Accidentally in Love von Herzkirsche (the story of Rose & Scorpius) ================================================================================ Kapitel 11: eleven ------------------                                Noch nie zuvor war sie vom Himmel gefallen. Und selbst, wenn es bis zu jenem Tag keine Rolle gespielt hatte, ihr kaum in den Sinn geschlichen war, einfach zu den nichtigen Dingen des Lebens gehört hatte – dennoch wurde sich Rose Weasley in dem Moment, in dem sie die Schleier der Traumwelten, des puren Glücks, der Benebelung, hinter sich ließ und das wolkige, federleichte Nichts vom festen Boden unter ihren Füßen abgelöst wurde, bewusst, wie beruhigend und auf eine dringliche Weise doch notwendig es war, Jemanden zu haben, der einen auffing. Der dafür Sorge trug, dass man nicht brach. Und dieser Jemand war für sie Scorpius. Sie waren geflogen, doch es war das erste Mal in ihrem Leben gewesen, dass sie keine Angst gehabt hatte, ihr könne auf einem Besen irgendetwas zustoßen. Sie hatte weder Klatscher, noch Quaffel fürchten müssen und auch wenn da noch der beunruhigende Höhefaktor gewesen war - es hatte sich alles als viel leichter zu ertragen dargestellt, insofern man sie nicht allein mit ihrem Schicksal ließ. Er beruhigte sie. „Ich bin froh, dass ihr gewonnen habt“, flüsterte Rose und er lächelte vielsagend, so als hätte er es gewusst. Vielleicht hatte er das sogar, überlegte sie, denn nicht umsonst bekam ein Malfoy oftmals alles, was er wollte. Und hatte er nicht sie gewollt? Der Gedanke war absurd, doch je häufiger Rose ihn zuließ, umso mehr nahm er die Gestalt von etwas Wirklichem an. „War mir klar“, bestätigte er ihre Vorahnung und das bekannte, leicht arrogante Grinsen zuckte ihm um die Lippen, bevor er sich langsam zu ihr hinunter beugte und seine Lippen mit ihren verschloss. Doch manchmal verlor man den Halt, beugte sich zu weit nach hinten in die Sorglosigkeit eines Augenblicks und – „Rose!“ – fiel. Sie löste sich von ihm, entzog sich seinem Griff, drängte ihn zurück, als wäre ihr ins Bewusstsein gerückt, wie fatal ihr Tun in der Öffentlichkeit eigentlich war. Doch zugleich bedauerte sie es, zutiefst. Rose erkannte die brüllende Stimme sofort. Sie kannte sie so gut, dass sie in jedem einzelnen Ton, jedes Mal, wenn er ihren Namen erneut rief, die Wut geradezu riechen konnte. Und als Rose den Blick aus Scorpius‘ irritiertem Gesicht wandte, sah sie ihren Vater in einem beängstigenden Tempo über das vereiste Quidditchfeld laufen. Selbst aus der noch reichlichen Entfernung erkannte sie seine margentarot angelaufenen Ohren und wäre er eine Comicfigur oder ein Drache gewesen, so hätte es sie keinesfalls gewundert, wenn Qualm oder Funken aus Ohren und Nase gesprüht wären. Doch auch ohne diesen Spezialeffekt wirkte ihr Vater weit mehr erzürnt, als sie ihn je in den vergangenen siebzehn Jahren gesehen hatte. Sie erhaschte einen kurzen Blick auf ihre Mutter, die Ron Weasley zwar dicht auf den Fersen war, doch deren logische Argumente offensichtlich an ihm abzuprallen schienen. Zudem bemühte sie sich offenbar sehr, Haltung auf dem eisigen Feld zu bewahren. Rose spürte, wie Scorpius leicht hinter ihr zurückwich; lediglich seine Schulter schob sich hinter ihre und doch war es ihr eine geradezu maßlos unpassende Aufforderung, sich alleine ihrem Vater zu stellen. Es war keinesfalls die Situation, um haltlos zu lachen, doch sie verspürte den Drang trotzdem. Das war es also. So unerwartet und nicht einmal drei Minuten nach dem Startschuss ihrer Beziehung – die noch gar nicht wirklich als solche zu bezeichnen war – mit Scorpius Malfoy. „Dad“, sagte sie beschwichtigend, als ihre Eltern nur noch karge drei Meter von ihnen entfernt waren, doch Ron würdigte sie keines Blickes. Das böse Funkeln galt einzig und allein dem jungen Mann, der es wagte, sie zu küssen, anzufassen und – es gab Dinge, über die wollte Ronald Weasley einfach nicht nachdenken. Von seinem Namen erst gar nicht anzufangen. „Rosie, weg von dem Jungen“, knurrte Ron und die neugierige Masse aus Schülern, welche sich nach dem Spiel auf dem Platz zusammengefunden hatten, um den Sieg der Hogwartsschule zu feiern, rückten kaum merklich näher an die Szenerie heran. Hermione lachte laut und unecht, um den Ernst der Lage zu vertuschen, doch das Interesse an dem Feuer fangenden Drama blieb ungehindert. Als es