The Poetry of Light and Shadow von Ceydrael (Loki x OC) ================================================================================ Kapitel 18: Echos der Unterwelt ------------------------------- Es gab Momente im Leben, die waren in ihrer Absurdität schon so komisch, dass man nur noch lachen wollte, obwohl es eigentlich keinen Grund für einen plötzlichen Anfall von Erheiterung gab. Dieser hier gehörte eindeutig dazu; Gwen musste ein haltloses Kichern herabschlucken, welches mit beinahe tödlicher Gewissheit sicher an der Grenze zur Hysterie vorbeigeschrammt wäre, als sie nun nach Loki ihre Wohnung betrat und Ashlyn wie von der Tarantel gestochen von der Couch aufsprang. Der hübschen, sonst so resoluten Brünetten entglitten sämtliche Gesichtszüge und sie hielt sich Winston wie ein Schutzschild vor die Brust, der nur müde gähnte, während ihr Mund auf und zu klappte, als wäre sie ein Fisch auf dem Trockenen. »Äh…Sir, ich fürchte, Sie haben sich in der Tür geirrt…und wahrscheinlich auch im Universum…« fügte sie murmelnd an. Ihr Blick rutschte an Loki auf und ab, als suche sie die versteckte Kamera, welche sie gleich aus der Situation retten würde. Mit riesigen, ungläubig geweiteten Augen starrte sie den Magier in seiner Rüstung an, der urplötzlich in der Tür erschienen war und mit einer Selbstverständlichkeit in das Wohnzimmer trat, als unterläge dies seinem Herrschaftsgebiet; seine große Gestalt füllte den Raum so machtvoll aus, dass es einem fast den Atem nehmen konnte. Lokis Präsenz war so gewaltig, dass Gwen augenblicklich das Gefühl hatte, in einer Schuhschachtel zu wohnen, obwohl ihre Wohnung so winzig nun auch wieder nicht war. Aber neben ihm wirkte alles ein wenig kleiner, blasser, unbedeutender. Der Magier hatte schon sein Zepter gehoben und die glänzende Spitze auf Ashlyn gerichtet; mit zusammengezogenen Brauen betrachtete er die dunkelhaarige Sterbliche äußerst argwöhnisch. Eilig trat Gwen hinter Loki in ihr Wohnzimmer; ihre Finger drückten die Waffe des Magiers entschlossen zu Boden. »Nicht! Das ist meine Freundin. Ashlyn. Du erinnerst dich? Ich habe dir schon von ihr erzählt…« wisperte sie zurechtweisend. Loki zuckte knapp die Schultern. »Für mich sehen sie alle gleich unbedeutend aus. Beeil dich. Wir haben keine Zeit.« wies er Gwen fordernd an, die ihm einen knappen Blick aus verengten Augen schenkte. Dieser Befehlston war gerade gar nicht förderlich. »Alles okay, Ash. Er gehört zu mir…« beruhigte sie dann ihre Freundin, die eben schon einen Schritt vor dem Prinzen zurückgewichen war und mit einer Hand nach ihrem Smartphone auf dem Schrank getastet hatte. »Gwen?! Was…was ist hier los?« Entgeistert starrte Ashlyn weiterhin den Magier an; in ihren Augen glänzten flüchtige Funken, die von der Kuriosität der Situation erzählten. Offenbar konnte sie sich ebenso wie Gwen kaum entscheiden, ob sie gerade schreien oder lachen wollte - ihre Brauen hüpften immer wieder ungläubig fragend nach oben und beendeten dieses Spiel auch nicht, als ihr Blick weiter über die erschöpfte Gestalt Gwens glitt und schlussendlich an dem Agent hängen blieb, der die Wohnungstür geschlossen hatte und nun im Durchlass zum Wohnzimmer stand. Die Wunde an seiner Stirn tröpfelte noch immer träges Blut über seine Wange. »Wow…scheint ja eine wilde Party gewesen zu sein…« murmelte die Brünette im halbherzigen Versuch eines Scherzes. »Ash, was machst du überhaupt hier?« fragte Gwen ihre Freundin verwundert und trat zu der recht perplexen Frau hinüber, die über Gwens Schulter weiterhin die beiden Männer im Auge behielt, als wären diese nur zaghaft angeleinte Hunde, die sich gleich kläffend auf sie stürzen könnten. Ihr Blick fokussierte sich flüchtig auf Gwen. »Ich dachte, ich warte hier auf dich, falls du noch ein wenig Gesellschaft nötig hast…aber die hast du ja scheinbar schon…« Winston wandte sich maunzend in Ashlyns Armen, sodass sie den Kater am Ende auf dem Boden absetzte, bevor er ihr noch die teure Bluse zerkratzen würde. Auf samtigen Pfoten schlich der Stubentiger hinüber zu den Neuankömmlingen in seinem Reich. »Gwen…« drang die Stimme des Agents an sie heran. Andrew ließ Loki noch immer nicht aus den Augen, der wie eine erhabene Statue regungslos im Raum stand; allein sein grüner Blick bewegte sich latent interessiert über die Einrichtung der Wohnung. Der Agent hob die Hand zu seiner Stirn und verzog das Gesicht schmerzhaft, bevor er seine blutbeschmierten Finger musterte. »…hast du vielleicht ein Erste-Hilfe-Set hier?« Gwen drehte sich um und deutete wage in Richtung der Tür gleich neben der kleinen Küchenzeile. »Im Badezimmer. Oberstes Schubfach im Schrank...« Andrew nickte und zog das Mobiltelefon aus der Tasche seines Jacketts, um dort eilig eine Nummer einzugeben, bevor er im Badezimmer verschwand, nicht jedoch ohne dem Magier noch einen warnenden Blick zuzuwerfen, der Loki nur müde lächeln ließ. Die Tür ließ der Agent hinter sich angelehnt, wahrscheinlich um den Gott im Blick zu behalten, der nun irritiert auf den Kater zu seinen Füßen herabsah. Das Zepter in seiner Hand verschwand in einem magischen Schimmern, was Ashlyn ungläubig blinzeln ließ. »Verdammte Sch-…was…hast du…hast du das eben auch gesehen?!« Hektisch deutete die Brünette auf den Magier hinter Gwen, die ihrem Deut folgte, jedoch nichts Ungewöhnliches erblicken konnte. Naja, zumindest nichts Ungewöhnlicheres als den großen, dunkelhaarigen Gott in ihrem Wohnzimmer. »Ehrlich…was ist hier los?! Hattet ihr einen Unfall?!« Ashlyn zog Gwen am Ellenbogen näher zu sich; ihr Blick huschte immer wieder nervös zu Loki hinüber. Draußen heulten unzählige Polizeisirenen vorbei, gefolgt von dem dumpfen, monotonen Geräusch von Rotorblättern; der Schatten eines Helikopters schoss an den Fenstern vorbei. »Was habt ihr angestellt?! Und wo zum Teufel hast du den kostümierten Spinner aufgelesen?!« wisperte die Dunkelhaarige hektisch mit gesenkter Stimme. »Der sieht wirklich nicht aus, als wäre er in deiner momentanen Verfassung gut für dich, Gwen. Ich kenne deinen Hang zu Arschlöchern und irren Typen. Ich meine, mir kann es ja egal sein, wie du deine verwirrten Gedanken wieder sortieren und deine Sehnsucht überwinden willst, aber meinst du wirklich, ein Übel durch das nächste zu ersetzen ist der richtige Weg? Erinnere dich dran, welches Nervenbündel du wegen diesem Loki warst und wie viel du geweint-« »Ashlyn!« unterbrach Gwen ihre Freundin durch ein eindringliches Zischen, die sich in ihrer Aufregung in Rage geredet hatte; unter Nervosität neigte ihre Freundin manchmal zum plappern. Außerdem musste Loki ganz gewiss nicht erfahren, dass sie wegen ihm die letzten Tage am Boden zerstört gewesen war. »Es ist nicht so, wie du denkst…« Nun war sie es, die Ashlyn näher zog. »Das ist Loki…« flüsterte sie ihrer Freundin erklärend zu und hoffte sie mit einem warnenden Blick von unbedachten Worten abzuhalten. Der Magier hatte den Kater gerade vom Boden gehoben und hielt das Tier mit ausgestreckten Armen vor sich, um es eingehend von allen Seiten zu betrachten. Winston maunzte sanft und streckte die Pfoten in Richtung des Gottes aus, als wäre er nur zu begierig, von diesem gestreichelt zu werden. Der Prinz schürzte die Lippen nachdenklich, dann zuckte er die Schultern und bettete den Kater an seiner ledernen Brustrüstung; zufrieden schnurrend ließ sich Winston dort nieder und kniff die Augen in merklichem Wohlbehagen zusammen. Bitte was…?! Sonst neigte der Kater bei jedem Fremden zum Zerfetzen von Hosensäumen, Röcken und Socken; Andrew hatte der kleine Teufel am ersten Tag die Schnürsenkel zerrissen. Verräter! »Könntet ihr eure Unterhaltung vielleicht beschleunigen? Ich hätte ungern Lust auf eine weitere Begegnung mit Garms fauligem Atem.« zog Lokis süffisante Stimme durch den Raum; obwohl seine Worte Dringlichkeit bescheinigten, wirkte der Magier selbst ruhig und gelassen. »Moment…Das ist Loki?! Thors Bruder?! Du verarschst mich gerade nicht?!« Ashlyn schob Gwen ein Stück beiseite und musterte den Gott nun mit offensichtlich ganz anderen Augen. »Naja, okay…eigentlich sieht er ja ganz gut aus, auf eine ziemlich düstere und abgedrehte Art und Weise. Zwar nicht so gut wie Thor, aber-« »Ashlyn!« Ihre Freundin begriff den Ernst der Lage nicht; wie sollte sie auch? Gwens Erzählungen waren bisher nichts weiter als weit entfernte Schrecken, nichts anderes als Märchen für Ashlyn gewesen, die sich nun sehr greifbar vor der eigenen Haustür manifestierten. Gwen rieb sich in einer recht verkrampften Geste über die Augen; Kopfschmerzen lauerten bereits hinter ihrer Stirn, nur zu bereit sie in den nächsten Augenblicken zu überfallen - ihre Kraftreserven neigten sich nach dem Debakel im Restaurant bereits wieder ihrem Ende. Jetzt, nachdem das Adrenalin langsam nachließ, fühlte sie sich schrecklich müde und erschöpft. Doch Schlaf wäre wohl im Moment das Letzte, an was zu denken wäre… »Was macht der denn hier? Ich dachte, der wäre in diesem Asgard…!?« flüsterte Ashlyn nun. »Du bringst einen verrückten Gott mit Zauberkräften mit in deine Wohnung? Und wer zum Teufel ist nun schon wieder Garm? Könnte mich bitte mal jemand aufklären!?« Gwen hatte gar nicht bemerkt, dass der Fernseher ihrer Wohnung lief; eben durchbrach der Jingle der Nachrichten die im Hintergrund laufende Serie für eine Sonderberichterstattung direkt aus New York City. »Eben erreichten uns diese schrecklichen und furchtbaren Bilder aus der Metropole, die offenbar erneut das Ziel eines außerirdischen Angriffes wurde~« begann die erschütterte Nachrichtensprecherin. Verwackelte Videoaufnahmen wurden eingeblendet - zu sehen waren Ironman und Hawkeye, die sich einer Gruppe Schwarzalben erwehrten. Das Bild wechselte und zeigte den Höllenhund, der in rasender Jagd durch die Straßen der Stadt preschte und Menschen wie Autos mit seinen riesigen Pfoten einfach beiseite pflügte. Darunter lief die kreischend rote Schlagzeile durch den Bildschirm: „Mysteriöse Angriffe in New York City - wiederholen sich die Ereignisse von vor zwei Jahren?!“ »Oh, das ist Garm.« klärte Loki Ashlyn sachlich auf und deutete knapp auf den Bildschirm; offenbar hatte er jedes Wort ihrer Unterhaltung mit angehört. »Helhund. Seelenfänger. Ungemütlicher Geselle.« »Helhund…Seelen- was? Gwen, ich versteh nur Bahnhof…?!« Ashlyns Blick flackerte zurück auf den Bildschirm des Fernsehers; neben Unverständnis glomm in ihren Augen erwachendes Unbehagen. Der Lärm draußen auf der Straße riss nicht ab; die heulende Sirene der Feuerwehr tönte durch die Häuserschlucht an ihrem Wohnblock vorbei. »Was ist hier los? Werden wir schon wieder angegriffen…?! Ist dieser Gott daran schuld?« Fast anklagend deutete Ashlyn mit einem zittrigen Finger auf den Magier. »Diesmal nicht.« erklärte Loki sachlich an Gwens Stelle, die augenblicklich herumwirbelte und dem Gott einen warnenden Blick zuwarf. »Wie - diesmal nicht!? Gwen-« Ashlyn wurde abrupt unterbrochen, indem Gwen sie an den Armen packte und so eindringlich und ernst ansah, dass die Brünette unter diesem Blick schlucken musste. »Ashlyn, ich kann dir gerade nicht erklären, was hier passiert. Dafür ist keine Zeit. Du musst mir jetzt vertrauen. Und vor allem musst du hier weg, verstehst du? Du musst weg aus der Stadt.« Gwen zog ihre überrumpelte Freundin hinter sich her zu Andrew hinüber, der eben aus dem Badezimmer kam; die Wunde an seiner Schläfe war notdürftig unter einem behelfsmäßigen Verband verborgen, das Blut aus seinem Gesicht gewaschen. Er hob sein Telefon erklärend in die Höhe. »Ein Wagen von S.H.I.E.L.D wird gleich hier sein. Dann können wir verschwinden.