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Newsmeldung von animexx

Thread-InfosVeröffentlicht: 25.06.2002, 14:50
Quelle: Carlsen Comics


News von  animexx
25.06.2002 14:50
Carlsen Comics: Offener Brief an den SPIEGEL
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Als Reaktion auf den Manga-Artikel "Manga Chutney" in der aktuellen Ausgabe des kulturSPIEGEL 7/2002 hat der Carlsen Verlag noch am selben Tag einen offenen Brief an die Redaktion des SPIEGELs verfasst, der in voller Länge im Anhang zu lesen ist.

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Offener Brief an die Redaktion Kulturspiegel

Bezug: Titelthema im Kulturspiegel Nr. 7/2002

Hamburg, 24.06.2002



DEN KOPF IN DER LEDERHOSE?
Deutsche Verleger sind gänzlich unwild auf miese Aufmacher im Kulturspiegel

Liebe Kollegen und Kolleginnen vom SPIEGEL!

Dafür, dass auch der SPIEGEL sich den Gesetzen des Marktes unterwerfen muss, die er ansonsten gerne kritisiert, habe ich ja ein gewisses Verständnis. Dafür, dass man sich zum Erreichen besserer Absatzzahlen gezielt der Desinformation bedient und damit ein Genre der Jugendliteratur in Bausch und Bogen diskreditiert, mag ich jedoch nicht das geringste Verständnis haben.

Was sich Ihre Autoren Jörg Böckem und Christoph Dallach in der neuesten Ausgabe des Kulturspiegels geleistet haben, ist an Peinlichkeit wohl kaum noch zu überbieten. Schon der Titel »Liebesgrüße aus Tokyo« (Witzig! Witzig! Da hört man die Lederhosen der 60er Jahre krachen...) sagt in der Kombination mit der unerträglichen Unterzeile »Deutsche Mädchen sind ganz wild auf japanische Sex-Comics« weit mehr über die Interessen der Redakteure als über deutsche Manga-Leser und -Leserinnen aus.

Da hätte man nun die Chance gehabt, sich bei der Auseinandersetzung mit dem Phänomen Manga gegenüber der nicht minder peinlichen Berichterstattung im FOCUS von vor wenigen Wochen positiv abzusetzen, und dann das: Statt sich ernsthaft mit der Frage zu beschäftigen, warum sich so viele Jugendliche mit einer solchen Begeisterung den Manga zuwenden, lassen die beiden Autoren ihre Köpfe durch feuchte Schulmädchenschlüpfer wandern und braten zum tausendsten Mal das alte Märchen neu auf, alle Manga seien von Sex und Gewalt bestimmt. Damit befriedigen sie allenfalls beim Kulturspiegel-Leser jene niedrigen Reize, die sie den Manga-Leserinnen unterstellen wollen, und stellen ansonsten vor allem eines unter Beweis: Dass sie nicht einmal versuchen wollen, das Phänomen Manga zu begreifen.

Manga überzeugen ihre Leser und Leserinnen gerade durch ihre thematische Vielfalt, die gute Charakterisierung der Figuren und neue Erzählstrukturen, die unserer Zeit entsprechen, aber eben nicht durch das simple Spiel mit Schlüsselreizen. Manga-Autoren nehmen ihr Publikum ernst, und wissen daher, dass junge Leser sich nicht allein durch die platte Inszenierung von Sexualität begeistern lassen. Wie schade, dass der Kulturspiegel diesen Respekt vor seinen Lesern offensichtlich nicht mehr hat.

Da wird denn selbst unserem unschuldigen Son-Goku aus der Serie DRAGON BALL unterstellt, er habe »amouröse Abenteuer erlebt«, von denen er bis heute noch träumen muss. Und weil man in der Serie keine Belege dafür findet, wird dieser Text dann eben kurzerhand mit einem Motiv aus einer anderen Serie illustriert - frei nach dem Motto: »Macht ja nix, die Spiegel-Leser kennen ohnehin keine Manga-Serien und merken das nicht.« Einer der wenigen Sätze, die in dem Artikel zu Recht stehen, ist dann noch der: »Die Darstellungen von Sex und Erotik sind (...) beinahe allgegenwärtig.« - Nur darf man ihn eben nicht auf Manga, sondern muss ihn auf die Ergüsse (Sehen Sie? Ich kann auch so witzig sein!) der Autoren beziehen, die ihre eigene Fantasie ganz offensichtlich einer Betrachtung der tatsächlichen Inhalte vorziehen.

Mit Recht protestieren die deutschen Manga-Fans gerade im Internet gegen diesen unsachlichen und verzerrenden Artikel. Man kann sich nur wünschen, dass sie alle sich gut einprägen, wo sie ihn gelesen haben, und sich einem Medium, dass sie nicht verstehen will, in Zukunft entziehen.


Gute Besserung wünscht


Dr. Joachim Kaps
Carlsen Comics
Verlagsleitung

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