Zum Inhalt der Seite




Schlagworte
[Alle Einträge]

Top 15

- DManga (72)
- Doujinshi (21)
- Codex Conventionis Daemonum (18)
- DC (17)
- Manga (14)
- tokyopop (14)
- Baito Oh! (12)
- Carlsen (10)
- EMA (9)
- LBM (9)
- ConHon (8)
- Delfinium Prints (8)
- Dämonen (8)
- MCC (8)
- demon lord camio (7)

Überbrückungstätigkeiten eines Shounen-Manga-Helden DManga, Protagonist, Storytelling, Workshop

Autor:  roterKater

Der letzte Workshop ist schon eine Weile her. Jetzt gibt's wieder ein paar neue Tipps zum Erzählen mit Manga!

Heute soll es um die visuelle Aufbereitung von Dialogszenen gehen. An diesem Punkt sind Autoren wie Zeichner gleichermaßen gefragt. Spannende, witzige, unterhaltsame und pointierte Dialoge zu schreiben, ist ja schon eine Schwierigkeit in sich. Doch selbst wenn einem dies im Skript gelingt, ergibt sich daraus noch keine gute Dialogszene.

Dialoge müssen nicht nur geschrieben, sondern auch inszeniert werden. Inszenieren, das heißt "in Szene setzen". Also, im Falle von Manga, in Panels betten. Dies auf eine interessante Art zu tun, ist nämlich deutlich komplizierter, als man vermuten würde. Was hat man denn in einer Dialogszene? Zwei (oder mehr) Personen, die miteinander reden. Sonst nichts. Und redende Personen sind alles andere als spannend anzusehen, besonders wenn sie gezeichnet sind. Wo uns im Film oder Theater ein guter Schauspieler allein durch Sprachrhythmus, Intonation und Stimmlage begeistern kann, bleibt der gezeichneten Figur nur der nackte Text. Ausdruckskraft und Dynamik eurer Dialogszene muss also auf anderen Ebenen gewonnen werden. Und hier kommt die Inszenierung ins Spiel.

 

Im Wesentlichen gibt es hierbei vier Bereiche, die beachtet werden sollten:

 

1. Einbettung in eine Handlung

 

Schreibt nach Möglichkeit keine Szenen, in denen nur geredet wird, sondern bindet Dialoge in Handlungen, Bewegungen und Actionszenen ein. Die faktische Bewegung der Figuren und der Handlung verbindet sich so mit den Dialogen und überträgt ihr Bewegungsmomentum auf sie, kann sogar mit ihnen kontrastieren und so Spannung erzeugen. Das ist nicht immer möglich, aber versucht,wenigstens eine interessante Situation oder Umgebung für einen Dialog zu finden, oder irgendwo eine Bewegung in die Szene einzubauen. Zum Beispiel können Figuren einfach irgendwo entlanggehen (zur Schule etc.), während sie sich unterhalten.

 

Beispiele:

- Ein Kriminalfall wird diskutiert, während die beteiligten Ermittler gerade zu einem Tatort rasen.

- Ein Liebesgeständnis, währned die beteiligten Figuren in einem Riesenrad/Karussel sitzen.

- Die Figuren bereiten ihre Waffen vor, während sie eine Angriffsstrategie ausdiskutieren.

- Ein Familiendialog, während die Beteiligten gerade beim Kochen sind.

- Sehr beliebt in Battle Manga: Die Figuren diskutieren ihre traumatische Vergangenheit, ihre Pläne oder Ansichten, während sie gerade in einen Kampf auf Leben und Tod verwickelt sind. Ist selten sehr glaubwürdig, aber dramaturgisch äußerst effektiv.