« Andrews Blick glitt abermals zu Loki hinüber, der die Szenerie aufmerksam und nun schweigend beobachtete. Allein seine Finger hielten nicht darin inne, den Kater auf seinem Arm zu streicheln - gleichmäßige, monotone Bewegungen, in denen das Feingefühl jener schlanken Finger und die Perfektion des Magiers lagen. »In der Nähe gibt es eine Außenbasis, dort sollten wir vorerst sicher sein.« Gwen fühlte Unruhe in sich erwachen; latente Übelkeit, die ihr das Abendessen von vorhin gegen die nun scheinbar papierdünnen Wände ihres Magens presste. Wenn sie sich erst einmal in einer der Einrichtungen von S.H.I.E.L.D befand, würde sie dort so schnell nicht mehr wegkommen. Eine Entscheidung stand an, so viel war sicher und sie wusste, dass sie jemanden würde enttäuschen müssen… »Andrew, ich will, dass Ashlyn mitkommt. Ich werde sie nicht hierlassen. Kannst du dafür sorgen, dass sie in Sicherheit ist?« Ihr Blick war flehend; sie nutzte die Zuneigung des Agents in diesem Moment aus, doch es war ihr egal. Es ging um das Resultat. Andrew fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, wirkte zögerlich und reserviert. »Gwen, Zivilisten sind eigentlich nicht-« Sie unterbrach ihn barscher als beabsichtigt. »Ihr wollt meine Kooperation, also tut gefälligst auch etwas für mich. Bitte, Andrew...« Der Agent schien einen Moment zu überlegen, bevor er mit einem resignierten Seufzen einlenkte. »Na schön. Okay…sie kann mitkommen.« »Äh…kann ich dazu vielleicht auch noch meine Meinung äußern, bevor ihr…?« meldete sich Ashlyn zaghaft zu Wort, verstummte jedoch unter Gwens beschwörendem Blick. »Ashlyn, hier ist es nicht mehr sicher. Glaub mir. Erinnerst du dich an das, was ich dir über die Dunkelelfen erzählt habe? Über Malekith. Und Ragnarök…?« Die Brünette sah zögerlich durch die Runde, von einem zum anderen, als erwartete sie noch immer einen besonders ausgeklügelten Scherz hinter der ganzen Sache, bevor sie sachte nickte. »Naja…ja…so ungefähr…« murmelte sie unsicher. »Aber was-« »Es beginnt. Sie sind jetzt auch hier auf der Erde.« erklärte Gwen ihrer Freundin eindringlich den Ernst der Lage und deutete wage auf den Fernseher, wo noch immer die Bilder des Angriffes flackerten. Ashlyn öffnete bestürzt die Lippen und entließ ein atemloses, quietschendes »Ohhhh…« während der Blick aus ihren warmen, brauen Augen abermals von den Bildern der Nachrichten angezogen wurde. »Kannst du sie runter zum Auto bringen, Andrew…?« bat Gwen erneut; eine unausgesprochene Bitte lag in ihren zögerlichen Worten, die der Agent allerdings ungemütlich schnell entschlüsselte. »Ich lass dich nicht allein mit diesem Kerl, Gwen. Vergiss es.« Sein Fokus zuckte zu dem Gott hinüber, der ein schmales, gelangweiltes Grinsen zeigte, welches nach Gwens Geschmack fast ein wenig zu siegesgewiss war. Der Magier erhob die süffisant schneidende Stimme erneut. »Ich hasse es wirklich mich zu wiederholen, aber ich möchte abermals auf Garms Anwesenheit in dieser schrecklichen Stadt hinweisen und-« »Klappe!« fuhr der Agent den Prinzen an, dessen Augen daraufhin flüchtig in schwelend grünem Feuer zornig aufblitzten - bisher mochte er Andrew diese barschen Worte verziehen haben, aber Gwen war sich bewusst, dass der Agent langsam, aber sicher auf einem sehr schmalen Pfad balancierte. Andrew griff nach Gwens Arm und zog sie fast ruppig zu sich. »Du wirst mit mir kommen wie geplant, Gwen. Du bist bei S.H.I.E.L.D am sichersten. Wir können dir helfen. Nicht dieser wahnsinnige Gott dort, sondern die Menschen deiner Welt…« versuchte der Agent durch den Wall an Gefühlen zu drängen, der Gwen bereits umgab und welcher eindeutig die Prägung Lokis trug; sie wollte wissen, was den Magier auf die Erde geführt hatte. Sie musste einfach mit ihm reden, auch wenn sie Gefahr lief, seinen Worten und der vielleicht trügerischen Sicherheit und Verlockung seiner Nähe zu verfallen. Andrew musste das wissen; wahrscheinlich ahnte er es bereits und appellierte damit an Gwens Moral und gesunden Menschenverstand. »Lass dich nicht von ihm einwickeln. Man kann ihm nicht trauen. Jedes Wort von seinen Lippen ist eine Lüge. Wer weiß, warum er wirklich hier ist…« wisperte der Agent in ihr Ohr und dämpfte die Stimme soweit, dass weder Ashlyn noch Loki ihn verstehen sollten. Das dies jedoch nicht der Fall war, demonstrierte ein überraschter Andrew, der im nächsten Augenblick von Gwen zurückgeschleudert gegen die Wand im Rücken donnerte; die Augen des Agents weiteten sich entsetzt, als er nach Luft schnappte und die Finger um eine imaginäre Schlinge an seinem Hals krallte. Ashlyn stieß erschrocken einen spitzen Schrei aus und Gwen stolperte fassungslos einen Schritt zurück. »Ich erläutere Euch gern, warum ich hier bin, Andrew Preston aus Midgard.« säuselte Lokis kühle Samtstimme. Der Gott schritt gemächlich mit dem Kater auf dem Arm durch Gwens Wohnung; die lodernde Wut in seinen leuchtend grünen Augen im krassen Gegensatz zu dieser betonten Ruhe seiner Gestalt, zu jener Hingabe, mit der die schlanken Finger durch Winstons Fell glitten. »Ich bin wegen der Frau hier, an die Ihr zum widerholten Male Eure Finger unerlaubt gelegt habt. Allein wegen ihr schickte man mich her. Nicht wegen Euch, Eurer verfluchten Gruppierung von Möchtegernhelden oder dem Wohl Eurer schwachen, reizlosen Welt. Gwendolyns Überleben steht an oberster Stelle - nicht das Eure.« Der Magier blieb vor dem Agent stehen und schickte seinen versengenden Blick auf Andrew hinab, der noch immer wie von einer unsichtbaren Hand nach Luft röchelnd an die Wand gepresst wurde. »Ihr seid mir schlichtweg gleichgültig und langsam habe ich Eure anmaßende, vorlaute Art wirklich satt, Mister Preston.« zischte der Gott jenen Namen in Abfälligkeit. »Loki, nicht…lass ihn in Ruhe…lass ihn los! Bitte!« mischte sich Gwen verzweifelt ein; ihre Hände glitten besorgt über Andrews, als könnte sie diese unsichtbare Macht damit irgendwie lösen, welche sich um die Kehle des Agents schlang, doch ohne Erfolg. Ihr bittender Blick traf den Magier und entlockte jenem den Schatten eines frustrierten Aufblitzens in feurig grünen Augen, bevor er mit einer abfälligen Handbewegung den Zauber löste und der Agent kraftlos an der Wand herabsackte, hektisch nach Atem schöpfend. Der Blick Andrews stand Lokis in nichts nach; beide maßen sich mit Verachtung und Hass. Der Gott trat noch näher und beugte sich zu dem Mann herab; das Leder seiner Rüstung knarzte leise, während die schweren Sohlen seiner Stiefel keinen Laut auf dem weichen Teppich hinterließen. »Ihr werdet jetzt verschwinden und Gwendolyn damit die Zeit für eine Unterhaltung einräumen. Wenn Ihr nicht gewillt seid, dies zu tun, so seid doch versichert, dass ich allerdings äußerst gewillt bin, Eure jämmerliche Gestalt zu zerquetschen, bis nichts von Euch übrig bleibt als der Staub Eurer mickrigen Existenz…« gab der Gott so von oben auf den knienden Agent herab, der sich mühsam wieder aufrichtete und Gwen entschlossen beiseite schob, um dem Blick des Magiers damit uneingeschränkt und allein zu begegnen. »Du wirst bezahlen, Loki Laufeyson.« zischte der Agent angespannt. »Eines Tages wirst du für alles, was du getan hast, bezahlen. Das ist eine Gewissheit. Und ich werde dann in der ersten Reihe stehen, um deinen Untergang mit anzusehen.« Der Magier lächelte gelangweilt und herablassend. »Möglich. Doch dieser Tag ist nicht heute.« Damit wandte er sich ab und sah fast belustigt auf Ashlyn herab, die einen hastigen Schritt vor ihm zurückwich und ihn aus riesigen Augen furchtsam anstarrte. Andrew blickte zu Gwen herüber, die sich unangenehm berührt auf die Unterlippe biss. Diese ganze Situation war langsam mehr als unerträglich, diese Spannung im Raum kaum noch auszuhalten; ihr Körper sehnte sich auf schmerzlich verzehrende Weise nach Loki, ihr Verstand nannte sie eine Närrin und versuchte sie zu überzeugen, dass Andrew die vernünftige und logische Wahl wäre und ihr Herz - ihr verfluchtes Herz konnte oder wollte sich nicht entscheiden, für wen es Partei ergreifen sollte, obwohl es längst nicht mehr objektiv war… Der Agent griff erneut nach ihr, doch diesmal wesentlich sanfter; sie jedoch schob ihn entschlossen auf Abstand und einen Augenblick verweilten ihre Hände auf seiner breiten Brust - ein Augenblick, in welchem sie den Dingen gedachte, die vielleicht hätten sein können; zu anderer Zeit, an einem anderen Ort, in einer Welt ohne Loki. Denn wahrscheinlich hätte Andrew nur dort eine reelle Chance, in ihr Leben zu dringen. Gwen hob den Blick entschieden an und begegnete dem des Agents. »Bitte - lasst uns allein…« Ihre Finger verabschiedeten sich in einem fast entschuldigenden Streifen von dem Stoff seines Anzuges. Der Agent stieß ein unzufriedenes, enttäuschtes Schnauben aus, bevor er das Mobiltelefon endlich in sein staubiges, angeschlagenes Jackett gleiten ließ und Ashlyn einen Wink gab, dass sie ihm folgen sollte. »Schön. Wie du willst. Wenn er allerdings flieht oder sonstige Dummheiten anstellt, ist er fällig. Da kannst du dir sicher sein.« stieß Andrew noch angespannt aus, bevor er die Wohnungstür aufriss und hinausstürmte. »Gwen…« murmelte Ashlyn unsicher und verwirrt. »Geh mit Andrew. Er wird dich zu S.H.I.E.L.D bringen. Ich will, dass du in Sicherheit bist. Vertrau mir, ja?« Sie schob die Arme um ihre Freundin und drückte diese versichernd an sich, bevor sie Ashlyn einen schnellen, sanften Kuss auf die Wange setzte. »Du…du kommst doch nach, oder…?« wagte die Brünette zaghaft zu fragen, bevor sie abermals die großgewachsene Gestalt des Gottes ins Auge fasste. Ihr Blick glitt zu Gwen zurück und Ashlyns Stirn zog sich in zweifelnde Falten, als würde sie sich ihre eigenen Worte schon selbst beantworten; sie musste fühlen, was in Gwen vor sich ging, auch wenn sie es nicht verstand. Ashlyn war die Einzige, der sie ihr Herz in Bezug auf Loki ausgeschüttet hatte; sie allein wusste, welchen Einfluss der Magier auf ihr Leben und wie sehr dieser ihre Welt durcheinandergebracht hatte. Gwen konnte ihr keine Antwort auf diese Frage geben und biss sich auf die Unterlippe, während sie reumütig den Blick senkte. Die Wahrheit war, dass sie die Nähe des Magiers noch immer unerbittlich anzog und sie innerlich mehr als in ihrem Entschluss schwankte, sich in S.H.I.E.L.Ds Obhut zu begeben. »Ashlyn…« begann sie schwach. »Ich versteh schon. Es ist okay. Mach, was du für richtig hältst. Du wirst wissen, was du tust. Sei einfach vorsichtig, ja? Pass auf dich auf.« wisperte ihre Freundin dann leise und strich Gwen über die Wange, bevor Ashlyn sie erneut in eine feste, warme Umarmung zog. »Ich werde dich vermissen…« wisperte die Brünette erstickt und trieb Gwen damit die Tränen in die Augen. Ihre Freundin sprach eine Wahrheit aus, die sie selbst noch gar nicht recht akzeptiert hatte. Die beiden sahen sich noch einmal in die Augen, in berührt feuchte Augen, bevor Ashlyn sich von ihr löste und dem Agent folgte. Nachdem die Tür der Wohnung hinter Ashlyn ins Schloss gefallen war, schöpfte Gwen nach Atem und wandte sich mit entschlossen gestrafften Schultern diesem einen, großen Problem in ihrem Leben zu, welches nun mit diesen unglaublich grünen Augen in ihrer Wohnung stand und die Luft zum atmen deutlich verdünnisierte; das wohl ernsteste Problem - gleich neben dem Höllenhund, der es ziemlich offensichtlich auf sie abgesehen hatte… Loki sah die Unsicherheit der Sterblichen; in jeder zaghaften Bewegung, in jedem tiefen Atemzug, den sie tätigte, in jedem flüchtigen Blick, welchen sie in seine Richtung schickte - ihre unsichtbare Verbindung bestand zwar wieder und doch waren die Fäden dieses Schicksalsstranges aufgeraut und spröde unter den Ereignissen und Wahrheiten der letzten Tage geworden. »Hasst du mich, Gwen?