Walk on the Edge von Yamato_ (Erste deutschsprachige Taito in Romanlänge) ================================================================================ Kapitel 10: Ore to omae wa mou ichido ------------------------------------- Disclaimer: Moshi Moshi. Hier ist Yama-chan’s anrufbeantwortendes Digimon. Yama-chan muß leider die nächsten 3000 Jahre im Knast verbringen, weil er die Rechte an Digimon Adventure nicht bezahlen kann, und es trotzdem gewagt hat, Fanfics dazu zu schreiben. Autor: Yamato Rating: PG-13 (FSK-12) Spoiler: Spielt während der Folgen 50-52. Yamato versucht immer noch, seinen eigenen Weg zu finden, aber dieser führt ihn in die Höhle der Dunkelheit. Und der letzte Kampf gegen Piemon steht unmittelbar bevor. Archive: Ähnlich wie für Amicus Draconis, hab’ ich jetzt auch für WOTE einen kleinen Schrein in meinem LJ angelegt. ( http://yamato--ishida.livejournal.com/72604.html ) Dort gibt es die Story mit Bildern, Hintergrundmaterial und kleinen Spoilern für noch nicht gepostete Folgen. * * * Ore to omae wa mou ichido (Du und ich – noch einmal) “Ore wa omae ga kuru hontou ni mattetanda ze.“ “Taichi!“ “Zettai kurutte shinjitetanda omae wa zettai kurutte.“ “Arigatou, shinjite kore ta no demo osokunatte gomen. Taichi, omae wa ore no hontou no tomodachi da. Ore wa omae no yuujo wo mudani wa shinai.“ “Ich hab’ so sehr darauf gewartet, daß du zurückkommst.“ “Taichi!“ “Ich hab’ immer daran geglaubt, daß du zurückkommen wirst, und du bist wirklich gekommen.“ “Danke, daß du an mich geglaubt hast und es tut mir leid, daß ich erst so spät hier bin. Taichi, du bist mein wahrer Freund. Und ich werd’ deine Freundschaft nie wieder so mit Füßen treten.“ – Yamato und Taichi – Hajimari no Machi.. . die Stadt des Anfangs… Wer hätte gedacht, daß ausgerechnet sie noch steht? Aber was, verdammt noch mal, ist aus ihr geworden. Damals, als wir Takeru hier wiedertrafen, war sie bunt und lustig gewesen, ein Ort voller Lachen, voller Hoffnung und voller kleiner Digimon, die vor unseren Füßen herumwuselten. Jetzt war sie nur noch ein Friedhof. Ja, ich glaube, Friedhof trifft’s am besten, denn die grauen starren Digitama die hier herumlagen, sahen aus wie Reihen um Reihen von Grabsteinen. Und genaugenommen waren sie das auch. Aus denen würde kein Digimon mehr schlüpfen. Für den Moment schob ich meinen ganzen eigenen Frust beiseite und streichelte mein Didschi, das reglos neben mir saß, schweigend und beinahe so starr wie die steinernen Eier. Kein Wunder, an einem Ort wie diesen mußte Gabumon sich fühlen wie ein Mensch in einem Kinderheim voller toter Babys. Ich konnte zwar irgendwie nachempfinden, wie es ihm ging, aber für ihn war es ungleich schlimmer. Wir mußten hier weg und zwar schleunigst. Es gab nicht mehr viele Orte, wo wir wirklich hinkonnten, eigentlich überhaupt keinen. Im Prinzip konnten wir nur noch in einem Kreis um Spiral Mountain herumlaufen, wie wir es bisher schon getan hatten. Wir liefen im Kreis. Wie furchtbar symbolisch und tiefsinnig das Ganze doch war. Und wie sehr es mich doch alles ankotzte... Zwar hatte ich in den letzten Tagen einiges erlebt, aber nichts davon hatte mich meinem Ziel näher gebracht. Die ganzen Ereignisse der vergangenen Tage hatten eigentlich nur gezeigt, wie winzig und hilflos wir waren und wie wenig wir in dieser Welt ausrichten konnten. Die anderen Digiritter hatten zumindest Mugendramon besiegt und was hatte ich getan? War ziellos in der Gegend rumgerannt und hatte mich scheiße gefühlt. Die anderen hatten sich bestimmt auch scheiße gefühlt, aber das hatte sie nicht davon abgehalten, Kleinholz aus dem Vieh zu machen. “Yamato, wir haben Pinocchimon besiegt,“ erinnerte mich Gabumon mit leicht vorwurfsvollem Blick. “Hast du das schon vergessen?“ Nein hab’ ich nicht. Und ich hab’ auch Taichi’s hoffnungsvollen Blick nicht vergessen, als er mich sah. Und genauso wenig wie die Hoffnung in seinen Augen zerbrach, als ich mich abwandte, um zu gehen. Nicht weit hinter den traurigen Überresten der Stadt fanden wir einen See, der da gar nicht hätte sein dürfen, weil er sich eigentlich auf Server befand und nicht wie Hajimari no Machi auf der File Insel. Es war der See, der ursprünglich an dem Vergnügungspark gelegen hatte, wo ich damals mein Brüderchen zurückließ, um mich “nur mal kurz umzusehen.“ Mit dem Ergebnis, daß ich dann nur mal kurz in DigiTamamon’s Scheißschuppen landete. Wo Jou jetzt wohl sein mochte? Und warum war er nicht bei Taichi und den anderen? Oder war er es doch und die Traumbilder, die ich gesehen hatte, entsprachen überhaupt nicht den Tatsachen? Wieder nur ein Digimon, das mich mit seinen Lügen verwirren wollte? Auch Jou war mein Freund geworden, und auch seine Freundschaft hatte ich verraten, weil ich ohne nachzudenken auf ein widerliches Lügenviech gehört hatte. Warum kam mir das nur so bekannt vor? Am Ufer des Sees lag das Schwanenboot mit dem ich damals gefahren war. Ich hob’ mein Gabumon hinüber, sprang auf und betätigte die Steuerung. Als das Ding nahezu lautlos durch das schwarze Wasser glitt, fühlte ich mich wie ein Toter, der den Fluß zur Unterwelt überquerte. Sehr tiefgründig und symbolisch das Ganze. Und es kotzte mich immer noch alles an. Was kann ich eigentlich außer rumjammern und schwarzsehen und mich gegen andere Menschen aufhetzen lassen? Hab’ ich irgendeine tolle Fähigkeit für die es sich lohnen würde, sich mit einem notorischen Nörgler und Versager wie mir abzugeben? Bin ich vielleicht besonders stark oder besonders klug oder kenne mich mit irgendwas aus, was hier nützlich wäre? Was in aller Welt sieht Taichi in mir? Warum will er mit mir zusammen sein? Irgendeinen Grund muß es doch geben. Warum nicht Sora oder Koushirou, die sind doch seine besten Freunde? Was hat ihn dazu gebracht, sich für mich zu entscheiden? Vermißt er mich immer noch? Oder hat er mich mittlerweile vergessen? Der See war zu Ende. Wir sprangen vom Boot und stapften weiter den Strand entlang durch die grauen Felsen. Wahrscheinlich hätte Taichi viel mehr davon, wenn er mich einfach vergessen würde. Vielleicht würde sogar Takeru mich irgendwann vergessen, jetzt, wo er mich nicht mehr brauchte. Und vielleicht war es am besten so. “Yamato, bitte laß uns einen Ausgang aus dieser Höhle finden. Sie ist gruselig.