 

2. Grafische Inszenierung

 

Hierzu gehören natürlich Paneling, Perspektivwechsel, Größenvariation, Komposition. Alles was eure Seite spannend, attraktiv und dynamisch aussehen lässt. In westlichen Comics wird hier gerne abgekürzt. Ihr kennt sicherlich Seiten aus US-Mainstream-Comics, in denen eine ganze Dialogszene in einer Splashpage mit nur einem Panel inszeniert wird, wobei rund ein Dutzend Sprechblasen mit dem gesamten Gespräch in einem komplizierten Blasenlayout quer über die Seite tapeziert werden. Ist zwar zeichenökonomisch sinnig, liest sich aber selten sehr spannend. Der Grund ist ganz einfach: Ein einzelnes ausgewähltes Bild soll mimisch und gestisch ein gesamtes Gespräch repräsentieren. Zwangsläufig treten hier die Figuren in den Hintergrund. Handlung und Dialog werden hingegen überbetont. In solchen Comics wird die Handlung den Figuren vorgezogen.

 

Manga hingegen betonen stärker die Figuren, zweitrangig erst die Handlung. Siehe dazu die früheren Workshop-Einträge zum Protagonisten, die unten verlinkt sind. Demzufolge arbeiten Manga in Dialogen auch grafisch anders. Der Dialog wird in wesentlich mehr Einzelpanels zergliedert. Das ermöglicht, die emotionale Dynamik, die den Figuren in den Dialogszenen zugrunde liegt, genauer inszenieren zu können. Nicht der eigentliche Inhalt der Dialoge ist jetzt entscheidend, sondern die emotionalen Veränderungen, die die Dialoge in den Figuren hervorrufen. Mehr Panels bedeutet aber auch mehr Notwendigkeit, diese abwechslungsreich zu inszenieren. Hier ist ein gutes Gefühl für Perspektiven und Seitenaufbau ungemein wichtig.

 

3. Gesichtsausdrücke

 

Weitere Abwechslung und Variation ergibt sich natürlich aus der Mimik der Figuren. Diese ist selbstverständlich auch der Schlüssel zur emotionalen Tiefe der Figuren und daher gerade im Manga von absolut zentraler Bedeutung. Ein umfangreiches mimisches Repertoire eurer Figuren lässt die gerade erwähnte emotionale Dynamik in Dialogszenen erst auf dem Papier entstehen. Da Manga mit sehr vielen Panels arbeitet, müsst ihr euch hier ein abwechslungsreiches Sortiment an Gesichtsausdrücken zulegen, um euch nach Möglichkeit nicht allzu häufig zu wiederholen. Grimassen und cartoonhafte Übertreibungen sind bei Manga auch in „ernsthaften“ Geschichten absolut legitim. Meist verstärken sie sogar die Ausdruckskraft noch erheblich.

 

In Kombination mit wechselnen Perspektiven ergeben sich hier sehr schnell wesentlich mehr Möglichkeiten, als man dies zu Anfang vermuten würde. Aber das muss durchaus geübt werden, und gerade bei Newcomern sieht man es leider sehr häufig, dass Gesichter immer wieder aus den vertrauten Perspektiven und mit ähnlichen Gesichtsausdrücken inszeniert werden. Hier solltet ihr euch am besten anschauen, wie dies geschätzte Vorbilder von euch umsetzen. Da darf man auch ruhig mal zur Übung eine Zeitlang abzeichnen, bis man die Ausdrucksmöglichkeiten auf den eigenen Stil anwenden kann. Als fruchtbare Quellen könnt ihr euch zum Beispiel mal das extrem dialoglastige Bakuman. anschauen, oder auch Rin Okumuras abwechslungsreiches Minenspiel in Blue Exorcist zu Rate ziehen.

 

4. Gestik

 

Der eigentliche Anlass für diesen Eintrag. Aufgeworfen wurde das Thema von einer meiner redaktionellen Schützlinge, die ganz richtig beobachtet hat, dass eine Dialog haltende Figur eben mehr ist als ein Kopf mit Mimik. Was macht denn der Rest des Körpers, während man sich unterhält? Auch mit noch so abwechslungsreichem Mienenspiel kann man in einer Dialogszene nicht nur Köpfe zeichnen. Das Ergebnis wäre das sogenannte Talking Heads-Szenario, eine Ansammlung sprechender Köpfe, wie man sie aus Talkshows und Interviewszenen in Dokus kennt. Das ist natürlich vollkommen langweilig. Im Dienste der Abwechslung und Dynamik müssen die Figuren auch mal zu größerem Teil gezeigt werden. Und weil es ebenso langweilig ist, wenn sie während ihrer Gespräche die ganze Zeit nur herumstehen, sollten sie dabei auch irgendwelche Dinge tun, die vielleicht nicht unbedingt handlungsrelevant sind, aber die Figur nebenbei näher charakterisieren und die Szene abwechslungsreicher und unterhaltsamer gestalten.

