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R.A.B.

one last riddle
von

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Aschenputtel. Alles ist Ablenkung

Ein erster Kuss sollte wunderbar sein.

Allein schon die Vorfreude darauf sollte dafür prädestiniert sein, eine einzigartige Erinnerung zu werden, die zu vergessen einem selbst nach 50 Jahren im Traum nicht einfallen würde.

Denn ängstlich gespannt darauf zu warten, sich so unendlich lang und doch nur so kurze Zeit danach zu sehnen, dass der oder die favorisierte Partnerin einem endlich näher kommt, jeden auch noch so kleinen, störenden Millimeter manchmal in Sekundenschnelle, mal unendlich langsam überwindet…

(und die ganzen Zweifel zwischendurch, ob er oder sie der oder die Richtige ist, nicht zu vergessen!)

Sind diese Gefühlsregungen im Herzen nicht allesamt wunderbar?

Und das Beste würde dann ja erst noch kommen!

Wenn zwei Paar Lippen zum ersten Mal aufeinandertreffen...Schön?

Vielleicht sind beide ungeschickt. Vielleicht nur einer.

Vielleicht keiner.

Vielleicht macht es Spaß.

Vielleicht ist es traurig.

Vielleicht spürt man Leidenschaft.

Vielleicht ist es süß.

Vielleicht schmeckt es aber auch sauer.
 

Vielleicht passen die zwei ja zusammen.

Vielleicht haben sie sich ja für den Rest ihres Lebens gefunden.
 

Vielleicht aber auch nicht.
 

Jedoch war es immerhin die freie Wahl beider, zu küssen und geküsst zu werden.
 

Ilona hatte nichts von alledem.

Sie war zwar geküsst worden, aber es war nie ihre Entscheidung gewesen.

Es wäre ja auch richtiggehend lächerlich.

Als ob Tom Vorlost Riddle auch nur den geringsten Gedanken daran verschwenden würde, um Erlaubnis zu bitten. Egal, worum es ging.

Lord Voldemort bekam, was er wollte. Beziehungsweise was er nicht wollte und doch unbedingt besitzen musste. Ja.

Dieser Kuss von Miss Una und Mister Riddle war vieles gewesen.

Nur schön hatte er nicht sein können. Das hatte er nicht zustande gebracht.
 

Zuerst schien Ilonas ganzes Denken einfach nur eingefroren. Eingefroren vor Schock und Entsetzen. Dass so etwas JEMALS passieren konnte.

Das Mädchen wollte es nicht glauben. Es war schlicht unmöglich.

Das musste doch alles ein bizarrer Alptraum sein, den ihr jemand in den Kopf eingepflanzt hatte!
 

Nur waren die fremden, kalten, realen Lippen, die sich da so plötzlich fest und unbarmherzig gegen ihre eigenen pressten, nicht sehr leicht zu ignorieren. Dazu noch die eisigen Hände, die sie fest wie ein Schraubstock an einen wie aus Stein gemeißelten Körper gedrückt hielten, und nicht zu vergessen der sich plötzlich bewegende Grund unter ihr, der sie in ewiger Schwärze gefangen nehmen, ersticken lassen wollte…

Kein Traum konnte so echt sein. Und so kalt.

So eisig kalt, dass Ilona glaubte, ihre Lippen müssten schon längst blau verfärbt sein und die Gänsehaut auf ihren Armen würde für immer bestehen bleiben.

Es war einfach zu eisig, zu seelenlos kalt hier für einen Traum.
 

Und so musste sich das schockgefrorene Gehirn der jungen Frau damit abfinden, dass sie soeben wirklich von Mr. Riddle geküsst wurde.

Dass sie gerade wirklich ziemlich lange und ausdauernd von dem schwärzesten Magier aller Zeiten zum ersten Mal in ihrem beinahe 17- jährigen Leben liebkost wurde.
 

Das war doch nicht möglich.

Das war doch einfach nicht möglich.
 

Wenn die Hufflepuff nicht einfach so komplett perplex gewesen wäre, hätte sie sich vielleicht gefragt, warum Voldemort ihr dies antat.

Warum er sie nicht einfach weiter beleidigen und mit dem Cruciatus Fluch quälen konnte.

