R.A.B. von abgemeldet (one last riddle) ================================================================================ Kapitel 22: Aschenputtel. Herr und Herrin- Prinz und Prinzessin --------------------------------------------------------------- Mathilda ließ sich von nun an partout nicht mehr davon abhalten, Ilona nur als „Herrin“ zu betiteln. Eine halbe Ewigkeit versuchte das Mädchen noch, dem alten Hauselfen klarzumachen, dass sie zwar auch keine Ahnung hatte, warum Mathilda denn auf einmal auch die Befehle der Blonden zu befolgen hatte. Aber dass es prinzipiell gut sei, weil die Elfin nun sicher nicht mehr unter Selbstbestrafung leiden müssen würde,sie jedoch… Und das war das wichtigste an der ganzen, sinnlosen Rede,unter keinen Umständen nämlich,niemals!,wollte Ilona mit „Meisterin!“ oder anderen respektvollen Anreden bedacht werden. Mathilda hörte diesem Monolog indes nicht einmal einen Augenblick lang zu. Die Alte murmelte nur immer wieder glücklich: „Eine Herrin! Endlich eine Herrin!“, vor sich hin und verbeugte sich konstant vor der entnervten jungen Frau. Und schließlich musste die Hufflepuff seufzend kapitulieren. Gegen den Diensteifer eines solchen Hauselfen war einfach kein Kraut gewachsen. Damit hatte das Mädchen sich wohl abzufinden, als auch mit der Tatsache, dass sie nun wohl(zumindest teilweise) als Mathildas Arbeitsgeber auftreten würde müssen. Aus Gründen, die ihr, gelinde gesagt, absolut schleierhaft waren. Und die sie, im tiefsten Inneren ihres noch immer schmerzhaft zusammen gezogenen Herzens, vielleicht auch gar nicht verstehen wollte. Jedenfalls war Ilona auch nicht sehr erpicht darauf,diejenige zu sein, die Lord Voldemort mitzuteilen hatte, dass er seine treue Hauselfe nun mit einem Grindeloh Halb Menschen wie sie teilen würde müssen. Aber diese Bürde würde dem Mädchen keiner abnehmen. Und außerdem wollte sie nicht feige sein, indem sie Mathilda vorschickte, die wegen dem Überbringen einer solchen Nachricht sowieso von Riddle persönlich höchstwahrscheinlich geröstet werden würde. … Was heißt hier höchstwahrscheinlich? Ganz bestimmt sogar geschlagen, geviertelt, geröstet werden würde wegen einer solch schimpflichen Mitteilung. Und das wollte Ilona niemandem antun, besonders keiner ohnehin schon leidgeprüfter Seele, wie Mathilda eine war. Andererseits. Die Blonde wusste ja gar nicht, wo sich Du weißt schon wer gerade befand. Folglich konnte sie diese unglückliche Botschaft jetzt ja gar nicht überbringen… Das Mädchen hatte also noch ein paar Stunden, bevor sie es tun würde müssen. Gott seis gedankt. Bei dieser Schlussfolgerung machte sich automatisch große Erleichterung in der Hufflepuff breit. Sie hegte tatsächlich bereits insgeheim die Hoffnung, dass der junge Lord vielleicht sogar gar nicht mehr im Haus weilte, sondern irgendwohin appariert war, wo er seine dunklen Pläne bezüglich der Übernahme von Hogwarts und der restlichen Welt besser. reifen. . lassen konnte… Ilona schluckte. Oh nein. Oh nein nein nein. Wie dumm war sie eigentlich, sich zu wünschen, dass Voldemort seinen Pläne weiter ausführte, nur um sie selbst nicht mehr zu behelligen? Das Mädchen brauchte einen Plan. Einen verdammt guten, mörderisch klugen Plan, mit dem Riddle von genau solchen Aktionen abgehalten werden würde. Die Hufflepuff hatte sich doch selbst geschworen, Lord Voldemort mit allen Mitteln zu bekämpfen, um den dunklen Zauberer nicht wieder die Spitze der magischen Zauberer Gesellschaft erklimmen zu lassen! Aber,und das war wohl die Millionenfrage. Wie sollte sie ihn nur daran hindern? Ilona hatte doch noch nicht einmal einen Zauberstab! Wie also,wie nur wie? Ehrlich gesagt, konnte sich die junge Frau keine adäquate Lösung für dieses Problem