 

Besagte Zeichnerin gab nun bei ihrem Redakteur folgende Liste in Auftrag, unter der Prämisse: Was kann einen Shounen-Manga-Held so alles tun, während er sich unterhält? Drei kurzerhand gegriffene Referenzmanga (die jeweils ersten Bände von Gin Tama, Blood Lad und Blue Exorcist) gaben hier schon einiges an Möglichkeiten her, und weil ich dieses mühsam erwirkte Geheimwissen auch gerne in den Dienst der Weiterentwicklung der Manga- und Comickunst in Deutschland stellen möchte, habe ich sie hier für euch noch einmal veröffentlicht. Falls euch weitere Tätigkeiten einfallen, könnt ihr sie gerne in den Kommentaren nachtragen.

 

Alle Tätigkeiten können natürlich auch beliebig kombiniert werden, zusammen mit verschiedenen Handlungen, Bewegungen, perspektivischen Inszenierungen und Mimiken. Das gibt euch ein schier unerschöpfliches Ausdruckspotential, mit dem ihr jede Dialogszene ansprechend gewürzt bekommt! Guten Appetit!

 

 

Überbrückungstätigkeiten eines Shounen-Manga-Helden:

 

- sich an die Stirn fassen

- den Kopf in die Hand legen

- zwinkern

- pfeifen

- grinsen

- Zunge rausstrecken

- sich über die Lippen lecken

- seufzen

- sabbern

- sich den Mund abwischen

- winken

- abwinken

- auf jemanden zeigen (vor sich)

- hinter sich zeigen (mit dem Daumen, lässig)

- auf sich selbst zeigen

- sich am Hals kratzen

- sich am Kopf kratzen

- sich am Kinn kratzen

- sich an der Seite kratzen

- sich am Hintern kratzen

- rülpsen

- am Kragen rumspielen

- sich überlegend das Kinn halten

- knurren

- in der Nase bohren

- im Ohr bohren (mit dem kleinen Finger)

- die eigenen Finger betrachten

- an den Nägeln kauen

- gähnen

- sich durchstrecken

- sich gegen etwas lehnen

- Arme verschränken

- sich ein Auge reiben

- sich beide Augen reiben

- mit den Achsen zucken

- in den Himmel starren

- auf den Boden starren

- Hände in die Hosentaschen stecken

- Hände in die Jackentaschen stecken

- eine Faust zeigen

- obszöne Gesten machen

- auf dem Handy rumtippen

- Grimassen schneiden

- den Kopf in die Hände stützen

- mit einem Gegenstand rumspielen (Stift, Schlüssel, Messer, Besteck etc.)

- etwas essen / kauen

- etwas trinken

- sich etwas zu essen machen / zu trinken eingießen

- ein Buch / Comic / Zeitung lesen / darin blättern

- sich etwas unwichtiges angucken / anstarren (Wand, Bild, Himmel, vorbeilaufendes Mädchen etc.)

- niesen

- husten

- spucken

- aufstampfen

- sich die Brille / Sonnenbrille hochschieben

- sich in sein Shirt krallen

- schnipsen

- den Zeigefinger hochzeigen (als schlaue Geste)

- eine Faust ballen

- ein Piece-Zeichen machen

- die Hand vor den Mund halten (geschockt / angeekelt …)

- sich an den Hut / die Mütze fassen (falls vorhanden)

- an den Haaren rumspielen

- Finger auf die Lippen legen (pssst)

- bei Umhängetaschen: an den Riemen greifen

- sich die Ohren zuhalten

- sich die Augen zuhalten

- sich die Nase zuhalten

- sich Luft zuwedeln

- ...



