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Sprachgebrauchanalyse #1

Autor:  Shizana
28.11.2015 10:00

Gestern hatten mein Freund und ich eine schöne Szene, die ich euch nicht vorenthalten mag. Denn was sich daraus ergeben hat, könnte hilfreich sein für jene, die sich wie ich oft Gedanken um ihre Geschichten und die kleinen Stolperfallen des verwendeten Sprachgebrauchs machen.

Ich hatte also mal wieder eine FF geschrieben, wie nicht anders zu erwarten. Mit dem Ergebnis war ich unschlüssig, ob ich zufrieden sein sollte oder nicht. In solchen Momenten bin ich froh, jemanden an meiner Seite zu haben, der mir eine objektive Zweiteinschätzung geben kann.

Ich übergab das fertige Werk an meinen Freund. Seine Aufgabe: prüfen, ob der Inhalt zu zäh und langweilig wirkt. Da die Geschichte als ein Geschenk für jemanden gedacht ist, möchte ich natürlich vermeiden, dass derjenige nach den ersten zwei Seiten das Dokument mit einem Gähnen schließt.

Nun ist es so, dass mein Freund neben Inhalt und Wirkung auch auf Klang und Unstimmigkeiten achtet. Dafür bin ich natürlich sehr dankbar. Und eben in puncto "Klang" ergab sich folgende Unterhaltung:

Force: "Erneut betrachtete sie sich die beiden Fotografien eingehend, je im Wechsel."
Und ich nehme mal an, das "sich" ist hier auch kein Fehler ... wobei ich in dem Fall auch nicht weiß, ob es nicht meiner Umgangssprache geschuldet ist, dass es mich da stört
Shizana: hm, ich glaube, das ist regional leicht verschieden
"ich betrachte mir das Bild" und "ich betrachte das Bild"
Force: Ich wähle Nummer Zwei :x
Oder, um es modern auszudrücken: #vote42 XD
Shizana: betrachtet man es logisch, kann ich das Bild nicht dir oder ihr oder ihm betrachten, ne?
Force: Eigentlich nicht, daher stört es mich da ja auch so sehr :x


Ja, und so stellten wir fest, dass "etwas sich betrachten" ein regionaler Sprachgebrauch sein muss. Ich bin mir nicht einmal zu 100% sicher, ob das so in meinem Umfeld gesagt wird, aber es ist mir vertraut. Bedenke ich aber den Sinn dieses Gebrauchs, muss ich doch schmunzeln.

Kurzum habe ich wieder etwas gefunden, worauf ich in Zukunft mehr achten werde. Und vielleicht gibt es ja den einen oder anderen unter euch, der meiner spontanen Erkenntnis beipflichten mag.

Ich finde es immer wieder spannend, wie viele kleine Stolperfallen in unserem täglichen Sprachgebrauch verborgen liegen, die es nach und nach aufzudecken gilt. Eines der Dinge, die ich wirklich abgöttisch am Schreiben liebe. ♥

 

Oh, und im Übrigen hat sich im Rahmen des Probelesens betroffener Geschichte herausgestellt, dass mein Freund ein großer Kento-Fanboy ist. Ich schätze, ich habe etwas richtig gemacht. x)

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Datum: 28.11.2015 11:41
Ich frage mich, wie viel von meinem alten Dialekt (der meist nur durchkommt, wenn ich aufgeregt bin) rauskommt oder ob ich Worte verwendet, die zum regionalen Wortschatz gehören.
 
Dann denke ich mir wieder, dass es eine nette Alternative ist… ich lese ungern Texte, wo Leute extrem Dialekt sprechen (Berlinerisch, oder so), weil es den Lesefluss oft stört. Aber man kann damit Leute charakterisieren. Wenn einer zum Beispiel "Bemme" anstelle von "Stulle" nimmt, dann kann man entweder den Charakter regional zuordnen oder weiß zumindest, dass er einen sprachlichen Hintergrund hat.
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Datum: 28.11.2015 12:35
Da wäre ich mir auch unschlüssig gewesen, wobei es am Ende bestimmt ein: "Erneut betrachtete sie sich abwechselnd beide Fotografien" o.ä. geworden wäre. Ich habe auch zwei Lieblingswörter, die ich aus meinen Fanfictions immer wieder rauslöschen muss, weil sie mir rasch in die wörtliche Rede hineinrutschen.

