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Review: "Ein Lied für Elise" DManga, Natalia Batista, Review, tokyopop

Autor:  roterKater



Ein bisschen verfänglich ist es ja schon, das Review unter "Germanga" zu taggen. Natalia kommt ja bekanntlich aus Schweden und hat das Projekt zuerst als Selbstveröffentlichung auf Englisch unter die Leute gebracht. Tokyopop legt jetzt eine neu überarbeitete und natürlich auf Deutsch übersetzte Fassung vor, die damit also irgendwie auch wieder eine deutsche Eigenproduktion ist. Besonders prekär wird die Sache aber dadurch, dass sich der ein oder Fan der deutschen Manga-Zeichner fragt, wozu man denn nun eigentlich extra Zeichner aus Schweden ankarren muss, wenn mittlerweile auch die fähigsten heimischen Zeichner bei den Verlagen eine Absage nach der anderen kassieren. Hauptsache Boyslove?

Ich halte mich hier mal mit vorschnellen Statements zu der Problematik zurück, da kann sich jeder selbst seinen Teil zu denken. Letztendlich steht bei allem Lokalpatriotismus die Qualität der Veröffentlichung an erster Stelle. "Ein Lied für Elise" bringt das allerdings in eine äußerst schwierige Ausgangssituation: Natalia muss sich nicht nur gegen die japanischen Veröffentlichungen behaupten, sondern auch gegen die deutschen Zeichner und deren Fans, die jetzt mit Argusaugen auf den besetzten Slot im Release-Kalender schielen. Der Band muss hier also schon einiges bieten, um ihren Platz im TP-Programm behaupten zu können. Und tut er das?

Mitnichten. "Ein Lied für Elise" ist zwar bei Weitem kein schlechtes Werk, aber eben auch kein besonders gutes. Den Kern der Handlung bildet die problematische Dreiecksbeziehung der Schulfreunde Andi, Markus und der unter Borderline leidenden Elise. Beide tun trotz ihrer Karrieren als Sänger und Kunststudent ihr Möglichstes, um für die psychisch schwer belastete Elise da zu sein. Nur ihre Liebe können sie ihr nicht bieten. Denn Andi liebt Markus...

Natalia verortet ihre Geschichte weniger in den üblichen von Klischees durchtränkten Boyslove-Fantasien, sondern legt sie etwas bodenständiger und realistischer an. Trotz der Borderline-Thematik wird die Story aber nie wirklich galubwürdig, da sie stark an der Oberfläche der Charaktere bleibt und trotz einiger geschickt eingebundener Rückblenden nicht den nötigen Platz findet, ihnen Tiefe zu verleihen. Und es wäre verkürzt, das auf das Einzelbandformat zu schieben. Natalia panelt wie viele westliche Mangaka extrem großzügig, um mit den Zeichnungen schnell voranzukommen. Der Band ist in gut zwanzig Minuten durchgelesen. Auf 200+ Seiten hätte man wesentlich mehr Handlung unterbringen können, wenn man denn gewollt hätte.

Ein bisschen frag ich mich aber, ob das überhaupt beabsichtigt war. Nach den dramatischen ersten zwei Kapiteln wischt das dritte und letzte Kapitel nämlich alle Schicksalsschläge beiseite und stürzt sich in eine feucht-fröhliche Yaoi-Orgie, die mit den ersten beiden Kapiteln überhaupt nicht zu vereinbaren ist. Es wird sicher viele freuen, dass die Sexszenen sehr explizit und ausführlich geraten sind (man sieht tatsächlich deutlich mehr als in den japanischen Gegenstücken), aber letztendlich hängt "Ein Lied für Elise" etwas orientierungslos zwischen den Stühlen. Die Leser, die sich auf eine ernsthafte und realistische BL-Romanze mit Tiefgang gefreut haben, werden sich etwas verschaukelt fühlen, wenn das ganze Drama der ersten zwei Akte am Ende nur dazu diente, einen Aufhänger für explizite Sexszenen zu liefern. Und diejenigen, denen es eh nur um den Sex ging, werden mit dem langen Anlauf zu kämpfen haben. Anscheinend wollte man es wieder zu vielen Leuten Recht machen und hat dabei den roten Faden etwas aus den Augen verloren.

