung daran, weshalb ich mir all die Schmerzen überhaupt antat. Es wäre gestorben, vermutlich sogar sehr bald, wenn wir es nicht gefunden hätten. Oder besser gesagt ich es nicht gefunden hätte, die erstaunlicherweise in der Lage war zu leuchten und damit Pokemon zu heilen. Lächelnd schaute ich auf das Habitak. Es war ein gutes Gefühl, dem Pokemon geholfen zu haben. Unterdessen beendete Yumiko die Rast für ihre Pokemon. Beinahe sofort reagierten sowohl Psiana als auch Leif und erhoben sich. Scheinbar hatte er doch nicht geschlafen. Das Habitak noch immer tragend marschierten wir weiter. Es dauerte nicht lange, bis Leif das Wort ergriff. "Mimi, Begleiterin von Yumiko", - schon wieder dieser Titel - "was hast du da gerade mit dem Habitak gemacht?" Er hatte seinen Kopf zu mir gedreht, was allein schon erstaunlich war. Woher wusste er, auf welcher Seite ich lief? Und woher wusste er überhaupt, dass es ein Habitak war? Das Pokemon war bisher völlig still gewesen und hatte sich nur unruhig bewegt. Zudem kam noch hinzu, dass ich das Gefühl hatte, er schaute mir durch die Bandagen in die Augen. War an der Sache über eins mit der Umgebung werden etwas dran? Ein Räuspern Yumikos brachte mich in die Realität zurück. Leif wartete noch immer auf eine Erklärung. "Es hatte Schattenriss. Ich kann nicht genau sagen wieso, aber wenn ich ein krankes Pokemon berühre, verschwindet die Krankheit." Leif nickte. "Nun, ich habe noch nie von solch einer Krankheit gehört, aber wenn du den Pokemon helfen kannst, hast du meinen Respekt." Irritiert starrte ich ihn an. Dann begriff ich, was er meinte. Gerade wollte ich näher auf seine Aussage eingehen, aber Yumiko war schneller. "Sie haben noch nie vom Schattenriss gehört?! Wurde wirklich Zeit, dass sie aus der Höhle herauskommen." Der Mann hatte nun mal Ausdauer. "Dann haben Sie noch gar nichts von der Krankheit mitbekommen, die die Pokemon befällt", erklärte ich ihm ruhig. "Die Pokemon sehen aus, als wären sie von einem schwarzen Tuch überzogen und nach und nach versagt alles. Zuerst bewegen sie sich kaum, bis sie beinahe nur noch schlafen. Sie essen nicht mehr, sie trinken nicht mehr. Und irgendwann hören sie auf zu atmen." Während ich erzähle streichelte ich das Habitak, dem dieses Schicksal erspart geblieben war, mit dem Daumen.  "Und du kannst sie heilen?" Ich nickte, erinnerte mich jedoch, dass er das nicht sehen konnte. "Ja, irgendwie. Es gibt kein Heilmittel. Yumiko und ich sind auf der Reise, damit ich lerne meine ... Gabe richtig einzusetzen." Kurz hatte ich gezögert das Wort "Gabe" auszusprechen. Es klang lächerlich. Aber ein anderes Wort gab es nicht, dass mein Leuchten beschrieb. "Lernen musst du es nicht mehr", sagte er mir warmer Stimme. "Du kannst es bereits. Was dir fehlt ist Training." Typisch. Für ihn war Training die Lösung für alles. Aber ich konnte mich schlecht für 20 Jahre in den nächstbesten Berg verkriechen. Außerdem, wie sollte ich das Heilen trainieren, wenn ich noch nicht einmal verstand, was ich zu tun hatte. Ich ließ seinen Ratschlag unkommentiert und lief weiter neben ihm her. Das Habitak hatte es sich mittlerweile in meiner Hand gemütlich gemacht. Scheinbar hatte es die Vorteile des Getragenwerdens erkannt: schneller Transport ohne Kraftaufwand. Zwar benötigte Habitak keine Energie um vorwärts zu kommen, wir dafür aber umso mehr. Die nächsten verbliebenen Stunden des Tages folgten wir den vielen Wasserläufen und mir kam es vor, als kämen wir nicht wirklich voran. Der Weg zog sich wie Teer und da Bäume nur vereinzelt an den Seen auftauchten und es beinahe nur hohes Gras gab, sah man auch keine anderen Pokemon. Das ein oder andere Mal glaubte ich etwas Lilanes von einem Busch zum anderen rennen zu sehen, was demnach ein Rattfratz gewesen sein könnte, sicher war ich mir jedoch nicht. Das Habitak hatte ich mir auf die Schulter gesetzt, nachdem mir meine Hände vom ständigen Hochhalten angefangen hatten zu schmerzen. Dort hatte es sich bequem gemacht.   Als die Sonne bereits die Bäume berührte war es an der Zeit, sich einen Ort zum Schlafen zu suchen. Wir entschieden uns für eine Stelle unter einem der Bäume mit Fluss in der Nähe. Nicht, dass man hier irgendwo weit gehen müsste, um an Wasser zu kommen. Hier gab es praktisch mehr Wasser als Land. Mit zunehmender Dunkelheit befreiten wir Leif von den Bandagen, der sich daraufhin die tränenden Augen rieb. Ein wenig Sonnenlicht gab es noch, so wurde unser Lager genug erhellt, damit Leif seine Umgebung inspizieren konnte. Er ging zum Fluss und betrachtete sich auf der reflektierenden Oberfläche. Er fuhr sich mit der Hand übers faltige Gesicht uns rückte sein Stirnband zurecht. Daraufhin glitten seine Augen nach oben zum Himmel. "Es ist Jahre her, seit ich Sterne gesehen habe." Automatisch folgte ich seinem Blick und sah, dass man tatsächlich bereits ein paar Sterne erkennen konnte. Meine Matratze hatte ich aufgepumpt und legte mich nun auf den Rücken. Habitak hatte sich neben meiner Matratze eingekugelt. Es war das erste Mal, dass ich unter freiem Himmel schlafen würde. Die gestrige Nacht hatte ich immerhin in einer geschlossenen Höhle verbracht. Noch war die Wärme des Tages spürbar, aber schon bald würde es hier dank dem vielen Wasser recht kalt werden. Schnell kramte ich auch meine Decke hervor und bedeckte meine Füße. "Was wollen Sie jetzt machen?", hörte ich Yumiko fragen. Ich sah, wie sie Leif anschaute, der noch immer von seiner Umgebung fasziniert war. "Was meinst du?" Yumiko machte es sich auf ihrer Matratze bequem. Also war auch sie erschöpft, stellte ich zufrieden fest. Ich hatte schon Angst gehabt, sie sei nicht menschlich. "Sie haben Jahre lang in der Höhle gelebt. Wollen Sie wirklich jetzt nach Saffronia City zurückkehren?" "Ja, das werde ich. Vielleicht ist Sabrina auch gar nicht mehr Arenaleiterin", sagte er traurig. "Aber ich vermisse mein zu Hause, mein Dojo. Meinen Traum, Arenaleiter zu sein habe ich noch nicht aufgegeben. Eines Tages wird mein Dojo die Arena sein." Im Angesicht seiner Innbrunst musste ich lächeln. Ich bewunderte Menschen mit einem Traum und einem Ziel, auf das sie hinarbeiten konnten. Auch Yumiko schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. "Oh, soweit ich weiß ist Miss Sabrina noch immer unangefochtene Arenaleiterin." Diese Nachricht schien seinen Geist zu beleben, da sich ein verschwörerisches Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete. "Dann wird es Zeit ihr zu zeigen, sich besser nicht mit mir anzulegen." Belustigt von seinem Ausbruch an Selbstbewusstsein schüttelte ich den Kopf und richtete meinen Blick gen Himmel. Von dieser Perspektive aus sah es hier nicht anders aus, als bei mir zu Hause. Ich hatte sogar kurz das Gefühl, den großen Wagen zu erkennen. Innerlich schollt ich mich für meine Naivität. Als ob man hier den großen Wagen sehen kann. Yumiko bot mir einen Riegel an. Wie viele sie davon wohl dabei hatte? Während ich auf dem süßen Riegel knabberte, holte ich eine der Aprikoko hervor, um sie endlich mit Ruhe untersuchen zu können. Auf der Oberfläche gab es unzählige kleine, feine Härchen. Sie war sehr schwer und fühlte sich schon fast massiv an. Testweise schüttelte ich sie dicht an meinem Ohr, aber ich hörte keine Flüssigkeit im Innern. Man musste sie essen können, schließlich hielt ich gerade in der anderen Hand einen Aprikokoriegel. Aber die Hülle war derart fest und hart, dass ich mir nicht vorstellen konnte sie ohne einen Bohrer öffnen zu können. Die weiße Aprikoko unterschied sich ein wenig von der roten. Sie war weniger rund und hatte längere Härchen. Doch auch sie war schwer und massiv. Zuletzt konnte ich nicht anders, als an ihnen zu riechen. Zitrusfrüchte verbreiteten schon in ihrer Schale einen süßen Duft und reife Bananen rochen oft intensiver, als sie tatsächlich schmeckten. Doch diese - ist das eine Frucht? - roch nur nach Gras und wenig appetitlich. Die Müdigkeit überkam mich und ich verstaute meine Beute wieder in der Tasche. Da sah ich die Drachenhaut blau im Innern schimmern. An die hatte ich gar nicht mehr gedacht. Ich hatte schließlich noch keine Verwendung für sie und ich musste gestehen, sie selbst während dem Spiel nie eingesetzt zu haben. Mein Blick fiel auf Yumiko. Ich musste nicht lange überlegen und stand noch einmal auf, nicht ohne ein Knacken meiner Knie. Vorsichtig ging ich an Leif vorbei, der sich um das Feuer gelegt hatte, das er entfacht hatte, während ich die Aprikoko untersucht hatte. Er lag auf dem nackten Boden, schnarchte aber schon leise vor sich hin. Yumiko hingegen war noch wach und schaute überrascht, als ich neben ihrem Schlafplatz in die Hocke ging. Ich hob ihr die Drachenhaut hin. "Ich denke du könntest das besser gebrauchen, als ich", flüsterte ich. Yumiko erhob sich schnell und stützte sich auf einer Hand ab. Schüttelte aber den Kopf. "Die hast du gefunden. Du solltest sie behalten. Wer weiß eines Tages wirst du-" "Nein", unterbrach ich sie sanft. "Ich denke nicht. Außerdem möchte ich mich dafür revanchieren, dass du ohne zu zögern diese Reise mit mir machst. Ich weiß das zu schätzen." Zuerst reagierte sich nicht und starrte mich nur mit offenem Mund an. Dann fiel sie mir um den Hals und ließ einen leisen Kreischer hören. "Du weckst Leif noch auf", protestierte ich, während sie mir die Luft abdrückte. Doch der schnarchte unbeeindruckt weiter. Zögerlich erwiderte ich die Umarmung. "Ich werde die Drachenhaut gut einsetzten", versprach sie mir, als ich sie ihr überreichte, nachdem sie mir wieder ein wenig Luft zum Atmen gegeben hatte. "Davon gehe ich aus", sagte ich und machte mich wieder zurück zu meiner Matratze. Ich entschloss es genug für heute sein zu lassen und zog meine Weste aus. Ich wollte nicht auch noch mit ihr schlafen, wenn ich schon nicht aus meinen anderen Klamotten raus kam. Die Decke würde mich schon warm genug halten. Die Schuhe loszuwerden war an sich schon eine Wohltat, aber das Gefühl sich endlich ausruhen zu können war überwältigend. Ich warf noch einmal einen Blick auf Habitak, dass nur noch als Federkugel zu erkennen war. Ich hatte den Drang es noch einmal zu streicheln, wollte es aber nicht wecken. Im Moment war ich unschlüssig, was ich mit dem Habitak machen sollte. Natürlich konnte ich es behalten, aber ich konnte es mir nicht als mein Pokemon vorstellen. Heute Morgen hätte ich nie geglaubt, mit einem Habitak neben dem Kopf einzuschlafen. Diese Welt war einfach erstaunlich. Ich gähnte. Das erste Pokemon will gut gewählt sein. Vielleicht traf ich es ja morgen. Kapitel 7: Eine Portion Sashimi, bitte! --------------------------------------- Der Nachteil am Camping unter freiem Himmel ist der, dass man die Sonne im Gesicht hat, egal wo man liegt. Ich schlief am besten bei völliger Dunkelheit. Das bedeutete auch, sobald es auch nur ein wenig hell war, war ich wach. Für einige Zeit tat ich so, als würde ich die aufgehende Sonne nicht bemerken, aber irgendwann ließ sie sich nicht mehr ignorieren. Ich streckte mich auf meiner Matratze und suchte meine nahe Umgebung nach meinen Reisegefährten ab. Habitak lag noch immer neben meinem Kopf eingekugelt auf dem Boden. Gut, also ist es nicht abgehauen. Kurz geriet ich in Panik, als ich Psiana nicht entdecken konnte. Aber das Pokemon war ebenfalls bereits wach und saß am Fluss um zu trinken. Das ständige Geräusch des plätschernden Flusses war während der Nacht sehr beruhigend gewesen. Yumiko war in ihrer Decke eingerollt, sodass nur ihre schwarzen Haare zu sehen waren. Soweit so gut. Aber, wo war Leif? Um einen besseren Überblick zu bekommen richtete ich mich auf. Als ich meine Füsse bewegte, durchfuhr mich der bekannte Schmerz. Also würde ich auch heute mit Muskelkater in den Beinen laufen müssen. Vorsichtig strich ich Habitak über den Kopf, oder ich glaubte, dass es der Kopf war. Vor lauter Federn konnte man das Pokemon kaum erkennen. Sofort ging der Kopf in die Höhe und blickte sich hektisch um. Als es erkannte, wo es war, piepte es zufrieden. Es stand auf und lief etwas unsicher umher. Ich nahm es und setzte es wieder auf meine Schulter, was es ohne Meckern mit sich machen ließ. Mein erster Weg ging zum Fluss. Ich trank ein wenig um den ekligen Morgengeschmack aus dem Mund zu bekommen und wusch mir das Gesicht. Psiana saß neben mir und putzte sich. Tahmoh hatte gesagt, sie hätte Interesse daran, dass ich wohlbehalten beim Silberberg ankam. Aber da hörte ihr Interessensgebiet wohl auch schon auf. Von einer Katze ignoriert zu werden war nichts Neues für mich, damit konnte ich umgehen. Aber ich wollte trotzdem versuchen, ein besseres Verhältnis zu ihr aufzubauen. In einem Schwung jugendlicher Übermut tauchte ich meine Hand in den Fluss und bespritzte sie mit Wasser. Es war nicht viel, eigentlich nur ein paar Tropfen. Aber Psiana reagierte äußerst beleidigt. Na, das ging nach Hinten los. "War nicht so gemeint", rief ich ihr noch hinterher, doch sie verschwand bereits wieder Richtung Lager. Spielen würde ich mit ihr nicht können, aber sie war schließlich auch kein junges Pokemon mehr. Ich würde mir etwas anderes einfallen lassen müssen. Derweil hüpfte Habitak auf meiner Schulter umher. Ich gab ihm ein wenig Wasser und marschierte daraufhin ebenfalls zurück zum Lager. Yumiko lag noch immer unter ihren Decken, schaute mich aber mit offenen Augen an. "Wo ist Leif?", fragte sie mich verschlafen. Zur Antwort zuckte ich nur wortlos die Schultern. "Der wird schon wieder auftauchen", gähnte sie und setzte sich auf. Bei ihrem Anblick musste ich lachen, was mir einen schiefen Blick einbrachte. Ihre Haare standen in alle Richtungen und verliehen ihr einen wilden Look. Allerdings sah ich auch nicht gerade besser aus. In meinen Haaren fühlte ich selbst heute noch ein paar kleine Steinchen vom Berg.   Ein paar Minuten später saßen wir zusammen und aßen unser Frühstück. Langsam wurden mir diese Riegel zuwider, auch wenn sie im Gegensatz zu den Nudeln wenigstens gut schmeckten. Die Pokemon bekamen wie gestern ihr Pokefutter, bis auch sie gestärkt für den Tag waren. Gerade, als ich meine Flasche füllte, tauchte Leif auf. Er war völlig verdreckt und verschwitz und atmete schwer. "Wo waren Sie?", rief ihm Yumiko empört entgegen. Ihre Frage war berechtigt und ich konnte nicht leugnen selbst gerne die Antwort zu hören. Andererseits war er ein erwachsener Mann, der die letzten zwei Dekaden alleine in einem Berg gelebt hatte. Er würde schon wissen, was er tat. "Nur ein wenig mit meinen Pokemon gekämpft", sagte er grinsend. Mit den Pokemon gekämpft oder gegen die Pokemon gekämpft.  Da lief er an mir vorbei und sprang in den Fluss. Mit offenem Mund starrte ich ihn an, wie er Haare im Gesicht hängend wieder auftauchte, nur um kurze Zeit später wieder unter Wasser zu verschwinden. Dieser Bastard kann es sich auch erlauben einfach ins Wasser zu springen. Die Welt ist unfair. Die Hände vor der Brust verschränkt beobachtete ich ihn, wie er sich im Fluss wusch und schließlich tropfend am Ufer herausgeklettert kam. Sein Kampfanzug musste mit all dem Wasser mehrere Kilo schwer sein. Mit Auswringen versuchte er das Wasser loszubekommen und hinterließ dadurch eine schlammige Pfütze unter seinen Füßen. "Yumiko, bringst du mir bitte den Verband?" Kurz überprüfte ich, ob sie mich gehört hatte. Als sie winkte drehte ich mich zum klatschnassen Mann vor mir. "Wie geht es Ihren Augen?", fragte ich bissig. "Oh, sie brennen nur noch ein bisschen. Die Sonne ist noch nicht allzu hell. Es sollte für ein paar Stunden ohne Verband gehen." Noch immer versuchte er seine Klamotten von Wasser zu befreien. Yumiko kam mit dem Verband angerannt, wollte aber schon wieder gehen, als sie hörte, was er gesagt hatte. Ich hielt sie zurück. "Das ist keine gute Idee. Sie sollten den Verband jetzt schon tragen." "Aber ich-" "Yumiko, hilfst du mir bitte." Ich ignorierte seinen Protest und verband ihm die Augen. Immer wieder redete ich ihm ein, dass es besser für seine Augen sei, bis er schließlich die Behandlung akzeptierte. Als wir fertig waren überprüfte ich sein Sehfertigkeit und war zufrieden, da er sich keinen Zentimeter rührte, als ich ausholte, um ihn zum Schein zu schlagen. Ich nahm ihn bei der Hand und führte ihn zum Lager. Er würde Hunger haben, sagte ich zu ihm. Diesmal nahm er das Essensangebot an und frühstückte einen der Riegel. Yumiko beobachtete mich schon die ganze Zeit. "Wieso hast du ihm die Augen verbunden?", flüsterte sie mir zu. Zur Antwort zog ich meine Hose aus, warf sie auf meine Matratze und öffnete meinen Zopf. Meine Brille legte ich vorsichtig auf meine Hose. Zuletzt drückte ich ihr Habitak in die Hand. Kurz grinste ich sie an und rannte dann los. Mit einem Satz war ich im Wasser. Das Gefühl endlich im Wasser zu sein war herrlich. Ich durchfuhr meine Haare mit der Hand, um den Dreck herauszubekommen. Da sah ich wie Yumiko mit Habitak völlig perplex am Ufer stand und kaum ein Wort herausbrachte. "Was?", rief ich ihr zu. "Leif ist nicht der Einzige, der das kann. Hast du Shampoo?" Ich musste gegen die Strömung schwimmen, um nicht abzudriften. Aber glücklicherweise war sie nicht allzu stark. Ich sah, wie Yumiko kurz verschwand, nur um tatsächlich mit einer Tube in der Hand zurück zu kehren. Sie warf sie mir zu, jedoch zu kurz, weshalb ich hinschwimmen musste, um sie zu holen. Ich fühlte mich wie Gott, als ich endlich Seife in der Hand hatte. Mit geschlossenen Augen begann ich meine Haare zu waschen. Plötzlich hörte ich es platschen und Wellen schlugen mir ins Gesicht. Ein wenig ging mir auch in den Mund, woran ich mich auch gleich verschluckte. Kurz orientierungslos schaute ich mich um und entdeckte meine Reisegefährtin, die gerade aufgetaucht kam. Sie strahlte mich an. "Was? Glaubst du, du bist die Einzige, die das kann?" Touché, meine Liebe.   