zudem den Anschein erweckte, Ron würde weiter stürmen, sie zur Seite Drängen und sich Scorpius schnappen, sah Rose nur eine einzige Möglichkeit, ihrem Vater Einhalt zu gebieten. Ihre Hand rutschte in ihre Manteltasche und als sie den Zauberstab zog und ihm drohend vor die Nasenspitze hielt, wich er tatsächlich zurück. „Daddy, beruhige dich. Es liegt mir fern, dir wehzutun, aber-“ Das Lachen ihrer Mutter erreichte neue Oktaven, als sie endlich die Schulter ihres Mannes zu fassen bekam und sich an ihm vorbeidrängte, nur um im selben Atemzug den Zauberstab ihrer Tochter hinunter zudrücken. „Die Show ist vorbei. Wir würden einen gewissen Grad an Privatsphäre schätzen“, teilte sie der sensationsheischenden – allen voran selbstverständlich Natalie Bordman – Schülermenge zwinkernd mit, bevor ihr Lächeln erlosch, als sie sich erneut zu ihrem Ehegatten drehte. „Ronald Weasley“, begann sie zähneknirschend, „Was denkst du dir eigentlich?“ „Was denkt er sich? Er ist ein Malfoy!“, erwiderte Ron trotzig und selbst, wenn Hermiones Gesichtsausdruck einschüchternd, gar bitterböse über sein Verhalten war und sie ihn schon etliche Male damit zum Verstummen gebracht hatte – es war der Moment gekommen, in dem er außer Stande war, etwas anderes zu tun als seiner Frau Paroli zu bieten. „In welcher Zeit leben wir denn? Ron, ich bitte dich. Sei vernünftig! Deine Tochter ist alt genug, um eigenständig zu entscheiden, mit wem-“ „Was, Hermione?“ Rons Augenbraue wanderte merklich interessiert in die Höhe, während ihm die Spuren der Auseinandersetzung fleckig und in einem saftigen Rotton im Gesicht standen. „Was kann sie alleine entscheiden?“ Hermione seufzte. „Mit wem sie zusammen ist, Ronald. Mit wem sie ihre Zeit verbringt. All das.“ „Dad“, fügte Rose vorsichtig hinzu und ihr Blick verriet ihr Unbehagen über die Situation, das sich auf Scorpius‘ Gesicht wiederspiegelte. „Du musst dir keine Sorgen machen. Scorpius ist gut und -“ „Davon wirst du dich an Weihnachten selbst überzeugen können“, warf Hermione prompt ein und krallte ihre Finger in Rons Unterarm, sodass er die stumme Drohung wohl selbst durch die dicke Winterjacke spüren konnte, die ihm davon abriet, jegliche Einwände zu erheben. „Wir haben mit Hugo gesprochen und er hatte deine reizende Schwester dabei. Wir konnten gar nicht anders, als sie für den 26.Dezember zu uns einzuladen“, erklärte Hermione Weasley Scorpius lächelnd und Ron fügte dem inbrünstig hinzu: „Imogene ist sehr nett.“ Gleichsam bedeutete sein Blick dem jungen Malfoy aber auch, dass diese Einschätzung nur für seine Schwester galt. „Du bist auch ganz herzlich eingeladen. Wir würden uns freuen.“ „Dad sieht ganz danach aus“, murmelte Rose sarkastisch, doch Scorpius schüttelte bereits ihrer Mutter die Hand und versicherte ihr, es wäre ihm das größte Vergnügen und ihm käme es keineswegs in den Sinn, diese Einladung auszuschlagen. Warum auch, dachte Rose mit einem skeptischen Blick auf ihren griesgrämig dreinblickenden Vater, es war ja immerhin nur er, der mit der Vorstellung ganz und gar nicht zufrieden schien. „Du hast gesagt, das war eine einmalige Sache!“, rief Fred hitzig und sein Geschrei hallte von den Wänden ihrer Mannschaftskabine wieder. Albus zog sich das Trikot über den Kopf und warf seinem besten Freund einen entnervten Blick zu. „Bleib locker.“ „Deine scheiß Nummer macht alles kaputt, aber du kannst es dir ja leisten“, sagte Fred und der abfällige Unterton, der in seiner Stimme einherging, bewegte Albus dazu, ihm einen weiteren, teils gar leicht irritierten Blick zu widmen, bevor ihn eine still lodernde, noch unterdrückte Wut gänzlich ergriff. „Wo liegt dein Problem?“, fragte er ruhig und ließ sich auf die Bank sinken, unentwegt zu dem tobenden Fred aufschauend. Es stand außer Frage, dass es besser war, wenn er ihn nicht aus den Augen ließ. „Ich hätte nur nie gedacht, dass du unsere Freundschaft so leichtfällig aufs Spiel setzt – das ist alles“, antwortete Fred resignierend und fuhr sich durch das fuchsige Haar, so genervt und unverstanden, dass Albus sich ungewohnt schnell herausgefordert fühlte. Er hatte Alice Longbottom geküsst – na und? Es war das zweite Mal in seinem Leben gewesen, obgleich das erste Mal fast nicht zu werten galt, da es im zarten Alter von zwölf Jahren aufgrund einer Knutschpraline gewesen war. O, und im dritten Jahr noch einmal, aber bei dieser Begebenheit hatte das Muggelspiel namens Wahrheit oder Pflicht eine entscheidende Rolle getragen. Okay, dreimal. Simple dreimal und davon war lediglich das letzte Mal – vor wenigen Minuten – bedeutend. „Sie kam zu mir“, erwiderte Al wortkarg, denn ihm lagen schlichtweg zu viel falsche, verletzende Worte auf der Zunge und ihn widerte die Vorstellung, ihm stünde eine ähnliche Show wie mit Lily eine Woche zuvor bevor, an. Fred schenkte ihm ein fehlerhaftes und erlogenes Lachen, ehe er nach seiner Tasche griff. „Und was waren dann die zahllosen ‚O, Alice, ich liebe dich‘?