Eine zweite Chance von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Eine zweite Chance von Neko Disclaimer: Alle hier auftretenden Charaktere aus ,Sailor Moon' gehören Naoko Takeuchi, Kodansha und Toei Animation, ich borge sie mir nur für eine Weile. Mailt mir bitte an neko-chan@t-online.de, ich würde mich über Kommentare und Kritik jeglicher Art von Euch freuen. Eine Vorbemerkung noch: die Geschichte spielt unmittelbar nach der S-Staffel (Animeversion). Die Idee mit der "Cousine" habe ich übrigens von der amerikanischen ,Sailor Moon' -Übersetzung (mit schmerzlichen Grüßen an Cloverway: may you guys rot in hell!) "Haruka! Haruka, wach' auf!" Die Stimme durchdrang den Nebel der Benommenheit und die Angesprochene öffnete mühsam die Augen. Um sie herum die vertraute Umgebung ihres Schlafzimmers. Neben ihrem Bett saß ein hübsches Mädchen mit aquafarbenen Locken, die Haruka erleichtert anlächelte. "Wie geht es dir?" Die sanfte Stimme des Mädchens klang leicht besorgt. Sich langsam im Bett aufrichtend, fragte Haruka mühsam: "Was ist eigentlich passiert?" "Vor zwei Tagen hattest Du einen Motorradunfall; irgend so ein Verrückter hat dich abgedrängt. Die Ärzte befürchteten schon, du würdest nicht mehr aufwachen, weil du eine schwere Kopfverletzung hattest... ach Haruka, ich bin so froh!" Das Mädchen umarmte Haruka, doch diese schob sie sanft, aber bestimmt zurück. "Augenblick, kennen wir uns?" Michiru traute ihren Ohren nicht. Haruka ungläubig ansehend, fragte sie fast tonlos: "Was?" "Ich möchte wissen, ob wir uns kennen", wiederholte Haruka, "ich weiß nämlich leider nicht, wer Sie sind." Michiru versuchte, ihre Fassung zurückzugewinnen und atmete tief durch. "Na gut, was ist denn das Letzte, woran du dich erinnerst?" Haruka dachte scharf nach und meinte endlich: "Hm... ich war beim Game Center und hatte mich mit Minako-chan und Usagi-chan unterhalten. Danach habe ich mich auf meine Yamaha gesetzt und wollte nach Hause fahren. Plötzlich schob sich ein riesiger Laster neben mich... das ist alles." "Und... was ist hiermit?" Michiru hatte Harukas Verwandlungsstab hervorgeholt und drückte ihn ihrem verdutzten Gegenüber in die Hand. "Was soll ich mit diesem Teil?" Haruka starrte auf den Stab in ihrer Hand, dann auf Michiru und sagte ungehalten: "Und ich weiß immer noch nicht, wer Sie eigentlich sind und warum Sie mich so vertraut ansprechen!" "Gomen nasai", flüsterte Michiru und bemühte sich krampfhaft, die in ihr aufsteigende Verzweiflung zu unterdrücken, "mein Name ist Kaiô Michiru und ich bin..." In diesem Moment klingelte es an der Tür. Michiru entschuldigte sich bei Haruka, verließ das Zimmer und öffnete die Wohnungstür. "Überraschung!" Die fröhlichen Gesichter der fünf Inner Senshi blickten sie an. "Na, und?", fragte Usagi neugierig und schob sich neben Michiru durch die Tür, "wie geht es Haruka-san?" Dann sah sie den verzweifelten Blick Michirus und wurde ernst. "Was ist denn?" Michiru bat die Mädchen wortlos hinein, begleitete sie ins Wohnzimmer und kochte Tee. Nachdem sie ihnen alles erzählt hatte, schauten die Inner Senshi sich betroffen an. "Kopf hoch", brach die sonst so schüchterne Ami nach ein paar Minuten das Schweigen, "meine Mutter hat mir oft erzählt, daß sie in der Klinik Patienten behandelt hat, die nach einer Gehirnerschütterung Amnesie hatten. Aber die meisten konnten sich nach einiger Zeit wieder an alles