Wir wechselten uns mit der Seife ab und kletterten schließlich erfrischt aus dem Fluss. Ich zog mir das Shirt aus und wrang es vor mir aus. Es würde völlig zerknittert sein, aber wenigstens war es jetzt sauber. Blöderweise hatte ich unterschätzt, wie kalt es morgens war. So stand ich nun zusammen mit Yumiko bibbernd im Wind. Aber wir beide lächelten uns trotzdem an. Ein paar Minuten gönnten wir uns noch in der Sonne und gingen schließlich zurück zu Leif, der bereits wartete. Schnell zog ich mir das nasse Shirt wieder über. Zwar konnte er nichts sehen, aber dennoch fühlte ich mich wohler, wenn ich etwas an hatte. Falls er wusste, was wir getan hatten, erwähnte er es nicht. Unter Habitaks ständigem Gepiepe zog ich mir die Hose an und flocht meine tropfenden Haare zu einem Zopf. Unser Lager war schnell eingepackt und wir machten uns an unsere heutige Etappe. Laut Yumiko würden wir heute die Stadt erreichen. Ich hoffte inständig, dass sie Recht behalten würde. Während der ersten Zeit sah unsere Umgebung nicht anders aus, als noch am Tag zuvor. Wasser, Baum, Fluss, Busch, wieder Baum... Es war fürchterlich eintönig. Wo waren die Trainer, wo waren die Pokemon? Ich seufzte schwer, was mir einen schiefen Blick von Yumiko ein brachte. "Was ist los?" "Nichts. Mir ist nur langweilig. Wo sind die ganzen Trainer?", jammerte ich und fühlte mich wie eine Fünfjährige, die um Eis bettelte.  "Wie gesagt. Es will kaum einer das Risiko eingehen, dass seine Pokemon erkranken. Normalerweise wimmelt es hier nur so von Menschen." Niedergeschlagen ließ ich den Kopf hängen. "Es wäre mir eine Freude, noch einmal gegen dich anzutreten", bot Leif Yumiko neben ihm an. Die wedelte jedoch schnell mit den Händen. "Oh, nein danke. Der letzte Kampf war bereits sehr knapp und mein Dragonir ist Ihnen momentan ein zweites Mal nicht gewachsen." Da hatte sie Recht. Ihr einziges Pokemon, das sie gegen Leif einsetzten konnte, war Dragonir. Glumanda war noch zu klein und Rabauz dürfte seinen Nachentwicklungen noch nicht gewachsen sein. Sniebel stand außer Frage, das war Typtechnisch extrem im Nachteil. Kein Wunder, dass sie es vor ein paar Tagen nicht hatte einsetzen wollen. Das arme Sniebel hätte ordentlich einstecken müssen. "Und was ist mit dir?", fragte er mich. Ich war völlig perplex, dass er überhaupt in Erwägung gezogen hatte, mich zu fragen. So konnte ich mir einen verzweifelten Aufschrei nicht verkneifen. "Ich?! Wie denn? Alles was ich habe ist ein geschwächtes Habitak und ein launisches Psiana." Trotzig zeigte ich auf Psiana, die sobald ich ihren Namen nannte schneller lief, um von ums weg zu kommen. "Streichen Sie das Psiana", murmelte ich niedergeschlagen. War es immer noch sauer, wegen den paar Wassertropfen? "Du solltest dir ein paar Pokemon zu legen." No. Shit. Sherlock. "Ja, das sollte ich wohl", erwiderte ich gespielt freundlich. Im Ernst, was glaubt er denn, was ich versuche. Aber erstens, weigerte ich mich ein Zubat zu fangen - die sind der Herpes in jeder Höhle - und zweitens war es nicht so, als hätte ich hier Auswahl. Wir trafen kein einziges Pokemon, bis auf Habitak. Und bei dem wusste ich noch immer nicht, was ich mit ihm anfangen sollte. "Er hat Recht", mischte sich Yumiko ein. "Es ist nicht mehr weit bis Mahagonia City. Wir hätten also Zeit, dir ein Pokemon zu fangen." Uhhh, jetzt habt ihr meine Aufmerksamkeit. "Pass auf. Das nächste Pokemon, das wir treffen, versuchst du einzufangen. Ist das Okay?", bot sie mir an. Nun, prinzipielle hatte ich nichts dagegen. Nur wenn das nächste Pokemon ein Raupy war, hatte ich eine ganz schöne Niete gezogen. Gab es auf dieser Route überhaupt Raupy? Über die möglichen Arten an Pokemon, die man hier treffen konnte, hatte ich noch gar nicht nachgedacht. Es müsste Rattfratz geben, wenn ich davon ausging, dass das lila Ding ein solches war. Aber was gab es noch? Innerlich rief ich mir die Karte ins Gedächtnis. Ich wusste, dass ich diesen Streckenabschnitt zwischen Teak City und Mahagonia City sehr oft gefahren war, um ein bestimmtes Pokemon zu bekommen. Nur wollte mir einfach nicht einfallen, welches das war. "-tilamm wäre natürlich auch nicht schlecht." Yumiko hatte irgendetwas erzählt, während ich in Gedanken versunken war. Aber ein Name hatte meine Aufmerksamkeit geweckt. "Entschuldigung, kannst du das noch einmal sagen?", bat ich sie. "Ich sagte, Menki sind sehr häufig, aber schwer zu finden, da sie sich in den Bäumen verstecken. Ein Voltilamm wäre nicht schlecht." Natürlich! Hier gab es Elemäh! In Johto war Voltilamm - später natürlich Ampharos - mein standardmäßiges Elektro-Pokemon gewesen. Das wäre sicherlich ein guter Anfang. "Wenn wir ein Voltilamm finden würden, dann wäre ich schon zufrieden", gab ich strahlend zurück.   Damit hatte ich zumindest etwas zu tun, während wir weiter Richtung Mahagonia marschierten: ich hielt Ausschau nach dem Elektro-Schaf. Jeder Busch wurde genauestens untersucht, ob sich nicht vielleicht doch ein Voltilamm darin versteckte. Auch die einzelnen Ufer behielt ich im Blick in der Hoffnung, eins beim Trinken zu erwischen. So vergingen die Stunden und als es Mittag war, hatten wir noch immer kein Pokemon gesehen. Weder ein Voltilamm, noch ein Menki oder meinetwegen auch ein Rattfratz. Im Landschaftsbild dominierten nun wieder Seen und wir mussten die ein oder andere Brücke überqueren. Bis wir schließlich an einer der Brücken etwas fanden. In dem Moment wusste ich nicht, ob ich mich freuen, oder weinen sollte. Wir hatten etwas gefunden, aber fangen konnte ich es schlecht. Vor uns am Weg saß unverkennbar ein Angler und hatte seine Route ins Wasser gehängt. Es war schön endlich ein anderes Gesicht zu sehen, aber um ehrlich zu sein, wäre mir das Schaf lieber gewesen. Nichtsdestotrotz grüßte ich ihn gemeinsam mit den anderen. Wir verlangsamten unseren Schritt und blieben vor dem Mann stehen. Er sah aus wie ein typischer Angler, mit beiger Weste, langer Hose und dem seltsamen Hut auf dem Kopf. Allerdings war er relativ jung, ich schätzte um die dreißig. Neugierig wurden wir von ihm gemustert, was vermutlich hauptsächlich an Leifs Erscheinung lag. Sein Augenverband wirkte auf den ersten Blick befremdlich. Doch der Mann war höflich genug, uns nicht gleich darauf anzusprechen und begnügte sich mit Smalltalk. Er erzählte uns, dass wir die Ersten wären, die er seit einer Woche getroffen hatte. Sein Haus würde nicht weit weg von hier stehen und er kam jeden Tag her, um zu angeln. Yumiko übernahm das Reden. Ich fand das Gespräch einfach nur langweilig und war froh, mich nicht mit ihm beschäftigen zu müssen. Stattdessen nutzte ich die Gelegenheit um einen Schluck zu trinken. Auch Psiana trottete davon, um sich am See zu erfrischen. "Wo wollt ihr eigentlich hin?", fragte er. Innerlich stöhnte ich auf. Wo sollten wir schon hin wollen. Dies war die Straße nach Mahagonia City. Mir lag bereits eine schnippische Bemerkung auf der Zunge, als ich es gerade noch schaffte, sie herunterzuschlucken. Es lohnt sich nicht. Du siehst ihn nie wieder. "Oh, wie schön. Ich war letzten Monat erst in Mahagonia City und habe-". Oh mein Gott, wen interessiert's. Wie Yumiko so ruhig und freundlich bleiben konnte, war mir ein Rätsel. Wenigstens sah ich mit Genugtuung, dass Leif neben mir ebenfalls ungeduldig mit den Fingern auf seine Arme trommelte. "Wirklich interessant. Aber ich denke, wir sollten Sie nicht weiter stören", schritt ich nun ein. Ich hatte die süßeste Stimmlage gewählt, die mir zur Verfügung stand. Der Angler drehte sich zu mir und ich sah, wie sein Grinsen regelrecht aus seinem Gesicht fiel. Der Mann hatte deutlich redebedarf. "Oh, nein. Ihr stört nicht." "Dennoch müssen wir weiter." Im Gegensatz zu mir hatte Leif ganz und gar nicht süß geklungen. Es war deutlich hörbar gewesen, dass er hier weg wollte und was er von dem redseligen Mann hielt. Yumiko warf dem Angler ein Lächeln zu, womit sie sich wohl für ihre Reisegefährten entschuldigen wollte. Ich machte den ersten Schritt in der Hoffnung damit die anderen mitziehen zu können. "Ehm, wenn ihr wollt, könnt ihr euch ein wenig südlich halten", warf der Angler ein als er sah, dass wir Anstalten gemacht hatten zu gehen. "Es ist Karpadorhochzeit und weiter südlich ist ihr Brutplatz." Mein Herz begann zu rasen. "Danke, wir werden daran denken", verabschiedete sich Yumiko diplomatisch. Und damit entfernten wir uns nun endgültig von dem winkenden Mann. Wir brachten ein paar Meter hinter uns, um außerhalb seiner Hörweite zu kommen. "Der arme Mann sitzt da schon seit Tagen und hat keine Menschenseele getroffen. Wir hätten auch noch ein wenig mit ihm plaudern können", beschwerte sich Yumiko. Mir war momentan etwas anderes viel wichtiger als darüber nachzudenken, ob wir den Angler vielleicht beleidigt hatten. "Ich will nach Süden", verkündete ich mit fester Stimme. Beide schossen mit dem Kopf herum und starrten mich an. Im Falle Leifs tat er das durch die Bandagen hinweg. "Was willst du da?", fragte Yumiko skeptisch. "Ich will ein Karpador." Beinahe sofort brach das jüngere Mädchen in Gelächter aus. Leif hingegen, blieb stumm. "Was? Wieso ausgerechnet ein Karpador?!" Natürlich war für sie meine Entscheidung schlecht nachzuvollziehen. Ein Karpador gehörte zu den nutzlosesten Pokemon schlechthin. Aber trotzdem... ich wollte ein Karpador. "Wir haben gesagt, das nächste Pokemon, das uns begegnet, soll ich versuchen zu fangen. Wir sind keinem anderen begegnet." "Dann suchen wir dir morgen eins. Aber doch kein Karpador!" "Ich denke, das ist eine gute Idee", mischte sich Leif ein, was ihm ein Lächeln meinerseits bescherte. "Beim Training eines Karpadors muss man viel Fingerspitzengefühl zeigen. Ich denke in ihrer Position ist so ein Karpador nicht schlecht." Nicht ganz, was ich im Hinterkopf hatte, aber trotzdem dankte ich ihm für seine Unterstützung. Die Wahrheit war, dass ich Karpador derart zum Lachen fand, dass ich mir aus Spaß IMMER ein Karpador gefangen habe und das bis auf das Maximallevel trainiert hatte. So ein Karpador hatte einen gewissen Nostalgiewert für mich, weshalb ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen wollte. Zumindest sehen wollte ich eins.   Nachdem Leif ein ziemlich gutes Argument geliefert hatte, konnte Yumiko nichts mehr gegen meine Entscheidung sagen, weshalb wir den Weg in Richtung Süden korrigierten. Ich hätte sie auch nur ungern auf ihren Alleingang in der Höhle angesprochen. Damit war sie mir sowieso etwas schuldig. Bereits von weitem konnte man ein lautes Geplätscher mit seltsamem Gemurmel hören, worum es sich wohl um die Laute der Karpador handelte. Habitak wurde unruhiger, je näher wir dem Lärm kamen, sodass ich es vorsichtshalber mit den Händen fixierte, anstatt es auf meiner Schulter sitzen zu lassen. Wenige Schritte später standen wir vor einem nicht mehr ganz so ruhigem See. Er war riesig und dehnte sich in alle Richtungen aus. Eine Brücke hinüber gab es keine. Dafür war der See zu groß. Das Wasser wurde ständig durch sich bewegende Pokemon aufgewühlt und es herrschte ein konstanter Lärmpegel. Ab und zu sah ich bereits eine rote Schwanzflosse aus dem Wasser kommen. Nun war ich völlig aufgeregt und spürte das Adrenalin durch meine Adern fließen. Dies war der Ort, an dem ich mein erstes Pokemon fangen würde. Jäh verschwand das Grinsen aus meinem Gesicht. Doch Yumiko war es, die meinen plötzlichen Gedanken aussprach. "Und wie bekommst du so ein Karpador jetzt aus dem Wasser?" Unschlüssig sah ich mich um. Hier gab es nichts! Was hatte ich auch erwartet. Dass jemand hier Angeln aufstellte zum öffentlichen Gebrauch? Wohl eher nicht. Hoffnungsvoll drehte ich mich zu Yumiko. Ich konnte keine Rehaugen machen, aber ich dachte mir, dass ich in diesem Moment sehr nahe damit dran war. "Schau mich nicht an. Ich habe keine Angel", erwiderte sie, die Hände abwehrend nach oben haltend. Leif hatte noch nicht einmal Proviant, geschweige denn Gepäck dabei. Also konnte ich ihn vergessen. Er entfernte sich sowieso bereits zusammen mit Psiana von dem Geschehen und suchte sich ein Plätzchen unter einem Baum. Hinter mir plätscherten die Karpador vor sich hin, als würden sie sich über mich lustig machen. Wie ich hier stand so kurz vor dem Ziel und doch unendlich weit davon entfernt. Ich brauchte nur etwas, womit ich sie ködern könnte. Vielleicht ließ sich der Verband modifizieren, aber nein, er würde reißen. Ich benötigte etwas stärkeres, wie ein Seil, aber das hatte sie bekanntlich nicht dabei. "Das ist es!", rief ich. Als ich gerade über das Seil nachdachte, fiel mir ein, was wir das letzte Mal als Lösung für unser Seilproblem genommen hatten. Yumiko schaute mich gespannt an. "Yumi, dürfte ich mir dein Dragonir ausleihen", fragte ich buttersüß. Ich erntete jedoch nur einen schiefen Blick ihrerseits. "Was hast du vor?", fragte sie mehr als skeptisch. Ich druckste ein wenig herum, bevor ich antwortete. "Ich dachte mir, vielleicht wäre es möglich Dragonir als Hilfe zu nehmen. So wie wir es in der Höhle getan hatten. Als lebendes Seil. Verstehst du?" Sie verstand und war nicht gerade begeistert. "Du willst mein Dragonir als Angel verwenden?!" Nein, sie war gar nicht begeistert. "Auf gar keinen Fall!" Ich faltete die Hände in einer bittenden Geste. "Was soll ich denn sonst machen. Wir haben nichts anderes und ich möchte wirklich, wirklich gerne ein Karpador. Ich koch auch für dich." Das schien tatsächlich ihr Interesse zu wecken. "Du kannst kochen?", fragte sie skeptisch. Wenn sie gewusst hätte, was ich alles schon gekocht hatte, würde ihr das Wasser im Mund zusammen laufen. Sie würde nie wieder diese Instant-Nudeln auch nur mit dem kleinen Finger anfassen. "Oh ja, das kann ich. Pass auf, du gibst mir dein Dragonir für zehn Minuten. Wenn ich dann nichts gefangen habe", - im wahrsten Sinne des Wortes - "können wir weiter gehen. So oder so werde ich mich um das Essen kümmern. Sagen wir die nächsten fünf Tage. Wenn du zufrieden bist, mache ich das auch gerne weiter." Natürlich schlug ich ihr das nicht ohne Hintergedanken vor. Ich hatte sowieso vor, mich von nun an ums Essen zu kümmern und hatte definitiv vor, auch nach den angebotenen fünf Tagen das Essen zu organisieren. Diese Instant-Nudeln und Fertigriegel würde ich ihr schnell ausgetrieben haben. Wenn sie aber glaubte, ich machte das für sie als Gegenleistung, sprang sie vielleicht eher auf mein Angebot an. Das war einfache Manipulation. Trage deine Farben mit Stolz, Mimi. Trage sie mit Stolz! "In Ordnung." Ich wusste es. "Aber nur zehn Minuten. Danach gehen wir." Der See war zum Bersten gefüllt mit Fischen. Wenn die nur ansatzweise so waren wie meine Goldfische, schluckten die alles, bevor man "Karpador" aussprach. Sie holte einen Pokeball hervor und rief Dragonir heraus. Sofort ertönte das vertraute Plop, das beinahe im Lärm der Karpador unterging. Ich liebte es das Pokemon zu bestaunen. Das Licht der Sonne spiegelte sich ihren Kugeln wieder und ließ ihre Schuppen in verschiedenen Blautönen schimmern. Mir kam es jetzt fast schon frevlerisch vor, dieses schöne Geschöpf als Angel zu missbrauchen. Ich versprach dem Pokemon stumm, dass ich es auch ihr gegenüber wieder gut machen würde. Auch Pokemon freuten sich über richtiges Essen. Yumiko erklärte ihrem Pokemon kurz, was ich vor hatte. Erstaunlicherweise schwebte es beinahe unverzüglich ein paar Meter hinaus auf den See und blieb schließlich dicht über der Oberfläche stehen. Es hängte ihren Schwanz mit den Kugeln einige Zentimeter ins Wasser und versuchte, sich so still wie möglich zu verhalten. Yumiko stand mit verschränkten Armen neben mir und wartete ruhig, ob sich etwas tat. Ich hingegen begann an meinen Fingern zu nagen. Eine alte, schlechte Gewohnheit von mir die sich nur dann zeigte, wenn ich nervös wurde. Zu Schulzeiten hatte ich deutlich häufiger genagt, als ich es heutzutage tat, sehr zum Wohlergehen meiner Nägel. Aber ganz los würde ich es wohl nie werden.   