“ „Du hast doch noch darüber gelacht! Was ist überhaupt los mit dir?“ „Fragst du mich das wirklich?“ Noch nie in den vielen vergangenen Jahren, die sie als beste Freunde, als Rumtreiber zugebracht hatten, war ihm Fred so fremd gewesen wie in diesem Moment. Die Heiterkeit und der Witz waren aus seinem Gesicht verschwunden; all das, all jene Eigenschaften, die Fred bis dahin ausgemacht hatten. Obwohl Albus wusste, wessen Name sein bester Freund trug, war ihm noch nie zuvor in den Sinn gekommen, dass er die Unbeschwertheit und das Leben für den Witz, für das Spiel, für den Streich nur angenommen hatte, um seinem Vater zu gefallen. George Weasley vermisste seinen verstorbenen Zwillingsbruder noch in demselben Maße, als lägen nicht mehr als zwanzig Jahre zwischen dessen Tod und dem Jetzt - sondern als wäre die Wunde frisch, erst ein paar Wochen und Monate alt. Das Los eines Zwillings, der allein zurückblieb. Auch wenn George längst wusste, wie man den Schmerz überspielte, das Glück an erste Stelle lockte und dort festhielt. „Es hat keinen Zweck“, meinte Fred schließlich und schüttelte kapitulierend den Kopf, bevor er sich die Tasche lässig über die Schulter warf und hinausstürmte. „Schon mal daran gedacht, dass er vielleicht in Longbottom verliebt ist?“, fragte Scorpius ruhig und Al konnte nicht umhin, ihm einen argwöhnischen Blick zuzuwerfen. „Das wüsste ich wahrscheinlich.“ Ein amüsierter Ausdruck legte sich auf Malfoys Gesicht und als er die Augenbrauen herausfordernd in die Höhe zog, war sich Albus seiner Annahme nur noch zum Teil sicher. Nur noch ein kläglicher Rest war von dem großen Berg der Überzeugung übrig, nachdem Scorpius als stummer Zuschauer des Szenarios das Wort ergriffen hatte. Doch dem jungen Potter lag nichts ferner, als sich den Kopf über Fred zu zerbrechen, der von ihm verlangte, Alice den Rücken zu kehren. Er konnte nicht. Um genau zu sein, war er außer Stande ihm jegliche Bitten um sie zu erfüllen, insofern Fred sie je ihm gegenüber äußern würde und gesetzt dem Fall, Scorpius hätte mit seiner Vermutung Recht. Vielleicht, wenn er sie nicht geküsst hätte, dann wäre es einfacher gewesen. Doch sein Herz schmiss man nicht weg. Lily Luna Potter versuchte sich an das letzte Mal zu erinnern, an dem sie sich so dermaßen gelangweilt hatte - obgleich sie von Menschen umgeben war, die ihr Schicksal ganz und gar nicht zu teilen schienen. Die ausgelassen tanzten und tranken, an interessanten Gesprächen teilnahmen oder sich von den lustigsten Anekdoten der Lehrkörper berieseln ließen. Jeder in der Großen Halle schien sich besser auf Slughorns persönlicher Party, die er zu Ehren der Gastschulen ausrichtete und die den traditionellen Weihnachtsball ersetzte, zu amüsieren als sie. Dabei hatte sie Feste dieser Art doch immer so geliebt. Wie im Märchen war sie sich die ersten Jahre lang vorgekommen, wenn immer sie in einem wunderschönen Kleid die Treppe hinunter geschritten war. Doch an diesem Abend, der letzten Nacht vor den Weihnachtsferien, verspürte sie keinerlei Drang den üblichen Beschäftigungen nachzugehen. Nein, sie wollte etwas anderes. Ihr Blick huschte suchend über die mittig gelegene Tanzfläche, weiter über die Grüppchen aus Schülern und Lehrern und letztendlich über die runden Tische, überall im Saal. Schließlich wurde sie belohnt – indem ihre Augen ihn fanden. Er hing auf einem Stuhl und drehte sein Glas so nachdenklich in seinen Händen, dass Lily am liebsten zu ihm gegangen wäre, sich neben ihn gesetzt und ihn gefragt hätte, was ihn bedrückte. Denn mittlerweile unterschied sie die wenigen Emotionen, die alldieweil über sein Gesicht strichen, perfekt voneinander. Und sie wusste, dass Mephisto sein Leben suchte. Abschnitte aus ihm, wie sie glaubte, die ihm entfallen waren, wie er meinte. Doch