“ “Ja, ja.“ Takeru war so glücklich gewesen, als alle ihn gelobt hatten. Er war bestimmt glücklicher ohne mich. Auch Taichi würde glücklicher sein, sobald er aufgehört hatte, darauf zu warten, daß ich Trottel von meinem lächerlichen Selbstfindungstrip zurückkam. Er würde merken, daß die Gruppe ohne mich viel besser funktionierte. Und irgendwann würde er einfach einen neuen Freund haben. Oder eine Freundin. Er braucht mich nicht. Und Takeru braucht mich genauso wenig. Eigentlich war es immer genau andersherum gewesen. Ich hab’ sie beide gebraucht. “Ich...“ “Was ist denn, Yamato?“ Erst als mein Didschi mich fragend anblickte, bemerkte ich, daß ich damit angefangen hatte, etwas zu sagen. Aber jetzt ließ sich der Satz auch schon nicht mehr aufhalten. “Ich habe immer behauptet, daß Takeru mich brauchen würde. Aber die Wahrheit ist, ich bin derjenige, der ihn braucht.“ “Was meinst du damit?“ Für Gabumon ergab das wohl genauso wenig Sinn wie für mich selbst. “Solange ich mir eingeredet hab’, er braucht mich, hab’ ich dazugehört.“ Das klang jetzt noch viel verwirrender, aber es stimmte. Ich war ein großer Bruder. Genauso wie Taichi ein Anführer war, und Koushirou ein Computerfreak und Jou ein Pflasteraufkleber und Sora die Stimme der Vernunft und Mimi eine Diva und Hikari eine Glühbirne. Jeder war irgendwie ein Teil der Gruppe. Ich war zwar nicht gern ein Teil einer Gruppe, aber als großer Bruder mußte ich ja auf Takeru aufpassen und mich notgedrungen mit den anderen abgeben. Auch wenn ich als einsamer Wolf natürlich die Einsamkeit vorzog. “Takeru hat jetzt so viele Leute, die sich um ihn kümmern. Und Taichi hat sich viel mehr wie ein großer Bruder verhalten, als ich.“ Das stimmte, Taichi hatte Takeru wirklich unterstützt, statt sich einfach nur an ihn zu klammern. Aber Taichi mußte nicht einmal ein großer Bruder sein, um überhaupt jemand zu sein. Taichi war Taichi. Er hatte genug Selbstbewußtsein, um sich von niemandem abhängig zu machen. “Was redest du da?“ rief Gabumon. “Takeru’s großer Bruder bist du, Yamato!“ “Aber ich hab’ kein Recht dazu, ein großer Bruder zu sein. Alles was ich getan habe, ist, Takeru zu benutzen, damit ich mich in meiner Rolle als großer Bruder sicher fühlen kann. Ich wollte mich selbst in dem Glauben lassen, daß Takeru niemanden braucht außer mir.“ Nein, so verhält sich kein echter Bruder. So verhält sich ein egoistischer Mistkerl, dem die Gefühle anderer egal sind. Wie oft hatte ich Taichi gefühllos und unsensibel genannt? Dabei war in Wirklichkeit doch ich derjenige, der keinen Gedanken an die Gefühle anderer verschwendete. Nur ich selbst war mir wichtig. Und Takeru war mir nur deshalb wichtig, weil ich ihn für mein jämmerliches kleines Ego brauchte. Taichi dagegen hatte Takeru wie ein richtiges Mitglied der Gruppe behandelt. “Deshalb hatte ich so eine Wut auf Taichi. Es hat sich für mich angefühlt, als würde er mir Takeru wegnehmen. Taichi trifft gute Entscheidungen und er ist auch ein guter Anführer. Und was am Wichtigsten ist, er behandelt Takeru wie einen Erwachsenen.“ Ich hatte das nicht gekonnt. Ich sank zu Boden, fühlte die Kälte des Steins an meinem Rücken. Wenn ich jetzt einfach hier sitzen bleibe, werde ich dann irgendwann selbst ein Stein werden? Stumm und starr und kalt und ohne Gefühle. Ohne Schuld. Ohne Schmerz. “Warum sagst du so etwas, Yamato? Du hast doch auch so viele gute Eigenschaften, die nur zu dir gehören.“ Ach ja? Und was für welche sollen das bitteschön sein? Rumjammern? Alles schwarz sehen? Nein, jetzt hab’ ich’s, auf anderen Leuten herumhacken? Und den Menschen, die ich am meisten liebe, am meisten wehtun. Bei meinen Eltern hab’ ich es schon wunderbar geschafft, sie von mir wegzustoßen. Mein Brüderchen ebenfalls. Und jetzt auch noch Taichi. “Ich hab’ Taichi so oft als gedankenlos bezeichnet und als beschränkt dazu. Aber ich bin viel schlimmer!“ “Yamato!“ Alles, was ich anpacke, geht schief. Jedem, der auch nur in meine Nähe kommt, tue ich weh. Ich bin egoistisch und dumm und nutzlos und schlecht und wär’ am liebsten einfach nur nicht mehr da. “Yamato! Dieser Ort ist wirklich seltsam!“ Ich bin ein hoffnungsloser Fall. Ich kann nicht zu den anderen zurück und wieder ihr Freund sein. Ich will einfach nur nicht mehr da sein. “Hör auf damit!“ brüllt aus weiter Ferne eine Stimme an mein Ohr. “Wenn die anderen dich nicht bei sich haben, wenn ihr nicht alle acht zusammenhaltet, dann gibt es für unsere Welt keine Rettung mehr!“ Was redet es da? Die anderen brauchen mich doch nicht. Es ist vollkommen egal, ob ich da bin oder fort. Ich bin überflüssig. Einfach nur überflüssig. “Yamato, reiß’ dich zusammen!“ Verdammt, was muß es denn so plärren? Kann es nicht einfach weggehen und mich in Ruhe sterben lassen. “Wie kannst du so was nur sagen!“ “Geh einfach und laß mich allein.“ Du kannst mir nicht helfen, keiner kann mir helfen. Mir ist nicht mehr zu helfen. Ich bin egoistisch und dumm und nutzlos und schlecht und außerdem wird mir schon schlecht von meinem eigenen Emo-Gesülze. Ich mag nicht mehr. Ich... “Autsch! Verdammt, was tust du da!“ Ich glaub’s nicht! Ich glaub’s einfach nicht! Das Vieh beißt mich schon wieder! Wird das jetzt zur Gewohnheit? Mit einem Satz war ich auf den Beinen, die Fäuste erhoben. Vor mir saß ein schniefendes Fellbündel und die Kullertränchen rannen ihm nur so aus den riesigen Glubschaugen. “Es gibt nur einen einzigen Yamato auf dieser Welt! Ist es nicht so? Warum also versuchst du immer wieder, dich mit Taichi zu vergleichen? Natürlich seid ihr ganz verschiedene Menschen, aber das ist doch normal. Und du, nur du bist Takeru’s großer Bruder. Es ist doch vollkommener Unsinn, daß Taichi ein besserer Bruder sein soll!“ “Gabumon...“ Und überhaupt, wenn du fort wärst, was sollte ich dann machen? Ich habe für immer in dieser Welt gewartet, daß ich dich endlich treffen kann! Nur auf dich hab’ ich gewartet!“ “Gabumon...“ Schon zum zweiten Mal will ich einen Satz anfangen, aber die Worte wollen einfach nicht kommen. “Willst du wirklich alleine sein, Yamato?“ Wenn das so ist, dann werd’ ich diesen Ort verlassen und niemals wieder zurückkommen. Aber nur, wenn es das ist, was du wirklich willst!“ “Nein!