Ich ließ Dragonir keine Sekunde aus den Augen, wie es mit einer Engelsgeduld über dem Wasser schwebte. Ich würde es dem Pokemon tausendfach zurück zahlen und selbst dann würde ich meinen Dank nicht richtig zum Ausdruck gebracht haben. Was ich emotional gerade durchmachte, war einfach nicht zu beschreiben. Ich war möglicherweise nur Minuten entfernt von meinem ersten echten eigenem Pokemon. Und Dragonir alleine machte es möglich. Nein, ich konnte niemals in Worte fassen, wie dankbar ich dem Drachen-Pokemon war. Plötzlich ging alles ganz schnell. Mit einem kräftigen Ruck schoss Dragonir in die Höhe und zog etwas Rotes mit sich. Sie wirbelte in der Luft und schleuderte ihren Schwanz um die eigene Achse. Die Schubkraft ließ das Karpador vom Schwanz rutschen und schleuderte es im hohen Bogen ans Ufer, wo es nun buchstäblich wie ein Fisch auf dem Trockenen herum hüpfte. Völlig fasziniert starrte ich es kurze Zeit an, brach jedoch dann in Jubel aus. "Es hat funktioniert!! Danke!", rief ich und umarmte Yumiko mehr als stürmisch. Die fühlte sich davon wohl zunächst ein wenig überrumpelt, erwiderte die Geste aber schließlich. Dragonir kam zu uns und begutachtete ihr Werk; den hüpfenden Fisch an Land. Sofort sprang ich zu dem Pokemon und streichelte es über die schuppige Schnauze. Immer wieder flüsterte ich, wie dankbar ich war, was Dragonir mit einem hellen Schrei entgegen nahm. Daraufhin wendete ich mich dem japsendem Karpador zu. Ironischerweise war dieses Exemplar tatsächlich kleiner, als ich es erwartet hatte. Ich hatte oft an den Angelwettbewerben für Karpador teilgenommen. Daher wusste ich, wie riesig die werden konnten. Das Karpador vor mir war etwa 30 Zentimeter lang und damit weit unter der Maximalgröße. Vermutlich war es noch jung. Perfekt. Unschlüssig starrte ich auf meine beiden Pokebälle an meiner Tasche. Der Superball erschien mir an dem Karpador schon fast verschwendet. Zittrig nahm ich daher den grünen Freundesball aus der Halterung und ließ ihn mit einem Druck des Fingers heranwachsen. Ich umkreiste das hilflose Karpador, wagte es aber nicht den Ball zu werfen. Ich hatte nur diese beiden und wenn ich es nicht vorher schwächte, verringerten sich meine Chancen das Pokemon beim ersten Versuch zu fangen. Flehend starrte ich daher Yumiko an, die sofort resigniert schnaufte. "Mizu, benutzt du bitte Slam? Aber sei vorsichtig, attackier es nicht zu stark. Wir wollen ja schließlich das wertvolle Karpador nicht verletzten." Letzteres hatte sie grinsend an mich gerichtet. Ich hob die Augenbrauen und zuckte abwehrend die Schultern. Soll sie spotten, soviel sie will. Derweil war Dragonir zurück zu Karpador geflogen und schwebte nun direkt über ihm. Ähnlich wie während des Kampfes gegen Leif drehte es sich vertikal um die eigene Achse, um Schwung aufzunehmen und schlug schließlich mit dem Schwanz zu. Es hätte deutlich stärker zu schlagen können, wenn es gewollt hätte. Trotzdem ließ Karpador für einen Fisch unnatürlichen Jauler hören und verringerte seine Platscher auf ein Minimum. Das treffsichere Werfen traute ich mir noch nicht zu, weshalb ich mich direkt an Karpador stellte und den Ball ein paar Zentimeter über seinem Körper einfach fallen ließ. Beinahe sofort sprang er ratternd auf und saugte das Karpador in einem grellen Strahl ein. Kaum war das Karpador vor mir verschwunden ging ich in die Hocke, um den wackelnden Ball gespannt zu beobachten. Seine Bewegungen lösten bei mir einen antrainierten Trieb aus und das Verlangen, die B-Taste zu drücken. Ohne sie  war ich gezwungen meine Hand in freudiger Erwartung zur Faust zu drücken. Die Sekunden vergingen quälend langsam, doch mit einem hellen Ton blieb der Ball plötzlich bewegungslos liegen. Der Moment, wenn man ein Pokemon erfolgreich gefangen hatte, war schon immer euphorisch gewesen. Aber das Gefühl, das ich in diesem Moment in meinem Bauch ausbreitete übertraf alles. Sofort ergriff ich den Ball und sprang in die Höhe. Wie einen Pokal hob ich ihn über meinen Kopf und tanzte jubelnd umher. Dragonir ließ sich sogar mitreisen und flog um mich herum, bis Yumiko zu mir kam. "Glückwunsch zu deinem Pokemon", sagte sie freundlich. Ich bekam keine Worte heraus und nickte nur stürmisch, während ich noch immer hibbelnd auf der Stelle hüpfte. Auch Leif hatte sein Plätzchen unterm Baum verlassen und kam zu uns, um mir zu gratulieren.  "Beeindruckend und einfallsreich. Mögen du und Karpador ein gutes Team werden." Um seine Worte zu bekräftigen legte er seine schwere Hand auf meine Schulter was zur Folge hatte, dass ich mit dem Hüpfen aufhörte. Freudig betrachtete ich den Ball und warf ihn testend in die Höhe. Er wog ein wenig mehr, als noch zuvor im leeren Zustand. Ein sicherer Beweis dafür, dass im Ball tatsächlich etwas war. Mit einem Schwenker warf ich ihn Richtung Boden und wie erwartet öffnete er sich und gab das Karpador frei. Voller Stolz sah ich zu, wie es auf dem Boden robbte. "Du kannst ihm einen Namen geben, wenn du magst", hörte ich Yumiko sagen. Wollte ich ihm einen Spitznamen geben? Mein erstes Karpador hieß Jormungand, aber das erschien mir hier doch etwas überzogen. Später hatte ich kaum einem Pokemon einen Spitznamen zugeteilt. Die falschen Namen irritierten meistens und in Zeiten, in denen das kleine Figürchen neben dem Namen nicht erkennen ließ, um welches Pokemon es sich handelte, konnte ein Spitzname fatale Folgen haben. Aber hier in diesem Moment wollte ich dem Karpador eine persönliche Note geben. Ein Name musste also her. Ok, das ist ein Fisch. Guppi, nein zu harmlos. Karpa, nein klingt wie Kappa. Wieso hat das alles zwei p? Ich will kein p im Namen. Mein Blick fiel auf Psiana, das sich dem Karpador neugierig näherte. "Sie wird das jetzt aber nicht versuchen zu essen, oder?", fragte ich Yumiko mit Ironie in der Stimme. Die lächelte nur und schüttelte den Kopf. "Nein, an Karpador ist kaum Fleisch dran. Zuviel Panzer." Bei ihren Worten drehte sich mir der Magen um. Soll das heißen, Psiana würde wenn sie könnte?  Das Wort "Essen" schoss mir durch den Kopf. Für Psiana ist Karpador lebendes Sushi. Sashimi....das gefällt mir. "Sashimi, dein Name ist Sashimi", sagte ich zu dem Karpador, kniete mich nieder und fuhr ihm über die Schuppen. Seine Haut war nass und kalt, gab aber unter meiner Berührung nicht nach. Seine riesigen, einzeln gut erkennbaren Schuppen waren hart wie Stein. Testweise griff ich ihm vorsichtig vorne an den gold-glänzenden Schnurrbart, der sich wie eine Gummischlange anfühlte. Die Berührung schien es zu kitzeln, da ein zitternder Ruck durch das Pokemon ging. Nein, nicht das Pokemon. Mein Pokemon! Kurz ließ ich meine Hand auf Sashimi liegen und strahlte es an. Wir werden eine Menge Spaß haben. "Sashimi, ist das nicht etwas zum Essen?", spottete Yumiko. Sollte sie nur lachen. "Apropos Essen. Verabschiede dich schon mal von deinen Fertigprodukten. Ab jetzt kümmere ich mich ums Essen", sagte ich während ich mein Pokemon zurück rief. "Du freust dich ja richtig darauf kochen zu dürfen. " Yumiko war allein die Vorstellung Essen zu kochen zuwider, weshalb sie die Nase rümpfte. Zur Antwort zuckte ich mit den Schultern. Hat ja niemand behauptet, dass ich nicht gerne kochen würde. "Wir sind hier fertig", warf ich ein. "Gehen wir!" Nach kurzem Erfrischen begannen wir den Weg zurück zu laufen, den wir gekommen waren. Ständig glitt meine Hand zu dem nun gefüllten Pokeball. Ich achtete nicht mehr auf andere Pokemon, jetzt da ich selbst eins hatte. Nach einiger Zeit erreichten wir wieder die Hauptstraße und setzten unseren Weg auf ihr weiter Richtung Osten fort. Die Sonne wanderte unterdessen immer weiter und ich fragte, wann wir Mahagonia City endlich erreichten. Dabei fühlte ich mich wie eines dieser quengelnden Kinder. Wann sind wir endlich da? Yumiko vertröstete mich und versprach, dass sie bald zu sehen sein würde. Schweigend ging ich also weiter. Nervös beobachtete ich die Sonne, die mittlerweile beinahe verschwunden war. Doch in der Dämmerung erwartete uns schon von weitem ein wunderschöner Anblick: die Lichter Mahagonia Citys. Kapitel 8: Die Stadt der Ninja ------------------------------ Die gelben Lichter der Stadt begrüßten uns, als wir in der Dämmerung das Stadtschild passierten. Willkommen in der Stadt der Ninja, stand dort geschrieben. Ich atmete tief ein, als wir die ersten Schritte auf gepflastertem Boden machten. Endlich hatten wir unser Ziel erreicht. Leif hatten wir vor der Stadt alleine zurück gelassen. Er meinte, in großen Städten fühlte er sich nicht wohl, weshalb er sein Lager außerhalb errichten würde. Nun marschierten Yumiko und ich auf den besiedelten Straßen und suchten eine Unterkunft. Der Unterschied zu Teak City war nicht zu übersehen. Anstelle von Bäumen standen hier schwere Holzgebäude dicht an dicht. Die einzigen Bäume, die man sah, waren vereinzelt gepflanzte Zierbäume. Die Gebäude waren traditionell und selten höher als ein Stockwerk. Am Rand der Stadt waren sie noch recht klein mit wenig Garten. Doch je weiter wir dem Zentrum kamen, desto breiter und gewaltiger wurden sie. Immer öfter gingen wir an weiß verputzten Wänden, größer als wir, vorbei, die das dazugehörige Haus von der Straße abschirmten. Den einzigen Blick konnte man auf Höhe des Eingangs erhaschen. Dort waren die hölzernen Eingangstore in kunstvolle Rahmen eingelassen, durch deren Löcher man hinter die Konstruktion sehen konnte. Auf den Dächern der Mauern und der Tore lagen beinahe ausschließlich schwarze Keramikziegel. Zu gerne wäre ich bei dem ein oder anderen Tor stehen geblieben, um die wunderschöne Architektur näher zu betrachten. Allein die Lampen, die die Tore flankierten waren ein Kunstwerk. Aber Yumiko marschierte ohne auch nur einen Blick auf ihre Umgebung zu richten gnadenlos weiter. Selbst der Boden hatte ein Muster aus riesigen schwarzen Sternen. Sie bildeten eine Linie, der wir zu folgen schienen. Yumiko wusste wohl wo sie hin wollte. Neben all den Holzgebäuden sah ich Restaurants, die jetzt am Abend prall gefüllt mit Menschen waren. Der Duft frisch gekochten Essens und von gebratenem Fleisch stieg mir in die Nase. Sofort lief mir das Wasser im Mund zusammen. Seit Tagen hatte ich nichts Richtiges gegessen und hoffte inständig, dass wir, nachdem wir uns um unsere Unterkunft gekümmert hatten, einem dieser Restaurants einen Besuch abstatten würden. Momentan waren meine Bedürfnisse auf die rudimentärsten beschränkt: Bad, Essen und Bett in dieser Reihenfolge. Ich wollte so schnell wie möglich heraus aus meinen Klamotten und unter eine Dusche. Doch noch liefen wir auf der belebten Straße, immer weiter hinein in die Stadt.   "Wo willst du hin, Yumi?", fragte ich sie schließlich. Sie hatte bereits seit einiger Zeit ein seltsames Grinsen auf den Lippen und einen abwesenden Blick im Gesicht. "Ich kenne jemanden, bei dem wir für heute Nacht unterkommen können", antwortete sie nur. Das erklärt alles, kein Grund für weitere Informationen. Mir brannten die Füße, ich hatte Hunger und wollte einfach nur irgendwo ankommen. Also forderte ich eine genauere Antwort. "Ich habe keine Lust auf das Pronomen-Spiel. Sag mir einfach, wo wir hingehen, bitte." Sie drehte sich zu mir um und strahlte in freudiger Erwartung. "Eigentlich wollte ich dich überraschen, aber wenn du darauf bestehst. Der Arenaleiter der Stadt und ich sind gute Freunde. Bei dem können wir bestimmt wohnen." Irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie derart gut mit Norbert befreundet sein sollte. In Anbetracht der Tatsache, dass Norbert bereits damals ein hohes Alter gehabt hatte ging ich davon aus, dass er mittlerweile verstorben war und ein neuer Trainer seine Nachfolge angetreten hatte. "Wie heißt er denn?", hackte ich nach. Durch den Small Talk hoffte ich mich von meinem knurrenden Magen ablenken zu können. Yumiko schien zumindest gerne über ihn zu sprechen. "Hyousuke." Wow, Mädchen. Erzähl nicht alles auf einmal. Ich hasste es, anderen alles aus der Nase ziehen zu müssen. "Hat Hyousuke ein Bad?" Meine Laune verschlechterte sich zunehmend. Doch Yumiko lief weiter geradeaus mit einem Strahlen auf dem Gesicht. Sie lacht sogar über meine zynische Frage. "Natürlich, wieso sollte er das nicht haben? Schau, da vorne ist es!" Neugierig folgte ich ihrer Richtungsangabe und sah ein Gebäude auf einem kleinen Hügel. Es war mittlerweile zu dunkel, um Details zu erkennen. Ich beschleunigte noch einmal unseren Marsch bis wir letzten Endes nach drei-tägiger Reise endlich vor der Arena Mahagonia Citys standen. Den kleinen Hügel zu überwinden war nach den Strapazen der letzten Tage geradezu leicht. Die Tür der Arena bestand nicht wie der Großteil der Stadt aus dunklem Holz, sondern aus glänzendem Metall. Im Licht der kleinen Lampe neben dem Eingang konnte man schemenhaft das Symbol über der Tür erkennen, das verdächtig dem Orden ähnelte, den man hier gewinnen konnte: einer Schneeflocke. Während Yumiko klopfte hoffte ich inständig, dass überhaupt noch jemand im Haus war. Es gab keine Fenster, durch die man Licht hätte sehen können. Kurz wurde ich nervös, als niemand ihr Klopfen zu bemerken schien. Doch endlich öffnete man uns die Tür. "Komm' morgen wieder", hörte ich eine männliche Stimme grummeln. Da durch die offene Tür plötzliche Licht blendete, weshalb ich nicht sofort sah, wer dort stand. "Heute kämpfe ich nicht mehr." "Hyousuke ich bin's, Yumiko." "Wer?" Ein schöner Freund ist das, der sich noch nicht einmal deinen Namen merken kann. Immer wieder schwiff ich mit meinem Blick von Yumiko zu dem Jungen in der Tür. Die Reaktionen der beiden waren wirklich zu köstlich, weshalb ich mit ein Grinsen nicht verkneifen konnte. "Yumiko, aus Ebenholz City. Ich habe vor ein paar Wochen gegen dich gekämpft", zischte sie nun ungeduldig durch geschlossene Zähne. Da schien bei ihm wohl endlich der Groschen gefallen zu sein. "Ach, ja richtig. Du bist Sandras Kleine!" Das war Strike Nummer zwei. Zuerst erinnerst du dich nicht einmal an sie und dann nennst du sie "Kleine". Böses Faul. Es war offensichtlich, dass sie für den jungen Mann in der Tür schwärmte. Als junges Mädchen hörte man so etwas wie "Kleine" gar nicht gerne. Obwohl ich ihm dankbar war, mit seiner kleinen Bemerkung wenigstens für mich das Rätsel um ihre Mutter endgültig gelöst zu haben. Yumiko sah auch wenig begeistert aus. Bevor sie verbal zurückschlagen konnte und uns eine wunderbare Übernachtungsmöglichkeit dadurch versaute, schritt ich ein. "Hi, Hyousuke, richtig?", lenkte ich seine Aufmerksamkeit weg von Yumiko und auf mich. "Entschuldige die späte Störung, aber Yumiko und ich kommen von Teak City. Wir sind seit Tagen unterwegs und wirklich müde. Sie meinte, du könntest uns helfen eine Bleibe zu finden?" Er überlegte kurz und machte den Weg ins Innere frei. "Natürlich, kommt rein." Ich nickte ihm dankend zu und schob Yumiko vor mich her hinein in die Arena, gefolgt von Psiana.   