« raunte er unvermittelt. Die kühle Sachlichkeit dieser Frage spiegelte nicht ganz Lokis Inneres wieder. Die Worte hatten ihm seit Tagen auf der Zunge gebrannt wie eine alte Wunde, die einfach nicht verheilen wollte. Der Zeitpunkt war schlecht gewählt; Hels Kreatur streifte wahrscheinlich noch immer durch die Straßen der Stadt auf der Suche nach ihnen, wäre aber vielleicht im Augenblick ein wenig abgelenkt durch die amüsanten, aber sinnlosen Bemühungen der Sterblichen, den Helhund aufzuhalten. Er musste es einfach wissen - bevor er seinen Pfad wählte, musste er wissen, ob es vergeblich wäre, diesen Weg zu beschreiten. Einem Gespenst hinterher zu jagen war sinnlos und der Magier verabscheute sinnlose Tätigkeiten; Thor mochte unentwegt Energie in solche nutzlosen Hoffnungen stecken, doch Loki würde nicht der Naivität seines Bruders folgen. Er war immerhin der Klügere von ihnen… Gwendolyn sah ihn aus ihren hellen, großen Augen an, zog die Stirn flüchtig in verwirrte Falten, bevor sie zaghaft den Kopf schüttelte. »Nein. Ich hasse dich nicht, Loki.« Ihre Antwort kam leise, aber ohne zögern; sie schien verblüfft darüber, dass er das offenbar erwartet hatte - oder war bestürzt über die eigene Erkenntnis. Gemächlich ging Loki in die Knie und setzte den leise maunzenden Kater auf dem Boden ab, bevor er mit nur einem schnellen Schritt bei der Sterblichen war und sie am Arm ergriff, um sie zu sich herumzuwirbeln; Gwen prallte mit dem Rücken gegen seine Brust und keuchte daraufhin erschrocken. Ein Keuchen, was sich schnell in etwas wesentlich sinnlicheres wandelte, als der Gott einen Arm um sie schlang und ihr Kinn packte, um ihren Kopf zu neigen und die Lippen an ihrem Ohr anzusetzen - eine beinahe perfekte Kopie jenes Momentes, welchen sie in Muspelheim geteilt hatten. Loki hatte sich mit Gwen zum Fenster gedreht; zwang sie somit nach draußen zu sehen, wo die blinkenden rot-blauen Lichter von Polizei und Feuerwehr die gegenüberliegende Häuserfront und die Skyline der Stadt beleuchteten. Ohne Unterlass preschten Einsatzwagen durch die Straßen und hektisch flatternde Helikopter von Nachrichtensendern und Militär füllten den nächtlichen Himmel über New York. Gwens Duft beruhigte seine strapazierten Nerven, die der lästige Agent in kritische Bedrängnis gebracht hatte. »Du weißt, dass sie dich nicht beschützen können. Die Menschen können dich nicht retten vor dem, was dich verfolgt, Gwendolyn. Ich jedoch kann es…« hauchte er die Worte in einer klaren, beeinflussenden Versicherung in ihr Ohr und ließ die Lippen nur in einer Andeutung über die blasse Rundung ihrer Ohrmuschel gleiten, obwohl sein sonst so kühler und starrer Körper in ihrer Gegenwart augenblicklich zum Leben erwachte; Gelüste, die er niemals erwartet hätte, krochen träge durch seine Venen und wandelten seinen Verstand in einen zäh dahinplätschernden Fluss. »Bei mir bist du sicher. Du weißt es. Entscheide dich für mich. Komm mit mir.« raunte er lockend und ließ die Finger über den Stoff auf ihrer bebenden Hüfte gleiten, wo seine Hand lag. Loki ahnte den Zwiespalt der Sterblichen; sie hatte die Wahl zwischen ihrem Leben, ihrer vertrauten Welt und Menschen, die sie kannte und ihm, einen Gott, der all das angegriffen und gefährdet hatte, um die Erde zu unterjochen. Ihr Verstand flüsterte ihr wahrscheinlich Argwohn ein; das Vertrauen zwischen ihnen war erschüttert, doch Loki besaß noch immer Macht über Gwendolyns Körper - dies verriet ihm ihr zittriges Ausatmen, die Lider, welche schwer über den großen Augen herabsanken, ihre Lippen, die sich leicht öffneten, da sie ihm ihre Haut unbewusst begierig entgegen reckte und ihren Hals offenbarend beugte… Vielleicht mochte er ihr Vertrauen eingebüßt haben, aber ihr Körper gehorchte ihm noch immer - und das war alles, was er brauchte. Über ihr Verlangen würde er ihr Zutrauen wieder gewinnen, obwohl ihn diese Reihenfolge in jenem Fall seltsam wurmte. Niedertracht war normalerweise kein großes Problem für den Gott der Illusionen und Täuschungen - normalerweise… Gwen hob die Hände und umklammerte seine Finger, um zu versuchen sich von ihm loszumachen; eine wirklich lächerlich halbherzige Geste, in welche sie nicht so viel Ehrgeiz und Nachdruck legte, wie es ihr Verstand wahrscheinlich forderte. »Loki…lass mich los…bitte…« wisperte sie erstickt. Eigentlich gab der Magier reichlich wenig auf die Bitten eines kümmerlichen Menschen, doch Gwendolyn bildete einmal mehr die Ausnahme in einem Meer aus Privilegien, die sie sich bei ihm herausnehmen durfte. Es war erstaunlich, wie sehr er ihre Nähe genoss; wie sehr sein Körper beinahe danach gierte, der sonst nichts weiter als die gewöhnlichen Verlangen seiner Existenz besessen hatte neben dem Brennen auf Anerkennung und Magie. Loki ergötzte sich an Gwens krampfartigem Einatmen, als seine Lippen sich selbstständig machten und über die Seite ihres Halses glitten, die er zuvor schon hatte liebkosen wollen - mit seiner Zunge; jene schnellte jetzt aus der dunklen Höhle seines Mundes und zog eine träge Spur über ihre Haut und den flatternden Puls darunter, kostete ihren süßen, unschuldigen Geschmack, bevor er sie mit einem süffisant wissenden Grinsen aus seinem Griff entließ. Er war fast entsetzt über sein eigenes, instinktives und so unbeherrschtes Handeln. Gwen wirbelte wieder zu ihm herum und presste sich die Hand über jene eben eroberte Stelle an ihrem Hals; ihr Gesicht war gerötet, doch die Entschlossenheit in ihren Zügen nicht gewichen, was dem Magier durchaus imponierte. Sie ließ ihrem Körper nicht die Herrschaft über ihren Verstand. Gwen schluckte angestrengt. »Der…der Helhund…warum ist er hinter mir her?« verlangte sie zu wissen, während sie einen unsicheren Schritt Abstand zwischen ihnen wahrte; der schnurrende Kater strich um ihrer beide Beine. Loki richtete sich wieder gänzlich auf, wo er sich zuvor zu der so viel kleineren Menschenfrau gebeugt hatte und wischte das flüchtige Grinsen von seinen Lippen. »Du magst dich erinnern, dass Hel mir Rache androht für die List ihr gegenüber. Ich dachte, sie würde offen Buße von mir verlangen, doch scheinbar hat sie sich für eine wesentlich subtilere Art der Vergeltung entschieden. Sie will deine Seele; jene, die ich ihr vorenthielt. Du musst sie sehr neugierig auf dich gemacht haben, wenn sie absichtlich Garm auf deine Fährte ansetzt.« »Neugierig?! Warum…?« Gwendolyn wirkte irritiert. »Als du mich so leichtsinnig beschützt hast, ist diese Macht in dir hervorgebrochen…« Loki begann im Wohnzimmer erneut auf und ab zu schreiten, während er sorgsam darauf bedacht war, den Kater nicht zu verletzen, welcher schnurrend seinen Füßen folgte und sich einer stummen Schrittfolge gleich um seine Stiefel wandte. »Hel hat es offenbar nicht für einen Zauber meinerseits gehalten, wie ich es eigentlich gehofft hatte. Du hast ihr den Ausblick auf etwas verlockend Neues gestellt, was sie nun unbedingt haben will.« »Verdammte Scheiße…« wisperte die Sterbliche recht undamenhaft und verbarg die Augen kurz hinter zittrigen Fingern; ihre Art zu fluchen war interessant, sympathisch, anregend. »Und jetzt…« »…bleibt nur die Flucht. Hier bist du nicht mehr sicher.« beendete Loki ihren Satz. »Man kann Garm nicht an seiner Jagd hindern. Er ist ein Bluthund, welcher die Befehle seiner Herrin mit Gehorsam verfolgt. Er wird erst aufhören, wenn Hel zufrieden ist. Daher müssen wir hier weg.« Gwen wirkte durcheinander, als sie ihn wieder ansah. »Aber wohin…? Er wird mich doch überall finden.« »Nicht unbedingt. Durch meinen Zauber bist du vorerst für seinen Spürsinn verborgen. Solang du in meiner Nähe verweilst, bist du für ihn gewissermaßen unsichtbar. Vorausgesetzt, er kommt dir nicht so nah, dass er dich riechen kann. Damit das nicht passiert, sollten wir möglichst weit weg von hier.« Der Magier blieb stehen und sah die Sterbliche eindringlich an. »Und wir sollten endlich ein wenig mehr über dein Geheimnis in Erfahrung bringen. Wir werden dorthin gehen, wo alles begann. Am Ursprung suchen. Wir müssen endlich erfahren, was in dir schlummert, Gwendolyn Lewis.« Sie öffnete den Mund und schöpfte Atem für Worte, die sie dann doch nicht sprach; ihr Mund klappte wieder zu, bevor sie ihn abermals öffnete, nachdem sie sich angespannt die Schläfen gerieben hatte. »Wie bist du auf die Erde gekommen? Odin hat dich doch nicht einfach so gehen lassen? Wer hat dich geschickt? Oder bist du…geflohen?« Ihr Blick hob sich zaghaft wieder zu seinem; in ihren Augen stand verzweifelte Unschlüssigkeit. Der Magier konnte beinahe sehen, wie sie hinter ihrer Stirn die Argumente für und gegen diese Sache abwog; ihn betreffend ihre Entscheidung genauestens zu überdenken suchte. Lokis Mundwinkel kräuselten sich zu einem schmalen, beinahe bitterem Schmunzeln und er hob eine Braue fragend an. »Fürchtest du, ich wäre geflohen? Hätte mich eigenmächtig der Gerechtigkeit und meinen Anweisungen entzogen?« Er schritt wieder zu ihr hinüber; langsam und bedächtig, um ihr die Zeit zu geben, vor ihm zurückzuweichen, so sie es wollte - sie tat es nicht. Der Magier hob ihr Kinn mit seinen Fingern an und ließ seinen Blick in den ihren hinabfallen, tief und bohrend, suchend nach Wahrheiten. »Würdest du mit dem Agent gehen, wenn es so wäre, Gwendolyn? Würdest du ihm dann mehr vertrauen als mir?« Sie senkte den Fokus auf seine Brust; schlug die Augen nieder, auch wenn er ihr Kinn noch immer hielt. Ihre Unterlippe verschwand zwischen ihren Zähnen, während ihn ihr Zögern beinahe rasend machte; und jene so unschuldig grübelnde Geste, unter der sie sich auf die Lippe biss - eine Angewohnheit, die ihm jetzt seltsam verführerisch erschien. »…nein, würde ich nicht…« hauchte sie schwach, als ihr die eigene Erkenntnis den Atem raubte und Loki damit einen Triumph bescherte, welcher seinen verrotteten Kern in Aufruhr versetzte. Langsam sah sie wieder zu ihm auf; gewährte ihm Einsicht in ihre Seelenspiegel, in denen sein Sieg glänzenden Echos gleich durch die hellen Kreise ihrer Iriden zog. »Ich bin nicht geflohen. Die Königin und Thor haben mich hierher gesandt, um dich zu schützen.« nahm er ihr erst dann die Befürchtungen und genoss das irritierte Runzeln ihrer Stirn, da sie wohl die gleiche Verwirrung wie er über diese Tatsache empfand. »Frigga ist der Überzeugung, dass du sehr wichtig für uns bist, Gwendolyn. Und ich bin der Einzige, der dich vor Garms Blick beschützen kann.« »Was willst du hier, Loki? Bist du wirklich nur deswegen auf die Erde gekommen…nur, weil Frigga und Thor es wollten…?