erinnern." Michiru antwortete nicht und rührte geistesabwesend in ihrem Tee herum. Usagi ergriff das Wort, entschlossen, ihrer Freundin Mut zu machen: "Als Mamo-chan sich nicht mehr an mich erinnern konnte, war ich völlig verzweifelt. Aber ich gab trotz allem die Hoffnung daran nicht auf, daß wir wieder zusammenfinden." "Nein", antwortete Michiru leise, "ich denke, es ist besser so..." "Waaas?" riefen alle fünf Mädchen gleichzeitig erschrocken aus. "Haruka hat nicht vergessen außer mir und ihrem Dasein als Sailor Senshi. Und jetzt, da wir die Death Busters besiegt haben, besteht gar kein Grund, sie an all diese Ereignisse zu erinnern", sagte Michiru mit tonloser Stimme und blickte zu Boden, "sie hat jetzt die Möglichkeit, ihr eigenes Leben zu führen und ihre Träume zu verwirklichen." "Aber... du und Haruka-san...?" begann Rei völlig verwirrt. "Ich werde ihr nichts von unserer Beziehung erzählen. Sie soll ein neues Leben anfangen und sich selber aussuchen können, wer es mit ihr teilen soll. Ich war von Anfang an ein Teil ihres Schicksals als Sailor Senshi, und", Michiru stockte, "ich bin mir nicht sicher, ob wir uns jemals so nahe gekommen wären, wenn wir unsere Mission nicht gehabt hätten." Es herrschte betretenes Schweigen im Raum, bis Usagi schließlich meinte: "Ich bin zwar anderer Ansicht, Michiru-san, aber vermutlich können wir dich nicht von deinem Entschluß abbringen. Aber was machst du, wenn Haruka-san ihr Gedächtnis doch wiedererlangt?" Michiru umklammerte ihre Teetasse. "Ich wäre natürlich überglücklich", murmelte sie, "aber bis das nicht sicher ist, werde ich an meinem Entschluß festhalten." Usagi, Ami, Rei, Makoto und Minako verabschiedeten sich und versprachen, sich vor Haruka nichts anmerken zu lassen, auch wenn es ihnen schwerfallen würde. Außerdem versicherten sie Michiru, jederzeit für sie dazusein. Michiru schloß die Tür hinter den Mädchen und ging langsam in Richtung Schlafzimmer. Während sie einen Schritt vor den anderen setzte, überlegte sie krampfhaft, was sie Haruka sagen sollte. Michiru war der festen Überzeugung, die richtige Entscheidung getroffen zu haben: Haruka sollte eine zweite Chance erhalten, das Leben führen zu können, das sie sich immer gewünscht hatte, ungebunden von einem vorherbestimmten Schicksal -und einer Partnerin. Dieser Gedanke war für Michiru zwar fast unerträglich, aber sie selbst wußte doch genau, was sie Haruka angetan hatte, indem sie ihr das Leben einer Sailor Senshi aufbürdete. ,Ich bin egoistisch gewesen', dachte sie, ,ich habe Haruka damals überredet, sich mir anzuschließen, weil ich mir wünschte, in ihrer Nähe zu sein. Und ich weiß, daß sie mir das nie wirklich verziehen hat. Trotzdem habe ich ihre Liebe - oder bin ich nur ein angenehmer Begleitumstand?' Michiru schüttelte den Kopf bei diesem absurden Gedanken und atmete tief durch. Sie wußte ganz genau, daß Haruka sie liebte, nein, geliebt hatte. Denn wenn deren Gedächtnis nicht zurückkehrte, war es so, als hätte es die letzten drei Jahre nicht gegeben. Aber damit mußte Michiru sich abfinden, ob sie wollte oder nicht. Noch einmal tief durchatmend öffnete sie die Tür zum Schlafzimmer. Haruka drehte sich überrascht um, als das hübsche Mädchen von vorhin das Zimmer betrat, und knöpfte ihr Hemd zu. Sie war inzwischen aufgestanden und nun dabei sich anzuziehen. "Gomen", begann das Mädchen. Wie war noch ihr Name? Michiru. Warum