Yumiko wirkte in sich gekehrt, dennoch wollte ich das Gespräch am Laufen halten, damit sie nicht doch noch auf die Idee kam, wegen seines Fauxpas von vorhin zu meckern. Junge Herzen konnten unberechenbar sein. "Danke, das ist sehr nett von dir." Ich sah ihn von der Seite an. Er wirkte ein wenig älter als ich und überragte mich jetzt, da ich direkt neben ihm lief, um einen ganzen Kopf. Unter seinen etwas längeren, strubbeligen platin-blonden Haaren blitze vorne eine einzelne, schwarze Strähne hindurch. Mir entging nicht, dass er eine kurze Caprihose mit Sandalen trug und ich fragte mich, wie er die Kälte in seiner eigenen Arena überhaupt aushielt. Schon, als wir hinein getreten waren, war es um mehrere Grad kälter geworden, was sicherlich an dem Eisfeld lag, das als Arena diente und hier irgendwo sein musste. Zu den kurzen Hosen ein rotes Halstuch zu tragen, wirkte schon fast kurios. Was brachte das? Oben war Winter unten war Sommer, das machte keinen Sinn! "Kein Problem. Ich wohne selbst oben in der Arena, da sind genug Zimmer frei. Aber wieso habt ihr denn nicht vorher ein Zimmer in einer der Pensionen gebucht?" "Wir sind spontan aufgebrochen", antwortete ich vage. Ihm jetzt die ganze Geschichte zu erklären, würde zu lange dauern. Außerdem hatte ich keinen Kopf dazu. Meine Gedanken richteten sich jetzt auf eine Dusche und etwas zu Essen. Wir gingen einen langen, breiten Gang ohne Fenster entlang, in dem wir an einer großen, runden Tür vorbei gingen, über der wieder die Schneeflocke zu sehen war. Ich vermutete, dass sich dahinter der Arenaraum befand. Am Ende des Ganges führte eine geschwungene Treppe nach oben durch die Decke. Jede Stufe tat dabei besonders in meinen geschundenen Waden weh, aber ich biss noch ein letztes Mal die Zähne zusammen. Die Treppe würde ich auch noch schaffen. Oben erwartete uns ein weiter Raum, der durch mehrere Stellschirme in einzelne Bereiche getrennt wurde. Weiter Hinten gab es jedoch auch einzelne durch Türen und richtige Mauern getrennte Räume. Hoffentlich hatte einer davon eine Dusche. "Ich wohne hier mit Nana. Wartet einen Moment, ich hole sie." Und damit verschwand er in den hinteren Bereich. Ich nutzte die Gelegenheit um leise mit Yumiko zu flüstern. "Nimm’s nicht so schwer. Er hat sich ja noch an dich erinnert." Yumiko verschränkte mit einer Grimasse die Arme. "Es waren gerade mal ein paar Wochen." Ich konnte einen Seufzer nicht unterrücken. Sie mochte eine gute Trainerin sein, aber sie war trotzdem mitten in der Pubertät. Viel zu ernst genommene Schwärmereien gehörten dazu. Das hieß nicht, dass ich gut damit umgehen konnte. "Du sagtest, du kennst ihn. Du hast nur einmal gegen ihn gekämpft", flüsterte ich, die Hände in die Hüften gestemmt. Ich kann nicht glauben, dass ich gerade wirklich so eine Konversation führe. "Wir haben danach noch Tee getrunken", zischte sie zurück, als sei damit alles geklärt. Ich wollte keinen Streit anfangen, aber sie verhielt sich mir hier eindeutig zu kindisch. "Das mag sein, aber ich fühle mich jetzt schlecht, dass wir hier bei ihm geklopft haben, obwohl er uns nicht kennt. Wenn ich das gewusst hätte dann- "Dann was? Wo wärst du hingegangen?" Sie wurde sauer. Leider hatte sie Recht. Ich kannte die Stadt nicht. "Pensionen haben Schilder, also wäre ich zu einer gegangen." Entgegnete ich ruhig. "Und wie hättest du bezahlt?" Sie warf mir einen schiefen Blick zu. Sie wusste genau, dass ich momentan auf ihr Geld angewiesen war. Das war ein Tiefschlag. Ich kniff die Augen zusammen und hätte mich beinahe auf ihr kindisches Niveau herabgelassen und ihr die Zunge herausgestreckt. Beinahe. "Du hättest bezahlt. Oder hättest du unter den Sternen geschlafen? Mal wieder." "Natürlich hätte ich das. Ich habe kein Problem damit, auf dem Boden zu schlafen." So kamen wir hier nicht weiter.   Ich hörte eine Tür zu gehen und ging davon aus, dass Hyousuke mit Nana, vermutlich seiner Freundin, zurückkahm. Wenn Yumiko auch noch sah, dass er in festen Händen war, würde ihre Laune nur noch schlechter werden. "Hast du wenigstens gewonnen?", fragte ich sie, bevor Hyousuke um die Ecke kam. "Nein", hörte ich sie nur murren. Daraufhin kicherte ich, sehr zu ihrem Missfallen. Zu ihrer Verteidigung: es war nicht gerade leicht als Drachen-Pokemon-Trainerin in einer Eisarena zu bestehen. Da erschien auch schon Hyousuke mit…Nana im Schlepptau. Okay, das ist nicht seine Freundin. Eine alte Frau mit langen, weißen Haaren kam lächelnd zusammen mit Hyousuke auf uns zu. Da realisierte ich, was er mit Nana gemeint hatte. Das war kein Name. Das war- "Hallo, ihr Lieben. Willkommen in unserer kleinen Arena. Ich bin Hyousukes Großmutter, Akane. Ihr dürft aber gerne Nana zu mir sagen." Sie verbeugte sich vor uns, nahm uns daraufhin jedoch einer nach der anderen herzlich in den Arm. Sie erinnerte mich ein wenig an meine Mutter, die sofort alles adoptierte, was sie länger als fünf Minuten kannte.  Nachdem sie uns aus ihrer Umarmung befreit hatte, erwiderte ich zusammen mit Yumiko die Verbeugung. "Vielen Dank, dass wir heute hier bei Ihnen schlafen können", sagte ich ihr, was sie jedoch abwinkte. "Papperlapapp. Wir haben genug Platz." Sie streckte die Hand aus, um Habitak mit dem Finger über den Federkopf zu streichen. Auch Psiana erhielt eine freundliche Begrüßung, die sie zu meiner Überraschung sogar mit einem Ablecken der Hand erwiderte. Darüber war ich sogar ein wenig eifersüchtig. Psiana kannte sie erst ein paar Minuten und behandelte sie freundlicher als mich, die ihren Bruder gerettet hatte. "Ihr müsst Hunger haben. Ich werde euch etwas zu Essen machen. Hyousuke, zeigst du den Damen bitte, wo sie schlafen können. Sie wollen sich bestimmt frisch machen." Ohne zu zögern drehte sich Hyousuke um und ging wieder Richtung Türen. Diesmal folgten wir ihm. Psiana blieb bei Nana zurück. Dass Hyousuke mit seiner Oma zusammen wohnte, war sympathisch. Unerwartet, aber sympathisch. Ob Yumiko genauso dachte? Kurz beobachtete ich sie von der Seite, sie hatte jedoch wieder diesen träumerischen Blick im Gesicht. Jap, sie denkt genauso.    Er blieb vor der ersten Tür stehen. "Das ist unser Gästezimmer. Ich fürchte, ihr müsst euch das Zimmer teilen. Aber es hat ein eigenes Bad. Ich bin in der Küche und helfe Nana, wenn ihr was braucht." Damit drehte er sich wieder um und verschwand in den vorderen Bereich. Yumiko spähte bereits neugierig in das Zimmer hinein. Ich war ihr dicht auf den Versen. Es war klein und spartanisch, aber es hatte ein großes, weich aussehendes Bett. Mehr brauchte ich gar nicht. Yumiko warf bereits ihren Rucksack auf eine Seite des Bettes. Dann würde ich die andere nehmen. Ich tat es ihr gleich und schmiss mich auf die Matratze, nachdem ich meine Schuhe ausgezogen hatte. Zufrieden stellte ich fest, dass es genauso weich war, wie es ausgesehen hatte. "Willst du zuerst duschen? Dann helfe ich beim Essen." Sie wollte ganz sicher nicht beim Essen helfen. Ich bezweifelte, dass sie überhaupt eine Küche benutzen konnte. Ihre Gründe waren gänzlich anderer Natur. Aber wer war ich, ihr diesen Wunsch zu verbieten? "Das wäre toll. Ich brauch wirklich eine Dusche." Sie nickte, verschwand aber trotzdem kurz im Bad, um sich frisch zu machen. Danach verließ sie den Raum und ich war zum ersten Mal seit Tagen allein. Vorsichtig setzte ich Habitak auf dem Bett ab. "Wehe du kackst auf mein Bett", sagte ich mit erhobenem Finger zu dem Vogel. Bisher war es immer so schlau gewesen sich zu melden, wenn es mal musste, damit ich es rechtzeitig von meiner Schulter herunter nehmen konnte. Es legte den Kopf schief und schien verstanden zu haben. Ich verlor keine Zeit und entledigte mich all meiner Klamotten um kurz darauf unter die Dusche zu hüpfen. Das Bad war westlich eingerichtet und hatte demnach glücklicherweise keinen Schlauch. Doch auch den hätte ich in diesem Moment genommen. Das Bad von heute Morgen war zwar angenehm gewesen, aber nichts ging über eine warme Dusche. Ich schüttelte meine nassen Haare und ließ sie dann offen herunter hängen. Nur mit dem Handtuch bekleidet lief ich hinaus in das kalte Zimmer und suchte zitternd frische Kleider aus meinem Rucksack. "Dass ich immer vergessen muss mir gleich Klamotten mitzunehmen", fluchte ich. Die Situation völlig ignorierend, hüpfte Habitak derweil auf dem Bett herum und Piepte vergnügt.  Mit einer Hand riss ich meinen Hoodie und meine zweite Hose heraus. Daraufhin verschwand ich tippelnd wieder im vom das Wasser aufgeheizte Bad. Mein Blick fiel auf die Badewanne und aus einem Impuls heraus ließ ich kaltes Wasser ein. Während sich die Wanne hinter mir geräuschvoll füllte zog ich mir die frischen Klamotten an. In der Arena war es generell kühl, weshalb ich mich zusätzlich zu einem leichten T-Shirt für den Hoodie entschieden hatte. Auch er war ein Fund in der Männerabteilung gewesen. Ich mochte es nicht, wenn Hoodies oder Pullover zu eng saßen, daher besorgte ich mir die generell bei den Herren. Dieses Exemplar hatte eine dunkel-purpur Färbung und am rechten Ärmel schlängelten sich die silbernen Umrisse eines Arbok hinauf. Der Kopf saß auf Höhe des Schulterblatts auf meinem Rücken. Was sollte ich sagen, ich hatte eine Schwäche für Schlangen und die Art, wie das Arbok mit feinen, silbernen Umrisslinien dargestellt wurde, war wirklich schön. Meine Hose war im Grunde wie die erste, nur ohne die ganzen Taschen. Sie war im Ganzen bequemer und weicher zu tragen, aber auch wesentlich anfälliger, weshalb sie für Reisen eher ungeeignet war. Hier innerhalb des Hauses jedoch, war sie perfekt. Da der Hoodie zusätzlich eine Kapuze hatte, band ich meine noch feuchten Haare nun doch zu einem Knoten. Sie verhedderten sich ständig in der Kapuze und überhaupt war das Gefühl von Haaren auf dickem Stoff unangenehm. Der Spiegel war ein wenig beschlagen und, obwohl man das nicht machen sollte, wischte ich mit der Hand ein Blickfenster frei, sodass ich mich sah. Ein wenig lachte ich dabei über mich selbst. Zwei Tage hatte ich in der Sonne verbracht und war kein bisschen brauner geworden. Typisch. Wobei, vielleicht war das ein Sonnenbrand auf der Nase. Schulterzuckend wendete ich mich um und drehte das noch laufende Wasser aus. Die Badewanne war mittlerweile gut gefüllt. Ich prüfte das Wasser, ob es nicht doch zu warm war entschied jedoch, dass es eine gute Temperatur hatte. Nachdem ich kurz noch einmal an meinem Rucksack war, stand ich nun wieder vor der Wanne, den grünen Freundesball in der Hand. Unschlüssig drehte ich ihn in meinen Händen. Muss ich den Ball werfen und dabei seinen Namen rufen? Nein, das hat Yumi auch nicht immer gemacht. Einfach fallen lassen wird wohl auch nicht gehen. Mit einem Druck auf die Mitte ließ ich den Ball zunächst zu seiner Originalgröße wachsen. Danach ging ich soweit das Bad es zuließ nach hinten, weg von der Badewanne und schmiss ohne viel Kraft in den Wurf zu legen den Pokeball. Dabei zielte ich auf die Wasseroberfläche. Sofort erschien ein leuchtender Strahl. Ein sicheres Zeichen, dass es funktioniert hatte. Dem Strahl folge ein platschendes Geräusch und Wasser schwappte über den Rand. Als gäbe es einen unsichtbaren Faden, der meine Hand mit dem Ball verband, flog der er im selben Bogen wieder zurück in meinen Griff. In der Wanne hingegen schwamm nun ein freudiges Karpador. Das bewegte sich im Wasser deutlich besser, als an Land. Wieso konnte ein Goldini problemlos außerhalb des Wassers kämpfen, aber Karpador war aufgeschmissen? "Dann werden wir eben im Wasser kämpfen", sagte ich und kniete mich hin, die Hände stützte ich am Wannenrand ab. "Du kannst Tackle, oder?" Sashimi hatte aufgehört im Kreis zu schwimmen und starrte mich durch das klare Wasser hinweg an. Antworten konnte es natürlich nicht. "Von Platscher gehe ich aus, aber es wäre gut, wenn du wenigstens Tackle drauf hättest?" Ich wusste nicht wirklich, was ich mir von dieser Unterhaltung erhoffte. Es konnte mir nicht sagen, welche Attacken es konnte. Wie machten das die anderen Trainer? Gab es offizielle Listen, was ein Pokemon in etwa an Attacken im Repertoire haben sollte und wurde die dann beim ersten Training abgearbeitet? "Tackle!", befahl ich, den Blick auf Karpador gerichtet. Dieses drehte sich um und schwamm mit einem starken Schwanzzug auf die andere Wand der Wanne zu. Man hörte deutlich, als es Kopf voran auf den Stein, aus dem die Wanne gemacht war, prallte. In einer Welle übergoss sich eine Menge Wasser über den Boden. Das würde ich aufwischen müssen, bevor ich zu den anderen ginge. Karpador trieb nach dem Schlag auf den Kopf im Wasser. Besorgt griff ich nach dem Fisch und hob ihn aus dem Wasser. "Das tut mir leid, ich wollte nicht, dass du dir weh tust." Sashimi hatte etwa die Größe und das Gewicht meiner Katze, weshalb ich ihn gut halten konnte. Ich strich ihm über den Kopf wo ich den Schmerz vermutete, wenn es denn welchen hatte. Immerhin war es gut gepanzert. Aber er war mein erstes Pokemon, da war man etwas fürsorglicher, als es vielleicht nötig gewesen wäre. Tatsächlich brummte er in meinem Griff. Es mochte es, gestreichelt zu werden. Nur zu gerne kam ich dem nach. "Was wohl Ramona sagen würde, wenn ich dich ihr zeigen könnte." Bisher hatte ich kaum die Ruhe gehabt, an zu Hause zu denken. Es war besser sich keine Gedanken darüber zu machen, ob die Zeit für sie stillstand oder nicht. Sollte Letzteres der Fall sein würden dort alle, besonders meine Eltern, das Schlimmste durchmachen. Ich drückte Sashimi unbewusst ein wenig an mich. Es waren bisher nur ein paar Tage und doch merkte ich, wie ich meine Familie und Freunde bereits begann zu vermissen. Mein Blick fiel auf das Karpador. "Ich kenne jemanden, die dich bestimmt gerne kennen lernen würde." Ich grinste es an. "Stunden lang habe ich mit ihr über dich und all die anderen geredet, hab' mit ihr getauscht, gekämpft. Sie würde dich mögen." Ich hatte schon beinahe ein schlechtes Gewissen hier zu sein in einer Welt, in der andere nur liebend gerne auch nur eine Stunde verbringen würden. Dann war da ich, die ihr eigenes Karpador in Händen hielt und Trübsal blies. Reiß dich zusammen, Mädchen.  Nach ein paar Minuten Streicheleinheiten rief ich Sashimi auf dieselbe Weise zurück, wie ich ihn schon herbei geholt hatte. Sashimi hier im Zimmer zurück zulasse brachte ich nicht übers Herz, also steckte ich ihn in die Bauchtasche des Hoodie. Mit meinem Handtuch wusch ich das Wasser auf dem Boden auf und ließ das in der Wanne ab. Es war Zeit zu den anderen zurück zu gehen. Schnell sammelte ich das Habitak ein und verließ das Zimmer.   Sofort stieg mir der herrliche Geruch nach gebratenem Gemüse und süßer Soße in die Nase. Ich konnte es kaum erwarten frisch Gekochtes essen zu dürfen. Ich ging den Geräuschen nach und fand Yumiko den Tisch deckend hinter einem der Stellschirme. "Wieso bist du nass?", fragte sie irritiert. Mit einem Blick nach unten sah ich, dass mein Hoodie dunkle Stellen hatte, an denen ich das Karpador gehalten hatte. Ich winkte ab. "Das ist nichts. Ist bestimmt gleich trocken." Das Essen war bereits so gut wie fertig, dennoch beobachtete ich neugierig, wie Hyousukes Großmutter die verschiedenen Gerichte beendete. Sie hatte viele verschiedene Speisen gekocht, die nun in Schüsseln auf den großen runden Tisch getragen wurden. "Ihr könnt gerne eure Pokemon heraus holen. Nana hat auch für sie etwas gemacht", sagte Hyousuke, während er bereits drei Pokebälle in Händen hielt. Sofort kam Yumiko der Einladung nach und rief ihre Pokemon heraus. Schnell wurde das Gedränge groß, als sich Yumikos Pokemon mit denen von Hyousuke auf dem Boden tummelten. Mizu nahm dabei den größten Platz ein. Glumanda lief aufgeregt umher und begutachtete jedes von Hyousukes Pokemon. Psiana lief einem aufgeregten Botogel hinterher, während Dragonir und ein elfenbeinfarbenes Jugong sich stumm anstarrten. So eisig die beiden miteinander umgingen, so freudig war das Sniebel. Oder besser gesagt die Sniebel. Hyousukes war ein wenig größer als das Exemplar von Yumiko und seine roten Federn schienen dunkler zu sein. Nana sah mich erwartungsvoll an. "Ehm, ich denke ich füttere mein Pokemon später, danke." Karpador würde sich auf dem Boden sicherlich nicht wohl fühlen. Gemeinsam, umringt von neun Pokemon, nahmen wir Platz. Nana verteilte etwas von allem auf jeden Teller. Sofort stürzten sich Yumiko und ich auf das Essen: gefüllte Teigtaschen, gegrilltes Gemüse und mariniertes Fleisch. Der Geschmack explodierte förmlich in meinem Mund, sodass ich mich einige Minuten auf nichts anderes konzentrierte, als das Essen vor mir. "Du bist aber ganz schön ausgehungert", amüsierte sich Hyousuke. Seine Bemerkung brachte ihm einen bösen Blick von seiner Großmutter ein. "Habe ein wenig mehr Respekt, Junge!" Sofort warf er mir einen entschuldigenden Blick zu. "Nein, er hat Recht. Ihr Essen ist der Wahnsinn, vielen Dank", sagte ich schmatzend zur alten Dame, die mich freundlich anlächelte. "Yumiko hat uns erzählt, dass der alte Tahmoh euch geschickt hat." Ich sah Yumiko schief von der Seite an. Was hast du noch erzählt? "Sie kennen den Hohepriester?", fragte ich, um das Thema ein wenig in andere Bahnen zu lenken. Wir hatten nicht wirklich besprchen, was wir anderen Menschen von unserer Mission erzählten. Ich machte mir eine innerliche Notiz, später mit Yumiko darüber zu reden. Leif wusste bereits Bescheid, aber wir mussten uns dringend überlegen, wie viel wir gegenüber Fremden von uns Preis gaben. "Tahmoh ist ein alter Bekannter", grinste sie. "Er hat schon immer dazu tendiert zuerst zu Handeln und dann zu denken. Du bist das beste Beispiel." Ich schluckte schwer. "Was meinen Sie?" "Er hat Sie einfach hierher rufen lassen ohne auch nur in Betracht zu ziehen, dass sein Plan ein paar Fehler aufweist." Anscheinend geben wir alles preis. "Er hat versucht seinen Leuten zu helfen", verteidigte ich ihn. Er und das gesamte Dorf waren mehr als nett zu mir gewesen, da fühlte ich mich dazu verpflichtet ihn in Schutz zu nehmen. "Das ehrt ihn, aber es ist nicht die beste Lösung für unser Problem," diskutierte sie. "Aber sie ist das beste, was wir im Moment haben", mischte sich nun Hyousuke ein. "Die Krankheit breitet sich aus und der Hohepriester stand unter Druck. Kommst du wirklich aus einem anderen Land?" Damit war das ruhige Essen vorbei. Hyousuke sah mich ungeduldig an. "Ehm, ja. Mew war so großzügig mich hierher zu bringen, aber Yumiko wird das alles schon erzählt haben." Ich schenkte ihr ein eisiges Lächeln. Diese warf Hyousuke jedoch einen träumerischen Blick zu und bemerkte mich gar nicht. Du hast mich benutzt um interessanter zu sein. Darüber reden wir noch, Fräulein. "Du hast meinen Respekt, Schätzchen. Dass du den ganzen Weg auf dich nimmst, um den Pokemon zu helfen ..." Nana hatte über den Tisch gegriffen und meine Hand mit ihrer umschlossen. Ich erwiderte die Geste. "Danke, aber ich bin auch froh das alles hier erleben zu dürfen." Das war nicht gelogen. "Bleibt solange ihr wollt. Wenn ihr etwas braucht, fragt Hyousuke. Oder nein, kommt gleich zu mir." Ich sah, wie der Junge rot anlief und schenkte ihm ein Lächeln.  "Danke, Nana. Für alles. Das Essen war sehr gut", sagte Yumiko, bevor ich antworten konnte. Damit hatte Yumi alles gesagt. Ich half, den Tisch abzudecken und das Chaos zu beseitigen. Auch die Pokemon hatten sich an dem frischen Essen satt gegessen und lagen zum Großteil bereits eingerollt auf dem Boden. Glumanda lag auf Botogel, während die Sniebel Rücken an Rücken unter dem Tisch saßen. Nur Dragonir und Jugong hielten gebührenden Abstand. Psiana lief um Nana herum. "Wie machen Sie das?", fragte ich sie. "Ich versuche seit Tagen einen Draht zu ihr zu bekommen, aber es klappt nicht." "Meinst du Psiana? Ich habe gar nichts gemacht. Sie lief von selbst auf mich zu." Nun, das half mir nicht weiter. Argwöhnisch beobachtete ich das Pokemon. Sie schien sich zu Nana hingezogen zu fühlen. Die Frage war nur, wieso?   Wir verabschiedeten uns und zusammen mit Yumiko zog ich mich in unser Zimmer zurück. Ich entledigte mich der überflüssigen Kleidung, bis ich nur im T-Shirt am Bett stand. Meine Brille und den Ball von Karpador legte ich auf den Nachtisch bevor ich unter die Decke krabbelte. Leider hatten wir nur eine. Nachdem Yumiko eine ausgiebige Dusche genommen hatte, legte sie sich auf ihre Seite des Bettes. "Meinst du es ist gut, allen von uns zu erzählen?", fragte ich sie ins Dunkel hinein. Ich hörte, wie sie sich umdrehte. "Wieso denn nicht? Unsere Mission war noch nie geheim. Leif haben wir es ja auch erzählt." "Ja, ich dachte nur-. Ich weiß nicht. Wenn wir jedem die Geschichte erzählen müssen wird das auf dauer ... ermüdend." Und ich wollte nicht immer dieselben Fragen beantworten müssen. "Versteh' ich. Vielleicht sollten wir wirklich nicht alles erzählen. Du kannst ja aus Teak City stammen." Damit war ich zufrieden. Ich konnte auch eine lebende Glühbirne aus Teak City sein. Besser als die Glühbirne aus einem fremden Land oder noch besser: einer fremden Dimension. "Und du hast gegen ihn verloren?", wechselte ich schelmisch das Thema. Ich hörte, wie Yumiko in ihr Kissen stöhnte. "Es war knapp! Sniebel hatte gegen Botogel und sein Sniebel gut gekämpft. Aber sein Jugong... Mizu hat alles gegeben, aber Jugong hatte die Oberhand." Dass Jugong die Oberhand gegenüber einem Dragonir hatte, war nicht verwunderlich. Wenigstens wurde dadurch das angespannte Verhältnis zwischen den beiden Pokemon erklärt.    "Du magst ihn", stellte ich fest. Yumiko schnaufte schwer. "Er ist ein guter Trainer und sein Sniebel ist gut trainiert", flüsterte sie. "Das beantwortet nicht meine Frage." Nunja, es war auch nicht unbedingt als Frage gestellt gewesen. "Ja, ich mag ihn. Hast du ihn mal angeschaut? Er sieht hammer aus!" Ich kicherte sie an. "Wenn du das sagst. Wir sollten schlafen." Sie gab mir recht und kuschelte sich weiter in die Decke. Gegenüber der Luftmatratze bevorzugte ich das Bett allemal. Kapitel 9: Ein entspannter Morgen --------------------------------- Unruhig drehte ich mich von einer Seite zur anderen Seite. Wer hätte gedacht, dass ich hier in einem echten Bett schlechter schlafen würde, als draußen auf meiner Matratze. Yumiko schnarchte noch leise neben mir. Die einzelne Decke war doch zum Problem geworden, da Yumiko sie für den Großteil der Nacht für sich beansprucht hatte. Dummerweise war im Laufe der Zeit die Kälte der Arena unter uns immer weiter in unser Zimmer gekrochen, weshalb ich schon bald angefangen hatte erbärmlich zu frieren. Im Dunkeln war ich irgendwann zu meinem Rucksack gegangen und hatte meine eigene Decke heraus gekramt. Dabei war ich ausversehen auf Psianas Schwanz getreten, was sie mir gleich mit einem kräftigen Biss dankte. Seitdem pochte mein Knöchel. Vor einiger Zeit hatte zusätzlich Habitak angefangen im Zimmer herum zu hüpfen. Vermutlich beunruhigte es die geschlossenen Wände. Ich beschloss genauso gut aufstehen zu können und bewegte mich leise, um Yumiko nicht zu wecken, ins Bad. Dabei achtete ich penibel darauf nicht wieder ein Pokemon unter mir zu haben. Nach einer schnellen Katzenwäsche schlich ich mich nach draußen, wobei ich die Pokemon mit mir nahm. Habitak flog von alleine auf meine Schulter und Psiana wartete mit dem Rücken zu mir, bis ich ihr die Tür geöffnet hatte. Ich flüsterte ihr erneut eine Entschuldigung ins Ohr, aber sie stolzierte erhobenen Schwanzes durch die Tür ohne eine weitere Reaktion zu zeigen. Kopfschüttelnd steckte ich meine Hand in meine Bauchtasche und spielte mit Karpadors Ball. Das Licht im Gang blendete mich, also ging ich den Geräuschen nach. Nana werkelte bereits in der Küche und grüßte mich, als sie mich sah. Sie fragte mich, ob ich etwas frühstücken wollte, was ich ausschlug. Habitak flog ungelenk auf die Anrichte und verlangte seinerseits lautstark etwas zu Essen, was er in Form eines trockenen Stück Brotes auch bekam. Psiana bekam eine Art Müsli eingeschüttet, über das es sich nun genüsslich hermachte. Still beobachtete ich sie, wie sie sich etwas aufgoss. Beinahe sofort stieg mir ein bekannter Duft in die Nase. "Ist das Kaffee?!", rief ich hoffentlich nicht zu laut. Nana drehte sich kichernd um. "Willst du auch?" Ich sprang auf und nahm die weiße Tasse entgegen, die sie mir hin hob. Beinahe war es mir peinlich nach Milch zu fragen. Doch Nana war mir bereits einen Schritt voraus und bereitete ein kleines Tablett mit Zucker und einer kleinen Karaffe Milch vor. Ich warf ihr einen dankenden Blick zu, als sie das Tablett vor mir abstellte. Neugierig beäugte ich die Milch. Ich hatte die Packung nicht gesehen, aus der Nana die Milch geschüttet hatte nahm aber an, dass die Milch wohl kaum von einer normalen Kuh kam. Die Pokemon-Welt hatte seine eigene Version einer Milchkuh; und das war Miltank. Mit anderen Worten, ich hatte hier mit großer Wahrscheinlichkeit Kuhmuh-Milch vor mir stehen. Sie sah aus, wie normale Milch, aber das tat Sojamilch auch. Mutig goss ich meinen Kaffe mit der Milch auf und probierte. Tatsächlich schmeckte es wie Kaffe mit normaler Milch. Der einzige Unterschied war wohl der, dass sie ein wenig süßer war. Sollte mir nur recht sein, denn dann sparte ich mir den Zucker.   Glücklich mit einem Kaffe in der Hand saß ich zusammen mit Nana am Tisch, als Hyousuke von unten an der Treppe erschien. Er war wohl ebenfalls bereits eine Weile wach. "Guten Morgen. Wie war die Nacht?", fragte er mich während er sich seinerseits auch einen Kaffe machte. "Kalt", erwiderte ich ihm knapp, was ihn zum Lachen brachte. "Es ist eine Eis-Arena, was erwartest du?" "Eine bessere Isolierung", nuschelte ich in meine Tasse. Allerdings war ich wohl laut genug um von Hyousuke gehört zu werden. "Wie wäre es stattdessen mit einer zusätzlichen Decke aus Volti-Wolle", bot er an, während er sich zu uns setzte. "Heißt das, wir dürfen noch eine Nacht hier bleiben?", grinste ich schelmisch. Nana hatte uns still beobachtete mit Psiana auf dem Schoß. Ob wir überhaupt noch eine Nacht hier verbringen würden, stand noch in den Sternen. "Nur, wenn ihr sie euch verdient und die Arena putzt. Das wäre ein Anfang." "Kommt gar nicht in Frage. Ihr seid unsere Gäste solange ihr es wünscht", mischte sich Nana nun doch ein und warf ihrem Enkel einen düsteren Blick zu. Dieser grinste jedoch unbeeindruckt in seine Kaffetasse hinein. "Um ehrlich zu sein würde ich mich schon gerne revanchieren. Ich hätte kein Problem damit-" "Auf gar keinen Fall! Du trägst eine schwere Bürde für alle von uns. Ein Dach über dem Kopf ist das mindeste, was wir tun können", sagte Nana energisch. Hyousuke stützte sich mit der Hand auf dem Tisch ab. "Sie hat Recht. Außerdem ist es für uns von Vorteil, sich gut mit der Heilerin zu stellen." "Hyousuke!" Sein Kommentar schien Nana verärgert zu haben. "Eigentlich, Nana, ist das ein Grund, den ich mit Freuden gelten lasse." Hyousuke sprach wenigstens aus, was ein Großteil der Leute, mit Ausnahme von Yumiko natürlich, denken dürfte. Er war ehrlich und seine Denkweise konnte ich nachvollziehen. In dem Moment erschien Yumiko gähnend hinter dem Stellschirm. Anders als wir drei hatte sie jedoch um ein Frühstück gebeten und saß nun mit einem Brot vor sich bei uns. Außerdem war sie die einzige, die keinen Kaffee trank.   "Was ist unser Plan für heute?", wollte ich von ihr wissen, als sie fertig mit Essen war. Ich hoffte wirklich, dass wir nicht sofort weiter ziehen würden. Heute spürte ich den Muskelkater besonders. Wenigstens waren meine Hände weitestgehend abgeheilt und nur noch schwach rot. "Zum Pokemon-Center würde ich gerne gehen. Mizu ist ganz schön angeschlagen und Glumanda hat sich auch eine Massage verdient." Das klang vernünftig. Ich sollte mit Sashimi ebenfalls das Center aufsuchen. Vorfreudiges Kribbeln machte sich in meinem Magen breit. "Nach Leif müssen wir auch schauen. Ich will ihn nicht einfach draußen vor der Stadt stehen lassen." Nickend gab ich ihr Recht. "Und dann würde ich gerne dein Training beginnen", sagte sie zu mir. Verdutzt starrte ich sie an. "Mein was?" "Dein Training. Ich habe ein wenig Zeit in Teak City verbracht um die Mediationstechnik zu lernen, schon vergessen?" Ja, hab' ich. "Ich denke dir könnte die Technik auch helfen. Wir können uns erlauben ein paar Tage hier zu bleiben und ein wenig daran zu arbeiten." Sicher, dass du nicht wegen Hyousuke bleiben willst? Immerhin hatte ich den Anstand gehabt nach einer Unterkunft zu fragen. Stumm drehte ich meine Tasse in den Händen. "Ein guter Gedanke", pflichtete Nana ihr bei. Ich nahm ihren Plan hin und leerte meinen Kaffee. Nana wollte nachfüllen, aber das schlug ich dankend aus. Gerade, als wir zurück zu unserem Zimmer gehen wollten, um unsere Sachen zu holen, fiel mir noch etwas ein. "Nana, hätten Sie vielleicht Waschmittel, damit ich meine dreckigen Sachen ein wenig waschen könnte?" "Gib sie mir, Schätzchen. Ich mach das, während ihr weg seid." Ich setzte an um zu protestieren, aber ich sah wie hinter Nanas Rücken Hyousuke wie wild mit den Armen fuchtelte und den Kopf schüttelte. "Ehm, okay, vielen Dank", sagte ich mit einem Lächeln.   Ein paar Minuten später brachen wir auf und folgten Hyousuke, der uns zur Tür führte. Er würde uns gerne durch die Stadt begleiten, aber er hatte heute Arena-Dienst, also musste er den ganzen Tag in der Arena verfügbar sein. Wie es aussah gab es auch für Arenen Öffnungszeiten und freie Tage. Welch ein Glück man doch in den Spielen hatte, immer genau richtig erschienen zu sein, wenn nicht gerade irgendwer die Tür versperrte. Bei Tag bot die Stadt ein noch viel prächtigeres Bild als gestern bei Nacht. Die Farben Weiß und Dunkelbraun beherrschten die Landschaft. Der Boden war mit glatten, weißen Steinen gepflastert, während die Häuser aus dunklem Holz bestanden, was ich jedoch schon im Dunkeln hatte erkennen können. Was ich jedoch für riesige Sterne auf dem Boden gehalten hatte stellten sich jetzt als Shuriken heraus, die in regelmäßigen Abständen ein Muster auf dem Boden bildeten. Unser erster Weg führte uns zum Pokemon-Center, das nur ein paar Minuten von Hyousukes Arena entfernt war. Es sah genauso aus, wie das Center in Teak City, stach hier mit der hellen Fassade aber weniger heraus. Ähnlich wie beim Poke-Markt öffnete uns eine automatische Schiebetür denn Weg ins Innere. Es herrschte angenehme Stille, wie in einem Krankenhaus üblich. Nur leise Musik war zu hören. Als ich die Musik jedoch erkannte, musste ich mich erst an die Wand lehnen und Luft schnappen. Das ist nicht irgendwelche Fahrstuhlmusik. Das ist DIE Musik. Die Situation war so surreal, wie sie es nur sein konnte. Ich hatte soeben ein Pokemon-Center betreten und wurde von genau der Musik beschallt, die mich seit einem guten Jahrzehnt in jedem Center egal welcher Region empfangen hatte. Selbst der kritische Blick den Yumiko mir zu warf konnte mich nicht davon abhalten, diesen Moment einfach zu genießen. Als jedoch andere auf uns oder besser gesagt mich aufmerksam wurden, folgte ich Yumiko weiter ins Innere. Der Geruch nach Desinfektionsmitteln herrschte vor und erinnerte nur noch mehr an eine Arztpraxis. Vor uns tummelten sich bereits einige Menschen vor einem langen, gläsernem Tresen. Dahinter standen vier große Maschinen, in die wohl die Bälle gelegt wurden. Bedient wurden sie von mehreren Schwestern, aber eine etwas ältere mit streng zusammengebundenen Haaren bediente jeden Kunden zuerst. Als einzige trug sie eine rote Haube, während die anderen Schwestern eine weiße trugen. Ab und zu lief ein Chaneira mit Arzthut, ähnlich denen der Schwestern, durch die Menge. Wir stellten uns an und es dauerte nicht lange, bis wir an der Reihe waren. Auch wir wurden von der älteren Schwester begrüßt. "Willkommen im Pokemon-Center." Wir heilen ihre Pokemon und machen sie wieder fit. "Bitte geben Sie und ihre Pokemon", sagte sie und reichte ein Tablett mit eingelassenen Löchern, in die ein Pokeball passte. Ich tat es Yumi nach und legte meinen einzigen Ball als fünftes Pokemon zu ihren dazu. Dabei wäre mir beinahe der Ball aus der Hand gefallen, als ich vor Schreck zusammen fuhr. Psiana sprang mit einem Satz hinauf auf den Tresen. Im Gegensatz zu mir wusste sie genau, was zu tun war. "Möchten Sie das Psiana auch untersuchen lassen?" Als Yumiko nicht antwortete nickte ich zögerlich. Die Schwester gab uns zu verstehen kurz zu warten und drehte sich um. Sie übergab das Tablett der Schwester, die die Maschine bediente und wendete sich dem nächsten Kunden zu. Unsere Pokemon verschwanden in dem blinkenden Gerät, das beinahe aussah wie ein Glätteisen, nur sehr viel Größer. "Wünschen sie die normale Behandlung?", wollte die Schwester wissen. Das ist neu. "Nein, ich hätte gern noch eine Massage für alle", bat Yumiko. Die Massage schloss damit auch mein Sashimi mit ein. Sie nickte und wendete sich Psiana zu, die geduldig auf dem Tresen gewartet hatte. Vorsichtig wurde sie von der Schwester abgetastet und abgehört. "Ein prächtiges Psiana, erfahren und gut trainiert", sagte sie zu uns, als ob das unser Verdienst wäre. Leider war dem nicht so. "Frei laufend. Erfreut sich bester Gesundheit. Ich werde sie nach Hinten nehmen um sie fertig zu behandeln." Da sprang Psiana auch schon auf ihrer Seite vom Thesen. Man hörte nicht einmal, wie sie auf dem Boden aufkam. Ihr Blick fiel auf das Habitak auf meiner Schulter, das alles andere als ruhig war. Als frei lebendes Pokemon hatte es noch nie ein Pokemon-Center gesehen und war dementsprechend aufgeregt. Als die Schwester ihre Hand nach dem Vogel ausstreckte, piekte er nach ihr und hinterließ einen blutigen Striemen. Sofort nahm ich Habitak in einen festen Griff. "Das tut mir leid, es ist nervös." "Das macht nix, wir sind Kratzer gewöhnt. Solange es nicht Feuer speit ist alles halb so wild", sagte sie lächelnd, den Finger mit einem Pflaster verarztend, das sie routiniert unter der Theke hervorgeholt hatte. "Ich denke Habitak lassen wir aus", sagte ich, woraufhin die Schwester nickte. "Soll Psiana auch eine Massage bekommen?" Diesmal schien Yumiko sich wieder angesprochen gefühlt zu haben, da sie mit "Ja", antwortete. "Bitte nehmen Sie Platz. Die Behandlung wird eine Weile dauern." Sie verwies uns auf eine Sitzecke zu ihrer Rechten, wo bereits ein paar Leute saßen. "Nehmen Sie sich Zeit. Wir kommen später wieder." Die Schwester verbeugte sich und verschwand mit Psiana in einer Tür neben der Maschine.   