Liste der früheren Blog-Workshops: *bitte clicken*

Storytelling-Workshop #2 – Die äußere Gestaltung des Protagonisten Manga, Protagonist, Storytelling, Workshop

Autor:  roterKater
Eine der wichtigsten Weisheiten, die Studenten an den Manga-Fachschulen in Japan beigebracht bekommen, ist: Wenn die Leser die nächste Episode einer Serie erwarten, dann müssen sie nicht wissen wollen, wie die Handlung weitergeht, sondern sie müssen den Protagonisten wiedertreffen wollen. Im Serien-Manga steht die Schaffung eines interessanten und vor allem faszinierenden Protagonisten an erster Stelle, noch vor der eigentlichen Story. Das kann man natürlich eigentlich so nicht sagen, denn erst durch die Handlung stellt sich ein Protagonist ja dar, aber es zeigt, wie immens wichtig eine gut herausgearbeitete handlungstragende Figur ist, damit ein Manga erfolgreich sein kann.
 
Ob "One Piece", "Naruto", "Sailor Moon", Detective Conan", "Inu Yasha" oder "Kuroshitsuji" – sie alle haben besondere Hauptfiguren, die einfach wiederzuerkennen sind und Fans faszinieren. Das glit natürlich nicht nur für Manga, sondern auch für US-Comics ("Batman" und Superhelden allgemein), Literatur ("Harry Potter"), Kino ("Mad Max") oder Fernsehen ("Dr. House"). In vielen Fällen wird der Protagonist sogar gleich zum Träger des Titels.
 
Über die Wichtigkeit des Protagonisten für die Dramaturgie der Handlung hatte ich schon geschrieben. Diesmal soll es hauptsächlich darum gehen, wie man einen solchen Protagonisten gestalten kann. Dafür sind verschiedene Punkte der äußeren und der inneren Gestaltung zu beachten.

 
Die äußere Gestaltung des Protagonisten
 
Das Aussehen des Helden ist natürlich besonders wichtig, gerade in einem visuell geprägten Medium wie dem Comic und dem ganzen Manga- und Anime-Korpus im Allgemeinen, in dem  sehr viel Wert auf Oberflächen und visuelle Gestaltung gelegt wird. Für die äußere Gestaltung halte ich zwei Punkte für besonders wichtig: Attraktivität und Ikonografie.
 
Attraktivität:
 
Machen wir uns nichts vor – ein gut aussehender Held hat es leichter beim Leser. Um den Protagonisten wirklich in jedem Kapitel wiedertreffen zu wollen, hilft es, wenn wir ihn rein äußerlich ansprechend finden. Das ist hier nicht nur im sexuellen Sinn zu verstehen, sonst würden Jungs ja keine Battle Manga mehr lesen. Aber wenn allein das Äußere fasziniert (oder wir es cool oder einfach nur interessant finden), ist damit meist schon der erste Schritt getan, dass wir uns für eine Figur besonders interessieren. Finden wir eine Figur auf den ersten Blick abstoßend oder langweilig, hat sie es schwerer, sich unsere Sympathie zu erkämpfen. In der Psychologie nennt sich das "Primacy Effect". Das bedeutet, dass er erste Eindruck von etwas meist haften bleibt und die spätere Beziehung vorprägt, weil alles Spätere erst einmal gegen diesen ersten Eindruck abgemessen wird. Das ist im echten Leben so und gilt auch fürs Storytelling.
 
In der japanischen Mangaindustrie ist der Erfolg oft schon vom ersten Magazinkapitel abhängig. Deswegen ist der erste Eindruck so besonders wichtig. Zudem verkaufen sich Manga eben zu einem großen Teil auch über das Cover, welches zumindest bei Band 1 vom Protagonisten geziert werden sollte und die Leser erst auf ein Werk aufmerksam macht. Die Auseinandersetzung mit Schönheitsidealen hat also eine wichtige Funktion, aber auf die Geschichte betrachtet beschränkt sich die Attraktivität nicht nur auf die äußere Erscheinung, sondern auch auf Charaktereigenschaften und Handlungen (bestes Beispiel: "Dr. House"). Darüber aber mehr, wenn es um die innere Gestaltung geht.
 