entschuldigte sie sich nur andauernd? "Usagi-chan und ihre Freundinnen haben sich nach dir erkundigt und wünschen gute Besserung. Aber du solltest besser noch liegenbleiben." "Ich hasse es, untätig herumzuliegen", antwortete Haruka, "außerdem geht es mir bestens. Aber wollten Sie mir vorhin nicht sagen, wer Sie sind und woher ich Sie kenne, äh, Michiru-san?" Michiru zuckte unmerklich bei dieser distanzierten Anrede zusammen, bemühte sich aber, sich nichts anmerken zu lassen, als sie die Geschichte hervorbrachte, die sie sich ausgedacht hatte. "Haruka... san, ich bin Deine Cousine aus Osaka und wohne seit zwei Wochen hier bei Dir, bis... bis ich eine eigene Wohnung in Tokyo gefunden habe." "Cousine?" Haruka zog die Augenbrauen hoch. "Und wieso kann ich mich dann nicht an Sie... an dich erinnern?" "Die Ärzte meinten, du hättest durch deinen Unfall Gedächtnisverluste erlitten. Das sollte sich allerdings hoffentlich in einigen Wochen gelegt haben", erklärte Michiru und machte sich mit dem letzten Satz selber Mut. Haruka nickte. Tatsächlich schien ihr seit dem Unfall etwas Wichtiges verloren gegangen zu sein, aber sie konnte nicht genau sagen was. Plötzlich erinnerte sie sich aber an etwas, das Vorrang vor allem anderen hatte. "Was ist mit meinem Motorrad passiert?" fragte Haruka besorgt. Michiru lächelte: "Es hat kaum einen Kratzer abbekommen." "Zum Glück." Haruka ließ sich nun doch aufs Bett zurückfallen, da sich Kopfschmerzen ankündigten. Michiru schüttelte die Kissen auf und meinte: "Ich sagte doch, du brauchst noch Ruhe. Ich sehe später wieder nach dir." Sie wandte sich zum Gehen, aber Haruka hielt sie am Handgelenk fest. "Aber in einem Punkt mußt du meinem Gedächtnis noch auf die Sprünge helfen", grinste diese, "kannst du kochen?" Die nächsten Tage verbrachte Michiru damit, Haruka zu verwöhnen, während diese sich immer mehr zu erholen schien. Schließlich erklärte sie, fit genug zu sein, um ihr Fahrtraining wieder aufzunehmen. "Ich habe meinen Terminkalender studiert und festgestellt, daß ich besonders im letzen Jahr meine Zeit ständig mit blöden Konzerten und sinnloser Herumfahrerei vergeudet habe. Kein Wunder, daß mein Training gelitten hat! Aber das wird jetzt nachgeholt!" Die Tür fiel zu, und Haruka war fort. Michiru ließ sich in einen Sessel sinken und unterdrückte ein leises Schluchzen. Obwohl sie sich immer wieder einredete, es sei besser für Haruka, nichts von ihrer Vergangenheit zu wissen, wurde es doch von Tag zu Tag schwerer für Michiru. Ständig mußte sich selbst daran erinnern, daß sie jetzt nur noch eine Verwandte war. Und jetzt Harukas Meinung über das letzte Jahr. Sie konnte ja nicht wissen, daß die "blöden Konzerte" hauptsächlich Duette mit Michiru gewesen waren, durch deren perfekte Harmonie die beiden ihrer innigen Verbundenheit immer wieder Ausdruck gegeben hatten. Und daß die "sinnlose Herumfahrerei" meist aus romantischen Touren entlang der Küste bestanden hatte... Trotz ihrer Verzweiflung mußte Michiru bei der Erinnerung an diese schönen Momente lächeln. Dennoch, wenn sie und Haruka je wieder an der Küste entlang fahren sollten, würde es nicht mehr dasselbe sein. Nie wieder. Erneut machte sich unendliche Traurigkeit in Michiru breit. Sie hatte gestern noch einmal mit dem Krankenhaus telefoniert, das inzwischen genaueste Ergebnisse vorweisen konnte. "Es tut mir leid, aber Tenô-san hatte einen