ihre Intuition riet Lily manchmal - in stillen Nächten allein -, dass weit mehr dahinter stecken musste, als er zugab. Und die ungeliebte Paranoia versuchte ihr einzureden, dass er nicht Cygnus Doyle war. Was absurd war. Idiotisch. Eine so törichte Idee! Lily stockte der Atem, als sie beobachtete, wie eine schlanke Silhouette sich zu ihm an den Tisch gesellte. Ihre Hand nonchalant vor ihm platzierte, sich in sein Blickfeld schob; wie sein Blick zu ihr hoch wanderte. Ihr Kleid trug die Farbe des nächtlichen Himmels und ihr dunkles Haar fiel ihr voluminös über den Rücken. Sie gehörte zu den Frauen, die einen am eigenen Neid ersticken ließen. Lily fühlte sich unfähig, den Blick abzuwenden, selbst als die Eifersucht ihr Herz zum Splittern brachte. „Wow, ich hab mich selten so gut amüsiert!“ Imogenes Stimme erreichte sie nur zäh, als befände sich eine Mauer zwischen ihnen, wie Lily bemerkte, als sie sich verzweifelt bemühte, ihrer Freundin die nötige Aufmerksamkeit zu schenken und allen voran nicht in Tränen auszubrechen. Die Malfoy schwärmte, tänzelte umher - doch das Bild von Mephisto und diesem Mädchen hatte sich in ihre Hornhaut gebrannt und massakrierte ihr Herz beständig weiter mit endlosen Messerstichen. „Imogene“, flüsterte Lily atemlos und kniff die Augen zusammen, um wieder Herr ihrer Sinne zu werden. Abrupt verstummte ihre Freundin und Besorgnis schlich sich auf ihr makelloses Gesicht. „Wer ist die Frau da drüben bei Professor Doyle?“ Sie hätte nicht fragen dürfen, schon allein, da Imogene zu klug war, um keinen Verdacht zu schöpfen. Imogene schaute in die Richtung, die sie ihr zuwies und eine Augenbraue wanderte in die Höhe, doch ihre Antwort kam schnell. „Das ist Galina Kuprin, Schülersprecherin aus Durmstrang. Die offensichtlich gerade einen Lehrer anmacht – wo gibt’s denn sowas?“ Imogene verzog angewidert das Gesicht und schüttelte den Kopf. „Er sieht zwar gut aus, aber man flirtet doch nicht mit einem Professor und dann auch noch in aller Öffentlichkeit!“ Lily verschluckte sich an dem Getränk, das sie einfach aus Imogenes Hand entwendet hatte, und hustete unbeabsichtigt stark los. Verräterisch. Sodass die Malfoy ihr einen skeptischen Blick zuwarf. „Weshalb interessiert dich das überhaupt?“ Lily hob abwehrend die Hände und versuchte eine Unschuldsmiene, doch ihre Gedanken kreisten um Galina Kuprin – die sie natürlich schon einmal gesehen hatte – und Mephisto. Und ihr Herz brannte weiter. „Du verhältst dich sehr seltsam, Lily“, sagte Imogene nach ein paar Sekunden und die Potter biss sich auf die Lippe. Am liebsten hätte sie sich ihr anvertraut, doch sie durfte nicht. Niemand durfte davon erfahren. „Es ist nichts“, setzte sie an, doch dann kam ihr ein anderer Gedanke in den Sinn. „Ich verberge genauso wenig vor dir, wie du vor mir.“ Lily vermutete bei dem Funken Unbehaglichkeit auf Imogenes Miene zu Recht, dass sie beide mit den gleichen Karten spielten. Keinesfalls waren der Potter die vielen Treffen zwischen Imogene und Hugo entgangen. Ihr Gewissen fühlte sich im nächsten Moment viel leichter an, denn sie hatte sich nichts vorzuwerfen, oder? Und die Eifersucht, die soviel Wut genährt hatte, kam trügerisch an die Oberfläche, verführte sie zur Unbedachtheit, gar Überheblichkeit. „Weißt du, wenn du mir je die Wahrheit über Hugos Probleme und eure Geheimnisse anvertraust, dann spiele auch ich mit offenen Karten.“ Lily stürzte das süße Getränk hinunter und drückte der verdutzten Imogene das Glas in die Hand, bevor sie ihr bodenlanges Ballkleid raffte und geradewegs auf den Tisch zu lief, an dem Galina und Mephisto noch immer miteinander redeten. Als sie an ihnen vorbeiging, warf sie ihm keinen weiteren Blick zu, denn wenn er ihr nicht ohnehin folgen würde, dann hätte sie sich arg verschätzt. Fast spürte sie, wie sich Galina Kuprins haltloser Zorn wie ein giftiger Stich in ihren Rücken bohrte. „Was machst du in den Ferien?“, lächelte sie und er legte den Kopf schief, grinsend, so als wäre ihre Frage albern, vielleicht auch kindisch. „Ich werde reisen“, erwiderte Mephisto leichthin und küsste ihren Hals, doch sie hielt ihn zurück. „Hab ich oft gemacht, bevor ich in Beauxbatons anfing“, fügte er hinzu - ungeduldig, fast wie ein Tier. Lily lächelte. „Auf der Suche nach Erinnerungen?