Ikonografie:
 
Attraktivität allein macht einen Protagonisten noch nicht zu etwas Besonderem. Im Manga sind fast alle Protagonisten attraktiv, alle Schönheitsideale schon tausendfach vorhanden. Dadurch allein wird also noch kein Manga zum Erfolg. Deswegen ist die ikonografische Gestaltung des Protagonisten immens wichtig. Man könnte vereinfacht sagen: der Wiedererkennungswert. Ein Protagonist muss, um aus der Masse herauszuragen, etwas Besonderes, Einzigartiges und Unverbrauchtes an seinem Äußeren haben. Er braucht bestimmte äußerliche Merkmale – Kleidung, Haarfarbe, Tattoos etc., aber auch Zeichenstil gehört dazu– die sich dem Leser sofort als besondere Erscheinungsform dieser Figur einprägen.
 
Bestes Beispiel sind sicherlich die Kostümdesigns amerikanischer Superhelden. In Farbe, Muster und besonderen Accessoires (Maske, Fledermausohren, Cape etc.) ist jeder Superheld auf den ersten Blick sofort erkennbar. Bei Dr. House sind es Gehstock und Dreitagebart. Im Manga sind neben einem unverwechselbaren Zeichenstil des individuellen Zeichners häufig besondere Frisuren (Son Goku, Naruto, Sailor Moon). Ichigo aus "Bleach" ist allein deshalb so einfach wiedererkennbar, weil Orange eine bis dato erstaunlich unverbrauchte Haarfarbe für Manga-Protagonisten war. Bestimmte Details wie die Striche auf Narutos Wangen erleichtern ebenso den Wiedererkennungswert. Ungewöhnliche Kleidung, besondere Waffen, bestimmte Piercings  - alles, was zu einem Trademark eures Protagonisten taugen kann, ist wichtig für seine Ikonografie.
 
Dabei ist eine gewahrte visuelle Einfachheit sehr wichtig. Je weniger Details der Betrachter auf einen Blick wahrnehmen muss, um die Ikonografie zu erfassen, umso besser. Radikalstes Beispiel: Mickey Mouse. Ein kleiner und zwei große Kreise reichen völlig aus, um Disneys berühmtestes Geschöpf mit all seinen kulturellen Bezügen ins Gedächtnis zu rufen. Bei den Simpsons hat allein die Hautfarbe schon zur Berühmtheit gelangt. Auch einen Naruto könnte wahrscheinlich der talentloseste Zeichner trotzdem eindeutig erkennbar wiedergeben: gelbe Stachelfrisur, Stirnband, rundes Gesicht, drei Striche unter jedes Auge. Bei Ruffy reicht Strohhut, ständig optimistisches Grinsen, dürre Gestalt und Odas unverwechselbarer Zeichenstil. Manga-Zeichner mit Visual-Kei-Bezug neigen hingegen oft dazu, ihre Figuren mit unzähligen Details zu überladen. Das macht es aber schwer für den Betrachter, aus den ganzen Details das Besondere der Figur herauszufiltern. Und ganz nebenbei macht ihr dadurch euch oder eurem Zeichner das Leben zu Hölle! ;)
 
Warum ist der Wiedererkennungswert so wichtig?
 
- Zum einen brennen sich Figuren dadurch dem Betrachter besser ins Gedächtnis ein. An eine Figur, die besondere Merkmale hat, erinnert man sich leichter. Die ganze Story bleibt dadurch besser im Gedächtnis und lässt die Leser mehr vom dem Thema verlangen.
 
- Zum zweiten hebt es sie aus der Masse der anderen Protagonisten ab. Eine gute Ikonografie fällt auf und macht mehr Leser auf eine Story aufmerksam, gerade wenn man Figuren überall wiedersieht, wie zum Beispiel bei Naruto. Die Story ist dadurch auch besser zu bewerben, weil der Protagonist zum Trademark wird.
 
