Bonheur éphémère von Niekas ================================================================================ Prolog: Ein großer König ------------------------ Francis fühlte sich, als habe er gewonnen. Der Wind, der in sein Gesicht wehte, roch fremd und aufregend. Dies hier war neues Land, das noch kaum jemand vor ihm betreten hatte. Und trotz der destruktiven Absichten seines Erzrivalen hatte er es geschafft, sich ein gutes Stück davon zu sichern. Arthur würde sich noch umsehen, oh, und wie er das würde. Ein Stück von ihm entfernt saß Arthur auf einem Felsen, das Gesicht der untergehenden Sonne zugewandt. Sein Schatten fiel lang über den Stein und das Gras hinter ihm. Triumphierend machte Francis sich auf den Weg zu ihm hinüber. Das Land war in diesem Gebiet flach, bis zum Horizont zogen sich Steppen mit kurzem Gras. Wie unaufmerksam, dass Arthur ihn nicht längst bemerkt hatte. „He, Angleterre! Schau dir an, was ich hier habe!“ Arthur zuckte zusammen und drehte sich um. „Vergiss es, Francis!“, fauchte er anstelle einer Begrüßung und schlang die Arme beschützend um das kleine Stoffbündel, das er festhielt. „Du kriegst ihn nicht!“ Francis lachte laut auf, als er näher kam. „Keine Sorge, Angleterre. Ich habe kein Interesse mehr an deinem Balg.“ „Ach ja? Und das soll ich dir...“, begann Arthur, brach dann aber ab. Seine Augen weiteten sich, als er den Jungen erkannte, den Francis auf dem Arm trug. Sein Kopf war gegen dessen Schulter gesunken. „Darf ich vorstellen?“, fragte Francis und genoss Arthurs fassungslosen Blick. „Das ist Mathieu. Mein neuer kleiner Bruder.“ Einen Moment lang fehlten Arthur die Worte. Er schüttelte den Kopf und sah zwischen Mathieu und dem Jungen hin und her, den er selbst in den Armen hielt. „Aber...“, begann er verwirrt und runzelte die Stirn. „Aber...“ „Ja, Angleterre?“, fragte Francis und blinzelte unschuldig. „Du nennst ihn...“ „Mathieu. Oui. Weil ich ihn von dir fernhalten werde und ich mir dachte, dass du nicht im Stande bist, diesen Namen auszusprechen.“ „Was ist das denn auch für ein bescheuerter Name?!“ „Ich bitte dich“, erwiderte Francis überheblich. „Dein Bruder hat ja noch nicht mal einen.“ „Natürlich hat er einen!“, widersprach Arthur und wurde rot. „Er heißt... sein Name ist...“ Er brach ab und betrachtete das schlafende Gesicht seines Bruders. Francis lachte nur. „Genau, wie ich es mir gedacht hatte. Kein Geschmack, kein Stil, nicht einmal ein Name für den Kleinen. Wie fürsorglich du doch bist.“ „Er wird einen Namen bekommen!“, schrie Arthur ihn an. „Aber es wird ein guter, starker Name sein, einer, der etwas aussagt! Ich werde ihn nicht... Fitzgerald nennen, nur in der Hoffnung, dass du das nicht aussprechen kannst!“ „Da bin ich ja beruhigt“, erwiderte Francis und schüttelte den Kopf. „Fitzgerald. So wenig Geschmack traue ich nicht einmal dir zu.“ „Verschwinde“, sagte Arthur und drehte ihm entschieden den Rücken zu. „Du hast einen schlechten Einfluss auf meinen Bruder.“ „Also gut, ich gehe. Dein Balg ist sowieso kein Umgang für meinen Mathieu.“ Damit drehte Francis sich um und ging. Sowohl er als auch Arthur waren fest entschlossen, ihren Schützling von dem des anderen fern zu halten. Und hätte jemand sie daran erinnert, dass die beiden Zwillingsbrüder waren, hätte das ihre Entscheidung nicht im Geringsten beeinflusst. Nachdem Francis weg war, trat wieder Stille ein. Nur der Wind strich über das Gras. Arthur betrachtete die Sonne, doch er nahm sie nicht wahr. Er dachte nach. Das Bündel in seinen Armen begann sich zu bewegen. Überrascht sah er nach unten, als sein Bruder die Augen öffnete und ihn anblinzelte. „Na?“, fragte Arthur leise und lächelte ihm zu. „Bist du wach?“ Sein Bruder gluckste und streckte eine Hand aus. Arthur griff nach seinen dünnen Fingern und wandte den Blick wieder nach vorn. Der Kleine brauchte einen Namen, und es durfte kein gewöhnlicher Name sein. Er durfte nicht hinter Francis zurückstehen, dachte er verbissen. Niemals. Wie hatte dieser Mistkerl es eigentlich geschafft, diesen neuen Jungen aufzutreiben? Es war ungerecht. Arthur seufzte und kramte in seinen Erinnerungen. Er selbst war nach dem sagenhaften König Artus benannt. Es mochte sein, dass es diesen King Arthur niemals gegeben hatte, aber immerhin war er ein legendärer Held. Genau wie Robin Hood. „Robin Hood, Rächer der Enterbten und Beschützer der Witwen und Waisen... Robin?“, fragte Arthur zögernd und sah auf seinen Bruder hinab, der seinen Blick aus blauen Augen fragend erwiderte. Nein, entschied er. Er wollte ihn nicht nach einer Sagengestalt benennen. Es sollte ein Name eines Helden sein, der wirklich existiert hatte. Denn er spürte, dass dieser Junge viel vollbringen würde. Er würde ein Held sein, die Welt verändern. Vielleicht zum Guten. In jedem Fall würde er ein ganz Großer werden. Groß... „849. Der Sohn des Königs von Wessex wird geboren. Er soll später der großartigste Herrscher der angelsächsischen Geschichte werden und ist bis heute der einzige britische König, der je den Beinamen der Große erhielt...“ Sein Bruder gluckste fröhlich und zupfte an Arthurs Kragen. „Das gefällt dir, ja?“, fragte Arthur nachdenklich. „Willst du wissen, wie er hieß?“ „Wawaah!“, erwiderte sein Bruder ausgelassen. Arthur lächelte. „Alfred“, murmelte er und betrachtete den Jungen ganz genau. „Alfred the Great.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)