“ Sein Kopf schnellte in die Höhe und da er sich eh zu ihr hinunter gebeugt hatte, berührten sich ihre Nasenspitzen. Fassungslosigkeit glitzerte ihr entgegen und sie zuckte entschuldigend mit den Achseln. „Du kommst mir vor wie ein halber Mensch - dem etwas fehlt.“ Und sie würde ihn vermissen. Die Tage in London würden so halbherzig von ihr geführt werden, weil ihr Herzstück aus dem zersplitterten Ding in ihrer Brust ganz woanders war. „Ich suche tatsächlich nach ein paar Bruchstücken“, gab er zögerlich zu und Lily hatte das Gefühl, als würde er sich ihr das erste Mal wirklich öffnen. Als würde er es nicht immer nur von ihr verlangen. „Doch du bringst mir manches zurück.“ „Das ist doch schön“, erwiderte sie leise und er grinste, bevor er sie küsste. Leidenschaftlich zart und so gleichsam so besitzergreifend, dass ihr Herzstück einen Moment aus dem Takt kam. Sie vergaß ihn in dieser Nacht nach Galina Kuprin zu fragen und auch am nächsten Morgen, bevor sie nach London abreiste, sodass die mysteriöse, schöne Galina sich erst wieder in ihre Gedanken nistete, als Lily allein in ihrem Zimmer saß und die großen Regentropfen beobachtete, die gegen ihre Fensterscheiben knallten. Als wäre ein Zauber von ihr abgefallen. Albus Potter war kein Fan von Weihnachten, doch noch mehr als das Fest der Liebe verabscheute er die paar Tage davor, die seine werte Mutter damit verbrachte, die unter ihren Fittichen stehenden Potters und Weasleys dazu zu verdonnern, ihr mit zahllosen Zimmern versehenes Haus auf Vordermann zu bringen. Denn selbstverständlich hatten sie keine Hauselfen – wie auch bei einer Tante, die B.Elfe.R ins Leben gerufen hatte? Da Hermione, Ron und die anderen Berufstätigen diese paar Tage gleich seinem Vater im Ministerium verbrachten, aßen die Kinder im Hause der Potters und waren dazu verdammt, im Haushalt mitzuhelfen, was soviel bedeutete, wie sich die Hacken wund zu schuften. Insofern seine Mom genügend Aufgaben vorbereitet hatte, um sie von fragwürdigen Freizeitbeschäftigungen, wie dem simplen Spaßhaben, abzuhalten. Ginny Potter wusste, wie man sie am besten terrorisierte und ihre Stimmung würde wohl erst lockerer werden, wenn sein Bruder James irgendwann auf der Türschwelle erschien und die gesamte Familie Weihnachten feiern konnte. Albus seufzte. Er verabscheute diese Zeit, wie wahr. Zudem wechselten Fred und er seit Tagen kaum ein Wort miteinander. Rose und Albus schnappten sich an einem besonders heiklen Tag, den beide nicht gerne mit Putzen zubringen wollten den Schlüssel für den Dachboden und verzogen sich klammheimlich von den anderen – was zwar kaum unbemerkt bleiben würde, aber das war es ihnen wert. Auf dem Dachboden lagen, seit Albus gedenken konnte, die Unikate einer längst vergangenen Zeit. Man fand den größten Schrott und ekliges Getier, doch gleichsam gut standen die Chancen, etwas hervorzuzaubern, das weit mehr Bedeutung hatte. Hier oben hatte sein Vater viele Habseligkeiten seiner Eltern, die nach der Großen Schlacht von Hogwarts aufgetaucht waren, vergraben. Allesamt verpackt in Muggelumzugskartons und mit einer meterdicken Staubschicht verziert. Tatsächlich hatte Albus einmal von seiner Mutter in einer ruhigen Minute die Geschichte erzählt bekommen, dass nach Voldemorts endgültigem Fall die Mysteriumsabteilung des Zaubereiministeriums Objekte freigegeben hatte, die man der dringlichen Notwendigkeit nach, seit der Nacht des 31.Oktobers 1981 aufbewahrt hatte. Ginny hatte sich mit Grauen daran zurückerinnert, wie sein Vater bei dem Anblick eines verwahrten, längst vergangenen Lebens reagiert hatte – für Harry war es mehr als unverständlich gewesen, dass man alles aus dem Haus in Godric‘s Hollow aufbewahrt hatte. Jedes Möbelstück, jede Garnitur. Harry Potters Kinderbett. Sogar ein Stück Teppich, auf dem Lily Potter tot aufgekommen war. Albus hielt es noch immer für makaber. Und er wusste nicht, was seinen Vater nach diesen Dingen dazu bewegt hatte, trotzdem noch für das Ministerium zu arbeiten. Bitter bedachte er den Umstand, dass Harry Potter sogar im Begriff war, Zaubereiminister zu werden. Er warf einen Blick über die Schulter und sah, wie Rose schon begeistert den Staub von einem Buchdeckel wischte, bevor sie sich vorsichtig im Schaukelstuhl der ersten Lily Potter niederließ und es aufschlug. Für Rose war dieser Dachboden das Bücherparadies schlechthin. Doch Albus zog es weiter, viel weiter. In die hinterste, verstaubteste