so empfindlichen Schlag bei ihrem Unfall abbekommen, daß die Wahrscheinlichkeit für sie, ihre Erinnerung vollständig wiederzuerlangen, praktisch gleich null sind", hatte der freundlich Arzt gesagt, der Haruka behandelt hatte. Michirus schlimmste Befürchtung war also wahr geworden. ,Warum ist nur alles so gekommen?' fragte sie sich, ,gerade jetzt, nachdem unsere Mission beendet ist, hätte ich mir so sehr gewünscht, mit Haruka ein wunderschönes, ruhiges Leben zu führen.' Doch der Traum war endgültig vorbei. Michiru wünschte sich nur, daß Haruka jetzt glücklich war. Und offensichtlich war sie es: voller Energie wollte sie sich wieder dem Sport widmen. Es hatte keinen Sinn, sich noch länger Gedanken über das Unabänderliche zu machen. Das Einzige, was Michiru jetzt noch tun konnte, war, auszuziehen und Haruka ihrem neuen Leben zu überlassen. Ihre letzten Tränen herunterschluckend, stand Michiru auf, griff zum Telephon und wählte die Nummer eines renommierten Wohnungsmaklers. Von oben bis unten mit Motoröl beschmiert und erschöpft, aber überglücklich kam Haruka am Abend zurück. "Michiru-chan!" platzte sie strahlend in die Küche - die beiden hatten sich inzwischen auf diese freundschaftlichen Anrede geeinigt - , "es war phantastisch! Ich glaube, ich bin schon lange nicht mehr so gut gefahren wie heute. Meine Rundenzeit... ist irgend etwas?" Haruka hatte Michirus traurigen Gesichtsausdruck gesehen, den diese jetzt unter einem fröhlichen Lächeln zu verstecken suchte. "Wie kommst du denn darauf?" fragte sie und holte Mineralwasser und ein Glas aus dem Küchenschrank. "Naja", meinte Haruka und zog ihre Jacke aus, "du wirkst irgendwie bedrückt." ,Ach, das fällt ihr erst jetzt auf?' dachte Michiru etwas ärgerlich, ,war sie früher auch so unsensibel?' Sie klappte die Schranktüren zu, nahm Haruka die völlig verdreckte Jacke ab und drückte ihr ein Glas Wasser in die Hand. "Ach, ehe ich es vergesse", wechselte sie abrupt das Thema, "ich habe endlich eine Wohnung für mich gefunden." "Schön", kommentierte Haruka, aber es klang wenig begeistert. Der Gedanke, ganz allein in der riesigen Wohnung zu leben, behagte ihr nicht sonderlich; außerdem war die Anwesenheit ihrer Cousine einfach zu angenehm... "Ich gehe erst mal duschen", unterbrach Haruka ihren eigenen Gedankengang und verschwand ins Badezimmer. "Moshimoshi?" meldete Michiru sich am nächsten Nachmittag, als das Telephon klingelte. "Michiru-san? Ich bin's, Usagi. Du, ich meine, du solltest wissen, daß Haruka-san vorhin mit uns im Game Center war und ziemlich mit Mina-chan und besonders mit mir geflirtet hat. Äh...", Usagis Stimme klang verlegen, "naja, das hat sie früher auch immer gemacht, aber diesmal schien sie es fast... erst zu meinen." Michiru versuchte ihre Stimme ruhig klingen zu lassen, als sie antwortete: "Arigatô, Usagi-chan. Aber ich hätte es mir denken können. Du hast Haruka... schon immer sehr gefallen." Sie stockte und meinte fast zu hören, wie Usagi am anderen Ende der Leitung errötete. "Michiru-san", begann diese nach einigen Sekunden wieder, "du weißt, ich habe meinen Mamo-chan. Ich werde versuchen, das Haruka-san ein für alle Mal klar zu machen. Aber bist du wirklich sicher, daß du ihr doch nicht die Wahrheit über euch sagen willst?" "Ja, bin ich", murmelte Michiru, obwohl sie lieber das Gegenteil geantwortet hätte, "bis dann, Usagi-chan, und nochmals danke." Sie