“ Es bricht aus mir heraus, bevor ich einen klaren Gedanken fassen kann. Ich hab’ sie alle belogen, meine Eltern, meinen Bruder, Taichi, und alle, die jemals in mein Leben getreten sind. Und am allermeisten hab’ ich mich selbst belogen. Aber Gabumon kann ich nicht belügen. Er ist der Teil meiner Seele, dem ich nichts vormachen kann. Immer war er an meiner Seite, egal, ob es mir gut ging, oder ob ich Mist gebaut hab’. Er hat sogar für mich gegen Agumon gekämpft, obwohl er genau wußte, daß es falsch war. Und wenn ich jetzt sage, er soll gehen, dann wird er gehen, obwohl er auch genau weiß, daß es falsch ist. Und ich weiß doch auch, daß es falsch ist. Ich weiß es doch. Warum verlange ich es dann von ihm? “Als ich sagte, ich will alleine sein, war das eine Lüge.“ Es tat gleichzeitig weh und gut, diese Worte zum erstenmal auszusprechen. “Ich hab’ es nur deshalb gesagt, weil ich wollte, daß die anderen mich cool finden. Das ist nämlich das, was ich immer tue, mich hinter einer Fassade verstecken, damit andere Menschen nicht zu nah an mich rankommen.“ Und so hat es auch immer gut funktioniert. Doch jetzt funktioniert gar nichts mehr. “Aber die Wahrheit ist...“ Ich fühle wie meine Stimme bricht, aber ich hole tief Luft, damit ich weitersprechen kann, denn ich will jetzt nicht aufhören, nicht jetzt, wo das alles endlich aus mir herausbricht. Es ist, als wäre irgendwo in mir ein Knoten geplatzt und diesmal laß’ ich die Worte zu. Ebenso wie die Tränen. Verdammt, ich darf weinen! Keiner kann es mir verbieten. “Die Wahrheit ist, daß ich mich die ganze Zeit total einsam und allein gefühlt habe. Ich hab’ mich immer an den Gedanken geklammert, daß mich niemand weinen sehen darf. Wenn ich schon allein sein mußte, dann wollte ich es wenigsten schaffen, jemand zu sein, der mit dieser Einsamkeit klar kommt. Jemand, der stark und reif ist und alles allein schaffen kann. Jemand, der keinen anderen Menschen braucht.“ Jemand, der keinen anderen Menschen braucht. Die ganze Zeit hab’ ich versucht, jemand zu sein, der ich nicht bin und dabei hätte ich es längst besser wissen müssen. Hat Taichi meine Tarnung nicht schon auf der Schneeinsel durchschaut? Hat Jou mir nicht auf den Kopf zugesagt, daß es keine einsamen Wölfe gibt, weil ein Wolf ohne sein Rudel total aufgeschmissen ist. “Und dabei war mir so oft zum Heulen zumute. Ich hasse es, einsam zu sein!“ “Aber ich bin doch da!“ Fast hätte es mich umgerissen, als sich plötzlich zwei flauschige Didschi-Arme um mich schlingen und mich festhalten. “Ich bin immer für dich da, ebenso wie du immer für mich da bist.“ Bin ich das? Mir scheint es eher, daß ich ganz schön mies zu meinem Viech war, und das kommt ganz oben auf die Liste der Dinge, die ich ändern möchte. Gabumon ist mein Freund. Und ich will endlich damit anfangen, auch sein Freund zu sein. “Gemeinsam werden wir weiterkämpfen und wir werden es schaffen.“ Werden wir das? Na ja, es klingt nach einem besseren Plan, als in dieser Höhle zu hocken und im eigenen Selbstmitleid zu ertrinken. Immerhin, drei der Dark Masters konnten wir schon besiegen, obwohl wir uns reichlich dämlich angestellt haben. Und davor haben wir es schon mit der Zombiefresse, der Kreischtüte, diversen Überraschungseiern und Teufelsdidschis aufgenommen. Ganz so schlecht waren wir gar nicht. Ganz so schlecht war auch ich nicht “Gabumon.“ Ich nahm seine großen Klauenhände und hielt sie fest. “Ich wär’ niemals so weit gekommen, wenn ich dich nicht gehabt hätte. Du warst immer bei mir, selbst in dieser dunklen Höhle, als ich dich wegschicken wollte. Eigentlich war ich in dieser ganzen Zeit gar nicht wirklich allein.“ Nein, das war ich nicht. Nicht nur Gabumon ist bei mir, auch meine Familie ist für für mich da. Klar, mein Vater hat wenig Zeit und mit Mama ist es ein bißchen schwierig, aber das heißt ja nicht, daß ich ihnen nicht wichtig bin. Letztendlich bin auch ich derjenige, der sich von ihnen zurückgezogen hat. Wie oft hat Mama gefragt, ob ich sie und Takeru besuchen komme? Und wenn Vater mal Zeit hat, dann will er sie immer mit mir verbringen. “Ich habe dich, meine Freunde, Takeru, und meine Eltern.“ Meine Freunde... ich nenne die anderen Digiritter tatsächlich meine Freunde und ich mein’ es auch so. Wer hätte gedacht, daß es mal soweit kommt? Noch am Anfang unserer Reise hätte ich solche infamen Unterstellungen sofort zurückgewiesen. Aber jetzt wird mir deutlich bewußt, daß sie eigentlich schon lange meine Freunde sind, und daß ich es nur nicht zugelassen habe. Genauso wenig, wie es ich zugelassen habe, daß meine Eltern mich in den Arm nehmen, wenn’s mir mal dreckig geht. Ja, ich glaube, so langsam wird mir endlich klar, wo ich ansetzen muß, wenn ich wirklich etwas an mir verändern möchte. Ich möchte in Zukunft ehrlicher mit mir selbst sein und auch mit den Menschen, die mir wichtig sind. Ich will mich nicht immer hinter einer Maske verkriechen und ständig Angst haben müssen, daß sie verrutscht. “Yamato, sieh mal!“ Gabumon deutet nach oben an die Höhlendecke. Etwas kriecht dort herum, ein Etwas, das so aussieht, wie ein schwarzer, wabernder Pudding. Eigentlich sieht es ziemlich ekelig aus und ich möchte es gar nicht ansehen. “Diese Dunkelheit ist die ganze Zeit um dich herumgeschlichen, Yamato. Ich glaube, sie hat versucht, von deinem Herzen Besitz zu ergreifen. Hast du sie denn gar nicht bemerkt?“ Nein, hatt’ ich nicht. Ich wäre gar nicht auf den Gedanken gekommen, daß mich etwas beeinflußt haben könnte. Diese düsteren Gefühle sind schon so lange Zeit ein Teil von mir, daß ich sie einfach für bare Münze genommen habe. Aber wie es scheint, befinden wir uns hier an einem Ort, der dunkle Kräfte noch verstärkt. Trotzdem, ich kann nicht schon wieder die Augen vor mir selbst verschließen und alles auf einen ekeligen schwarzen Waberpudding schieben. “Ganz so war es nicht, Gabumon. Das Ding hat nur versucht, sich die Dunkelheit zu holen, die ich ohnehin schon mit mir rumschleppe. Ich glaub’, ich trage sie schon seit Jahren in meinem Herzen spazieren und meine Einsamkeit hat immer mehr und mehr Dunkelheit angesogen.“ Wie ein gigantisches Schwarzes Loch, das alles verschlingt. Aber damit ist jetzt Schluß! “Ich werd’ das ändern.