Definitiv aber eine tolle Sache, wenn man jemanden hat, der kein Blatt vor den Mund nimmt! :)
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Datum: 28.11.2015 12:44
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Für die Charakterisierung sind solche Dinge sehr vorteilhaft. Ich habe einmal in einer Geschichte einem Charakter einen wirklich üblen Dialekt gegeben, was das Lesen zwar recht kompliziert macht, den Charakter aber unglaublich sympathisch. Ich merke das auch sehr, wenn ich Dinge allgemein oder aus meiner eigenen Perspektive schreibe. Wie dieses "etwas sich betrachten" habe ich noch einige andere Sprachverbrechen, die mir immer wieder unterlaufen. Jedoch ist der mir angeeigneten Sensibilität auch verschuldet, dass ich inzwischen sehr kleinlich auf Dinge reagiere wie z.B. auf "als wie". x')
Es ist einfach ungemein spannend und interessant, irgendwie.


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Datum: 28.11.2015 13:19
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> Klar! Das ist: "Es ist halt schön."/"Ich finde es ja nicht so knorke, dass ..."! Ersteres ist einigermaßen kontrolliert, Zweiteres schlimmer als jeder Ninja. Swooosh, da taucht es wieder auf. :)
Ah, diese Kiste. Falls es dich tröstet: Genau so geht es mir mit Füllwörtern. Da muss ich vor allem beim Schreiben immer enorm aufpassen, dass ich nicht in diesen alten Trott des Streckens verfalle … Beim Sprechen weiß ich gerade nicht, ob mir das auch so extrem passiert, aber ich schätze schon.
Wobei man auch hier immer in den Textarten unterscheiden muss. In einer wörtlichen Rede sind diese Dinge verzeihbar, wenn sie zur Charakterisierung beitragen. Nur im Erzähltext ist es immer etwas … nya, hat nicht so "Pro", ne? x)
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Datum: 28.11.2015 13:23
Und was sind deine Lieblingsfüllwörter? :D
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Datum: 28.11.2015 13:30
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Uff, lass mich kurz nachdenken …
Ich glaube, meine Nummer Eins ist "doch" dicht gefolgt von "so". Das berüchtigte "ja" steht auch sehr hoch auf meinem Treppchen. Früher, ganz früher, habe ich auch mit Freuden gern ein "mal" in die Sätze geknallt, bis mir eine liebe Person hier auf Animexx auf die Backe geschmiert hat, doch nicht so viel Umgangssprache zu verwenden. Seitdem verwende ich brav "einmal", was zur Folge hat, dass es mir als Filler zu lang und umständlich geworden ist. Zumal ich's so auch nicht spreche. x)
Mein liebstes Hass-Füllwort bei anderen ist "immerhin". :)
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Datum: 29.11.2015 23:26
Also ich finde, dass nach "Er/sie betrachtete sich" die einzig sinnvolle Fortsetzung "...im Spiegel" sein kann. Ich stimme daher mit dem Bauchgefühl von Force nachdrücklich überein.

Ich bin im Münchner Umland mit der Selbstverständlichkeit aufgewachsen, dass man Sätze anders schreibt, als man sie sprechen würde, und zwar sowohl von der Aussprache als auch von Satzstellung, Wortwahl usw. Gesprochen wurde in der Familie und auch sonst im Umfeld in mehr oder weniger starkem bayerischen Dialekt, in der Grundschule gelernt und geschrieben hat man hochdeutsch. Als Kind habe ich auch viel gelesen, und daher wohl ein recht gutes Sprachgefühl entwickelt.
Beispielsweise würde ich schreiben "Jetzt halte den Mund!" wenn man jemandem hier zurufen würde "Bist jiatzt staad!" Geschriebenes Bayerisch findet man nur bei ein paar Mundart-Autoren wie Ludwig Thoma, deshalb kommt es mir auch sehr seltsam vor, wenn ich es lese oder gar aufschreibe.

Deshalb kommt es mir abwegig vor, dass man umgangssprachliche Formulierungen oder Floskeln überhaupt ins schriftliche Deutsch übernehmen sollte, außer in direkter Rede, wo es der Chrakterisierung einer Figur dient.
Gut in Erinnerung ist mir da der Karl May Band "Unter Geiern", den meine Familie (als einzigen) in einer Vorkriegsausgabe in Fraktur besitzt. Eine der Hauptfiguren dieser Wild-West-Geschichte, der dicke Jemmy (Jakob Pfefferkorn) ist Sachse und wird auch mit sächsischem Dialekt dargestellt, er sagt also z.B. "merschtenteels" für "meistenteils" und beansprucht, dass es in seinem "reensten Deutsch" nur een Wort mit zwee "ei" gibt, nämlich Reisbrei. Als ich später einmal eine neuere Ausgabe dieses Bandes in den Fingern hatte, sah ich, dass darin diese ganzen Dialektphasen, oder zumindest die meisten, auf hochdeutsch umgesetzt waren, und das obwohl die Diskussion darüber Bestandteil der Handlung ist. Das empfand ich als einen großen Verlust und einen frevelhaften Umgang mit dem Werk.


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