vorstellen. Sie verbrachte dennoch Ewigkeit um Ewigkeit in der gemütlichen Küche damit, auf dem verstaubten Bett in der hintersten Ecke des Zimmers zu sitzen und nachzudenken. Das in diesem Gewölbe ein komplett bezogenes Schlafgemach als Sitzgelegenheit zu finden war, stieß ihr schließlich erst nach einer halben Stunde seltsam auf (als sie nämlich noch immer zu keinem fruchtbaren Ergebnis gekommen war und deshalb verzweifelt versuchte, sich selbst kurzzeitig mit Belanglosigkeiten vor wirklichen Problemen abzulenken). Das dieses Bett ungewöhnlicherweise auch genau auf dem gleichen Platz stand wie das Lord Voldemorts ein Stockwerk höher und eigentlich (verständlicherweise) überhaupt nicht zu dem restlichen Interieur des Raumes passte, nichtsdestotrotz einfach DA war, mutete noch verwirrender an. Aber der verzweifelte Wunsch nach einer guten Idee, wie man Du weißt schon wen davon abhalten konnte, die Weltherrschaft an sich zu reißen, verschwand nie ganz aus dem Hinterkopf der Blonden, so sehr sie sich in dieses Bettenphänomen auch zu vertiefen versuchte. Diese Angelegenheit war zu brenzlig und verlangte zu viel Aufmerksamkeit von der Schülerin, als dass sie sich allzu sehr um wandernde Bettgestelle sorgen konnte… Leider. Die Hufflepuff furchte solange ihre Stirn in Falten und versuchte angestrengt, eine Antwort auf die Frage zu finden, wie sie Voldemort in seinen Plänen behindern könnte, dass sie schlussendlich schon dachte, ihr Kopf müsse explodieren. Aber der klügsten Schülerin, die Hogwarts je beherbergt hatte,wollte trotzdem nichts einfallen. Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, wurde die Konzentration der Hufflepuff unabsichtlich, dennoch mehr als einmal immer wieder von einer glücklichen Mathilda erschüttert, die mit einem Mal der fröhlichste Elf der Welt schien und ein Nein! einfach nicht akzeptierte, wenn sie halbstündlich mit einer neuen Knabbereri, einer neuen Süßigkeit auf silbernem Tablett direkt vor Ilonas Nase auftauchte und das Mädchen direkt zwang, zumindest ein paar Happen davon zu sich zu nehmen. „Sie sind viel zu dünn, Herrin! Essen Sie doch noch ein bisschen!“, pflegte die betagte Elfe dabei zu trillern und gleichzeitig mit großen Augen die schmächtige Statur der Schülerin zu betrachten, die dadurch, dass sie noch immer von der abgetragenen, etwas zu großen Uniform des Mädchens verhüllt wurde, wohl aus kritischer Sicht Mathildas noch armseliger wirkte, als sie es ohnehin schon war. „Sie müssen auch Kleider kaufen gehen, Herrin! Solche Fetzen gebühren keiner Dame wie Ihnen“, setzte die Alte hin und wieder naserümpfend hinzu. Einmal ging die Hauselfe sogar so weit, atemlos leise zu flüstern, während Ilona besonders nachdenklich in die Ferne starrte: „Sie wollen doch hübsch aussehen, nicht wahr, Herrin?“ Ilona hörte die Bedienstete jedoch gar nicht mehr und nickte nur gedankenverloren, um die übereifrige Fee möglichst schnell wieder zu vertreiben. Daraufhin glänzten die Augen der Hauselfe aber nur noch stärker und sie fuhr, bestärkt in ihrer Vermutung bezüglich ihrer lieblichen Herrin und ihrem wunderbaren Herrn, fort, noch öfter, diesmal jedoch in stummer Ergebenheit versunken, den Versuch zu starten, ihre Meisterin mit cremigen Schokoladenkuchen und hauchzarten Fruchtschnitten verführen zu wollen. Schließlich, als Ilona gerade bestimmt schon zum fünfzigsten Male das Honigparfait mit einem resignierten Kopfschütteln abgelehnt hatte, begann mit einem Mal eine kleine, glänzende Glocke, die direkt über der hölzernen Eingangstüre der Küche in der Luft zu hängen schien, leise zu läuten. „Schon so spät!