“ Ich kann die Zuversicht geradezu fühlen, die mein Herz durchströmt. Jetzt wo ich endlich ein Ziel habe und nicht mehr hilflos wie ein blinder Welpe durch die Dunkelheit tapse. Ich weiß jetzt, was ich an mir ändern möchte und was ich an mir ändern kann. Ich will ehrlicher mit meinen Gefühlen sein und mit Gabumon fange ich an. Mit meinem treuesten Freund, der mich immer beschützt und meine Launen ertragen hat, egal wie ekelhaft ich zu ihm war. “Danke für alles, Gabumon.“ Ich ziehe das Fellbüschel in meine Arme und er ist so gerührt, daß er beinahe anfängt zu heulen. Vielleicht heulen wir auch alle beide, aber es ist mir in diesem Moment so was von egal. “Ich wollte mich bei dir bedanken, seit ich dich damals getroffen habe,“ schnieft mein Didschi zurück. “Du hast immer zu mir gehalten.“ Eigentlich sind Worte zwischen uns gar nicht mehr notwendig, aber ich möchte es trotzdem aussprechen. “Und ich kann dir nicht mal garantieren, daß ab jetzt alles besser wird, da ich nun mal ein schwieriger Mensch bin. Aber ich kann dir zumindest versprechen, daß ich ab jetzt weniger motzen und maulen werde.“ “Ich komm damit klar.“ Jetzt grinst es unter Tränen und präsentiert dabei seine wilden Didschi-Hauer “Meinetwegen darfst du motzen und maulen soviel du willst.“ “Einverstanden.“ Auch ich kann unter all den Tränen das erste Lächeln spüren. “Wenn ich wieder motzen und maulen will, dann flüstere ich es dir ganz leise ins Ohr.“ Jetzt lachen wir los, alle beide und mit einem Mal ist die ganze Höhle verschwunden und nur noch blauer Himmel über uns. Ein Stück blauer Himmel in dieser trostlosen Welt und ein Stück Hoffnung. Und als wäre das nicht genug, höre ich auch noch eine bekannte Stimme meinen Namen brüllen. “Oooy, Yaaamatooo!“ * * * Das Schicksal erwartet offenbar, daß ich meine guten Vorsätze schleunigst in die Tat umsetze, denn vor mir steht nun die zweite Person, der ich meine Freundschaft geschenkt habe. Obwohl, Stehen trifft’s nicht so ganz, denn Jou hüpft aufgeregt herum und wedelt mit den Armen, bevor er schnaufend zusammensinkt und dann in ein hysterisches Lachen ausbricht. “Siehst du, ich hab’s dir gesagt, Gomamon, ich hab’s dir gesagt! Wir haben ihn gefunden! Wir haben ihn wirklich gefunden!“ Äh, das muß ich jetzt nicht verstehen, oder? Gute Vorsätze hin oder her. Trotzdem war ich unheimlich froh, ihn zu sehen. Er berichtete mir in Kurzfassung, daß Mimi sich nach meinem Weggang ebenfalls von der Gruppe getrennt hatte und daß er mit ihr mitgegangen war. “Im Moment braucht sie meine Hilfe aber nicht, da sich uns eine Menge Digimon angeschlossen haben,“ erzählte er weiter. “Also hab’ ich mich aufgemacht, um nach dir zu suchen. Klar, du wolltest Zeit für dich, aber vielleicht möchtest du ja zu uns zurückkommen, wenn du dich danach fühlst. Oh, und übrigens...“ Er streckte die Hand aus und hielt mir meine Mundharmonika entgegen. Wo hab’ ich das Ding eigentlich verloren? Oder hab’ ich’s irgendwann weggeworfen, weil ich selbst die Musik nicht mehr ertragen konnte? Jedenfalls danke. “Danke, daß du dir die Mühe gemacht hast, mir Ekelpaket meine Sachen hinterher zu tragen.“ “Och, Jou ist nicht derjenige, bei dem du dich entschuldigen solltest,“ sagte Gomamon frech und Jou’s Blick verriet mir, daß das Didschi nur das ausgesprochen hatte, was er sowieso schon die ganze Zeit dachte. “Wie... wie geht’s Taichi denn?“ fragte ich vorsichtig und hatte Angst vor der Antwort. “Und Takeru, ist Takeru noch bei ihm?“ “Ich weiß es leider nicht.“ Bedauernd zuckte Jou mit den Schultern. “Ich hab’ die anderen seit drei Tagen nicht mehr gesehen und kann nur hoffen, daß es ihnen gut geht. Ich weiß, daß sie Mugendramon besiegt haben müssen, denn sein Gebiet wurde verschlungen, aber...“ “Wir müssen sie finden.“ Dank meines Ego-Trips hatten wir schon genug Zeit verloren. Natürlich verspürte ich Panik bei dem Gedanken, daß Taichi mich vielleicht überhaupt nicht sehen wollte. Vielleicht hatte er es längst aufgegeben, nach mir zu suchen oder überhaupt an mich zu denken. Aber das durfte mich jetzt nicht aufhalten. Ich konnte ihm nicht meine Hilfe versagen, nur weil ich mich vor einer Standpauke fürchtete, die ich voll und ganz verdient hatte. Also, wo sollten wir anfangen zu suchen? Wo würde Taichi sein? Diesmal musste mein Brain nicht lange auf die Antwort warten, denn sie war offensichtlich. Mr. “Da muß man nur mal draufhauen“ war immer dort zu finden, wo’s den meisten Ärger gab. “Auf dem Spiralberg, Jou.. Taichi ist auf dem Spiralberg. Kennst du ’nen Weg dort hoch?“ “Weg ist etwas übertrieben.“ Jou kniff die Augenbrauen zusammen wie er es gerne tat, wenn er nachdachte. “Aber es gibt Möglichkeiten, zwischen den Felsen hochzuklettern. Wir könnten ein Stück zurückgehen, dort war eine Schneise. Ich weiß allerdings nicht wie weit sie nach oben führt.“ “Gut, versuchen wir’s!“ Ich hatte mich bereits in die Richtung gewandt, in der Jou’s nervöser Arm (oh, glaub’ mir, seine Körperteile können auch unabhängig voneinander nervös sein) herumwedelte, als ich aus der genau entgegengesetzten Richtung, eine Stimme rufen hörte. “Sora-san! Sora-saaan!“ “Takeru!“ Ich fuhr herum und rannte die Felsen entlang, aber ehe ich mir einen Überblick verschaffen konnte, sauste schon etwas Kleines, Wuschelköpfiges auf mich zu und sprang mir in die Arme. Sein Hamsterdidschi flappte neben ihm her. Erstmal verschlug es mir die Sprache, es fühlte sich an, als hätte jemand mal eben einen ganzen Eimer an Emotionen über mich ausgekippt. Ich war erleichtert, daß es ihm gut ging, fühlte mich schuldig, weil ich ihn so lange allein gelassen hatte und merkte erst jetzt, wie sehr ich ihn eigentlich vermißt hatte. Bei all meinen Grüblereien hatte ich nie wirklich über seine Gefühle nachgedacht. Zwar darüber, wie ich ihn behandelt hatte, aber immer nur in Verbindung mit dem was ich fühlte, was ich wollte und wie es mir ging. “Wo bist du gewesen?“ Seine Piepsstimme überschlug sich fast. “Ich hab’ mir solche Sorgen gemacht.“ „Gomen na.“ Ich schluckte und merkte, daß es mir immer noch nicht leichtfiel, mich zu entschuldigen. “Aber ich werd’ nicht mehr einfach abhauen, okay? Versprochen.“ Das mußte wohl entschlossen geklungen haben, denn mein Brüderchen blickte mich leicht verwundert an. Vielleicht ist er es auch nicht von mir gewohnt, daß ich mich entschuldige oder ihm ein Versprechen gebe. “Irgendwas ist anders an dir, Onii-chan.