Ohne Pokemon, mit Ausnahme des noch immer zappelnden Habitak, verließen wir das Center. Ich nahm an, dass wir in der Zwischenzeit nach Leif sehen würden. Dementsprechend irritiert war ich, als wir wieder Richtung Arena gingen anstatt zum Eingang der Stadt. "Wo gehen wir hin?" "Ich denke wir sollten uns an dein Training machen", antwortete sie fröhlich. Eine plötzliche Welle von Nervosität überkam mich. "Wie hast du dir das Training eigentlich vorgestellt?", fragte ich nach. Noch konnte ich mir Yumiko nicht als Yogatrainerin vorstellen oder was auch immer sie vorhatte mich zu lehren. "Das meiste sind Atem- und Entspannungstechniken. Ich denke sie könnten dir helfen 'eins mit dem Universum zu werden'." Das schon wieder. "Die Stadt ist ruhig und wir müssen nicht ständig auf der Hut vor Angriffen sein." Ihre Erklärung machte durchaus Sinn, aber leider war ich von Haus aus skeptisch was Meditation anging. Man entspannte sich, keine Frage, aber ob man dadurch Auren sehen könnte oder eine Astralprojektion von sich selbst wagte ich zu bezweifeln. Wir gingen ein Stück, vorbei an der Arena zu einer größeren Fläche ohne Häuser. Scheinbar bewegten wir uns am östlichen Rand der Stadt, da schon bald der Weg eher schotterig als gepflastert war. Neben uns wuchsen hohe Gräser und etwas das aussah wie Weizen. Yumiko entschied, dass hier ein guter Platz zum Üben war und suchte sich eine schöne Stelle im Gras. Ohne zu zögern ließ sie sich auf den Boden fallen und verschwand im Gras. Mit etwas mehr Hemmungen tat ich es ihr nach. Um uns herum hörte man deutlich Grillen zirpen. Also musste es noch andere Tiere außer Pokemon geben - normale Tiere-, wenn auch wie hier in diesem Fall Insekten. Im Sonnenschein sah ich auch kleine Fliegen um uns herum schwirren, aufgeschreckt durch unser plötzliches Erscheinen auf Bodenhöhe. Gespannt wartete ich auf Anweisungen von Yumiko, die jedoch zunächst ihre Umgebung noch weiter herrichtete. Grob riss sie große Teile Gras heraus um mich besser zu sehen. Da sie alleine für meinen Geschmack zu lange gebraucht hätte, half ich ihr bei der Arbeit, bis neben jedem von uns ein Haufen frisches Gras lag und wir uns ungehindert in die Augen schauen konnten. Yumiko nahm mir Habitak ab, damit ich mich nicht um das Pokemon kümmern müsste, solange wir hier meditierten. Tatsächlich kugelte es sich von alleine in einem der Grashaufen zusammen und verhielt sich ruhig. "Am besten, wir fangen mit den Atemtechniken an", sagte sie breit grinsend. Lass mich raten. Augen zu und Atmung zählen? Solche Meditationen liefen doch immer gleich ab. Keine große Sache. Ihr zuliebe nahm ich jedoch einen tiefen Atemzug, um mich selbst zu wappnen, setzte mich gerade hin und hörte ihr aufmerksam zu. "Normalerweise macht man das mindestens 45 Minuten lang. Also solltest du sich so hinsetzten, dass du das auch so lange durchhältst ohne dich zu bewegen. Jetzt beim ersten Mal machen wir das aber nicht so lange, keine Angst." Mädchen, du hast in deinem Leben noch nie fünf Stunden Mathe geschrieben. Wenn du wüsstest wie lange ich regungslos auf meinem Stuhl gesessen bin. Dagegen sind 45 Minuten gar nichts. "Da bin ich aber beruhigt", sagte ich freundlich. "Du wirst es nicht sofort schaffen, aber wie immer macht Übung den Meister. Verlange einfach beim ersten Mal nicht zu viel von dir." Hätte man mir das vor fünf Tagen in Teak City gesagt. Hilf 'dem Nachtara, hat man mir gesagt. Es stirbt sonst, hat man mir gesagt. Aber erwarte nicht, dass du atmen kannst. "Schließ deine Augen!" Das darf doch nicht wahr sein. "Atme bewusst ein und wieder aus. Du musst spüren wie- Warum sind deine Augen noch offen?" Ich hatte regungslos dagesessen und versucht eine neutrale Mine zu machen, obwohl ich innerlich begonnen hatte zu schreien. "Oh 'tschuldigung. Ich, ehm, soll ich das gleich machen? Ich dachte du erklärst erst und ich höre zu. Du weißt schon." "Nein, ich leite dich und du machst, was ich sage. Augen zu!", befahl sie ruhig. Um sie zu beschwichtigen hob ich resigniert die Hände, änderte noch einmal meinen Schneidersitz und schloss schließlich die Augen. "Versuch nichts zu bewegen, bis auf deinen Brustkorb. Fokussier dich völlig aufs Atmen. Spüre jeden Atemzug einzeln." Hörbar atmete ich mehrmals ein und wieder aus, aber scheinbar war ich zu fokussiert. "Nicht so energisch!", ermahnte mich Yumiko. "Das Atmen muss natürlich sein und nicht wie eine Dampflok." Wenig begeistert darüber mit einer Lokomotive verglichen worden zu sein öffnete ich die Augen um ihr einen bösen Blick zu senden. "Augen zu!" Denk einfach an was Schönes, Mimi. Du hast Spaß, ja. Red' dir das nur ein. Langsam atmete ich ein und wieder aus und achtete darauf, nicht zu stark die Luft in meine Lungen zu pumpen. Im Grunde atmete ich völlig normal. "Gut so. Wenn du deinen Fokus vertiefen möchtest, dann kannst du im Geist immer wieder das Wort 'Atemempfindung" sagen." Ganz sicher nicht. "Finde deinen Rhythmus und gib den Takt an. Wenn du willst, darfst du auch deine Atmung zählen." Singen! Endlich mal eine gute Idee. "Lass keine anderen Gedanken zu. Behalte deine Konzentration auf deiner Atmung." Ich hab schon ewig nicht mehr gesungen. Könnte daran liegen, dass ich keine Musik habe. Gott, wie ich meine Musik vermisse. "Gut, sehr gut. Mach weiter so." Mein Fuß schläft ein. Ich widerstand der Versuchung, mein Bein anders hinzulegen. Das würde ich schon durchhalten. "Finde deinen Punkt in deinem Brustkorb. Es gibt nichts anderes." Das waren ihre letzten Worte. Da ich meine Augen nicht öffnen wollte, hatte ich die Ohren gespitzt. Kurz war zu hören, wie sie sich am Boden bewegte, doch dann war Stille. Ich vermutete, dass sie nun selbst ihre Atmung zählte. Da ich sie nun nicht mehr hören konnte, lauschte ich auf meine Umgebung. Die Grillen schienen von Sekunde zu Sekunde lauter zu werden, aber ich empfand es nicht als unangenehm. Im Gegenteil, fließendes Wasser und Grillen gehörten zu meinen Lieblingshintergrundgeräuschen. Dicht gefolgt von einer tickenden Uhr. Tatsächlich konnte ich mit diesen Hintergrundgeräuschen am besten entspannen.   Die nächsten Minuten hörte ich nur auf die Grillen und das wehende Gras, bis Yumikos Stimme meine Aufmerksamkeit forderte. "Das reicht für's Erste." Schnell öffnete ich die Augen und sah eine fröhliche Yumiko. "Du hast das gut gemacht. Du warst völlig konzentriert", lobte sie mich. Ich bin ein Naturtalent. "Dann machen wir gleich mit den Entspannungstechniken weiter." Du meinst das, was ich gerade getan hab? "Sicher, nur her damit." Eigentlich fühlte ich mich bereits völlig entspannt, aber das konnte ich ihr in diesem Moment schlecht beichten. "Du beginnst zunächst wieder mit der Atemtechnik. Deshalb ist es wichtig, dass wir zusehen, dass du sie meisterst. Bisher sieht das aber ganz gut aus." Wie sie mich anlächelte bekam ich regelrecht ein schlechtes Gewissen eben nicht bei der Sache gewesen zu sein. Trotzdem nickte ich. "Sammle deinen Atem. Schließ deine Augen!" Yes, Ma'am. "Anders als vorhin darfst du deinem Geist aber erlauben zu wandern. Suche einen inneren Ruhepunkt, wo sich deine Gedanken sammeln können. Zwinge deinen Geist nicht, lass ihn fließen. Nach einer Weile findet er seinen Platz." "Okay, das Atmen hab ich drauf, aber jetzt hast du mich verloren. Wie soll ich meine Gedanken auf einen Ort sammeln?" "Du darfst natürlich nicht allzu sehr nachdenken. Aber dein Geist muss nicht leer sein, wie eben bei der Atemtechnik. Denk an was Schönes." Pizza. "Das ist so vage, dass das schon wieder funktionieren könnte, Yumi", murmelte ich vor mich hin und seufzte schwer. "Ich kann dir schlecht sagen, woran du denken sollst." "Woran hast du in Teak City gedacht, als du das gelernt hast." Das zu wissen, wäre ein Anfang. Wobei ich auch keine Probleme gehabt hätte an Pizza zu denken. Aber diesmal wollte ich es richtig machen. "In Teak City meditiert man mit seinem Pokemon. Man denkt meistens einfach an das. Die Gedanken an das eigene Pokemon sollen sich frei Bewegen und sich schließlich im inneren Wohlfühlort sammeln. Die Meister dieser Technik können damit eine besondere Verbindung zu ihren Pokemon aufbauen." Das klang erstaunlicherweise äußerst einleuchtend. "Ich hab' Sashimi erst seit gestern. Meine einzige schöne Erinnerung mit ihm ist das Fangen selbst." Und die Badewannensituation, aber das musste sie nicht wissen. Yumiko hob die Schultern. "Eben, deshalb hab' ich dir nicht gesagt, dass du dich auf ihn zu konzentrieren sollst. Nimm am besten dein Pokemon von zu Hause. Denk daran, wie du es aufgezogen hast." Ich bezweifelte, dass das klappen würde. Alles, was sie tat war schlafen, essen, meckern und schlafen. "Ich find schon was. Also, was wenn ich etwas Schönes zum Denken habe?" "Du fokussierst dich darauf. Und nur auf das. Geh Erinnerung für Erinnerung ab und lass sie in deinem Geist herum fliegen. Irgendwann werden sie sich an einem Platz sammeln. Aber bis dahin werden wir heute nicht mehr kommen. Konzentrier dich jetzt einfach ein paar Minuten auf etwas Schönes. Mit einem stummen Nicken schloss ich die Augen und wiederholte die Atemtechnik. Yumiko war währenddessen still, um meine Konzentration nicht zu stören. Ich versuchte wirklich, an nichts anderes zu denken, als an meine Atmung. Aber gleichzeitig flogen die verschiedensten Sachen durch mein Hirn, an was ich denken könnte, wenn ich mit der Atmung fertig war. Immer wieder zwang ich mich selbst mich zu fokussieren, aber es klappte nicht. Frustrieret gab ich auf. "Es geht nicht. Ich denk nur darüber nach woran ich denken kann." Yumiko war nicht sauer. Im Gegenteil, sie lächelte mich milde an. "So hast du auch ausgesehen." Plötzlich verzerrte sie ihr Gesicht zu einer Grimasse. Es dauerte ein paar Sekunden bis ich begriff, dass sie anscheinend mich nachahmte. "So hab' ich nicht ausgesehen." "Doch! Man hätte meinen können du versuchst Telekinese einzusetzen, so angestrengt hast du geschaut." Ich warf ihr einen bösen Blick zu und entknotete meine Beine, sodass dort wieder Blut durchströmen könnte. Fast gleichzeitig ließ ich mich nach hinten auf meine Arme fallen, hinein ins Gras. "Als meine Lehrerin solltest du mich aufbauen und nicht nachmachen." "Willst du etwas Süßes, weil du atmen kannst?" "Nicht frech werden, junge Dame." So ging das ein paar Minuten, bis Yumiko aufstand und sich das Habitak auf die Schulter setzte. Sofort wollte ich ihr folgen, doch sie gab mir zu verstehen, dass das nicht nötig sei. Also sank ich wieder ins Gras. "Ich werde nach unseren Pokemon sehen. Bleib ruhig hier. Ich bin gleich wieder da." Wirklich erpicht darauf aufzustehen war ich nicht. Also nahm ich ihr Angebot liegen zu bleiben gerne an. Ich hörte, wie sie durchs Gras zurück auf den Schotterweg ging und wie sie diesem zurück in die Stadt folgte. Irgendwann waren ihre Schritte verstummt. Ich nahm mir einen langen Grashalm und spielte ein wenig mit ihm. In der Sonne zu sitzen wurde aber bald eher unangenehm, weshalb ich mir ein schattigeres Plätzchen unter einem Felsen suchte. Von hier aus konnte ich auf die Stadt und auf den Kesselberg in nicht allzu weiter Ferne sehen. Irgendwo dahinter lag Teak City.   Die Gegend war wunderschön. Alles wirkte geplant und sorgfältig ausgeführt. Egal wo man hinsah, es passte alles ins Bild. Keine seltsamen Häuser im falschen Stil oder kaputte Straßen, die notdürftig und unschön geflickt worden waren. Das Thema der Stadt zog sich vom einen zum anderen Ende ohne einen Bruch. Leider wurde bei uns nicht so auf das Gesamtbild geachtet. Da stellte man einen modernen Glasbau ohne Funktion in einen Schlossgarten aus dem 18. Jahrhundert. Hier wäre so etwas undenkbar. Als ich die Häuser betrachtete, sah ich, wie etwas auf mich zu kam. Yumiko konnte es noch nicht sein. Zum einen war sie noch nicht lange genug weg gewesen und zum anderen war das Wesen viel zu klein, als das es ein Mensch hätte sein können. Lässig kam es angetrabt und bald erkannte ich wer es war. "Psiana? Was machst du denn hier?", rief ich ihr zu. Zielstrebig fand sie ihren Weg und war schon bald bei mir. "Hast du ganz alleine hierher gefunden?" Bestimmt hatte Yumiko ihr gesagt, wo ich war. Andererseits wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass Psiana Richtungsangaben folgen konnte. Wobei, das Pokemon war schlau. "Du bist wirklich ein Wahnsinns-Pokemon", lobte ich sie, während sie in einiger Entfernung von mir stehen blieb. Ihr Fell sah strahlender aus, was wohl an der Behandlung im Pokemon-Center lag. Nur ihre Pfoten waren vom Schotter ein wenig staubig, was sie aber sofort versuchte zu beheben, indem sie durch das Gras lief. Mir fiel der Halm ein, den ich noch immer in der Hand hielt und als Psiana wieder aus dem Gras hervor kam, versuchte ich ihre Aufmerksamkeit damit zu erregen. Tatsächlich blieb sie stehen und beobachtete mich. Komm schon, ich weiß das du den Halm jagen willst. Doch alles, was ich erreichte, war mich zum Affen zu machen. Sie wollte nicht anspringen. Seufzend gab ich auf und lehnte mich wieder an den Fels. Wieso mochte sie Nana vom ersten Blick an. Erinnert sie dich an deine Trainerin? Sie wollte nicht spielen oder toben. Zugegeben, sie war auch schon etwas älter. Also dürfte sie es ruhiger mögen. Geerdeter. Wie Nana. Wie ihre Trainerin. Ich spürte einen Stich in meinen Magen fahren. Du musst sie sehr vermissen. Und ich Trottel bespritz dich mit Wasser. Ich beschloss sie in Ruhe zu lassen. Ich war nicht das, was sie wollte oder was sie brauchte. Sie war dankbar und zahlte es mir auf ihre Weise zurück, indem sie mich beschütze. Aber da hörte die Verbindung auf.   Den warmen Wind auf der Haut schloss ich die Augen. An etwas Schönes denken, hatte Yumiko gesagt. Alles hier war schön aber es war zu frisch. Noch verband ich nicht genug Erinnerungen damit. Und wenn ich an meine Familie und Freunde dachte, dann wurde ich eher traurig und bekam Heimweh. Ich brauchte etwas, was mich glücklich machte, sowohl zu Hause, als auch hier. Etwas, das immer da war. Etwas wie ... Musik! Sofort gingen meine Mundwinkel nach oben. Zwar hatte ich hier keine Möglichkeit meine Musik abzuspielen, aber das brauchte ich gar nicht. Ich war der Player. Ich dachte an die letzte CD, die ich mir gekauft hatte, nur wenige Tage, bevor ich hier gelandet war. Dem Verkäufer habe ich förmlich das neue Album von Florence aus der Hand gerissen noch bevor er die Gelegenheit hatte, es einzusortieren. Ich konnte praktisch die ganze CD nach kurzer Zeit auswendig, aber ein Lied kam mir sofort in den Sinn: Delilah. Ich summte die Melodie, um den Einstieg zu finden. Den Kopf an dem Felsen gelehnt begann ich zu singen. Ich vermied es wirklich laut zu singen, wenn andere in der Nähe waren. Naja, eigentlich sang ich immer, aber eben nicht aus vollem Hals. Ich war nicht die beste Sängerin, aber ich traf die meisten Töne und konnte den Takt halten. Das war manchmal mehr, als das Können, mit dem DSDS-Kandidaten aufwarteten. Delilah brachte einen beinahe sofort in gute Stimmung und es fühlte sich mehr als gut an das Lied zu singen. Vor dem Refrain hielt ich jedoch inne als mir bewusst wurde, dass ich gar nicht alleine war. Psiana! Sofort schoss mein Kopf nach vorne und suchte die Stelle ab, wo sie gelegen hatte. Doch sie war weg. Irritiert sah ich in die Ferne bis ich merkte, dass sie näher war, als ich vermutete. In Wirklichkeit saß sie zu meiner Rechten und starrte mich an. "Ehm, hi?" Die Nähe irritierte mich nur noch mehr. Nicht, dass ich etwas dagegen hatte. "Tut mir leid, ich hab' mich vergessen und da ist es mit mir durchgegangen." Anstatt mir die kalte Schulter zu zeigen hob sie jedoch die Pfote und strich mir wiederholt über den Arm. Den Blick immer auf mich fixiert. Will sie etwa- "Soll ich weitermachen?" Völlig ungläubig starrte ich auf das Pokemon. Sie nickte nicht, aber sie blinzelte, was ich als ich als ein 'ja' interpretierte. Für einen Moment fand ich meine Stimme nicht. Die Situation war einfach zu absurd. Da machte ich mir tagelang Gedanken und alles was ich hätte tun müssen, war singen? Ich stieg bei dem Refrain wieder ein. Ich war deutlich unsicherer, als noch bei dem Vers. Jetzt wo ich sah, dass sie mir zuhörte. Doch als sich ihr Schwanz im Rhythmus bewegte fand ich meinen Mut. In der zweiten Strophe wurde ich lauter und schnippte zusätzlich mit den Fingern. Psiana wippte ihren Schwanz perfekt zum Rhythmus und neigte ihren Kopf in regelmäßigen Abständen von einer Seite zur anderen, obwohl sie vermutlich kein einziges Wort von dem verstand, was ich da gerade sang. Das Lied machte bereits gute Laune, aber zu sehen, wie es ihr zu gefallen schien war noch besser. Ich ging regelrecht im Singen auf und hatte Spaß zu sehen, dass Psiana es genoss. Psiana war musikalisch. Sehr sogar und damit konnte ich arbeiten. Ich spürte, wie sich in diesem Moment die erste Faser eines Bandes zwischen uns formte. Kapitel 10: Ungeplante Wendungen -------------------------------- Lied um Lied, bis Yumiko zurück kam, saßen wir an dem Felsen. Psiana schien sich köstlich amüsiert zu haben und mir tat das Singen ebenfalls gut. Als ich Yumiko von weitem auf uns zu laufen sah, hatte ich die Hände gehoben und nur noch lauter gesungen und sie damit her gewunken. Es war egal gewesen, welches Lied ich angestimmt hatte. Psiana hatte sich alles angehört und hatte beinahe sofort den jeweiligen Rythmus gefunden. Yumiko hingegen reagierte mehr als erschrocken auf den Ausbruch übermäßiger Lebensfreude. "Was macht ihr beiden denn da?", fragte sie, als sie uns erreicht hatte und mir mein Karpador im Ball gab. Ich grinste wie ein Honigkuchenpferd. "Musik!", rief ich, als wäre das die Antwort auf alles und nicht 42. "Psiana liebt Musik!" "Das ist ... toll. Denke ich." Yumikos Reaktion war verhalten. Um mich besser unterhalten zu können stand ich auf und klopfte mir die Erde von der Hose. "Ich will nicht, dass Psiana mich nur für eine Bürde hält, die sie beschützen muss. Mit Musik komme ich an sie ran. Sorry, wenn ich da etwas stürmisch reagiere." Sie, die ihr ganzes Leben ein Verhältnis mit Pokemon hatte, vermutlich meistens ein Gutes, konnte wohl nicht verstehen, dass mir etwas an dem Bund mit Psiana lag. Musste sie auch nicht. "Jedenfalls werde ich von jetzt an des Öfteren singen. Gewöhn dich dran", verkündete ich, die Hände vor der Brust verschränkt. Yumiko zeigte sich noch immer unbeeindruckt. "Mach das. Schön, dass es mit Psiana bergauf geht", sagte sie strahlend, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Dann drehte sie sich jedoch zur Seite und sah mich schief an. "Solange du dich nicht anhörst, wie ein schreiendes Knogga." Ich hätte mich beleidigt gefühlt, wenn ich nicht gesehen hätte, wie Psiana sich neben mich gesetzt hatte, als wir geredet hatten. Ihr gefiel der Gesang, das war die Hauptsache.   