Stattdessen raubte ihr dieses Monster, dieses Ungeheuer, dieser Abschaum der Zaubererwelt den ersten Kuss, den das Mädchen eigentlich für jemand Anderen, die große Liebe vielleicht, aufheben hatte wollen.

Der dunkle Lord hatte soeben die absolut grausamste Art der Folter erfunden, ohne sich dessen bewusst zu sein. Kein Wunder, dass die Hufflepuff plötzlich nur mehr mit Mühe die Tränen zurückhalten konnte.

Und auch kein Wunder, dass die Kleine gleichzeitig verzweifelt war.

Verzweifelt. Verwirrt.

Es war unfair. Und unlogisch. Und ungesund.

Und

ABSOLUT HIRNRISSIG, dass Voldemort sie immer noch nicht losließ.

Scheinbar war es nun an ihr, zu reagieren.
 

Mit einem ungalanten Wimmern drehte die junge Frau abrupt ihren Kopf zur Seite und unterbrach so das ungewollte Intermezzo. Der Zauber war gebrochen.

Sofort schienen ihre Lippen, nein, vielmehr ihr ganzes Gesicht wieder zum Leben zu erwachen. Die eisige Kälte, die die Blonde plötzlich erstarren hatte lassen, verschwand, und machte erfrischenden, warmen Atemzügen Platz, die Ilona endlich wieder das Gefühl gaben, lebendig zu sein. Frei. Warm!

Nicht kalt, nicht tot, nicht böse!

Die Schülerin seufzte dankbar auf.

Sie war wieder ein Mensch und
 

Abrupt wurde das Mädchen zu Boden geworfen. Mit der Nase voraus landete die überraschte, junge Frau ziemlich unsanft auf dem dunklen Holz.

Ihr blieb jedoch nicht einmal ein einziger Augenblick lang Zeit, um sich von dem Schreck und der plötzlichen, harten Landung zu erholen.

„RAUS HIER!“

Tom Riddle erhob sich auf einmal vor der auf dem Boden Liegenden wie das angsteinflößende, zum Leben erwachte Abbild eines rasenden Dämons. Scharlachrote Pupillen brannten unsichtbare Löcher in das gesenkte Haupt der erstarrten Frau, während der junge Mann seinen flink hervorgeholten Zauberstab unkalkuliert auf sie richtete.

Ein Fluch detonierte nur Millimeter neben Ilonas linker Hand.

Die Hufflepuff zog ihre Arme daraufhin so eng wie nur möglich an ihren Körper heran und beeilte sich gleichzeitig erschreckt aufzustehen, dabei immer begleitet von ungenau gezielten Todesbannen, die sie immer nur zufällig um Haaresbreite zu verfehlen schienen. Einem dürren Ast gleich, den der lauste Windhauch umzureißen drohte, stand das Mädchen schließlich wieder scheinbar unsicher auf eigenen Beinen. Sie bot einen mitleiderregenden Anblick.

Dennoch, ihre Schnelligkeit schien die junge Frau trotz der großen Erschöpfung, die noch immer Wellen um sie schlug, nicht verloren zu haben. Ihre flinken Beine waren der Hufflepuff auch schon in Hogwarts von großem Nutzen gewesen, vor allem dann, wenn von gelangweilten Slytherins eine Hetzjagd auf kleinere Schüler aus dem Haus des Dachses inszeniert worden war.

Dieses ungewollte Training würde ihr auch heute wieder einmal das Leben retten.

Hastig drehte sie sich um. Die Blonde sauste auf den Ausgang aus der Eishölle Voldemorts zu und vermied dabei gleichzeitig achtsam jeden Blick zurück.

Sie rannte so schnell, dass sie bereits halb aus der Tür hinaus war, als Du weißt schon noch einmal donnernd seine Stimme erhob:

„LASS DICH HIER NIE WIEDER BLICKEN, HALBMENSCH!“

In ohnmächtiger Wut hob der junge Mann dabei erneut den Zauberstab.

Gerade als Ilona die Tür hastig hinter sich schließen wollte, machte die junge Frau aus den Augenwinkeln plötzlich ein wirbelndes, silbernes Etwas aus, das sich rasend schnell auf sie zubewegte. Geistesgegenwärtig duckte sich die Hufflepuff und entging somit dem herrlich zubereiteten Mitternachtsmahl Mathildas samt Tablett, das nun mit einem übelkeitserregenden Platschen an der gegenüberliegenden Korridorwand zerschellte.