“ An ihm ist auch etwas anders. Takeru ist ein ganzes Stück schwerer geworden, seit ich ihn das letzte Mal hochgehoben habe. Ich frage mich, wie lange ich ihn noch werde tragen können. „Nicht so wichtig, Takeru.“ Der alte Yamato hat sich sosehr danach gesehnt, sich endlich zu verändern, aber jetzt merke ich, daß ich gar nicht das Bedürfnis habe, darüber zu reden und es meinem Brüderchen zu erklären. Vielleicht später einmal, wenn wir Zeit haben. Aber jetzt gibt es Wichtigeres, ich muß herausfinden, wo die anderen sind und ob es ihnen gut geht. “Wie kommt es, daß du hier bist, Takeru? Was ist passiert?“ “Da, das dunkle Loch!“ Er wedelte mit seinen Ärmchen und deutete auf die Felsen hinter uns, wo sich der Boden spaltete. “Sora-san war bei mir, aber etwas hat sie da runter gezogen.“ “Sora-kun ist da unten?“ Jou trat ein wenig näher an die klaffenden Felsen herum und guckte nach unten. Mit einen leisen Schreckensschrei hüpfte er wieder zurück, weg von dem Abgrund, der sich dort auftat. Immer weiter ging es in die Tiefe, bis sich der Boden in schwarzen wabernden Massen verlor. Dunkel... dunkel... aber keine natürliche Dunkelheit. Weder das samtige Blauschwarz des Nachthimmels, noch das warme beschützende Dunkel der Erde. Gabumon und ich blickten uns an, wir verstanden uns auch ohne Worte. Sora war derselben Dunkelheit zum Opfer gefallen wie ich. * * * Der Weg nach unten war alles andere als einfach. Am liebsten hätte ich Takeru mit Patamon oben gelassen, aber ich widerstand der Versuchung. Wenn ich ihn jetzt allein ließe, jetzt, nachdem ich ihm versprochen hatte, das nicht mehr zu tun, was war mein Versprechen dann überhaupt noch wert? Doch nicht mehr als ein alter stinkender Numemonhaufen! Takeru würde hier oben sitzen und sich verlassen fühlen und damit wäre er leichte Beute für diese Dunkelheit, die hier herumschlich. Nein, es war besser, wenn wir alle zusammenblieben. “Ihr dürft keine Angst haben.“ Meine Hände krallten sich in die Erde, während mein Fuß nach dem nächsten Felsabsatz tastete. “Die Angst macht es stärker. Die Angst und die Verzweiflung. Wir müssen immer daran denken, daß wir es schaffen werden.“ “Wakatta.“ Ich konnte Takeru hinter mir nicht sehen, aber seine Stimme klang entschlossen und überhaupt nicht eingeschüchtert. “Hast du gehört, Jou-san? Du darfst keine Angst haben.“ Wie gut, daß der Kleine eine solche Frohnatur ist. Mit einem Anflug von Neid mußte ich zugeben, daß die Dunkelheit sich an jemandem wie Takeru vermutlich die nicht vorhandenen Zähne ausbeißen würde. Mit mir altem Schwarzseher hatte sie weitaus leichteres Spiel gehabt. Egal. Letztendlich hatten wir sie besiegen können. Und wir würden es wieder tun. Nach einer halben Ewigkeit von Klettertour fand Jou schließlich den Boden, indem er ausrutschte und genau drauf fiel. Sora konnte auch nicht weit sein, denn wir hörten Piyomon’s Fiepen. Das bunte Papageiendidschi hüpfte panisch flatternd am Boden herum, als habe es verlernt zu fliegen. Nun, wenn man’s genau nimmt, konnte es das noch nie besonders gut. Das Fliegen natürlich, nicht das Fiepen. Darin ist es amtierender Weltmeister. Eine Biegung weiter fanden wir dann eine Steinstatue, die sich als Sora entpuppte. Alles Ziehen und Zerren half nichts und Jou’s wissenschaftlicher Vortrag über die wunderbare Welt der Schwerkraft war ungefähr genauso so hilfreich wie der vorhin schon erwähnte Numemonhaufen. Grübelnd marschierte ich auf und ab und suchte nach einem Hinweis oder einer göttlichen Eingebung. Irgendeinen Weg mußte es doch geben, sie da raus zu bekommen. Ob ihr Didschi sie mal beißen sollte? Bei mir hatte das schließlich auch funktioniert. “...muß Mimi-chan finden... Yamato-kun, Jou-sempai... muß Taichi retten.“ Taichi? Was sagte sie da eben über Taichi? “...Welt wird untergehen.... wir werden sterben“ Nein, werden wir nicht. Den Teufel werd’ ich tun, hier zu sterben, solange ich Taichi noch nicht wiedergesehen habe. “Sora, hör zu...“ “Sie hört nicht zu,“ schluchzte Piyomon. “Sie antwortet auch nicht. Alles, was sie tut, ist wieder und immer wieder dasselbe vor sich hinzumurmeln.“ “Sora, wir sind hier.“ Jou umfaßte ihre Schultern. “Yamato und ich, wir sind beide hier. Sieh mich an.“ “Sempai?“ Wie in Zeitlupe hob Sora den Kopf und blickte Jou ungläubig entgegen. Selbst in ihren Augen schien sich etwas von der Dunkelheit manifestiert zu haben, ihre Pupillen waren starr und riesengroß wie bei Eulenaugen. Oder wie bei jemandem, der gerade eine gehörige Portion Crack geraucht hat. Ganz unfreiwillig hatte ich plötzlich dieses Bild im Kopf von Sora mit einem Shishaschlauch in der Hand inmitten eines Haufens leerer Bier- und Schnapsflaschen. Ich hätt’ drüber lachen können, wär’ die Situation nicht so ernst gewesen. Andererseits war Humor vielleicht ein ganz guter Schutzschild gegen das Dunkelheitskriechgedings. “Ja, jedenfalls, ich bin auch da,“ Himmel, Yamato, was für eine intelligente Bemerkung. Wie war das doch gleich mit Erwachsen werden? Verdammt, warum ist Taichi nicht hier. Er hätte sich vielleicht auch dämlich benommen, aber zumindest hätte er Sora damit zum Lachen gebracht. Er weiß, wie man Leute aufmuntert. Okay, das letzte Mal, als Sora geheult hat, kam er ziemlich hilflos zu mir gerannt, aber das ist auch schon wieder eine ganze Weile her. Oder warum nicht Koushirou? Er hat zwar auch keine Ahnung von menschlichen Gefühlen, aber er kennt Sora schon seit Jahren. Ausgerechnet das Nörglerkommando vom Dienst soll jetzt positives Denken verbreiten? Na, auf geht’s, Nörglerkommando! Wir haben da schließlich noch ’nen Taichi zu retten. Ich tat mein Möglichstes, um zu lächeln und versicherte Sora, daß alles wieder in Ordnung käme. Es war ein blöder Spruch und sie merkte es natürlich trotz ihres weggetretenen Zustands. “Nein wird es nicht. Wir werden sterben... alle sterben. Die Welt wird untergehen und ich bin daran schuld.“ Zum letzten Mal, hier stirbt keiner, bevor ich nicht Taichi wiedergesehen hab’. Moment, wieso schuld? Wieso soll sie daran schuld sein? Das ist doch total albern. “Sora, du bürdest dir zuviel Verantwortung auf.“ Jou hatte offenbar begriffen, wo das Problem lag. “Ich hab mich auch immer für alles verantwortlich gemacht,“ sagte er fast entschuldigend, bevor er sich wieder ihr zuwandte. “Du bist nicht schuld, du glaubst das nur.