- Weiterhin hilft es, aus dem Kreis derAttraktivität auszubrechen. Ein Protagonist muss nicht mehr unbedingt toll aussehen, um faszinierend zu wirken. Man denke zum Beispiel an den jungen Son Goku, Detective Conan oder Shin-chan. US-Serien sind hier besonders eindrückliche Beispiele (Die Simpsons, South Park, Family Guy...).
 
- Und nicht zuletzt spornt die Ikonografie auch die Fan-Kultur an, bei Manga insbesondere Cosplay und Fanart. Cosplayer brauchen nicht nur das attraktive Aussehen der Figuren, sondern ihre besondere, unverwechselbare und einfach zu erkennende Erscheinung, damit sie für sie interessant werden.
 
Wenn ihr euren Protagonisten designt, stellt euch also am besten folgende Fragen:

- Warum sollte sich der Leser, allein vom Äußeren her, auf den ersten Blick für ihn interessieren?
- Was macht seine Attraktivität aus?
- Was macht ihn optisch zu etwas Besonderem und?
- Ist das Design einfach und herausstechend genug, um sofort wiedererkannt zu werden?
 

Das letztendliche Design kann euch natürlich keiner abnehmen. Für Anregungen dazu kann ich nur auf einschlägige Zeichenkursbücher, eure Mangasammlung und letztendlich eure Phantasie verweisen. Für einen gut designten Protagonisten gibt es keine Formel. Aber mit diesen Punkten könnt ihr abgleichen, wie gut euer Protagonist auf den ersten Blick bestehen würde und was ihm (oder natürlich ihr) vielleicht optisch noch fehlt (oder zuviel ist), damit ihr Figuren schaffen könnt, die den Betrachter auf den ersten Blick faszinieren.
 
Ach ja, diese Gestaltungspunkte gelten natürlich nicht nur für eure Protagonisten, sondern auch für alle anderen handlungstragenden Figuren. Nicht selten sind ja die Nebenfiguren mitverantwortlich für den Erfolg einer Serie, und eine ganze Reihe unverwechselbarer Gestalten zu schaffen ist noch beteutend schwieriger. Schaut euch mal an, mit welchen Tricks Masashi Kishimoto jeder der sicher weit über 100 in Naruto auftauchenden Figuren ein besonderes Äußeres gibt. Gerade bei so großen Figurengruppen ist es wichtig, nicht nur Haarfarbe und Frisur zu variieren, sondern auch besondere Gesichter zu schaffen (Kishimoto erreicht extem viel über die Gestaltung der Augen).
 
Der Protagonist bleibt aber der Schlüssel zum Erfolg, weil sein Aussehen das Trademark für die ganze Story stellt. Er muss immer klar und eindeutig aus dem Figurenpulk herauszuerkennen sein. Wenn der Protagonist nicht mehr heraussticht und man die Figuren ständig verwechselt, weil der Zeichner immer nur dasselbe Gesicht mit leicht variierenden Frisuren zeichnet, wird es schwierig für den Leser, sich mit dem Protagonisten anzufreunden. Das war zum Beispiel eine der wenigen Problemzonen im ansonsten wirklich tollen "Gothic Sports".
 
Also, immer dran denken: Macht eure Figuren zu etwas Besonderem!
 
Nächstes Mal: Die innere Gestaltung des Protagonisten – Sympathie und Empathie

Storytelling-Workshop #1 – Der Protagonist Manga, Protagonist, Storytelling, Workshop

Autor:  roterKater
Auftakt zu einer Reihe mit kleinen Aufsätzen zum Storytelling mit besonderem Hinblick auf Manga. Hoffe, sie sind bei der Konzeption von euren Stories eine kleine Hilfe!
 