« Ihre geflüsterte Frage überraschte ihn und fast wäre er vor ihrem Blick zurückgewichen, der nun ohne Hadern in seinem nach Antworten suchte; nach verborgenen Tatsachen bohrte, die er nicht offenbaren wollte, weil sie ihn geschwächt hätten - und weil er sie sich selbst so schwerlich eingestehen konnte. Die unverhüllte Hoffnung in ihren Augen traf ihn durch die Mauern seiner eisigen Rüstung hinweg und ließ ihn die Finger um ihr Kinn versteifen. Sie hatte wahrscheinlich herausgefunden, dass er Befehlen ungern folgte; sich jenen nur beugte, wenn er sich einen eigenen Nutzen aus der Sache erhoffte - vielleicht hätte er sich ein weniger findiges Wesen für seine Obsession erwählen sollen. Er konnte ihrem Fokus nicht ausweichen, da das Schwäche bedeutet hätte und doch fürchtete er um das Wissen in seinen Augen, welches Gwendolyn erblicken könnte; er zog die Brauen herab und befeuchtete sich die trockenen Lippen, schloss die Augen für einen Moment, in welchem er seinen verkrampften Kiefer lockerte - der Magier wollte seine Silberzunge zu gewählten, verspielten Worten animieren, welche die Wahrheit gekonnt umschiffen würden, doch jene blieb regungslos liegen. Loki sollte Gwens Vertrauen nicht verlieren, wollte ihre Hoffnung nicht zerstören, doch auch sein Gesicht wahren; denn seine Masken war es doch am Ende, welche all jene Geflechte seiner Geschichte aufrecht erhielten, damit diese nicht in sich zusammenstürzten wie das fragile Gebilde eines Eiskristalls. »Nein-« Seine erschreckend dünnwandig gewordene Fassade durfte noch ein wenig länger bestehen; das Beben zog vorbei, da Gwens Wohnzimmerfenster in jenem Augenblick in einem hellen Knall zerbarst und tausende Scherben auf sie herabregneten, vor denen Loki die Sterbliche schützte, indem er seine große Gestalt über sie beugte. Dann stieß er sie geistesgegenwärtig beiseite. Denn das nächste, was er verspürte, war ein heftiger Energiestoß, welcher den Magier in die Seite traf und von den Füßen fegte. Mit einem Ächzen und unter dem erschrockenen Schrei Gwendolyns donnerte er an die Wand ihrer Wohnung, während eine menschliche Gestalt in einer rot-goldenen Rüstung durch das eben zerstörte Fenster hereinschwebte; Ironman hatte die leuchtenden Hände seiner Panzerung gehoben und richtete das schwelende Feuer seiner Repulsoren ziemlich eindeutig auf den Gott vor sich, der sich mit einem kalten Grinsen wieder auf die Beine erhob. »Der Mann aus Metall…« säuselte der Magier süffisant gelangweilt und ließ das Zepter des Tesserakts durch einen Wink wieder in seiner Hand erscheinen. Die Avengers. Oh, wie er diese mickrigen Spielfiguren Direktor Furys hasste, die sich ihm immer und immer wieder in den Weg stellen und seine Nerven strapazieren mussten in ihrem so naiven Eifer für eine besser Welt. Als ob sie schon wirklich etwas gegen den Verfall Midgards tun könnten, wo sie doch alle mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen hatten; scheinheiliger Maskerade gleich wollten sie sich zu Helden aufschwingen. Helden - was für ein rührselig lächerliches Wort. Gwendolyn hatte sich beiseite und ein wenig hinter die Theke ihrer Küche geschoben; jetzt wollte sie sich bemerkbar machen, doch Loki hielt sie mit einem knappen Blick davon ab, während er den Ironman zu umkreisen begann. Besser, der Mann wurde gar nicht erst aufmerksam auf sie. »Hab ich mich doch nicht geirrt…« tönte die mechanisch verzerrte Stimme Tony Starks durch die kleine Wohnung, bevor der schwebende Mann den Helm seiner Rüstung zurückschnappen ließ und beinahe interessiert auf den Magier herabblickte. »Ich wusste doch, dass ich diese blaue Energieresonanz irgendwoher kenne…« resümierte der Eisenmann in Selbstgefälligkeit und senkte sein Interesse auf das goldene Zepter in Lokis Hand, bevor er den Gott wieder ansah. »Ich würde ja jetzt gern eine dieser albernen Höflichkeitsfloskeln gebrauchen, um dich auf der Erde zu begrüßen, aber…hrm…da sperrt sich mein gesunder Menschenverstand doch dagegen.« Warnend hob der Ironman erneut seine Hände mit den Repulsoren, als Loki sich mit einem schmalen Grinsen unbemerkt ein wenig näher zu ihm bewegt hatte. »Na na, schön artig! Was machst du hier, Loki? Hat die Anstalt in Asgard heute etwa Freigang?« Der Magier lachte gespielt amüsiert auf und ließ sich auf diese Farce mit Tony Stark ein; der war recht empfänglich für Worte und Schmeicheleien, wie Loki einst erkannt hatte - das Ego des Menschen war beinahe genauso groß wie sein eigenes; fast schade, dass er nur ein Sterblicher war. »Nicht erfreut über meinen Besuch, Mann aus Metall? Dabei haben wir uns doch das letzte Mal so gut verstanden. Wegen mir konntest du deine erbärmliche Welt in einer albern heroischen Tat retten…« resümierte der Magier säuselnd, senkte den Fokus wie beiläufig auf sein Zepter und strich mit den Fingern über die silbernen Klingen der Spitze, bevor er dem Mann in der Rüstung einen schneidend wissenden Blick schenkte, gepaart mit einem breiten, arglistigen Grinsen. »…eine Tat, die dir jetzt, so viele Monde danach, immer noch schlaflose Nächte beschert. Steht nicht noch ein Drink zwischen uns aus? Vielleicht kannst du mir ja dabei erzählen, ob du unter deinen Albträumen leidest? Ob du im Dunkel der Nacht erzitterst, dich vor dem Nichts unter dem beklemmenden Druck der Erkenntnis deines kümmerlichen Lebens fürchtest?« Lokis Grinsen war frostige Erheiterung, seine Züge gefrorene Klippen der Arglist, seine Zähne weiße, gefährliche Lichter unter dem Blick seiner Herablassung. Tony Stark zuckte getroffen zusammen, soweit man das eben in dieser Rüstung konnte und erwiderte den Blick des Gottes durchaus verunsichert. »Woher weißt du…ach egal.« Der Sichtschutz seines Helmes verbarg sein Gesicht mit einem Zischen wieder. »Warum unterhalte ich mich eigentlich mit dir? Ich habe hier viele kleine Idiotensensoren, die bei deinem Anblick erschreckend schnell anschlagen.« Eine Armada an Waffen entfaltete sich klickend und summend aus der Rüstung des Ironmans und zielte bedrohlich auf den Magier. Loki hob die Hände in gespielter Bedrängnis, bevor er herumwirbelte und sein Zepter überraschend auf den Mann richtete; ein geballter Schuss krachte gegen die Rüstung und schleuderte den Ironman aus der zerstörten Fensterfront wieder hinaus in die Häuserschlucht über der Straße. Doch natürlich ließ sich Tony Stark davon nicht aufhalten; wie ein Blitz raste er wieder heran und knallte gegen den Magier, der dem Angriff des Eisenmanns mit einem überheblich belustigten Grinsen begegnete, obwohl dieser ihn mit seiner Metallhand an die Wand pinnte. »Weißt du, Loki, dass du ständig mit diesem unglaublich langen, goldenen Ding da herumfuchteln musst, lässt bei mir die Vermutung aufkommen, dass du irgendwas kompensieren willst. Sind Götter etwa so-« Egal, was die metallische Stimme des Ironmans gerade fragen wollte, seine Motivation dazu erstarb in jenem Augenblick, als sich der bedrängte Gott vor ihm in Luft auflöste; nichts weiter als eine Illusion, die der Magier erschaffen hatte. »Och komm schon…nicht wieder diese Hütchenspiele…« murrte der Erfinder genervt. Tony Stark schwang sich mit zischenden Antrieben herum und sah sich so dem grinsenden Magier gegenüber, der sein glühendes Zepter mit einem angriffslustigen Schrei schwang und den Eisenmann damit gegen die nächste Wand katapultierte; eine gezielte, blaue Endladung folgte, welche den Putz von der Decke rieseln ließ und den Mann in der Rüstung durch die Wand in die nächste Wohnung jagte. Dort saß ein älteres Ehepaar vor dem Fernseher und starrte entgeistert auf den metallischen Eindringling herab. »Guten Abend, lassen sie sich bloß nicht von mir stören. Ich bin nur auf der Durchreise.« begrüßte Tony Stark die beiden lapidar, bevor ihn seine Antriebe wieder auf die Füße brachten. »Jetzt reicht es aber wirklich…« Ironman stapfte staubbedeckt durch das Loch in der Wand zurück und feuerte seine Repulsoren in rascher Abfolge auf den Magier ab, der sich entweder unter den energetischen Angriffen hinwegrollte oder durch Illusionen verwirrte, die höhnisch auf den Eisenmann herablachten. »Bisher hegte ich ja noch einen Funken Wohlwollen deinem verrückten Geist gegenüber, weil du Thors Bruder bist, aber jetzt ist Schluss mit lustig.« Unter dem Fauchen eines Energiestoßes donnerte der Ironman gegen den zuletzt verbliebenen Magier, nachdem dessen Illusionen unter Starks Schüssen zerstoben waren; der Eisenmann schleuderte den Gott an seinem Mantel herum und donnerte diesen erneut gegen eine Wand im Rücken, um ihn dann mit den sirrenden Repulsoren zu bedrohen, was Gwendolyn zu einem erstickten Laut animierte, die sich bisher hinter der Theke ihrer Küche versteckt hatte. Tony Stark wandte den Blick und schien die Umgebung zu scannen, bevor er jetzt erst auf die Frau aufmerksam wurde, die eben aus der Versenkung aufgetaucht war und einen nervösen Kater in ihren Armen barg. Verzweifelt und unschlüssig sah sie zu den beiden Männern herüber. »Oh, deine Freundin, Loki?!« fragte die energetische Stimme in ungläubiger Belustigung. »JARVIS, ist sie auch aus Asgard?« Eine andere, kühle Computerstimme antwortete: »Nein Sir, sie ist ein Mensch.« »Informationen, JARVIS.« verlangte Ironman befehlend. »Gwendolyn Lewis, weiß, geboren wahrscheinlich am 15.5.1989. Geburtsort: unbekannt. Leibliche Eltern: unbekannt. Aktuell angestellt als Journalistin beim New Yorker Daily View. Zwei Vorstrafen im Register, einmal wegen Drogenbesitzes, länger zurückliegend wegen Körperverletzung. Wohnhaft in…« Die sachliche Stimme ratterte die Informationen emotionslos herunter; Loki bemerkte das Zusammenzucken Gwendolyns bei dieser unliebsamen Aufzählung. Da lag wohl offenbar noch einiges im Dunkel ihrer Vergangenheit, welches ihn augenblicklich hellhörig werden ließ - und all diese Dinge wurden nun in die Öffentlichkeit der flackernden Lichter ihrer Wohnung gezerrt. »Ui, willst du deine Memoiren schreiben und veröffentlichen, Loki, oder warum interessiert dich plötzlich eine Journalistin?« wandte sich Tony Stark wieder an den Magier und umklammerte dessen Kehle recht eindringlich mit dem kühlen Metall seines Handschuhes. Der Gott reckte den Hals widerspenstig und stieß ein arrogantes, herausforderndes Lachen aus. Die Neugier des menschlichen Mannes war amüsant; immer wollten die Menschen alles wissen, alles verstehen. »Was willst du von ihr, Ziegenpeter?« In diesem Moment schwang Gwens Wohnungstür auf und Andrew Preston stürmte wieder herein, gefolgt von ein paar anderen, unbekannten Agents; alle hatten sie ihre Waffen gezogen und fixierten Ironman und den Gott. »Stark, lassen Sie ihn los. Er wird nicht verletzt.« verlangte Preston tonlos, ja fast schon zerknirscht, als würde diese Weisung all seinen inneren Rachegelüsten widersprechen. Er trug jetzt ein winziges Headset im Ohr und schien darüber seine Anweisungen zu erhalten. Erbärmliche Marionette - halten dich deine Fäden vom süßen Nektar der Vergeltung ab? Die Maske Ironmans öffnete sich summend erneut und Tony Stark wirkte nicht minder irritiert und unzufrieden als der Agent über seine eigenen Befehle. »Haben Sie mich nicht eben noch angerufen und verlangt, dass ich unseren Operettengeneral ins Aus puste, Agent Preston?! Entscheiden Sie sich mal…« Widerwillig ließ der Erfinder den Gott wieder los und stapfte ein paar mechanisch sirrende Schritte zurück. Gwendolyn sah sofort zu Andrew hinüber, der ihrem enttäuscht ungläubigen Blick allerdings entschieden auswich. Tja, da hast du wohl verspielt, mein Freund… Loki konnte seine Schadenfreude fast nicht verbergen, obwohl der Zorn auf den Agent dieser in nichts nachstand; dieser Wurm hatte ihn wirklich hinterhältig aus dem Weg schaffen wollen. Unter anderen Umständen hätte er dem Menschen für diese Niedertracht fast auf die Schulter klopfen können - jetzt wollte der Magier ihm den Kopf von jenen reißen. »Befehl von Direktor Fury. Loki Laufeyson genießt ab jetzt für drei Tage diplomatische Unantastbarkeit auf der Erde.« begann der Agent äußerst widerstrebend, als müsste er an seinen eigenen Worten würgen und halb daran ersticken. Unter dem verabscheuenden Blick Andrew Prestons richtete sich der Magier zu voller Größe auf und klopfte sich selbstzufrieden den Staub von seiner Rüstung, während er die Sterbliche an seiner Seite willkommen hieß, die nach kurzem Zögern zu ihm geeilt war. Das Grinsen auf seinen Lippen zog sich in beinahe unnatürliche Breite, während er den weiteren Worten des Agents lauschte, der nun ziemlich hölzern im Durchgang des Wohnzimmers stand und seine Anweisung lieblos herabrasselte. »Loki Laufeyson wird weder eingesperrt, noch verwundet oder gar getötet.