“ “Sora, deine negativen Gedanken sind es, die diese Höhle überhaupt erst erschaffen.“ Ich wußte nicht, ob es helfen würde, ihr die Mechanik hinter dieser Dunkelheit zu erklären, aber für den Moment fiel mir nichts Besseres ein. “Die negative Energie aus schlechten Gedanken verstärkt diese Dunkelheit. Du darfst ihr nicht noch mehr Energie geben. Ich weiß, daß es dir im Moment echt mies geht, aber laß nicht zu, daß alles in dir in sinnlose Trübsalbläserei versinkt. Das macht es nicht besser.“ Platitüden, nichts als Platitüden, jedes einzelne Wort. Verdammt! Verdammt, ist das mies, ich kenne das, ich kenne es so gut. Wenn die eigenen Gedanken einfach nur ein schwarzes Loch sind, in das man ohne sich dagegen wehren zu können, eingesaugt wird. Wieder und wieder hatte ich es erlebt und nun war es Ironie des Schicksals, daß ich es von der anderen Seite kennenlernte. Zum erstenmal war nicht ich derjenige, der da hineinrutschte, sondern ich mußte dabei zusehen, wie es mit jemand anderem geschah. Und ich stand genauso hilflos daneben wie mein Vater, Mama und Takeru immer daneben standen. Und Taichi. Und mein Didschi. Es gab keine Möglichkeit. Moment mal, das stimmte nicht. Gabumon hatte mich schon öfter aus so einem Loch rausgeangelt und Taichi auch. Und Jou war ja wohl abgesehen von meiner Familie der erste, der es geschafft hatte, an mich ranzukommen. Er konnte es auch bei Sora schaffen, Und ich konnte das auch. Selbst wenn es nur Platitüden waren, irgendwann würden unsere Worte sie erreichen. Wir mußten es nur wieder und wieder versuchen. “Du kannst diese Schuldgefühle überwinden, Sora!“ “Diese Schuldgefühle?“ wiederholte sie verständnislos. “Wir kämpfen nicht in dieser Welt wegen irgendwelcher Verpflichtungen. Vergiß den Blödsinn mit Prophezeiungen und auserwählten Kindern. Wir tun es, weil wir es wollen. Wir selbst haben uns dazu entschieden, nicht Gennai, nicht unsere Eltern, nicht irgendwelche anderen Leute. Und wenn du es nicht tun willst, dann entscheide dich dagegen. Dieses Recht steht dir zu.“ Jou blickte mich erschrocken an. Ich konnte an seinem Blick sehen, daß er mir widersprechen wollte, aber er tat es nicht, denn er wußte, das ich in diesem Punkt recht hatte. Genau wie ich, kämpfte auch er längst nicht mehr für irgendeine Prophezeiung. Er hatte sich dazu entschieden, zu kämpfen. Vielleicht für den Weltfrieden, vielleicht für seine Familie, vielleicht auch für Mimi, darum ging es jetzt nicht. Aber er hatte sich entschieden. Und auch Sora mußte sich entscheiden. “Sieh mal wie weit wir schon gekommen sind, Sora. Devimon, Etemon, Vamdemon und jetzt noch drei von vier Dark Masters. Das hätten wir nicht geschafft, wenn wir die Kraft nicht in uns selbst gefunden hätten. Du hast so oft getan, was andere von dir verlangt haben. Jetzt mach’ das, was du selber willst.“ “Was ich selber will?“ Die Frage hing eine Zeitlang im Raum, bevor Sora begann, sich selbst die Antwort zu geben. “Aber ich muß...“ “Du mußt gar nichts,“ unterbrach ich sie. “Du trägst doch auch Hosen und spielst Fußball, weil du es selber willst. Und es ist dir egal, daß andere Mädchen das nicht tun und es vielleicht komisch finden. Da sieht man doch, daß du dich nicht von anderen rumscheuchen läßt. Das paßt überhaupt nicht zu dir.“ “Nicht, weil ich es will,“ murmelte sie. “Taichi...“ Einen Moment lang war ich so erschrocken, daß es mir total die Sprache verschlug. Ich hatte Sora als ein jungenhaftes Mädchen kennengelernt, das Fußball spielte und sich herumbalgte und so ganz anders war als die ganzen anderen Mädchen. Im Gegensatz zu Prinzessin Mimi mit der ich lange Zeit nichts anfangen konnte, hatte ich Sora einfach immer wie einen Jungen behandeln können. Ich denke, wäre da nicht die Eifersucht wegen Taichi gewesen, hätten wir uns vielleicht sogar anfreunden können. Und das sollte alles nur eine Maske sein? Alles nur wegen Taichi? Das konnte ich nicht so recht glauben. Das Sora in Taichi verliebt war, hatte ich schon lange vermutet, also überraschte mich das nicht. Aber das mit dem Fußball schon. Versuchte sie durch das Fußballspielen in seiner Nähe zu sein? Aber sie spielte so verdammt gut. Sie war um Längen besser als die meisten Jungs, die ich kannte, sogar die Größeren. Und selbst wenn sie in Taichi verliebt war, warum hatte sie nie etwas gesagt. Selbst dann nicht, als er und ich... Sie kannte ihn doch viel länger als ich, sie hätte vielleicht bessere Chancen bei ihm gehabt... es paßte alles nicht zusammen. Ich war mal wieder auf etwas gestoßen, das mir deutlich zeigte, daß ich nicht der Einzige war, der seine Gefühle vor der Welt versteckte. Aber so neugierig ich auch war, es stand mir nicht zu, noch weiterzubohren. Sora’s Geheimnisse gehörten ihr allein und weder Jou noch ich würden diese Situation ausnutzen. Alles was zählte, war, Sora aus dieser Höhle rauszubringen. “Nicht, weil ich es will,“ wiederholte sie. “Wir müssen kämpfen, weil wir auserwählt wurden.“ Offenbar war ihr gar nicht bewußt, daß sie vor wenigen Augenblicken noch über etwas völlig anderes gesprochen hatte, und wir hüteten uns, das Thema anzuschneiden. “Es stimmt, daß wir in der DigiWelt oft die Opfer der Umstände gewesen sind,“ meinte Jou, “aber wir haben auch viel aus eigenem Antrieb erreicht. Wir können etwas erreichen, weil wir es wollen. Du hast doch gesehen, daß es so ist.“ “Gibt dir das nicht wieder neuen Mut?“ fragte ich. “Die Tatsache, daß wir soviel erreicht haben?“ “Wir können etwas erreichen, weil wir es wollen...“ Endlich schienen unsere Worte zu ihr durchzudringen. “Wir können, nein, wir werden es schaffen.“ Endlich... jetzt hatten wir sie. Die fürchterliche Starre verließ ihre Pupillen und ihre Augen wurden wieder klar. Als wir diesmal die Hände nach ihr ausstreckten, um sie auf die Beine zu ziehen, griff sie danach und nur Sekunden später stand sie neben uns. Es lag immer noch eine gewisse Traurigkeit in ihrem Blick, doch ihre Lippen hatten sich zu einem Lächeln verzogen. Ein Lächeln, welches noch breiter wurde, als sich Piyomon ohne Vorwarnung in ihre Arme stürzte. “Endlich hab’ ich die alte Sora wieder!