Heute: Der Protagonist
 
Dramaturgische Funktion:
 
Der Protagonist die die Hauptfigur eurer Geschichte. Um ihm entfaltet sich die Handlung und er ist die aktive, treibende kraft der Erzählung. Eine klassische Erzählung hat viele handelnde Figuren, meist auch gleich eine ganze Reihe zentraler Figuren, aber nur einen Protagonisten. Die Geschichte des Protagonisten ist dabei der Hauptplot der Erzählung, das heißt die Geschichte fängt mit ihm an (oder führt ihn sehr früh ein) und hört mit ihm auf, wobei der zentrale Konflikt der Erzählung am Ende des Hauptplots steht und eine aktive Entscheidung des Protagonisten an den Höhepunkt der ganzen Erzählung setzt. So zumindest bei in sich geschlossenen Stories. Bei Episodengeschichten erfolgt eine Reihe mehr oder weniger in sich geschlossener Handlungsabschnitte, die alle nach diesem Prinzip aufgebaut sind.
 
Ein Protagonist hat ein übergeordnetes Handlungsziel. Er will irgendetwas erreichen, aber dabei stehen ihm Hindernisse ihm Weg, die er überwinden muss, wodurch sich das Konfliktpotential der Erzählung ergibt . Dieser Grundkonflikt ist der Motor jeder Story. Die Hauptfigur will irgendetwas erreichen, zahlreiche Dinge stehen ihr im Weg, und erst ganz zum Schluss der dieser Konflikt gelöst und das Ziel erreicht (oder auch nicht). Der Protagonist muss dabei aktiv sein. Er muss aus eigenem Antrieb auf sein Ziel hinarbeiten und dabei wichtige Entscheidungen treffen. Er kann nicht nur auf Situationen reagieren, sondern er muss selbst aktiv den Fortgang der Story im Hinblick auf sein Handlungsziel prägen.
 
In einer klassischen Romance-Geschichte zum Beispiel dreht sich der Hauptplot in der Regel um die Frage, ob sie ihn kriegt (oder er ihn bei BL). Die Protagonistin hat also das übergeordnete Handlungsziel, mit jemand bestimmten zusammenzukommen. Dabei stellen sich ihr zahlreiche Hindernisse in den Weg: die Schulzicke, die es auf sie abgesehen hat, Konkurrentinnen mit dem selben Ziel, die eigene Tollpatschigkeit, Verwechslungen und Missverständnisse... ihr kennt das ja alles. Jetzt darf sie sich aber, um eine echte Protagonistin zu sein, nicht mit der schwierigen Lage abfinden, sondern muss sich selbst am Riemen reißen und diese ganzen Hindernisse nacheinander überwinden, wobei diese Konflikte im Fortgang der Story immer dramatischer und schwieriger zu überwinden werden. So wird aus einem Handlungsablauf eine richtige und vor allem spannende Story.
 
Oder nehmen wir mal die großen Shônen-Manga, wo man das auch sehr deutlich erkennen kann. Zum Beispiel "One Piece". Protagonist: Ruffy. Übergeordnetes Handlungsziel: Piratenkönig werden. Hindernisse: keine Crew, kein Schiff, kann nicht schwimmen, andere Piraten, Soldaten, Seeungeheuer, Freunde in Not... daraus leiten sich dann untergeordnete Handlungsziele ab: ein Schiff finden, eine Crew anheuern, denen bei ihrem jeweiligen Problemen aus der Patsche helfen, damit sie sich ihm anschließen, die zahlreichen Gegner besiegen, die Gand Line besegeln und so weiter. Ein solches  Vorgehen ist für Fortsetzungsgeschichten besonders günstig, da man gewisse einzelne Unterziele, die alle Teil eines größeren Ziels sind, hintereinander abhaken kann und so mehrere auf sich folgende Spannungsbögen aneinanderreihen kann. Die nacheinander angeheuerten Crewmitglieder bekommen so alle ihre eigenen Subplots, wodurch sich die Handlung sehr gut strecken lässt, ohne an Spannung zu verlieren. Das große übergeordnete Handlungsziel des Protagonisten bleibt aber die ganze Zeit präsent. Zum Thema Haupt- und Subplot in einem späteren Beitrag mehr.
 