“ Mathilda machte einen erschrockenen Luftsprung (und setzte zuvor nur noch hastig das Parfait auf der Bettkante ab), bevor sie zu dem sich plötzlich von selbst angeschalteten Herd und dem sich erwärmenden Ofen zurückhetzte, während sie hektisch mit sich selbst zu reden begann: „Mathilda hat ganz die Zeit vergessen! Die neue Herrin ist so süß und wunderschön wie Honig, aber sie lässt die Zeit vergessen…Böse Mathilda! Kein schlechtes Wort über sie! Aber wonach es den Meister heute wohl noch gelüstet? Mathilda muss nachdenken…Warum er wohl so spät noch etwas essen will…Aber das ist Mathilda nicht berechtigt zu fragen…böse Mathilda!“ Neugierig hatte Ilona dieser Konversation, plötzlich geistig wieder vollkommen anwesend, mit gespitzten Ohren gelauscht und gleichzeitig mit Argusaugen Mathilda beobachtet, um sie im Falle eines Falles vor etwaigen Selbstbestrafungszwängen sofort zu befreien. Doch der Befehl der Hufflepuff galt anscheinend noch immer etwas: Obwohl sich die alte Hauselfe durchaus noch selbst beschimpfte, unterließ sie es immerhin, sich als Strafe Schmerzen zuzufügen, während sie nun hektisch begann, mit Pfannen und Töpfen auf dem großen Herd zu hantieren. Immerhin. Einem Lebewesen in diesem Haus ging es dank der Hilfe der Hufflepuff schon. besser.. … Und da war er. Einem Lichtblitz gleich kreuzte er plötzlich das Gehirn der verzweifelt Nachdenkenden. Ilona sprang auf. Der Plan. Endlich. Die Blonde hatte endlich einen Plan. Einen idiotischen, einfachen, naiven Plan. Aber er war das Einzige, was sie gerade zur Hand hatte. Das Mädchen würde einfach beten, dass er funktionierte. „Ich helfe dir, Mathilda“, tönte es plötzlich aus Ilonas Mund. Die Hufflepuff war aufgestanden und hatte schneller zu der erschrockenen Hauselfe aufgeschlossen, als diese mehr als ein ungläubiges Augen Aufreißen zustande bringen konnte. Ohne eigentlich selbst so genau zu wissen, was sie da tat, krempelte das Mädchen beide Ärmel hoch und verlangte freundlich, aber bestimmt von der neben ihr erstarrten Dienerin: „Ich denke, ich muss dir und deinem Meister erst beweisen, dass man als Zauberer auch selbst gut kochen kann-Ich brauche Eier, Zucker, Mehl und Salz, bitte!“ Es klopfte. Verwirrt zog Tom beide Augenbrauen hoch. Mathilda klopfte nie. Seine Hauselfe war immer dazu angehalten, das Essen so schnell und unauffällig wie möglich in das Arbeitszimmer zu eskortieren. Ohne an die Tür zu klopfen. Oder sonst irgendwie mehr als unnötige Geräusche zu produzieren, die ihn in seiner Konzentration störten. Litt diese alte Vettel nun tatsächlich auch noch an beginnender Demenz, dass sie einen solch wichtigen Befehl vergaß? Nur mit Mühe konnte der junge Mann seine Stimme ruhig halten, als er nun, innerlich kochend über so viel Dummheit, leise befahl: „Komm rein.“ Die Tür blieb einen Augenblick lang noch unbewegt bestehen. Dann schwang das Holz zögernd und beinahe ängstlich nach innen. Spätestens jetzt wusste Voldemort, dass es sich hier nicht um seine treue Mathilda handeln konnte, die da um Einlass begehrte. Mit einem Mal hatte der Slytherin noch mehr Mühe, die unbändige Wut, die ihn schon seit einer ganzen Weile in großen Wellen zu überschwemmen drohte, unter Kontrolle zu halten. „Was willst du hier?“, zischte er bedrohlich leise. Sein Blick blieb dabei jedoch weiterhin stur auf die vergilbten Seiten eines dunkelgrün gebundenen Folianten, der gerade aufgeschlagen in seinen bleichen Händen ruhte, gerichtet und im ersten, verwirrenden Moment schien es beinahe so, als würde er gar nicht mit der zierlichen, jungen Frau, die plötzlich auf der Schwelle zu seinem Reich erschienen war, sprechen. Dennoch war Ilona sofort klar, dass diese unhöflich formulierte Frage nur an sie gerichtet sein konnte. Es war gar nicht die Tatsache, dass sich sonst niemand außer ihnen beiden im Raum befand, sondern vielmehr