“ Mir graute vor der Kletterpartie nach oben, aber die schien gar nicht mehr nötig zu sein, da die Höhle sich um uns herum auflöste und wir wieder oben auf ebener Erde standen. Genau wie vorhin bei mir hatte dieses Kriechgedings von allein überhaupt nicht die Kraft, die Höhle aufrecht zu erhalten. Es brauchte die Dunkelheit aus einem Menschenherzen dazu. Und keines unserer Herzen war noch bereit, sie ihm zu spenden. „Piyomon... shinka Birdramon.“ Jetzt waren wir an der Reihe. Ich umfaßte mein DigiVice und dachte dabei an Taichi. An sein Lächeln, seine Wuschelhaare, seine braunen Glubschaugen. Daran, daß wir Seite an Seite gekämpft hatten. Daran, daß er mich nie im Stich gelassen hatte. Daran, daß wir zusammen gehörten. Zum erstenmal seit einer halben Ewigkeit ließ ich diese Gedanken zu, versuchte nicht, gegen sie anzukämpfen und sie niederzuringen, wie es mir schon zur zweiten Natur geworden war. Und als ich das goldene Licht der Digitation sah, wußte ich, daß meine Kraft zurückgekehrt war. * * * ’Wir dürfen nicht zu spät kommen, wir dürfen nicht zu spät kommen,’ wiederholte die Stimme in meinem Kopf immer wieder, während wir den Pfad zwischen den Felsen hinaufjagten. Jou und Gomamon hockten hinter mir auf Garurumon’s Rücken, während Takeru bei Sora auf Birdramon’s Kralle saß. In der Luft waren sie nicht an den Weg gebunden, und konnten nach den anderen Ausschau halten. Aber das war schon fast nicht mehr nötig, denn als wir uns dem Gipfel näherten, hörten wir bereits die Kampfgeräusche. Piemon. Der Mächtigste und Gefährlichste der Dark Masters. Ich wußte schon immer, warum ich Clowns nicht mochte. Wind zerrte an meinen Haaren und Kleidern. Zwar gab es noch ein paar Felsen, aber bald würden wir offenes ungeschütztes Gelände erreichen. Es schien, daß mit dem zunehmenden Verfall der DigiWelt auch die Elemente nicht mehr unter Kontrolle waren. Hoffentlich hielt mein Brüderchen sich gut fest, da oben. Einmal riskierte ich einen Blick zurück und mir blieb fast das Herz stehen. Von hier aus konnte man gut erkennen, daß es tatsächlich nur noch diesen Berg gab. Es war schon ziemlich verwirrend gewesen, am Rande des Nichts zu lagern, aber zu sehen, wie man in einer richtigen Suppe aus Nichts schwamm, das von allen Seiten herankam, war noch ein ganzes Stück heftiger. Vor allem fragte ich mich, was diesen kümmerlichen Rest Welt überhaupt noch an seinem Platz festhielt, und warum er nicht schon längst steuerlos herumtrudelte. Vielleicht tat er das ja längst und wir wußten es nur nicht. Ein Nichts sieht von allen Seiten gleich aus. „Taichi!“ Ich schrie seinen Namen und hoffte, daß der Wind meine Stimme weitertragen würde. Wenn er wußte, daß wir nur noch Minuten von ihm entfernt waren, würde ihm das vielleicht neue Zuversicht geben. Ein ohrenbetäubendes Krachen kam als einzige Antwort. Irgend etwas Großes, Schweres mußte gerade gegen die Felsen gedonnert sein. Vor uns, am Eingang zu einem gewaltigen Hochplateau, lag WarGreymon. Seine schimmernde Rüstung war vollkommen stumpf, ihre metallenen Gelenke verbogen und zerschmettert. Seine Augen waren geschlossen, nur die Tatsache, daß er noch nicht in seine Pixel zerfallen war bewies, daß er noch am Leben war. Aber ob der reglose menschliche Körper, der in der Mitte des Plateaus lag noch lebte, war aus dieser Entfernung nicht zu erkennen. Taichi! Ich stolpere von Garurumon’s Rücken, es kümmert mich nicht, daß ich mir Knie und Handflächen aufschürfe. Taichi darf nicht tot sein. Nicht jetzt, wo ich ihn gerade erst wiedergefunden habe. Ich reiße ihn in meine Arme, spüre seine Wärme, rieche den Duft seiner Haare. Sein Atem streicht über mein Gesicht, er ist noch am Leben. Taichi lebt! Ich bin nicht zu spät gekommen. Wir haben es noch rechtzeitig geschafft. Meine Dummheit und mein Egoismus haben nicht alles zerstört. Mühsam öffnet er die Augen, als ich seinen Kopf vorsichtig auf meinen Schoß bette. Es bricht mir das Herz, ihn so kraftlos da liegen zu sehen. Warum bin ich fortgegangen? Warum habe ich alles in die Tonne getreten, was uns beide verbindet? Er blickt mich an, zuerst ungläubig, als könne er sich nicht sicher sein, daß ich kein Traum bin. Dann tritt die Erkenntnis in seine Augen und ein kleines, von Schmerz verzerrtes Lächeln spielt um seine Lippen. “Ich hab’ so sehr darauf gewartet, daß du zurückkommst.“ “Taichi!“ Mehr als seinen Namen bringe ich nicht heraus. Er lehnt den Kopf gegen mein Knie. “Ich hab’ immer daran geglaubt, daß du zurückkommen wirst, und du bist wirklich gekommen.“ Mir wird abwechselnd heiß und kalt. Taichi hat mich nie aufgegeben. Ich bin gemein zu ihm gewesen, ich habe ihn schlecht behandelt, und dann bin ich einfach fortgegangen. Und er hat mich nie aufgegeben, selbst dann nicht, als ich mich selbst aufgegeben habe. “Danke, daß du an mich geglaubt hast und es tut mir leid, daß ich erst so spät hier bin.“ Ich kann fühlen, wie die Tränen meine Wangen hinunterlaufen, aber ich schäme mich nicht für sie. Ich bin einfach nur froh, daß ich ihn wiederhabe. Daß ich wieder bei ihm sein kann. „Taichi, du bist mein wahrer Freund. Und ich werd’ deine Freundschaft nie wieder so mit Füßen treten.“ Und nie wieder werd’ ich dich allein lassen. Nie wieder. Du und ich – wir gehören zusammen. Auch wenn wir uns manchmal streiten. Auch wenn wir so grundverschieden sind, und in so vielen Dingen nicht einer Meinung. Gerade deshalb ergänzen wir uns so gut. Dein Mut hat mir klargemacht, wie wichtig Freundschaft ist. Und meine Freundschaft verleiht dir neuen Mut. Auf den Schwingen, die mein Mut mir schenkt Flieg‘ ich mit dir, wohin der Wind uns lenkt! Ganz hoch hinauf, wir geben niemals auf! Unsere Wappen beginnen zu leuchten. Sie leuchten nicht nur, sie strahlen geradezu und sie hüllen uns beide in goldenes Licht. Auf den Schwingen, die mein Mut mir schenkt, flieg ich zu dir, weil ich grad‘ an dich denk! Denn du bist sicherlich Da für mich – ich glaub an dich! Und wir sind nicht die einzigen, denn auch unsere Digimon werden davon erfaßt. Nacheinander verschwinden die Schrammen und Ausbeulungen von WarGreymon’s Rüstung. Die zerschmetterten Glieder und Gelenke reparieren sich von selbst. Als er seine Augen öffnet und sich erhebt, sieht er wieder gesund und munter aus. Wie frisch aus der Digitationssequenz. Auf den Schwingen, die mein Mut mir schenkt Flieg‘ ich mit dir, wohin das Herz mich drängt! Was auch passiert, wohin der Weg uns führt! „Yamato’s Wappen der Freundschaft hat mir die Kraft gegeben, dich wiederzuerwecken,“ erklärt Garurumon, während er an die Seite seines Kampfgefährten tritt. Er selbst digitiert zurück zu Gabumon, aber WarGreymon kann jetzt wieder kämpfen. „Ich danke dir.