Trotz aller inneren Stimmen, die ihr, sich allesamt zum ersten Mal in Ilonas Leben einig, kreischend zuriefen, so schnell wie möglich das Weite zu suchen, verharrte die Hufflepuff danach noch für einen Moment auf der Türschwelle.

Sie warf einen Blick zurück auf den vor Zorn bebenden dunklen Lord.

Ilona sagte kein Wort.

Sie ertränkte den jungen Mann einfach nur in den unendlichen Tiefen ihres starren Blicks.
 

Tom konnte nicht anders. Er hatte keine andere Wahl, als in diesen Pupillen zu versinken, die ihm Schuld gaben, soviel Schuld gaben an allem!

An allem war er schuld!

Ja, natürlich!

Die Welt wäre perfekt ohne ihn!

Er war immerhin Lord Voldemort!
 

„VERSCHWINDE!“, kreischte der Magier und setzte erneut einen Fluch auf den Halb Grindeloh an. Doch die junge Frau war zu schnell für ihn.

Bevor der Schwall aus reinem, purpurnem Feuer sie erreichen konnte, hatte das Mädchen die Tür bereits endgültig fest hinter sich verschlossen.

Die Flammen leckten hungrig an dem dargebotenen Holz, vergingen jedoch zu schnell, als bleibenden Schaden anrichten zu können.

Tom Vorlost Riddle ließ seinen Zauberstab sinken.

Nur, um ihm im nächsten Moment wieder langsam zu erheben und gegen sich selbst zu richten.

Der Junge kollabierte dort, wo er gerade noch scheinbar standfest aufgerichtet gewesen war. Der Holzboden schien mit einem Mal unvergleichlich schnell auf ihn zuzufliegen, bevor er schließlich mit einem unappetitlichen Krachen den Grund erreichte.

Voldemort blieb liegen. Der Zauberstab war ihm nachlässig aus den Fingern gerutscht. Panisch riss Riddle die Augen auf.

Das ganze Zimmer schien plötzlich rot gefärbt.

Rot wie Blut.

In Toms Inneren krümmten sich mit einem Mal erbarmungslose, riesige Schlangen, die ihre Giftzähne in jeden Zentimeter seines Fleisches zu versenken gedachten, nur um ihm einen möglichst schmerzhaften Tod zu bereiten.

Diese plötzlichen Qualen waren unmenschlich.

Groß und unerträglich war sie, diese Pein, die da über den jungen Mann hereinbrach und dem sich scheinbar nichts und niemand entgegenstellen konnte. Tom glaubte, vor Schmerzen verrückt zu werden. Und vielleicht hatte er sogar Recht damit, denn in seinem Hirn schien sich eine besonders große, fette Schlange eingenistet zu haben, die ihm nun bösartig zuflüsterte, nachdem sie auch noch den letzten Rest seines Hirns gierig zerbissen hatte:

Es ist deine Schuld.

Es ist allein deine Schuld.

Du hast diesen Fluch selbst auf dich gelegt, dummer, kleiner Junge!

Der Körper des jungen Lords krümmte sich zusammen und ließ ihm somit keine Luft zum Atmen mehr. Seine Lunge schien ihren Dienst quittiert zu haben und von den Schlangen in seinen Inneren kurzerhand genüsslich gesprengt worden zu sein,

genau wie sein Herz, das plötzlich wieder schmerzhaft tuckernd zum Leben erwacht war, nur um im nächsten Moment in Fetzen gerissen zu werden von diesen grausamen, schwarzen Reptilien, die plötzlich überall waren.

Tom schrie. Doch niemand konnte ihn hören, da er selbst heute Morgen noch einen Schweige Zauber auf seine Kammer gelegt hatte.

Die Qualen wurden konstant immer schlimmer. Die Schlangen, obwohl sie bereits alle seine Innereien gefressen hatten, schienen noch immer nicht genug zu haben und verbissen sich nun noch in jedes intakte Stück Fleisch, das sie erreichen konnten.

Und das Schlimmste dabei war, dass Tom nichts dagegen unternehmen konnte.