« »Dein Ernst?!« verlangte Ironman entgeistert zu wissen und deutete anklagend auf den Magier. »Wir sollen den irren Gott laufen lassen?! Ist unserem Häuptling seine Augenklappe zu eng geworden? Sind bei Fury jetzt die letzten intakten Leitungen durchgeknallt?! Ich glaube, wir haben genug Wahnsinn am Hals, da müssen wir uns nicht auch noch mit dem da-« »Halten Sie den Mund, Stark.« unterbrach Andrew Preston den Erfinder, bevor er den weiteren Agents einen befehlenden Wink erteilte. Die Männer trugen einen Aktenkoffer heran und öffneten diesen auf Gwens - seltsamerweise intakt gebliebenem - Wohnzimmertisch; ein flacher Bildschirm kam zum Vorschein, darunter eine eingebaute Tastatur in der Hülle des Koffers. Ein kleines, rotes Licht am oberen Rand der silbernen Ummantelung ließ eine Kamera vermuten. »Da will Sie jemand sprechen, Loki…« erklärte der Agent kurz angebunden, während seine Stimme unter Abscheu bebte. Er sah den Magier auch nicht an. Der eben aufgebaute Bildschirm erwachte zu flackerndem Leben, bevor sich das finstere Gesicht Direktor Furys aus der Schwärze des Monitors schälte; der S.H.I.E.L.D Chef stand mit vor der Brust verschränkten Armen in einem kuppelförmigen Raum, in welchem im Hintergrund Gerätschaften und Monitore von weiteren Agents der Organisation überwacht wurden. In Lokis Kehle erwachte ein Knurren; Fury und er maßen sich über die Entfernung hinweg mit Blicken, beide stolz und unnachgiebig, beide mit Ablehnung für den jeweils anderen in der Brust. Seine Erinnerungen an die Gefangenschaft bei S.H.I.E.L.D waren noch prägnant greifbar, ebenso an die Avengers und deren erbärmlichen Sieg über ihn. Selbst nach zwei Jahren in Isolation hatte er keinen Moment vergessen. Der einseitige Blick des Direktors schwankte kritisch zu Gwendolyn hinüber, die sich neben dem Magier positioniert hatte und - unbewusst oder nicht - mit den eigenen, zitternden Fingern flüchtig nach Lokis tastete, während sie mit der anderen Hand den aufgewühlten Kater schützend an ihre Brust presste. Sie kannte jetzt die Wahrheit, über ihn und ihre Welt - und trotzdem war sie noch da und stärkte ihm mit ihrer Präsenz den Rücken. Vielleicht hatte er es nicht verdient, aber es machte ihn mächtiger, stärker. Loki verwob seine Finger kurz mit jenen der Sterblichen; diese zaghafte, vorsichtige Geste von Zugehörigkeit und Vertrauen straffte seine Schultern und beruhigte sein aufgewühltes Gemüt, ließ das süffisante Grinsen auf seinen schmalen Lippen erneut erblühen und anmaßend erscheinen - eine Tatsache, die den einäugigen Fury offenbar fast durch die Decke trieb. Der Magier konnte die mühsam beherrschte Wut im Auge des Mannes erkennen; offenbar ging hier einiges gewaltig gegen seine Prinzipien. »Mister Laufeyson…« begann der Direktor gedehnt und äußerst pikiert, als würde er seine eigenen Befehle am liebsten gleich selbst widerrufen. »…ich dachte nicht, dass man sich tatsächlich wiedersehen müsste, doch das Schicksal scheint uns so manches Mal zum Narren zu halten.« Fury läutete eine Kunstpause ein, bevor er mit drohendem Unterton weitersprach: »Sei dir gewiss, Loki aus Asgard, dass ich deine Gestalt in meiner Welt mehr als alles andere verabscheue, doch du hast leider mächtige Freunde und Verbündete, die mir meine Kooperation abnötigen. Du solltest deinen Fürsprechern danken.« Fury trat mit einem selten ehrerbietenden Nicken beiseite und eine bärtige, imposante Gestalt trat ins Blickfeld der Kamera, um Loki ein Gesicht zu offenbaren, was er so und in dieser Situation, an diesem Ort, niemals vorhersehen hätte können. Viel hätte er erwartet; Thor, vielleicht sogar Frigga, doch niemals jenen Mann, den er so lange für seinen Vater gehalten hatte, um nun erkennen zu müssen, dass er offenbar doch ein Herz besaß, welches noch immer in kindlicher Sehnsucht an diesem Glauben festhalten wollte. Beinahe wäre ihm ein verblüfftes »Vater?!« von den Lippen gerollt, die ihre überhebliche Erheiterung eingebüßt hatten. Odin baute sich neben Fury auf und sah ohne Hadern in die Kamera, um dem Blick seines Sohnes zu begegnen. Der Allvater trug seine Kampfrüstung, ebenso wie den Speer seiner Herrschaft - dass er sich nach all den Jahren erneut nach Midgard bemühte und seinen Thron dafür verließ, musste einen wahrhaft guten Grund haben. Die Dinge standen offenbar inzwischen ernster, als sie alle dachten. »Ui, dem schicken Kostümchen nach zu urteilen würde ich mal raten: ein weiterer, verrückter Gott aus Asgard!?« tönte Tony Stark geringschätzig neben Agent Preston. Der warf dem Erfinder einen knappen, zurechtweisenden Blick zu. »Reißen Sie sich zusammen, Stark. Das ist der Allvater Odin. Herrscher über Asgard und Thors und Lokis Vater.« zischte er leise. »Oh…« entkam es dem Ironman da sehr einsilbig. Über die unverschämten Züge des menschlichen Mannes huschte ein vergänglicher Hauch von Ehrfurcht und Demut; ein ziemlich seltener Anblick. »Wisse, dass ich dein Entfernen aus Asgard alles andere als gutheiße, Loki. Zu entsprechender Zeit wirst du deine Strafe dafür erhalten, dass du dich erneut meinen Anweisungen widersetzt hast.« wandte sich der Allvater ohne Umschweife an den Magier. Seine donnernde Stimme verlor selbst über Meilen hinweg nicht ihre Eindringlichkeit, auch wenn das eher kümmerliche Übertragungsgerät das volle Spektrum von Odins Macht kaum wiedergeben konnte. »Allerdings hattest du nicht unbeträchtliche Hilfe und wie ich erfahren musste, hat man dich förmlich dazu angestiftet, Midgard aufzusuchen. Das mildert nicht meine Enttäuschung, jedoch meinen Zorn.« endete der Allvater, um kurz nach Atem für seine nächsten Worte zu schöpfen. Sein sichtbares Auge schloss sich flüchtig, kühles Neonlicht funkelte im Gold seiner Augenklappe, bevor sich sein Blick schwer auf den Magier legte. »Loki, Malekith scheint sich inzwischen der Hilfe Hels zu bedienen. Vor wenigen Stunden erschütterte ein verheerender Angriff Niflheims Hallen unter dem ewigen Eis; Legionen der Toten fielen in der Stadt der Zwerge ein und forderten einen furchtbaren Tribut.« Loki schüttelte ungläubig, beinahe abwehrend den Kopf. »Aber…das ist nicht möglich. Die Toten können Helheim nicht verlassen, außer-« »-Ragnarök steht unmittelbar bevor.« beendete Odin in unheilvollem Ton ihrer beider Gewissheit, während die bedrohliche Offenbarung wie giftiger Nebel in die Herzen der Anwesenden sickerte; die Agents, selbst Ironman und Direktor Fury wirkten unruhig. Gwen sah zu dem Magier neben sich auf, während sie nun absichtlich näher zu ihm rückte; in ihren hellen Augen wurde die Ahnung auf drohendes Unheil geschürt - zwei bleiche Segel an Naglfars Masten. Ragnarök - das Weltenende. Sollte es also wirklich beginnen? »Thor und die Tapferen Drei musste ich nach Niflheim entsenden, um dort die Ordnung wiederherzustellen.« fuhr Odin fort und schritt vor Fury unruhig auf und ab. Selbst der Direktor schien in seiner Haltung erschüttert und fuhr sich mit einer Hand angespannt über das kahle Haupt. »Die Grenzen zwischen den Welten verschwimmen immer mehr. Auch Midgard ist nun davon betroffen. Malekith musste jene Passagen nur erweitern und Hel für seine Sache gewinnen. Ich weiß nicht, wie er es vollbracht hat-« »Mit Seelen.« unterbrach der Magier den Allvater, nachdem er nachsinnend das Haupt gesenkt hatte. »Er wird ihr einen nicht unbeträchtlichen Anteil der Opfer versprochen haben, die gewiss auf den Schlachtfeldern Ragnaröks fallen werden.« Sein Blick hob sich wieder und fixierte sich auf den Monitor. Der Allvater blieb stehen und rieb sich über sein altes, müdes Gesicht; der Speer stützte ihn einmal mehr und verdeutlichte Loki, wie alt Odin doch über die Jahrhunderte geworden war. »Noch kann Hel ihr Reich nicht verlassen. Noch hat sie ihre tödlichsten Waffen nicht entfesselt - ihre Leibgarde. Doch das ist nur eine Frage der Zeit. Wenn Malekith Yggdrasil erreichen sollte, kann er Hels Ketten sprengen und sie befreien. Dann sind wir verloren…« »Dann vielleicht. Doch jetzt noch nicht.« durchbrach Loki die Stimme schwelender Aussichtslosigkeit. Der Allvater musterte seinen Sohn; lange und fast nachdenklich, bevor er knapp nickte. »Ja, jetzt noch nicht...« wisperte er einlenkend mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln und straffte sich. »Es scheint, ich muss dir nun vertrauen, Loki, auch wenn ich diesen Tag lang schon fürchtete.« bemerkte er unumwunden. »Ich konnte eine Galgenfrist für dich aushandeln. Drei Tage magst du auf Midgard bekommen. Eine Zeit, in welcher du unantastbar für die Sterblichen bleibst. Nutze diese Zeit gut.« Odin blieb erneut vor dem Monitor stehen und deutete mit einer harschen, veranlassenden Geste auf Gwendolyn und den Magier. »Finde endlich heraus, was dort in der Sterblichen schlummert und ob wir es zu unserem Vorteil nutzen können. Beschütze sie. Sie muss leben. Frigga ist dieser Meinung und ich bin geneigt, ihre Meinung zu teilen. Gwendolyn Lewis scheint vom Schicksal gesegnet, von Skuld selbst. Wenn ihre Vorsehung wirklich mit unser aller zusammenhängt, so müssen wir sie wie den größten Schatz hüten. Diese Bürde lastet nun auf deinen Schultern, Loki. Auf deinen allein. Fühlst du dich jener gewachsen?« »Natürlich.« versicherte der Magier sachlich, entschieden und ohne jeglichen Spott in seiner scharf definierten Stimme. Kein Thor war nun da, keine Lady Sif und keine Tapferen Drei - der Magier würde diese Aufgabe allein bewältigen müssen, ohne das man ihm am Ende den Erfolg und Ruhm absprechen könnte. Er fürchtete die Herausforderung nicht; was er fürchtete war die Verdammnis der Untätigkeit in der Abgeschiedenheit einer Gefängniszelle. Er würde Odin beweisen, dass wesentlich mehr in ihm schlummerte, als jener all die Jahre in ihm hatte sehen wollen, bis der Allvater seinen Irrglauben erkennen und bereuen müsste. Odin nickte langsam, wirkte zufrieden, bevor er abermals das Wort erhob. »Nach diesen drei Erdentagen kann selbst meine Macht dich auf Midgard nicht mehr schützen. Dann solltest du dort verschwunden sein.« Loki nickte beiläufig, dann besann er sich und neigte das Haupt in einer knappen, aber respektvollen Geste vor dem flackernden Bild des Allvaters - er hatte lange keine solche achtungsvolle Geste vor Odin ausgeführt, doch er spürte, dass es an der Zeit war, alte Gewohnheiten zu ändern. Am bevorstehenden Weltenende sollte man womöglich seinen Stolz über Bord werfen; sich Freimachen von Ballast, um beweglich in die Schlacht zu ziehen; Loki selbst hatte es Odin geraten - das Loslösen von alten Fehden, Bedenken und Misstrauen, damit sie vereint für ihre Existenz kämpfen konnten. Wahrscheinlich sollte er als gutes Beispiel vorangehen. Odin hatte immerhin für ihn gesprochen und das hätte er wahrlich nicht tun müssen; er hätte den Magier der Gnade der Sterblichen ausliefern können, nachdem er sich abermals seinen Befehlen widersetzt hatte - doch er hatte es nicht getan. Loki wollte sich schon abwenden, als ihn das Räuspern des Allvaters aufhielt. Fragend sah er zu dem Monitor zurück, wo Odin tief nach Luft schöpfte und kurz sein sichtbares Auge schloss, als müsse er Kraft sammeln - Kraft für Worte, die dem stolzen Mann schwer fallen mochten. »Sei vorsichtig…Sohn.