Zusammen machten wir uns auf den Rückweg in die Stadt um den Poke-Laden aufzusuchen, in dem Yumi ein paar Einkäufe machen wollte. Mittlerweile hatte ich auch ziemlich Hunger und suchte nebenbei etwas zu Essen. Allerdings stand ich noch immer vor dem Problem mit dem fehlenden Geld. Keinen Cent zu haben kotzte mich wirklich an. Sich überall durch zu schnorren war auf Dauer auch keine Lösung, also musste ich mir überlegen, wo ich Geld herbekam. Für den Moment war ich jedoch noch immer auf Yumi und ihren guten Willen angewiesen. Ohne Hast schlenderten wir die Einkaufsstraße entlang, auf der sich immer mehr Menschen tummelten. Aber keiner nahm von uns Notiz, was mir nur recht war. Meine Aufmerksamkeit galt den Läden in der Hoffnung, etwas Essbares zu finden. Eine warme Mahlzeit würde vermutlich zu teuer sein, also hielt ich Ausschau nach einem Supermarkt oder ähnlichem. Ab und zu passierten wir kleine Holzläden, aus denen es herrlich nach mariniertem Fleisch und Gewürzen roch, aber das zu kaufen konnte ich nicht von Yumiko verlangen. Bald fand ich jedoch, nach was ich gesucht hatte. Über der Tür hing ein frei schwingendes Schild mit einem Porenta, das auf der einen Seite seinen Lauch trug und auf der anderen eine Plastiktüte mit verschiedenen Gütern. Schnell, bevor wir vorbei gelaufen waren, bat ich Yumiko dort einen Abstecher zu machen. Eine hölzerne Schiebetür stand weit offen und gab den Weg ins Innere frei. Psiana blieb draußen sitzen ohne dass wir sie darum baten. Habitak, das noch immer auf Yumikos Schulter saß, schlief friedlich. Im Laden erwischte mich sofort ein Schwall kalter Luft. Hier gab es eine Klimaanlage? Irritiert suchte ich die niedrige Decke nach dem schmalem Gerät ab. Tatsächlich fand ich jedoch in den Nischen zwischen Deckenbalken und Wand ein dutzend Austos, die unison kleine Eispartikel Richtung Decke feuerten. Wieso genau heißt Mahagonia City nochmal 'Die Stadt der Ninja' und nicht 'Die Stadt der Eis-Pokemon'? Die Gänge waren derart eng, dass gerade einmal zwei Menschen aneinander vorbei kamen. Aber er war sauber und roch nach frischem Gemüse und ich meinte sogar den Geruch von Zwiebel ausmachen zu können. Was genau ich suchte würde ich hoffentlich wissen, sobald ich es sah. Bisher gab es nur frische Artikel, aber möglicherweise gab es bereits fertig Gekochtes oder Zubereitetes weiter hinten im Laden. Yumiko half beim Suchen und ging mit mir weiter hinein. Bald erreichten wir eine Abteilung, in der es Tüten und anderes Abgepacktes gab. Zielstrebig griff Yumiko nach einem Becher: Instant-Nudeln. Sofort nahm ich ihr den aus der Hand. "Der ist nicht als Proviant gedacht, oder?" "Ich muss auch etwas essen", protestierte sie. Nach kurzem Überlegen gab ich ihr den Becher zurück. "Nagut, aber wehe du kaufst Proviant ohne mir etwas zu sagen." "Ja, ja." Ihre Aufmerksamkeit galt bereits dem Angebot an Nudeln. Vor uns stand eine ganze Wand, die vollgepackt mit dem Zeug war. Jedes hatte ein anderes Bildchen und eine andere Farbe, die die Geschmacksrichtung verdeutlichte. Doch Yumiko griff nach dem bekannten Tsitrugeschmack. Nachdem sie glücklich den Becher in der Hand neben mir herlief, fand ich etwas, das aussah wie Brot. Außerhalb Deutschlands gab es kein Brot, das genießbar war, und ich bezweifelte, dass ich in diesem Laden fündig werden würde. Im Grunde war hier alles sehr japanisch, also dürfte die Brotqualität ähnlich sein. Doch solange man nicht jeden Tag ein fertiges Sandwich kauen musste, konnte man es ab und zu essen. Wenig begeistert ging ich das Regal ab. Direkt über uns saß eines der Klima-Austos und blies uns mit kalter Luft an. Die Auswahl war nicht berauschend und wirklich appetitlich fand ich auf Anhieb nichts. Neugierig begutachtete ich auch die Preisschilder, die alle eine hohe Zahl aufwiesen. Im Schnitt kostete ein Sandwich 300 Poke-Dollar. Beim zweiten Überlegen machte der Preis jedoch durchaus Sinn. Poke-Dollar dürften sich am japanischen Yen orientieren. Im Kopf grob überschlagen kostete das Essen also etwa drei Euro. Als ich schließlich in dem Teil mit Fischbelag ankam und nach dem Goldini-Filet eingelegtes Karpador las wurde mir schlecht und ich machte auf dem Absatz kehrt. Ich war alles andere, als ein Vegetarier, aber Karpador-Fleisch war mir nun doch zuwider.   Yumiko folgte mir stumm durch die Gänge. Ab und zu griff sie nach etwas und fügte es ihrem Einkauf hinzu, bis ihre Hände schon bald nicht mehr alles tragen konnten und ich ihr etwas abnahm. Ich hoffte wirklich, dass das nicht doch zu Proviant wurde. Zutrauen würde ich es ihr, dass sie sich einen eigenen Vorrat anlegen würde, von dem sie im Geheimen zehrte. Bei dem trockenen Brot wurde ich fündig und griff mir etwas das aussah, wie Weißbrot. Jetzt brauchte ich nur etwas zum Belegen. Nach kurzem Zögern beschloss ich es meinem Vater nachzumachen und getrocknete Wurst zu kaufen. Dann konnte ich jeweils vom Brot und von der Wurst abbeißen ohne vorher groß belegen zu müssen. Tatsächlich fand ich getrocknetes Tauros-Fleisch und noch ein paar Reisbällchen. Beladen suchten wir uns eine Kasse, wobei ich davor noch einmal stehen blieb und nach einer Wasserflasche griff. Lange Bänder zum Ablegen gab es nicht. Stattdessen reihten sich mehrere Kassierer hinter kleinen Nischen nebeneinander und bedienten die Kunden. Während unsere Sachen abkassiert wurden, packte eine weitere Hilfskraft unser Essen in eine Tüte. Guter Service. Alles in allem bezahlte Yumiko 2500 Poke-Dollar. Ich ging bereits mit dem Einkauf nach draußen hinaus in die Wärme. Eigentlich war es nicht heiß gewesen, aber dank den Austos empfand man es außen jetzt nur umso heißer. Kurze Zeit später folgte mir Yumiko hinaus und packte im Laufen ihre Geldbörse zurück. Ich musste mir eine Liste mit Ausgaben machen, damit ich ihr das alles zurück zahlen konnte. Mit Essen in den Tüten setzten wir unseren Weg fort zum Poke-Markt, der sich am Ende der Straße befand. Tatsächlich war er kleiner, als manch andere Läden. Das größte Merkmal war jedoch das fehlende blaue Dach. Das hieß, es handelte sich nicht um einen gewöhnlichen Markt, den es in beinahe jeder Stadt gab. Dieses Exemplar war ein schönes Holzgebäude mit lange gezogenem Satteldach, das über die Wände hinausgingen und somit direkt am Eingang Schatten spendete. Das Erstaunliche war jedoch, dass dort am Eingang ein alter Mann mit Krücken stand, der um sich brüllte. Sofort wurde ich langsamer, um mir die Szene zunächst aus sicherer Entfernung ansehen zu können. Auch Psiana reagierte ablehnend, da sie die Ohren anlegte und sich mit mir zurück fallen ließ. Doch während ich noch versuchte zu verstehen was der Mann brüllte, war Yumiko bereits dabei ihm entgegen zu rennen. "Dieses naive Mädchen", seufzte ich und schüttelte den Kopf. Da mir nun nichts anderes übrig blieb beeilte ich mich sie einzuholen um sie nicht alleine zu lassen. Irgendwann würde sie noch in irgendetwas Gefährliches hineinrennen, aber ich war nicht in der Position sie vor den Gefahren der Welt zu warnen.   Sie war bereits im Gespräch mit dem Mann, weshalb ich bis zu meinem Eintreffen nur Wortfetzten mitbekam. Der Mann selbst trug einen blauen Kittel, auf dem ein Namensschild angeheftet war. In meinem Kopf hieß das, dass er Angestellter oder Eigentümer des Marktes vor dem wir uns befanden sein dürfte. Sein Schild hielt meinen Blick fest, da sein Name von einer Schrift dargestellt wurde, die verdächtig nach Incognito aussah. "Mr. Po...Pock-, nein, Pochi. Mr. Pochi !", entziffert ich die Buchstaben in meinen Gedanken. Mein Blick glitt weiter an ihm herab zu einem Gips an seinem linken Bein, was ein guter Grund für seine Krücken war. Stellte sich nun nur noch die Frage, warum der Lärm? Ich richtete meine Aufmerksamkeit zurück zu Yumiko und dem Mann, die wild miteinander diskutierten. Bisher hatte ich nicht wirklich zugehört, worum es in ihrem Gespräch ging. Im Ausblenden war ich Meister. Was ich nicht sehen oder hören wollte, bemerkte ich normalerweise nicht. Allerdings stand ich nun aber schon ein paar Minuten völlig unbeteiligt und stumm neben Yumiko. Wenn ich nicht als noch seltsamer erscheinen wollte, wurde es Zeit sich am Gespräch zu beteiligen. "- nge ist das jetzt her? Sie haben wirklich großes Pech", hörte ich Yumiko sagen. "Vor einer halben Stunde. Ich konnte nichts tun", schluchzte Mr. Pochi. "Wir haben sie nicht gesehen", sagte Yumiko an mich gewandt und schaute mich erwartend an. Sofort schüttelte ich den Kopf. Verdammt, ich habe keine Ahnung, worum es geht. Dennoch war meine Reaktion wohl die Richtige. "Sie muss also woanders sein." Als Yumiko die scheinbar harte Wahrheit über wen auch immer ausgesprochen hatte, brach der alte Mann in Tränen aus. Erschrocken wich ich ein wenig zurück. Ich sah selten erwachsene Männer weinen und die Szene hatte einen mehr als merkwürdigen Eindruck. Yumiko hingegen legte tröstend ihre Hand auf seine Schulter. "Gehen Sie wieder rein und ruhen Sie sich aus. Wir kümmern uns darum." Sofort schoss mein Kopf in ihre Richtung. Wir tun was? Mr. Pochi nickte ihr zu und murmelte etwas vor sich hin, was ich jedoch nicht verstand. Noch immer war ich auf Yumiko fixiert, die dem Mann zusah, wie er im Markt verschwand. Kaum war er außer Sicht drehte sie sich mit Elan um. "In Ordnung. In unsere Richtung ist sie nicht gegangen. Also kann sie nur drei andere Wege genommen haben. Wir sollten uns aufteilen und-" "Yumiko!", unterbrach ich sie recht barsch. Allerdings wusste ich zum einen dummerweise noch immer nicht worum es ging, was zugegeben meine Schuld gewesen war. Und zum anderen hatte ich erneut das Gefühl, dass über meinen Kopf hinweg entschieden wurde, was mir langsam sauer aufstieß. Yumiko wirkte verblüfft, war aber sofort still. "Ich war grad ein wenig abwesend. Was ist das Problem?" First things first. Ich erntete einen irritierten Blick, bekam aber nach kurzem Zögern ihrerseits doch noch eine Antwort. "Der Mann hatte einen kleinen Zwischenfall im Laden", erklärte sie ungeduldig. "Er kann sich nicht richtig bewegen, weshalb er ein Regal umgestoßen hat. Sein Hunduster hat sich derart erschrocken, dass es davon gerannt ist." Das erklärte, wen alle mit "sie" gemeint hatten. Das Problem war also, dass das Pokemon verschwunden war, wobei ich persönlich darin kein Problem sah, um ehrlich zu sein. "Das taucht sicher wieder auf", versicherte ich ihr und zeigte auf den Markt. "Du wolltest etwas kaufen, oder?" Doch anstatt meine Frage zu beantworten stemmte sie die Hände in die Hüften. "Wir gehen das Pokemon suchen", sagte sie bestimmend und lief selbstsicher davon. Sie war sich sicher, dass ich ihr folgen würde. Langsam genervt rieb ich mir die Stirn. "Hunduster ist im Prinzip ein Hund! Wenn die Hunger haben kommen die wieder", flüsterte ich zu mir selbst. Auf eine solche Suchaktion hatte ich in diesem Moment wirklich keine Lust. Ich hatte gedacht, wir erledigen unseren Einkauf und ruhen uns dann aus, bevor wir weiter ziehen. Außerdem hatte ich vorgehabt das Werfen der Pokebälle zu üben. Und ich wollte schauen, wie man mit Karpador arbeiten könnte. Aber so, wie es aussah, würden wir jetzt für Stunden anderweitig beschäftigt sein. Yumiko hatte recht, in unsere Richtung war es nicht gelaufen. Es gab eine zweite Straße, die quer zur Einkaufsstraße in die Stadt führte und den Weg weiter, der sich in einiger Entfernung gabelte. Blieben also drei Wege, die das Hunduster genommen haben könnte. Vorausgesetzt es ist auf dem Weg geblieben. Ich verdrehte die Augen.   Entschieden hatte sie sich für den Weg, der sich in einiger Entfernung gabelte. Dank ihrem Helferkomplex war mein Vormittag gelaufen. "Ich erwische natürlich den Hufflepuff", zischte ich und setzte mich in Bewegung. Yumikos Benehmen ärgerte mich zunehmend, aber ich konnte ihr schlecht verbieten, dem Mann zu helfen. Es war das Richtige, nur leider hatte ich keine Lust darauf. Psiana hatte natürlich keine Ahnung, was mein Geschimpfe bedeutete, folgte mir jedoch dicht. Ich schloss zu Yumiko auf, als sie fragend zwischen den zwei Wegen hin und her schaute. Vor ihr sah ich zum ersten Mal einen Wegweiser. Auf dem rechten Pfeil stand 'Route 44, EBENHOLZ CITY', während auf dem linken 'Route 43, SEE DES ZORNS' eingeritzt war. Beide Wege führten unübersehbar aus der Stadt. Die Arme überkreuzt stellte ich mich neben Yumiko, die zufrieden meine Anwesenheit registrierte. Ich sprach nicht, sondern schaute mich in der Umgebung um, wobei mein Blick auf den Boden fixiert war. Für den weiteren Weg durfte sie sich selbst entscheiden. MIt erhobenen Augenbrauen erwartete ich schweigend ihre weitere Vorgehensweise. Nach ein paar Sekunden schweigen deutete sie Richtung See des Zorns. "Da lang!", sagte sie selbstsicher und marschierte los. Ob sie auch die Pfotenabdrücke in der Erde neben dem Weg gesehen hatte oder ob sie einfach intuitiv gehandelt hatte, würde ihr Geheimnis bleiben. Immerhin waren wir auf dem richtigen Weg. Allerdings hätte ich den Irrweg und die damit verbundene stundenlange, erfolglose Suche nach dem Pokemon aus Trotz sogar in Kauf genommen. Je weiter wir aus der Stadt kamen, desto mehr häuften sich die Bäume. Hier gab es nur einen kleinen Bach, der ab und zu neben uns auftauchte. Der Rest war gut bewachsen. Es gab verschiedene Büsche, die nicht selten bunte Blüten trugen. Der Geruch der Einkaufsstraße bestehend aus einem Gemisch aus gekochten Speisen und Beton verschwand zunehmend. Nur der Geräuschpegel nahm nicht ab. Im Gegenteil. Die Gipfel der Bäume wackelten und es war Gekreische von verschiedenen Pokemon zu hören. Etwas schien sie aufgeschreckt zu haben, was ein weiterer Beweis dafür war, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen hatten. Da sich die Pokemon jedoch noch nicht vollständig von dem ersten Ereignis in Form eines vermutlich bellendem Hunduster erholt hatten, erschreckte sie unsere Anwesenheit nur umso mehr. Immer wieder flogen Tauboga in der Flucht vor uns weg. Hinter den Büschen hörte man Getrampel von Hufen und das Scharren von Pfoten in der Erde. Route 42 war derart unbewohnt und ruhig gewesen, dass dieser lebhafte Wald auch mich beinahe zu überfordern schien. Besorgt schaute ich nach Psiana und Habitak. Beide waren äußerst angespannt. Psiana wechselte bei jedem Geräusch ihren Fokus, was im Sekundentakt geschah. Bei lauteren Geräuschen zuckte sie fast unmerklich zusammen und legte die Ohren an. Man sagte ja, je größer die Ohren eines Tieres, desto besser war das Gehör. Sollte diese Regel auch für Pokemon gelten, dann war diese Geräuschkulisse eine Tortur für sie. Habitak benahm sich ähnlich. Immer wieder schlug es mit den Flügeln und traf Yumiko am Hinterkopf. In diesem Moment hatte ich kein Mitleid. Es war ihre Idee gewesen zu helfen und sie war schuld, dass Psiana nun litt. Dass sie mir den Vormittag versaut hatte, daran würde ich heute Abend nicht mehr denken. Aber, dass sie verantwortlich für Psianas Misere war, würde ich nicht so schnell vergessen.   