In dem hintersten, dunkelsten Teil seiner Seele, der dieser Folter bis jetzt unbeeindruckt beigewohnt hatte, wurde plötzlich deutliches Lob laut.

Einen so guten Selbstkasteiungszauber hätte bestimmt nicht einmal Dumbledore zustande gebracht. Und ihn dann auch noch nicht reversierbar machen zu lassen!

Ein wahres Meisterstück.

Bestimmte Dinge, wie zum Beispiel dumme Gefühle, wenn auch nur kurz, das Lenken und Handeln übernehmen zu lassen, mussten eben hart bestraft werden. Und sich mit Schmerzen daran zu erinnern, dass Gefühlsduselei nicht erstrebenwert war, wenn man sich selbst Lord Voldemort nannte, war eindeutig nur als lobenswert einzuschätzen!

Selbst dem vor Schmerzen bereits halb ohnmächtigen Tom entging dabei nicht der triefende Sarkasmus in diesem Kommentar. Aber der junge Mann hatte gerade andere peinigende Gedanken, die ihn von diesem besonders verabscheuenswerten Teil seines Geistes alsbald wieder ablenkten.

Hilflos musste er mit ansehen, wie sein Körper sich praktisch selbst zerstörte. Alles nur, weil er so dumm gewesen war. Dieser einzige Fehler, dieses Bedürfnis, einem anderen Menschen nahe sein zu wollen, war Tom Riddles Todesurteil gewesen.

Zumindest theoretisch. Denn so verrückt, dass Voldemort sich selbst zu Tode folterte, war der dunkle Zauberer dann wieder auch nicht und so hatte er den Schlangenzauber nur begrenzte Zeit wirken lassen.

Als Lehre fürs Leben reichte es auch so.

Quälerisch langsam zogen die schwarzen Schlangen sich zurück. Der zitternde Körper des jungen Mannes war mit einem Mal wieder vollkommen wiederhergestellt, so als wären die Reptilien bloß ein schlimmer Alptraum gewesen. Nur aller Lebenswillen schien plötzlich aus den Gliedern des Slytherin gewichen zu sein. Tom hatte nun nicht einmal mehr die Kraft, auch nur den kleinen Finger zu rühren. Er musste liegen bleiben, hier, auf diesem staubigen Holzboden seiner verwaisten Kammer, bis er sich wieder erholt hatte.

Seine Augen, die er während des Schlangenangriffs willenlos hatte schließen müssen, schossen auf.

Lord Voldemort hatte keine Schmerzen.

Lord Voldemort zeigte nie ein Anzeichen von Schwäche. Und Lord Voldemort vergab nie.

Aber, und das wurde Tom Riddle plötzlich mit einem fürchterlichen Schaudern klar, irgendetwas stimmte plötzlich nicht mehr.

Lord Voldemort allein hätte Ilona Una nie verschont. Der dunkle Lord hätte es nicht einmal wert genug befunden, das Mädchen zu foltern.

Du weißt schon wer hätte den Halbmenschen einfach sofort getötet. Ohne Gnade.
 

Aber warum war dann alles so falsch gelaufen?
 

Warum lebte Miss Una noch, obwohl Lord Voldemort schon längst ihren Tod beschlossen hatte?
 

Es musste etwas mit diesen Augen zu tun haben.

Diese schrecklichen, unendlich tiefen Augen, die jeden in ihren Bann zogen, sobald sie einmal den Blick eines Menschen gekreuzt hatten, waren nicht eingeplant gewesen. Weder in der Geschichte der Magie noch in den Zielen des dunklen Lords.

Denn jedes Mal, jedes einzelne, verdammte Mal, wenn Tom Riddle in diese Augen sehen musste, packte ihn diese unmenschliche Gier, dieselbe Gier, mit deren Hilfe er bereits zwei Horkruxe geschaffen hatte, um nie von dieser Welt scheiden zu müssen. Aber das Ziel war plötzlich ein ganz anderes geworden.

Lord Voldemort wollte unsterblich sein, mit aller Kraft. Sein Name sollte noch in hunderten von Jahren nur leise und voller Furcht ausgesprochen werden.

Man sollte sich bis in alle Ewigkeiten an ihn erinnern!

Aber was nützte ihm das jetzt, in diesem Moment, wenn er nichts anderes wollte als diese Augen, diese Augen, die nur mehr ihn anzusehen hatten!