der angeekelte Ausdruck, der einen Augenblick lang über Riddles Gesicht gehuscht war, als Ilona ins Zimmer eintrat… Es schmerzte. Es schmerzte immer wieder, wenn man augenscheinlich verachtet wurde. Bei dem eiskalten, scheinbar gelangweilt angeschlagenen Ton des Zauberers war die junge Frau unwillkürlich zusammengezuckt und das Tablett in ihren Händen hätte beinahe mit dem dunklen Holzboden unter ihr unfreiwillige Bekanntschaft gemacht. Gerade noch rechtzeitig aber konnte das Mädchen seinen Griff um das Silber festigen. Möglichst leise versuchte sich die Hufflepuff nach dieser gelungenen Rettung (sie wollte sich gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn sie das Essen fallen gelassen hätte), zu beruhigen. Einatmen. Ausatmen. So leicht würde sie sich nicht ins Bockhorn jagen lassen. Auch wenn Voldemort noch nie so angsteinflößend, abweisend und verletzend wie gerade jetzt gewirkt hatte, wenn er einfach so auf seinem Bett halb hockte, halb fläzte und ein Buch las. Sie nicht ansah. Ilona senkte zu Tode betrübt den Blick. Sie musste ihn im Garten wirklich sehr beleidigt haben, wenn er nun so bösartig reagierte… „Bist du taub? Was willst du?“, knirschte Tom mit zusammengebissenen Zähnen und riss das Mädchen damit abrupt aus ihren traurigen Gedanken. „Ich…Ich bringe Ihr Essen, Mr. Riddle“, kam es wie aus der Pistole geschossen und staubtrocken aus dem Mund der Verschreckten. Gleichzeitig hob die junge Frau das Tablett in ihren Armen um eine Winzigkeit an. Voldemort entgegnete nichts. Die Hufflepuff sah dies in Ermangelung anderer Optionen einfach als gutes Zeichen und trat lautlos ganz in den abgedunkelten Raum ein. Schweigend kämpfte sich das Mädchen einen Weg durch das Bücherlabyrinth, bis es schließlich am bereits gedeckten Tisch angekommen war. Sanft stellte Ilona das Tablett auf das dunkle Holz ab. „Mathilda muss verrückt geworden sein. Sie glaubt doch nicht ernsthaft, dass ich etwas Essbares anrühre, dass von schmutzigen Halbmensch Händen angerührt worden ist?“ Behände war der dunkle Lord aufgestanden und stolzierte nun langsam, die Augen noch immer leicht angestrengt auf das Buch in seinen Händen gesenkt, in Richtung Tisch. Er glitt an Ilona vorbei, ohne scheinbar auch nur die kleinste Notiz von ihr zu nehmen. Zum ersten Mal, seit die Blonde den Raum betreten hatte, hob der junge Mann dann jedoch plötzlich den Blick und fokussierte ihn auf das herrliche Abendmahl, das Mathilda nur für ihn kreiert hatte. Angewidert verzog Tom das Gesicht. „Und was zum Teufel soll das überhaupt sein?“ Mit diesen widerwärtig ausgespuckten Worten deutete der junge Mann auf eine scheinbare Essensexplosion, die, halb versteckt hinter dem perfekten Mahl der Hauselfe, auf einem schimmernden Teller unkoordiniert angerichtet worden war. Beschämt errötete Ilona. Es war eine dumme Idee gewesen, zu kochen. Eine wirklich dumme, dumme Idee. Aber damit, hatte das Mädchen nachdenklich kalkuliert, könnte sie Riddle doch auch überrumpeln, wenn sie für ihn als Entschuldigung etwas Essbares zubereitete. Und vielleicht Nun ja. Viel weiter war die junge Frau mit diesen naiven Überlegungen nicht gekommen. Nur eine Schlussfolgerung hatte ihr gutmütiges Hirn dabei zugelassen: Schließlich aber zählte doch nur die gute Tat, oder? Das galt doch auch für Lord Voldemort, nicht wahr? Nein, galt es nicht. Aber das würde Ilona noch früh genug erfahren müssen Bevor der Slytherin noch weitere abfällige Bemerkungen über das gebrachte Mahl machen konnte, fiel ihm die Hufflepuff leise ins Wort: „Es war meine Idee. Bitte bestrafen Sie nicht Mathilda dafür.“ Schweigen trat ein. Schweigen, das erst nach langer Zeit wieder von einem leisen „Fhump!