« Letztes Wort verhallte wie der trügerisch lockende Laut einer Sirene. Das blaue Auge Odins wirkte erschreckend klar; ein Blick, der aus dem Herzen des Allvaters kam - zögerlich, doch entschieden. Der Magier konnte es förmlich spüren; über Meilen hinweg war er in jenem Augenblick mit dem Allvater verbunden und der alte Mann spürte sein Ende nahen - in den Tiefen seiner Knochen und den säuselnden Stimmen des Windes, die ihn immer öfter in ein Land fern ab dieser Realität lockten. Das veranlasste Odin wohl zu untypischer Gefühlsregung. Wie lange hatte Loki auf diese besondere Nuance in den Worten des Allvaters gelauert; sich dafür schier aufgeopfert, um immer ein bisschen besser zu sein - und nun durfte er diese lang unerreichbare Frucht kosten; nun, da er sein Schicksal verdammt hatte über angegriffene Welten und geschlagene Opfer seines Weges. Sein eigener Erzeuger war auf diesem Pfad gefallen und doch hatte Loki das größte Opfer von allen wohl selbst gebracht… Während der Magier den Monitor noch ungläubig anblinzelte, verschwand das Bild seines Vaters flackernd in Schwärze; die Verbindung war getrennt und Schweigen legte sich über den Raum - unterbrochen nur von den andauernden Geräuschen der Stadt, die sich tapfer ihren Angreifern zu erwehren suchte. * “Listen to your heart, when he's calling for you Listen to your heart, there's nothing else you can do I don't know where you're going and I don't know why But listen to your heart before you tell him goodbye~” Der alte Song von Roxette trällerte provozierend aus dem Autoradio. Eine hektische Hand schoss vor und wechselte den Sender. “Please don't stop loving me, loving me Uu uu uu uu uu uu uu uu Wanting me, wanting me like you do Please don't stop caring now, caring now Uu uu uu uu uu uu uu uu Caring now, caring now like you do~” John Newmans “Losing Sleep” hämmerte ihnen dann aus den Boxen entgegen und nachdem ein weiterer Suchlauf auch noch Leona Lewis‘ „My Hands“ ausspuckte, gab es Gwen auf und schlug hastig auf den Power-Knopf des Radios, dessen Klänge augenblicklich erstarben und das sanfte Schnurren des Motors vernehmlich zurückließen. Entnervt rieb sie sich mit spitzen Fingern den Nasenrücken und schob ihre Brille wieder höher; irgendwie war ihr das Radio heute überhaupt nicht wohlgesonnen. Hatte sich eigentlich alle Welt gegen sie verschworen? Flüchtig schielte sie aus dem Augenwinkel neben sich, wo ein dunkelhaariger Gott in einer schwarzen Jeans und dunkelgrünem Hemd im Sitz lehnte - und natürlich mit gehobener Braue zu ihr herüberstarrte. Sie konnte das überdimensionale Fragezeichen auf Lokis Stirn beinahe schon sehen. »Gefällt dir das Unterhaltungsprogramm etwa nicht?« fragte er mit einem schiefen Grinsen, in welchem der Spott kaum zu übersehen war. »Nein.« war ihre knappe Antwort. Verbissen umklammerte sie das Lenkrad des teuren Wagens und starrte stur geradeaus auf die Fahrbahn. Diese nun schon länger andauernde Ruhe zwischen ihnen war Gift für ihre Nerven; sie wusste, dass sie endlich mit Loki reden musste - es auch wollte - doch irgendwie schob sie das Ganze immer weiter vor sich her wie einen riesigen Schneehaufen, der sich irgendwann zu einem gewaltigen Gletscher auftürmen würde. Eigentlich hatte sie gehofft, dass zumindest das Radio ein wenig Entspannung und Ablenkung bringen könnte, allerdings wollte sie das Schicksal heute offenbar mit Liedern foltern, die ihrer Stimmung alles andere als zuträglich waren. Der Magier schien weniger Probleme mit der Stille zwischen ihnen zu haben; womöglich genoss er Gwens Anspannung und Ruhelosigkeit sogar noch. Seit dem gestrigen Abend waren sie nun im Auto unterwegs; Gwen hatte die erste Zeit auf der Rückbank neben Winstons Transportkorb geschlafen, da die Müdigkeit sie förmlich überwältigt hatte, nachdem das Adrenalin abgeklungen war. Loki hatte somit den ersten Teil der Strecke übernommen. Sie hatte bereits aufgehört sich zu fragen, woher er eigentlich Auto fahren konnte - wahrscheinlich war es bei seiner raschen Auffassungsgabe keine große Sache, sich diese Fähigkeit anzueignen. Vielleicht half ihm auch seine Magie dabei. Nach dem Frühstück, welches sie in einer MCDonald‘s Filiale eingenommen hatten, war Gwen nun hinters Steuer geschlüpft, obwohl der Magier nicht den Eindruck machte, als müsse er in absehbarer Zeit überhaupt schlafen; vielleicht benötigten Götter allgemein weniger Erholung oder konnten einfach besser mit ihren Kraftreserven haushalten. Es war immer wieder ein Risiko, den Magier auf die Menschheit loszulassen; er benahm sich wie ein Kind im Süßigkeitenladen - wenn man nicht ständig aufpasste, herrschte bald Chaos. MCDonald‘s würde sich nach dem Besuch des Gottes sicherlich mit einigen unschönen Klagen auseinandersetzen müssen, da sich das Rührei vieler Besucher auf krabbelnden Beinen aus dem Staub gemacht oder der Cappuccino in einen Schwarm Insekten verwandelt hatte. Als dann auch noch die Illusion eines brennenden Mitarbeiters aus der Küche mit rudernden Armen durch die Filiale gestürzt war, hatten auch die hartgesottenen, morgendlichen Gäste das Weite gesucht. Der Prinz hatte das Spektakel mit ungerührtem, teilnahmslosem Gesicht verfolgt und sein Frühstück seelenruhig verzehrt, während ihm die S.H.I.E.L.D Agents, die sie nun begleiteten, bereits wieder mit Handfesseln und Schlimmerem gedroht hatten. Gwen schielte erneut zu Loki hinüber und befeuchtete sich nervös die Lippen, als der Magier zum widerholten Male seinen Starbucks Kaffeebecher in die Höhe hob und in alle Richtungen drehte, als müsste er unbedingt hinter das Geheimnis der grün-weißen Pappe kommen. Dabei klaffte Lokis Hemd um ein gutes Stück weit auf und gewährte ihr einen köstlichen Einblick auf seine blasse Brust. Gwen lenkte ihren Blick krampfhaft wieder auf die Straße und mit einer beinahe hektischen Bewegung zog sie den Wagen auf ihre Fahrspur zurück, nachdem der verteufelt teure Maserati fast die Mittellinie geschnitten hätte. Wie sollte man sich bitte bei solch einem Anblick neben sich auf die Straße konzentrieren? Wirklich nicht förderlich, vor allem, da sie selbst seit mehreren Monaten das erste Mal wieder hinter dem Steuer saß und dann auch noch hinter einem so PS-starken Monster, welches hervorragend dafür geeignet war, sich um die nächste Leitplanke zu wickeln. Loki hatte mithilfe eines Zaubers die Scheiben des Wagens wieder repariert, sodass sie nun ziemlich flott in Richtung Norden und kanadische Grenze unterwegs waren; manchmal war so ein Magier doch ziemlich praktisch. Der Gott hatte auf das Auto bestanden, da sie so flexibler waren und ihre Route schneller ändern konnten, als wenn sie mit Bahn oder dem Flugzeug unterwegs gewesen wären. Fahrig griff Gwen nach ihrem eigenen Kaffeebecher in der Mittelkonsole, den sie auf dem kleinen Zwischenstopp besorgt hatte, um den Magier in alltagstaugliche Klamotten zu stecken. In seiner Kampfrüstung würde er doch ein wenig zu sehr auffallen und in der edlen Abendkleidung war es auch nicht besser; beim Frühstück hatten sie alle angestarrt, als wäre ein Superstar unter ihnen erschienen. Allerdings musste ihre Gruppe auch einen wirklich merkwürdigen Anblick geboten haben; ein adlig aussehender Gott im Anzug, eine Handvoll S.H.I.E.L.D Agenten mit Sonnenbrillen und - naja, sie eben. Eher das unscheinbare Anhängsel der Gruppe; wahrscheinlich die Kammerzofe. Oder die Köchin. Gwen verbot sich eigentlich vehement die Gedanken an den Klamottenkauf mit Loki, vor allem an die zwei Verkäuferinnen, die sich kaum davon hatten losreißen konnten, den Gott in enge Hosen und edle Hemden zu kleiden; es hätte nicht viel gefehlt und den beiden wären wahrscheinlich die Augen aus dem Kopf gefallen, wenn sie sich nicht vorher auf ihre üppigen Dekolletés gesabbert hätten. Loki selbst schien sich seiner Wirkung auf die menschliche Frauenwelt gar nicht so recht bewusst zu sein; er hatte nicht mit den Frauen geflirtet und ihre Blicke geflissentlich ignoriert - was auch besser für ihn gewesen war, sonst wäre Gwen durchaus der Versuchung erlegen, ihn in den Wagen zu den Agents zu stecken. Die hätten bestimmt eine Menge Spaß miteinander gehabt… »Du kannst den Kaffee ruhig trinken. Da ist kein Gift drin.« gab sie amüsiert von sich, bemühte ihre Aufmerksamkeit jedoch weiterhin auf die Straße, während sie an ihrem eigenen nippte. Ein kurzer Blick in den Rückspiegel verriet ihr, dass der schwarze Van von S.H.I.E.L.D ihnen beständig folgte; Andrew Preston war mit seinen Männern persönlich für ihre Überwachung eingeteilt worden. Nachdem der Agent am Abend zuvor allerdings versucht hatte, den Gott hinterhältig an Ironman auszuliefern, hielten sich ihre Gespräche in kargen, überschaubaren Maßen. Damit hatte er eindeutig eine Grenze überschritten und Gwens Vertrauen missbraucht; sie hatte ihn um ein Gespräch mit Loki gebeten und ihm war nichts Besseres eingefallen, als den Prinzen aus dem Weg räumen zu lassen. Der Magier genoss zwar die folgenden drei Tage diplomatische Unantastbarkeit, allerdings hieß das noch nicht, dass Fury ihn unbeaufsichtigt durchs Land ziehen lassen würde. Wenn die Frist ablief, wäre S.H.I.E.L.D mit Sicherheit sofort bei der Stelle, um das Recht auf Bestrafung des Gottes einzufordern - Andrew mit Gewissheit in der ersten Reihe. Abermals wagte Gwen einen Blick zu dem Prinzen hinüber; diese fast schon normale Alltagskleidung an ihm war seltsam und ließ den Magier viel zu real wirken - viel zu wirklich und greifbar. Eine Illusion, die ihr vorgaugelte, dass er und sie gar nicht so unterschiedlich waren und dass es womöglich eine Zukunft haben könnte, ihr Herz an diesen Mann zu hängen… »Die Sterblichen haben oft komische Gelüste und Laster. Ich bin mir nicht sicher, was ich davon halten soll…« Loki roch skeptisch an dem heißen Getränk, bevor er zaghaft daran nippte. Gwen beobachtete ihn mit hochgezogenen Brauen und sah zu ihm hinüber, da die Straße eine Weile in monotoner Geradlinigkeit verlief. »Und?« Der Magier zog die Stirn in Falten und schwenkte den Becher nachdenklich in den Händen, bevor er die Schultern zuckte, allerdings einen weiteren Schluck nahm. »Es ist ganz in Ordnung.« meinte er lapidar. »Ganz in Ordnung, ja?« Gwen unterdrückte ein Schmunzeln und stellte den eigenen Becher wieder in der dafür vorgesehenen Halterung der Mittelkonsole ab. »Manche Menschen sind förmlich süchtig nach dem Zeug. Ich habe sogar mal gehört, dass einige ziemlich ausrasten, wenn sie ihren Kaffee nicht bekommen…und eine komplette Starbucks Filiale niederwalzen.« Ihre Blicke trafen sich kurz und auf seinen Lippen erblühte eines dieser breiten, hinterhältigen Grinsen, die Gwen wahrscheinlich gar nicht so anziehend finden sollte. Krampfhaft presste sie die Lippen aufeinander, um ihr Schmunzeln zu verstecken und lenkte den Fokus wieder auf die Straße. Da bei diesem Vorfall niemand ernsthaft verletzt wurden war - ließ man den Ruf Dr. Banners und Steve Rogers einmal außen vor - so würde sie ihm deswegen sicher keine Moralpredigt halten. Witzig war es ja doch irgendwie gewesen; zumindest aus einer schrägen, mehr göttlichen Perspektive. »Warum hast du das gemacht, Loki?« fragte sie ehrlich interessiert. »Warum gehst du so selbstverständlich davon aus, dass ich das war?« Abermals glitt ihr Blick zu ihm hinüber und sie hob die Brauen bedeutsam und kritisch in die Höhe. »Ich weiß, du willst mir noch immer die Kleingeistigkeit Midgards unterstellen, aber ich bin nicht blöd…« Der Gott ließ sich in seinem Sitz zurückfallen und sah nun ebenfalls geradeaus, den Kaffeebecher zwischen seinen langen Fingern im Schoß geborgen. »Ich hatte noch Rechnungen zu begleichen…« gab er dann kühl von sich. »Du meinst Rache.« resümierte Gwen für sich und setzte den Blinker, um einen langsameren Wagen auf der Strecke zu überholen. Der Wagen schoss unter ihrer Anweisung geschmeidig nach vorn und presste sie in den Sitz zurück; ein angenehm machtvolles Gefühl - Geschwindigkeit gepaart mit Gefahr. »Und, hat sie dir etwas gebracht?« »Nebst dem Gefühl von Zufriedenheit und Schadenfreude? Durchaus Genugtuung.