Sie durfte nur mehr ihn sehen, nur mehr ihn anlächeln, nur mehr ihn ertränken!

Sie durfte…

Himmel, war das lächerlich.
 

Langsam setzte der Slytherin sich auf. Kraft kehrte in dünnen Rinnsalen wieder in seine Muskeln zurück und ließen ihn erneut fähig werden, physische Handlungen zu vollziehen. Zitternd griff der junge Mann nach dem neben ihm liegenden, zerkratzten Zauberstab. Als sich seine weißen Finger fest um das Holz legten, schoss plötzlich wieder Wärme in seine erkalteten, steifen Glieder. Wärme, die der junge Mann erst einmal zuvor in seinem Leben gespürt hatte.

Ilonas Zauberstab, den Mr. Riddle noch immer benutzte, obwohl er eigentlich selbst einen eigenen, für ihn besser zugeschnitteren, besaß, schien einen ganz eigenen Willen zu haben und ihm manchmal besonnen, manchmal feindlich gegenüber zu stehen. Genau wie seine vormalige Besitzerin.

Miss Una.

Das Mädchen, das er gerade geküsst hatte.

Tom ballte seine Hände zu Fäusten. Und entspannte sie einen Moment später wieder.

Der Halb Grindeloh war ein einziges Rätsel und das faszinierte ihn. Wohl etwas zu sehr. Aber es war doch auch verständlich, dieses Interesse, nicht wahr?

Es war nichts Gefährliches. Nichts Lebensbedrohliches. Nichts Andauerndes, wollte er zumindest einmal stark hoffen.

Sobald dieses wandelnde Geheimnis, diese seltsame Miss sich ihm im Ganzen offenbart hatte, würde er nichts mehr Interessantes an ihr finden und Lord Voldemort würde sie töten können.

Jedoch so sehr er auch versuchen würde, dieses menschliche Rätsel zu lösen, es kamen nur immer mehr offene Enden in diesem Labyrinth hinzu, in dem er vergeblich den Ausgang zu finden versuchte. Das wusste Tom bereits.

Ilona Una hatte alle seine sorgfältigen Pläne über den Haufen geworfen. Sie hatte Lord Voldemort verzaubert, ohne den Gegenfluch zu verraten und ihn damit zum ersten Mal in seinem Leben hilflos werden lassen.

Damit hatte sie schon genug Schaden angerichtet, wahrscheinlich mehr, als der Grindeloh erahnen konnte. Und sie war damit auch noch davon gekommen. Aber dieses Spiel musste nun ein Ende haben.

Angestrengt hievte Tom Riddle sich wieder auf seine Füße. Er würde dem Mädchen von nun an einfach aus dem Weg gehen müssen, bis ihm etwas Besseres und Adäquateres zur Lösung dieses Problems eingefallen war. Der Slytherin würde von nun an nicht mehr als notwendig mit ihr sprechen, sie nicht ansehen und auch sonst nicht beachten.

Es war nur so lächerlich anstrengend, dass er sie nicht töten konnte. Dass es sogar sein Wunsch war, sie nicht zu töten, seltsamerweise.

Diese ungewöhnliche Entwicklung wollte sich noch immer nicht recht in Vereinbarung bringen lassen mit den anderen, großen Zielen, die Tom Riddle so hartnäckig verfolgte. Obwohl er bisher doch immer so um Geradlinigkeit in seinen Gedanken bemüht gewesen war! Warum konnte Lord Voldemort jetzt nicht einmal mehr eine naive Hufflepuff zur Strecke bringen?

War das Schwäche?

Unglücklicher Zufall?

Sollte der junge Mann es vielleicht einfach noch einmal versuchen, sie dieses Mal aber hinterrücks verfluchen, bevor sie ihm in die Augen sehen konnte und er wieder schwach wurde?

Aber allein der Gedanke daran widerstrebte ihm viel mehr, als er sich selbst erst einzugestehen vermochte. Das alles war keine Lösung, nur eine weitere, unnötige Ablenkung.