Ecke. Er tauchte hinter einem massiven Eichenholzschrank unter, der seines Wissens einmal Sirius Black gehört hatte, und schlich vorsichtig weiter über schwere Teppiche. Der aufwirbelnde Staub kitzelte ihn in der Nase, doch es störte ihn nicht. Denn eine Kiste, ähnlich einer Truhe, in der Piraten ihre Schätze aufbewahrten, übte eine verstörende Faszination auf ihn aus. Er hatte die Magie geschmeckt, die unweigerlich von ihr ausgegangen war und ihn angelockt hatte. Vorsichtig ließ er sich vor ihr nieder und öffnete sie. Ein Knarren ertönte, eines dieser unheilvoll langgezogenen Geräusche, die in Muggelfilmen immer Anzeichen dafür waren, dass im nächsten Moment etwas Außergewöhnliches erscheinen würde. Doch ihm blitzten keine Galleonen entgegen, lediglich verstaubte Antiquitäten – auf den ersten Blick. Albus griff nach einem kleinen Kasten und identifizierte ihn schließlich als Spieluhr. „Rose, komm mal her“, rief er nur und klappte das Kästchen mit dem Daumen auf. Kein Knarren – nichts. Nur eine seltsam wunderliche Melodie, die ertönte, und einen Faden der Erinnerung bei ihm hinterließ. Die Töne waren schön – keine Frage, und als Rose sich neben ihn hockte, stand ihr die Verwirrung geradezu ins Gesicht geschrieben. „Was ist das für eine Truhe, Al?“ „Ich habe keine Ahnung“, erwiderte er wahrheitsgemäß, doch im selben Moment kam ihm eine Idee. „Was meinst du, könnte ich die hier Alice zu Weihnachten schenken?“ Rose nahm ihm die Spieluhr aus der Hand und drehte sie zwischen ihren Fingern, suchte jeden Zentimeter ab und schließlich legte sich ein leicht triumphierender Ausdruck auf ihr Gesicht. „Schau“, befahl sie schlicht und er bemerkte die zwei kleinen Buchstaben, welche in das Holz der Schatulle graviert worden waren. So klein, dass er sie übersehen hätte. „LE“, sagte er wissend und Rose nickte. „Lily Evans.“ Ein ehrliches Lächeln zierte Rose‘ Gesicht, als sie sagte: „Du weißt schon, dass man Erbstücke gewöhnlich nur der Frau schenkt, die man zu heiraten gedenkt?“ Al bemerkte, wie ihm unbehaglich zumute wurde, als seine Cousine ihm diesen Blick der unterdrückten Begeisterung zuwarf – Alice war immerhin ihre beste Freundin. Er zuckte mit den Schultern, doch stellte die Spieluhr neben sich ab. Er würde sie ihr schenken; mochte Rose es interpretieren, wie sie wollte. Ein spitzer Aufschrei riss ihn aus der Contenance und erschrocken blickte Albus zu Rose, die ein dickes Buch aus der Truhe genommen hatte und nun auf ihre Knie legte – als wäre es eine außerordentliche Kostbarkeit. Ihr Atem ging unregelmäßig und Albus verdrehte die Augen – es war schon etliche Male Zeuge geworden, wie Rose wegen eines Wälzers hyperventilierte. Seine Cousine schloss kurz die Augen und flüsterte dann mit erstickter Stimme: „Das ist eine Erstausgabe von Geschichte der Zauberei von Bathilda Bagshot! O bei Merlin, Al, die muss unglaublich wertvoll sein!“ Ihre Ohren wurden vor Begeisterung ganz rot, während Albus nur den Mund verzog – Bücher widerten ihn in etwa so sehr an wie die Weihnachtsfeiertage. Doch als Rose jäh verstummte, irritierte ihn das unweigerlich. Er sah, wie sie schluckte und auf die erste Seite starrte, bis sie ihm schweigend das Buch in den Schoß legte und er las. Für die Rose, die mir so ähnlich ist, deren Liebe über die Grenzen verwischt. LP Albus fühlte, wie sein Mund staubtrocken wurde und er blätterte die Seiten nacheinander um – hunderte Seiten auf der Suche nach einer weiteren Botschaft, bis ihm ein Datum in die Augen fiel, das ihn stutzen ließ. „Wann ist Bathilda Bagshot gestorben, Rose?“ „Im Jahr 1997, allerdings wurde ihre Leiche erst Monate später entdeckt und man fand Spuren, die darauf hindeuteten, dass sie schwarz-magisch missbraucht wurden ist, was widerum-“ Um ihre Geschichtsstunde zu unterbrechen, hob Albus kurz die Hand und als er den Blick hob, bemerkte Rose, wie ihm der Schweiß auf der Stirn stand. „Wie kommt es dann, dass es in diesem Buch noch Kapitel über die 'Schlacht von Hogwarts', 'Voldemorts Fall' und den 'Aufbau des Ministeriums in der neuen Magischen Welt' gibt?