« erläuterte Loki ruhig und nippte abermals an seinem Kaffee. Gwen versuchte sich wirklich in den Gott einzufühlen; seine Niederlage gegen die Avengers musste ihn einiges seines Stolzes gekostet haben und Loki war einfach kein Mann, der so etwas auf sich sitzen lassen konnte. Nach einer Weile des Schweigens wagte sie jene Frage, die ihr schon so lange auf der Zunge brannte. »Hasst du die Menschen?« Loki sah flüchtig zu ihr herüber und schien latent überrascht von ihrer Frage. Es dauerte eine Weile, bis er antwortete: »Einige bestimmt. Aber grundsätzlich - nein. Wie soll man auch etwas hassen, was so weit unter einem steht, dass es die Mühe dieser Emotion gar nicht lohnt?« Lokis Züge waren wieder stur geradeaus gerichtet, während sein Zeigefinger gedankenverlorene Kreise auf dem Rand seines Kaffeebechers zog. Sein Kinn war in jener Gewissheit von adliger Arroganz gehoben und Gwen verbiss sich einen spitzen Kommentar; sie kannte seine überhebliche Art zur genüge und es war vergeblich, ihn zurechtzuweisen. Vor allem jetzt, da sie die Chance auf wesentlich tiefere Einblicke in die Gedankenwelt des Magiers hatte… »Warum dann dieser Angriff auf New York, Loki? Warum wolltest du eine Welt beherrschen, die doch anscheinend so weit unter deiner Würde liegt? Erklär es mir. Ich verstehe es nicht…« Immer wieder flog ihr Blick zu ihm hinüber, während ihre Hände in einem unmerklich angespannten Rhythmus auf dem Lenkrad trommelten; Gwen versuchte jede Regung des Gottes einzufangen, da bei ihm oft die kleinen Dinge wirklich von Belang waren. Lokis Zeigfinger hielt in seinen unermüdlichen Kreisen inne, den Rand des Bechers zu liebkosen. Seine Wangenmuskulatur spannte sich an und schob seinen Unterkiefer um ein Stück weit nach vorn, während er fast nachdenklich den Blick senkte und die Augen für einen Wimpernschlag geschlossen hielt. »Ich war ein König, bis ich verraten und verbannt wurde. Ein Thron stand mir rechtmäßig zu. Dieses glorreiche Ansinnen war meine Bürde. Ich wollte beweisen, dass ich dem würdig bin…dass ich es kann…« Er sprach so leise, dass Gwen Mühe hatte, ihn über das Schnurren des Motors zu verstehen. Beinahe wirkte er wie in Trance, als würde er einen Text zitieren, den er lang zuvor gelernt hatte; seine Finger verkrampften sich um den Pappbecher in seinen Händen und sie hatte Angst, dass er sich bald mit dem heißen Getränk verbrühen würde. »Dass du was kannst…?« hakte sie vorsichtig nach. »Herrschen. Die Menschheit von der größten Lüge des Lebens befreien. Von der Lüge der Freiheit…« Seine Stimme war um einige Nuancen gesunken und Gwen fröstelte ungewollt, obwohl es alles andere als kalt im Wagen war. Der Magier wirkte so fremd, so verändert; die Szene aus Stuttgart kam ihr wieder in den Sinn. »Er schenkte mir altes Wissen und gab mir neue Bestimmung, erweiterte meinen Horizont und ließ mich klarer sehen...« Gwen erschauderte. »…wer? Wer gab dir eine Bestimmung…?« »Unwichtig. Das geht dich nichts an, Mensch!« zischte er nun fast; als hätten ihre Worte einen Bann gebrochen, ruckte sein Kopf nach oben und er versteifte sich in seinem Sitz. Sein Blick schoss kurz brennend zu ihr herüber, bevor er wieder aus dem Fenster sah. »O-okay…schon gut…« lenkte Gwen erschrocken und unsicher ein; ihre Finger hatten sich fast hilfesuchend um das Lenkrad gekrallt, nachdem er so aufbrausend reagiert hatte. Sie blinzelte hastig - sie hasste es, so nah am Wasser gebaut zu sein und es war verletzend, dass er sie so anfuhr. Mensch… Vehement biss sie sich auf die Unterlippe und starrte angespannt auf die Straße. Sie sollte vielleicht wirklich nicht vergessen, mit wem sie hier im Auto saß… Da schien noch einiges im Argen zu liegen. Gwens Gespür als Journalistin sagte ihr, dass Loki nicht alles offenbart hatte und unverkennbar etwas zurückhielt. Nach einer Weile, in der sie schon gar nicht mehr damit gerechnet hatte, meldete sich der Gott doch wieder zu Wort; leise, aber inbrünstig überzeugt. »Ihr schlachtet euch gegenseitig ab und richtet eure Welt zu Grunde; die Macht der freien Entscheidungen hat euch nicht reicher gemacht, sie hat euch verdammt. Ohne die Freiheit könntet ihr in Frieden leben. Ich wollte über die Menschen herrschen und ihnen mehr zeigen. Eine glanzvolle Zukunft. Unter meiner Herrschaft hättet ihr endlich Frieden erfahren können, ohne euch auf der Suche nach Identität und Macht in Gezänk zu verlieren.« Nun sah er wieder zu ihr herüber und bedachte sie mit einem langen Blick, den er ihr über den Rand seines Kaffeebechers schenkte, als er einen weiteren Schluck nahm. Seine Augen wichen den ihren nicht aus, als sie flüchtig seinem Fokus begegnete. Er war sich völlig im Klaren über das, was er da sprach und stand offenbar hinter seinen Worten. »Ist das wirklich dein Ernst? Bist du wirklich dieser Meinung?« hinterfragte sie seine These mit skeptisch zusammengezogenen Brauen und schüttelte ungläubig den Kopf. »Eine Gewaltherrschaft und Sklaverei sollte uns retten!?« »Das wäre keine Sklaverei-« »Oh doch, das wäre es. Vielleicht gäbe es keine schicken Halsbänder oder Fußfesseln, doch das Ergebnis bleibt das Gleiche. Unterdrückung kann doch niemals zu etwas Gutem führen, Loki. Was wäre das für ein Frieden, wenn er so furchtbar erzwungen wird?« Immer wieder sah sie zu ihm hinüber, wenn die Führung der Straße es zuließ, dass sie ihm ihre Aufmerksamkeit schenkte. Der Magier schnaubte abfällig. »Ihr müsst vor euch selbst beschützt werden, denn offenbar seit ihr ja nicht dazu im Stande, eure eigene Welt friedlich und gerecht zu führen. Die Freiheit macht euch wirr und wahnsinnig. Ihr seid wie Kinder, die mit ihren großzügigen Gaben nichts anzufangen wissen und diese zänkisch und neidisch zwischen sich zerreißen wie hungrige, junge Löwen.« »Und du willst mir jetzt allen ernstes erzählen, dass der Entzug von Freiheit das bessern soll? Wie hast du dich denn die letzten Monate in deiner Zelle gefühlt? Ging es dir besser, weil man dir die Freiheit entzogen hat? Warst du glücklich und zufrieden?« fuhr sie ihn nun barsch an und griff fahrig nach ihrem Kaffeebecher, um sich die trockene Kehle zu befeuchten. Die Ansichten dieses Gottes brachten sie auf die Palme. Das konnte er doch nicht wirklich selbst glauben. Gerade er müsste es doch besser wissen… Loki presste die Lippen aufeinander und starrte sie unter finster herabgezogenen Brauen an. »Das ist etwas ganz anderes…« »Oh ja…natürlich…das ist es ja immer…« murmelte Gwen sarkastisch und biss sich dann auf die Zunge; fast erwartete sie schon einen weiteren Ausbruch von Loki, doch der blieb seltsam ruhig. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, dass er sie lange ansah, bevor er den Blick abwandte und sich wieder gerade in seinen Sitz zurücksinken ließ. »Loki, wir Menschen sind bestimmt nicht perfekt. Ganz bestimmt nicht…« begann sie dann vorsichtig, während ihre Finger angespannt über das Lenkrad strichen. Ihr Fokus flog zum Rückspiegel; der schwarze Van folgte noch immer. »…wir machen viele Fehler. Viele dumme Fehler, da hast du recht. Aber wir müssen selbst daraus lernen. Diese Verantwortung kann uns niemand abnehmen. Man kann Weisheit in niemanden hineinprügeln.« »Manchmal wäre es durchaus einen Versuch wert…« murmelte der Magier ironisch, bevor sich die Luft plötzlich statisch auflud und nach einem magischen Schimmern Thor neben Gwen auf dem Beifahrersitz saß. Sie blinzelte irritiert zu dem blonden Hünen hinüber, der Mjölnir fast durch die Decke des Wagendaches stieß und inbrünstig grollte: »Wer benötigt schon Verstand, wenn man einen Hammer besitzt?! Der Hohlraum des Schädels lässt sich doch viel besser nutzen, um jenen hervorragend mit Met und Kriegsgeschrei zu füllen. Weisheit ist für Narren, stumpfsinniges Gebaren, Muskeln und Mjölnir werden mich zum Sieg führen! Wehe dem, der etwas anders behauptet…« Gwen mochte Thor eigentlich wirklich gern und auch wenn der blonde Gott seinem Bruder sicher in einigen, geistigen Dingen nicht das Wasser reichen konnte, so war er doch gewiss nicht dumm oder einfältig. Außerdem war die Situation alles andere als witzig, allerdings war der Anblick neben ihr so lächerlich, wie Thor in seiner Kampfmontur in diesem plötzlich so winzig wirkenden Auto saß, dass sie einfach losprusten musste und ihr ein gelöstes Lachen aus den Lippen brach. »Das ist wirklich…nicht…lustig…« brachte sie krampfhaft heraus, während sie Mühe hatte, den Wagen auf der Spur zu halten, da ihr Tränen in die Augen stiegen und ihre Sicht verschwamm. »Lass das, Loki. Lenk nicht vom Thema ab…« In einem weiteren, grünen Schimmern verwandelte sich der Gott wieder in seine Gestalt zurück; ein hauchfeines Schmunzeln spielte um seine harten, schmalen Lippen. Gwen benötigte einige Momente, um sich wieder zu beruhigen; mit spitzen Fingern schob sie ihre Brille nach oben und wischte sich die Lachtränen aus den Augen. Dieser Mann würde eines Tages wirklich ihr Tod sein. »Verzeih, dass ich dich vorhin so angefahren habe. Das war nicht meine Absicht…« drang nun Lokis Stimme ungewöhnlich sanft an ihr Ohr und sie wandte den Kopf zu ihm, da sie sich fast sicher war, sich verhört zu haben. Ungläubig blinzelte sie ihn an, doch er erwiderte ihren Blick fest und ernsthaft. Das Grün seiner Augen schimmerte in Versprechungen, vor denen sie ihr Verstand noch immer schützen wollte; mit einem unsicheren Räuspern konzentrierte sie sich wieder auf die Straße und hob die Hand, um die Sichtblende herunterzuklappen. Die tiefstehende Morgensonne blendete ihre Augen, war jene bis eben noch hinter einem Hügel verborgen gewesen. »Schon okay…« wiegelte sie ab. »Ich muss mich auch entschuldigen. Für die Ohrfeige, die ich dir verpasst habe…« murmelte sie dann verlegen und strich sich eine Strähne hinters Ohr, die sich aus ihrem zweckmäßigen, unordentlichen Zopf gelöst hatte. Angespannt fokussierte sie ihren Blick auf die Straße, obwohl kaum Autos zu dieser noch frühen Stunde auf dem Highway unterwegs waren. Die Umgebung zog rasch an ihnen vorbei; die weite Ebene zog sich langsam enger um die Straße zusammen, je weiter sie nach Norden fuhren und immer mehr Hügel und dichte Wälder säumten ihren Weg. In der Ferne bildeten sich bereits schneebedeckte Gipfel ab, welche in der nebligen Morgenluft am Horizont verschwommen wirkten. Den Lake Ontario würden sie bald passiert haben. »Fandest du sie etwa nicht gerechtfertigt?« Der Magier überraschte sie unvermittelt mit seiner Frage und ließ Gwen tatsächlich ratlos zurück; sie starrte nachdenklich auf das Tachometer vor sich, bevor sie entschieden antwortete: »In diesem Moment schon, aber…es tut mir trotzdem leid. Ich habe einfach überreagiert. Ich hätte mich anders verhalten können. Womöglich hätte ich auch nicht so überstützt fliehen sollen. Ich hätte dir die Möglichkeit auf eine Erklärung einräumen müssen…« Sie schielte zu Loki hinüber, der nicht weniger nachdenklich die hohe Stirn gefurcht hatte und auf seinen Becher starrte. Skeptisch sah er dann zu ihr. »Du bist wirklich der Meinung, dass ich das Recht auf eine Erklärung verdient hätte? Da bist du wohl die Einzige…« resümierte er trocken und trank den letzten Schluck seines wohl inzwischen eher lauwarmen Kaffees. Das Verziehen seiner Mundwinkel verriet ihr, dass das schwarze Getränk wohl wirklich inzwischen bitter und kalt geworden war. »Jeder hat das Recht, sich zu erklären.