Lord Voldemort benötigte all seine Energie, um die Zaubererwelt in Chaos und Verderben zu stürzen und hatte keine Zeit für eine kleine, blonde Wasserhexe, die mit ihren dunklen Augen auch wirklich jeden tödlichen Zauber der Welt in punkto Schlagkraft und Intensität mit Leichtigkeit übertrumpfte…

Tom stöhnte leise auf. Er musste sich ab jetzt in Zukunft selbst daran hindern, auch nur einen Gedanken an den Halbmenschen zu verschwenden, während er Pläne schmiedete.

Das lenkte ihn nur unnötig ab.

Wenn sich sein Gehirn nur so leicht etwas verbieten lassen würde!

Bereits jetzt schon wusste der junge Mann, dass die Kleine von nun an immerfort in seinem Hinterkopf herumgeistern würde. Schon allein weil ihn plötzlich alles in diesem Haus an sie erinnerte!

Es war verrückt, aber gleichzeitig auch logisch, denn immerhin war die Hufflepuff schon mehrere Male hier in diesem Zimmer gewesen und alles hier, wirklich alles, schien auf einmal nach ihr, nach Meer zu duften!

Aber er konnte sie nicht einmal fortschicken.

Wo sollte er sie auch in Gewahrsam nehmen lassen? Hier, in dieser Dimension, besaß Voldemort nicht mehr viele Anhänger. Die, die ihm treu zur Seite standen, waren größtenteils ebenfalls aus der Vergangenheit hierher gereist und hatten keine dauerhafte Bleibe. Und der einzige Todesser, der dies alles erst verursacht hatte, der diese Dimension seine Heimat nannte und dem es vielleicht auch möglich gewesen wäre, Ilona zu übernehmen,

dem konnte man nicht trauen.

Tom verengte bei diesem Gedanken beide Augen misstrauisch zu kleinen Schlitzen. Der junge Mann wusste zwar, dass er diesem besonderen Anhänger mehr schuldete als allen anderen zusammen, da er ihn immerhin in diese Dimension geholt hatte, um Großes zu vollbringen, aber in diesem Fall stimmte ebenfalls etwas nicht.

Voldemort hatte das untrügliche Gefühl, hier nur als ein Mittel zum Zweck missbraucht zu werden. Und es gab kaum etwas, dass den jungen Lord mehr in tödliche Rage versetzte, als nur die zweite Geige zu spielen.

Aber was wäre der mächtigste Magier aller Zeiten, wenn er nicht schon längst einen komplizierten Plan ersonnen hätte, der ihn der Mission des wankelmütigen Todessers sofort zustimmen und dennoch gleichzeitig ein gefährliches Eigenleben entwickeln hatte lassen, das in eine ganz andere Richtung als die der scheinbar eingeschlagenen ging?

Gemächlich, mit immer noch leicht schmerzenden Gliedmaßen, humpelte Mr. Riddle zurück zum Esstisch, wo noch immer unberührt der dicke Schmöker lag, den er heute Nacht noch vorhatte komplett durchzugehen. Nicht, dass er es gern getan hätte. Diese Art von Literatur, mit der er sich nun abgeben musste, war eindeutig nicht seine erste Wahl, aber nichtsdestotrotz: Es musste sein.

Mit einem leisen, beinahe menschlichen Seufzen ließ sich der junge Mann auf dem einzigen Stuhl nieder. Widerwillig zog er das Buch zu sich und schlug es dort auf, wo er zuletzt aufgehört hatte zu stöbern.

Derzeit wollte er sich nur auf den rein theoretischen Teil seines Plans konzentrieren. Das würde ihm die nötigen Hintergrundinformationen geben, die er spätestens zu Weihnachten bitter nötig haben würde. Außerdem müsste dieses Buch auch sein alarmierend größer werdendes Interesse an einer bestimmten Person befriedigen, die hoffentlich einen großen Teil zum Gelingen seines Plans beitragen würde. Ob sie wollte oder nicht.

Weinte sie wohl gerade?

Heftig schüttelte Tom Riddle seinen Kopf. Nein. Es war verboten, solche Dinge zu denken!, erinnerte er sich selbst mit aller Strenge, die ihm gerade zu Gebote stand. Diese sinnlosen Gedankengänge führten zu nichts. Außer zu Ablenkung.

Und die konnte er gerade jetzt nicht brauchen.

Also atmete der Slytherin noch einmal kurz durch, verbannte kurzerhand alle Gedanken, die mit ertränkenden, dunkelschwarzen Augen zu tun hatten, in die hinterste Ecke seines Gehirns und begann zu lesen.