“ Seine Stimme überschlug sich und brach jäh ab. Kein Quidditchspiel der Welt hatte es geschafft, in ihm die Angst hochköcheln zu lassen – ein verstaubtes Buch schon. Rose griff danach, klappte es zu und legte es weg von ihnen, bevor sie sich mit zusammengekniffenen Augen dem restlichen Inhalt der Truhe zuwandte. Albus konnte trotz aller Warnungen seiner Eltern vor womöglich schwarz-magischen Objekten nicht anders, als sich ebenfalls über die Schätze zu beugen. Er erhaschte den Blick auf mehrere dünne, rote Bände und zog eines hervor. Als er es aufschlug, bestätigte sich seine Vermutung, dass es ein Tagebuch war, und er blätterte bis zur ersten Seite in Erwartung einer Widmung – und blieb nicht enttäuscht, während sich ihm der Magen umdrehte. „Gewidmet: Albus Potter“, las er leise und mit trockener Stimme Rose vor, die sofort inne hielt. Er runzelte die Stirn bei der Zeile, die etwas kleiner darunter gekrakelt wurden war: „Dein Zweitname ist hoffentlich nur ein schlechter Scherz.“ Er musste nicht weiterlesen, um zu wissen, wer in dieses Buch geschrieben hatte – wem es gehört hatte. James Potter, seinem Großvater – einzig und allein er musste der Verfasser gewesen sein. Was nur noch mehr Rätsel aufgab. Er blätterte weiter und las die nächsten Abschnitte nicht mehr laut vor. Krones klägliche Versuche eines Tagesbuches. Jahr III. Wie man ein Animagus wird. Albus‘ Hand zitterte, als er das eine Wort las, welches ihn schon immer so sehr fasziniert hatte. Die Animagusverwandlung gehörte zu den schwersten magischen Zaubern überhaupt und in Hogwarts fand man keinerlei Bücher mehr darüber – selbst wenn er glaubte, in McGonagalls Büro fündig zu werden. Die bloße Vorstellung, seine Gestalt beliebig in die eines Tieres zu verwandeln, begeisterte ihn. Und in seinen Händen lag ein Exemplar, das ihm keiner nehmen konnte und das ihm genaue Anweisungen liefern könnte, sich diesen Kindheitstraum zu erfüllen. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Seltsamerweise war es nicht Fred, den er gedachte, in diese Sache mit einzuweihen. „Scorpius kommt dich doch bald besuchen, oder irre ich mich?“, fragte er Rose und als seine Augen sich auf ihre Gestalt legten, sah er den entsetzten Ausdruck auf ihrem Gesicht und schielte hinunter zu dem Objekt in ihren Händen. Zuerst dachte er, es sei ein Schwangerschaftstest oder dergleichen, doch dann erkannte er es als etwas anderes. „Pass bloß auf, das ist ein magisches Taschenmesser – wer weiß, was das Ding im nächsten Moment auspackt!“, warnte Albus sie, doch Rose zeigte einen weiteren Moment lang keine Reaktion, bis – „Tatze vererbt es dem mutigsten Slytherin und besten Malfoy.“ „Na, wenigstens hast du jetzt auch ein Weihnachtsgeschenk für ihn“, scherzte Albus, doch sein Kopf schmerzte ihm. Das war zu viel – viel zu viel Unerklärliches auf einmal. „Merlin“, schrie Rose plötzlich und raufte sich die Haare, sodass sich Staub in ihren dunkelroten Wellen verfing. „Ich versteh das nicht! Das ist ganz und gar nicht logisch! Es kann doch nicht sein, dass wir hier Sachen finden, die mehrere Jahrzehnte alt sind und die uns vererbt wurden, obwohl James, Lily, Sirius – alle – keine Ahnung davon gehabt haben konnten, dass wir einmal existieren werden.“ Das Unwissen bereitete ihr sichtliches Unbehagen und Albus hätte ihr zu gern geholfen, dieses Rätsel aufzuschlüsseln, doch sein Kopf ließ keine logischen Gedankengänge zu. „Ich meine“, setzte Rose verzweifelt an und blickte auf das Buch der Geschichte der Zauberei. „Das kann nicht möglich sein! Und wieso finden wir diese Truhe erst jetzt?“ Ihre Blicke kreuzten sich, als zwischen ihnen ganz langsam ein Fetzen Pergament hinunter segelte. Albus und Rose rissen die Köpfe nach oben, doch da war nichts. Nichts außer den Dachschrägen. Jedem das Seine zur richtigen Zeit, stand in kursiver Schreibschrift auf dem kleinen Stück Papier. Sie kommunizierten mit dem Himmel. „Könnte ich dich eigentlich begleiten?“ Ihre leise gestellte Frage durchbrach die Stille zwischen ihnen und Imogene beobachtete aufmerksam, wie sich Hugos Blick fokussierte und ihr zuteil wurde. Sie spürte sein übliches Misstrauen, das er noch immer nicht abgelegt hatte, diesmal mischte es dich jedoch mit einer Prise Amüsement und sie unterdrückte ein theatralisches Seufzen. Mehr und mehr titulierte sie sein ihr -eher widerwillig - entgegengebrachtes Vertrauen als schweren Fehler seinerseits, denn Kooperation lag Hugo Weasley ganz und gar nicht. Mittlerweile schalt sie sich sogar schon selbst für ihre unangebrachte Neugier. Denn seit sie in sein düsteres Geheimnis eingeweiht worden war, hatte sich ihr Leben nur unnötig verkompliziert. „Das