legte auf. Was nun? Sollte sie wie geplant ausziehen oder doch auf Usagis Rat hören und Haruka die ganze Wahrheit erzählen? Beides schien ihr unmöglich. Michiru ließ sich aufs Bett fallen. ,Harukas Bett, nicht mehr unseres', dachte sie und kuschelte sich in die Kissen, denen der vertraute Geruch von Harukas Parfume anhafteten. Michiru versuchte nicht mehr, die Tränen zurückzuhalten, die seit Tagen ungeweint in ihren Augen brannten, und vor lauter geistiger Erschöpfung schlief sie irgendwann ein. Es war schon nach Mitternacht, als Haruka von ihrer Spritztour zurückkam. Als sie die Wohnung betrat, brannte noch Licht, aber von Michiru war nichts zu hören. Eine Sekunde lang befürchtete Haruka, sie wäre schon ausgezogen, aber alle ihre Sachen waren noch an Ort und Stelle. Der Gedanke, Michiru wäre fort, war erschreckend, mußte Haruka sich eingestehen. Sie war die ganze Zeit immer für Haruka dagewesen und hatte sich um sie gekümmert. Aber war Michiru wirklich ihre Cousine? Haruka war sich inzwischen nicht mehr so sicher. Außerdem schien sie irgendein trauriges Geheimnis zu umgeben, denn obwohl Michiru fast immer lächelte, trugen ihre Augen den Ausdruck tiefster Trauer. Haruka hatte den ganzen Tag über ihre seltsame Mitbewohnerin nachgedacht und war nun entschlossen, sich ein paar Antworten zu holen. Mit einigen Schritten hatte sie den Flur durchquert und blieb vor ihrer halbgeöffneten Schlafzimmertür stehen. "Hey, Michi..." Sie verstummte, als sie eine zusammengerollte Gestalt auf ihrem Bett entdeckte. Vorsichtig, um Michiru nicht zu wecken, schlich Haruka zum Nachttisch und wollte das Licht löschen. Doch sie verharrte erstaunt neben dem Bett, als sie Tränenspuren auf den blassen Wangen des schlafenden Mädchens entdeckte. Bei diesem Anblick fühlte Haruka einen Stich in ihrem Herzen und es bedrückte sie mehr denn je, nicht zu wissen, warum ihre Cousine so traurig war. Wenn sie es recht bedachte, so wußte sie eigentlich überhaupt nichts über Michiru, weder, wer sie wirklich war, noch, ob sie sie tatsächlich vor dem Unfall gekannt hatte. Aber war das alles eigentlich wichtig? Schließlich war das Leben mit Michiru in den wenigen Tagen so selbstverständlich geworden. Haruka blickte erneut auf die schlafende Michiru, deren lange schwarze Wimpern wie unruhige Schmetterlinge flatterten. Hatte sie einen Alptraum? Nein, ein leichtes lächeln erhellte nun ihre wunderschönen Züge und sie kuschelte sich noch etwas tiefer in die Kissen. Den Blick von Michiru losreißend, löschte Haruka das Licht und verließ lautlos das Zimmer. Sie hatte beschlossen, Michiru erst am nächsten Morgen zur Rede zu stellen. Auf der Couch im Wohnzimmer erwachend, stellte Haruka fest, daß es schon fast Mittag war. Michiru war fort, allerdings nur zum Einkaufen, wie sich durch eine Notiz in der Küche herausstellte. Erleichtert beschloß Haruka, sich bis zu deren Rückkehr die Zeit auf der Rennstrecke zu vertreiben und danach wieder zum Game Center zu fahren. Vielleicht war Usagi-chan auch wieder da. Haruka mußte sich eingestehen, daß ihr das fröhliche Mädchen mit den blonden Zöpfen unheimlich gut gefiel. War Usagi eigentlich schon in festen Händen? Mit dem Vorsatz, es herauszufinden, verließ Haruka die Wohnung. "Oh, Konnichiwa, Haruka-san!" wurde sie am Nachmittag wie erwartet von Usagi begrüßt, als sie den Game Center betrat. Von den vier anderen Mädchen war ausnahmsweise