Der Titel des von ihm aufgeschlagenen Buches sagte nicht viel über den Inhalt aus, zumindest nicht für die meisten Hexen und Zauberer, mit denen Tom verkehrte. Dem Himmel sei Dank, muss man sagen. Es wäre auch zu peinlich gewesen, wenn seine Anhänger entdecken würden, was sich hinter dem schlichten Buchtitel „Andersens gesammelte Werke“ verbarg.

Ein Märchen lesender Tom Riddle?

Unvorstellbar.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2009-08-23T16:16:09+00:00 23.08.2009 18:16
Kaum kann ich mir ausnahmsweise nur selten die Zeit nehmen, dem guten, alten Lese-Handwerk nachzugehen, und schon muss ich zu meiner Bestürzung (und gleichzeitig unbändigen Freude) feststellen, dass bereits 2 neue Kapitel online sind!
Man stelle sich meine Begeisterung vor :)

Ein sehr interessantes Bild, das du da von Voldemorts Seelenleben zeichnest. Er hasst sich so sehr dafür, für einen Moment seinen Gefühlen die Oberhand gegeben zu haben, dass er sich beinahe zu Tode foltert? Ich hätte nicht Übel Lust ihm einen Vortrag über Selbstvertrauen und dem Stehen zu eigenen Handlungen zu geben – obwohl dieser Twist in seinem Charakter dem ganzen einen gewissen Charme verleiht.
Illona hingegen hat weitaus rationaler reagiert. In Horror und Schock wegzulaufen, nachdem ihr verhasster Peiniger ihr ihren ersten Kuss stielt, zeugt von der Furcht und Verwirrung des Mädchens – die ich ihr nachempfinden kann. Schade, dass du nicht beschrieben hast, wie es ihr nun geht, doch ich vermute, dass es im nächsten Kapitel zur Sprache kommen wird ;)

Nun zum stilistischen:
Du hast wie immer ein wunderbares Beispiel für deinen eigenen, authentischen Stil geliefert, obwohl mir hier und da auffiel, dass die Kälte und Gemessenheit, die dein Werk sonst auszeichnen, Risse bekamen. Was jedoch nicht als Kritik zu sehen ist, sondern vielmehr als zurückhaltendes Lob, da es zeigt wie sehr du dich in die Geschichte hineinlebst.
Meine einzige Kritik wäre die, dass es, als Voldemort sich selbst mit einem Fluch belegt, es bis zur Hälfte der Szene nicht durchscheint, was genau er getan hat. Erst nachdem ich die Gedankenstimmen gelesen hatte, wurde mir klar, dass dieser selbstzerstörerische Idiot sich selbst verflucht hat.
Vielleicht solltest du bei dem Teil, an dem er den Zauberstab gegen sich selbst richtet, es etwas genauer beschreiben, dass er wirklich einen Zauber wirkt und nicht womöglich der Stab selbst etwas gegen seinen erzwungenen neuen Herren unternimmt.
Wäre mein gut gemeinter Rat hierzu :-)

Du hast, wie ich leider zugeben muss, verglichen zu deinen bisherigen Kapiteln, viele Fehler gemacht. Nicht, dass sie das Lesevergnügen schmälern, doch fallen sie in der sonstigen Perfektion der Story auf.
Einmal beispielsweise, schreibst du in einem Satz zweimal "schließlich" oder machst andere, kleine Wortwiederholungen oder Rechtschreibfehler.
Dennoch nichts, worüber du dir den Kopf zerbrechen solltest, nur lies es dir vielleicht noch einmal durch.^_^

Lg, deine aufmerksame Leserin Mary
Von: abgemeldet
2009-08-22T18:31:30+00:00 22.08.2009 20:31
Lord Voldemort liest Muggel-Märchen??? witzig! :D

ich find das kapitel echt klasse! echt gruselig, sich vorzustellen, seinen Erzfeind küssen zu müssen und dann auch noch mit eiskalten lippen und händen... Brrrrrr....

ich freu mich (wie immer ;) ) jetz schon aufs nächste kapitel!

mach weiter so!


PS: einmal hast du das Wort "Halb-Grindeloh" auseinander geschrieben, guck nochmal nach ;)


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