“ Auf den Schwingen, die mein Mut mir schenkt, flieg ich zu dir, weil ich grad‘ an dich denk! Denn ich weiß, du läßt mich Nie im Stich Ich glaub‘ an dich! „Eigentlich hatte ich geplant, euch allen einen schnellen, schmerzlosen Tod zu gewähren.“ Eine schneidende Stimme durchbrach unsere neu gewonnene Zuversicht. „Aber wenn ihr das Leiden vorzieht, werde ich euch langsam zu Tode quälen und jede einzelne Minute davon genießen.“ Piemon! Nein, wir hätten nicht vergessen, daß unser letzter Gegner noch vor uns steht. Selbst dann nicht, wenn er sich nicht durch einen blöden Spruch bemerkbar gemacht hätte. Schnell zogen wir Taichi auf die Beine. Jou und ich legten seine Arme um unsere Schultern, damit er sich auf uns stützen konnte, als wir ihn halb zogen, halb trugen. Sora und mein Brüderchen liefen uns voraus zu einem großen Felsen, hinter dem bereits Koushirou und Hikari Deckung gesucht hatten. Wir wußten nicht, wie schwer Taichi verletzt war, aber sein Kampfgeist schien ungebrochen. Kaum hockte er in sicherer Entfernung auf seinem Hintern, ballte er schon wieder die Fäuste. Wahrscheinlich würde ich ihn anbinden müssen, damit er nicht gleich wieder hinaus aufs Schlachtfeld rannte. Mit beiden Händen umfasse ich mein DigiVice und lasse all unsere besonderen Momente im Zeitraffer vor meinem geistigen Auge Revue passieren. Unser Abenteuer auf der Schneeinsel, wo er mir das Leben gerettet hat. Unser Wiedersehen bei Digitamamon’s Restaurant. Die Liebespfeile, als er zum ersten Mal meine Hand hielt. Als er mich fragen wollte, ob ich mit ihm gehe und er es nicht über die Lippen gebracht hat. Als wir zusammen schwimmen waren. Als ich ihn in die Hand gebissen habe. Und da ist noch mehr, soviel mehr. Es reicht schon, wenn ich nur an sein Lächeln denke und mir wird ganz warm ums Herz. Oh Mann, es hat mich wirklich erwischt. Bis ins Mark. Gabumon....warpshinka... Aber es wäre doch gelacht, wenn Gabumon jetzt keine WarpDigitation zustande bringt. ...MetalGarurumon Unsere beiden Digimon greifen gemeinsam an und ihre Attacken vereinigen sich zu einer gewaltigen Wolke aus Blitz und Feuer. Dieser mächtigen Kraft kann keiner widerstehen. Schon gar nicht ein größenwahnsinniges Clownsgetier, das mächtig einen an der Klatsche hat. Piemon sprang hastig beiseite und konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen. Zwar wehrte es sich mit Zirkusbällen, Schwertern und brennenden Reifen, aber nichts davon traf, weil unsere beiden Digimon nämlich ein perfektes Team sind. WarGreymon übernahm den Angriff, MetalGarurumon die Verteidigung. Schon damals bei der Zombiefresse hatte das wunderbar funktioniert und die war auch auf dem MegaLevel gewesen. „Haltet euch bereit,“ rief Taichi den anderen zu. Ich konnte mir ausrechnen, was er vorhatte, sobald der Gegner geschwächt war, sollten auch die anderen Digimon in den Kampf eingreifen. Ich mußte grinsen. Sollte Taichi ruhig das Kommando haben. Er war ein guter Anführer und ich vertraute ihm. Wir verstanden uns auch ohne Worte. Als WarGreymons GaiaForce den widerwärtigen Clown von den Füßen riß, nickte Taichi mir zu und wir ließen beide Digimon nach vorn preschen. Jetzt konnten wir gemeinsam angreifen. Wie Spinnenbeine wanden sich Piemons lange dürre Finger in der Luft. Sollten sie rechtzeitig eine Attacke weben, so würde mein Digimon sie aufhalten, während Taichi’s den Angriff fortsetzte. Er konnte nicht beide gleichzeitig erwischen. Dieses Mal gehörte er uns. Doch Piemon machte keine Anstalten, die beiden anzugreifen. Stattdessen erschien ein schneeweißes Taschentuch in seinen Händen. „Was ist das?“ Taichi kniff verwundert die Brauen zusammen. „Will er jetzt Kaninchen oder Tauben herbeizaubern?“ „Vielleicht will er aufgeben?“ fragte sich Jou. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß er das wollte. Das war doch irgendwas. Irgendein Trick, den er noch im Ärmel hatte und den wir nicht durchschauen konnten. Vielleicht sollten wir diesen Angriff besser abbrechen? Auch Taichi schien zu überlegen, aber in diesem Moment ließ Piemon das Taschentuch los. In der Luft wurde es größer und immer größer, formte einen gewaltigen weißen Baldachin. Dieser senkte sich nun über unsere Digimon. Im nächsten Moment waren WarGreymon und MetalGarurumon verschwunden. Panik griff nach mir wie eine häßliche scharfe Klaue. In der Hitze der Angst ließ ich jede Vorsicht beiseite und stürmte aus meinem sicheren Versteck hinaus aufs Schlachtfeld, Taichi dicht an meiner Seite. Wir rannten zu der Stelle, wo unsere Digimon verschwunden waren, doch noch bevor wir sie erreichten, wurde die Welt um uns herum schneeweiß. Die Schreie der anderen wurden immer leiser, um schließlich ganz zu verstummen. Verdammt, wie konnten wir nur so dumm sein! Wir sind ihm direkt in die Falle gelaufen. Im nächsten Moment scheint mein ganzer Körper vor Schmerz zu explodieren. Meine Schreie vermischen sich mit denen von Taichi, während ich mit letzter Kraft nach ihm greife. Ich will ihn einfach nur festhalten und nie wieder loslassen. Ich sollte nicht dankbar dafür sein, daß er mit mir in dieses Schlamassel geraten ist, aber ich bin es, auch wenn ich mich deswegen schuldig fühle. Daß er bei mir ist, macht es erträglicher. Wäre ich doch klüger gewesen und hätte nicht so viel kostbare Zeit verschwendet! Die Schmerzen sind unbeschreiblich, doch ich weiß, daß sie bald aufhören werden. Ob wir auch in viele kleine Pixel zerfallen werden wie die Digimon? Ich hoffe, die anderen sind klug genug, um zu fliehen. Ich hoffe, sie passen gut auf mein Brüderchen auf. Ich hoffe, unsere Eltern müssen nicht dafür bezahlen, daß wir so kläglich versagt haben. Taichi... Es ist grausam, daß es ausgerechnet jetzt geschehen muß, nachdem wir uns gerade erst wiedergefunden haben. Aber wir haben uns wiedergefunden und das ist alles, was zählt. Ich liebe dich, Taichi. Tsuzuku Author's Note: Über Updates informiere ich in meinem Weblog: http://animexx.onlinewelten.com/weblog/562837/ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)