einmal nichts zu sehen, also beschloß Haruka, die Gelegenheit zu nutzen. "Hey, Odango-chan!" Usagis gespielt verärgertem Blick begegnend, grinste sie und verbesserte sie sich : "Gomen, ich meine natürlich Usagi-chan. Heute so ganz alleine?" Usagi nickte. "Die anderen sind bei Rei-chan zum lernen. Aber Ami-chan hat mir ausnahmsweise einmal erlaubt, heute wegzugehen." "Laß' mich raten: eine Verabredung?" Die Wangen des jüngeren Mädchens tönten sich rosa und sie nickte, doch im nächsten Moment meinte sie ein bißchen enttäuscht: "Aber Mamo-chan hätte mich schon vor einer halben Stunde abholen wollen." Haruka trat näher an Usagi heran und legte ihr die Hände auf die Schultern. "Er sollte sich wirklich schämen, ein so hübsches Mädchen einfach sitzen zu lassen. Wie wär's, wollen wir zwei nicht statt dessen etwas unternehmen? Ich lade dich ein." "Gomen ne", murmelte Usagi und schob Haruka sacht, aber bestimmt von sich fort, "Mamo-chan wird bestimmt gleich kommen. Außerdem habe ich Michiru-san versprochen..." Sie unterbrach sich abrupt, als sie merkte, was ihr fast herausgerutscht war. Haruka blickte das erschrockene Mädchen durchdringend an. Was hatte sie da eben gehört? Usagi ein bißchen fester haltend, fragte sie: "Was hast du ihr versprochen? Verdammt, was ist hier eigentlich los?" "Frag' Michiru-san selber!" Usagi riß sich los und rannte zum Eingang des Game Center, in dem Mamoru soeben aufgetaucht war. Haruka sah den beiden sekundenlang nach, dann verließ sie die Spielhalle ebenfalls. So schnell es die 300 PS ihres Porsche und der Stadtverkehr es erlaubten, fuhr sie nach hause. Michiru war dabei, ihre Sachen zusammenzupacken. Sie tat dies allerdings sehr, sehr langsam, da ihr jeder eingepackte Gegenstand einen Stich ins Herz versetzte. Es schien erst gestern gewesen zu sein, daß sie bei Haruka eingezogen war und das unpersönliche Appartement mit Bildern und hübschen Kleinigkeiten wohnlich gestaltet hatte. Es war vorbei. Und wer weiß, wessen Photo als nächstes auf der Kommode stand? Michiru nahm das Bild in die Hand und betrachtete es. Sie und Haruka trugen darauf die Schuluniform der Mugen Gakkuen, ihre Hände waren ineinander verschlungen. Plötzlich tropften einige Tränen auf die Oberfläche des Bilderrahmens. Michiru wischte sich schnell über die Augen und stellte das Photo wieder auf seinen Platz. Sie würde es nicht mitnehmen. "Michiru?" ertönte plötzlich eine Stimme aus dem Flur, nachdem die Haustür ins Schloß gefallen war. Erschrocken drehte Michiru sich um. Hatte Haruka gerade mit Absicht das "chan" vergessen? Im nächsten Moment flog die Tür des Wohnzimmers auf. "Also, liebe "Cousine", ich will jetzt endlich wissen, was hier eigentlich los ist!" Haruka baute sich mit finsterer Miene vor Michiru auf. "Was für eine Verschwörung ist hier gegen mich im Gange? Wer bist du wirklich und was verheimlichst du mir? Und warum?" Tief durchatmend rang Michiru sekundenlang um ihre Fassung, dann senkte sie den Kopf. Es hatte keinen Sinn, noch mehr Märchen zu erzählen. "Na gut, du willst also die Wahrheit hören. Ich bin..." Plötzlich ertönte ein durchdringendes Piepsen, und sofort zog Michiru ihren Kommunikator aus der Tasche, ohne auf Harukas irritierten Blick zu achten. "Michiru hier. Was gibt es?" "Michiru-san", Sailor Moons Stimme klang verzerrt durch die Übertragung, "wir brauchen dringend Hilfe. Hier ist noch ein Dämon übrig." "Ich