“ unterbrochen wurde. Tom hatte das Buch in seinen Händen zusammengeklappt. Bedächtig ließ er sich auf den einzigen Stuhl sinken und legte den Schmöker dabei gleichzeitig vorsichtig neben das Tablett, sodass er mit der Vorderseite nach unten gerichtet auf dem Holz zum Liegen kam. „Ich gebe Mathilda zehn Minuten, Miss Una“, bequemte er sich schließlich, nach langer, unangenehmer Stille, träge zu knurren. „Dann will ich endlich dinieren. Wenn möglich, ohne Sie wieder sehen zu müssen.“ „Natürlich“, kam es automatisch von Ilona. Hastig streckte das Mädchen ihre Hände nach dem Tablett aus. Unsicher umschlossen ihre dünnen, zerbrechlichen Finger das Silber zu beiden Seiten. Ein Fehler. Ein schrecklich vorherbestimmter Fehler war es gewesen. Herzukommen und Menschlichkeit zu erwarten. Die junge Frau musste plötzlich einen hysterischen Lachanfall unterdrücken. Es war ja wirklich lächerlich. Lord Voldemort war Lord Voldemort. Da würde nichts helfen. Nicht einmal aller gute Wille der Welt. Es war traurig. So unendlich traurig. Langsam rollte eine schimmernde Träne die weiche Wange der Hufflepuff hinab. Sie bemühte sich nicht erst einmal, sie abzuwischen. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte Ilona sich schwach. Bis jetzt hatte Tom es sorgfältig vermieden, das Mädchen an seiner Seite auch nur mit einem schnellen Seitenblick zu beehren. Stattdessen waren seine Augen weiterhin krampfhaft auf das vor ihm ausgebreitete Tafelgeschirr fixiert. Es war gefährlich, viel zu gefährlich. Dass er sie nicht gleich fortgeschickt hatte, war schon so unendlich dumm gewesen! Aber nun war es zu spät. Der junge Mann zog leise, scharf die Luft ein. Sie war da, neben ihm und beugte sich über das schwere Tablett, das sie mit ihren lächerlich feingliedrig wirkenden Händen zu heben gedachte! Unwillkürlich schauderte Mr. Riddle. So nah war das Ding ihm plötzlich wieder… So ungewollt gewollt verdammt nahe. Der Duft nach Meer umspülte ihn wieder und es fiel ihm auf einmal so schwer,den Halb Grindeloh nicht anzusehen, ihn nicht zu beachten, sondern nur still zu hassen… Der rechte Ärmel ihrer Bluse war hochgerutscht. In dem Versuch, das Tablett so leise wie möglich zu heben. Wie von schrecklicher Magie, die stärker war als alles, was er bisher kennengelernt hatte, wurde Toms Blick von ihrer weißen Haut angezogen, die im herrschenden Dämmerlicht verführerisch schimmerte… Ob ihre Haut noch bleicher als seine war? Und wie es wohl aussah, wenn sich sein Weiß zu ihrem Weiß gesellte? Plötzlich erschienen Voldemort dies als die wichtigsten Fragen seiner Existenz. Und bevor sein Verstand ihn brüllend zur Ordnung rufen konnte, hatte der junge Mann schon seine rechte Hand ausgestreckt und Ilonas Gelenk fest umschlossen. Der jungen Frau entglitt das bereits erhobene Tablett. Mit einem lauten Knirschen landete das Silber ziemlich ungalant auf dem leidgeprüften Holz. Doch weder der Slytherin noch die Hufflepuff nahmen von diesem unerwarteten Lärm überhaupt noch Notiz. Plötzlich schien es für die beiden nur noch zwei sehr verschiedene Dinge zu geben. Für Tom war da die unerwartete Wärme, die seine rechte Hand durchströmte und ihm einen sanften Stromschlag verpasste. Und für die perplexe Ilona waren es seine Finger Seine eiskalten Finger, die sich schlangengleich um ihr Handgelenk gelegt hatten und so fest zugriffen. Scheinbar im Bestreben, nie mehr loszulassen. Grabeskalte Fingerspitzen waren plötzlich überall!, und Sie taten aber nicht weh. Sie verletzten nicht. Sie fuhren nur unvergleichlich leicht über die dunkelblauen Venen, die spinnennetzgleich die Haut des Grindelohs zu hunderten bedeckten. Zu Tode erschrocken hob die Hufflepuff die entmutigt gen Boden gerichteten Augen und wagte es, Voldemort ins Gesicht zu sehen. Der