kannst du nicht“, meinte er und verzichtete darauf, hinzuzufügen, dass er sie selbst im Falle, diese Möglichkeit - ihn in den Träumen zu begleiten - bestünde, wohl kaum mitnehmen würde. Imogene senkte geknickt den Blick und überflog erneut die vielen unsauber dahingekrakelten Worte im kleinen Notizbuch erneut. Sie hatte ihn angewiesen, eines anzulegen, um einen besseren Überblick über die Träume zu erhalten und vielleicht durch eine Sammlung zur Rätsels Lösung zu gelangen. Doch je öfter sie die Wortgruppen unter dem Überbegriff Rose las, umso mehr betrübten sie ihre Sinne. „Lily distanziert sich“, murmelte sie schließlich traurig und klappte das Buch zu. Seit Rose und ihr Bruder ein Paar waren, zerriss der bloße Gedanke daran, Hugos Traum könne sich erfüllen, ihr Herz. Er schloss es keinesfalls aus, dass noch Jemand bei ihr war. „Ich hatte es im Gefühl“, bestätigte Hugo nachdenklich. „Nur das erklärt die Träume mit Lily noch lange nicht.“ Imogene wusste, dass der Weasley gesehen hatte, wie Lilys Seele schwarz wurde, wie sie sich für die falsche Seite entschied, doch noch immer war ihr Glaube an das Gegenteil ungebrochen. Sie wollte sich ablenken, doch allein mit einem schweigsamen Hugo in dessen Zimmer, treib sie dazu, sich nur auf die graue Zukunft zu besinnen. „Es ist albern“, begann sie zögerlich, doch als Hugo keine Reaktion zeigte, fuhr sie fort. „Aber bei Slughorns Party erschien es mir fast so, als hätte sie Interesse an Professor Doyle. Das ist albern.“ Umsichtig schlug sie das Buch erneut auf und blätterte ein paar Seiten vor. Hugo hatte auch andere Träume, doch anstelle die mit Lily zu lesen, widmete sie sich der Rubrik Sonstiges. „Du träumst von Hirschen? Das klingt doch fast normal.“ „Einem Hirsch“, berichtigte sie Hugo leise und fügte hinzu: „Wenn sie nicht alle eine Bedeutung hätten, wäre es vielleicht normal.“ Imogene seufzte und las sich zum wiederholten Male die Wortgruppen über die ständig wiederkehrenden Träume mit Rose durch. Hugo hatte alles aufgeschrieben, an das er sich hatte erinnern können – wolkengleiche Wände, strahlend blau; weicher Teppichboden und ein riesiger Halbmond, der in der Ecke schwebte. Dahinter hatte er ein großes Fragezeichen gemalt. Die verspielte Innenarchitektur rührte an ihren Gedanken. Es gab ein großes, bodenlanges Fenster – vielleicht auch zwei, Fragezeichen – und an dem einen stand Rose. Unverkennbar. Die Sonne ging langsam unter und man hatte den freien Blick auf den ansehnlichsten Springbrunnen. Majestätisch ragte er hervor und sprühte Wasser umher. Die Wasserelfen tanzten und tauchten unter. Imogene spürte, wie sich in ihr etwas regte, wenn immer sie diese Worte las, doch ein Schleier verbarg ihr die Sicht. Bis Tumult auf der Treppe Hugo und sie aus den Gedanken lockte. Sie setzte sich auf und rechnete damit, dass gleich Jemand hineinstürmen würde – und sie behielt Recht. Ginny Potter stürmte blind vor Freude in Hugos Zimmer hinein und zog Jemanden, der sie um mehrere Köpfe überragte, hinter sich her. Imogenes Herz setzte beim Anblick des jungen Mannes aus. „Hugolein, schau, wer endlich da ist! James!“ Ihre vor Stolz blitzenden Augen und die grenzenlose Glückseligkeit hatte Imogene zuvor noch bei keiner Mutter in diesem Ausmaß gesehen. Aus den Augenwinkeln musterte sie den durchaus gutaussehenden James Sirius Potter, der sich nun zu Hugo, der auf dem Bett fläzte, hinunter beugte und ihn mit unsagbarer Leichtigkeit mit einer Hand auf die Füße zog. Und sie sah Hugo strahlen – zum ersten Mal wirklich. „Deine Freundin?“, grinste James schließlich und warf Imogene einen lässigen Blick zu. Sie spürte, wie ihr die Röte in die Wangen kroch und sah verlegen weg. Normalerweise fehlten ihr nie die schlagfertigen Antworten. „Das ist meine gute Freundin Imogene Malfoy“, stellte Hugo sie vor und James hielt ihr seine Hand hin, die sie nur zögerlich ergriff und schüttelte. Zwei Dinge wurden ihr klar, als sie in James Potters Augen sah. Zum einen, dass das Gefühl in ihr ganz klar kindliche Schwärmerei in den Schatten stellte. Und zum anderen klärten sich mit einem Mal ihre Sinne, als hätte er sie in die Wirklichkeit gezogen. Imogene wusste, wohin Hugo täglichen in seinen Träumen verschwand. Sie wusste plötzlich, was es nur sein konnte. Es war ein Kinderzimmer. In Malfoy Manor. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)