bin sofort da." Michiru schaltete den Kommunikator aus und wandte sich wieder Haruka zu. "Gomen ne, aber ich muß weg." Haruka hielt sie fest. "Du gehst nirgendwo hin, ehe du mir nicht die Wahrheit erzählt hast!" Den Schmerz ignorierend, der sich von Harukas stählernem Griff in ihrem Handgelenk ausbreitete, blickte Michiru Haruka durchdringend an. "Es ist sehr wichtig. Ich werde dir alles erzählen, aber du mußt mich jetzt gehen lassen. Bitte." Harukas Griff lockerte sich etwas, und ohne zu zögern, riß Michiru sich los und stürmte zur Tür hinaus. ,Das ist schon das zweite Mal heute, daß ein Mädchen vor mir davonrennt', dachte Haruka verärgert, ,es reicht jetzt!' In der nächsten Sekunde war sie Michiru nachgesprintet. Die Inner Senshi hatten sich mit allen Kräften bemüht, den riesigen Dämon zu besiegen, aber dieser schien über unerschöpfliche Kraft zu verfügen. Eine Zehntelsekunde verspäteter Reaktion, und das Ungeheuer hatte die fünf Mädchen bereits mit seinen Tentakeln gefangen. Michiru erreichte außer Atem den Platz, an dem der Kampf stattfand, und verwandelte sich. Sekunden später traf Neptuns Attacke den Dämon mit voller Wucht, der darauf hin zornig brüllend von seinen Opfern abließ. Doch dann fixierten seine roten Augen plötzlich irgend etwas hinter Neptun, die sich ruckartig umdrehte und Haruka erkannte. Diese starrte ungläubig erst die Inner Senshi, dann den Dämon und zuletzt Sailor Neptun an. "Ich glaube das einfach nicht", murmelte sie. "Haruka!" brüllte Neptun sie an, "verschwinde, es ist zu gefährlich!" Doch es war zu spät. Das riesige Monster raste bereits auf Haruka zu, die wie angewurzelt dastand und den Ernst der Situation noch nicht begriffen zu haben schien. Neptun zögerte keine Sekunde. Mit einem Satz war sie bei Haruka und stieß diese unsanft zur Seite. Das letzte, was sie vor sich sah, waren die blitzenden Zähne des Dämons. "DEEP SUBMERGE!" Die Welt um sie herum wurde erst türkis, dann schwarz. Noch leicht benommen von dem plötzlichen Aufprall öffnete Haruka einige Momente später die Augen und wünschte sich sofort, sie hätte es nicht getan. Nicht weit von ihr der Dämon, dessen Formen sich langsam zu denen eines Menschen zurückverwandelten. Daneben die fünf Inner Senshi - und Michiru, die reglos auf dem Boden lag. "Mi -Michiru?" flüsterte Haruka ungläubig, stand auf und ging langsam zu der bewegungslosen Gestalt hinüber. "Hey, Michiru! Ist alles in Ordnung?" Haruka schüttelte das bewußtlose Mädchen leicht. Keine Antwort. Vorsichtig ergriff Haruka ihre Hand und drückte sie. "Bitte Michiru, du kannst mich doch nicht einfach so alleine lassen!" Ein unerträgliches Gefühl von Verlust machte sich in Harukas Herz breit. Michirus blasses Gesicht betrachtend, glaubte sie auf unbestimmte Weise, diese Situation schon einmal erlebt zu haben, nein, schon mehrere Male: hatte ihr Michiru etwa schon früher auf diese Weise das Leben gerettet? Haruka wußte es nicht. Alles in ihr war leer und taub. Ein hilfesuchender Blick auf Sailor Merkur, die bereits ihren Computer hervorgeholt und Michirus Lebenszeichen untersucht hatte, wurde nur mit einem Schulterzucken beantwortet. Sailor Jupiter und Sailor Venus schienen Tränen in den Augen zu haben, Mars blickte zum Himmel. Plötzlich kniete Sailor Moon sich neben Haruka und legte ihr eine Hand auf die Schulter. "Haruka-san, hör' mir zu..." "Sei still!" fuhr Haruka sie an, "nichts, was du sagst, kann noch irgend etwas ändern!" "Aber..." Noch ehe sie jemand zurückhalten konnte, war Haruka bereits aufgesprungen, zu ihrem Motorrad gerannt und losgefahren. 