blanke, überlegene Ausdruck darin war einer halb unterdrückten, vollkommen verzweifelten Fassungslosigkeit gewichen. Ilonas Hirn war wie leergefegt. Sie wusste nicht, was zu tun war und fühlte sich mit einem Mal plötzlich nur mehr seltsam surreal. Das alles hier, das dunkle Zimmer, Lord Voldemort und sie selbst. War das alles hier nur ein Traum? Ein seltsamer, unlogischer, verrückter Traum? Es wäre zu schön. Der Hufflepuff entkam ein leise geflüsterter Seufzer. Leise. Sehr leise. Aber nicht leise genug. Wie von Sinnen schoss der Kopf des sitzenden jungen Mannes plötzlich abrupt zu ihr auf. Tom starrte sie an. Wie ein Geist seiner selbst wirkte der Slytherin mit einem Mal, als er so mit komplett schwarz verdunkelten Augen zu ihr aufsah. Bisher hatte er nur wie hypnotisiert das weiße Handgelenk betrachtet, das in seinen großen Händen gefangen war wie ein Vogel im Käfig. Nun sah er die einzelne Träne, die Ilona vergossen hatte. Irrte das Mädchen sich, oder spielten sich hinter den dunklen Pupillenteichen von Du weißt schon wem plötzlich wahre Unwetter aus funkelndem Grün ab? Aber vielleicht war das auch nur das schlechte Licht, das Ilona da einen kleinen Streich spielte. Trotzdem. Plötzlich war die Hufflepuff neugierig. Ihre Gedanken rasten und formten eine waghalsige Theorie nach der anderen. Alle könnten stimmen und alle wurden einen Augenblick später verworfen, sodass das Mädchen schlussendlich nur zu einem unzufrieden stellenden Schluss kam. Um dieses seltsame Naturschauspiel, diese Farbe wechselnden Pupillen der Schlange, zu enträtseln, müsste sie sich noch näher zu dem Slytherin herabbeugen. Um besser sehen zu können. Aber das wollte die junge Frau nicht riskieren. Dann würde er sie bestimmt verfluchen oder sonst irgendetwas Anderes, Schreckliches… Aber eine winzige Kleinigkeit hatte sich der Körper der Blonden (ohne offizielle Erlaubnis ihres Gehirns, natürlich!) schon zu Mr. Riddle hinab gesenkt. Eine Laune des Schicksals wollte es wohl so, dass bei diesem Prozess eine vereinzelte, helle Strähne dem vormalig streng zurück geflochtenen, nun nur mehr zur Hälfte vorhandenen Haarzopf des Mädchens vorwitzig entschlüpfte und, der leichtesten Feder gleich, sanft über die Stirn des jungen Mannes strich. Toms Augen weiteten sich. Das Rot darin war mit einem Mal wie weggewischt. Stattdessen, konstatierte Ilona verblüfft, waren die Pupillen Lord Voldemorts plötzlich grün. Dunkelgrün, um genau zu sein, mit einem leichten Stich ins Schwarz. So mussten sie wohl ausgesehen haben, bevor der erste Horkrux von diesen weißen Spinnenhänden geschaffen worden und somit den Untergang Tom Riddles unterzeichnet worden war... Der Magier zog hart an ihrem Handgelenk. Ilona, die mit diesem abrupten Ruck überhaupt nicht gerechnet hatte, verlor das Gleichgewicht und stolperte nach vorn. Doch sie schlug nicht, wie von ihr befürchtet, sogleich am harten Boden zu Füßen Lord Voldemorts auf. Nein. Weiße, kalte Hände fingen sie rechtzeitig auf. Plötzlich fand sich die Hufflepuff sitzend wieder. Sitzend auf einem Stuhl, der eigentlich schon besetzt war. Doch bevor die junge Frau den ganzen Horror ihrer Situation überhaupt erfassen konnte, wurde ihr Kinn, das dank ihres Sturzes ziemlich unbequem genau auf dem eiskalten Schulterbein des Erben Slytherins zur Ruhe gekommen war, von unruhigen Fingern erfasst und abrupt nach oben gedrückt. Und plötzlich war Ilona nur noch wenige Millimeter von Tom Riddles Gesicht entfernt. Das Mädchen atmete aus. Mr. Riddle spürte den leichten Atemzug auf seiner rechten Wange und der Rest seines Verstandes ging mit Pauken und Trompeten flöten. Er beugte sich herab. Sie riss die Augen auf. Er küsste sie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)