Wir folgten der Straße und dem damit verbundenen Lärm, bis wir tatsächlich in der Ferne etwas fanden. Glücklicherweise stach mit dem grünen Wald als Hintergrund das schwarze Fell des gesuchten Pokemon heraus. Was ich sah vermieste mir nur noch mehr die Laune. Da macht sich der alte Mann Sorgen, bringt Yumiko auf dumme Gedanken und hier spielt es mit einem Jungen, quietsch-vergnügt. "Da vorne ist es", rief Yumiko freudig und rannte voraus. Mich würden keine zehn Ponita dazu bekommen ihr hinterherzurennen. Das Hunduster tollte mit einem kleinen Jungen herum, der höchsten zwölf Jahre alt sein konnte. Er trug eine hellblaue Uniform mit kurzer Hose, was verdächtig nach Schuluniform aussah. Ganz in seiner Nähe lag auch eine Tasche, die achtlos an den Wegrand geworfen worden war. Yumiko stand über ihm und redete auf ihn ein. Die letzten Meter bis zur Szene legte ich zusammen mit Psiana gemütlich zurück. Der Kleine trug eine Mütze, auf dem ein Zeichen gestickt war. Aber ich machte mir nicht die Mühe es zu entziffern. Das Hunduster rannte wie von der Tarantel gestochen um den Jungen herum, der Yumiko gar nicht zu beachten schien. Psiana hingegen ließ ein helles Knurren hören. Sie war von dem Hunde-Pokemon wohl wenig begeistert. Als ich die Beiden erreicht hatte, war Yumiko noch immer dabei auf ihn einzureden. Man verstand sie kaum bei dem Lärm, den die beiden Spielenden machten. "Hey, Kleiner!", brüllte ich über Hundusters Gebell hinweg. Sofort blieb der Junge stehen und grinste mich frech an. Auf so ein Benehmen kann ich verzichten. "Wir brauchen das Hunduster", sagte ich und deutete auf das tollende Pokemon. Der Panzer, den es trug, gab ihm einen finsteren Blick. Aber es war nicht besonders groß, was ihm etwas von seiner Bedrohlichkeit nahm. Als Hundemon würde es riesige Hörner entwickeln, mit denen sicher nicht zu Spaßen wäre. Doch noch waren das gefährlichste seine Zähne und vielleicht die grauen Auswüchse, die durchaus scharfkantig sein könnten. Doch so genau sah ich das aus dieser Entfernung nicht. "Das Hunduster hab' ich gefunden. Das gehört jetzt mir." Ich ging ein paar Schritte auf den Knirps zu, der mit nicht mal bis zum Bauchnabel ging. "Das Hunduster gehört dem Mann im Poke-Markt", erwiderte ich knapp. Ich konnte mit Kindern umgehen, wenn ich wollte. Doch meistens wollte ich es einfach nicht und gerade war meine Freundlichkeit abgestellt. "Dann soll er selbst kommen und es holen." Ich grinste. "Wo er recht hat", sagte ich zu Yumiko, die mir einen finsteren Blick zuwarf und es daraufhin wieder selbst mir ruhiger Art versuchte. "Er kann nicht laufen, weil er verletzt ist. Bitte gib uns das Pokemon." Doch der Junge schüttelte den Kopf und streckte ihr die Zunge raus. "Ihr müsst es euch verdienen. Kämpft gegen mich!", verkündete er und rannte zu seinem Rucksack, aus dem er zwei Bälle zog. Ich hörte Yumiko neben mir seufzen und bemerkte, wie sie mich fragend ansah. Aber ich schüttelte nur den Kopf und nahm ihr Habitak ab, damit sie sich während des Kampfes nicht auf den Vogel konzentrieren musste. Mir gefiel nicht, wie Hunduster Psiana belauerte, also stellte ich mich zwischen die Beiden hinein in ihre Sicht. Eine Szene aus Cat's and Dog's brauchte ich jetzt nicht. Außerdem wollte ich nicht auch noch dem Mann erklären müssen, weshalb sein Hunduster so mitgenommen und verkratzt aussah.   Der Junge war wieder zurück mit jeweils einem Pokeball in jeder Hand, wobei er die Linke zuerst zum Werfen ausholte. Es erschien ein gut genährtes Enton, das eher aus dem Ball stolperte, als grazil zu landen. Sofort lag es Kopf voran in der Erde, rappelte sich jedoch schnell wieder auf. Dabei hob es sich an seinem Kopf mit seinen viel zu kurzen Ärmchen und ließ einen Schmerzenslaut hören. Schmunzelnd sah ich zu, wie es auf Position trottete. Ich liebte das Wasser-Pokemon. Der arme Kerl war ständig verwirrt von seiner Umgebung und bewegte sich derart ungeschickt, dass man ihn einfach liebhaben musste. Zu gern hätte ich es näher betrachtet, aber dafür hatten wir zum einen keine Zeit und zum anderen durfte ich nicht vergessen, dass ich hier nicht freiwillig stand. Ich erwartete Dragonir zu sehen, damit die Sache schnell hinter uns gebracht wurde. Der Junge war noch zu klein, als dass er austrainierte Pokemon besitzen könnte. Doch ich wurde mit dem Anblick von Rabauz überrascht. Enton war viel massiger als das sehnige Kampf-Pokemon. Dadurch dürfte es auch sehr viel langsamer sein. Was genau Leif dem Rabauz beigebracht hatte, würde sich nun zeigen. Der Junge griff zuerst an. "Enton, benutz Kratzer!", rief er beinahe sofort, nachdem das Rabauz seinen Ball verlassen hatte. Enton nahm seine Hände vom Kopf und fuhr etwas scharfes aus seinen Flossenhänden heraus. Mit grimmigem Blick lief es auf Rabauz zu, doch wie erwartet konnte er mit seinen kurzen Beinchen nicht schnell rennen, weshalb Rabauz genug Zeit hatte, sich auf den Angriff vorzubereiten. Im Training mit Leif dürfte es ganz andere Angriffe gewohnt gewesen sein. "Versuch' auszuweichen", rief sie dem Pokemon zu, doch ich denke, es wusste wie es sich zu verhalten hatte. Ein paar Mal holte Enton zum Schlag aus, doch Rabauz konnte jedem Versuch mit Leichtigkeit ausweichen. Nun war ich gespannt für welche Attacke sich Yumiko entscheiden würde. Sie zögerte, also wusste sie nicht, wozu Rabauz im Stande war. Schließlich wählte sie die Standard-Attacke. "Tackle!", rief sie. Rabauz drückte seine Hände zusammen, so als wollte es Kraft sammeln. Daraufhin lehnte es sich nach vorne und stieß sich dann Kopf voraus mit den kräftigen Hinterbeinen ab. Es rammte seine stacheligen Kopffortsätze direkt in die Magengegend des Wasser-Pokemon, das von der Wucht des Aufpralls nicht nach hinten flog, aber dennoch umfiel. Ich hörte den Jungen fluchen, schenkte ihm aber keine Beachtung. Yumiko hingegen wartete, bis er einen Zug machte. Sie nahm ihn nicht zu hart heran, was ich nicht nachvollziehen konnte. "Du hast meinem Enton weh gemacht!" Enton schüttelte sich und fixierte wieder Rabauz, das in Kampfstelltung auf den Gegenangriff wartete. "Rutenschlag", brüllte er. Nun war ich gespannt. Wieder rannte es uns entgegen und fixierte Rabauz kampfentschlossen. Normalerweise war Rutenschlag beinahe so nutzlos wie Platscher, wobei Rutenschlag wenigstens noch die Verteidigung senkte. Aber vielleicht hatte die Attacke in Wirklichkeit ja doch eine stärkere Wirkung. Neugierig erwartete ich den Aufprall. Yumiko hatte diesmal keine Anweisung zum Ausweichen gegeben. Enton drehte sich kurz vor Rabauz um und holte mit seinem kurzen Schwänzchen aus. Doch alles, was es tat, war damit direkt vor Rabauz zu wackeln. Ein paar Sekunden vergingen, doch es geschah nichts. Das war ausgesprochen uneffektiv. Auch Rabauz zeigte sich unbeeindruckt, da es nun seine Kampfposition verlassen und die Hände verschränkt hatte. Es sah nicht so aus, als hätte Rabauz irgendeinen Schaden erlitten, noch nicht einmal in Form von Statusveränderungen. "Du darfst gerne noch einmal angreifen", rief sie dem Jungen zu, was ihr einen geschockten Blick meinerseits einbrachte. "Würdest du das bitte beenden?", bat ich sie. "Er ist noch ein Kind und muss noch lernen", erwiderte sie mit sanftem Ton. "Warum muss er das jetzt lernen?", grummelte ich in mich hinein. Der Junge grinste und machte sich größer, als er war. "Das wirst du bereuen. Enton, Aussetzer!" Sofort begannen Entons Augen hell zu leuchten, bis im Licht seine Pupillen verschwanden. Rabauz ließ plötzlich die Hände fallen und starrte Enton wie hypnotisiert an. So schnell das Licht erschienen war so schnell war es auch wieder vorbei und Rabauz schüttelte verwirrt den Kopf. Unzufrieden wendete ich mich wieder zu Yumiko. "Du musstest ihm auch die Gelegenheit geben, deine einzige Attacke zu blockieren." Allerdings reagierte sie nicht auf mich, sondern rief ihrem Pokemon etwas zu. "Rabauz, nimm die stärkste Attacke, die du kennst." Das ist dein Plan? Die stärkste Attacke, die es kennt? Was soll das Rabauz schon können? Gespannt wartete ich darauf, was es einsetzte und ob es überhaupt etwas tat. Tatsächlich streckte es sich kurz und nahm dann Anlauf. Mit einem Satz rannte es auf das überforderte Enton zu und sprang kurz bevor es gegen es prallte in die Höhe. Es streckte seinen Fuß aus, der rot zu leuchten begann. In dieser Haltung stürzte es auf Enton und erwischte es direkt am Kopf. Es gab einen furchtbaren Aufprall und uns wehte ein Wind, der durch den Kontakt hervorgerufen worden war, entgegen. Um uns herum stiegen die noch verbliebenen Tauboga unter lautem Getöse in die Lüfte. Enton brach sofort zusammen und rührte sich nicht mehr. Unter dem Geschrei des Jungen wurde es zurück in seinen Ball gerufen.   In der Zwischenzeit starrte ich Yumiko fragend an in der Hoffnung von ihr den Namen der Attacke gesagt zu bekommen. Doch auch sie stand nur mit offenem Mund da. Rabauz drehte sich mit geschwollener Brust herum und lief uns mit erhobener, zur Faust geballter Hand entgegen. Ich applaudierte ihm zu seinem Sieg, wenn ich auch keine Ahnung hatte, was er gerade getan hatte. Als nächstes erschien ein Fukano und ich musste wieder leise quietschen. Das Pokemon war ebenfalls ein wenig größer, als Yumikos Rabauz. Es schüttelte sich, nachdem es den Ball verlassen hatte und warf dadurch seine noch nicht ganz so imposante Mähne hin und her. Der Junge hatte wirklich schöne Pokemon, die ich gerne in einer anderen Situation erlebt hätte. Rabauz hatte keine Schwierigkeiten mit Enton gehabt, dennoch hoffte ich wirklich, dass sie ein stärkeres Pokemon wählen würde und die Sache endlich beendete. Zu meiner Freude sah ich, wie sie zwei Bälle hervor holte und ihr Pokemon austauschte. "Willst du mich verarschen?", rutschte es mir heraus als ich erneut kein Dragonir sah, sondern das kleine Glumanda. Es lief zuerst auf Yumiko und mich zu, als es erschien. Sofort ging Yumiko in die Hocke und zeigte ihm das gegnerische Fukano, das geduldiger als sein Trainer auf dem Boden saß und wartete. "Das ist dein erster Kampf, Glumanda." Sofort hüpfte es herum und hob angriffslustig seinen Schwanz. Na, das kann ja heiter werden. "Du glaubst doch nicht, dass Glumanda gewinnt", sagte ich skeptisch zu Yumiko. "Nein, natürlich nicht. Aber er kann Erfahrung sammeln. Keine Angst, ich tausch ihn gleich aus. Er soll einen Treffer landen, für sein Selbstbewusstsein", zwinkerte sie mir zu. Mit dieser Antwort war ich zufrieden. "Kann es jetzt endlich weiter gehen?", rief der Junge uns zu. Zur Antwort schickte Yumiko den ersten Befehl an Glumanda. "Kratzer!" Glumanda fauchte und nahm seine Hände nach oben. "Mimi, geh bitte beiseite und lass Psiana vor." Irritiert von der plötzlichen Anweisung an mich starrte ich sie an. Doch als sie hektisch erneut darum bat beiseite zu gehen, tat ich wie geheißen. Kaum war Psiana zu sehen ging ein Ruck durch Hunduster und es bellte los. Der Junge bedeckte seine Ohren um sie vor dem Lärm direkt neben ihm zu schützen. Ich erwartete, dass Hunduster jeden Moment auf Psiana losgehen würde, doch außer Bellen tat es glücklicherweise noch nichts. Trotzdem bat ich Psiana mit einem Blick das provozierende Gewedel ihres Schwanzes zu unterlassen, was sie jedoch gekonnt ignorierte. Derweil fühlte sich Fukano durch das Bellen des anderen Hundes irritiert und tippelte unruhig auf der Stelle. Da erkannte ich Yumikos bösen aber doch auch gleichzeitig genialen Plan. Glumanda hatte in der Zwischenzeit die Distanz zu Fukano zurückgelegt, das noch immer völlig verwirrt da stand. Glumanda holte aus und landete drei Treffer auf Brusthöhe des Fukano, das leise jaulend und überrascht durch den Angriff von vorne zurück wich. "Das war Absicht! Du hast mein Fukano abgelenkt", rief der Junge weinerlich. "Ja, das war Absicht," stellte ich grinsend fest. Es steckte also doch mehr in ihr, als ein Hufflepuff. Gott sei Dank.  Yumiko hob unschuldig die Schultern. "Für das, was das Hunduster macht, bin ich nicht verantwortlich." Glumanda kam strahlend angerannt und freute sich drei Treffer gelandet zu haben. Ich bezweifelte, dass es großen Schaden angerichtet hatte. Vermutlich hatte er nur am roten Fell des Fukano gekratzt, aber Glumanda fühlte sich wie der Sieger des Matches. Yumiko empfing ihn lachend und lobte ihn für seine Arbeit, wechselte ihn aber wie versprochen aus. Glumanda lief zu uns und beobachtete, wie Yumiko nun endlich Dragonir rief. Dieses Pokemon ließ weder Fukano noch seinen jungen Trainer unbeeindruckt. Bei dem Anblick des riesigen Drachen-Pokemon war er völlig sprachlos. Yumiko zögerte nicht und schickte eine Windhose Richtung Fukano. Der Junge reagierte noch und hatte sein Pokemon angewiesen mit Glut dagegen zu halten, aber die kleine Flamme wurde sofort von dem Windstoß verschluckt. Ähnlich, wie der Flamme, erging es Fukano, das zunächst in die Luft gehoben und schließlich nach hinten geschleudert wurde, wo es auf dem Boden angekommen aufhörte sich zu bewegen. Die Attacke hatte gesessen. Den Kopf hängend rief er sein Pokemon zurück und gab sich geschlagen. Auch Yumiko holte ihre Pokemon wieder zurück in die Pokebälle, bevor sie einen weiteren Versuch unternahm mit dem Jungen zu reden. "Ich habe fair gewonnen. Also gehört das Hunduster jetzt uns." Na ja, den Trick mit Psiana hätte ich nicht als fair bezeichnet. Ich hörte den Jungen schon protestieren, doch er zeigte sich einsichtig und nickte stumm. Hoffentlich weint der jetzt nicht.   Seine Augen glitzerten verdächtig, als er Hunduster streichelte und umarmte. Er war nicht viel größer als das Pokemon, sodass Hunduster seinen Kopf auf die Schulter des Jungen legen konnte. "Du hast tolle Pokemon", sagte er schließlich zu Yumiko, die dankend nickte. "Darf ich irgendwann noch einmal gegen dich kämpfen?" Ich sah, wie er rot wurde, als er Yumiko eine Karte entgegen streckte, die sie verblüfft annahm und las. "Toma ist also dein Name." Daraufhin kramte sie in ihrer Bauchtasche nach einer ähnlichen Karte, die sie dem Jungen überreichte. "Ich kämpfe gerne noch einmal gegen dich, wenn deine Pokemon stärker sind." Toma drückte die Karte an sich und grinste uns an. "Ich werde auch irgendwann ein Drachen-Pokemon haben, so wie du." Daraufhin lief er zu seinem Rucksack und rannte davon. Yumiko versuchte unterdessen das Hunduster zu packen zu bekommen. Da ich nicht das Gefühl hatte, ihr helfen zu müssen, wendete ich mich Psiana zu, die den Rückzug angetreten war, als das Hunduster zu uns gestoßen war. Sie stand ein wenig Abseits und untersuchte einen Busch. Da Yumiko bestens mit dem Hunduster auskam, ging ich nachsehen, was Psianas Aufmerksamkeit erregt hatte. Im Schatten der Bäume hatte ich von weitem nicht die bunten Flecke im Busch gesehen, doch als ich unmittelbar davor stand, lief mir ein säuerlich-süßer Geruch in die Nase. Psiana knabberte bereits an ihrem Fund. Die Beeren waren größer als ein Apfel und mindestens genauso schwer. Sie sahen aus wie lila Himbeeren mit den vielen kleineren runden Stückchen, die aneinander wuchsen. Allerdings fühlte sie sich eher wie ein Bund feste Trauben an, als weiche Himbeeren. Habitak hüpfte meinen Arm entlang und rammte seinen Schnabel in die Beere. Auch Psiana schien es zu schmecken. Ich selbst zögerte noch zu probieren, obwohl mir noch immer der Magen knurrte. Dank unserem Ausflug hatte ich noch immer nichts gegessen. Ich setzte die Beere samt Habitak neben Psiana ab und widmete mich der Einkaufstüte. Hunduster sprang wie wild um die verzweifelte Yumiko herum, also bestand noch immer kein Grund einzuschreiten. Im Schneidersitz holte ich das Brot und die Wurst heraus und bis herzhaft hinein. Die Wurst war viel zu würzig, aber das Brot konnte man Essen. Doch kaum hatte ich ein paar Bissen gemacht, lief das Hunduster plötzlich sabbernd auf mich zu. Aus Reflex hob ich mein Essen in die Höhe, aber es sprang über mich hinweg und schnappte die angebissene Wurst aus meiner Hand. Psiana knurrte deutlich hörbar neben mir. Eine schnaufende Yumiko kam hinterher. "Das ist es! Wir locken sie mit deiner Wurst. Ansonsten kriegen wir sie nie zurück in die Stadt."Augenrollend stand ich auf. Mir hatte die Wurst zwar sowieso nicht geschmeckt, aber sie Hunduster als Lockmittel vor die Nase zu heben, empfand ich dennoch als unangebracht. Wirklich ein Argument dagegen hatte ich allerdings nicht. "Dann gebe ich dir aber das Geld für die Wurst nicht", grummelte ich, während ich nach der restlichen Wurst in meiner Tüte fischte. "Was meinst du?," fragte sie noch immer außer Atem. "Das, was du für die Wurst gezahlt hast", erklärte ich, wobei mir langsam eine Vorahnung kam. "Ich hab' deine Sachen doch mit deinem Geld bezahlt", verkündete sie verblüfft. Mit einem dumpfem Laut fiel meine Tüte zu Boden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)