Oder "Naruto", ist im Wesentlichen genau das gleiche. Protagonist: Naruto. Übergeordnetes Handlungsziel: Will der stärkste aller Ninja und nächster Hokage werden. Untergeordnete Handlungsziele und Hindernisse: Muss die einzelnen Prüfstationen in der Ninja-Ausbildung überstehen. Im Weg steht ihm dabei meist die eigene Dummheit. Muss in Aufträgen und Prüfungen gefährliche Gegner besiegen. Diese sind meist auf den ersten Blick stärker als er. Er kann sie nur besiegen, wenn er Verbündete gewinnt. Diese muss er sich aber auch erst erkämpfen. Und so weiter... Auch bei "Naruto" erkennt man sehr gut den stufenweisen Fortschritt im Hinblick auf ein übergeordnetes Handlungsziel (zum Beispiel die einzelnen Prüfungen). Das ist die Grundessenz aller Battle-Manga.
 
Das übergeordnete Handlungsziel eines Protagonisten kann sich im Verlauf einer Erzählung auch ändern, oder besser: eine tiefere, bedeutsamere Schicht an den Tag legen. Mal ein Beispiel aus dem Kino: "Avatar". Jake Scully, der im Rollstuhl sitzt, hat als erstes Handlungsziel, seine Beine wiederzugewinnen. Dafür muss er für seinen Kommandanten das Vertrauen der Na'vi gewinnen und sie ausspionieren. Im Laufe der Zeit entdeckt er jedoch ein neues, bedeutsameres übergeordnetes Handlungsziel: die Na'vi zu beschützen. (Ja, ich weiß, ich hätte hier auch "Pocahontas" anführen können, aber es geht ja nur ums Grundprinzip...) Der Protagonist macht eine innere Reifung, einen Veränderungsprozess durch, durch den er innerlich wächst und ein bedeutsameres Handlungsziel erreicht. Dafür muss er auch bereit sein, Opfer zu bringen, ein Dilemma zu überwinden und sich für die "richtige" Sache entscheiden. Er kann nicht seine Beine zurückgewinnen UND die Na'vi schützen, also opfert er seine Beine – nur um sie nach Hollywoods Happy-End-Logik am Ende doch zu bekommen, wenn auch in neuer Form: durch seine Wiedergeburt als Na'vi. Man könnte sagen, das klassische Happy End ist die Belohnung des Protagonisten dafür, dass er an anderer Stelle etwas geopfert hat (in Action-Plots in der Regel seine Sicherheit, wenn er sich in Lebensgefahr begibt). Ein starker Protagonist entwickelt sich also auch weiter, nicht nur, indem er immer stärker wird, sondern auch indem er moralisch reift. Das trifft auf "Avatar" genauso zu wie auf "Naruto" oder "Harry Potter", sowie auf tausende andere Erzählungen.
 
Wenn ihr eure Story plant, stellt euch also am besten folgende Fragen:
 
- Wer ist der Protagonist? Um wen geht es in der Geschichte hauptsächlich?
- Was ist das übergeordnete Handlungsziel des Protagonisten? Was will er unbedingt erreichen?
- Was steht ihm dabei im Weg? Welche Hindernisse muss er überwinden, um sein Ziel zu erreichen?
- Wie verändert und entwickelt er sich durch seine Handlungen?
 
Wenn ihr diese Fragen alle beantworten könnt, habt ihr den Hauptplot eurer Stroy und damit das Rückrat eurer Dramaturgie schon zusammen, und das ist tatsächlich das wichtigste! Diesen Hauptplot solltet ihr dann bei der Ausgestaltung immer im Auge haben niemals aus dem Blick verlieren.  Dann kann bei eurer Erzählung eigentlich schon gar nicht mehr viel schieflaufen!
 
Demnächst in diesem Blog:
- Die Gestaltung des Protagonisten
- Doppel- und Mehrfachprotagonisten
- Die Sache mit dem Konflikt
- Haupt- und Subplot
- ...

Bis zum nächsten Mal!