« murmelte sie dann leise und ließ mit einem Seufzen ihr Fenster ein Stück herunter, um frische Morgenluft hereinzulassen. Die Luft war kühl und feucht; angenehm für ihren angespannten Geist, der sofort ein wenig wacher wurde. »Ich hätte mir einfach gewünscht, dass du es mir eher gesagt hättest…« brachte sie dann zaghaft heraus und war sich nicht sicher, ob Loki sie über das Rauschen des Windes gehört hatte. Sein Blick war geradeaus gerichtet, doch seine Ohren funktionierten offenbar hervorragend. »Nein, das hättest du nicht, Gwendolyn. Hättest du diese Wahrheit wirklich eher von mir hören wollen? Sei ehrlich - was hätte sich an deiner Reaktion geändert?« Sein grüner, eindringlicher Fokus schwenkte zu ihr herüber und sie fühlte sich augenblicklich im Licht seiner leuchtenden Augen gebadet. Sie nagte angestrengt an ihrer Unterlippe und begrüßte die Verzögerung einer Antwort, da sie erneut einen Wagen überholen musste, der recht langsam unterwegs war; ein junges Pärchen - offenbar Touristen - saßen in dem Fahrzeug. Der Mann lachte am Steuer, während seine Freundin ihn mit der Kamera fotografierte, bevor sie die Linse wieder auf die Umgebung hielt. Gwen beneidete die beiden plötzlich um ihre Unbeschwertheit; mit Loki schien alles immer so schwierig, so direkt und gefährlich, wenngleich auch jeder Moment seltsam intensiv war, dass ihr altes Leben bald nur noch wie die blasse Fotografie eines längst zurückliegenden Tages wirken würde. Er hatte natürlich Recht. An ihrer Reaktion hätte sich wahrscheinlich nichts geändert. Sie wäre trotzdem entsetzt gewesen, auch wenn er es ihr schon viel früher gesagt hätte. Der Unterschied zu jetzt war allerdings, dass sie ihn nun näher kannte, mehr Zeit mit ihm verbracht hatte und dabei war, sich in ihn zu verlieben - dadurch wagte sie die Schritte wieder in seine Richtung, die sie zuvor wahrscheinlich eher rückwärtig genommen hätte. Auch wenn sie sich gern das Gegenteil einreden wollte - der Zeitpunkt war nicht der Falsche gewesen. Es hätte nie den „perfekten“ Zeitpunkt gegeben. Gwen seufzte resigniert. »Du hast wahrscheinlich Recht. Ich hätte nicht anders reagiert. Aber trotzdem…ich hätte es lieber aus deinem Mund gehört, als es so zu erfahren.« »Was hätte das geändert?« Loki sah sie aufmerksam an. Seinen leeren Kaffeebecher hatte er neben dem ihren in der Mittelkonsole abgestellt; seine Hand war ihrem Schenkel nahe gekommen und selbst durch den Stoff ihrer Jeans konnte sie die Wärme seiner Haut spüren. Vielleicht bildete sie sich das aber auch nur ein. »Es hätte mein Vertrauen nicht so erschüttert.« erklärte sie fest und sah dann doch wieder zu ihm hinüber. »Weißt du, ich habe nicht gelogen als ich sagte, dass ich dir vertrauen will. Ich möchte das wirklich, Loki, aber du machst es einem nicht gerade einfach…« Sie holte tief Luft. »Es ist einfach so, dass man sich unter…Freunden alles sagen können sollte.« Freunde?! Ihr Verstand kringelte sich gerade vor Lachen auf dem Boden des Maseratis. Klar, Freunde. Freunde reißen sich auch die Klamotten gegenseitig vom Leib und tauschen ihren Speichel so freigiebig aus... Der Magier hob kritisch eine Braue in absurde Höhe, was eine Armada an feinen Falten auf seiner blassen Stirn entstehen ließ. Er musterte sie skeptisch und schien ihre Worte äußerst genau zu überdenken. »Du siehst mich tatsächlich als…Freund?!« »Ich für meinen Teil tue das…« murmelte sie schwächlich und sank auf ihrem Sitz zusammen. Dieses Gespräch verlief irgendwie seltsam. Die klügste Entscheidung deines Lebens, Gwen - wähle dir einen arroganten, latent größenwahnsinnigen Gott als Freund. Prima! Sie versetzte ihrem Verstand einen imaginären Maulkorb. »Nur…Freunde?« hauchte plötzlich Lokis samtige Stimme an ihrem Ohr; sie hatte gar nicht bemerkt, wie der Gott sich zu ihr herüber gebeugt hatte. Sein warmer Atem strich über ihren Hals, ihren Nacken und verpasste ihr eine Gänsehaut mit den Ausmaßen Kanadas. Konnte man eigentlich einen Orgasmus nur davon bekommen, dass einem jemand ins Ohr flüsterte? »Sag, Gwendolyn, hast du mich vermisst? Hast du an mich gedacht?« Dieser triumphale, süffisante Unterton in seiner Stimme gefiel Gwen überhaupt nicht und ließ sie trotzdem innerlich erbeben. »Immerhin hast du wegen mir geweint.« Irrte sie sich oder wurde es hier drinnen plötzlich ziemlich heiß, trotz offenem Fenster? »Äh…was…ja…nein…w-woher willst du das überhaupt wissen…?!« brachte sie stotternd empört heraus und zwang sich, den Blick auf die Fahrbahn gerichtet zu halten, weil sie sonst wahrscheinlich unter dem Licht seiner Augen schwach geworden wäre. Oder unter der verlockenden Nähe dieser schmalen, so unerbittlichen Lippen, welche schneidend tödliche Worte formen, allerdings auch verboten gute Dinge mit den ihren anstellen konnten. »Deine sterbliche Freundin hat es erwähnt.« Das selbstgerechte Grinsen in seiner Stimme war deutlich zu hören. Prima, Ashlyn. Herzlichen Dank auch! Gwen schluckte und schluckte, versuchte verzweifelt Speichel in ihrem trockenen Mund zu produzieren, während die Fahrbahn gefährlich vor ihren Augen verschwamm; ihr Kopf fühlte sich mit einem Mal so seltsam leicht an. Waren das warme, neugierige Fingerspitzen auf ihrem Arm? »Ich…äh…würde mich gern…aufs Fahren konzentrieren…könntest du-« »Antworte!« verlangte er in harschem, eindringlichem Ton; fast hatte dieser Befehl etwas verzweifeltes, was Gwen überhaupt nicht zuordnen konnte. Oh bitte, was wollte er denn hören? Natürlich hatte sie an ihn gedacht und ihn verdammt nochmal schrecklich vermisst. Aber konnte sie ihm das sagen? Konnte sie ihm so viel Macht über sich einräumen? Gwen wusste noch immer nicht, was das zwischen ihnen war, ebenso wenig wie sie wusste, wo sie ihre Gefühle für den Gott einordnen sollte. Ihr Leben schwankte wie ein klappriges Boot unter den tosenden Wellen eines Sturmes und die einzig beharrliche Konstante schien irgendwie allein Loki zu bilden; er wurde immer mehr zu jenem Zentrum, um welches sich das Chaos ihres Lebens drehte. An ihm konnte sie sich festhalten, orientieren, Schutz suchen - dieses Band zwischen ihnen war etwas, was Sicherheit vermittelte; auf eine Art und Weise, die Gwen einfach nicht erklären konnte. Ihr Brustkorb hob sich unter einem tiefen Atemzug, bevor sie den Mut aufbrachte und den Kopf wandte, um Loki anzusehen. Sein Gesicht schwebte wirklich nur einen Hauch breit neben dem ihren; seine grünen Augen fixierten sich sofort forschend auf die ihren. »Ja, ich habe an dich gedacht. Die ganze Zeit. Und ja, ich habe dich vermisst.« hauchte sie unter Aufbietung all ihrer Entschlossenheit; wahrscheinlich würde Loki sich an ihrer schändlichen Schwäche ergötzen, aber wenn sie Vertrauen und Ehrlichkeit von ihm erwartete, so sollte sie dies wohl vorleben… Die dunklen Wimpern des Gottes sanken mehrmals über seinen glimmenden Augen herab; in seinem Blick wirbelten Sternen gleich in einer Galaxie so viele Emotionen durcheinander, dass Gwen kaum alle deuten konnte - waren dort Misstrauen? Unsicherheit? Überraschung? Hoffnung? Sie wurde das Gefühl nicht los, dass er unbewusst genau diese Worte von ihr ersehnt hatte, um sie nun in den eigenen Selbstzweifeln zu zerreißen. Loki zuckte ein Stück vor ihr zurück und ließ ihr damit den nötigen Platz zum atmen; er sah fast skeptisch auf sie herab, ein Gedanke von Ungläubigkeit überschattete seine Züge und ließ jene härter werden, bevor er den Kopf neigte und sie grübelnd ansah. Ein Arm ruhte auf ihrer Rückenlehne, der andere stützte sich auf der edel polierten, hölzernen Mittelkonsole des Wagens ab. »Du lügst nicht.« war seine fast kritische Schlussfolgerung. »Das ist dein Ernst.« »Natürlich ist das mein Ernst.« gab Gwen verstimmt zurück. »Immerhin bin ich nicht der Gott der Lügen…« Der Magier wich weiter vor ihr zurück und wollte sich wohl in seinen Sitz zurücksinken lassen, doch sie schnappte nach jener Hand neben dem Schalthebel und hielt seine Finger somit gefangen. Loki sah zuerst auf ihre Hand, bevor er fragend seinen Blick hob. Er schüttelte ihre Finger nicht ab. »Was ist mit dir…?« wagte Gwen den Vorstoß, wenngleich ihr Fokus beharrlich auf die Straße gerichtet war. Seine Haut unter ihren Fingern fühlte sich viel zu verlockend an und erinnerte sie an Küsse und Berührungen, die sich eindringlich in ihrem Geist festgesetzt hatten. Die Eindrücke waren einprägsam, allerdings auch viel zu wenig - sie wollte mehr davon. »Du hast meine Frage in New York nicht beantwortet…« Ihre Stimme zitterte unmerklich und sie bemühte jene um Festigkeit. Auch sie trug Hoffnungen in ihrer Brust. »Bist du nur hier, weil Frigga und Thor es wollten…?« Er schnaubte spöttisch. »Natürlich nicht. Du solltest dich jener Nacht des Winterfylleth entsinnen und meiner Schuld, die längst nicht abgegolten ist. Ich versprach dir Sühne für deinen beachtlichen - wenn auch unüberlegten - Mut. Wir sind aneinander gebunden, Gwendolyn Lewis. Und ich hasse es, in Schuld zu stehen.« Natürlich…seine alberne Schuld. Da hatte er ja etwas gefunden, was er glücklicherweise immer vorschieben konnte. Sie zog die Finger von seiner Hand zurück. »Aha. Naja, scheint als müsste ich mich glücklich schätzen…« meinte sie dann unterkühlt und konnte den Funken Verletzlichkeit doch nicht gänzlich aus diesen Worten zurückhalten. Im Augenwinkel vernahm sie eine Bewegung und wandte den Kopf zum Fenster, wo sie der Van von S.H.I.E.L.D gerade überholte. Der Wagen blieb auf der Höhe des Maserati und der Agent auf dem Beifahrersitz hob Daumen und kleinen Finger in einer telefonierenden Geste an sein Ohr. Gwen seufzte entnervt und schaltete die Freisprecheinrichtung ihres Handys ein, welche sie wohlweislich die ganze Zeit über ignoriert hatte. Die durch ein leichtes Rauschen verzerrte Stimme des Agents meldete sich; der Mann sprach in ein kleines Headset am Ohr. »Alles in Ordnung bei ihnen, Miss Lewis?« Er blickte zu ihnen herüber und fixierte den Magier, der sich in seinen Sitz zurücksinken ließ. Wahrscheinlich war den Männern ihre recht kurvenreiche Fahrweise auf gerader Strecke aufgefallen… »Ja, alles in Ordnung. Danke der Nachfrage.« antworte sie beruhigend. Andrew saß am Steuer des Vans, allerdings sah er nicht ein einziges Mal zu ihnen herüber, sondern starrte verbissen geradeaus, bevor der Mann auf dem Beifahrersitz nickte und der Wagen an ihnen vorbei schoss, um sich vor sie zu setzen. Eine Weile folgte Gwen so schweigend dem schwarzen Van, bevor sie die Stille wieder einmal nicht aushielt. »Ist es wirklich so schlimm, wie Odin gesagt hat? Was droht uns, wenn Malekith Yggdrasil erreicht?« Zaghaft blickte sie wieder zu Loki hinüber, unsicher, ob sie die Antwort überhaupt hören wollte. Der starrte mit tiefgezogenen Brauen auf den Wagen vor ihnen; zwischen seinen Augen war eine steile Falte entstanden. »Von dort kann Malekith alle neun Welten erreichen, da sie über die Weltenesche verbunden sind. Dementsprechend kann er Hel aus ihrem Reich befreien und sie wird ihm sicher liebend gern zur Hand gehen in der verlockenden Aussicht auf unzählige Seelen, die folglich fallen werden.« Er machte eine kurze Pause; ein Muskel in seiner Wange zuckte. »Unter Yggdrasils Wurzeln liegt noch immer der Urschlund; ein Ort, der das ganze Gegenteil von dem darstellt, was wir kennen. Eine Dimension aus Kälte, Schwärze, Tod und unendlichem Nichts. Dort existieren Schatten, die Ymirs Vorhaben mit Genuss folgen werden - Wesen, aus Albträumen entstanden, die sich einer grässlichen Flut gleich über die Reiche ergießen werden. Das sind die wahren Dämonen, Gwendolyn…« Loki sah nun doch wieder zu ihr herüber; der Ernst auf seinem Gesicht war unüblich und dadurch fast noch erschreckender. »Dagegen sind die Wesen Muspelheims kein Vergleich. Wenn es Malekith wirklich bis zur Weltenesche schafft und diese Pforte wieder aufstößt, dann gibt es nichts, was uns noch retten kann.« Hosted by Animexx e.V. 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