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Newsmeldung von animexx

Thread-InfosVeröffentlicht: 27.02.2002, 03:04
Quelle: Der Tagesspiegel


News von  animexx
27.02.2002 03:04
Zeitungs-Leserbrief zu Berlinale-Artikel
Newsmeldung von  animexx auf Animexx.de
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Anlässlich der Verleihung des Goldenen Bären an Hayao Miyazakis Anime-Kinofilm "Sen to Chihiro no Kamikakushi" auf der Berlinale hatte der Berliner Tagesspiegel wie berichtet am 18. Februar einen Artikel veröffentlicht, in dem diese Ehrung sinngemäß als "Ohrfeige für den Realfilm" bezeichnet worden war.
Inzwischen ist in der gleichen Zeitung ein Leserbrief mit entgegengesetzter Meinung abgedruckt worden, zusammen mit einer Antwort durch den verantwortlichen Redakteur. Die unterschiedlichen Standpunkte kann man im Anhang lesen.
---------- Leserbrief im Berliner Tagesspiegel

Sind Trickfilme kindisch?

Unser Leser Sven Wiese wundert sich über die "Ohrfeige" des Tagesspiegel für den Preisträgerfilm der Berlinale. Filmredakteur Jan Schulz-Ojala antwortet

Betrifft: "Die finale Fantasie" vom 18. Februar 2002

Sehr geehrter Herr Schulz-Ojala

unabhängig von der sicherlich subjektiven Qualität der Preisträger störte mich die Überheblichkeit, mit der Sie den Preisträger "Sen no Chihiro no Kamikakushi" wegwischen, eine mehrfache Ohrfeige für Herrn Miyazaki und den animierten Film insgesamt. Es ist traurig, dass Sie den animierten Film zwar für eine "formal" innovative Fantasie halten, die aber wie alle Trickfilme nur etwas für großen Kinder ist und in einem Festival, in dem erwachsene Filme mit realen Schauspielern gezeigt werden, nichts verloren hat. Ihr Grauen davor, dass komplett am Rechner erstellte Filme die Preise "abräumen", halte ich angesichts der Tatsache, dass der Trickfilm wohl kaum in den Kategorien für Beste SchauspielerInnen, Kameraführung usw. antreten und auch nicht den Realfilm verdrängen kann, für übertrieben.

Vermutlich stellen Sie sich die Produktion animierter Filme so vor: Ein Script, ein paar Roh-Entwürfe, der Computer rechnet ein paar Tage - fertig ist der Trickfilm. Der kreative Prozess bleibt Ihrer Meinung nach vermutlich allein dem Realfilm überlassen. Das ist so absurd, als wenn Sie sich vorgestellt hätten, dass bei der Oscarverleihung für beste Filmmusik die Software des Komponisten und beim Biathlon die Gewehre und Ski der Sieger geehrt werden.

Sven Wiese, Berlin-Lankwitz

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---------- Antwort des Redakteurs

Sehr geehrter Herr Wiese

Animationsfilme, ob am Tricktisch oder am Computer entstanden, gehören zur wohl vitalsten aller Film-Gattungen. Überwiegend für ein kindliches Publikum gedacht verzaubern sie aber auch Erwachsene durch Phantasie und mitunter (Selbst-)Ironie - ob bei Disney, Spielbergs Dreamworks oder in den japanischen Anime-Welten.

Auch Hayao Miyazakis Berlinale-Sieger "Sen to Chihiro no Kamikakushi" ist ein ansehnlicher Film - das hatte der in einem gewissen Spontanschmerz geschriebene Kommentar zur Jury-Entscheidung gar nicht in Abrede gestellt. Wohl aber muss gefragt werden, ob die Konkurrenz zwischen verschiedenen Gattungen wie dem Animations- und dem Spielfilm bei A-Festivals wie Cannes, Venedig oder Berlin Sinn macht. Sie ist eingerissen in letzter Zeit - wohl eine Reverenz an den rasanten Fortschritt in der computergenerierten Bildherstellung. Nur schlüssig ist sie deshalb noch lange nicht.

In den Wettbewerben dieser Festivals wird die Qualität von Spielfilmen verglichen. Schauspieler stellen in ihnen eine Geschichte dar, die reale, historische, aber auch erfundene Grundlagen haben kann. Das ist ihre Anima, die kein Animationsfilm erreichen kann und will. Dessen ausschließlich erdachtes und fraglos aufwendig gemachtes Bild enstammt einer anderen kreativen Welt als das Ensemblespiel. Es mag künstlerisch sein, aber es bleibt: künstlich.

Die amerikanische Oscar-Akademie hat das erkannt - und die wachsende Bedeutung des Animationsfilms mit einem eigenen (!) Oscar gewürdigt. Die großen Festivals aber, die das Gleich-zu-Gleich zulassen, bringen sich in Definitionsnöte. Warum nehmen sie den Trickfilm in ihre Wettbewerbe auf, halten aber den Dokumentar- oder Werbefilm draußen, um nur zwei Gattungen zu nennen? Weil hier das Unvergleichbare vollends offensichtlich wird?

Trösten wir uns. Alle diese Film-Gattungen, auch der Animationsfilm, haben ihre eigenen Festivals, und das ist klug so. Dabei braucht der Animationsfilm, der ewige Publikumsliebling, Festivals wohl am allerwenigsten. Aber das ist eine andere Geschichte.

Jan Schulz-Ojala, Filmredakteur

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