Zeichnerisch weißt "Ein Lied für Elise" dieselben Ökonomisierungs-Probleme auf, wie man sie auch von einigen deutschen Zeichnern kennt: großzügiges Paneling, extrem sparsame bis gar nicht vorhandene Hintergründe, dafür exzessiver PC-Rasterfolieneinsatz, um die Seiten irgendwie voll zu kriegen. Ich wünschte wirklich, man würde einige Zeichner dazu zwingen, ihre Seiten komplett per Hand zu rastern, so dass sie angesichts der anfallenden Rasterfolienkosten das Stilmittel mal etwas überlegter einsetzten. Trotz der kräftigen Überrasterung liegen Natalias Zeichnungen aber gut im Auge. Wenn man sich mit dem deutlich westlich geprägten Stil anfreunden kann, bekommt man hübsch geinkte und gelayoutete Seiten vorgesetzt. Insbesondere das sehr dynamische Paneling kann sich wirklich sehen lassen. Und wenn's ans Eingemachte geht, darf man auch Natalias, öhm, umfassende Anatomiekenntnisse bestaunen, mit denen Boyslove-Fans sicherlich mehr als glücklich werden.

Zusammenfassend kann man sagen, dass "Ein Lied für Elise" etwas unentschieden zwischen zwischen Sex und Drama hängt. Die ersten zwei Kapitel bieten ordentliches Storytelling mit geschickt eingeflochtenen Rückblenden und Mut zum Drama. Das dritte Kapitel bietet glücksseligen und alles andere als zurückhaltenden BL-Sex für alle stilistisch etwas weltoffeneren Yaoi-Fans. Beides hat irgendwie etwas miteinander zu tun. Das eine als Rechtfertigung für das andere anzusehen fiel mir zumindest etwas schwer. Zeichnerisch bietet der Band nicht mehr, als man es auch von hiesigen Zeichnern kennt. Ob ihm das die Rechtfertigung abspricht, hierzulande veröffentlicht zu werden, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Für Boyslove-Fans, die es gerne auch mal etwas realistischer mögen und eher westlich geprägte Stile nicht scheuen, aber definitiv einen Blick wert!

Ach ja, falls sich noch jemand fragt, was das Ganze jetzt mit Beethoven zu tun hat: genau gar nichts! ^^

Datum: 26.10.2010 14:46
Sehr gute und ausführliche Review. Du hast vieles von dem was mir auch an diesem Werk aufgefallen ist genannt.

Ich war auch von diesem aprupten Schwenker gegen Ende ein wenig vor den Kopf gestoßen. Es wirkt ja wirklich so, also wäre die gesamte dramatische Geschichte nur konstruiert um die beiden Protagonisten ins Bett zu bekommen.
Ich fand es schon irgendwie krass, dass Andi seine tiefe Trauer um Elise so vom Tisch wischte, nachdem Markus ihm sagte er würde ihn wirklich mögen.
Das mit den Hintergründen fiel mir ebenfalls auf. Da wo welche vorhanden sind, sind sie meiner Meinung nach (meistens aber nicht immer) sauber umgesetzt, aber es reicht gerade so um ein Gefühl für die Umgebung zu vermitteln. Das ist allerdings oft ein Problem von Yaoi-Mangas finde ich.

Ich denke auch in die Charaktere hätte man mehr hineinpacken können. Vor allem Markus ist recht blass geblieben. Der Chara der mit am besten in Erinnerung blieb ist Elise, obwohl sie 2 Drittel der Geschichte tot ist. Ich denke das liegt daran, dass sie einige extremere Charakteigenschaften besitzt als die beiden männlichen Protagonisten.

Eigentlich finde ich es schade. Den Einstieg in die Story fand ich klasse, hätte sie so weiter gemacht, wäre "Ein Lied für Elise" sicher ein recht gutes Werk geworden.


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