50 km/h. ,Warum? Warum hat sie ihr Leben riskiert, um mich zu retten?' Harukas Gefühle waren in fürchterlicher Aufruhr. Noch immer konnte sie nicht begreifen, warum Michiru das für sie getan hatte. Hatte Haruka ihr etwa mehr bedeutet als ihr eigenes Leben? 80km/h. Die Häuserzeilen schienen vorbei zu rasen, Ampeln blinkten rot. Haruka beachtete sie nicht. ,ich war so dumm. Warum habe ich nicht begriffen, daß ich dir so viel bedeutet habe? Und warum ist mir erst jetzt klar, wie wichtig du für mich bist? Was soll ich nur ohne dich machen, Michiru?' 120 km/h. Autofahrer wichen hastig aus, Polizeisirenen ertönten aus der Ferne. Haruka hörte sie nicht und gab noch mehr Gas. 170 km/h. 200 km/h. Der Wind peitschte ihr ins Gesicht. ,Es hat alles keinen Sinn mehr. Ich bin schuld, daß alles so gekommen ist.' Haruka schloß sekundenlang die Augen und sah Michirus lächelndes Gesicht vor sich, umrahmt von wehenden Locken. Als sie sie wieder öffnete, fühlte sie salzige tränen ihre Wangen herunterlaufen. 220 km/h. Der vage Eindruck eines riesigen Lastwagens quer auf der Straße. Blinkende Warnlichter. Unwichtig. Alles war bedeutungslos geworden. ,Hätte ich doch nur eine zweite Chance, dir zu sagen, was ich für dich empfinde, Michiru.' Ein letzter Dreh am Gas. Das schrille Geräusch von berstendem Metall. Ein dumpfer Aufprall, dann Stille. "Haruka! Haruka, wach' auf!" Die Stimme durchdrang den Nebel der Benommenheit und die Angesprochene öffnete mühsam die Augen. Um sie herum die vertraute Umgebung ihres Schlafzimmers. Neben ihrem Bett saß ein hübsches Mädchen mit aquafarbenen Locken, die Haruka erleichtert anlächelte. "Wie geht es dir?" Die sanfte Stimme des Mädchens klang leicht besorgt. Sich langsam im Bett aufrichtend, fragte Haruka mühsam: "Was ist eigentlich passiert?" "Vor zwei Tagen hattest Du einen Motorradunfall; irgend so ein Verrückter hat dich abgedrängt. Die Ärzte befürchteten schon, du würdest nicht mehr aufwachen, weil du eine schwere Kopfverletzung hattest... ach Haruka, ich bin so froh!" Das Mädchen umarmte Haruka, doch diese schob sie sanft, aber bestimmt zurück. "Bitte tu' mir einen Gefallen und laß' mich niemals allein, egal was passiert", flüsterte Haruka und zog die überraschte Michiru fest in die Arme. "Keine Sorge", antwortete diese, "aber wie kommst du darauf?" "Ich weiß auch nicht so genau", murmelte Haruka und vergrub ihr Gesicht in Michirus Locken, "vielleicht ein Alptraum. Das schreckliche Gefühl, dich verloren zu haben. Alles schien so sinnlos zu sein ohne dich..." Michiru loslassend, blickte Haruka ihre direkt in die Augen. "Ich hoffe, Du weiß, wie sehr ich dich liebe?" fragte sie leise und strich dem Mädchen vor ihr sanft über das Gesicht. Als Antwort ging ein Strahlen in Michirus Gesicht auf und sie schmiegte ihren Kopf glücklich an Harukas Schulter. "Sag' mal", begann diese wieder, "was ist eigentlich in den letzten Tagen passiert? Ich fürchte, ich habe eine Gedächtnislücke von dem Aufprall." "Das macht nichts", flüsterte Michiru und wischte unbemerkt ein paar Tränen fort, "es hat sich nichts ereignet, was es wert gewesen wäre, behalten zu werden." 1 2 3 ENDE Neko 8.10.2000 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)